Deutsches Fremdwörterbuch: Band 5 T
 9783110842555, 9783110087017

Table of contents :
Verzeichnis der zitierten Zweitquellen
T
Tabak – Tyrannisieren
Berichtigung

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Deutsches Fremdwörterbuch Fünfter Band

Deutsches Fremdwörterbuch Begonnen von Hans Schulz, fortgeführt von Otto Basler weitergeführt im Institut für deutsche Sprache

Fünfter Band

T bearbeitet von Alan Kirkness, Elisabeth Link, Isolde Nortmeyer, Gerhard Strauß unter Mitwirkung von Paul Grebe

w DE

G Walter de Gruyter • Berlin • New York 1981

Wissenschaftlicher

Beirat:

Joachim Bahr, Bernhard Gajek, Wolfgang Müller, Peter von Polenz, Heinz Rupp

CIP-Kurztitelaufnahme

der Deutschen

Bibliothek

Deutsches Fremdwörterbuch / weitergef. im Inst, für Dt. Sprache. Begonnen von Hans Schulz. Fortgef. von Otto Basler. — Berlin ; New York : de Gruyter Bd. 1 u. 2 u. d. T . : Schulz, Hans: Deutsches Fremdwörterbuch NE: Schulz, Hans [Begr.]; Basler, Otto [Bearb.]; Institut für Deutsche Sprache (Mannheim) Bd. 5. T / bearb. von Alan Kirkness . . . unter Mitw. von Paul Grebe. - 1981. ISBN 3-11-008701-4

© 1979/1981 by Walter de Gruyter & Co., vormals G . J . Göschen'sche Verlagshandlung J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit & Comp. Printed in Germany Alle Rechte des Nachdrucks, einschließlich des Rechtes der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, vorbehalten. Satz und Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin 30 Bindearbeiten: Lüderitz & Bauer, Berlin 61

Verzeichnis der zitierten Zweitquellen Die im Text verwendeten Kurztitel erscheinen eingeklammert in Versalien jeweils am Ende der bibliographischen Angaben. Georg Friedrich Benecke, Wilhelm Müller, Friedrich Zarncke, Mittelhochdeutsches Wörterbuch (Ndr.), Hildesheim 1963 ( B E N E C K E / M Ü L L E R / Z A R N C K E ) Hans Holm Bielfeldt, Die Entlehnungen aus verschiedenen slawischen Sprachen im Wortschatz der neuhochdeutschen Schriftsprache, Berlin 1965 ( B I E L F E L D T ) Richard Brunt, The Influence of the French Language on the German Vocabulary (1649—1748), Diss. Oxford 1979 ( B R U N T ) Timothy Buck, „Selfmade-Englisch": Semantic Peculiarities of English Loan-Material in Contemporary German, in: Forum for Modern Language Studies 10/2 (1974) 1 3 0 - 1 4 6 ( B U C K ) Joachim Heinrich Campe, Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der unserer Sprache aufgedrungenen fremden Ausdrücke, Braunschweig 2 1813 ( C A M P E ) Broder Carstensen, Englische Einflüsse auf die deutsche Sprache nach 1945, Heidelberg 1965 (CARSTENSEN) —, und Hans Galinsky, Amerikanismen der deutschen Gegenwartssprache. Entlehnungsvorgänge und ihre stilistischen Aspekte, Heidelberg 1963 ( C A R S T E N S E N / G A L I N S K Y ) Carl Creifelds, Rechtswörterbuch, München 3 1973 ( C R E I F E L D S ) Duden. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Mannheim/Wien/Zürich 1976ff. ( D U D E N ) Kristi Friman, Zum angloamerikanischen Einfluß auf die heutige deutsche Werbesprache, Jyväskylä 1977 (FRIMAN) Peter Ganz, Der Einfluß des Englischen auf den deutschen Wortschatz 1 6 4 0 - 1 8 1 5 , Berlin 1957 (GANZ) Goethe-Wörterbuch, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1966ff. ( G W B ) Alfred Götze (Hrsg.), Trübners Deutsches Wörterbuch, Berlin 1939ff. ( T R Ü B N E R ) E. G . Graff, Althochdeutscher Sprachschatz oder Wörterbuch der althochdeutschen Sprache (Ndr.), Hildesheim 1963 ( G R A F F ) Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Leipzig 1854 ff. ( D W B ) Moriz Heyne, Deutsches Wörterbuch, Leipzig 1890ff. ( H E Y N E ) William Jervis Jones, A Lexicon of French Borrowings in the German Vocabulary (1575 — 1648), Berlin/New York 1976 0 O N E S ) Joseph Kehrein, Fremdwörterbuch mit etymologischen Erklärungen und zahlreichen Belegen aus Deutschen Schriftstellern, Stuttgart 1876 ( K E H R E I N ) Ortrud Keil, Die italienischen Lehn- und Fremdwörter im Deutschen, Diss. Innsbruck 1944 (KEIL) Ruth Klappenbach und Wolfgang Steinitz (Hrsg.), Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache, Berlin 1961 ff. ( W D G ) Friedrich Kluge, Deutsche Studentensprache, Straßburg 1895 ( K L U G E , Studentensprache) —, Seemannssprache. Wortgeschichtliches Handbuch deutscher Schifferausdrücke älterer und neuerer Zeit, Halle 1911 ( K L U G E , Seemannssprache) - , Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, Berlin 2 0 1967 (bearbeitet von W. Mitzka) (KLUGE) - , (Hrsg.), Zeitschrift für deutsche Wortforschung Bde. I - X V , Straßburg 1901 ff. (ZFDW) Otto Ladendorf, Historisches Schlagwörterbuch, Straßburg/Berlin 1906 ( L A D E N D O R F ) Heidi Lehmann, Russisch-deutsche Lehnbeziehungen im Wortschatz offizieller Wirtschaftstexte der D D R (bis 1968) ( = Sprache der Gegenwart 21), Düsseldorf 1972 ( L E H M A N N ) Matthias Lexer, Mittelhochdeutsches Wörterbuch, Leipzig 1872 ff. ( L E X E R ) Daniel Malherbe, Das Fremdwort im Reformationszeitalter, Freiburg i/B. 1906 ( M A L H E R B E )

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Verzeichnis der zitierten Zweitquellen

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Wir danken Herrn Professor Dr. Broder Carstensen (Paderborn), der uns unveröffentlichtes Belegmaterial für sein projektiertes Wörterbuch der Anglizismen im heutigen Deutsch zur Verfügung gestellt hat. Ebenfalls danken wir Herrn John Bennett für die Benutzung des Belegmaterials aus seiner Oxforder Dissertation The Influence of English on the German Vocabulary 1800—1850 (in Vorbereitung). Dieses Material wird mit ( C A R S T E N S E N ) resp. (BENNETT) gekennzeichnet.

T Tabagie F. (-; -n), PI. früher auch -s, im späten 17. Jh. vereinzelt, seit späterem 18. Jh. häufiger nachgewiesene Entlehnung aus gleichbed. frz. tabagie ( < gleichbed. span. tabagia); anfangs auf indianische Verhältnisse bezogen für '(festliche) Zusammenkunft der Indianer, bei der geraucht wird', heute veraltend in der Bed. •Rauchstube, (Tabak-)Schenke, Kneipe', gelegentlich auch für 'Tabaksgesellschaft'; dazu im 19. Jh. vereinzelt die verbale Ableitung tabagieren 'sich in Tabakschenken aufhalten', auch als Präfixbildung herumtabagieren. Tabagie: Du Val 1681 Geog.Univ. 49 DerToback ist ihre [der Indianer] gröste Ergetzung / dahero sie ihre Ergetzungs-Fest und Zusammenkunfften / daran sie pflegen Toback zu schmeuchen / Tabagies nennen (PALMER); Lenz 1774 Hofmeister (NL 80) 43 Das ist so meine Diät: des Morgens kalt Wasser und eine Pfeife . . . Gott behüte, ich bin in eine Tabagie gekommen; Becker 1784 - 86 Reise 226 wenn der alte König in der Tabagie gesessen hat, wo er sich . . . mit einigen alten Kriegern . . . einige Stunden vertrieben hat; 1799 Br. Schweiz 10 gewisse, aus lauter Mannspersonen bestehende Zirkel, die man Tabagies zu nennen pflegt, und in welchen getrunken, Tabak geraucht, politisirt und gespielt wird; Rhode 1799 Berlin I 49 Noch häufiger sind die Tabagien, welche sich durch Aushängeschilde ankündigen, die durch ihre kleine unansehnliche Form gewöhnlich schon das Ärmliche des ganzen Wesens verrathen; Hoffmann 1845 Übersicht 5 die dritte Klasse [verkehrt] in den Bürgerressourcen und Tabagien; Glasbrenner 1845 Buffey's Wallfahrt 5 Ich

habe Interessen, weil ich früher eine kleine Tabagie und ein noble jeu du Billardt hatte; Tietz 1859 Erinnerungen 77 „Tabagien" (der damalige altväterische Namen für unsre jetzigen Bierhallen); Müller 1864 Reisen II 437 In England errichtete man die ersten Tabagien oder Versammlungsorte für Rauchen; Hohenzollern-Jb. 5 (1901) 200 „die Tabagie" König Friedrichs I.; Friedell 1928 Kulturgesch. II 93 „Tabagien", besondere Lokale; Gebauer 1932 Kulturgesch. 391 Es herrschte daher [in Berlin] fast überall noch ein ziemlich kleinstädtisches Leben trotz des oft regen Verkehrs in den engen Geschäftsstraßen und in den viel besuchten „Tabagien", Cafés und Weinstuben; ebd. 404 Kaffeehäuser und Tabagien gab es in großer Zahl schon im 18. Jahrhundert; Ley den 1933 Gross-Berlin 51 „Tabagien". tabagieren: Guseck 1851 Salvator II 126 tabagirt. herumtabagieren: Fontane 1898 Zwanzig 523 in seiner Potsdamstrassennachbarschaft herumzutabagieren.

Tabak M. (-(e)s; selten -e), im späteren 16. Jh. entlehnt aus gleichbed. span. tabaco (vermutlich zurückgehend auf gleichbed. indian./amerikan. tabac(c)o, ursprünglich 'aus Maisblättern angefertigte, mit trockenem Kraut gefüllte Rolle zum Rauchen; Rauchrohr'; vgl. frz. tabac, früher auch tobac, engl, tobacco), anfangs in der span. Form und gelegentlich in der Schreibung Tubac(k), bis ins 18. Jh. selten in der gelehrtenlat. Form tabacum (nicotiana) und bis in die jüngste Zeit in der meist scherzhaft und nur in festen Wendungen gebrauchten Nebenform Toba(c)k; a als Bezeichnung für eine zur Gattung der Nachtschattengewächse gehörende Kulturpflanze mit nikotinhaltigen Blättern, in Syntagmen wie Tabak anbauen, ernten, fermentieren und als Grund- und Bestimmungswort in Zss. wie Rohtabak; Tabakanbau, -blätter, -blüte, -ernte, -pflanze; b gleichzeitig als Bezeichnung für ein aus den getrockneten oder fermentierten Blättern der Tabakpflanze

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Tabak

hergestelltes, zum Rauchen, Kauen und Schnupfen verwendetes Genußmittel, in den veralteten Wendungen Tabak trinken, saufen 'rauchen', dann auch bes. in den meist übertragen und ugs. gebrauchten Redewendungen das ¡st starker Tabak/ Tobak 'das ist ein starkes Stück, übertrieben, dick aufgetragen, unglaublich' und A n n o Tobak '(Anno) dazumal, vor langer Zeit, zu Großvaters Zeiten'; häufig als Grund- und Bestimmungswort in Zss. wie Zigaretten-, Schnupf-, Kautabak; Tabakspfeife, -dose, Tabakrauch, -sorte(n), -Steuer und Tabakskollegium als historische Bezeichnung für eine zwanglose Abendgesellschaft König Friedrich Wilhelms I., aber auch allgemeiner für 'gesellige Tabaksrunde'; nur regional (österr.) in den Zss. Tabakregie 'staatliche Tabakwerke' und Tabaktrafik 'Verkaufsstelle, Kiosk für Tabakwaren, Zeitungen, Briefmarken usw.'. Dazu um die Wende 19./20. J h . die seltene verbale Ableitung tabaken '(Tabak) rauchen, qualmen'. Tabak a: 1560 (1950 Gymnasium 113) herba nicotiana sive tabaco; de Bry 1590 America 115 Diß hat bey den Indiern gegen Nidergang mancherley namen bekommen / nach gelegenheit deß orts / da er wächst. Die Spanier pflegens Tabaco zu nennen (PALMER); Megiser 1613 Nort Welt 344 Sie [die Landschaft Virginia] ist sehr fruchtbar / dann darinn wechst Wein / Cederbäum / Sassafraß . . . Türckisch Korn . . . Tabaco und sonst allerley gute Früchten (PALMER); Hulsius 1615 2. Schiffart 93 Tubac oder Necotiana; Ens 1618 Lustgart 322 wiewol es [Petum] dessen Interpres / aber doch unrecht / für Tabacum Mexicanum gehalten (PALMER); 1634 Besch. Brasil. 23 Die Handlung bringet 600 tausend Cronen, und ist von Zucker, Toback Brasilisch Holz (PALMER); Schurtz 1672 Materialienkammer 23 Folia Tabaca, wird auch genannt Nicotiana ist erstmals aus America zu uns gebracht . . . Jetzt wird solcher in Teutschland an unterschiedlichen Arten gepflanzt; 1677 Zürich. Reisebesch. II 17 Zucker / Taback / Baumwullen / Indigo (PALMER); ebd. II 21 Den Taback belangend / was derselbe und wie er gepflanzet / ist unnöthig zumeiden / weilen derselbe in unseren Landen wachßt / und leider allzuwol bekannt ist (PALMER); Horneck 1684 Österreich 97 Das erste ist der Tabac / von dessen Pflanzung Europa vor hundert und achtzig / Teutschland aber vor etwan sechzig Jahren gar nichts gewust; Woyt 1709 Gazophylacium 917 Tabacum . . . der Tabac, bestehet aus langen, weichen und fetten Blättern, eines scharffen Geschmacks, und widrig Schlafbringenden Geruchs . . . Dieses Kraut wird hin und wieder in Deutschland . . . aus einem kleinen Saamen gezogen . . . Es sind viel Sorten des Tabacks; 1801 Ztg. f . Naturforscher II 248 Bei zärtlichen Blättern hilft das Abwaschen mit Wasser oder Decoct von Tobacksblättern; 1816 Zf Baiern II 101 Tabakbau in Baiern; Rolef 1887 Reisebr. 73 Dort werden nun jetzt 6000 Arbeiterinnen, bei

größerem Bedarf manchmal 8000 beschäftigt, um die Tabakblätter zusammenzurollen; Lokal-Anz. 21. 4. 1934 Schließlich darf der deutsche Tabakanbau nicht vergessen werden. Die deutsche Tabakernte belief sich . . . auf 282000 dz. Sie deckt ungefähr ein Viertel unseres Bedarfs an Rohtabak; ebd. 22. 7. 1934 Draußen auf den Feldern um Schwedt stehen die gerade ausgerichteten Zeilen mit den grünen breitblättrigen Tabaksgewächsen; ebd. 6. 9. 1934 Unsere Tabakeinfuhr wäre noch viel größer, hätten wir nicht selbst in Deutschland ... . Tabakanpflanzungen; Dtsch. AZ. 27. 8. 1935 Eine konjunkturelle Besserung zeigte sich nur bei Deutschland und Bulgarien (Tabakausfuhr nach Deutschland); Münch. N.N. 15. 12. 1940 In Baden . . . befindet sich auch der Standort der „Reichsanstalt für Tabakforschung", deren Arbeiten die Veredlung des deutschen Rohtabaks und die Züchtung neuer Sorten zum Ziel haben..Vielleicht ist es das größte Verdienst der Reichsanstalt, zum erstenmal den natürlichen nikotinfreien Tabak durch verschiedene Samenkreuzungen gezüchtet zu haben \ebd. 12. 10. 1942 Zweite Tabakeinschreibung in Heidelberg (Überschr.) Am 9. 10. fand die zweite Grümpen- und Sandblatteinschreibung der Ernte 1942 statt, nachdem tags zuvor die Grümpen und Sandbiätter aus dem Anbaugebiet Franken zugeteilt wurden. Bei der Einschreibung brachte der Landesverband badischer Tabakbauvereine rund 5000 Z. lose und ca. 12000 gebüschelte Grümpen; ebd. 6J7. 5. 1944 Für rund 70000 klein- und mittelbäuerliche Betriebe . . . in Deutschland ist . . . der Tabakbau eine Daseinsfrage; ebd. 11. 9. 1944 Von der Tabakpflanze zum Rauchkraut. Fermentierung oder Beize des Tabaks (Überschr.); Süddtsch. Ztg. 14. 9. 1951 Heute ist die Gilde der Tabakpflanzer auf sechs zusammengeschrumpft; ebd. 3. 8. 1957 Im fränkischen Tabakanbaugebiet hat die Ernte begonnen.

Tabak Tabak b: Benzoni 1579 Der Newen Weldt LXXIX Dann es ist mir offtermals und dick geschehen / als ich durch die Landschafft Guatimalam und Nicaraguam reiset / wan ich etwan ungefehr in eynes Indianers Hauß käme / der diß Kraut gerochen (welches sie in Mexicanischer Spraach Tabacco nennen) so baldt mir solcher stinckender un Teufflicher Geruch in die Nase käme / must ich von stundtan darauß fliehen und anders wohin zuherberig einkehren (PALMER); Hulsius 1629 20. Schiff. 32 Die Männer pflegen den Taback gar sehr zu trincken (PALMER); ebd. 45 hatte in seiner handt ein Tabackpfeiff / solänger als ein halbe Elen war (PALMER); ebd. 91 praesentirete ihnen ein pipe gut Tubac (PALMER); Lauremberg 1631 Horticultura 195 Tabacum [sei gut] ad vultera aut ulcera; Martin 1637 Pari. 233 allzeit leut da seind / die taback trinken / dessen rauch ich nicht riechen vnd erleiden kan; Rist 1647 friedewünschendes Teutschland 41 und trinket ein paar Pfeifen Tabak; Titz um 1650 Ged. 238 Eh dieses Buch dir sol den Stinck-Taback anzünden, So lass es lieber da, wo man sich leichtert, finden; Olearius um 1650 Taback-Trincken 1" Lustige Invention Oder Beschreibung, WodasTaback-Trincken oderStäncken herkomme; Lassenius 1661 Tischreden 443 Tabacks-Brüdern . . . sie stincken nicht anders, wie die Böcke und Säue; Schorer 1663 Arznei d. Reisenden 89 daß die Indianer Pilulen aus dem Tabac machen; Franz 1670 Sitten-Spiegel 974,2 halten Gespräch miteinander / als wie in einem Gelage / und trincken Toback (PALMER); um 1670 Gepflückte Finken 237 Bier und Toback sauffen; Ganslu 1700 Lugenschmid III 301 mit dem Kraut, aus welchem man den Trinck-Taback machet; um 1700 Schock Phantasten 49 So thut man auch die zeit vertreiben, Mit schnupfen und tobac zerreiben; Gundling 1702 Sehr. 246 erfreuet. . . wenn sie [die Romane] alle zu Pfeffer-Häusel und Tobacks-Fidibus sollten gebrauchet werden; Wemicke 1704 Epigramme 321 Ein Landsknecht raucht, ein Höfling schnubt Toback; Friedrich I. 1709 Br. 193 die Pest lest Gott lob nach, aber ich continouiere noch alle abendt tobac zu rauchen; Callenbach 1711 U 53 das hab ich auch erlebt, daß die Dames SchnuppToback schnuppen; Henrici 1727 Ged. 81 ein Christlich Tobacks-Kräntzgen; Meier 1746 Ursachen 37 Viele deutsche Dichter sind gar zu tjequem. Wenn sie ein Gedicht lesen wollen, lassen sie sich einen Coffee kochen, zünden eine Pfeife Toback an, und wollen vom Denken ausruhen; 1748 Vergnügte Abendstunden I 75 In dem dikken Tobaksdampfe; Lenz um 1772 Notizen IV 286 hab ich bemerkt, dass unter den Tobakrauchern die eigenartigsten Leute sind; Schummel 1773 Würzkrämer 32 [der] Drey-Königs-Tabak rauchte aus einer fingerlangen Pfeife; Schiller 1781 Räuber I

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402 eine derbe Prise Tobak in die Nase reiben; 1788Journal v. u. f . Deutschland II 415 Dass man in Schwaben Toback trinken, an statt rauchen, zu sagen pflege; Nicolai 1790 Anekdoten I 338 das ehemalige Tabackskollegium K. Friedrich Wilhelm I.; 1804 Br. v. d. Univ. 148 die Philister, die in der Wirthsstube bei einer Pfeife Toback konversiren; Picard 1826 Minard II 48 zündet eine Cigarre an und jagt den Frauenzimmern ganze Tabakswolken unter die Nase; 1827 Satzungen Univ. München 19 des Tabakrauchens auf öffentlichen Strassen; Ittner 1828 Sehr. III 174 meerschaumene Tabaksköpfe anrauchte; Heinisch 1836 Baden 92 Schnupftabaksfabrik der Gebrüder von Lotzbeck; Wetzel 1841 Dresdner Parnass 20 fast bei jedem Schritte um „Zigarrenfeuer" oder „Tabaksfeuer" gebeten; Görtz 1852 Reise 1379 das Laster des Tabakkauens; Schücking 1860 Marketenderin 2 Tabakpakete mit dem berühmten dreifach bekreuzten Wappen der Stadt Amsterdam; Liebig 1862 Feldbau 33 Den sogenannten common english tabacco, Brasilientaback, Bauerntaback, welcher besonders reich an Nicotin ist; Fontane 1863 Br. II 1,236 Der Schlußsatz, der etwas starker Tabak ist, trifft mich . . . nicht; Pichler 1867 Gesch. a. Tirol 43 ein kleines Bäuerlein, dem dieser Tabak [Rede des Aufschneiders] zu stark wurde; Genthe 1892 Slang 63 das ist ein starker Tobak; Hopfen 1893 Elend III 32 der alte Kamerad erinnerte sich wohl flugs, dass er anno Tobak mit Dir in demselben Regiment gestanden [hat]; Horix 1895 Erl. 29 seine außerdienstlichen Beziehungen zu den Offizieren bewegten sich so ziemlich im Rahmen des historischen „Tabakcollegiums"; 1898 Kladderadatsch u. s. Leute 208 „Taback" und „Schnaps" waren in Zollsachen tägliche Schlagwörter geworden; Holz 1903 Br. 136 ist dieser Tobakk denn doch vielleicht etwas zu stark; Höcker 1910 Sonne 263 In dem trüben Licht der Lämpchen sah man nun plötzlich die dicken Tabakswolken; Fleischer 1911 Wendelin 35 dass [er] in seinem Laden ausser der „Gemischten Warenhandlung" auch noch eine k.k. Tabaktrafik führte; Kutscher 1917 Sold'lied 43 mit ein'm Päckle guten Tobak, recht starken Tobak; Weberitsch 1924 Leben 56 Schnupftabaksdose zur gefälligen Bedienung; Forschungen u. Fortschritte 4 (1928) 26-27 Das Wort „Tobaco" . . . finden wir erstmals bei Bartolomeo de las Casas (1502), der bei den Indianern auf Haiti das Rauchen von aus Tabakblättern gedrehten Rollen . . . gesehen und darüber berichtet hat; Bamberger 1931 Anno Tobak. Allerlei Ernstes und Heiteres (Titel); Münch. Illustr. Presse 1932 Nr. 3 Zeitung von Anno Tobak (Uberschr.) Es ist ein Vergnügen von eigenartigem Reiz, in alten Zeitungen zu blättern; Lokal-Anz. 29. 8. 1934 Die bulgarische Regierung beabsichtigt, binnen kurzem ein Tabakmonopol

Tabatiere

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einzuführen. Sowohl die Täbakerzeugung als auch der Tabakhandel soll monopolisiert werden; Dtsch. AZ. 28. 7. 1935 Ein gewisses Maß von Tabakschnupfen hat sich aus den Salons und Bürgerstuben des Rokoko bis in unsere Zeit hinein gerettet; ebd. 17. 8. 1935 Vorher bestanden hier vier kleinere Räume, darunter eine nicht zur Vollendung gelangte Kapelle und das „Tabakscollegium" im Eckzimmer; Münch. N. N. 3. 4. 1938 Die österreichische Tabakregie ist eine Staatseinrichtung ganz eigener Art, eine „Spezialität", die begreiflicherweise darauf zurückgeht, den Rauchgenuß der Staatskasse dienlich zu machen; Frankf. Ztg. 16. 6. 1940 wenn man zusammenrechnen könnte, wie viel Unheil und Brandschaden durch Tabakrauchen entstanden . . . wie schädlich endlich das Verschlucken des Tabakdampfes . . . geworden [ist]; Münch. N. N. 6.17. 5. 1944 Kaum ein anderes Genußmittel ist von jeher derartigen Schwankungen des Geschmacks unterworfen gewesen wie der Tabak; Dörfler 1947 Sohn 11 nahm eine Prise Tobak aus einer zierlichen, wappengeschmückten Silberdose; Armbruster 1952 Lux 16 dem herben Duft des schwarzen Lieblingstabaks; Süddtsch. Ztg. 11. 5. 1957 Im Schütting, dem alten Haus der Bremer Kaufleute, tritt von Zeit zu Zeit ein Tabakskollegium zusammen, das sich die Pflege des Pfeifenrauchens zum Ziele gesetzt hat . . . Zum Fetzten Tabakskollegium waren der Staatsrechtler Professor Eschenburg, der HeussPorträtist Professor Kallmann und Max Schmeling gebeten worden; ebd. 27. 12. 1958 Das ist so starker Tobak, daß man ihn ganz sicherlich nirgendwo außerhalb der USA ohne heftigen

Schreck zur Kenntnis nehmen dürfte; ebd. 2. 1. 1959 Ein simples Rezept lag der purifizierenden Regie zugrunde: Man spielte werktreu, Oxford anno Tobak, mit Komment und Plüsch; Tat (Zürich) 5. 12. 1959 Der Absatz von Schnupftabak hat in den letzten Jahren in Großbritannien einen überraschenden Aufstieg erlebt; Offenburger Tagebl. 5. 1. 1962 Die kluge Filmmutter . . . fand die rechten Worte, um die nach 16 Jahren Ahnungslosigkeit (ein etwas starker Tabak!) unvermutet ins Filmatelier . . . eingeschlichene Wirtin vom Lande mit ihrem beruflich Ungetreuen auszusöhnen; Stuttgarter Ztg. 20. 6. 1962 Zu starker Tobak (Uberschr.) Man ist von dem Vorsitzenden der IG Bergbau einiges gewohnt . . . Diesmal aber ging er entschieden zu weit; Süddtsch. Ztg. 27. 2. 1964 Anfängliche Tabakverbote wichen der Tabaksteuer, die wiederum den Tabakschmuggel zur Folge hatte . . . Die Tabaksorten wurden immer zahlreicher. 1765 gab es im kleinsten Münchner Kramerladen . . . bereits „Rauch- oder Trinkh-Tobac, Nürnberger Schwarzer Ribl-Tobac"; Stuttgarter Ztg. 1. 2. 1967 Tabaktreue und Geschmacksreinheit sind die besonderen Vorzüge dieser Cigarette; FAZ 28. 9. 1971 Tabakverbrauch steigt wieder (Uberschr.) Nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes sind im Juli 1971 Tabakerzeugnisse von 1,1 Milliarden DM versteuert worden. tabaken: Hausrath 1899 Bekannter I 22 Depeschen, Brief und Akten / Macht' ihnen wenig Müh', Sie kneipten und tabakten / Von spät bis morgens früh; Heer 1915 Balthasar 108 der . . . aus einem kurzen Pfeifenstummel tabakte.

Tabatiere F. ( - ; -n), im späten 17. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. tabatière, früher tabaquière, anfangs vereinzelt in den Formen Tabac(qu)iere; heute selten in der Bed.

'(Schnupf-)Tabakdose';

noch

regional (österr.) verwendet

in d e r

Bed.

'Zigarettenetui'. Mahrenholtz 1678 Unterredungen Cviif Der Jtaliiner . . . hatte hinter und umb sich gepacket einen Parasol . . . eine Tabacquiere; 1719 Recueil IV 46 Kein Ordens-Bruder darf dem andern bey der Tafel in seine Tabattier langen; Rost 1725 Kutsche 15 so beschenckete er sie bey dieser Gelegenheit mit . . . einer Tabaciere (alle B R U N T ) ; Picander 1726 Schauspiele 23 Ziehet eine silberne Tabattiere heraus; Barth 1728 Ethica 58 Einige können fast nicht ein wort vorbringen, wenn sie die Tabatiere entbehren sollen (BRUNT); Fleischer 1730 Herr v. Lydio I 37 andere um die silberne Tabattieren zu beschuppen; Verdion 1748 Begebenheit 1 121 Tabatiere, Schnupf-Tobacks-Dose; 1760 Leipziger Sammlgn. XIV 181 Reise- und

Jagd-Tabatieren aus Pfundleder; Gotzkowsky 1769 patriot. Kaufmann I 75 eine goldene Tabatiere mit Brillianten garnirt; Mauvillon 1776 Sammlung I 24 die Grosser mit Lobe zu beräuchern, um sich dafür Tabatieren schenken zu lassen; 1788 Journal d. Moden III 441 Dabattieren ä la Necker; Laukhard 1792 Leben I 385 Anm. eine goldene Tabatiere; 1801 (Scheglmann 1908 Säkularisation III 2,647) 4 Tabatieren verschiedner Arbeith; Schall 1825 Wahl (Jahrb. D. Bühnenfestspiele V 81) Damenbilder auf Tabatieren . . . gestrickte Tabacksbeutel; GoetheZelter 1827 Briefw. IV 349 Spiegeltabatiere, die er stets in der Hand hält und unablässig besieht; Poppe 1837 Erfindungen 129 Tabacksdosen oder Tabatieren; Carus 1866 Lebenserinn. III 126 Anm.

tabellarisch - Tabelle einer sehr werthvollen goldenen mit Diamanten besetzten Tabatière; Peterssen 1870 Genrebilder 85 Tabatière . . . der noblen, von so vielen grossen Männern geübten Tabackstaubintroduzirungskunst; Das Leben 1929 Sept.-h. 85 Aber der müde Prinz, der Dichter ohne Mähne . . . nahm statt dessen aus der goldenen Tabatière eine Zigarette; Gläser 1932 Gut 12 durchstöberten wir zwei Trödlerläden nach Kupfern und alten Uhren, nach Tabatièren und alten Apothekerflaschen; Stege-

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mann 1932 Herren 22 Tabatiere, die er aus der altmodischen Brokatweste gefischt hatte; Lokal-Anz. 17. 8. 1933 Mit viel Aufmerksamkeit betrachten die amerikanischen Frauen Bilder und Büsten, Tabatieren und Galakutschen; Ackermann 1954 Mode 55 eine alte, silberne Tabatière, als Puderdose umgearbeitet; Revue 27. 1. 1963 [durch den Auftrieb im Antiquitätenhandel] wurden . . . aus ganz gewöhnlichen Schnupftabaksdosen Tabatieren.

tabellarisch Adj., im späteren 18. J h . aufgekommen, zurückgehend auf lat. tabellarius 'zu den Briefen/Stimmtäfelchen gehörig'; in der Bed. 'in Form einer Tabelle/von Tabellen; listenförmig nach bestimmten Merkmalen geordnet; in übersichtlicher Zusammenstellung dargestellt'; dazu seit spätem 18. J h . die verbale Ableitung tabellarisieren V.trans. 'in Tabellenform bringen, tabellarisch gestalten'. tabellarisch: Michaelis 1768 Räsonnement I 241 Doch das allerschönste Feld für sie ist die Naturkunde in ihrem ganzen Umfang. Sie gehört freilich zu der gleich Anfangs genannten Philosophie, allein ich will nicht tabellarisch schreiben, ich darf sie daher wohl zu letzt nennen; 1772 Frankf. gel. Am. 211 Dieser ist das Skelet eines Buchs, das in einem beständigen andächtigen Selbstgespräch, aber nach Anleitung dieser tabellarischen Ordnung so fortgeht; ebd. 271 Regierungsformen nach wohl skeletirter Tabellarischer Terminologie, was sie zur Verbreitung der Vaterlandsliebe beytragen mögen; Schubart 1774 Dtsch. Chronik 136 Tabellarisch; Dalberg 1791 Grundsätze 150 tabellarische Werk; Wo//1793 Ph. Dulder 1125 tabellarisches Summar; Schiller 1793 - 94 Erziehung XII 19 tabellarischer Verstand; Pütter 1798 Selbstbiogr. 39 Sein ganzer Vortrag war tabellarisch, und äusserst trocken; ebd. 40 Encyclopädie, die man dazu gebrauchen konnte, das unermessliche Feld der Gelehrsamkeit nach allen ihren Gegenständen und Abtheilungen gleichsam mit einem Blick tabellarisch zu übersehen; ebd. 181 tabellarische Übersicht; Aretin 1808 Berg-

fälle 32 alle Jahre eine tabellarische Anzeige der in diesem Jahre sich ergebenen Bergbrüche . . . einzusenden; Goethe 1812 Br. (XXIII 84) compendiarische und tabellarische Reisebibliothek; ders. 1827-42 (W. XIX 110) Ein Tagebuch, wozu er ihm ein tabellarisches Schema mitgegeben (KEHREIN); ebd. LVIII 15 Ich brauchte nur ein Schema tabellarisch auszubilden ( K E H R E I N ) ; Holzgethan 1829Statistik 109 tabellarische Methode [der Statistik]; 1834Jahrbücher d. Gesch. I 543 Die allgemeine Geschichte nicht ohne Erfolg tabellarisch bearbeitet; 1855 Prutz' Museum II 772 tabellarische Anordnung; 1879 Beschr. OA. Tuttlingen 176 tabellarischen Zusammenstellung; Berl. Illustr. Nachtausg. 23. 6. 1933 Maschinen, die die tabellarische Auswertung vorbereiten und besorgen; Broch 1933 Grösse (X 40) tabellarischen Rechnungen.

tabellarisieren: 1784 Berlin. Mon'schr. IV 166 er fär gt mit der Form an; denn erst muß tabellarisiert werden.

Tabelle F. ( - ; -n), im späten 16. J h . über mlat. tabella '(Schreib-)Tafel' entlehnt aus lat. tabella 'Brettchen, Täfelchen; Schreib-, Rechentafel; Merkbuch; Brief; Urkunde; Votivtafel; StimmtafeP (Diminutiv zu tabula 'Brett, Spiegelbrett; Gemälde; Schreib-, Rechentafel; Buch; Verzeichnis, Register'; vgl. Tafel), früher auch in lat. Form; a in der Bed. 'listenförmige Zusammenstellung von Daten (Zahlen, Fakten, Namen u. ä.) nach bestimmten Ordnungsmerkmalen; Übersicht(-stafel); Verzeichnis, Liste', bes. auf mathematisch-statistische, früher auch auf genealogische, historische, chronologische Darstellung bezogen, häufig in Zss. wie L o h n - , Preis-, Kalorientabelle und im Syntagma in Tabellenform, gleichbed. mit der adj. Ableitung tabellenförmig 'wie eine Tabelle, in Form einer Tabelle' ( ^ t a b e l l a r i s c h ) . Dazu seit spätem 19. J h . vereinzelt die verbale Ableitung tabellieren V.trans.,

6

Tabelle

früher in der Bed. 'in Tabellen anordnen, in Tabellenform bringen; tabellarisieren, schematisieren', im späteren 19. Jh. (SANDERS 1871) auch als Fachausdruck der Pharmazie gebucht in der Bed. 'zu Täfelchen, Tafeln formen' (vgl. im 18./19. Jh. (WOYT) nachgewiesenes Tabellae '(Arznei-)Täfelchen; vgl. —»Tablette), in jüngster Zeit fachspr. in der Datenverarbeitung für 'Daten auf Lochkarten maschinell in Tabellenform bringen; eine Tabelliermaschine bedienen' (Tabelliermaschine 'Büromaschine, die Daten auf Lochkarten in Tabellenform überführt') mit der Personalableitung Tabellierer M. (-s; -) 'jmd., der (berufsmäßig) eine Tabelliermaschine bedient'. Vgl. daneben seit früherem 20. Jh. (gebucht 1933 bei Genius) das wohl aus gleichbed. engl, tabulator übernommene Subst. Tabulator M. (-s; -en) 'Einrichtung an Büromaschinen zur automatischen Spalteneinstellung beim Schreiben von Tabellen', b Seit früherem 20. Jh. im Bereich des Sports verwendet in der Bed. 'nach den (Spiel-)Ergebnissen innerhalb einer Wettkampfsaison tabellarisch aufgeführte Rangliste der Sportler/Vereine einer Sportart in einer bestimmten Liga', häufig in Zss. wie Tabellenführer, -letzter, -platz, -spitze; Bundesligatabelle. Tabelle a: 1583 (Miu, G Erz'gesch. 2 (1892) 118) Tabella, darinnen die gebet . . . [stehen]; Rasch 1590 Neu Kalender N 4 b aus den fundament tabellen; ebd. O la dise fünfft tabell; Prätorius 1619 Syntagma mus. II 6b Aller Musicalischen Instrumenten / so zu vnser jetzigen zeit im Gebrauch/Distribution vnd Begriff in vnterschiedenen Abtheilungen/sampt demselben Namen oder Nennung mit beygesetzter Tabell; Meyfart 1636 V. d. Hochschulen h2a durch gezwungene Tabellen vnd Dispositionen; Schildknecht 1652 Harmonia I 24 die Logarithmische Tabellen; Seckendorff 1656 Fürstenstaat I 42 so kan doch aus derselben zu der General-Landes-Beschreibung folgende bequemliche Tabell gezogen werden; ebd. I 660 aus solchen Schrifften, kurtze deutliche Extracten oder Tabellen der Haupt-Puncten . . . verfasset; Klett 1659 Trenchier-Biichlein 3 Er muß auch wissen die Speisen ordentlich auf die Taffei zu setzen / wie allhier in folgenden Tabellen nachrichtlich zu sehen; Buchner 1683 Theoria et Praxis Artilleriae II 69 Eine Tabella zu den Kugel-werffen kan nicht besser . . . zum Gebrauch verfertiget und beschrieben werden; ebd. II 70 Tabella Welche man zu Richtung der Feuer-Mörser brauchen kan; Thomasius 1688 Monatsgespräche 1302 dieser hatte in seinem Buchladen etliche Tabellen und Tractate von einem Professor; Grüber 1697 Kriegsdisziplin III 210 Täfelein für Tabelle; Thomasius 1701 Kl. Sehr. 81 einen Mann / der in Philosophia Aristotelica gründlich erfahren gewesen / auch einen und andern Mangel der gemeinen Lehrart deutlich anmerckt / bißhero passiret / und seine Tabellen über die Philosoph. Practic. dannenhero auff vielen Academien öffentlich gelesen werden; Florin 1702 Hausvater I 358k Tabell für die Länge der Tieffpuneten . . . gantz ohne Rechnen / und ohne

solche Tabellen; Waldeck 1704 SO Vormb. III 122 Ein jeder Schul-Collega eine Tabelle halte (NYSTRÖM); Schamel 1717 Formular-Büchlein Vorr. A 4h wenn [gewisse Redensarten] in einer Tabelle und kurtzem Begriff könnten vor Augen gelegt werden; Bertram 1728 Einleitung Vorr. o. S. summarische Tabellen [am Schluß eines Buches]; Meier 1748 Anfangsgründe I 230 Diese letzte Anmerkung mache ich nur um die Eintheilung der Erdichtungen so genau zu machen, daß ein jeder, wer Lust hat, sie in eine Tabelle bringen kan; Süssmilch 1756 Ordnung 67 Tabelle der Sterbenden und Lebenden in grossen und volckreichen Städten; Basedow 1764 Philalethie I 282 Der Artillerist wirft die Bomben nach Tabellen, deren Brauchbarkeit er der Einsicht des Verfassers zutraut; ebd. I 367 Doch vors erste gnug von Predigten! Die Tabellenmacherey, da man in academischen Vorlesungen, oder in Büchern, unendlich fort Einteilungen oder Tabellen macht, verdient ebenfalls einige Anmerkungen. Die Kunst ist erstaunlich geringe, besonders da schon so viele Tabellen vor uns gemacht sind; Sulzer 1765 Class. Sehr. 35 chronologische Tabellen; Schreber 1766 Cameralschr. VI 629 Die Nothwendigkeit gewisser Wissenschaften fürs Tabellenwerk (Uberschr.) Unter dem Tabellenwerk versteht man dasjenige Verzeichniß, so von den Pfarrern über alle in jeder Stadt- und Landversammlung befindliche Menschen, ihrem Geschlecht, Alter, Stand und Nahrung, Ehepaaren, Haushaltung, Zuwachs oder Verringerung nach, jährlich gehalten wird; Moritz vor 1793 (CCXXI 24) er fing an, auf kleinen blättchen schriftliche tabellen zu entwerfen (DWB); Wolff 1799-1801 (Erziehung 61) Anfangs muss man sich [beim Studium der Geschichtswissenschaft] besonders an Ein Buch halten, wie bei der Sprache, an Eine

Tabernakel Grammatik. Das Buch muss Autorität haben und oft gelesen werden. Je kürzer, je besser. Tabellen sind noch besser, aber mühsam; Thümmel 1805 Reise X 336 ernte-tabellen der börse (DWB); Pfeffel vor 1809 (II 70) [er entwarf] in einer prächtigen tabelle die skizze seines werks (DWB); Fichte 1811 Störung VI 472 Nach jenem gemeinen Werthe in den statistischen Tabellen, der sich nach dem Ertrage richtet, den Sie den gewerbtreibenden Bürgern bringen; Goethe 1827-42 (W. XIX 112) Die Einkünfte der Länder nehmen wir aus Taschenbüchern und Tabellen, die, wie bekannt, die zuverlässigsten Documente sind ( K E H R E I N ) ; ebd. 213 etwas in tabellen bringen (DWB); Hoffmann v. Fallersleben 1840 Unpolit. Lieder I 55 Unsers ganzen Wohlstands Quellen Siehst du alle hell und klar Ubersichtlich in Tabellen Jahr für Jahr und bis aufs Haar; Kurz 1842 Schillers Heimatjahre 131 Als der Erbe einer geistlichen Dynastie, die ihren Ursprung in gerader Linie bis in die Reformationszeit zurückführen konnte und deren genealogische Tabellen in den eigenhändig geführten Kirchenbüchern der . . . Gemeinde bestanden; Lotze 1869 Mikrokosmos II 83 Alle jene Tabellen, welche die einzelnen Nahrungsmittel nach ihrem Gehalt an Eiweiss . . . als . . . Ersatzmittel für Kraft oder Wärme des Körpers ordnen; Mayr 1877 Gesetzmässigkeit 42 Das klare, übersichtliche Bild der Beobachtungsergebnisse ist für die Zwecke statistischer Forschung in Zahlen zu geben, und man nennt die so geordnete Ubersicht der aus dem Rohmaterial gewonnenen Zahlenergebnisse eine 'Tabelle'; Tönnies 1931 Soziologie 321 Eine besondere Richtung innerhalb ihrer [der Statistik] war die Tabellenstatistik, derart wie sie heute noch in den geographisch-statistischen Tabellen aller Länder der Erde vorliegt; Grüne Post 6. 10. 1935

Tabernakel

N.

oder M.

g l e i c h b e d . f r z . tabernacle)

(-s; -),

7

Und die erste „Eisenbahn-Tabelle" für das ganze Mitteleuropa vom Jahre 1849 . . . nennt auch nur die Entfernungen in Eisenbahn-Stunden und die Fahrpreise für die erste bis dritte Klasse. Tabelle b: Berl. Illustr. Nachtausg. 7. 1. 1933 In der Abteilung Osten, in der die ungeschlagene Turngemeinde in Berlin in Front liegt vor Cottbus (11:3), Wilmersdorf (8:6), Küstrin (4:10) Tschernitz und Landsberg, ist der Tabellenerste nicht mehr einzuholen; Lokal-Anz. 25. 2. 1933 [tritt] dem Tabellenführer, Viktoria 89, gegenüber; Berl. Illustr. Nachtausg. 25. 2. 1933 daß die Mariendorfer den ihnen eben von Borussia geschenkten knappen Vorsprung an der Tabellenspitze zu wahren haben; ebd. 6. 3. 1933 sicherte sich Schöneberg durch diesen Sieg endgültig den zweiten Tabellenplatz und damit die Anwartschaft auf die Teilnahme an den Endspielen um die Handballmeisterschaft; Lokal-Anz. 10. 11. 1934 Dieser Sonntag sollte eine Klärung im Handbailager bringen. Der BSB 92 war mit den vereinten Polizisten gepaart. Der Tabellenerste gegen den zweiten. tabellieren: Bürger 1776 Daniel Wunderlichs Buch III 6 Schauspiel ist - Schauspiel, und damit gut! Jene Teilung gemahnet mich nicht anders, als wenn man die liebe Mutter Natur in die lachende und weinende, tragikomische und komischtragische tabellieren wollte, da sie doch alles in einer und eine in dem allen ist; Bayer 1880 Skizzenbuch 7 Goethe . . . hatte in späteren Jahren immer mehr die Neigung des Schematisierens und Tabellierens. Es war das Blut vom Vater her, die abgezirkelte Ordnungsliebe, die im Alter stärker bei ihm hervorschlug.

PI. f r ü h e r a u c h

-n,

im

e n t l e h n t aus m l a t . tabernaculum

13. Jh.

(wohl

über

'Hostienkelch; Aufbe-

w a h r u n g s o r t f ü r d e n H o s t i e n k e l c h a u f d e m A l t a r ; (heiliges) Z e l t , H ü t t e ;

Haus,

W o h n u n g ; T e m p e l ; P a l a s t ' ( < lat. tabernaculum

'Hütte, Zelt;

d e r A u g u r e n , ( r e l i g i ö s e ) S c h a u h ü t t e ' , z u taberna,

—» T a v e r n e ) , a n f a n g s a u c h in d e r

Form alteten

Tabernacul Bed.

Beobachtungsplatz

m i t PI. T a b e r n a c u l n u n d v e r e i n z e l t lat. f l e k t i e r t ; 1 in d e r v e r -

'Hütte,

Zelt;

Wohnung,

Behausung,

Palast',

auch

'Thronhimmel,

Baldachin' für (geistliche) F ü r s t e n . 2 a I m r e l i g i ö s e n B e r e i c h in d e r B e d . 'heiliges Z e l t , H a u s G o t t e s , T e m p e l ' ; a u f alttestamentliche

Verhältnisse

bezogen

in

der

Bed.

'Stifts-,

Bundeshütte;

heiligstes' als ( h i s t o r i s c h e ) B e z e i c h n u n g f ü r einen Z e l t t e m p e l als das

Aller-

bewegliche

H e i l i g t u m d e r J u d e n o d e r f ü r d e n die B u n d e s l a d e b e h e r b e r g e n d e n heiligsten

Be-

reich des T e m p e l s ; auf christliche Verhältnisse b e z o g e n für 'Kapelle, K i r c h e ' und häufig a u f P e r s o n e n ü b e r t r a g e n f ü r ' g l ä u b i g e r , f r o m m e r , g o t t e s f ü r c h t i g e r M e n s c h ' , a u c h als K o l l e k t i v u m f ü r ' G e m e i n s c h a f t d e r G l a u b e n d e n , heiliges V o l k G o t t e s ' ; b

8

Tabernakel

von daher speziell im Bereich der katholischen Kirche in der Bed. 'Sakramentshäuschen' zur Bezeichnung des häufig haus- oder kapellenartig gestalteten, auf dem Hochaltar befindlichen oder freistehenden, gelegentlich auch tragbaren Schränkchens zur Aufbewahrung der geweihten Hostien; c in der Bed. 'Bildnische, -gehäuse, -baldachin' zur Bezeichnung eines kapellen- oder altarartig gestalteten, überdachten, vorne offenen Gehäuses zur Aufstellung von Heiligenbildern und -figuren, vereinzelt auch für 'Gerüst zur öffentlichen Zurschaustellung der Reichskleinodien' und gelegentlich in der Kunstgeschichte für 'baldachin- oder turmartiger Altarüberbau', bes. in italienischen Kirchen. Tabernakel 1: Griesh. 13. Jh. Prcd. II 47 do er trunken wart, dö entslief er in sinem tabernacel ( B E N E C K E - M Ü L L E R - Z A R N C K E ) ; um 1300 Trimbg. CXXXVII 18811 von dem tabernackel ( M Ö L L E R ) ; um 1340 Myst. CCCLVII 27 ze den türen des tabernaculi ( M Ö L L E R ) ; 1347-1493 Liederbuch d. Hätzlerin 27 Dem gast, dem gast sy [die Liebende] das verchunt, Ires hertzen ain tabernackel Ward da in haisser lieb entzunt Vnd flammbt recht als ain fackel; 1361 Schachb. CCLXXII in dem tabernaculo ( M Ö L L E R ) ; 1466 (Kurrelmeyer, Bibel IV 326) Sy kerten wider in ir tabernackel; ebd. V 401 Vnd die sun israhel entweiten in iren tabernackeln; ebd. VIII38 Das haus der vnmilten wirt ver tilgt: vnd die tabernackel der gerechten die keiment; um 1475 Chroniken dt. Städte XI 644 [dem Kardinal] hat man einen tabernakel . . . auf die stechpock oder schranken . . . gemacht (DWB); 1488 Meisterlin 60 Carolus . . . jaget in des reichs walt u n d benachtet zu Zeiten in

zelten und tabernakeln (DWB); Keisersberg vor 1510 Post. 46k herr es ist uns gut hier zu sein, wiltu, wir machen hier drei tabernackel (DWB); Hedio 1531 Von Meisterschaft u. Herschung der Vernunft 174" eilet in den küniglichen tabernakkel (DWB); Frank 1534 Weltb. 97' so iemant todtkrank ligt, henken sy [die Tartaren] an einem spiesz ein schwartz klagtüch zü dem tabernackel herausz (DWB); Sachs vor 1576 (II 375) auf diesem platz w a r a u f g e r i c h t . . . ein tabernackel köstlicher w e i s z

(DWB); Babst v. Rochlitz 1597 Krieges Spiegel E2" Tabernackel oder Gezelt; Abr. a S. Clara 1683 Auf, auf ihr Christen 36 weilen Christus der Herr den Petrum wolte straffen, in deme diser den zimmerleuten begehrte ins Handwerck zu greiffen, dann ihnen gehörte es zue Tabernackel auffzurichten; Bürger 1770 Gedichte (I 117) Nun schwammen . . . Der Wassernixen Scharen . . . herbei: Zu sehen das Spektakel In diesem Tabernakel; ebd. 1777 (I 160) Weil nun der letzte Ärger ihr Noch spukt' im Tabernakel, So trieb sie vor der Himmelstür Viel Unfug und Spektakel; 1782 Anthologie 263 Bei Phöbus goldner Fakbl Bei Lunas bleichem Licht, Schlich um ihr Tabernakel Der arme spitzgeöhrte Wicht; Blumauer 1784 — 94

Virgils Aeneis I 39 Held Pyrrhus nun erbrach die Thür zu Priams Tabernakel . . . und ach, der ganze Hofstaat war Beinahe noch im Hemde; ebd. 1102 [ein Wurm aus der Leiche des Anchises] kroch dann wiederum zurück in seinen Tabernakel; Matthisson 1787 Schweiz II 149 da der Erzapostel desselben [Magnetismus] Herr Mesmer, sein wundervolles Tabernakel vor kurzem in Zürich aufgeschlagen hatte; Herder vor 1803 Cid 69 aufgerichtet, reich vergoldet war ihm schnell ein tabernakel (DWB). Tabernakel 2a: K. v. Würzburg vor 1287 Gold. Schmiede 1274 dich [Maria] gotes tabernackel, sin glast vil schöne erlühte ( B E N E C K E - M Ü L L E R Z A R N C K E ) ; Bern 1346-47 (Deutsche Pilgerreisen 48) das er ain chertzen stal sollt machen in dem tabernackel des glubs; 1347-1493 Liederbuch d. Hätzlerin 98 Sind das nit grosz mirackel, Das got sein tabernackel Setzt in dein keusche sei?; um 1350 Ostdtsch. Apostelgesch. 4 2 / i r israhelise huys, unde wi bracht ir mir ofpir odir ouch uwir getote vye virzik jar in der wustenunge? neyn mir nicht, sundir ir in pfingit Molochs des abgotis tabernakil . . . dy figuren dy ir uch dazu gemachit hettit, uf daz ir sy anebetit. sund daz tabernakil des testamenti was mit uweren veteren in d wustenunge, als iz got uzgerichtit hatte uf dem berge sprechende zu Moyse, daz er is nach d selben formen machte als er gesehen hatt. und daz selbe tabnakil namen uwere vetere uf mit Yosue . . . und brachten is in dy lant, di dy heydene besasen; ebd. 66 nach disir zit so kum ich wid und wil denne Davidis tabernakil buwen, daz da gefallen ist; 14. Jh. Suchenw. XLI 1027 di maget schön ist sein tabernakel und sein palast ( B E N E C K E - M Ü L L E R - Z A R N C K E ) ; Rosenplüt 1420-60 (MCXXXIII 240i) Maria, du edler tabernackel ( M Ö L L E R ) ; Volkslied 1491 „Text" (Liliencron II 299) Maria, du bist der götlich tabernakel, des hailigen gaistes brinnende fackel; Luther 1520 Papsttum (W. VI 305) In das erste tabernackel gingen die priester alle tag, zuvolnbringen die opffer. Aber in das ander ging der höh priester des jares nur ein mal, nit an blut . . . damit der heylig geiste bedeutte, das nach nit offen-

Tabernakel bar were der weg zum rechten tabernackel, die weil dasselb tabernackel weret, wilchs war ein bild odder figur, die zu der zeit not war, Aber Christus der ist kommen ein hoher priester in zukunfftigen geistlichen guttern, und ist ein grossers und viel weitters tabernackel, das nit mit der hand gemacht ist, das ist nit des zeitlichen gepewes; Güthel 1522 Dialogus QJ" Christus [sei] vns beyständig vnd gantz berait ain Bischoff, in seinem ambt der künfftigen guter, vii fürtreflicher vnd volkomlicher, ist ainsmals eingangen, nit in den Tabernackel der menschlichen hend formierung, Auch nit durch das blüt der böck vnd kölber, sonder durch sein aygen blüt; Bynwalth 1523 Vaterunser 151 Darumb gib vns fromme gelerte prediger . . . das nicht mehr getödtet . . . werden deyne schaffe auff deynem heyligen berge, yn deynem heyligen berge, yn deynem heyligen tabernackel, yn der Christlichen kyrche; 1527 Vereinigung J / S darnach mögen ihr euch sicher darstellen Gott, euweren himelischen vatter, eyn reyn gotselige vffrichtige gmeyn Christi, welche gereyniget ist durch sein blüt . . . auf das Herr aller herrschenden in ihnen wonen möchte vnd ihm eyn tabernackel were; Luther 1530 (Ndr. Sammlung pädagog. Sehr. V 2) das vnserm Herrn, ein solch fein tabernakel gebawet ist jnn dieser somen; Sachs vor 1576 (XV 521) [Constantinus] führt allmal mit zu feldt ein tabernackel in seim zeit, darinn er auch frü und spet that sein andechtiges gebet ( D W B ) ; Schuppius vor 1661 (724) sorgfältigkeit, welche sie . . . zu erbauung des heilwürdigen tabernaculs anwendeten ( D W B ) ; Rückert 1839 Brahm XVI 74 des edlen mannes herz ist gottes tabernakel ( D W B ) ; Kehrein 1859- 63 Kirchenl. 1 531 wie er [Moses] solt bawen fein ein schönen tabernackel, zu gottes dienst bereit ( D W B ) ; Rücken vor 1866 (III 364) der Vorhang in Jerusalem zerrisz vorm tabernakel ( D W B ) ; Brandt 1901 Ost-Asien II 323 Der Entwurf für den neuen Tempel war sehr häßlich, ich glaube er ist 1893 vollendet worden, er wird . . . an Originalität nie mit dem übrigens noch erhaltenen und benutzten Tabernakel wetteifern können.

Tabernakel 2 b : 1453 Nd. Rhein IV 303 eyn silueren kanne mit oeren silueren tabernakell ( M Ö L L E R ) ; Lacher 1516 Unterw. (Reichensperger 138) Item wilstu ein auszug oder ein Sacramentheusel machen, so reis die große des Ersten Tabernakels vnd alß dickh du ihm wilt außziehen alß manige firung vergingen vnd mach diser firung, so bestel daß steinwerkh, vnd ob du so hohe stuckh nicht haben magst, so stell die Blumen darauf, denn du selten einem ganzen Tabernackel findest; ebd. 143 Item es ist der gemein brauch, das

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man zu den Sacramentheislin, Tabernackeln, daß man den Leib siben teill gibt, vnd den Rissen acht teill; Ernstinger 1579-1610 Raisbuch 43 vier schöne seulen von alabaster, so den tabernacl des h. sacraments ziem ( D W B ) ; Stieglitz 1798 Baukunst V 211 Tabernakel . . . Diese Benennung erhält auch das Sakraments-Häuschen, das in den katholischen Kirchen auf dem Altare steht, um die Hostie darin aufzustellen, welches bisweilen mit Architektur verziert wird; Matthisson 1825 Sehr. IV 240 durch die Verkleinerung des tisches der agapen entstanden [in den Basiliken] der altar und das tabernakel ( D W B ) ; Görres 1836-42 Mystik II 120 Sie nahmen das Sacrament aus dem gewöhnlichen Tabernakel heraus ( K E H R E I N ) ; Meißner 1864 (44) der priester nimmt die kerzen vom altare, geht und zerstampft sie vor dem tabernakel ( D W B ) ; Hansjakob 1879-1909 Jugendzeit I 24 Wenn die Heimat das Heiligtum unseres Jugendglückes ist, so ist das Elternhaus das Allerheiligste. Es ist der Tabernakel, in welchem der Genius des Kinderglücks seine Wohnung hat; Achelis 1891 Prakt. Theologie II 40 In der griech. und röm. K. ist von grösster Wichtigkeit das Tabernakel (Sakramentshäuschen, Herrgottshäuschen) zur Aufbewahrung der geweihten Hostien; Söhngen 1937 Symbol 14 das Tabernakel macht das katholische Gotteshaus zu einem Hause, in welchem Gott wirklich unter uns zeltet . . . Tabernakel und Tabernakelfrömmigkeit . . . sind späte Entwicklung; Süddtsch. Ztg. 26. 9. 1957 Hatte das Tabernakel in der Gotik oft die Form eines Turmhelms, der mit dem Aufbau des Altars verbunden war, schließt sich dieses Münchner Tabernakel der Form des vergoldeten Schreines an.

Tabernakel 2 c : 1376-1439 Frankfurts Reichscorrespondenz I 804 ein augsteinin bild in einem silberen vergulten tabernakel ( L E X E R ) ; 1472 (Ann. lngolstad. Acad. IV 44) [das] Gross Sigl ist scheyblig, und hat unser Frawen Pild in der Mitt under dem Tabernackl sitzen, und ain Kind an dem rechten Arm auff der Schoss; Goldmann 1699 Ausübung Civil-Bau-Kunst 1 Altäre, Orgeln, Tabernaculn, Cantzeln; ebd. 9 zu mercken ist, dass das Wort Tabernacul am gewöhnlichsten bey den Baumeistern bedeutet ein gross Bilderblind, welches mit Seulen eingefasset, mit einem Fronten oder Giebelgen gedekket, und sonst als ein kleiner Altar gezieret ist; Stieglitz 1798 Baukunst V 211 Tabernakel, wird eine Nische genannt, welche auf jeder Seite mit einer oder etlichen Säulen verziert ist, deren Gebälke mit einem Giebel bedeckt wird. Man findet es häufig in katholischen Kirchen, und braucht es daselbst, um kleine Altäre hineinzustellen.

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Tableau

Tableau N . (-s; -s, auch Tableaux), im frühen 18. J h . entlehnt aus gleichbed. frz. tableau ( < lat. tabula, —» Tabelle); zunächst in der heute seltenen Bed. '(Tafel-) Gemälde', von daher in der zentralen Bed. 'malerisch gruppiertes (lebendes) Bild; zum Bild erstarrtes, als Bild, statisch dargestelltes Geschehen', speziell im Theaterwesen für 'effektvoll gestaltetes, arrangiertes Gruppenbild' (Schlußtableau), auch allgemeiner verwendet im Sinne von '(bunte) Palette, Arrangement'; häufig in den Syntagmen lebendes Tableau, tableau vivant 'statische Darstellung eines (historischen, bekannten) Geschehens, Gemäldes durch lebende Personen; nachgestelltes lebendes Bild', auch fachspr. in dem in der Volkswirtschaft verwendeten frz. Syntagma tableau économique 'vollständige bildliche Darstellung, Schema des Wirtschaftskreislaufs' (—» Physiokratismus); früher selten ugs. verwendet als Ausruf des Erstaunens, der Überraschung. Daneben regional (österr.) auch gebraucht für 'übersichtlich geordnete Auf-, Zusammenstellung von (Bild-)Tafeln, die einen Vorgang darstellen', auch 'Verzeichnis, Tabelle' und 'Meldetafel (in Mietshäusern)'. Haller 1723 — 27 Tagebücher 62 Ein Tableau [in einer Gemäldesammlung] fusshoch, wo 4 nakte Frauenzimmer auss Teutschland, Frankreich, Italien und Mosskau [abgebildet sind], darin jede im Size der Liebe eine Besonderheit weisst; 1773 Br. an Klotz I 94 Tableau mouvant der Wissenschaften von Bacons Zeit an; Goethe 1783 Br. VI 213 [die] monströsen Tableaus; 1786 Journal d. Moden 110 durch das interessante Tableau [von Luxusmoden, das das Journal liefert]; 1797-98 (Goethe 4 (1939) 89) Vom Parterre noble aus . . . machte die Bühne einen ganz andern Effekt als in der Nähe. Hier erscheint sie wie ein lebendiges tableau; Goethe/ Schiller 1794-1805 Briefw. II 31 Die Dekorationen sollen Tableau's machen ( K E H R E I N ) ; Schiller vor 1805 (III 308) Stellen Sie Ihr Tableau [Gemälde] auf ( K E H R E I N ) ; Joh. v. Sachsen 1827 Lehenserinn. 90 Abends . . . eine Vorstellung von Tableaux vivants und Tanz; 1828 Jahrbücher d. Gesch. I 89 [Mignet] giebt, was die Franzosen Tableaus nennen, und zeichnet Individuen; Goethe vor 1832 (W. XLV 9) Die Hauptfiguren geben Gelegenheit zu belebtem Tableaux ( K E H R E I N ) ; 1834 Br. v. u. a. Schlegel 345 nicht im Stande . . . uns ein modernes tableau historique zu liefern; Bacherer 1840 Stellungen 247 die lebenden Tableaux, die ich . . . in den heimlichen Erkern der mittelalterlichen Häuser gewahrte; Kohl 1845 Paris 110 wie beim Tableau vivant, die Personen ordnen sich rasch zum Ensemble; Freytag 1855 Soll u. Haben I 235 Dann stellte Zemitz, der in solchen Dingen Meister war, schnell ein Tableau, und die Väter und Mütter mußten als Publicum zusehen; 1858 Kunst u. Handwerk II 30 Anm. Leute, die viele Unterhaltungs-Talente in sich vereinen, die da zierlich musiciren, zierliche Verse machen . . . zierliche Tableaus vivants . . . zu arrangiren ver-

stehen; Ranke 1865 Briefwerk 464 In Versailles langweilte mich . . . die lange Galerie historischer Tableaus, in denen bloss die für Frankreich glorreichen Momente der neuesten Zeit zur Erscheinung kommen; Schmidt 1873 Bilder III 14 Das Drama [ist] aus einer Reihe von Tableaux zusammengesetzt, die nur leicht miteinander verknüpft sind; Bayer 1875 Studien 109 Auf den Pariser Volkstheatern sieht man eine ganz besondere Gattung von Stücken, halb Drama, halb tableaux vivants, die sämtlich dies miteinander gemeinsam haben, dass der Stoff aus der Geschichte Napoleons entnommen ist; Lindau 1877 Br. 90 wie das Schlusstableau eines Opernactes; Reumont 1886 Charakterbilder 261 Vortrag bestand in [einer] Reihe literarisch-historischer Tableaux in ansprechender, aber rhetorischer Form; LaskerSchüler 1932 Anonymus Dichtungen 484 Die Sprünge, die sich wieder einmal — tableau — Beelzebub zu leisten vermag; Münch. N. N. 18. 4. 1944 so stehen denn im Schlußtableau die beiden als Brautpaar da, eingerahmt von anderen Brautpaaren; Wachtel 1963 ä la mode 56 Und wie das Leben, das heisst ein Tableau vivant aus jenen Regionen, das der grösste Teil der Menschheit . . . aus Büchern und Zeitungen, vom Hörensagen kennt; FA2 24. 3. 1970 setzt mit Finesse und Ironie die ebenso fesselnde wie abstossende Gestalt des gebrochenen Tigorin interessant ins Tableau; Mannh. Morgen 29. 2. 1978 Auf dem Laufsteg . . . wurden unentwegt Prunkwagen vorübergezogen, tanzten und stelzten hochstilisierte Masken vorüber, tummelte sich Volk, schritten Priester und Soldaten. Lauter Tableaux; ebd. 15. 5. 1978 Zur unbekümmerten Naturnähe dieser Musik will eine Inszenierung mit so vielen statischen Elementen und . . . Tableaus nicht recht passen.

Tablett — Tablette

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Tablett N . (-(e)s; -s und -e), im frühen 18. Jh. aufgekommen, unter Genuswechsel entlehnt aus frz. tablette 'Abstellbrett, -fach (an Möbeln)' oder rückgebildet aus —» Tablette; in der Bed. 'Platte, Brett', zunächst für 'Abstellbrett' für Geschirr, Bücher u. ä., bis Ende 19. Jh. konkurrierend mit —» Tablette 2; von daher weiterentwickelt zu der heutigen Bed. 'tragbare, bes. zum Servieren von Speisen, Getränken u. ä. bestimmte Platte (mit erhöhtem Rand); Auftrage-, Servierbrett', gelegentlich auch allgemeiner verwendet. LUnig 1719 Theat. ceremon. I 783" neben diesen stunde ein Tablet, worauf viel Pfeile, und darbey die Bogen lagen; Lindenberg 1883 Berlin 22 sonnverbrannte Italiener mit breitkrempigen Filzhüten und einem Tablet voll von Gipswaaren auf dem Kopf oder um den Hals; ebd. 24 das Verlangte auf silbernen Tablets balancirend; Fontane 1891 Quitt 169 und eben erschien wieder die hübsche Marie mit dem großen Tablett; ders. 1897 Stechlin 193 ein großes Tablett mit Gläsern und Flaschen; Reck 1909 Großmutter 18 dann wurde geklingelt und die Diener liefen hin und her und brachten große, silberne Tabletts mit Tee, Wein und Speisen; Bloem 1910 Sommerlt. 61 kam nach wenigen Minuten mit dem Frühstückstablett zurück; Freksa 1931 Sommer 9 Sein Blick blieb auf der großen Fotografie hängen, die auf dem Schreibtische

neben dem Tablett stand; Berl. Illustr. Nachtauig. 14. 1. 1932 Tablett mit Brillantringen gestohlen (Überschr.); Lokal-Anz. 22. 1. 1933 Und dann holt er sich . . . seinen Gewinn: ein winziges Tablettdeckchen auf blauem Karton; Zöchbauer 1951 Wegsteine 69 ein sauberes Tablett mit drei Gläsern und einem Kruge kalter Milch auf der Hand; Stuttgarter Ztg. 1967 Nr. 277 Im Oktober ist nun in den Medizinischen Kliniken . . . mit der Verteilung des Essens nach dem Tablettsystem begonnen worden . . . Das Essen wird in der Zentralküche aus beheizten Ausschöpfwagen auf Tabletts einzeln portioniert . . . Nach den Mahlzeiten werden die Tabletts samt Geschirr wieder in dem Transportwagen eingesammelt und in der Küche . . . gereinigt.

Tablette F. (-; -n), PI. früher auch vereinzelt -s, Anfang 18. Jh. entlehnt aus frz. tablette(s), (nur pl.) 'Block, Heft aus Blättern (Papier, Pergament) für Zeichnungen, Notizen u. ä.', (sing, und pl.) 'Abstellbrett, -fach (an Möbeln); Abschlußbrett, Sims (an Fenstern, Kaminen u. ä.); Mauerabschluß, Gesims (an Befestigungsanlagen); Nahrungsmittel in Tafelform; Pille' (Diminutiv zu table 'Tisch; Platte; (Schreib-)Tafel' < lat. tabula, —» Tabelle). 1 Bis ins 19. Jh., pl. verwendet, selten in der Bed. 'Notiz-, Zeichenblock; Heft'. 2 Gleichzeitig in der Bed. '(an der Wand befestigtes) Abstellbrett (aus kostbarem Material)' für Bücher, Geschirr, Getränke, Speisen u. ä. (vgl. —> Tablett); dazu vom 19. (gebucht 1838 bei Heyse) bis ins frühere 20. Jh. die seltenen, aus dem Frz. übernommenen Subst. Tablettier 'Kunstschreiner' und Tabletterie 'Kunstschreinerhandwerk', auch 'Ergebnis der Kunstschreinerei; Täfelwerk, Täfelung'. 3 Vom späteren 18. J h . bis ins spätere 19. Jh. in der Befestigungskunst in der Bed. 'Mauergesims, -abschluß', bes. in der Zs. Tablettmauer. 4 Seit Anfang 20. Jh. (gebucht 1910 bei Weigand) in der Pharmazie in der heutigen Bed. 'in die Form eines Plättchens, Kügelchens o. ä. gepreßtes Arzneimittel fester Konsistenz zum Einnehmen; Pille', häufig in Zss. wie Schlaf-, Schmerz-, Spalttablette; Tablettenmißbrauch, -sucht; gelegentlich auch bildlich verwendet für '(punktuell wirksames) Heilmittel, (oberflächliche) Hilfsmaßnahme'. Dazu in neuerer Zeit die französisierende Personalableitung Tabletteur M. (-s; -e) 'jmd., der berufsmäßig Tabletten herstellt' und die in jüngster Zeit gebuchte verbale Ableitung tablettieren V. trans. 'etwas in Tablettenform bringen'.

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Tabu

Tablette 1: Sturm 1714 Anw. (Architektur) Bh Tabletten [ = Notizbuch ]•,Heinzmann 1800 Frühst. (Beil.) 120 lieferte er [ein englischer Agent] seine Tabletten um Geld und gute Worte; Küttner 1801 Reise III 451 Wie oft begegnet es nicht dem Fremden, daß er in diesem oder jenem Hause etwas sieht, das er als Wienerisch in seine Tabletten verzeichnet. Tablette 2: Podagra 17.21 Apothekertod 78 doch hatte sie eine Tablette in der Stube hangen, voll Thee-Tassen gestellt; Denis 1777 Einleitung I 39 Reiche Leute hatten helfenbeinern Tabletten; Wieland vor 1813 (W. XLVII 28f) Womit Madame die' Tabletten ihres Boudoirs ausfüllen soll . . . Was für eine schöne Tapisserie diese Tabletten machen werden, wenn sie mit schön eingebundenen Büchern angefüllt sind ( K E H R E I N ) ; Fontane 1897 Stechlin 371 Und zwischen ihnen stand eine Tablette mit Wasser und Cognak. Tabletterie: Roscher 1861 Ansichten 161 Von den schönen Tabletterien im nördlichen Frankreich. Tablette 3: Deidier 1762 Ingenieur (Ubers.) 21 Tablette; Hoyer 1817 Kriegsbaukunst III 165 Tablettes, heißen die flachen, gehauenen Steinplatten, welche auf der Futtermauer liegen, und das Mauerband w. n. i. bilden; Die äussere Böschung des Walles wurde mit einer 5' starken Mauer verkleidet, die den fünften Theil ihrer Höhe zur Anlage erhielt und daher unten sehr stark wurde. Auf dieser Eskarpenmauer stand ein 3' starkes Mäuerchen, Tablette genannt, welche der äussern Böschung der Brustwehr zur Verkleidung diente; Schwinck 1856 Bef. 233 Die innere Enceinte oder die retirirte Festung . . . hat eine Bekleidungsmauer mit darüber befindlicher Tablettmauer, welche letztere bis zur äußeren Krete der Brustwehr reicht; Prittwitz u. Gaffron 1865 Befestigung 265 Die Tablettmauer gewährt . . . den Vortheil, daß die äußere Böschung der Brustwehr fortfällt.

Tablette 4: Münch. N. N. 13. 7. 1937 Die kleine Hausapotheke birgt einfache Stärkungsmittel, wie Hofmannstropfen, Baldrian und Spalttabletten; Arends, Georg u. Johann 1938 Die Tablettenfabrikation und ihre maschinellen Hilfsmittel (Titel); N. Z. Z. 16. 9. 1944 der pillen- und tablettenschluckenden Menschheit; Süddtsch. Ztg. 25. 2. 1951 Die neuzeitlichen Tabletten-Industriellen; ebd. 11. 6. 1951 Auf dem Deutschen Apothekertag . . . wurden Maßnahmen gegen den ungesetzlichen Handel mit Arzneimitteln und gegen eine „Tabletten-Inflation" gefordert; ebd. 14. 6. 1951 auch bei steigenden Produktions- und Ausfuhrziffem bleibt Westdeutschland das anfälligste Glied Europas, das der weiteren Hilfe von außen nicht entraten kann. Pflästerchen hier und Tabletten dort, die wir verabreichen und die uns verordnet werden, bleiben immer nur Behelfe; Münch. Ztg. 13. 8. 1953 Die analgetische Tablette, die die pharmazeutische Industrie in großer Zahl dem modernen Menschen anbietet und welche die zentrale Schmerzzone sedativ beeinflußt, ist ein soziales, ethisches, religiöses Problem; Süddtsch. Ztg. 19. 7. 1957 Immer mehr Menschen ließen sich verleiten, bei Kopfschmerzen, Unlustgefühlen und Ermüdungserscheinungen zu phenacetinhaltigen Tabletten zu greifen. Allzu leicht komme es hierbei zu einer „Tablettensucht"; ebd. 28. 4. 1961 je 9 Prozent griffen zu Schlaftabletten, zu Anregungsoder Stärkungsmitteln und zu Mitteln gegen Nervosität; Stuttgarter Ztg. 27. 3. 1969 Im Bannkreis der Tabletten (Uberschr.) die zahllosen und verwickelten Probleme des heutigen Arzneimittelwesens.

Tabletteur: Münch. N. N. 15. 2. 1944 Tabletteur od. Persönlichkeit, die dies. Beruf erlern, will . . . von Münchner chemisch. Fabrik gesucht (Anzeige); Süddtsch. Ztg. 18. 10. 1952 Tabletteur und Drageur mit langjährig. Industrieerfahrung und allen einschläg. Arbeiten bestens vertraut . . . sucht neuen Wirkungskreis (Anzeige).

Tabu N . (-(s); -s), im frühen 19. Jh. entlehnt aus gleichbed. engl, taboo, tabou ( < p o l y n e s . tabu, tapu 'kräftig, als außergewöhnlich gekennzeichnet; unberührbar; heilig'), im 20. J h . vereinzelt in der engl. Form taboo; zunächst in Ethnologie, Religionswissenschaft und Kulturanthropologie verwendet als Bezeichnung für ein kultisches Gebot bei (polynesischen) Naturvölkern, gewisse als heilig und geweiht verstandene Gegenstände, Personen, Tiere, Pflanzen, Orte usw. zu meiden im Sinne von '(heilige) Meidungsvorschrift, (religiöses) Verbot, (priesterlicher) Bann', von daher auch 'heilige, unberührbare, unverletzliche, magische Sache' und 'Heiligkeit, Unverletzlichkeit', gelegentlich auch 'heilige Scheu'; dann auf Ver-

Tabu

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hältnisse der modernen Zivilisation übertragen und häufig in der Psychoanalyse (Freud) und Sozialpsychologie verwendet zur Bezeichnung- einer unterbewußten oder erlernten, als naturgegeben und/oder gesellschaftlich streng verbindlich angesehenen, auf moralischer, religiöser oder konventieller Scheu beruhenden Norm, Vorschrift, derzufolge man über bestimmte Dinge nicht sprechen oder bestimmte Handlungen nicht ausführen darf im Sinne von 'sittliche, konventionelle Schranke; unter Strafandrohung etwas verbietende gesellschaftliche Regelung, Verbot' und 'etwas, das sich aus bestimmten Gründen dem Zugriff entzieht'; häufig in den Syntagmen ein Tabu errichten, verletzen, antasten, gegen ein Tabu verstoßen un«l sich über ein Tabu hinwegsetzen, auch in der Zs. Tabuwort 'Wort, dessen außersprachlicher Referent für den Menschen (angeblich) tabu ist und das deshalb durch eine verhüllende Bezeichnung ersetzt wird'. Dazu seit früherem 19. J h . die verbale Ableitung tabuieren, in neuester Zeit konkurrierend mit tabuisieren V.trans. 'jmdn./etwas für tabu, unberührbar, unverletzlich, unbetretbar erklären; jmdn./etwas durch Tabu zu etwas Unantastbarem, Verbotenem machen' mit der in jüngster Zeit vereinzelt nachgewiesenen subst. Ableitung Tabui(si)ertheit F. (-; ohne PI.); seit Ende 19. J h . das Verbalsubst. Tabui(si)ierung F. ( - ; -en) 'das Zueinem-Tabu-Erklären, das Totschweigen'; seit frühem 20. J h . die seltene subst. Ableitung Tabuismus M. ( - ; ohne PI.) 'Lehre von den Tabus; Tabukult' und die adj. Ableitung tabuistisch 'einen Tabukult vertretend; (übertrieben) tabuisierend'; in neuester Zeit die vereinzelte adj. Ableitung tabuartig 'in der Art und Weise eines Tabus; einem Tabu vergleichbar' und die verbale Präfixbildung enttabui(si)eren V.trans. 'jmdn./etwas von einem Tabu befreien, jmdm./etwas den Charakter eines Tabus nehmen' mit dem dazugehörigen Verbalsubst. Enttabui(si)erung F. (-; -en). Tabu: Chamisso 1815—18 Weltreisebericht (Kurz, II 299) Man wird wohl vergeblich versuchen, die heiligen, vielfach verwehrenden Sitten und Gesetze des Tabu, welche die Geschlechter absondern, zwischen den Klassen des Volks unumstößliche Scheidemauern erheben und bei den verschiedenen Völkerschaften verschieden, bei allen in demselben Geist die Grundfesten der geselligen Ordnung sind, zu Einem Princip und Einer Quelle zurückzuführen und diese Menschensatzungen in ihrem Zusammenhang zu verstehen, oder sie von dem religiösen und Civilsystem anderer bekannten Nationen herzuleiten; 1828 Jahrbücher d. Gesch. II 166 des Etua- und Tabuhgesetzes; 1830ff VölkerGallerie II 2, 71 Tabu; Ahrens 1846 Naturrecht 283 Anm. in Otahiti . . . ein ähnliches Symbol, das des Tabu; Lotte 1869 Mikrokosmos II 400 Uber das Bild der menschlichen Persönlichkeit soll in der Sinnesart der Civilisation jenes Tabu gesprochen sein, das die Verkehrtheit des Naturzustandes zuweilen auf äussere Gegenstände legt; Dtsch. Dichtung 9 (1891) 282 denen deutsches Schulwesen und deutscher Schulmeisterdünkel als etwas Heiliges und Unverletzliches, als Tabu, galten; Wilutzky 1903 Vorgesch. d. Rechts II 129 Anm. Tabu bedeutet eigentlich Heiligtum; Bahnsen

1905 Wie ich wurde 252 Alles, was zu den Genitalfunktionen auch nur in entfernter Beziehung steht, erscheint dem reinen Herzen als etwas Unberührbares - „Tabu" im Sinne der malayischen Völker; Imago 1 (1912) 213 Uns geht die Bedeutung des Tabu nach zwei Richtungen auseinander. Es heisst uns einerseits: heilig, geweiht, andererseits: unheimlich, gefährlich, verboten, unrein. Der Gegensatz von Tabu heisst im Polynesischen noa = gewöhnlich, allgemein zugänglich. Somit haftet am Tabu etwas wie der Begriff einer Reserve, das Tabu äussert sich auch wesentlich in Verboten und Einschränkungen. Unsere Zusammensetzung „heilige Scheu" würde sich oft mit dem Sinn des Tabu decken; Freud 1913 Totem und Tabu (Titel); 1916 Deutschland I 378 Bismarck hat es denjenigen, die hinauszogen, um deutsche Kolonien zu begründen, zur Pflicht gemacht, die französischen Ansprüche möglichst schonend zu behandeln, wie er selbst sich einmal ausgedrückt hat, als „Tabu" zu betrachten; Troeltsch 1916-17 (IV 101) Mehr den volksmässigen magischen Gedankenkreisen des Tabu gehört eine dritte Richtung der Askese an; Wundt 1917 VPs. VIII 96 Ubergang des Tabu in ein Schutzmittel des Besitzes; Freud 1922 Totem 43 Die ältesten und wichtigsten Tabuverbote sind die

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Tabu

beiden Grundgesetze des Totemismus: das Totemtier nicht zu töten und den sexuellen Verkehr mit dem Totemgenossen des andern Geschlechts zu vermeiden; Schweizer. Mon'h. 5 (1925 — 26) 298 ein ängstliches Tabu vor berühmten Namen; Idealist. Philologie 3 (1927-28) 35 die Sprache der Mutterliebe, eines Urgefühls, das in unserer Kultur sich offen ausströmen darf, nicht gesellschaftlichem Taboo unterliegt; 1928 Krisis d. Psychoanalyse 1 120 Im Mittelpunkt der Freudschen Theorie von Totemismus steht der Glaube an die ödipustat, die . . . für ihn gleichzeitig zur Erklärung von Tabu wie Totemismus führt; 1929—30 Jahrb. Sammig. Kippenberg 304 Es grenzt an Inspirationsglauben, der jeden Buchstaben der Schrift als unmittelbares Erzeugnis des Heiligen Geistes schätzt, wenn der Wortlaut der Goethe-Ausgabe letzter Hand als Tabu betrachtet wird, obwohl doch immer wieder Fehler dieses sakrosankten Textes nachgewiesen worden sind; Thurnwald 1931 Gesellschaft 1 27 [die] sakralaristokratischen Staatsgebilde werden durch den Glauben an die besondere Wirkungskraft von Menschen und Erscheinungen, durch das „Mana" und durch die damit zusammenhängenden Meidungsvorstellungen, die wir gewöhnlich als „Tabu" bezeichnen, charakterisiert; Voss. Ztg. 11. 1. 1931 Nicht etwa, daß er wie ein Museumskonservator alles, was alt ist, um jeden Preis als „Tabu" betrachtet; Frankf. Ztg. 10. 5. 1931 Bis vor kurzem war die Straße für den Automobilisten mit strengstem Tabu belegt; Schickele 1932 Grenze 187 Das Haupt- und Staatsstück dieser bürgerlich revolutionären Tradition, das geradezu mit einem Tabu belegt ist, das unangreifbare Dogma, das ist der Antiklerikalismus; 1935 Gelbe Hefte 199 die ökonomische Bedeutung des Tabu, d. h. auf die bei den Insulanern des Stillen Ozeans begegnende Sitte, gewisse Personen oder Gegenstände für unverletzlich zu erklären, sie dem Gebrauch der Allgemeinheit zu entziehen; Münch. N. N. 28. 9. 1940 Colin Roß hat einmal das der Südsee entstammende Wort vom „Tabu-Menschen" geprägt; Johst 1940 Ruf 62 Ihre Führer haben sie von der englischen Vorherrschaft befreit, von dem Vorrecht des Geldsackes, von dem Minderwertigkeitskomplex gegenüber einem internationalen Tabu, das „gentleman" hiess und „Gangster" ist; B. N. 13. 12. 1941 mit all der freimütigen Kritik, mit der er auch an jedes nationale Tabu, an die geheiligsten Traditionen seiner Gesellschaft herantritt; Sedlmayr 1948 Verlust 35 Es gibt heute Blumen, Bäume, Wälder . . . Häuser, Dörfer, Städte und Menschen, auf denen ein museales Tabu ruht; Wirsing 1951 Schritt 20 Die Abwehr des Fremden, verbunden mit dem Tabu der Unreinheit, ist jeder geschlossenen Gesellschaft von Natur eigentümlich; Süddtsch. Ztg. 15. 10. 1952

Unserer Zeit aber blieb es vorbehalten, genau mit dem, was früher als Tabu galt und was man nicht zu nennen wagte, einen wahren Kult zu treiben; Neue Ztg. 9. 5. 1953 Tief unter allen pädagogischen, sozialpolitischen, wirtschaftlichen und städtebaulichen Überlegungen liegt jene Vorstellung vom Schutz wie ein Tabu, an das man nicht rühren sollte; Schmiele 1955 Dichter 109 Das Ideal der vollkommenen Prosa beginnt wie ein Verfolgungswahn zu herrschen und treibt heilige Regeln und Tabus hervor; Weatherhead 1956 Offenheit (Übers.) 107 eines Mannes, der noch unter den furchtbaren alten Geschlechtstabus aufgewachsen ist; Süddtsch. Ztg. 7. 8. 1957 Die dem einstigen deutschen Untertanbewußtsein entwachsene Vorstellung, jeder Herrscher von Gottes Gnaden oder von eigenen Gnaden stehe unter dem großen Tabu; Münch. Stadtanz. 20. 12. 1957 Bisher hat Vati Köblmeier wenigstens noch ins Wohnzimmer gehen dürfen. Aber selbst da hängt seit heute früh ein Zettel: Für Vati kein Zutritt! Je näher die Bescherung rückt, um so mehr „Tabus" gibt es in der . . . Wohnung; 1958 Profil Dez'h. die moderne Massengesellschaft verlangt vom einzelnen eine weitgehende Anpassung . . . Wer das Tabu verletzt, wird ausgestoßen; Offenburger Tagebl. 31. 1. 1959 Die störungsfreie Entwicklung des Kindes bedarf der leitenden Autorität nicht minder wie des freien Spielraums, des Tabus nicht minder wie der Aufklärung; Süddtsch. Ztg. 5. 3. 1959 Der „Manchester Guardian" findet die Ausstellung deswegen wichtig und repräsentabel, weil sie „antiquierte Tabus in Deutschland gebrochen und neue Konventionen begründet hat"; Schadewaldt 1960 Hellas 427 scheint ein merkwürdiges Tabu gewaltet zu haben, dass die Griechen manche ihnen selbst naheliegenden technischen Erfindungen unbeachtet liessen; Hippokrates 31 (1960) 715 Erst in neuester Zeit, nachdem die Aufklärung menschheitsalte Tabus überwunden hat, wendet sich die wissenschaftliche Medizin der Geburtshilfe systematisch zu; Stuttgarter Ztg. 12. 5. 1960 Im Bereich der Universität gehört das Gespräch vom Geld und von der Bezahlung zu jenen Tabus, an die man nur ungern rührt; Ostdtsch. Wiss. 9 (1962) 359 Gewiss hat auch der Westen seine „Tabus", seine „Rühr mich nicht an", seine . . . Voraussetzungen; Revue 2. 12. 1962 Sie leben nicht mehr in den Moralvorstellungen der Großeltern. Sie haben sich freigemacht von manchen Tabus; Frankf. Rundschau 4. 5. 1966 Die Monarchie ist kein Tabu mehr. Diskussion über den Thron in den Niederlanden geht weiter (Uberschr.); Staftgarter Ztg. 16. 2.1968 Angriff auf ein Tabu. „The Fox" behandelt das Thema der lesbischen Liebe (Uberschr.); ebd. 11. 3. 1968 „Ich habe", sagte Kiesinger, „von niemandem gezwungen, Tabus gebrochen. Ich habe

Tabu einen Brief von Herrn Stoph angenommen"; Offenburger Tagebl. 4. 12. 1968 Umschulung - für Landwirte ein Tabu? (Uberschr.); Stuttgarter Ztg. 4. 6. 1969 Man verlangt von ihnen [den Kirchen] Erbauung, Trost und Hilfe; aber das Tabu, das sie umgibt . . . verbietet es ihnen, sich allzn weltlich zu gebärden; Offenburger Tagebl. 3. 4. 1970 Hier [in einem Sex-Film] werden Tabus nicht durch verschämtes Abblenden vertieft . . . und . . . die traditionellen Vorbehalte gegen die Sexualität der Frau nicht . . . weitergegeben; FAZ 20. 1. 1971 Als Oberbefehlshaber der Navy hat er eine Säulenhalle von Tabus umgestürzt. Nicht nur, daß er selbst ein paar überdimensionierte Koteletten pflegt. Er hat den Frauen der Seemänner eine Art Mitbestimmung . . . erlaubt. tabuartig: Rattelmüller 1953 Jahr 31 Die tabuartigen Vorschriften der Fastnachtswoche, die früher sehr streng waren, keinen Dünger fahren, kein Vieh aus dem Stall treiben, kein Holz aus dem Wald holen, nicht spinnen, werden heute kaum mehr beachtet. tabui(si)eren: 1830ff Völker-Gallerie II 2, 71 tabuirt; Nilsson 1911 Primitive Religion 8 Deswegen ist der tote Körper tabuiert; Laum 1933 Wirtschaft 91 Sonntage als tabuierte Zeiten; Wort u. Wahrheit 5 (1950) 544 der historische Moment, wo Petain (Roy nennt ihn nie bei seinem Namen, er tabuiert ihn als le vieillard, als den „Alten"), der Marschall Frankreichs, die Sache der Nation verrät; 1952 Soziologie 54 bei den Maori [war] eine Reihe hochtabuierter Künste, wie das Tätowieren . . . den Adligen vorbehalten; Kofier 1962 Theorie 44 Menschliches Existieren steht nicht ausserhalb der Geschichte, und es muss daher mit der Scheu gebrochen werden, bestimmte und dem entfremdeten Denken zugehörige tabuierte Grenzen zu verletzen; Haffner 1965 Todsünden 138 Die Bundesrepublik tabuisiert nun zwar jeden Zweifel an Deutschlands vollkommener und ausschliesslicher Westlichkeit; Stuttgarter Ztg. 1. 8. 1969 der Weg von der tabuisierten zur manipulierten Demokratie ist schon beschritten; FAZ 17. 2. 1970 Die Tortur geht weiter, mag das Mädchen auch seelisch zugrunde gehen. Schließlich geht es um eine „Sache". Da darf ein leidendes Kind nicht tabuiert werden; ebd. 9. 3. 1970 im modernen China gebe es vielleicht gar keinen Sex oder er sei so unendlich tabuiert, dass keinerlei Information darüber zu beschaffen sei; ebd. 6. 8. 1971 Neu ist allerdings auch mir, daß die D D R von der „Linken" tabuisiert wird; Offenburger Tagebl. 7. 12. 1971 Während früher auf sexuellem Gebiet ,nichts gesagt, erklärt und in Zusammenhängen dargestellt und diese Sparte tabuisiert wurde,

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schlägt wie bei jeder Einseitigkeit das Pendel heute ins andere Extrem um. Tabui(si)erung: Holzapfel 1898-1929 Sehr. 123 zu einer Art allgemeiner Tabuierung vieler Erdstellen, auf Bergen, in Wäldern . . . [die] unbewohnt [und] . . . unbesucht bleiben; Imago 5 (1917—19) 331 dass die Tabuierung der verschiedenen Tierteile [sie nicht zu essen] sich . . . auf dem Boden totemistischer Riten entwickelt hat und sich deren Ableitung aus der Tierverehrung der Primitiven erkennen lässt; Archivum Romanicum 16 (1932) 514 Tabuierung durch Decknamen; Stuttgarter Ztg. 26. 3. 1962 Andererseits . . . sei in einer Gesellschaft, in der die mündigen Menschen eher zunehmen und die Zonen der Tabuierung schrumpfen, viel neuer Spielraum für individuelles Verhalten gechaffen; Becker 1962 Quantität 395 Die Tabuisierung bestimmter Wahrheiten führt . . . zu gefährlichen politischen Entscheidungen; Haffner 1965 Todsünden 135 Alle deutsche Politik im 20. Jahrhundert beruhte und beruht auf der Tabuisierung unwillkommener Tatsachen; Mannh. Mögen 6.17. 5. 1978 Ohne Tabu Patienten betreuen (Uberschr.) Mit mehr Information wollen die Stoma-Träger in der Bundesrepublik auf ihr Problem aufmerksam machen und erreichen, daß eine Tabuisierung des Themas künstlicher Blasen- oder Darmausgang in der Öffentlichkeit abgebaut wird. Tabui(si)ertheit: Mühlmann 1966 Weber 52 Aber gerade der Soziologe, der den Finger auf diese schwärenden Wunden legt, nimmt unwillkürlich etwas von der pariahaften Tabuiertheit seines Forschungsgegenstandes an. enttabui(si)eren: Kirchgässner 1959 Zeichen 383 [Erstlinge der Herde und der Feldfrucht werden durch Konsekrierung in die Welt eingeführt] erst dadurch wird die Reihe enttabuiert, („salonfähig"), existenzberechtigt und der Beanspruchung gewachsen; Mannh. Morgen 30. 3. 1972 Leichenwäscher und Knochenmänner sollen den Tod enttabuisieren (DUDEN). Enttabui(si)erung: FAZ 1. 8. 1970 Hinter dem lautstarken Rufen nach einer weiteren „Enttabuisierung" und noch mehr Freiheit für die natürliche ungezwungene Sexualität; 1974 Hörzu 116 ein altmodischer Mensch . . . der . . . den erzieherischen Wert der totalen Enttabuisierung nicht erfaßt hat (DUDEN). Tabuismus: Imago 11 (1925) 8 vergleichende Untersuchungen der Ergebnisse der Individualanalyse und der sozial-religiösen Systeme primitiver Völker (des Totemismus und Tabuismus).

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tabu

tabuistisch: AfA 44 (1925) 159 Zwiespältigkeit der euphemistischen Tendenz, das zu Offenbarende aus tabuistischer Scheu zu verhüllen; Tschircb 1954 Weltbild 49 etymologisch dunkle tabuistische Ver-

kleidung des ursprünglichen Eigennamens der Eiche [im Indogermanischen]; Kronasser 1956 Vergleich. Lautlehred. Hethitischen 74Tabuistische Lautveränderungen.

tabu (nur prädikativ) Adj., im späteren 19. J h . entlehnt aus gleichbed. engl. taboo, tabou; in der Bed. 'heilig, unberührbar, unantastbar, unverletzlich; gefährlich; aus bestimmten konventionellen, meist moralischen Gründen dem (sprachlichen) Zugriff entzogen, sakrosankt, verboten', auf Menschen und die verschiedensten Gegenstände bezogen, heute zunehmend abgeflacht verwendet. Gutschmid 1866 briefl. (Von Kieler Professoren 370) die Mediziner haben wieder einen Zirkel für sich, in denen (!) die anderen Facultäten tabu sind; Halbe 1906 Insel 22 Der Junge ist tabu wie ein Negerfetisch; Spann 1923 Gesellschaftslehre 329 „Tabu" heisst soviel wie unverletzlich, verboten; Hauptmann 1924 Insel /J7haben alle Kolonistinnen Phaon, das Kind unsrer Kolonie für tabu erklärt; Anquetil 1928 Ehen (Übers.) 10 O b diese Betrachtungsweise berechtigt oder unberechtigt ist, mag auf sich beruhen, sie beweist aber auf jeden Fall, dass das Wort Polygamie für uns keineswegs so tabu sein darf, wie es nach den landläufigen Vorstellungen der Fall sein müsste; Wilke 1929 Prisonnier Halm 13 Sollten sie mich aber hier entdecken, werden sie wohlwollend weggucken einer, der Liebesbriefe schreibt, ist tabu; Loon 1930 Mensch (Ubers.) 44 „Nacktgehen" wurde tabu, etwas, was man einfach nicht mehr tun konnte; B.Z. am Mittag 24. 12. 1931 Die Winterfliege ist ein direkter Verwandter des Goldfisches und des Schleierschwanzes. Diese Tiere haben es verstanden, sich dem menschlichen Zugriff zu entziehen. Sie sind tabu!; Gläser 1932 Gut 135 denn ich kannte wenig Franzosen, die so leidenschaftslos und unvoreingenommen von einem Land [Sowjetunion] sprachen, das den meisten von ihnen tabu war; Lokal-Anz. 12. 3. 1933 Jetzt also sind sie darauf aus, die Boykottbewegung Indiens gegen englische Waren für uns auszunützen . . . Wir sprachen über hundert verschiedene Dinge, aber Indien bleibt tabu. Es muß sehr viel zu verschweigen sein; Wege 1936 Baldachin 116 Er wünschte auch nicht, dass davon gesprochen wurde. Der Gegenstand war tabu; Macdonell 1940 Gentleman 51 In unserer Lebensstellung ist der Gebrauch der Fäuste tabu; Siiddtsch. Ztg. 12. 2. 1949 Der Prinz von Wales ist doch tabu!; NZ. (Basel) 22.123. 4. 1950 Der weisse Eléphant ist gewissermassen heilig und tabu; Stuttgarter Nachr. 17. 4. 1951 Das war die erste „Korrektur" [Fälschung] eines Pennälers, dem später keine Urkunde mehr tabu war; Siiddtsch. Ztg. 20. 10.

1952 Heute üben sein Stimmrecht drei geheimnisvolle Männer aus . . . Ihre Namen sind tabu; ebd. 22. 1. 1953 Eine Lösung, die bis vor kurzem unmöglich schien, weil alles, was mit dem Konsumbrot zusammenhing, als tabu galt. . . Den Nimbus der Unantastbarkeit der Staatszuschüsse zum. Konsumbrot hat Bundesfinanzminister Schäffer zerstört; ebd. 26. 1. 1953 [der] bei der letzten Wintersportwoche aufgestellte Streckenrekord . . . hatte als tabu gegolten; ebd. 8. 9. 1954 Daß Kinder und Greise im Straßenverkehr tabu sind, dieses selbstverständliche Grundgesetz menschlichen Verhaltens scheint bei uns leider noch nicht publik zu sein; Saeculum 8 (1957) 393 ist der gefahrvolle [Aspekt der Macht] durch das polynesische Wort „tabu" gekennzeichnet; Offenburger Tagebl. 27. 3. 1958 Uferzone soll für Villen . . . tabu sein (Überschr.); Westdtsch. Tagesspiegel 19. 1. 1959 hat er sich Landewiesen als Privatflugplätze genehmigen lassen, die für jedes andere Flugzeug „tabu" sind; Offenburger Tagebl. 24. 1. 1959 Auch der Plan einer atomwaffenfreien Zone sollte nicht als „tabu" behandelt werden; Siiddtsch. Ztg. 4. 3. 1959 In den Sperrstunden seien Zimmertüren und Telephone grundsätzlich für jedermann tabu; Flake 1960 Abend 173 Mit der Weiblichkeit des Hansimädchens konnte sie sich nicht messen . . . war Ehefrau, tabu; Stuttgarter Ztg. 10. 3. 1962 Wenn man den im Bundeshaushalt vorgesehenen Verteidigungsbeitrag nicht als tabu betrachtet, kann man über die bereits gemachten Abstriche noch hinausgehen; ebd. 17. 9. 1963 Das Thema des . . . Romans, das wohl als mehr oder weniger tabu gelten kann . . . die erotische Beziehung zwischen zwei Frauen; 1963 Definitionen 85 Frage, warum der Komplex Industrialität für die Dichter tabu ist; Frankel 1964 Deutschland 51 Da . . . alles, was sich seit dem 30. 1. 1933 abgespielt hat, weitgehend tabu ist; Stuttgarter Ztg. 19. 2. 1965 Die einzige Bar der nördlichsten Stadt Südafrikas ist für Frauen tabu; ebd. 30. 7. 1968 Thema Sex für schreibenden Priester tabu (Uberschr.); FAZ 10. 10. 1969 Der . . . Ministerpräsident Lemke

Tabula rasa . . . will in den nächsten Tagen sein Kabinett umbilden. Wie ein Regierungssprecher . . . mitteilte . . . sollen die beiden FDP-Ministerien für Lemke „tabu" sein; Jasmin 5. 1. 1970 Es gehört zu den Vorzügen unserer Zeit, dass kein Thema tabu ist. So kann man . . . offen über Masturbation sprechen; FAZ 25. 3. 1970 Jedes Mal brechen die versammelten jungen Amerikaner in frenetisches Kampfgeheul aus und strecken die Fäuste zum Himmel. Kritische Vernunft scheint tabu; ebd.

Tabula rasa

9. 5. 1970 Zur Ehe gesucht wird eine junge Dame, intelligent, tabufrei (Anzeige); Offenburger Tagebl. 14. 4. 1971 In einem . . . Schreiben an das Autobahnamt Baden-Württemberg in Stuttgart reklamierte die Arbeitsgemeinschaft den Bereich der beiden Luftkurorte als Naherholungsgebiet für die Großstadt Freiburg. Es müsse für die Autobahn als tabu betrachtet werden; 1971 Junge Wirtschaft H. 6/7 Ich könnte diese Fragen ad infinitum fortsetzen — sie sind in der Öffentlichkeit tabu!.

F . ( - ; o h n e P I . ) , im s p ä t e n 18. J h . u n t e r e n g l . - f r z . E i n f l u ß e n t l e h n t

aus g l e i c h b e d . m l a t . tabula glatt

17

geschabte

und

' S c h r e i b t a f e P u n d rasa,

rasa,

damit

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(wieder)

B e s e i t i g u n g alter S c h r i f t z e i c h e n )

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( < lat.

tabula

' ( a u s ) k r a t z e n , s c h a b e n ' , inhaltlich

z u r ü c k g e h e n d a u f ein z u e r s t bei P l a t o ( T h e a i t e t 1 9 1 c 8 ev t a i q ijjuxcü? f|nä)v e v ö v KT]QIVOV EKIXAYEIOV 'die in u n s e r e n Seelen b e f i n d l i c h e W a c h s t a f e l ' ) u n d A r i s t o t e l e s b e n u t z t e s e r k e n n t n i s t h e o r e t i s c h e s B i l d ) , a n f a n g s g e l e g e n t l i c h in d e r f r z . F o r m rase;

table

z u n ä c h s t in d e r e m p i r i s t i s c h e n / s e n s u a l i s t i s c h e n E r k e n n t n i s t h e o r i e als B e z e i c h -

n u n g für d e n Z u s t a n d d e r m e n s c h l i c h e n Seele bei d e r G e b u r t ,

in d e m sie n o c h

völlig frei v o n E i n d r ü c k e n u n d d a m i t u n e i n g e s c h r ä n k t a u f n a h m e b e r e i t f ü r k ü n f t i g e E r f a h r u n g e n ist, im G g s . z u d e r idealistischen A n n a h m e e i n g e b o r e n e r I d e e n ; auf M e n s c h e n b e z o g e n für ' j m d . o h n e g r ö ß e r e E r f a h r u n g (auf einem b e s t i m m t e n biet),

ohne

tiefgreifende

Objektbereichen erforschtes,

charakterliche

menschlicher

unentdecktes,

nicht

Prägung;

Erkenntnis

und

beachtetes,

unbeschriebenes Aktivität

unstrukturiertes

für

Blatt',

'bisher

Gebiet'

und

Gevon nicht ganz

a l l g e m e i n f ü r 'völlige L e e r e , a b s o l u t e s N i c h t s ' ; seit s p ä t e r e m 1 9 . J h . h ä u f i g e r u n d

faire table rase

tabula rasa

(mit

e t w a s ) m a c h e n ' ( m i t e t w a s ) r e i n e n T i s c h m a c h e n , völlig a u f r ä u m e n ; ( e t w a s ,

bes.

h e u t e m e i s t in d e r n a c h f r z . bestehende

Verhältnisse)

ganz,

s c h a f f e n ' , h ä u f i g im p o l i t i s c h e n

restlos

gebildeten W e n d u n g

beseitigen,

vernichten;

radikal

Ordnung

Bereich.

Gotting. Magazin d. Wiss. 2 (1780) 141 Die Seele habe keine innere Grundkraft; sie seye Table rasa, und alles hänge von der Organisazion ab; ebd. 146 Angenommen: die Seele des Menschen seye Table rase; Beck 1799 Propädeutik 66f der Mensch, dessen Seele im Verhältnisse zu Erkenntnissen anfänglich als Tabula rasa, (als blosses Vermögen für Erkenntnisse und noch ohne allen Besitz irgendeiner Erkenntniss) anzusehen ist; Klinger 1803 Betr. (XI 132) Tabula rasa (glatte Tafel), wie diejenigen das Ding nennen, welche nicht an angeborne Ideen glauben; Carus 1835 Reise I 231 Tabula rasa der Gesichter dieser Hofleute; Gutzkow 1835 Charaktere (IX 102) Locke's tabula rasa; 1836 Album d. Boudoirs 11 denn bis jetzt ist das Feld der Mäntel noch eine tabula rasa in der Modewelt; Burckhardt 1840 Br. an Schreiber 47 An Vorderasien freut mich besonders, dass es beinahe noch eine tabula rasa ist, was man dem

hellenischen und römischen Altertum nicht nachrühmen kann; Keller 1842 Br. I 201 dass das 19. Jahrhundert mit einer tabula rasa aller Verhältnisse begonnen hat; Kap f f 1843 Schweizer-Reise 21 Der Appetit war jetzt um so stärker und die wohlbesetzte Tafel wurde in kurzer Zeit eine tabula rasa; Goltz 1847 Buch d. Kindheit 108 Wahrlich eine Kinderseele ist keine tabula rasa; Gutzkow 1848 Deutschland 217 Republik ist ihnen tabula rasa, Auflösen aller Steuern an den Staat; 1848 Grenzboten I 2, 13 Als der erste Rausch der Revolution vorüber war, als der gesammte Staat in dem darauf einbrechenden Interregnum wie eine tabula rasa erschien, die sich bequem einem jeden philosophischen-politischen System fügen könne, fing man an sich zu besinnen, was nun eigentlich Neues aufzuführen sei; ebd. I 2, 19 Die Revolution ist nicht ein permanenter Zustand, der Umsturz der Staatsverfassung bringt keine tabula rasa hervor;

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Tabulatur

Frantz 1850 Politik 5 das sehr berechnete Spiel der Demokraten, welche in der Agitation für die deutsche Einheit ein vortreffliches Mittel erkannten, um [mit den Partikularstaaten] tabula rasa zu machen; Prokesch-Osten 1850 Br. 148 Diese Sehnsucht, sich des Bundes zu entledigen, dieses Trachten table rase für willkürliche Schöpfungen zu gewinnen, während die größere Hälfte von Deutschland sich auf die Traktate und auf die Grundgesetze stützt, sollte denn doch die Augen allerorts öffnen!; 1851 Antiquar. Briefe 235 Wie viel hat der grosse Aristoteles für das von ihm gebrauchte Bild der Tabula rasa, der unbeschriebenen Tafel des menschlichen Geistes, leiden müssen; Gutzkow 1858 Zauberer III 387 Sie sind ein junger, unterrichteter und für eine praktische Auffassung des Lebens disponierter Mann. Aber in vielem sind Sie noch völlig Tabula rasa. Ich will Ihnen wünschen, dass das Leben bessere Zeichen auf Sie schreibt . . . als nur einfacher Beamter zu werden; Castelli 1861 Mem. I 6 [alle Güter und alles unbewegliche Eigentum zu verkaufen] kurz tabula rasa zu machen ; Daumer 1861 Mansarde III 15 Schopenhauer wollte und will Nichts, als Abstraction und Negation; es soll mit Leben und Liebe in jedem Sinne tabula rasa gemacht werden; Stahl 1863 Parteien 214 wir wollen alles vernichten, tabula rasa machen (faire table rase), um sie [die Freiheit] herzustellen; Rasch 1865 Häuser 19 Alle 16 bis 18 Jahre wird mit dem herrschenden System einmal tabula rasa gemacht; Oppenheim 1866 Verm. Sehr. 276 dass die Revolution tabula rasa vorfand; Kretzer 1880 Genossen 33 es muß anders

werden, wir müssen tabula rasa machen;!;. Wartenburg 1897 Weltgesch. 503 Die religionslose Sozialdemokratie kann also nicht der Demiurg der neuen Zeit sein, sie könnte nur etwa die tabula rasa dafür herstellen; Lingg 1899 Lebensreise 36 hatte ich Tabula rasa gemacht, meine Barschaft betrug . . . noch ein paar Kupferpfennige; Frankft. Ztg. 19. 10. 1927 Es gibt revolutionäre Umstürze, die scheinbar mit der Vergangenheit tabula rasa machen; Volk u. Heimat 5. 2. 1931 Manche machen mit dem Schriftbild „tabula rasa" und schreiben alle Buchstaben klein oder alle Buchstaben groß; Seyppel 1951 Dekadenz 8 Die tabula rase Psychologie Lockes; Süddtsch. Ztg. 20. 2. 1953 Vordem habe stets das Prinzip gegolten, reinen Tisch zu machen — tabula rasa; Adorno 1958 Noten I 127 Der Vorstellung des'Begriffs als einer tabula rasa bedarf die Wissenschaft, um ihren Herrschaftsanspruch zu festigen; Reitzenstein 1963 Städte 46 Grosse verwüstende Brände, wie sie 1221 und 1327 die Stadt betrafen, konnten ja auf der von ihnen geschaffenen tabula rasa Korrekturen der Verkehrsadern ermöglichen; FAZ 19. 12. 1964 Ruf nach einer „Tabula-rasa-Lösung" — wonach die gesamte Leitung des Burgtheaters auszuwechseln sei; Herzfeld 1966 Aufsätze 197 dass auch die Novemberrevolution nicht tabula rasa mit der Geschichte zu machen vermochte; Stuttgarter Ztg. 31. 3. 1969 Daß in einer solchen Situation zum Beispiel auch die literarischen Tabula-rasa-Propheten Vorteile für sich sehen, weil sie wohltätig die Fragwürdigkeit der eigenen Existenz verdecken könnte.

Tabulatur F. (-; selten -en), Anfang 16. Jh. aufgekommene latinisierende Neubildung, zurückgehend auf lat. tabula, —> Tabelle; 1 als (historische) Bezeichnung für die in der älteren Musik übliche, seit dem 18. Jh. allmählich durch die heutige Notenschrift ersetzte Notationsweise von mehreren Sing- oder Instrumentalstimmen durch (übereinander geschriebene) Buchstaben und Ziffern (Orgel-, Lautentabulatur), auch für 'Stimmenübersicht; Partitur-, Notentafel'. 2a Gleichzeitig in der veralteten Bed. '(auf einer Tafel, schriftlich verzeichnete) strenge Regel(-mäßigkeit), Ordnung, Vorschrift; (begründete) Norm', auch in Syntagmen wie nach der Tabulatur 'nach der Regel, regelgerecht; nach Vorschrift, ordnungsgemäß', gleichbed. mit der adj. Gelegenheitsableitung tabulaturmäßig; b auch im engeren Sinne als (historische) Bezeichnung für die (auf einer Tafel verzeichnete) Gesamtheit der technischen (Kunst-)Regeln der Meistersinger für das Verfassen und den Vortrag ihrer Lieder. Tabulatur 1: Virding 1511 Musica d4h der tabulaturen / sye zu vnderweisen / vff den instrumenten zu lernen; Ammerbach 1571 Orgel oder Instrument Tabulatur. Ein nützliches Büchlein (Titel); Rot 1571 Dictionarius 355 tabulatur, Auß-

gesetzter gesang auff Orgeln / lauten / harpffen / rc. den einer wie ein Tafel für sich legt / vnd darnach schlecht; Schmidt 1571 Zwey Bücher. Einer Neuen Kunstlichen Tabulatur auff Orgel vnd Instrument (Titel); Fischart 1575 Garg. 130 fürnem-

Tabulatur lieh wann die ringlin nach der Tabulatur klinglen (RÜTTER); Spangenberg 1598 Musica 16 Dass mann Newe Artt (so nicht mit der Alten Messa Senger Tabulatur oberein stimmete); Herlicius 1606 Musicomastix E6k wenn man es dann darnach thut bringen in tabulatur der orgelkunst (DWB); 1638—50 Gedichte d. Königsberger Dichterkreises 69 Dieses [ein Lied immer in unisono zu spielen] kan einem guten Musico gar nicht gefallen; Wann aber das Instrument nach vorgeschriebenem Basso, welcher alhier an stat der tabulatur steht, gebührlichen tractiret würde, die nothwendigen accorden oderconsonantien nicht weg blieben; 1662 Rockenphil 362 (III 19) ein stück in tabulatur setzen (DWB); Grimmelshausen 1669 Simpl. 296 Also stellete ich mich auff die bestirnte Zeit ein, die Melodeyen der unterschiedlichen Lieder, so ich zusingen hatte, schlug ich gleich perfect auff dem Instrument, weil ich das Tabulatur-Buch vor mir hatte; Felsenburg 1731 (II 432) ich kan alle chorale nach der tabulatur und noten auswendig (DWB); Sulzer 1775 Theorie II 735" Tabulatur War lange die Benennung der musikalischen Zeichen überhaupt, nach denen ein Stük gespielet werden konnte. Noch lange nach der Erfindung der Noten bedienten sich viele deutsche Tonsetzer, fürnehmlich zu vielstimmigen Clavierstüken, der bloßen Buchstaben und Sylben, womit die Töne noch heute benennet werden. Tabulatur 2 a: Carlstadt 1523 (ZfdW XV 213) Ich rede von den pawren vnd gemaynem man, vnd nit von den jhenen die ausz der tabalatur reden; 1525 (Schade, Satiren III 190) Du redest aber nach der tabulatur; Frank 1534 Mor. encom. CIX 1 was ist aber freieres, dann das sie all ding ausz einer tabulatur tun (DWB); 1541 Sprichw. I 37h wann er einen tag ligen solt oder ausz der tabulatur tretten (DWB); Waldis 1548 Es. IV 46 und ist nit wunder, das der bur, der nicht verstündt tabulatur, in solchem glück begund zu Sträuchen (DWB); 1559 Verbütschiert Buch 404h den juden war es seltzam und ausz der tabelatur, dasz der heilig geist auch auf die heiden fiel (DWB); H.J. v. Braunschweig 1569 Kirchenordn. 142 er thut alle tritt mit groszer bedacht und nach der tabeltur (DWB); Fischart 1575 Garg. 61 darumb mußt er täglich nach der Tabulatur viermal weyseien, treubelen, und beibelen (ROTTER); ebd. 168 dieselbige seugeten es fein ordenlich nach der Tabulatur ein Tag umb den andern (RÜTTER); ders. 1575 Pod. Trostb. X 742 baides jre reden unnd schreiben nach der kunst und tabulatur artlich stellen (RÜTTER); 1625 Eselk. 191 da habt ihr nun ewren könig, der ist nach der tabulatur herauszstafiert (DWB); Weise 1673 Erznarren 102 und da nunmehr die gantze Brieffschreiberey in dieser Zierligkeit besteht, daß man

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die Eminentzen, Exellentzen, Reverentzen und Pestilentzen fein nach der Tabulatur herschneiden kan; 1693 (Bolte, Singspiele 162 Anm.) zu tragen auch den Hochzeit-Krantz Fein zierlich Mannirlich Und nach der Crabletur; Fassmann 1729 Narr 24 mahlet einen unartigen Schul-Monarchen auf diese Weise ab: „Er tritt nach der Tabulatur einher. Mit der einen Hand scandirt er Verse, und mit der andern halt er seinen Schul-Scepter"; Wieland 1771 Der neue Amadis III 16 die tablatur der Sphären (DWB); Gotter 1795 Schauspiele 198 Wenn ich meines Herzens Meinung sagen soll . . . so find ichs eben nicht nach der Tabulatur, dass sich der Herr Bräutigam zum Verlöbniss erwarten lässt; Gutzkow 1838 Blasedow 1304 Sie schlugen all ihre Formen . . . über die Monotonie ihrer LeistenTabulatur; Rosenkranz 1848-56 Polit. Br. 79 Sie machten mir den Vorwurf, dass ich den Studenten keine Tabulatur gäbe, und wünschten von meiner Dialektik eine nähere Vorstellung; Archivum Romanicum 11 (1927) 605 ängstliche Festhalten an einer Schultabulatur; Rother 1928 Schles. Spr. 428 Bei dam muss olls noch dr Trepplatur gihn.

tabulaturmäßig: Fontane 1896 Br. II 2, 371 Gegen sogenannte „Kritiker", wenn sie nicht sehr gut sind, also von der langweiligen Lob und Tadelfrage ganz absehen, bin ich total abgestumpft, weil sie eben „tabulaturmässig" sind.

Tabulatur 2 b: Puschman 1571 Meistergesang 4 Und macht jn fast ein jeder ein besundere Tabulatur, sie sey gleich recht oder vnrecht. Vnangesehen, das die Nürnberger Tabulatur (die von den Alten vnsern Vorfahren vnd Meistern jren Ursprung hat) die Straffen zuuermeiden, klerlich gnugsam besaget; ebd. Es sind aber etlich Klügling, die in gemelter Tabulatur gewület . . . vnd aus diesen zweyen Tabulaturen eine gemachet; ebd. 10 Tabulatur oder Schulregister des Deudschen Meistergesangs, sampt erklerung beyserley Straffen; Horn 1822 Poesie I 60 Tabulatur der Meistersänger; Koberstein 1830 Nationallit. 61 Unter den Meistersängern verstand man lange diejenigen Dichter, welche seit dem Ende des dreizehnten oder dem Anfange des vierzehnten Jahrhunderts bis tief in die neuere Zeit herein in sogenannten Singschulen eine Art von handwerksmäßiger Poesie trieben und nach gewissen strengen Regeln, welche in den Tabulaturen enthalten waren, Lieder verfertigten; Gutzkow 1832 Reiseeindrücke XI 5 nannten sie [die Nürnberger Meistersinger] den Poetensteig oder die Tabulatur; Graf} 1951 Goethe 23 Tabulatur [der Nürnberger Meistersinger],

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Tachometer - Taifun

Tachometer M. (-s; -), auch N., im früheren 19. Jh. aufgekommen, zurückgehend auf griech. TÖxog 'Schnelligkeit' (Etymon auch von Fachausdrücken wie Tachograph) und (ietQOV 'Maß; Werkzeug zum Messen, Maßstab', früher auch Tachymeter, zurückgehend auf griech. \a.yvc, 'schnell' (Etymon auch von Fachausdrücken wie Tachygraph(ie), Tachykardie) und hetqov; in der Bed. 'Geschwindigkeitsmesser', im 20. Jh. eingeschränkt auf Fahrzeuge, auch für 'Drehzahlmesser' und 'Kilometerzähler' und vereinzelt bildlich verwendet; heute häufig, vor allem ugs., in der Kurzform Tacho M. (-s; -s) (Tachonadel, -stand). Tachometer: Poppe 1837 Erfindungen 423 Der Holländer Brünings erfand ein Tachometer . . . bei welchem eine Tafel an dem in den Fluß gestreckten Pfahle durch die Kraft des fließenden Wassers so vorwärts geschoben wird, daß sie eine Schnur nach sich zieht, die mit dem kurzen Arm einer Art Schnellwaage verbunden ist. Je stärker der Stoß, folglich auch die Geschwindigkeit des fließenden Wassers ist, desto weiter vom Umdrehungspunkte des Hebels hinweg muß man das Läufergewicht schieben; Hermann 1896 Physiologie 81 Direct erhält man letztere [Längengeschwindigkeit] durch das Strompendel oder Tachometer . . . ein in die Arterie eingeschaltetes Rohr, das ein leichtes Pendelchen enthält; Meggendorf er Blätter 1925 Nr. 1805 Ein Griff, und das Tachymeter schnellte auf 90 Kilometer; Berl. Illustr. Nachtausg. 22. 12. 1931 Wir hatten einst an unseren Miniaturautos Hupen. Das war der Inbegriff des „Letzten", Modernsten. Heute ist ein Tachometer aufgemalt; ebd. 24. 2. 1933 daß er damit nicht mehr als 20 Kilometer gefahren ist; das sieht man schon am Tachometer; Lokal-Anz. 11. 4. 1934 Das Tachometer zeigte hundertundzwanzig; ebd. 19. 9. 1934 einen Blick auf das Tachometer zu werfen, das er bei seiner Schnelligkeit unmöglich beobachten könne; Dtsch. AZ. 4. 8. 1935 den „Umsatztachometer" Börse; Münch. N. N. 14. 11. 1940 der Tachometeranzeiger springt zitternd immer höher in die Zonen der Gefahr;.Süddtsch. Ztg. 13. 3. 1954 beschloß der Verkehrsausschuß . . . für einzelne Münchner Straßen wieder Geschwindigkeitsbeschränkungen einzuführen . . . Die Kontrollen erfolgen . . . von Fahrzeugen aus, die hinter den verdächtigen Kraftfahrern herfahren. Die Tachometer

dieser Kontrollfahrzeuge werden in kurzen Abständen amtlich überprüft; ebd. 26. 7. 1954 Unter den Trümmern des Wagens fand man den Tachometer, der auf 69 km stehengeblieben war; ebd. 27. 7. 1957 Der Tachometer seines Wagens zählte 6700 Kilometer; Stuttgarter Ztg. 26. 3. 1968 Beim 17 M RS . . . liegen die großen Rundinstrumente für Tachometer und Drehzahlmesser ebenfalls im Armaturenbrett; Offenburger Tagebl. 11.2. 1969 Es handelt sich um die . . . Firma Hubert Mend,. Tachometer - Tachographen; FAZ 12. 1. 1972 Sprechende Tachometer (Uberschr.) An der Technischen Hochschule in Glasgow ist ein konventioneller Tachometer mit einem zusätzlichen elektronischen Signalkontakt ausgerüstet worden, der bei Überschreiten einer gewissen Geschwindigkeit ein Tonband . . . auslöst. Das Gerät spielt dann eine gesprochene Warnung ab. Tacho: Süddtsch. Ztg. 30. 6. 1951 1 km hinter der Ortschaft, wo die Tachonadel schon wieder auf 80 geklettert ist; Münch. Stadtanz. 26. 5. 1961 Viele müßten net sterben, wenn der Tacho nimmer über hundert nüberzittern könnt; Süddtsch. Ztg. 23. 10. 1964 die fadenscheinige Entschuldigung, der Tacho ihres Fahrzeugs habe nicht richtig funktioniert; 1966 Durch die schöne Welt Nov./Dez.h. Im Führerstand der schnittigen Lok klettert der Tacho auf 140 Stundenkilometer; Stuttgarter Ztg. 19. 12. 1967 Halber „Tachoabstand" (Uberschr.) Als Faustregel für den Abstand vom Vordermann hat der Bundesgerichtshof in einem Verkehrsurteil empfohlen, beim Kolonnenfahren so viel Abstand zu halten, daß die Entfernung in Metern der Hälfte der Fahrgeschwindigkeit entspricht.

Taifun M. (-s; -e), bereits im 16. Jh. vereinzelt, seit frühem 19. Jh. häufiger belegte Entlehnung aus gleichbed. engl, typhoon ( < chines. taifung 'großer Wind', aus tat 'groß' und feng 'Wind'; vgl. lat. typhon, griech. xvqpcöv '(Gott des) Wirbelsturm(-s)'), früher in Schreibweisen wie Teifun, Teufun und gelegentlich auf das Griech. zurückgehendes Typhon; meist auf (süd-)ostasiatische Küstengebiete (Japan, China) bezogen' als Bezeichnung für einen heftigen tropischen Wirbel-, Drehsturm, der beim Wechsel von Monsun und Passat entsteht und besonders von

Taille

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Juli bis Oktober auftritt, im 20. Jh. auch bildlich verwendet, z. B. im politischdiplomatischen Bereich. Coelius 1586Jüngste Zeitung aus Jappon 83b Dann er über die Verhinderung und ungelegenheyt, so sich in den Japponischen Schiffen zutragen, auch auff dem Meer sehr große Gefahr außgestanden, under denen sie ein erschröckliche ungestüme, so man Tifon nennet, erlidten, die vier und zweintzig gantzer Stund gewehret ( K L U G E , Seemannssprache); 1827 Kunst-Blatt 408 [Schiffsuntergang] in einem der fürchterlichen Stürme, welche die Chinesen Tae-Fung nennen, (d. h. einen grossen Wind); Bobrik 1850 Haut. Wb. 688 Das Gebiet des Teifuhns erstreckt sich an der Ostseite Asiens von der Mitte Konchinchinas durch die Philippinengruppe bis ins stille Meer, und bis zur Japanischen Insel Nipon ( K L U G E , Seemannssprache); Wilh. Heine 1856 Reise um d. Erde I 168 Wir hatten einen ziemlich unmanierlichen Typhon (Südoststurm) zu bestehen ( K L U G E , Seemannssprache); 1861 österr. Fregatte Novara II 384 es blieb kein Zweifel mehr übrig, dass es einen Kampf mit einem der berüchtigten Teifune des chinesischen Meeres zu bestehen galt ( K L U G E , Seemannssprache); Werner 1869 Nordd. Flo 164 Teufune sind Wirbelstürme . . . im chinesischen Meer; Brandt 1901 Ost-Asien I 103 Gegen zwei Uhr des Morgens sprang ein starker Wind auf, aus dem sich schnell ein furchtbarer Taifun entwickelte; das Haus zitterte und schwankte; ebd. 313 man hatte uns in Nagasaki nicht erwartet, da man geglaubt hatte, daß der Taifun den „Pembroke" am Auslaufen verhindert haben würde; ebd. II 43 bei dem sich allmählich zu einem Taifun entwickelnden Sturm; 1916 Schwed. Stimmen 73 trotz des Taifuns im gelben Meer; Fendrich 1926 Tagebuch 159 Aus dem Touristentaifun auf die Sigriswyler Alp über dem Thunersee gerettet; Harden 1927 Versailles 40 Die Welt ist ruhelos geworden . . . In Ost und West erwacht Wind, schwillt schnell zum Sturm, Blizzard, Taifun, Scirocco an; Lokal-Anz. 6. 9. 1933 Taifun über Japan und Korea (Uberschr.) Ein Taifun ging in der letzten Nacht über den westlichen Teil Japans hinweg und setzte in Osaka mehr als 30000 Häuser unter Wasser; ebd. 15. 6. 1934 Außer Westindien und den Vereinigten Staaten sind noch Indien, die chinesische Küste die Orkane heißen dort Taifune - und die Südsee besonders gefährdet; ebd. 28. 9. 1934 die Folgen der letzten Sturmflut- und Taifunkatastrophe für

die japanische Industrie; ebd. 18. 10. 1934 Die letzte Taifunkatastrophe und schwere Regenstürme haben im Norden Japans ungeheuren Ernteschaden und damit große Hungersnot hervorgerufen; ebd. 30. 11. 1934 Uber die südlichen Inseln der Philippinengruppe jagte um 5 Uhr früh pazifischer Zeit ein neuer verheerender Taifun mit einer Stundengeschwindigkeit von rund 200 Kilometer; Siiddtsch. Ztg. 26. 2. 1946 Barbarische Erfahrungsberichte über den Einsatz des streng geheim gehaltenen „Taifun-Geräts" bei der Bekämpfung der Warschauer Aufständischen, die sich in der Kanalisation und in den Eisenbahntunnels verborgen hielten. Durch die Vermischung zweier geruchund geschmackloser Gase, von denen eins das andere zur Detonation bringt, können mit einer mächtigen Stichflamme in einem Nu Tausende getötet werden; Hiller 1950 Köpfe 252 [der] Taifun [der Hitlerei und der Literaturzerstörung] hat . . . ausgetobt; Siiddtsch. Ztg. 28. 9. 1954 Taifun „Marie" wütet ohne Ende (Uberschr.) Ein schwerer Wirbelsturm verursacht in Japan ungeheure Schäden; ebd. 1. 7. 1957 Die im Gefolge des Taifuns „Virginia" aufgetretenen Wolkenbrüche und Überschwemmungen haben in Japan und auf Formosa 100 Todesopfer gefordert; Flake 1960 Abend 309 am Horizont unserer Beziehungen tauchte eines der winzigen Wölkchen auf, die manchmal den Taifun in sich bargen; Siiddtsch. Ztg. 7. 10. i960 Taifun über Luzon (Uberschr.) Mit Windgeschwindigkeiten bis zu 150 Stundenkilometern suchte der Taifun Kit den Süden der philippinischen Hauptinsel Luzon heim. Zehn Menschen ertranken, als zwei Boote in dem Wirbelsturm kenterten; Offenburger Tagebl. 9. 6. 1971 Im Taifun der Anerkennungen Pekings (Uberschr.) . . . Taiwan liegt im Taifungürtel Asiens. Jetzt steht uns ein diplomatischer Taifun bevor. Wir machen die Schotten dicht und sichern uns, damit wir nicht fortgeblasen werden; FAX 18. 10. 1971 Der japanische Reichstag erwartet „politische Taifune" (Uberschr.) In Japan beginnt am Montag die politische Taifunsaison. Auf die außerordentliche Sitzung des Reichstages . . . rasen, wie Abgeordnete es nennen, drei Taifune zu: die China-Frage, die Yen-Aufwertung und der Okinawa-Vertrag.

Taille F. (-; -n), Mitte 17. Jh. entlehnt aus frz. taille '(Ei n_ > Ab-, Be-, Zurück-) Schneiden; (Ein-)Schnitt; direkte, von Bürgern und Bauern zu zahlende Steuer zugunsten der königlichen Kasse; zusammengehörige Folge von Spielzügen bis zur

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Taille

Aufdeckung der Karten durch den Bankhalter; mittlere Lage (von Instrumenten, Stimmen), Tenorlage' und bes. ' G r ö ß e (des menschlichen Körpers, eines Tieres); Format, Dimension, Bedeutung (einer Sache); Gestalt des menschlichen (Ober-) Körpers, Figur; Brust; Leibesmitte, Gürtelgegend; Kleider-, Konfektionsgröße; der Leibesmitte entsprechende Stelle an einem Kleidungsstück, Gürtellinie; Korsage' (zu tailler '(ab-)schneiden; spalten; zuschneiden, gestalten, formen; allein gegen die andern Karten spielen' < (m)lat. taliare 'spalten', zu (m)lat. talea 'abgeschnittener Zweig, Pflanzreis, Steckling, Setzling'), früher, eventuell unter ital. Einfluß, vereinzelt in den Formen talia, tailge. l a Veraltet in der Bed. ' G r ö ß e ' , bes. vom menschlichen Körper, aber auch von Tieren (Pferden), auch für 'Gestalt, Wuchs, Statur, Form, Bildung, Proportionen des menschlichen Körpers', bes. auf Frauen bezogen; b von daher seit späterem 18. Jh. eingeengt auf die heute zentrale Bed. 'schmälste Stelle des menschlichen Rumpfes zwischen Brust- und Hüftpartie; Leibesmitte, Gürtelgegend', bes. auf Frauen bezogen, häufig in Wendungen wie den Arm um die Taille eines Mädchens legen, auf Taille gearbeitet 'in der Taille eng anliegend' von Kleidern, Anzügen o. ä. und früher (scherzhaft-verhüllend) einer Frau/sich die Taille verderben 'eine Frau schwängern/schwanger werden'; auch verkürzt f ü r 'Taillenweite, -umfang' und auf die entsprechende Stelle an weiblicher Oberbekleidung bezogen, häufig in der Zs. Wespentaille 'sehr schlanke, wie bei einer Wespe stark eingezogene Taille', im 20. Jh. auch bildlich verwendet für 'schmale, eingezogene Stelle', bes. von geographischen Phänomenen; c gleichzeitig auf weibliche (Ober-)Bekleidung übertragen in der veraltenden Bed. 'eng anliegendes Leibchen, Mieder; Korsage, Korsett'. 2 Seit Ende 17. Jh. fachspr. in der Musik nachgewiesen als Bezeichnung für '(tiefere) Tenorlage (bei Instrumenten)', bes. auf die Bratsche bezogen. 3 Seit Mitte 18. Jh., mit PI. Tailles, als (historische) Bezeichnung f ü r eine bis zur französischen Revolution von der königlichen Staatskasse in Frankreich erhobene (Vermögens-, Einkommens-)Steuer zu Lasten der nicht privilegierten Stände (Bürger, Bauern). 4 Seit Anfang 19. Jh. nachgewiesen als Fachausdruck verschiedener Kartenspiele in der Bed. '(zusammengehörige Folge von Spielzügen, Karten bis zur) Aufdeckung der Karten für Gewinn und Verlust (durch den Bankhalter)'; dazu das schon seit späterem 18. Jh. belegte, aus gleichbed. frz. tailler übernommene Verb taillieren '(als Bankhalter) die Karten mischen und abziehen; die Karten aufdecken; eine Reihe von Zügen (allein gegen die Mitspieler) spielen' und das ebenfalls aus dem Frz. übernommene Subst. Tailleur M. (-s; -s) 'Kartenspieler, der die Karten abzieht; (taillierender) Bankhalter'. 5 Im 19. Jh. belegt in der eher ugs. verwendeten Beteuerungsformel Auf Taille! 'Auf Ehre'. 6 Vom früheren 19. Jh. (1838 bei Heyse) bis ins frühe 20. Jh. gebucht als Fachausdruck des Münzwesens für 'Ausstückelung'. 7 Seit späterem 19. Jh. (gebucht 1863 bei Kaltschmidt) bis ins frühere 20. Jh. fachspr. in der Vervielfältigungstechnik für 'Schnitt, Gravur', speziell in Syntagmen wie Taille douce 'Kupferstich', Taille de bois 'Holzschnitt'. Taille 1 a: Rist 1642 Rettung E3" Die gantze taille I Orientalische Reisebeschr. euwres sehr proportionirten Cörpers; Troilo 1676 ' schönen talia und wol

683 Sie waren von einer gewachsen ( B R U N T ) ;

Taille Thomasius 1688 Monatsgespräche I 455 Theodora, welche eine Fürstin von großer und starker taille war; 1690 Theologische Curiositdten 73 dieser Damen ihre gute Taille ( B R U N T ) ; Ettner 1697 Chymicus 705 das Pferd ist von guter taillie; Menantes 1702 Verl. Welt. 45 Sie wäre annehmlich von Gesichte / sehr geschickter Taille; 1706 Hazards Lebens-Gesch. 3 das freye Angesichte / die reine taille, wohlanständige Geberden zeigten gantz etwas anders an / als der zerfetzte Habit; Ahr. a S. Clara 1709 Centifol stultorum 306 zu malen / wann ihr Taille oder Leibs-Gestalt aussieht / als wann sie weiß nicht wo abgefallen wäre; Amaranthes 1715 Frauenzimmer-Lex. 1599 Reiffen-Rock . . . den das Frauenzimmer nach ietziger Mode, um ihrer Taille dadurch ein Ansehen zu machen, unter die andern Röcke zu ziehen pfleget; Melissas 1715 Fleurie 133 Ja der schlanke Leib und die wohl-gewachsene Taille, war ein MeisterStück ihres Schöpfers; Ferriol 1719 Abb. (Übers.) 4" Das Oberkleid / welches das Türckische Frauenzimmer über sich wirfft / ihre Taille zu verstecken / wann es ausgehet / und die Decke / womit sie den Kopff und das Gesichte biß auf die Augen verhüllen; Elis. Charl. 1721 Br. VI 142 dass er eine schönere taille hatt; Wagner 1724 Soldatenbibliothek 160 Einen Alt-Fränckischen Soldaten bildet uns Sidonius Apollinaris ab: Er war von einer hohen Taille, hatte einen Gürtel um den Leib / war sehr enge gekleidet; ebd. 314 Sie sind sehr geschickt ihre Pferde / so von kleiner taille sind / zu regieren / sie haben sehr kurtze Steigbügel / und ihre Sporen; Fleming 1726 Soldat 145 In Ansehen der Taille und Statur sind die Ausleger nicht einerley Meynung. Viele halten die großen, langen und ansehnlichen Leute vor besser; Rohr 1728 Zeremoniellwissenschaft 1186 Was bey jenem wegen seiner Taille Geberden natürlichen Beschaffenheit des Leibes, auch wohl wegen seines Characters und andrer moralischen Umstände ein Wohlstand; ebd. II 611 die Gassen auf beiden Seiten mit lauter jungen und prächtig gekleideten jungen Leuten von einerley Taille besetzt gewesen; Fleischer 1730 Herr v. Lydio I 273 von Person wäre sie etwas lang, mit einer proportionirlichen Taille; 1737Jiid. Baldober 254 Soviel sey ein Mann mittler Taille; Trichter 1742 Ritterlexikon 1226 ein Pferd mittelmäßiger Taille; Philippi 1743 Witz u. Geschmack 212 Die wahre Höhe der Gedanken gleichet einer Schönheit, die, wie eine ausgehauene Ceder, in schlanker Taille vor einem stehet; Meier 1746 Ehre 105 [die galanten Herren] werden aber rasend, wenn man ihre Taille nicht loben will; 1748 Gotting. Student (Plesse) III 72 Sonsten war ihre äußerliche Gestalt wohl gebildet. Sie war von mittler Tailge, hatte weiß-gelbe Haare; Klopstock 1753 briefl. (ZfdW V 36) Meine Moller wird alle

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Tage runder . . . und die Taille, diese süße Taille hat nichts bei dem Rundwerden verloren; Zachariae 1754 Verwandlungen I 159 Und ihre Taille, schlank, und majestätisch schön; Griesebach 1756 Von d. Fingern 77 der Leib oder die taille [des Menschen]; Riedel 1767 Theorie 80 so zeigt er uns die Natur im Reifrocke, die wir lieber in ihrer natürlichen Taille gesehen hätten und verdient von uns für alle seine Bemühungen keinen Dank; Lavater 1777 Physiogn. Fragmente III B2h Taille, Gesicht, Haare; 1783 Merkur III 127 hatte eine sehr kurze, aber erschrecklich breite Taille; Merken 1785 Kunstbuch II 7 Dahingegen die Schönen Deutschlands, welche sammt ihren Geschwistern sowohl in der Taille, als in der Gesichtsbildung, den Ruhm der ersten Schönheit aller Nationen der Welt besitzen; Goethe 1798 Br. (XIII 212) Ich lege Euch eine Schnur bey, als das Maß meines Umfangs, damit Ihr messen könnt ob ich mich von dieser Seite besser gehalten habe als Ihr, denn sonst waren wir ziemlich von einerley Taille; ders. 1827-42 (W. XXV 350) Wär er von meiner Taille gewesen, ich hätte sie [die Kleider] ihm vor den Augen weggetragen, mich draußen umgezogen ( K E H R E I N ) ; Normann 1833 österr. II 2, 12 eine sehr schöne Taille zeichnet das weibliche Geschlecht, selbst in den niedersten Ständen, aus; Strauss 1856 Papierreisende 18 Und Taille . . . hat doch nicht nur ein Mensch, sondern auch ein Satz, nicht blos der Körper, sondern auch der Periodenbau?; Boy-Ed 1892 M. 103 Hedwig war verwachsen! Sie war reichlich mittelgroß, ihre Taille hatte jene Form, die Verwachsenen eigen ist: von der Seite gesehen sehr breit, von vorn nur schmal. Taille l b : Justi 1765 Sehr. I 110 die Erfindung solcher unseligen Trachten, die eine so genannte Taille erfordern; Lessing 1767 Dramaturgie IX 320 niedlicher als wohlgestaltet, Taille aber keine Figur; Wieland 1776 Jugendgesch. XV 161 der Tochter in dem Bürgerhause wo er [der Student] wohnte die Taille verderbt; Grecourt 1777 (II 1 2) Die Taille kann man mit den Händen Umspannen in dem niedlichen Corset, Ein leichtes Röckchen weht um ihre Lenden, Das weiße Strümpfchen sitzt so nett; Kindleben 1779 Schluterius 67 Nach einem halben Jahr, da die Spuren der verdorbenen Taille bey der Ehefrau unsers Wilibalds immer merklicher wurden; Bürger 1779 Gedichte (II 61) Vom Windeln, Bündeln, Zieren, Schnüren, Vom Taillemachen und Dressieren, Von Magd- und Ammenhudelei, Weil sich Mama nicht will genieren, Kurzum, von Vornehmtuerei; 1783 Merkur III 132 Es war eine hagere Gestalt, mit einer so dünnen geschmeidigen Taille; Blumauer 1784 — 94 Virgils Aeneis I 77 Frau Dido saß zwo Stunden

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Taille

schon Voll Angst an der Toilette, Flucht' über ihren schwarzen Teint . . . Und über ihre Taille; ebd. I 227 Urplötzlich sah Prinz Turnus all Die Schiffe sich verändern; Die Wimpel an dem Admiral-Schiff ward zu Haubenbändern, Der Mast zur Taille schlank und rund, Zum Halstuch jedes Segel, und Der Mastkorb zur Bouffante; Hermes 1789 Für Eltern V 256 sie, die die feinste Taille hatte; Sintenis 1796 Dialogen I 102 dass auf der Schnürbrust die ganze schöne Taille beruhe?; Laukhard 1796 Reichsarmee 153 sich ausser dem h. Ehestande die Taille verderben; Gotter 1802 Nachlass 239 O du, der schönen Taillen Krone In strengem Panzer eingezwängt, Du gleichst dem Fruchthorn der Pomone Woraus sich Reiz und Fülle drängt; Herder vor 1803 (VIII 91) Ein kleiner Fuß, der sich kaum zeigt, läßt rathen; eine enge Taille läßt rathen. Das sind Gothische Begriffe einer Romantischen Verkleidung . . . zu zeigen, daß die Schnürbrust wirklich ein Rest von den Ideen der Gothischen Pracht sei, und ein Panzer! daß die langen Röcke Folge der Gothischen Zucht sei . . . daß keins von beiden der Schönheit hilft (ZFDW IV 146); Goethe 1808 Br. a. d. Schweiz XIX 218 ein schmaler Schnürleib hat etwas Elegantes, und wir greifen die schöne Taille; Brun 1809 Episoden II 209 der mittlere Theil des Leibes schrumpft zur Wespentaille zusammen; Goethe 1827-42 (W. XVII 255) Die Taille, von der bei den modernen antikisierenden Bekleidungen wenig sichtbar wird, höchst zierlich, schlank und leicht zeigte sich an ihr in dem älteren Kostüm äußern vorteilhaft (KEHREIN); Laube 1836 Reisenovellen III 100 die Italienerin schnürt sich selten oder gar nicht, weil es ihr lästig ist; eine schöne Taille sucht man in Italien vergebens, sie entschädigen durch ihre Büsten; Glasbrenner 1836 Bilder a. Wien I 57 [sie] aber ist hübsch und [er] schlingt seinen Arm um ihre schlanke Taille; ebd. I 83 die Köchin und das Stubenmädel schnüren sich die Taille; 1836 Album d. Boudoirs 115 Uber die Feinheit der Taille (Uberschr.) Wenn ein Mädchen aus Liebe zu einer Wespentaille ihrem Oberleibe einen beständigen Zwang auferlegt, so bezweckt sie damit nichts weniger, als den Durchmesser der Basis ihres Brustkegels zu verengern; ebd. 119 Hat denn eine so überaus dünne Taille etwas so überschwenglich Anziehendes, daß ein ganzes Geschlecht darüber seine Gesundheit aus den Augen verliert?; Monatsschr. Wiss. Ver. Zürich II (1857) 64 noch heute gilt eine möglichst dünne „Taille" für elegant und vornehm, während ein wohlgebauter Brustkorb für tölpisch und bäurisch gehalten wird; Lewald 1860 Seehof 17 Schweigend betrachteten wir die langen Schleppkleider, die breiten Taillenbänder, die Brusttücher mit mechelner Kanten besetzt, die Haarbänder . . . und alle

jene Kleinigkeiten, welche der Luxus jener Tage zu Bedürfnissen erhoben hatte; Grabowski 1863 Off. 177 Wie konnte man besser als im Leibrocke die Vorzüge einer Taille entfalten; 1866 Gartenlaube 266 die Wespentaillen unserer modernen Schönen; Villamaria 1873 Manon 15 Butter und Kaffee verdarben ja den Teint und Schwarzbrod machte eine ungeschickte Taille; Lindau 1877 Blätter I 67 die dralle Dame . . . mit . . . einer Taille wie eine Wespe; Winterfeld um 1880 E. 51 wenn man alt wird, sehnt man sich wieder nach der Jugend zurück, und die invalid werdenden Offiziere schnüren sich die Taille, wie sie sie früher nie gehabt; Walloth 1886 Seelenrätsel 200 doch durchströmte es ihn mit Wohlbehagen, als er jetzt verwegen seinen Arm um die straffe Taille des Mädchens legte; Perfall 1887 Verhältnis 22 [er] sah . . . scharfen Auges auf die von dem knapp anliegenden Jäckchen umschlossene Taille; Polko 1895 Hell u. Dunkel 332 Er erhob sich rasch, schlang den Arm um ihre schlanke, durch keinen Fischbeinpanzer eingeengte Taille und wirbelte mit ihr fort; 1900 (Süddtsch. Ztg. 17. 4. 1957) Hunger hat nur die Kanaille, Doch der Adel hält auf Taille, Wenn er wirklich Adel hat; Schmarsow 1905 Grundbgr. 35 die grösste Verengung des Leibesumfangs zwischen Becken und Schulterbreite, die wir noch immer französisch „Taille" nennen; Mamroth 1907 Leben 144 [in Marienbad] gibt es nicht bloss weibliche Kolli, sondern gottlob auch Damen mit Taille, mit hervorragender Taille, ein ganzes Rudel gutgewachsener Frauen und Mädchen, Schönheiten in allen Abstufungen und Altersgraden, die ganze Klaviatur der Typen; Johnston 1917 Menschverst. 89 Die einzige Gefahr, die unser Reich bedrohen könnte, wäre die Besetzung von Konstantinopel und Kleinasien durch die Russen und die Erleichterungen, welche dadurch einem russischen Einfall in Syrien und Ägypten — der Wespentaille des Britischen Reichs - entstehen würden; 1926 Sittengesch. d. Intimen 84 Der Begriff der Taille tritt erst sehr spät in der Kultur- und Kunstgeschichte auf; Zur Mühlen 1929 Ende 40 Die Frau von 1900 war eine Märtyrerin, die mit heldenhaftem Lächeln Leiden erduldete und verbarg. Damals musste man vor allem Taille haben; die ideale Taille war jene, die von zwei normal grossen Händen umspannt werden konnte. Sie wurde folgendermaßen erzielt: Man zog das Korsett zugeschnürt an, dann presste man beide Arme fest in die Seiten, hielt den Atem an, und die Kammerzofe zog mit Leibeskräften an den Korsettschnüren; 1931 Dtsch. Welt 54 verkehrsgeographisch aber bilden Nord- und Mittelburgenland, die gemeinsam an Niederösterreich grenzen, eine Einheit, obwohl sie durch die „Wespenteille" infolge der sogenannten ödenburger Abstimmung bis auf 4'A

Taille Kilometer auseinander geschnürt sind; Dtsch. Kürschner Ztg. 1935 H. 3 Berechnung der Taillenschweifung: Dieselbe wird stets durch ein Zehntel der Differenz zwischen Ober- und Taillenweite bestimmt; Hasenkamp 1936 Weltmächte 82 der [durch den Versailler Vertrag] verengerte Raum Süddeutschlands, die „Wespentaille", zwischen dem nun französischen Elsass, dem „Weissenbürger Keil", und der Tschechoslowakei; Meisel 1937 Salzburg 122 mit einer so zarten Wespentaille, dass die Figur beim ersten Sturmwind in der Mitte abbrach; Münch. N. N. 23. 1. 1940 Die . . . Kämpfe . . . haben sich an jenem Abschnitt zugetragen, den man die „Taille" Finnlands nennen kann, in der Gegend, wo sich die Entfernung zwischen der Bottnischen Bucht und der russischen Grenze bis auf etwa 200 km verringert; Münch. N. N. 27. 10. 1942 Damen mit Wespentaille und hochgeschlossenem Kragen; Bad. Ztg. 20. 4. 1950 getrennte Stadtteile werden zusammenwachsen und die Stadt wird das „Wespentaillenkorsett" der Eisenbahn [ablegen]; Süddtsch. Ztg. 17. 4. 1957 Die Pariser Wespentaille war [um 1900] zwar bereits überwunden, doch setzte das Korsett von 1907 ihre Linie in gemässigter Einengung fort; 1959 Freundin H. 4 Die Kleidung nähert sich wieder der weiblichen Figur, und die Taille kommt mehr und mehr zu ihrem Recht; Süddtsch. Ztg. 23. 1. 1962 den Englischen Garten an seiner „Wespentaille" zu durchschneiden; ebd. 6. 2. 1963 Pierre Cardin betont seine Liebe zum Langgestreckten durch Kasaks und Tuniken, welche die Taillenlinie vertuschen; Stuttgarter Ztg. 31. 8. 1967 Denn in diesem Herbst sitzt der Gürtel nicht nur am TaillenÄquator, sondern auch nördlich davon (bis rauf zum 30. Breitengrad) oder auch südlich der Taille (am Hüftbreitengrad); Offenburger Tagebl. 9. 3. 1968 Bis zu 6 cm hoch steigen die Absätze. Sie zeigen sich besonders vielseitig - erscheinen farblich zweigeteilt und sogar mit 'Taille'; 1970 Durch die schöne Welt Febr.h. Wespentaille auf Kommando (Uberschr.) Im jugoslawischen Heilbad . . . wird nicht nur Lebererkrankungen, Gallenund Magenleiden therapeutisch zugesetzt sondern vor allem den Pfunden. Taille 1 c: Gercken 1784 Reisen II 39 [Trachten im Salzburger Land stimmen] darin . . . uberein, dass bey den Weibsleuten die Taille in der Kleidung sehr kurz, wie in der Schweiz, indem die Röcke fast bis unter die Arme gehen; 1796 Journal d. Moden XI 531 Die kurzen Taillen der Damenkleider sind noch immer volle Mode, und werden jetzt zum Theil so übertrieben, daß sich hinten auf dem Rücken die Falten der Taille in einer Spitze bis über die Schultern heraufziehen; Schlegel 1801-2 Vorlesungen 36 Kleidern mit tiefen Taillen \Jowiris

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1808 Studententeuffel 86 Gehen auch in tailles mit durchbrochenen Ärmeln, da man denn das lüsterne, freche Fleisch durchschimmern sieht; Goethe 1827-42 (W. I 32) und die Taill' und den Schlepp verändr' ich zur Stund; Das Leibchen ist länger, das Röckchen ist rund ( K E H R E I N ) ; Keller 1879-80 Gr. H. 10 merkwürdigeren Taillen, welche dicht unter den Armen gegürtet waren; Roberts 1891 Mitlied 15 Sie trug ein schweres schwarzes Seidenkleid, eine protzige Herrenuhrkette mit Verloques baumelte aus dem Taillenschluß; Friedell 1927 Kulturgesch. 1169 die Herrenmode der Gürteltaillen; Voss. Ztg. 13. 6. 1929 Die elegante Pariserin wird man daher, auf der Straße, nicht anders als im schwarzen Tailleur oder Mantel sehen, unbekümmert um Sommerhitze und strahlenden Sonnenschein. „Per Taille" auf die Straße zu gehen, wäre eine modische Entgleisung; Voss. Ztg. 15. 9. 1929 die Zuschneiderkurse meiner Kindheit, in denen man lernte, daß eine Taille (das bedenkliche Wort geistert ebenfalls durch die Mode 1930) aus elf Teilen zusammengesetzt sein muß; Broch vor 1951 Esch 46 sie legte die rotsamtene verschlossene Taille ab. Taille 3: Büsching 1754 Erdbeschr. II 313 Die Steuer, (Taille) welche in den Generalitäten von Montauban und Grenoble . . . von den Gütern, ohne Absicht auf die Qualität der besitzenden Personen, bezahlet wird, im ganzen übrigen Lande aber persönlich ist; so daß nur die Edelleute, Geistlichen und gewisse Bediente davon ausgenommen sind; Schlözer 1775 Briefw. Statist. Inh. 28 Der Elsass bezahlt keine Taille; 1776 Dtsch. Mus. II 1033 Die Taille (Grundsteuer) und Kopfgeld; Schlözer 1783 Staats-Anzeigen III 306 Taille oder Schazung; Lady Morgan 1821 Frankreich (Übers.) I 8 Taille, und fürwahr die gänzliche directe Besteuerung des Königreichs, fiel ausschließlich auf das Volk; Tocqueville 1857 Staatswesen (Übers.) 104 Fast der ganze Mittelstand der alten Gesellschaft lebte in den Städten. Zwei Ursachen hatten dies vor allem bewirkt: die Privilegien der Edelleute und die Taille; ebd. 116 Schon damals lastete zwar jene directe Steuer, die unter dem Namen Taille bekannt ist, nie auf dem Edelmann; Böhm 1919 Rokoko 261 zu den direkten Steuern gehörten die Taille, die Kopfsteuer, die Einkommensteuer.

Taille 4: 1804 Almanach für Kartenspieler 332 Taille [Pharospiel]; Kotzebue 1806 Blinde Liebe 17 Taille; Hoffmann 1820 Serap. VIII 204 da der Bankier gerade eine Taille geendet; 1827 Anw. des Tarock-Tappen-Spiels 11 Taille; Wit v. Dörring 1833 Jugendleben 202 Die frische Taille begann und scheinbar gleichgültig . . . erwartete der

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Tailleur

General die Entscheidung . . . die Dame bleibe lange aus — endlich hieß es Valet perd! Dame gagne!,/äger 1835 Felix Schnabel 82 dann pausirte man einige Taillen, dann wurde wieder pointin:; Krone um 1860 Kapitän I 81 Unter der Bedingung, daß ich um halb sechs Uhr meine letzte Taille ansagen darf, Stehe ich Ihnen zu Dienst; Fliess 1893 Miasmen 157 Nachdem aber die ersten Taillen abgezogen worden und die Bank gleich zu Anfang ziemlich stark ins Gedränge kam, sagte er bei sich . . . Greif das Glück bei den Haaren . . . Und er begann munter mit zu pointieren.

taillieren: Klinger 1780 Spieler I 96 Drei tausend Dukaten und in einer Nacht zusammen taillirt; Reichenbach 1880 Roman e. Bauernjungen 147 [beim Kartenspiel] Franz fühlte heute . . . ein förmliches Bedürfnis, für irgend jemand einzuspringen. „Wollen Sie auf mein Glück bauen, Graf, darf ich für Sie taillieren?" „Pardon . . . mein Kredit ist zu Ende, ich pumpe prinzipiell nicht."

Taille 5: Lebrun 1824 Fledermäuse (Jahrb. D. Bühnenspiele IV 32) Auf Taille, Sie werden liebenswürdig; Kobbe 1831 Humor. Skizzen 178 Auf Taille; Hackländer 1845 Wachtst. V III alle diese Zusätze: auf Ehre! . . . auf Taille!; Gutzkow 1858 Tauberer I 46 und dennoch versicherte er seinen nächsten Freunden (auf Dinge, die ihm und ihnen sehr heilig waren) in der ungebildetsten Form, z. B. „auf Taille" oder „Ich will hier nicht gesund stehen!"; ders. 1869 Zwei Gef. XII 124 so war ich 'Jonker' 'auf Ehre' 'auf Taille'; König um 1875 Hum. I 153 auf Taille, es ist eine ganz schauderhafte Geschichte; ebd. I 203 Es ist die wohlfeilste Art, das Leben zu genießen, auf Taille!; Liliencron 1896 Poggfred XI43 Auf eine Straße seh ich; glaubts, auf Taille!; 1898 Kladderadatsch u. s. Leute 124 Ihre mit vielen barocken Fremdworten gespickte affektirte Sprache, die sich in den übertriebensten Phrasen ergeht, und in Ausrufen und Versicherungen wie „pyramidal!" — „auf Taille!" — „auf Hüfte!" gipfelt, zeigt uns die gelungensten und amüsantesten Zerrbilder feudal-blasirten Witzes.

Tailleur 1 M. (-s; -s), Ende 18. J h . entlehnt aus gleichbed. frz. tailleur (zu —* Taille); selten belegt für 'Maßschneider'. Blumauer 1784—94 Virgils Aeneis I 277 Nun kam das Kriegskollegium Und sämmtliche Minister, Das Rentkammer-Collegium Und Magistrats-Philister, Bierbrauer, Schuster, Tailleurs, Pastetenbäcker, Accoucheurs, Et cetera zusammen; Bretzner 1787 Leben I 212 der ersten Größe am Firmament der Tailleurs ä la Mode . . . einen antikmodernen Saal . . . den Neuling eher für einen Audienzsaal, als für den Vorhof eines Schneiders angesehen hätte; 1796 Journal d. Moden XI 103

tailler,

Anm. Alle Modeschneider heißen jetzt costumiers. Tailleur ist völlig verächtlich, und bezeichnet einen Trödler und Flicker; ebd. (1797) XII 627 Es giebt auch französische Tailleurs oder Costumiers, wie sie lieber und stolzer heissen mögen [in Hamburg]; Lokal-Anz. 1. 1. 1933 Nicht selten spielt der Humor in diese Neujahrsgaben hinein, so, wenn ein witziger „Tailleur" seinen zahlungssäumigen Kunden ein — Vergißmeinnicht überreicht!.

Tailleur 2 N . (-s; -s), im früheren 20. J h . entlehnt aus gleichbed. frz. (costume) tailleur (zu tailleur, —» Tailleur 1 ) in der Bed. 'auf Figur geschneidertes, in der Taille anliegend gearbeitetes Jackenkleid; Schneiderkostüm (mit kurzer Jacke)'; daneben seit Anfang 20. J h . das aus dem Engl, übernommene Subst. Tailormade N . (-; -s) 'maßgeschneidertes Kleid, Schneiderkostüm', auch als indekl. Adj. tailormade verwendet für 'vom Maßschneider gearbeitet, maßgeschneidert'. Tailleur: Voss. Ztg. 13. 6. 1929 Er erfand die „Tailleur-Robe", die aus drei Teilen besteht, einem elegantenfarbigen Crepe-de-Chine-Kleid, einem Jackett aus schwarzer Seide oder Moiree und einem dazugehörigen schwarzseidenen Rock . . . Die elegante Pariserin wird man daher, auf der Straße, nicht anders als im schwarzen Tailleur oder

Mantel sehen, unbekümmert um Hitze und strahlenden Sonnenschein; Berl. Illustr. Nachtausg. 15. 6. 1933 Wenn sie aus weißem Pikee hergestellt wird, paßt die kurze, westenartig abschließende Tailleurjacke sehr gut zu einer Reihe schlicht gehaltener, farbig gemusterter und schwarzweißkarierter Kleider; Schwäb. Landesztg. 23. 6. 1946

tailliert - Takt ein Bild, das Emmy Göring, im eleganten, an den Stil der Landschaft angepaßten Tailleur, zu ihren Füßen zwei Setter . . . zeigt; NZ. (Basel) 25. 4. 1949 seine auf der Zeugenbank sitzende Gattin. . . die in ein elegantes schwarzweißes Tailleur gekleidet war; ebd. 24. 3. 1950 Tailleurs, denen im Frühling die Hauptrolle in jeder Mode zukommt; ebd. 2. 4. 1950 Deshalb macht sie sich eines schönen Tages auf, um sich ein Tailleur, einen Mantel oder ein Kleid zu erstehen; Süddtsch. Ztg. 28. 5. 1954 Wie Futterale saßen die Tailleurs, Zeugnisse einer vollendeten Schneidertechnik; ebd. 27. 9. 1957 Daneben behaupteten sich aber mit Erfolg die kleinen lockeren Tailleurs, mit Gürteln und weichen Rückenpartien; ebd. 21. 3. 1959 die klassischen, fast herrenmäßig geschneiderten Tailleurs; ebd. 5. 4. 1960 Tailleurs . . . erscheinen in fast herrenmäßiger Strenge. Sie haben tief gezogene Revers, die Jacken sind hüftlang, die Taille wird nur vage angedeutet; 1963 Sibylle o. S. Bordeauxrotes Tailleur von schlichter Eleganz (WDG).

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Tailormade: 1900 (Wachtel 1963 a la mode 36) englische tailormades; Franken 1913 Schneide 123 Er sah sich betroffen nach der schönen jungen Dame um, die im goldbraunen Tailormade, den großen Federhut auf dem wehenden Blondhaar . . . davonflog; Brachvogel 1915 Gauklerin 19 die junge, schlanke Dame, die ein ganz einfaches, aber tadelloses blaues Tailor made . . . trug; Wohl 1932 Reporter 373 eine junge Dame in elegantem, braunem Tailormade; N. Z. Z. 23. 3. 1971 Diese Frühjahrskostüme . . . erscheinen im strengen Tailor-made-Stil mit langer Jacke sowie auch legerer Form mit Lumber, Bolero oder kurzem Spencer und bringen uns jede gewünschte Abwechslung. tailormade: Duimchen 1902 Mittel 105 Und jetzt legte sich gar sein rechter Arm um die Taille des tailormade Ulster; Zander 1904 Neue Welt 63 war Frau Dir. . . . in ihrem grauen tailor made Reisekleid mit Schleppe.

tailliert Adj., im späten 18. J h . entlehnt aus frz. taillé 'geformt, gebildet, gestaltet; (zu-)geschnitten' (Part. Perf. von tailler, —> Taille); zunächst in der Bed. '(gut) geschnitten, gestaltet' (—> Taille 1 b), von daher eingeengt auf 'in der Taille eng anliegend gearbeitet, taillenbetont' von (weiblicher) Oberbekleidung (—> Taille l c ) ; vgl. das im 20. J h . vereinzelt nachgewiesene Verb taillieren V.trans. 'in der Taille eng anliegend arbeiten' mit dem dazugehörigen Verbalsubst. Taillierung F. ( - ; -en ungebr.). tailliert: Blumauer 1782-87 Gedichte (III 127) taillirten Rockes; 1789 Wiener Musenalmanach 139 Der [Schneider] des schiefsten Affenwuchses Schande Deckt mit einem schöntaillirten Rocken; Montagspost 30. 3. 1932 ziemlich kurze, tailliert gearbeitete Jacken aus Wolle, Bast oder Leinen; Lokal-Anz. 20. 8. 1933 An diesem taillierten, ganz schlicht gehaltenen Mantel . . . die Pelzverbrämung an den taillierten Mänteln für den Nachmittag; Süddtsch. Ztg. 4. 11. 1952 Der gerade, gürtellose Anorak hat nun endgültig den taillierten

abgelöst; ebd. 14. 2. 1959 Die Frauen denken an die taillierten Frühjahrskostüme und erhoffen ihr Heil nun von allen möglichen Schlankheitskuren. taillieren: Dtsch. Kürschner Zschr. 1935 H. 3 Unmoderne Mäntel werden durch Verlängern und Taillieren wieder modern. Taillierung: Münch. Stadtanz. 17. 9. 1953 Bei den Kostümen Betonung der Brustpartie und eine starke Taillierung.

Takt 1 M. (-(e)s; -e), im frühen 16. J h . entlehnt aus lat. tactus 'das Berühren, Betasten; Berührung; Gefühl; Gefühls-, Tastsinn' (subst. Part. Perf. von tangere 'berühren, betasten'); 1 in der veralteten Bed. 'Berührung; Tastsinn'; dazu das seit spätem 19. J h . (gebucht 1879 bei Petri) selten nachgewiesene, auf gleichbed. lat. tactilis zurückgehende Adj. taktil, fachspr. im medizinischen Bereich in der Bed. 'durch Tasten wahrnehmbar, (er-)tastbar, fühlbar; das Tasten, den Tastsinn betreffend' mit der dazugehörigen, selten gebuchten subst. Ableitung Taktilität F. ( - ; -en ungebr.).

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Takt

2 Seit späterem 16. J h . , zunächst auf Uhren bezogen, in der Bed. 'regelmäßiger, durch eine Berührung ausgelöster Schlag', dann im Bereich der Musik für 'Schlag, der den Rhythmus angibt' und zunehmend präzisiert zu der fachspr. Bed. 'kleinste, in der Notenschrift durch senkrechte Striche eingegrenzte Einheit im Aufbau eines Musikstückes' (Taktstrich), auch, ohne PL, 'zu Beginn eines Musikstückes oder bei Taktwechsel durch Bruchzahlen angegebene rhythmische Gliederungsart, Zeit-, Notenmaß', und in der Verslehre und Prosodie für 'kleinste metrische Zeiteinheit zwischen zwei Hebungen, Versfuß, Metrum'; auch allgemeiner verwendet zur Bezeichnung verschiedenartiger, im Wechsel von Betonung und Nichtbetonung regelmäßig ablaufender Bewegungen, Geräusche (z. B. Schritte, Ruder-, Hammerschläge o. ä.), selten abgeflacht und bildlich gebraucht im Sinne von 'Rhythmus, Einklang, Harmonie'; häufig in Syntagmen wie mitten im Takt abbrechen, den Takt schlagen, den Takt angeben '(ein Orchester) dirigieren', auch bildlich 'die Führungsrolle spielen', im Takt (singen, spielen), ein paar Takte spielen 'einen kleinen Ausschnitt aus einem Musikstück (vor-)spielen', auch ugs. und bildlich in ein paar Takte mit jmdm. reden 'jmdn. zur Rechenschaft ziehen, jmdm. die Meinung sagen'; als Grund- und Bestimmungswort in Zss. wie Dreiviertel-, Walzer-, Halbtakt; Taktstock, -Wechsel und taktfest 'sicher in der Einhaltung des Rhythmus', auch bildlich für 'sattelfest, beschlagen (auf einem Gebiet)' und in der Redensart nicht (ganz) taktfest (auf der Brust) sein 'nicht (ganz) gesund sein'. Dazu seit Mitte 17. J h . die verbale Ableitung taktieren V. (in)trans. 'den Takt schlagen, angeben; das Zeitmaß bezeichnen, anzeigen; akzentuieren' (Taktierstab), im 18. J h . gelegentlich die adj. Ableitung taktlos 'nicht taktgemäß, unrhythmisch' und im 19. J h . die adj. Ableitungen taktmäßig, taktgemäß 'nach dem Takt, im (Gleich-)Takt'. 3 Im 20. J h . fachspr. verwendet im Bereich der Technik in der Bed. 'sich gleichförmig wiederholender, begrenzter Abschnitt, Schritt, Phase im Bewegungsablauf von Maschinenteilen' (Zweitaktmotor) und, ohne PL, im industriellen Bereich in der Bed. '(vorgeschriebene, festgelegte) gleichmäßige Aufeinanderfolge ineinandergreifender Teilschritte eines Arbeitsablaufes (in der Fließbandfertigung), aufeinander abgestimmter Produktionsphasen (in einer technischen Anlage)' (Gleichtakt; Taktfertigung, -straße). Takt 1: Stanberger 1524 Dialogus oder Gespräch C 2b Nein es geht nit hie mit zom zu, aber jr gleissener thut jm nit anders, so man euch ein tact gibt mit dem schwert Christi, wie es Paulus nennet ad Ephesios; Goethe 1827-42 (W. XLIX 119) das Gesicht ist der edelste Sinn, die andern vier belehren uns nur durch die Organe des Tacts, wir hören, fühlen, riechen und betasten alles durch Berührung (KEHREIN). taktil: Kretschmer 1921 Körperbau 6 Wo wir keinen eindeutigen optischen oder taktilen Eindruck gewinnen . . . In unserem Schema sind nur Merkmale aufgenommen, die sich rasch, mit einem Blick oder mit wenigen Griffen feststellen lassen; 1924 Kunstwissenschaft 81 taktile Werte; Sauerbruch 1936 Wesen u. Bedeutung des Schmerzes 61 taktile

Empfindungen, optisch, akustisch; Die Zeit 28. 7, 1978 Vor einer Skulptur von Moore wird man wie selbstverständlich in eine physische Erfahrung hineingezogen: Beim Anschauen gerät man ins Umwandern, ins Anfassen, die mobile Resonanz löst die taktile Lust aus, im Rapport zwischen Augen und Händen erfährt man Moores Skulpturen. Takt 2: Rot 1571 Dictionarius 355 Tact, schlag / mensur / darnach man bhend oder langsam singt; Fischart 1574 Gödeke elf Bücher I 174" das ander einen scepter tregt, mit dems den tact zur glocken schlegt (DWB); Ernstinger 1579-1610 Raisbuch 258 der ander engel [der Straßburger Uhr] hat ein scepter, damit er den tact zur glocken schlägt (DWB); Spangenberg 1598 Musica 23 Daß die gar hitzige vnnd zum Kriege Zu mahl hefftig ent-

Takt brandte gemüetter, Durch der Musica Ordentlich vnnd fein zusammen stimmenden Klang vnnd gesang gleich gemeßiget, vnnd Allß nach dem Schlag vnnd Tact gefüeret würden; Herlicius 1606 Musicom. E 6" tact im Tantze; Guarinonius 1610 Greuel 1178 daß man vns vornen sänge, vnd hinten den Tact schlüge, so vergassen wir doch alles Leyds; Prätorius 1619 Syntagma mus. II 71 die beyde höltzerne Breterlein vnten an der Erden / welche die Rider oben regieren vnd vmbführen nach dem Tact, denn er oder die Musici halten / stetig vnd vnablessig zu treten; so kan er alsdann im Tact desto besser fortkommen; ebd. II 127 vnd lieblich vff einen langsamen Tact gebraucht werden; ebd. III 34 daß man nur den ersten vnd andern Tact forn im anfang mit eim strichlin vnterscheyde . . . daß sie die Tactus zu vnterscheyden / der Puncten zwischen den Noten sich gebrauchen; Herzog Ernst 1642 Schul-Methoden 32 Den Tact sollen sie durch auff- vnd niederschlagen der hand zeigen / vnd sagen, daß man dieses einen Schlag heisset; Dannhauer 1642 Katechismusmilch I 464 Unter solchen Worten, die ihr gewissen tact, also zu reden, und zeit erfordern, ist sonderlich das hohe, heilige (und wie es der Name mit sich bringt) recht schwere Wort des Eydschwurs; Mengering 1642 Gewissensrüge 388 oder ob sie mir auff den tact / resonantz und harmoni Gehör und Achtung gegeben; Printz 1676 Phrynis L 4" halbe Takte; Belemon 1728 Baurenlex. 185 tact heist in der music die richtige bewegung mit der hand oder arm, nach welcher sich die musici richten müssen (DWB); Haller 1728/29 Die Alpen 117 dort tanzt ein bunter ring mit umgeschlungnen händen in dem zertretnen gras bei einer dorf-schalmei, und lehrt sie nicht die kunst sich nach dem tacte wenden, so legt die fröhlichkeit doch ihnen flügel bei (DWB); Stoppe 1738-40 Fab. II 44 ihr müszt einmal ein stücke setzen, das lauter ganze tackte hat [Noten, die einen ganzen Takt bezeichnen]; schafft die geschwänzten noten ab (DWB); vor 1742 Drollinger 297 er [der Alexandriner] trabt daher mit schwärem schritt, ein gleicher tact bestimmt ihm jeden tritt (DWB); 1770 D. Bibl. (Klotz) 4 In Schlüssen ist der Verfasser wahrhaftig nicht taktfest; Goethe 1774 (Jub.-Ausg. I 17) Und nach dem Takte reget Und nach dem Maß beweget Sich alles an mir fort ( T R Ü B N E R ) ; Schiller 1781 Räuber (H. I 372) nach dem Takt der Trommel spazieren; Wezel 1781 Sprache 19 Taktmaass (mensura); Moritz 1785-1790 A. Reiser L 33 auch das mühevolle einförmige leben des handwerksmannes hat seine einschnitte und perioden, wodurch ein gewisser takt und harmonie hineingebracht wird (DWB); ebd. XCIV 15 die ganze schöne musik gerieth auf einmal aus dem takt (DWB); ders. 1786 Prosodie 81 der takt oder das

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metrum war durch die natürliche länge und kürze der zusammengestellten silben festgesetzt (DWB); Sulzer 1792 Theorie IV 757" taktzeiten sind die theile, in welche der tact eines tonstückes eingetheilt wird (DWB); Jean Paul 1795 Hesp. IV 168 auf seiner stirn stand die lothrechte sekante als der taktstrich der geschähe (DWB); Bornschein 1797 Simson des Starken 76 Sie war schön und tugendhaft. Nur bei Mondenschein soll sie nicht ganz taktfest gewesen sein; Goethe 1798 Th. (XL 10) Reim und Tac tscheue; Voß 1802 Zeitmessung 144 der versfusz oder des verses gleichgemessener schritt, der auch takt in der spräche des musikers heiszt (DWB); ebd. 172 nach dem takt des gesanges . . . ward ein nachahmender reigen getanzt, worauf zu einem andern tanze die umstehenden den takt schnippten oder klatschten; ebd. 184 wird selten ein spondaeus eingemischt, so ändert er die taktbewegung nur so weit, als umgekehrt den geraden takt einiger triolen (DWB); Seume 1803 Spaziergang 36 es begegnet mir wohl, dasz ich . . . aus irgendeinem musikstücke einige takte unwillkührlich durch die zähne brumme (DWB); Goethe 1803 (Jub.-Ausg. II 77) Fünf der allerliebsten Knaben gegen fünf Geschwister streitend, Regelmäßig, taktbeständig, Einer Zaubrin zu Gebote ( T R Ü B N E R ) ; Thümmel 1803 Reise VIII 257 der stolze tact meiner tritte (DWB); Goethe 1809 Wahlverw. (20) 225 so wie uns der Tactschlag des Dreschers den Gedanken erweckt; ders. 1811/14 Dichtung u. Wahrheit. II 126 Während meines Aufenthalts in Frankfürt war ich von solchen Freunden ganz abgeschnitten, aber in Straßburg regte sich bald mit der übrigen Lebenslust die Tactfähigkeit meiner Glieder; ders. 1827-42 (W. XVIII 182) Indem sie Tact und Melodie mit dem Schlag der Castagnetten begleitete . . . Wenn ich im prosaischen Drama Tact und Déclamation mir erst erfinden soll (KEHREIN); Herbart 1841 Vöries. 53 Taktmäßiges Zugleichsprechen; Kohl 1842 Böhmen ¡93 Gewöhnlich ist es ein vollständiges Orchester, das sich besonders durch seine Tactfestigkeit und Präcision im Vortrage auszeichnet; Rückert 1846 Hamasa 1132 ein hammer . . . gibt den taktschlag zum tanz (DWB); A. W. Schlegel vor 1845 Vöries. I 117 der takt, welchen die poesie in ihrem Ursprünge mit der musik gemein hat (DWB); ebd. I 244 rüderer, drescher u.s.w. sich gern in einen gewissen takt setzen (DWB); ebd. 1320 die gleiche taktart (nach der kunstsprache der alten daktylische) giebt dem verse einen einfacheren und ruhigeren gang; die doppelte (jambische) einen raschen; die taktart von 2 zu 3, und von 3 zu 4 . . . machen den complizirtesten rhythmus (DWB); Scheffel 1855 Ekk. 58 leise schlug er mit Sandalen und beschwertem fusze den tact, bis der letzte ton

Takt

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verklang (DWB); ebd. 127 in dumpfem tact krachten die einschlagenden [Axt-]hiebe (DWB); Holtei 1876 Vagab. III 170 als er sein wohldirigiertes Orchester verliesz, den taktstab des compositeurs mit der peitsche des Stallmeisters zu vertauschen (DWB); Kist 1888 Erlebnisse 147 Nachdem einmal dieses Register gezogen war, fiel der Pöbel taktfest als „tutti" oder Chor ein; Liliencron 1903 Bunte Beute (X 152) Takttrommelschlag und Schlachtmusik gellt her; Sternheim 1918 Chronik II 101 Dann riß das Thema von neuem durchs Gewissen er zu höheren Sphären hinauf, ließ das Taktgefüge wuchtiger brausen, Harmonien die Melodik begründen; Ponten 1924 Urwald 25 Hier unten gab es nur zwei Tageszeiten, Dämmerung und Nacht, und nur eine Jahreszeit, schwülen Sommer. Diesen schläfrigen astronomischen Zweitakt nahm Gundulas Leib und Seele als Lebenstakt an; Lokal-Anz. 8. 1 1933 Wer führt den Taktstock? (Uberschr.); ebd. 26. 2. 1933 Fast alle Taktstabhelden lieben es, dem Orchester Eindruck zu machen; ebd. 2. 6. 1934 Künstler und Volk, Persönlichkeit und Gemeinschaft müssen immer im Takt miteinander leben; Die Zeit 4. 8. 1978 Dies geschieht nach wenigen Takten der Ouvertüre. taktgemäß: Goethe 1809 (Jub.-Ausg. XXI 69) Sie hatte [bei der Begleitung zum Flötenspiel] seine Mängel so zu den ihrigen gemacht, daß daraus wieder eine Art von lebendigem Ganzen entsprang, das sich zwar nicht taktgemäß bewegte, aber doch höchst angenehm und gefällig lautete (TRUBNER). taktlos: Hölderlin 1797-99 Hyperion (II 69) Das summte friedlich vor sich hin, dem schlüpft' ein taktlos Liedchen aus den Lippen, dem ein Frohlocken aus der Kehle. taktmäßig: Kohl 1842 Böhmen 259 Mir ging es wenigstens so, daß erst, nachdem ich die manich-

faltigen Auffassungen und die vielfach variierten Kunstwerke des Herrn Suchy gesehen hatte, mir alle tactmaßigen Bewegungen im Natur- und Menschenleben als Zeit- und Minutenmesser erschienen. Die flackernde Flamme, die schaukelnden Wellen, die hämmernden Schmiede, der Schlag der Ruder, der Marsch der Soldaten; Langbein 1854 Ged. IV 278 taktmäszig strich der kleine wohlgemuthe ein brettchen nur mit einer weidenruthe (DWB); Auerbach 1857-58 Ges. Sehr. VII 13 taktmässig wie beim dreschen langt eines nach dem andern mit dem löffei in die suppe (DWB). taktieren: Dannhauer 1643 Katechismusmilch II 38 wann dann die Music soll angehen, so stimmt er, so tactirt er, gibt zu und von, füret einen sonderlichen Tact in den Triplen; Kurz 1843 Schillers Heimatjahre 1104 Als ich von Geislingen nach Ludwigsburg berufen wurde und den Balzel mit dem Taktierstab vertauschte; Münsterberg 1914 Psychotechnik 320 Registrierung schneller Taktierbewegungen; Ompteda 1915 Margret 257 plauderte weiter, immer noch das verschlossene Telegramm in der Hand; er wippte und taktierte damit; P. B. B. (1940) 124 Hensler taktiert den altgermanischen Vers. Er hört in ihm wiederkehrende gleiche Zeitstrecken, deren Einsatz durch den Druck gekennzeichnet, deren Verlauf durch Druck gegliedert ist — wie die Takte der Musik . . . Taktieren ist in der altgermanischen Metrik nicht neu. Takt 3: Berl. Illustr. Nachtausg. 21. 3. 1933 In eiskalter Werkstätte wird an einem neuen Modell gebaut: an einem kleinen Sport-Eindecker (Einsitzer) mit dem Zweitakt-Vierzylinder aus Leichtmetall; Süddtsch. Ztg. 29. 9. 1954 Bei den im Verkehr immer zahlreicher werdenden Zweitakt-Mopeds und -Rollern . . . war das Tanken manchmal problematisch.

T a k t 2 M . ( - ( e ) s ; o h n e P L ) , E n d e 1 8 . J h . e n t l e h n t a u s g l e i c h b e d . f r z . tact tactus,

—* T a k t 1 ) ; z u n ä c h s t i m m o r a l p h i l o s o p h i s c h e n

B e r e i c h in d e r B e d .

( < lat. 'feines,

richtiges Urteils-, U n t e r s c h e i d u n g s v e r m ö g e n ; G e f ü h l für Anstand und Schicklichkeit', durch)

dann

auch

für

'(feine)

rücksichtsvolles,

Lebensart,

zurückhaltendes,

Umgangsform' diplomatisches

und

heute

'(Fähigkeit,

Verhalten,

Vorgehen

(andere nicht zu verletzen); F e i n - , Zart-, Fingerspitzengefühl, Diskretion im

Um-

g a n g m i t a n d e r e n ' ( T a k t f r a g e , - g e f ü h l ) ; in S y n t a g m e n w i e k e i n e n T a k t h a b e n , d e n T a k t v e r l e t z e n , ( M a n g e l a n ) T a k t z e i g e n ; d a z u seit M i t t e 1 9 . J h . d i e h ä u f i g e a d j . A b l e i t u n g t a k t l o s in d e r B e d . ' u n g e s c h i c k t , p l u m p - v e r t r a u l i c h , u n v e r s c h ä m t ' der dazugehörigen subst. Ableitung Taktlosigkeit F. (-; -en)

mit

'Ungeschicklichkeit,

R ü c k s i c h t s l o s i g k e i t ; K r ä n k u n g ' für die e n t s p r e c h e n d e W e s e n s - und

Verhaltensart

Takt

31

u n d eine d a v o n z e u g e n d e H a n d l u n g , B e m e r k u n g o . ä . ; seit E n d e 1 9 . J h . die adj. Ableitung t a k t v o l l 'rücksichtsvoll, zurückhaltend, diskret, v o r n e h m ; diplomatischklug'. Takt: Lavater 1798-1800 (Nachgel. Sehr. I 319) an Tackt fehlt's unsern Philosophen . . . an Sinn für individuelle Menschheit; Kant vor 1804 (X 136) wenn man es auf den ausschlag der im dunkel des gemüths liegenden bestimmungsgründe des urtheils in masse ankommen läszt, welches man den logischen tact nennen könnte (DWB); 1805 Spazierg. n. Syrakus 1 131 Sinn und richtiger Takt für das Gute und sogar für das Schöne ( T R O B N E R ) ; Schleiermacher 1805-06 Brouillon (II 223) Das aufs Individuelle gerichtete [Gefühl] ist das, was wir Takt nennen, Gefühl für das einem jeden für sich Unanständige; 1807 Miscellen f . d. neueste Weltkunde 140 Takt in Behandlung der Menschen, wie sie nun einmal sind; Ascher 1815 Germanomanie 30 den meisten politischen Schriftstellern fehlt es am praktischen Blick und Geschäftstakt; Goethe 1827-42 (W. XXI 194) Er besaß einen wunderbar feinen praktischen Tact des Guten und Bösen, des Löblichen und Unlöblichen ( R E H R EIN); Freytag 1844 Gelehrte (I 117) Tact und Haltung; Fessler 1851 Rückblicke 216 feiner Vernunftsinn (Tact); Willkomm 1857 Ammer 69 Albrecht besaß Tact und Verschlagenheit genug, um die schwachen Seiten des Webers nicht zu berühren, und so glückte es ihm, festen Fuß in dessen Familie zu fassen; Goltz 1869 Weltklugheit I 99 Nur alle großartigen Naturen, nur Personen vom feinsten Takt bleiben unsern Schwächen . . . gegenüber diskret; Ihering 1884 Zweck i. Recht II 358 Anstand, Höflichkeit, Takt; Homberger 1885 Nachlaß 96 Der praktische Geist, welcher die Nuance gewahrt, heisst, esprit, tact, discernement . . . und was solcher unverdeutschbaren Ausdrücke mehr sind; Wiehert 1889 Grafenkind 163 ein Mann von gesellschaftlichem Tactgefühlj Eckstein 1895 Hartwig 391 dafür bürgt mir dein weiblicher Takt; Schnitzler 1910 Land (IV 366) Und überhaupt — was ist Takt? Eine Tugend dritten Ranges. Das Wort ist sogar ziemlich neu. Findet sich weder bei den Römern, noch bei den Griechen, noch — höchstwahrscheinlich im Sanskrit; Schrörghamer-Heimdall 1924 Kronawitter o. S. Verlaßt Euch ganz auf meinen Takt, Herr Martin!; Friedeil 1928 Kulturgesch. II 328 Mangel an menschlichem Fond und psychologischem Takt; Colerus 1929 Kaußerr 326 Taktverletzung; Die Dame 1930 H. 1 Nein, sagte meine Freundin Lix, was weiblicher Takt ist, das kann ich nicht definieren, aber ich kann eine Geschichte erzählen, die mir als Musterbeispiel von weiblichem Takt erscheint, weiblichem Takt in seiner zartesten und feinsten Essenz, ausgeübt durch ein Schuhfräulein; Berl.

Illustr. Nachtausg. 30. 3. 1933 Politischer und menschlicher Takt (Oberschr.); Münch. Abendztg. 16. 12. 1950 Ich habe an dieser Stelle wiederholt versucht, auf die Bedeutung des Wortes „Takt" hinzuweisen. Ich kenne kaum einen Begriff, der heutzutage mehr mißachtet würde als die Gesetze des Taktes . . . Politik ist nicht zuletzt eine Frage des Taktes; FAZ 1. 4. 1963 sucht entsprechenden, charaktervollen Ehepartner in ebenso gesichert. Position, mit viel Herz u. Takt (Anzeige); ebd. 6. 8. 1968 Eine Taktfrage (Uberschr.) Auch wenn es um den Geldbeutel geht, sollten die selbstverständlichen Formen des Takts nicht vergessen werden; ebd. 12. 2. 1971 Eine Frage des Takts (Uberschr.) Es ist freilich eine andere Frage, ob nicht Gebote des Takts . . . es den Betroffenen nahelegen, ihre Rechte nicht oder nur in Ausnahmefällen auszuschöpfen. taktlos: Frey 1844 Bilder a. Welt u. Zeit 23 die sich überall politisch geltend machen und taktlos einmischen; Hartmann 1866 Erlebnisse 185 Der Oberst Dammers war in den Offizierkorps der Armee sehr unbeliebt. Er war hochmütig und taktlos; Greinz 1930 Golgatha der Ehe 41 taktlosen Anzüglichkeiten; Lokal-Anz. 8. 2. 1933 Die Stimmung wurde infolge einer taktlosen Bemerkung eines Vorstandsmitgliedes immer wilder und verworrener; Lokal-Anz. 21. 7. 1934 Der Völkerbund trägt die oberste Verantwortung für den bösen Willen oder die taktlose Unfähigkeit, die im Saargebiet gezeigt werden. Taktlosigkeit: Groß-Hoffinger 1847 Wien wie es ist II III Welche Taktlosigkeit!; Biedermann 1849 Erinn. 315 Diese Eitelkeit verleitete ihn bisweilen zu argen Taktlosigkeiten; Suttner 1896 High-life 281 Es ist doch eine unverzeihliche Taktlosigkeit; Fontane 1898 Zwanzig 322 verfiel trotzdem ; . . beständig in Taktlosigkeiten; Zobeltitz 1902 papierene Macht I 159 an die kleinen und grossen Taktlosigkeiten Nathansohns gewöhnt; Böhmer 1915 Sklavinnen 147 „Ich hasse solche . . . Taktlosigkeiten", wollte Ernst sagen. Er unterdrückte das Wort aber noch. „Solche Späße, weißt du. Von jeher liebte ich dergleichen Neckereien nicht"; Brachvogel 1919 Glück 15 Jawohl, diese Taktlosigkeit sieht dem Peter ganz ähnlich! Einem heute ins Haus zu platzen; Abenteuer 1930 Märzh. 55 „Na, hören Sie mal, Sie tun ja gerade so, als ob Sie sich mit mir schämen müßten." Da beging ich eine große Taktlosigkeit, indem ich antwortete: „Vielleicht." Ohne ein Wort zu erwidern, wandte sie

32

taktieren — Taktik

sich um und ging; Voss. Ztg. 15. 8. 1931 Offenbar ist die Jugend, von der hier gesprochen wird, gleichbedeutend mit der Anhängerschaft der Unterzeichner jenes Telegramms, dessen Taktlosigkeit in der ganzen Welt Aufsehen erregte; Herzfeld 1961 Aufs. 40 Renommagen und Taktlosigkeiten. taktvoll: Horix 1895 Erl. 167 während beiderseits taktvoll über die hiesige gepflogene Art des Mittagstisches geschwiegen wurde; Suttner 1896 High-life 281 Der Herzog ist sonst doch so außerordentlich taktvoll; Ebertin um 1910 Alles ver-

stehen 134 Deine Mutter ist ja eine ganz prächtige Dame, so gemütlich, entgegenkommend und taktvoll zugleich!; Ponten 1924 Urwald 5 der . . . ein sorgfältig gehütetes und taktvoll nur matt ausgeübtes Verhältnis zu einer kleinen Frau minderen Standes unterhielt; 1928 Die Dame 2. Okt'heft 55 Als taktvoller Freund durfte er ihr sein Glück nicht zu deutlich zeigen, er mußte warten, bis die Wunde verharscht war; Lokal-Anz. 23. 3. 1931 Er benimmt sich tadellos und widersteht taktvoll der Versuchung, sich mehr als nötig in den Vordergrund zu spielen.

taktieren V.intrans., im früheren 20. J h . aufgekommene Ableitung zu —» T a k t i k ; bes. im politisch-diplomatischen Bereich in der Bed. 'taktisch vorgehen, sich der jeweiligen Lage entsprechend geschickt, klug verhalten; lavieren' (vgl. Taktik b, —* taktisch b), vor allem in den Syntagmen vorsichtig, hinhaltend taktieren; häufig subst. verwendet. 1934 Volk u. Reich 511 Frankreich taktierte noch immer auf Hinhalten; Süddtsch. Ztg. 4. 2. 1959 Andererseits würde Adenauer . . . niemals gegen oder ohne Washington taktieren; ebd. 17. 10. 1961 Sie [Entschlossenheit] ist dort recht spärlich geworden und verschwindet hinter dem, was man „das Taktieren" nennt; Offenburger Tagebl. 19. 10. 1961 Die SPD taktiert hinhaltend (Oberschr.); Stuttgarter Ztg, 14. 3. 1963 Das Wort „diktieren" sollte aus der Bundesrepublik ebenso verschwinden wie der Begriff „taktieren"; Münch. Merkur 11. 12. 1965 das zähe Ringen und Taktieren zwischen dem Kultusministerium und dem Bayerischen Landes-Sportverband in der Ubungsleiterfrage scheint abgeschlossen zu sein; Neue Justiz 1965 o. S. nach dem zweiten Weltkrieg, als die Bourgeoisie vorsichtig taktieren mußte (WDG); Stuttgarter Ztg. 4. 7. 1966 Warum aber nur hat der zum Taktieren offenbar so wenig talentierte Bundeskanzler alle Angebote der Opposition . . . ausgeschlagen?;

Bad. Ztg. 2. 11. 1967 das vorsichtige Taktieren der Bundesrepublik in der Frage der britischen Zulassung; Stuttgarter Ztg. 26. 1. 1968 zwingt die Möglichkeit, im Wahlkampfgegner den kommenden Koalitionspartner vor sich zu haben, immer zum vorsichtigen Taktieren; FAZ 25. 3. 1970 Dabei bedarf es vorsichtigen Taktierens und wohl auch der Abstimmung mit privater und kommunaler „Konkurrenz"; Bad. Ztg. 19. 10. 1971 Man muß sich nur daran erinnern, daß aus München das brüske Nein zu den Ostverträgen und zur Berlinregelung der vier Mächte schon vorlag, als die Fraktion noch vorsichtig taktierte; ebd. Die Frage bleibt, ob das gerade in diesem Wirtschaftszweig seit Jahren übliche, im Grunde widersinnige Taktieren . . . noch zu verantworten ist; Die Zeit 19. 1. 1979 Meistens indessen herrscht eine Vorsicht und „Ausgewogenheit", bei der vor lauter Taktieren immer neue dramaturgische Hilfskonstruktionen erfunden werden müssen.

Taktik F . ( - ; selten -en), im frühen 18. J h . (gebucht 1728 bei Sperander) aufgekommen, eventuell über gleichbed. frz. tactique, engl, tactics zurückgehend auf griech. XCHCXIKT) (TEXVT}) '(Kunst der) Anordnung, Aufstellung eines Heeres' (zu xaKTiKÖg 'zum Anordnen, Aufstellen gehörig, geeignet', zu xäxxeiv, xäoaeiv 'auf den rechten Platz stellen, anordnen, aufstellen'); a im militärischen Bereich verwendet in der Bed. 'Lehre, Kunst, Praxis der geschickten Kampf- oder Truppenführung, der Durchführung von Gefechten, militärischen Operationen (zu Land, zu Wasser); Kriegskunst; Kampfes weise' (im Unterschied zu —» Strategie a eher auf die einzelne Kampfoperation bezogen) (Defensiv-, Offensivtaktik); b seit spätem 18. J h . auch übertragen und allgemeiner verwendet in der Bed. 'auf kluger Berech-

Taktik

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nung beruhendes, planmäßiges, zweckbestimmtes Vorgehen, Verfahren, Verhalten; geschicktes Ausnützen einer Situation; kluge Berechnung, Plan' (vgl. —* Strategie b), bes. im politisch-diplomatischen Bereich, in Syntagmen wie eine bestimmte Taktik anwenden, durchschauen, nach einer bestimmten Taktik vorgehen, sich eine bestimmte Taktik zurechtlegen und als Grundwort in Zss. wie Verhandlungs-, Wahl- und Salamitaktik (—» Salami); im Sprachgebrauch der D D R speziell auch für „Festlegung und Anwendung der der jeweiligen Situation angepaßten konkreten Formen des Klassenkampfes auf der Grundlage einer strategischen Orientierung" ( W D G ) ; c seit früherem 20. J h . auf den Bereich des Sports ausgedehnt im Sinne von 'Kunst der Führung eines Wettkampfes; taktische Spielanweisung, -einstellung'. Taktik a: Gröben 1774 Schiffahrt u. Seekrieg o. S. Seetacktik; Goethe 1776 Br. III 67 Guiberts Tacktick [im Kreuzzug]; Schiller 1781 Räuber I 363 sie kritteln über die Taktik des Hannibils; Jacobsson 1781-95 (IV 360") seetaktik, die lehre von den Stellungen und bewegungen der kriegsschiffe (DWB); Denis 1795 Einltg. 1287 Taktik oder Feldstellungskunst; 1801 Patriot. Archiv II 1,250 Plan . . . mittelst der militärischen Tactik allen physischen . . . Widerstand niederzuschlagen; Wagner 1809 Strategie 1 Taktik heisst die Lehre von den Bewegungen einer Armee, oder ihrer Theile, wobey ein wirkliches Gefecht der unmittelbare Zweck ist; Strategie hingegen begreift die Bewegungen einer Armee, in so fern sie durch Märsche abgethan sind; Decker 1816 Art. II 88 Unter Taktik versteht man die Lehre von den Bewegungen und dem Gefechte; also die eigentliche Operationslehre. Die Strategie, oder Feldherrnkunst hat es hauptsächlich mit der Frage: Wo?, die Taktik aber mit der Frage: Wie? zu thun; ebd. II 89 Die Taktik theilt sich 1) in die reine oder Elementartaktik; 2) in die angewandte Taktik; Goethe 1827-42 (W. XLV 266) Die Taktik und Strategie der unseligen Schiffer ( K E H R E I N ) ; La Roche 1840 Taktik I Vorr. VI Taktik, Lehre vom Gebrauch der Truppen zum Gefecht; HohenloheIngelfingen 1864-70 Leben III Vorr. III Die Stoßtaktik der mit uns verbündeten Österreicher . . . erfährt hier schon eine scharfe Beurteilung; Brommy 1878 Marine 443 Auf dem höchsten Punkte nautischen Rufes s t e h t . . . die Schlacht bei Trafalgar. Die dabei entwickelte Taktik liefert noch heutigen Tages hinreichenden Stoff zu Erörterungen; Malachowski 1892 Scharfe Taktik und Revuetaktik (Titel); Freytag vor 1895 Ges. W. VII 95 auch bei diesem letzten erfolge siegte die römische taktik über die Deutschen nur durch deutsche soldtruppen (DWB); ebd. XX 30 die taktik der armeen hatte sich seit' hundert jähren umgeformt (DWB); ebd. XXI 248 taktik und Strategie des preuszischen heeres wurde für alle armeen Europas fast ein halbes jahrhundert vorbild

und muster (DWB); Berolzheimer 1914 Moral 252 in ihrer weitausschauenden wirtschaftlichen Feldherrentaktik; Reinhardt 1932 Wehrkraft 54 die klassische Begriffsbestimmung von Clausewitz über Taktik und Strategie: Taktik = die Kunst der Führung der Truppen im Gefecht, Strategie = die Kunst der Gefechte zum Zwecke des Krieges; Münch. N. N. 4. 8. 1942 Die Feinde hätten selber für die neue Angriffsweise den Ausdruck „Rudeltaktik" [im Unterseebootkrieg] gebraucht; Süddtsch. Ztg. 1. 3. 1951 Anders nimmt sich die gegenwärtige Kriegführung von chinesischer Seite aus. Die Feldarmeen Mao Tse-tungs sind Bürgerkriegsheere. Ihr traditionelles . . . Kampfverfahren wird als „Quecksilber-Taktik" bezeichnet; Rosenberg 1962 Demokratie 288 faschistische Stoßtrupptaktik; FAZ 25. 2. 1971 Ermüdungstaktik in Reggio (Uberschr.) Das von zweitausend Carabinieri mit Panzerspähwagen besetzte Viertel Sbarre . . . von Reggio Calabria ist wieder geräumt worden. Taktik b: Kuniaczo 1780 Beytrag 88 Brodtaktik erlauben Sie, dass ich einmal nach Ihrem Beyspiele neue Kunstwörter schmiede; Goethe-Schiller 1794— 1805 Briefw. IV 306 wir wollen über die fernere Taktik alsdann zusammen conferiren . . . Ich halte meine Taktik und suche nur immer von Epoche zu Epoche vorzurücken ( K E H R E I N ) ; 1801 Patriot. Archiv. II 1,250 Plan . . . mittelst der diplomatischen Tactik allen politischen Widerstand niederzuschlagen; Kephalides 1818 Italien II 291 [in Italien braucht man] eine leichte Wirthshaustaktik; Wit v. Dörring 1830 Fragm. I 197 Tactik der [französischen] Salonspolitik; Aurbacher 1835 V. II 203 Tactik der Liebe; Szarvady 1852 Paris I 419 Taktik der Regierung; Grabowski 1863 Off. 247 Die Tactik des kleinen Fräuleins hatte etwas für sich, das mußte selbst Dorn trotz aller seiner Eifersucht gestehen; Homberger 1881 Essays 154 Taktik der Besonnenheit; Goltz 1888 Paradoxen 62 Soll die Taktik auferstehen, Muss die „Form" in Stücken gehen; Freytag vor 1895 Ges. W. XV 259

Taktiker

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die taktik unserer partei (DWB); ebd. XV 272 es fehlt uns allen noch etwas von der taktik, welche sich in längerem parlamentarischen leben herausbildet (DWB); Franken 1913 Schneide 83 Diese Flucht aus der Jugend war jetzt die Taktik des selbstquälerischen Mädchens; Berl. Tagebl. 22. 3. 1932 In diesem Augenblick gab seine aufrichtige Liebe Muttachich die Richtlinie für die beste aller Taktiken ein; Berl. Illustr. Nachtausg. 18. 5. 1933 Der Versuch der Rettung der Genfer Konferenz durch den Reichskanzler ist um so höher zu werten, als die Hetze gegen Deutschland gleichzeitig der französischen Taktik nützen sollte, die Konferenz von Genf zu sprengen; Lokal-Anz. 5. 10. 1934 Jetzt gaben die Verbrecher ihre Taktik auf und bequemten sich zu einem umfassenden Geständnis; Münch. N. N. 15. 10. 1938 Der Abbruch der Verhandlungen in Komorn kommt für Rom nicht überraschend, wo man seit Tagen gegen die Verhandlungstaktik der Tschechen Stellung genommen hat; ebd. 27. 3. 1944 Die Zeit der politischen Abwärtstaktik ist vorbei; Süddtsch. Ztg. 23. 7. 1951 Die im Landbezirk Bayern des D G B organisierten Beamten protestierten . . . gegen die „Verschleppungstaktik" der Bundesregierung; ebd. 25. 3. 1959 daß es den Russen und ihrer Verzögerungstaktik in die Hände spielen heiße, wenn man sich starr auf eine mit weitgezielter Tagesordnung befrachtete Außenministerkonferenz festlege; ebd. 25. 6. 1962 Nehru wandte sich allgemein gegen die Indienpolitik der amerikanischen Regierung, die er als „Taktik des Drucks" bezeichnete; Offenburger Tagebl. 12. 12. 1962 Das Autobahnamt wolle mit dieser „wohlerprobten Taktik" die

Wissenschaftler offenbar vor vollendete Tatsachen stellen; Stuttgarter Ztg. 24. 2. 1969 In der Frage der Mitbestimmung hat jetzt die Bundesregierung eine Sachverständigenkommission eingesetzt, die aber nach Ansicht der Sozialdemokraten und der Gewerkschaft mit einer „Verschleppungstaktik bis zur Bundestagswahl" arbeitet; FAZ 24. 1. 1970 Ein alter Mann wie Ulbricht, sein ganzes Leben lang auf Taktik und immer wieder Taktik eingespielt; Offenburger Tagebl. 18. 1. 1972 Der C D U Vorsitzende . . . hat . . . der Behauptung widersprochen, daß die C D U bei der Behandlung der Ostverträge eine „Verzögerungstaktik" verfolge. Taktik c: Berl. Illustr. Nachtausg. 6. 3. 1933 Frömming fuhr [beim Trabrennen] den Sieger ausgesprochen „auf Warten", eine Taktik, die sich als richtig erwies; Lokal-Anz. 10. 11. 1934 Auch der BSC muß alle Kraft zusammennehmen und bei seinen Angriffen eine geschicktere Taktik einschlagen, wenn er die Deutsche Beamtenversicherung auf dem Hubertussportplatz besiegen will; Mannh. Morgen 29. 3. 1978 Denn als spielerisch bessere Mannschaft und den schwachen MSV Duisburg klar kontrollierend versteifte sich der VFB nach der Pause auf eine sture Defensivtaktik; Die Zeit 30. 6. 1978 Meine talentierten, klugen Spieler haben die Diktatur der Taktik und den Terror der Systeme besiegt . . . Statt gewinnen zu wollen, lautete die Taktik in den meisten Spielen: nicht verlieren . . . Solange Taktik über die Freiheit des Tempos und der Technik, d. h. über die Improvisationskunst des einzelnen Spielers gestellt wird, wird der Fußballsport stagnieren.

T a k t i k e r M . ( - s ; - ) , im s p ä t e r e n 1 8 . J h . a u f g e k o m m e n e P e r s o n a l a b l e i t u n g

von

—* T a k t i k ; a i m m i l i t ä r i s c h e n B e r e i c h in d e r B e d . ' K e n n e r , L e h r e r d e r T a k t i k , g e schickter ( A n - ) F ü h r e r

(eines H e e r e s ) ' (—» T a k t i k a ) ; b seit f r ü h e m 2 0 . J h .

auch

ü b e r t r a g e n u n d a l l g e m e i n e r v e r w e n d e t in d e r B e d . ' j m d . , d e r e i n e / d i e T a k t i k b e h e r r s c h t , j m d . , d e r eine S i t u a t i o n g e s c h i c k t u n d klug b e r e c h n e n d z u s e i n e m V o r t e i l , zur Erreichung

eines b e s t i m m t e n

Ziels z u n u t z e n v e r s t e h t ,

jmd.,

der

planvoll,

m e t h o d i s c h v o r g e h t ' , b e s . i m p o l i t i s c h - d i p l o m a t i s c h e n B e r e i c h (—» T a k t i k b ) ; c in n e u e s t e r Z e i t a u f d e n s p o r t l i c h e n B e r e i c h a u s g e d e h n t f ü r ' S p o r t l e r , Spieler, d e r ein bestimmtes W e t t k a m p f k o n z e p t , Spielsystem planmäßig und erfolgreich beherrscht, b e f o l g t , d u r c h f ü h r t ' (—» T a k t i k c ) . Taktiker a: Lessing 1768 (VIII 48) sie wissen doch, was die französischen taktiker enfans perdus nennen? (DWB); 1772 Frankf. gel. Anz. 76 Es ist Polybius der Taktiker . . . der schreibt; Matthison 1786 Rheinfahrt II 95 Weniger bekannt ist es . . . daß er [Heinse] als ein furchtbarer Taktiker auf dem Schachbrett von jedem anerkannt wird, der

Gelegenheit hatte sich in dergleichen Zweikämpfe mit ihm einzulassen; ders. 1794 Besuche III 192 Er [Klopstock] läßt ihm [Friedrich dem Großen] nur Gerechtigkeit widerfahren als glücklichem Taktiker und als klugem Staatswirthe; Matthison 1802 Evian V 407 die beiden größten Taktiker der neuern Geschichte; Seydel 1802 Beyträge z.

taktisch Kriegskunst I 39 Der Taktiker wird geboren, wie der Dichter und Mathematiker; Wickede 1854 Soldaten-Leben III 84 Er befehligte ein zahlreiches Corps, die „sogenannten Tactiker"; Hartmann 1866 Erlebnisse 19 Er galt für den tüchtigsten Taktiker der Armee und war im Lande eine militärische Autorität.

Taktiker b: Dombrowski 1919 System I 10 Taktiker der Partei; Buhl 1921 Reden 281 der Herr Reichskanzler ist nicht nur Taktiker, er kennt Imponderabilien; Dtsch. AZ. 12. 2. 1935 Da sich aber die Russen bei ihren wirtschaftlichen Maßnahmen schon wiederholt als Uberraschungstaktiker ge-

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zeigt haben, wäre es falsch, eine solche Verzögerung für eine vollendete Tatsache zu halten; SUddtsch. Ztg. 17. 5. 1957 Als Taktiker des Augenblicks hat Adenauer in Hamburg kein einziges Mal versagt; ebd. 7. 3. 1961 Obwohl die Herausgeber alle, die aus ihrem Werk Aufschlüsse für den Wahlkampf ziehen wollen, als „schnüffelnde Taktiker" abwerten, werden sich die Wahlkampfexperten der SPD ausführlich mit dem Buch beschäftigen müssen; Stuttgarter Ztg. 14. 6. 1969 in dieser Frage habe nicht der einsichtige Ökonom Strauss votiert, sondern der politische Taktiker Strauss; FAZ 7. 10. 1971 Er [Politiker] gilt als geschickter Taktiker, aber er setzt seine Popularität gelegentlich . . . aufs Spiel.

taktisch Adj., im späteren 18. J h . aufgekommene Ableitung von —* Taktik; a im militärischen Bereich in der Bed. 'die (Lehre, Kunst der) Taktik betreffend, mit ihrer Hilfe geplant, auf ihr beruhend', bes. in Syntagmen wie taktische Einheit 'Gefechtseinheit', taktischer Verband 'Verband von Truppeneinheiten einer bestimmten Waffengattung, Spezialtruppe', taktisches Zeichen 'symbolische Darstellung von Truppenteilen, Waffengattungen u. ä. auf Lagekarten, Hinweisschildern' und taktisches Manöver 'Truppenübung, -bewegung, die zur Erprobung, Durchführung einer bestimmten Taktik dient'; b seit frühem 20. J h . auch übertragen und allgemeiner verwendet in der Bed. 'auf kluger Berechnung beruhend, geschickt und planvoll vorgehend', bes. in den Syntagmen taktisch vorgehen, aus taktischen Gründen, Erwägungen und taktisch klug/falsch handeln; c auch auf den sportlichen Bereich ausgedehnt im Sinne von 'einem bestimmten Spielkonzept folgend, wettkampfmäßig geschickt, klug (eingestellt)'. taktisch a: Schubart 1774 Dtsch. Chronik 290 aus taktischen Grundsätzen [im Militärwesen]; Jacobsson 1794 (VII 508h) taktisches spiel, ein dem schachspiel ähnliches kriegsspiel (DWB); Ribbentrop 1798 preuss. Canton-Wesen 27 tactische Übungen; ZKrieges 39 (1837) 74 taktisch; Hohenlohe-Ingelfingen 1864-70 Leben III 401 sollte das Schießen auf taktischer Grundlage erfolgen . . . Für die taktische Brauchbarkeit meiner Batterien konnte Louis Napoleon keinen willkommeneren Zeitpunkt zum Beginn des Krieges treffen; Hartmann 1866 Erlebnisse 211 Irgend welche taktische Anweisungen sind mir [während des Kampfes] nicht zugegangen; „Duden"-Sammlung 193} Es hat dazu besonders schnelle Typen für den selbständigen Einsatz nach Art der ehemaligen Aufgaben der Heeresreiterei gebaut; sodann solche für den Stoß in die „taktische Tiefe" der feindlichen Stellung. taktisch b: Johnston 1917 Menschenverst. 45 Es [das Bündnis] ist erneuert worden, weil Frankreich

im Herbst 1912 den taktischen Fehler beging, Rußland unter serbischer Maske bei seiner Einmischung in der Balkanhalbinsel scheinbar zu unterstützen; Wassermann 1928 Maurizius 38 Es war Anfall aufgesammelten Zorns, der ihn zu dem taktischen Mißgriff verleitet hatte (WDG); Deutschlands Erneuerung 13 (1929) 183 taktisches Zusammengehen der Katholiken mit der Sozialdemokratie; Diesel 1930 Völkerschicksal 124 Wir haben heute fast alle früheren handwerklichen Methoden durch in „taktischem" Sinne bessere Methoden ersetzt; Lokal-Anz. 21. 2. 1933 Er hatte . . . eine längere Unterredung mit dem Reichswehrminister . . . über die zur Zeit auf der Abrüstungskonferenz schwebenden Fragen und über das weitere taktische Vorgehen; Münch. N. N. 26. 3. 1936 Allen diesen Vereinen sei gesagt, daß ich ihnen . . . die Einrichtung von Leichtathletik-Abteilungen gestatten werde, aber andererseits die Vereine am gleichen Ort ermächtige, die Mitglieder von Vereinen, die der Leichtathletik aus „taktischen Gründen" untreu werden, für sich zu werben;

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Talar - Talent

Offenburger Tagebl. 26. 5. 1959 wurden in einer „sehr lebhaften" Diskussion von den Mitgliedern des Ausschusses auch „gewisse taktische Anregungen" für die Haltung der Bundesregierung . . . gegeben; Gesch. d. dtsch. Arbeiterbewegung o.J. (XI 22) Diese komplizierte . . . Situation zwang die Partei zur Ausarbeitung einer neuen taktischen Linie (WDG); F AI 23. 3. 1971 Bisher hatte diese Partei jedenfalls nur dort relativen Erfolg, wo ein Regierungswechsel ausgeschlossen erschien und Raum für „taktische" Stimmabgaben blieb.

taktisch c: Lokal-Am. 1. 9. 1934 Trotz gefährlicher und schnellster Konkurrenten konnte Burggaller auf Grund seines taktisch richtigen und regelmäßigen Fahrens den zweiten Platz [bei einem Autorennen] erringen; Mannh. Morgen 27. 9. 1978 Sie haben gegenüber dem Spiel von 1975 Fortschritte in spielerischer und taktischer Hinsicht gemacht; ebd. 8. 1. 1979 Vor 1000 Zuschauern war Neckargerach zwar optisch überlegen, doch die Ulmer waren in taktischer Hinsicht im Vorteil.

Talar M. (-s; -e), im späteren 16. Jh. entlehnt aus gleichbed. ital. talare, mlat. talaris (tunica, vestis) ( < gleichbed. lat. talaris (tunica, vestis), zu talaris 'zu den Knöcheln gehörig', zu talus 'Fesselknochen, Sprungbein; Knöchel; Ferse'); in der Bed. 'langes, bis zu den Knöcheln hinabreichendes Gewand', bes. als Bezeichnung für die mantelartige Festtracht fürstlicher Personen, seit dem 19. Jh. zunehmend eingeengt auf 'weites, langes, (protestantischen) Geistlichen, Richtern, Anwälten und Hochschulprofessoren als (festliche) Amtstracht dienendes schwarzes Obergewand' (vgl. —* Robe b), vereinzelt bildlich verwendet. Rot 1571 Dictionarius 355 Talar, Ein langes kleyd / so gar hinab auff die knóchlein geht / welche im Latein tali heyssen; Fischart vor 1590 Viereck. Hiitlin V192 sie waren prelatisch schön verkleid in seidnem talar, lang und breit (DWB); Spangenberg 1611 Anbind-Briefe H5h Inn eim langen schwartzen Talahr; Weckherlin vor 1653 (221) des Hechtes ewiger glantz ist gleichsam der thalar, der deine majestet mit schmuck und preisz bedöcket (DWB); ebd. 348 in einem tyrischen talar von gold und kleinoten umbhangen, will die prinzessin er empfangen (DWB); Fassmann 1729 Narr 86 in seinem Talar oder langen Rock; Westernrieder 1782 Der Traum 168 Indeß haben noch heut zu Tage unsre Talare, unsre langen Mäntel und Schleppen keine andere Ursache, als diese, zum Grund. Man will den übrigen Ehrfurcht einjagen; Ramler 1783ff Fabellese II 434 Den Talar des Kaisers (SANDERS D W B ) ; / . G. Müller 1790 Lind. II 279 Ein Knabe in einem kurzen Talarchen (SANDERS DWB); Voss 1795 Luise II 439 einen talar voll würde bring' ich, schön, von gewässertem taft (DWB); Herder vor 1803 Ged. 363 talare hindern freien gang, reichthümer freie seelen (DWB); Schiller vor 1805 (XI383) und sieh! in der fürsten umgebenden kreis trat der sänger im langen talare (DWB); Kohl 1845 Paris II 248 Heute war die Kathedrale nicht in ihrem Fest-Talare (SANDERS 1871); Wackernagel

1847 (II 1106) Jenes Weib im Nonnenschleier und schwarzen härnen Buß-Talar (SANDERS DWB); Heine vor 1856 (XV 125) [Der Montblanc] im Wolken-Talar (SANDERS 1871); Scheffel 1856 Glück (Br.) 26 den Talar des gelehrten Herrn umschlagen; Meissner 1866 Schwarzgelb 176 Es war ein schöner Italiener in einem talarähnlichen Mantel; Riehl 1873 Vorträge II 503 [Talar der Universitätslehrer] Aber veraltet dünckt uns das altertümliche Gewand doch nicht, weil es uns an ewig Neues mahnt, weil wir ihm eine dauernd gültige Deutung geben. Dieser Talar ist der Talar der Humanisten. Genau wie wir hier [München 1873] vor Sie [Studenten] treten, so betraten Reuchlin, Erasmus, Celtes den Lehrstuhl; Freytag 1886- 88 Ges. W. VIII 308 Winfried schritt aus der mitte in bischöflichem talar (DWB); Liliencron 1896 Poggfred XII 107 Festtalar; Tucholsky 1931 (Ges. W. IX 232) vereinen sich die braunen Tische, die weißen Perücken der Gerichtspersonen, die Talare und alle Farben zu jener seltsamen Harmonie von Gedämpftheit; ebd. IX 233 im Gewand des Bürgers, ohne Talar und außerhalb des Gerichts; FAZ 23. 2. 1970 Wenn kürzlich zwei Richter . . . ihre Richter-Talare an den hessischen Ministerpräsidenten schickten, weil die Gesetzesvorlage noch nicht verabschiedet sei, so schädigen sie dadurch das Ansehen des Richterstandes.

Talent N. (-(e)s; -e), früher vereinzelt M. und PI. -, -en und -s, Anfang 16. Jh. entlehnt aus mlat. talentum '(antike) Gewichts-, Geldeinheit' ( < lat. talentum 'Gewichts-, Geldeinheit; bestimmte Geldsumme' < griech. xäXavxov 'das Gewogene,

Talent

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Gewicht; einem bestimmten Gewicht entsprechende Geldsumme; das vom Schicksal Zugewogene') und speziell auch in der aus dem Lat. der Vulgata übernommenen Bed. 'von Gott anvertrautes Gut, angeborene Fähigkeit, Ausstattung'; vgl. das neutestamentliche Gleichnis vom ungerechten Verwalter (Matth. X X V , 14ff.); bis ins 17. Jh. in der lat. (flekt.) Form. 1 Als historische Bezeichnung für eine antike Gewichtseinheit und die ihr entsprechende Geldsumme. 2 a Gleichzeitig in der Bed. '(von Gott verliehenes, anvertrautes) materielles Gut, Vermögen; Habe, Reichtum; Fähigkeit, Gaben' und zunehmend allgemeiner und abgeflacht verwendet in der Bed. 'angeborene Fähigkeit zu überdurchschnittlichen, besonderen geistigen und/oder körperlichen Leistungen auf einem bestimmten Gebiet; (besondere) Begabung, Anlage', auch 'Kunstgeschick, -fertigkeit, Geschicklichkeit'; häufig in Syntagmen wie sein Talent entfalten, vergraben, verkümmern lassen,, brachliegen lassen; viel, kein Talent (zu etwas) haben, jmds. Talent fördern, von jmds. Talent überzeugt sein, in ugs. -ironischen Redensarten wie ein (besonderes) Talent haben, immer gerade das Falsche zu sagen und in Zss. wie Redetalent; Talentprobe; dazu seit Ende 18. J h . die adj. Ableitung talentlos 'ohne Talent, untalentiert, unbegabt' mit dem dazugehörigen Subst. Tatenlosigkeit F. (-; ohne PI.) und gleichzeitig die adj. Ableitung talentvoll 'talentiert, begabt, befähigt'. b Seit späterem 18. Jh. auch auf den Menschen übertragen in der Bed. 'jmd., der auf einem bestimmten Gebiet über eine besondere Begabung, Fertigkeit verfügt; jmd., der Talent hat, ein mit Talent(en) ausgestatteter, talentierter Mensch', in Syntagmen wie ein Talent entdecken, ein vielversprechendes Talent sein und in neuerer Zeit als Grund- und Bestimmungswort in Zss. wie Durchschnitts-, Natur-, Nachwuchs-, Fußballtalent; Talentsuche, -schuppen. Talent 1: Murner 1512 Narrenbeschw. 248f. Wa die alten römer handt / Gekrieget vor in allem landt, Vnd wa man sy bestechen wolt / Mit talenten / silber, golt; Maaler 1561 (398ä) talent, ein gewicht, lx. minas, wölliche bringend grad sibenhundert guldin; Sachs vor 1576 (XII441) seh! da hast du goldes drei thalendt (DWB); Abele 1651-52 Gerichtsh. 1736 ein talent silbers (DWB); Lohenstein 1689-90 Arm. I 784k Antigonus war hierdurch gezwungen . . . dem fürsten jährlich hundert talent zu versprechen (DWB); Winckelmann 1755 Gedanken ü. d. Nachahmung XXX 9 der ritter Octavius gab eben diesem künstler ein talent für ein bloszes modell von gips zu einer groszen tasse (DWB); Wieland vor 1813 Nachlas< d. Diogenes 30 zwanzig attische talente (HEYNE); Voss vor 1836 Hör. Epist. 16, 34 ründe dir tausend talent' und ründe dir andere tausend (DWB). Talent 2 a : Paracelsus 1537 (Weimann) o. S. talentum, Geistesanlage ( K L U G E ) ; Nass 1581 Ex. 245 Alles was wir seyn / haben und können ausserhalb der Sünd / ist alles von G O T T / das er uns als ein Gaben Pfundt, Talent / Depositum vnnd Gewalt auß Gnaden geben hat; Gutmar 1592 Kennzeichen kathol. Rel. B3" Wo ich denn hinwiederumb Ewer Fürst. Gnaden mit meinem priester-

lichen Ampt vnd geistigen Talente gehorsamblich dienen mag; Ringwald 1597 Laut. Wahrh. 219 [wenn der Pastor] in keinem buche list, als wenn es spatt sonnabent ist. . . wie kan er den rechtschaffen lehrn und sein talent mit wucher mehrn? (DWB); Quad 1598 Enchiridion 153 Kein Volck ist welches das böss Talent besser vergraben vnd bedecken könne / mit gleissnerey vnnd betrug; Albertinus 1616 Lucifer 118 Ihr herrliches . . . Talent oder Gaab der wissenheit verwenden sie nicht zu der Ehr Gottes; ders. 1616 Landstörzer 176 weil die gelehrten vil wissen und verstehen, so müssen sie vil verantworten, und ihr von gott empfangenes talent verrechnen, wer vil empfangen, von demselben wirdt vil gefordert werden (DWB); ebd. 310 ein zu digniteten erhebter ignorant [gibt] sein schlechtes talentum und geringe qualiteten (DWB); Andreas 1630 Es müßt wol ein Kuh lachen 37 So wol der Geschicklichkeit / als anderer Guter Talenten halber / zu solchem Ampt sehr tauglich wären ihnen auch freygestanden / solchen Standt / da sie sich noch bey dem Studieren in Vniversiteten auffhielten / zuerwehlen; Dannhauer 1642 Katechismusmilch I 431 Gott weiß wol, daß wir nicht alle Esaiae, Ambrosii, Chrisostomi seyn können, als der die talenta unterschiedlich außgetheilt; ebd. III 41 so finden wir, daß Gott der Heilig Geist ge-

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Talent

meiniglich die dona reationis . . . die anerschaffene natürliche Gaben, die in den ingeniis angelegte talenta, bevorab wann dieselbigen wol excolirt worden, erweckt, befördert und geehret; Schildknecht ¡652 Harmonia 3h Aber ihnen mit guten , Gründen nachzufolgen / und dann mein Talentlein / so mir von G O T T vertrauet / der nachkommenden Welt zu communiciren; Glauber 1653 Mir. Mundi 3 sein von Gott empfangenes Talentum seinem Nechsten zum besten gern anlegen vnd nach Christi befehlch darmit wuchern; Butschky 1677 Palm. (Reg.) talent, so einem vertrauet, ist wohl zu verwahren und zu vermehren (DWB); 1684 Der Hof 8 das einsahme Leben . . . in welchem diese grosse Talenten begraben vnd vnbrauchbar werden; Ahr. a S. Clara 1689 Judas II 112 weil ich wußte, daß diser von gar geringen Talenten oder Gaaben [war]; ebd. II 346 daß die eigene Talenta weder dichtig, noch wichtig seynd vor ein solche Ambts-Verwaltung; Dalhover 1689 Gartenbeetlein II 1086" wurde solches geschehen wegen der hohen Talenten dieses Frantzösischen Ministri Juliy Mazarini; Democritus 1697 Orcodoxia 24 dann es jammerte ihn von Hertzen / daß sein Talent, welches viel ein grösseres meritirte, unter den Bauren solte verscharrt liegen bleiben; Leibniz 1698 Personalia I 359 Die innerlichen Talenten des Gemüths; ebd. I 360 Sie haben auch ein sonderbares Talent gehabt, in zukünftige Begebenheiten weit hinaus zu sehen; 1708 Leopold d. Große I 53 er sollte das von Gott ihm anvertraute Talent dergestalt gebrauchen, daß er auch den Armen seine Hülffe, ohne grosse Entgeltung theilhafftig machte; Mencke 1710 Unterredg. 184 hierinnen hat Menippes ein besonder Talent; 1712 Diogenes A4* [Jetzt wo es Frankreich nicht gut geht] muss man die Zeit gewinnen, und mit dem in Händen habenden Talent wuchern; Liscow 1739 Sat. Sehr. 41 Dieses Vorurtheil hat mich bishero abgehalten, der Welt mit meinem Talente zu dienen; Zachariä 1756 Tagesz. II 58 Eines sich fühlenden Dichters / der seine hohen Talente gebraucht; 1759 Nicolais Sammig. II 166 Diese zu Ausführung einer Kunst erforderliche Geschicklichkeiten des Körpers würde ich Talente nennen; Sonnenfels 1768 Br. 473 zu uns, wo man sie ungefähr auf den Fuss der Miethknechte ansieht, und es Stolz nennet, wenn sie sich, Leute von Talent zu nennen, wagen; ders. 1768 Ermunterung 12 an diesen [Dingen] offenbaret sich das wahre Talent des Künstlers; Sturz 1768 Br. I 112 Es ist ein elendes Verdienst, ihre Sprache gut und geläufig zu reden, und nichts erwirbt hier schleuniger Freunde, als . . . Talent, wie sie es nennen; Hölty 1770— 71 (I 279) Keine Gattung von Menschen hat grössere Talente aus den Händen der Natur empfangen, als die Dichter; Laroche 1771 Gesch. 9

[sie hat] Talente und Tugenden . . . Bürge dafür, dass sie . . . gefallen wird; ebd. 49 ihr Talent für Musik; Haller-Gemmingen 1772 Briefw. 18 ein Mann von überwägenden Talenten und Autorität; Hase 1779 Aldermann I 58 hatte . . . von Jugend auf viel Talente zum Studium des Menschen; Stilling 1780 Wanderungen 26 ja sollte gott das wohl haben wollen, dasz du da ewig an der nähnadel sitzen bleiben sollst und deine talente vergräbst? (DWB); 1781 Literar. Pamphlete 186 der glänzende Talent ihres Verehrers; Wieland 1782 Gespräche XV 304 [der] mit nützlichen Talenten begabte Mann; Moritz 1786 Reiser II (LD XXIII 430) einen gewissen Ruf wegen seiner Schauspielertalente; Forster 1791 Ansichten IX 139 Sein Handwerk nannte er ein talent, und versicherte sogar, dass er drei talens besässe . . . das Kupferabdrucken, das Buchdrucken und das Formschneiden in Holz; Nicolai 1790 Anekdoten I 301 So gering sein Talent zum Biographen ist, so gering ist auch der Fleiß und die Genauigkeit; Schiller 1795 Dichtung XII 124 [sein] Affentalent gemeiner Nachahmung; Laukhard 1797 Leben IV 2, 182 Er scheint auch nicht ein Quentchen Soldatentalent zu besitzen; Fichte 1801 Nicolai VIII 48 [der] sich für einen Mann von allgemeinem und außerordentlichem Talent hält; ders. 1805 Wesen VI 375 ob es das natürliche Talent, oder der Fleiss sey; Raumer 1815 Briefw. (Leben I 283) und hierdurch dem Staate und der Welt um so reichere Früchte Ihres Talents und Ihrer Thätigkeit zu verschaffen; Craig 1816 Grundzüge (Übers.) III 65 der ganze Vortheil seiner Talente oder Fertigkeiten; Haller 1818 Restauration III 57 Talente und Fähigkeiten; Wolff 1823 Preciosa I 65 Denn es spotten der Verachtung / Tugend, Schönheit und Talente / Denen selbst die Elemente / Schonung huldigen aus Achtung; ebd. I 143 Hat mit Gaben und Talenten / Mich Natur nicht reich geschmückt?; Bergk 1823 Blicke auf Europa 5 Bei Napoleons gewaltigen Geistestalenten; Holtei 1824 Wiener i. Berlin (Jb. D. Bühnenspiele IV 247) eine Berlinerinn, wenn sie anders einiges Mundtalent . . . besitzt; Fries 1832 Philos. II 214 freye Künste . . . weil sie nicht handwerksmässig erlernt werden können, sondern Künstlertalent als Naturgabe fordern; Riemer 1833 Tagebücher (Jh. Samml. Kippenberg 5 (1925) 36) nannte er sein Dichtertalent eine Gottesgabe; Diesterweg 1836 Lebensfrage III 5 Der akademische Lehrer braucht daher kein Genie zu sein, aber er darf des (Lehr-)-Talentes nicht entbehren; Schopenhauer 1840 Grundprobleme Vorr. XX habe ich ihn [Fichte] als einen „Talent-Mann" hoch über Hegeln gestellt; 1852 Prutz' Museum II 677 dem glänzenden Kriegertalente Görgey's; Suckow 1862 Sold'leben 283 Nachdem ich nun dieses treffliche Talent, sich Raum zu verschaffen, ge-

Talent nügend gewürdigt hatte; Wickede 1878 Leutnant 97 Ein junger Lieutenant, der viel komisches Nachahmungstalent besaß; Hillebrand 1881 Jahrb. d. Revol. 325 Talent der Aneignung fremder Gesichtspunkte; Walloth 1887 Praxis 118 in ihren Briefen mache sich viel Phantasie, überhaupt schriftstellerisches Talent bemerkbar; Boy-Ed 1892 M. 293 vielleicht ist mein Talent in Ketten!; Hoffmann 1894 Stolpenburg 220 Oder war ihr Streben bloss, Ihr Erzählertalent leuchten zu lassen?; Gilly 1896 Fesseln I 117 Ich habe überhaupt kein Talent, eine gute Hausfrau zu werden; Senden 1900 Ehen 116 [ich] las, malte oder musizierte. Zu allem hatte ich etwas Talent, aber wie die meisten Töchter unseres Standes nichts gründlich gelernt, alles nur halb; Presber um 1900 Untermensch 61 Bildung ist das Gleichgewicht . . . Talent ist ein Ubergewicht; Keller 1907 Schwaben Vorr. IV es war in der Tat die Schuld der Schwaben, dass — um ein Wortspiel Friedrich Theodor Vischers zu gebrauchen — ihr Talent Jahrhunderte lang hindurch latent blieb; Reck 1909 Grossmutter 73 Wenn sie allein zu Hause war, kam er manchmal in den Salon und spielte Klavier, auch ein großes Talent von ihm; Werthenau 1910 Interessante Wörter 101 Talent nennen wir jetzt eine angeborene Fähigkeit und denken wohl kaum daran, daß wir hierin das gr. xäXavxov talanton haben, das eine bestimmte Geldsumme bezeichnet. Schon im Mlat. vollzog sich der Bedeutungswandel, und talentum wurde für geistiges Streben gesagt. Den Anlaß zur Sinnveränderung hatte das biblische Gleichnis Matth. X X V geboten, wo von dem Herrn erzählt wird, der dem einen seiner Knechte fünf Zentner (talcnta) gab, dem andern zwei usw. In der Deutung wurde natürlich der irdische Besitz auf den geistigen bezogen, und so kam das Wort Talent dazu, etwas Geistiges zu bezeichnen; Bloem 1910 Sommerlt. 129 Ein liebenswürdiger Herr von tadellosen Manieren, einigem Unterhaltungstalent und auch von durchschnittlichen militärischen Fähigkeiten; Schmitz 1911 Brevier 297 Bühnentalent hat bis zu einem gewissen Grade fast jede nicht ganz temperamentund reglose Frau; Technik u. Wirtschaft 7 (1914) 519 Sie [die Übung] erhebt das bloße Können erst zur wirksamen Tat, sie macht die besten Anlagen und die seltensten Geistesgaben erst zu dem, was wir als Talent und Genie bezeichnen; Sternheim 1918 Chronik II 85 Sie hatte ein bedeutendes photographisches Talent; Spann 1929 Wissenschaft 344 der eine Arbeiter im Vergleich zum andern erhält eine „Geschicklichkeitsrente", „Talentrente"; Wilke 1930 Erinn. 171 hatte, wie die Sachsen es nennen, ein fatales Talent, „ins Fettnäpfchen zu treten"; Lokal-Anz. 28. 3. 1933 Das längst anerkannte Talent des Komponisten zeigt sich auch

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hier; Berl. Illustr. Nachtausg. 15. 5. 1933 In diesen zarten und starken Geschichten paarten sich Phantasie und Sprachgefühl, Gestaltungstalent und Erzählerkunst; Münch. Merkur 29. 12. 1956 Für Talentstudien wurde in Köln ein Institut gegründet, in dem untersucht wird, wie begabte Nachwuchskräfte zu fördern sind; 1969 Durch die schöne Welt Aprilh. Fordern Sie den kostenlosen Talent-Test an . . . Verschaffen Sie sich Gewißheit über Ihr Talent; Die Zeit 31. 3. 1978 Das muß anders werden, mag sich Baden-Württembergs Landesvater Filbinger gesagt haben, der öfters durch das Talent von sich reden macht, altes Brauchtum zu beleben; ebd. Wer sich Beziehungen zu allen Staaten nicht leisten kann, konzentriert Talente und Finanzen wenigstens auf eine gut besetzte Vertretung bei den Vereinten Nationen. talentlos: Thümmel 1794 Reise V 164 der talentlose (DWB); Holtei 1854 Schneider II 298 die talentlosen Arbeiter; Walloth 1886 Seelenrätsel 231 Was sind das für Menschen, mit mir verglichen . . . solche talentlose Erdenwürmer, die nur da sind, um das Geschlecht nicht aussterben zu lassen; Presber 1912 Von Ihr 53 Aber nein, du hast's [das Kind] geweckt mit deinem dummen Sekt. So talentlos!; 1921 Südd. Mon'h. XVIII 2,319 [ein] talentloser Bockmist; Hülsen 1947 Zwillings-Seele I 44 eine nicht talentlose Malerin. Talentlosigkeit: Raimund 1828 Alpenköniq 8 Er warf ihm Talentlosigkeit in der Malerkunst vor; Szarvady 1852 Paris I 139 Denn die Chatterton werden bloß von der Talentlosigkeit ihrer ausnahmsweisen Stellung beraubt und zum Typus gemacht; Schmidt 1871 Bilder II 328 Heine leitet die Dunkelheit der deutschen Philosophie nicht aus der Talentlosigkeit der deutschen Gelehrten her; Tovote 1903 Letzte Schritt 111 Diese affektirte Person, die dir die Lieder mit ihrer Talentlosigkeit verhunzt hat; B. Z. am Mittag 6. 6. 1933 gerade dieses Bild zu besitzen, sei ein solcher Beweis ihrer völligen künstlerischen Talentlosigkeit. talentvoll: Archenholz 1787 England II 158 [ein] talentvoller Mann; Goethe 1798 Br. XIII209 junge talentvolle Männer; Arnim vor 1831 Hollim Liebesleben 74 ein junger talentvoller dichter (DWB); Walloth 1887 Praxis 22 Schade um den talentvollen Jüngling; Boy-Ed 1892 M. 261 Aber sieh doch ich konnte auch einen talentvollen Menschen nicht umkommen lassen; Jänicke 1899 Falkenburg 11 Schade um ihn, mein Vater hielt ihn für einen talentvollen Menschen; Bieberstein 1903 Recamier 177 litt er nicht wie andere unter den Fesseln der Schüchternheit, die so viele junge, talentvolle Leute . . . mit sich schleppen; Thoma 1914 Post-

talentiert

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Sekretär 199 [eine] talentvolle Kunstgewerblerin; „Duden"-Sammlung 1935 die drei „Erzfeinde aller Kunst": die „Talentlosen, die Dutzendtalente und die talentvollen Vielschreiber". Talent 2 b : Sonnenfels 1768 Br. 573f. Es erscheinen bey einem Volke Talente, ohne Genies zu seyn: grosse Schriftsteller, ohne eine eigne Gattung zu machen; Heinse 1795-96 Hohenthal V 10 Er sucht alle Talente hervor, unterstützte, und belohnte sie hernach, indem er jedes an seinen Posten stellte; 1805 Paris I Vorr. IV [Rom als] Vereinigungs Platz seltner Talente; Meisl 1820 Quodlibet IV 76 lieber ein Dutzend inländischer Genies, als ein einziges ausländisches Talent; Tieck 1827 Krit. Sehr. IV 169 wahre Schauspielertalente (die jetzt freilich selten sind) . . . zu finden; Platen 1828 Sämtl. W. III 347 Manch großes Talent trat später hervor ( T R Ü B N E R ) ; Kohl 1844 brit. Inseln II 60 [ein] aufblühendes Schriftsteller-Talent; 1846 Staats-Wb. VIII 226 In fast allen Berufsarten gibt es nun Specialitäten, welche in ihrem Fach außerordentliches leisten . . . Diese Specialitäten, „Talente", „Genies", „Kapacitäten" sind also nur bei höherer Kultur zu verwerthen; Fontane-Lepel 1851 Briefw. 1 295 wenn ein Genie nicht durchdringt, was ist dann erst von Talenten und Talentchen zu erwarten; Burckhardt 1852 Br. a. E. Brennerkron 45 Andere zum Teil sehr bedeutende Talente können Sie wegen ihres manieriert brillanten Wesens . . . nur irre führen wie Moritz Hartmann, Karl Beck; 1855 Prutz'Museum I 222 lernen wir ein liebenswürdiges Talent kennen; Mommsen 1880 Reden u. Aufsätze 416 Unser Jahrhundert hat vielleicht kein grösseres Dichtertalent gesehen als

Heine; Fontane 1898 Zwanzig 330 ein hervorragendes Sprachtalent; Dtsch. Revue 25 (1900) IV 77 das „vielversprechende Talent"; Rohden 1925 polit. Denken 62 [den] gehässigen Namen „Übersetzertalent"; 8-Uhr-Abendbl. 27. 5. 1932 Der andere Eishockeymann Rudi Ball ist auch ein ausgesprochenes „Balltalent"; Lokal-Anz. 30. 11. 1934 daß die große Talentsuche nach dem „Unbekannten Sportsmann" nicht vergeblich gewesen ist; Süddtsch. Ztg. 13. 7. 1950 Die frühreife Altklugheit der Dutzendtalente; Er u. Sie 1952 Märzh. o. S. doch während sie noch schwankte, für wen sie sich entschließen sollte, traf aus Amerika Mr. Stuart Stern, ein Talentsucher der Metro-Goldwyn-Mayer, ein; Münch. Abendztg. 23. 8. 1956 Formulare zur Anmeldung für den Wettbewerb der „Latenten Talente" . . . sind nach wie vor bei der „Abendzeitung" . . . zu haben; Offenburger Tagebl. 7. 4. 1967 Andere wiederum, echte Talente, die hart an sich arbeiteten, hatten im „Talentschuppen" die Chance, den Grundstock zum Erfolg zu legen; FAZ 15. 7. 1967 Weibliches Ehetalent gesucht (Anzeige); Offenburger Tagebl. 26. 2. 1969 Nachwuchstalent Muser macht von sich reden; FAZ 11.3. 1970 Der Talentsuche, Talenterfassung und Talentförderung . . . mißt der Bundesausschuß entscheidende Bedeutung bei; Offenburger Tagebl. 26. 2. 1971 Es treten auch Teilnehmer von Talentveranstaltungen auf; Bad. Ztg. 1. 10. 1971 Talentsuche mit wenig Aufwand beim Tennissport im Kollektiv (Ubetschr.); FAZ 4. 12. 1971 So sitzen sie im „Haus der jungen Talente" in der Klosterstraße . . . wo sonst 14jährige musizieren, Theater spielen.

t a l e n t i e r t A d j . , im s p ä t e r e n 1 9 . J h . a u f g e k o m m e n in d e r B e d . ' T a l e n t b e s i t z e n d , b e g a b t , fähig, g e s c h i c k t ; v o n T a l e n t z e u g e n d , T a l e n t b e w e i s e n d ' ( G g s . u n t a l e n t i e r t ) (—» T a l e n t 2 a ) , a u c h in d e r i n t e n s i v i e r e n d e n Z s . h o c h t a l e n t i e r t ' h o c h b e g a b t ' ; vgl. das im f r ü h e r e n 2 0 . J h . v e r e i n z e l t n a c h g e w i e s e n e V e r b a l s u b s t . T a l e n t i e r u n g gabung,

'Be-

Befähigung'.

talentiert: Holtei 1860 Eselsfresser III 118 Man freut sich talentirter Menschen (nach der Analogie von galonirten Lakaien); Wallner 1874 Land 186 eine höchst talentirte Sängerin; Leitner 1880 Novellen 28 der talentirte Studiosus; Zastrow 1882 Major Kreuzschnabel 103 Zwei Generale, talsntirte Strategen, sollten gegeneinander manövriren; Nordau 1885 Paradoxe 160 [ein] talentirter Künstler; Hoffmann 1894 Stolpenburg 85 für Sprachen, speziell für die klassischen Sprachen nicht talentirt; Heilborn 1929 Revolutionen II 136 [ein] talentierter Zeichner; Heer 1930 Erinnerungen 3 Musikalisch hochtalentiert, mit einer herrlichen Stimme begabt; 1930 Die Dame H. 1 12 Was sonst an

talentiertem Nachwuchs da ist, steckt alles in Berlin; Der Montag 12. 1. 1931 Kein Wunder, daß die Skilehrer sagen; Frauen sind talentierter; LokalAnz. 5. 2. 1933 Diese Beispiele sollen erneut die Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit lenken, unsere zweifellos überalterte Spitzenkönner-Garde . . . durch stärkere Heranziehung talentierter Jugend aufzufrischen; Berl. Illustr. Nachtausg. 13. 2. 1933 Die Überraschung des Wettbewerbs brachte Ostler, einer der talentiertesten Nachwuchsspringer; Lokal-Anz. 3 . 6. 1934 Götsche, der talentierte Nachwuchsspieler von Blau-Weiß; Berl. Morgenpost 29. 10. 1934 Der talentierte Mittelstürmer Schön schied in der 22. Minute ver-

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Talisman letzt aus; Mummert 1936 hoffen 71 Engagement der hochtalentierten kleinen Clar [Schauspielerin]; FAZ 20. 6. 1970 Unternehmerin . . . mit regem Sinn f. all. Schöne des Lebens, talentierte Hausfrau (Anzeige); Mannh. Wochenbl. 5. 5. 1978 Daraufhin haben sich auch 45 der talentiertesten deutschen Nachwuchsreiter in Mannheim angesagt; Die Zeit 30. 6. 1978 Meine talentierten, klugen Spieler haben die Diktatur der Taktik und den Terror der Systeme besiegt.

Talentierung: Gombert 1900 Progr. 4 dass manchen Leuten die Wörter Anlage, Fähigkeit usw. völlig abhanden gekommen sind, so dass sie nur noch von der Veranlagung eines jungen Menschen zu reden wissen, wenn sie nicht die schönen aus Österreich und Galizien herübergedrungenen Wörter talentiert und Talentierung gebrauchen; Kautz 1928 Schatten 57 Der studierte Beruf spielt Ausnahmen infolge besonderer Talentierung vorbehalten - gar keine Rolle.

T a l i s m a n M . ( - ( e ) s ; - e ) , P L f r ü h e r a u c h - e n , seit M i t t e 1 7 . J h . w o h l ü b e r g l e i c h b e d . s p a n . talisman,

ital. talismano

nachgewiesen,

z u r ü c k g e h e n d auf arab.

tilasm

'magisches Bild mit geheimnisvollen B u c h s t a b e n , Zauberbild' ( < mittelgriech.

xe-

Xea|xa ' W e i h e ; g e w e i h t e r G e g e n s t a n d ' , in b y z a n t i n i s c h e r Z e i t ' F e t i s c h , Z a u b e r ' , z u g r i e c h . xeXeiv ' v o l l e n d e n , v o l l b r i n g e n ; w e i h e n ' , z u xekoc, heilige W e i h e ' ) , 'kleinerer wehren

gelegentlich auch

Gegenstand,

und

Glück

der

bringen

in d e r S c h r e i b u n g

(abergläubischen soll;

' E n d e , Ziel, V o l l e n d u n g ; Talismann;

Vorstellungen

Maskottchen,

1 in d e r

zufolge)

Glücksbringer,

Bed.

Unheil

Amulett',

abauch

' Z a u b e r m i t t e l , - w o r t ; W u n d e r z e i c h e n ' , h ä u f i g ü b e r t r a g e n u n d bildlich v e r w e n d e t ; d a z u seit f r ü h e m 1 8 . J h . die s e l t e n e a d j . A b l e i t u n g t a l i s m a n i s c h ' z a u b e r i s c h ' u n d i m 2 0 . J h . die v e r e i n z e l t e adj. A b l e i t u n g t a l i s m a n a r t i g ' w i e ein T a l i s m a n ( w i r k e n d ) ' . 2 D a n e b e n g l e i c h z e i t i g u n t e r t ü r k i s c h e r E i n w i r k u n g als selten n a c h g e w i e s e n e z e i c h n u n g f ü r einen ( t ü r k i s c h e n , m o h a m m e d a n i s c h e n ) G e i s t l i c h e n , Talisman 1: Harsdörffer 1646 Gesprechspiele VI 2f. muß ich erinnern, daß solche Machtbilder / oder Bilderwürkungen genennet werden Talisman / wann sie durch Kunst und Menschen-Hände zubereitet werden / welches ein Arabisches Wort ist / und heisset eine Figur / ein Bild oder gewisses Zeichen . . . Die Erfindung solcher Talismanen wird dem Zoroaster zugeschrieben / und sind Bilder eines Menschen / oder eines Thiers / oder der Planeten / in welcher stärksten Wurkung / oder Erhöhung sie gemacht werden; Prätorius 1666 Anthropodemus I 168 Zu unserir zeit hatten Carmeliter Mönche zu Florenz Julian Ristoric a Patro genannt / ein Talisman wieder das Zipperlein / und Paracelsus wieder die Pest gemachet; Woyt 1709 Gazophylacium 920 Talisma, ist eine Art Anhängsel wider die bösen Fieber und Pest; Brucker 1731 Fragen I (Reg. II) Talismanes; Goethe 1770 briefl. II 16 Unterdessen war mir die Rolle, die ich, aus Furcht sie zu verliehren, beständig in der Hand trug, ein rechter Talisman der mir die Beschwerlichkeiten der Reise alle hinwegzauberte; Jacobi 1771 Wahrheit 10 Wenn wir mit unsrem Stab einen willkührlichen Talisman in den Sand machen, um die Wahrheit in diesem engen Bezirk hinein zu zaubern; 1774 Philosophie d. Natur (Ubers.) II 266 Gespenster, Talismanen, und Dä-

Be-

Gelehrten.

monographen; Meister 1775 Schwermerei I 49 den Einfluss . . . der Talismane und Amulette; 1786 Hamburger Musenalmanach 218 Gold ist ein Talismann, Der alle Zaubereien Der Genien und Feien, Zu Wasser machen kann; 1786 Journal d. Moden I 97 wenn wir . . . glauben wollen, so geht nichts über eine Robe ä la Turque; ja sie muss ein eigner Talismann seyn, der eine schöne Frau zur Selbstherrscherin aller Herzen macht; Friedet 1788 Br. a. Wien I 369 Ich sehe den Luxus als einen Talisman an, der . . . die Industrie des Volkes . . . hervorzaubert; Frank 1788 System d. medicin. Polizei IV 601 gewisse auf eigene Materien geschnitzelte Bilder (Talismanen) sollten die Kraft äussern, Thiere zu vergiften; 1789 Wiener Musenalmanach 140 Sag, o Lied! Wer ist der Wunderthäter, Der mit seinem mächt'gen Talismann, Als des hohen Schöpfers Stellvertretter, Alle diese Wunder wirken kann?; 1790 Journal v. u. f . Deutschland II 279 Spionen durchschleichen haufenweise eure Staaten . . . Freyheit, Gleichheit, das sind die Talismane der Schurken, das ist der Vereinigungspunkt der Betrüger und Betrogenen; 1793 Wiener Musenalmanach 172 O Talismann auf meiner Pilgerreise, Geliebtes Kapital! Mir huldiget in deinem Zauberkreise Ringsum der Erdenball; 1795 Journal d. Moden X 148 die Visiten-Karte ist

42

Talisman

ein Talisman, der Wunder thut, je nachdem er gebraucht wird; Schleiermacher 1799 Religion IV 109 ein Schmuck, der es ziert, ein Talisman, der es schützt; Klinger 1803 Betr. XI 41 welches ist das Zauberwort, der Talisman, der die . . . Disharmonie . . . zu einem ganz erträglichen . . . Einklang bringt?; Soden 1805 Nationalökonomie I 192 Lösung aller Fesseln dieses Strebens nach Wohlstand, das ist also der einzige Talisman, mit dem man . . . Menschen hervorbringt; Görres 1810 Fall I 158 die Marmorsäule, der Talisman des Reichs; Körner 1812 (III 22) Um Sieg der Liebe flüstre Dein Gebet; Es wird zum Talisman und soll mich schützen; 1813 Urania 36 Der eigentliche Talisman dieser Künstlerin, wodurch sie sich auch . . . die Bewunderung von Goethe erwarb, ist und bleibt die grosse Kunst der Entindividualisirung; Seidler 1817 (Zentner, München 45) [ein Empfehlungsschreiben Goethes wurde ihr] zum Talisman . . . von dem sie sich, wie im Märchen durch einen Ring, Zweig oder Zauberspruch auch eine sonst nicht leicht in ihren Angeln zu bewegende Tür gefällig öffnete; Spaun 1822 Santini I 175 hat . . . einen Talisman, der sie vor den Lockungen böser Menschen schützt; Diesterweg 1836 Lebensfrage III 22 Wie jeder Mensch in der Achtung von Personen, die ihm achtungswürdig erscheinen, einen Talisman besitzt, der ihm von dem Schlechten und Gemeinen abhält; Sue 1843 Geh. v. Paris (Ubers.) I 175 Das mußt Du behalten, Finette, wenn Du auch eine bessere Kette bekommst - es ist ein Talisman, der Glück bringt; Schwarzenberg 1844 W. 119 Wieviele Roberte . . . zerbrechen freiwillig mit eigener Hand den mystischen Talisman — den Zauberstab, welchen die Hölle zuweilen gegen Einsatz von Ruhe und Seelenfrieden verleiht, um damit die Liebe zu bannen; Fallmerayer 1845 Fragmente I 84 ein geheimes Zaubermittel, ein unbekannter Talisman; Weitling 1845 Evangelium 49 [Zeichen und Wunder] Diese waren der Talismann, welcher damals Niemanden fehlen durfte, der als Prophet auftrat; Bettina v. Arnim 1852 G. VII 70 der Monarchen Ohr ist ein Talisman, um die Welt zu regieren; Ranke 1854 Epochen IX 2,233 Durch die Unbesonnenheit des russischen Kabinets ist der Talisman, welcher die Geister in Ruhe fesselte, gelöst worden; Stolz 1867 Witterungen V169 im Kaffee liegt. . . der Talisman verborgen; Wolff 1887 Hagestolze 226 wartete, ob er ihr nicht verrathen würde, was für ein Talisman es wäre, der die erloschene Flamme der Freundschaft wieder anfachen sollte; Gregorovius 1894 Nasen 12 Erkenntnis [eines Juden] . . . in seinem Stammeszeichen [der Nase] einen Talisman zu besitzen, der er . . . um keinen Preis hätte missen mögen; Tovote 1895 Liebesrausch 40 Talisman, der vor bösen Geistern schützt; Simson 1900 Simson 55

Anm. Der Wahnwitz des französischen Hofes [hatte] den Talisman zerbrochen, der den Dämon der Revolution gefesselt hielt; Polenz 1900 Liebe 225 Er trug jenes rührende Bildchen, bei dessen Anblick seine Gefühle sich verraten hatten, mit sich herum wie einen Talisman; Schmitz 1911 Brevier 258 Wir können durch „Talismane" unsere magnetische Kraft vermehren; Voss 1917 Welt 69 besaß doch die Gemahlin Gaetano Canales außer ihrer Tugend ihren Glauben, der bei der sorgsamen Pflege der Schwestern vom ,,Sacr.e Cour" ein Talisman geworden war; Hertling 1919 Erinn. I 93 eine Karte, die mir bei den Festlichkeiten als Talisman durch die Schweizerwachen dienen sollte; Laarss 1919 Amulette 19 Unter einem Talisman versteht man ein bildliches Zeichen, das unter gewissen Umständen . . . mit heiligen Gebräuchen, Gebet, Räucherungen oder dergl. aus irgend einem Stoff, Holz, Metall, Stein, Leder, Pergament angefertigt wird, und dadurch geistige Kräfte erhält. Diese geistigen Kräfte bewirken nach alter Lehre allerhand Gutes, bald Gesundheit, Schönheit, langes Leben, Reichtum und Macht, bald Schutz gegen Krankheiten, Gefahren und andere Übel; ebd. 20 Der Unterschied zwischen Talisman und Amulett besteht darin, dass ein Talisman gute Einflüsse heranziehen soll, während ein Amulett zur Abwehr von bösen Einflüssen dienen soll; Samuel 1925 Staatsauffassung 127 Nur die Liebe besitzt den Talisman ewigen Friedens; Bamberger 1932 Tagebücher 118 Ein Talisman ist immer gut bei sich haben; Steyner 1932 Frau 40 die Erinnerung . . . wie ein Talisman gegen alle Verzagtheit und Trübsal der Zukunft; Lokal-Anz. 17. 6. 1934 Mit Talismanen und andern Glücksbringern ist es bekanntlich so wie mit gewissen Arzneien: die Hauptsache ist, daß man an sie glaubt; ebd. 18. 11. 1934 als Talisman nahm sie an jenen Tagen stets den aiten, auf Elfenbein gezogenen Spitzenfächer ihrer Großmutter zur Hand; Ehrler 1935 Begegnungen 120 Hess sich nachher von einem aus der Kompagnie die Hampfel Heimaterde zeigen, welche dieser als Talisman in einem Beutelein ins Feld mitgebracht hatte; Münch. N. N. 17. 2. 1940 Exkurs über Talismane (Überschr.) Immer wieder hört man, daß Menschen, die besonders der Gefahr ausgesetzt sind, mit seltsamer Inbrunst an kleinen Gegenständen hängen, die Glück bringen sollen. Es sind kleine Talismane, Glücksbringer, die sie nach ihrer Meinung bei sich haben müssen, wenn alles gut gehen soll; 1962 Durch die schöne Welt Aprilh. O b man auch das „Trojanische Pferd" en miniature als Geschenk für den Filius oder als Talisman für den „Fernwagen" mitnehmen konnte, ist leider nicht überliefert; Stuttgarter Ztg. 20. 7. 1967 Auch alle Mitfahrenden sollten die Blutgruppenangabe bei

Tampon sich haben. Die Kosten dafür sind gering und stehen in keinem Verhältnis zu dem möglichen Wert dieses „Talismans", der ein wirklicher Lebensretter sein kann; 1969 Festschr. a. Lentze 447 Sie sollte ein Talisman mir sein, solang ich sie an meinem Halse gläubig würde tragen. talismanartig: Schmitz 1928 Essays 208 Ein durch die Fülle dessen, was es im Nu heraufbeschwört, talismanartiges Wort ist z. B. „ancien régime". talismanisch: Arpe 1717 Geschichte der Talismanischen Kunst (Titel); 1781 Merkur II 250 Anm. Talismanischen Heilungsformeln; Wieland 1824 S. W. XVII13 Als ob der königliche Mantel,

43

eine talismanische Kraft, jedes Laster in eine schöne Eigenschaft verwandeln könnte (KEHREIN); Hahn-Hahn 1844 Oriental. Br. II 114 talismanischen Worte; Laarss 1919 Amulette 27 talismanischen Werke. Talisman 2: Zeiller 1643 Episteln III 127 durch ihre [türkischen] Talismanslar / oder Pfaffen / mit zauberischer Andacht / zurichten; Burchard 1688 Türckey FT Talisman oder Geistlicher oder Pfaffe; Laarss 1919 Amulette 20 Die Türken nannten ihre Geistlichen und Gelehrten, welche sich mit diesen Dingen beschäftigten, Talismanen, bei den Chaldäern und Persern hießen dieselben Tsilmenaja, bei den Griechen Telesmata, bei den Römern Amuletta.

T a m p o n M . ( - s ; - s ) , im f r ü h e r e n 1 9 . J h . ( g e b u c h t 1 8 3 8 bei H e y s e ) e n t l e h n t aus f r z . tampon, saugen

tapon

und

'Pfropf zum Zustopfen von Löchern; Wattebausch zum

Entfernen

von

P u f f e r ; S t e m p e l ' ( z u taper manischen Ursprungs);

Flüssigkeiten;

Kissen

zum

Auffangen

von

Ab-

Stößen;

'etwas (mit der flachen H a n d ) andrücken, klopfen', ger-

1 in d e r a l l g e m e i n e n v e r a l t e t e n B e d . '(als V e r s c h l u ß

von

Ö f f n u n g e n d i e n e n d e r ) Z a p f e n , P f r o p f ( e n ) , S t ö p s e l ' , z . B . bei K a n o n e n m ü n d u n g e n , O r g e l p f e i f e n , M ö r s e r n , seit s p ä t e r e m 1 9 . J h . a u c h bildlich v e r w e n d e t im p o l i t i s c h e n B e r e i c h i m Sinne v o n ' P u f f e r ' ( v g l . f r z . état

tampon

'Pufferstaat').

2 G l e i c h z e i t i g f a c h s p r . in d e r M e d i z i n f ü r ' m i t G a z e , M u l l ü b e r z o g e n e r B a u s c h aus W a t t e o d e r Zellstoff, Körperöffnungen

der z u m Aufsaugen von Flüssigkeiten,

eingeführt

wird',

im

20. Jh.

meist

verkürzt

z u m Blutstillen

in

für

Intravaginal-

3 Seit s p ä t e r e m 1 9 . J h . ( g e b u c h t 1 8 6 3 bei K a l t s c h m i d t ) f a c h s p r . im

Druckwesen,

tampon. speziell b e i m K u p f e r d r u c k f ü r ' ( T u p f - ) B a l l e n z u m E i n s c h w ä r z e n d e r ( g e s t o c h e n e n ) Druckplatte'. D a z u g l e i c h z e i t i g die f r a n z ö s i s i e r e n d e s u b s t . A b l e i t u n g T a m p o n a d e F . ( - ; - n ) ' V e r s c h l i e ß e n , festes A u s s t o p f e n ( v o n W u n d k a n ä l e n , - h ö h l e n ) m i t e i n e m T a m p o n ' ( z u 2 ) , die s e l t e n e v e r b a l e A b l e i t u n g t a m p o n i e r e n V . t r a n s . ( n a c h g l e i c h b e d .

frz.

tamponner)

ver-

' a u s s t o p f e n , z u s t ö p s e l n ' ( z u 1), ' e i n e W u n d e m i t e i n e m T a m p o n

schließen, abtupfen' (zu 2) und 'mit dem T a m p o n D r u c k e r s c h w ä r z e ,

-färbe auf-

tragen' ( T a m p o n i e r m a n i e r ) (zu 3). Tampon 1: 1875 Dtsch. Rundschau III 478 dass die Existenz Belgiens, als „tampon" zwischen Deutschland und Frankreich; Schwabach 1901 Akten 17 denkt Deutschland daran, sich im Persischen Meerbusen als tampon zwischen England und Russland einzuschieben; Jacobs 1912 Schifffahrtsfreiheit (Diss., Erlangen) 84 sogenannte „Pufferstaaten" (Etats tampon). tamponieren: Nordau 296 tamponiren.

1881 Paris unter d. 3. Rep.

Tampon 2: Neue Illustr. 11. 6. 1955 o. b., der führende deutsche Tampon, wird auch im Ausland

von immer mehr Frauen bevorzugt . . . Jederzeit frei und völlig unbehindert . . . Die o.b.-Tampons sind den natürlichen Gegebenheiten vollkommen angepaßt . . . entscheiden Sie sich für o.b., die ideale Lösung weiblicher Monatspflege ohne Binde, o.b. können Sie vertrauen! . . . Schließen auch Sie sich den Frauen an, die die großen Vorteile der modernen Tampon-Hygiene erkannten; Süddtsch. Ztg. 4. 10. 1955 Nun kann die Entscheidung fallen. Die Entscheidung für Tampon 55. Denn Tampon 55 macht die Umstellung auf die moderne Tamponhygiene leicht. Tampon 55 hat alle Vorzüge eines Markentampons bester Qualität

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Tamtam

. . . Die Verkäuferin weiß Bescheid (Anzeige); Das Beste 1970Julih. o.b. Tampons sind sicher, weil sie auch bei körperlicher Bewegung nicht verrutschen . . . weil sie sich den individuellen Bedürfnissen anpassen . . . weil sie das Blut schon im Körper aufnehmen. Tamponade: Voss. Ztg. 20. 9. 1930 Für den Arzt kann, falls man ihn dazu benötigt, die Stillung des Nasenblutens gelegentlich eine nicht einfache Aufgabe sein: sie gelingt aber beinahe ausnahmslos,

und es ist meist sogar möglich, dem Patienten die Unannehmlichkeit einer Ausstopfung seiner Nase, eine sogenannte „Tamponade" zu ersparen; Lokal-Anz. 4. 11. 1934 Nachdem alle anderen Behandlungsweisen erfolglos geblieben waren [gegen Bluterkrankheit], habe man an der Wunde eine Tamponade mit Muttermilch vorgenommen, die das Blut bald zum Gerinnen brachte. tamponieren 3: Heck 1849 Bilderatlas Conv'lex. IX 47 Tamponnirmanier.

zum

Tamtam N . (-s; -s), auch M . , Gen. früher auch —, im frühen 19. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. tatn-tam (zurückgehend auf hindustan. tamtam, lautmalende Bezeichnung für die Trommel der Eingeborenen), auch in der Schreibung TamTam; 1 zur Bezeichnung eines ostasiatischen oder afrikanischen helltönenden Musikinstruments in Form eines tellerförmigen Metallbeckens, auf dem mit einem filzüberzogenen Holzklöppel der Rhythmus geschlagen wird, in der Bed. 'Blechpauke, Handtrommel; Gong', z. B. in der auch bildlich gebrauchten Wendung den Tamtam schlagen. 2a Seit spätem 19. J h . , nur Sing.N., als Bezeichnung für jedes trommelartige Geräusch; b von daher, nur Sing., übertragen verwendet für 'marktschreierische, aufdringliche Reklame, Propaganda', zunächst im kaufmännischen Bereich, dann allgemeiner, meist ugs. und abwertend, häufig in Syntagmen wie viel/großes Tamtam machen, mit viel/großem Tamtam, in der Bed. 'Wirbel, Aufwand, Aufhebens; Zirkus, Theater, Pomp; Rührigkeit, Geschäftigkeit; Geschrei, Getue, Gehabe; Trara'. Tamtam 1: Dinglers Polytechn. Journal 13 (1824) 48 tam-tam; Immermann 1838—39 Münchhausen I 91 sie müssen [im Stil] den tamtam schlagen, und die ratschen in bewegung setzen ( D W B ) ; 1857 Hausblätter IV o. S. Musik von Tam-Tams (einer Art Tambourin), Becken und . . . Klarinetten; zur Münch. Ztg. 367 Da 1860 Unterhaltungshl. werden Schauspiele aufgeführt in sehr schönen Costümen aber ohne Decorationen, wozu eine lärmende Musik mit Begleitung der tam-tams hinzukommt, welche selbst den Eingebornen nicht gefällt; Müller 1864 Reisen I 55 ehe die Glocke des Hotels oder an ihrer Stelle ein chinesischer TamTam das Zeichen zum Essen gibt; Bruges 1873 Reiseskizzen 319 werden durch Schlagen gegen ein metallenes Becken bezeichnet. Dieses verursacht einen nervenerschütternden Lärm; das Instrument ist jedenfalls dem Tamtam der Wilden nachgeahmt; ebd. 333 Vermittelst der ohrzerreißenden Töne des Tamtam wird die Stelle angezeigt, wo man sein Mahl einnehmen soll; Freiligrath vor 1876 (I 98) wohl stehn die pulse still, die einst so feurig pochten bei tamtamklang und hufgescharr ( D W B ) ; 1876 Glagau 142 Die Presse schlägt für den „Stadt-

park" den Tamtam ( S C H I R M E R , Kaufmannssprache); Trinius 1887 Mark. Streifzüge III 152 zum Diner . . . zu kommen, wenn der Tamtam zum zweitenmal donnert; Hopfen 1887 Genius 85 schollen . . . dumpfe Schläge auf dem Tamtam, zum Zeichen, dass die Suppe aufgetragen sei; Schmidt 1906 Anfange d. Literatur 9 Taktstab, Schallbrett, Tamtam, Gong, Rassel, Trommel genügen für den Schreitanz, wie Tamburin, Schellen und Kastagnetten noch immer an Urzeiten erinnern; Loon 1930 Mensch (Ubers.) 172 tage- und wochenlanges Gehämmer auf dem „Tamtam" nötig, um sie [feindliche Geister] zu vertreiben; Purzelbaum 1939 Humor 132 denn schlach ich Alarm uff'n Dammdamm. — Gut so . . . und wo haben Sie das Tamtam?; Clemen 1941 Lob 18 Pauken, Trommeln, Tamtam, Tamburin; M.-A. Abendztg. 12. 7. 1944 Der Donner unter den Zartbesaiteten (Uberschr.) Die Geheimnisse des Schlagzeugmanns / Was ist ein „Tam-Tam"? . . . Da schlägt mein Freund mit einem Holzschlegel gegen eine große Metallschüssel, die über seinem Platz aufgehängt ist. Dieser Schlag ging durch Mark und Bein. Er übertrifft noch den Donner-

Tamtam schlag vom Anfang, er schlägt den Trommelwirbel und nimmt es mit jedem Paukensolo auf. Wie komisch: der Name dieses geräuschvollen Instruments tarnt irgendwie dessen Absicht; es heißt ganz harmlos „Tam-Tam". Man erfährt, daß dieser Bruder des edleren Gongs ein unbestimmbares Geräusch von sich gibt, das nur eine Aufgabe hat: laut zu sein; Süddtsch. Ztg. 5. 5. 1951 Tam-Tam (Uberschr.) eine Mischung von klassischem Tanz und Negertanz. Neben einem westindischen Tam-Tam-Orchester behauptete sich auch ein Klavier; ebd. Berto Pasuka's Neger-Ballett. Die größte Negerschau der Welt! mit original afrikanischem Tam-Tam-Orchester (Anzeige);Jandolo 1954 Bek. (Übers.) 215 den Eingeborenenfesten mit Tamtambegleitung; 1954 Schwarzer Orpheus 76 Das Tam-Tam pocht wie die Brust eines schwarzen Mädchens; Offenburger Tagebl. 18. 11. 1961 Verse zum Tamtam geschrieben (Uberschr.) Senghor, der seine Verse in französischer Sprache, doch oft „zu Tamtam" und anderen afrikanischen Musikinstrumenten schreibt; FAZ 28. 11. 1970 Im Hasch-Zimmer — offiziell war das Rauchen verboten — hockten sie im Schneidersitz bei Kerzenlicht und handgeschlagenem Tamtam. Tamtam 2 a: Spielhagen 1862 Naturen V 21 erschien unter dem Quintiiieren der Clarinette und dem Tam-tam der Pauke . . . ein hübscher Bursche [als Seiltänzer]; Velhagens Mon'hefte 5 (1890/91) I 335 Geschmetter und Tamtam der Gartenkonzerte; Kellner 1900 England 5 am folgenden Morgen weckte mich ein kräftiges Tam-Tam aus einem traumlosen Schlafe; Siiddtsch. Ztg. 27. 3. 1953 Der Rhythmus ritueller Negertänze und das Gesellschafts-Zeremoniell der französischen Besatzungsmacht, die einsamen Urwaldlandschaften und das wilde Tamtam der Kriegstrommeln; Doderer 1959 Peinigung 14 das Spielwerk liess eben, unter gewaltigem Tam-Tam, die Ouvertüre zur 'Zampa' los; Stuttgarter Ztg. 3. 2. 1959 Das große Tamtam, der vitale Rhythmus afrikanischer Trommeln, den ein Tonbandgerät hinter der Bühne im Stuttgarter „Theater der Altstadt" vermittelte; de Boor 1963 Tagebuchblatter 56 die grosse Melodie . . . die nur von Marschmusik, Blechmusik und Tamtam übertönt war; Bild 3. 11. 1966 den afrikanischen Ursprüngen der Beatmusik: Die Studenten trommeln mit Colaflaschen ein „schwarzes" Tamtam. Tamtam 2 b: nach 1870 (Wagner 1884 Erlebtes II 65) jede unbequeme volkswirthschaftliche und sociale Frage alsbald auf das politische Gebiet hinüberzuspielen und das sociale Wehklagen der Masse der Bevölkerung mit dem Tamtam politischer Freiheits-Rodomontaden zu übertäuben; Fontane 1895 Br. II 2, 355 Keine Spur von Tamtam, keine

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Spur von Uberhebung, weder allgemeiner noch beruflicher noch persönlicher; Zobeltitz 1902 papierene Macht II 29 und immer Tamtam, immer die Trommeln gerührt, immer Fanfare geblasen; Chamberlain 1903 Br. II 186 Tamtam-Presse; Friedens-Warte 6 (1904) 157 Kriegstamtam als Buchreklame; Archiv f . Kulturgesch. 4 (1906) 113 der ganze Tamtam unserer heutigen äusserlichen Geld- und Scheinkultur; Walhalla 7 (1912) Rundschau 26 Kemmerichs hier besprochene Machwerke, welche mit soviel Tam-Tam vom Simplicissimus-Verlag in die Welt gerufen werden; Stimmen d. Zeit 83 (1912) 135 ein so unermüdlicher Tamtamschläger für die moderne Malerei; Berolzheimer 1914 Moral 338 Der seinerzeit mit grossem Tamtam ins Leben gerufene Jugendstil hat genauso rasch abgewirtschaftet, wie der Naturalismus im Drama; Türmer 20 (1918) 476 Mit dem üblichen Tamtam melden die Pariser Blätter eine neue Grosstat des Präsidenten Wilson; Dombrowski 1919 System 1108 wilhelminische Tamtam-Barock; Zur Mühlen 1929 Ende 129 Deutschland liess sich seine Propaganda unter den mohammedanischen Völkern viel kosten. Seltsamerweise empfanden diese auch eine gewisse Bewunderung für den Kaiser; das orientalische Tamtam, die grossen Geister, die der „Fantasia Kebir", bei der ebenfalls ohne Ergebnis viel gelärmt und geschossen wird, gefiel ihnen; Voss. Ztg. 2. 12. 1929 Es ist wirklich Tam-Tam. Und man stellt das mit tiefem Bedauern fest, in Erinnerung an jene Abende, an denen Nelsons Revuen ein heiterer Spiegel der Jahre waren; ebd. 8. 6. 1930 Dafür hat das Publikum ausreichend Gelegenheit, Training, Skandale, Gerüchte usw. in Menge zu genießen, und das große Vortamtam verursacht oft mehr Aufregung und Sensationsstimmung als der Match selber; Beri. Illustr. Nachtausg. 2. 1. 1933 mit großem TamTam auf der Straße Neujahr gefeiert; ebd. 26. 1. 1933 Am erstaunlichsten mutet jedoch das Nachspiel an, das jetzt mit Tamtam als Reklame . . . aufgeführt wird; Kühn 1937 Kerle 165 Männer, die auch ohne Tamtam und Weihrauch ihre Stellung zu behaupten wissen; N. Z. Z. 25. 12. 1943 in so schweren Zeiten literarischen Tam-Tam zu machen; Münch. Abendztg. 8. 5. 1950 Es wird ohne besonderes Tamtam zur Welt gekommen, gelebt und gestorben; Europäische Illustr. 2. 10. 1950 Ein hauptsächlich von Studenten besuchtes Kino im Quartier Latin kündigte mit großem Tam-tam die Neuaufführung des „erfolgreichen Schlagers" und Meisterwerkes der Nazi-Filmkunst „Jud Süß" an; Ehbauer 1953 Weltgesch. I 17 Doch was er schafft mit viel Tamtam, Haut er sich selber wieder zsamm; Süddtsch. Ztg. 13. 2. 1954 daß es früher oder später einmal notwendig sein könnte, das Gewehr wieder zur Hand zu nehmen . . . Aber wenn

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Tandem

schon wieder, dann verhaltenen Gefühls und nicht mit Marschmusik, Tam-Tam, Flitter und Zauber!; Offenburger Tagebl. IS. 1. 19S9 Wenn von Paris und London der bevorstehende Besuch des Französischen Premiers bei seinen britischen Kollegen mit großem Tamtam angekündigt wird; Mühlmann 1966 Weber 47 Da das „Werten" an die

Emotionalität appelliert, kann es auch ganz anderen Tamtam machen als die Forderung strenger Ausschaltung von Werturteilen; FAZ 27. 1. 1971 Ein sogenanntes Parlament läßt sich zu einem Blutgerichtshof umfunktionieren und produziert unter grauenvollem Tamtam Todesurteile.

T a n d e m N . ( - s ; -s), Ende 18. J h . entlehnt aus gleichbed. engl, tandem (zurückgehend auf lat. Adv. tandem 'endlich, schließlich, zuletzt, am Ende'); zunächst in der Bed. 'leichter, zwei- oder vierrädriger, ein- oder ¡zweispänniger Wagen mit zwei hintereinander gespannten Pferden', auf englische Verhältnisse bezogen; dann ausgedehnt auf die zentrale Bed. 'Fahrrad mit zwei (oder mehr) hintereinander angeordneten Sitzen und Tretlagern für zwei (oder mehr) Personen; Doppelsitzfahrrad', auch auf andere Fahrzeuge übertragen und gelegentlich bildlich verwendet; daneben fachspr. in der Technik für 'zwei hintereinander geschaltete Antriebe, die auf die gleiche Welle wirken' ( T a n d e m m a s c h i n e ) . Büsch 1797 Hamburg. Handlung 88 Tandem; Spiker 1818 Reise II 341 glänzende Equipagen, Gips (zweirädrige Wagen mit einem Pferde), Curricles (zweirädrige Wagen mit zwei Pferden), Tandem's (dieselben, mit den zwei Pferden eines vor das andere gespannt), fuhren pfeilschnell bei uns und vor einander vorüber ( B E N N E T T ) ; Pückler-Muskau 1828 Reisebriefe 82 einen kleinen char a bancs, den wir „tandem" (das heisst ein Pferd vor das andere gespannt) mit Postpferden fuhren ( B E N N E T T ) ; Adrian 1830 Skizzen I 2S3 ein Mitglied des Viergespann- oder Tandem-Clubs ( B E N N E T T ) ; Kohl 1844 Reisen in England III 47 „Tandems" nennen sie eine Art von Gig, in der sie oft Spazierfahrten unternehmen. Es sind diess einspännige zweiräderige Wagen, vor welche sie aber zwei Pferde und zwar sonderbarerweise eines vor das andere spannen, und mit denen sie dann wild in's Freie jagen. Da diese Anspannungsweise sehr gefährlich ist, so ist ihr Gebrauch verboten; Ebarius 1887 Dreirad 26 bei diesen zweisitzigen Dreirädern sogenannte Sociibles, bei welchen beide Fahrer nebeneinander, und Tandems, bei welchem sie hinter einander sitzen; Dtsch. hippologische Presse 12 (1896) 380 Es dürfte manchen unserer Leser interessiren, zu erfahren, woher der Ausdruck Tandem stammt, womit, wie allgemein bekannt ist, Velozipede mit zwei Personen bezeichnet werden; Dtsch. Revue 2S (1900) I 3S Ein gut angespanntes Tandem sauste vorüber; 1909 Wir Luftschiffer 7S Tandem-Registrierballon . . . Ballontandem; Ahlers 191S Fahrsport 164 Tandemfahren; Berl. Illustr. Nachtausg. 8. S. 1933 Mutter packt die Stullen ein, Vater kalkt Strohhut und Flanellhose, Tante begießt die Stiefmütterchen, und

Onkel pumpt das letzte „Tandem" von Berlin auf; Lokal-Anz. 2S. 9. 1934 Sehr eingebürgert hat sich neuerdings das Tandemfahrrad, und unzählige Pärchen sieht man . . . am Sonntag ins Freie radeln; Lerchenfeld-Köfering 193S Erinn. 104 im russischen Schlitten, bei weiten Fahrten zwei Pferde . . . die als Tandem voreinander gefahren werden; Dtsch. AZ. 27. 9. 193S Dann erschienen Tandem-Vollbluthengste; 1938 Umschau 942 Tandemflugzeug; B. N. 18. 11. 1942 Segelflieger einzeln oder im Tandem sowie im Schlepptau; Stuttgarter Ztg. 22. 2. 19S3 Große Hoffnungen auf das Tandem Wolfshohl-Gaul (Überschr.); Süddtsch. Ztg. Dez. 19S3 „Tandem-Verfahren", bei dem Windflügel, Pumpe und E-Motor ein geschlossenes Ganze bilden; ebd. 14. 6. 19S4 Auch im Tandem-Rennen erfüllten Jakob/Sonntag nicht die Hoffnungen; ebd. 24. 8. 19S4 Das Tandem, ein Veloziped für zwei oder drei hintereinandersitzende Personen, fand hauptsächlich auf Ausflügen Verwendung; ebd. 13. 9. 19S8 Der Fundus reicht vom Draisschen Laufrad bis zum HumberTandem-Dreirad; ebd. 27. 12. 19S8 Drei Jahre, vier Monate und 13 Tage lang haben sich der 25jährige Horst Stasius und sein Freund Heinz Kraulmann auf einem Tandem den Wind von drei Erdteilen um die Nase wehen lassen; Offenburger Tagebl. 22. 7. 1966 Gemini 10 und Agena 10 starteten zum ersten „Tandem-Flug" in der Geschichte; FAZ 29. 9. 1971 Das Tandem EyskensCools radelt unbeirrt weiter. Parlamentsauflösung ohne Regierungsrücktritt in Belgien; Freundin 2S. S. 1978 Vier Scherkämme in Tandem-Anordnung entfernen schnell, sanft und zuverlässig alle Härchen (Anzeige).

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Tangente Tangente

F.

( - ; -n), im späteren

häufiger nachgewiesen, P r ä s . v o n tätigere,

16. J h .

zurückgehend

vereinzelt,

auf (flekt.

Form

—* t a n g i e r e n ; v g l . g e l e h r t e n l a t . linea

a u c h lat. f l e k t . u n d in d e r F o r m Tangent.

erst seit A n f a n g

18. J h .

v o n ) l a t . tangens

(Part.

1583),

anfangs

tangens,

1 I m 1 6 . — 1 8 . J h . n a c h g e w i e s e n in d e r

M u s i k f ü r ' M e t a l l p l ä t t c h e n a m E n d e e i n e r T a s t e , e i n e s H e b e l s , das v o n u n t e n an d i e S a i t e s c h l ä g t u n d sie z u m K l i n g e n b r i n g t ' b e i S a i t e n i n s t r u m e n t e n u n d S p i e l u h r e n . 2 a Seit A n f a n g

1 7 . J h . in d e r G e o m e t r i e f ü r ' G e r a d e , d i e e i n e g e k r ü m m t e

Linie

( e i n e n K r e i s ) in e i n e m P u n k t b e r ü h r t ; B e r ü h r u n g s l i n i e ' , z . B . in d e r W e n d u n g e i n e Tangente

(zu

einem

Kreis)

ziehen;

auch,

heute

ausschließlich

in

der

Form

T a n g e n s M . ( - ; o h n e P L ) , in d e r B e d . ' V e r h ä l t n i s v o n G e g e n - z u A n k a t h e t e rechtwinkligen

Dreieck

( = Sinus

durch

Kosinus)'

(Tangensfunktion,

im

-kurve,

- s a t z ) , a u c h b i l d l i c h v e r w e n d e t , b I n n e u e s t e r Z e i t b i l d l i c h in d e r s p e z i e l l e n

Bed.

' g r o ß e ( S c h n e l l - ) S t r a ß e , die dicht am R a n d e eines ( S i e d l u n g s - ) G e b i e t e s , einer Stadt vorbeiführt' (Ost-, thematischer)

Südtangente);

Berührungspunkt;

c auch übertragen

Parallele'.

Dazu

im Sinne von

seit d e m

19. J h .

'(inhaltlich-

die adj.

Ab-

leitung t a n g e n t i a l , früher auch tangentiell, 'eine g e k r ü m m t e Linie oder Fläche berührend'

(zu

2a),

heute

meist

als

Bestimmungswort

Physik) Zss. wie Tangentialebene, -bewegung, Tangente 1: Rot 1571 Dictionarius 355 Tangent, Anrûrer / das welches etwas anders anruret. Als inn den Jnstrumenten der Musica / finden sich solche Tangenten auß messing oder federn gemacht / damit die seyten berürt werden / das sie stimm geben; Duez 1652 Nomencl. 160 les clavier, les marchettes, les fautereaux, das clavier, die clavieren / vnd die tangenten; Sperander 1728 A la mod Sprach o. S. Tangenten, werden die Docken in den Ciaviren und die Blechlein in dem hintern Theil an jedem Clavi in den Clavicordien genannt, die weil dadurch die Saite geruhret wird, daß sie klingen muß. Tangente 2 a: Simon Marius 1610 Euklidübers. 60 Man kan zwar durch die tangentes vnnd sécantes eben diß haben, was ich durch die Sinus gewiesen (SCHIRMER, Mathematik); Kepler 1616 Weinvisierbuch (Goetze 45) Da findet man auch, sonderlich bey Pitisco, in schöner Ordnung beygestelt, die lini BF Tangentem oder den Anstreicher, vnd AF Secantem, den Durchschneider; Naudé 1706 Messkunst 77 Von denen Tangentibus; Sturm 1707 Begr. d. ges. Mathesis I 63 Tangenten, Secanten und Chorden . . . Sinus, Tangens und Secans (SCHIRMER, Mathematik); Wolff 1716 Math. Lex. 1362 Tangens . . . der Tangens . . . den Tangentem; ebd. 1363 Tangens Curvae, die berührende Linie . . . Wie man die Tangentes der krummen Linien ziehen kan (beide SCHIRMER, Mathematik); Sturm 1777 Civil-Baukunst 6 Tangente; Voigt 1791 Gründl, d. rein. Math. 212 eine Tangente (SCHIRMER, Mathematik); Triest 1809 Land-Baukunst 11413 [Baumeister] die uns lehren,

in

fachspr.

(Mathematik,

-kraft.

daß im Allgemeinen der Druck eines Gewölbes nach der Direktion der Tangenten geschieht, die nach der Krümmung des Bogens der Gewölbe gezogen sind; Wieland vor 1813 (W. XII38) Vertieft in Sinus und Tangenten ( K E H R E I N ) ; Herbart 1841 Vöries. 158 Um diese Dreiecke zu finden, zeichne man einen Kreis, dessen Radius vier Zoll beträgt, und ziehe an demselben die Tangenten und Sekanten von 5°, 10° . . . usw. bis 85° . . . Die Tangenten und Sekanten müssen von den Schülern empirisch gemessen werden; Höhne 1928 Reportage 133 Sie trug Verantwortung für zwei Menschen! Ihr Weibdasein jagte beide in gewaltiger Zentrifugalkraft in die Ferne, das löste den Gegenzug, zum Zentrum zurück, in ihr aus . . . Sie ahnte, daß Viktor vom Weltenschwung, der mit der Entfernung von der Achse maßlos wuchs, abgeschleudert werden würde auf sausender Tangente ins All, ins Nichts, rasend beschleunigt von der gewaltigen Kraft Moskaus, gegen die ihr Wille hilflos war; Werfet 1929 Abituriententag 305 daß Sebastian den Beschuldigten . . . nicht anschaute, sondern seinen Blick in der genauen Tangente zu Adlers Gesicht in den Winkel sandte, der dunkel zwischen Wand und Bücherschrank lag. Tangential-: Heidelberger Jahrbücher 1 (1808) III 7 Tangentialkraft; Görres 1836-42 Mystik I 69 In peripherischen Tangentialkräften; ebd. III 205 Die electrisch-magnetische Tangentialbewegung, aus den Tangentialspannungen erwachsen (beide K E H R E I N ) ; Humboldt 1845-50 Kosmos I 113 Die Tangentialkraft wird vermindert ( K E H R E I N ) ; Geissler 1934 Straßenbau 33 Tangentialkräfte.

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tangieren — Tango

tangential: Corres 1836- 42 Mystik III 203 Gegensatz tangentieller Richtungen (KEHREIN). Tangente 2 b : Süddtsch. Ztg. 28. 7. 1956 Ein Teil der Südtangente fertig (Uberschr.) In einigen Wochen . . . wird es bereits möglich sein, auf der Südtangente über die Neuhofener Schuttkippe die Plinganserstraße zu erreichen; Stuttgarter Ztg. 6. 7. 1960 Es ist eine geradezu ideale Lösung, in nächster Nähe der Stadt und doch außerhalb Tangentenstraßen zu bauen, wo die Möglichkeit dafür gegeben ist; Münch. Stadtanz. 30. 6. 1961 Bei der Tangente ergibt sich eine viel günstigere Verkehrsführung und Knotenpunktgestaltung. Vorgesehen sind sechs Folgen von Tangenten, die nachstehend erläutert werden. Die Abstände der Tangenten müssen — der Verkehrsbelastung entsprechend — von außen nach innen immer enger werden. Die innersten Tangenten sind am wichtigsten. Die äußeren Tangenten sind zum Teil noch auf lange Zeit hinaus nicht bauwürdig. Die Tangente 2 Nord

benutzt vorhandene Straßenzüge . . . Sie darf die Tangente 1 Nord nicht berühren; Offenburger Tagebl. 1. 9. 1961 Freie Fahrt auf der „Ruhrtangente" (Uberschr.). Tangential-: Münch. Stadtanz. 30. 6. 1961 Das bisherige Tangentialnetz der zwei Ringe wird ergänzt und weiterentwickelt. Tangente 2 c: Wätzold 1924 Kunsthistoriker II 227 Justus Moser hat einmal, in dem Aufsatz über das Kunstgefühl, von einem Weinhändler sehr hübsch gesagt, es käme darauf an, „wie viel einer Tangenten hätte und ob sie richtig wären." Hermann Grimm hatte weniger Tangenten zum goldenen Zauberkreis der Kunst als etwa Burckhardt, aber auch seine Tangenten waren künstlerischer Natur; Stuttgarter Ztg. 1. 2. 1968 Wir müssen dem westdeutschen Publikum Probleme anbieten, die eindeutige Tangenten zur politischen Situation des Tages haben.

tangieren V.(in)trans., im späteren 16. Jh. (ROT) vereinzelt gebucht im Sinne von 'be-, anrühren, angreifen', Mitte 19. Jh. neu aufgekommen, zurückgehend auf lat. tangere '(innerlich) berühren'; a als bildungsspr. Modewort in der Bed. '(jmdn. innerlich) berühren, betreffen, angehen; beeindrucken, kümmern'; b seltener für '(ein Thema) kurz erwähnen, berühren, streifen, anschneiden, anführen' (—» Tangente 2c). c In neuester Zeit bezogen auf den Straßenverkehr für '(ein Gebiet, eine Ortschaft) berühren, streifen, dicht daran vorbeiführen' (—> Tangente 2b). tangieren a: Fontane-Lepel 1852 Briefw. II 10 wird die wahre Bildung und Vornehmheit von all dem modischen Plunder nicht tangirt und geht ihren Weg voll Sitte und Anstand und Humanität unbeirrt weiter; 1859 Hausblätter I 8 tangirt die Sache weder so, noch so; Sybel 1859-61 (HZ 162 (1940) 69) Die kirchliche Stellung des Papstes würde durch eine solche Massregel nicht tangiert; Mahler 1860 Militär. Bilderbuch 177 ungesehene Zeugen eines interessanten, uns tangirenden Gesprächs; Harden 1892 Apostata N. F. 61 Das alles kann aber das Recht, ja unter Umständen die Pflicht derartiger Aeußerungen nicht tangiren, die wohl gemerkt der Kaiser . . . als König von Preußen ennunciirt hat; Markolm 1903 Psychologie d. Frau II 114 das allgemeine Interesse, d. h. Wohl

und Wehe jedes einzelnen . . . zu tangiren geeignet; Hoek 1920 über Berge u. Bergsteigen 60 Behandelt den Menschen im Hochgebirge! Zeigt uns, wie die Schauer der Einsamkeit auf seine Seele einstürmen, wie die unendliche Majestät der Berge sein Denken tangiert!; Colerus 1929 Kaufherr 328 Nun, und was tangiert Sie das, Herr Roger, jetzt, wo er selbständig arbeitet?; Arnholds Wochenber. 28. 2. 1931 Wenn die Auswirkungen auf die Dauer jedoch nicht allzu groß waren, so liegt das wohl daran, daß die erwähnte Zahlungseinstellung im Berliner Bankgewerbe die Börse selbst kaum tangierte; 1934 Volk u. Reich 58 keine Österreich tangirende Angelegenheit; Stuttgarter Ztg. 6. 3. 1962 GVS: Von Raffineriestandort nicht tangiert (Uberschr.).

Tango M. (-s; -s), Anfang 20. Jh. entlehnt aus gleichbed. südamerikan./span. tango, ursprünglich 'Negerzusammenkunft, bei der zum Klang einer Trommel getanzt wurde' und Bezeichnung für die Trommel selbst, unsicherer Herkunft; in der

Tango

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Bed. 'aus einem argentinischen Volkstanz entwickelter, figurenreicher europäischer Gesellschaftstanz im langsamen Zweiviertel- oder Vierachteltakt', gelegentlich auch als Bezeichnung für ein (diesen Tanz begleitendes) Musikstück, vor allem in den 20er Jahren als Modetanz verbreitet (vgl. die scherzhafte Gelegenheitsbildung Tangomane), vereinzelt übertragen verwendet. Tango: 1913 Tanz-Brevier 5 Nie verlangte der Tanz mehr Ruhe, Rhythmus, Gleichmass, als heute der One Step, Boston oder Tango; ebd. 6 das stetig sich steigernde Interesse für den Tanz, der in die „Tango-Manie" ausartete, deren wir uns zur Zeit erfreuen; ebd. 31 Tango. Dieses einzige Wort hat es zuwege gebracht, dass ältere, ganz vernünftige Menschen plötzlich Tanzstunde nehmen, dass eine ganze Gesellschaftsklasse ihre Zeiteinteilung verändert hat, um Tango zu tanzen; ebd. Tango. Das Wort hat so etwas Weiches, Schmeichelndes, man fühlt es gewissermassen, „el Tango"; Lux 1915 Deutschland 104 Der gesellige Verkehr hat den inneren Sinn verloren, man kennt nur mehr Zweckessen und Zweckgesellschaften. In der allgemeinen Erschöpfung war jedes Mittel der Aufpeitschung willkommen. So siegte der Tango, der letzte Schrei absterbender Gesellschaft; Thiess 1923 Gesicht 199 [die] Tangoseligkeit der Massenmenschen; 1927 Sittengesch. d. Hafens 76 „Tango argentino . . . dance nationale" [in Buenos Aires] Zwei nackte Personen, Mann und Frau, tanzen in brünstiger Umarmung den Tango; Bronnen 1928 Film 27 einen düsteren Tango dahinschreitend; Uhu 1929 Febr.-h. als die ersten Akkorde der Tangomusik erregend vom Saal hereintönten; Voss. Ztg. 21. 4. 1929 Denn mit halbgeschlossenen Augen saß er, einen weichen argentinischen Tango mit überscharf gespitzter Lippe pfeifend; Wilke 1930Erinn. 21 f f . „Contre-Tänze", „Quadrillen", „Lanciers" und „Fran^aisen", die wir in der Tanzstunde mit Mühe erlernten und die in keinem Ballprogramm fehlten, — der „Tango", der „OneStep", der „Two-step" und der „Blues" lassen ihnen keinen Raum mehr!; Münch, lllustr. Presse 1930 Nr. 15 Der Tango ist gewiß ein moderner Tanz und dennoch von den modernen der älteste. Seine Popularität reicht annähernd zwei Jahrzehnte zurück; Berl. lllustr. Nachtausg. 2. 3. 1934 Wunderbarer Rhythmus, wenn ein . . . langsamer oder schneller Walzer oder ein weicher, melodiöser Tango [erklingt]; Dtsch. AZ. 4. 1. 1935 Der Tango eroberte von Argentinien aus die ganze Welt und auch der Rumba — ursprünglich kubanische Eingeborenenmusik mit primitivsten Instrumenten; Münch. N. N. 5. 4. 1944 Tango Nettuno (Uberschr.) Die Landser vor Nettuno und Anzio in den Bunkern und Schützenlöchern . . . sie kennen den Rhythmus des „Tango Nettuno". Irgendeinmal . . . ist irgendwo am Ein-

schließungsring dieses Wort gefallen, ein Uner schütterlicher hat es im schweren artilleristischen Kampf gesagt . . . das Inferno der Schlacht der schweren Waffen tobte . . . Damals sprach einer im Bersten der Geschosse zu seinem Kameraden . . . von der „eisenhaltigen Luft" und vom Tango Nettuno. Das Wort ging dann seinen Weg von Loch zu Loch, von Bunker zu Bunker . . . und wenn heute ein Stoßtrupp aufbricht, dann schlägt der Tango Nettuno dazu den Takt; wenn die Essenträger sich nach vorne arbeiten, dann orgelt er; wenn Nachrichtensoldaten ihre zerschossenen Leitungen entstören, dann . . . peitschen die MG.Garben den Tango Nettuno; Süddtsch. Ztg. 16. 3. 1954 Gastspiel eines Tango-Fürsten (Uberschr.) In diesem Monat gastiert im Café Stadt Wien der bekannte Komponist Juan Llossas, der sich u. a. durch seinen „Tango Bolero" Weltruhm geschaffen hat; ebd. 13. 7. 1955 Dann . . . nimmt er [der Herzog] die Parade ab, deren erster Teil aus einem langsamen Paradeschritt besteht, einer Art abgehackter, schlurfender Tangobewegung; Constanze 22. 12. 1958 „Flieg, flieg, süßer narkotischer Rauch" war der Anfang eines Tangos von Ralph Benatzky. Man tanzte ihn 1926. Der Tango hatte ein zäheres Leben und eine größere Macht als Kaiser Wilhelm II., der ein Vierteljahrhundert zuvor angeordnet hatte: „Hiermit verbiete ich allen meinen Offizieren das Tanzen des Tangos!" Der faszinierende Tanz — ein Stilgemisch aus FolkloreRhythmen südamerikanischer Gauchos und der aus Kuba stammenden Habanera - hatte sich seit seiner Einführung durch europäische Matrosen im Jahre 1890 wie eine Epidemie verbreitet; Jens 1959 Götter 132 die Mannequins schweben gelassen vorüber, sehr sanft sind die Bewegungen: TangoSchritte zwischen Raum und Raum; Revue 30. 7. 1962 Teenager tanzen gern, am liebsten die ganze Nacht . . . Aber der Rock'n'Roll ist tot: von 30 Befragten nannten 22 als Lieblingstanz den ChaCha-Cha. Schon an zweiter Stelle steht der Walzer, gefolgt von Boogie und Tango; Süddtsch. Ztg. 5. 1. 1968 Das A und O eines jeden Tanzunterrichts sind nach wie vor die Standardtänze. Langsamer und Wiener Walzer, Foxtrott, Tango, Blues, Boogie. Tangomane: 1913 Die Woche 1556 daß . . .bereits eine ganze Gemeinde Tangomanen entstanden ist (SCHEID).

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Tank

Tank M. (-e(s); -s und -e), seit Mitte 17. J h . vereinzelt, seit Mitte 19. J h . kontinuierlich belegte Entlehnung aus gleichbed. engl, tank unsicherer Herkunft (vielleicht unter Vermittlung von portugies. tanque 'Teich, Behälter' zurückgehend auf hindustan. tankh, marathi tanken 'Wasserbehälter; Zisterne, künstlicher Teich'); 1 anfangs meist auf orientalische Verhältnisse bezogen in der Bed. 'großer ausgemauerter Behälter für Wasser (zum Trinken, Baden, Waschen); Zisterne, (Wasser-) Reservoir', dann weiterentwickelt zu 'großes eisernes (Trink-)Wasserfaß auf Schiffen'; heute meist 'feststehender oder transportabler metallener Behälter zum Lagern oder Transportieren von (feuergefährlichen) Flüssigkeiten', z. B. Kraft-, Treib- oder Heizstoffen, und bes. 'Benzinbehälter in Fahrzeugen', auch auf nicht flüssiges Lagergut ausgedehnt und bildlich verwendet; häufig in Zss. wie Benzin-, Wasser-, ö l - , Gas-, Reservetank; Tankwagen, -lastzug, -schiff; vgl. die (eventuell deverbalen (—» tanken)) Zss. Tanksäule, -wart und vor allem auch bildlich verwendetes Tankstelle. 2 Im frühen 20. J h . beim Bau der ersten englischen Panzerwagen, der den Arbeitern gegenüber als Herstellung von Benzinkanisterbestandteilen (vgl. 1) ausgegeben wurde, aufgekommen als Deckname und Geheimbezeichnung, PI. nur -s, für die mit Geschützen bewaffneten und gepanzerten Kraftwagen, die dann mit der Panzerschlacht bei Cambrai (1917) in Deutschland bekannt wurden, auch bildlich verwendet; seit 1939 allgemein durch Panzer verdrängt. Tank 1: Olearius 1658 Orient. Reisebeschr. 79 Sie [die Einwohner von Cambodja] hatten auch vier große Wasser Tanken (GANZ); Mandelsloh 1658 Morgenl. Reisebeschr. 42f. Vor dem Lusthause war ein schöner viereckter Tanck oder Brun mit Steinen aufgemauret, fünff Fuß Tieff, in welchem wir uns zu Zeiten badeten und abkühleten (TRÜBN E R ) ; Kohl 1844 Reisen E. u. W. III 285 So sind . . . grosse Packräume so voll mit „tanks" (Wasserbehälter), wie die Gewölbe des Queen's Printer in London mit Parliamentsacten; 1870 Zweite dt. Nordp.-Exp. 30 Unter der Kajüte liegen die Wassertanks und die Haupt-Kohlenräume ( K L U G E , Seemannssprache); Wörishoffer 1880 Robert d. Schiffsjunge 8 Wasser, welches in eisernen 'Tanks' oder in gewöhnlichen Fässern mitgenommen wird (TRÜBN E R ) ; Gildemeister 1901 Rund Kap Horn 46 Am Grossmast bemerkt man noch die Pumpe, welche vom Grunde des Schiffes aus den 16280 Liter haltenden, mit Zement ausgestrichenen Tanks das Süsswasser heraufholt ( K L U G E , Seemannssprache); Sperling 1906 Loggbuch 70 An Bord zurückgekehrt, wurde das Trinkwasser aus den Booten in die Wassertanks gepumpt ( K L U G E , Seemannssprache); Beiträge zur Kenntnis d. Orients 4 (1906) 87 Besonders gebaute Schiffe mit hermetischen Verschlussvorrichtungen, sogenannte „tanks" übernehmen den Transport des Rohnaphtas; Konen 1912 Reisebilder 37 das Wasser für die Gasthäuser wird in „tanks" durch die Bahn heraufgeschafft; Fischer 1919 Weiberbuch 118 müde

wie ein Hund trug ich den leeren Kaffeetänk nach Hause ( T R U B N E R ) ; v. Heyking 1926 Tagebücher 60 Zwischen den Feldern laufen kleine Kanäle, in welche die Eingeborenen aus niedriger gelegenen Tanks das Wasser in Strohsäcken emporheben ( T R U B N E R ) ; Ulitz 1926 Christine Münk 297 Möglich, daß neben einem Brotfruchtbaum eine Tankstelle steht (TRUBNER); Blunck 1927 Weibsmühle 290 der an seinem Wagen steht und den Fahrer auszankt, weil der Tank nicht gefüllt ist ( T R Ü B N E R ) ; Voss. Ztg. 15. 11. 1927 Im Nordteil der Stadt Pittsburgh explodierte ein großer Gastank ( T R U B N E R ) ; Schnack 1928 Zauberauto 150 Ausgepumpt, mit kaum noch einem Tropfen Brennstoff im Wagentank ( T R U B N E R ) ; Loon 1930 Mensch (Übers.) 88 Speicher, Wassertanks und Lagerhäuser; Voss. Ztg. 25. 4. 1930 Die „Bremen" hat nach dem Zusammenstoß mit dem englischen Tankdampfer . . . ihre Fahrt . . . fortgesetzt; Uhu 1930 Julih. Er fand die Flasche, die Tuck als eine Art Aushilfstank bei sich führte, und bot sie Marion, die mit Wohlbehagen kostete; Berl. Illüstr. Nachtausg. 30. 10. 1930 ihr Tankstellennetz so auszubauen oder mit dem bestehenden so zu verbinden, daß für einen so großen Monopolinabsatz gesorgt ist, wie er nötig ist, um die abnehmenden Spiritusmengen dem Treibstoffmarkt zuzuführen; Lokal-Anz. 25. 3. 1933 Da haben z. B. die fünfzehn größten deutschen Brauereien lockende „Tankstellen" errichtet; ebd. 26. 5. 1933 Nachdem der Pilot seinen Brenn-

Tank stofftank wieder aufgefüllt hatte, startete er gegen Abend; Berl. Tagebl. 7. 7. 1933 Die notwendigen Materialien für den Bau dieser Tankanlagen . . . sind bereits in Auftrag gegeben; Berl. Illustr. Nachtausg. 22. 8. 1933 Hatte ihm der Tankwärter gepanschtes Benzin verkauft?; ebd. 25. 8. 1933 allerdings verzögerte sich der Weiterstart, da bei der Führermaschine der Tank leck geworden war; Lokal-Anz. 31. 8. 1934 Milchtanks im Anrollen (Oberschr.) für einzelne Betriebe gebraucht man . . . Hundertliter-Tanks aus Nirosta-Stahl; ebd. 23. 10. 1934 Tankexplosion in Berlin (Überschr.); Brennessel 5 (1935) 711 Dein Tank ist voll, dein Herz ist leer ( T R Ü B N E R ) ; Dtsch. AZ. 10. 9. 1935 Sechs Tankwagen gerieten sofort in Brand; ebd. 12. 9. 1935 Deutsche Motoren im schnellsten Tankschiff der Welt (Überschr.); Münch. N. N. 17. 4. 1936 Gastankstellen ohne Kompressoren (Überschr.); ebd. 10. 11. 1937 am Beginn des Hofes die Tanksäule (Tankstellen an der Autobahn sind natürlich etwas vollkommen anderes); ebd. 3. 1. 1940 Die Tankausweiskarten und Mineralölbezugscheine der Serie N sind weiterhin gültig; ebd. 25. 9. 1942 Bei dem „Tankholz" handelt es sich um Holz, das zum Betrieb von Holzgasgeneratoren verwendet wird; Dtsch. AT.. 10. 6. 1944 Auf diese Art wurden plötzlich Tankschiffe zu Truppentransportern, Handelsschiffe in militärische Tanktransporter verwandelt; NZ. (Basel) 3. 2. 1950 Fabrikation grosser, rostfreier Tanks (Überschr.) für verschiedene Produktionsprozesse wie Rayon, Filme, Hefe und Alkohol, Bier sowie für Transportzwecke. Die Schweiz sahen wir als Bestimmungsland für grosse Tanks für Apfelsaft vertreten. Dass Tanks für Atomenergie-Zwecke notwendig sind, entnahm man einer Aufschrift auf einem solchen Giganten; Süddtsch. Ztg. 4. 9. 1950 Dass sich im sogenannten Leibnizianum in Tübingen ein internathafter Zusammenschluss männlicher und weiblicher Studierender zu einem „Studium generale" vereint und dort eine Lebensgemeinschaft (also nicht nur eine „Tankstelle für Wissenschaft") aushebt; ebd. 27. 1. 1951 Nach den Münchner Fahrzeugen trafen noch Tankfahrzeuge aus Salzburg, Linz und Wien ein; ebd. 23. 8. 1957 Das einzige Denkmal des alten Aden sind die „Tanks". Es hat niemals einen Brunnen auf der Halbinsel gegeben, aber das erste, was die Seeleute verlangten, muß stets Frischwasser gewesen sein; ebd. 27. 8. 1951 Tankwart ca. 30 Jahre alt, nur erste Kraft mit Zeugnissen, gegen gute Bezahlung sofort gesucht (Anzeige); ebd. 23. 5. 1955 daß die „Tankfahrten" über die Grenze in Ländern mit niedrigerem Benzinpreis immer zahlreicher geworden seien; ebd. 19. 8. 1955 Bei einer Inspektion der Gräfelfinger Feuerwehr . . . wurde mitgeteilt, daß Gräfelfing ein neues Tanklöschfahrzeug

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beschaffen will; ebd. 13. 7. 1957 Die Wohnung ist nur noch eine Tankstelle für unser leibliches Leben; ebd. 6. 2. 1959 Er unterschlug Benzin tankwagenweise (Überschr.); ebd. 24. 2. 1959 daß hier jeder Autofahrer, der Mitglied des in München gegründeten Tankringes ist, bargeldlos tanken kann; ebd. 2. 4. 1959 Uber Texas explodierte ein Tankflugzeug; Offenburger Tagebl. 13. 3. 1961 Milchtankstellen an Schweizer Straßen (Überschr.) die ersten Milchautomaten befinden sich in unmittelbarer Nähe von Kraftstoff-Zapfstellen und sollen es den Autofahrern ohne großen Zeitverlust erlauben, ungefährlichen „Betriebsstoff" für den eigenen Körper zu tanken; Stuttgarter Ztg. 2. 9. 1963 ihren Kunden auch außerhalb [der Öffnungszeiten] Tankservice bieten zu können . . . BPMünz-Tank-Service bei Nacht . . .Der Münz-Tank gibt Ihnen eine Quittung (Anzeige); FAZ 5. 2. 1969 Eine sogenannte „Tankbar", mit der gleichzeitig vier Wagen betankt werden können, hat die BP entwickelt; Offenburger Tagebl. 29. 7. 1969 Dass die Schule zu einer, .Tankstelle" degradiert werde, deren Aufgabe es sei, Wissen und Bildung in möglichst viele Köpfe zu pumpen; Stuttgarter Ztg. 29. 12. 1969 Jeder Autofahrer will heute mehr, braucht heute mehr als eine „Tank-Stelle". Mit Recht. Denn Benzin allein bewegt kein Auto. Und mit Scheibenputzen und Luftprüfen allein ist es auch nicht mehr getan. Ihr Auto braucht eine Allround-Betreuung; FAZ 19. 3. 1971 Tank-Münzen (Überschr.) Wer an der Tankstelle zwanzig Liter tankt, erhält als kleine Zugabe eine ausländische Münze. Tank 2: Voss 1920 Leben 477 dem eisernen Ungetüm, dem „ T a n k " ; Sperl 1922 Ahnenbilder 16 Diese brutalen Streitwagen, den modernen Tanks vergleichbar; Lettenbaur 1927 Morgen 196 der Motorwagen wurde zum Panzerauto und weiterhin zum brutalen Tank; Stücklen 1928 Tulipanenschiff 71 als ein richtiger Tank aus Wolle und Flanell wälzte sie sich über Gräben und Bürgersteige ( T R Ü B N E R ) ; Voss. Ztg. 22. 8. 1931 ein Paket, das . . . ausgebrannte russische Granatzünder, Leuchtpatronen und ein Tankabwehrgeschoß ohne Pulver enthielt; Cibura 1933 M. G. 170 Stahlgeschosse zur Tankbeschiessung; Klinckowstroem 1933 Zur Geschichte des Tanks im Weltkriege (Titel); Eimannsberger 1934 Kampfwagenkrieg 3 Tankgeschwader der Briten und Franzosen im grossen Kriege; Storfer 1935 Etymologische Plaudereien 17 Im Weltkrieg taucht das Wort Tank auf als Bezeichnung für die zuerst von den Engländern verwendeten gepanzerten und bewaffneten Kraftwagen . . . In den Fabriken, wo die einzelnen Bestandteile hergestellt wurden, hieß es, sie gehörten zu Benzinbehältern, Tanks, die man nach Rußland

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tanken

zu liefern habe . . . Geheimhaltung der Vorbereitungen zur Tankverwendung; Sander 1935 Jungens 190 Einmal stand er während der Tankschlacht bei Cambrai hinter einem Hause und wollte einen anrollenden Tank knipsen (TRÜBN E R ) ; 1935 Berl. Ztg. am Mittag Nr. 257 Hinter der Front werden Artillerie, Tanks und Flugzeuge in größter Schnelligkeit zusammengezogen (TRÜBN E R ) ; Dtsch. AZ. 4. 9. 1935 Auf einmal brachen in rasender Fahrt Tankabwehrabteilungen von Balu hervor und stießen in den Nebel hinein; Münch. N. N. 5. 11. 1942 Die deutschen Artillerietanks; Siiddtsch. Ztg. 22. 11. 1950 nannte . . . auf einer Wahlkundgebung der SPD in Erlangen

den bayerischen Kultusminister Dr. Hundhammer einen „christlichen Tank", der alles niederwälze, was sich ihm links und rechts in den Weg stellt; 1961 Festschr. a. Noack 354 konnten die Alliierten auf militärtechnischem Gebiet durch eine neue technische Konstruktion, den sogenannten Tank, den Sieg erringen; 1962 Weimarer Republik 51 Panzerwagen oder Tank wie man damals [1918] sagte; Stuttgarter Ztg. 2. 12. 1967 Die ersten Tanks (Uberschr.) Erst die „Tankschlacht bei Cambrai" am 20. November vor 50 Jahren begonnen — ließ uns diese Waffe kennenlernen . . . Da diese Tanks nur langsam dahinschlichen, war die Sache nicht allzu schlimm.

tanken V.(in)trans., im frühen 20. Jh. aufgekommene Ableitung von —» Tank 1 in der Bed. 'Motorentreibstoff in den Tank eines (Land-, Wasser-, L u f t f a h r zeuges aufnehmen; (an einer Tankstelle) Benzin kaufen und in den Tank einfüllen (lassen)', häufig scherzhaft übertragen verwendet im Sinne von '(alkoholische) Getränke zu sich nehmen; sich vollaufen lassen, betrinken' (volltanken), z. B. in der Wendung zu viel getankt haben, und bildlich für 'begierig e n sich) aufnehmen; schöpfen, sammeln', z. B. in Wendungen wie (neue) Kraft, Energie, (frischen) Mut, (frische) Luft tanken. Dazu seit früherem 20. J h . die Präfixbildung betanken '(ein Fahrzeug) mit Kraftstoff versehen' mit dem dazugehörigen Verbalsubst. Betankung F. (-; -en) und der in jüngster Zeit gebuchten subst. Ableitung Betanker M. (-s; -) 'Brennstoffversorgungsflugzeug, -schiff, gleichzeitig die Präfixbildung nachtanken '(Benzin) nachfüllen' und in jüngster Zeit intensivierendes auftanken 'durch Tanken den Treibstoffvorrat auffüllen, ergänzen; ein Fahrzeug volltanken', auch bildlich verwendet. tanken: Berg 1927 Uhu IV 39 als wir . . . nach Orelösund fliegen wollten, um Benzin zu tanken; Schnack 1928 Zauberauto 150 er tankte seinen Wagen; Krehan 1930 Von der Spree zum Manzanares 11 Vor dem Kursaal in Lausanne . . . tanken wir einen prima Mokka (alle T R U B N E R ) ; Frankf. Ztg. 12. 4. 1932 denen es mehr auf das ergiebige „Tanken", als auf das differenzierende Genießen ankommt . . . wenn sie nach dem „Tanken" („Tankstelle" heißt die Aufschrift des Speisezimmers) anrücken zu der Prozession in die Küche; Bötinger 1933 Felix u. Felicia 43 es kommen die Autos vorbei, hier überlegen sie, ob sie tanken oder sich reparieren lassen sollen ( T R Ü B N E R ) ; 1933 Die Yacht 11 Die ersten Nachrichten seit sechs Wochen empfingen wir in Lissabon. Wir tankten förmlich Post ( T R Ü B N E R ) ; Lokal-Anz. 1. 7. 1933 Sie folgten beim Weiterflug dem Lauf des Rheins und trafen . . . in Amsterdam ein, wo sofort Brennstoff für den Weiterflug getankt wurde; ebd. 22. 7. 1934 Ein weiterer Unfall

wird aus Gera gemeldet, wo der Wagen Nr. 666 . . . beim Tanken Feuer gefangen hat und vollkommen verbrannt ist; Dtsch. AZ. 31. S. 1934 wurden die Pariser Abwehrmaschinen . . . auf den Schuppen gerollt, getankt und überprüft; Schw. Korps 17. 10. 1935 Es gibt in Köln eine Menge Zapfstellen, an denen man Heiterkeit tanken kann; Friedl 1936 Brennessel VI 32 Na, mein kleiner Troubadour, sagte sie schmalzig, hast zuviel getankt. Komm, du sollst dich ein wenig ausruhen ( T R Ü B N E R ) ; Zinn 1940 Beurteilung 34 sich bis zur Nachtblindheit vollzutanken; ebd. 64 pflegte man in einem netten Lokal flüssigen Sonnenschein zu tanken; 1942 Unser Heer Folge 20 o. S. Unsere Frauen und Mädel haben Sonne und Luft „getankt" für einen arbeitsreichen Weg durch einen langen Winter; N. Z. Z. 1. 1. 1944 Energie tanken (Uberschr.); NZ. (Basel) 21. 7. 1949 um zu bluffen, soll man nicht Literatur tanken; ebd. 3. 2. 1950 Nicht nur der Gaumen kam auf seine Kosten, wir tankten gleichzeitig auch Gesundheit; Süddtsch.

Tanker Ztg. 18. 4. 1950 er saß - vermutlich hatte er innere Wärme getankt — im Wintersturme, als schiene ihm die Sonne ins Gesicht; ebd. 29. 12. 1950 Dies bedeute, daß die mit Atomenergie angetriebenen Flugzeuge monatelang nicht zu tanken brauchten; Welt d. Frau 26. 3. 1955 Vitamine tanken (Uberschr.); Offenburger Tagebl. 29. 8. 1959 Halt! Hühnerhof! Hier frische Eier tanken!; Süddtscb. Ztg. 7. 6. i960 Die Nacht ist nicht zum Tanken da (Uberschr.) Wehe dem Kraftfahrer, dem abends auf der Autobahn fernab von München der Treibstoff zur Neige geht; Offenburger Tagebl. 26. 8. 1964 Schwimmerjugend tankt Kondition in Steinbach (Uberschr.); Süddtscb. Ztg. 6. 8. 1966Tanken Sie Ihre Sonne in Riccione (Anzeige); Stuttgarter Ztg. 22. 8. 1967 Auto nicht ganz volltanken (Uberschr.) Bei den gegenwärtigen hochsommerlichen Temperaturen den Tank nicht „bis zum Rand" auffüllen zu lassen . . . um beim Parken in der Sonne ein Uberlaufen aus dem Einfüllstutzen zu vermeiden; Offenburger Tagebl. 20. 5. 1969 Tanken Sie einen. Aral Super mit Alkohol. Bringt mehr Kilometer. Schützt den Motor (Anzeige).

auftanken: Gaiser 1953 Jagd (Fibü 103) Haben Sie eine Werft hier . . . Können Sie mich [ = meine Maschine] auftanken ( D U D E N ) ; 1966 Durch d. schöne Welt Nr. 4 Entspannung der überreizten Nerven und das seelische „Auftanken" [spielen heute bei der Kur] eine große Rolle.

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betanken: Dtsch. Wehr 1939 H. 42 Deutsches Flugzeug wird betankt; Süddtscb. Ztg. 28. 5. 1954 daß nach einer Explosion . . . Benzindämpfe in Brand gerieten, die beim Betanken der Flugzeuge entstanden waren; FAZ 5. 2. 1969 Eine sogenannte „Tankbar", mit der gleichzeitig vier Wagen betankt werden können, hat die BP entwickelt; FAZ 21. 7. 1971 Die Untersuchungen konzentrierten sich vor allem auf . . . die Betankeinrichtungen vor dem Brückenaufbau sowie die mitten im Becken stehende Abfüllanlage der Caltex. Betankung: Münch. N. N. 6. 3. 1945 einen Ausweis, der an der rechten unteren Seite der Windschutzscheibe an Stelle des Betankungsausweises für Februar anzubringen ist; Süddtscb. Ztg. 8. 2. 1949 Die Betankung sollte aus gewissen Treibstoffreserven erfolgen; ebd. 16. 2. 1951 Manchmal ist die Begründung, die in den Betankungsanträgen angegeben wird, sehr fadenscheinig; ebd. 29. 9. 1954 Schnellbetankung der Mopeds (Uberschr.) Bei den im Verkehr immer zahlreicher werdenden Zweitakt-Mopeds und -Rollern mit ihrem meist sehr kleinen Tankinhalt war das Tanken manchmal problematisch. nachtanken: Münch. N. N. 30. 7. 1937 obwohl einer der deutschen Apparate Oel verloren hatte und nachtanken mußte, so daß. . . auch die übrigen beiden Maschinen nicht mit voller Geschwindigkeit geflogen werden konnten.

Tanker M. (-s; -), im früheren 20. Jh. entlehnt aus gleichbed. engl, tanker (zu tank,

—* T a n k )

in d e r B e d .

'Transportschiff

zur Beförderung

feuergefährlicher

F l ü s s i g k e i t e n ' , z . B . M i n e r a l ö l , B e n z i n , n e u e r d i n g s a u c h v o n F l u g z e u g e n ; h ä u f i g in

Zss. wie ö l - , Supertanker; Tankerflotte, -flugzeug. Marine-Rundschau 36 (1931) 305 „schwarze Ware", die mit Seedampfern in die Münden gelangt und dort in Tanker umgepumpt wird; Dtsch. AZ. 12. 9. 1935 Auf der Werft der Howaldtwerke in Kiel wurde in dem neuen Tanker „Andino" das 33. Schiff dieser Art für die „Standard" vollendet . . . Das Schiff mußte sehr flach gebaut werden, da dem Golf von Maracaibo eine Barre vorgelagert ist. So entstand eine völlig neue Tankerform; Münch. N. N. 25. 7. 1937 Von Bordeaux aus sollte der Tanker nach Santander gehen; Ehrenreich 1938 Das können eben nur Tanker. Ein Buch vom Erdöl, Tankschiffen und seinen Männern (Titel); Münch. N. N. 1. 9. 1939 daß ein „bewaffnetes Kaperschiff" den britischen Tanker „Africa Shell" versenkt habe; ebd. 17. 12. 1939 Britischer Tanker

stark beschädigt (Uberschr.) Aus London wird gemeldet, daß der britische 8900-t-Tankdampfer „Athel Templar" vor der englischen Ostküste durch feindlichen Angriff stark beschädigt wurde; ebd. 10. 1. 1940 Britischer 8000-t-Tanker gesunken (Uberschr.) Die britische Tankerflotte hat einen neuen schweren Verlust erlitten . . . Man nimmt an, daß der Tanker auf eine Mine gelaufen ist; Frankf. Ztg. 31. 3. 1941 Geht z. B. die Vernichtung von Tankern so weiter, wie zuletzt (in einer Woche sechs mit über 30000 B R T ohne die große Walkocherei), dann entsteht gewissermaßen eine Tenderfrage. Die Tankschiffe sollen nämlich nicht nur Motorentreibstoff, sondern auch Heizöl bringen; Münch. N. N. 10. 5. 1941 New Yorker Fachkreise weisen darauf hin, daß die Knappheit

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Tantieme

an Tankertonnage größere Bezüge von mexikanischem Oel unmöglich macht; ebd. 2. 3. 1942 Das Tankersterben vor der amerikanischen Küste . . . hat die Washingtoner Regierung jetzt zu drastischen Rationierungsbestimmungen für Oel und Treibstoffe im ganzen USA-Gebiet gezwungen; ebd. 25. 2. 1943 Man könnte auf diese Weise vielleicht kostbaren Tankschiffsraum retten. Die spanische Zeitung „Informationes" hebt in diesem Zusammenhang hervor, daß der Bau neuer Tanker wohl für die Verbündeten das schwierigste Problem sei, da man Tanker nicht in dem Tempo herstellen könne, wie andere Handelsschiffe; B. N. 24. 5. 1943 Wie sieht ein Tanker aus? (Überschr.) Ein Tankschiff ist eigenartig gebaut: Maschinenraum, Schornstein und Kommandobrücke sind zuhinterst, woran man den Tanker von weitem erkennt. Der Hauptteil wird von den Behältern eingenommen, die sieben verschiedene Sorten Oel laden können: Benzin, Leuchtöl, Heizöl, Dieselöl usw. Behälter und alle Werkzeuge an Bord müssen aus Bronze oder Blei sein, damit nicht Funken entstehen und in Minuten eine vernichtende Katastrophe hervorrufen . . . Meist ist es nachher nicht mehr feststellbar, wie die Tanks Feuer fingen; M.A. Abendztg. 21. 1. 1944 daß diesem verstärkten Einsatz der von England kontrollierten Vorkommen durch die akute Tankerknappheit eine Grenze gesetzt ist; Dtsch. AZ. 6. 9. 1944 Aufrüstung in Tankern (Überschr.) Um stets ein völlig rentables Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage zu ermöglichen, wurde bekanntlich der sogenannte internationale Tankerpool geschaffen, der eine Prämiierung für freiwillig aufgelegte Schiffe vorsah; Siiddtsck. Ztg. 13./14. 5. 1950 Der frühere

norwegische Tanker „Pan Europe" wurde am Donnerstag vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Norddeutschen Reederei . . . übernommen. Der Tanker wird unter dem Namen „Europa" fahren; ebd. 12. 7. 1951 Ein großer Teil der auf der Donau seit Kriegsende feiernden Tanker wird gegenwärtig zum Rhein überführt, um in der Rheinschiffahrt verwendet zu werden; ebd. 30. 3. 1954 Sie besitzen die beiden größten unabhängigen öltankerflotten der Welt und kontrollieren zusammen über sieben Prozent der 34 Millionen Tonnen großen Tanker-Weltarmada; ebd. 6. 5. 1955 Tankerflugzeug ins Meer gestürzt (Überschr.) Suchflugzeuge sichteten einen großen Ölfleck und treibende Trümmer; Münch. Merkur 8. 5. 1957 Die Tanker-Tonnage hat sich in diesem Zeitraum fast verdreifacht; Süddtsch. Ztg. 6. 10. 1959 Bau von Binnentankern gestoppt (Überschr.) Im Hinblick auf den zu erwartenden Ausbau des PipelineSystems werde die Esso Tankschiff-Reederei zunächst keine weiteren Binnentanker bauen; FAZ 12. 1. 1970 Die Welttankerflotte hat sich verdoppelt (Überschr.) Ein Drittel der Handelsschiffe sind Tanker; Die Zeit 4. 8. 1978 Die Geschäftswelt überraschte sie [Christina Onassis] als sie . . . ältere Schiffe der Onassis-Flotte verschrottete und die meisten jener vierzehn älteren Supertanker stornierte, die ihr Vater noch auf der Höhe des Tankerbooms 1973 in Auftrag gegeben hatte . . . Als sie den 50-Millionen-Dollar-Scheck von der Versicherung erhielt, nahm sie 26,5 Millionen Dollar davon, um einen neuen 270000-TonnenTanker zu kaufen . . . warum machte sie das, wenn es so wenig Nachfrage nach Supertankern gab . . . wenn der Tankermarkt sich erst wieder erholt hat.

T a n t i e m e F . ( - ; -n), Anfang 19. Jh. ( C A M P E ) entlehnt aus gleichbed. frz. (zu tant 'so(-undso-)viel' < lat. tantus 'so groß, so viel'), bis Anfang tantième 20. Jh. häufig in der frz. Schreibung; im kaufmännischen Bereich in der Bed. '(meist an leitende Angestellte oder Vorstandsmitglieder eines wirtschaftlichen Unternehmens ausbezahlte) Gewinnbeteiligung; Gewinnanteil', seit Mitte 19. Jh. zunehmend auch für '(an den Urheber oder Interpreten eines künstlerischen Werkes für dessen Aufführung oder Wiedergabe gezahlte) Vergütung, H o n o r a r , Gage', auch im Syntagma aus etwas T a n t i e m e n (be-)ziehen. 1836 Courtin 712 Tantième. So nennt man in Frankreich einen bestimmten Antheil, den Jemand an einem Geschäfte, einer Unternehmung, am reinen Gewinn . . . hat ( S C H I R M E R , Kaufmannssprache); 1846 Neue Europa I 95 Die neue Einrichtung der Tantieme, welche unsere Bühnendichter dem Herrn v. Küstner verdanken, hat sich im vergangenen Jahr an einigen hervorragenden

Beispielen sehr zu Gunsten der originalen Bühnenproduktion bestätigt. So empfing Gutzkow für 17 Vorstellungen seines „Urbild des Tartüffe" eine Tantieme von 852 Thalern; ebd. I 368 Wir stehen jetzt bei der Tantième, welche die Franzosen schon vor siebenzig Jahren durch Beaumarchais erhielten; Weimar. Jahrb. 5 (1856) 9 Was nicht Apollo vermochte, vermag Madame Tantième: Dramen zu

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Tapete schreiben das ward endlich ein gutes Geschäft; Stahl 1863 Parteien 235 Antheil (Tantieme) am Ertrag der Fabriken; 1863 V'j'scbr. Volkswirtschaft II 103 die in den letzten 2 Jahrzehnten allmälig auf den meisten grösseren Bühnen eingeführten Tantiemen für die dramatischen Schriftsteller und Componisten; ebd. kommen die Tantiemen am meisten den Verfassern sogen. Kassenstücke zu Gute; ebd. III 131 Erst in wenigen Arten von Geschäften sind Tantiemen bereits fester Brauch geworden, und selbst in diesen werden dieselben . . . nur den höher gestellten Arbeitern zu Theil, von deren Geschäftseifer das Geschäftsresultat unmittelbar abhängig ist; Hundt v. Hafften 1864 Rechte II 73 die nun ihr Kapital geistig und physisch in Genussactien mit Aussicht auf hohe Tantième und Dividende anlegen; 1869 Gartenlaube 72 ein regelmäßiger Tantiemenbezieher vom Burgtheater; Blumenthal 1880 Aus heiterem Himmel 25 Weil nach Tantièmen dir die Sehnsucht schwillt, Hast du's versäumt, dein Drama kurz zu fassen; Berlepsch 1885 Alpen 325 als Mäkler und Unterhändler um Tagelohn und Tantième; Fontane 1898 Br. II 2,222 die alle bloss nach der „Tantième" schielen ;Jodl 1905 Vom Lebenswege 1123 [Schiller war] ein Theaterdichter zu einer Zeit, welche keinen Schutz des geistigen Eigentums und keine Tantièmen kannte; Brachvogel 1919 Glück 231 Schon bei der dritten oder vierten Aufführung war das Haus halb leer und die Tantiemenrapporte der Theateragentur bewiesen, daß dem Stück auch an den zweihundert übrigen Bühnen kein dauernder und ertragkräftiger Erfolg beschieden war; Voss. Ztg. 27. 1. 1931 Leonid Kreutzer fordert ferner

Neuregelung der Tantiemenfrage, damit junge Künstler, die neue Musik spielen, trotz ihrem notorischen Defizit nicht auch noch besteuert werden können; ebd. 3. 6. 1931 Um das Tantiemerecht für Tonfilmaufführungen (Oberschr.); Lokal-Anz. 17. 1. 1933 Wie wir erfahren, beträgt der Tantiemenrückstand der Rotterbühnen etwa 100000 RM; Berl. Illustr. Nachtausg. 20. 2. 1933 Dann werden die Bezüge bei der BVG. angeschnitten. Sie betrugen zuerst 36000 Mark . . . wozu aber noch . . . die gleiche „Kleinigkeit" in Form von Tantiemen kam!; Lokal-Anz. 5. 8. 1934 Tantiemen werden im allgemeinen in Prozenten vom Geschäftsgewinn festgesetzt; ebd. 30. 11. 1934 daß seine Gewinnbeteiligung schließlich in eine feste Jahrestantieme von 4000 Mark verwandelt wurde; Molo 1950 Tag 46 tantiemeversprechende Theaterstückelei, die Tageserfolge gibt und die Seelen zerstört; Merian 1954 Die Betriebstantieme. Ihr Wesen, ihre betriebswirtschaftliche Bedeutung und ihre Bestimmung in Produktionsbetrieben (Titel); Stuttgarter Ztg. 15. 7. i960 Keine Tantiemen für den Westen. Deutsche Autoren in russischer Ubersetzung (Uberschr.) Man weiß, daß in der Sowjetunion Riesenauflagen angelsächsischer Literatur erscheinen, für die keine Kopeke Tantiemen bezahlt wird; Die Zeit 3. 2. 1978 Auch mit einem wiederholten Anlauf hat Bundeskanzler Helmut Schmidt unter Deutschlands führenden Unternehmern wenig Sympathie für seine Lieblingsidee gewinnen können, Gehälter und Tantiemen der Bosse einzufrieren oder wenigstens nur sehr bescheiden anwachsen zu lassen.

T a p e t e F . ( - ; - n ) , i m s p ä t e r e n 1 5 . J h . v e r e i n z e l t , seit s p ä t e r e m 1 6 . J h . nuierlich nachgewiesen,

( e v e n t u e l l ü b e r g l e i c h b e d . m l a t . tappetum,

tappeto)

auf lat.

zurückgehend

tapetum,

tapete

'Decke

für

konti-

tapitum,

Fußböden,

ital. Tische,

W ä n d e , B e t t e n ' ( < ( f l e k t . F o r m v o n ) g l e i c h b e d . g r i e c h . xajrrjg, e v e n t u e l l p e r s i s c h e n U r s p r u n g s ; v g l . ä l t e r e s , als l ä n g s t i n t e g r i e r t g e l t e n d e s T e p p i c h ) ; a n f a n g s i n u n t e r schiedlichen (Schreib-)Formen. Wänden,

Z u n ä c h s t in d e r B e d . ' S t o f f z u r V e r k l e i d u n g

als B e l a g a u f T i s c h e n ,

Fußböden,

Betten;

(zur Dekoration

von

dienende)

D e c k e , T e p p i c h ' , bes. ' W a n d b e h a n g , -Verkleidung, - Ü b e r z u g ' , f r ü h e r (nach o r i e n talischem Vorbild) (vgl.

Gobelin)

aus k o s t b a r e m ,

oder

Leder,

seit

ornamental

dem

17. J h .

gewirktem aus

Material,

aufgeklebtem,

meist

oft

d r u c k t e m P a p i e r ; h ä u f i g in Z s s . w i e S e i d e n - , P a p i e r - , B l ü m c h e n t a p e t e ;

Seide

farbig

be-

Tapeten-

r o l l e , - m u s t e r , T a p e t e n t ü r ' G e h e i m t ü r ' ; a u c h ü b e r t r a g e n g e b r a u c h t , b e s o n d e r s in d e r W e n d u n g die T a p e t e ( n ) w e c h s e l n ' d e n W o h n o r t , A r b e i t s p l a t z w e c h s e l n ' u n d in der Zs. Tapetenwechsel ' O r t s - , leitungen

tapeten

'aus T a p e t e

L u f t v e r ä n d e r u n g ' ; dazu im 19. J h . die adj. bestehend'

'(bloß dekorativ) wie eine Tapete'.

und tapetenhaft,

leicht pejorativ

Abfür

56

Tapete

Daneben im 16. Jh. aufgekommenes veraltetes Tapet, bis ins 18. Jh. gleichbed. mit Tapete, seit Ende 17. Jh. und heute nur noch in den aus frz. mettre, jeter, être, revenir sur le tapis (zu tapis 'Decke eines Schreib-, Konferenztisches') lehnübersetzten Wendungen etwas aufs Tapet bringen 'etwas zur Verhandlung, zur Sprache bringen, auftischen; die allgemeine Aufmerksamkeit auf etwas lenken', aufs Tapet kommen 'zur Sprache kommen; in Erscheinung treten' und auf dem Tapet sein '(gerade) auf der Tagesordnung, an der Reihe, Gesprächsgegenstand sein', meist negativ ausgedrückt in das kommt nicht aufs Tapet, ist nicht auf dem Tapet 'das spielt keine Rolle, kommt nicht in Frage, steht nicht zur Debatte'. Tapete: 1469 Voc. ex quo o. S. tapete (DWB); Schueren 1477 Theuthonista 391b tapite, die ruw ind vyltich is (TRÜBNER); Maaler 1561 Teütsch Spraach 399a die tapeten, heidische oder gewürkte tücher, peristromata aulaea, herrliche und kostliche tapeten, superba aulaea; 1563 TUrck. Hist. I 49' In den Tapeten waren gewircket alle Victorien . . , Diese Tapeten unnd Heydnische Tepwerck; 1572 ebd. II 61' legt sie auff eine Tapeten (WIS); Reissner 1572 Frundsberg 82" köstliche Tapet; 1573 Contarmi 105 alle ihr tücher, tapeten und gewandt (WIS); Brun 1624 Schiffarten 10 ein köstlich gewirckt oder gestickt Tapez oder Gewandt . . . vnd zieren damit die wände jhrer wohnung; Harsdörffer 1643 Gesprechspiele II 89 Wie ein schöner Saal mit Tafflen oder Tapeten auff das Köstlichste oder Kunstreichste zu bezieren?; 1645 PegnitzSchäferey 15 unsre Schafe auf diesen Himmelfreyen Feld-Tapeten grüne Tafel halten; Harsdörffer 1653 Poet. Trichter III 54 von einem Chor Musicanten, welche alle hinter den Tapeten verborgen, ihre Stimmen zugleich . . . hören lassen; Gryphius 1663 Horrib. 82 Ich bitte, sie treten etwas hinter die Tapete, und hören unseren Reden mit Geduld zu ( T R Ü B N E R ) ; Stieler 1691 Dt. Spr. Stammbaum 286 eine kammer mit tapeten behängt und ausgebutzt . . . gestickte bunte Tapeten, alias Türkische Tapezereyen (HEYNE); 1691 Pfalz 8" Reichs-Tapeten von Julio Caesare . . . die Tapeten von König Pharao; Mauermann vor 1700 Bühnenanw. 135 antwortet ihm einer unter den Tapetichten; Amaranthes 1715 Frauenz.-Lex. 1691 Tapeten . . . Seynd große bunte Teppichte mit allerhand Figuren und Blumenwerck gewürcket oder gemahlet, wormit die Frauenzimmer Putz Stuben an den Wänden behangen und bekleidet werden ( T R Ü B N E R ) ; Halle 1762 Werkstäte der Künste II 186f. Tapeten sind bekannte Zierarten, womit die Wände der Zimmer überkleidet (austapeziret) werden; Lessing 1767 Sämtl. Sehr. VII (1839) 187 weil er [Voltaire] nicht Freymüthigkeit genug hat, dem Dichter gerade heraus zu sagen, daß er hier und an mehreren Stellen luxurire und seinen eignen Kopf durch die Tapete stecke ( T R Ü B N E R ) ; Bruce 1784 Nachrichten 62 Häuser und Wände der

Türken mit Türkischen oder Persischen Tapeten bedeckt; Humboldt 1788 Tagebücher (XIV 3) papierene Tapeten, aber überaus geschmackvoll, und doch kostbarer, als man beim ersten Anblick denkt; 1792 Journal v. u. f . Deutschland I 475 Der Kaufmann, er handle nun mit serdenen Stoffen oder mit Tapetenpapier; 1795 Journal d. Moden 16 Papier-Tapeten; Stieglitz 1798 Baukunst V 214 Tapeten, sind die gewöhnlichste Verzierung unserer Zimmer, und sie bestehen aus einer Bekleidung der Wände . . . Die Tapeten können von seidenen Zeugen, von Kattun, von Leinwand, von Wachsleinwand, von Papier gemacht werden; ebd. 627 Die gewöhnlichen Tapeten, die ein Gemengsei von Blumen, Landschaften, Gebäuden, Figuren, und anderen Dingen enthalten, die sich auf jedem Streif der Tapete befinden, und daher beständig wiederholt werden, sehen nicht gut aus, und sind für das Auge nicht so angenehm als einfarbige Tapeten; Jean Paul 1820-22 Komet III 114 die sonne hängt ihre rothglänzenden tapeten des abendroths, wie bei einem feste, an den häusern herab (DWB); Tieck 1828 (Krit. Sehr. II 167) In dem Einschlag der vielfarbigen Lebenstapete werden aber . . . von dem Webemeister schon muntere und helle Fäden eingelegt sein; Goethe 1832 Jub.Ausg. XIV 68 (Faust II 6383) Den Kaiser setzt man gerade vor die Wand; Auf den Tapeten mag er da die Schlachten Der Großen Zeit bequemlichstens betrachten ( T R Ü B N E R ) ; Keller 1856 Seldw. II 304 der wirth hatte aus einem gröszeren hause eine abgelegte tapete gekauft und seinen saal damit austapeziert (DWB); Werthenau 1910 Interessante Wörter 101 Tapete bedeutet eigentlich Teppich wie das frz. tapis - beides vom lat. tapetum. Zuerst wohl in China wurden die Wände mit Papier, mit Tapete, beklebt, was sich aus der älteren Sitte, sie mit Teppichen zu behängen, entwickelt hatte; Franken 1913 Schneide 141 er nahm ihre kalten Hände in seine warmen, ließ sie aber gleich los, lief an das Tapetentürchen und rief nach Wein und heißem Tee; Holl 1925 dämon. Persönlichkeit 10 eine versteckte Tapetentür im Menschen; Voss. Ztg. 21. 9. 1930 Endlich sei noch eine weitereTechnik der Ledertapete hervorgehoben, die söge-

Tapete nannte Blindtapete, bei der gegerbtem, naturfarbenem Leder mit Hilfe von heißem Metall- oder H a r t h o l z p l a t t e n ein H o c h g l a n z der O r n a m e n t i e rung hervorgerufen wird; Gläser 1932 Gut 19 der Staat, der im Augenblick seiner ökonomischen Bed r o h u n g alle seine Idealproklamationen von der H u m a n i t ä t und der Freiheit wie alte Tapeten von den gefährdeten W ä n d e n riss; Lokal-Anz. 11. 3. 1933 A m nächsten M o r g e n liegt der G r u n d r i ß wieder da und das T a p e t e n b u c h daneben. Ist die Aussicht auf neue Tapeten, auf andere W ä n d e , nicht eine große H o f f n u n g ? Alles wird ganz anders, neu, überraschend aussehen . . . w e n n die M o r g e n s o n n e durch das H y a z i n t h e n f e n s t e r auf die rote Tapete scheint; ebd. 2. 9. 1933 Im „ G r ü n e n B a u m " in der Brüderstraße halten die Maler und Bildhauer, die Kupferstecher und Tapetenwirker und Stukkateure ihre Z u s a m m e n k ü n f t e ; 1936 Erfolg 233 H a b e n wir die Ansatzstellen der einzelnen Tapetenbahnen auf diese Weise verkleidet, dann ziehen wir oben u n d unten nochmals einen Querstreifen, u m unsere Befestigungsnägel zu verdecken; Süddtsch. Ztg. 29. 5. 1951 Die modische Tapete (Überschr.) Die vom Kasseler Tapetenmuseum unterstützte große Ausstellung alter u n d neuer Bildtapeten im O s n a b r ü c k e r M u s e u m vermittelt ein vielschichtiges Bild dessen, was dieses von der (deutschen) Kunstgeschichte ziemlich vernachlässigte Gebiet schöpferischer Daseinsgestaltung zumal nach 1800 hervorgebracht hat. Die Schau gab aber vor allem einen ermutigenden Einblick in die neuerlichen Anstrengungen der deutschen Tapetenindustrie . . . die F o r d e r u n g nach der zeitgeistgerechten, modisch wechselnden Tapete; ebd. 7. 8. 1931 V o m T a p e t e n - W e t t b e w e r b (Uberschr.) Mit den Tapeten verhält es sich ähnlich wie mit den Frauen: Die besten sind jene, die, o h n e aufzufallen, einen R a u m harmonisch, heiter und „ s c h ö n " machen. Tapeten sind der H i n t e r g r u n d , auf dem sich die W i r k u n g eines Zimmers a u f b a u t . Wir haben eine Zeit hinter uns, in der viele Menschen sie ablehnten und einen hellen, neutralen Anstrich der W a n d bevorzugten oder die eintönige „ B a u h a u s - T a p e t e " verwandten. Jetzt hat der Verband der deutschen Tapetenfabrikanten einen W e t t b e w e r b f ü r alle Akademien und H o c h s c h u l e n ausgeschrieben . . . eine b u n t e Kollektion aller möglichen Muster . . . N e b e n geometrischen Mustern gibt es Landschaften mit chinesischen u n d antikisierenden Motiven; ebd. 11. 12. 1952 Die Revue heißt bezeichnenderweise „ T a p e t e n w e c h sel"; Münch. Stadtanz. 23. 2. 1962 Die S A L E W A Sattler- u n d Tapezierereinkauf G m b H zeigt gegenwärtig . . . die Tapetenausstellung „ K ü n s t l e r + T a p e t e " . Wir wissen heute, daß eine Tapete die Verhältnisse und die Stimmung eines Raumes sehr wesentlich beeinflußt . . . Die Ausstellung . . .

57

gibt zugleich auch einen geschichtlichen Uberblick über die Entwicklung der Tapete. Die Vielzahl der gezeigten historischen u n d m o d e r n e n Tapetentypen reicht von der chinesischen Seidentapete über die Ledertapete u n d die japanische Grastapete bis zur H o l z t a p e t e ; 1966 Durch die schöne Welt Aprilh. Ä r z t e wissen es. Zu einer nachhaltigen Erholung gehört m e h r als frische L u f t u n d Ruhe. „ T a p e t e n w e c h s e l " , ein vernünftiger physischer Ausgleich z u m Alltag; Offenburger Tagebl. 31. 3. 1966 „ T a p e t e n w e c h s e l " — oder U m z u g in eine andere W o h n u n g bringt selten ungetrübte Freude; 1968 Durch die schöne Welt Märzh. Die Tatsache, daß der 'Tapetenwechsel' im U r l a u b heute wie Essen, T r i n k e n u n d W o h n e n zu den lebensnotwendigen 'Artikeln' gehört; Welt 20. 4. 1969 Tapetenwechsel ist etwas W u n d e r b a r e s . Ein fremdes Land, eine andere Stadt, ein komfortables H o t e l ; FAZ 7. 2. 1970 [älteres Ehepaar, das] nach d e m Tapetenwechsel im Wirtshaus förmlich a u f b l ü h t ; Offenburger Tagebl. 18. 3. 1970 W i r d Eusebio an Vasco da G a m a ausgeliehen? (Überschr.) Ein zeitweiliger Tapetenwechsel w ü r d e d e m Benefica-Star w o h l g u t t u n ; Bad. Ztg. 31. 7. 1971 D o c h reicht dies natürlich nicht, u m wirklich allen Bedürftigen, etwa auch den R e n t n e r n , den von den Ä r z t e n empfohlenen Tapetenwechsel zu ermöglichen; Offenburger Tagebl. 15. 1. 1972 Kunst u n d Technik unter einem Dach (Überschr.) W o aus Papier Tapete entsteht — Künstler entwerfen die Muster — bis zu 16 Farben enthält ein Entwurf (Uberschr.) A m A n f a n g der Tapete steht die Kunst. D e n n es sind Künstler, die Tapetenmuster entwerfen u n d so dem m o d e r n e n W a n d schmuck ein Gesicht geben . . . Die freie Gestaltung des Tapetenmusters wird . . . durch die immer gleiche Tapetenbreite u n d genau festliegende Wiederholungshöhe . . . eingeschränkt . . . Aus dem Stempel der Tapetenrückseite geht der Grad der Wasserfestigkeit oder der Waschbarkeit hervor, die H ö h e des Musters, der Tag, an dem die Tapete gedruckt w u r d e . . . und schließlich noch der H i n weis, o b es zu dieser Tapete auch passenden Vorhangstoff gibt; 1978 Stern Nr. 15 T e u r e Tapete (Überschr.) der Lauscher an der Wand sei, o b w o h l schon f r ü h e r bekannt, n u r deshalb erst jetzt entfernt w o r d e n , weil man sonst die Tapete hätte aufschneiden müssen und A m t s z i m m e r n u r selten neu tapeziert w ü r d e n .

tapeten: 1843 Platen III 142 W o . . . ein Buchenast den grüntapetenen Pavillon erbaut ( S A N D E R S DWB). tapentenhaft: Carus 1835 Reise I 15 diese immer etwas tapetenhaften Landschaften Rebells.

58

tapezieren

Tapet: 1508 Newe Landte 5V einen köstbarlichen thapeth ader debiche (WIS); Fischart 1575 Garg. 258 Folgends ward der Tisch entdeckt, vnnd ein Tapet aufgelegt; Harsdörffer 1642 FrauenzimmerGesprechspiele II 28 bringen viel res sur le tapis ( J O N E S ) ; ders. 1653 Poet. Trichter III 448 Teppicht oder Tappet; 1654 pers. Rosenth. II 35 ein tapet, so im gemache auf der erden zu liegen pfleget ( D W B ) ; 1700 Monat/Auszug Okt. 695 aufs Tapet bringe; Thomasius 1701 Kl. Sehr. 63 auff das tapet zu bringen; Rädlein 1711 867"f. das bett-, tisch-, wandtapet ( D W B ) ; Lucae 1711 Helicón 425 [Jakob Sturm in Straßburg] brachte am ersten aufs Tapet den Entwurff von einer Hohen-Schulen; 1716 neuaufgest. Fama 4 so kamen allerhand Mittel auff das Tapet, die Barbaren auff andere Gedanken zu bringen; Wagner 1725 Zeitkürzungen 57 Weil man Dinge aufs Tapet gebracht, von welchen er nichts gewusst; Marperger 1726 Anleitung 21 Und ist es gewiss, dass zuweilen solche Reflexiones, Prognostica und Materien auf das Tapet kommen und ventilieret werden, welche auch, gelehrten Staats-Leuten Speculationes zu machen, capables seyn; Sperander 1728 A la mod Sprach 723 Aufs Tapet bringen, bedeutet, eine Sache vortragen, und proponiren, und solches entweder daher, weilen die Tische, über welche die Staats-Consilia und Deliberationes pflegen gehalten zu werden, mit Tapeten bedecket seyn, oder weilen nach der Orientalischen Völcker Manier die Böden derer Zimmer, in welchen diese Versammlungen gehalten werden, mit Tapeten bedecket sind, auf welchen man mit geschränckten Füssen zu sitzen pfleget; Biantes 1731 Historicus 148 bringt . . . folgenden Sermon aufs Tapet; Haller 1732 Versuch Schweiz. Ged. (NL. XLI 2,28) Ein ganz Gebürge scheint gefirnisst von

dem Regen, Ein grünender Tapet, gestikt mit Regenbögen; Weisse 1759 Schuster (II 139) Da ist gewiss eine Verschwörung von allen Regimentsnickeln wider mich auf dem Tapete?; Schummel 1773 Duell 67 Es ist eine neue . . . Vorrätherey auf dem Tapete; Hermes 1774 Soph. V 3 wenn von solchen dingen was aufs tapis kommt ( D W B ) ; Schiller 1781 Säk.-Ausg. III 18 (Rauher I 2) Wie wär's, wenn wir Juden würden und das Königreich wieder aufs Tapet brächten? ( T R Ü B N E R ) ; 1785 Holland. Staats-Anz. III 132 So bald aber die projectirte [Schiffs-]Expedition auf dem Tapet war; Ring 1786 (Schmidt, Charakteristiken I 164) einen Gedanken mit einem andern Gegenstande, den ich aufs Tapet brachte, wieder zu entfernen; Foote 1796 Redner (Übers.) II 145 es ist nie ein wichtigerer Punkt . . . aufs Tapet gebracht worden; ders. 1796 Ritter (Ubers.) I 275 es ist eine Art von Heirathstraktat auf dem Tapet; Ad. Schopenhauer 1823/26 Tageb. 97 das Gerücht bringt ja die Möglichkeit einer Verbindung zwischen mir und G . täglich aufs Tapet; 1864 Hausblätter II 448 brachte ein anderes Thema aufs Tapet; Nordau 1881 Paris unter d. 3. Rep. 172 die aufs Tapet gelangenden Gegenstände; Perfall 1890 Liebe 91 und ein Witzbold gab die Anregung, über Emerenz zu spötteln und die „Malergeschichte" wieder auf das Tapet zu bringen; Woldeck um 1900 N. 35 brachte wieder ihr Lieblingsthema auf's Tapet; Voss 1908 Ges. Reden 78 aufs Tapet komme; Voss. Ztg. 14. 7. 1929 Wenn Briand jetzt plötzlich es mit der Einigung Europas so eilig hat, so bringt er diese Lieblingsidee . . . aufs Tapet; Rhein-NeckarZtg. 21. 6. 1978 Er, Armbruster, verspüre hinsichtlich Städtebau ein „ungutes Gefühl", ökonomische Gründe aufs Tapet zu bringen.

tapezieren V.trans., Anfang 17. J h . in der Form tapissieren entlehnt aus gleichbed. frz. tapisser (zu tapis 'Teppich, Überzug; Dekorationsstoff, Tuch'), seit Mitte 17. J h . verdrängt durch die wohl auf gleichbed. ital. tappezzare zurückgehende heute gültige Form; in der Bed. '(ein Zimmer, eine Wand) mit einer Tapete versehen, verkleiden, auskleiden; (eine Wand) mit einer Tapete überziehen, bekleben', früher auch '(eine Wand) mit Tapeten, Wandteppichen behängen' und selten '(einen Fußboden) mit Teppichen belegen'; im 19. J h . und heute noch österr. gebucht für '(Möbel) mit Stoff über-, beziehen, polstern'; gelegentlich übertragen im Sinne von '(zur Dekoration) über und über, dicht bedecken; (übertrieben) ausschmücken'; auch als Part. Perf. adj. verwendet, bes. in Zss. wie frisch-, neutapeziert. Dazu schon seit Mitte 16. J h . die Personenbezeichnung Tapezierer M. (-s; -), früher auch Tapissier, süddtsch. auch Tapezier M. (-s; -e) 'Handwerker, der tapeziert, Polsterarbeiten ausführt, Fenster mit Vorhängen versieht'; seit späterem 17. J h . die intensivierende Präfixbildung austapezieren '(die Wände eines) Zimmer(s) mit Tapeten versehen'; im 18./19. J h . das Verbalsubst. Tapezierung für Vorgang und Ergebnis des Tapezierens.

tapezieren tapezieren: Platter 1605 Beschreibung 37 sollen die heüser vom thor an biß in sein losament außwendig tapissiert gewesen sein; ebd. 118 viel zimmer, die alle mechtig köstlich tapißiert wahren; ebd. 198 alle wendt mitt violbraunen thuch . . . tappissieret; den. 1612t Autobiog. 170 Die [Aula] war statlich tapeßiert; Friederich 1633 Clytie I 159 Ihre Cammer war tapiessiret (alle J O N E S ) ; um 1650 Inventarium (Reber, Maximilian I. 32) Dapizierarbeit; Logau 1654 Smnged. (NL XXVIII196) bey Hoff ist alles, wers nur spütret Mit Falschheit zierlich tapeziret; 1693 (Dtsch. Ztg. 17. Jh. 249) in dero tapecierten Kammer; Decker 1711 Baumeister 1 Vorr. C" das Vorgemach [zum fürstlichen Paradezimmer soll] tapeziert seyn; Philo 1722 Ruhm des Tobacks 75 Tapezirten Gemächern; Bärens 1754 (Jahrb. Gesch. V. Göttingen 1 (1908) 109) Die Zimmer sind meistens tapezirt und noch so ziemlich meublirt; Wagner 1775 Der wohlthdtige Unbekannte 5 die wand ist mit einigen bildern von heiligen und zwo landschaften tapeziert (DWB); Schiller 1784 (VI 38) soll ich meine Zimmer mit diesem Volk tapzieren? (KEHREIN); Pfeffel 1802 Poet. Versuche I 149 Er ward in ein Gemach geführt, Mit lauter Heil'gen tapeziert, und schlief im grünen Bettgezelt In welchem Nantel kam zur Welt; Müller vor 1827 (I 4) Die Scene . . . mit grünem Sammet unten tapeziert (SANDERS DWB); Goethe 1827-42 (W. VIII 54) Seitdem die Verdienste unserer Vorfahren mit ihren Portraits zu einerlei Gebrauch dienen, die leeren Saiten — nämlich unsrer Zimmer und unsres Charakters - zu tapezieren ( K E H R E I N ) ; Keller 1874 Seldw. II 282 das gebäude seiner rede tapezierte er schließlich mit tausend verslein ( H E Y N E ) ; Voss 1917 Welt 269 Die Wände waren mit frischen Rosen wie tapeziert, eine rosige mystische Beleuchtung herrschte; Sternheim 1918 Chronik II 157 blies das Mädchen mit Stichflamme ihm ihren Glanz bis zur Herzgrube. Sofort war innen er mit Licht tapeziert. In Magen und Eingeweide, an des Leibes Wänden, — überall verzehrten ihn ihre Feuer; Berl. Illustr. Nachtausg. 9. 8. 1933 Heßling fand die Mutter in dem kleinen, dunkelgrün tapezierten Speisezimmer, das gleichzeitig als Salon diente; Lochner 1955 Unerwartete 98 die Wände mit [Inflationsgeld-jScheinen . . . tapezieren; Stuttgarter Ztg. 2. 3. 1966 Neues Tapezier-Isolierungsmaterial (Oberschr.); Lasker-Schüler 1967 Gedichte 122 Das Zimmer war mit zahlreichen Jagdtrophäen tapeziert; Bücher tapezierten die vier Wände ihres kleinen Wohnzimmers (WDG); Offenburger Tagebl. 15. 1. 1972 Mancher Do-it-yourselfer mag sich schon beim Tapezieren gefragt haben, wie die mehr oder weniger farbigen, gemusterten Papierbahnen wohl entstehen mögen; 1978 Stern Nr. 15 der Lauscher an der Wand sei . . . nur deshalb erst

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jetzt entfernt worden, weil man sonst die Tapete hätte aufschneiden müssen und Amtszimmer nur selten neu tapeziert würden.

austapezieren: Hörl 1677 Bacchusia 42 ein köstlich ausstapeziertes Zimmer; Halle 1762 Werkstäte der Künste II 186f. Tapeten sind bekante Zieraten, womit die Wände der Zimmer überkleidet (austapeziret) werden; Goethe vor 1832 (XXXVII 255) Zimmer, die rein blau austapeziert sind (SANDERS DWB); 1856 Tschudi Th. 280 Eine mit ImmenbrQt austapezierte Kammer (SANDERS DWB); Keller 1874 Seldw. II 304 der wirth hatte aus einem gröszeren hause eine abgelegte tapete gekauft und seinen saal damit austapeziert (DWB); Plievier 1945 Stalingrad (fibü (1961) 141) daß sein Bunker mit Bildern aus illustrierten Zeitungen austapeziert war (DUDEN).

Tapezierung: 1787 Journal d. Moden II 275 Zimmer-Tapezierung; Wezel 1790 H. u. U. II 16 Die beräucherte Tapezierung des Wagens und die widrige Nachbarschaft versetzte ihn den ganzen übrigen Weg in so üble Laune.

Tapezier(er): 1564 (1856 Beschr. OA. Stuttgart, Stadt 117) Herzog Christoph Hess den Dappicirer und Patronenmaler Jacob von Carmis, Bürger zu Cöln, kommen; Marperger 1710 Beschr. Preussens 144 Tapezier [in Berlin]; Sperander 1728 A la mod Sprach 723 Tapissier, ein Tapezierer, oder geschickter Arbeiter, der allerley Bett-Zierathen, Uberzüge von Stühlen, Ruhe-Betten u. d. g. künst- und zierlich verfertiget; Blumauer 1784— 94 Virgils Aeneis (I 193) Die Schuster schmierten schon erhitzt Ihr Pech auf Feuerkronen . . . Der Tapezier mit flinker Hand verkehrte seine spanische Wand wie Blitz in einen Schanzkorb; Matthisson 1792 Frankreich (II 325) Mein philosophischer Reisegefährte war, wie mir nun klar wurde, ein Tapezierer aus Avignon; Triest 1827 Baukosten X 100 Tapezirers; Holtei 1863 Letzte Komödiant I 24 Tapezierer-Gesellen; ebd. 61 Tapezierer-Lehrjungen; Hofmannsthal 1891-1901 (Prosa I 20) schreiende Tapezierereleganz, voll Zigarettendunst und Patschuli; Schuberth 1955 Bühnenbild 93 Wenn Laube von 'Tapeziererdramaturgie' spricht; Münch. Stadtanz. 13. 9. 1957 Fördert das raumgestaltende Handwerk als Dienerin der Wohnkultur! Sattler- und Tapezierer-Innung (Anzeige); ebd. 23. 2. 1962 Die SALEWA Sattler- und Tapezierereinkauf GmbH zeigt gegenwärtig . . . die Tapetenausstellung „Künstler + Tapete".

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Tapisserie

Tapisserie F. (-; -n), seit Ende 15. Jh. nachgewiesen, wohl unter Einwirkung von gleichbed. i tal. tappezzeria, frz. tapisserie (vgl. mlat. tapicería, tapissaria) zurückgehend auf lat. tapetum, —» Tapete; anfangs auch in (Schreib-)Formen wie Tappezerey, Dapetzerey, Tapisser ei, bis ins 19. Jh. überwiegend in der i tal. beeinflußten Form Tapezerei, seit dem 19. Jh. zunehmend und heute nur noch in der frz. Form; in der Bed. 'Stoff (zur Dekoration), Teppich', bes. 'Wandteppich, Tapete', zur Ausstaffierung fürstlicher Gemächer, als Kollektivum 'Gesamtheit der Tapeten eines Zimmers; mehrere zusammengehörende Tapeten'; auch 'Teppichstickerei, -wirkerei' für den Vorgang und das entstandene Werkstück und selten für 'Teppichfabrik' und 'Geschäft für Handarbeiten und HandarbeitsmateriaP. Frankf. Bürgermeisterbuch 1493 (Lexer II 405) der kön.majestat dapisserey besichtigen und gein Augspurg zu füren bestellen (DWB); 1507 Geschichten Wilwolts v. Schaumburg 8 Darnach wart der kaiser in ainen köstlichen ballast, der mit gülden tuechern und köstlicher tapicerei umhangen und zuegericht war; ebd. 30 darzue wart ain hoch gestüel aufgerücht mit costlichen gülden tüechern, tapecerei und ander geschmück behangen und gezürt; 1512 Peutinger-Briefw. 159 etlicher tapezerei halben; Otto Heinrich 1521 (Deutsche Pilgerreisen 387) geziehrt mitt köstlichen Tapecereyen; Schaidenreisser 1537 Od. 66 tapezerey vnd vmbhengen; Eppendorf 1540 Türck. Keysszer Ankunfft 99 (MLN 38 (1923) 408f.) der Keyserliche sessel, der mit tapeterey, gold vnnd edelem gesteyn . . . gezyert was; 1548 Kurtzer bericht A2" Ist etliche tage zuuor auff dem Wein, marckte, ob vnd an dem Tantzhause ein Stul oder Pallast auffgerichtet, vnd den vier vnd zwaintzigisten Februarij, mit gülden Stucken vnd andern Tapezereyen köstlich beklaidet worden; Köler um 1560 Lebensbeschr. 211 künden wol der schönsten deppeccerey würken; 1563 Türck. Hist. I 49' haben herrliche Königliche Tapezerey . . . auff den Tafeln . . . aussgebreytet (WIS); Mathesius 1563 Ehest. C1' vnd das die mutter das Ehebett mit tapetzerei, vnnd seiden schmücket; 1566 Castiglione 177" viel schöner Kaufmanswarn . . . von Samet, und Seiden . . . und Tapitzereyen (WIS); 1585-1589 Kiechel 24. herliche tapezeria (WIS); 1586 Script, rer. Siles. IV 290 die gemecher hatt die königin mit irer tapetzerei beschlagen lassen (DWB); um 1591 Instruktion Herz. Wilhelm f . seine geistl. Söhne 73 Seyet sicher und glaubt mir, daß die reputation eins geistlichen praelatens nit stehet in Klaidungen, grossem Einkhommen, stattlichen gepeüen, Dapeterey; 1593 Wagnerbuch 109 in ein Gemach, darinnen der König gar allein sass . . . vnnd vmb den König her schöne Tappestereyen vnd Purpur mit köstlichen Seyden gestickt; Fischart 1575 Garg. 450 Alle säl, kammern und gemach waren mit vilerley Tapezerei behencket (RÜTTER); 1598 Orientalisch Indien II

3 Alle Strassen vnd Ecken waren mit köstlichen Tapezereyen und Historien behengt; Guevara 1605 Mespris (Übers.) 333 Niederländische tapitzerey in seinem hause auffschlagen; Hainhof er 1611 Corr. 105 rottzeug von gestückhten . . . vnd gewürckhten tapecereyen; Neumayr v. Ramssla 1620 Reise i. Frankr. 3 die Gemach seynd allenthalben wol angelegt, vnd auffs beste mit Tappezereyen vnd Gemälden gezieret; ebd. 15 In einem andern Saal lagen viel schöner güldener Tappezereyen, sollen ein gross Geld kosten; Zeiller 1628 Theatrum 5 Tappecereyen, vnd Vorhäng von gelbem Sarge; vor 1635 Zinkgref I 235 eine tapetzerey aufgehenkt ward, darinn folgende wort gewürkt waren (DWB); 1638- 50 Gedichte d. Königsberger Dichterkreises 25 Lacht jhr Wiesen, lachet jetzt . . . Schmückt mit Blumen mancherley Eure FeldTapecerey; Harsdörffer 1644 Gesprechspiele I 109 von den gewirckten, gestickten und ausgenehten Tapetzereyen; Rist 1647 friedewünschendes Teutschland 11 auf einem ganz herlich gebauten und mit schönen Tapezereien geschmückten Thron; 1666 (Dtsch. Ztg. 17. Jh. 211) seynd vber die massen kostliche Tappezereyen zur Austaffirung Ihrer Mayestät Zimmer auss Nidderland kommen; Grimmelshausen 1672 Vogelnest (III 349) Tapezereyen von verguldtem Leder; Mauermann vor 1700 Bühnenanw. 149 das Gemach und die Wände mit schönen Tapezerein gezieret; vor 1742 Drollinger 234 er drohet mit fürchterlichen blicken, wie ein grimmiger tyrann auf einer alten tapezerei (DWB); Wieland 1824 (W. XLVII 29) Was für eine prächtige Tapisserie diese Tabletten machen würden, wenn sie mit schön eingebundenen Büchern angefüllt sind . . . Alle Arten von Stickarbeit und Tapisserie ( K E H R E I N ) ; Goethe 182742 (W. XXXVII 279) Ritter Santasila, der Chef von der Tapezerie des Hofes war ( K E H R E I N ) ; Merck 1835ff. Br. II 49 Poesie, die die Menschen . . . innwendig mit der Bettel-Tapezerei ihrer eignen Würde und Hoheit ausmöbliert (SANDERS DWB); Hauff 1869 Werke III 125 sie nähte so wunderhübsche tapisserien (DWB).

Tara — Tarif

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Tara F. (-; Taren), früher auch N . , Ende 14. Jh. entlehnt aus ital. tara 'Gewichtsabzug; Abzug(-srechnung) für Verpackung' ( < a r a b . tarah 'entfernt, beseitigt', zu taraha 'entfernen, beseitigen, wegwerfen'); als kaufmännischer Ausdruck (abgekürzt T, Ta) in der Bed. 'zur Feststellung des Nettogewichtes einer Ware vom Bruttogewicht in Abzug gebrachtes Leergewicht der Verpackung' (Tararechnung 'Abzugsrechnung'), auch als Bezeichnung für die Verpackung oder den Behälter selbst gebucht; dazu seit Ende 18. Jh. die veraltete verbale Ableitung tarieren 'das Leergewicht, den Verpackungsabzug berechnen, um das Nettogewicht einer Ware zu bestimmen' und 'durch Auflegen von Gegengewichten das Gewicht einer Ware auf der Waage ausgleichen', vereinzelt auch bildlich verwendet; in neuester Zeit die verbale Präfixbildung austarieren V.trans. 'ins Gleichgewicht bringen, ausgleichen', bildlich verwendet im Sinne von 'gegeneinander abwägen', z. B. Rechte, Pflichten, regional (österr.) auch 'auf einer Waage die Tara feststellen'. Tara: um 1400 Städtechron. I 101 wer saffran do [in Genua] kawft, so gibt man in ain Zentner 3 uncz zu tara; um 1450 Algorimus Rat. (Vogel) 158 Tararechnung; 1489 Keller 836 30 seck woll. . . wegent sporcö 15 575 Tara 4 % per sacko Resta neto 1 5 4 5 5 » ; Ehrenberg 1499 Fugger I 420 kupier, den meyder [Gewicht] mit seinen gewonlichen tara oder ingab umb 49 fl. reinisch gerechnet (alle SCHIRMER, Kaufmannssprache); 1103 (Dief.mlcker 872) die tarah wegen (DWB); 1531 Gotlieb B lb thara (SCHIRMER, Kaufmannssprache); 1558 Meder 4 a Item zu wissen die Tarra/ oder abzug der Venediger Nagel (SCHIRMER, Kaufmannssprache); 1616 Neudörffer 93 das tara (SCHIRMER, Kaufmannssprache); 1711 Rädlein 867b tara von waaren (DWB); 1765 Mauth-Ordnung 10 ohne Passierung eines Tara-Abzugs; Lessing vor 1781 (Ges. W. IX 205) Da, wo so viele Waaren ihre bestimmte Thara haben, wollte man mir auf die heil. Schrift, auf eine so kostbare Waare, nicht auch eine kleine Thara gut tun? (KEHREIN); Hippel 1793 Kreuz- u. Querzüge II 314 seine Behauptung, daß es nirgends mehr Rabatt und Tara als in der moralischen Welt gebe; 1797 Belehrungsbuch 42 [wenn] weniger Tara ausfällt, und abgezogen wird; Nicolai 1799 Bildung 12 Ich lernte die kaufmännischen Regeln Thara und Fusti; Büsch 1808 Handlung 1160 Für die meisten dergleichen Waaren aber verfertigt man an dem Versendungsorte die Fässer und Emballagen so gleichförmig, daß man sich mit gutem Glauben darauf verlassen kann, auf gleich große Gefäße und Ballen sei ungefähr gleich viel Abzug zu rechnen.

Dies setzt man zu Prozenten des Gewichts der Waare an, und nennt es die Thara; 1833 Schiebe 133 Tara, Thara. Netto-Tara; Sopra-Tara (SCHIRMER, Kaufmannssprache); Freytag 1886-88 Ges. Werke IV 185 tara oder gutgewicht war ihm in diesem augenblicke ganz unwesentlich (DWB); Gottl-Ottilienfeld 1934 Wirtschaftslehre I 12 Dies alles läuft gleichsam zu einer Tara auf, der als Brutto die dauernden Einsparungen bei der Verwendung der Maschine gegenüberstehen. Erst wenn sich bei der Aufrechnung jener Tara gegen dieses Brutto ein Netto ergibt, erweist sich die Maschine als betriebsfähig; 1950 Gymnasium 276 Tararechnung. tarieren: 1789 Beckmann 21 So wird für Thara entweder nach der Stückzahl . . . oder nach Prozent etwas gewisses . . . abgezogen, und auf solche Weise die Waare tharirt; 1833 Schiebe 133 tariren, die Verpackung etc. abwiegen (beide SCHIRMER, Kaufmannssprache); FAZ 29. 7. 1971 Zu den 19 Mitgliedern der Kommission kommen, gelegentlich wohl als zusätzliche „Tariergewichte" zu verstehen, „ständige stellvertretende Mitglieder". austarieren: Ehrler 1946 Charlotte 303 seine austarierte Kunst, heikle Dinge zu mischen [in Reden]; Die Zeit 31. 3. 1978 Im mühsam austarierten Kräftegleichgewicht zwischen den Parteien, der Regierung und den Gewerkschaften ist in den letzten Monaten viel ins Rutschen gekommen.

Tarif M. (-s; -e), seit Anfang 16. Jh. nachgewiesen, über gleichbed. frz. tarif, ital. tariffa zurückgehend auf arab. tarif(a) 'Kund-, Bekanntmachung; Erklärung, Nachricht, Anzeige; Definition, Bestimmung' (zu arafa '(er-)kennen, wissen; in

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Tarif

Kenntnis setzen, bekanntmachen, erklären, anzeigen; bestimmen, definieren'), im 16. Jh. in der ital. Form, auch in Formen wie Driffa, Triffa, seit späterem 17. Jh. in der heutigen aus dem Frz. übernommenen Form; im kaufmännischen Bereich in der Bed. 'Zusammenstellung, Aufstellung, Liste, Verzeichnis von Waren mit der (bei Ein- und Ausfuhr) zu entrichtenden, nach dem Wert der Ware veranschlagten Gebühr für Zölle und andere Abgaben; Zollsatz', auch 'Preisverzeichnis, -zettel'; dann als Fachausdruck der Sozialpolitik und Wirtschaft weiterentwickelt zu 'durch Vertrag/gesetzliche Verordnung einheitlich festgelegte Höhe, Staffelung von Löhnen und Gehältern, von Preisen für Lieferungen und Leistungen bestimmter Art (im Nachrichten-, Transport-, Energieversorgungswesen usw.), von staatlichen Gebühren, Steuern', auch '(amtliches, gültiges) Verzeichnis der Lohn- und Gebührensätze, verbindliche Lohnstaffel, Gebührenordnung'; häufig in Syntagmen wie einen Tarif vereinbaren, kündigen, festlegen, laut Tarif, nach/über/unter Tarif (bezahlen) und meist in Zss. wie Post-, Fracht-, Versicherungstarif, Nacht-, Mondscheintarif 'ermäßigte Gebühr für Leistungen (der Fernmeldeeinrichtungen) zur Nachtzeit', Ortstarif 'nach der Ortsklasse bemessene Gebühr, Gehaltsstufe'; Nulltarif 'auf Null gesenkter Tarif bei öffentlichen Verkehrsmitteln'; Tarifpartner, -partei 'mit Beratung und Abschluß der Tarifverträge beauftragte Gruppe aus Vertretern der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände', Tarifvertrag 'Vertrag zwischen Vertretern der Arbeitnehmer (Gewerkschaft) und der Arbeitgeber (Arbeitgeberverband), der die arbeitsrechtlichen Beziehungen in bezug auf Lohn, Arbeitszeit usw. regelt' (Mantel-, Rahmentarifvertrag 'grundlegender Tarifvertrag, der allgemeine, langfristig gültige Arbeitsbedingungen regelt'), Tarifautonomie 'Befugnis der Tarifpartner, eigenverantwortlich Tarifverträge abzuschließen', -politik, -runde. Dazu seit späterem 18. Jh. die adj. Ableitung tarifmäßig, gleichbed. mit im 20. Jh. aufgekommenen tariflich, tarifisch und (nach gleichbed. frz. tarifaire) tarifarisch 'dem Tarif gemäß, entsprechend; den Tarif betreffend, im Hinblick auf den Tarif (außer-, übertariflich); gleichzeitig die verbale Ableitung tarifieren V-trans. 'in einen Tarif aufnehmen; den Tarif (nach dem Verzeichnis) ansetzen, einschätzen, feststellen', seit Mitte 19. Jh. das dazugehörige Verbalsubst. Tarifierung F. (-; -en); im 20. Jh. die selten nachgewiesene, französisierende Personalableitung Tarifeur M. (-s; -e) 'jmd., der Tarife einschätzt, festlegt'. Tarif: 1514 (Müller, Welthandelsbräuche 236) Driffas von kauffmannschaft ( K L U G E ) ; 1527 Fuggerinventur 98 ein tarifa taffeil (SCHIRMER, Kaufmannssprache); 1535 (Müller, Welthandelsbräuche 305) Triffas allerlei handlüngen ( K L U G E ) ; 1572 (Jahrbuch f . Münchner Gesch. 1 (1887) 410 Anm.) Tariffa oder Uncostbüchlein von allen Wahren in Venedig (Titel); 1675 Kaufmanns-Börse Vorr. A2" Tarif; Hübner 1709 Konversationslex. 1607 Tarif, ist eine Tafel oder Verzeichniß vieler nach ihrem Werth geschätzter Waaren, oder auch ein Verzeichniß der Taxe; ebd. (1712) 1248 Tariff, eine Zoll-Rolle; 1785 Handlungsbibliothek 272 allgemeiner Zolltarif für alle Häfen; 1804 Zollordnung 88 Weggeld-Tariff; Bolte 1804 Geschäftsgang

i. Preussen 393 Der Betrag der Abgabe wird in dem Tarif bestimmt; und zwar entweder nach dem Preise der Sachen, oder nach willkührlichen Principien. Mehr als der Tarif besagt, darf von niemand erhoben werden . . . wenn durch Rechnungsfehler oder unrechte Anwendung des Tarifs ist zu wenig genommen worden, so muß der Accisant diesen Ausfall sechs Monate lang vertreten; Glasbrenner 1836 Bilder I 137 Wir setzen uns und nehmen die Speisekarte zur Hand. Sie werden bemerken, mein bester Herr Hofrath, dass diese in Wien „SpeiseTarif" benannt ist; 1842 Ausland 546 Man ersieht aus dieser merkwürdigen Argumentation, daß der Tarif der Träger einer großartigen, weitumfassenden Idee ist, derzufolge das ganze britische Colo-

Tarif nialreich durch die engsten Bande des Interesses an das Mutterland fesseln will; 1848 (1863 V'j'schr. Volkswirtschaft I 82) Entwurf zu einem Zolltarif für das vereinigte Deutschland; Knies 1853 Eisenbahnen 24 Tarifsätze; Kretschman 1870—71 Kriegsbr. 165 Im Metz bekommen die Einwohner ihre Mahlzeiten dienstlich zugemessen, nach einem bestimmten Tarife für Erwachsene; Gildemeister 1871 Aus d. Tagen Bismarcks 113 Tarifkonzessionen; Freytag 1886-88 W. VI 86 er gab diese Verhältnisse ihres [der Feldfrüchte] nahrungswerthes in zahlen an, und der professor erkannte mit freudigem erstaunen, dasz sie wohl auf den tarif seines alten kaisers Diocletian passen könnten (DWB); ebd. XX 91 dies lösegeld wurde durch einen tarif festgesetzt (DWB); ebd. XXII 207 allmähliche minderung der tarifsätze im Zollverein (DWB); Roscher 1899 Handel (System III 551) bei Entfernungs- wie bei Staffeltarifen; Technik u. Wirtschaft 5 (1912) 471 Auch erübrigt sich, zum Tarifvertrag eine Stellung einzunehmen, denn er bedeutet für die A-Unternehmung noch wenig, da die Vielgestaltigkeit der Arbeit hier einer bindenden Klassifizierung für die Akkorde ein vorläufig nicht zu bewältigendes Hindernis entgegengestellt. Selbst dann noch, wenn beide Teile tariffreundlich wären; Naumann 1915 Mitteleurop. 209 weil es sich längst nicht mehr um blosse Zurückhaltung einiger Tarifpositionen handelt, sondern um Rückwärtsbiegung aller Preise Johnston 1917 Menschenverst. 31 sei es nach dem französischen sehr hohen Zolltarif, sei es nach irgendeinem Ortstarif; Bonnet 1926 Unternehmertum (Übers.) 35 Vereinbarungen über Arbeitsfragen . . . unter anderem die Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die Lehrlingsfrage, die Festsetzung von Stücklöhnen . . . Lohnabzüge für schlechtes Essen . . . Das Tarifabkommen vom Jahre 1921 enthielt 29 Paragraphen, viele von ihnen sind inzwischen wieder abgeändert worden; Voss. Ztg. 19. 9. 1930 Bei dem Abkommen handelt es sich um eine vertragliche Vereinbarung der beiden Tarifkontrahenten; ebd. 14. 11. 1930 Kosten . . . deren Höhe der Wirtschaft von außen aufgezwungen wird - öffentliche Tarife, Gebühren und Abgaben; ebd. 14. 11. 1930 Werktarife herunter (Überschr.) ein Schreiben an den Magistrat gerichtet mit der Anfrage, was der Magistrat auf dem Gebiete der städtischen Tarife im Interesse der allgemeinen Preissenkung zu tun gedenke; Arnholds Wochenber. 7. 3. 1931 Die übrigen Tarifwerte, in erster. Linie Dessauer Gas und Schlesische Elektrizitätsund Gas-Aktien, waren vorübergehend wesentlich befestigt; Lokal-Anz. 3. 1. 1933 Vor dem Schlichtungsausschuß finden in nächster Woche auf Antrag des deutschen Metallarbeiterverbandes Verhandlungen mit dem Verband Berliner Metall-

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industrieller über die von der Gewerkschaft aufgestellte Forderung statt, einen Tarifvertrag für die Lehrlinge in der Berliner Metallindustrie abzuschließen; ebd. 15. 2. 1933 über den Sinn und Zweck der Tarifstaffelung; ebd. 18. 2. 1933 Tarifkonflikt im Möbeltransportgewerbe (Überschr.) Zur Beilegung des Lohn- und Tarifstreits . . . finden . . . erneute Verhandlungen vor dem Schlichtungsausschuß Groß-Berlin . . . statt; ebd. 25. 2. 1933 Die ständige Tarifkommission der Reichsbahn hat in ihrer letzten Sitzung . . . wieder eine Reihe wichtiger Beschlüsse gefaßt . . . So soll u. a. die Beförderung von Fahrrädern, Schneeschuhen, Rodelschlitten und Faltbooten auf Fahrradkarten erweitert werden; Berl. lllustr. Nachtausg. 24. 5. 1933 Vereinbarungen über einen Rahmentarif mit einem Mindestlohn; ebd. 27. 7. 1933 Mit diesem Beschluß ist eine Streitfrage erledigt, die seit Einführung des Einheitstarifs im Jahre 1927 bestanden hat; ebd. Die Vorarbeiten für die jetzt getroffene Tarifänderung wurden im Hinblick auf die größere Werbekraft, die dem Leistungstarif innewohnt, bewußt darauf abgestelt, den Berliner Verkehrstarif auf dem Leistungsgedanken neu aufzubauen; ebd. Zum 1. September d. J . tritt für den Berliner Verkehr die neue Tarifregelung in Kraft: Der Groschentarif ist wieder da! Staatskommissar Engel hat mit großer Tatkraft und dem festen Willen, die Tariffrage in Berlin . . . zu regeln; Westdeutsch. Beobachter 15. 8. 1933 Die deutschen Reedereien stellten sich auf den Standpunkt, daß der Beschluß der Arbeitnehmer den bestehenden Tarifverträgen widerspreche, die ausdrücklich die Fahrt an einer bestimmten Anzahl von Sonntagen vorsehen; Lokal-Anz. 10. 8. 1933 Eine solche Tarifreform wird den Gesamtverkehr verstärken; ebd. 27. 10. 1934 Die frühere Streitfrage des Tariflohnverzichts ist heute gegenstandslos geworden; Dtsch. AT.. 4. 1. 1935 eine sowjetrussisch-tschechoslowakische Eisenbahntarifkonferenz; Grüne Post 6. 10. 1935 Eine Vereinbarung, durch die einem Angestellten die Haftung für jede Art von Fehlbeträgen, auch für zufällig entstandene, auferlegt wird, ist sitten- und tarifwidrig; Angriff 16. 3. 1937 Tarifordnungen, die bindend für alle Beteiligten die Arbeitsbedingungen mit Gesetzeskraft regeln; Frankf. Ztg. 31. 3. 1941 die Wirkung des erhöhten Steuerdrucks und des nach wie vor rigorosen Tarifstops für elektrische Energie; Süddtsch. Ztg. 18. 6. 1946 Jetzt sei auch halbwegs der Weg geebnet für tarifpolitische Maßnahmen, wobei in erster Linie die Löhne der Landund Forstarbeiter . . . neu geregelt werden sollen; ebd. 17. 9. 1951 Wie wir dazu erfahren, soll es sich, mit dem Hinweis auf die Tariferhöhungen bei der Bundesbahn, um eine „Tarifangleichung" — das heißt natürlich Erhöhung — handeln; ebd.

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Tarif

29. 5. 1953 Die Wirtschaft hat sich in ihren Kostenanschlägen tariforientiert, sieht also ihre Kalkulationsgrundlage gestört; Arbeitgeber 15. 12. 1956 Die mit dem Lohn- und Arbeitszeitproblem auf dem Spiele stehenden Interessen der Allgemeinheit und des Staates haben im Jahre 1956 die Frage der „Autonomie der Tarifpartner" erneut aufgeworfen; Süddtsch. Ztg. 20. 7. 1957 Im Güterverkehr werden die Tarife nicht linear erhöht, vielmehr soll der sog. Tarifsockel neu geordnet werden; Arbeitgeber 5. 5. 1959 10 Jahre Tarifgemeinschaft deutscher Länder (Oberschr.); Süddtsch. Ztg. 25. 3. 1961 Der Vorsitzende der Ö T V . . . hatte sich . . . scharf gegen Eingriffe der Bundesregierung in die Tarifautonomie der Sozialpartner gewandt; Stuttgarter Ztg. 2. 2. 1969 Bisher galt ein Bundestarif. Das neue Regionaltarifwerk setzt sich aus 15 Einzelverträgen zusammen, woraus erhellt, daß die Verhandlungen über dieses „Tarifpaket" nicht ganz einfach waren; ebd. 30. 7. 1969 Nulltarif (Überschr.) Was sie fordern, klingt nach radikalem Studentenprotest. Die öffentlichen Nahverkehrsmittel, so meinen manche Politiker . . . müßten den Bürgern in Zukunft kostenlos zur Verfügung gestellt werden; FAZ 29. 12. 1969 Dem Werk „Tarife und Bedingungen der privaten Krankenversicherung" . . . ist zu entnehmen, daß ein der gesetzlichen Krankenversicherung „adäquater" Versicherungsschutz . . . einen Beitragsaufwand von etwa 110 bis 140 DM erfordern würde; ebd. 17. 1. 1970 Gutes Echo für BilligTarife (Überschr.); Offenburger Tagebl. 21. 1. 1970 „Druck"-Tarife vor Schiedsgericht (Überschr.) nach dem Scheitern der Lohntarifverhandlungen; FAZ31. 8. 1971 Entscheidende Tarifrunde (Überschr.) Mit der Entscheidung über die Lohnforderungen in den einzelnen Tarifbezirken hat der Vorstand der Metallgewerkschaft nunmehr das Startzeichen für die Tarifrunde dieses Wirtschaftszweiges gegeben; ebd. 13. 11. 1971 fordern eine Vorweganhebung der Löhne und Gehälter um 4 Prozent, um den Anschluß an das Tarifniveau der anderen internationalen Mineralölgesellschaften in Deutschland zu erreichen. tarifarisch: Suess 1916 Erinner. 280 tarifarische Verfügungen; 1933 Volk u. Reich 101 tarifarische Bindungen; ebd. 105 tarifarische Bewegungsfreiheit; N. Z. Z. 14. 5. 1943 machen die tarifarische Gleichstellung der Bündner Bahnen mit den Bundesbahnen zur unbedingten Notwendigkeit. Tarifeur: 1930 Uhu H. 6 Der interessante Beruf: Eine Stunde Tarifeur (Überschr.) Ein Frachtangebot soll gemacht werden für zehn Tonnen amerikanische Filzpantoffeln, von cif Hamburg bis

Waggon Bukarest; selbstverständlich allerbilligst. Ich rechne alle möglichen Routen, offeriere den billigsten Weg. tarifieren: Westenrieder 1782 Mü. 124f. Das Brodgewicht wird nach jedesmaligen Schranenpreis bestimmt, und tarifirt, und die Anzeige wird öffentlich im Haus des Beckers auf eine Tafel geschrieben ; Preuss. Jahrbücher 1 (1858) J9STaback z. B. wurde verschieden besteuert, jenachdem in der Declaration Taback oder Tabacksblätter stand, andre Artikel waren anders tarifirt, wenn der deutsche, anders wenn der englische Name angegeben ward; Stahl 1863 Parteien 227 müssen alle Waaren und Leistungen tarifirt werden; 1879 Maier-R. II 416 tarifiren, ansetzen, Zölle auswerfen (SCHIRMER, Kaufmannssprache); 1930 Bayer. Verw.bl. 172 Wir studiren die Kraftwagenfrage, weil der Lastkraftwagen der Reichsbahn die hochtarifierenden Güter wegnimmt und das Tarifgebäude der Reichsbahn zu erschüttern droht; Cantrup 1936 Die Kumt des Tarifierens (Titel) Lehr- und Handbuch über die Kalkulation der Güterbeförderungskosten auf den Eisenbahnen.

Tarifierung: Knies 1857 Telegraph 201 Normen für den Betrieb und die Tarifierung; 1865 Stadtfraubas 175 Tarifierung der unentbehrlichen Nahrungsmittel; Ihering 1903 Jurisprudenz 19 Tarifierung der [Hotel-]Zimmer; Bücher 1921 Volkswirtschaft II 229 Tarifierung gewerblicher Erzeugnisse; Marine-Rundschau 36 (1931) 305 Werttarifierung; Offenburger Tagebl. 4. 2. 1966 daß . . . „mit allen Mitteln mindestens die Tarifierung des Einigungsvorschlages der Schlichtungsstelle durchgesetzt wird". tariflich: Lokal-Anz. 8. 8. 1933 Es mußten die Hauptverkehrspunkte durch die verbilligte Teilstrecke tariflich verbunden werden; ebd. 10. 8. 1933 Da gibt es Kurz-, Mittel- und Langstreckenverkehr nach einem Reiseziel mit Hin- und Rückfahrt auf den gleichen Wegen oder auf tariflich verschiedenen Linien; Beri. Illustr. Nachtausg. 12. 8. 1933 Der Breslauer Maurermeister Matalla hatte entgegen der Warnung, die tariflichen und sozialpolitischen Verpflichtungen nicht zu vernachlässigen, Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt und auch den Tariflohn nicht bezahlt; Lokal-Anz. 15. 6. 1934 Die Erwerbslosen können im Stadt-, Ring- und Vorortverkehr tariflich nicht anders behandelt werden als im Fernverkehr; ebd. 27. 10. 1934 Das Gesetz stelle die tariflichen Bedingungen als zwingende Mindestbedingungen dar; Süddtsch. Ztg. 13. 11. 1950 Die bisherigen tariflichen Leistungszulagen wurden ebenfalls erhöht.

tätowieren tarifmäßig: 1765 Mauth-Ordnung 9 gegen Erläge dieser tarif-mässigen Schuldigkeiten; ebd. 18 gegen Erstattung der Tarifmässigen Mauth- und AccisSchuldigkeit; 1786 Journal d. Moden I 67 würde

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viel zu weitläufig und gar zu Tarifmässig seyn; Berl. Illustr. Nachtausg. 29. 3. 1934 Bei Benutzung von Eil- und Schnellzügen ist der halbe tarifmäßige Zuschlag zu zahlen.

tätowieren V.trans. und reflex., im späten 18. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. tatouer, engl, tatoo, früher tattow (zurückgehend auf polynes. tatau '(tätowiertes) Zeichen; Malerei'), früher in unterschiedlichen Schreibungen wie tattowieren, tatauieren, tat(o)uieren, seit Anfang 20. Jh. auch in der intensivierenden Präfixbildung eintätowieren; zunächst auf die Verhältnisse primitiver Völker bezogen, dann allgemeiner in der Bed. 'Muster oder Zeichnungen durch Nadelstiche in die Haut einritzen und sie mit nicht mehr entfernbaren Farbstoffen kolorieren', meist von Personen, aber gelegentlich auf Tiere und Sachen übertragen und vereinzelt bildlich verwendet; dazu seit früherem 19. Jh. das Verbalsubst. Tätowierung, im 20. Jh. gebucht auch Eintätowierung F. (-; -en), selten 'das Tätowieren', meist 'auf die Haut tätowierte Zeichnung', im früheren 20. Jh. die subst. Gelegenheitsableitung Tätowiererei und in neuester Zeit die Personenbezeichnung Tätowierer M. (-s; -). tätowieren: Wezel 1777 Erzählungen I 45 die Hinterkeulen eines tätowirten Otahiten; Forster 1787 Reise u. d. Welt 220 Wenn die Taheitier sich tattowiren (punktiren) . . . erhält der Körper davon eine schwarze, bläuliche Farbe; Böttiger 1792 Kl. Sehr. I 165 der Ursprung aller jener schmerzhaft-künstlichen Operationen, des Punctirens, Einschneidens, Tättowirens, Matachirens und wie die Kunstgriffe sonst heissen mögen; Jean Paul 1793 Uns. Loge III 161 ihr städtischen destillirten und tättowirten seelenverkäuferinnen (DWB); Lang um 1805 Haushaltung 1123 Sie verunstalten ihr Gesicht durch tätoiren; ebd. II 109 [Knaben von Otaheiti werden mit 14 Jahren] aus törigter Putzliebe . . . tattowirt: man sticht viele Linien und Punkte . . . mit einem knöchernen Werkzeug in ihre Haut, und reibt solche mit schwarz ein; sie bleiben das ganze Leben hindurch sichtbar. Die Verrichtung ist sehr schmerzhaft; 1805 Merkur I 25 ein tattowirtes Auge; Böttiger 1811 Ideen 13 Anm. Der Wilde färbt alles, was ihn umgibt, und vor allem sich selbst. Daher das Bemalen des Körpers, das Tätowieren; Lindner 1814 Australien 128 Ihre Haut ist mittelst scharfer Muschelschalen tatowirt; 1823 Eos 620 den eingepökelten tattovirten Kopf eines indianischen Königs; Böttiger 1824 Kl. Sehr. III 67 im tätowirten Naturzustande; Goethe 1827-42 (W. XXI 158) Wie wir ja selbst tatouirten Indianern einen gewissen Beifall nicht versagen (KEHREIN); ebd. LI II 12 Auf dem Körper bewirkte man sie [die Farbe] durch Tatuiren und Einreiben (KEHREIN); Cramer 1832 Gesch. d. Erziehung I 2 Anm. das

sogenannte Tättoviren, wobei . . . nur die Oberfläche des Körpers bes. des Gesichts durch Färben, Einschneiden usw. verändert wird; 1834 Jahrbücher d. Gesch. I 463 Form und Regel müssen nicht blos eingeprägt, sie müssen in das junge Gemüth tätowirt werden, so dass sie lebenslänglich darin festsitzen; Schwarzenberg 1844 W. I 208f. die Wunde war in der linken Brust, und bildete gleichsam ein blutiges Siegel vor dem Namen „Teresa", welcher in schwarzen Lettern . . . auf der Brust tätowirt oder eingebrannt war; HahnHahn 1844 Oriental. Br. I 371 Die Hände . . . sind über und über mit Arabesken von dunkelblauer Farbe permanent tätowirt; 1856 Mon'schr. Wiss. V. Zürich 104 die Sitte des Bemalens der Haut und des Tettowirens; Versen 1872 Reisen i. Amerika 114 Sie [Indianer] kamen mit Frauen und Kindern in ausgehöhlten Baumstämmen über den Parana, waren durchgängig klein und hässlich, meist tätowirt und bemalt, nur die Schamtheile mit Lumpen verhüllt; Rümelin 1884 Reden III 127 So wenig wir eine angeborene Empfänglichkeit für ästhetische Reize darum leugnen, weil sie ihren Weg bis zu Raphael, Mozart und Goethe mit Bemalen und Tättowiren des Körpers, mit Ringen durch die Nase und Lippen . . . beginnen müsste; Suttner 1896 High-life 213 Alle die Roten, Gelben und Schwarzen, die Rasierten und Tätowirten, die Federgeschmückten und Skalpiermesserbewaffneten; Mitt. Geogr. Ges. Wien 42 (1899) 310 Wilkes vermittelt uns als der erste die einheimische Bezeichnung für das Tätowiren, das die Samoaner Ta- tatau nennen; daraus entstand unser Wort Tä-

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tätowieren

towieren; Brandt 1901 Ost-Asien II 233 Die Weiber sind um den Mund in der Form eines Schnurrbarts blau tättowiert, was sie sehr häßlich macht; Graf 1925 Gesicht 359 Wenn ich heirate, dann nur die tätowierte Dame; Uhu 1929 Februarh. 85 Die Polizei hat festgestellt, daß die Tätowiermethode auch unter Büroangestellten und Zöglingen höherer Mädchenschulen viele Anhänger hat . . . Die Polizei des Hafenviertels unternahm gestern eine Razzia auf tätowierte Frauen und Mädchen; Süddtsch. Ztg. 13.114. 5. 1950 Der an Brust und beiden Armen Tätowierte spricht russisch, polnisch und deutsch; ebd. 8. 10. 1952 Generationen von Liebenden haben sich in den Rinden der mächtigen Buchen verewigt, die von nun an den Wegrand zieren. Die meisten sind lückenlos tätowiert, von der Wurzel bis zum Ansatz der Krone; Stuttgarter Ztg. 14. 10. 1961 In kanadischen und amerikanischen Hafenstädten sieht man immer häufiger Frauen mit tätowierten Waden; Adorno 1961 Noten II 71 bei den wunderlichen, buntscheckigen, tätowierten Gestalten [in Museen]; Münch. Stadtanz. 30. 3. 1962 Rund 30000 Ärmchen tätowieren die Münchner Medizinmänner in einer Saison; Offenburger Tagebl. 27. 3. 1963 300 Tiere wurden tätowiert (Uberschr.) Der Zuchtwart für Kaninchen . . . sowie der Tätowiermeister Benz gaben einen kurzen Bericht; 1963 Dies Univ. X 52 vielmehr tätowieren sich die Angehörigen primitiver Volksstämme künstlich Stammeszeichen in die Haut; Offenburger Tagebl. 12. 3. 1970 Zuchtbuchführer Vetter gab bekannt, daß im vergangenen Jahr von Tätowiermeister Heinz Vetter 601 Kaninchen tätowiert wurden; ebd. 28. 4. 1971 Auch bekannte Könige ließen sich tätowieren. Von den Südseeinseln stammt der Brauch (Uberschr.) Es gab genug tätowierkundige Männer im Heer der fahrenden Leute. Ausgearbeitete farbige „Gemälde" auf der Haut. . . waren schwieriger zu erlangen. Man mußte dazu eine Fachwerkstatt aufsuchen, einen „Tätowiersalon" . . . Von der Seefahrt zu gekrönten Häuptern führte im Tätowier-Gewerbe nur ein Schritt. Denn auch höchste Gesellschaftsschichten huldigten zu Anfang unseres Jahrhunderts dem Hautbild . . . Brauch und Technik der Tätowierung stammen von den Inselgruppen des Stillen Ozeans. „Ta tatau", das heißt „richtig schlagen" nannten die Eingeborenen der Samoa-Inseln das Tätowieren. „Tatu, sägte man weiter westlich, auf Tahiti. Tätowierer: Offenburger Tagebl. 28. 4. 1971 Die Weltwirtschaftskrise um 1930/32 ließ das Verlangen nach Tätowierungen aussterben, besonders nach kostspieligen, während umgekehrt von den guten Zeiten eine Hamburger Redensart sagte: „Wo Geld rollt, fällt es in die Taschen der Tätowierer"

. . . Auf St. Pauli arbeiteten zeitweise 40 Tätowierer. Tätowiererei: Lokesch 1927 Fortf. v. Scherr, Kulturgesch. 726 Erfreulicherweise haben sich die Frauen nach und nach angewöhnt, zu dieser Tätowiererei etwas weniger schreiende Farben zu nehmen. Tätowierung: Martius 1832 Rechtszustand Brasiliens 11 Anm. Tatowirungen; Hildebrandt 1867 Reise I 220 Die fast unbekleideten Eingeborenen fallen durch ihre prachtvollen Tättowirungen auf; Wuttke 1872 Gesch. d. Schrift I 79 Tättowirung oder Tatuirung; Mitt. Anthropolog. Ges. Wien 15 (1885) 53 es ist nun aber zunächst zu constatiren . . . dass . . . unter dem Namen der Tätowirung zwei ganz verschiedene Verfahrungsarten der Körperzeichnung verstanden werden . . . es sind das die Hautzeichnung durch Schneiden und Brennen, also durch Narbenbildung, und sodann die eigentliche Tätowirung, d. i. die Punktirung der Haut und Einreibung von Farbstoffen in die Stiche; ebd. 23 (1893) 93 Nähtätowirung oder Tätowirung durch Ausnähen; Henne am Rhyn 1897 Kulturgesch. VII 207 Tätowirung bei Verbrechern; Brandt 1901 Ost-Asien 234 die erste Tättowierung findet gewöhnlich im 7. Jahre statt und wird allmählich vergrößert; Wundt 1917 V/V. VII 268 Körperschmuck in Bemalung, Tätowierung, Gewandung; 1917 Kulturjahrbuch 140 umfangreiche, zum Teile ganz künstlerisch ausgeführte Tätowierungen; Mönckeherg 1918 Stellungskämpfe 65 Körperteile . . . mit kannibalischen Tätowierungen . . . geschmückt; Roth 1930 Panoptikum 57 die Haut ist straff und die weniger starken Runzeln über der Nase und die viel zarteren dicht unter den Augen scheinen nicht von alltäglichen Sorgen eingegraben worden zu sein, sondern freiwillig empfangene Zeichen, Tätowierungen des Lebens und der Erfahrungen; 1930 Die Dame 2. Jan.-h. 13 Tätowierungen sind sicherlich etwas sehr Schönes; Dtsch. AZ. 3. 1. 1935 Nach den in Berlin eingegangenen ortspolizeilichen Mitteilungen waren die Tiere durchweg mit Ohrtätowierungen versehen; Britting 1941—60 Erz. V 133 hinten wie vorn über und über mit Tätowierungen bedeckt; Neue Ztg. 8. 11. 1949 Gesundheits- und Körperpflege. Entferne ohne Operation Tätowierung (Anzeige); Sieburg 1950 Jahre 77 Sein Hemd klaffte und Hess eine kunstvolle Tätowierung auf der Brust sehen; Süddtsch. Ztg. 3. 7. 1950 Im Alten Botanischen Garten sitzt an schönen Tagen beim Neptunbrunnen ein alter Mann, der Tätowierungen macht; Wachsmuth 1953 Werdegang 173 ein eigenartiges Merkmal der primitiven Völker . . . die „Tätowierung"; Süddtsch. Ztg. 22. 5.

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Taverne 1953 wir vermissen die Tätowierung einer Meerjungfrau auf seiner Hand; Stemberger 1958 Gefühl 39 Seemann mit wilder farbiger Tätowierung; Offenburger Tagebl. 11. 11. 1971 Aufgrund mehrerer Tätowierungen des Mannes vermutet die Polizei, daß es sich um einen Amerikaner handelt.

seinem Handgelenk zwei sich schnäbelnde Tauben eintätowiert waren, von einem Blätterkranz umschlossen; Offenburger Tagebl. 18. 7. 1970 Vogel ist 172 cm groß und schlank . . . und trägt am rechten Oberarm einen Frauenkörper eintätowiert; FAZ 13. 4. 1971 Auf dem linken Unterarm des Gärtners seien mehrere Hakenkreuze und die SSRunen eintätowiert; Offenburger Tagebl. 3. 8. 1971 Ein auf dem rechten Arm eintätowiertes Hakenkreuz mit Totenkopf erleichterte der griechischen Polizei die Suche nach einem jungen Deutschen.

eintätowieren: Barsch 1905 Von einem der auszog II 238 eintätowiert; Marchwitza 1934 Kumiaks 31 die haarige Brust . . . auf der eintätowiert ein Adler mit ausgebreiteten Flügeln saß ( D U D E N ) ; Britting 1941-60 Erz. V 137 sah ich, dass über

T a v e r n e F . ( - ; -n), schon ahd. ( G R A F F ) nachgewiesen, kontinuierlich seit M i t t e

13. J h . ,

eventuell u n t e r (alt-)frz.

g e h e n d auf lat. taberna

'(Bretter-)Hütte,

Einwirkung

-Bude;

(SUOLAHTI)

Schaubude,

s c h ä f t s o r t eines W i r t e s , W i r t s h a u s ' (dissimiliert aus

belegt

zurück-

(Kauf-)Laden; z u trabs

traberna,

Ge-

'Balken,

D a c h , H a u s ' ) , a n f a n g s in z a h l r e i c h e n , r e g i o n a l v a r i i e r e n d e n ( S c h r e i b - ) F o r m e n w i e

Tavern,

Tabern(e),

Tafern(e);

in der Bed. '(öffentliche, altprivilegierte) Schank-,

W e i n w i r t s c h a f t , S c h e n k e ; W i r t s h a u s ( m i t S c h a n k b e r e c h t i g u n g , in d e m a u c h F r e m d e b e h e r b e r g t u n d F a m i l i e n f e s t l i c h k e i t e n b e g a n g e n w e r d e n d ü r f e n ) ' , ü b e r w i e g e n d im süd(-ost-)deutschen Taferne, Meß-,

Raum

Tafern Wirtschaft);

Marktbude,

(vgl. im

Kramladen';

heute 16. J h .

noch

historisierend

vereinzelt

dann auch,

auch

verwendetes

in d e r

negativ k o n n o t i e r t ,

Bed.

bayr.

'Verkaufs-,

ugs. für

'zwie-

lichtige, a n r ü c h i g e , a b e n t e u e r l i c h e K n e i p e , S p e l u n k e ; T r e f f p u n k t f ü r Spieler, G a u n e r , S c h m u g g l e r u . ä . ' ; in n e u e s t e r Z e i t , w o h l n e u e n t l e h n t aus g l e i c h b e d . ital. taverna,

als

B e z e i c h n u n g f ü r ein W e i n - u n d E ß l o k a l im M i t t e l m e e r r a u m u n d n e u e r d i n g s a u c h für 'kleines (von

einem

Ausländer

geführtes) Weinlokal

in t y p i s c h

mittelmeer-

l ä n d i s c h e m , f o l k l o r i s t i s c h - r u s t i k a l e m Stil'. D a z u g l e i c h z e i t i g d a s a u f g l e i c h b e d . lat. tabernarius zum

z u r ü c k g e h e n d e v e r a l t e t e S u b s t . T a v e r n e r , a n f a n g s in u n t e r s c h i e d l i c h e n ,

Teil d u r c h

frz.

tavernier

beeinflußten

(Schreib-)Formen,

für

'Schankwirt,

W e i n s c h e n k ; Gastwirt', auch ' B e s u c h e r einer Schankwirtschaft'. Taverne: 1121 urkundlich (1829 Beschr. OA. Saulgau 7) Gut Taverna (Tafern) im Linggau; 13. Jh. (Köpke 1852 Passional 408) aldar zur taberne ( M Ö L L E R ) ; Wolfram v. Eschenbach vor 1220 Willehalm XLIV 12 von taverne in gesinde (BENECKE-MULLER-ZARNCKE); Repkowe 1237 Sachs. Weltchronik (Mon. Germ. Hist. II 159) taverne ( M Ö L L E R ) ; Thomasin vor 1238 Der Wilsche Gast 3934 lit ze der taverne ( B E N E C K E M Ü L L E R - Z A R N C K E ) ; 1270 (Osenbrüggen 1857 Hausfrieden 8f.) Mer komet lüde ein eyne veile tavernen, unde schut deme werde rat van ungerake ofte ienigen mame, dar ne is nen husvrede ane gebroken, noch de were bevochten; Neustadt um 1300 (DTM Nil 815) tempel und aller taberen ( M Ö L L E R ) ; um 1350 Ostdtsch. Apostelgesch. 104 do lifen sy uns zu enken uncz an Apii markt und

zu den drin tavernen; um 1350 ndrhein. Briefe über den Orient (ZfdPh XIX 33) Vort synt da suverliche ind reynliche tavernen, da man goet wasser verkouft, als hie guten wyn; 1362 (Freyberg, Landstände I 252) Alle neuen Tafernen sollen ab seyn, damit schädliche Leute um so weniger Enthaltniss finden; um 1380 Meister Altswert 231 nit lang in der tafern; ebd. 235 Unferr vom heiigen grab Da ist ein schon dafern Und heisset zu dem stern, Furt uns ein kunsel hin; Dietrich v. Gotha 1385 Predigtsammlung (bei Türk 122) wer do get . . . czu tafern; 1393 (Kogler 1929 Recht u. Verfassung 75) daz niemant, er sey edel oder unedel, pfaff oder lay, auf dhainer newen tlfern noch nindert anderswo in dem gericht dhainerlay trank schenk noch vertreib; Wittenweiler 1400—50 Ring 95 wir schüllen cheren zur

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Taverne

tavern; 15. Jh. Fastn'sp. (I 483) Mich dunkt, du trinkest gerne. Ge zu mir in die taverne!; 1449 (Ann. Ingolstad. Acad. IV 3) die Tafern . . . gült sechs Gulden, Reinisch; 1478 (Kachel 1924 Herberge 68) in den tavernen und Keuthuysern; Stolle Ende Ii. Jh. Thüringisch Erfurtische Chronik (Bibl. 32 (1954) 133) in der tafern ( M Ö L L E R ) ; Anfang 16. Jh. (Beitr.vaterländ. Gesch. (Basel) 3 (1846) 168) liegen den gantzen Tag in der Tavernen in des wirzhus und essen und werden drunken; 1522 (Waldau 1789 Beyträge IV 431) wirtshäuser vnd tafernen; 1523 Regensburger Armenordnung (Archiv f . Refgesch. 11 (1914) 11) alle wirtsheuser und offen tafern auch sunst haymliche oder offenlich wincklen zu zechen oder spilen; 1524 (ZfdPh. 87 (1968) 76) in ayner offnen Tauernen, ich wölt gern sprechen, so ich dürfft, in ainem offenen frawenhauss, wirt besser zucht gehalten, dann in der Münch und Nunnen Capitel; 1533 (Stadelmann, Vorderburg 6) Behausung oder Tafern zu Rettenberg; Salat 1537 Verlorne Sohn 1206 Und fugt sich wider uf die gassen, Zu sinen gsellen in ein tavern; 1569 (Bolte, Bauer 273) Dem Pranntner im inndern Filgratten Dem selben war ain Beyt [geraten]: Er het ains Pfaffen Rockh erschnapt, Den het er in der Däfern gehabt; Kiechel um 1600 Reisen 181 taverna oder würtshaus; 1574 (Mitt. Musical. V. f . Krain 4 (1891) 35) von yeder Cram oder Tafern; 1616 Bayer. Landrecht 332 Vmb offen Tafern vnd Wirthspfanden. Es mag ein jegklicher Wirth, der auff einer offnen Tafern sitzt, Pfandt annemmen vmb sein Zehrung vnd Herberg; ebd. 536 Dass das schencken [von Wein und Bier] auffm Landt, ausserhalb der Geütafernen, verbotten sein sol; Maximilian v. Bayern 1629 Priv. (1664) 6 Einführung vnd Aufrichtung der Tafernen, Bier vnd Mültzhäuser, Schenckstätt, Wochenmärckt, vnd anderer dergleichen Freyheiten; 1671 (Argovia 4 (1866) 141) Welcher begehrt offen würtschaft zue halten, derselbig soll zueforderst dasz tavernenrecht von vns probst und gemein Kapitul erwerben; 1689 Polit. Fliegenwedel I 65 Gast-Taferne; Wening 1701 Bayern I 59 das so genannte Gerichts- und Casten-Hauss sambt Hofstallungen vnd zweyen Hof-Tavernen oder Gasthäusern; Prambhofer 1712 Traum-Ges. 367 Als er die Umstehende / welche mit dem Verwundten hertzliches Mitleiden tragten / gefragt / wer mit diesem Frembdling so tyrannisch verfahren / antworteten sie / daß solches gethan jene Spieler in der nächsten Taffern. Der Burger voller Eyffer / gehet dahin / verweiset denen Spiel-Lumpen solche Unthat; Wening 1721 Bayern II 6 neben der Würths Tafern, Mayrhauss vnd Stallungen; ebd. III 54 mit einer gantz gemaurten Hofmarchs-Tafern, neben drey Churfürstl. Traidtkästen (allwohin das Jährliche Dienst-Getraidt auffgedient wird) versehen;

Pütter 1758 Handbuch 1 304 von einem uralten so genannten Umgelde, so auf allen Tafernen haftet, die in den Landgerichten oder auch in einschichtigen adelichen Gütern liegen; Moser 1765 Schwab. Merkw. 491 mehrere Tafernen, Brauereyen, Bierund Wein-Wirths-Häuser; Smollet 1785 Peregrin Pickle (Ubers.) 410 Der Ort ihrer Zusammenkünfte war eine gewisse Taverne, die mancher den Tempel der Ausschweifungen hätte nennen können; 1787 Journal der Moden II 239 Luxus der Londoner Tavernen; Hübner 1796 Salzburg I 199 Anm. [Wirthe mit] Tafernrecht, so dass sie ausschließlich die Hochzeitmahle, Todten- und Taufmahle zu halten befugt sind; 1800Journal f . Baiern 597 die Zwangs- und Freytafernen ; 1804 Churpfalzbaier. Int'bl. 126 die Franz Paul hütterischen Tafernwirths-Eheleute zu Ober-Menzing; KochSternfeld 1826 Beyträge II 430 Anm. die damit [mit einem Herrensitz] in häuslicher Verbindung gestandenen Gewerbe, Taferne, Bräuhaus, Bäckerey, Weberey; 1838 Beschr. OA. Tettnang 218 Schildwirthschaften (Tafernen); ebd. 221 Zollhaus, womit Taferngerechtigkeit verbunden war; Rasch 1863 London I 87 in der Taverne zur Quelle; 1864 (Süddtsch. Ztg. 26. 8. 1964) Einer zum Betrieb eines Kaffeeausschankes lizensierten Frauensperson mußte die Bewilligung zur Aufstellung eines Billards versagt werden, da nur männliche Wirthe oder Tafernberechtigte hierzu befugt sind; Noe 1865 BaierischesSeebuch 423 haben kein „Tafern"-, sondern nur ein einfaches Wirthshausrecht, und dürfen niemanden über Nacht behalten; Carus 1866 Lebenserinn. III 15 leuchtete rothtrübes Licht aus einer Taverne; Springer 1868 Berlin 55 die [Berliner] Kaffeelokale . . . eine neue Art Tavernen für ökonomische Junggesellen; Wagner 1870 Klosterleben I 48 ein stattliches Wirthshaus . . . unser Begleiter nannte es Taverne. — „Die Taverne gehört dem Stifte und ist verpachtet"; Schlicht 1875 Bayr. Land 268 Nach der Pause geht's wiederum in die Tafern; Fontane 1886 Br. II 2 an einem . . . Tage, wo ich in einem halben Dutzend Londoner Tavernen und Kaffeehäusern . . . umherkneipte; Trinius 1887 Mark. Streifzüge III 22 Zwischen den Tavernen, Fabriken, Villen [der Vororte Berlins]; Peetz 1893 Chiemgauer Volk II 95 in der Posttaferne; Schmitz 1914 Land 23 in den behaglichen Tavernen; Graf 1925 Gesicht 67 Dort, wo die Freilitzschstraße in den Englischen Garten mündet, war früher die Gast- und Tafernwirtschaft von Therese Mühldorfer. Das Wirtshausschild ist verschwunden und in den öden Fensterhöhlen wohnt das Grauen. Wie schön war es früher in dem herzigen Beisel; Zeiss 1927 Zur Geschichte der Tafernen in Altbayern (Titel); Dürnegger 1929 Samerberg 142 Nur die Tafernwirtschaften hatten ursprünglich das Recht, Ge-

Taxe tränke abzugeben (= Schankgerechtigkeit). Solch eine Taferne stand . . . in Hohenmoos, in Lauterbach und in Mohrdorf; Süddtsch. Ztg. 19. 2. 1929 Der Besuch einer elsässischen Taverne in Paris genügt bereits, um sich zu überzeugen, wie sehr die Franzosen den elsässischen Lebensstil als einen reizvoll andersartigen genießen; Lokal-Anz. 5. 10. 1934 der erste deutsche Segler-Verein, die Tavernen-Gesellschaft in Strahlau; Münch. N. N. 18. 1. 1941 Der Kurfürst und spätere Kaiser Karl Albrecht verlieh auf dieses schmucke Anwesen dem Hofkontrolleur Franz Christoph Hieber die Taferngerechtigkeit. Nach dem 200jährigen Bestehen wurde die Einkehr im Weltkrieg geschlossen und dient seitdem als Pflegeheim und Lazarett; Karlinger 1943 Tor 19 [in Mauthausen seit alters] vielen Tafernen . . . die freundliche Gastlichkeit des Ostmärkers für das Wohl des Landfahrers; Münch. N. N. 17. 3. 1944 Als wir ihn das erstemal sahen — es war in der verräucherten Taverne des Don Pedro —, erschien er uns märchenhaft alt; Seewald 1948 Grenzen 204 assen zu Abend in einer Taverne [in Piräus], wo immer in der offenen Tür über Kohlenfeuer am Spiess ein Lamm [brät]; Süddtsch. Ztg. 7. 11. 1958 In der handtuchschmalen Himmelfahrtsgasse der zusammengepferchten Altstadt, zwischen der vergessenen Tafernwirtschaft, der verschämten Pferdemetzgerei und dem konjunkturgeschädigten Flickschuster; ebd. 1.1. 1959 Man braucht nur einen Blick in die stets vollen Tavernen, die ausverkauften Fußballplätze und überfüllten Kinos zu werfen, um gewahr zu werden, daß die Spanier heute höhere Ansprüche ans Leben stellen als vor dem Bürgerkrieg; Flake 1960 Abend 405 In der Taverne, einem Lokal, das mir zusagte; Münch. Stadtanz. 9. 9. 1960 Da streichelte ihn ein Luftzug wie die Hand einer Kellnerin. Und mit solchen Gefühlen kam er im Bergdorf an und hatte sich alsbald in der Tafernwirtschaft „Zum dreifachen Echo" einquartiert; 1964 Anfänge d. Landgemeinde I 14} Die Gemeinde hatte endlich auch das halbjährige Schankrecht nach Michaeli bis Georgi . . . Dabei hatte sie oft eigene Gemeindewirtshäuser, manchmal schenkte sie aber auch in den landschaftlichen Ta-

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vernen . . . aus; Bad. Ztg. 2. 7. 1966 Hotel Höri Hemmenhofen am Untersee mit Fischerstuben und Taverne; FAZ 3. 10. 1969 Begegnung in der Taverne (Uberschr.) Die bauchige Weinflasche steht leer auf dem Tisch. Wärme macht durstig. Besonders die Wärme, die abends über Athen liegt. Unter den Palmen der Taverne Pan läßt es sich gut trinken; Offenburger Tagebl. 28.3. 1970 Verschiedene deutsche und italienische Menüs empfehlen wir zu Ostern u. Weißen Sonntag . . . Taverne Silvano (Anzeige); FAZ 2. 3. 1971 In San Franzisko angekommen, machen die Chilenen erste, böse Erfahrungen mit den „Gringos". In einer Taverne werden sie beschimpft; Offenburger Tagebl. 6. 11. 1971 Taverne Silvano . . . empfiehlt durchgehend: Pizza Lasagne Cannelloni (Anzeige). Taverner: Thomasin vor 1238 Der Wilsche Gast 293 des (schallens) phlegen tavernaere ( B E N E C K E M U L L E R - Z A R N C K E ) ; vor 1272 Berthold v. Regensburg 216,38 ir taberner, ir nemet ouch den nutz der sünde ( L E X E R ) ; Eckhardt 1327 Deutsche Mystiker d. 14. Jh. 451,22 der taverner stözet uz einen reif zuo einem zeichen, wenne er win verkoufen wil ( L E X E R ) ; 1473 (Kogler, Rattenberg 76) tafernern auf den gewondlichen tafern; 1574 (Mitt. Musical-V.f Krain 4 (1891) 35) Cramer oder Taferner . . . von yeder Cram oder Tafern . . . Zapfenrecht ist ain yeder Weinschenckh ader Taferner . . . zubezallen schuldig; Albertinus 1615 Gusman v. Alfarche 422 letztlichen Wirth vnd Tafernirer werden; ebd. 464 Daran aber ist nichts anders schuldig / als das . . . mehr Wirth vnd Tafernirer / als Gast verhanden . . . vnnd verdorbene lose junge Buben seind / zu Wirth vnd Tafernirer werden; 16. Jh. Ostr. Weistb. VI 26 ob der taverner zu der rechten zeit im jähr püer und prodt nit heu (DWB); Schlicht 1875 Bayer. Und 104 Der Taferner selbst, hinter allem Christensinn gleichwohl ein Pfiffikus und Praktikus vom Ausbunde, geht von Tisch zu Tisch und wirft eine Föppelrede hinein; ebd. 231 Auf der Schwelle steht der Taferner in seiner weißen Schabe, zieht grüßend sein Samtkäpplein und drückt scherzend dem Hochzeitsgaste die Hand.

T a x e F . ( - ; - n ) , M i t t e 1 5 . J h . , e v e n t u e l l ü b e r g l e i c h b e d . f r z . taxe, mlat.

taxa

'(Be-)Schätzung;

Schätzpreis; Abgabe,

e n t l e h n t aus

S t e u e r , T r i b u t ' ( z u taxare,

t a x i e r e n ) , f r ü h e r a u c h in d e r m l a t . F o r m u n d als M . in d e r F o r m Tax(t); männischen

B e r e i c h in d e r B e d .

'(Ab-)Schätzung,

Berechnung,

—*

im k a u f -

Ermittlung,

u r t e i l u n g des W e r t e s e i n e r W a r e ( d u r c h einen a m t l i c h e n T a x a t o r ) ' , a u c h

Be-

'amtlich

geschätzter und behördlich festgelegter (Schätz-)Preis, ( W e r t - ) A n s c h l a g , (Preis-)Satz' und '(nach Schätzung der Vermögenswerte,

des E i n k o m m e n s ,

nach dem

legten G ü t e r w e r t z u e n t r i c h t e n d e ) A b g a b e , S t e u e r , A u f l a g e , G e b ü h r ;

festge-

Gebühren-

70

Taxe

Ordnung, Kostenverzeichnis', gelegentlich auch '(Geld-)Buße', früher auch allgemeiner verwendet im Sinne von 'maßgebende Bestimmung, Verordnung, Vorschrift, N o r m ' und vereinzelt bildlich verwendet; häufig als Grund- und Bestimmungswort in Zss. wie Kur-, N a c h t - , Post-, Zolltaxe; Taxordnung, -kurs, -gebühr, - a m t ; heute weitgehend durch Steuer, —* Tarif u. ä. verdrängt. 1421—77 (Segesser 1863 Die eidgenössischen Abschiede 57) zol und tax ( L E X E R ) ; Markgraf Albrecht Achilles 1460 kaiserl. Buch 65 sol mein herr künig fleis thun damit in den annaten sein grad vber dy alt gewonlichen taxa durch vnsern heiligen vater den Babst . . . nicht beswert werde; Tucher 1487 Kaiserangesichte (Mitt. VG Nürnberg 11 (1896) 62) rieten, er solt stewer oder tacze oder mer zynse auf die lannd schlahen oder legen; Widmann 1521 Regensb. Chron. XLll 3 und der obern angezaigten taxt . . . wart nit gestanden (DWB); Meyer 1522—23 Ermahnung 305 tax vnd straff; um 1525 Kriegs Ordnung C lh Tax vnd Summa; 1542—46 Hofordn. Joachims II (Hass 32) solle unser cantzler zusampt den andern unsern rethen tax machen, wes den procuratorn zugeben [sei]; 1549 Würzburger Apotheker-Ordn. (Scharold 1825 Medizinalwesen I 114) nach ausweisung der Tax [die von den Ärzten angesetzt wird]; 1558 Meder 2b zu dem Taxs oder Zoll (SCHIRMER, Kaufmannssprache); Meckhard 1572 Widerlegung 61 die Römische Taxbücher, da kein Sünd so grewlich ist, die man nicht mege mit Gelt abkauffen, vnd Absolution vom Bapst bekommen; 1574 (Stürzbecher 1965 Berlins alte Apotheken 23) Vollkommene Taxa aller Materialien, so in der Apotheken verkauft werden (Titel); So Gymnasium Nordhausen 1583 (Nyström, Schulterm. 157) einen gewissen taxt setzen; 1588 Faulhaber 10 [die] gepier und Tax (SCHIRMER, Kaufmannssprache); 1598 Orientalisch Indien II 60 Das Silber aber behelt stetigs einen gesetzten gewissen werth vnnd taxt; 1605 (Hohenzollern-Jahrbuch 2 (1898) 33) wegen der Besoldung und Unkosten aller auffgésatzten Officirer angeschlagenen Taxa . . . auch den von I. Kön. Mayt. angeschlagenen T a x t . . . vermöge deß hierahngefugten Taxes; ebd. 34 vormuege der aufgerichteten Taxa . . . über mehrberurte vier Schiffe; Wehner 1608 Observ. 313 Taxt der Expenss vnd Vnkosten; Albertinus 1615 Landstörzer 30 hast du dann einen tax im hause, warumb und wie vii der gast lachen solle? ( H E Y N E ) ; Bodinus 1624 Discurs von der Teuerung 69 tax vnd preis; 1629 (Dtsch. Ztg. 17. Jh. 55) Auss Maylandt . . . schreibt man . . . seyen newe Taxordnungen, wegen dess Getrayds vnd andern Victualien gemacht; Spee 1649 Trutzn. 101 wer will nun überdenken, was hoch und schweren tax der weit sie [die Bienen] jährlich schenken an hönig und an wachs (DWB); 1650 Philander I 371 nun aber

die Schneider seit jähren ohne gesatz und tax lebten, und also selbst der hölle zulieffen, wäre es [der Teufel] solcher mühewaltung [die Schneider zu holen] uberhaben (DWB); 1668 Reformation 25 Tax und Werth, aller deren Artzneyen, welche in den Apotheken zu Frankfurth anzutreffen und zu finden [sind]; 1672 Interims-Ordinantz A 12h nach Gelegenheit der Zeit und des Orts eine billigmassige Taxa; Grimmelshausen 1673 Michel 72 Schreibtax; 1676 Savary I 353 den königlichen Taxt (SCHIRMER, Kaufmannssprache); 1698 Faulhaber 170 Kaiserliche Reichs-Posttaxa (SCHIRMER, Kaufmannssprache); 1716 Württemb. Land-Recht 47 Tax im Einschreiben der Käuff, Täusch, und anderer Conträcten; 1722 (1928 Dresdner Geschichtsblätter 20) Specifikation der Taxa und Einkunfft bey der Fehre zu Laubegast; 1732 Gundlingiana XLV 271 Taxen zu machen, und den Werth und Preiss dieser und jener Waaren zu determinieren; Stoppe 1735 Parnass 422 wer auf die Uppen küszt, musz zwanzig thaler blechen, die taxe läszt man itzt so gar in kupfer stechen (DWB); 1741 Regensburg. ProcessOrdn. 164 Gebührniss oder Tax [des Gerichtsschreibers]; ebd. 165 Von des Frohn-Bothens oder Gerichts-Dieners Tax; 1754 Der asiat. Avantur. Vorr. A3" dieser tax [Berechnung, Meinung der Censoren] ist mir freilich mehr als zu wohl bekannt (DWB); Rabener (1755) III 74 auf diese bestimmten fälle würde ich die taxordnung etwan so einrichten: bei insinuation der klage dem amtsboten einen halben gülden (DWB); Schiller 1769 Ökonom. Beyträge 1465 Wein-Tax; Rabiosus 1778 Reise 3 Frachttaxen [auf der Donau]; Stubenrauch 1779 Recht 29 dass eben die Nutzung von der Waldstreu und dem Taxreisig lediglich von einem guten Forsthaushalte abhange; Westenrieder 1782 Mü. 267 Brod-, Bier- und Fleischtaxen sind öffentlich zu sehen; Schlettweins Archiv 4 (1782) 265 Concessions-Receptions- und Taxgelder giebts die Menge; Merker 1782 Kunstbuch I 6 diess oder jenes . . . über den ordinairen Schultax zufliessen lassen; Blumauer 1784—94 Virgils Aeneis (I 144) Hier schrieb auf eine Eselhaut Ein Teufel alle Sünden, Und dorten mußt' ein andrer laut Die Sündentax verkünden: Wie theuer nämlich Hurerei, Und Meuchelmord, und Blutschand sey, Um absolvirt zu werden; Schiller 1784 Kabale u. Liebe II 6 (W. III 415) ohrfeig um ohrfeig - das ist so tax bei uns . . . und einen vater werden sie doch um

Taxi diese gnädige taxe nicht überfordert finden? (DWB); Reichenbach 1786 Beyträge VI 25 Taxund Victualanstalten; Stieglitz 1792 Baukunst 1 244 Bau-Taxe, ist eine landesherrliche Anordnung, in welcher der Arbeitslohn aller Handwerker, Tagelöhner und Handlanger, die zu einem Baue gehören, festgesetzt ist; Smith 1794 Nationalreichtum (Übers.) I 99 eben so giebt es, in jedem Lande . . . eine gewisse Taxe für das, was . . . als Rente bezahlt wird; 1797 Belehrungsbuch iSTax-Tabelle; 1799 Bern, über Laudemial-Rechte 202 von Briefereyen und anderen Taxen; Seume 1803 Spazierg. 363 keiner war, nach meiner taxe, zwanzig [Jahre alt] (DWB); Matthisson 1803 Paris (VI 68) Versteuerungstaxe; Koch-Sternfeld 1805 Nahrung 65 Die Taxen sind eine positive Preisnorm der Produkte; Heinrich 1808 Maasse u. Gewichte 128 In den Dispensatorien, oder gedruckten Taxtarifen aller hiesigen Apotheken; Jakob 1809 Grundsätze 146 Verordnungen, wodurch der Preis gewisser Waaren gesetzlich bestimmt wird, heissen Taxen; Buchholz 1821 Taschenb. 265 Die Armen-Taxen haben sich [erhöht]; Lötz 1822 Staatswirthschaftslehre II 250 Aber ganz verloren geht diese Beweglichkeit durch das bei manchen Artikel derselben von den Regierungen angewandte Taxsystem; ebd. II 287 Anhängsel, welche man dieser Steuer hie und da in dem auf Wohngebäuden ruhenden Rauchfanggelde und in der Thüren- und Fenstertaxe gegeben hat; ebd. II 291 Namentlich ist dieses der Fall bei den Gerichtesporteln, den Stempeltaxen; ebd. II307 Das Gefühl des Mangels einer solchen Grundlage bei der Besteuerung von Gegenständen . . . scheint unsern Regierungen auf die Kopf- und Personensteuern, die Vermögenssteuern, und die Einkommenstaxen hingeführt zu haben; Dingelstedt 1847Jusqu'à la mer 58 Besonders angenehm ist nur aufgefallen, daß keinerlei außerordentliche Steuern von dem Fremden, wie Kurtaxe, Badesteuer, Beitrag fur die Armenkasse . . . erhoben werden; Raumer 1849 Br. Frankf. Paris I 210 daß die Stadtverordneten, hinsichtlich der Brottaxen nicht von ihrem alten, wohlüberlegten Beschlüsse abgegangen sind; Tieck

Taxi

N.

gleichbed.

(-(s); -(s)), frz./engl,

zurückgehend

auf

Schweiz,

auch

taxi

(gekürzt

griech

xa^iç

71

vor 1853 (III 332) eine neue taxe hat er aufgelegt, auf alles leder im lande (DWB); Knie 1857 Telegraph 147 Depeschen . . . welche „taxfrei" spedirt werden; Gutzkow 1858 Zauberer II 114 [die] unter der Taxe reisten; Kroneuml 1860 Kapitän I 231 Piet ist ein sehr geschickter Handelsmann und wird den Taxwerth schon herauszuschlagen wissen; Richter 1884 Creditsystem 31 ein Gut zum „Taxwerth" zu erstehen; Freytag 1886-88 Ges. Werke XIII 217 sie [die Trauringe] werden nach dem goldwerth geschätzt und eingeschmolzen, will jemand solche andenken zum taxwerth zurückkaufen, so steht es ihm frei (DWB); ebd. XVIII 289 wurde aller Privatbesitz von getreide und lebensmitteln aufgezeichnet und die bürger gezwungen, einen theil zum taxpreis der Stadt abzugeben (DWB); ebd. XX 163 die fleischer wollten zur vorgeschriebenen taxe nicht mehr schlachten (DWB); Rolef 1887 Reisebr. 136 Wenn man zufällig in ein Privatboot kommt . . . da muß man 2 bis 3 Francs bezahlen, denn diese Leute haben keine Taxe; Baumbach 1895 Jugendzeit 182 Taxe; Schnitzler vor 1911 Das weite Land II Ich engagiere Sie als Führer, gegen die übliche Taxe natürlich (WDG); Gottl-Ottilienfeld 1925 W. 688 Die Wirtschaftsführung, wenn sie Schwebenden („fixen", bzw. „Tax-")Preisen gegenübersteht, kommt für ihren einheitlichen Plan ohne Grenzzahlen aus; Amholds Wochenber. 22. 5. 1931 Dresdner Chromo . . . und Bautzner Papier-Aktien . . . wurden schwächer gemeldet und im Einklang mit den Berliner Taxkursen ohne nennenswerten Umsatz herabgesetzt; Lokal-Anz. 11.1. 1933 Die Hauptforderung zielt bekanntlich auf eine Grundtaxe . . . unter Beseitigung der bisherigen Zuschläge hin; ebd. 11.8. 1933 Nach dem neuen Kraftdroschkentarif . . . gelten nur noch zwei Taxen: Taxe 1 für Beförderung von einer und zwei Personen, Taxe 2 für die Beförderung von drei und mehr Personen. Die bisherige Taxe 3 ist fortgefallen und darf nicht mehr eingeschaltet werden; Fürsprecher 1940 Die sogenannte Taxe im Versicherungsrecht (Titel); Süddtsch. Ztg. 12. 4. 1955 „Taxe" (T), wenn ein Kurs geschätzt wurde.

M.,

aus

im f r ü h e n 2 0 . J h .

taximètre/taximeter

'(An-)Ordnung,

( e i n e r A b g a b e ) ' u n d g r i e c h . (XÉTQOV, lat. metrum

übernommen

aus

'Fahrpreismesser',

Bestimmung,

Festsetzung

' M a ß ; M e ß g e r ä t ' ) , a u c h in d e r

g l e i c h z e i t i g a u f g e k o m m e n e n , s e l t e n e r b e l e g t e n N e b e n f o r m T a x e F . ( - ; - n ) ; in d e r Bed. 'Mietwagen, (Pferde-)Droschke', Personenbeförderung Strecke richtet',

gegen Entgelt,

dann 'Personenkraftwagen d e s s e n H ö h e sich n a c h d e r

mit F a h r e r

zur

zurückgelegten

n e u e r d i n g s a u f F l u g z e u g e a u s g e d e h n t ; h ä u f i g in Z s s . w i e

Taxi-

Taxi

72

Chauffeur, -fahrer, -stand; Funk-, Lufttaxi. Daneben Mitte 19. Jh. aufgekommenes T a x a m e t e r M . ( - s ; - ) , z u n ä c h s t als B e z e i c h n u n g für die in einen M i e t w a g e n e i n g e b a u t e M e ß - , Z ä h l u h r z u r F e s t s t e l l u n g des g e f a h r e n e n W e g e s u n d des d a n a c h b e messenen

Fahrpreises

(Taxanieteruhr

'Fahrpreisanzeiger'),

dann

auch

auf

den

M i e t w a g e n selbst b e z o g e n , g l e i c h b e d . m i t T a x i . Taxi: Klein 1925 Generaldirektor o. S. ein Taxi herbeizurufen und sie einsteigen zu lassen; 1926 Sittengesch. v. Paris 228 ein gewöhnliches Taxi; Kircher 1926 Engländer 324 im Taxi; Die Dame 1928/29 Beil. Die losen Blätter H. 2 wie ein Trunkener kam er durch die Gänge, sank in ein Taxi, indem er „Square du Roule" schrie; Stratz 1929 Lill 79 Taxidroschke; Voss. Ztg. 11. 1. 1930 Paris ohne Taxis (Uberschr.) Nach einer amtlichen Statistik sind aus der Garage einer der Hauptdroschkengesellschaften . . . nur 83 Wagen ausgefahren; ebd. 28. 4. 1930 Überfall auf einen TaxiSchoffeur (Uberschr.); Schlichter 1931 Zwischenwelt 63 als er an ihrer Seite im offenen Taxi nach dem Zentrum der Stadt fuhr; Berl. Morgenpost 10. 4. 1931 betrieb er verschiedene Gewerbe, u. a. auch die eines Taxi-Schofförs. Zu jener Zeit war dieses Gewerbe noch nicht so überlaufen. Die Pferdetaxis waren noch in der Majorität; Wohl 1932 Reporter 109 Noch immer ist vorn der Taxi in Sicht, in dem Lill fährt; ebd. 355 als [er] tatsächlich aus dem Strumpf einen Zehnmarkschein hervorholt, um ihn dem Taxichauffeur zu geben; Berl. Illustr. Nachtausg. 15. 2. 1933 Sie bestiegen ein Taxi, und zu ihrem Erstaunen hörte sie ihn die Augsburger Straße nennen; ebd. 17. 2. 1933 schlug so heftig auf das Polster des Taxi, daß der Chauffeur zusammenzuckte und einen raschen Blick in den Rückspiegel warf; Lokal-Anz. 23. 2. 1933 [Sie] gingen zu dem Taxistand und fuhren zur Rue Fremont; Berl. Illustr. Nachtausg. 14. 3. 1933 Die nächste Taxihaltestelle war auf der anderen Straßenseite; Lokal-Anz. 15. 6. 1934 Selbst die Männer der in langer Reihe wartenden Taxikutscher wurden neugierig; Dtsch. AZ. 5. 9. 1935 spendiert sich der Kollekteur auf deine Kosten ein Taxi und kommt selbst; Münch. N. N. 14. 1. 1941 Vor 35 Jahren die ersten Taxi (Uberschr.); N. Z. Z. 13. 7. 1943 Zum Thema „Der unausgenützte Taxi" (Uberschr.) daß bei Stoßzeiten und besonders um die Mitternachtsstunde Taximangel herrscht. Der Schweizerische Taxihalter-Verband würde es deshalb begrüßen, wenn sich bei solchen Gelegenheiten die Taxibenützer zusammenfinden könnten; Münch. N. N. 21.122. 8. 1943 mit einem „Taxi", einer Autodroschke; M-A. Abendztg. 31. 3. 1945 daß er zur Schonung der Schuhsohlen usw. seine Fernfahrt zum Taxi-Unternehmen stempeln läßt; NZ. (Basel) 12. 4. 1949 Neue Taxi für London (Uberschr.) Der Vorkriegsstand der

Londoner Taxiflotte . . . ist noch nicht wieder erreicht; ebd. 27. 3. 1950 Weit und breit kein Taxi, sein eigener Wagen befand sich in Reparatur; ebd. 12. 5. 1950 vom internen Lufttaxiverkehr und vom sportlichen und touristischen Flugverkehr; Süddtsch. Ztg. 22. 8. 1950 Die erste „Taxichauffeuse" Bayerns (Uberschr.) Sie besitzt . . . als erste Frau Bayerns den Taxiführerschein; ebd. 6. 2. 1951 verfolgte ein unbekannter Mann in einem Taxi den Verkäufer eines Tabakwarengeschäftes durch die Schillerstraße. Der Taxifahrgast gab sich als Kriminalbeamter aus; ebd. 20. 8. 1951 50 Jahre Gefängnis für Taximörder (Uberschr.); Dürrenmatt 1952 Richter 119 telephonierte er einem Taxi; N. Z. Z. 21. 2. 1952 Bus-Bahnhof und Taxi-Bahnhof gehören als Einheiten zusammen; Süddtsch. Ztg. 25. 4. 1952 daß er von Bonn . . . nach Regensburg per Bahn fuhr, sich dort aber von seinem eigens nachgefahrenen Chauffeur am Bahnhof abholen ließ . . . Er wußte offenbar noch nichts von der Errungenschaft des Taxis; ebd. 4. 7. 1952 Während in Athen und Istanbul Tausende von amerikanischen Super-Taxis die Stadt bevölkern, sind die jugoslawischen Taxis durchaus abenteuerliche Fahrzeuge; ebd. 21. 3. 1953 Stadtrat Fackler (CSU) bezeichnete die Omnibusse als „eine Art Volkstaxi"; ebd. 7. 12. 1953 Die bisherigen Münchner Exporttaxis wurden nach einer Besprechung mit dem Amt für öffentliche Ordnung in „Einheitstaxis" umbenannt; ebd. 10. 9. 1955 Das Taxi der Zukunft - der Hubschrauber (Uberschr.); Dürrenmatt 1958 Versprechen 150 der Taxi- und Privatwagenverkehr; Süddtsch. Ztg. 23. 1. 1960 Am Steuer ist die Taxichauffeuse ganz Mann; ebd. 27. 1. 1960 die Deutsche Lufttaxi-Gesellschaft; ebd. 16. 4. 1960 nimmt sie ein Taxi („Da kann man überall aussteigen"); ebd. 14. 5. 1960 taufte . . . die elfte Maschine der TaxiflugGmbH auf den Namen „Bayern"; Stuttgarter Ztg. 1. 7. 1960 Kurzstreckendienst mit Lufttaxis (Uberschr.); Süddtsch. Ztg. 11. 8. 1960 Taxi-Konzessionen keine Mangelware mehr (Uberschr.) Hoffnung für Chauffeure, die sich selbständig machen wollen / Zur Zeit 695 Taxi; Münch. Stadtanz. 9. 3. 1962 Taxis und Mietautos Vorausbestellungen über Taxi-Ruf-Zentrale (Anzeige); Süddtsch. Ztg. 6. 7. 1962 Das Taxifahren wird teurer (Uberschr.); ebd. 20.121. 4. 1963 Taxi-Erfahrungen gehören zu den wenigen ganz echten Erfahrungen . . . heutzutage ist der längere Weg oft der kürzere, und Zeit be-

73

taxieren kanntlich Geld, besonders im Taxi; FAZ 19. 5. 1971 Taxis (Uberschr.) Es reißt nicht ab. Mit Verkehrsbehinderungen, Anschlägen auf Polizeistationen . . . ein neues Element taucht auf dieser unerfreulichen Szene auf, wenn Taxifahrer sich zusammentun zu einer Gegendemonstration gegen die Ordnungsstörer und wenn für diesen Zweck aufgenommene Fahrgäste mit den Randalierern handgreiflich werden; ebd. 9. 1. 1972 Taxi ersetzt den Bus (Uberschr.) Statt „Taxi" stand auf dem Wagendach „52 E". Zum erstenmal hatte die BVG . . . statt eines Busses ein „Staats-Taxi" eingesetzt. Taxe: Preuss. Jahrbücher 219 (1930) 215 Taxechauffeur; Lokal-Anz. 17. 3. 1931 Der Bursche hatte die Taxe zu einer Fahrt nach der Weddingstraße gemietet; Berl. Illustr. Nachtausg. 15. 4. 1932 Die Taxe hält. Hastig entlohnt sie den Chauffeur; Lokal-Anz. 3. 1. 1933 Mehr Schutz den Taxen-Chauffeuren! (Uberschr.) Die beiden Morde an Kraftdroschkenfahrern bei Köln haben den Polizeipräsidenten bewogen, die Notwendigkeit der Mitnahme eines Begleitmannes im Taxiverkehr anzuerkennen; ebd. 6. 1. 1933 daß die Wagen grünen Anstrich und sichtbar die Taxenuhr mit dem Frei-Schild zeigen müssen; Berl. Illustr. Nachtausg. 28. 1. 1933 Das Ende des Taxenstreiks in Wien (Uberschr.); Lokal-Anz. 21. 2. 1933 Zunächst hatten die Po'izeibeamten auch den Chauffeur der Taxe mit zur Wache genommen; Berl. Illustr. Nachtausg. 21. 6. 1933 ist heute vormittag ein Privatauto mitten auf der Kreuzung gegen eine Kraftdroschke gefahren, wobei die Taxe umstürzte; Münch. N. N. 9. 10. 1938 so stehen den eiligen, außerhalb von New York lebenden Leuten auch „Lufttaxen" zur Verfügung, in denen man von geschulten Piloten schnellstens an das gewünschte Ziel gebracht wird; Münch. N. N. 5. 6. 1941 So wird über Vorbereitungen zu einer Umgestaltung des Taxenwesens beim Kraftdroschkenverkehr und zu einer Erweiterung des Systems der

taxieren

V.(in)trans.,

seit späterem

häufiger belegt, entlehnt aus mlat. taxare

Fahrgemeinschaften im Mietwagenverkehr berichtet; Stuttgarter Ztg. 26. 3. 1962 Taxen-Zulassung vor dem Bundesverwaltungsgericht (Uberschr.). Taxameter: 1855 Prutz' Museum II 115 Taxameter; Dtsch. Revue 25 (1900) I 35 Ein gut angespanntes Tandem sauste vorüber. Taxameter dazwischen, und dann eine ganze Reihe von Equipagen; Tovote 1900 Laterne 113 Mit einem Taxameter, der gerade vorbei fuhr, kam sie nach Haus; 1905 (Eberle 1912 Grossmacht 89) Taxameter bis nach Wilmersdorf; Bebernitz 1910 Frz. 44 Taxameterdroschke . . . Taxameterautomobil; Klein 1925 Generaldirektor o. S. Dazwischen knatternde Taxameter und lendenlahme Droschkenpferde; Uhu 1929 Febr. 73 Mrs. Bradys Gedanken, die hoffnungsvoll das zu erwartende Trinkgeld berechneten, sprangen und hüpften wie eine Taxameteruhr; 1929 Fazit 23 Taxameter und Privatautos; Lokal-Anz. 16. 4. 1929Taxameterchauffeur; Echo Continental 1931 Nr. 218 Die Geschichte des Taxameters (Uberschr.) Apparat . . . der künftighin allen Streitigkeiten zwischen Droschkenkutschern und Fahrgästen ein Ende bereiten sollte . . . Noch vor Abschluß des ersten Geschäftsjahres . . . war es gelungen, aus dem anfänglich ziemlich unbrauchbaren „Taxaom" eine praktische und brauchbare Taxameteruhr zu machen . . . seine mit dem neuen Fahrpreisanzeiger ausgestatteten Droschken waren gesucht; Voss. Ztg. 3. 6. 1931 Mein Auto verschlingt Kilometer um Kilometer in besorgniserregenden Sprüngen des Taxameters; N. Z. Z. 13. 7. 1943 Der Schweizerische TaxihalterVerband hat jedoch seit längerer Zeit darauf bestanden, daß der Teuerungszuschlag auf den Taxametern vorderhand nicht erhöht werde; Süddtsch. Ztg. 2. 1. 1952 Um 19 Uhr begann es zu regnen und man sah die ersten Ballgäste - die Damen mit hochgerafften Abendkleidern — zu den Taxametern eilen. Um 20 Uhr war nirgends mehr ein Mietauto zu bekommen.

14. J h .

vereinzelt,

seit

Anfang

16. J h .

'den Wert abschätzen' ( < lat. taxare

in

seiner Bed. '(prüfend) betasten; (durch Befühlen) den W e r t abschätzen', Iterativ-

bildung zu tangere

'berühren') mit der veralteten Nebenform (be-)taxen; 1 im

kaufmännischen Bereich in der B e d . 'den G e l d w e r t , Preis einer W a r e (sachverständig) ermitteln, schätzen, veranschlagen; ( b e - ) w e r t e n ; die H ö h e einer A b g a b e , Steuer, G e b ü h r (für W a r e n oder Dienstleistungen) gesetzlich festlegen, bestimmen', speziell auch 'den Zeitwert einer gebrauchten W a r e o d e r eines G r u n d s t ü c k e s a m t lich feststellen', früher auch für 'bestimmen, festsetzen, erlassen'; von daher weiterentwickelt z u r heute zentralen B e d . 'etwas auf Beschaffenheit, Qualität hin prüfen,

74

taxieren

u n t e r s u c h e n ; j m d n . a u f seine F ä h i g k e i t e n grob)

einschätzen,

beurteilen'.

Dazu

ansehen, mustern und danach (ungefähr, seit

früherem

16. J h .

das

Verbalsubst.

T a x i e r u n g F . ( - ; - e n ) , g l e i c h b e d . m i t seit s p ä t e r e m 16. J h . ( g e b u c h t 1 5 7 1 bei R o t ) n a c h g e w i e s e n e m , a u f (flekt. F o r m v o n ) g l e i c h b e d . ( m ) l a t . taxatio

zurückgehendem

T a x a t i o n F . ( - ; - e n ) ' B e s t i m m u n g , S c h ä t z u n g , E r m i t t l u n g des ( G e l d - , Z e i t - ) W e r t e s einer W a r e ' (vgl. —» T a x e ) ; seit s p ä t e r e m 1 6 . J h . die aus g l e i c h b e d . m l a t .

taxator

ü b e r n o m m e n e Berufsbezeichnung T a x a t o r M . ( - s ; -en), früher auch T a x i e r e r , für ' j m d . , d e r a m t l i c h d e n ( G e l d - , Z e i t - ) W e r t einer W a r e s c h ä t z t ;

Wertsachverstän-

d i g e r , S c h ä t z e r ; Z e n s o r ' ; im 1 8 . / 1 9 . J h . das w o h l aus g l e i c h b e d . f r z . taxable

ent-

l e h n t e A d j . t a x a b e l ' g e b ü h r e n - , s t e u e r p f l i c h t i g ' ; in j ü n g s t e r Z e i t die i n t e n s i v i e r e n d e Präfixbildung e i n t a x i e r e n V.trans. 'einschätzen, beurteilen' mit d e m dazugehörigen Verbalsubst. E i n t a x i e r u n g F . ( - ; -en). 2 I m 1 6 . / 1 7 . J h . n a c h g e w i e s e n in d e r ü b e r f r z . taxer - h e c h e l n ; t a d e l n ' a u f lat. taxare

in seiner B e d .

'durchziehen,

in seiner B e d . ' s c h a r f b e r ü h r e n ; s t i c h e l n ,

zurückgehenden Bed. 'jmdn. herabsetzen, schelten, taxieren 1: 1374 Nd. Rhein III755 sai man taxiren ende pruven; 1404 Silesiaca IX 254 wan hett sie sollen getaxiret werden (beide M Ö L L E R ) ; Gart 1540 Joseph 77 Dann ich hab nie kein Übels than, Darzu bin ich aus Canaan, Heymlich gestoln vnd hergfiert, Das will ich Kling yetz han taxiert; Termineus 1565 Processus 36 Expens / vnnd ander gerichts kosten / einzulegen / vnnd zu taxirn bitten / die taxirten auf dem Eyd in seine seel zu erhalten; 1572 Statutenbuch 27b die gerichtskosten taxiren (DWB); Mathesius 1586 Sir. I ili taxire nicht das essen, was es koste (DWB); Rathgeh 1592 von Kriegssachen 299f. Taxiert vnnd angeschlagen; 1603 Blümcke 56 dass ihre güeter oder wahren hinfuro auff den zollheusern nicht berichtiget, beschrieben noch taxiret werden . . . unnd der kauffmann sie selbst taxiren soll (SCHIRMER, Kaufmannssprache); Sattler 1607 Orthographie 254 Hat sein begeren rechtlicher mesigung vnderworffen, vnd sich derselben submittirt. Zu richterlicher mesigung vnd taxation setzen, etc. Den Kosten mesigen vnd taxiren; 1607 Reformation aller Requisiten deren Apotheken 111 Taxiren, Forderen vnd nemmen; Hainhofer 1610 Corr. 14 vmb 200 due. . . . taxiert; Hulsius 1617 13. Schiffahrt 75 Nun ob wol der gemeine Mann . . . anderer Leuthen wirckung vnd thaten zu taxiren jeder zeit sich vnterstehet; Bodinus 1624 Discurs von der Teuerung 44 schätzen und taxiren; Hagger 1719 N. Saltzb. Kochh. Vorr. 10 Was aber . . . Censores daran taxiren/will ichs ihnen zur Verbesserung gern überlassen; Fassmann 1729 Narr 15 taxire; ebd. 19 taxiren; Hermes 1776 Soph. II 17 weil ich wohl weis, dasz ich etwas unschätzbares nicht durch das, was nach tausenden taxirt wird, kauffen kan (DWB); Klinger 1780 Spieler (I 132) Wie hoch taxierst du den Burschen? — Auf 5—600 Dukaten;

tadeln'

tadeln'.

1786Journal v. u. f . Deutschland II 11 taxiert man die Ausdehnung [eines Kometen] nach der Strecke seines Schweifes; Stetten 1788 Beschr. Augsburg 51 f f . Das Taxieramt ist mit vier Herren von Geschlechtern besetzt, hat einen Aktuar, und sechs Bediente . . . In Einnahme des Barchet- oder Bleichungsgeldes ist eine eigene Deputation niedergesetzt; Nicolai 1790 Anekdoten H. VI 144 denn auf Verlangen der Witwe . . . taxirte ich die Bibliothek nach einem handschriftlichen Verzeichnisse, und zwar nur so hoch wie ich glaubte daß die Bücher höchstens in einer Auktion weggehen könnten, und ich erinnere mich sehr wohl, daß die Taxe über 10000 Thaler stieg; Laukhard 1796 Leben III 69 Man sieht indess, wie hoch diese Leutchen sich und ihre Horde taxirten; ebd. III 70 Die Waaren sind alle taxirt; und niemand darf höher verkaufen, als der gesezte Preis ist; ebd. III 386 Sie [die Huren] hatten sich förmlich taxirt, und Lieschen, die schönste, galt 45 Kreuzer; 1797 Berl. Archiv d. Zeit II 461 Nehmen Sie es nicht übel, wenn ich das nicht verstehe, und Sie . . . nach mir taxire; Christ um 1800 Schauspielerlehen 203 Ich taxierte sie . . . für mindestens 25 [Jahre alt]; Laukhard 1802 Lehen V 160 Mein Freund Premssler war ein Mann, welcher . . . ein besseres Schicksal verdiente, als ihm zu Theil ward. Es gab freilich Firlefänze, welche ihn bey seinem Leben taxirten, und nach seinem traurigen Tode blamirten und lästerten, sogar in gedruckten Wischen; Schiller 1822-26 (S. W. XIV 132) Indem er ihnen die Freiheit des Denkens nahm, ließ er ihnen großmüthig noch das Recht, sich selbst zu taxiren ( K E H R E I N ) ; Goethe 1827-42 (W. VI 211) Von Stammhäuptern deeimirt, taxirt von Zollbeamten ( K E H R E I N ) ; Hahn-Hahn 1844 Oriental. Br. II 177 kleinlicher Handelsgeist, der kein Ding sehen

taxieren kann, ohne es zu taxiren; Gutzkow 1860 Zauberer VI 204 Dann taxirte er das Kristall, die Bronze, den Sammet; Oppenheim 1866 Verm. Sehr. 259 Die Interessen-Menschen siegen deswegen über die Ideen-Menschen, weil sie genauer wissen, was sie wollen, weil sie ihr Ziel niemals aus den Augen verlieren, und im öffentlichen Leben auch deshalb, weil sie die Bedürfnisse und Neigungen der Mehrheit richtiger, d. h. niedriger taxiren; Reinhardt 1869 Dintenklexe I 14 die Augen taxirten eine ganze Weile den Stoff in der Flasche, ehe er sie wieder fragend auf mich richtete; Fontane 1878 Br. II 1, 403 Nichts wird so niedrig taxiert wie Bücher; Zappf 1896 Offtöchter I 29 Sie taxirte ihn zwischen sechsundzwanzig und achtundzwanzig; Gilly 1896 Fesseln I 39 Wie er diese Arbeit taxierte, dauerte sie gute zwei Jahre; Presber um 1900 Untermensch 15 fühlt sich instinktiv älter, reifer taxiert, als er ist; ebd. 51 Bloß die Entfernung hat der brave Zeichenknabe, der dieses herrliche Landschaftsbild aus dem Schatze seiner üppigen Phantasie gezaubert, nicht ganz richtig taxiert und wiedergegeben; Zobeltitz 1902 papierene Macht I 16 Ich taxiere, der junge Herr Volcker ist eine harmonische Natur; Dehmel 1908 Lebensbilder (VII 71) taxierte sich sämtlich keineswegs für einen Mustermenschen; Janitschek 1912 Ehen 28 Du taxierst die Leute nicht allzu hoch, trotzdem bist Du gut, besitzest Herz; Stegemann 1913 Ewig 37 den Hof . . . mit den Augen taxieren wie ein Jud; Dtsch. Rundschau 224 (1930) 169 er seinerseits setzt sich auf einen Stuhl daneben, taxiert ihre Form, ihre Beine, hebt mit dem Reitstock . . . ihren leichten Rock sachlich empor; Voss. Ztg. 3. 6. 1931 Er taxiert die gute Wolle der Joppe; Fallada 1932 Kleiner Mann 81 der Strohwagen ist damals von einem Sachverständigen taxiert worden (WDG); Berl. Illustr. Nachtausg. 17. 8. 1933 Am Nachmittag aber hatte er schon eine gewisse Methode herausgefunden, die Geschwindigkeit der Züge zu taxieren und die Entfernungen zu messen; Lokal-Anz. 25. 7. 1934 Hier gab es am zweiten Hindernis, einem trockenen, schwer zu taxierenden Graben mit hoher Hecke dahinter, zahlreiche Ausfälle; Süddtsch. Ztg. 22. 4. 1952 Die übrigen Tischgenossen kreisten uns mit taxierenden Blicken ein; Zuckmayer 1959 Fastnachtsbeichte 17 Mit einem Blick hatte Berthel taxiert [die Gestalt einer jungen Frau]; Apitz 1960 Nacht unter Wölfen 95 noch während seine Operationsassistenten die Atemmaske auflegten, taxierte er die Geschwulste nach Längs- und Kreuzschnitt (WDG). Taxation: 1572 Statutenbuch 28" taxation der gerichtskosten (DWB); Ertel 1701 Güldne Praxis von Anschlägen, Taxation und Schätzung aller hochadligen Landgüter (Titel); 1.769 Harzmagazin 592

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Taxationsgebühren; Schiller 1769 Ökonom. Beyträge I 464 Taxation der Weine; ebd. I 467 zuverlässige Wein-Taxation; Gotting. Histor. Magazin 1 (1787) 66 das Selbsttaxations-Recht ward schriftlich fixirt; Heidelberg. Jahrb. d. Lit. 6 (1813) II 633 Anleitung zur forstlichen Mathematik und Taxation; Soden 1813 Ausführungen 74 Der Grund . . . liegt einzig in der Taxazion . . . daß die große LokalVerschiedenheit des Grund-Eigenthums . . . besondere Tax-Normen nothwendig machten; Müller 1817 Sehr. I 240 Taxation des Grundeigenthums; 1831 Jahrbücher d. Gesch. I 22ff. Taxation von Wohngebäuden zum Behufe einer Steuerregulierung; Schliemann 1867 Br. 1133 ruinöse Taxation, die alles zu Grunde richtet; Roscher 1888 Ackerbau (System II 462) die ökonomische Sicherung der Gläubiger anbefohlen, sofern sie die Grundstücke abschätzen und nicht jenseits einer gewissen Quote dieses Schätzungswerthes Darlehen darauf gestatten soll (Taxationssystem); ebd. II 465 Die thurgauischen Gemeinderäthe haften nur 3 J . lang für ihre Taxation; Berl. Illustr. Nachtausg. 16. 8. 1933 Durch diese Taxationskunststückchen begründete er die viel zu hohen Preise; NZ. (Basel) 7. 2. 1950 In den Dienst der Steuergerechtigkeit stellt sich auch die Möglichkeit der Zwischentaxation . . . bei wesentlichen dauernden Veränderungen auf Einkommen und Vermögen. Taxator: Thurneisser 1575 Archidoxa 33" Taxator; 1689 Polit. Fliegenwedel I 107 Taxatoren; 1716 Marperger BdB 377 gewisse Pfand-Taxatores (SCHIRMER, Kaufmannssprache); Schlettwein 1772 Erläuterung 52 Die vorgeschlagenen Taxatores werden also ihr und ihrer guten Freunde Interessen nicht verkennen; Wezel 1773 Tob. Knaut. I Von. XI die Strenge unsrer moralischen Taxatoren; 1202 EinschätFischer 1790 Brandenburg-Anspach zung der steuerbaren Güter, durch hiezu verpflichtete Taxatoren; 1804 Leuchs 397 Mäkler oder andere Taxatoren (SCHIRMER, Kaufmannssprache); Offenburger Tagebl. 2. 4. 1970 ich fühle den Blick . . . der sich wie ein Spinnennetz über mein Gesicht, meine Beine und andere Körperteile legt; ein Taxatorblick: Lohnt es sich? Na, mal sehen, was mit ihr los ist. Taxierer: Fulda 1788 Versuch 202 Taxirer; Bretzner 1887 Leben II 147 um wegen des Verkaufs der versetzten Pfänder Anstalt zu treffen . . . einen . . . geschwornen Taxirer zu ihm sandte, um ein genaues Inventarium mit Bestimmung des Werths fertigen zu lassen. Taxierung: Kessler 1524-39 Sabbata 34 Hiemit aber wurden sy on aller mittel vnderworfen dem Stül zu Rom / der sy dann mit järlichen

76

Team

taxierungen nach vermügen iedes berupft; Rathgeb 1592 von Kriegssachen 291 von dem mercklichen betrug vnd fehlem so hierin begangen / vnd gebraucht werden / fürnemlich dem / was in Taxierung deß jenigen / so die lehen zu contribuiren schuldig . . . reden; 1603 Blümcke 56 Taxirung der Güeter (SCHIRMER, Kaufmannssprache); vor 1661 Schuppius 757 letztlichen kombt diese vergleichung desz glücks mehr in anderer taxierung (DWB); Sonnenfels 1765 Polizei I 213 Taxirung; 1855 Prutz' Museum II 701 Massregeln zur Zwangstaxirung von Fleisch und Brot; Knies 1857 Telegraph 205 Normen für die Taxirung und Behandlung der Depeschen; Moll 1902 ärztl. Ethik 292 hat die Taxierung der ärztlichen Arbeit nach Geldeswert zugenommen; Bense 1954 Aesthetica 160 Attribute [sind] nicht nur konventionelle Taxierungen, sondern eben Modi. taxabel: Schummel 1771 Reisen I 151 taxabel; Schwemmer 1818 Taxordnung 89 in taxablen Gegenständen. eintaxieren: Hochhuth 1963 Stellvertreter 156 Wir taxieren . . . die Chance, Gehör zu finden, sehr realistisch ein ( D U D E N ) .

betaxen: Kohl 1844 Reisen E. u. W. III 84 des zu betaxenden Bürgers. taxieren 2: Murner 1512 Narrenheschw. XCVII 77 torheit der wiber hab ich taxiert; ders. 1512 Schelmenz. 47" all disz weit ist Schelmen vol, die ich taxirt in der gemein; Scheidt 1551 Grobian. 2779 ob schon die kost sei alle gut, dasz jederman sie loben thüt, so such doch wie dus künst taxieren; vor 1590 Fischart II 352 dann wer fromm ist und wol gelert, derselb ist aller ehren wert: aber die falsch und letz gelehrten sollen billich taxieret werden; Wedel um 1600 Hausb. 74 [daß er] dem hertzogen . . . seine bulerei taxiret hätte; ebd. 312 daß in den predigten keine Widersacher öffentlich oder in specie zu taxiren oder anzugreifen; 1616 Zinkgref II 90 diese königin ward von einem gesandten in ihren verfahrungen taxirt, also ob solche dem worte gottes ungemäsz weren; vor 1661 Schuppius 420 scripta satyrica, das ist Schriften, dadurch aller menschen thun, leben und wandel taxiret, gemustert und angegriffen werden (alle DWB); 1711 gelehrte Fama 469 Dieses . . . Tractätgen taxiret die unter denen . . . Christen . . . eingeschlichenen Missbräuche.

Team N . (-s; -s), Anfang 20. J h . entlehnt aus gleichbed. engl, team ( < altengl. team 'Nachkommenschaft, Familie; Gespann'); zunächst auf englische und amerikanische Verhältnisse bezogen, anfangs vor allem im Bereich des Sports in der Bed. 'Spielerpaar, -gruppe, Mannschaft' (Fußball-, Eishockey-, Vierer-, Ruder-, Herrenteam), dann in neuester Zeit zunehmend als Modewort auf andere Bereiche übertragen für 'Gruppe von meist auf einem Gebiet spezialisierten Personen, die in enger Zusammenarbeit eine Aufgabe bewältigen; Arbeitsgruppe, -gemeinschaft, Gespann; Interessengemeinschaft, Partnerschaft' (Führungs-, Arbeits-, Forscher-, Kamerateam); in Syntagmen wie ein Team zusammenstellen, führen, ein eingearbeitetes, bewährtes Team, etwas (z. B . eine Aufgabe, ein Problem) im Team bewältigen, als Bestimmungswort in Zss. wie Teamgeist (teillehnübersetzt aus engl. team spirit) und bes. Teamarbeit als Teillehnübersetzung von engl, team-work, gleichbed. mit älterem, direkt aus dem Engl, übernommenem Teamwork, auch Team(-)Work N . (-s; ohne PL), PL anfangs vereinzelt -s, für 'Gruppen-, Gemeinschafts-, Zusammenarbeit' und 'gemeinsam Erarbeitetes, Geleistetes'. Team: 1903 (Weber 1926 Max Weber 314) Football-team der Pennsylvania-Universität; Peters 1904 England 249 ein englisches . . . Team; Eberbach um 1910 Rasenspiele IV 86 Team = Mannschaft; Voss. Ztg. 3. 9. 1929 Nie vorher ist Großbritanniens Team zur Tagung des Völkerbundes mit so starker Besetzung angerückt; Berl. Illustr. Nachtausg. 19. 12. 1929 Das Gäste-Team besteht aus 9 Spielern, alles junge, große, kräftige

Sportsleute; 1930 Die Dame 2. Januarh. 40 Zum Turnier meldet sich eine möglichst komplette Tischmannschaft von zwei Spielerpaaren = Team; 1931 ebd. 2. Januarh. 36 Ein erstklassiges Viererteam, das zu den drei besten Teams des Landes zählt; Berl. Illustr. Nachtausg. 15. 6. 1933 So ist Trübsbach wegen Schadens an der Hinterachse ausgefallen, wodurch das Wanderer-Team gesprengt wurde; Lokal-Anz. 31. 10. 1937 sie [die

Team Engländer] wollen es den Italienern zeigen, wer der wahre Weltmeister ist, wie man es seinerzeit den Österreichern mit ihrem famosen „Wunderteam" . . . gezeigt hat; B. N. 28. 12. 1934 Es gilt, die leitenden Teams in derartiger Weise zusammenzuschmelzen, dass nie . . . Reibereien entstehen; NZ. (Basel) 16. 5. 1949 In Stockholm konnte man sich wirklich fragen, ob dieses Team Englands erste Repräsentative war oder ob eine zusammengewürfelte B-Selektion im Kampfe stand; Süddtsch. Ztg. 8. 9. 1949 Jakob gab zu, daß man innerhalb des Verhör-Teams gewußt habe, daß Perl besonders weit gegangen sei; NZ. (Basel) 4. 12. 1949 ein anderes Temperament wiederum ist der tatkräftige Minister de Torrente, der mit einem vortrefflichen, aus jüngeren Kräften zusammengesetzten Team am Werk ist; 1949 Wort u. Wahrheit 657 Es gibt zwei „equipes" oder „teams", die sich mit mehr oder minder grossem Recht als Wortführer der „freiheitlichen" Wählermassen gerieren; Münch. Stadtanz. 21. 4. 1950 Wir sind in unserer Firma eine Mannschaft — sozusagen ein „team"; ebd. 20. 12. 1950 Von seiner Machtfülle delegierte er so viel an seine nächsten deutschen Mitarbeiter, daß daraus eine echte Arbeitsgemeinschaft wurde, ein team, wie man heute sagt; ebd. 10. 6. 1952 Ein Team vorzüglicher, in der deklamatorischen Eigenart des dramatischen Wagner-Rezitativs wohlerfahrener Sänger überwand auch die gefährlichen epischen Längen; ebd. 4. 9. 1952 Zwei Münchnerinnen im deutschen Team (Uberschr.); ebd. 27, 1. 1953 Professor Horkheimer, der Anreger dieser Gruppenuntersuchung, die neben zahlreichen anderen Team-Arbeiten vom Institut bearbeitet wird, ist Philosoph; FAZ 14. 2. 1953 Von deutscher Seite wird dazu erklärt, daß das amerikanische Team in fruchtbarer Zusammenarbeit mit den deutschen Stellen gearbeitet habe; Süddtsch. Ztg. 24. 7. 1953 Das Fehlen des Olympiadritten . . . dürfte sich für unser Herrenteam nicht nachteilig bemerkbar machen; Neue Ztg. 26. 9. 1953 Die üppig-schöne Dorothy Lamour ergänzt wie immer glücklich das gutaufgelegte [Film-]Team; Münch. Stadtanz. 29. 4. 1954 Darüber hinaus wird der Kulturreferent sich bemühen, die Leiter der verschiedenen Institute zu einem Team zusammenzuschließen; Süddtsch. Ztg. 4. 5. 1954 Ubermächtig sei heute die Vorstellung des „Teams", der wohlverteilten Gemeinschaftsarbeit; ebd. 18. 9. 1954 Ein StädteTeam . . . unternimmt eine achtwöchige Studienreise; Darmstädter Echo 29. 12. 1954 Unsere Einstellung zum Fremdwort hat sich gewandelt: wir sind duldsamer geworden. Was man aber heute alles zu lesen und zu hören bekommt an völlig überflüssigem fremdem Sprachgut, geht nun doch zu weit. Da ist zunächst das Fremdwort „Team" . . . das der Sprache des Sportes angehört und das

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wir aus dem Englischen übernommen haben . . . Das Wort „Team" blieb aber nicht auf das Gebiet des Sportes beschränkt. Als eine Gruppe Darmstädter Pädagogen nach den Vereinigten Staaten reiste, war nur noch vom „Darmstädter Team" die Rede. In Zeitungen konnte man kürzlich lesen: Das war nur möglich, weil diese Männer an die Zukunft des Fernsehens glaubten und sich als „Team" fühlten. Unsere Aufgabe ist es, für das Fremdwort „Team" den jeweils treffendsten Ausdruck zu gebrauchen: Mannschaft, Gruppe, Gesellschaft, Vereinigung, Gemeinschaft usw.; Rosenstock-Huessy 1955 Mensch (Übers.) 69 Die Wichtigkeit unseres Gesetzes liegt darin, daß eine Gruppe auf Lebenszeit nicht einmal theoretisch das Optimum für ein „Team" in der Produktion darstellt! Das Optimum der Teamarbeit liegt weit unter der Lebenszeit eines Menschen; Süddtsch. Ztg. 6. 9. 1955 Ein Team von Fachleuten, Architekten, Stadtplanern und Verkehrs-Experten paukte . . . den neuen Plan durch; ebd. 19. 7. 1957 ein aus drei Ärzten bestehendes Team, das mit allem erforderlichen Labor-Gerät ausgerüstet ist; ebd. 8. 4. 1958 Es geht nicht mehr darum, den Willen zu brechen, es geht um die Einordnung in das Team. Bundeswehrrekruten marschieren . . . in Reih und Glied; 1958 Durch die schöne Welt Julih. Ein Schauspieler-Team der Insel-Film reiste . . . zu Außenaufnahmen für einen Werbefilm nach Oberbayern; Passauer Neue Presse 2. 10. 1958 Ein Forscherteam mit dem mannigfaltigen Rüstzeug der Gewässerwissenschaftler . . . rückte . . . in der Wernsteiner Talenge an; Süddtsch. Ztg. 20. 4. 1959 [Eisenhower] versicherte, daß er im Außenministerium mit demselben „Team" arbeiten wolle wie Dulles; FAZ 16. 5. 1959 im übrigen hat „Meerkatze" ein Team von professionellen „Stoßtruppführern" an Bord; 1959 Gong Nr. 15 o. S. Das ist keine Arbeitsgemeinschaft und auch keine Werkgruppe. Weg mit diesen verpflichtenden deutschen Bezeichnungen! Viel unverbindlicher ist Team; FAZ 16. 1. 1961 Sie fordern für die geplanten neuen Universitäten Professoren, die „gemeinschaftsbildend, ein Team schaffen, wirken können" . . . Organisierende Kraft, die ordnende Wirkung von Kristallisationskernen und Team-Geist seien ebenso wichtig; Offenburger Tagebl. 18. 1. 1961 Aus diesen Erklärungen der SPD spreche die „panische Angst vor dem erfolgreichen Team Adenauer und Erhard"; ebd. 10. 10. 1961 daß die oberste Motorradsportkommission . . .in Deutschland eine sehr geschickte und glückliche Hand bei der Nominierung dieses Teams hatte; Süddtsch. Ztg. 8. 12. 1961 Der Heilstätte steht ein ärztliches Spezialteam zur Verfügung; ebd. 28. 3. 1962 Unter der Leitung von Quizmaster Jürgen Graf . . . gewann das dreiköpfige Münchner Team;

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Team

Stuttgarter Ztg. 15. 5. 1962 Wir sind ein gut verdienendes Team junger Leute und bereisen für ein namhaftes Unternehmen das gesamte Bundesgebiet (Anzeige); Süddtsch. Ztg. 30. 6. 1962 „TeamArbeit" im Bundestag (Oberschr.); ebd. 2. 7. 1962 die Forderung nach Harmonie im Zusammenspiel zwischen Reiter und Pferd nicht zu vergessen. Das Team erschien wie aus einem Guß; ebd. 3. 11. 1964 Das mit Spannung erwartete Debüt des neuen Kölner Kertesz-Assmann-Bignens-Opernteams blieb weit hinter den daran geknüpften Erwartungen zurück; Mühlmann 1966 Weber 41 Arbeiten, wie er sie unternahm, [sind] heute nur noch im Team zu bewältigen; Offenburger Tagebl. 19. 1. 1966 Die Teamarbeit zwischen Hochbau- und Innenarchitekten ist für die Erhaltung des individuellen Bauens unbedingt erforderlich; ebd. 4. 7. 1966 Mir kam es bei der Auslese darauf an, nicht nur die besten Fußballspieler in England zu haben, sondern auch eine Mannschaft, wobei die Ersatzleute im zweiten Glied vorbehaltlos zum Team stehen; Süddtsch. Ztg. 29. 6. 1967 Das Ziel von Hans Preiskeit, dem deutschen Teamchef, ist es, möglichst viele deutsche Fahrer nach Paris zu bringen; FAZ 1. 6. 1968 Deutsche Familie . . . sucht . . . Haustochter mit vollem Familienanschluß, die unser Team, zu dem noch eine Sekretärin und zwei Assistentinnen gehören, erginzt(Anzeige);OffenburgerTagebl. 12. 1. 1970 Hohes Lob zollte Oberstaatsanwalt Dr. Brückner der guten Teamarbeit zwischen Kripo und uniformierter Polizei; FAZ 31. 1. 1970 Kurz, wir wollen ein Team [Ehe] bilden (Anzeige); 1970 Junge Wirtschaft H. 3 So und nicht viel anders dürfte es überall bei Führungsteams in der Wirtschaft . . . aussehen; FAZ 25. 3. 1970 Wo ist das Team? in dem ich „Organisationstalent, unermüdlichen Fleiß u. handwerkl. Geschick" . . . einsetzen kann? (Anzeige); Bad. Ztg. 19. 11. 1970 den Chefdramaturgen durch ein dramaturgisches Team zu ersetzen; ebd. Team-Arbeit ist nicht per Telefon und durch gelegentliche Besuche möglich; Offenburger Tagebl. 4. 12. 1970 Funk- und Fern-, sehmitarbeiter Guido Baumann, eine der Säulen des Rateteams; FAZ 25. 9. 1971 Wir suchen für unser 4-Frauen-Team einen männlichen Vorstand (Anzeige); ebd. 19. 10. 1971 Ein schlagkräftiges Verkäuferteam ist Gold wert; ebd. 27. 10. 1971 Junges dynamisches Team . . . wünscht neuen Wirkungsbereich (Anzeige); ebd. 29. 11. 1971 Die Rheinländer . . . können die Vergleiche mit den Teams des Südens in der Endrunde gelassen erwarten. Spielerisch haben sie nichts zu befürchten; ebd. 3. 1. 1972 wartet man im deutschen Tischtennis auf den Durchbruch des großen Talents, das aus dem vorhandenen „Einmannteam" eine schlagkräftige Zweiervertretung machen könnte;

Offenburger Tagebl. 14. 1. 1972 Seelsorgeteam von St. Fidelis betreut aushilfsweise Pfarrei (Uberschr.); FAZ 12. 2. 1972 Die alpinen Damenskirennen . . . haben der bundesdeutschen Mannschaft zwar keine Medaille beschert. Aber das Schlagwort vom „Ein-Mädchen-Team" ist fürs erste aus der Welt geschaffen; ebd. 14. 2. 1972 Sechs Solisten aber kein Team, suchten den Erfolg [beim Handballspiel]; Mannh. Morgen 31. 3. 1978 Finale bei den Mannheimer Eisschützen. Mit Teams von Rang und Namen (Oberschr.); Die Zeit 4. 8. 1978 Der Moderator hat, in Zusammenarbeit mit einem Team, zu bestimmen, wen er zu diesem oder jenem Thema einladen möchte. Teamwork: Kircher 1927 Fair Play 17 den eminenten sozialen und charakterlichen Tugenden, die im Begriff des Team Work, das heisst des Zusammenspiels in Mannschaften . . . begründet liegen; ebd. 109 der individuellen Sports, die nicht Team Works sind; B. N. 9. 3. 1943 Die Amerikaner sind für „team work" durchaus zu haben; 1947 Eranos-Jb. Vorw. o. S. unsere Art von Gruppenarbeit oder „Teamwork" als sinnvoll verstanden; Süddtsch. Ztg. 27. 12. 1950 Die „Guttempler" zeigten, was team-work heißt. Alle ihre Tore waren reife Früchte blitzschneller Kombinationszüge; Neue Ztg. 24. 2. 1953 Bedeutsam ist ferner, daß die Entscheidung der Preisrichter selbst in geradezu idealer Weise einen Fall von „teamwork" darstellt; Süddtsch. Ztg. 12. 5. 1953 Liebig war ein geselliger Mensch, ein Genie nicht nur des gemeinsamen Arbeitens - teamwork nennt man das heute - , sondern auch der gemeinsamen Vergnüglichkeit; ebd. 31. 8. 1953 obgleich kein ernster Psychiater mehr heute daran zweifelt, wie notwendig das sich anbahnende Teamwork mit dem Fachpsychologen und Fachpsychotherapeuten ist; ebd. 14. 6. 1954 Ein vorbildliches team-work leisteten die sieben Schweizer beim Giro; Lehmann 1955 Erforschung IV 353 das „Teamwork in Physik und Mathematik"; Arbeitgeber 20. 3. 1958 Diese Bildung könne in keinem Falle durch mögliche Formen der Zusammenarbeit - Teamwork — ersetzt werden, sondern bleibe sowohl für den Techniker als auch für den Konsumenten Sache des Einzelnen; Stuttgarter Ztg. 14. 2. 1961 Das amerikanische Erziehungssystem geht mehr als das deutsche auf die Gesamtleistung, auf die Gemeinsamkeit, das Teamwork Arbeitgeber 20. 7. 1961 Diese Zwangslage ist nicht ganz ohne positive Wirkungen, insofern es unter dem geschilderten Druck zur Bildung eines teamworks zwischen betrieblich zusammengehörigen Gruppen kommt; Süddtsch. Ztg. 28. 11. 1961 Im State Department [wird] nicht nach der Direktive eines einzelnen Beamten gearbeitet, sondern kollektiv, amerika-

Technik nisch ausgedrückt: im team w o r k ; Stuttgarter Ztg. 24. 5. 1962 Die Arbeitsmethode wird . . . weitgehend das „ T e a m w o r k " verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen, deutscher und asiatischer Gelehrter sein; ebd. 28. 11. 1962 An Stelle des klassischen Ein-Mann-Instituts der Hochschule . . . sei das Teamwork getreten; Praetorius 1963 Geheimnis 147 Es ist nicht zufällig, dass „teamw o r k " zu einer Art von rettendem Losungswort dieser Stunde geworden ist; FAZ 21. 12. 1963 Der deutsche Arzt kennt, insbesondere im Unterschied

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zum amerikanischen, kein „ T e a m w o r k " ; ZfPhil. 86 (1967) 153 Das Buch demonstriert, was „teamw o r k " in den Geisteswissenschaften bewirken kann; Stuttgarter Ztg. 8. 3. 1967 Nicht umsonst haben wir aus den USA, die schon seit langem in großen Dimensionen rechnen, den Begriff des „ t e a m - w o r k " übernommen; FAZ 10. 10. 1969 Fotografieren und Projizieren als Teamwork. Für erstklassige Dias (Anzeige); ebd. 16. 7. 1970 einen Vorsitzenden gibt es nicht mehr, um „ T e a m w o r k " auch optisch zu demonstrieren.

Technik F. (-; -en), im frühen 18. Jh. entlehnt aus gelehrtenlat. technica F. 'Kunstwesen, -dinge; Anweisung zur Ausübung einer Kunst oder Wissenschaft, Kunstlehre; Gewerbe-, Handwerkskunde' (zu technicus, griech. xexviKÖg 'künstlich, kunstvoll, -gemäß, zur Kunst gehörig, die Kunst betreffend; wissenschaftlich, kunstverständig, sachgerecht, fachmännisch; listig', zu TEXVT] '(Handwerks-)Kunst; Kunstfertigkeit, Geschick(-lichkeit), Sachverstand, auf Herstellen gerichtetes Wissen; Kunstwerk; schöne Kunst; Wissenschaft (bes. der Rhetorik); Kunstgriff, List, Betrug'; vgl. mlat. tec(h)na 'Kunstgriff, List; Handwerks-, Kunstbetrieb, Gewerbe, H a n d w e r k , Kunst; technische (Kunst-)Fertigkeit, Kenntnis; Kunstwerk'), zunächst nur als G r u n d w o r t in der Zs. Hydrotechnik, erst seit spätem 18. Jh. als Simplex, im 18. Jh. auch in der lat. (flekt.) Form nachgewiesen, l a Zuerst im Bereich der vortechnischen (Kunst-)Handwerke in der fachspr. Zs. Hydrotechnik 'Wasserbau(-kunst)' belegt als G r u n d w o r t mit der Bed. '(Anweisung zur Ausübung einer) Kunst' (vgl. 2); daneben von Anfang 18. bis ins 19. Jh. das gleichbed., aus gelehrtenlat. -technia ( < griech. xexv-) entwickelte G r u n d w o r t -technie, vor allem in der Zs. Pyrotechnie '(artilleristische) Feuerwerkskunst, Feuerwerkerei', vereinzelt auch als Simplex nachgewiesen; b Mitte 18. bis Anfang 19. Jh. im geisteswissenschaftlichen, vor allem philosophischen Bereich zur Bezeichnung des (methodisch) Kunstmäßigen, Schulgerechten in der Bed. '(Anweisung, Summe der Regeln zur Ausübung einer) Wissenschaft, Kunst', speziell bei Kant im Sinne von ' O r g a n o n der Schulmethode' für ein System von Wörtern, Begriffen, Regeln und Vorschriften, die für den logischen A u f b a u eines philosophischen Vortrags, einer Wissenschaft nötig und zweckmäßig sind; daneben vom Ende 18. (1795 bei Kinderling) bis ins späte 19. Jh. gebucht in der Bed. 'Fachwörter-, Terminologielehre; Fachwortschatz', vgl. —» Technologie 1, —» technisch 1. c Seit Ende 18. Jh. auf die (industriellen) Gewerbe und (bildenden, dichterischen u. ä.) Künste bezogen zur Bezeichnung der handwerklich-praktischen Tätigkeit des Menschen in einem bestimmten Bereich in der Bed. 'Arbeitsmethode, Herstellungsweise, -verfahren; Praktik, H a n d h a b u n g ' , und, ohne PL, '(Gesamtheit zweckmäßiger, erlernbarer) Kunst-, Handgriffe, methodische(r) Hilfsmittel und Regeln, mit deren Hilfe etwas geschaffen wird', von daher auch 'Kunstfertigkeit, Geschicklichkeit, Fingerfertigkeit', auch leicht abwertend verwendet zur Bezeichnung des bloß Mechanischen, Routinemäßigen und Manierierten einer Tätigkeit, heute auf sämtliche Bereiche des kulturellen Lebens und der gesellschaftlichen Praxis ausgedehnt

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Technik

für 'Kunst, Methode, Verfahren, mit den rationellsten Mitteln ein bestimmtes Ziel zu erreichen'; sehr häufig in Syntagmen wie eine Technik anwenden, beherrschen, sich verschiedener Techniken bedienen, handwerkliche, künstlerische Techniken, Technik des Atmens, Autofahrens, Komponierens und als Grundwort in Zss. wie Ball-, Kompositions-, Erzähl-, Schweiß-, Verhandlungs-, Schwimm-, Maltechnik (vgl. 2 b ) . Daneben seit frühem 20. J h . aus gleichbed. griech. texvt] übernommenes, bildungsspr. Techne F. ( - ; ohne PI.) 'Kunst(-geschick, -produktion), Herstellungsverfahren, -regel(n)'. 2 a Seit Ende 18. J h . , nur sing, und meist mit dem bestimmten Artikel verwendet, als Sammelbezeichnung für den modernen, im Gefolge des industriellen Fortschritts entwickelten materiellen und geistigen, auf dem Prinzip der Naturbeherrschung und der (maschinellen) Verarbeitung von (Roh-)Stoffen basierenden Kultur- und Zivilisationsbereich, speziell für die Gesamtheit der (Produktions-) Mittel, Instrumente, Verfahren und Methoden, mit denen die Natur und ihre Gesetze dem Menschen dienstbar gemacht werden, und allgemein für die Gesamtheit der Voraussetzungen, Erscheinungs- und Organisationsformen der materiellen Produktion, die Menge der Methoden und Verfahren zweckentsprechenden Gestaltens sowie die Menge der Ergebnisse dieser Tätigkeit(en) unter Berücksichtigung ihrer historisch-gesellschaftlichen und kulturellen Auswirkungen, gelegentlich als eine der Kontrolle des Menschen sich entziehende Erscheinung mit „dämonisch", „unheilvoll" und „inhuman" konnotiert, bes. in Syntagmen wie Zeitalter, Welt, Reich der Technik, die moderne Technik, der neueste Stand der Technik (vgl. —> Technologie 2); b seit Ende 19. J h . häufig als Kollektivbegriff nur auf einen bestimmten Teilbereich, eine Disziplin oder Sparte der Technik (2 a) bezogen, vor allem als Grundwort in Zss. wie A t o m - , Chemo-, Nachrichten-, Bau-, Licht-, Funk-, Meß-, Verkehrstechnik, im speziellen Sinne auch als Bezeichnung für die Ingenieurwissenschaften (vgl. l c ) ; c im 20. J h . , ohne PI., gelegentlich auch für '(maschinelle) Einrichtung, Ausstattung, Ausrüstung (eines Betriebs) in der (materiellen) Produktion, technisches Gerät, Maschinen', z. B. in Syntagmen wie (ein Labor) mit moderner Technik ausstatten, die veraltete Technik (eines Betriebs); d ebenfalls ohne PI. für 'Konstruktion, Wirkungs-, Funktionsweise, Mechanismus, technische Beschaffenheit einer Apparatur (eines Gerätes, Gebrauchsgegenstandes, Fahrzeugs, einer Maschine)', z. B. in Syntagmen wie jmdn. in die Technik einer Maschine einführen, mit der Technik einer Apparatur vertraut sein; e in neuester Zeit auch auf den mit technischen Angelegenheiten, Vorrichtungen befaßten Personenkreis bezogen für 'technischer Stab, die Techniker' (Sende-, Fernsehtechnik). Dazu in jüngster Zeit die seltene adj. Ableitung technoid 'durch die Technik bestimmt, verursacht, auf Grund der Technik'. 3 N u r regional (österr.) nachgewiesen in der Bed. 'technische Hochschule', dafür auch seit spätem 19. J h . belegtes Technikum N . (-s; Technika, auch Techniken) 'technische Fachschule, Ingenieurfachschule', gleichbed. mit älterem Polytechnikum, —» polytechnisch; regional (schweiz.) auch als Bezeichnung für eine höhere technische Lehranstalt, die in der Regel nach einer abgeschlossenen Berufslehre während einer dreijährigen Ausbildung vertiefende technische Kenntnisse in den Abteilungen Maschinenbau, Elektrotechnik, Hoch-, Tiefbau und Chemie vermittelt.

Technik Technik la: Leupold 1724 Theatrum machinarum II Vorr. o. S. Weil resolviren müssen demjenigen Tomum des Theatri Machinarum, so von Wasser und Wasser-Künsten handelt, zuerst ans Licht zu stellen, solches aber auf einmahl auszuführen allzuschwer und kostbar gefallen seyn, so habe solche Materie in etliche Tomos abtheilen und mit der Hydrotechnica oder Wasser-Bau-Kunst den Anfang machen wollen. Indem darinnen nicht nur von Ursprung des Wassers . . . sondern auch meist von allen, was aus diesen entspringen kan, dabey Maschinen und Instrumenta, Kunst und Wissenschafften nöthig sind; ebd. III Vorr. o. S. Nachdem im Theatro der Hydrotechnic oder Wasser-Bau-Kunst, meist alles . . . abgehandelt worden; 1734 Vollst. Math. Lex. 650 Hydrotechnick, s. Wasser-Bau-Kunst; Zedier 1735 Universallex. XII 1414 Hydrotechnica, siehe Architectura Hydraulica; Silberschlag 1772 Ausführliche Abhandlung der Hydrotechnik oder des Wasserbaues (Titel); ebd. II Vorr. 2f. Die Hydrodynamik ist eine Theorie die bewegenden Kräfte des Wassers zu bestimmen, und die Hydrotechnik ist eine Anweisung zum Wasserbaue . . . die Hydrotechnik . . . eignet . . . sich aus der Physik, Architektur und Mechanik andere Felder zu, so zur Hydrodynamik nicht gehören; Nose 1820 Histor. Symbola 23f. schien es zweifelhaft, welcher Ursache, ob der Hitze oder Nässe manche Erscheinung an den Basalten zuzuschreiben sei: dann bot sich ein treffliches . . . Auskunfts-Mittel dar in einer Art von Synthesis, in der (Pyro-) Technik (alle SEIBICKE). (—)Technie: 1711 (Jacobsson, Technolog. Wb. 141) Starkey erläuterte Pyrotechnie; Wolff 1716 Mathemat. Lex. 1129 Pyrotechnia, Begreiffet in sich die Geschütz- und Feuerwercker-Kunst; Hübner 1717 Natur-Lex. 1311 Pyrotechnia, bedeutet die Feuerwercker-Kunst; Walch 1726 Philos. Lex. 2077 Pyrotechnie, eine griechische Benennung, und bedeutet die Feuer-Wercker-Kunst; 1734 Vollst. Mathem. Lex. 491 Feuerwercker-Kunst, Pyrobolia, Pyrobologia, Pyrotechnia, heisset eine Wissenschaft; Zedier 1741 Universallex. XXIX 1848 Pyrotechnie, Lat. Pyrotechnia, begreiffet in sich die Geschütz-Kunst. . . und die FeuerwerckerKunst; Stahl 1748 Zymotechnia fundamentalis Einltg. VI Die Pyrotechnie oder die Kunst im Feuer 31755 zu arbeiten (alle SEIBICKE); Schmotther Vollk.-Cantzleymdßiger Schreiber u. Rechner 631" Technie, f. die künstliche Zubereitung; Eggers 1757 Kriegs-Lex. II 519 Pyrotechnie, Feuerkunst, heißt die Kunst, welche mit dem Feuer umzugehen . . . lehret (SEIBICKE); Pörner 1769 Allgem. Begriffe d. Chymie III 325 Pyrotechnie. Pyrotechnia, Pyrotechnie. Dieser Nähme, welcher aus dem

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Griechischen kömmt, und welcher die Kunst vom Feuer bezeichnet; Pfingsten 1789 Lehrbuch d. Chem. Artillerie 6 Mit der Erklärung der Nahmen Chemie oder Chymie, Pyrotechnie, Hermetische Kunst usw. wollen wir uns hier nicht aufhalten; Jacobsson 1793 Technolog. Wb. VI 801 Pyrotechnie, heißt überhaupt so viel, als Feuerkunst; 1793 Allgem. Real-Hand-Wb. 170 Zymotechnie. DerTheil der Chemie, der sich mit der Gährung beschäfftigt; Kinderling 1795 Reinigkeit d. dtsch. Spr. 104 in Rücksicht . . . des Pulvers und der dazu gehörigen Werkzeuge — Artillerie oder Pyrotechnie; 1819 Conversationslex. VII 918 Pyrotechnie, s. Feuerwerkerkunst (alle SEIBICKE). Technik lb: Zedier 1744 Universallex. XLIV 508 Technica Ingenia, heissen diejenigen, die mit allerley Kunst-Sachen zu thun haben. Wie denn Technica auf Deutsch die Kunst-Lehre in der Philosophie genennet wird; Kant 1781 Kritik d. reinen Vernunft IV 60 Da diese Eintheilung in einigen, obgleich nicht wesentlichen Stücken von der gewohnten Technik der Logiker abzuweichen scheint, so werden folgende Verwahrungen wider den besorglichen Mißverstand nicht unnöthig sein (SEIBICKE); Kraus 1781 Entwurf d. philos. Wiss. 13f. Wir glauben also, daß wir auch die physisch praktische Philosophie in die mechanische oder Künstler Philosophie (Physica technica) und in die ökonomische, oder die Haushaltungs Philosophie (Physica oeconomica) mit allem Rechte zergliedern sollten. . .Technica. . . Oeconomia (SEIBICKE); Kant 1800 Logik VI 376 Der Vortrag desselben [eines moralischen Prinzips] (die Technik) darf eben nicht allemal metaphysisch und die Sprache scholastisch sein, wenn jener [der Lehrer] den Lehrling nicht etwa zum Philosophen bilden will (SEIBICKE); ebd. IX 18 [Die allgemeine Logik ist] als praktisch betrachtet [nichts weiter als eine] Technik der Gelehrsamkeit überhaupt, ein Organon der Schulmethode . . . die Art und Weise, eine Wissenschaft zu bauen (SEIBICKE). Technik lc: Kant 1790 Kritik d. Urteilskraft V 303 Kunst als Geschicklichkeit des Menschen wird auch von der Wissenschaft unterschieden (Können vom Wissen), als praktische vom theoretischen Vermögen, als Technik von der Theorie (wie die Feldmeßkunst von der Geometrie); ders. 1790 (Eisler 1930 Kantlexikon 528) Der ursprünglich aus der Urteilskraft entspringende Begriff ist . . . der von der Natur als Kunst, mit anderen Worten der Technik der Natur in Ansehung ihrer besonderen Gesetze; Schiller 1792- 94 S. W. V 411 Der Technik gegenübergestellt, ist Natur, was durch sich selbst ist. Kunst ist, was durch eine Regel ist. Natur in der Kunstmäßigkeit, was sich selber die

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Technik

Regel gibt — was durch seine eigene Regel ist (alle SEIBICKE); ders. 1793 Anmut (17) 320 Die Schönheit selbst nämlich muss jederzeit ein freier Natureffekt bleiben, und die Vernunftidee, welche die Technik des menschlichen Baues bestimmte, kann ihm nie Schönheit erteilen, sondern bloss gestatten; Jean Paul 1804 Vorschule V 87 Sogar die sogenannte Unregelmäßigkeit z. B. der italienischen Oper, der spanischen Komödie ließe sich da bloße Technik nicht die Geisterwelt des Dichtens in eine alte und eine amerikanische neue entzweizuschneiden vermag - mit antikem Geist erfüllen und bewegen (SEIBICKE); Goethe 1805 Über Magdeburger Kunstsachen XL VIII 241 Verkünstelt in allem; in der Architektur, der Disposition, den Figuren, den Zierrathen. Ein Muster des Misbrauchs einer hochgekommenen Technik (SEIBICKE); ders. 1806 Br. XIX 119 wobey es besonders merkwürdig bleibt, daß wir Gedichte [in Hexametern] von der vollkommensten Technik erleben, welche völlig ungenießbar ist (SEIBICKE); Jean Paul 1806 Levana V 180 Die sittliche Technik wie Ordnung, Reinlichkeit, Höflichkeit, hat in größern Werken schon ihre Lehrer gefunden (SEIBICKE); Goethe 1807 (N X 328) Wie denn ja der Maurer selbst, wenn er Steine, Ziegel und Kalk zusammenbringt, bei seiner menschlichen Technik halb mechanisch, halb chemisch verfährt (SEIBICKE); ders. 1808 Farbenlehre (N1237) Da nun zu mancherlei Gebrauch ein reinliches Weiß höchst nöthig und angenehm ist . . . weil auch ferner . . . das Hauptfundament der ganzen Färberei weiße Unterlagen sind: so hat sich die Technik, theils zufällig, theils mit Nachdenken, auf das Entziehen der Farbe aus diesen Stoffen so emsig geworfen (SEIBICKE); ders. 1808 (N III 138) Weniges gelangt aus der Vorzeit herüber als vollständiges Denkmal, vieles in Trümmern; manches als Technik, als praktischer Handgriff (SEIBICKE); ders. 1808 Nachträge z. Farbenlehre (N XIII 114) Die Vernunft ist die Kunst der Künste, die Hand die Technik alles Handwercks (SEIBICKE); ders. 1808 Farbenlehre (N IV 285) Da mir aber . . . was die Technik des rhythmischen und prosaischen Stils betraf, nichts Brauchbares, weder von den Lehrstühlen noch aus den Büchern entgegenkam (SEIBICKE); ders. 1810 Br. XXI 416 Unser Kupferstecher . . . übertrüge wohl eine und die andere [Zeichnung] auf die Platte, allein es ist dabey bedenklich, daß gerade das Verdienstliche Ihrer Zeichnung so außerordentlich zart ist, daß es kaum noch einmal und mit einer anderen Technik hergestellt werden könnte (SEIBICKE); Behr 1810 Staatslehre 104 der möglichsten Zweckmässigkeit in der Form und Technik der Verwaltung; Goethe 1811 D. u. W. XXVI 75 [Das Puppentheater] hat

. . . auf sehr mannichfache Weise bei mir das Erfindungs- und Darstellungsvermögen, die Einbildungskraft und eine gewisse Technik geübt und befördert; ders. 1812 (G II 159) Wer die Technik nicht versteht, kann über poetische Produkte nicht schreiben (SEIBICKE); ders. 1818 (XLIX180) Die Mühe einer solchen Ausführung [Kölner Domriß] aber ist so groß, daß sie kaum jemand zum zweitenmal unternehmen würde, wenn Technik und Handwerk nicht eingreifen und durch die ihnen eigenen Hülfsmittel in einer gewissen Folge die Behandlung erleichtern (SEIBICKE); ders. 1819 West-Ostl. Diwan VII 106 Bedenken wir nun, daß poetische Technik den größten Einfluß auf jede Dichtungsweise nothwendig ausübe (SEIBICKE); Schopenhauer 1819 Welt II 112 Logik, Dialektik und Rhetorik gehören zusammen indem sie das Ganze einer Technik ausmachen; Goethe 1820 Br. XXXIII 270 wie . . . die englischen Druck- und Bildwerke . . . das alles durch die herrlichste Technik an Tag bringen und verkäuflich machen (SEIBICKE); Humboldt 1822 Nationalcharakter IV 433 In jeder Sprache sind, ausser der Bezeichnung der wirklichen Gegenstände des Denkens und Empfindens, Bestandt e i l e , die nur der Verknüpfung, der grammatischen Technik angehören; 1826 Kunst-Blatt 35 Die Farben. Ein Versuch über Technik alter und neuer Mahlerey; Goethe 1827 Gespr. m. Eckermann 158 Es ist verwunderlich . . . wohin aufs höchste gesteigerte Technik und Mechanik die neuesten Componistsn führt; ihre Arbeiten bleiben keine Musik mehr (SEIBICKE); ders. 1828 Br. XLIV 23 dabey wünscht er mit mir und allen Kunstfreunden, Sie mögen sich auf's eifrigste der Technik, dem eigentlichen Handwerke hingeben. Denn die durch Übung zu- erlangende Fertigkeit ist es eigentlich, die das Talent endlich zur Meisterschaft erhebt (SEIBICKE); Müller 1830 Archäologie 365 Von der Technik der alten Kunst. Erstens das Verfahren, wodurch überhaupt dem menschlichen Auge der Eindruck einer Form durch eine gewisse Gestaltung des dem Künstler gegebenen Stoffes verschafft wird . . . welches wir die optische Technik nennen wollen. Zweitens das Verfahren, wodurch die durch optische Technik bestimmte Form in einem besonderen Stoffe . . . durch Auftragen oder Verändern der Oberfläche hervorgebracht wird: welches hier mechanische Technik genannt wird; 1858 Kunst u. Handwerk I 335 dass Wagner nicht die nöthigen Fachkenntnisse, die Technik, „das Zeug" besitze, um wirklich der große Componist zu sein; Riehl 1861 Land 125 Daher liegt jetzt der großen Menge der Wahn so nahe, daß der Glanz handwerklicher Technik am Kunstwerke das Kunstwerk selber sey. Dieser Wahn, der den idealen Gehalt des Künstlerthumes

Technik zur Magd der Technik erniedrigt, findet in dem ganzen Kunsttreiben der Großstädte unglaublich Nahrung; ders. 1861 Ges. 389 Die Männer der bildenden Kunst, welche durch die ganze Technik ihres Kunstbetriebes gezwungen sind, auf dem festen Boden des Handwerks zu stehen; Brendel 1867 Geist und Technik im Clavier-Unterricht (bzw. -Spiel) (Titel) (SEIBICKE); Stein 1872 Heerwesen 92 Technik der Armeeleitung; Spielhagen 1883 Beiträge zur Technik des Romans (Titel); Bächtold 1883 Kl. Sehr. 284 Mit der sogenannten „Technik des Dramas" und anderen dramatischen Kochbüchern hat er sich kaum abgegeben, sondern ist frischweg an die Arbeit gegangen; Ihering 1884 Zweck i. Recht I 317 Technik der Staatskunst; Ditthey 1892 (VI 284) dass die Technik des Dichters immer nur der Ausdruck einer geschichtlich begrenzten Epoche ist; Riegl 1893 Stilfragen Einltg. VII Das Wort „Technik" erwies sich als äusserst geduldig, man fand, dass die Ornamente in verschiedenen Techniken darstellbar waren . . . Die „Technik" wurde . . . zum beliebtesten Schlagwort; im Sprachgebrauch erschien es bald gleichwertig mit „Kunst" und schliesslich hörte man es sogar öfter als das Wort Kunst. Von „Kunst" sprach der Naive, der Laie; fachmännischer klang es, von „Technik" zu sprechen; 1896 Grenzboten I 429 In der Dramatischen Handwerkslehre von Avonianus haben wir eine „Technik" des Dramas vor uns; Polenz 1900 Liebe 31 Anfangs hatte ihr die Technik des Stickens . . . einige Schwierigkeiten gemacht; Lipps 1903 Ästhetik I 2 physiologische Technik, d. h. die ärztliche Praxis; Ompteda 1909 Excelsia 229 Gedanken über die „Technik des Felskletterns"; Schmitz 1911 Brevier 227 Der Baedeker oder Technik des Reisens; Technik u. Wirtschaft 7 (1914) 509 Daß z. B. der Ausdruck „Technik" die handwerksmäßige Seite sowohl auf nützliche als auf schöne Werke gerichteter menschlicher Tätigkeiten umfaßt, würde auch eine moderne Definition der Technik noch immer zu berücksichtigen haben; 1916 Deutschland II 563 gegenüber diesen Temperamenten vertrat er die liberalen Ausdrucksformen der politischen Technik. Als solcher verstand er die landesübliche Kunst, realpolitische Ziele mit banalen und humanen Allgemeinheiten zu verkleiden; Ermatinger 1921 Kunstwerk 307 wie sich innerhalb dieser drei Richtungen [Lyrik, Epik, Drama] das Erlebnis durch die äussere Form oder den Stil ausspricht (den Ausdruck Technik vermeide ich, weil er in eine materialistischmechanistische Schicht des Denkens führt); Förster 1922 Ethik 33 Während doch die ganze Leistung des militärischen Berufes auf der „Technik des Kommandos" beruht; Müller-Freienfels 1923 Psych, d. Kunst II 231 Als dichterische Technik im

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besonderen Sinn pflegt man vielfach die geistige Beherrschung grosser Zusammenhänge, alles das, was man als „Komposition" bezeichnet, anzusprechen. Wir haben Werke genug, die sich fast als Lehrbücher darbieten, aus denen man die „Technik des Dramas", die „Technik des Romans" erlernen kann; Der Berg 1 (1923) 169 in der Art (Technik) des Bergüberwindens; ZfMenschenkunde 1 (1925) 71 Jeder Analytiker will als Arzt dem Kranken helfen, demgegenüber er seine Kunst anwendet. Um dabei mehr zu geben als ein Buch, muß er außer „Technik" und „Wissen" stets auch seine Menschlichkeit einsetzen; Bahr 1925 Liebe I 219 Mit einer Technik, die heute jeder hat, der überhaupt Klavier spielt, konnte man vor Jahren noch ein „Pianist" sein; Cassirer 1925 Philos. II 273 Die Magie ist ihrer Grundform nach nichts anderes als eine primitive „Technik" der Wunscherfüllung; Spranger 1927 Lebensformen 145 Ein Gemälde . . . besteht aus Holz, Leinwand, Farben; zu seiner Herstellung gehört eine gewisse „Technik" der Hand und eine „Technik" der Farbengebung; NZ. (Berlin) 3. 6. 1928 Um die Körperkräfte ausnutzen zu können, muß man etwas anwenden, was die Rennfahrer Technik nennen und wie ein Geheimnis hüten; Lauckner 1928 Krisis 103 Du hast im Lügen eine grössere Technik; Preuss. Jahrbücher 215 (1929) 365 Technik des ehelichen und Liebes Verkehrs; 1930 Uhu Febr.-h. 39 Es gibt eine Technik des Spannenden; Berl. Illustr. Ztg. 1930 Nr. 38 Er selber tanzte leidenschaftlich gern . . . Gleitflugtechnik nannte Leore Lenia seine Manier; Voss. Ztg. 13 . 2. 1930 Was ursprünglich als ein taktisches Mittel der Verhandlungstechnik gedacht war, erstarrte aber mehr und mehr zu der Phrase; ebd. 9. 3. 1930 nimmt die Ausführungs-Technik [im Diskuswerfen] noch einen breiten Raum für Variationen ein; ebd. 16. 12. 1930 Darum gibt es keine „Technik des Dichters": es gibt nur eine Technik, wie man die rätselhaften Spannungen der Schöpfermacht zu halbdichterischen Gebilden nachträglich überwindet; Ernst 1930 Romant. Gesch. 29 einen geschickten Kammerdiener, der die Techniken und Listen der Liebesabenteuer beherrschte; Hirsch 1931 Wirtschaftskrise 78 In der Wirtschaft muss die Willensrichtung des Menschen dahin gehen, dass er vom Unterworfensein unter das wirtschaftliche Naturgeschehen zur bewusst lenkenden Wirtschaftstechnik kommt; 1931 Dtsch. Welt 20 zu beachten ist, daß Theo Blum als Radierer nicht mit der üblichen Ätztechnik arbeitet; Voss. Ztg. 1.1. 1931 daß die Schwünge im Höchsttempo . . . von allen Fahrern auch ganz gleich gefahren werden: in der sogenannten „Arlbergtechnik"; ebd. 19. 7. 1931 Sie versucht ihr Leben überlegen zu formen - eine „Technik

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der Liebe" zu erlernen; Dtsch. Rundschau 57 (1931) 79 Im Altertum bezeichnete Technik oder besser gesagt „Techne" ganz einfach die Methoden oder die Verfahren, mit Hilfe deren gewisse Ziele und Zwecke im werktätigen oder künstlerischen, im geistigen oder sprachlichen Sinne angestrebt wurden. Das heißt mit anderen Worten: die Beschäftigung mit Maschinen, die Chemie, Weberei, die Gewerke und Künste insgesamt wurden nicht so, wie sie als Ganzes waren, als Technik angesehen, sondern jedes dieser Handwerke und Gewerbe besaß eine Reihe von Methoden, Verfahren, „Techniken". Diesen Sinn hat denn auch das Wort Technik neben dem heutigen Sinn beibehalten; Lokal-Anz. 4. 1. 1933 Das trug ihm ein paar Jahre Gefängnis ein, aber über seine „Technik" bei den Diebstählen schwieg er sich aus; ebd. 8. 2. 1933 [Der] Landesgeschäftsführer . . . erörterte die Technik im kommenden Wahlkampf; ebd. ¡5. 3. 1933 Ganz hervorragende Springer in dieser Technik sind die Partenkirchener Hans Ostler und Toni Bader . . . Man konnte diese neue Technik bei einem Springen an der Partenkirchener Kochelbergschanze beobachten; Berl. Illustr. Nachtausg. 21. 6. 1933 Sie ist eine vielseitige, anmutige Künstlerin, die mit verblüffender Technik mehrere Instrumente beherrscht; Lokal-Anz. 27. 8. 1934 mit der ganzen Meisterschaft seiner ausgefeilten Schlagtechnik und sonstigen boxerischen Mitteln; Lerchenfeld 1935 Erinn. XIII den Mann von Welt; denn man braucht ihn vor allem auch im Verkehr der Völker, und die Technik der Gesellschaft wird als Voraussetzung menschlichen Zusammenlebens immer bestehen; 1935 Bundestumztg. 265 die Verfeinerung der Ausführungsweise der [sportlichen] Übungen („Technik" sagt man mit einem überflüssigen Fremdwort); Münch. N. N. 25. 9. 1940 Martin Piper spielte mit ausgezeichneter Technik Chopin; ebd. 22. 7. 1942 Es sei selbstverständlich, daß . . . die Technik des Staates den Fachmann verlange; ebd. 22. 1. 1945 Sein Hauptwerk „Die Technik der Knochenbehandlung im Frieden und im Kriege"; Staiger 1945 Meisterwerke 26 Vom Meister kann ein Schüler lernen; und was er lernen kann, sich Regeln, ist die Technik seiner Arbeit; NZ. (Basel) 3. 4. 1950 Der Begriff „Stil" [im Sport] stammt aus einer Zeit, als zwischen „Stil" und „Technik" der wesentliche Begriffsunterschied noch nicht festgelegt war . . . Technik ist der auf Grund der mechanischen Naturgesetze erfolgende Bewegungsablauf; Neue Ztg. 20. 9. 1951 Die Technik der Demokratie hat ihre'Grenzen; Fechter 1955 Menschen 11 wie sie [Sänger] ihre erlernte Technik in lebendigen Ausdruck umsetzen; Süddtsch. Ztg. 26. 8. 1955 Nichts wissen von Schiffbruch und Ozean, sondern mit halbgeschlossenen

Augen von Planke zu Planke zu schwimmen, als wär's im Schwimmbassin, das nenne ich Lebenstechnik; Gehlen 1957 Seele 8 Entlastungstechniken, die auf Organentlastung, Organausschaltung . . . bezogen sind; Süddtsch. Ztg. 20. 7. 1957 Das zeigt aber nur, wie tief wir auf dem deutschen Theater in jener Sprachbewältigung, die mehr ist als Sprechtechnik, heruntergekommen waren; ebd. 10. 5. 1958 Die Technik des Kalten Krieges besorgt die selbst da noch unerläßliche Erwärmung der Beziehungen durch zweiseitige Abkommen; 1961 Unterscheidung 38 Bemühungen der Romanschreiber, die „Technik" der Erzählkunst viel raffinierter und verwickelter zu gestalten; Süddtsch. Ztg. 29. 8. 1962 Nach vierjährigem Auf und Ab mit der Berlinkrise sollte eigentlich die Einsicht in die Mechanik dieser Krisentechnik gewachsen sein; 1962 Landarzt 2 Die Beherrschung dieser Techniken [des Arztes] bedingt dauernde Übung, Erfahrung und Geschicklichkeit; Stuttgarter Ztg. 15. 3. 1969 Hartmann erreicht in den mit strukturellen Akzenten leicht durchsetzten, technisch virtuos gemeisterten Mischtechniken eine überraschende Sensibilität in der farbigen Instrumentation; Die Zeit 30. 6. 1978 wir müssen in den Vereinen und in der Nationalmannschaft wieder stärker die Technik in den Vordergrund stellen. Techne: Hoche 1927 Wellenbewegungen 19 in einer „Techne" des schauenden Bewußtseins; Borchardt 1928 Handlungen 63 Die Muse der bildenden Künstler heisst nicht Muse, sie heisst Techne; Archiv GMedizin 24 (1931) 3 dass die Geschichte der Medizin die Geschichte einer Techne, eines Handwerks ist; Dtsch. Rundschau 57 (1931) 79 Im Altertum bezeichnete Technik oder besser gesagt „Techne" ganz einfach die Methoden oder die Verfahren, mit Hilfe deren gewisse Ziele und Zwecke im werktätigen oder künstlerischen . . . Sinne angestrebt wurden; Hellpach 1944 VPs 114 Auch die „Techne", dieses Urgut der Menschen, nimmt seinen Weg zur Menschheit mit seinen Einzelerrungenschaften aus den Völkern; Leibbrand 1946 Homines 72 Techne, die bei ihm Regel, Richtungslinie für das Tun bedeutet; Joos 1955 Tyche. Physis. Techne. Studien zur Thematik frühgriechischer Lebensbetrachtung (Titel); Bense 1958 Ästhetik 19 dass die Griechen bis zu Aristoteles mit dem Begriff der techne das Herstellen-könnert sowohl im Bereich des Handwerks wie der bildenden Kunst als auch der Wortkunst bezeichnet . . . haben. Technik 2a: Boehmer 1791 Über die Grubenförderung. Ein Beitrag zu Technik und Haushalt (Titel); Novalis 1798-1802 Sehr. III 198 Architektonik. Sollte nicht die Kristallisation, die Naturarchitek-

Technik tonik und Technik überhaupt — Einfluß auf die frühere Baukunst und Technik überhaupt gehabt haben?; ebd. 1799 (IV 263) Seit zwei Monaten ist alles bei mir ins Stocken geraten, was zum literalen Wesen gehört., Nicht drei gute Ideen habe ich in dieser geraumen Zeit gehabt. Jetzt lebe ich ganz in der Technik, weil meine Lehrjahre zu Ende gehen, und mir das bürgerliche Leben mit manchen Anforderungen immer näher tritt (alle SEIBICKE); Jenisch 1800 Geist u. Charakter II 24 Reich der Technik; Goethe 1808 (N V 261) Er [Lord Bacon] kommt in eine noch halb dunkle Zeit, wo die Medicin, die Alchimie, die Magie, selbst die Technik sich noch gern ins Geheimniß hüllt (SEIBICKE); ders. um 1812 D. u. W. XXIX 77 Wenn die nordischen freien Reichsstädte auf einen ausgebreiteten Handel, und die südlichem, bei zurücktretenden Handelsverhältnissen, auf Kunst und Technik gegründet standen, so war in Frankfurt am Main ein gewisser Complex zu bemerken, welcher aus Handel, Capitalvermögen, Haus- und Grundbesitz, aus Wissen- und Sammlerlust zusammengeflochten schien (SEIBICKE); Fries 1818 Philos. I 142 Die Beherrschung der äussern Natur gibt der Gesellschaft alle Aufgaben der Technik, d. h. des Landbaues, der Gewerbe und des Handelsverkehrs, als Aufgabe des Nährstandes unter dem Gesetz der Theilung der Arbeit, in den bürgerlichen Ständen, unter der Leitung des Naturablaufes durch die Einsicht des Geistes; Koelle 1822 System der Technik Vorr. III Das wissenschaftliche Bestreben der neueren Zeit, welches sich über alle Gegenstände der menschlichen Forschung verbreitete, hat sich mit dem glücklichsten Erfolge auch auf das Gebiet der Technik erstreckt; ebd. 14 Diese Thätigkeit, welche die Unterwerfung der Natur zum Zwecke hat, bezeichnet das Wort Technik; ebd. 18 Die höchste gegenwärtige Aufgabe für die Technik ist, die angefangene Amalgamation mit der Wissenschaft zu vollenden. Die Wichtigkeit dieser Tendenz ergiebt sich aus der Betrachtung, daß beide von entgegengesetzten Gesichtspuncten ausgehen, die Technik von der Erfahrung und mit der klarsten wissenschaftlichen Ansicht, als Resultat des Ganzen, schließend; ebd. 25 Die Technik befreundet den Menschen mit der Natur. Dadurch entstehen Gebilde, zu denen die Natur den einen Factor hergiebt — den Stoff, und der Mensch den anderen - die Arbeit; ebd. 31 Eine weitere Entwicklung findet nicht statt, sondern alles, was die Technik noch ferner thun kann, ist die Vereinfachung des Prozesses, so daß am Ende ihre Production eben so gesetzmässig werde, wie die Natur; ebd. 31 f . Die Herstellung des Gleichgewichtes zwischen Erde und physischem Dasein heißt Geschichte der Technik, desjenigen-zwischen

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physischem und geistigem Daseyn: Culturgeschichte (alle SEIBICKE); Goethe 1825 Br. XXXIX 68 [jemanden] dem Strudel einer Hauptstadt und einer höchst bewegten Technik zu übergeben (SEIBICKE); ders. 1828 (XLIX 133) Gedachtes Programm belehrt uns von der umfassenden Sorgfalt, womit jener Staat [Preußen] sich gegen die unaufhaltsam fortstrebende Technik unserer Nachbarn in's Gleichgewicht zu stellen trachtet (SEIBICKE); ders. 1829 Gespr. m. Eckermann 559 Gymnasien und Schulen für Technik und Industrie sind im Uberfluß da (SEIBICKE); Knies 1857 Telegraph 246 Fortschritte in der Technik; 1864 V'j'schr. Volkswirtschaft III 33 Uber die Unterscheidung der Technik von der Wirtschaft; Kapp 1877 Grundlinien einer Philosophie der Technik (Titel); Bahr 1893 Dora 23 Die Zukunft gehört der Technik; 1895 Bayerns Großindustrie 11 Nürnberg . . . ein Platz der Grosstechnik; Halbe 1896 Lebenswende 46 unserer modernen Technik; Blume 1899 Wehrkraft 15 Trotz aller Fortschritte der Technik ist daher eine schwere Belastung des Soldaten im Kriege unvermeidlich; Richter 1909 kunsterz. Ged. 35 Ein Jahrhundert der Technik, der Elektrizität, des Dampfes, der Maschine, der Weltpolitik, der Kolonisation, des Verkehrs und der Wissenschaft; Schmidt 1909 Mönch 241 Das Zeitalter der Technik; Technik u. Wirtschaft 7 (1914) 527 Es liegt nahe, in der Technik die Peitsche jener vermeintlich unseligen modernen Kulturbestrebungen zu erblicken . . . die Technik ist der Inbegriff werktätiger Arbeit, der Schaffenskraft und des Fleißes; 1925 THKarlsruhe 531 [daß] • die Wissenschaft von der Technik bis heute noch nicht ernstlich zum Gegenstande erkenntniskritischer Untersuchungen gemacht worden ist; Keyserling 1926 Welt 25 Siegeszug der Technik; Spranger 1927 Lebensformen 362 Die Technik als eine gesonderte Erscheinung des kulturellen Lebens; B. Z. am Mittag 26. 11. 1929 Welche Aufgabe . . . die stählernen Nervenstränge eines riesigen Industriewerkes bloßzulegen, den vernickelten Leib des stoßenden, stampfenden, brüllenden, im Tempofuror rasenden Wundertieres Technik zu durchleuchten; Erhard 1929 Weg 4 Die Technik ist eben nicht bloß angewandte Naturkunde, sie ist vielmehr eine gestaltende Wissenschaft, die ihren eigenen Entwicklungsgang verfolgt; B. Z. am Mittag 18. 10. 1930 Der Ingenieur . . .spricht von der „wildgewordenen Technik", die, zum Selbstzweck geworden, heute den Fernen Osten zu verheeren beginnt, wie sie Europa an den Rand des Abgrundes gebracht hat; ebd. Die Philharmonie ist noch nicht dahinter gekommen, wie man die Technik benutzt, um eine Menschenstimme in ihrem großen Saal überall verständlich zu machen; Diesel 1930 Völkerschicksal 15 unsere . . . Behaup-

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tung dass die Zersetzung der alten Formen und Zustände im wesentlichen eine Folgeerscheinung der Technik ist; Dtscb. Rundschau 7 (1931) 79 Nennt man aber heute das Wort Technik ganz zusammenhangslos, so stehen Maschinen, Industrie, Verkehr usf. vor unserem Auge. Ein solcher, alle Gewerbe und Tätigkeit als solche und ohne Beachtung ihrer speziellen Verfahren umfassender Begriff fehlte somit in der vergangenen Zeit. Um die Verfahren der sich ausbreitenden Gewerbe in einem wissenschaftlichen Sinn zu umreißen, verwendete man allmählich das Wort „Technologie". Jedenfalls ist für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts der Begriff „Technik" in der modernen Verwendungsart noch kaum nachzuweisen, wenn auch Goethe das Wort zuweilen mit modernem Anklang auszusprechen schien. Aber dem ganzen 19. Jahrhundert fehlte trotz seiner Dampfmaschinen ein modernes Empfinden im Sinne des unsrigen, aus dem heraus ein weitumfassender Begriff „Technik" sich hätte bilden können. Es ist reizvoll, in der unserer modernen „Technik" vorausgehenden Epoche nach den Begriffen zu forschen, die unserem Worte stammesgeschichtlich zugrunde zu liegen schienen; Der Montag 21. 3. 1932 Aber eine Sprache verstehen sie, das ist die Sprache der Technik. O b man ihnen die Einrichtungen der A E G oder von Siemens zeigt; Voss. Ztg. 5. 12. 1933 Wunder der Technik? Für den Ingenieur sind das alles keine Wunder; Lokal-Anz. 18. 7: 1934 Vergißt er nicht, daß jener Begriff, dem wir schlechtweg den Namen „Technik" gegeben haben, nahezu ein lebendiges Wesen ist; ebd. 2. 11. 1934 der Technischen Hochschule Berlin. Es ist die Stätte fleißiger Arbeit, die zur Entwicklung der deutschen Technik Gewichtiges beitrug; Dtscb. AZ. 9. 1. 1935 In der Tat ist die Technik ganz allgemein für den Aufbau jeden Staates erforderlich . . . Ein technikfeindlicher Staat wäre verurteilt, sich selbst . . . dem Untergang zu überliefern; Niethammer 1943 Wesen der Technik 10 Mit Rundfunk und Film tritt die Technik als politische Tatsache und kulturbildende Kraft in Erscheinung; ebd. 45 Der Einbruch der Technik ist eine Revolution, die industrielle Revolution, sie ist mit keinem andern Vorgang in der Geschichte zu vergleichen; 1949 Dies Univ. I 3 Naturwissenschaft wird als Technik Instrument der Macht; Diesel 1950 Jahrhundert 23 Die ganze moderne Technik ist ja erst 150 Jahre alt; Röpke 1950 Mass 231 dem fatalistischen Glauben an eine Dämonie der Technik; Süddtsch. Ztg. 2. 6. 1951 Die Technik, die unser Zeitalter beherrscht, wird immer noch größeres Gewicht erlangen müssen, wenn die Verbrauchermassen ausreichend versorgt werden sollen \ebd. 9. 6. 1953 Auf dem Grunde dieser Personifizierung einer

Sache findet der Psychologe einen TechnikMystizismus; Müller 1954 Mars 19 [die Menschen] in das . . . Netz ihrer seelenlos gewordenen Technik zu verflechten; Guardini 1954 Verantwortung 79 Die Technik besitzt die Menschen nicht nur leiblich, sondern auch geistig; RosenstockHuessy 1955 Mensch (Übers.) 159 Jedes Betriebes Lebensdauer wird vom Ganzen her bestimmt; sie wird ihm zugemessen, je nachdem seine Rohstoffe, seine Verfahren, sein Standort dem Stand der Technik entsprechen; 1955 Sociologica 147 Ziel dieses Denkens . . . die „Befreiung der Technik" von der menschlichen Begrenztheit; Jordan 1956 Aufstand 84 In den Jahren nach dem 2. Weltkrieg sind bei uns in Deutschland dem Thema „Mensch und Technik" düstere Betrachtungen gewidmet worden; ebd. 101 künstliche Welt der totalen Technik; ebd. 102 Schlagwort „Dämonie der Technik"; Süddtsch. Ztg. 8. 4. 1958 in Amerika ist die Technik eben zuerst für den Menschen da; in der Sowjetunion gilt das Dogma vom Primat der Technik, dem sich der arbeitende Mensch zu unterwerfen hat; Middendorf 1959 Soziologie 150 uns [Deutschen] fehle die „Humanisierung der Technik"; Offenburger Tagebl. 28. 10. 1959 Technik Segen oder Fluch? Das ist eine Schicksalsfrage unserer Zeit; Niebelschütz 1961 Spiel 107 der Technik als eines von luziferischen Kräften regierten Phantoms, das in entsetzlicher Automatik mit uns davonrast; Arbeitgeber 5. 4. 1961 Voreingenommenheiten sind abgebaut worden über Schlagwörter und Modephrasen wie „Dämon Technik" oder „Moloch Wirtschaft"; Becker 1962 Quantität 251 [die] Technik stellt zugleich die grosse Chance und die grosse Gefahr der modernen Welt dar; Stuttgarter Ztg. 5. 9. 1964 Nur das Bessere auf dem Gebiet der Technik muß von Fortschritten in den anderen Lebensbereichen begleitet werden; Universitas 3 (1970) 271 Es ist Technik, die herrscht, der wir uns als Konsumenten unterwerfen . . . mag man diesen Zustand unsrer Welt Technokratie oder objektivierter — Technostruktur oder Technologie nennen (MÜLLER); Offenburger Tagebl. 7. 3. 1970 Die Technik ist unser Schicksal. Es ertragen kann aber nur, wer sich dieses Schicksals bewußt wird; Die Zeit 31. 3. 1978 Was soll wachsen? Muß aus Gründen der Solidarität Arbeit anders verteilt und die Arbeitszeit gekürzt werden? Gibt es sinnvolle Grenzen der Technik?

Technik 2b: Jahrbücher d. dtsch. Armee 109 (1898) 23 Die Technik der Waffen ist zu einer Vollendung gelangt; Zukunft 65 (1908) 241 Man hat dort mit Treibhaustechnik [aus] Ruinen neues Leben entblühen lassen; Kretzer um 1910 Stehe auf 33 So etwas interessiert mich ungemein, schon aus

Techniker Gründen der Flugtechnik; Voss. Ztg. 13. 6. 1930 Obwohl die moderne Verkehrstechnik vielerlei ermöglicht, so kann der heutige Epiker doch nicht mehr von Stadt zu Stadt ziehen; ebd. 16. 9. 1930 Außerdem aber gibt die moderne medizinische Technik jetzt auch weiten Kreisen die Möglichkeit, die Kinderzahl zu begrenzen; ebd. 9. 12. 1930 Durch die technischen Möglichkeiten unserer Zeit, vor allem durch den Stand der Bewässerungstechnik, sind heute riesige Gebiete erschlreßbar; Lokal-Anz. 22. 7. 1933 In unserer Zeit hat sich die Konservierung von Fleisch, Obst und Gemüse zu einer ganzen Industrie ausgestaltet, die vornehmlich durch die Kältetechnik zu einem gewaltigen Aufschwung gelangt ist; ebd. 5. 4. 1934 Pionier der Funktechnik gestorben (Oberschr.); ebd. 23. 9. 1934 war der Straßenbau eine hochentwickelte Massentechnik von dort ab, wo das staatliche und politische Leben bedeutendere Formen gewann; Weigel 1952 Grundziige der Lichttechnik (Titel); Offenburger Tagebl. 17. 9. 1962 für deren Bewohner heute nicht zuletzt durch die Möglichkeiten der Funktechnik Entfernungen kaum mehr ein Problem darstellen; Stuttgarter Ztg. 29. 8. 1963 in der Chemieindustrie wirkten sich . . . die Verteuerungen im .Bereich der Regeltechnik und Automation aus; FAZ 24. 6. 1971 Die neue Dimension der Regelungstechnik. Technik 2c: Schneider 1941 Kochkunst und Küchentechnik [Einrichtung] (Titel); Münch. Stadtanz. 11. 9. 1959 Die Sonderschau „Haustechnik" zeigt die zweckmäßige und damit zugleich auch preiswerteste Form der sanitären Heizungs- und Elektroinstallation; Neues Deutschland 1. 2. 1964 Das erhöht die Möglichkeiten, im Jahre 1964 aus eigenen Mitteln Wirtschaftsgebäude zu errichten und Technik zu kaufen (SEIBICKE); ebd. 4. 2. 1964 Jetzt ist die Brigade für ihre Technik voll verantwortlich. Die Traktoristen führen persönliche Konten und sind prozentual an den

Techniker

M.

(-s; -),

im späteren

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eingesparten Kosten beteiligt (SEIBICKE); ebd. 5. 1. 1968 In der Feldwirtschaft waren wir vor allem daran interessiert, die Technik in vier Schichten auszulasten (LEHMANN). technoid: Süddtsch. Ztg. 16. 2. 1951 Dabei war es gerade Sullivan, der den Satz des radikalen Funktionalismus prägte: „Die Form ergibt sich aus dem Zweck", den das heutige Neue Bauen durchaus nicht mehr als ein Glaubensbekenntnis anerkennt. Man baut im allgemeinen viel „sachlicher" im Konstruktiven, weil man das Wesen der technoiden Form besser erkannt hat; Sedlmayr 1955 Revolution 75 technoide Musik-Montagen; Stuttgarter Ztg. 27. 3. 1968 Seine Beziehung zur Baukunst dokumentiert die zu einem Gewebe architektonischer Strukturen verdichtete „Technoide Komposition". Technikum: Berlepsch 1875 Schweizerkunde 744 Technikum; Merk 1930 HBV I 185 Anm. Bad. höhere Lehranstalt (Staatstechnikum); VB. 30. 12 1938 Im Zentrum der badischen Industriemetropole Mannheim wird ein größerer Neubau erstehen, der die Abteilungen Maschinenbau und Elektrotechnik des badischen Staatstechnikums als selbständige höhere technische Lehranstalt aufnehmen wird; NZ. (Basel) 22. 4. 1949 Das Technikum des Kantons Zürich in Winterthur ist am 4. Mai 1874 eröffnet worden; Süddtsch. Ztg. 17. 2. 1951 Die Staatsbauschule Rosenheim (Holztechnikum) wird sich . . . an der . . . Holz-Weltausstellung beteiligen; Offenburger Tagebl. 28. 11. 1961 Mit dem Bau eines Physik- und Chemiegebäudes ist eine neue Aera für das Karlsruher Staatstechnikum eingeleitet worden; ebd. 2. 5. 1968 Die 1868 gegründete selbständige Technische Hochschule in der Isarstadt hieß zunächst „Polytechnische Hochschule München" . . . Im Gründungsjahr lehrten am jungen Polytechnikum 21 Professoren und ein Privatdozent.

18. J h .

aufgekommene

A b l e i t u n g v o n —>

T e c h n i k , ä l t e r e s , seit f r ü h e r e m 1 7 . J h . n a c h g e w i e s e n e s g e l e h r t e n l a t . T e c h n i k u s ( z u r ü c k g e h e n d a u f lat. technicus,

g r i e c h . XE/viKÖg ' d e r in d e r K ü n s t E r f a h r e n e , L e h r e r

e i n e r K u n s t , b e s . d e r R h e t o r i k u n d G r a m m a t i k ' ) v e r d r ä n g e n d in d e r B e d . a ' S a c h - , K u n s t v e r s t ä n d i g e r a u f e i n e m b e s t i m m t e n G e b i e t , speziell i m B e r e i c h d e s

Hand-

w e r k s o d e r G e w e r b e s ' , auch allgemeiner v e r w e n d e t für ' j m d . , der auf einem beliebigen G e b i e t ( z . B . S p o r t , M u s i k ) das e r l e r n b a r e , m e t h o d i s c h e V o r g e h e n , fahren,

die

Kunstgriffe

und

Feinheiten

beherrscht'

(Ball-,

Ver-

Abfahrtstechniker),

h e u t e g e l e g e n t l i c h i m S i n n e v o n ' F a c h m a n n , E x p e r t e ' v e r w e n d e t ; b seit d e m 1 9 . J h . als ( B e r u f s - ) B e z e i c h n u n g f ü r j m d n . , d e r in e i n e m b e s t i m m t e n Z w e i g d e r T e c h n i k ,

88

Techniker

der Technologie tätig ist, bes. eine Person mit fachlicher technischer Ausbildung und Abschlußprüfung durch Fach- oder Hochschulbesuch (Elektro-, Z a h n - , T o n - , B a u - , Verkehrstechniker), speziell 'Fachmann auf dem Gebiet der Ingenieurwissenschaften' (vgl. —» Technik 2, —* Technologie 2), auch allgemeiner verwendet für ' j m d . , der auf technischem Gebiet bes. begabt ist'; dazu im frühen 20. J h . die subst. Gelegenheitsableitungen Technikerschaft 'Gesamtheit der Techniker' und Technikertum ' H o c h - , Uberschätzung des Technikers'. Techniker a: Silberschlag 1772 Ausf. Abhandlung I ISO Hydrotechniker (SEIBICKE); Goethe um 1804 (XL 280) Haben daher Grammatiker und Techniker jene Leistungen besonders zu würdigen (SEIBICKE); ders. 1807 (T III 29S) Nachher durch die Stadt zu Pflug, den ich in seiner alten Art als Künstler, Techniker, Fabrikant und Handwerker antraf (SEIBICKE); 1817 (Matschoß 1911 Gesch. d. Kgl. Preuß. Techn. Deputation f. Gewerbe 2S1) Man wollte den Gewerben durch besoldete Techniker helfen, die wenig kosten sollten, und so entstand es, daß man faule Handwerker, bankerotte Fabrikunternehmer als Vorbilder, Ratgeber usw. aufstellte (SEIBICKE); Goethe 1821 Die Externsteine (XLIX 48) Solche Techniker, wie noch jetzt unsere Stuckatoren und Arabeskenmahler (SEIBICKE); ders. 1821 (XLIX 129) sodann mußten gelehrte Kenner, eifrige Kunstfreunde, geist- und geschmackreiche Künstler, fertige Techniker, alle zusammen wirken (SEIBICKE); ders. vor 1829 (XXV 220) Treffliche Baumeister und Techniker bereiten alles vor (SEIBICKE); ders. 1830 Br. XLVII 87 Von der Bachischen Epoche heran, hat er [MendelssohnBartholdy] mir wieder Haydn, Mozart und Gluck zum Leben gebracht; von den großen neuern Technikern hinreichende Begriffe gegeben (SEIBICKE); Neumann 183S Sehr. I 71 dass diese hochgetriebene Künstlichkeit [der Dichtformen] den eigentlich dichterischen, den freien und ausgedehnten Gebrauch der antiken Versarten bei uns wieder aufhebt, dass jene Künste dem Dichter . . . fremd werden und nur noch dem Grammatiker und Techniker angehören; Bäumler 1902 Entwicklung d. Medizin 43 dass ein guter Arzt nicht ein blosser Techniker, sondern ein allgemein gebildeter und denkender Mann sein müsse; Barth 1922 Phil. d. Gesch. S1 der Politiker . . . ist der Techniker der Gesellschaft; Glum 1930 Deutschland 26 Mit dem „Techniker" an einer Regierung, d. h. den Schulräten, Gewerberäten, Medizinalräten, Bauräten; Lokal-Anz. 16. 2. 1933 denn in der ersten halben Stunde waren die „Techniker" ihren Gegnern [beim Handballspiel] glatt überlegen; Stuttgarter Ztg. 29. 4. 1966 Ein Lehrgang für den Beruf der Beratungstechnikerin, der auch Absolventinnen der Volksschule gute Aussichten eröff-

net, hat nach Mitteilung des Landwirtschaftsministeriums . . . an der Landwirtschaftsschule in Sigmaringen begonnen. Technikus: Logau um 1638 Sinngedichte (Eitner 62) Auff Technicum (Uberschr.) Technikus kan alle Sachen: Andre lehren, selbsten machen, Reiten kan er, fechten tantzen, Bauen kan er Stät* und Schantzen, Singen kan er, messen, rechen, Schön und zierlich kan er sprechen, Stat und Land kan er regiren, Recht und Sachen kan er führen, Alle Krankheit kan er dämpffen, Für die Wahrheit kan er kämpffen, Alle Sterne kan er nennen, Bös' und Gutes kan er kennen, Gold und Silber kan er suchen, Bräuen kan er, backen, kochen, Pflanzen kan er, säen, pflügen, Und zuletzt: erschrecklich lügen (SEIBICKE); 17S3 Polyhistor 141 [Einteilung der alten Grammatiker in drei Klassen] In der ersten waren die texvikoi (technici), welche das ABC lehreten. Techniker b: 1811 (Matschoß 1911 Gesch. d. Kgl. Preuß. Techn. Deputation f . Gewerbe 249) Beihilfe von Technikern für das Fabrikenwesen (SEIB I C K E ) ; Meißner 1816 Araeometrie S dem angehenden Chemiker, wie dem Pharmazeuten und Techniker [Kenntnisse vermitteln] (SEIB I C K E ) ; Scheffel 18SS Br. 49 Die Strassenanlagen in diesen südtirolischen Gebirgsgegenden würden jeden Sachkenner . . . mit Respect vor den diesseitigen Technikern erfüllen; Hohenlohe-Ingelfingen 1864 - 70 Leben III 349 als der Bürgermeister von Köpenick und der Stadtverordnetenvorsteher in Begleitung von zwei Brückenbautechnikern angestürzt kamen; Plessner 1873 Lokalbahnen 7 die Techniker der deutschen Eisenbahn-Verwaltungen; 1877 (19S7 Hamburger Forschungen 76) Es kann niemand ein ganzer Techniker werden, der nicht vorher schon ein ganzer Mensch ist. Erzieht ganze Menschen, die in Allgemeinbildung und Lebensformen auf der Höhe des Volkslebens und der zivilisierten Gesellschaft stehen, und macht aus diesen dann den Techniker!; Technik u. Wirtschaft 3 (1910) 193 Seit mehr als einem Menschenalter klagen die Techniker über ihre geringe Wertschätzung und gewisse Mißachtung, die sich darin zeigt, daß sie vielfach den Vertretern anderer Berufstände untergeordnet werden; ebd.

technisch 195 Der einzelne Techniker bleibt nach unseren derzeitigen Vorstellungen immer ein Fach techniker, d. h. er bleibt in seinem Wirken für die Gesamtheit auf ein kleines Gebiet beschränkt; ebd. 7 (1914) 139 So lange wir nur für unsere hervorragenden Berufsgenossen . . . Anerkennung durch Höherstellung auf der Stufenleiter des Amtes, der Behörde, des Ressorts verlangen und nicht auch dem jungen Nachwuchs neue Betätigungsgebiete erschließen,wie es die Juristen für ihren Nachwuchs getan haben . . . so lange ist die Technikeremanzipation zum Stillstand verurteilt; Lokal-Anz. 21. 1. 1933 Bei seiner Berufung hatte ja schon zur Erwägung gestanden, daß er der beste Eisenbahntechniker der deutschen Armee sei; ebd. 11. 2. 1933 einer der führenden deutschen Verkehrstechniker; ebd. 16. 8. 1933 hat sich heute vor dem Schwurgericht beim Landgericht Berlin der 18jährige Vermessungstechniker . . . zu verantworten; 1934 Reichsgesetzbl. I 193 Das Wort „Zahntechniker" wird überall durch das Wort „Dentist" ersetzt; Lokal-Anz. 14. 8. 1934 Fritz Brandt, aus der großen Familie der Bühnentechniker dieses Namens, arbeitete mit der Schiebe- oder Wagenbühne; ebd. 4. 11. 1934 Dieser Schrank ist nämlich gar kein Schrank, sondern — das get?rnte Fenster zur Technikerkabine; und dieser ganze Raum ist auch kein Empfangssalon, sondern ein Studio . . . Senderaum; ebd. 20. 11. 1934 Wer nach zwei Jahren die Abschlußprüfung besteht, erhält die Bezeichnung „staatlich geprüfter Gartenbautechniker"; Dtsch. AZ. 13. 11. 1935 Wir sprechen auch über das Verhältnis Techniker—Kaufmann, das für die Montanwirtschaft so wichtig ist und nicht bei jedem Ruhrkonzern im Sinne der Führung des kaufmännischen Denkens geklappt hat; Münch. Stadtanz. 23. 1. 1959 ohne ein Fach-Laboratorium läßt sich kaum das ausführen, was der Heiztechniker eine „wärmetechnische Bilanz" nennt; Stuttgarter Ztg. 7. 2. 1959 Der Gmünder Gemeinderat hat beschlossen, die von privater Seite eingerichteten Technikerkurse zu übernehmen und beim Oberschulamt die staatliche Anerkennung als Abend-Technikerschule zu erwirken; ebd. 5. 2. i 9 6 0 Bei dem spürbaren Mangel an Ingenieuren dürfte künftig der verstärkte Einsatz von Technikern immer notwendiger werden; ebd. 25. 2. 1961 Die fortschreitende Mechanisierung der Gießereibetriebe . . . und anderes mehr haben dem Betriebsleiter, dem Gießereiingenieur und dem Formenmeister neue

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Aufgaben . . . aufgebürdet, die sie ohne Vernachlässigung der eigentlichen Führungsaufgaben nicht mehr bewältigen können. Diese Lücke soll der neue Beruf des Gießereitechnikers ausfüllen; Offenburger Tagebl. 15. 9. 1961 Den Abschluß bildet die . . . staatliche Technikerprüfung, nach deren Bestehen die Absolventen bei Behörden, Büros und Unternehmungen als „Staatl. geprüfter Bautechniker" ihre Tätigkeit aufnehmen können; ebd. 17. 9. 1962 Kaum vorstellbar, daß deutsche Techniker an einem Sommertag des Jahres 1897 . . . überglücklich waren, als es ihnen an den Ufern der Havel bei Potsdam gelang, eine Entfernung von 1,6 Kilometer durch Funk drahtlos zu überbrücken; FAZ 16. 11. 1963 Dr. Ing. . . . beruflich erfolgreich, trotzdem kein Nurtechniker . . . möchte zweck« Heirat . . . Fräulein . . . kennenlernen (Anzeige); Stuttgarter Ztg. 4. 6. 1964 Nach zweieinhalbjährigem Abendunterricht haben 24 ehemalige Mechaniker, Werkzeugmacher, Dreher und Angehörige anderer Berufe der Metallverarbeitung ihre Abschlußprüfung als „Konstruktions- und Betriebstechniker" vor dem TechnikerPrüfungsausschuß der Industrie- und Handelskammer Stuttgart bestanden; Offenburger Tagebl. 28. 4. 1971 Die beiden Fachverbände der Flugsicherungstechniker . . . verurteilten . . . die bisher ausgesprochenen vier Suspendierungen ihrer Kollegen; Die Zeit 31. 3. 1978 Es fehlt ein Pfarrer, der ständig am Ort lebte . . . Es fehlt ein Techniker, der kleinere Reparaturen in den Wohnungen erledigen könnte. Technikerschaft: Technik u. Wirtschaft 2 (1909) 451 Aber auch ohne eine solche genauere Erfassung der Tatsachen läßt sich Klarheit über die hauptsächlichsten Entwicklungsrichtungen des Aufbaues der Organisationen der deutschen Technikerschaft gewinnen; Dtsch. AZ. 5. 9. 1935 Als Festschrift erscheint . . . ein Sonderheft der Zeitschrift „Schiffbau, Schiffahrt und Hafenbau", das Beiträge von Dozenten des Technischen Vorlesungswesens enthält und Zeugnis ablegen soll von der Arbeit, die hier für Hamburgs Technikerschaft . . . geleistet wurde. Technikertum: ZfMenschenkunde 2 (1926—27) 52f. Külpe hat als Experimentalpsychologe selbst vor der Uberschätzung des Äußeren am Experiment gewarnt, weil das „Technikertum", das sich da und dort breitmacht, die Psychologie nur wenig fördert.

technisch Adj., seit Mitte 17. J h . in der gelehrtenlat. F o r m technicus ( < griech. texviK-ög, —> Technik; —> Terminus technicus), seit frühem 18. Jh. in der heutigen F o r m nachgewiesen; 1 auf die in den verschiedenen Wissens- und Sachgebieten ver-

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technisch

wendeten sprachlichen Ausdrucksformen bezogen in der Bed. 'der Fachsprache angehörig, nach der Fachsprache, in Fachwörtern (ausgedrückt, beschrieben), fachsprachlich, Fach-', zunächst als subst. N . PL Technica 'Fachwörter' und vor allem im Syntagma —» Terminus technicus, dafür seit späterem 18. J h . auch die heute seltenen Syntagmen technischer A u s d r u c k und technisches Wort (vgl. 2 a und —> technologisch 1); daneben im 18. J h . vereinzelt die latinisierende A d v . - F o r m technice 'als Fachwort (verwendet)'. 2 a Seit frühem 18. J h . in der Bed. 'nach den Regeln einer Kunst(-lehre), eines Handwerks (verfahrend, vorgehend), kunstmäßig, kunstgemäß, -gerecht, -voll, (methodisch) schul-, sachgerecht, fachlich, fachmännisch, handwerklich', zuerst im Bereich der (traditionellen, vortechnischen) Handwerke, Gewerbe und Künste bezogen auf die (mechanischen, manuellen) Verfahrensweisen der Herstellung materieller gewerblicher Produkte und ästhetischer Gebilde, und seltener im Bereich der Geisteswissenschaften, bes. der Philosophie (Kant), bezogen auf den formalen Aufbau einer Wissenschaft und eine der philosophischen Kunstlehre gemäße Ausdrucksweise (vgl. 1 und —* Technik l b ) ; dann seit spätem 18. J h . auf sämtliche Bereiche des kulturellen Lebens und der gesellschaftlichen Praxis ausgedehnt im Sinne von 'die Arbeitsmethode, Herstellungsweise, Praktik, Handhabung betreffend, auf sie bezogen' und 'die Kunst, Methode, Verfahren, mit den rationellsten Mitteln ein bestimmtes Ziel zu erreichen, betreffend, darauf bezogen' (vgl. —» Technik l c ) , häufig als Grundwort in Zss. wie Sprech-, erzähl-, mal-, film-, darstellungs-, finanz-, börsen-, steuertechnisch und in Syntagmen wie technische K u n s t g r i f f e anwenden, technisches K ö n n e n , (ein) technisch meisterhaft (geschriebenes Buch, gespieltes Musikstück), technisch begabt (sein), b Von daher seit frühem 20. J h . auf die verfahrensmäßigen Äußerlichkeiten eines Vorgangs oder einer Tätigkeit bezogen und abgeflacht verwendet in der Bed. 'die Planung, den Ablauf, die Organisation, aber nicht die Sache selbst betreffend; bedingt durch Gründe, Umstände, die nicht in der Sache selbst liegen; bezogen auf, -bezüglich, -mäßig', z. B. im Syntagma aus technischen G r ü n d e n und in Zss. wie platz-, verwaltungstechnisch. 3 Seit spätem 18. J h . im Zuge der Entstehung und Ausbreitung der modernen Technik und Technologie zunehmend in der Bed. 'die Technik betreffend, zu ihr gehörend, auf ihr beruhend und daraus sich ergebend, in ihr gebräuchlich, üblich, auf sie gerichtet, eingestellt', gelegentlich auf Personen bezogen für 'die Technik lehrend, sie unterrichtend; sich mit 'der Technik beschäftigend', speziell auch 'die Ingenieurwissenschaften betreffend' und 'das Maschinenwesen betreffend' (vgl. —» Technik 2); häufig in Syntagmen wie technische C h e m i e , A u s r ü s t u n g , S t ö r u n g , B e r u f e , Kenntnisse, Intelligenz, technischer Fortschritt, Leiter, technisches Zeitalter, G e r ä t , V e r f a h r e n und bes. Technische H o c h s c h u l e 'der Universität gleichgestellte Ausbildungs- und Forschungsstätte der Technik', Technische U n i versität ( T U ) 'technische Hochschule mit auch nicht technischen Fakultäten', Technisches Hilfswerk 'freiwillige Organisation zur Beseitigung von öffentlichen Notständen in lebenswichtigen Betrieben und zur Hilfeleistung in Katastrophenfällen', Technischer Ü b e r w a c h u n g s v e r e i n ( T Ü V ) 'staatliche Institution zur Prüfung der Betriebssicherheit von Kraftfahrzeugen' und als Grundwort in Zss. wie b a u - , chemo-, f u n k - , ingenieur-, p h o t o - , poly-, p r o d u k t i o n s - , maschinen-,

technisch

91

waffentechnisch; vereinzelt in der Präfixbildung vortechnisch 'auf die Verfahrensweisen der von der modernen Technik und Technologie noch nicht beeinflußten Handwerke, Gewerbe und Künste bezogen' (vgl. 2a). technisch 1: Bödiker 1698 Crit. Beytr. XIX 481 die Ausarbeitung eines Lexici etymologici, technici und usualis (ZWDF X V 13); 1765 Allg. dtsch. Bibl. I 1,174 technische Kathedersprache; Herder 1767 DLiteratur I 417 Wie klebt nun in der Philosophie Gedanke am Wort? . . . Klebt der Gedanke am Wort technisch, damit, wenn ich Worte in ihrer Bedeutung lerne, ich zugleich die Gedanken lerne? Die Gedanken wohl, aber denken zu lernen, wird diese technische Verbindung blos zu einem Werkzeuge; Wieland 1771 Amadis I 257 sprach technisch vom Contour — In Kunstwörtern; Beckmann 1777 Anleitung z. Technologie Einltg. XI Wolte man die technische Terminologie philosophisch oder systematisch bearbeiten, so würde man mehr Synonymen abzuschaffen, als neue Namen einzuführen haben (SEIBICKE); 1784 Journal v. u. f . Deutschland I 272 dies ist der technische Ausdruck; Sonnenfels 1785 Geschäftsstil d. 20 [die] technischen Wörter; 1796 Journal Moden XI 557 Alle Abende ist im sächsischen Saale Assamblee, und der technische Ausdruck, in den Saal gehen, bedeutet nichts anders als sich nach dieser Assamblee im sächsischen Saale verfügen; Humboldt 1807 Br. XVI 57 der freilich zu technische Ausdruck „Hochofens Hitze" anstössig ist; Gregorovius 1858 Wanderjahre II 47 [der] technische Ausdruck; Mommsen 1861 Forschungen I 168 im strengen und technischen Sprachgebrauch ; Heerdegen 1878 Semasiologie II 25 Fach- oder Kunstausdrücke (besser technische zu nennen); Eucken 1879 Gesch. 56 Ausbau einer mehr technischen Redeweise (SEIBICKE); Nordau 1879 Seifenblasen 84 in unserem technischen Jargon; Gildemeister 1891 Aus d. Tagen Bismarcks 242 einen technischen Ausdruck; Bernheim 1903 Methode (Reg.) Technische Ausdrücke in den Quellen; Schwietering 1908 Singen 1 der technische Ausdruck für den Vortrag epischer Lieder; Jodl 1914 Vom Lebenswege II 657 technisch gesprochen; Chamberlain 1916 Br. II 9 Konträrer Gegensatz ist ein deutscher technischer Ausdruck aller Schullogik; Hoffmann 1976Kommunikationsmittel Fachspr. 305 Der technische Terminus ist ein Wort oder eine Wortverbindung, die einen technischen Begriff benennt.

technice: Zedier 1744 Vniversallex. XLIV 508 Technice, wird ein Wort genommen, wenn es nicht so wohl in Absicht auf seine Bedeutung, sondern vielmehr als ein solches Wort betrachtet wird, das in dieser oder jener Kunst gebrauchet wird; Kruse

1748 Erklärtes (SEIBICKE).

Wb. 174 Technice, nach der Kunst

technisch 2a: Uffenbach 1728 Tageb. 4 Ich wurde oben hinauf in das optische Zimmer . . . [wo]alle mathematische, physikalische und technische Liebhabereyen allhier ihre eigene Logiments haben, geführet; Kant 1785 Metaphysik d. Sitten VI 12 in theoretischer Absicht (wozu auch die technischpraktische der Unterweisungsmethode als einer Kunstlehre gezählt werden muß); ebd. VI 479 Das experimentale (technische) Mittel der Bildung zur Tugend ist das gute Beispiel an dem Lehrer selbst (SEIBICKE); Fichte 1790-91 Nachgel. Sehr. I 236 Alle technisch-practische Regeln, d. i. alle diejenigen, welche lehren, wie man eine seiner Willensbestimmung gemäße Wirkung auf die Natur . . . hervorbringen solle (SEIBICKE); Goethe 1792 Campagne i. Frankreich XXXIII 238 Denn es ist für den Liebhaber, der solche Kleinodien anschaffen . . . will nicht genug zur Sicherheit seines Erwerbs, daß er Geist und Sinn der köstlichen Kunstarbeit einsehe und sich daran ergötze; sondern er muß auch äußerliche Kennzeichen zu Hülfe rufen, die für den, der nicht selbst technischer Künstler im gleichen Fach ist, höchst schwierig sein möchten (SEIBICKE); Schiller 1792 - 94 Br. ü. d. ästhet. Erziehung (NA XX310) Uber diejenigen Ideen, welche in dem praktischen Teil des Kantischen Systems die herrschenden sind, sind nur die Philosophen entzweit, aber die Menschen . . . von jeher einig gewesen. Man befreie sie von ihrer technischen Form, und sie werden als die verjährten Ansprüche der gemeinen Vernunft und als Tatsachen des moralischen Instinktes erscheinen . . . Aber eben diese technische Form, welche die Wahrheit dem Verstände versichtbart, verbirgt sie wieder dem Gefühl (SEIBICKE); ders. 1793 Anmut (17) 320 Es ist wahr, alle technischen Bildungen sind hervorgebracht durch Natur, aber durch Natur sind sie nicht technisch; wenigstens werden sie nicht so beurteilt. Technisch sind sie nur durch den Verstand, und ihre technische Vollkommenheit hat also schon Existenz im Verstände, ehe sie in die Sinnenwelt hinübertritt und zur Erscheinung wird; ders. 1794 Br. an Körner (NA XXI 222) Als Kunst steht die schöne Kunst unter technischen Regeln, welche man ja nicht mit den aesthetischen verwechseln darf (SEIBICKE); Böhmer 1794 Technische Geschichte der Pflanzen, welche bey Handwerken, Künsten und Manufakturen bereits

92

technisch

in Gebrauche sind oder noch gehrauchet werden können (Titel) (SEIBICKE); Fr. Schlegel 1796 Versuch (Baxa, Ges. 43) Die technische Vollkommenheit des republikanischen Staates theilt sich in die Vollkommenheit der Konstituzion, und der Regierung; Novalis 1798 Fragm. III 104 Technische Akademie — körperlich gymnastisches Erziehungsinstitut. Hier werden die handwerklichen Kandidaten gebildet (SEIBICKE); Kant 1798 Anthropologie VII 322 [die] technische (mit Bewußtsein verbunden-mechanische) [Anlage] zur Handhabung der Sachen; ebd. VIII 323 daß die Natur des Menschen nicht nur für eine Art der Handhabung der Sachen, sondern unbestimmt für alle gemacht und dadurch die technische oder Geschicklichkeitsanlage seiner Gattung als eines vernünftigen Thieres bezeichnet hat (SEIBICKE); Novalis 1798-1802 Sehr. II 357 Zur schönen Kunst gehört sie [die Fabel] nicht - Sie ist technisch — Gebild der Absicht — Leiter eines Zwecks . . . Zur künstlichen Poesie oder zur technischen überhaupt gehört die rhetorische; ebd. III 75 Kunstlehre. Sind technische Definitionen und Konstruktionsformeln — Rezepte? (SEIBICKE); Kant 1800 Logik IX 18 Dieser Eintheilung zufolge würde also die Logik einen dogmatischen und einen technischen Theil haben. Der erste würde die Elementarlehre, der andere die Methodenlehre heißen können. Der praktische oder technische Theil der Logik wäre eine logische Kunst in Ansehung der Anordnung und der logischen Kunstausdrücke und Unterschiede, um dem Verstände dadurch sein Handeln zu erleichtern; ebd. IX 48 Ein vollkommener philosophischer Vortrag zeichnet sich dadurch aus, [daß] die Einkleidung der Gedanken so eingerichtet wird, daß man das Gerüst, das Schulgerechte und Technische von jener Vollkommenheit nicht sehen läßt (SEIB I C K E ) ; A. W. Schlegel 1801-02 Vorlesungen I 5 Unterschied zwischen einer philosophischen und einer bloß technischen Theorie einer Kunst. Die letzte bringt das Verfahren, wodurch man irgend etwas bewerkstelligt in ein System von Regeln (SEIBICKE); Jean Paul 1804 Vorsch. V 180 Die griechischen Bilder, Reize, Motive, Empfindungen, Charaktere, selber technische Schranken sind leicht in ein romantisches Gedicht herüber zu pflanzen, ohne daß dieses darum den weltseitigen Geist einbüßte . . . Die technische Darstellung eines Charakters beruht auf zwei Punkten, auf seiner Zusammensetzung und auf der GeschichtFabel (SEIBICKE); Goethe 1805 Tag- u. Jahreshefte XXXVI 239 Seine [Gleims] Poesie von der technischen Seite ist rhythmisch, nicht melodisch (SEIBICKE); Schleiermacher 1813-14 Werke III 439 Man muß daher unterscheiden: Gebiet der Erziehung im engeren Sinne, das des technischen

Verfahrens; und im weiteren Sinne, das des Lebens; ders. Pädagogik III 402ff. Somit steht die Theorie der Erziehung in genauer Beziehung zur Ethik, und ist eine an dieselbe sich anschließende Kunstlehre . . . Die Erziehung entwickelt sich selbst erst allmählich. Sie ist nur möglich als technische, insofern ein Zusammenhang von Mittel und Zweck zu konstruieren ist (SEIBICKE); Savigny 1814 Vom Beruf 78 nennen wir künftig den Zusammenhang des Rechts mit dem allgemeinen Volksleben das politische Element, das abgesonderte wissenschaftliche Leben des Rechts aber das technische Element desselben; Goethe 1816 Kunst u. Alterthum XXXIV 182 Jetzt aber möchte es sonderbar scheinen, wenn wir aussprechen, daß er [van Eyck], materielle und mechanische Unvollkommenheiten der bisherigen Kunst wegwerfend, sich zugleich einer bisher im Stillen bewahrten technischen Vollkommenheit entäußerte, des Begriffs nämlich der symmetrischen Composition (SEIBICKE); Meyer 1817 Kl. Sehr. 116 Und so giebt es artistische sowohl als technische Ursachen, ethische und mechanische, warum es durchaus unmöglich ist, sich ganz in den Geist vergangener Zeiten zu versetzen (SEIBICKE); 1819 Conversationslex. I 566 Zwar hat jede schöne Kunst ihren technischen und ästhetischen Theil . . . [bei der Baukunst] ist der ästhetische Theil dem technischen bloß zur Zierde beigeordnet . . . Die Ursache, warum die Baukunst kein Ideal hat und haben kann, ist die strenge technische Zweckmäßigkeit, die in ihren Producten herrschende geometrisch regelmäßige Form, das Ubergewicht des Mechanischen (SEIBICKE); Hegel 1820 Ästhetik 710 so daß die Geschicklichkeit und Fertigkeit im Technischen und Handwerksmäßigen eine Seite des Genies selbst ausmacht (SEIBICKE); Goethe 1821 Tag- u. Jahreshefte XXXVI 204 Eine sehr angenehme Unterhaltung mit Freunden gewährte, durch Vermittlung von Kupferstichen, manche Betrachtung über Conception, höhere sowie technische Composition, Erfinden und Geltendmachen der Motive (SEIBICKE); ders. nach 1820 (XLVIII 194) Die Mahlerei ist die läßlichste und bequemste von allen Künsten . . . theils weil eine technische, obgleich geistlose Ausführung den Ungebildeten wie den Gebildeten in Verwunderung setzt (SEIBICKE); ders. 1821 (G 2 Nr. 1999) Die musikalischen Wunderkinder, sagte er, sind zwar hinsichtlich der technischen Fertigkeit heutzutage keine Seltenheit mehr (SEIBICKE); ders. 1828 Paralipomena XXV 252 Technische Thätigkeit befördern heißt fördern was alle thun können. Die Künste hingegen sind individualisirende Thätigkeiten (SEIBICKE); Heine 1830 Italien III 352 Ungleich dem wahren Dichter, ist die Sprache nie

technisch Meister geworden in ihm [Platen], er ist dagegen Meister geworden in der Sprache oder vielmehr auf der Sprache, wie ein Virtuose auf einem Instrumente. Je weiter er es solcherart im Technischen brachte, desto grössere Meinung bekam er von seiner Virtuosität; Schleiermacher 1832 Ästhetik 10 technische Vorschriften über Behandlung des Stoffes [in der Kunst]; Schumann 1833-34 Ges. Sehr. 23 Das Spiel der Belleville ist bei weitem technisch schöner, das der Klara aber leidenschaftlicher ( S E I B I C K E ) ; Pückler 1835 Semilasso 1 251 bei halb verdorrten, auch technisch schlecht gemachten Pflanzungen; 1854 Prutz' Museum I 436 vollkommener technischer Fertigkeit [einer Sängerin]; Holtei 1863 letzte Komödiant I 284 Er machte sich im Laufe einiger Stunden den ziemlich voluminösen Part [einer Theaterrolle] so weit zu eigen, dass er ihn, nach seiner technischen Beziehung, aus dem Gröbsten gearbeitet hatte; Dtsch. Lit'bl. 2 (1879) 120 Drei Wochen nur bleiben ihr, um die Menge der technischen Schwierigkeiten zu bewältigen; Harden 1892 Apostata N. F. 6 Franz Lenbach ist eben nicht in der technisch sicheren Wiedergabe des Wirklichen gross, sondern im verdichtenden Erfassen der wesentlichsten Geistesdispositionen; Franke-Schievelhein 1894 Rotdorn 122 UnZuverlässigkeit Ihres technischen Vermögens [am Klavier]; 1895 ZDOeAlpenv. 123 wenn sie die Erkletterung des Modeberges, entgegengesetzt den Ansichten guter Kletterer, als „technisch" nicht besonders schwierig hinstellen; Lipps 1906 Ästhetik II 483 Unter technischen Kunstwerken verstehe ich Erzeugnisse der „technischen", also der gewerblichen oder industriellen Künste oder des Kunsthandwerks. D . h. ich verstehe darunter solche Dinge wie künstlerische Bauwerke, Sitzmöbel, Gitter, Gefässe, Teppiche; Naumann 1915 Mitteleur. 232 Die Schaffung von Mitteleuropa ist staatstechnisch gesehen, die Zentralisation von gewissen staatlichen Tätigkeiten; 1916 Goethe-Handh. I 446 Das Technische einer Kunst muss . . . in frühen Jahren . . . erlernt werden; 1923 Almanach d. Musikbücherei 89 neben der Forderung gewissenhafter Arbeit und gründlicher Aneignung des Technischen bis zur spielenden Beherrschung alles Formalen stand der freundschaftliche Verkehr, das liebevolle Interesse für den Schüler; Arnholds Wochenber. 8. 11. 1930 Damit sind jetzt die Kurse zahlreicher Jahrgänge auf einem Stand angelangt, der offenbar nur noch mit diesem technischen Vorgang — daß sich vorläufig das Angebot aus den Kreisen der neu Entschädigten am Markt zusammendrängt — erklärt werden kann; 1931 Dtsch. Welt 38 Die einzelnen Seiten seiner Klavierwerke starren von schwarzen Noten, und dennoch verlangen sie nicht mehr technisches Können als

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ein Lisztsches Klavierkonzert; Arnholds Wochenber. 2. 5. 1931 Die Börse hat sich während der Aufwärtsbewegung . . . von politischen und geldmarkttechnischen Momenten leiten lassen; Voss Ztg. 3. 9. 1931 Wohl bildeten sich hier und da erregte Gruppen, die besonders die technischen Unzulänglichkeiten bei der heutigen Kursnotierung besprachen; Arnholds Wochenber. 16. 4. 1932 scheinen die . . . Vorbereitungen, die der Börseneröffnung vorausgingen, in ausreichendem Maße die technische Grundlage für eine Wiederherstellung des normalen Börsenverkehrs geschaffen zu haben; Lokal-Anz. 21. 3. 1933 Steuertechnisch erfolgt die Mitheranziehung zur Krisensteuer nun in folgender Weise; Frankf. Ztg. 8. 1. 1939 wobei der Begriff „technisch" auch das Handwerkliche, also den Werkunterricht, und ebenso das Künstlerische Zeichnen und Musik wird besonders empfohlen - mitumfaßt; Bense 1954 Aesthetica 26 Sowohl das Ästhetische wie das Technische bedürfen der Realität; Stuttgarter Ztg. 18. 1. 1963 Im nichtversicherungstechnischen Geschäft ist der Verlust leicht . . . gesunken; 1963 Definitionen 33 Diesen sozusagen „technischen" Sinn . . . der dichterischen Hervorbringung; Praetorius 1963 Geheimnis 179 Die vielberedete Schönheit des Technischen ist nicht die Schönheit des Künstlerischen; FAZ 30. 8. 1971 Vor zahlreichen Experten aus der pharmazeutischen Industrie wandte sich Prof. Bock gegen „werbetechnische Tricks", die ein nicht kritikfähiges oder nicht genügend geschultes Publikum zu überflüssigem Gebrauch von Drogen führt; Die Zeit 3. 2. 1978 Filmtechnisch sind sie mit derselben Bravour und Brillanz gemacht wie etwa die Filme von Pudowkin oder Eisenstein; ebd. 30. 6. 1978 Doch auch bei ihnen fehlte der Spieler, der aus der gleichförmigen Spielerei — zugegeben technisch perfekt — ein glänzendes Spiel gemacht hätte. technisch 2b: 1918 Moden 453 „Technisch" (Uberschr.) Es dürfte wenig Wörter geben, mit denen bei uns zurzeit ein solcher Mißbrauch getrieben wird, wie mit diesem. Wenn irgend etwas nicht geht, so liegt in 99 von 100 Fällen eine „technische Unmöglichkeit" vor, es „funktioniert" eben etwas nicht. Wird ein geschäftlicher Auftrag später ausgeführt als zugesagt, dann lag es nach Aussage des Schuldigen nur an „technischen Schwierigkeiten", die nicht zu überwinden waren; B. Z. am Mittag 18. 10. 1930 Das sehr zahlreiche Publikum dankte Colin Roß stürmisch für seinen Vortrag, obwohl er technisch unter keinem günstigen Stern stand; Der Tag 17. 2. 1931 Die Kriegsgefahr dieses „friedenstechnischen" Instruments liegt vielmehr darin, daß es als Hüter des Versailler Diktats geschaffen ist; Voss. Ztg.

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technisch

4. 9. 1931 daß die berüchtigten „Technischen Schwierigkeiten" größer sein könnten als die Stoßkraft dieses idealen Staatsbürger-Erziehers; Lokal-Anz. 3. 3. 1933 Die Besserung konnte ja auch nicht ausbleiben, weil die technischen Voraussetzungen dafür, daß ein Angriff auf die Reichsmark erfolgreich durchgeführt werden könnte, nicht gegeben sind; ebd. 10. 8. 1933 Der für gestern angesetzte Prozeß . . . konnte nicht angesetzt werden, da der Angeklagte durch ein technisches Versehen nicht aus der Strafhaft in Tegel vorgeführt worden war; ebd. 25. 8. 1933 Es liegt daher, ganz abgesehen davon, daß es auch aus arbeitstechnischen Gründen völlig unmöglich ist, den fernmündlich und mündlich vorgetragenen Ersuchen nachzukommen, im Interesse der Häftlinge selbst . . . daß während des Schwebens der Ermittlungen keinerlei Auskunft erteilt werden darf; ebd. 15. 9. 1933 Das Hitlerbild im Schöneberger Rathaus, über dessen Weihe wir kürzlich (infolge eines technischen Versehens unter dem Bezirk Steglitz) berichteten; Dtsch. AZ. 2. 2. 1935 sei es, vom vertragstechnischen Standpunkt gesehen, recht schwierig, den Teil V des Versailler Vertrages durch neue Abmachungen zu ersetzen; ebd. 10. 8. 1935 im persönlichen Austausch zwischen Produzent und Käufer können die „technischen" Formalitäten des Exportgeschäfts . . . bequemer und vor allem rascher erledigt werden; 1937 Volkswirt 753 Zum Jahresultimo traten neben dem üblichen, zu diesen Terminen besonders hohen Geldbedarf noch einige technische Momente, insbesondere die Tatsache, daß diesmal Silvester auf einen Donnerstag, also auf den Lohnzahlungstermin, fiel; Süddtsch. Ztg. 24. 1. 1951 Andererseits ist der Gewinn in fremdenverkehrstechnischem Sinne beträchtlich; ebd. 28. 7. 1956 Baumgartner und seine Stellvertreter . . . ließen keinen Zweifel daran, daß die BP an ihrer Absicht festhalte . . . Absprachen über eine „wahltechnische Hilfe" zu treffen; Offenburger Tagebl. 4. 5. 1963 Solche klugen Worte darf oder muß man wohl immer wieder einmal einer Zeit vorhalten, die in oft blinder, rigoroser Weise, meist aus angeblich „verkehrstechnischen" Gründen, die wertvollsten Bäume [in der Stadt] fällen läßt; Stuttgarter Ztg. 28. 12. 1966 Die Stücknotiz für Aktien mit einem Nennwert von 50 DM hat die erwartete Belebung des Geschäfts an den Börsen nicht gebracht. Man hatte wohl auch mancherorts die Hoffnungen auf diesen „technischen" Trick ein wenig zu hoch geschraubt; Süddtsch. Ztg. 5. 3. 1970 Nach den Kursrückgängen des Vortages auf einen neuen Jahrestiefstand setzte sich an den Mittwochbörsen eine technische Erholung durch. technisch 3: Suckow

1784 Anfangsgründe

der

ökonomischen und technischen Chemie (Titel); Gmelin 1786 Grundsätze der technischen Chemie 1 Technische Chemie ist derjenige Theil der angewandten Chemie, welcher die chemischen Grundsätze der Fabriken, Manufakturen, Künste und Handwerker, und ihre vortheilhafte Anwendung auf diese lehrt; Krug 1797 Versuch 49 Anm. Daher bekommt die Chemie den Zunamen der physischen, wieferne sie zur Erläuterung der Grundsätze der Naturlehre oder Physik im engern Sinne — der ökonomischen, wieferne sie zur Vervollkommnung der Landwirthschaft — der technischen, wieferne sie zur glücklichen Betreibung der mechanischen Künste und städtischen Gewerbe . . . dienen soll (alle SEIBICKE); 1815 Fahnenbergs Magazin VI 44 Dem Schwarzwalde . . . mangeln noch technische Lehranstalten; Lötz 1821 Staatswirthschaftslehre I 227 Anm. Alle Maschinen sind immer nur Werkzeuge, und ist ihre technische Untauglichkeit anerkannt, so kann von ihrer Empfehlung nie die Rede seyn; Koelle 1822 System d. Technik 20 [Für die wissenschaftliche Behandlung] bieten sich vier Hauptansichten der Technik dar, nämlich der des Materials, der Werkzeuge, der Arbeit und des Productes . . . Der erste Gesichtspunkt ergibt eine zuerst von Beckmann verlangte technische Materialkunde . . . der vierte Aspekt eröffnet eine durchgeführte Construction aller technischen Producte; ebd. 31 [Das] höchste Product [entsteht dann], wenn beide Factoren der technischen Betriebsamkeit, nämlich Inhalt und Form einander gleich geworden sind (SEIBICKE); 1833 Bayer. Annalen V 574 in einem sog. technischen Museum; Nebenius 1833 techn. Lehranstalten 62 Von dem Zusammenhang der technischen Unterrichts-Anstalten mit dem gesamten Unterrichtswesen; 1839 DVjS III 93 [die] Errichtung solcher technischer Hochschulen, wahrhafter polytechnischer Anstalten, scheint wünschenswerth; Diesterweg 1849 Lehrer-Bildung 6 Die Seminare sind technische Berufsschulen, in welchen . . . die spezifische Ausbildung der Lehrer in theoretischer und praktischer Beziehung erzielt werden soll; Haindl 1849 techn. Schulen 12 bei einer jetzt neu zu errichtenden polytechnischen oder technischen Hochschule in Deutschland; 1857 Träumereien 223 die sogenannten technischen Truppen (Pioniere und Pontoniere); Lübke 1891 Lebenser. 147 waren bestenfalls nur technische Fachschulen ohne eine Ahnung der späteren glänzenden Entfaltung auch der humanistischen Fächer; Huch 1893 Ursleu 166 das Technische der Angelegenheit [beim Bau einer Wasserleitung] zu beurteilen; Blume 1899 Wehrkraft 105 Ähnliche Opfer erfordert es, eine Flotte und die Befestigungen des Landes in technischer Hinsicht stets auf der Höhe der Zeit zu halten;

technisch Liliencron 1903 Bunte Beute X 30 Deinen Erfindern von technischen Wundern; Technik u. Wirtschaft 4 (1910) 193 Die Wertung der technischen Intelligenz und die Verwertung des technischen Könnens; Naumann 1915 Mitteleur. 204 Sachlich liegt es so, dass die militärischen . . . Vereinheitlichungen so sehr fachtechnischer Natur sind, dass jede einzelne . . . nur von einer gewissen Anzahl von Menschen wirklich überschaut . . . werden kann; 1925 Festschr. TH Karlsruhe 536 Die technisch-wissenschaftliche Forschung umfasst daher . . . drei Funktionen; ebd. 538 Man könnte daher von einem „technischen Imperativ" sprechen und das gesuchte oberste Prinzip . . . in den Satz kleiden: Organisiere die Stoffe und Kräfte der materiellen Welt; 1927 Festg. a. Goetz 484 Der „technische Mensch", dem die Zukunft gehören soll; Diederichs 1928 Br. 445 Mechanisierung ihres Lebens, die unter der Flagge „Technischer Fortschritt und Sachlichkeit" marschiert; Voss. Ztg. 1. 12. 1929 Mit viel Geschick und philologischem Glück wird in dem streng katholischen Geschichtswerk . . . „Das technische Zeitalter" . . . der Versuch gemacht, diesen technischen Dualismus als einen katholischen, als eine Verschärfung des Kampfes zwischen Gott und Teufel zu erblicken; Frankf. Ztg. 10. 5. 1931 während das technische Gymnasium . . . den mehr praktisch Veranlagten [entspräche]; Bäumer 1933 Lebensweg 447 die Feuersäule, die den Aufbruch der Frauen aus der Wüste des technischen Zeitalters voranleuchtete, [ist] noch nicht stehen geblieben; 1933 Siemens-Zschr. I o. S. Der Ausfall des Rundfunksenders bei den meisten „technischen Störungen" wird durch diese Einrichtung auf höchstens eine Sekunde beschränkt; Lokal-Anz. 7. 2. 1933 Da die Krankheit inzwischen auch große Teile des technischen Personals [eines Theaters] erfaßt hat; ebd. 12. 2. 1933 Wagemutige eingeborene Taucher steigen oft in die Tiefe und kommen, obgleich ihnen keine technischen Hilfsmittel zur Verfügung stehen, mit einer Handvoll der altberühmten spanischen Münzen . . . an Land; Berl. Illustr. Nachtausg. 1. 3. 1933 Die Verlegung des Telephons . . . bedeutete bisher nicht immer eine reine Freude, aber dank verschiedener technischer Vervollkommnungen ist es jetzt in Berlin möglich, in 80 Prozent aller Fälle den Apparat bereits am Tage nach dem Einzug . . . auf den Schreibtisch zu stellen; Lokal-Anz. 2. 3. 1933 Die funktechnischen Einrichtungen . . . waren technisch wieder völlig einwandfrei; ebd. 7. 7. 1933 Neuer Technischer Direktor bei den Gaswerken (Überschr.); ebd. 30. 8. 1933 Instandsetzung, Ergänzung und Verbesserung der heiz- und maschinentechnischen Anlagen in städtischen Gebäuden; ebd. 1. 9. 1933 Anschließend an die straßenbahntechnischen Arbeiten wird die Neu-

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pflasterung der Seitenfahrbahnen . . . folgen; ebd. 24. 5. 1934 Als Triumph der kältetechnischen Forschung . . . teilte ein Versammlungsteilnehmer mit, daß . . . ein Waggon Erdbeeren . . . nach sechstägiger Fahrt in Berlin mit vollkommen frischen Früchten eingetroffen ist; Trierische Landesztg. 30. 10. 1934 Eröffnung der kraftfahrtechnischen Tagung in Berlin (Uberschr.); Dtsch. AZ. 25. 7. 1935 Verbesserungen des technischen Apparats und der Betriebsorganisation; ebd. 23. 8. 1935 Die Technische Nothilfe beim Hilfswerk (Überschr.); ebd. 24. 8. 1935 ersteht dort aber auch ein Theater mit den modernsten technischen Ausrüstungen; Münch. N. N. 19. 5. 1938 Das technische Zeitalter . . . hat die Romantik zerstört; Hellpach 1939 Geopsyche 2 sind wir doch das „technische" Lebewesen der Erde, „Homo F a b e r " ; F r a n k f . Ztg. 8. 1. 1939technisch-praktisch gerichtete Schulen sollen den Grammar Schools zur Seite treten; Münch. N. N. 2. 12. 1939 einen modernen Neubau zu errichten, der bau-, betriebs- und verkehrstechnisch auch für die kommenden Jahre allen Ansprüchen genügt; Süddtsch. Ztg. 5. 3. 1949 Wir leben in einem Zeitalter, das man das „Technische" nennt, weil Erfindungen aller Art unser ganzes Leben bestimmen. Unsere eigene kleine Welt scheint undenkbar ohne die Fülle von technischen Errungenschaften; Hausenstein 1951 Wanderungen 29 dass erst der Blick aus einem technischen Zeitalter, wie es um 1900 merklicher auftrat, den ausgeprägt musischen Charakter der Baukunst Weinbrenners deutlicher werden ließ; Münch. Abendztg. 26. 3. 1958 Außer München besuchen die drei Professoren englischer technischer Universitäten — den Begriff „Technische Hochschule" gibt es in England nicht — Berlin und Aachen; Münch. Stadtanz. 23. 1. 1959 was der Heiztechniker eine „wärmetechnische Bilanz" nennt; Offenburger Tagebl. 12. 12. 1962 Über ein Jahrhundert habe man das technische Zeitalter kritiklos mitgemacht; Menzel 1963 Herren 85 Auch die technisch Interessierten unter uns wußten nicht viel mehr, als daß Radar ein Funkmeßgerät ist ( M Ü L L E R ) ; Fischer 1966 Kunst 17 Das enthumanisierte Lagerdasein . . . wird so zum primitivsten Modell aer technischen Zivilisation, die den Menschen zum Ding unter Dingen macht; FAZ 15. 3. 1967 Ich hasse das Wort „technische Lücke". Zwischen dem technologischen Stand der deutschen und der amerikanischen Industrie gibt es keine Lücke schlechthin, sondern ganz verschiedene Lücken . . . Es gebe Bereiche wie die Chemie, wo die deutsche Industrie durchaus mithalten könne; Offenburger Tagebl. 2. 5. 1968 Die 1868 gegründete selbständige Technische Hochschule in der Isarstadt hieß zunächst „Polytechnische Hochschule München";

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technisieren

Molsner 1969 Harakiri 36 Einmal versagten auf Grund eines technischen Fehlers die Bremsen seines Mercedes 300 ( M Ü L L E R ) ; FAZ 9. 2. 1970 Ein Abgeordneter berichtete, die Angehörigen der technischen Intelligenz wollten die Unternehmen verlassen, in denen sie „Technokraten, Bürokraten" und „Zentralisten" genannt würden; Offenburger Tagebl. 28. 4. 1971 Der seit langem bestehende Personalmangel beim technischen Dienst habe zu einem „begrenzten wartungstechnischen Einsatz" geführt; Die Zeit 31. 3. 1978 Notwendiger technischer Fortschritt dürfe nicht

einseitig zu Lasten der Arbeitnehmer durchgesetzt werden . . . Warum werden technisch nicht einwandfreie Schiffe mit unzulänglich ausgebildeter Besatzung anstandslos abgefertigt? vortechnisch: Drascher 1936 Vorherrschaft 245 die auf dem vortechnischen Stande zurückgebliebenen Eingeborenen; Ortega y Gasset 1949 Technik (Übers.) 61 eine erste vortechnische Erfindung; Döblm 1959 Mensch 21 Religion als Ausdruck eines vorwissenschaftlichen und vortechnischen Denkens.

technisieren V. trans., im frühen 20. J h . aufgekommene Ableitung zu —* Technik 2 in der Bed. 'technische (mechanische und automatisierte) (Arbeits-)Mittel, (Maschinen-)Kraft einsetzen, um den Wirkungsgrad der menschlichen Arbeit zu erhöhen, etwas auf technischen Betrieb umstellen, dafür einrichten; jmdn. / etwas mit Technik ausstatten, ausrüsten', gelegentlich auch 'auf bloße Technik reduzieren', meist adj. in der Part. Perf.-Form technisiert 'mit moderner Technik ausgestattet, auf technischen Betrieb umgestellt; in der Technik fortgeschritten', häufig auf den Menschen und seine Umwelt bezogen in der Bed. '(in übermäßiger, bedrohlicher Weise) von der Herrschaft, von den Auswirkungen der Technik bestimmt, geprägt, deformiert, entmenschlicht' (hochtechnisiert), auch in den meist abwertend gebrauchten adj. Präfixbildungen durch-, über-, vertechnisiert (Ggs. untertechnisiert); dazu gleichzeitig das Verbalsubst. Technisierung F. (-; -en ungebr.) 'Einführung technischer (Hilfs-)Mittel in Lebensbereiche, die zuvor weitgehend durch handwerkliche oder andere manuelle Tätigkeiten bestimmt waren; Zunahme des Einflusses, Geltungsbereichs der Technik', gelegentlich auch 'Reduzierung auf bloße Technik', meist pejorativ gebraucht mit Partnerwörtern wie Rationalisierung, Automatisierung, Materialisierung und Mechanisierung, auch in den abwertenden Präfixbildungen Uber-, Vertechnisierung. technisieren: 1932 Volk u. Reich 691 Die natürliche Gattenwahl wird . . . technisiert; Süddtsch. Ztg. 30. 9. 1950 Es wird alles zu sehr technisiert auf der Wiese, die alte Oktoberfestseligkeit geht verloren; ebd. 19. 7. 1969 der [Sexual-]Atlas entmenschliche und technisiere die Sexualität. technisiert: 1927 Festg. a. W. Goetz 483 Dem fortschreitend technisierten Dasein, mag es noch so sehr vervollkommnet werden; Voss. Ztg. 18. 12. 1930 Die Legehenne aber soll in großen technisierten Betrieben bei hochwertigem Kraftfutter [gehalten werden]; 1932 Volk u. Reich 690 Bild unseres technisierten Lebens; Volk u. Heimat 20. 5. 1933 diese Erscheinungen werden selbst wiederum unter den Gesichtspunkten technischer Erfordernisse (technisierter Berufe) bewertet; Schumacher 1935 Raum 65 Versorgung technisierter

Armeen; ebd. 74 Im heutigen technisierten Verwaltungsstaat; Frank f . Ztg. 8. 1. 1939 moderne Wohnviertel . . . überragt von langen Gittermasten, Symbolen der technisierten Gegenwart; Münch. N. N. 17./18. 10. 1942 Die Bolschewisten haben den Sowjetmenschen vollends zum technisierten Nomaden gemacht; ebd. 3. 3. 1945 Technisierter Nahkampf (Uberschr.) daß der Nahkampf, wie es der Fernkampf schon längst war, in steigendem Maße von der Technik beherrscht wird; Röpke 1946 Civitas 50 die moderne hochdifferenzierte und hochtechnisierte Gesellschaft; Südost-Kurier (Reichenhall) 6. 8. 7949 Nun hat es ja der moderne Europäer gerade durch die Erkenntnismöglichkeiten seines technisierten Jahrhunderts nicht leicht, die Wechselwirkungen des komplizierten Weltapparates auf sich zu beziehen; Görlitz 1949 Idee 107 der tiefe Sinn und die Gefahr des „Aufstandes der Massen", die Erhebung der

technisieren entgötterten, barbarischen und technisierten Massen der modernen Zivilisation gegen die eigenen Schöpfungen; Bley 1949 Radar 40 in der Verlorenheit der eiskalten, technisierten Welt; Diesel 1950 Jahrhundert 41 wird das heute noch so düstere Bild der technisierten Menschheit an neuer Leuchtkraft und Farbe gewinnen; Der Standpunkt 10. 3. 1950 Die Bequemlichkeiten des modernen technisierten Lebens und die universelle Halbbildung des Durchschnittsmenschen haben eine Selbstherrlichkeit ausgelöst, welche eine ernsthafte Gefahr für die Kultur geworden ist; Anders 1952 Reporter 95 bei uns ist das Opfergeschäft schon stark technisiert, rationalisiert - wenn man einmal von den altmodischen Opferstöcken absieht; Süddtsch. Ztg. 19. 12. 1953 was es überhaupt bedeutet, einen hochtechnisierten Staat von 42 Millionen Menschen so durch das Jahr zu steuern; ebd. 4. 6. 1955 denn es komme nicht mehr darauf an, Kanonenfutter heranzuziehen, sondern intelligente Soldaten, die in einer hochtechnisierten Armee verantwortungsvoll . . . arbeiten können; Eppelsheimer 1955 Schild 40 [das 19. Jahrhundert] nahm die Wirklichkeit, die sich ihm als Technik und technisierte Zivilisation präsentierte, nicht an; Schadewaldt 1956 Sinn 7 Unsere technisierte Gesellschaftsordnung treibt mit dem Erwerb und der Ausnützung gewaltiger neuer Kraftquellen des Lebens zugleich doch einen erstaunlichen Raubbau — den Raubbau am Menschen; Süddtsch. Ztg. 26. 5. 1956 in einer Zeit, in der alle Attribute des hochtechnisierten menschlichen Lebens mehr und mehr Lärm erzeugen; ebd. 8. 4. 1958 könnte eine radikale Einschränkung des Verbraucher-Komforts in der hochtechnisierten westlichen Gesellschaft die Entwicklung eines großen Vorhabens wie des Satellitenprogramms wesentlich vorantreiben?; 1963 Definitionen 82 Die technisierte Welt, die den Einzelnen nicht nach seinem Persönlichkeitswert einschätzt; Offenburger Tagebl. 16. 1. 1963 Der große Bevölkerungsanteil der Menschen über 65 Jahre ist in der hochgradig technisierten Gesellschaft funktionslos geworden; Offenburger Tagebl. 22. 8. 1964 Die Bundeswehr selbst muß den „Meister in Uniform" anstreben, da ihre Struktur als hochtechnisierte Streitmacht ähnliche Anforderungen an die Menschenführung stellt wie zum Beispiel ein Industrie-Unternehmen; Stuttgarter Ztg. 30. 7. 1969 Es ist doch endlich an der Zeit, einmal die Wahrheit zu sagen, daß selbst bei älteren Jahrgängen der Arbeitsmarkt für Arbeitswillige — und andere kommen ja für die Industrie, selbst für die vollautomatische, technisierte Industrie . . . nicht in Frage — blankgefegt ist; FAX 6. 4. 1971 Die Frage, wieweit sich zwischen den hochtechnisierten Staaten eine Gemeinschaft herausbildet und in

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welchen Formen, betrifft Japan ebenso wie den Westen; ebd. 27. 11. 1971 Manches hochtechnisierte Krankenhaus hat noch keine entsprechende Verwaltung; Die Zeit 31. 3. 1978 Doch diese 900000 Menschen gliedern sich in elf Völker auf mit sehr verschiedenen Sprachen, mit einer Zivilisationsspanne, die von der Steinzeit bis ins hochtechnisierte Industriezeitalter reicht. durchtechnisiert: 1934 Hindenburg-Denkmal Erg'bd. 40 [die] durchtechnisierten Maschinen; Huizinga 1938 Parerga 16 das am frühesten durchtechnisierte Land, die Vereinigten Staaten von Amerika. übertechnisiert: 1932 Volk u. Reich 853 Schicksal dieser übertechnisierten Welt; Süddtsch. Ztg. 26. 1. 1951 Sie präsentiert uns ein Theater, dessen Bühne an Vollkommenheit der technischen Einrichtungen nicht mehr zu übertreffen ist, eine jener perfekten Anlagen, an denen sich ein übertechnisiertes Zeitalter entzückt. untertechnisiert: 1943 DLZ. 465 eine Beseitigung des „untertechnisierten" Zustandes [auf dem Balkan], der einem wirtschaftlichen Aufschwung entgegensteht. vertechnisiert: NZ. (Basel) 21. 4. 1949 Es ist auch wirklich das Gesicht eines Menschen, so ein Manuskript, das wahre Gesicht des Autors. Handschriften mit ihrer offenen Sprache . . . sind . . . dienlicher als das maskierte, vertechnisierte Getue der Schreibmaschinen; Ratgeber f . d. dtsch. Buch 4 (1954) 2 In unserer vertechnisierten . . . zu materialistischen Welt bedeutet es eine Belebung unserer seelischen Kräfte, wenn uns ein Dichter die Realitäten dieses Lebens im Spiegel einer überirdischen Erscheinung zeigt. Technisierung: 1918Deutschland565 [die]Technisierung des Lebens; Meinecke 1924 Idee 521 stand der Mensch durch die zunehmende Rationalisierung und Technisierung des Lebens nicht in Gefahr, seiner eigentlichen Menschlichkeit beraubt und zur seelenlosen Maschine zu werden?; 1925 (Stapel 1939 Stapeleien 262) Technisierung und Maschinisierung des Denkens der gegenwärtigen Zeit; 1927 Festg. a. W. Goetz 479 dass man der fortschreitenden Technisierung eine fortschreitende Materialisierung der Menschheit zuschreibt; Curtius 1930 frz. Kultur 25 Industrialisierung und Technisierung des modernen Lebens; Nord u. Süd 53 (1930) 87 Technisierung der Männer im Heer; 1931 Schwarzburg 16 Kapitalisierung, Rationalisierung, Technisierung sind das ökonomische Gesicht der sozialen Frage; 1931 Technik XII 7 Der

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technisieren

Motorisierung und Technisierung hatten sich anderwärts lohnendere Aufgaben geboten; Wirth 1933 Ura-Linda 315 scheidet dieselbe Technisierung den von ihr seelisch mechanisierten Menschen wieder aus; Lokal Anz. 8. 9. 1934 Die Technisierung im allgemeinen ist auch an den Kindern nicht vorübergegangen, und ein Neunjähriger spricht heute über Motoren und deren Einzelheiten; Dtsch. AZ. 2. 5. 1935 Durch diese Maschine ist das Wort von der Technisierung des Dampferzeugers in seiner reinsten Form verwirklicht worden; Bodenreform 19. 1. 1936 Die amtliche Korrespondenz erörtert dann verschiedene Gegenmittel gegen die Landflucht, wie obrigkeitlichen Zwang, Verbesserung der wirtschaftlichen Lage des Landarbeiters, Technisierung der Arbeitsmethoden; Shakespeare-Jb. 72 (1936) 39 in der Abwehr des Grossstadtelends, der Technisierung und Proletarisierung in allen Teilen des deutschen Sprachgebietes [entstand] eine neue Heimatdichtung; 1937 Alemannenland 137 Und da die Wissenschaften zunehmend und . . . unaufhaltsam einer „Technisierung" und „Organisation" zustreben müssen; Münch. N. N. 27. 11. 1938 da sie [die Landwirtschaft] den Prozeß der Technisierung und Rationalisierung nicht in gleichem Maße mitmachen konnte wie die Industrie; Huizinga 1938 Parerga 25 Schäden der Mechanisierung und Technisierung des Lebens; Koch 1939 Geist 158 im Geklapper der Technisierung und Amerikanisierung des Lebens; Münch. N. N. 17. 11. 1942 Trotz der Technisierung des Krieges habe sich auch diesmal wieder erwiesen, daß die Infanterie die Königin der Waffen sei; Muckermann 1943 Mensch 24 Für Lenin waren die beiden Ausdrücke „Revolutionierung Russlands" und „Technisierung Russlands" so gut wie gleichbedeutend; Wunderle 1946 Ideal d. neuen dtsch. Univ. 7 das so leicht mechanisierende Spezialistentum und die wissenschaftliche Einseitigkeit . . . Die Technisierung des geistigen Tuns wird dann nur zu oft zum Ziele aller Anstrengungen; die rein menschlichen Qualitäten büssen an Geltung und an Pflege rasch ein; Süddtsch. Ztg. 18J19. 3. 1950 Angesichts der immer weiter fortschreitenden Tendenz zur Technisierung der Landschaft . . . müßten wir bestrebt sein, unseren Nachkommen ein Stück unberührter Natur zu erhalten; ebd. 4. 5. 1950 dokumentiert er in seiner Musik Leiden an der Zeit und einen fast tragischen Kampf gegen Zivilisation und Technisierung durch Betonung der gesunden Kulturgrundlagen; ebd. 10. 10. 1950 In den letzten Jahren ist nun als Beitrag zur „Technisierung" des Fremdenverkehrs die Erschließung zahlreicher Berggipfel und hochgelegener Skigebiete mit Hilfe von Seilschwebebahnen hinzugekommen; ebd. 19. 5. 1951 man setzte der Land-

abwanderung eine intensive Technisierung der Betriebe entgegen; Curtius 1953 Torso 49 dass der moderne Mensch sich durch die Technisierung seiner Lebensbedingungen von der Natur entfernt hat; Süddtsch. Ztg. 28. 1. 1954 Wir bemühen uns, eine grüne Insel in der seelenlosen Technisierung zu bleiben; Münch. Abendztg. 7. 8. 1954 Die zunehmende Auffassung des Berufs als reinen Broterwerb ergibt sich zwangsläufig aus der wachsenden Technisierung, Spezialisierung und Bürokratisierung des Lebens; Grassl 1954 Romantik 94 Die Technik. . .mechanisiert das Leben und „entseelt" es damit. Diese Technisierung bringt. . . eineDeshumanisation, die das Leben leer und . . . sinnlos macht; Süddtsch. Ztg. 8. 6. 1957 werden dem Menschen durch fortschreitende Technisierung die Möglichkeiten genommen, sich und sein Wesen in der Arbeit darzustellen; ebd. 21. 9. 1957 daß trotz der weitgehenden Technisierung in der Landwirtschaft das Pferd seinen Platz behauptet; Münch. Stadtanz. 8. 8. 1958 Diese Technisierung nimmt der Hand ab, was die Maschine schneller, rationeller leisten kann; Offenburger Tagebl. 14. 2. 1959 Technisierung der Polizei macht Fortschritte (Uberschr.); FAZ 19. 9. 1959 Der sowjetische Parteisekretär erlebte mit Schmunzeln die Grenzen der Technisierung: Sein Aufzug blieb plötzlich stecken; Bad. Ztg. 10. 3. 1960 Die stürmische Entwicklung der letzten Jahre . . . hat zur vollen Technisierung moderner militärischer Streitkräfte geführt; Stuttgarter Ztg. 8. 4. 1960 Die Technisierung in den Haushalten der Bundesrepublik hat im vergangenen Jahr erhebliche Fortschritte gemacht; Offenburger Tagebl. 31. 5. 1961 Die weitgehende Technisierung und Automatisierung der Arbeitswelt; Kofier 1962 Theorie 33 Was vordem als ein ausschliessliches und mit Abneigung betrachtetes geistiges Besitztum des nicht ernst genommenen Marxismus beurteilt wurde, das wird, wenn auch in der Verkleidung solcher ideologischer Begriffe wie „Technisierung", „Vermassung", „Konsumgesellschaft" usw. nicht zugegeben, sondern geradezu als Wesensmerkmal des modernen Lebens deklariert; Der Landarzt 38 (1962) 78 Die beinahe plötzlich aufschießende Angst vor der Technisierung der Heilkunde wurde in der Zeit um und nach dem ersten Weltkrieg fühlbar. Man fürchtete, der Arzt könne und würde im quantitativen und materialistischen Denken seine menschlichen Aufgaben aus dem Gesichtskreis verlieren; Stuttgarter Ztg. 2. 9. 1963 Bei Eröffnung des diesjährigen Gerichtsjahres in Rom wies Generalstaatsanwalt Poggi auf eine beängstigende „Technisierung des Deliktes" hin, die sich bei Verbrechen der sizilianischen Mafia . . . und bei den organisierten Zuhältern zeige; FAZ 24. 9. 1970 Von hohem Rang sei auch der Schutz der

Technizismus

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Menschen vor den Risiken für die Gesundheit, die durch die Technisierung und Automatisierung entständen; Offenburger Tagebl. 19. 11. 1970 Die mit Zivilisation und Technisierung verbundenen Eingriffe in den Naturhaushalt haben Folgen, deren Nachteile für die belebte Natur . . . der Öffentlichkeit erst seit einigen Jahren zum Bewußtsein kommen.

wie harmlos ist sie im Vergleich zu einer Maschine, mit der das Kind sich selbst fortbewegen kann; ebd. 29. 3. 1954 Luxus-Triebwagen von Mailand nach Neapel, zeigte ebenfalls Glanz und Elend der Ubertechnisierung: ein paar Bahnhöfe und Geschwindigkeitsaufnahmen wirken rasant, der Mailänder Dom dagegen auf der flachen Rundleinwand wie eine Pappkulisse.

Ubertechnisierung: Süddtscb. Ztg. 20. 10. 1953 Man hat schon die Ubertechnisierung des Spielzeugautos aus pädagogischen Gründen bedauert —

Vertechnisierung: Hochrein 1953 Leistungssteigerung 32 antriebsmindernde Vertechnisierung.

Technizismus M. (-; Technizismen), seit Ende 18. Jh. nachgewiesene Ableitung zu —» Technik; 1 in der veralteten Bed. 'Kunstverfahren, kunstmäßige Behandlung'; dazu Anfang 19. Jh. die verbale Gelegenheitsableitung technizieren 'durch Kunst, gemäß einer Kunst hervorbringen, produzieren'. 2 Seit späterem 19. Jh. selten nachgewiesen in der Bed. 'Fachausdruck' und '(übertrieben) technische Ausdrucks weise'. 3 Seit frühem 20. J h . verwendet als Bezeichnung für eine Auffassung, die die Technik verabsolutiert und zur Grundlage der Lösung von Problemen aller Art machen will, speziell für die Uberzeugung, der soziale und menschliche Fortschritt beruhe auf dem technischen (vgl. —» Technokrate); dazu gleichzeitig die adj. Ableitung technizistisch 'den Technizismus vertretend' und in neuester Zeit vereinzelt die Personalableitung Technizist M. (-en; -en) 'Vertreter des Technizismus'. 4 In neuerer Zeit vereinzelt in der Bed. 'technisches (Hilfs-)Mittel, Gerät', dafür auch Technismus. Technizismus 1: Kant 1790 Kritik d. Urteilskraft V 413 [Dem Mechanismus der Natur entspricht der] teleologische (absichtliche) Technicism der Natur; Novalis 1798-1802 Sehr. HI 338 Medizin. Einfluß des individuellen Charakters auf den organischen Technizism - den Bau und die Bewegung — und das Produkt; Krug 1829 Allgem. Handwb. d. philos. Wissenschaften IV 115 Wenn der Technicismus dem Mechanismus entgegengesetzt wird, so versteht man unter jenem ein höheres Kunstverfahren, das sich nicht aus bloßen Bewegungsgesetzen (materialer Anziehung und Abstoßung) begreifen läßt. Daher spricht man von einem Technicismus der Natur, indem in vielen Erzeugnissen der Natur, besonders den organischen, eine höhere Kunst zu walten scheint, ein Verfahren nach Zwecken, in Bezug auf welche die Mittel gleichsam vorausberechnet seien (alle SEIBICKE). technizieren: Goethe 1807 (G I 482) In dem, was der Mensch techniziert, nicht bloß in den mechanischen, sondern auch in den plastischen Kunstproduktionen ist die Form nicht wesentlich

mit dem Inhalt verbunden, die Form ist dem Stoff nur auf- oder abgedrungen ( S E I B I C K E ) . Technizismus 2: Quitzmann 1866 Rechtsverf. d. Baiwaren Vorr. VI Erläuterung der Rechtstechnicismen. Technizismus 3: Dtsch. Rundschau 56 (1930) 152 So ist der moderne Technizismus die Uberbetonung der Tatsache, daß wir mit Hilfe von Maschinen manchmal sehr viel, manchmal verhältnismäßig wenig erreichen können. Aber dieser Technizismus ist eine viel bedrohlichere Angelegenheit als es der Monismus war; Guttmann 1932 Industriepolitik 109 Kritik des Technizismus; Röpke 1946 Civitas 119 mit den Ausdrücken „Positivismus", „Szientismus" und „Technizismus" umschreiben; ders. 1950 Mass 229 [so handelt es sich] im Falle des Technizismus nicht um ein allgemeines Zuviel, sondern um ihre [der Technik] falsche Einordnung in den Gesamtplan des Lebens und der Gesellschaft; 1955 Nachr. a. d. Kösel-Verlag München I 2 Sagen Sie Technik, so sage ich sorgenvoller Technizismus. Was besagt der Name? Ich glaube einmal

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Technokrate

die Vormachtstellung des Maschinellen, besonders aber der automatisch funktionierenden Apparatur; 1961 Haeresien 241 Die Isolierung der Arbeit und der Technizismus; Mühlmann 1962 Homo 408 Kräfte gegen Technizismus und Materialismus; Zbinder 1969 Europa 65 dem Einfluß eines einseitigen amerikanisch gearteten Technizismus [erliegen].

Mass 197 Gefahr einer technizistisch-szientistischen Denkweise; Diesel 1950 Jahrhundert 120 technizistische Führung der Massen; Trott z. Solz 1958 Widerstand 36 Terror jener technizistischen Weltordnung [des Ostens]; Diesel 1963 Menschheit 326 um die Pforte . . . zu einer technizistischen Gleichschaltung zu öffnen.

Technizist: Ritter 1948 Machstaat 153 Anm. sieht C. Schmitt-Dorotic . . . Machiavelli als blossen rationalen Technizisten der Politik.

Technizismus 4: Hellpach 1944 Vps. 63 Es sind hier am ehesten Technizismen der Kampfesweise (Feuerwaffen), die von außen her zuerst und am willigsten Zugang gefunden haben.

technizistisch: Dtsch. Rundschau 56 (1930) 151 In unsern Tagen sitzt eine technizistische und mechanistische Technik auf dem hohen Rosse und gibt sich ganz einfach für die Technik aus; 1933 Volk u. Reich 3 [des] Mittelbaren, Konstruktiven, Technizistischen; Stapel 1939 Stapeleien 294 [das] technizistische Ideal [der Zeit] . . . kann man im technizistischen Stil zwar Fabriken und Kontorhäuser bauen, nicht aber Kirchen; Röpke 1950

Technismus: Erhard 1929 Weg 4 In der Tat weist der menschliche Körper namentlich in seinen Sinnesorganen eher Verfallserscheinungen als Entwicklungsfortschritte auf; allein dieser Mangel der „Organismen" wird durch die Schaffung von außerkörperlichen „Technismen" reichlich aufgewogen . . . So übertreffen das Fernrohr und Mikroskop jedes Tierauge an Schärfe, das Flugzeug überflügelt die Vogelschwingen.

Technokratie F. (-; selten -n), im frühen 20. Jh. entlehnt aus gleichbed. engl./ amerikan. technocracy (V. H. Smyth 1919) (zurückgehend auf griech. xe/VT), —» Technik und KQdtog 'Kraft, Stärke, (Vor-)Macht, Herrschaft, Gewalt'); zur Bezeichnung einer von den USA ausgehenden Richtung in der Volkswirtschaft, die die Vorherrschaft der Technik über Politik und Wirtschaft mit dem sozialpolitischen Ziel propagiert, die technischen Errungenschaften für den Wohlstand der Menschheit nutzbar zu machen, und der ihr entsprechenden Gesellschaftsform, häufig (leicht abwertend) für 'Herrschaft der Technik(er); das Beherrschtwerden des Menschen und seiner Umwelt durch die Technik', auch allgemeiner für 'Organisation und Leitung der Gesellschaft durch Fachleute' und 'Anwendung wissenschaftlicher, exakter Methoden auf einem bestimmten praktischen Gebiet'; dazu gleichzeitig die Personalableitung Technokrat M. (-en; -en) 'Vertreter, Anhänger der Technokratie', gelegentlich leicht abwertend für 'jmd., der vom Primat der Technik überzeugt ist', auch allgemeiner für 'technischer Experte' und 'rational denkender und planender Mensch, jmd., der mit wissenschaftlichen, exakten Methoden auf einem bestimmten praktischen Gebiet arbeitet', bes. in Politik und Verwaltung für 'Bürokrat, Macher'; gleichzeitig die adj. Ableitung technokratisch 'die Technokratie betreffend' und abwertend 'von der Herrschaft der Technik bestimmt, rein mechanisch (unter Mißachtung des Individuellen, Humanen)', vgl. technisiert, —* technisieren; in neuester Zeit die verbale Gelegenheitsableitung technokratisieren 'die (Lehre der) Technokratie vertreten; der Technik den Vorrang über Politik und Wirtschaft einräumen'. Technokratie: Friedeil 1928 Kulturgesch. II 382 Und wer etwa das Fin de siècle nur nach seiner Kunst beurteilen wollte, würde . . . wohl kaum auf ein Zeitalter der Technokratie und Börsen-

herrschaft, des Imperialismus und Militarismus schliessen; Erhard 1929 Weg 13 Die Technik wandelt kraft ihres Auftriebs auf der ihr vorgezeichneten Bahn weiter . . . Die Entwicklungsge-

Technokratie schichte selbst hat der Technik ein festes Ziel gesetzt: die „Technokratie". Die Technokratie will aber nicht etwa die Vorherrschaft der Techniker im Staate herbeiführen; die Technokratie erstrebt vielmehr das Eindringen des ordnenden, schöpferischgestaltenden Geistes der Technik und ihrer rationalen . . . Denkweise in das Wirtschafts- und Kulturleben der Völker; Pfeiffer 1930 Technokratie. Was amerikanische Techniker von der Leistungsmöglichkeit der Maschinen erwarten (Titel); Volk u. Heimat 20. 6. 1933 An dieser Neigung zur Scheidung wichtigster, von Natur zusammengehöriger Lebensgebiete leiden auch die an sich beachtenswerten Bestrebungen, die seit einiger Zeit in Amerika, wie auch in Europa, unter dem Namen „Technokratie" im Gange sind. Die „reine" Technik, die Säuberung der Technik von unlauteren Elementen durch die Techniker selbst ist das Ziel der technokratischen Bewegung; Geistige Arbeit 5. 2. 1934 hat sich in den Vereinigten Staaten eine neue Gemeinschaft von Menschen gebildet, die der Technik den Vorrang vor allen anderen wirtschaftlichen und kulturellen Faktoren einräumen wollen. Sie halten den Vormarsch der Technik für unaufhaltsam und verlangen, daß man daraus die Folgerung einer alles beherrschenden „Technokratie" ziehe; Lokal-Anz. 22. 7. 1934 Die „Technokratie" ist eine amerikanische Erfindung. Technokratie heißt Herrschaft der Technik. Die Technokraten fordern, daß die Gesamtleitung von Wirtschaft und Politik in ihre Hand gelegt wird; Europäus 1937 Wiederaufstieg d. Abendlandes lOf. Es wurde das Wort „Technokratie" geprägt, das heisst, Herrschaft der Naturwissenschaften, Herrschaft der Technik. Erst vor etwa 20 Jahren wurde dieses Wort geformt; Burnham 1948 Manager (Übers.) 239 Die Technokratie ist ein weiteres Beispiel für eine amerikanische Spielart der Managerideologien; Süddtsch. Ztg. 28. 9. 1949 Die gesunde menschliche Natur . . . könne die Menschheit vor dem Zugriff der „Technokratie" und des Materialismus retten; Röpke 1950 Mass 228 jene Herrschaftsansprüche [der Technik], für die das Wort „Technokratie" erfunden worden ist; De Man 1951 Vermassung 129 Andere Fluchtrichtungen zielten als Historizismus oder Archaismus auf eine idealistische Vergangenheit und als Futurismus auf eine als total entseelte Technokratie aufgefasste Zukunft hin; Süddtsch. Ztg. 10. 5. 1958 Der aufmerksame Beobachter aber fragt sich, welcher Unterschied dann eigentlich noch besteht zwischen dieser versachlichten, nüchternen Arbeitswelt und jener seelenlosen Technokratie, wie sie in den kommunistischen Ländern bereits zu herrschen beginnt; 1961 Haeresien 73 der Traum der Reich-GottesVerwirklichung auf dem Weg der vollendeten

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Technokratie; Die Welt 5. 1. 1963 karge Büros, geschmückt nur durch Europakarten und statistische Kurvenzeichnungen, Karteikästen, Ordner, Aktenmappen - Attribute der modernen Technokratie (MÜLLER); Adorno 1963 Prismen 68 Aus der Kritik des Güterverbrauchs als bloßer Ostentation hat er Folgerungen abgeleitet, die . . . praktisch mit denen der Technokratie aufs engste sich berühren (MÜLLER); Wagner 1965 Historiker 137 Die Technokratie übergreift die gespaltene Welt von heute, die fast allmächtig scheinenden „sekundären Systeme" prägen den funktionierenden Menschen und den Menschen als Funktionär überall; Weiss 1965 Marat 71 als die Karren mit ihrer Ladung regelmäßig zum Richtplatz fuhren und das Beil fiel und hochgezurrt wurde und wieder fiel . . . ausgeführt von einer stumpfen Unmenschlichkeit in einer eigentümlichen Technokratie (MÜLLER); Umversitas 3 (1970) 271 Es ist Technik, die herrscht, der wir uns als Konsumenten unterwerfen . . . mag man diesen Zustand unserer Welt Technokratie oder - objektivierter - Technostruktur oder Technologie nennen (MÜLLER); NZ. (Basel) 31. 12. 1971 Technokratie: Die Illusion, die Technik befreie von der Notwendigkeit politischer Auseinandersetzung, da die Techniker - einmal losgelassen - alle Probleme zu lösen imstande seien. Technokrat: 1933 Vom Gestern 155 Berechnungen der Technokraten; Lokal-Anz. 22. 7. 1934 Die deutschen Technokraten verlangen vielmehr nur eine stärkere Heranziehung der Technik zur Gestaltung des Wirtschaftslebens; Röpke 1946 Civitas 162 [Rathenau] ist zugleich das gewesen, was man einige Zeit später als „Technokrat" bezeichnet hat; Offenburger Tagebl. 11.7. 1959 Im Gegensatz zum bauernschlauen Chruschtschow und zum rätselhaft-hintergründigen Mikojan aber repräsentiert der „Technokrat" Koslow einen neuen Typ: den wohlgekleideten, lächelnden, durchaus von sich überzeugten und gar nicht doktrinären Businessman; ebd. 18. 10. 1962 [wir] sind Demokraten und nicht Technokraten; Süddtsch. Ztg. 16. 11. 1963 Seit 1957, so tönt es vorsichtig aus dem Hauptquartier der fangalistischen Opposition, seitdem die jungen Technokraten der Regierung eigene, „europäische" Wege gehen, seit dieser Zeit sei die „soziale Harmonie" gestört; Erlanger Tagebl. 27. 7. 1965 Es waren Amateure, oft genial und sehr erfolgreich, die aber nichts gemeinsam hatten mit den politischen Technokraten, die heute das Feld beherrschen; Stuttgarter Ztg. 12. 3. 1968 Sie nennen sich gerne „Technokraten" oder die „Computer-Generation", sie haben volle Zuversicht in die Fähigkeiten der Israelis, ihr eigenes Schicksal zu bestimmen; FAZ 25. 6. 1969 ,Der

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Technologe

Referendar dürfe nicht zu einem reinen Technokraten und Rechtshandwerker ausgebildet werden, sondern zu einem Juristen, der den Anforderungen seines Berufes . . . gewachsen sei; ebd. 9. 2. 1970 Ein Abgeordneter berichtete, die Angehörigen der technischen Intelligenz wollten die Unternehmen verlassen, in denen sie „Technokraten, Bürokraten" und „Zentralisten" genannt würden; ebd. 20. 2. ¡970 die Finanzpolitik darf den Technokraten und Haushaltsexperten [nicht] überlassen bleiben; ebd. 5. 5. 1970 Das Regime [Francos] sei verfault, die Diktatur der „Technokraten" stinke genauso wie ihre Vorgängerin, die Diktatur der Polizeiknüppel; 1971 Junge Wirtschaft 10 Es wird gut herausgearbeitet, wie sehr Flick stets nur Technokrat war, den die politischen Folgen seines Handelns nie interessierten; Offenburger Tagebl. 15. 2. 1971 Bei dem neuen Fünfjahres-Plan haben offenbar die Technokraten in der sowjetischen Führungsspitze ein gewichtiges Wort mitgeredet. Erkennbar ihre Handschrift trägt die Erklärung, daß der angewandten und theoretischen Mathematik, der Kybernetik, der Ausrüstung mit Elektronenrechnern, der Automatisierung und der Verbesserung des Managements Vorrang eingeräumt werden sollen; ebd. 12. 8. 1971 Man schimpft gern über die Brüsseler „Technokraten"; FAZ 8. 12. 1971 Die Zahl der Angehörigen der beiden Häuser der Nationalversammlung soll unter den 24 Ministern auf 16 erhöht, der Anteil der Technokraten hingegen, mit denen er nicht die besten Erfahrungen machte, reduziert werden; Offenburger Tagebl. 22. 1. 1972 Sie aber fordern mehr Gewicht im politischen Raum, Technokraten allein kann man sie [die E G ] kaum anvertrauen.

„Uberzeugungen", sondern eine technische Angelegenheit, ist weitgehend technokratisch aufzufassen; Röpke 1950 Mass 223 Dieser selbe Bacon, der uns in seinem Nova Atlantis das Vorbild aller späteren technokratischen Utopien bis zu Bellamy und Wells hinterlassen hat; Neue Ztg. 24. 5. 1952 Eben noch spazierte man unbehindert über die Schleifen. Jetzt hat der Fußgänger sein Recht verloren . . . Er kann nicht vorwärts, nicht rückwärts. Er steht und wartet, während es um ihn von Motoren und rollenden Reifen rauscht, bis es vorüber ist. Gegen sechs ist das technokratische Zeitalter wieder vorbei. Und der Mensch wandert zu Fuß zurück in die stille, weiße Metropole; FAZ 1. 4. 1969 Das technokratisch konzipierte Europa, dem sein Mitschöpfer Walter Hallstein vor Jahren noch die Chance einer logischen Fortentwicklung zur politischen Gemeinschaft gab; ebd. 14. 3. 1970 Die Drittelparität wird . . . der Studienreform im Wege stehen. Viele studentische Vertreter werden sich gegen alles wenden, was sie als „technokratische Reform" missbilligen; Offenburger Tagebl. 11. 12. 1970 Wenn Beamte aus dem Landtag ausgeschaltet würden, dann bedeute das eine Stärkung der technokratischen Kapazität der Ministerialbürokratie gegenüber dem Parlament; FAZ 30. 8. 1971 Die jetzige Regierung, die sich selbst gern „technokratisch" nennt, wird auch einmal danach beurteilt werden, wie weit es ihr gelungen ist, das recht antiquierte Denken der meisten spanischen Unternehmer der modernen Zeit anzupassen; Linguist. Berichte 22 (1970) 90 Schon deshalb halte ich es für fatal, wenn derartige Reformansätze als rein technokratisch von vornherein zurückgewiesen werden ( M U L L E R ) .

technokratisch: Volk u. Heimat 20. 6. 1933 Die „reine" Technik, die Säuberung der Technik von unlauteren Elementi'n durch die Techniker selbst ist das Ziel der technokratischen Bewegung; 1950 Neue Rundschau 17 Wirtschaft ist nicht Sache von

technokratisieren: FAZ 24. 9. 1969 Gegenüber dem Einwand, daß so die Politik technokratisiert würde und die politische Verantwortung der Regierung gegenüber dem Parlament weggedrängt würde.

Technologe M. (-n; -n), im späteren 18. Jh. aufgekommene Personalableitung zu —» Technologie, früher und noch regional (österr.) in der Form Technolog; zunächst in der Bed. 'Kenner, Lehrer der Gewerbekunde; Gewerbe-, Handwerkswissenschaftler', heute mit —» Techniker konkurrierend in der Bed. '(wissenschaftlich ausgebildeter) Fachmann, Sachkenner, Universitätslehrer auf dem Gebiet der Technik, der Technologie', vereinzelt auch auf andere Bereiche übertragen. Beckmann 1774 Physikal.-ökonom. Bibl. IV 282 der V. springt mit den Namen der Naturalien herum, wie ein Franzos mit ausländischen Namen. Das schickt sich aber schlecht für einen Technolo-

gen, der die Materialien seiner Handwerke aufs genaueste bestimmen solte, worauf sehr oft das meiste ankörnt; Rössig 1780 Lehrbuch für den angehenden Staatswirth und den sich bildenden

Technologie und reisenden Technologen (Titel) (beide SEIB I C K E ) ; 1787 Journal d. Moden II 144 Technologie und unsre gelehrten Technologen; 1798 Gallerie d. Welt Vorher. I daß ein gebildeter Mann, der vielleicht nicht einmal die Grenzen der Provinz, worin er geboren ist, gesehen hat, der von Beruf kein Staatsmann, kein Kriegsmann, kein Seefahrer, kein Naturforscher, kein Künstler, kein Technologe, kein Kaufmann . . . ist; Lehmann 1799 Handbuch für Landwirthe, Jäger und Technologen (Titel) (SEIBICKE); Koch-Sternfeld 1805 Nahrung 213 Die Finanzen sind gewöhnlich das Ressort der Kammerkollegien: und in diesen sassen bisher oft nur Kalkülanten, und Technologen, aber keine Finanziers; Sartori 1812 Reise I 144 kenntnisreicher und thätiger Naturforscher, Geo-, T o p o - und C h o r o g r a p h e n , Statistiker, Technologen, Ö k o n o m e n ; Goethe vor 1832 (N IV 472) Dilettant und Technolog (SEIBICKE);

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Nehenius 1833 techn. Lehranstalten 203 Technologin; Zischka 1936 Monopole 269 Technologen; 1961 Haeresien 418 Fragmente von Wissen hat der einzelne vielleicht in der H a n d , aber das Ganze versteht er nicht mehr, und selbst die Besitzer reservaten Wissens, die Technologen hohen Grads, die Hieraten des technischen Glaubens sehen nur einen Ausschnitt scharf ; Doderer 1962 Merowinger 147 Konstrukteure, Technologen, Laboranten, Industrievertreter und Agenten; Stuttgarter Ztg. 16. 5. 1962 G a n z sicher ist die emotionelle Bereitschaft eines Dulles, keine Handbreit zurückzuweichen, der rationalen Kühle politischer Technologen gewichen; NZ. (Basel) 6. 8. 1964 Eines der Probleme, dem die Technologen und Wissenschaftler in der Industrie auf Schritt und Tritt begegnen, ist die Notwendigkeit, sich auf eine einheitliche Terminologie zu einigen (SEIBICKE); Fischer 1966 Kunst 102 Technologen der Seele.

Technologie F. (-; -n), im frühen 18. Jh. entlehnt aus gleichbed. gelehrtenlat. technologia (zurückgehend auf spätgriech. xzyyokoyia '(kunstgemäße) Rede, Abhandlung über eine Kunst oder Wissenschaft; Kunstlehre; die einer TEXVT] eigene Ausdrucks weise, Fachsprache, Terminologie', aus griech. xiyyr\, —» Technik und Xoyoç 'Wort, Rede; Kunde, Lehre, Wissenschaft'); 1 zunächst in der veralteten Bed. 'Gesamtheit, Systematik der Fachwörter, Lehre von den Fachwörtern, Terminologie(-lehre)', z. B. im Bereich der (Schul-)Philosophie und der schönen Künste, vereinzelt auch im Sinne von 'Kunstlehre', speziell 'Poetik'; seit dem Aufkommen von 2 durch —» Terminologie ersetzt; vgl. —» Technik l b . 2 Seit späterem 18. Jh. (Beckmann 1772) auf die Darstellung und Lehre der handwerklich-praktischen, mechanischen Künste und Gewerbe (Handwerke, Manufakturen, Fabriken) und der technischen Wissenschaften angewendet in der Bed. 'Wissenschaft von den Gewerben, (systematische) Handwerkswissenschaft, Gewerbekunde' und vor allem in der seit dem 19. Jh. durch Aufkommen und Ausbreitung von —* Technik 2 zunehmend verfestigten Bed. 'Wissenschaft von der Umwandlung der Roh- und Werkstoffe in Fertigprodukte und Gebrauchsgegenstände unter Anwendung naturwissenschaftlich-technischer Erkenntnisse, Herstellungskunde; Lehre von den in der Technik angewendeten und anwendbaren rationalen Arbeits- und Produktionsverfahren, Verfahrenskunde', bes. in den Syntagmen mechanische Technologie 'Wissenschaft von den Produktionsprozessen, bei denen der Arbeitsgegenstand durch physikalisch-technische Vorgänge einer Formveränderung unterworfen wird' und chemische Technologie 'Wissenschaft von den Produktionsprozessen, bei denen der Arbeitsgegenstand einer chemischen (stofflichen) Veränderung unterliegt'; auch als Bezeichnung für die Gesamtheit der zur Gewinnung und Bearbeitung oder Verformung von Stoffen nötigen technologischen Prozesse, Fertigungsabläufe und Arbeitsgänge, in Syntagmen wie Technologie(n) des Schweißens, eine neue Technologie einführen, und für 'Verfahren(-stechnik), Methodik eines bestimmten (ingenieurwissenschaftlichen)

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Technologie

Forschungsgebietes', als Grundwort in Zss. wie Planungs-, Forschungs-, Bio-, Raumfahrttechnologie; in neuerer Zeit unter engl./amerikan. Einwirkung auch häufig gleichbed. mit —» Technik 2 und ganz allgemein verwendet für 'Gesamtheit von fachlichen Kenntnissen, Fähigkeiten und Möglichkeiten und der Methoden in einem bestimmten (technischen, wissenschaftlichen, künstlerischen o. ä.) Tätigkeitsbereich' (Unterrichts-, Lehr-, Wirtschafts-, Nahrungstechnologie; politische Technologie).

Technologie 1: Walch 1726 Philos. Lex. 2514 Technolochie [im Register: Technologie], Heist die Lehre von den Kunst-Wörtern, wodurch man insgemein solche Wörter verstehet, welche Sachen bedeuten, die in einem gewissen Stand sich befindenden Personen eigen sind . . . Man kann sie [die Kunstwörter] in ungelehrte und gelehrte theilen, davon iene in den Handwercken und gemeinen Künsten; diese in den gelehrten Wissenschafften vorkommen (SEIBICKE); Fäsch 1735 Kriegs-Lex. 895 Technologie, heisset die Lehre von den Kunst-Wörtern oder Terminis technicis; Zedier 1744 Universal-Lex. XLl 508 Technologie, Kunst-Wörter-Lehre . . . heißt die Lehre von den Kunst-Wörtern; Trunk 1789 Forstlehrbuch. Prolegom. 1 Forsttechnologie, oder Erklärung der in der Forstsprache üblichen Kunstwörter . . . Diese Technologie ist aber deswegen in ein alphabetisches Verzeichniß gebracht, damit jeder darin sich desto leichter Rathes holen, und die gesuchten Wörter finden kann; ebd. Anm. Forsttechnologie, dieses Wort bedeutet sowohl Kunstwörter, als Kunstkenntnisse; ebd. Fini. 5 Dahin gehören 1) Die Technologie, oder ein Verzeichniß der Kunstwörter in der Forstsprache; ebd. Vorr. VI Sonst muß Ich auch noch zum Voraus anmerken, daß die Forstkunstwörter, welche in der Technologie nicht bestimmt genug erscheinen, unten, wo der eigentliche Sitz jedes Gegenstandes ist, näher erkläret werden . . . Sonst sind die besonderen Kunstwörter von der Jagd . . . und vom Kohlenbrennen . . . nicht in der Technologie zu suchen (SEIB I C K E ) ; Herder 1799 Verstand u. Erfahrung XXI 268f. im Gebrauch der Landessprache kamen Frankreich und England uns weit voran. Zu lieb war den Schulen die scholastische Transcendentalphilosophie, bis nebst andern (Thomasius z. B.) Leibnitz den großen Sinn hatte, bei der genauesten Technologie die Philosophie des Verstandes und der Vernunft zur verständlichen Philosophie zu machen (SEIBICKE); Jean Paul 1800- 03 Titan III 173 aber sie [die Betglocken] gaben ihm keine Antwort, bis ihm der Lektor, ein Kenner des Abcs wie der Technologie aller Künste, das Nötigste in drei Worten gewiesen; ebd. III 196 er [der Kunstrat] war ihr Lehrer und jetzt in der

malerischen Technologie sogar ihres Vaters seiner (beide SEIBICKE); Goethe 1813 Br. (Goethes Ehe 585) Ich habe mir die griechische und römische Technologie in Dresden angeschafft und studire sie fleißig; ders. 1813 Tagebücher V 42 Abends rhetorische Technologien [gelesen]; ebd. V 44 Technologie der Griechen und Römer; 1819 Conversations-Lex. V 541 f . Da aber jede Kunst . . . ihre äußere Grundlage, oder ihr eigentlich Technisches hat, so gibt es auch eine technologische Theorie der schönen Künste, oder eine Technologie der einzelnen schönen Künste (SEIBICKE); Gutzkow 1875 (46) Säkularbilder VIII68 [in Goethes Egmont finde man] ein poetisches Handbuch der Technologie. Technologie2: Beckmann 1772Physikal.-Ökonom. Bibl. III 309 Einen Auszug leidet das Werkchen freylich nicht, aber da wir die Bücher, welche die Technologie oder Kenntniß der Handwerker betreffen, wenigstens eben so hoch halten, als die ökonomischen Schriften . . . so wollen wir wenigstens die Einrichtung anzeigen; ebd. IV 275 wir bedauern es, daß manche zu kurz und unvollständig beschrieben sind, dahingegen viele durch Einschaltung solcher Sachen, die eigentlich in die Mechanik, Naturlehre, Naturkunde oder Geschichte, wenigstens nicht in die Technologie gehören, über alle Verhältnisse ausgedehnt sind; ebd. IV 276 Jedes Handwerk, welches Menschen ernährt, ist wichtig und verdient Achtung und Beyhülfe . . . Aber gestehen müssen wir, daß H. Hallen einige Arbeiten zur Technologie gezogen hat, die keineswegs dahin gerechnet werden können; z. B. die Reitkunst, Fechtkunst, Tanzkunst, Schwimmkunst; ders. 1777 Anleitung zur Technologie, oder zur Kenntniß der Handwerke, Fabriken und Manufacturen, vornehmlich derer, die mit der Landwirthschaft, Polizey und Cameralwissenschaft in nächster Verbindung stehen, nebst Beiträgen zur Kunstgeschichte (Titel); ebd. Einl. XV Technologie ist die Wissenschaft, welche die Verarbeitung der Naturalien, oder die Kenntniß der Handwerke lehrt. Anstat daß in den Werkstellen nur gewiesen wird, wie man zur Verfertigung der Waaren, die Vorschriften und Gewohn-

Technologie heiten des Meisters befolgen soll, giebt die Technologie, in systematischer Ordnung gründliche Anleitung; ebd. Einl. XVI Ich habe es gewagt, Technologie stat der seit einiger Zeit üblichen Benennung Kunstgeschichte [ = Handwerkskunde] zu brauchen . . . Ein Hauptstück der Technologie ist die richtige Bestimmung der Haupt- und Nebenmaterialien, die ich, wenn ich sie einzeln abhandeln wolte, Materia technologica oder Materialkunde nennen würde; ebd. Einl. XVII Man hat die Handwerke auf mannigfaltige Art abgetheilet, z. B. nach den Materialien: in Steinarbeiter, Metallarbeiter u.s.w. oder nach dem Gebrauche der Waaren: in die zur Nahrung, zur Kleidung, zum Schmuck u.s.w. oder nach der verschiedenen Einrichtung der Gilden: in zukünftige, freye u.s.w. aber alle diese Eintheilungen dienen nicht zur Grundlage der Technologie (alle SEIBICKE); 1778 Ephemeriden der Menschheit X 121 Lehrer der landwirtschaftlichen Technologie; Hermann 1781 Studium d. Technol. 10 Kunstgeschichte, Kunstwirthschaft, Städtewirthschaft oder Technologie, sind gleichbedeutende Wörter, die allemal jene Wissenschaft bezeichnen, welche ihre Lehre über die Handwerke und Künste verbreitet (SEIBICKE); ebd. 18 Die Technologie ist eine Wissenschaft, wovon noch sehr viele keinen zureichenden Begrif haben, obwohl die Sachen, die sie in sich schließt, jedem . . . bekannt genug sind. — Der vortrefliche Professor in Göttingen, Herr Bekmann war es, der ihr zuerst dieses griechische Gewand gab (SEIB I C K E ) ; Halle 1782 Technologie, oder die mechanischen Künste, als ein vermehrter Auszug aus den sechs Bänden der neuen Kunsthistorie (Titel) (SEIBICKE); Feder 1782 Untersuchungen II 611 moralische Technologie; 1789 Journal d. Moden IV 330 Wie vieles [gewann] die Technologie durch Jacobson, Lewis, Beckmann, Sprengel, Lamprecht, und durch so viele Academien, Journale, Wörterbücher, besonders auch . . . durch Diderots und d'Alemberts Encyclopädie und durch die Beschreibung der Künste und Handwerker, welche die Academie zu Paris veranstaltete; Busch 1808 Handlung I 133 Die Technologie ist . . . dem Kaufmann unentbehrlich, der mit Manufakturen handelt; Beckmann 1809 Anleitg. z. Technol. (6. Aufl.) 21 Ich habe zuerst im Jahre 1772 gewagt, Technologie-, (welches Wort nun schon in und außer Teutschland angenommen ist) stat der vorher üblichen Benennung Kunstgeschichte zu brauchen; ebd. 22f. Viele verschiedene Handwerke haben zu einerley Absicht sehr verschiedene Mittel, Werkzeuge und Handgriffe im Gebrauche . . . Ein Verzeichniß aller der verschiedenen Absichten, welche die Handwerker und Künstler bei ihren verschiedenen Arbeiten haben, und daneben ein Verzeichniß aller der Mittel,

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durch welche sie jede derselben zu erreichen wissen, würde den Namen der algemeinen Technologie oder des ersten oder algemeinen Theils der Technologie verdienen. Der besondere Theil behielte die Beschreibung der einzelnen Handwerke (SEIBICKE); Rehfues 1813 Spanien I 156 aus dem Industriewesen und der Technologie; 1820 Conversations-Lex. (5. Aufl.) IX 802 Technologie, Gewerbkunde . . . ein Zweig der Cameralwissenschaft, welche Naturerzeugnisse für die Bedürfnisse der Gesellschaft künstlich verarbeiten lehrt (SEIBICKE); Härter 1824 rheinländ. Weinbau II 51 Weinbau-Technologie; Karmarsch 1825 Einleitung in die mechanischen Lehren der Technologie (Titel); Schlözer 1828 Schlözers Privatleben I 37 Ökonomie und Technologie; Demeter 1832 Grundzüge 67 Kleine Naturgeschichte in Verbindung mit Technologie (Oberschr.); 1834 Kunstblatt 301 Technologie der Kupferstecher- und Holzschneidekunst; Heck 1849 Bilder-Atlas X 1 Den Inbegriff der Lehren, durch welche man dahin gelangt, die Erzeugnisse der Natur, die rohen Stoffe, dergestalt zu verwenden und zu bearbeiten, dass sie zum Nutzen und zum Vergnügen der Menschen dienen können, nennen wir im Allgemeinen Gewerbswissenschaft oder Technologie; Stein 1852 System I 142 Die Lehre von den mechanischen Arbeitsmitteln und ihrer Anwendung ist die Technologie; Kick 1877 Uber ein System der vergleichenden Technologie, eine technologische Streitschrift (Titel); Schaffte 1878 Bau III 563 Dahin gehört die Lehre von der Baukunst; die von den Schuzkünsten (Heilkunst u.s.w.); dahin die „Technologie", welche eine Specialwissenschaft für den industriellen Theil des progressiven Stoffwechsels ist; Oncken 1914 Aufsätze I 264 [wurde die] Fakultät für Staats- und Forstwirtschaft, Technologie und Landwirtschaft gegründet; 1925 Festschr. TH Karlsruhe 535 die mehr oder weniger bewußt vorhandene Gliederung aller technischen Wissenschaften in eine die greifbaren Tatsachen beschreibende und erklärende „Technologie" und die abstrakt erkennende technische „Theorie" als Lehre von den Regeln und Prinzipien des technischen Schaffens; Breysig 1926 Werden II 119 die Voranstellung der Technologie in der Schichtenfolge der Marxschen Gesellschaftslehre; ebd. II 500 die Technologie, die neue Hilfsmittel zur Unterwerfung der Erde unter die Herrschaft des Menschen schafft; Sombart 1930 Nationalökonomie 329 Die Naturwissenschaften . . . stellen Regeln auf . . . die für längere Zeit und für alle Fälle ihres Bereichs Gültigkeit haben. Die „Regeln" . . . wendet die Kunstlehre oder Technologie . . . an, seit in ihr das sogen, wissenschaftliche Verfahren zur Anerkenntnis gelangt ist; Kindermann 1930 Jungführer 122 Ernst Krieck

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technologisch

. . . wirft ihr [der herrschenden Pädagogik] zuerst vor, dass sie zu sehr „Technologie" ist. Sie stellt die Mittel der Erziehung einseitig in den Vordergrund; ist zu viel angewandte Wissenschaft; Dtsch. Rundschau 7 (1931) 79 Um die Verfahren der sich ausbreitenden Gewerbe in einem wissenschaftlichen Sinn zu umreißen, verwendete man allmählich das Wort „Technologie"; Münch. N. N. 27. 3. 1944 Aus Kreisen der Brauwirtschaft wird uns geschrieben: Der durch den dhd . . . verbreitete Bericht über Kriegserfahrungen in der Technologie des Bieres _ hat sowohl in der Bevölkerung wie auch im bayerischen Braugewerbe Verwunderung hervorgerufen; Süddtsch. Ztg. 27. 2. 1951 [er] wurde mit der kommissarischen Leitung des Lehrstuhles und des Instituts für Chemische Technologie . . . betraut; 1955 Sociological 161 Umsetzung der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse in Technologie; Masur 1961 Propheten 15 Die westliche Technologie . . . und die industrielle Revolution [sind] schliesslich die praktische Anwendung technologischer Siege; Klein 1962 Bildung 160 Man unterscheidet allgemeine und vergleichende Technologie und spezielle Technologie, außerdem mechanische und chemische Technologie (MÜLLER); Süddtsch. Ztg. 11. 10. 1965 [er] wurde parlamentarischer Staatssekretär im Technologieministerium; Stuttgarter Ztg. 24. 6. 1966 daß der vollkommenste Einflußapparat des Einzelnen auf den Staat . . . dieselbe „Technologie" aufweist wie vor hundert Jahren; Offenhurger Tagehl. 4. 8. 1966 Es sei daher auch erforderlich, eine enge Verbindung mit denjenigen herzustellen, die auf dem Gebiet der Nahrungswissenschaft und der Nahrungstechnologie arbeiten; Die Zeit 23. 9. 1966 Wir haben durchaus die Chance, in der modernen Technologie die Spitzengruppe zu erreichen und uns dort zu halten (SEIBICKE); Offenburger Tagehl. 11. 2. 1967 daß die deutschen Bedenken gegen nachteilige Auswirkungen des angestrebten Atomwaffensperrvertrages auf Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie der Bundesrepublik zerstreut werden können; Stuttgarter Ztg. 7. 11. 1967 Seit Sonntagabend umrundet ein neuer amerikanischer Satellit zur Erprobung fortschrittlicher Raumfahrttechno-

logien die Erde\ebd. 13. 3. 1968 Verbesserte Technologie und ausgeklügelte Fertigungsverfahren ermöglichten dies; FAZ 26. 2. 1969 Forschung, Wissenschaft, Technologie bestimmen heute den Wert, die Entwicklungsfähigkeit, das Wachstum grosser Unternehmen; Stuttgarter Ztg. 16. 10. 1969 Es habe große Bedeutung für Wissenschaft und Technik bei der Ausarbeitung der Technologie von Schweiß- und Montagearbeiten im Weltall; FAZ 5. 2. 1970 Litton produziert so ziemlich alles, was mit moderner Technologie zu tun hat, vom Schiff bis zur Infrarot-Kochplatte; ehd. 20. 2. 1970 damit die Technologie unsere Umwelt verbessert und sie nicht zerstört; 1970 Universitas III 271 Es ist Technik, die herrscht, der wir uns als Konsumenten unterwerfen . . . mag man diesen Zustand unserer Welt Technokratie oder — objektivierter — Technostruktur oder Technologie nennen (MULLER); FAZ 16. 5. 1970 Datenverarbeitung. (Einführung) Unentbehrlich . . . für alle, die etwas von dieser neuen Technologie verstehen möchten; Bahr 1970 „Politische Technologie". Eine Auseinandersetzung mit H. Marcuse und J. Habermas (Titel); FAZ 15. 6. 1970 Es gibt bis heute noch keine Klarheit über das Produktionsprogramm, geschweige denn über die Technologie; ebd. 22. 8. 1970 Die Aussteller haben in den sieben . . . Hallen eine massierte Technologie und ein breitgefächertes Angebot mit bunter Dekoration drapiert; Offenhurger Tagebl. 30. 3. 1971 daß ja einiges für die militärische Forschung und die zivile Technologie abgefallen sei; FAZ 24. 4. 1971 Eine Abordnung . . . wird nächste Woche in Moskau über einen Vertrag verhandeln, der Technologie und Lizenzen für den Bau eines Lastkraftwagenund Motorenwerkes . . . zum Inhalt hat; FAZ 30. 12. 1971 China braucht von den Vereinigten Staaten nach Ansicht der Fachleute nur Weizen, Kunstdünger und einige Produkte der modernen Technologie; Nickel 1972 Fehlerkunde 6 Probleme der modernen Unterrichtstechnologie unter Einfluß modernster Medienverbundsysteme (MULLER); Die Zeit 22. 12. 1978 [er] förderte den Technologie-Transfer und bot dabei mittelständischen Unternehmen technisch-wissenschaftliche Hilfe bei Produktionsproblemen an.

technologisch Adj., seit Ende 16. Jh. nachgewiesen, zurückgehend auf spätgriech. texvoXoyiKwg 'kunstgemäß abhandelnd', Tzyyoköyoz, 'von den Künsten oder Wissenschaften redend', anfangs in der latinisierenden (flekt.) Form technologicus; 1 zunächst auf die Terminologie von Wissenschaft, Kunst und Gewerbe bezogen in der veralteten Bed. 'fachlich, fachsprachlich; den Fachwortschatz be-

technologisch

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treffend', auch im lat. Syntagma vocabula technologica 'Fachtermini'; auch 'eine Kunst(-lehre) betreffend, zu einer Kunst(-lehre) gehörig'; vgl. —» Technologie 1. 2 Seit spätem 18. J h . (Beckmann), im Sinne einer Ableitung von —* Technologie 2, im Bereich der handwerklich-praktischen Künste und Gewerbe (Handwerke, Manufakturen und Fabriken) und der technischen Wissenschaften verwendet in der Bed. 'gewerbekundig' und 'die Anlage und den Betrieb gewerblicher Anstalten betreffend', im 19. J h . vorübergehend von technisch zurückgedrängt und eingeengt auf die Bed. 'zur Verfahrenskunde gehörig'; dann in neuester Zeit häufig nachgewiesen für 'verfahrenstechnisch; die Technologie, den technischen Bereich von etwas betreffend' und 'auf naturwissenschaftlich-technischen Erkenntnissen beruhend', in Syntagmen wie technologischer Fortschritt, technologisches Zeitalter und bes. technologische Lücke (lehnübersetzt aus engl, technological gap) zur Bezeichnung des Abstandes zwischen Industrie- und Entwicklungsländern in bezug auf technische Forschung, technisches Wissen und den Einsatz technischer Methoden; heute unter engl./amerikan. Einwirkung häufig gleichbed. mit technisch 3 verwendet.

technologisch 1: Grosser 1590 Kurze Anleytg. z. d. Landwirthscbafft (Mitt. Schles. Ges. f . V. K. 6 (1899) 57) Zum Beschluss habe ich gleich auch nicht unterlassen wollen, einen kleinen catalogum zu setzen allerlei appellationum, damit die Pauren in ihrer Grammatik pflegen ihre Instrumente zu nennen: Und ist wohl wahr, dass kein Drescher aufm Dorf so geringe, der sie nicht alle auswendig könnte, da sie doch dagegen den allergelehrsten mehrenteils sollten Cauderwelsch genugsam vorkommen: Denn ein jeder Kunst, wie geringe sie auch ist, hat ihre vocabula Technologica; 1675 Alamodisch technologisches Interim oder: den ungeistlichen Geistlichen statistisch scheinheiliges Schaffskleid . . . samt angehencktem Possenspiele, der Conversations-Lex. viesirliche Exorcist (Titel); 1819 V 541 f . Da aber jede Kunst . . . ihre äußere Grundlage, oder ihr eigentlich Technisches hat, so gibt es auch eine technologische Theorie der schönen Künste (SEIBICKE); Goethe 1831 (TXIII 106) Mittag Dr. Eckermann. Wir besprechen manche technologische Eigenheiten, welche bey fortgesetzten poetischen Werken zur Erscheinung kommen (SEIBICKE).

technologisch 2: Beckmann 1777 Anl. z. Technol. Vorr. a3° solche technologische Kenntnisse fehlen dem Landmann; Krünitz 1784ff. Oekonomischtechnologische Encyclopädie (Titel) (SEIBICKE); 1785 Handlungsbibliothek 183 Der technologische Unterricht, oder die Anleitung zur Kenntnis der Manufakturen und Fabriken; 1786 Journal v. u. f . Deutschland II 430 weil ich kein technologisches Wörterbuch an der Hand habe; ebd. 1791 (II 754)

Technologisches Taschenbuch für Künstler, Fabrikanten; Fabricius 1794 Mineralogische und technologische Bemerkungen auf einer Reise durch verschiedene Provinzen in England und Schottland (Titel); Beckmann 1796 Technologie 16 technologische Terminologie; Soden 1816 Nationalökonomie VI 219 technologische Lehr- und Unterrichts-Anstalt; Goethe 1827- 42 (W. XIX 148) Seine statistischen, technologischen und ruralischen Kenntnisse ( K E H R E I N ) ; ders. vor 1832 (B XIII 340) die kleine mineralogisch-technologische Suite von Schleifsteinen (SEIBICKE); Demeter 1832 Grundzüge 67 die Lehre vom öconomischen und Technologischen; Bacherer 1840 Stellungen I 197 Seine mechanikalischen und technologischen Projekte, die Zeugen eines durchdringenden Genie's; 1886 Conversations-Lex. XV 514 Technisch heißt alles auf den äußerlichen, materiellen Teil der Künste oder Gewerbe Bezügliche und wird daher öfters mit „technologisch" . . . verwechselt (SEIBICKE); 1888 Wien I 163 Technologisches Gewerbemuseum; Heigenmoser 1901 Bacher 27 technologische Naturgeschichte; Oppenheimer 1917 (Ges. Reden I 461) Er nennt die ältere Auffassung „technisch-materialistisch". Schon aus der Wortwahl geht hervor, daß er alles in ihr für technologisch hält, was sich auf materielle Dinge, Güter also, bezieht; Rothacker 1927 Logik 49 [die] technologischen Kulturentstehungstheorien; De Man 1951 Vermassung 48 dass die Masse technologisch aus der Mechanisierung, ökonomisch aus der Standardisierung, soziologisch aus der Anhäufung und politisch aus der Demokratie entsteht; Süddtsch. Ztg. 17. 11. 1952 der keramischen und glastechnologischen

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Tee

Industrie; 1955 Sociologica 119Anm. dass technologische Arbeitslosigkeit häufig sehr schwer statistisch nachzuweisen ist; ebd. 8. 6. 1957 Er liegt darin, daß es trotz aller technologischen Fortschritte am Ende doch der Geist ist, der den Gang der Entwicklung bestimmt; Klein 1962 Bildung 107 Die Maschinen waren hier entsprechend dem technologischen Ablauf aufgestellt (MÜLLER); Neues Deutschland 10. 6. 1964 Der Volksrepublik China wurden 380 wissenschaftlich-technische Dokumentationen überreicht, darunter befanden sich allein über 300 Dokumentationen über Maschinenkonstruktion und technologische Produktionsverfahren (SEIBICKE); Die Zeit 20. 11. 1964 die technologische . . . Uberalterung der mechanischen Ausrüstung (MÜLLER); ebd. 23. 9. 1966 Wolfgang Leonhard steht auf dem Standpunkt, zwischen Apparatschiks und technologischer Elite gebe es keine scharf abgrenzbaren Fronten (SEIBICKE); Offenburger Tagebl. 13. 2. 1967 sind . . . Fragen der Entwicklungshilfe, der technologischen Zusammenarbeit . . . erörtert worden; ebd. 22. 2. 1967 der Vertrag dürfe nicht den wirtschaftlichen und technologischen Fortschritt der Bundesrepublik hemmen; FAZ 15. 3. ¡967 Ich hasse das Wort „technische Lücke". Zwischen dem technologischen Stand der deutschen und der amerikanischen Industrie gibt es keine Lücke schlechthin, sondern ganz verschiedene Lücken; Offenburger Tagebl. 26. 3. 1967 Die europäischen Länder dürfen ihre Politik auf technologischem Gebiet nicht mehr isoliert und allein planen; Stuttgarter Ztg. 1. 7. 1967 eine systematische und überdurchschnittliche Steigerung des Aufwandes für Wissenschaft und Forschung mit dem Ziel einer Schließung der vorhandenen „technologischen Lücke"; Offenburger Tagebl. 3. 11. 1967 EWG-Länder wollen technologische Zusammenarbeit verstärken (Uberschr.); Bad. Ztg. 1. 2. 1968 Italien . . . fürchtet ebenso wie die Bundesrepublik, daß sich der technologische Abstand zu den Atommächten bei einem

Beitritt zu dem Sperrvertrag noch weiter vergrößern wird; Stuttgarter Ztg. 15. 3. 1968 Das Schlagwort von der technologischen Lücke zwischen Europa und den USA enthält einen wahren Kern; Offenburger Tagebl. 23. 4. 1969 Weil Europa, wenn es will, einen eigenen Träger für Satelliten bauen kann, wird es nun eine internationale Gesellschaft für Satelliten geben und — bei der Bedeutung technologischer Bindungen dieser Größenordnung — erstmalig eine politische Verbindung zwischen Amerika, Europa und der Dritten Welt; Stuttgarter Ztg. 16. 10. 1969 In der amtlichen Sowjetischen Verlautbarung werden die Metallarten und die Funktionsweise des Schweißapparates verschwiegen. Dieses technologisch interessante Experiment hat erhebliche Bedeutung für den Bau von ständigen Weltraumstationen; FAZ 25. 3. 1970 Die atemberaubende technologische Entwicklung und die mit ihr verbundenen Gefahren haben das klassische Instrumentarium der Aussenpolitik . . . stumpf werden lassen; ebd. 25. 8. 1970 Es [das Buch] trägt eine überwältigende Fülle von Tatsachen und Meinungen vor, um die technologische Lücke Europas . . . zu beweisen; ebd. 11. 11. 1970 Wenn Indien das in Kauf nehmen will aus Furcht vor „technologischem Kolonialismus", so ist das seine Sache; Lenk 1970 Philosophie im technologischen Zeitalter (Titel); FAZ 20. 2. 1971 Ist der Gewinn bei technologisch-orientierten Aktien nicht niedriger als bei einigen erfolgreichen Minen?; ebd. 20. 3. 1971 Die Sicherheit Europas, das ö l , weitere Möglichkeiten technologischer Ergänzung . . . läßt . . . eine freundliche Stimmung bei der Visite erwarten; ebd. 17. 7. 1971 [er] begründete den überraschenden Verzicht der IBM auf den Bau des geplanten Halbleiterwerkes . . . mit einem „technologischen Durchbruch", der in den letzten Monaten in der Fertigung von Halbleiterelementen erreicht worden sei; ebd. 30. 12. 1971 Zu den positiven Faktoren zählt der technologisch hohe Stand zahlreicher britischer Erzeugnisse wie auch technischer Dienstleistungen.

Tee M. (-s; -s), früher auch N., Mitte 17. Jh., wohl unter holländischer Vermittlung aufgekommen, über gleichbed. malaiisch teh, te zurückgehend auf gleichbed. südchines. t'e, bis ins 20. Jh. in der Schreibung Thee und gelegentlich in der frz. Schreibung thé; l a als Bezeichnung für ein (sub-)tropisches, in Asien beheimatetes Strauchgewächs (Teepflanze, -Strauch) und vor allem für dessen getrocknete (fermentierte) Blätter und Blattknospen, oft in einzelne Sorten bezeichnenden Syntagmen wie schwarzer, grüner, chinesischer Tee und in Zss. wie Jasmintee 'zur Parfümierung mit Jasminblüten angereicherter Tee'; b gleichzeitig in

Tee

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der Bed. 'aus den getrockneten (fermentierten) Blättern und Knospen der Teestaude durch Aufguß siedenden Wassers bereitetes aromatisches, belebendes Getränk', häufig als Bestimmungswort in Zss. wie Teegebäck, -kessel, -küche, -löffei, -service, -wagen, Teerose 'Rose, deren Duft an Tee erinnert', Teewurst 'feine Mettwurst, die zum (abendlichen) Tee gegessen wird' und in Redensarten wie seinen Tee bekommen 'bekommen, was einem zusteht' und abwarten und Tee trinken 'sich in Geduld fassen'; c seit Anfang 19. Jh. in übertragener, heute veraltender Verwendung in der Bed. 'geselliges Beisammensein, bei dem Tee gereicht wird; Teegesellschaft, -einladung', als Bestimmungswort von Zss. wie Damen-, Abend-, Gartentee und (aus frz. thé dansant lehnübertragenem) Tanztee, häufig auch in der frz. Form und gelegentlich wörtlich übersetzt tanzender Tee, 'Tanzveranstaltung, bei der (zunächst) Tee gereicht wird', in Wendungen wie einen Tee geben und im 19. Jh. im schlagwortartigen Syntagma ästhetischer Tee als Bezeichnung für die von Literaten und deren Gönnern eingerichteten literarischen Leseabende und -zirkel mit Teebewirtung, auch nach englischem Vorbild kurz für 'kleine (familiäre) Zusammenkunft am Nachmittag, zu der Tee getrunken und Gebäck gegessen wird' (Fünfuhrtee, vgl. engl, five-o'clock-tea). 2 Seit Anfang 18. Jh. ausgedehnt auf 'getrocknete Blätter und Blüten von (heimischen) Heilpflanzen, -kräutern' und 'gesundheitsfördernder, heilender, lindernder Aufguß, Absud daraus', in Zss. wie Blasen-, Husten-, Kamillen-, Kräuter-, Pfefferminztee. Tee 1 a: Olearius um 1647 Pers. Reisebeschr.

V1

(315') kraut was die Chineser thee nennen . . . es ist dieses kraut thee nunmehr auch in Hollandt woll bekandt und bringen es die Ostindienfahrer mit heraus ( D W B ) ; Andersen 1669 Orient. Reiseb. 120 darauff gaben sie uns in Procellanen Schalen zu trinken ein warm schwartz Wasser/von T h e e gekoch/welches den Magen wieder zu rechte bringen solte; Lohenstein 1689-90 Arm. II 332h diese Staude müste sich für seinem . . . theestrauche ins gras und in staub bücken ( D W B ) ; Thomasius 1692 Weitere Erläuterung (1711, 104) das T h e e , wie es in unsern Apotheken zugerichtet wird; 1694

(Horn 1941 Archiv Stud. der neueren Spr. 179) Die

Preißwürdige Veronica O d e r Europäischer T h e e mit Fug gebraucht werden kan ( K L U G E ) ; Gansler 1700 Lugenschmid III 224 [Buch über] das herba T h e e ; Amaranthes 1715 Frauenzimmerlex. 2006f. Thee, seynd dunckelgrüne, länglichte und vorn spitzige gedörrte Blätter, aus China kommend, von unterschiedener G ü t e , so in siedend wasser geworffen und von dem Frauenzimmer zur Gesundheit getruncken, bißweilen auch mit andern Kräutern vermischet werden; Nemnich 1798 Wb. d. Naturgesch. II 1453 die ersten feinsten blätter [der Teestaude] liefern den kaiserthee oder theeblumen ( D W B ) ; Oken 1813-26 Lehrbuch d. Naturgesch. II 351 alle theearten kommen nur von einer pflanzengattung ( D W B ) ;

ebd. II 352 der theestrauch ist ein eigenthum von China, welches denselben für die ganze weit baut ( D W B ) ; Bibra 1855 narkot. Genussmittel 41 T h e e . Thea chinensis; Hirth 1890 Chines. Studien I 81 Weniger auffallend tritt dies bei dem zweitwichtigsten Handelsartikel, T h e e , hervor . . . D e r in diesem Distrikt produzierte T h e e ist auch als W o p i n g - T h e e und L ö - L u n g - T h e e bekannt . . . hier wird auch der T h e e von Kao-lien verladen und in Dschunken nach Kanton verschifft . . . 100 Meilen von Kanton entfernt liegt der Theemarkt San-to-chu; ebd. 106ff. D e r T h e e ist eines der ältesten und heutzutage das bei weitem wichtigste Bindemittel der kommerziellen Freundschaft zwischen Westen und O s t e n . . . Im Handel wird schwarzer und grüner T h e e geführt . . . [wird] mit Hilfe künstlicher Färbemittel aus denselben Blättern hergestellt, die sonst den schwarzen T h e e liefern . . . keinen anderen Zweck, als der Ware ein gefälligeres Aussehen zu geben . . . Die weiteren Theesorten unterscheiden sich nach der Art ihrer Herstellung durch frühere oder spätere Ernte, Sortieren der Blätter, durch die Art des Röstens, der künstlichen, gedrehten F o r m der Blätter; Dtsch. AZ. 25. 8. 1935 An den Teemärkten zeigten sich jüngst gebesserte Ergebnisse für die feineren Sorten; Münch. N. N. 1. 7. 1939 Ein ähnliches Schicksal erlitt die Teestraße, die heute kaum mehr besteht. Sie verdankte ihren Bau der

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Tee

Erkenntnis, daß der Landweg für das A r o m a des Tees zuträglicher ist, als der Seeweg. Jedenfalls war der russische T e e berühmt, der gleiche T e e , der auf dem Landweg von China über Sibirien nach Moskau gelangte; ebd. 4J5. 3. 1944 D a n k des starken Verbrauchs an T e e haben die zuständigen türkischen Stellen . . . schon früh versucht, Teekulturen systematisch in der Türkei zu entwickeln . . . In der Umgebung von Rize wurden die ersten versuchsweisen Tee-Aussaaten durchgeführt mit Saatgut, das aus den russischen Kaukasusgebieten . . . bezogen war.

T e e 1 b : Mandelslo vor 1644 Morgenl. Reisebeschr. III (29") dieses thee sol den magen und innerliche glieder messig wärmen und stärken ( D W B ) ; Thomasius 1688 Monatsgespräche I 471 Ich war der Meinung/Aristoteles habe T h e e getrunken; Tentzel 1000 Thee-Wasser (für T h e e ! ) ; 1689 Unterredgn. ebd. 1001 das T h e e im Bette trinken; Ziegler 1697 Staats-Phant. I 8 T h é - N â p g e n ; Weise 1697 Vertr. Gespr. 348 un mit einander der etliche Köpffgen Thee zu versuchen; Elis. Charl. 1698 Br. (LXXXVIII 113) Viel leutte hir trincken thé und caffé undt chocolat, aber ich nehme gar nichts von diessem zeug, bilde mir ein, es seye auch nicht gesundt; Amaranthes 1710 Proben 332 so viel an Geld . . . als seine künftige Frau zu T h é e und Caffee braucht; 1718 abentheuerl. Welt I 20 den Thee zum Feuer setz; Stoppe 1728 Ged. I 134 Ein T h é e , der in der Nacht D e n tumm gesoffnen K'opff mit Schaden nüchtern macht; 1742 Freydenker 22 füge ich noch bey, dass die ernsthaftesten Lehren der Weltweisheit . . . sich viel besser bey einem Theeschälchen, als bey einer Flasche Wein einsehen lassen; Geliert 1747 Schwestern (III 3) ist dirs auch zuwider, dass ich . . . auf eine Tasse Thee zu mir gebeten habe?; Hermes 1776 Soph. IV 69 er trug die theschale wieder aufs thebrett ( D W B ) ; ebd. IV 394 mit theewasser begieszen ( D W B ) ; Stilling 1780 Wand. 35 um vier uhr, da man thee trank ( D W B ) ; Musäus 1781 Physiognom. Reisen II 133 Theeservice; Büschel 1784 Reisen 39 T h e e . . . ein Lieblingsgetränk der [englischen] N a t i o n ; Vulpius 1788 Glossar 127 T h e e , ein wässerichtes G e t r ä n k , bei welchem sich auf jeden Fall die Chinesen und Holländer beßer befinden müßen, als die Teutschen. Die sogenannten Leute vom Stande haben unter sich gewiße Zirkel eingeführt, in welchen dieses Getränke, um alle Unkosten zu erspahren, gereicht wird, und welche daher Theegesellschaften genennt werden. D i e Unterhaltung in denselben ist aber meistentheils eben so wässericht, als das herumgereichte G e t r ä n k ; 1788 Journal d. Moden 137 T h e e . . . dieser beliebte Freund vertraulicher Abendstunden; Hermes 1791

Märtyrer I 184 Anm. dass Thetrinken unter den Arten den Magen zu verderben die angenehmste ist; Thümmel 1803 Reise IX 6 die ihr leben in spiel-, trink- und theegesellschaften vergeuden ( D W B ) ; ebd. 1805 (X 346) seit der theestunde ist meine angst vorbei ( D W B ) ; Oken 1813-26 Lehrbuch d. Naturgesch. II 352 der bekannte theeaufgusz ist in China seit den ältesten Zeiten in gebrauch, und dient als allgemeines getränk ( D W B ) ; Eckermann 1823 -32 Gespr. II 12 der theelöffel geniert uns, wenn er von gold ist, da er von silber sein sollte ( D W B ) ; 1836 Album d. Boudoirs 58 der wird seinen T h e e krieg'n; Gutzkow 1837- 44 Reiseeindrücke (XI 49) In Norddeutschland muss man den T h e e zu den geistigen Getränken rechnen; Geibel 1838 (I 84) In der Gesellschaft, wo am blanken Teetisch Das Wasser brodelt und der Blaustrumpf glänzt, U n d w o prosaisch bald und bald poetisch Des Geist Rakete durch die Luft sich schwänzt, Langweilt er sich ( L A D E N D O R F ) ; 1846 Urania 222 das unglückliche Mädchen, deren trauriges Schicksal jetzt der Lieblingsartikel der Journale, der Gegenstand der Teetischunterhaltung ist; Dingelstedt 1847 Jusqu'à la mer 16 U n d w o Abends im Familienkreise der Theekessel . . . summt, — ich rede nicht von der vornehmen, aristokratischen, silbernen oder plattirten Maschine, — nein, der alte, ehrliche, blankgescheuerte, dickbäuchige Kessel von Kupfer; 1855 Prutz' Museum II 45 jeder theetrinkenden und hysterisch-sentimentalen Miss; Ettmüller 1865 Herbstabende I 31 Sogleich erhob sich Küngold und beide schritten so stolz dahin, als ob sie „vereint ihr Jahrhundert am Theetisch in die Schranken fordern" wollten; Rottenhöfer 1865 Der elegante wohlservierte Kaffeeund Theetisch (Titel); Wickede 1878 Leutnant 231 W a r dann das Theezeug abgeräumt, so las Pulverrauch auch wohl mit wohllautender Stimme die Gedichte der neuesten Lyriker; Hirth 1890 Chines. Studien I 107ff. W i r vermischen den T h e e mit Zucker, Milch oder Sahne, viele sogar mit R u m ; der Chinese dagegen trinkt seinen T h e e ohne jede Beimischung . . . Das V o l k schlürft dort den ganzen Tag T h e e ; T h e e vertritt die Stelle des Wassers, des Kaffees, des Bieres, des Weines; Welti 1904 Br. I 198 Alle 14 Tage müssen wir jetzt einen grossen Teeklatsch veranstalten, dass uns die vielen jungen Malweiblein . . . nicht tropfenweise jeden Tag eine daher k o m m t ; Die Hochschule 1 (1917) 46 Steigt man aber noch höher, in den „ T e e r a u m " , wohin der Lärm der Friedrichstraße nur noch wie fernes Summen dringt; Berl. Illustr. Nachtausg. 14.. 4. 1932 Dann sieht der Lampenschirm schäbig aus und der Teewärmer auch; ebd. 9. 3. 1933 Ein zierlicher Teetisch ist an das offene Kaminfeuer gerückt; Lokal-Anz. 9. 7. 1933 D a stehen die

Tee Hotels mit den großartigen Namen, da klingt Musik aus Teesalons; ebd. 17. 7. 1934 Sie sah mich über den Rand ihrer Teetasse an; ebd. 14. 9. 1934 Das klassische Land des Teezeremoniells, Japan, scheint sich zum Kaffeetrinken bekehren zu wollen; Dtsch. AZ. 7. 9. 1935 bei diesen Teevisiten dürfte es, wenn auch unter orientalischem Kolorit, kaum anders hergehen als bei einem mitteleuropäischen Kaffeklatsch; Gloth 1940 Gesicht unterm Helm 14 abwarten und dann Tee zu trinken; Münch. N. N. 12.114. 6. 1943 Die Sängerin blieb an diesem Nachmittag von vier bis sieben, nicht länger als ein Teebesuch dauert; ebd. 16. 3. 1944 Anders die Teehäuser: sie sind typisch japanisch und von einzigartiger stilvoller Anmut; ebd. 11. 4. 1944 heiratswilligen Frauen und Männern die Möglichkeit des Kennenlernens zu geben. Dies soll in Form von Teenachmittagen mit Musik und Vorträgen geschehen; Süddtsch. Ztg. 6. 4. 1954 Es fehlen weder eine Großküche . . . noch die „Teeküchen" für Sonderkochwünsche (eine auf jedem Flur); Offenburger Tagebl. 13. 1. 1966 Teetrinken - eine Weltanschauung? (Uberschr.) Aus deutschen Kannen tröpfelt meist nur ein schwacher Aufguß - Einzig die Friesen gelten als wahre Kenner . . . Viele scheuen . . . davor zurück, da sie im Teekochen eine rituelle Handlung vermuten. Großmutters Tee-Ei ist bei den Liebhabern dieses Getränks allerdings verpönt, da es den Tee daran hindert, sich voll zu entfalten . . . das klassische Rezept verlangt einen Teelöffel für jede Tasse und einen für die Kanne . . . Wer . . . längere Zeit in England gelebt und sich dort das Teetrinken angewöhnt hat, behält diese Gewohnheit nach der Rückkehr meist bei; Bild 13. 3. 1970 Abwarten und Tee trinken (Überschr.); Bad. Ztg. 28. 12. 1970 Er sei ein großer Teefan und mache sich rein gar nichts aus Bier; ebd. 11. 12. 1971 Wollen Sie mit mir Tee trinken? In alten Kulturen ist er noch immer Anlaß, sich besser kennenzulernen (Anzeige); ebd. 14. 2. 1972 Tee gab es übrigens nicht bei dieser japanischen Teeparty.

Tee l c : 1807 Br. v. d. Univ. I 406 ein gelehrter Tee bei Miliin; Schulze 1810 brieß. (Deutsche Dichtung 7 (1890) 194) will ich Dich jetzt mit einer lustigen [Geschichte] unterhalten, die unserem hiesigen Thee dansant beynahe den Untergang . . . gebracht hätte; Goethe 1823 Br. (XXXVII 115) Heute ist tanzender Thee beym Herzog von Württemberg; ebd. 148 ein Tanzthee von Herren und Damen . . . besucht . . . Es ist wahr: man trank Thee und tanzte; allein später ward ein kaltes Abendessen an kleinen Tischen aufgestellt, köstlich bereitet und mit gutem Wein geschmückt; Eckermann 1823 -32 Gespr. III 157 Goethe . . .

111 einen groszen thee (DWB); ebd. III 93 so hätte ich [Frau v. Goethe] grosze lust . . . im park beim gesang der nachtigallen einen thee zu geben (DWB); ebd. III 94 Theegesellschaft und theegespräch widerstrebt meiner natur so sehr (DWB); Heine 1824 (III 52) Wie einige belletristische Damen auf einer Bergecke ihre ästhetische Theegesellschaft hielten, sich gemütlich die „Abendzeitung" vorlasen, ihre poetischen Ziegenböckchen, die meckernd den Tisch umhüpften, als Universalgenies priesen und über alle Erscheinungen in der deutschen Literatur ihr Endurteil fällten (LADEND O R F ) ; Hauff 1826 (III 57) Ästhetischer Tee, was ist denn das? In China hab ich manches Maß Tee geschluckt, Blumentee, Kaisertee, Mandarinentee, sogar Kamillentee, aber ästhetischer Tee war nicht dabei . . . Weißt du denn nicht, daß dies Gesellschaften sind, wo man über Teeblätter und einige schöne Ideen genugsam warmes Wasser gießt und den Leuten damit aufwartet ? ( L A D E N D O R F ) ; Sternberg 1832 Nov. I 20 die Meinungen der alten Weisen und Dichter haben deinen Geist bilden helfen, nun richte den Blick in's Leben, besuche die weltverbesserlichen Thee's, die Diner's, wo die vornehme Zerknirschung, der zahme Egoismus und die kalte Resignation sammt der Sinnlichkeit Tafel halten; 1840 (Kentenich 1915 Trier768) Unserer Einverleibung mit Preussen und den . . . Beamten verdanken wir die thés dansants, welche vorher bei uns unbekannt waren Jordan 1847 Wanderungen 33 keine Thees-dansant um jungen Herren und Mädchen die rohen Ausseiten natürlicher Scham. . . abzuschleifen ; Raumer 1849 Br. Frankf. - Paris I 53 Meine freundliche Wirtin hatte mich gestern Abend zu einem Damenthee eingeladen, den ich gern besucht hätte; Ehrlich 1858 Abenteuer I 139 eine ganze Reihe von Bällen, Thé dansants etc.; Springer 1868 Berlin 47 die mageren Theegesellschaften voll Ästhetik und musikalischer Dilettanten-Bravour; Gisbert 1879 Zeit-Arabesken 69 in einem ästhetischen Theezirkel; Zfvgl. Lit'gesch. N. F. 2 (1889) 445 da [Tieck] sich . . . auf den Stumpfsinn des heutigen Publikums sowie auf die Höflichkeit seiner Thee-Zuhörer verlassen kann; Lübke 1891 Lebenser. 181 die „ärmlichen Berliner Theeabende" . . . verspottet; 1910—11 Literar. Echo 954 Wir lächelten in den 80er Jahren über . . . die ästhetische Teesprache der problematischen Naturen Spielhagens; Jerusalem 1925 Soziologie 1 3 1 1 wenn „gute Gesellschaft" einer beliebigen Stadt sich ihrer „Geselligkeit" in Diners und „Thees", in Tanzgesellschaften und Wohltätigkeitsveranstaltungen widmet; Wilke 1930 Erinn. 25 Glänzende Bälle mit 80—100 Gästen, jedoch lauteten die Einladungen, nach Berliner Usus, verschämt auf „Tee und Tanz", trotzdem Tee so ziemlich das einzige Getränk war, das nicht verab-

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Teenager

reicht wurde; Voss. Ztg. 6. 1. 1931 Aus marengo, unischwarzen oder in sich gemusterten Kammgarnen wird auch der schon seriösere „Tee"- oder „Tanzsakko" gearbeitet; Lokal-Anz. 23. 11. 1934 Wohltätigkeitstees für Lubmin (Überschr.); Halbe 1935 Jahrhundertwende 47 In den esoterischen Tees des damaligen Berliner Westens; Drewitz 1965 Salons 94 „Singtees" im Hause Nicolais.

Tee 2: Elis. Charl. um 1700 Br. 284 kräuter-, fenchel-, flieder-, hollunder-, kamillen-, lindenblüththee . . . thé über holdermusz deucht mir ein doli remedie sein, aber alles ist gut wasz courirt (DWB); Weißbach 1732 Kur 33 brauche sie

entweder dürr als einen thee, oder presse auß den frischen Kräutern den Safft auß; ebd. 243 einen Kräuter-thee machen; Mitteiberger 1756 Pennsylvanien 59 Brust-Thee; Wander 1838 Sprichw. IV 1144 wer theekräuter sammelt nach Johanni, der macht sich vergebliche mühe (DWB); Auerbach 1857-58 Ges. Sehr. 194 [das erkältete] Vefele muszte sich ins bett legen und thee trinken (DWB);/SS7 (Botond 1970 Nachw. zu Laforgue, Berlin 120) Aber sicher ist in Paris Kräutertee, was in Berlin Alkohol ist; Süddtsch. Ztg. 11. 6. 1955 hält die Bayerische Absatzgenossenschaft für Hopfenpflanzen in Schwaigermoos ein „bayerisches Teefest" ab. Unter anderem ist ein Treffen der Heilpflanzenbauer . . . vorgesehen.

Teenager M. (-(s); — und selten-s), in neuester Zeit entlehnt aus gleichbed. engl./amerikan. teen-ager (zu teen(s) 'Lebensalter zwischen 13 und 19 Jahren' und age 'Alter'), anfangs auch in der engl. Form und zuweilen in der schon im früheren 19. Jh. vereinzelt nachgewiesenen Kurzform Teen M. (-s; -s), vgl. —» Twen; zunächst auf amerikanische Verhältnisse bezogen, als Modewort bes. der 50er und 60er Jahre in der Bed. 'junger Mensch, bes. Mädchen im Alter zwischen 10/13 und 19/20 Jahren; Halbwüchsige(r), Jugendliche(r), Backfisch', im PI. häufig als Sammelbezeichnung verwendet für die während des wirtschaftlichen Wiederaufstiegs von überkommenen Traditionen sich lösende junge Nachkriegsgeneration mit eigenwilligem Lebensstil, saloppem Modegeschmack und ausgeprägten Konsumvorstellungen, selten auch übertragen gebraucht; als Bestimmungswort in Zss. wie Teenagersprache, -bewegung, -mode.

Teenager: Quick 28. 5. 1950 Die „teen-ager" zeigten amerikanische Durchschnittskonfektion, die typisch ist für die Moderichtung der jungen Amerikanerin; Süddtsch. Ztg. 17. 5. 1952 Zwar hat sich die Mode seitdem immer wieder geändert, die verwischten Grenzen aber sind geblieben. Auch als uns Amerika nach dem zweiten Krieg das Teenage vorstellte, jene Sorte junger Menschen, die mit Backfisch nicht viel zu tun haben. Denn Teenagers, Geschöpfe von zwölf bis zwanzig Jahren, sind ungemein selbstbewußt, weder scheu noch kompliziert, sie haben ihre eigene Mode, ihre eigenen Zeitschriften, ihre eigenen Läden und ihre eigene Weltanschauung; Neue Ztg. 15. 8. 1953 Unverfälschtes Schwyzerdütsch belehrt den Fremdling, daß es sich hier um die heranwachsende Generation junger Schweizerinnen handelt, die nach amerikanischem Muster im „College"- oder „Teenager"-Stil angezogen sind . . . Nützt die

Zeit, in der ihr jung seid, und tragt das, was die großen Modeleute für euch entwerfen und die Konfektion in ihren , Junioren"- oder „Teenager"Abteilungen für euer Alter bereit hält; ebd. 27. 9. 1953 Wenn diese Modelle auch für junge Damen zwischen dreizehn und neunzehn Jahren gedacht sind, so schließt das nicht aus, daß eine ältere Kundin, wenn sie die entsprechende Figur hat, sich Teenager-Kleider kauft; Süddtsch. Ztg. 20. 2. 1954 Eines Tages entschlossen sich jene jungen Mädchen, die man früher „Backfische" und später „Teenagers" nannte, der Männerwelt mehr als bisher ins Auge zu fallen; ebd. 27. 3. 1954 Immer ausgeprägter wird im Modebild die Mode, die die Jugendlichen tragen wollen. Die „Teenagers", wie sie international bezeichnet werden, haben sehr festumrissene Vorstellungen von dem, was sie gerne anziehen möchten; ebd. 7. 10. 1954 Teen Ager-Frisuren. Es hat nie zuvor eine

Teenager derartige Menge reizender Jungmädchenfrisuren gegeben; Frau im Spiegel 1955 H. 39 Teenager. Mädchen unserer Tage, die 13—19jährigen, also jene jungen Dinger, deren Lebensjahre (rein nach der numerischen Bezeichnung) auf die Endsilbe „zehn" auslaufen; Münch. Merkur 24. 12. 1956 Elvis Presley, der 21jährige Abgott jener beängstigenden Teenagerbewegung Amerikas; Süddtsch. Ztg. 21. 5. 1957 Darum sorgen wir auch dafür, daß unsere Teenager eine wirklich interessante und vielseitige Auswahl bei uns finden: Tanzkleider, Petticoats, enge Hosen; Bad. Ztg. 22. 6. 1957 Rundfragen in den Vereinigten Staaten haben ergeben, daß 94 Prozent der amerikanischen Teenager (Backfische) zwischen elf und achtzehn heiraten möchten; Siiddtsch. Ztg. 24. 8. 1957 In abenteuerlichen bunten Hemden sitzen ringsum ein Dutzend „Teenagers", Jugendliche im Alter von 13 bis 19 Jahren; ebd. 24. 1. 1959 Später gesellen sich die Flötenspielerinnen dazu, junge Mädchen, die man ihrem Alter und ihrer Kleidung nach heute „Teenager" nennt; Münch. Stadtanz. 13. 2. 1959 Weil ihre Schülerinnen für Kinderfeste bereits zu „erwachsen", für Teenager-Bälle aber noch zu kindlich sind, veranstaltete sie . . . ein eigenes Maskenfest; Offenhurger Tagehl. 28. 2. 1959 Teenagertaschen werden in leuchtenden Modefarben in Leder oder Seide hergestellt; Süddtsch. Ztg. 18. 3. 1959 Dem jetzigen Begriff des Teenager hätte am ehesten der Backfisch entsprochen; Stuttgarter Ztg. 24. 3. 1959 Zur Teilnahme [an einer Modeparty] aufgefordert hatte man diesmal außer den „Teenagern" auch die „Twens"; 1959 Freundin Nr. 4 Techniker . . . Opernfreund, sucht netten, musikliebenden Endteenager (Anzeige); Constanze 1. 4. 1959 Der eigene Wille wird überschwemmt durch industriell gelenkte Teenager-Bewegungen wie den Rock-andRoll-Piep; Quick 11. 4. 1959 Sport ist heute eine „schicke" Sache, und das findet auch in einer sportlichen Teenager-Mode seinen Ausdruck . . . Eigene Wünsche der „Teenager" haben eine eigene Industrie mit eigenen Läden oder besonderen Abteilungen entstehen lassen; 1959 Freundin Nr. 8 Wir sind zwei Geschwister (Mädchen und Junge) im Teenager-Alter; Offenhurger Tagebl. 30. 1. 1960 Die Teenager-Uniform. (Uberschr.) Durch die gemeinsame Mode wollen die Teenager . . . ihren „Stand" dokumentieren . . . Die Teenager gelten als stark interessierte und trotz ihrer Jugend meist anspruchsvolle Kundinnen, so daß eine Fehlkalkulation der Finnen verheerende Folgen haben könnte. Die Teenager kaufen mit dem Auge der Jugend . . . Sie haben als erste Käuferschicht den modischen gebrochenen Farben zum Durchbruch verholfen; ebd. 28. 2. 1960 Neues aus der

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Teenager-Sprache (Überschr.) „Ich bin ein dufter Zahn, der seit Jahren mit einem zackigen Macker befreundet ist" . . . Diese Spezialsprache der Halbwüchsigen ist aber sicher eine modische Augenblickserscheinung; Süddtsch. Ztg. 1. 6.1960 Blue Jeans und Petticoats . . . das sind ein paar Ingredenzien, aus denen sich nach Meinung vieler Erwachsener der Backfisch von gestern, der Teenager und der Twen von heute zusammensetzen. Es gibt etwa fünf oder sechs Millionen in der Bundesrepublik, und man spricht bereits von der „Wirtschaftsmacht Teenager". Denn . . . noch nie haben junge Leute zwischen 13 und 19 Jahren soviel Geld zum Ausgeben gehabt, wie in unserer Zeit. Die Erwachsenen haben sich darauf eingestellt, natürlich nicht zu ihrem Nachteil: mit Teenager-Moden, mit Teenager-Schlagern, kurzum mit Teenager-Waren jeder Art . . . hat die Ausstellungsleitung durch einen Test festgestellt, daß das „Teenager-Budget" monatlich zwischen zehn und hundert Mark liegt; Offenburger Tagebl. 7. 9. 1961 Etwa 20 Millionen Mark stehen den rund 5 V2 Millionen Jugendlichen beiderlei Geschlechts — den Teenagern also — in der Bundesrepublik monatlich zur freien Verfügung; Stuttgarter Ztg. 23. 3. 1963 Die erste Boutique für Teenager und Twens soll demnächst in Budapest eröffnet werden; Spiegel 17. 4. 1963 Schmaus-Kommentar zur Ernennung Küngs und Ratzingers: „Die theologischen Teenager sind auf dem Konzil große Mode geworden" (CARSTENSEN); Reutlinger Generalanz. 3. 4. 1965 Wer hilft mir, eine „Teenager-Gewerkschaft" zu gründen? . . . Wir Teenager sind die wahren Leidtragenden der steigenden Preise; Offenburger Tagebl. 19. 6. 1970 Nach der Herabsetzung des Wahlalters von 21 auf 18 Jahre waren am Donnerstag zum erstenmal auch rund drei Millionen Teenager wahlberechtigt; FAZ 26. 8. 1970 Ein TeenagerEhepaar — hilflos, ungeschickt und verlassen von den Erwachsenen — schildert der englische Film „Lederjungen"; ebd. 13. 3. 1971 Er ist 33 Jahre . . . Handelsvertreter . . . mit ges. Einkommen und einer gemütl. Wohnung. Dazu gehört ein reizendes u. liebes „Teenagerlein" (11), welches sich für Pappi eine sehr liebe Mutti wünscht (Anzeige); Offenburger Tagebl. 2. 11. 1971 Er ersinnt Modelle nicht nur für gertenschlanke Mannequins, sondern auch Knisterkleidchen ä la Großmama für den „reiferen Teenager"; ebd. 26. 11. 1971 Noch nie wurde soviel genäht und gespart wie heute. Frauen und Teenager kennen die Vorzüge des Selbstschneiderns; Die Zeit 4. 8. 1978 Als Kind und Teenager hatte sie gelebt, als spielte sie in einer Parodie vom Wohlleben der oberen Zehntausend mit.

Teint

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Teen: Sealsfield 1835 Der Virey und die Aristokraten (Werke VI 7) Sie waren den Jahren nach, was wir Teens nennen würden [Mädchen zwischen zehn und sechzehn] ( B E N N E T T ) ; Welt 5. 1. 1963 Es stammt wie so viele Worte gesellschaftlicher Unterscheidung aus dem Englischen, wie auch Dandy, oder smart, tiptop, fashionable, und nach unten hin Rowdy, Gangster, nicht zu reden von den Neuankömmlingen Teen und Twen; Spiegel 25. 3. 1964 Der Neukanzler begann damit bereits während einer überlaufenden Diskussionsveranstaltung, zu der die Junge Union . . . politisch

gesonnene Teens und Twens . . . angelockt hatte (beide CARSTENSEN); Reutlinger Generalanz. 3. 4. 1965 Die Welt der Teens und Twens (Uberschr.) Ihre erste Zigarette rauchen Mädchen in England gewöhnlich noch vor ihrem zwölften Lebensjahr; FAX 22. 1. 1966 Late Teens oder early Twens müßte es doch noch irgendwo geben (Anzeige); ebd. 9. 3. 1968 Teens, die sich eine liebe Mutti wünschen und einen liebenswerten Vater . . . haben, wären Lebenssinn für eine 40j. Frau (Anzeige).

T e i n t M . ( - s ; - s ) , a n f a n g s v e r e i n z e l t a u c h N . , im f r ü h e n 1 8 . J h . e n t l e h n t aus gleichbed.

f r z . teint,

P e r f . v o n teindre

eigentlich 'gefärbter Stoff; F ä r b u n g , T ö n u n g ' (subst.

' f ä r b e n ' < lat. tingere

'Beschaffenheit oder T ö n u n g der ( G e s i c h t s - ) H a u t ; (gesunde) Gesichtsfarbe, tönung',

auch

'Gesichtshaut',

meist

Part.

' b e n e t z e n , a n f e u c h t e n ; f ä r b e n ' ) ; in d e r B e d . auf

Frauen

v e r w e n d e t im S i n n e v o n ' A n f l u g , A n s t r i c h ,

1721 Recueil XXIII 15 statt der Mouchen ihrem teint mit dergl. schöneh Broderie zu Hulffe zu kommen (BRUNT); Herder 1766 Werke I 51 überhaupt ist das weiße Teint ein Sinnbild der Unschuld; den. 1767 DLiteratur 1397 Das blendende Teint französischer Wendungen; Schlözer 1779 Briefw. histor. Inh. V 329 einen unvergleichlichen Teint [der Jamaikafrauen]; 1779 Teutscher Merkur III 9 Teint heißt zu teutsch Gesichtsfarbe; Gotting. Magazin d. Wiss. 1 (1780) 439 Rothes Haar und Sommersprossen findet man . . . mit einem sehr weissen Teint zusammen; 1784 Merkur II 199 mir fällt nur sein bäurischer blutrother Teint auf; 1786Journal d. Moden I 313 einen sehr weissen Teint; ebd. 1788 (III 131) dass man . . . Gesundheit und Teint zugleich verlohr; ebd. III 133 eine Person, die nach einem qualvollen Leben, zwar mit gut conservirten Teint, aber . . . starb; Forster 1791 Ans. v. Niederrhein 323 der blonde Teint hat die starke Kirchenröthe der blutreichsten Gesundheit; Laukhard 1792 Leben I 263 sie [die Göttinger Frauen] haben so was widerliches im Gesicht, welches durchaus misfällt: und ihre Farbe, oder der Teint, wie man sagt, ist weit entfernt von jenen Lilien und Rosen, von denen unsre Herren Reimemacher so viel zu sagen wissen; Schiller 1793 Anmut (17) 317 fließende Umrisse, ein lieblicher Teint, eine zarte Haut . . . sind Vorzüge; Rehfu.es 1809 Br. a. Italien I 6 Der schöne Teint der Genueserinnen;

bezogen;

gelegentlich

Hautbildlich

Färbung'.

Elisa Radziwill 1824 Br. 78 Die Augenbrauen sind schön und marquiert, der teint sehr weiss und rosig; Glasbrenner 1836 Bilder a. Wien I 21 O wie weiß ist ihr Teint, wie weich ihre Züge; Laube 1837 Reisenovellen V 424 Aber ein hübsches Mädchen, wenn es auch ein schmutzig . . . Fähnchen trägt und der Teint vom Straßenleben sonnverbrannt ist, paßt einem frischen jungen Herrn immer; Schwarzenberg 1844 W. II 202 in Gestalt einer hochgeschürzten, schwarzäugigen, lieblichen Provenzalin, mit braunem Teint und glühendem Blick; Beitr. Vaterland. Gesch. (Basel) 3 (1846) 138 Die Weiber trinken nur Wasser, damit sie den teint weiss behalten; Eyth 1852 Bilder 72 Es giebt Dinge in der Welt, welche einen christlichen Teint haben. Diesem muss man nicht blos auf die Haut, sondern auch unter dieselbe sehen; Willkomm 1856 Ammer 203 Das Mädchen . . . eine kleine dralle Böhmin mit dunklem Teint und kräftigen Formen; Spitzer 1879 H. 53 Obwohl sie sich aber keiner Seelenangst bewusst war, die ihrem Teint in der von mir angedeuteten Weise hätte schaden können, stellte sie sich wenigstens als glaube sie daran; Rocco 1881 Umgang 23 Pudern des Gesichts, um einen weissen, zarten Teint . . . zu erreichen; Eckstein 1895 Hartwig 221 wenn er demnächst sich ausspannte und sein Leben genoß, dann würde die Stubenfarbe sehr bald einem frischern Teint weichen; Suttner 1896 High-life 35 Ihr Teint ist von der Zartheit, welche rötliches Haar zu

Tektonik begleiten pflegt; Zapp ¡896 Off töchter II 65 Der Blick ihrer Augen war klar, ihr Teint frisch und rein; Senden 1900 Ehen 7 Sie sah herrlich in dem gelbseidenen Kleide aus, das ihren marmornen Teint voll zur Geltung brachte; Mann 1901 B. I 96 mattweisser Teint mit den vereinzelten Sommersprossen; Höcker 1910 Sonne 193 Der Puder war von ihrem Teint abgefallen; 1930 Abenteuer Märzh. 12 Ja, es war Bernd. Wie war er verändert. Dunklen Teint, breit und groß war er geworden;

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1948 Zwiebelturm 22 ihr zarter Filmteint; Hausenstein 1951 Wanderungen 66 Wieviel [Färb-] Töne [des Steins] sind am Leib dieser Kirche versöhnt, ihr eine Haut, einen „Teint" in des Wortes etymologischem Sinne zu bilden; Die Zeit 19. 1. 1979 Die geburtenschwächeren Jahrgänge im Militäralter könnten schon in den achtziger Jahren bewirken, daß das Bild des semmelblonden Sowjetsoldaten einen etwas dunkleren Teint bekommt.

Tektonik F. (-; ohne PI.), im frühen 19. Jh. aufgekommen, zurückgehend auf griech. teiCTOViKÖg 'zum Zimmermann oder Baumeister gehörig; die Baukunst betreffend' (zu T E K T C O V 'der in Holz arbeitende Handwerker, Zimmermann; Baumeister'); 1 in der veralteten Bed. 'Handwerkskunst, Kleinkunst', speziell für 'Herstellung künstlerischer Gebilde aus Holz, Stein' (z. B. Geräte, Gefäße). 2 a Seit Mitte 19. J h . zunächst in der Architektur in der Bed. '(Lehre von der) harmonische^) Zusammenfügung von Bauelementen zu einem einheitlichen Ganzen, kunstgerechter Aufbau, Struktur', von daher auf den Bereich der Bildenden Künste und der Literatur ausgedehnt für '(Lehre vom strengen inneren) Aufbau eines Kunstwerks' (Ggs. Atektonik); b seit spätem 19. J h . zur Bezeichnung eines Teilgebietes der Geologie, das sich mit dem Bau der Erdkruste und ihren inneren Bewegungen befaßt (Geotektonik). Dazu gleichzeitig die adj. Ableitung tektonisch 'die Tektonik betreffend, auf ihr beruhend, ihr gemäß' (Ggs. atektonisch), vereinzelt auf geistig-kulturelle Entwicklungen übertragen (zu 2 a), und 'auf den Bau der Erdkruste bezüglich; durch Bewegungen in der Erdkruste hervorgerufen', bes. im Syntagma tektonisches Beben, vereinzelt bildlich verwendet (zu 2 b). Tektonik 1: Müller 1830 Archäologie 34 Aus dieser Verbindung geht eine Reihe von Künsten hervor, welche Geräthe, Gefäße, Wohnungen und Versammlungsorte der Menschen zwar einerseits nach ihrer Zweckbestimmung, aber andererseits in Gemäßheit von Gefühlen und Kunstideen, gestalten und ausbilden. Wir nennen diese Reihe gemischter Tätigkeiten Tektonik; ihr Höchstes ist die Architektonik, welche am meisten vom Bedürfnis sich emporschwingen und zu einer machtvollen Darstellung tiefer Empfindung werden kann . . . Den Ausdruck Tektonik habe ich hier zur Bezeichnung eines wissenschaftlichen Begriffs, den man schwerlich entbehren kann, einzuführen versucht, indem ich dabei nicht übersah, daß bei den Alten TEKTOVE^ im speziellen Gebrauch Bauleute, Schreiner, nicht aber Thon-, Metallarbeiter heißen, aber dabei zugleich den allgemeinen Sinn berücksichtigte, der in der Etymologie des Wortes liegt; Brunn 1867 Kl. Sehr. III 239 Dagegen darf von Anfang an Architektur und

Tektonik nicht unberücksichtigt bleiben . . . Was ferner die Tektonik in Geräten, Altären, Kandelabern, Gefäßen, Ziselierungen und anderen dekorativen Arbeiten geleistet hat, wird jetzt immer mehr in den Kreis historischer Forschungen einbezogen. Tektonik 2 a : Bötticher 1844 - 73 Die Tektonik der Hellenen (Titel); Stahr 1847 Italien I 409 Princip der hellenistischen Tektonik; Kürnberger 1877 Herzenssachen 146 baut buchstäblich das Luftschloß nach der Tektonik und Statik irdischer Schlösser; Brunn 1898 Vorr. z. Brunn, Kl. Sehr. 1 6 So kommt es, dass Luft und Licht in seinen Schriften ist, und der Gedanke nie im Material erstickt. Ja oft bekommt der Hauptgedanke, emporgehoben durch die gelungene Tektonik des ganzen Aufbaus, geradezu etwas Triumphirendes; Jodl 1904 Vom Lebensweg II 633 Stimmung in diesem Sinne ist die einem Werke als solchem, vermöge seiner inneren Tektonik anhaftende, das heißt in jedem empfänglich Genießenden sich

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Telegramm

notwendig erzeugende ästhetische Wirkung; Lipps 1906 Ästhetik II 540 dass man nach dem Vorgange von Bötticher von einer griechischen „Tektonik" - besser wäre wohl „Architektonik" - spricht; Wölfflm 1915 Grundbegriffe 13 „Tektonik" Raffaels; ders. 1928 Kl. Sehr. 140 Über Hodlers Tektonik; Erhard 1929 Weg 6 Wie die Biologie bei den Naturgeschöpfen Leib und Leben unterscheidet, so läßt sich auch die Technik in zwei Gebiete, in Tektonik und Energetik, gliedern, wobei sich die Tektonik auf die ortsfesten Bauwerke, sowie auf die Formen und Gestalten der Maschinen und Apparate . . . bezieht; 1935 Börsenhl. f . d. dtsch. Buchhandel 756 Tektonik [in einer Hitlerrede]; Münch. N. N. 26. 1. 1938 Es ist darum äußerst lehrreich und fruchtbar, neben der Schönheit der Architektur — die Tektonik der Technik zu sehen, wie sie uns auf der Ersten Deutschen Architekturund Kunsthandwerk-Ausstellung in den aufs innigste verbundenen Ingenieur- und Architekturwerken der Brücken- und Straßenbaukunst entgegentritt; 1950 Festschr. a. Panzer 105 Zur Tektonik von Wolframs Willehalm; 1955 Bildende Kunst o. S. wie sehr die Tektonik der Gliederung mit einem Nachlassen des Malerischen bezahlt worden ist (WDG); Sedlmayr 1955 Revolution 20 Das Ornament . . . wird . . . zur „Applike", die abgenommen werden könnte, ohne dass sich an der reinen Tektonik etwas ändern würde; Stuttgarter Ztg. 25. 1. 1962 Der Sanglichkeit und dem weiten melodischen Atem des Largo galt das Hauptbemühen einer Wiedergabe, die weniger den äußeren Effekt als die Tektonik des Satzes und seine Gefühlsimpulse aufzeigen wollte; Süddtsch. Ztg. 5. 9. 1964 Die strenge Tektonik und die farbige Zurückhaltung der marokkanischen Malereien sind von Wüste und Fels bestimmt; Fischer 1966 Kunst 175 germanische Tektonik. tektonisch: Brunn 1883 Kl. Sehr. II 99 Über den tektonischen Stil in griechischer Plastik und Malerei; Schmarsow 1905 Grundhegriffe 3 Stil in den technischen und tektonischen Künsten; Wölfflin 1915 Grundbegriffe 130 Geschlossene Form und offene Form (Tektonisch und atektonisch); Lützeler 1934 Grundstile 3 nur in übertragener Bedeutung etwa von plastischer Dichtung oder tektonischer Musik die Rede sein kann; Gantner 1946 Anm. z. Wölfflins Kl. Sehr. 247 Renaissance. Die tektonischen Formen als

Ausdruck; Hausenstein 1951 Wanderungen 67 die tektonischen Linien im Filigran der Pyramide; Pfeiffer 1953 Wege 127 tektonischer Sinn [im Aufbau eines Gedichts]; Müller-Armack 1959 Religion Vorw. XIII eine Untersuchung jener tektonischen Struktur, die uns der Zerfall der Glaubenseinheit seit dem 16. Jahrhundert bietet; Niebelschütz 1961 Spiel 236 das eigentliche Prinzip der Kunst ist immer das Tektonische gewesen, immer die Symmetrie. Tektonik 2 b: Hehn 1887 Italien 43 Tektonik des Gebirges; 1924 ZDöAlpenver. 35 Wie die Gestaltung der äußeren Oberfläche mit dem inneren Bau des Gebirges zusammenhängt, wie also sich Morphologie und Tektonik verknüpfen; Hahne der keltiberischen Ketten 1930 Zur Tektonik (Titel); 1934 ZGßrdkunde Berlin 228 Tektonik jungbewegter Gebirge; Haushof er 1937 Weltmeere 210 Das Ringen zwischen Panama- und NicaraguaIdee ist ohne die Einwirkung des Vulkanismus auf die zweite nicht zu begreifen — obwohl nun die Tektonik am Culebra-Einschnitt reichlich ebenso unliebsam fühlbar wird; Asklund 1938 Hauptzüge der Tektonik und Stratigraphie der mittleren Kaledoniden in Schweden (Titel). tektonisch: Hochstetter-Bisching 1898 MG. 143 Dislocationsbeben oder tektonische Beben; Wilckens 1912 Grundzüge der tektonischen Geologie (Titel); Willner 1917 Höhlenkunde 17 tektonischer Vorbereitung (Schichtung, Faltung, Klüftung) [des Gesteinsl; Geogr. Zschr. 36 (1930) 497 Tektonische Linien sind [in die Landkarte] nur sparsam eingezeichnet; Lokal-Anz. 9. 2. 1933 Nach Ansicht der Sachverständigen handelt es sich um ein tektonisches Beben; Berl. Illustr. Nachtausg. 7. 3. 1934 daß auch dieser Gebirgsschlag auf das gleiche tektonische Beben zurückzuführen ist; 1937 Werdendes Land 34 Das tektonische Verhalten des Nordseegrundes; Wiersbitzky 1938 Südostasien 4 verwickelte tektonische Verhältnisse [in Südostasien]; Benn 1949 Ptolemäer 121 ein tektonisches Beben; 1960 Natur u. Heimat o. S. Auch tektonische — also innere Kräfte — müssen Hochflächen und Berge geformt . . . haben (WDG); FAZ 3. 7. 1970 Das Unternehmen . . . konnte wohl auch nicht länger rein defensiv der vor allem von Westfalen ausgehenden „tektonischen Verschiebung" der Zementindustrie zusehen.

Telegramm N . (-s; -e), im späteren 19. Jh. entlehnt aus gleichbed. engl.amerikan. telegram (1852 gebildet von dem Amerikaner P.Smith), älteres telegraphic despatch / telegraphische Depesche aufgrund seiner Kürze ersetzend (zu-

Telegramm

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rückgehend auf griech. tfjXe, —* Teleskop, und y e t i ^ a 'Buchstabe, Zeichen; Buch, Brief'; vgl. Dia-, Autogramm); in der Bed. 'per Telegraph übermittelte und schriftlich fixierte Nachricht, Mitteilung, die Wichtiges in wenigen Stichworten formuliert', häufig als Grund- und Bestimmungswort in Zss. wie Blitz-, Gruß-, Glückwunsch-, Beileidstelegramm; Telegrammformular, -böte, und bes. Telegrammstil 'kurze, knappe, das Wesentliche (einer Mitteilung) nur stichwortartig formulierende sprachliche Ausdrucksweise'; dazu seit früherem 20. Jh. gelegentlich die adj. Ableitung telegrammatisch 'in der Art, im Stil eines Telegramms; kurz gefaßt, knapp formuliert'. Telegramm: Mahler 1864 Über die Eider 154 das offizielle Telegramm [über die Schlacht]; Sybel 1864 Vorträge 8 Telegramme und Depeschen; Hohenlohe-Ingelfingen 1864— 70 Leben III / 5 i es seien viel Telegramme zu expedieren; Freytag 1866 Aufsätze I 301 Noch sind wir auf die spärlichen Nachrichten angewiesen, welche die offiziellen Telegramme des preußischen Staatsanzeigers bringen; ders. 1866 Ges. Werke XV 301 Denn auch das ist charakteristisch für diesen Krieg, dass nur die einfachen, man darf sagen bescheidenen Telegramme der Preussen die Wahrheit melden(?); 1868 Magazin d. Auslandes 310 Wenn auch „Drahtbericht" in Baden schon amtlich für telegraphische Depesche oder Telegramm gebraucht wird; Fontane 1870 Br. I 209 Herzlichsten Dank für dein Telegramm, das ich indirekt . . . erhalten habe; Rolef 1887 Reisebr. 10 In dem Geburtstags-Glückwunschtelegramm des Kaisers Wilhelm; Dahn 1882 Bausteine III 97 Wir haben fast verlernt in diesen Tagen der Stenographie, der Zeitungsartikel und der Telegramme, mit holder Müsse zu schreiben; Fontane 1897 Stechlin 393 die vielen Telegramme hatten einen gewissen allgemeinen Telegrammstil in ihm gezeitigt; Dtsch. Tagesztg. (Berlin) 5. 8. 1904 Das Wort „Telegramm" wird jetzt in der ganzen Welt für „telegraphische Depesche" angewandt, aber nur wenige dürften wissen, wer es erfunden hat. Der „Erfinder" war ein Amerikaner, ein Herr P. Smith aus Rochester . . . Die Neuerung hat den Zweck, die Anwendung zweier Worte statt eines einzigen zu vermeiden; Technik u. Wirtschaft 7 (1914) 170 Vor allen Dingen aber haben wir Deutsche einen Telegrammdienst nach Ostasien eingerichtet . . . der in deutscher, englischer, französischer, chinesischer und japanischer Sprache täglich auch an Einzelabonnenten ausgegeben wird; Lissauer 1920 Aufs. I 45 Kürze und Knappheit, das sei eingeschaltet, werden auch in der Lyrik der letzten Jahrzehnte verwechselt . . . und die Gier nach Kürze erzeugte die Missform des sogenannten „Tele-

grammstils"; Friedeil 1931 Kulturgtsch. III 512 der „Telegrammstil", der dem Zeitalter der Blitzzüge, Automobile und Bioskope entspricht; Lokal-Anz. 17. 8. 1933 Das Telephon hat die Mitteilungsbriefe beseitigt und die Drahtnachricht den ehrlichen alten Schicksalsbrief. Viele, auch städtische, Menschen werden blaß, wenn es heißt: „Ein Telegramm ist da!"; ebd. 30. 6. 1934 Soeben ist eine neue Berichtigung zu dem vom Reichspostministerium herausgegebenen Telegrammwortzähler erschienen. Sie enthält u. a. die jüngsten Entscheidungen über die Auslegung der Bestimmungen für Telegramme in verabredeter Sprache; Berl. Morgenpost 27. 10. 1934 Der Brief- und Telegrammverkehr waren zwar noch leicht rückgängig, dagegen stieg der Paket- und Wertverkehr und auch der Fernsprechverkehr nahm zu; Dtsch. AZ. 22. 1. 1935 Da lag das Pressebüro. Unzählige Male war Marius da hinaufgetrabt, hatte da herumgehockt und Artikel auf die Rückseite der Telegrammformulare geschrieben; ebd. 17. 8. 1935 Grußtelegramm des Führers zur Eröffnung der Obstmesse (Uberschr.); ¿/«rccA. N. N. 22. 10. 1942 Mit einem durchdachten kurzen Stil, ähnlich etwa dem Telegrammstil, können einfache Mitteilungen, z. B. Angebote, Bestellungen, Einladungen usw. schneller erledigt werden; Süddtsch. Ztg. 25. 2. 1954 der Kundendienst, der . . . Schokolade und Spirituosen als Geschenk telegrammschnell in anderen Orten austrägt; FAZ 28. 5. 1971 „Grußtelegramme" senden gehört zur täglichen Fron des Staatsoberhaupts. telegrammatisch: Kulemeyer 1933 Studien zur Psychologie im neuen englischen Roman 3 vom „telegrammatischen" Schematismus der bloßen Aneinanderreihung einzelner Bewusstseinsinhalte zu einer belebteren Darstellung des psychischen Geschehens gelangt; Der Landarzt 38 (1962) LXXVI Die Berichte, die der behandelnde Arzt aus der Klinik über einen Kranken erhält, sind in telegrammatisch verkürzten Formeln abgefaßt.

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Telegraph

Telegraph M. (-en; -en), auch Telegraf, früher Genitiv auch -s, Ende 18. J h . entlehnt aus gleichbed. frz. télégraphe (1792 gebildet von Miot de Mélito, zurückgehend auf griech. xfjXe, —> Teleskop, und yQäqpetv 'schreiben'); neben der 1801 von Campe eingeführten Verdeutschung „Fernschreiber" als Bezeichnung für die 1792 von Chappe erfundene mechanische Vorrichtung zur schnellen Übermittlung von Nachrichten in die Ferne, einen aufrecht stehenden Holzmast mit frei beweglichen „Flügeln", die je nach ihrer Stellung unterschiedliche Signale eines vereinbarten Alphabets darstellen konnten, von daher für verschiedene dem gleichen Zweck dienende optische, akustische und bes. die im 19. Jh. das gesamte Nachrichtenwesen revolutionierenden elektrischen Apparaturen, z. B. den Mörse-Apparat und die heute gebräuchlichen Geräte wie Fernschreiber, Bildschreiber und Drucktelegraph, von Anfang an häufig bildlich und übertragen, z. B. als Zeitungsname, verwendet. Dazu gleichzeitig die subst. Ableitung Télégraphié F. (-; ohne Pl.), anfangs vereinzelt mit der Nebenform Telegraphik, '(Kunst der) Übermittlung von Nachrichten in die Ferne mittels eines (elektrischen) Telegraphen'; die vereinzelte verbale Ableitung telegraphisieren, seit Mitte 19. J h . ersetzt durch die heutige Form telegraphieren V.(in)trans. 'etwas, eine Nachricht telegraphisch weiterleiten, übermitteln, drahten, kabeln; ein Telegramm schicken', auch bildlich verwendet, mit der dazugehörigen veralteten subst. Ableitung (Durch-)Telegraphierung; die adj. Ableitung telegraphisch 'die Télégraphié betreffend, auf sie bezogen, auf ihr beruhend, mit ihrer Hilfe; per Telegraph, per Telegramm', früher häufig im Syntagma telegraphische Depesche, ersetzt durch —> Telegramm; seit Mitte 19. Jh. die subst. Ableitung Telegraphist(in) als männliche/weibliche Berufsbezeichnung für Angestellte des Telegraphenamtes mit der Aufgabe, telegraphische Verbindungen herzustellen. Telegraph: 1794 (Bergsträsser 1795 Signalschreiberei 8) Was izt Telegraph heißt, hieß schon i. J . 1784 bei mir Signalpost, wie aus der Beilage zu ersehen ist. Auch diese Beilage beweist, daß der eigentliche Telegraph auf teutschem Grund und Boden entsprossen ist; Archenholtz 1794 Minerva (Beiträge z. Gesch. Technik 1 (1909) 270) Der Telegraph ist eine Maschine, die von den Franzosen benutzt wird, während andere Nationen untersuchen, ob diese Erfindung neu oder alt sei; Herder 1795 Br. (17) 305 Alle Monarchen der Welt, wenn sie mit vereinten Kräften für jede Druckerstube träten, könnten die arme Familie dieses Letternkastens, das Asyl und den Telegraphen menschlicher Gedanken nicht zerstören; Bergsträsser 1795 Uber Signal-, Order- und Zielschreiberei in die Ferne . . . oder Uber Synthematographie und Telegraphe in der Vergleichung (Titel); ebd. 19 Synthematographe, oder wie ich künftig manchmal sprechen werde, Signalschreiber, wirken unmittelbar; Telegraphe oder Zielschreiber mittelbarer Weise; 1797 Journal d. Moden XII 41 Was vor einem Jahre die Telegraphenfächer waren . . . dass die schöne Besitzerin eines solchen Fächers wirklich mit Hülfe des inwendig auf dem

Fächer verzeichneten telegraphischen Alphabets alle Wörter . . . ausdrücken, und so mit einer andern Person in der Nachbarschaft eine stumme Unterredung halten kan; ebd. XII 241 durch den Telegraph die Worte signalisiert; Goethe-Zelter um 1800 Brief™. I 97 unser Chor ist anjetzo immer noch nichts weiter als ein großes Organon, das ich mit meiner Hand spielen lassen und stellen kann wie einen Telegraphen, große Sachen andeuten und klar machen kann Jean Paul 1800-1803 Titan III 58 so ging er . . . dem abend entgegen, vergeblich von zeit zu zeit zum fernen telegraphen seines schicksals aufblickend, der sich immer bewegte, ungewiss, ob friedlich oder kriegerisch (DWB); Becker 1801-1805 Weltgesch. XV 22 bei gelegenheit der capitulation von Conde (19. juli 1794) wurde der von Claude Chappe einige jähre vorher erfundene telegraph zum ersten mal zur mittheilung von heeresnachrichten verwandt (DWB); Matthisson 1803 Paris (VI 54f) Nicht ganz ohne Schwierigkeit erhielt ich vom Direktor des Telegraphen die Erlaubniß hinaufzusteigen und die Arbeiten zu beobachten. Die Luft war heiter, und ich hatte daher die Freude den wunderbaren Fernschreiber in voller Korrespondenz anzutreffen.

Telegraph Nur von den Direktoren des Telegraphen zu Straßburg und Paris wurden seine geheimnißvollen Chiffern verstanden . . . Sehr deutlich sähe ich durch das Teleskop, mit welcher Präcision und Schnelligkeit der vier Stunden weit entfernte nächste Telegraph die Figuren des hiesigen wiederholte; 1805 (Tschirch, öffentl. Meinung II 212) Der Telegraph, ein Journal der neuesten Kriegsbegebenheiten; Sömmering 1809 (Denkschr. Ak. d. Wiss. München) 401 Anm. Seitdem die Telegraphen in förmlichen ständigen Gebrauch kamen, war es wohl sehr natürlich, auf den Gedanken zu verfallen, den elektrischen Funken zu gleichem Zwecke anzuwenden. So schlug Reiser im Jahre 1794 . . . einen elektrischen Telegraphen vor; Obernberg 1816 Reisen, Isarkreis IV 96 des schönen Prospektes, welchen ich . . . aus einem Saale über den Ammersee genoss, worin ein ziemlich einfacher Telegraph aufgestellt war; Goethe 1821 WMW (XXV 1, 241) Die Uhren sind bei uns vervielfältigt und deuten sämmtlich mit Zeiger und Schlag die Viertelstunden an, und um solche Zeichen möglichst zu vervielfältigen geben die in unserem Lande errichteten Telegraphen, wenn sie sonst nicht beschäftigt sind, den Lauf der Stunden bei Tag und bei Nacht an; Wit v. Dörring 1830 Fragmente I 156 weil die Pariser Polizei mit ihren Telegraphenarmen nach allen Seiten hinreicht; Grahbe 1831 Napoleon II 5 Siehst du, wie der Telegraph mit Feuerlichtern auch bei Nacht geht?; Primer 1833 Erinnerungen 11 /79Jenseits St. Quentin lernte ich zuerst den Mechanismus eines Telegraphen kennen. Sehr gewünscht hätte ich, die Bedeutung der Zeichen zu erfahren; Gutzkow 1835 Charaktere VIII 52 Ein Telegraph fingert von Paris nach Brüssel hinüber, wie hoch die dreiprozentige Rente gestiegen ist; ebd. IX 57 Chateaubriand . . . wird der geheimnisvolle Telegraph ihrer abenteuerlichen Reisen; Hacklander 1845 Wachtst. (5) 89 Bewegungen . . . wie ein wahnsinnig gewordener Telegraph; ders. 1847 Werke VI 228 Ein galvanischer Telegraph gibt der . . . Maschine ein Zeichen; Arendts 1851 Vaterlandskunde 40 Die elektro-magnetischen Telegraphen, die überhaupt für die Privat-Correspondenz benützt werden können; Heffner u. Reuss 1852 Würzburg 433 Auf dem Nikolausberg stand früher eine Pyramide von Holz, zu trigonometrischen Messungen des Landes dienend, vom Volk gewöhnlich „der Telegraph" genannt; 1855 Prutz' Museum II 177 die Blicke der Geliebten dienten als elektrischer Telegraph; ebd. II 779 „Telegraphenprocess", wie er hier beliebter Kürze wegen genannt wird; Schleiden 1855 Studien 130 das sogenannte Singen der Telegraphendrähte; Schliemann 1855 Br. I 75 [Waren] per Telegraph zu offeriren; Heine vor 1856 (XI 66) diese spielt

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hastig mit ihrem fächer, dem luftigen telegraphen der liebe (DWB); ebd. XI 168f. der wille gottes zieht durch die luft wie das stumme geheimnis eines telegraphen, der hoch über unsern häuptern seine Verkündigungen den wissenden mittheilt, während die uneingeweihten . . . nichts davon merken, dasz . . . krieg und frieden unsichtbar über sie hin in den lüften verhandelt werden (DWB); Moltke 1856 Wanderbuch (Paris) 166 Der submarine Telegraph meldete; Knies 1857 Telegraph Einl. IV Ausführungen über den Nachrichtenverkehr und den merkwürdigen neuesten Träger desselben, den elektrischen Telegraphen; ebd. 261 Gegenwärtig ist z. B. in Bayern . . . der Telegraphendienst mit der Eisenbahnverwaltung verbunden; Steinmann 1857 Rothschild I 127 Börsenente, die ganz Europa mit elektrischer Telegraphenhast durchflog; G. Freytag — Ernst II. 1860 Briefw. 145 in unserm Jahrhundert der Telegraphen; Mahler 1864 Uber die Eider 195 Die Chaussee trug noch die Spuren des letzten Kampfes, umgestürzte Telegraphenstangen . . . und tiefe grabenähnliche Löcher; 1864 Illustr. Welt 311 Der fliegende Telegraph hat, seit Napoleons Versuchen bei Chalons, Hunderttausende von Meilen auf dem amerikanischen Kontinente durchmessen; Hartmann 1866 Erlebnisse 163 Und eine der ersten Depeschen auf dem von den Österreichern schnell erstellten Telegraphen forderte Lebensmittel . . . von Hamburg; 1867 Grenzboten III 116der thurn-taxischen Post- und Telegraphenverwaltung; 1869 Magazin des Auslandes 425 Das Projekt einer Telegraphenlinie beider Welten, von Amerika durch Sibirien nach St. Petersburg; Gutzkow 1875 Rückblicke 8 als der Flügeltelegraph auf dem Kunstakademiegebäude . . . unablässig „die Hände über'm Kopf zusammenschlug", wie die Berliner von den hölzernen, sich in der Luft verschränkenden Armen der ersten Vermittlungsform von Telegrammen zu sagen pflegten; Hornstein 1890 Mem. 181 eine durchaus komische Wirkung, wenn der lange hagere Mensch mit . . . seinen Telegraphenbewegungen dozierte; Liliencron 1896 Poggfred (XI 40) Durch Telephon- und Telegraphennetze; Eyth 1904 Strom 33 O b hier der Telegraphenstil am Platze wäre?; Voss. Ztg. 4. 2. 1930 seine [Gutzkows] Zeitschrift „Telegraph für Deutschland"; Berl. Illustr. Nachtausg. 15. I. 1933 In diesem Augenblick brachte ein Telegraphenbote die erwartete Depesche; Lokal-Anz. 31. 1. 1933 Mit dem „Rauchtelegraphen" wurde die Neuigkeit durch die Hirten über die Berge hinweg in wenigen Stunden in ganz Griechenland verbreitet; Berl. Illustr. Nachtausg. 22. 8. 1933 Die Telegraphenbüros aller Erdteile hatten ihre Korrespondenten entsandt; Lokal-Anz. 28. 6. 1934 dieser große Journalist zweier Erdteile [fuhr]

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Telegraph

zum Telegraphenamt, um seinen Teil der Weltpresse mit Funkspruch und Kabel zu bedienen; ebd. 26. 8. 1934 diese bescheidene Kapelle mit dem seltsamen Schindelturm, auf dem einst der optische Telegraph spielte; 8-Uhr-Abendbl. 14. 12. 1934 Auch die hier aufgestellten großen Trommeln, die die Urwaldbewohner als „Telegraphenapparat" benutzten; Münch. N. N. 21. 5. 1938 Die Abwicklung des Bildtelegraphendienstes und die Gebührenberechnung werden künftig in Europa nach einheitlichen Regeln wahrgenommen; Süddtsch. Ztg. 7. 3. 1951 Briefe, Wertbriefe . . . soweit sie unter der Anschrift München postlagernd . . . München bahnpostlagernd, hauptpostlagernd oder telegraphenlagernd eingehen, werden vermittelt. Telegraphie: 1795 Neues Hannöver. Magazin 1344 Fernschreibekunst (Telegraphie); Bergsträsser 1795 Signal-Schreiberei 21 Telegraphie und Zielschreiberei sind also gleich viel bedeutende Wörter; ebd. 27 Uber des Herrn Buria Abhandlung von der Telegraphie oder Fernschreibekunst; 1857 Träumereien 263 Insbesondere aber wird die elektromagnetische Telegraphie dazu beitragen, die Benutzung der Eisenbahnkräfte mehr zu regeln und bedenkliche Kollisionen zu verhüten. Nächstdem ist die Telegraphie schon an sich ein unschätzbares Mittel, die höheren Befehlshaber vom Stande der Dinge auf verschiedenen Punkten des Kriegsschauplatzes in Kenntniß zu erhalten, wozu man sich erforderlichen Falls stellenweise auch der fahrenden Telegraphen bedienen kann; Ranke 1874 Briefwerk 528 Alle Reiche und Staaten sind durch Lokomotive und Telegraphie in die engste . . . Verbindung gesetzt; Wuttke 1875 Zeitschriften 161 die neue Telegraphie verändert sichtlich das alte Zeitungswesen; Siemens 1877 briefl. (Heiden 1937 Rund um den Fernsprecher 25) ein paar der kleinen Dinger, welche jetzt die Welt - speziell die Telegraphie — auf den Kopf zu stellen drohen, des Telephons nämlich; 1888 Unsere Zeit I 580 In der neuesten Anordnung für die elektrische Zugtelegraphie . . . sind die beiden jüngsten Elemente des Verkehrswesens, die Telegraphie und Telephonie, zu gemeinsamem Zwecke combinirt worden; Jahrbücher f . dtsch. Armee 109 (1898) 168 Die Telegraphie ohne Draht, welche anfangs weitgehende Hoffnungen erweckte, hat sich bis jetzt nur für die Marine als verwendbar erwiesen; Naturwiss. Wochenschr. 17 (1902) 85 Die einzelnen Details, welche bei diesem neuen Signalmittel der drahtlosen oder . . . Funkentelegraphie in Betracht kommen; Dtsch. Rundschau 157 (1913) 352 Die Wellen der drahtlosen Telegraphie, die Elektronen, die Röntgenstrahlen, die Erscheinungen der Radioaktivität erregen . . . jedermanns Interesse;

Dtsch. AZ. 18. 4. 1935 Die Bildtelegraphie, die man ja als Vorläuferin des Fernsehens betrachten kann, wird trotz der Verwirklichung des Fernsehens nicht entbehrt werden können. Telegraphik: Böckmann 1794 Versuch über Telegraphie (Titel); Lichtenberg 1795 Hogarth II 150 Ist es nicht sonderbar, mit diesem Sehen? Haben wir nicht schon eine Telegraphik mit dem Monde zu Stande gebracht? so daß wir, genau berechnet, immer nach anderthalb Secunden wissen können, wenn dort oben ein monte nuovo entstanden ist;Klüber 1809 Kryptographik 6 Bei der Telegraphik oder Fernschreibekunst, wohin auch die Handoder Fingersprache, und die Schiff Signalkunde gehört, bedient man sich geheimer, nur nicht schriftlicher Zeichen. telegraphieren: Hackländer 1845 Wachtst. V 281 dieses unschuldige Telegraphiren nicht fortsetzen zu wollen; Knies 1857 Telegraph 22 Schon 1832 sann der Amerikaner Morse dem Gedanken nach, mit dem elektromagnetischen Strom einen Hebel in der Ferne zu heben und zu senken und so zu „telegraphiren". Zwei Jahre nachher machten Gauß und Weber in Göttingen . . . die erste thatsächlich gelungene praktische Probe des Telegraphirens zwischen kleineren Entfernungen; Bismarck 1859 Br. 420 Wegen der Möbel habe ich heut telegraphirt; Schücking 1859 Erzählungen II 24 so lassen Sie doch schnell telegraphiren; Müller 1864 Reisen I 29 die Kunst, von einem Schiffe zum andern durch Flaggen zu telegraphiren; Mahler 1864 Über die Eider 153 der [der Windmüller] uns in Alnoer durch sein Telegraphiren mittelst der Flügel seiner Mühle schon oft weidlich geärgert hatte; Hartmann 1866 Erlebnisse 203 daß dieser erweiterte Vorschlag nach Berlin telegraphiert wurde; Spitzer 1879 H. 91 Ich habe mehrere Aufträge und Anfragen nach Rom und Wien zu telegraphiren; ders. 1880 Wagn. 67 um diesen ersten entscheidenden Erfolg des besten Wuotansängers in Wien dem Meister zu telegraphiren; Brandt 1900 Zeitfragen 292 Wenn Fürst Bismarck das geflügelte Wort „Gelogen wie telegraphirt" nicht schon vor 30 Jahren in die Welt hinaus gesendet gehabt hätte; Huet 1906 Holzsäbel (Übers.) 14 telegraphierten mit Blicken heisse Liebesgefühle hinüber; Graf 1925 Gesicht 103 Nun macht er ihr durch Zeichen verständlich, daß er schon für sie bezahlt hat, und sie telegraphiert ihm zurück, daß sie die Fahrscheine für alle beide genommen hat. (Durch-)Telegraphierung: Knies 1857 Telegraph 202 Dieser Verein, welcher durch die Idee der Durchtelegraphirung der Depeschen und gemein-

Teleologie samer Normen für den Betrieb und die Tarifirung veranlaßt worden; Wuttke 1866 Zeitschriften 129 Telegrafirungskosten. telegraphisch: 1797Journal d. Moden XII 41 dass die schöne Besitzerin eines solchen [Telegraphen-] Fächers wirklich mit Hülfe des inwendig auf dem Fächer verzeichneten telegraphischen Alphabets alle Wörter . . . ausdrücken . . . kan; Matthisson 1803 Paris (VI 55) Ohne die Verzögerung des Uebersetzens und Expedierens, könnte also eine telegraphische Nachricht einen Weg von zweihundert Stunden in einer halben Stunde zurücklegen; 1803 Neues Hannöver. Magazin 1297 telegraphische Versuche; Hoffmann 1821 Serap. IX 120 Man möchte an telegraphische Zeichen denken; 1832 Bayer. Staatszeitg. 3S4 Eine telegraphische Depesche . . . welche ankündigt, daß ein außerordentlicher Courier von Berlin abgesendet worden; Heine 1833 Frz. Zust. V 120 Erhielte man heute an der Börse plötzlich die telegraphische Nachricht; Schwarzenberg 1844 W. II 48 der Anfang der telegraphischen Korrespondenz; Fallmerayer 1853 Fragmente 13 telegraphischen Depeschen, die heute widerrufen, was sie gestern als „verlässige Mittheilungen" aus Konstantinopel verkündet haben; Kossak 1855 Stereoskopen 196 gab ihm einen telegraphischen Wink; Gutzkow III 118 Sternschnuppen sind 1857 Narrenwelt seine telegraphischen Depeschen; Rodenberg 1860 Insel der Heiligen II 253 beauftragte ihn, Mrs. Macrie telegraphisch zu benachrichtigen; Noe 1865 Voralpen 229 Ein neues Theaterstück ist kein Ereignis mehr, es gibt viel zu viel telegraphische Depeschen; Hartmann 1866 Erlebnisse 253 früh morgens kam eine telegraphische Requisition um schwere Geschütze und Pulver zum Sprengen; 1868 Magazin d. Auslandes 310 Wenn auch „Drahtbericht" in Baden schon amtlich für telegraphische Depesche oder Telegramm gebraucht wird, werden schwerlich „Drahtungs-Amt" und „Drahtungs-Beamter". . .dasTelegraphen-Bureau verdrängen; Wallner 1874 Land 282 telegraphische

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Bestellung mit bezahlter Antwort; Arber 1894 Pereat 61 Mein Bruder, der zur Zeit in Paris weilte und den man sofort telegraphisch benachrichtigt hatte, kam dann auch trotz seiner Eile zu spät und traf die Mutter nicht mehr am Leben; Schneider 1898 Paris III 27 die Anwendung der telegraphischen Formel in der Unterhaltung; Brandt 1910 Ost-Asien II 287 und die in Aussicht genommene Anlegung von telegraphischen Verbindungen, Leuchttürmen und Eisenbahnen; Berl. Illustr. Ztg. 1931 Nr. 52 Telegraphisch kriegte ich ein Engagementsangebot nach New York mit 1000 Dollar die Woche!. t e l e g r a p h i e r e n : 1794 (Bergsträsser 1795 SignalSchreiberei 8) stellte ich . . . einen Versuch [telegraphische Signale zu geben] . . . von Bergen bis auf den Katharinenturm in Frankfurt an, und telegraphisirte ihm die Worte: „Prinz Koburg hat hundert tausend Türken bei Martinestie geschlagen." Der Versuch gelang ohne den mindesten Fehler. Telegraphist(in): 1844 Hofdamen-Briefe 73 Statt die bestellten Postpferde in Cannstatt zu finden, mußten wir sie durch einen Telegraphisten, der sein Atelier an der Bahn hatte, herbeiklingeln lassen; 1868 Freytag-Herzog Ernst v. Gotha OA. Briefw. 230 Telegraphisten; 1870 Beschr. Maulbronn 23 Telegraphist; 1887 Salon II 104 während des wogenden Treibens der Ballnacht. . . die reiche Menge der Kostüme . . . als Telegraphistinnen der vierten Dimension machten sich mehrere hübsche junge Damen erfreulich bemerkbar; Polit.-anthropolog. Monatsschrift 15 (1916/17) 286 Flaggentelegraphisten; Heer 1923 Tobias Heider 75 daß ich Telegraphistin geworden bin; ebd. 141 Die Telegraphistenstelle Reifenwerd wird auf Mitte des Monats von einem neuen ständigen Beamten besetzt; Rundt 1929 Revue-Girl 60 Eisenbahntelegraphist; Wohl 1932 Reporter 135 Im Chefredakteurzimmer des „Phoenix" aber sitzt Düsterloh neben dem Telegraphisten, der den neugekauften Morseapparat bedient.

Teleologie F. (-; ohne PI.), seit Mitte 18. Jh. nachgewiesen, übernommen aus der nlat. Form teleologia (Chr. Wolff 1728), zurückgehend auf griech. xeXog 'Ende, Ziel; Grenze; Hauptzweck, -Ursache; Vollendung, Vollkommenheit' und Koyoq 'Wort, Rede; Vernunft; Lehre', bei CAMPE auch in der Form Telologie; als Fachausdruck der Philosophie zur Bezeichnung der von der Zweckmäßigkeit und Geordnetheit alles Seienden her argumentierenden idealistischen Lehre von der Zielgerichtetheit der Entwicklung der Welt auf einen vorher bestimmten Sinn, auf eine durch eine zwecksetzende Vernunft als Ziel (Telos) festgelegte Vollendung, bes. als Begründung religiöser Weltanschauungen, im Unterschied zu einer

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Teleologie

mechanistischen, alle Entwicklung mit Hilfe des Kausalitätsprinzips erklärenden Naturauffassung, selten auch für 'Zweckmäßigkeit, Zweckgerichtetheit'; dazu seit spätem 18. J h . die adj. Ableitung teleologisch 'auf der Teleologie beruhend, ihr gemäß; von der Zweckmäßigkeit alles Seienden her argumentierend, folgernd, schließend', bes. im Syntagma teleologischer Gottesbeweis 'Schluß aus der Zweckmäßigkeit und Geordnetheit der Welt auf eine zwecksetzende Vernunft ( = Gott)'; im 19. J h . vereinzelt das Subst. Teleologe 'Anhänger der Teleologie', gleichbed. mit im früheren 20. J h . vereinzelt belegtem Teleologiker, und im früheren 20. J h . die Gelegenheitsbildung Teleologismus 'teleologische Denkweise, Weltanschauung'. Teleologie: Meier 1755-59 Metaphysik § 1003 Wir haben uns also überzeugt, daß die ganze Welt, und alles was in derselben würklich ist und geschieht, als ein Mittel zu gewissen Zwecken betrachtet werden müsse, um welcher willen Gott die ganze Welt würklich gemacht hat. Es ist also eine Wissenschaft möglich, in welcher diese göttlichen Zwecke . . . untersucht werden, und diese Wissenschaft wird die Teleologie genent . . . zwey Theile . . . Der erste heißt die physische Teleologie, und sie handelt von den göttlichen Zwecken in der Körperwelt . . . Der andere Theil der Teleologie wird die pneumatische Teleologie genent, und sie untersucht die göttlichen Absichten in der Geisterwelt; Erxleben 1784 Naturlehre 9 f . Demjenigen, der sich die Naturlehre gründlich bekannt macht, bieten sich bey der sorgfältigen Untersuchung der Natur von selbst entzückende Betrachtungen über die Absichten dar, die das höchste Wesen bey der gegenwärtigen Einrichtung des Weltgebäudes hat: sie sind aber noch viel zu unvollständig, als daß sie sich in eine eigne Wissenschaft, die man Teleologie nennen, und ebenfalls als einen besonderen Theil der Naturlehre ansehen könnte, zusammenfassen Hessen; Hillebrand 1816 Versuch Vorr. VII Die erste Abtheilung [eines philosophischen Werks] bildet die Teleologie (Zwecklehre), die zweite die Nomologie (Grundsatzlehre); Fries 1832 Philos. II 79 Das Ideal der Vollkommenheit giebt uns die einzige wissenschaftlich ausführbare Werthgesetzgebung, diese aber nur in einer subjectiven Teleologie für das Menschenleben und nicht in einer objectiven Teleologie für die Welt; Fechner 1848 Nanna 215 Teleologie der Pflanzenwelt; Virchow 1849 Abh. 32 Die Teleologie, obwohl sie auch pathologische Systeme geschaffen hat, ist in der Medicin niemals glücklich gewesen. Wenn man den Erfolg eines Vorgangs als den Zweck desselben betrachtet, so ist man immer genöthigt, auf eine entferntere, bestimmende Ursache zu fahnden, welche in dem Vorgange selbst nicht anzutreffen ist; Schopenhauer 1851 Parerga I 201 Die nächste Analogie nun also mit dem Walten jener Macht [des Fatums] zeigt uns die Teleologie der Natur, indem sie das

Zweckmäßige, als ohne Erkenntniß des Zwecks eintretend, darbietet; Schleiden 1855 Studien 158 Kant und Fries, die Beide in ihren philosophischen Entwickelungen der Teleologie ihre bestimmte Stelle anweisen; Haeckel 1866 Generelle Morphologie I 94 Teleologie und Causalität (Vitalismus und Mechanismus); Jäger 1869 Darwinsche Theorie 72 Zweckmässigkeitslehre (Teleologie); 1874 Grenzboten IV 89 In ganz andrer Weise als diese alten, ernsten, häufig nicht genug gewürdigten Denker, unternahm es Leibniz, Causalität und Teleologie zu vereinen, und er stellte geradezu in seinen jüngeren Jahren es als Aufgabe seines Lebens hin, die Atomistik des Demokrit mit den substanziellen Formen des Aristoteles in Einklang zu bringen. Als strenger Mathematiker mußte er der mechanistischen Weltanschauung huldigen, aber als umfassender Geist hielt er dafür, auch in der Teleologie sei Wahrheit; Plümacher 1884 Pessimismus 329 Eine wie grosse Macht auch das reine theoretische Denken sei, es ist doch nicht die ganze Seelentätigkeit. Das Denken wird sich bald selbst wieder dessen bewußt, dass es seine vollendetste Berechtigung erst wieder als practisches Denken gewinnt, das heisst dadurch, dass das formal Logische als Practisch-vernünftiges in der Individual-, und vermittelst derselben in der Weltteleologie wirkt, welche Weltteleologie eben nicht die blosse Selbstbespiegelung der in dialectischen Kreisen tanzenden Idee ist; Ihering 1884 Zweck i. Recht II 135 Die Teleologie des objectiv Sittlichen. Die möglichen Zwecksubjecte des Sittlichen. — Zweck und Motiv des Sittlichen. — Der Mensch das einzige Zwecksubject. — Kritik der individualistisch-teleologischen Theorie (Uberschr.); Wandt 1885 Essays 192 Die Teleologie . . . wußte sich mit den Instincten trefflich abzufinden. Da man den physischen Bau der Thiere als ein unmittelbares Werk Gottes betrachtete, das dem Nutzen des Menschen . . . in weiser Voraussicht angepaßt sei, so fand man keine Schwierigkeit dabei, die Instincte in den allgemeinen Haushaltsplan des Schöpfers aufzunehmen; Stimmen d. Zeit 64 (1903) 492 wird er gelegentlich die großen Welt- und Lebensprobleme streifen . . . auf die

Teleologie Stellung des Menschen zum Weltganzen, auf Teleologie, Wunder, Freiheit des Willens, Unsterblichkeit der Seele u. dgl. zu sprechen kommen; Stein 1903 Frage 55 Unter immanenter Teleologie verstehen wir die notwendige Zwecksetzung menschlicher Willensgemeinschaften . . . Die Kausalität gilt von allem Geschehen, die immanente Teleologie nur von jeder Handlung; Ziegler 1903 Kultur 95 Erst in der Abstraktion von der objectiven Realität wurde der Mensch der durch die Dinge schimmernden Teleologie gewahr, jener Entelechie, welche als logisches Gesetz die Erscheinungsweisen der Dinge bestimmte; Eucken 1904 Strömungen 134 In minder scharfer Fassung stellt Wolff nach scholastischer Art eine Erklärung aus den Wirkursachen und eine aus den Zweckursachen nebeneinander und prägt dabei den Ausdruck Teleologie; Dtsch. Rundschau 178 (1919) 81 Aber weiter geht Burckhardt nicht, und sobald es sich für Evolutionismus und Teleologie zu entscheiden gilt, macht er halt; ZfMenschenkunde 4 (1928/29) 331 Wie wichtig derartig abstrakt scheinende Erwägungen für die konkrete Wissenschaft selbst sind, zeigt ein anderes Beispiel, die Zweckmäßigkeit oder Teleologie. Es ist klar, daß diese Denkform in der Biologie eine ganz zentrale Stelle einnimmt . . . Kausalität und Teleologie sind beide in genau gleichem Grade anthropomorph . . . Wenn wir in den Lebewesen geheimnisvolle zwecktätige Kräfte annehmen, welche im Vorblick auf die zukünftigen Bedürfnisse das Zweckmäßige schaffen; Friedeil 1931 Kulturgesch. III 221 Teleologie in der orthodoxen Naturwissenschaft verpönt; Archiv G. Medizin 27 (1934) 285 Teleologie, die heute in einer neuen, höchst berechtigten Form aufersteht; Hartmann 1954 Begegnung 93 die Stellung des Menschen im Kosmos, das zweckhafte Schaffen, das man Teleologie nennt; FAZ 21. 2. 1970 Gustav Heinemanns Anmerkungen auf der Bremer Schaffermahlzeit zu Fragen des Geschichtsverständnisses haben . . . zur Forderung nach einer „Geschichte ohne politische Teleologie" inspiriert. Was ist das: „politische Teleologie"? Doch sicher nicht Heinrich Heines „Wir wollen hier auf Erden schon / das Himmelreich errichten"? Die Alternative könnte ein Bekenntnis zu dem Satz sein, alle Geschichte sei „unmittelbar zu Gott". Teleologe: Goethe vor 1832 (W. VI 207) Teleolog; Stein 1903 Frage 56 Dem Teleologen pur sang ist nicht bloss jede Willenshandlung, sondern alles Naturgeschehen überhaupt Zwecken angepasst. Teleologiker: 1930 Festg. f . Frank I 160 Der große Baumeister der noch heute herrschenden Strafrechtssystematik, Franz v. Liszt, [war] überwiegend Logiker, nicht Teleologiker.

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teleologisch: Schiller 1789 Universaig. (H. VI 273) er bringt . . . ein teleologisches Prinzip in die Weltgeschichte; Goethe 1790 Br. (IX 235) teleologische; Schiller 1793 Anmut (H. IX 204) Notwendigkeit des sie [die architektonische Schönheit des Menschen] bestimmenden teleologischen Grundes; 1804 Br. v. d. Univ. 147 auf's . . . Plausibelmachen wird's angelegt, man kann alles hübsch teleologisch betrachten; Schubert 1814 Symbolik 24 die gemeine teleologische Ansicht machet aus der Natur ein Ungeheuer; Schopenhauer 1819 Welt I 186 teleologische Betrachtung der Organismen; Preller 1846 Aufs. 209 Sondern auch die Kosmogonie stimmt in der Grundansicht mit dieser teleologischen Anschauung zusammen; Stahl 1847 Phil. Recht I 327 Man kann die [Denk-] Weise des Aristoteles die teleologische . . . nennen; Virchow 1849 Abh. 32 Nun ist es freilich möglich, für einzelne Vorgänge im kranken Körper teleologische Erklärungen zu finden, wie die Lehre vom Fieber, von der Eiterung zeigen, allein für die Krankheit überhaupt sucht man vergeblich; 1856 Mon'schrift Wiss. V. Zürich 179 Diese Naturbetrachtung nach Zweckbegriffen heisst die teleologische; 1874 Grenzboten IV 81 Schon in den Anfängen der griechischen Philosophie tritt uns der Gegensatz der mechanischen und teleologischen Weltanschauung entgegen in den Antipoden, Heraklit und Demokrit . . . Bis auf die Gegenwart haben sich diese Gegensätze gehalten. Würde der Verfasser der Philosophie des Unbewußten an Heraklit sich anlehnen, bei welchem Letzteren das Vernünftige und Zweckvolle sich auch ohne Bewußtsein herausarbeitet, so würde die Mehrzahl der exacten Naturforscher als ihren Führer anerkennen den in seiner Consequenz gewaltigen Demokrit; Schmidt 1878 Portraits 5 Der Skeptizismus, durch Voltaire und Hume ausgebildet, war die erste Waffe, mit welcher man den Glauben an die teleologische Weltordnung bekämpfte; Windelband 1883 (Präludien II 134) Gerade die historische Besinnung [in der Philosophie] zeigt die Punkte, an denen die Bestimmung des „Apriori", des in der teleologischen Struktur absolut und unerläßlich Geltenden aufhört; ebd. 153 So ist im wissenschaftlichen Sinn schon „Tatsache" ein teleologischer Begriff. Nicht jedes beliebige Wirkliche ist eine Tatsache für die Wissenschaft, sondern nur das, woraus sie . . . etwas lernen kann; Riehl 1885 Vorträge II 194 Und doch lassen wir uns die teleologischen Fragen nicht nehmen. Die kindlichsten und kindischsten Menschen fragen zuerst nach dem Warum? und Wozu? und die tiefsten Denker fragen zuletzt danach; Knauer 1885 aristotelischthomist. Psychologie 28 Dabei wird sich ergeben, das nach Aristoteles Gott als jiqüjtov kivoüv nicht etwa . . . bloss den Anstoss zu einer nach mechani-

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sehen Principien ablaufenden Reihe von Bewegungen in der Körperwelt gibt, sondern vielmehr das die gesammten Vorgänge in der Körper- und Geisterwelt nach von ihm bestimmten Gesetzen und Zielen ordnende erste Princip . . . ist, so zwar, dass der bloss seiner äusseren Form nach kosmologische Gottesbeweis. . . mitdemphysikotheologischen und teleologischen Beweise zusammenfällt; Hartmann 1891 Pessimismus 97 Die teleologische Weltansicht muss also die Geschichte ebensogut . . . umspannen, wie die Natur; wie wir in der Natur ausser Stande sind, den Zweck als zufälliges Ergebniss mechanischer Processe zu begreifen, so ist es uns in der Geschichte unmöglich, aus dem Zusammenwirken der nach menschlicher Weisheit gewonnenen Mittel einen zweckmässigen Erfolg zu erwarten; daher muss man . . . an eine providentielle Leitung der zusammenwirkenden Kräfte glauben . . . wenn man den Glauben an einen Endzweck überhaupt festhalten will; Stimmen d. Zeit 63 (1902) 48 Die vernunftgemäße teleologische Auffassung und Beurteilung erhebt sich vielmehr über die lediglich faktischen Verhältnisse und erkennt in all diesem das Mittel für ein Ziel, das durch und in jener Abhängigkeit und Verknüpfung erreicht werden kann und pflichtgemäß erreicht werden soll; Barth 1922 Phil. d. Gesch. 106 scheidet Kant die Natur als „teleologisches System"; Gottl-Ottilienfeld 1925 W. 359 Das Geschehen, das die Historie um seiner selbst willen zu erschließen sucht, weicht in seiner innersten Struktur von dem Geschehen ab, das die Metahistorie gemäß den Beziehungen der räumlichen Dinge interpoliert, um sie zeithaft zu ordnen . . .

den vielumstrittenen Gegensatz zwischen „teleologischer" und „kausaler Erklärung"; 1930 Festg. f . Frank I 8 „teleologische", d. h. das Wesen aus dem Rechtswert und dem ihm entsprechenden Gesetzeszweck bestimmende Interpretation; ebd. I 138f. Neben diesen Systemen im logischen Sinne erweist sich endlich eine teleologische Systematik, eine Ordnung nach Zwecken und Mitteln, möglich; Lokal-Anz. 11. 1. 1933 Das [die Erklärung der Zellfunktionen] ist - im Sinne des großen Philosophen Kant - nur unter teleologischen Gesichtspunkten möglich, die der äußeren und inneren Anpassung des Organismus, seiner Planmäßigkeit oder seiner Selbsterhaltung dienen; ebd. 22. 2. 1933 Der wirklich teleologisch denkende Arzt darf nicht alles in einseitiger Betrachtungsweise der Natur allein überlassen; 1944 Das XX. Jahrhundert 82 Uberzeugung von einer zweckbestimmten (teleologischen) Grundrichtung der belebten Natur; Bavink 1950 Weltsch. 9 das teleologische (Zweck-)Denken; ebd. 26 im Sinn des bekannten „physikotheologischen (teleologischen) Gottesbeweises"; ebd. 36 Die ganze Weltauffassung ist. . . eine bewusst teleologische, d . h . sie erklärt grundsätzlich alles, was ist, von einem sinnvollen Ziel oder Zweck her. Teleologismus: Sombart 1930 Nationalök. 171 Der Teleologismus . . . der . . . Grundgedanke . . . daß alles menschliche Tun in der Gesellschaft auf einer „Ordnung" beruht . . . der . . . Gesellschaftsforscher . . . könne die Erscheinungen niemals unter der Kategorie von Ursache-Wirkung, sondern immer nur von Mittel—Zweck einordnen.

Telepathie F. ( - ; ohne Pl.), im späten 19. Jh. entlehnt aus gleichbed. engl, telepathy (Myers 1882), zurückgehend auf griech. TfjXe (—» Teleskop) und Jtaöeiv 'eine Einwirkung von außen erfahren (und darunter leiden)'; im Bereich der Parapsychologie in der Bed. 'direkte, d. h. ohne Vermittlung der Sinnesorgane stattfindende Übertragung geistig-seelischer Vorgänge (Gedanken, Wünsche, Gefühle) von einer Psyche auf eine andere; Gedankenübertragung, Hellsehen, Fernfühlen', auch abgeflacht verwendet für 'unmittelbare Verständigung; seelische Nähe; Einfühlsamkeit'; vgl. daneben Telekinese 'mechanisch unerklärbare (durch ein Medium bewirkte) Bewegung von Gegenständen', Telästhesie 'Wahrnehmung von räumlich und zeitlich Entferntem/Verborgenem ohne Vermittlung durch die Sinneswahrnehmung'; dazu seit Anfang 20. jh. die wohl unter engl. Einfluß aufgekommene adj. Ableitung telepathisch 'die Telepathie betreffend, zu ihr gehörig; auf Telepathie beruhend, auf dem Wege der Telepathie; hellseherisch' und seit früherem 20. Jh. das wohl aus gleichbed. engl, telepath (Rückbildung zu telepathy) entlehnte Subst. Telepath M. (-en; -en) 'für Telepathie empfänglicher Mensch, Medium; Hellseher'.

Telepathie Telepathie: Dtsch. Rundschau 46 (1886) 30 Telepathie und Geisterseherei in England (Überschr.) „Telepathie" ist ein neues Wort, dem Niemand ansehen kann, was es bedeuten soll. Es kommt aus England und findet in Deutschland keine freundliche Aufnahme; aber es läßt sich nicht verdeutschen. Vielleicht wird es eben deshalb sich einbürgern, wie „Teleskopie", „Telegraphie" und „Telephonie", die durch „Fernsehen", „Fernschreiben", „Fern-Hören, -Tönen und -Sprechen" nur unvollkommen wiedergegeben werden. „Telepathie" soll im Allgemeinen eine geistige Fernwirkung bezeichnen, man könnte sagen: ein Fernfühlen, Fernwollen, Ferndenken, ein Afficirtwerden durch das Fühlen, Wollen, Denken eines Anderen ohne die Möglichkeit eines materiellen Vermittlers, ohne irgendein Verständigungsmittel wie etwa die Sprache, Zeichengebung oder Berührung; Wollny 1890 Telepathie und Hypnotismus (Titel); 1896 Naturwiss. Wochenschr. 11 Gedankenübertragung („Telepathie"); Henne-am Rhyn 1897 Kulturgesch. VII 440 Telepathie und Geisterseherei; Büchner 1898 Sterbelager 190 Telepathie oder Fernwirkung des Gedankens ohne materielle Vermittlung; Stimmen d. Zeit 76 (1909) 279f. Wirklich wird heute viel von „Telepathie" gesprochen. Aber nicht immer hat dieses Wort den gleichen Sinn. Es gibt Männer, die einen unmittelbaren Verkehr von Seele zu Seele annehmen . . . Andere Vertreter der Telepathie nehmen bloß Einflüsse an, die auf dem Umwege von Körper zu Körper sich vollziehen; ebd. 77 (1909) 13 Kurz das ganze Gebiet der Gedankenübertragung oder sog. Mentalsuggestion, des Hellsehens in der Hypnose und außerhalb derselben, das ganze Gebiet der Ankündigungen und zweiten Gesichte, all das heißt zuweilen heute Telepathie . . . Nach Analogie der Kunstausdrücke Telegraphie, Telephonie usw. besagt er [der Ausdruck Telepathie] . . . so viel als „in die Ferne" oder vielmehr „aus der Ferne leiden", mit andern Worten Fernwirkung im passiven Sinne; Wasielewski 1922 Telepathie und Hellsehen (Titel); Schmitz 1926 Dämon 33} Kann das Telepathie sein? . . . Ich bin dankbar weil Sie mich verstehen! . . . Ja, ich kann wohl aus Büchern lernen, aber keiner steht mir lebendig gegenüber und gibt mir so wie Sie Wort für Wort geboren aus seinem Munde; Z/Menschenkunde 3 (1927/28) 239 Die ungeheuren Fortschritte, die der Okkultismus in allen seinen Zweigen im Lauf der letzten Jahre gemacht hat, geben davon ein beredtes Zeugnis; die Probleme des Hypnotismus und der Suggestion, der Telepathie und des Hellsehens, der Odlehre und der Materialisationsphänomene, der Wünschelrute und des siderischen Pendels, der Physiognomik und Phrenologie, der Graphologie und Chirologie; ebd. IV 118 Große

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physikalische Medien, die auf den Gebieten der Telekinese und Teleplastik hervorragend sind, pflegen nicht gleichzeitig ebenso bedeutende Leistungen des psychologischen Mediumismus wie Telepathie und Television aufzuweisen; Friedell 1931 Kulturgesch. III 572 die nur noch von unwissenden Gelehrten und zwangsläufigen Freidenkern . . . angezweifelten Tatsachen der Paraoder Metapsychologie . . . die Telepathie, die Übertragung seelischer Zustände ohne Vermittlung unserer sinnlichen Ausdrucksorgane; das Hellsehen, die Gabe, Erscheinungen auf weite Entfernungen zu erkennen . . . die Psychoskopie . . . die Telekinese . . . der Apport . . . die Levitation . . . die Materialisationen und Spukphänomene; Moser 1935 Okk. I 475 Die Anerkennung der Telepathie war der erste Schritt ins Okkulte, die Anerkennung der Telästhesie in Form von Kryptoskopie mit der sogenannten Sinnestransposition der zweite; Münch. N. N. 5. 8. 1938 Erweiterung des seelischen Horizonts? Versuche des Hellsehens (Überschr.) Wir wissen seit einigen Jahren aber auch, daß die lebenden Seelen untereinander gleichfalls ohne Inanspruchnahme der Sinnesorgane, miteinander in Verbindung treten können . . . Ohne ein Wort verlauten zu lassen oder zu schreiben, kann eine Person einer andern über Meilen hinweg ihre Gedanken, ihren Willen mitteilen . . . Diese durch zahlreiche Untersuchungen erhärteten Tatsachen erscheinen uns heute ebenso begreiflich, wenn auch nicht weniger geheimnisvoll als die Wunder des Radios. Dort wie hier arbeiten aufeinander abgestimmte Sender und Empfänger einander in die Hände. Das ist Telepathie; Hellpach 1951 Sozialpsych. 15 Wirkungswege von Menschenseele zu Menschenseele (Überschr.) die Namen dafür sind sehr verschieden, man spricht von „Telepathie", „okkulten Vorgängen", „parapsychischen Vorgängen"; Lange-Eichbaum 1956 Genie 66 Und Barolin spricht sogar von einem sechsten, dem Inspirationssinn, wobei er als eine Abart der Inspiration Hellsehen und Telepathie ansieht; 1958 Dies. Univ. VI 81 Man hat versucht, die Telepathie als eine Art „Radio des Gehirns" zu erklären. Telepath: Colerus 1929 Kaußerr 306 und fragte nur an zwei Stellen, an denen das Stottern des Diktierenden auch für einen Telepathen unverständlich gewesen wäre; Lokal-Anz. 29. 1. 1933 Tatsache war folgendes: dem Telepathen wurden die Halbkugeln eines völlig undurchsichtigen Gummiballes mit Leukoplast auf die Augen geklebt. Darüber eine dicke Wattelage, darüber zwei Taschentuchbinden. So setzte Kara-Iki sich ans Steuer — eine unparteiische Kommission neben sich . . . das Experiment als gelungen zu

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Telephon

bezeichnen! (Ob es mit Telepathie etwas zu tun hat, ist eine zweite Sache.) Der „blinde" Mann am Steuer nahm die Kurven tadellos und fuhr mit gut 40 Stundenkilometer; „Duden"-Sammlung 1934 Der markanteste Hellseher und Telepath (Gedankenleser) der letzten Jahre war der Tscheche Herschmann Steinschneider . . . Seine Erfolge erklären sich aus der ungemein starken Suggestivkraft, die er auf Menschen auszuüben vermochte.

telepathisch: Zander 1904 Neue Welt 115 das Auge . . . das wohl bemerkend, welche Gefahr seinem Schützling drohte, sich auf sie gerichtet hatte. Als ob sein telepathischer Zuspruch sie mit neuer Kraft erfüllt, sang sie auch die letzte Strophe so innig und so warm zu Ende, daß die Zuhörer . . . mit ihrem Beifall nicht kargten; Stimmen d. Zeit 77 (1909) 21 Daß Donna Maria trotz aller

Vorsichtsmaßregeln schlau genug war, mit Angelina sich ganz anders als „telepathisch" in Verbindung zu setzen; Dominik 1928 Uraniden 78 telepathischen; Colerus 1929 Kaufherr 189 Da jedoch unsre Gespräche mehr als einmal in Schlingen liefen und'wieder an den Ausgangspunkt zurückkehrten, da weiters Margit und ich uns vieler Formeln, Beziehungen und sogar einer Art telepathischer Kurzsprache bedienten, die für jeden Dritten unverständlich wäre, sehe ich keine Möglichkeit, dieses Gespräch aufzuzeichnen; Dtsch. Rundschau 56 (1929) 245 Der zweite Roman, der die telepathischen Auswirkungen eines dämonisch besessenen Menschen, die Entkörperlichung eines spiritistisch behandelten Mediums . . . auf andere Menschen . . . vorträgt; Friedet 1931 Kulturgescb. III 528 das telepathische Theater; Ceopolitik 11 (1934) 3 telepathisches Ferngefühl; Flake 1960 Abend 35 telepathischer Meldungen.

Telephon N . (-s; -e), auch Telefon, anfangs vereinzelt auch M . , Ende 18. J h . aufgekommen, zurückgehend auf griech. xfj^e (—> Teleskop) und tptovfj 'Laut, T o n ; Stimme, Rede', cpiovEiv 'einen T o n , Laut hervorbringen; laut, deutlich sprechen, klingen'; zunächst vereinzelt als Bezeichnung für verschiedene mechanische Apparaturen zur akustischen Nachrichtenübermittlung; erst seit späterem 19. J h . häufig belegt als Bezeichnung für die 1861 von Reis initiierte, von Bell weiterentwickelte und von Generalpostmeister Stephan 1877 in Deutschland eingeführte Erfindung eines Apparates zur akustischen Kommunikation mittels der Umsetzung von Sprache in elektrische Signale, die über Drahtleitung vom Sprecher zum Hörer weitergegeben werden, dann auch auf Funkgeräte, die drahtlos an das öffentliche Fernsprechnetz angeschlossen sind, bezogen und im Sinne von 'Fernsprechanschluß, -leitung, -Verbindung' in Wendungen wie sich Telephon legen lassen, Telephon bekommen; von Anfang an in Konkurrenz zur 1877 amtlich eingeführten und zeitweise mit puristischem Eifer verfochtenen Verdeutschung Fernsprecher; als Grund- und Bestimmungswort in Zss. wie Telephongespräch, -buch, - n u m m e r , -zelle, -gebühren, -seelsorge; Haus-, Dienst-, A u t o - , Feldtelephon. Dazu, ebenfalls mittels amtlicher Verdeutschungen puristisch bekämpft, seit früherem 19. J h . (gebucht 1838 bei Heyse) die subst. Ableitung Telephonie F. ( - ; ohne PI.) '(drahtlose) Übermittlung von Gesprächen mittels akustischer/elektrischer Signale; Fernsprechwesen; Sprechfunk'; seit späterem 19. J h . (gebucht 1871 bei Sanders) die verbale Ableitung telephonieren V.intrans., meist mit der Präp. mit, in der Bed. 'per Telephon mit jmdm. sprechen; ein Telephongespräch führen', selten auch als V.trans '(jmdm.) etwas telephonisch mitteilen, durchgeben', mit der seit früherem 20. J h . belegten Präfixbildung herumtelephonieren V.intrans, 'sich telephonisch mit mehreren Leuten in Verbindung setzen', z. B. um eine gewünschte Auskunft zu erlangen, vereinzelt auch bildlich verwendet, mit in jüngster Zeit gebuchtem antelephonieren 'jmdn. anrufen' und der ebenfalls in jüngster Zeit nachgewiesenen ugs. subst. Ableitung Telephoniererei F. ( - ; ohne PI.) 'allzu häufiges, als unangenehm, lästig

Telephon

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empfundenes Telephonieren'; seit späterem 19. J h . (gebucht 1863 bei Kaltschmidt) die adj. Ableitung telephonisch 'das Telephon betreffend, auf ihm beruhend, mit seiner Hilfe; per Telephon; fernmündlich'; seit Anfang 20. J h . die subst. Ableitung Telephonat N . (-s; -e) 'Telephongespräch, - a n r u f ; seit frühem 20. J h . die subst. Ableitung Telephonistin F. ( - ; -nen), seltener Telephonist M. (-en; -en) als Berufsbezeichnung für 'jmd., der Ferngespräche vermittelt, in einer Telephonzentrale Dienst tut' und in neuerer Zeit die meist scherzhaft und ugs. verwendete subst. Ableitung Telephonitis F . ( - ; ohne PI.) 'Telephoniersucht, -krankheit'. Telephon: Huth 1796 Abhandlung über einige akustische Instrumente o. S. [Es könnte] dieser wesentliche Unterschied [die Benutzung einer akustischen Methode zur Nachrichtenübermittlung statt einer optischen] also wohl einen verschiedenen Namen für die telegraphische Anstalt mittels der Sprachröhre verdienen und gewissermaßen nothwendig machen. Welcher aber würde nun hier [sich schicklicher empfehlen], als der gleichfalls [wie Telegraph] aus dem Griechischen entlehnte: Telephon oder Fernsprecher? . . . Alle dergleichen das Publikum interessierende Nachrichten, welche jetzt auf dem Wege der Intelligenzblätter, oder durch Straßenausrufer, bekannt gemacht werden, würden kürzer und schneller durch den Telephon sich verbreiten lassen . . . daß der Staat auch Privat-Personen an der Benutzung des Telephons für die Ferne, gegen zu erlegende Gebühren Antheil nehmen ließe; Magdeburg. Ztg. 4. 8. 1838 [Vorschlag zur] Benutzung der Eisenbahnschienen als Telephone [indem die gewölbeartige Höhlung der Eisenbahnschienen in einen nach außen abgeschlossenen Röhrenkanal zur akustischen Schallübertragung verwandelt wird]; 1877 (Matschoss 1916 Siemens 1132) Werner Siemens schrieb damals am 30. Oktober 1877 an Karl, „Wir sind hier in großem Telephontrubel! Stephan erhielt gleichzeitig mit den unsrigen ein paar amerikanische durch den Engländer, welches leider besser geht als das von euch gefertigte und auch besser als die unsrigen"; ebd. 1878 (I 133) Schon am 21. Januar 1878 berichtete er [Siemens] der Berliner Akademie der Wissenschaften eingehend über die Telephonie . . ." Das Telephon ist ein elektrisches Sprachrohr, welches ebenso wie dieses von jedermann gehandhabt werden und die persönliche Besprechung vollständig ersetzen kann"; 1880 Geograph. Jahrbuch 411 Verwendung von „Fernsprechern" (Telephons) zur Nachrichtenvermittlung; Reichenbach 1880 Roman e. Bauernjungen 78 Er . . . sortierte die Sachen, die der Prokurist erledigen konnte, den er mittels des neben dem Schreibtisch angebrachten Telephons zu sich berief; Nordau 1883 Lügen 124 einige Worte von seinen weltbewegenden Erfindungen und Entdeckungen zu sagen, die vielleicht die Einheit der Kräfte, oder

die Spectral-Analyse oder das Telephon sind; 1884 Gaea 636 Der Erfinder des Telephons. Hierüber bringt die Zeitschrift für Elektrotechnik einen überaus interessanten Bericht; Stinde 1885 Farn. Buchholz II 67 als wenn die Alte per Telephon aus ihr redete; 1888 Wien I 124 Telephonverkehr. Im Jahr 1882 war die Drahtlänge sämmtlicher Telephonleitungen 1,670.300 . . . Meter; Suttner 1896 High-life 307 Villen, Gärten, ein Kasino und ein Theater könnten in kurzer Zeit entstehen, elektrische Beleuchtung der neuen Straßen . . . Telephonverbindung mit Odessa, Eisenbahnen gegen das Innere von Rußland; Jahrbücher d. dtsch. Armee 109 (1898) 27 Zahlreiche, täglich sich erweiternde Eisenbahn-, Telegraphen- und Telephonnetze überspannen Europa; Treitschke 1898 Politik II 255f. Zeitalter . . . das in der Einbildung lebt, mit Telegraph und Telephon sei die Höhe der Cultur erreicht; Annaberger Wochenbl. 9. 9. 1913 Uber den Ursprung der Wörter „Telephon" und „Mikrophon". (Uberschr.) Woher stammen diese beiden Wörter, die heute so gut in die Wissenschaft, in die Technik und in das tägliche Leben eingeführt sind? Wer hat sie zuerst gebraucht und zur Bezeichnung von Apparaten verwendet? . . . beide dienen heute zur Übertragung der menschlichen Stimme mit Hilfe des elektrischen Stromes; Matschoss 1916 Siemens I 131 Mitten in die riesige Entwicklung der Telegraphie auf weiteste Entfernungen kam aus Amerika die Kunde, es sei gelungen, die menschliche Stimme elektrisch zu übertragen . . . Nur wenige erinnerten sich damals . . . des Schullehrers Philipp Reis . . . der seit 1852 sich bemühte, musikalische Töne elektrisch zu übertragen. Den Apparat, den er benutzte und mit dem er am 26. Oktober 1861 seine Versuche dem Physikalischen Verein in Frankfurt a. M. vorgeführt hatte, nannte er Telephon . . . Am 14. Februar 1876 hatten gleichzeitig Alexander Graham Bell und Elisha Gray in Washington ein Patent auf den Fernsprecher, das Telephon, angemeldet. Im Mai 1877 waren die ersten Bellschen magnetelektrischen Telephonapparate nach der alten Welt gekommen; Beiträge z. Gesch. d. Technik 12 (1922) 55 1877 kam eine grosse Aufregung in das General-Postamt durch die über

128

Telephon

Amerika zu uns gelangte Erfindung des Telephons oder Fernsprechers, wie Stephan das Instrument sogleich nannte; Grosser 1926 Man 98 Der Besitzer ergriff den Hörer des Haustelephons und gab einen kurzen Befehl; 1928 Querschnitt 832 Dabei geht man viel zu wenig auf die Möglichkeiten des Telephons ein. Denn genau wie viele Dinge sich „per Telephon" nicht sagen lassen . . . genau so lassen sich gewisse Dinge viel besser durchs Telephon sagen, sind viel wirksamer durchs Telephon gesagt als direkt; 1928 Die Dame 2. Okt.h. 42 In den Mietpreisen sind nicht eingerechnet: die Telephongebühr (Pauschal) von 14 Mark im Monat und die Kosten der Instandsetzungsarbeiten; Wallenborn 1929 Westfront 26 Telefon- und Telegrafenleitungen; Voss. Ztg. 22. 11. 1929 Und als Rathenau 76 das Telefon aus Amerika brachte, konnte er es nur wie sauer Bier ausbieten; Hintz 1931 Gisela 163 macht schon Miene aus dem Zimmer zu gehen, als das Telefon klingelt; Neue Berl. Ztg. 5. 1. 1931 Die Neuaufstellung eines Telefonapparates kostet augenblicklich fünfzig Mark; Wohl 1932 Reporter 181 Es existiert nicht einmal eine Post hier — kein Telephon, kein Telegraph, nichts; Berl. Illustr. Nachtausg. 1. 6. 1932 Er mußte es schwarz auf weiß haben, auch ein Telefongespräch genügte ihm nicht; ebd. 15. 2. 1933 Ein Abgeordneter machte sich zum Anwalt der geplagten Fernsprechteilnehmer und erzählte dem Hohen Hause eine besonders anschauliche Geschichte über die Willkür der telephonzeitzähluhrverwaltenden Bürokratie; ebd. 28. 2. 1933 Die Arbeiten wurden dadurch gestört, daß sämtliche Telephonleitungen im Gebäude gestört waren; ebd. 3. 3. 1933 Die Telephonklingel ertönte. Er griff hastig nach dem Hörrohr; Lokal-Anz. 4. 3. 1933 Montag neue Telephonbücher. Und dazu das Branchen-Fernsprechbuch (Uberschr.); ebd. 25. 8. 1933 erklärte die Festgenommene, sie habe die Juwelen in einer Telefonzelle am Savignyplatz gefunden; ebd. 5. 6. 1934 er . . . bittet, für ihn doch eine Telephonverbindung in der Fernsprechzelle herzustellen; ebd. 27. 9. 1934 Die Reichspostverwaltung wird auch ferner darauf bedacht sein, den deutschen Fernsprechteilnehmern den Telephonverkehr mit dem Auslande so bequem wie möglich zu gestalten; ebd. 28. 12. 1934 als da plötzlich die Stimme ihrer Tochter am Telephonhörer sich meldete; Telegr. Praxis 13. 1. 1936 Telephon (Telefon) und seine Sippe (Uberschr.) Im Herbst 1877 führte der Amerikaner Graham Bell dem deutschen Generalpostmeister zwei seiner Telephone im Betriebe vor. Heinrich Stephan hat damals wohl in schöpferischer Voraussicht der bahnbrechenden Bedeutung des Telephons für das Verkehrsleben sogleich den amtlichen Namen „Fernsprecher" geprägt und

damit zugleich den eigentlichen Erfinder des Fernsprechers, den . . . deutschen Lehrer Philipp Reis geehrt. Wir in der D R P kennen daher seit Jahrzehnten nur einen Fernsprechbetrieb, den Fernsprechverkehr, das Fernsprechwesen, dazu die Fernsprechbeamtinnen . . . die amtlichen Fernsprechbücher. . . Fernsprechteilnehmer, die öffentlichen Fernsprecher und Fernsprechzellen . . . Trotz dieser klaren Namens- und Benennungslinie in der DRP hat sich die Öffentlichkeit, die uns zwar das Wort Fernruf für Sprechstelle in Briefköpfen geschenkt hat, auch die Fernsprechkundschaft noch nicht durchweg mit dem deutschen Wort Fernsprecher befreundet; schuld daran sind neben eigener Lässig- und Gedankenlosigkeit die Geschäftswelt und die Zeitungen. Noch immer werden von geschäftstüchtigen Leuten Telephonverstärker und Telefonsperren für Sprechstellen angepriesen . . . ja selbst in die amtliche Kartei hat sich eine Telephonzange verirrt, die man wirklich auch Fernsprech- oder Fernsprecherzange nennen könnte. Man hört allerhand Gründe für die „Ehrenrettung" des Wortes Telephon: Es gebe wirklich kein passendes deutsches Wort für telephonieren und telephonisch usw.; Heiden 1937 Rund um den Fernsprecher 9 Am 26. Oktober 1861 hielt im physikalischen Verein zu Frankfurt am Main der 27jährige Philipp Reis einen Vortrag über das „Telephon", wie er seinen Apparat nannte, bewusst oder unbewusst eine Bezeichnung wählend, die schon andere vor ihm für verschiedene einfache und nicht elektrisch wirkende Sprachübertragungs-Einrichtungen verwendet hatten; N. Z. Z. 26. 8. 1944 Zürichs sechsstellige Telephonnummern (Uberschr.) In der Nacht vom Samstag auf den Sonntag . . . werden im Telephonnetz Zürichs die bisher fünfstelligen Anrufnummern auf sechsstellige Ziffern umgestellt; Ehrler 1946 Charlotte 216 Damals [1895], vor der Wende des Säkulums, war das „Telephon" noch eine junge Erfindung gewesen . . . Man musste auf das Postamt gehen, um in die Ferne zu sprechen; NZ. (Basel) 20. 4. 1949 Im Vestibül konnte man bei einer dicken Dame an der altmodischen Telephonzentrale merkwürdige Postkarten kaufen; Süddtsch. Ztg. 9. 5. 1950 Ich kämpfte um den Telefonanschluß ein Jahr; ebd. 24. 6. 1953 Kleine Fische im Fernsprechnetz (Uberschr.) Jeder Mensch, der laufen, radeln oder autofahren kann, ist ein Verkehrsteilnehmer, aber nicht alle Menschen, die sprechen können, sind Fernsprechteilnehmer. Um sich als Fernsprechteilnehmer bezeichnen zu dürfen, bedarf man einer Fernsprechnummer und eines Fernsprechapparates . . . hat 1860 ein gewisser Herr aus Frankfurt am Main den ersten Fernsprechapparat konstruiert, und nun kommt die Stimme Deiner Tante, Deines Herrn

Telephon und Deines Hundes mühlos von Landshut oder Chicago direkt zu Dir. Dieses listige Kästchen war bei unseren Eltern noch unter dem Namen „Telephon" bekannt, später ersetzten dann fortschrittliche Menschen das „ph" durch ein solides „ f " , aber erst in den letzten Jahren geschah es, daß man aus dem unschönen Telephon den klangreichen deutschen „Fernsprechapparat" machte; ebd. 24. 6. 1960 Benützer der Münchner TelephonAutomaten haben die Erfahrung gemacht, daß Zehnpfennigstücke, welche die Jahreszahl 1876 tragen, regelmäßig im Apparat steckenbleiben; Stuttgarter Ztg. 26. 9. 1962 Der gute Draht. Das Telefon als letzte Zuflucht und als Mittel der Seelsorge (Überschr.) Eine unsichere Männerstimme sagt leise und schnell „Ich mache jetzt Schluß . . . " Und der Mann hätte es wohl getan — wenn dieser Anruf nicht gewesen, wenn ihm nicht diese Telefonnummer noch eingefallen wäre. Es war die Nummer der „Telefonseelsorge"; ebd. 12. 3. 1968 Telefonseelsorge verlangt Einfühlungsvermögen und Lebenserfahrung; ebd. 30. 3. 1968 Eine Million Telefone bestellt (Überschr.) Die Bundespost hat in diesem Jahr bei der Industrie eine Million Fernsprechapparate in Auftrag gegeben; FAZ 13. 12. 1968 Der Telefonboom hält an (Überschr.) Seit das Telefon zum Gebrauchsgegenstand wurde, klettern die Investitionsbeträge, die die Deutsche Bundespost alljährlich in das Fernmeldewesen stecken muß, in die Milliarden; ebd. 10. 3. 1971 So bleibt der Punkt „Telefongebührenerhöhung" der entscheidende Prüfstein dafür, wie sehr die Neufestsetzung der Postgebühren diesmal ökonomischen . . . Gesetzen folgt. Téléphonât: Liegnitzer Tagebl. 19. 8. 1913 Eine weit verbreitete Provinzzeitung brachte kürzlich die Neubildung „Téléphonât". Ich zweifle nicht, daß sämtliche „Lokalreporter" dieses so vornehm und gelehrt klingende Wort ihrem Sprachschatz einverleiben und bald auch von einem „Telegraphat" berichten werden. „Ferngespräch" und „Drahtbericht" sind doch zu ungebildet; Thiess 1923 Gesicht 52 Ist Ihnen nie der Gedanke gekommen, daß Ihr mächtiges „pulsierendes Leben", Ihre Millionenauflage, Telephonate, Recherchen, Leitartikel . . . ein groteskes, mitternächtliches Leben ohne Seele ist; Voss. Ztg. 18. 7. 1928 Weil die Aussagen der an dem Téléphonât beteiligten Beamten auseinandergehen, wird die letzte Klärung wohl erst vor dem Gericht erfolgen; ebd. 18. 9. 1929 eine Karte . . . mit der Anrede „Liebe Tante" . . . worin er um ein Téléphonât ersucht; 1930 Dame am Volant Februarh. Als Frau Gerda ihrem mißglückten Téléphonât ein so unwirsches Ende bereitet hatte, war ihr erster Gedanke: Rache!; Lokal-Anz. 23. 10. 1934 Der Mann war in

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heftigem Tempo angebraust gekommen und hatte ein Wort von „ungeheuer eiligem Téléphonât" in die Menge fallen lassen; Telegr. Praxis 13. 1. 1936 Téléphonât, das Wort der Diplomaten und Rechtsanwälte, das darum auch Zeitungen unbesehen übernehmen; Münch. N. N. 17. 12. 1939 Allerdings gab es in den Amtsstuben weder Schreibmaschinen noch Telephon. Zur Abwicklung der Telephonate mußten die Magistratsbeamten in die benachbarte Polizeihauptwache gehen und dort Schlange stehen; ebd. 24. 12. 1939 fand der Kaufmann auch schon ein Briefchen von „Frau Hauptmann" vor, die leider das Téléphonât absagen mußte; Dtsch. AZ. 15. 9. 1943 Hinzu kommt der weitläufige Korrespondenzdienst der Wirtschaft, der Organisationen, des Staates. Die Dezentralisation hat ihn gleichermaßen in die Breite wachsen lassen, und er konzentriert sich hier wie dort meistens auf den schnellsten und bequemsten Weg - das Téléphonât und das Telegramm; Süddtsch. Ztg. 29. 3. 1950 Ich habe wegen ihrer Sache eine Menge Telephonate geführt; Die Zeit 3. 9. 1976 Nach etlichen Telephonaten, persönlichen Vorstellungen und nachdem eine „Konfliktkommission" dreimal getagt hatte, kam sie schließlich an ihre erste Schule zurück. Telephonie: Sack 1878 Die Telephonie (Titel); Friedel 1882 Die deutsche Kaiserstadt Berlin 109 Das Fernsprechwesen — so übersetzt der vorerwähnte Gewährsmann in der Zeitschrift 'Der Bär' die Telephonie; 1895 Bayerns Grossindustrie I 37 Telephonie; Roscher 1899 Handel (System III 530f.) Die schöne Erfindung der Telephonie, von dem Deutschen Philipp Reis (1834—79) ersonnen, von dem Amerikaner Bell verbessert, zum ersten Male in New York und Philadelphia 1870 zur Ausführung gebracht, in Berlin 1881, hat in Deutschland eine sehr erfreuliche Entwicklung gewonnen; Naturwiss. Wochenschr. 18 (1903) 226 Ferntelephonie; Ramdohr 1903 Feldtelephonie (Titel); Ruhmer 1907 Drahtlose Telephonie (Titel); Prometheus 31 (1920) Beibl. 110 Telephonieversuche mit Luftschiff; 1927 Technik I 206 Es wäre wünschenswert, bei den automatischen oder automanuellen Telephoniesystemen eine Einrichtung zu treffen, die dem sprechenden Teilnehmer anzeigt, daß er noch von anderer Seite zum Gespräch gewünscht wird; Lokal-Anz. 29. 7. 1934 Größere Berliner Fabrik für drahtl. Télégraphié und Telephonie sucht Betriebsingenieur (Anzeige); ebd. 14. 10. 1934 Aus diesem Betrag wollte man eine Groß-Telephonie-Station für den Flugverkehr errichten, die nebenbei auch Unterhaltungsmusik senden sollte; Berl. Börsenztg. 21. 5. 1935 Zehn Jahre Zugtelefonie zwischen Berlin und Hamburg (Überschr.) Vor zehn Jahren . . . wurde der draht-

Teleskop

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lose Zugtelefondienst zwischen den beiden größten Städten Deutschlands . . . in Betrieb genommen; N. Z. Z. 22. 7. 1944 Die erste Telephoniesendung zwischen Amerika und Europa. Heute ist der Radioempfang aus Amerika eine alltägliche Angelegenheit jedes Radiohörers geworden, der im Besitz eines Zwergsupers ist. Die erste radiotelephonische Verständigung über den atlantischen Ozean war allerdings mit größten Schwierigkeiten verbunden; Offenburger Tagebl. 27. 10. 1961 als Philipp Reis im hessischen Frankfurt zum erstenmal Telefonieverkehr mit mehr oder weniger umfangreichen Apparaturen vorführte. telephonieren: Hansjakob 1879-1909 Jugendzeit I 112 telephonierte; Caspary 1902 Campbausen 452 sich telephonisch unterhält . . . telephoniert; Tovote 1903 Letzte Schritt 95 telephoniert; Presber 1912 Von Ihr 139 Oder vielmehr, du hattest „Dienstag" telephoniert; Wohl 1932 Reporter 37 Lill steht oben in der Tapetentür und fragt zum drittenmal, ob sie nicht doch telephonieren soll. — „Telephonieren? Unsinn. Wem? — Ach so, der Polizei."; Lokal-Anz. 10. 3. 1933 Balbo habe dann durch Vermittlung des „Conti di Savoia" nach Rom telephoniert und sich nach dem Befinden seiner Familie erkundigt; Telegr. Praxis 13. 1. 1936 Es gebe doch wirklich kein passendes deutsches Wort für telephonieren . . . Das Zeitwort fernsprechen . . . ist bei einigem guten Willen in fast allen Sprechbeziehungen unmißverständlich zu verwenden. Notfalls genügt sprechen . . . Man braucht sich nicht gleich in anrufen, anläuten, anklingeln zu flüchten; Süddtsch. Ztg. 7. 10. 1965 Wer telephoniert, hat — angeblich — mehr vom Leben. Er erspart sich viele Gänge. herumtelephonieren: Hurst 1927 Mannequin 144 herumtelephonieren; Der Berliner 27. 10. 1929 gewisse Erscheinungen, die auch heute noch in Berliner Cafes sitzen und mit den Augen herumtelephonieren". telephonisch: Nordau 1885 Paradoxe 90 telephonisch; Caspary 1902 Camphausen 452 sich . . . telephonisch unterhält . . . telephoniert; Grabein

Teleskop

N.

1911 tolle Hans 141 telephonisch; Hintz 1931 Gisela 39 Der telephonisch herbeigerufene Arzt bestätigt ihren Befund: Tod durch einen Schuß aus nächster Nähe — Selbstmord; Wohl 1932 Reporter 137 Ein halbes Dutzend telephonische Anrufe sind da — ein Verkehrsunglück — die neueste Wolffmeldung über die Erdbebenkatastrophe in Nikaragua; Dtsch. AZ. 14. 1. 1935 Zum erstenmal in der Geschichte der Prozeßführung wird in einem Gerichtsverfahren eine Zeugenaussage auf funktelephonischem Wege eingeholt werden . . . Der Hauptverteidiger Reilly wird von Flemington aus den Berliner Graphologen Hans Gropius in Berlin an den Fernsprecher rufen, um von ihm eine Aussage . . . zu erlangen; Telegr. Praxis 13. 1. 1936 Es gebe doch wirklich kein passendes deutsches Wort für . . . telephonisch . . . [aber] für telephonisch hat sich fernmündlich oder durch, am, mit Fernsprecher gut eingeführt und bewährt sich in jeder Hinsicht; Doderer 1962 Merowinger 97 telephonischer Anruf; Süddtsch. Ztg. 7. 9. 1963 Wenn man beispielsweise . . . dem Rechtsanwalt Dreher telephonisch etwas mitzuteilen hat, dann kann dabei nicht viel passieren. Telephonist(in): Kessa 1928 Musik 128 Telephonistin; Renn 1929 Krieg 155 Telephonisten; Baum 1929 Menschen 317 Nachttelephonist; Asch 1929 Firma 25 Telephonistinnen; Roth 1930 Panoptikum 52 Telephonisten in der Zentrale des Hotels; Lokal-Anz. 20. 1. 1933 Polizei und Feuerwehr, die durch die Telephonistin alarmiert worden waren; Süddtsch. Ztg. 7. 9. 1963 Aber offenbar müssen nicht nur Telephonistinnen, sondern auch Telephonanlagen wetterfühlig sein. Telephonitis: Münch. Illustr. Presse 1941 S. 1160 Wichtige Erfindung gegen die Telefonitis: HantelHörer, 30 Kilo schwer, Höchstdauer eines Gesprächs 1,5 Minuten; Süddtsch. Ztg. 7. 1. 1961 ein wirkungsvolles Rezept gegen die Telephonitis erfunden; Offenhurger Tagebl. 27. 10. 1961 Vom ersten Telefon zur Telefonitis (Uberschr.); FAZ 13. 12. 1968 Der Telefonboom hält an (Überschr.) Im nächsten Jahr wird die Post nicht weniger als 2,5 Milliarden DM . . . investieren, um der „Telefonitis" der Bundesbürger nachzukommen.

(-(e)s; -e), früher vereinzelt auch M .

1 7 . J h . e n t l e h n t aus g l e i c h b e d . g e l e h r t e n l a t . telescopium telescopio

u n d PI. - i e n , i m

späteren

( P o r t a , K e p l e r 1 6 1 3 ) , ital.

(Galilei 1 6 1 1 ) ( z u r ü c k g e h e n d a u f g r i e c h . TT]X.eoicÖJi:og ' w e i t s c h a u e n d ' , a u s

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zahlreichen

j ü n g e r e n , m e i s t f a c h s p r . in d e r T e c h n i k v e r w e n d e t e n B i l d u n g e n w i e —» T e l e g r a p h ,

Teleskop

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—» Telephon, —> Television, telegen, Teleobjektiv 'Objektiv für Fernaufnahmen', Telemeter 'Entfernungsmesser' und —» Telepathie, Telekinese, Telästhesie, und 0KOJ165 'Beobachter, Aufseher; Kundschafter, Späher', zu OKOJIEIV 'aus der Ferne auf ein bestimmtes Ziel hinsehen; betrachten'; vgl. Mikro-, Spektroskop), anfangs häufig in der lat. (flekt.) Form; a in der Bed. 'Fernrohr' zur Bezeichnung eines optischen Geräts zur Beobachtung (weit) entfernter Gegenstände mit Hilfe vergrößernder Linsen und/oder Spiegel (Spiegelteleskop), bes. in der Astronomie zur Beobachtung der Sterne, in neuerer Zeit gelegentlich bildlich verwendet; daneben seit Ende 19. J h . unter engl. Einfluß Teleskop- als Bestimmungswort in Zss. in der Bed. '(wie ein Teleskop mit ineinanderschiebbaren Teilen) ineinander-, auseinanderschiebbar' (Teleskopschiene, -prinzip). Dazu seit Mitte 18. J h . die adj. Ableitung teleskopisch (vgl. älteres frz. telescopique, engl, telescopic) 'zu einem Teleskop gehörig; sich des Teleskops bedienend' und 'mit dem Teleskop wahrgenommen; nur mit dem Teleskop wahrnehmbar', gelegentlich bildlich verwendet; seit späterem 19. J h . (gebucht 1871 bei Sanders) die seltene subst. Ableitung Teleskopie F. ( - ; ohne PI.) 'Vorgang, Kunst der Wahrnehmung weit entfernter Gegenstände (durch Benutzung eines Teleskops)'; gleichzeitig vereinzelt die unter Einfluß von gleichbed. engl, telescope aufgekommene verbale Ableitung teleskopieren 'etwas auseinander-, ineinanderschieben; die Länge von etwas durch Auseinander-, Ineinanderschieben seiner einzelnen Bestandteile verändern', vor allem im technischen Bereich, b Seit späterem 19. J h . ( S A N D E R S 1871) nachgewiesen als zoologische Bezeichnung für einen Goldfisch mit hervorstehenden Augen (Teleskopauge) und als astronomische Bezeichnung für ein Sternbild. Teleskop a: Hirsch 1662 Kirchers Musurgia 224 Was wir unserer Magia catoptrica, geheimen PerspectivKunst wunderbarliches vorgestellt haben / als da wir die gestalten der allerfernesten Sachen mit Hülf der Telescopien gleichsam gegenwirtig gestellt und sichtbar gemachet haben; Lebenwaldt 1680 Teufels List II 52 Perspectiv, Telescopia, Tubos, Optikos; Scbeuchzer 1711 Physica II 26 Die Luft ist in bestindiger zitterung . . . welches nicht gewahret wird durch Telescopia, oder Perspectiv vor die Gestirn; Sturm 1717 Mathesis 40 Besonders gehören hieher Microscopia oder VergrösserungsGläser, wie auch Telescopia oder Fern-Gläser . . . Wer bißheriges wohl gefasset, wird die Ursach und Beschaffenheit derer Microscopiorum und Telescopiorum, warum sie so groß vorstellen . . . verstehen . . . Es kan aber in den Telescopiis nicht einfältiger gezeiget werden; 1738 Hamburg. Berichte 713 von den Spiegeln und Telescopiis; ebd. 861 mit dem Telescopio; 1765 Allg. dtsch. Bibliothek I 1, 66 Das Wesentliche der Branderischen Vorrichtung besteht darinnen, daß das Teleskop längst dem Durchmesser eines verticalstehenden halben Kreises befestigt ist, der sich durch eine Schraube in der Verticalfläche drehen last, dadurch das Teleskop auf jede gegebne Höhe sehr scharf kann gestellt werden; 1769 D. Bibl. (Klotz) III 44 Hundert sehen durch das Teleskop, und entdecken

neue Flecken im Mond; 1772 Frankf. gel. Anz. 17 Uns sollte es leid thun, wann im Jahr 2440 der Mensch noch Teleskope und Mikroskope nöthig haben sollte, um den Schöpfer zu lieben und zu bewundern, und wann er die Natur, die vor ihm liegt, mit eignen Augen nicht wohlfeiler, besser, und mehr sehen lernte; Nicolai 1774 Noth. I 117 Doch hat mich die Erfahrung so viel gelehret, daß Brillen stärker abgehen, als Teleskopien, zumal in meinem Lande, wo viele Leute ein blödes Gesicht haben, und sich kein Mensch auf die Astronomie legt; ders. 1779 Berlin 611 worunter eine große Kamera obscura, ein großes Newtonisches Teleskop, Mikroskope, Perspective von verschiedener Größe und mehreren Gläsern; Gotting. Magazin d. Wiss. 6(1783) 639 newtonische Spiegelteleskope; Goethe 1796 Br. a. d. Schweiz (19) 239 Wir blieben und reizten einander wechselweise, Städte, Berge und Gegenden, bald mit bloßem Auge, bald mit dem Teleskop, zu entdecken; ders. 1799 Tagebücher (II 257) Den Mond durch ein Auchisches Telescop betrachtet; Herder 1802 Adrastea III (XXIII 523) Die verschiedne Brechbarkeit der Lichtstralen bei dioptrischen Werkzeugen, und die daher entspringende Verwirrung der Gegenstände . . . führte . . . Newton . . . zu dem Werkzeuge, das jetzt so berühmt geworden ist, zu seinem Spiegel-Teleskop oder Reflector . . . Durch die

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Television

succeßive Vervollkommnung dieser Instrumente, ist man gegen Ende des Jahrhunderts zu den Herschelschen Teleskopen gelangt, die sterblichen Augen nicht nur unzählige Sterne und Sonnen sondern, man darf sagen, das unermeßbare Weltall selbst spiegelnd darstellen; Matthisson 1803 Paris (VI 55) Sehr deutlich sähe ich durch das Teleskop, mit welcher Präcision und Schnelligkeit der vier Stunden weit entfernte nächste Telegraph die Figuren des hiesigen wiederholte; Schopenhauer 1803 -04 Reisetagebücher 58 Er [Herschel] zeigte uns seine Teleskope, die von ungeheuerer Größe, und auf proportionirten, das ist häuserhohen, Gerüsten, in seinem Garten aufgestellt sind; Schiller vor 1805 (XVIII 29) Einen Trabanten des Jupiter auszuspähen, den der Teleskop dem Astronomen entdeckt (KEHREIN); Ratschky 1805 Neuere Ged. 79 Der Pflastertreter bunter Klub Mög' auf dem Graben stehen, Und lüstern mit dem Teleskop Nach feilen Dirnen sehen; Jacobi 1815 (II 27) Was das bewaffnete Auge durchs Teleskop (etwa am Monde) oder durchs Mikroskop (an Infusionsthierchen) entdeckt; 1823 Eidora 81 mit einem zwanzigfüssigen HerschelTeleskop; Fontane 1854 Sommer (II, IV 20) O b die Statue gut ist oder schlecht, mag ein Anderer entscheiden als ich; auf eine Entfernung von 170 Fuß bescheidet sich mein Auge jeder Kritik und überläßt es den Teleskopen, Nachforschungen anzustellen; Schollmeyer 1896 Licht 60 Teleskop oder Fernrohr; Keyserling 1906 Gefüge 11 Das Mikroskop . . . wandelt sich . . . zum Teleskope; Friedeil 1931 Kulturgesch. III 490 Man erkennt ihren [der großen Dramatiker] wahren Wert darin, daß sie die stärksten, schärfsten und reinsten Spiegel ihrer Zeit waren, eine Art Riesenteleskope, durch die man in die Vergangenheit blicken kann; Wolfskehl 1940 Jahre 62 Es ist, als hab er [Nostradamus] mit einem Zeit-Teleskop in die Ferne geschaut, Umrissenes, ja einzelne Punkte aufgefasst, festgehalten, registriert; Rosenstock-Huessy 1955 Mensch (Übers.) 92 Das Teleskop der Jahr-

hunderte und das Mikroskop der Stunden und Sekunden bilden Extreme; Offenburger Tagebl. 14. 8. 1971 3,5-m-Spiegelteleskop in Auftrag . . . Es ist so leistungsfähig, daß man damit . . . „bis zum Anfang unserer Welt schauen" könnte; Rhein-Neckar-Ztg. 5. 3. 1979 Ein Teil der Oberfläche des Planeten Jupiter . . . aufgenommen von der US-Raumsonde Voyager I. Nie wurden bisher, auch nicht mit den besten Teleskopen, solche Bilder von der berauschenden Struktur dieses Himmelskörpers gemacht. Teleskop-: Jahrbücher f . dtsch. Armee 109 (1898) 345 Man nennt diese Konstruktion Teleskop- oder Stauchlaffete. Die Laffetenwände sind durch zwei ineinandergesteckte Röhren ersetzt, von denen die vorderen beim Rücklauf über die hinteren hinweggleiten. teleskopieren: Schlagintweit I882amerikan. bahneinrichtungen 53 teleskopieren.

Eisen-

teleskopisch: Bodmer 1752 Noah 79 durch optische Parallaxen wüßt er aus Luftcrystall telescopische Gläser zu schleifen, Welche die kleinsten Thiere der Schöpfung in Riesen'verwandeln; Heine 1827 Nordsee III 105 es ist mir dann auch, als seien meine Augen so teleskopisch scharf gewesen, daß ich die Sterne in Lebensgröße am Himmel wandeln gesehen; Goethe 1827—42 (W. LIV 45) Den Werth seiner teleskopischen Erfindung (KEHREIN); Humboldt 1845-50 Kosmos 186 Die Erfindung des teleskopischen Sehens (KEHREIN); Dtsch. Rundschau 2 (1875) 327 auch dem nicht in die diplomatischen Geheimnisse Eingeweihten einen Begriff von dem Unterschiede zu geben, welcher zwischen der mikroskopischen Beobachtung des Gesandten in fremden Regierungscentren und jener teleskopischen Beobachtung besteht, welche der Leiter der auswärtigen Politik im Mittelpunkte des heimischen politischen Lebens durchzuführen hat.

Television F. (-; ohne PI.), im früheren 20. Jh. entlehnt aus gleichbed. engl. television (aus tele-, zurückgehend auf griech. xfj^E, —» Teleskop, und vision 'Sehen (von etwas nicht Anwesendem, nicht unmittelbar Sichtbarem), Fähigkeit des Sehens' < altfrz. vision 'Sehen' < gleichbed. lat. visio, zu videre 'sehen'), abgekürzt TV; neben weitaus üblicherem „Fernsehen" als Bezeichnung für das auf dem physikalischen Phänomen der elektrischen Fernübertragung von (beweglichen, mit Ton unterlegten) Bildern beruhende Massenmedium mit Informations- und Unterhaltungsprogramm, auch für die Fernsehanstalten und deren Programm, in jüngster Zeit häufig verkürzt zu Tele, vor allem in Zss. wie Telekommentar, -studio und bes. Telekolleg 'allgemein oder fachspezifisch weiterbildende Sendereihe mehrerer

Television

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deutscher Fernsehanstalten'; vgl. das wohl unter Einfluß von gleichbed. engl. telegenic in Analogie zu photogen gebildete Adj. telegen (aus tele- und -gen, zurückgehend auf griech.' -yevrig 'erzeugt, entstanden; -artig', zu y^vog 'Geschlecht, Stamm; Gattung', Yiyveoöai' (geboren) werden; entstehen, geschehen') in der Bed. 'für das Auftreten im Fernsehen, für das Erscheinen auf dem Bildschirm bes. geeignet, fernseh wirksam; bildschirmgewandt, -attraktiv'; dazu in jüngster Zeit die Gelegenheitsableitungen televisionär 'Fernseh-' und vertelevisionieren 'in einer Fernsehsendung darstellen'. Television: 1932/33 Schweizer. Rundschau XXXII 2, 644 Radio und Television; Süddtsch. Ztg. 29. 3. 1950 Wir geben nachstehend einen Uberblick über die rasche Entwicklung der „Television" in den USA . . . Die Entwicklungskurve ist viel rascher in die Höhe gegangen, als dies seinerzeit beim Rundfunk der Fall war. Während man im Jahre 1947 200000 Fernsehgeräte verkaufte, stieg diese Zahl 1948 bereits auf eine Millioh; NZ. (Basel) 30. 3. 1950 Was Schweden betrifft, so ist man gegenwärtig dabei, die technischen Voraussetzungen für die Einführung der Television zu prüfen, zu welchem Zwecke ein sogenanntes „Televisionsamt" ins Leben gerufen wurde. Es wird wahrscheinlich noch geraume Zeit dauern, bis man so weit sein wird, die Televisionspläne in die Praxis umzusetzen; Münch. Abendztg. 5. 1. 1951 „Television" ist der letzte Schrei. Massenhaft werden die Fernsehapparate fürs Eigenheim auf den Markt gebracht; Süddtsch. Ztg. 7. 7. 1951 der Siegeszug des Kugelschreibers und der Television; ebd. 10. 3. 1953 Seit 1949 hat der New Yorker Rundfunk sechzehn Opern über sein Fernsehnetz ins amerikanische Wohnzimmer gestrahlt. Gian-Carlo Menottis „Amahl und die nächtlichen Besucher" war dabei das erste für Television komponierte Werk. Nun wurde als zweites TV-Opernwerk Bohuslav Martinus . . . Lustspieloper „Die Heirat" . . . uraufgeführt; ebd. 31. 8. 1953 Wir sind endgültig in das Zeitalter der Television eingetreten . . . Zahllose Firmen sind mit einer schier unübersehbaren Fülle von Fernsehempfängern aufgekreuzt; Frisch 1957 Homo faber 78 Blick auf einen Boxkampf in Television (WDG); Stuttgarter Ztg. 3. 4. 1958 die aggressive Satire auf den Television-Reklamerummel in den USA; ebd. 7. 8. 1962 Im Gegensatz zu den hilfsbereiten bolivianischen Offizieren hatten die peruanischen nicht das geringste Verständnis für die „ausländische Television". General . . . verweigerte uns die Erlaubnis, die „KolonisationsArbeit" des Heeres zu filmen; ebd. 1. 7. 1969 Je kleiner die Stadt, desto notwendiger wird die Television — [als Werbeträger] fürs Buch; Die Zeit 31. 3. 1978 Dies scheiterte am ideologischen Widerstand der Rundfunk-Fernseh-Film-Union

(RFFU), der Gewerkschaft der TV-Mitarbeiter; ebd. 19. 1. 1979 Vor zehn oder gar zwanzig Jahren war die Zahl der TV-Präzeptoren erheblich geringer. Tele(-): Süddtsch. Ztg. 30. 7. 1956 Der Leser findet heute auf der dritten Seite unserer Ausgabe einen Bericht über den jüngsten Einfall amerikanischer Fernseh-Manager . . . Die Tele-Vision des Schmerzes sieht so aus; ebd. 24. 3. 1958 Seit einem halben Jahr bringe das DDR-Fernsehen aus dem „TeleStudio-West" spezielle Sendungen für Westdeutschland; Tat (Zürich) 12. 11. 1959 Telekommentar (Überschr.); Stuttgarter Ztg. 8. 6. 1960 TeleAmouren (Überschr.) Der Nachrichtensprecher im österreichischen Fernsehen . . . erhielt von einer unbekannten Frau einen Liebesbrief; Süddtsch. Ztg. 11. 11.1960 Nur ein dreiviertel Jahr Lebensdauer war der Fernsehzeitschrift Tele beschieden; Offenburger Tagebl. 15. 9. 1961 Einige FDJ-Pimpfe sind auf die Idee gekommen, alle jene, deren Antennen nicht „in Richtung Sozialismus" zeigen, mit einer Schmähfigur zu brandmarken. Die Figur, „teleconny" genannt, kleben sie auf Türen und Häuser; ebd. 10. 1. 1967 Nach Osten hin wird das Bild von dem zwischen Marienkirche und dem Rathaus emporwachsenden Fernsehturm geprägt. Der Betonstumpf, den die Ostpresse „Telespargel" nennt, hat bereits eine Höhe von 180 Metern erreicht; ebd. Mit 8000 festen Hörern hat der Bayerische Rundfunk in seinem dritten Fernsehprogramm das erste deutsche „Telekolleg" eröffnet; Süddtsch. Ztg. 25. 2. 1967 Durch die Teilnahme am Telekolleg des Bayerischen Fernsehens können sie [Weiterbildungshungrige] in zweieinhalb Jahren die Fachschulreife erlangen. Welche Erfahrungen wurden mit der neuartigen Fernsehschule in den ersten sechs Wochen gemacht?; Stuttgarter Ztg. 17. 2. 1969 Nicht einmal 60 Prozent der Fernsehapparatebesitzer im Bereich des Südwestfunks werden am 8. April das Telekolleg empfangen können; ebd. 28. 2. 1969 Rund 100000 Anfragen von Interessierten am Telekolleg . . . sind bisher beim Südwestfunk in Baden-Baden eingegangen. 16000 Personen haben sich für das Fernsehkolleg angemeldet; ebd.

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Telex

1. 7. 1969 Den Neigungen und Fähigkeiten des Kanzlers kam der Tele-Dialog aufs beste entgegen; Offenburger Tagebl. 28. 8.1969 Das zweite Trimester des Telekollegs, das täglich von 18.30 Uhr bis 19.30 Uhr . . . ausgestrahlt wird; Stuttgarter Ztg. 4. 10. 1969 Televoyeur (Oberschr.) Was das Fernsehen alles kann, hat es erst in der Wahlnacht wieder bewiesen . . . Da betätigte es sich nämlich als Voyeur, als Schlüsselloch- oder Astlochgucker; Offenburger Tagebl. 4. 4. 1970 Tele-Evangelisation 1970 größtes kirchliches Ereignis des Jahres (Uberschr.); ebd. 23. 4. 1971 1900 „Telekollegiaten" vor der Abschlußprüfung (Uberschr.); Stuttgarter Nachrichten 3. 7. 1971 Teleauge wacht über Kunden (Uberschr.) Außerdem werden die Kunden über ein Fernsehauge beobachtet; ebd. 17. 12. 1971 Teletips (Uberschr.) Für Eltern, Jugendliche und Berufstätige will die neue ZDF-Sendereihe „Teletips für Zeitgenossen" ein praktischer Ratgeber sein; Die Zeit 23. 3. 1979 Dann projizieren die Fernsehkameras das Gesicht der enttäuschten Läuferin millionenfach in die guten Stuben der bequem sitzenden Telefans.

„telegen" ein entsprechendes Hauptwort fehlt; ebd. 28. 5. 1963 Wie schwer es ist, Musik telegen zu präsentieren . . . O b man etwa die Sänger selbst vor die Kamera stellt . . . oder ob man sie im Bild durch besser aussehende Schauspieler ersetzt; Offenburger Tagebl. 6. 3. 1964 Bleibt . . . nur der Weg . . . Erhard so spannend und telegen zu verkaufen, daß er mit Quizmastern und Kriminalmuseum konkurrieren kann; FAZ 26. 3. 1964 die „Attraktivität" eines einzigen, telegenen, gut polierten „Paradepferdes"; N. Z. Z. 28. 3. 1971 Wie telegen ist Politik? (Uberschr.) Die gegenwärtige Aufregung rund um die Wachstumskrise des Schweizer Fernsehens liegt vor allem in der Gewißheit begründet, daß der Bildschirm ein gewaltiges Potential politischer Macht verkörpere, wobei diese Gewißheit mit der zumindest ebenso großen Unsicherheit darüber gepaart ist, wie denn nun dieses Potential wohl am besten in den Dienst des viel und gern zitierten Gemeinwohls gestellt werde; FAZ 11. 10. 1971 Nicht nur alle telegenen Reklameflächen waren an zahlungskräftige Firmen aus Westdeutschland . . . abgegeben.

telegen: Süddtsch. Ztg. 22. 6. 1955 Wenn dieser Superlativ gestattet ist — das „Telegenste", was ich in letzter Zeit sah, war der Schauspieler und Autor Peter Ustinow . . . O b jemand fernsehgeeignet — sprich telegen — ist, läßt sich nicht vor dem Spiegel, sondern nur vor dem Fernsehapparat feststellen; ebd. 5. 7. 1955 Kürzlich mußte ich in dieser Spalte bekennen, daß mir für den Begriff

televisionär: Stuttgarter Ztg. 30. 4. 1969 Aber auch als auflagenstarker Schriftsteller konnte Walser nie ganz der Faszination des televisionären Mediums entfliehen. vertelevisionieren: NZ. (Basel) 14. 4. 1950 So hat kürzlich eine weltberühmte Firma den armen van Gogh „vertelevisioniert".

Telex N. indeklinabel, in jüngster Zeit aus dem Engl, übernommenes, international verwendetes Kurzwort für engl, teleprinter exchange als Bezeichnung für den Fernschreibteilnehmerverkehr über direkte Anschlüsse an das vollautomatische Fernschreibnetz, auch für das Fernschreibteilnehmernetz, den Fernschreibteilnehmerdienst und in den Bed. 'Fernschreibanschluß, -gerät' und 'Fernschreiben', häufig im Syntagma per Telex; dazu gleichzeitig nachgewiesenes Telexogramm N. (-s; -e) (zurückgehend auf Telex und yO^R 1 0 ; ~~* Telegramm) 'per Telex vermitteltes Fernschreiben, Telegramm' und die vereinzelt belegte subst. Ableitung Telexistin F. (-; -nen) als Berufsbezeichnung für die Person, die die Verbindungen zwischen den Telex-Teilnehmern herstellt. Telex: Süddtsch. Ztg. 14. 3. 1961 [sie] hatten einen perfekten Informationsdienst aufgebaut und daß selbst am turbulenten Schlußtag die Telephonistinnen und Telex-Fachleute ihre typisch schweizerische Ruhe behielten, hat seinen besonderen Grund: es waren vielfach . . . geübte Kräfte, die wußten, daß es den meisten Zeitungen nach Ende der Abendspiele auf minutenschnelle Verbindungen ankam; Stuttgarter Ztg. 30. 10. 1967 Am

1. November wird der Telexverkehr mit Kuba aufgenommen und über Leitungen Paris—Havanna abgewickelt. Die Verbindungen sind bei der TelexVermittlungsstelle Frankfurt am Main unter der Rufnummer 0 4 0 2 5 anzumelden; Offenburger Tagebl. 12. 12. 1970 Erhöht werden auch Gebühren im Paket-, Telex- und im Postzeitungsdienst. So wird die Grundgebühr für einen Fernschreibanschluß von 30 auf 50 Mark angehoben; Süddtsch.

Temperament Ztg. 4. 9. 1963 Die Nachfrage nach Leistungen des Telexdienstes führte sowohl im Inlandsverkehr als auch im Verkehr mit dem Ausland zu weiter steigendem Verkehrsanfall. Ende Mai bestanden 45859 Telexanschlüsse.

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Telexistin: N. Z. Z. 28. 3. 1971 Amerikanische Brokerfirma auf dem Platze Zürich sucht per sofort . . . Telexistin wenn möglich mit P T T Ausbildung oder sonstiger praktischer Erfahrung (Anzeige).

Temperament N. (-(e)s; -e), PI. früher auch -(en), im früheren 16. Jh. entlehnt aus lat. temperamentum 'das richtige Verhältnis gemischter Dinge, gehörige Mischung; das rechte Maß in einer Sache, Mittelweg, Mäßigung' (zu temperare, —> temperieren; vgl. —» Temperatur), früher gelegentlich in der lat. (flekt.) Form; a zunächst in der veralteten Bed. '(Ver-)Mischung im richtigen Verhältnis; richtiges Maß', selten auch 'Mittelmaß; Mittelweg, Vermittlung, Ausgleich, (gütlicher) Vergleich'; b dann speziell in der Bed. 'Mischungsverhältnis der menschlichen Körpersäfte (Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle)' (Temperamentenlehre), meist in den Syntagmen sanguinisches, phlegmatisches, cholerisches, melancholisches Temperament; von daher für 'Gemüts-, Gefühlsanlage, -Stimmung, Wesens-, Gemütsart; Naturell, Charakter', selten auch 'körperliche Verfassung, Gesundheit' und '(Hang, Anlage zur) Sinnlichkeit'; dann zunehmend, nur sing, verwendet, in der heute dominanten Bed. 'Leidenschaft, (Gemüts-)Erregbarkeit; Lebhaftigkeit, Munterkeit; Schwung, Feuer' (Temperamentsausbruch), häufig in Syntagmen wie Temperament haben 'lebhaft veranlagt sein', sich von seinem Temperament hinreißen lassen 'sich nicht beherrschen, zurückhalten (können)', sein Temperament ist mit ihm durchgegangen 'er hat die Beherrschung verloren'; dazu im 20. Jh. die adj. Ableitungen temperamentvoll 'lebhaft, schwungvoll, feurig, spritzig' und temperamentlos 'schwunglos, träge, lahm' mit dazugehörigem Temperamentlosigkeit F. (-; ohne PL). Temperament a: Brunfels 1532 Kreüterbuch Vorr. C 4" der complexion, temperamenten, vnd qualiteten [der Kräuter] So merck, das fyer zufälliger ding seind die ein yede substantz eines gewächss an ir hat, auch die thyer, welche die dialectici nennen qualitates, als da seind kalt, warm, feücht, vnd trucken; Rot 1571 Dictionarius 355 Temperament, Maß/mittelmessig/rechte ordentliche messigkeit/ Vermischung in rechter maß/als wenn man ein eyßkalts in gleicher maß siedents wasser geust / oder gar ein saurs ding in ein gar susses/wirt eygentlich ein temperament geheissen; Schuppius vor 1661 (702) der sommer ist lustig, aber ohne temperament der element vergifft ( D W B ) ; Leibniz vor 1716 (I 251) so wäre dieses . . . in casu necessitatis vielleicht das beste temperament ( D W B ) ; ebd. 392 hoffe dieses . . . werde genug sein, meine gedanken also zu erkennen zu geben, dasz sie vielleicht zu einem vergleich oder temperament dienen könnten ( D W B ) . Temperament b: Thurneysser 1583 Onomasticum 72 der gros Alexander/der ein trefflichs herrlichs Temperament sol gehabt haben; Widmann 1599

Faust 109 des menschen eigenschaften, temperament und inclinationen ( D W B ) ; Aviano 1635 Geburtsstunde o. S. Sondern allein die Vergleichung beyder Geburtsstunden . . . halte ich vor das beste / sicherste / geschwindeste / vnd gewisseste Mittel der Gleichheit des temperaments, der Sitten / Sinnes vnd Willens zu erkennen; Schmidt 1656 Wundarznei 4 damit man nicht allein die Natur vnd Temperament deß Menschen (so von den Griechen die kleine Welt genennet wird) eigentlich lerne und erfahre; Harsdörffer 1657 Trincir Buch 340f. daß man einem jeden Kind / mit zuwachsenden Jahren / eine diaetam stellen soll / und ihm sagen / was seinem temperamente nützlich und nachtheilig; Böckler 1665 Schola militaris 893 so folget daraus / daß die Schecken viel eines bessern temperaments und eygenschafft seynd / als die andern Pferde; Elis. Charl. 1694 Br. (LV LXXXVII1 28) dass unser temperament undt nach dem die homores disponirt sein; Nehring 1694 Manuale 1169 die physici und medici pflegen vier so genannte temperamente und complexiones zu zehlen: die sanguinische, cholerische, phlegmatische und melancholische ( H E Y N E ) ; Musig

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Temperament

1718 Licht d. Weisheit II 82 Die Temperament oder die unterschiedene Naturellen der Menschen werden von sehr vielen nicht recht . . . betrachtet; ebd. II 85 [die] vier Haupt-temperamenta; ebd. II 193 Zeichen eines phlegmatischen Temperaments; Elis. Chart. 1721 Br. VI 141 Am gutten temperament fehlt mirs nicht; Bodmer 1741 Crit. Betrachtungen 20 wollüstigem Temperament; Haller 1745—77 Tageb. 77 er [der Physiologe Göschwiz] läse von den temperamenten, aber nichts als bekannte Sachen, mit einigen possen (DWB); 1748 Vergnügte Abendstunden I 199 dass nicht die Gleichheit, sondern die Ungleichheit der Temperamente das feste Band der Freundschaft mache; J. E. Schlegel vor 1749 Ästhet, u. Dramaturg. Sehr. 217, 27 ein anderer [Schauspieler], der etwas feiner sein will, wird beständig mit den vier temperamenten zu thun haben (DWB); 1755 Br. über Gelegenheiten 18 Dank . . . Ihrem geschickten Arzte und ihrem guten Temperament; Meier 1755 — 59 Metaphysik j 722 Insoferne nun ein jeder Mensch, zu einer gewissen Art der Gegenstände unserer Begehrungsvermögen geneigt ist, insoferne nennt man die Gemüthsart das Temperament der Seele, oder die Mischung der Gemüthsneigungen; Justi 1769 Erzeugg. d. Menschen 24 die Temperamente der Eheleute, ihr Feuer oder Kaltsinnigkeit in dem Liebeswerk; Kinderling 1771 Grundsätze I 247ff. natürliches Temperament, angenommenes Temperament; Hölty 1770-71 (I 286) Es ist kein Wunder, wenn in so ausgelassenen Zeiten, ein Mann von einem so warmen Temperament, als Rochester, den . . . schmeichelhaften Lockungen nicht widerstehen kann; Heinse 1772 Br. (IX 78) wenn nicht . . . mein zu glückliches Temperament über Krankheit und Tod triumphiert hätte; Wieland 1773 Agathon (III 185) Temperamentsfehler seines Volkes; Kindleben ¡779 Schluterius 39 sogenannte Temperamenstugenden; Schiller 1784 Kabale II 3 (W. III 399) es ist temperament, hang zum vergnügen (DWB); Weber 1790 Männerschwur (I 153) ich will wie ein Teufel, der ganzen Schaar der Guten, gut durch Temperament und Umständen, nicht nach Gründen und Vorsatz, ewige Fehde ankündigen; Thümmel 1794 Reise III 102 wie wünsche ich ihnen glück zu der ruhe ihres temperaments! (DWB); Schiller 1822-26 (S. W. XVI195) so ungleich sich auch die Päpste in Temperament, Denkart und Fähigkeit sein mochten, so standhaft, so gleichförmig, so unveränderlich war ihre Politik (KEHREIN); Goethe 1827-42 (W. XV 13) Ich bin eines hitzigen Temperaments; ebd. XXII 75 Wie es ihm sein leichtes Temperament vorgespiegelt hatte; ebd. XXXIX 144 Jedes Alter, jedes Temperament wird in seiner Eigenthümlichkeit vorgeführt (alle K E H R E I N ) ; vor 1831 Klinger XII 194 tempera-

menstugenden, die sich nur dann zeigen, wenn sie von außen her berührt oder erschüttert werden (DWB); Wackernagel 1869 Ged. 117 nun rechnet welchem temperament der wein gehört: nicht kalt und trocken, trocken ist er nicht und heisz, nein, heisz und feucht wie himmelsluft und menschenblut, leicht flüssig, wärmend, fröhlich, alles lebens quell (DWB); Lindau 1887 Mädchen I 76 Wie sich ein junges Mädchen zu einem jungen Manne stellt . . . ist doch immer mehr oder weniger Temperamentssache; Waetzoldt 1905 Kunstwerk 29 die . . . einseitige Zolasche Definition der Kunst, die nach ihm „ein Stück Natur gesehen durch ein Temperament" ist. Temperament, worauf bei Zola der Ton liegt, deckt sich mit dem, was wir als „Disposition" des Künstlers bezeichnen; Lissauer 1919 Aufs. (I 13) denkbar nur im Munde eines temperierten Temperamentes; Werfet 1929 Abituriententag 124f. Ich erhitzte mein Temperament künstlich; Colerus 1929 Kaufherr 385 „Jetzt erzählen Sie mir, was Sie vorhatten, mir mitzuteilen. Ich werde mich beherrschen." . . . Inez war unter dem Eindruck seines Temperaments kühler geworden; Warburg 1932 Sehr. I 229 Temperamentsventil; Berl. Illustr. Nachtausg. 21. 8. 1933 die Menschen, die als temperamentlos bezeichnet werden und die eine schwere Erregbarkeit des Willens als Temperamentskonstante haben; Münch. N. N. 1.3. 1943 daß Polen mit seinen Temperamentsausbrüchen nichts zu gewinnen habe; Ostdtsch. Wiss. 7 (1960) 21 Temperamentenlehre der alten Medizin; Die Zeit 10. 2. 1978 Offenbar ist es Carter und seinen Spitzendiplomaten gelungen, Sadats außenpolitisches Temperament zu zügeln, ohne den Ägypter zu verletzen; Mannh. Morgen 30. 3. 1978 Voller Temperament: Schlagerstar Wencke Myhre (Oberschr.) einen Bogen von ihrem privaten Leben zur turbulenten Show-Welt, in der sie sich gleichermaßen mit vehementem Temperament zu Hause fühlt. temperamentvoll: Lee 1931 Zundler 108 Gelegenheit zu einer langen temperamentvollen Rede; Halbe 1933 Scholle 73 eine höchst temperamentvolle Frau; Busse 1934 Leute 197 in seinen temperamentvollen Ausbrüchen; Lippl 1944 Schloss 104 um nur temperamentvolle Ungereimtheiten zu sagen; FAZ 26. 5. 1962 Akademiker . . . sucht gleichgesinnte, temperamentvolle, sehr gut aussehende Dame zwecks Ehe kennenzulernen (Anzeige); Stuttgarter Ztg. 4. 2. 1963 Opel Kadett. . . temperamentvoll: 40 PS, hervorragende Beschleunigung, 120 km/h; FAZ 30. 9. 1967 Temperamentvoller Widdertyp (Anzeige); ebd. 7. 3. 1970 Ich suche eine vollschlanke, temperamentvolle Vierzigerin (Anzeige); ebd. 5. 9. 1970 gehört zu den temperamentvollsten Kritikern falsch verwendeter Entwicklungsgelder.

Temperatur

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temperamentlos: Berl. Illustr. Nachtausg. 21. 8. I bezeichnet werden und die eine schwere Erregbar1933 die Menschen, die als temperamentlos | keit des Willens als Temperamentskonstante haben.

Temperatur F. (-; -en), im 15. J h . vereinzelt, seit früherem 16. J h . kontinuierlich nachgewiesene Entlehnung aus lat. temperatura 'gehörige Mischung, Beschaffenheit' (zu temperare, —* temperieren); l a anfangs in der Bed. '(gehörige) Mischung, Vermischung; Mäßigung, Milderung' (vgl. —» Temperament a), vereinzelt auch auf das menschliche Gemüt bezogen (vgl. —> Temperament b); b von daher seit früherem 16. Jh. zunehmend präzisiert auf die heute zentrale Bed. '(in Graden meßbarer) Wärmezustand; Maß für Wärme oder Kälte ihrem Grad nach' von Gasen, bes. Luft, Flüssigkeiten, festen Körpern, auch bildlich verwendet; in der Medizin, ohne PI., auch für 'erhöhter Wärmezustand eines Körpers, leichtes Fieber', bes. im Syntagma (erhöhte) Temperatur haben; häufig als Grund- und Bestimmungswort in Zss. wie Außen-, Zimmer-, Boden-, Tages(-höchst-)-, Körpertemperatur; temperaturbeständig; Temperaturschwankung, -stürz und Temperaturskala 'nach Celsius/Fahrenheit festgelegtes System von Maßeinheiten für Luft-, Wassertemperatur' und in Syntagmen wie die Temperatur messen, regeln, steigende, fallende Temperatur(-en). 2 Seit späterem 18. J h . fachspr. in der Musik nachgewiesen für 'Einteilung der Oktave in zwölf gleichgroße Halbtöne; temperierte Stimmung', —» temperieren 2. Temperatur la: nach 1450 Magister Bartkolomei Practica 224 die temperatür darein giessen ( L E X E R ) ; Scheidt 1551 Grob. 1778 wann man vil weins zusamen thut, so macht nur einr den andern gut und gwint ein recht temperatür (DWB); Lavater 1775 Phys. II 8, 73 eine gleiche temperatür von empfänglichkeit und würksamkeit, von leidsamkeit und wiederstand (DWB); Schiller 1822-26 (S. W. XVIII 30) Eben so kann die Anspannung einzelner Geisteskräfte zwar außerordentliche, aber nur die gleichförmige Temperatur derselben glückliche und vollkommene Menschen erzeugen ( K E H R E I N ) ; Matthisson 1825 Sehr. V 5 die temperatür seines gemüths war . . . vollkommen gleichförmig (DWB). Temperatur lb: Paracelsus 1536 Wundartzney o. S. So die wunden durch raynigung haylen / vnd halten die wunden sauber / vnd inn jrer temperaturi; Pictorius 1560 Badenfarthiichlein 39" Wenn die bäder in rechtes mittelmessiger temperatür sind; Bapst 1596 Arzneibuch L 5" als er die Lufft von dem Katzen-Athem an sich gezogen / ward ihm die temperatür . . . daß er anfing zu schwitzen; ebd. 92" Alldieweil sie die flatulantische / und vergiffte feuchtigkeit verzeret / und bringet den Menschlichen Körper wiederumb zu einer warmen und truknen temperatür; Görres 1836— 42 Mystik II 519 Bedeutend hohe Temperaturen vermögen das thierische Leben nicht zu stören

( K E H R E I N ) ; Humboldt 1845-50 Kosmos I 27 Uber die Beständigkeit der Temperatur heißer Mineralquellen, wie über die Temperaturverschiedenheit artesischer Brunnen ( K E H R E I N ) ; ebd. I 336 auf höhen . . . wo die mittlere temperatür auf T herabsinkt (DWB); Liebig 1851 Chem. Br. 113 bei gewöhnlicher Lufttemperatur; Valentin 1855 Physiologie 462 Temperatureinflüsse; ebd. 681 Temperaturempfindungen; 1865 SB München I 226 Temperaturstationen . . . von Hochasien; 1888 Wien 145 als mit dem herannahenden Sommer die politische Temperatur immer heisser und schwüler wurde; Fontane 1898 Zwanzig 305 Die Wärme, der Heyse bei seinem Eintritt [in den Tunnel] begegnet war, hatte sich einigermassen verloren und einer kühleren Temperatur Platz gemacht; Ostwald 1910 Forderung 31 Wärmeenergie, die man die Temperatur nannte; Haeckel 1913 LW. 344 Wärmeempfindung (Temperatursinn); 1913 Jahr 1913 325 Gastemperatur; Voss. Ztg. 11. 1. 1931 Durch einen sogenannten „Temperaturbegrenzer", den alle für den Handel zugelassenen Heizkissen aufweisen, wird Ueberhitzung für eine bestimmte Höchsttemperatur hinaus automatisch vermieden, so daß die Temperatur des Kissens auch bei längerem Gebrauch diese Maximalgrenze nicht überschreiten kann; Lokal-Anz. 21. 1. 1933 ist mit einem neuen, beträchtlichen Temperaturrückgang zu rechnen;

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temperieren

ebd. 11. 2. 1933 mittags u m 12 w a r allerdings eine T e m p e r a t u r s t e i g e r u n g auf 2 G r a d W ä r m e z u v e r z e i c h n e n ; Berl. Illustr. Nachtausg. Ii. 5. 1933 d a ß die ( h e u t e n i c h t gerade w a r m e n ) W a g e n mit automatischer Temperaturregelung ausgerüstet s i n d ; Steglitzer Anz. 10. 7. 1933 M i t d e m e r h o f f t e n s c h ö n e n V o l l m o n d a b e n d , der nach einer T a g e s h ö c h s t t e m p e r a t u r v o n 31 G r a d im Schatten die e r s e h n t e K ü h l u n g b r i n g e n sollte, w a r es nichts; Lokal-Anz. 4. 5. 1934 s c h o n a m 13. Mai in Berlin eine S c h a t t e n t e m p e r a t u r v o n 32 G r a d ; ebd. 15. 8. 1934 H ö c h s t e T a g e s t e m p e r a t u r e n z w i s c h e n 20 u n d 25 G r a d ; Geopolitik 12 (1935) 40 T i e f t e m p e r a t u r v e r k o k u n g ; Münch. N. N. 7.IS. 8. 1943 V ö l k i s c h e U n t e r t e m p e r a t u r ; Siiddtscb. Ztg. 13. 12. 1950 die o h n e h i n e r h i t z t e n Angelegenheiten, t o t g e s c h w i e g e n o d e r h e i ß g e r e d e t , erreichen nie die T e m p e r a t u r , bei der m a n „ r u h i g d a r ü b e r s p r e c h e n " k a n n ; Süddtsch. Ztg. 26. 5. 1952 [als die] u n g e w ö h n l i c h e H i t z e v o m heiß e r s e h n t e n Regen abgelöst w u r d e , b e g a n n sich auch die A u f r e g u n g u m Triest z u legen. Ein politischer T e m p e r a t u r s t u r z trat ein; ebd. 30. 1. 1954 Ein g r o ß e r f r a n z ö s i s c h e r V e r b r a u c h e r k r e i s hat der f r a n z ö s i s c h e n I n d u s t r i e seine W ü n s c h e hinsichtlich eines n o r m a l e n „ T e m p e r a t u r s t a n d a r d s " in W o h n u n g e n b e k a n n t g e g e 127 D i e in d e r b e n ; Frankel 1964 Deutschland Partei v o r h e r r s c h e n d e „ T e m p e r a t u r " ist z u m erheblichen U m f a n g die „ T e m p e r a t u r " d e r W ä h l e r s c h a f t ; Stuttgarter Ztg. 11.1. 1967 H i e r wie im S c h w a r z w a l d m a c h t e sich die im W i n t e r o f t z u b e o b a c h t e n d e s o g e n a n n t e T e m p e r a t u r u m k e h r bem e r k b a r , die b e d e u t e t , d a ß in G i p f e l l a g e n d e r F r o s t geringer ist als in Tallagen; ebd. 1. 7. 1969 A n g a b e n ü b e r d e n g e n a u e n T e m p e r a t u r g r a d , bei d e m die M u n i t i o n e x p l o d i e r t — die s o g e n a n n t e „ V e r p u f f u n g s t e m p e r a t u r " — lehnte D o m r ö s e aus G r ü n d e n der G e h e i m h a l t u n g a b ; 1971 Durch die

schöne Welt H. 10 e n t s p r e c h e n d d e r W e t t e r v o r h e r sage „ t e m p e r a t u r g e f ü h r t e " C o m p u t e r o d e r Satellitenteile; FAZ 19. 4. 1971 A b e r die politische T e m p e r a t u r w i r d m i t M o s k a u s H i l f e ständig gesteigert. T e m p e r a t u r 2 : Sulzer 1775 Theorie II 760 Dieses v e r a n l a ß t e also die T o n s e t z e r eine T e m p e r a t u r z u s u c h e n , die das Spielen auf zwölf H a u p t t ö n e n , so w o l in D u r , als in M o l l möglich m a c h t e . . . G a r viel T o n s e t z e r e r k l ä r t e n sich f ü r die s o g e n a n n t e gleich s c h w e b e n d e T e m p e r a t u r . . . sie b e s t e h t d a r i n , d a ß die O k t a v e , als C - c in zwölf völlig gleiche Intervalle getheilt w e r d e ; Nicolai 1790 Anekdoten H. VI 150 D e r bewegliche F l ö t e n k o p f , die d o p p e l t e K l a p p e , die genauer a b g e m e s s e n e T e m p e r a t u r d u r c h eigene B o h r u n g d e r L ö c h e r . . . die tiefe S t i m m u n g ; Heinse 1794 v. Hohenthal (5) 51 pries das ganze I n s t r u m e n t s e h r . . . r ü h m t e d e n T o n u n d die G l e i c h h e i t . . . E r m e i n t e [ j e d o c h ] es sollte in d e r g l e i c h s c h w e b e n d e n Temperatur g e s t i m m t sein; Goethe 1827-42 (W. L 76) V e r gleichung mit d e n n a t ü r l i c h i m m e r f o r t s c h r e i t e n d e n T ö n e n u n d der in die O c t a v e n eingeengten gleichschwebenden Temperatur ( K E H R E I N ) ; Heinse 1857 Hildeg. 44 er m e i n t e , es [das Klavier] sollte in d e r g l e i c h s c h w e b e n d e n t e m p e r a t u r g e s t i m m t sein; ebd. 48 die g l e i c h s c h w e b e n d e t e m p e r a t u r gefällt, weil sie einige s t o l z e , h o c h d a h e r f a h r e n d e , grelle g r o s z e t e r z e n , einige schlaffe q u i n t e n u n d u n g l ü c k liche kleine terzen nicht hat, u n d alles bei ihr galant u n d g e w a n d t ist. d a f ü r fehlt i h r aber a u c h die v o l l k o m m e n e Schönheit u n d d e r mannigfaltige a u s d r u c k ; ebd. 49 die a n d e r n a r t e n v o n t e m p e r a t u r e n u n t e r s c h e i d e n sich, n a c h d e m m a n m e h r o d e r w e n i g e r v o l l k o m m e n reine g r o s z e u n d kleine t e r z e n erhält, u n d n a c h d e n a c c o r d e n , in w e l c h e m a n sie b r i n g t (alle D W B ) .

temperieren V.trans., im 13. Jh. entlehnt aus lat. temperare 'das rechte Maß beobachten, einhalten; in das richtige (Mischungs-)Verhältnis bringen; gehörig, richtig mischen; regeln, leiten; maßhalten, mäßigen' (zu tempus 'Zeitspanne; Zeitumstände; rechte Zeit'; vgl. bereits ahd. nachgewiesenes, veraltetes tempern gleicher Bed.); l a in der veralteten Bed. '(im richtigen Verhältnis, gehörig) mischen, ein-, zu-, herrichten' und daher 'in einen gleichmäßig-gemäßigten Zustand bringen, mäßigen; mildern, dämpfen, ausgleichen', im medizinischen Bereich speziell für '(Fieber, Schmerzen) lindern, niederschlagen, beruhigen' (Temperierpulver, -trank); im 20. Jh. (wohl auch im Sinne einer Ableitung von —» Temperatur 1 b) im technisch-physikalischen Bereich präzisiert auf die heute dominante Bed. 'Wasser/Luft auf eine bestimmte Temperatur bringen, eine bestimmte (gleichmäßige, gemäßigte) Temperatur herbeiführen und halten; die Lufttemperatur (und den Luftfeuchtigkeitsgehalt) oder die Wassertemperatur ein-

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stellen, regeln', auch 'ein wenig erwärmen'; b in der Bed. 'im Zaume halten, zügeln, bändigen; regieren, lenken, leiten', auch reflexiv gebraucht für 'sich mäßigen, beherrschen' von menschlichen Leidenschaften, politischen Ansichten o. ä. Häufig adj. verwendet in der Part. Perf.-Form temperiert, vor allem in der intensivierenden Zs. wohltemperiert, in der Bed. 'gemäßigt, maßvoll; ausgewogen, ausgeglichen, harmonisch', auf den Charakter, das Temperament des Menschen bezogen (zu b), auch 'mild, (lau-)warm, mäßig warm' (zu a) und bildlich verwendet. Dazu seit späterem 16. J h . (gebucht 1571 bei Rot) aus gleichbed. lat. temperantia entlehntes veraltetes Temperanz 'Mäßigkeit', anfangs auch 'Vermischung', im 19. Jh. aus gleichbed. engl, temperance neuentlehnt, häufig in der engl. Form und vorwiegend auf englische Verhältnisse bezogen in der Bed. 'Enthaltsamkeit, Mäßigkeit (beim Alkoholgenuß)', meist in Zss. wie Temperanzgesellschaft, -gesetz und heute nur noch in der Form Temperenz F. (-; ohne PI.) nachgewiesen, mit der subst. Ableitung Temperenzler M. (-s; -) '(Anhänger, Mitglied eines Vereins der) Gegner des Alkoholmißbrauchs; Antialkoholiker', mit der dazugehörigen subst. Gelegenheitsableitung Temperenzlertum; seit Anfang 19. J h . ( C A M P E ) gebuchtes Temperans, heute ersetzt durch meist pl. verwendetes Temperantium N . (-(s); Temperantia) 'linderndes, (schmerz-)dämpfendes, kühlendes Heilmittel; Beruhigungsmittel'. 2 Seit Mitte 17. J h . in der veralteten Bed. '(ab-)kühlen, abschrecken', im 19. J h . als Fachausdruck des Hüttenwesens, heute verdrängt durch aus gleichbed. engl. temper neuentlehntes tempern, in der Bed. '(Eisen) durch Glühverfahren die Sprödigkeit nehmen, schmiedbarer, haltbarer machen', in Zss. wie Temperier-, Temperofen 'Kühlofen (zum allmählichen Erhitzen und Abkühlen von Eisengußwaren)', Temperguß 'durch Glühen entkohltes und schmiedbar gemachtes Gußeisen' und Temperstahl. 3 Seit frühem 18. J h . (J. S. Bach „Das wohltemperierte Klavier") in der Musik nachgewiesen für 'die Oktave in zwölf gleichgroße Halbtonschritte einteilen' (vgl. —» Temperatur 2) bei Tasteninstrumenten, immer adj. verwendet in der Part. Perf.Form temperiert, meist in der Zs. wohltemperiert, in Syntagmen wie (wohl-) temperierte Stimmung, temperiertes (Noten-)System, wohltemperiertes Klavier. temperieren la: Reinbot v. Durne vor 1250 Der heilige Georg 5333 daz sich daz vür und der melm an der selben stunde temperiren gunde; Der Stricker 1240-1250 Daniel v. dem blühenden Tal 7720 ròse getemperieret ist mit flize die roete zuo der wise; Albrecht v. Halberstadt vor 1251 (Bartsch 1861 Albr. v. Halberstadt XXXV 280) die viere [Elemente] temperierent alle dine; Heinrich d. Teichner 1350-77 (Karajan 1855 Über Heim, d. Teichner A 232J) die speis temperieren; 1355 Mitteid. Schachbuch 316, 36 die vroude temperieren mit betrüpnissen (alle L E X E R ) ; vor 1374 Megenberg 264, 26 wer silber da mit [mit Unkenasche] salb und temperier, daz nem goltvarwe (DWB); 1471 Cl. Hätzlerin 159" es ist anger und der walt alles gar grön gestalt und so recht schön geziert mit manigerlai getemperiert (DWB); Keisersberg 1515

Evangelibuch 1681 die bünlin . . .sugen des himels tou in sich, und train in den immenkorb und temperieren den da (DWB); 1535 Aimon K 2 er nam ein kraut, das zerstiesz er mit seinem schwerdts knöpf auf einem stein, dornach temperiert er es mit wasser (DWB); Luther vor 1546 (LXIV 125) sauer getemperiert mit süszem (DWB); 1557 Handtbüchlein G 3" das wir solch holtz vnd edle ertzney zur notturfft in diser vnd anderer kranckheyt mit ringem kosten nun mer genugsam bekommen mögen / mit guter erfarung vnd wissens / wie vnnd was gestalt es zu brauchen sey auch was sein sondere krafft vn wirckung / vnd wie das ein sondere temperierende eygenschafft hat / das diß fast in allen Complexionen annemlich vn dienstlich [ist]; Pictorius 1560 Badenfartbüchlein Y 28h ein milt vnd heilsam Bad, in seiner werme temperiert,

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nicht zu heiss, auch nicht zu kalt; vor 1567 H. Sachs V 6 ein vierteil putter-millich, temperiert mit eim viertl summer-pier (DWB); Mathesius 1566 Historien (III 325) most . . . mit Weinlicher scherpffe temperiert; Fischart 1575 Garg. 216 und auch der Wol temperierten Hitz (RÜTTER); ebd. 291 Begab sichs dann, daß das Wetter nicht getemperiert . . . war (RÜTTER); Hörwart v. Hohenburg 1581 Reyterey 1" Dass alle Pferd von Natur einer warmen vnd temperierten Complexion seind; ebd. IV ein temperierter vnd rainer Samen [des Pferdes]; Rose v. Creutzlein 1625 Eselkönig 127 fieng darauf an mit seinem fuchsschwantz hinn und her zuwädelen, den luft . . . damit zu temperieren (DWB); vor 1661 Schuppius 697 gott, der die schmertzen lindert, der die kalt [des Fiebers] in hitz temperirt (DWB); Callenbach 1714 P 41 unter einem temperirten Clima; Aler vor 1727 Dict. 1877h das bittere mit lachen, den sieg mit sanftmuth temperieren (DWB); Heidegger 1792 Reisen 12 Anm. [Verstopfungen lösen] vermittelst eines temperierenden Pulvers; Thümmel 1805 Reise X 361 für meine künden wird schon dieser ergusz . . . der beste temperirtrank sein, den ich ihnen . . . vorsetzen kann (DWB); Wieland 1824 (XXXII 120) Ein Grad von Hitze über dem Temperirten . . . [Dies] temperirt das Schwerfällige ( K E H R E I N ) ; Goethe 1827-42 (W. XIV 19) Freilich unter freiem Himmel kann mans nicht immer so temperirt haben; ebd. LI II 32 Die übrigen Farben aber entstehen, wenn sich jene einfachen vermischen und wechselseitig temperiren . . . So wie sie [die Alten] denn überhaupt sowol Licht und Finsterniß, als die Farben untereinander sich temperiren lassen (beide K E H R E I N ) ; Böhme 1835 Aurora 115 die süsze qualität temperirt sich mit dem andern allem (DWB); Zur Mühlen 1929 Ende 21 Eigentlich lebten wir Bewohner dieser alten Welt wie in einem schönen, wohltemperierten, von Blumenduft erfüllten Glashaus; Hausmann 1954 Liebende (V 44) Der Wein ist temperiert [zum Trinken]; 1966 Durch die schöne Welt Nr. 11/12 Das wohltemperierte Zugabteil (Uberschr.) Probleme der Heizung und Lüftung im Eisenbahnwagen.

temperieren lb: Bapst 1596 Arzneibuch 216h [eines] freudigen und wol temperirten Jünglings; Pape 1605 Jonas Rhythmicus E 7h Ich hab die Wasser zu regiern / du Lufft und Wind zu temperirn [Neptun zu Aeolus]; Doverinus 1623 Hanengeschrey 11 wenn Fürsten ihre affectus nicht mehr temperiren können; Drexel 1625 Weckuhr 51 dass diss Leben der Frommen . . . von Gott temperirt, gemässigt vnd regiert wird; Seifert 1647 Gewissens-Bruch 63 er woll sein leben verwetten sie sey ein gewisse Hexe, vnd was der vnge-

temperirten Wörter vnd reden . . . sind; Leibniz vor 1716 (I 222) neue länder zu erobern, versäumet zwar Frankreich nicht, hat sich aber bisher also zu temperiren gewuszt, dasz es nie ohne schein des rechten dergleichen gethan (DWB); Neukirch 1746 Anweisung 578 temperirte stylus; Swift 1760 Sehr. (Übers.) (I 89) wie die Hize in der Religion . . . raset bei den Papisten, und wie sie abnimmt und temperiert wird bei den Reformierten; Goethe 1774 Anteil an Lavater (W. XXXVII 345) Jünglings von offener, glücklich temperirter Natur; Mauvillon 1776 Sammlung I 279 Schweden, das vorher ein eine ziemlich grosse und wohl temperirte Freyheit geniessendes Königreich war; Leuthold 1848- 76 Ged. 88 sie leben christlichkühl, Fromm spekulierend auf jenseitige Löhnung, Nach temperiertem Schicklichkeitsgefühl Und nach dem Stundenplane der Entwöhnung; Hausser 1851 Denkw. 116 temperirenden Einfluss; Kladderadatsch 15 (1862) 27 In aller Wärme Dein gut temperierter Freund und College; Unruh 1893 Kleinbahnen 14 temperirenden Beruf; Meier 1909 Volksepos 19 eine temperierte Sprache wie das Homerische; 1913 Tanz-Brevier 87 der etwas temperierte Five o'Clock-Flirt, der um 7 Uhr abbricht und bald vergessen ist; Fränger 1925 Humor. Vorw. VII scheidet sich . . .von der wohltemperierten Weltversöhntheit des optimistischen Humors ihr Gegenspiel; Stegemann 1932 Herren 269 kein grösseres Glück in der Welt als eine wohltemperierte Ehe, und bleibt ein Verdienst, in jungen Jahren ein junges Weib heimzuführen; ders. 1937 Schicksalssymphonie 171 ein wohltemperiertes Abenteuer; Hülsen 1947 Zwillings-Seele II 93 in seinen Ansichten war er nie Extremist, immer wohltemperiert; ebd. II 123 ein stiller, wohltemperierter, kenntnisreicher . . . Mensch; Sedlmayr 1948 Verlust 32 In „temperierender" Atmosphäre löst das Museum alle Religionen als etwas Vergangenes auf in einer neuen ästhetischen Religion; Hiller 1950 Köpfe 128 wachsen alle aus dem wohltemperierten deutschen Mittelstand auf; N. Z. (Basel) 13. 1. 1950 Grundsätze einer rücksichtsvollen und temperierten Wahltaktik durchgesetzt; Münch. Stadtanz. 30. 5. 1952 Die Welt des Gymnasiums hat ihre Satzungen - bloß leider, daß sich die übrige Welt net dro halt, sonst waar's genau so wohltemperiert wie a Pennal; Süddtsch. Ztg. 2. 2. 1960 herzlicher, doch wohltemperierter Beifall; Rychner 1962 Vorw. f . Korrodi, Aufs, 14 Er übernahm und verfocht vielmals, temperiert durch liebenswürdige kleine Ironien, kleinbürgerliche Wertungen und Anschauungen; Offenburger Tagebl. 12. 1. 1963 Der Wahlkampf in Westberlin . . . wohltemperiert. Nur vier Parteien; 1968 Durch die schöne Welt Sept'h. legt eine kleine Sprechpause ein und sagt dann wohltemperiert den

temperieren Text noch einmal in Englisch und Französisch durchs Mikrofon; Stuttgarter Ztg. 24. 1. 1968 Temperierter Optimismus in Biberach (Überschr.) Die zu erwartenden Gewerbesteuereinnahmen halten sich . . . auf einer Höhe, die zu gedämpftem Optimismus berechtigt; FAZ 12. 4. 1969 Nicht nur Konservative übten Kritik. Es machten sich auch die „Progressisten" bemerkbar, denen der temperierte Fortschritt der Mehrheit des Konzils . . . nicht passt. Temperanz: Dannhauer 1643 Katechismusmilch II 421 Temperanz; Böhme 1835 Aurora 131 es war eine böse temperanz oder Vermischung (DWB); Sealsfield 1835 Brautfahrt (IX 43) Auch trinkt er nicht Whisky. Er ist Präsident einer Temperanzgesellschaft ( B E N N E T T ) ; ders. 1836 Pflanzerlehen (XI 81) Kirkby war einer der Opponenten, und von mir dahin instruirt . . . durch Associationen, wie die Temperanzgesellschaften, entgegen zu wirken ( B E N N E T T ) ; Kohl 1843 Irland I 196 Er macht es also auf dem Felde der TemperanceAgitation ebenso wie O'Connell ( B E N N E T T ) ; ders. 1844 England u. Wales I 66—7 da neuerdings bei der Ausbreitung der Temperance viele Arme das Bier nicht mehr annehmen (BENN E T T ) ; ders. 1844 Schottland II 148 Nach einer langen Diversion über die Politik des Tages ging er dann zur Temperance über ( B E N N E T T ) ; Fontane 1860 Jenseits (II, IV 315) TemperanzPrediger; ebd. II, IV 486 Furcht vor einem Temperanz-Diner; 1864 Hausblatter I 440 amerikanische Temperanzfamilie; ebd. 441 herrscht überall Temperanz; Schweiger-Lerchenfeld 1880 Frauenleben 367 Vor einigen Jahren haben sich eigene Gesellschaften, sogenannte „Temperenzgesellschaften", gebildet, welche mit allen erdenklichen Mitteln der Trunksucht zu steuern suchten; Paulsen 1896 G. U. I. 504 gegründeter Orden der Temperanz; Treitschke 1897 Politik II 271 Ähnlich wie den amerikanischen Sabbath werden wir jene Temperenzgesetze beurtheilen. Temperenzler: 1860 Hausblätter IV 396 trinkt mit dem „Temperenzler" Sodawasser; SchweigerLerchenfeld 1880 Frauenleben 345 Temperenzlerinnen; ebd. 367 die frommen weiblichen Temperenzler . . . diese Mässigkeits-Priesterinnen. Temperenz(ler)tum: 1855 Hausblätter IV 390 Gegen die Sabbathgesetze und das „Temperenzthum" ist der Lindenmüller, gleich allen Deutschen, sehr erbittert; Polenz 1904 Land der Zukunft 65 Angenehm muß jedem, der in Nord-

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amerika reist, auffallen, wie wenig Betrunkenheit man sieht. Das Temperenzlerthum hat ja viele lächerliche Seiten, aber es liegt doch etwas Großes darin, wenn ganze Staaten, Stände und Parteien sich aufraffen, um dem populärsten aller Laster entgegenzutreten. temperieren 2: Werder vor 1657 Ariost VI 75 die pfeife temperirt der eine bei dem bach, am schleifstein schleift sie der dasz er sie schärfer mach (DWB); Böckler 1683 Haus- und Feldschule 15 Wenn der Kalk gebrannt ist / so solle man solchen in einer Gruben fein sittiglich / jedoch Continuirlich / mit Wasser anfeuchten / bis solcher durchaus wolerweichet und temperiret; Mimra 1930 Batterie 67 Tieftemperierte Schrapnells. temperieren 3: Helmholtz 1863 Tonempfindungen 490 Die modernen Musiker, welche mit seltenen Ausnahmen niemals andere Musik gehört haben als solche, die in temperirter Stimmung ausgeführt ist, gehen meist sehr leicht über die Ungenauigkeiten der temperirten Stimmung hinweg . . . der schlechte Klang der temperirten Dreiklänge beruht wesentlich auf den unreinen Terzen . . . unter der Herrschaft des temperirten Stimmungssystems . . . Unterschied zwischen dem temperirten und dem natürlichen System; 1897 SB. München II 230 Die Vögel . . . der Natur singen zum kleinsten Theile nach Noten oder nach dem wohltemperierten Klavier, sondern sie haben noch Vierteltöne; Bock 1923 Tagebücher 85 spielte Liszt das wohltemperierte Klavier (zwei Bände) auswendig; Renker 1935 Land 36 aus einem Stück des wohltemperierten Klaviers; Hülsen 1947 Zwillings-Seele II 92 Und wie die älteren Männer, so habe ich auch lebenslang die Wohltemperierten vorgezogen und es nach Möglichkeit nie mit solchen gehalten, bei denen eine Saite das ganze Konzert überschrie. Unter den Wohltemperierten war Friedrich Herzog der besttemperierte; Stuttgarter Ztg. 19. 12. 1963 Vortrag über das „Wohltemperierte Klavier" (Uberschr.) Im Studium generale der Landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim sprach Professor Hermann Keller über „Bachs Wohltemperiertes Klavier". Ausgehend von der durch Andreas Werkmeister eingeführten gleichschwebend temperierten Stimmung der Tasteninstrumente; FAZ 25. 4. 1970 „Schreiben Sie einmal ein Wohltemperirtes Clavir!" (Uberschr.) Eine neue Gesamtausgabe von Beethovens Konversationsheften; ebd. 3. 3. 1971 den zweiten Teil des „Wohltemperierten Klaviers".

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Tempo

Tempo N. (-s; Tempi und selten -s), früher selten F. und PI. auch —, Anfang 17. Jh. entlehnt aus ital. tempo 'Zeit(-maß)' ( < lat. tempus 'Zeit(-spanne, -abschnitt); Frist; rechte, geeignete, günstige Zeit, Gelegenheit; Zeitumstände, -Strömung, -Verhältnisse', auch 'Zeitform, -stufe des Verbs', in dieser Bed. Etymon des sprachwissenschaftlichen Fachausdrucks Tempus N. (-; Tempora) 'Zeitform des Verbs' mit der dazugehörigen adj. Ableitung temporal). 1 Veraltet in der allgemeinen Bed. 'Zeit(-punkt), Moment, Augenblick', häufig in den Syntagmen im gleichen, selben, in einem, demselben Tempo 'zugleich, gleichzeitig', vereinzelt auch kurz für Temporechnung 'befristet ausgestellte Rechnung', und bes. in der Bed. 'richtige Zeit, günstiger Zeitpunkt, günstige Gelegenheit', auch allgemeiner 'das richtige Maß, das Passende, Richtige, Angemessene', häufig im militärischen (vgl. 2 a) und diplomatischen Bereich; in neuester Zeit gebucht in der Spezialbed. 'zeitlicher Vorteil eines Zuges beim Schach'; dazu seit frühem 19. Jh. die veraltete verbale Ableitung tempieren in der militärspr. Bed. 'den Zünder eines Hohlgeschosses auf eine bestimmte, der Flugzeit entsprechende Zeit einstellen' mit dem dazugehörigen Verbalsubst. Tempierung, im kaufmännischen Bereich auch gebucht (1838 bei Heyse) für 'eine Frist bestimmen; (eine Rechnung) auf eine bestimmte Zeit ausstellen, befristen, terminieren'. 2 Gleichzeitig in der Bed. 'Zeitmaß, in dem eine Bewegung durchgeführt wird', a zunächst im militärischen Bereich, speziell in der Reit-, Fecht- und Schießkunst bezogen auf Schritte, Bewegungen und Handgriffe (auf Kommando), auch in dem aus dem Ital. übernommenen Syntagma ä tempo, auch im Tempo, aufs Tempo 'nach Zeitmaß, auf Kommando; sofort', in neuerer Zeit auf den sportlichen Bereich übertragen; b seit spätem 18. Jh. im musikalischen Bereich, meist mit PI. Tempi, in der Bed. 'für den Vortrag eines Tonstückes gewähltes, empfohlenes, den Eigenheiten des Stückes angemessenes, musikalisches Zeitmaß; Rhythmus, Taktbewegung', auch 'Zeitmaß einer Rede, Deklamation o. ä.', in Syntagmen wie die Tempi einhalten, verschleppen und in Spielanweisungen bezeichnenden ital. Syntagmen wie tempo di marcia 'im Zeitmaß eines Marsches', tempo primo 'im früheren Zeitmaß', al tempo 'nach dem Zeitmaß, Takt'. 3 Von daher seit dem 19. Jh., ohne PI., in der Bed. 'Geschwindigkeit' zur Bezeichnung des Zeitmaßes, mit dem sich etwas/jmd. fortbewegt, mit dem sich etwas ereignet, abläuft ohne Angabe des Grades (vgl. 2), dann in der heute dominanten Bed. '(bestimmter) Grad der Geschwindigkeit; Schnelligkeit'; seit den 30er Jahren im Zusammenhang mit der technischen, gesellschaftlichen Entwicklung schlagwortartig und häufig pejorativ verwendet im Sinne von 'rasende Geschwindigkeit; Hast, Unrast, Hektik, Hetze', häufig in Syntagmen wie auf Tempo kommen 'beschleunigen', salopp-ugs. Tempo! Tempo! '(mach) schnell(-er)! beeil dich!', aufs Tempo drücken, Tempo dahinter machen '(die Erledigung) eine(-r) Sache beschleunigen' und als Grund- und Bestimmungswort in Zss. wie Affen-, Schnecken-, Schritt-, Wachstums-, Zeitlupentempo; Tempogewinn, -Verlust, Tempolimit '(gesetzlich angeordnete) Geschwindigkeitsbegrenzung (für Kraftfahrzeuge, auf bestimmten Straßen)'. Tempo 1: Dilich 1608 Kriegsbuch 71 daß man lehrne einem Pferde die rechte tempo geben zum anspringen; Mengering 1638 Soldatenteufel 475 so

würden sie wirklich in diesem allem das tempo treffen / vnd sich zu moderiren wissen; Schildknecht 1652 Harmonia II 65 denn 10 pf. Pulver /

Tempo wenn die durch die rechte B r a n d r ö h r e / in rechtem T e m p o Feuer e m p f a n g e n ; Chemnitz 1653 schwed. Krieg II 487" gleich in diesem t e m p o w u r d e n die belagerten auch wach ( D W B ) ; Mengering 1661 Gewissensrecht 824 Aber Masse ist in allen Dingen gut / man m u ß auch hie wol das t e m p o treffen; Seckendorf/ 1665 Fürstenstaat II 61 Welche aber meynen / man müsse alles auff das allersänffteste und gelegentlichste einem H e r r n fürbringen / und mit staattlichem t e m p o u n d per inditectum, ihn zu gewinnen suchen; Bessel 1666 Schmiede 152 und vorige Vertrauligkeit hinwieder auffzurichten, nahm der Cardinal das t e m p o in acht; Butschky 1677 Pathmos 745 (520) es ist keine geringe sache, sich der gelegenheit wohl wissen zu bedienen, und das rechte t e m p o . . . in acht zu nehmen ( D W B ) ; Thomasius 1688 Monatsgespräche I 559 er war so ein vertrackter Bösewicht, daß . . . er das t e m p o so w o h l in acht zu n e h m e n w u ß t e ; Happel 1690 Roman 105 in demselben T e m p o ; Winckler 1696 Edelmann 11 wie nicht weniger ihn selbsten in einem t e m p o übern H a u f f e n warf; Ettner 1697 Chymicus 388 der andere Schuß geschah fast in einem t e m p o ; Gruher 1697 Kriegsdisziplin III 27 worauf dann gleich alles gantz geschwind in einem T e m p o m u ß und soll gemacht werden; ebd. III 31 u n d [die M u s q u e t ] sonder stillhalten in einem T e m p o mit der rechten H a n d geschwind von sich stossen; ebd. II 80 in einem gewissen T e m p o von Zeit / da m a n n 7. oder 8. m e h r oder weniger zehelt / Feur zu geben; 1708 Leopold d. Große II 153 nach etlichen zierlichen Volten, das T e m p o in acht nahm und d u r c h b r a c h ; Scheuchzer 1711 Physica II 340 wann man mit nachsinnen u n d rathschlagen das rechte t e m p o versäumt; Musig 1718 Licht d. Weisheit II 729 Man ersehe z u r Schlacht eine gute Zeit, und wehle einen profitablen O r t . W e n n der Feind sorglos ist, w e n n er sich weit zertheilet hat, wenn er schwächer w o r d e n ist, w e n n er Furcht u n d unsere Soldaten C o u r a g e haben u. s. f., da ist das rechte t e m p o , etwas zu tentiren; Rohr 1728 Zeremoniellwissenschaft I 282 Ein Vernünfftiger b e m ü h t sich in seinen Reden das rechte Maaß u n d das rechte T e m p o zu treffen; Moser 1759 Herr u. Diener 9 Mit etlichen G r a n Klugheit, Ueberlegung und Herzhaftigkeit hätte man sich in dem völligen Vortheile erhalten, diß T e m p o w u r d e aber versäumet; ebd. 303 Sonst begeht man tausend Fehltritte, versäumt die glücklichsten T e m p o ; Schiller 1784 (III 422) an einem hof, w o die gröste Weisheit diejenige ist, im rechten t e m p o . . . gros und klein zu sein ( D W B ) ; ders. 1789/99 (XII 24) der saus u n d braus macht denn der den Soldaten aus? das t e m p o macht ihn, der sinn und schick ( D W B ) ; ders. vor 1805 Br. IV 396 Er gab mir den Verlust bei d e m versäumten T e m p o auf 4000 Thaler an ( K E H R E I N ) .

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tempieren: Aster 1819 Festungskr. 333 K ö n n t e n die springenden Bomben desselben den vorgehenden T r u p p e n Nachtheil bringen, so erhalten sie, f ü r diesen Augenblick, nur das z u m Ausstoßen der B r i n d e r nöthige Füllung-Pulver und länger, als gewöhnlich tempirte B r i n d e r , u m dadurch den Gegner ebenfalls zu tauschen, und ihn von einer künftigen Vertheidigung abzuhalten; Z Krieges 33 (1835) 275 Anm. T e m p i r e n ; 1861 Allgem. Mil'Enc. IV 294 Tempiren. Tempierung: 1857 Träumereien 299 D e n k t man sich eine auf wellenförmigen Boden in aufgelöster O r d n u n g gegen die Batterie ansprengende Reiterschar von 2 bis 300 M a n n , so werden T e m p i r u n g s fehler k a u m zu vermeiden seyn; Mimra 1930 Batterie 84 Feindliche Kavallerie! Direkte Richtung! Schrapnell 16! Tempierung 15! Einzelfeuer! T e m p o 2a: Wallhausen 1615 Soldaten ABC 71 wann d u den Spies vor die hast stehend / und auffarts tragen solst / hastu diese drei T e m p o zu mercken . . . v m b gewisser zu seyn, mercke, wie jede t e m p o oder Zeit in einem P u n c t o vollbracht wird; Koppe 1619 Fechtkunst I G lb T e m p o oder die Zeit ist die contra oder gegenbewegung des Mannes wider die m o t i o n der Feinde gerichtet ehe dann der Feind seine m o t i o n absolvirt u n d z u m ende bringet; Liebe 1665 Reitbuch 13 daß m a n offt Berg abreite / u n d den Leib alle t e m p o des Schritts lege; Trichter 1742 Ritterlexikon 489 das Pferd setzet sich hinten wohl auf die G r o p p a , und springet, (oder tantzet) vorn von einem Schenckel auf den andern, und avanciret etwas dabey; alles ä T e m p o ; Seidler 1837 Campagne-Pferd 278 Beim Wechseln ä t e m p o verbleibt das Pferd im gleichmäßigen G a l o p p s p r u n g , wechselt ohne U n terbrechung desselben die F ü ß e von rechts zu links und von links zu rechts; Gutzkow 1858 Zauberer I 296 hätten . . . alle die Gläser ausgetrunken und sie niedergestellt wie „aufs T e m p o " ; Fontane 1860 Jenseits (II, IV 362) a t e m p o stehen blieben; Wagner 1870 Klosterleben I 72 „ A m e n ! " platzte die ganze Versammlung wie im T e m p o nach; Zweig 1923 Amok 310 mit einem Ruck schnellte ich mich ins Wasser u n d stieß . . . mit erbitterten T e m p o s ihrer Spur nach ( W D G ) ; FAZ 23 . 7. 1966 Eine P a r k u h r ist frei . . . da stellt sich heraus, daß man keinen einzigen Groschen bei sich hat. A t e m p o ins Geschäft, ob m a n , bitte schön, für ein Fünfzigpfennigstück Kleingeld haben k ö n n t e . Tempo 2b: Dreßler 1777 Theaterschule 134 Der erste Geiger soll nie die T e m p o s ändern; Iffland vor 1814 theatr. Laußahn XXXVI 19 der theatermeister schlägt in gleichförmigem t e m p o . . . mit einem eisernen Stabe u n e r m ü d e t an zwei bretchen

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Tempo

(DWB); Matthisson vor 1831 Sehr. V 44 die ägyptischen stegereifdichter in den kaffeehäusern zu Kairo deklamiren . . . in vollkommen gleichgemessenem tempo (WDG); Immermann 1836 Epigonen II 160 auf einmal fielen in einem ganz wunderbaren, raschen tempo wirbelnde, schneidende töne ein (WDG); A. W. Schlegel vor 1845 Vöries. I 240 beim vortrage kommt dann noch ein bestimmter grad von Schnelligkeit und langsamkeit, das tempo hinzu (WDG); Kohl 1846 Dänemark I 231 Da auch die Musik . . . in einem rascheren und immer rascheren Tempo spielte; Freytag vor 1895 Ges. Werke XVI 338 der lebendige Wechsel des tempos [der Schauspieler] (WDG); 1960 Tagesztg. DDR o. S. Am Pult stand Bruno Bartoletti, der . . . die Tempi erstaunlich breit nahm (WDG); Dorpat 1967 Ellenbogenspiele 168 Seit Jahren hatte sie die Sonate nicht mehr gespielt, sie würde die überhitzten Steigerungen nicht mehr schaffen, sie durfte keine extremen Tempi riskieren (MÜLLER). Tempo 3: Goethe 1827-42 (W. XXXIII 8) Daß er das Tempo zu einem langsameren Schritt herniederziehe (KEHREIN);Kretschman 1870-71 Kriegshr. 77 weißt Du, dann schlägt das Herz ein höheres Tempo, auch wenn die Erinnerung an Frau und Kind einen guten Anteil daran hat; Roggffenbach 1888 Br. 293 Ich frage mich nur, wie lange wird der Reichskanzler das Tempo mithalten können [das Wilhelm II. angibt] und was dann?; Hemmersdorf um 1895 Zeit 86 [eine lange Verlobung] passt keineswegs ins Tempo unserer überhasteten Zeit; Heinroth 1906 Enttäuschungen II 26 zufrieden, wenn der Lebenswagen im ruhigen Tempo weiterrollte; Ratzel 1907 Raum 150 das vielbesprochene „Tempo" der Stammesentwicklung; Windelband 1909 Phil. 5 Wie bescheiden [waren] die Ansprüche an die Lebensführung, wie eng die Lebenskreise, wie ruhig und friedlich das Tempo des Lebenslaufs; 1910—11 Literar. Echo 1594 Zeitungstalente . . . haben . . . für das Tempo, für den Rhythmus der Gegenwart ein schnelleres Ohr; Schüler 1915 Du ahnst 20 Während er sprach, bewegten sich vier Kauwerkzeuge im Eilzugtempo auf und nieder; Grisebach 1928 Gegenwart 569 Steigerung des Arbeitstempos; Preuss. Jahrbücher 218 (1929) 391 Stucken gehört nicht zu den Temposchriftstellern unserer Zeit, deren geschwinder Feder jährlich mindestens ein Werk entfleusst; 1929 Fazit 241 ein neues Schlagwort . . . Tempo!; 1929 Jahrbuch Dichtung 218 Nicht verändert hat sich das innere Tempo der Welt, verändert hat sich nur das Tempo in Verkehr und Mechanismus des Gegenwartslebens; Ein Flugzeug fährt schneller als eine Straßenbahn; Lokal-Anz. 20. 3. 1929 Tempo! Tempo! ist die

Losung des modernen, sportbegeisterten Menschen; Voss. Ztg. 12. 10. 1929 bewies an Hand einer genauen Zahlentabelle, wie ungeheuer wichtig die Berechnung des Laufes und die Temporegulierung ist . . . plädierte . . . aus seiner Erfahrung heraus für den Tempolauf; B. Z. am Mittag 26. 11. 1929 die stählernen Nervenstränge eines riesigen Industriewerkes bloßzulegen, den vernickelten Leib des stoßenden, stampfenden, brüllenden, im Tempofuror rasenden Wundertieres Technik zu durchleuchten; Geissler 1930 Weiss 99 Er spricht stoßweise, denn bei diesem Tempo liegen die Kurven verdammt eng beieinander; Berl. Morgenpost 29. 5. 1930 das Weltstadt-Tempo nicht in kraftvergeudender Flottheit äußerer Bewegungen zu liegen braucht; Voss. Ztg. 30. 12. 1930 Unsere Zeit steht im Zeichen des „Tempos"; Ortegay Gasset 1931 Aufstand 27 das Tempo, in dem man heute lebt, die Unternehmungslust und Energie, mit der alles angepackt wird, beängstigen den Menschen von altertümlicher Gemütsart; ebd. 52 wenn Massen und Massen von Menschen mit so beschleunigtem Tempo in die Geschichte hineingestossen wurden; Arnholds Wochenber. 21. 3. 1931 ein Rückschlag, der nach dem teilweise vielleicht überhitzten Tempo der Aufwärtsbewegung börsentechnisch durchaus verständlich sein mochte; Kaltenboeck 1932 Armee im Schatten 116 Im schärfsten Tempo jagt man vorwärts; Halbe 1933 Scholle 110 Die Menschen jener Tage, die noch kein Auto, kein Kino, kein „Tempo" kannten, dachten langsamer, gingen dafür den Dingen tiefer auf den Grund; Berl. Illustr. Nachtausg. 8. 5. 1933 Im Höllentempo beendete Lohner auf Rudge als Malmann das Vorgaberennen mit Seitenwagen für Lizenzfahrer; Tempo 24. 7. 1933 Jeder Mensch hat ein bestimmtes Tempo, das ihm angepaßt und angenehm ist. Dieses Tempo ist völlig unabhängig von äußeren Einflüssen, auch vom Alter, hat mit Temperament nichts zu tun, sondern man spürt es an der Schnelligkeit oder Langsamkeit, wie jemand sich zum Beispiel normalerweise seinen Rock auszieht. An 1100 Personen wurden Tempo-Untersuchungen gemacht, durch Klopfbewegungen, die sie mit der Hand auf dem Tisch ausführen mußten. Durch das Tick-Tack von Metronomen wurde festgestellt, welches Tempo der einzelne liebt; Lokal-Anz. 3. 7. 1934 Als der Zug dieses Umgehungsgleis in schnellem Tempo befuhr, sprang zunächst die Lokomotive aus den Schienen; 1935 Volk u. Reich 33 Das Tempo der italienischen Einheitsentwicklung hatte sich seit 1859 immer mehr überstürzt; Karlinger 1937 Raum 61 dieses wunschlose Ausruhen vor dem reinen Anblick [alter Häuser und Städte] gegenüber dem Tempo unserer Tage; Giemen 1941 Lob 36 Eine behagliche Kleinstadt

temporär . . . noch nicht von dem Tempo der Raserei ergriffen; Azorin 1942 Visionen (Übers.) 82 Fahrzeuge, die sich ebenfalls aus sich selbst bewegen, sausen in rasendem Tempo durch Felder, Städte und über Berge; N. Z. Z. 2. 5. 1942 Die Flucht ins Tempo. Geistige Kleinarbeit, die sich nicht mit offensichtlichen Resultaten messen läßt, wird gemieden. Aus Zeitmangel lohnt sich's nicht, darauf Mühe anzuwenden; Münch. Merkur 18. 2. 1949 die natürliche Arbeitsteilung zwischen dem starken Tempofahrer in Gestalt des Stehermeisters und dem überaus schnellen Sprinter-As; NZ. (Basel) 1. 12. 1949 es sei auf der ganzen Spazierfahrt, die auf ihren Wunsch im Bummeltempo erfolgte, gar nichts passiert, was auffällig gewesen sei; Röpke 1950 Mass 226 die Abstumpfung des Sinnes für die echten Lebenswerte durch Tempo und Komfort; ebd. 229 die Technik, deren Ziel nicht Tempo, Quantität, Mechanik und Rausch der Modernität, sondern diejenigen Werte sind, welche . . . die reine menschliche Existenz [darstellen]; Lutz 1950 Bayrisch 21 Wo „TempoTempo" auch noch im Ärger ist und einer, dem etwas nicht passt, das gleich „zum Davonlaufen" und zum „Aus-der-Haut-fahren" findet — da ist nicht Altbayern; NZ. (Basel) 3. 1. 1950 Götze Tempo: Geknatter — ein Hund. Geheul — eine Katze. Gestank — ein Huhn. Tempo! Tempo! Krach — ein Laternenpfosten. Spital — ein Esel!; Süddtsch. Ztg. 5. 4. 1951 Akkordarbeit ist an dieser Stätte kein neuer Begriff, wo vor knapp sechs Jahren noch Teile der Kriegsmaschine über die Montagebänke gingen, in 60-, 70- und 80stündiger Arbeitszeit. Auch heute wird „Tempo" wieder großgeschrieben; Dürrenmatt 1958 Versprechen 240 fuhr in einem polizeiwidrigen Tempo; Offenburger Tagebl. 9. 4. 1960 Den Atem hält der Zirkusbesucher an, wenn die Tempo-Jongleure in selten vollendeter Kunst und staunenswerter Sicherheit ihre Keulen und Ringe durch die Luft wirbeln; Stuttgarter Ztg. 4. 7. 1960 beschwerte er sich in scherzhafter Weise darüber, daß ihm Wien nur im Zeitraffertempo gezeigt werde; Süddtsch. Ztg. 15. 10. 1960 Im Schneckentempo geht es durch die Seidlstraße; Münch. Stadtanz. 16. 12. 1960 Auch

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die Unfälle werden immer „komplizierter", je mehr das Tempo unseres Alltags wächst; Offenburger Tagebl. 1. 2. 1963 jene Schicht von Passagieren, die noch besinnlich, wenn auch nicht im Postkutschentempo reisen wollen; Strzelewiz u. a. 1966 Bildung 79 Tempo, Hast, Hetze unserer Zeit; 1966 Durch die schöne Welt Nr. 5 Der TEE-Zug ist ein tempogeladener Bursche; Offenburger Tagebl. 5. 1. 1967 Es kam zu langen Stauungen, so daß sich die Fahrzeugkolonnen oft nur im Schritt-Tempo vorwärtsbewegten; Stuttgarter Ztg. 10. 1. 1967 Geldstrafe für „Zuckeltempo" (Oberschr.) Autofahrerin macht sich mit 30 Kilometern in der Stunde auf der Autobahn strafbar; Süddtsch. Ztg. 28. 1. 1967 Schneckentempo beim Aufbau der Münchner Evangelisch-Theologischen Fakultät; Stuttgarter Ztg. 27. 3. 1968 Wer in unserer verrückten Welt des Tempos und der Uberdrehtheit noch ein bißchen Gelassenheit und Distanz bewahrt, verdient einen Oscar; FAZ 1969 Nr. 229 Tempo (Oberschr.) Tempo imponiert. Nicht nur bei Autos, sondern auch im Bereich von Verwaltung und Regierung; ebd. 8. 7. 1970 Vom Führungstempo mitgerissen (Oberschr.) Vom Tempo des Managements sollen die Mitarbeiter mitgerissen werden . . . Umsatzverdoppelung innerhalb von vier Jahren; ebd. 25. 7. 1970 Kein „Tempo sechzig" in den Städten (Überschr.); ebd. 8. 12. 1970 Die Straße lockt . . . An ihr lauert der Tempoteufel, hektisch und gefährlich. Da ist der harte Radarstrahl. Da winkt der Arm des Gesetzes; ebd. 1. 9. 1971 Vor allem aber muß befürchtet werden, daß „Tempo 100" auch dort zur Regel wird — etwa bei Nebel oder Glatteis —, wo langsamer gefahren werden müßte; ebd. 8. 9. 1971 Leber verordnet „Tempo 100" außerhalb geschlossener Ortschaften (Überschr.); Die Zeit 30. 6. 1978 So gab es in Argentinien nur Teilaspekte des guten Fußballs, das mit den Begriffen Technik, Tempo, Taktik umschrieben wird . . . Vor allem das Tempo der Spieler und damit des argentinischen Spiels ließ den Gegnern wenig Zeit zum Atemholen . . . Dagegen setzten die Brasilianer bei dieser Weltmeisterschaft wiederum auf ihre Technik und Tempoverschleppung.

temporär A d j . , im späten 18. J h . entlehnt aus gleichbed. frz. temporaire ( < lat. temporarius 'der Zeit angemessen, sich nach den Zeitumständen richtend; nur eine Zeitlang dauernd', zu tempus, —* T e m p o ) , früher in der frz. und in der F o r m temporar; in der B e d . 'zeitweilig (auftretend), vorübergehend (eingeführt); nur eine kurze Zeit d a u e r n d ; zeitlich begrenzt, nicht bleibend, nicht für i m m e r ' , selten auch 'zeitgenössisch'; vgl. gleichbed., seit spätem 18. J h . selten nachgewiesenes, veraltetes temporell, anfangs auch (gebucht 1728 bei Sperander) für 'zeitlich, irdisch, vergänglich'.

temporisieren

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temporär: 1789 Neues dtsch. Museum 1640 Temporäre geheime Gesellschaften; Nicolai 1790 Anekdoten H. V 97 nichts als einen temporären Spaß . . . im Sinne; Sintenis 1796 Dialogen I 201 ich meine . . . nicht temporäre Pächter, sondern Erbpächter; Ritter 1810 Fragmente I 140 temporäre Gluth; Humboldt 1810-13 Denkschr. (XI 110) temporäres Sequester; Herbart um 1813 Aphorismen (I 554) Philosophie als Studium, das man treibt und weglegt, als temporäre Beschäftigung, entgegengesetzt dem bleibenden, in Alles sich einfügenden Geiste der Philosophie; Schiller 1822—26 (S. W. XVI144) Um diese lokale, diese temporaire Verfassung dauerhaft zu machen . . . Die zufällige temporäre Hordenvereinigung wurde nunmehr zur ansässigen Nation ( K E H R E I N ) ; Goethe 1827-42 (W. XXIII 240) Das Schweigen temporair im Gegensatz der Gesprächigkeit des Mannes ( K E H R E I N ) ; ebd. XXV 106 Minna von Barnhelm ist die erste Theaterproduction von specifisch temporärem Gehalt (KEHREIN); Baader 1828 Uber die Vorzüge von Eisenbahnen 48 temporäre Vorrichtung einiger Baracken; 1829 Briefw. Ludwig /. u. Schenk 88 den temporären Aufenthalt in einem unserer Franziskanerklöster; Pückler 1841 Bildersaal III 145 Einige, die bloß temporair nach Griechenland commandirt waren; Steinmann 1843 Mefistofeles III 14 temporaire Ruhe und Frieden; Steffens 1843 Was ich erlebte VII 313 das Königreich Westphalen, dieses temporäre Phantom; 1843 (Biensfeldt, Cramer-Klett 12) die Belletristik als die minder ernste, aber schönere Darstellung allgemeiner oder temporärer Wahrheit als ein zugänglicheres Mittel und Produkt der Bildung; Humboldt 1845-50 Kosmos (1 254) Die temporäre, oder die endliche und völlige Ruhe ( K E H R E I N ) ; Marr 1846J. Deutschland I 294 und ihnen alsdann nur die Nothwendigkeit einer, wenigstens temporaren Zusammenwirkung und gegenseitigen Unterstützung klar darzuthun; 1850 Fontane-Lepel Briefw. I 272 Einer von uns Beiden muss an temporärem Wahnsinn leiden; Fallmerayer 1853 Fragmente I 9 friedliche Besetzung Stambuls durch die Russen — sei es temporär oder bleibend; Bucher 1855 Parlamentarismus 193 temporäre Entfernung aus dem Amte; Hermann 1870 Staatswirtschaftl. U. 90 Viele und die 'wichtigsten Bedürfnisse' sind dauernd, andere temporär. Unter die

letzteren gehört die Hilfe, welche die Jugend in der Erziehung, das hohe Alter in spezieller Pflege bedarf. Auch Krankheit und Armuth gehören unter die temporären Zustände; Berlepsch 1875 Schweizerkunde 311 Kraniche . . . nur als Passanten . . . nehmen nie temporären Aufenthalt; Schumpeter 1918 Aufs. z. Soz. (Reg.) temporäre Zufallsvergesellschaftung; 1929 Ehekultur H. 2 Frigide Naturen sind diejenigen, denen schon temporär der Fortpflanzungswille fehlt, denn er ist durch andere lebenswichtige Momente unterdrückt worden; Jerusalem 1935 Staat 168 Anm. temporären Untertanenschaft; Kesten 1957 Geduld 5 Im Dezember 1940 kam ich aus Europa — der temporären deutschen Hölle mit dem Notausgang in Lissabon (MÜLLER); Fraenkel 1957 Staat 263 (Fibü) die Verfassung von 1795 . . . ließ lediglich temporäre Spezialausschüsse zu, die mit der Erledigung der ihnen übertragenen Aufgaben automatisch zu Ende kamen ( M Ü L L E R ) ; Silberschmidt 1958 Entwicklung 18 Sklaverei und temporäre Hörigkeit gehören zum Bilde Amerikas; Wolf 1961 Menetekel 271 Falls sie nicht in einer sinnlosen Verzweiflung, in einem temporären Wahnsinnsanfall, etwas Unwiderrufliches begangen hat (MÜLLER); Stuttgarter Ztg. 8. 7. 1966 sogenannte temporäre Schutzmassnahmen, wie Lawinenwarndienst und Sperrung der Hotelterrasse ausser acht gelassen; FAX 8. 3. 1968 Als Beispiel nannte Risser die Erhöhung der temporären Rabatte für bestimmte Abmessungen von Breitflanschträgern; Offenburger Tagebl. 30. 5. 1969 Für Walzdraht haben einige Unternehmen an der Ruhr und für Bandstahl einige saarländische Gesellschaften ihre temporären Rabatte leicht zurückgenommen . . . So wurden die temporären Abschläge für Betonstahl und warmgewalzte Feinbleche teilweise zurückgenommen.

temporell: Reichenbach 1784 Beyträge I 35 temporeller Nutzen; Soden 1805 National-Ökonomie 1153 der temporelle Stillstand der BeschäftigungsArt . . . bei Maurern und Zimmerleuten; ebd. 1806 (II 44) die temporellen Monopole; 1812—30 Briefw. G-Z. II 204 temporelle Beziehung; Goethe 1827-42 (W. XXXIII 23) Daß die Alten ihren Homer nicht zu local und temporell studirt haben, als es sich gehört (KEHREIN).

temporisieren V.(in)trans., im späteren 16. Jh. über gleichbed. frz. entlehnt Form

aus

von)

mlat. lat.

temporizare

tempus,

'zögern,

—» T e m p o ) ;

verweilen'

meist

leicht

(zurückgehend

abwertend

temporiser auf

verwendet

(flekt. in

der

v e r a l t e n d e n B e d . 'in k l u g e r V o r a u s s i c h t , g e s c h i c k t e r B e r e c h n u n g a b w a r t e n , z ö g e r n ; sich in E r w a r t u n g eines g ü n s t i g e r e n A u g e n b l i c k s z u r ü c k h a l t e n ; A u s f l ü c h t e s u c h e n ,

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Tendenz

lavieren', vereinzelt für 'aufschieben'; auch, bes. im politisch-diplomatischen Bereich und häufig subst. verwendet, für 'sich nach den Zeitumständen, -Verhältnissen richten; den Mantel nach dem Wind hängen' (vgl. —» Tempo 1); dazu das im 19. J h . vereinzelt nachgewiesene Verbalsubst. Temporisierung, gleichbed. mit seit frühem 17. Jh. bezeugtem, aus gleichbed. frz. temporisation entlehntem, veraltetem Temporisation 'Aufschub, Verzögerung auf bestimmte Zeit' und 'Opportunismus'. temporisieren: 1562 Zimm.chron. II 590 gedulden und temporisiern; ebd. III 232 und wiewol es weislicher gewest, Stil geschwigen und temporesiert; Londorp 1614 Acta Puhl. 138b bis zu anderer bequemerer gelegenheit zu temporisieren (alle DWB); Neumayr 1620 v. d. Neutralität G 4" der jenige/so sich neutral gehalten vnd temporisiret hat; Opitz 1633 briefl. (Quellen G. geist. Lebens I 664) und müssen die armen leute das böse wort temporisiren anietzo; Chemnitz 1653 schwed. Krieg II 61' die zeit mit verdrieslichem temporisiren zubringen (DWB); Callenbach 1715 Q 30 Die jetzige Juris Prudenz muß lernen temporisiren; Bom 1784 briefl. (Wiener Freunde 33) wir noch eine Zeit lang werden temporisiren müssen; Schiller 1822-26 (S. W. VI 117) Du kannst nicht länger Ausflucht suchen, temporisiren (KEHREIN); 1831 Briefw. Ludwig I u. Schenk 196 die so heftig befehdete Sache des Königtums. Da hilft kein Klügeln, kein Temporisiren; Schlesier 1836 Obd. Staaten 33 Zuerst lehrt alle Politik, daß man temporisiren müsse; Ranke 1839 G Ref. (II 20) Auch der Kurfürst Friedrich der Weise war nicht fähig, nachdrücklichen Widerstand zu leisten. Wir kennen diesen Fürsten schon, sein Temporisieren, seine Abneigung, persönlich hervorzutreten, einzugreifen; Boretius 1871 Friedrich d. Gr. 31 Dieselbe Wahrheitsliebe spricht sich aber auch in dem Handeln Friedrich's aus. In der Art, wie die beiden

ersten schlesischen Kriege und später die Promenade des bairischen Erbfolgekrieges beginnt, ist durchaus nichts von Temporisieren und Lavieren; Gutzkow 1875 (46) Säkularbilder (VIII139) Wenn in diesem Falle der Handwerker oder Fabrikant temporisiren könnte, wenn sein Reservekapital . . . noch übrig bliebe; Friedeil 1927 Kulturgesch. I 146f. [Rudolf II.] war es in der Tat, der Kanevas geschaffen hat, nach dem Österreich gross geworden ist. . . er ist der Urheber der Austria-nubePolitik und . . . der Erfinder jener Taktik des „Temporisierens", Lavierens, Hinhaltens, halben Versprechens, die sich . . . für . . . Habsburg so erfolgreich erwiesen hat; ebd. 1928 (II 292) im klug lavierenden Zuwarten oder, wie man damals sagte, „Temporisieren"; Pirchegger 1937 Deutschösterr. III 68 Daher konnten dringende Fragen durch Jahre nicht entschieden werden, was der Neigung des Kaisers nur entsprach; er war ja für das „Temporisieren" \Jünger 1958Jahre 42 dass in der Führung der politischen Prozesse das Temporisieren eine Hauptrolle spielt. Temporisation: Londorp 1621 Acta publica I 957h temporisation (DWB); Moscherosch 1643 Geschichte II 125 Temporisation (JONES). Temporisierung: 1870 Staats-Wb. risierungssystem.

XI681

Tempo-

Tendenz F. (-; -en), Ende 18. J h . , eventuell unter Einwirkung von gleichbed. engl, tendence, tendency, frz. tendance, aufgekommen, zurückgehend auf lat. tendere '(aus-)spannen, -strecken, -dehnen; auf etwas hinlenken, -richten, abzielen; (sich) wohin richten, wenden; nach einem Ort streben, zu gelangen suchen; auf etwas hinarbeiten, nach etwas streben, für etwas tätig sein; sich zu etwas hingezogen fühlen, zu etwas neigen'; l a häufig pl. verwendet in der Bed. 'Streben einer Entwicklung in eine bestimmte Richtung, sich abzeichnende allgemeine Entwicklung(-slinie, -srichtung); erkennbare (Vorwärts-)Bewegung, -Strömung; (Ziel-) Gerichtetheit', bes. auf (geistes-)geschichtliche Vorgänge bezogen, auch '(einer Sache oder Person innewohnender) charakteristischer Hang, Zug, Neigung' (vgl. —> Trend), häufig als Grundwort in Zss. wie Zeit-, Grund-, Verfalls-, Preis-, Rechtstendenz; b seit spätem 19. J h . fachspr. im kaufmännischen Bereich für 'Neigung der Börsenpapiere zum Steigen oder Fallen; Entwicklung der Kurse;

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Tendenz

Grundstimmung an der Börse' (vgl. —» Trend), in Zss. wie Tendenzwechsel, -besserung. Dazu seit späterem 19. Jh. (gebucht 1871 bei Sanders) die adj. Ableitung tendenziell, anfangs vereinzelt auch tendentiell, für 'einer allgemeinen Entwicklung, Tendenz entsprechend, gemäß; der Tendenz nach; in eine bestimmte Richtung gehend, weisend; entwicklungsmäßig; nicht ins Detail gehend, ungefähr, im Ansatz, dem Sinne nach'. 2 Gleichzeitig im Bereich von Kunst und Literatur, vorwiegend sing, verwendet in der Bed. 'bewußte Verfolgung eines Zieles, Anliegens (durch ein Kunstwerk); (in ein Kunstwerk hineingelegte, darin entwickelte, propagierte) moralisch-religiöse, politische, soziale o. ä. Lehrmeinung; zweckbestimmte, -gerichtete Darstellungsweise; weltanschaulich-ideologische Aussage, Bestrebung; Zweck(-gerichtetheit), Absicht', von Verfechtern einer „ideologiefreien, reinen" Kunst abwertend gebraucht im Sinne von 'von außerliterarischen Interessen gelenkte, parteiische, tendenziöse Kunstauffassung', als Bestimmungswort in Zss. wie Tendenzliteratur, -stück, -schriftsteiler; in neuester Zeit schlagwortartig im Bereich der öffentlichen Meinungsbildung und Medien in der Bed. 'weltanschaulich-ideologische Ausrichtung einer Institution, Organisation o. ä.', in Zss. wie Tendenzbetrieb 'Unternehmen, das einer ideellen, nicht kommerziellen Bestimmung dient', Tendenz(-schutz-)klausel, -paragraph 'gesetzliche Regelung, die Einschränkungen der Arbeitnehmermitbestimmung in Tendenzbetrieben vorsieht', und allgemeiner verwendet für 'einseitig parteiliche Färbung', als Bestimmungswort in Zss. wie Tendenzbericht, -presse, -politik; dazu seit Mitte 19. Jh. die adj. Ableitung tendenziös, vereinzelt tendentiös, meist abwertend für 'eine bestimmte weltanschauliche Tendenz enthaltend, deutlich zeigend, erkennen lassend, dadurch beeinflußt; gefärbt, parteilich, parteiisch; absichtlich in einer bestimmten (der Wirklichkeit nicht entsprechenden, die Gegebenheiten verzerrenden) Weise darstellend, dargestellt, um etwas zu erreichen; eine politische, religiöse o. ä. Lehre entwickelnd; zweckgerichtet'. Dazu die im 19. Jh. selten nachgewiesene adj. Ableitung tendenzlos 'entwicklungs-, orientierungslos' (zu 1 a) und 'zweckfrei' (zu 2) mit der dazugehörigen subst. Ableitung Tendenzlosigkeit; seit früherem 19. Jh. (gebucht 1838 bei Heyse) die wohl als Rückbildung zu Tendenz aufzufassende verbale Ableitung tendieren V.trans mit den Präp. zu, nach, in der Bed. 'zu, nach etwas (hin-)streben, -neigen, in eine bestimmte Richtung streben' (zu la) und 'sich im Kurs entwickeln' (zu lb). Tendenz l a : Forster 1791 Kl. Sehr. 163 daß wenn Plato die Dichter aus seiner Republik verbannt wissen wolte, eine der jetzigen gerade entgegengesetzte Tendenz seines Publikums ihm zu diesem Urtheil Anlaß gegeben habe; Müller 1792 Herr Th. IV 5 Eine gemeinschaftliche Tendenz; Schiller 1792 -93 Kallias (H. IX 191) Soll also eine poetische Darstellung frei sein, so muss der Dichter „die Tendenz der Sprache zum Allgemeinen durch die Grösse seiner Kunst überwinden, und den Stoff (Worte und ihre Flexionsoder Konstruktionsgesetze) durch die Form (nämlich die Anwendung derselben) besiegen" . . . Die Natur des Mediums dessen der Dichter sich be-

dient, besteht also „in der Tendenz zum Allgemeinen", und liegt daher mit der Bezeichnung des Individuellen . . . im Streit; Herder 1793 Br. (17) 27 sondern die ewige Tendenz der waltenden lebendigen Kraft geht dahin, aus dem schädlichsten Gift die kräftigste Arznei zu bereiten; Schiller 1794—1805 Br. III 124 Sie gewöhnen mir immer mehr die Tendenz ab, vom Allgemeinen zum Individuellen zu gehen (KEHREIN); Goethe 17941805 Br. II 191 Wenigstens ist die demokratische Tendenz eines so rein aristokratischen Quellwassers einzig in ihrer Art ( K E H R E I N ) ; Schiller 1794 (17) 448 geht die Tendenz des Gemüts mehr auf Begriffe als auf Anschauungen; ders. 1795

Tendenz Dichtung (H. XII 145) Wenn daher der Realist in seinen politischen Tendenzen den Wohlstand bezweckt; ders. 1796 Nutzen (H. XII 1S6) Der sinnliche Trieb . . . Diese Tendenz unserer Begehrungskraft . . . steht mit unserer sittlichen Bestimmung im Streite; Herder 1796 Br. (18) 20 So unentbehrlich dem Menschen diese Tendenz nach dem Vortreflichsten und Vollkommensten ist; 1798 Athenäum I 2, 56 Die Französische Revoluzion, Fichte's Wissenschaftslehre, und Goethe's Meister sind die grössten Tendenzen des Zeitalters; Görres 1800 Polit. Sehr. I 58 müßte die Tendenz des Ganzen ebenfalls eine intellectuelle . . . werden; Brun 1806 Episoden I 241 und man kann selbst eine etwas genauere Wirtschaft nur greifen, deren Resultat eine allgemeine Tendenz zu stiller prunkloser Wohltätigkeit ist; Jung-Stilling 1808 Geisterkde. 142 er empfindet das, wofür seine Seele eine Tendenz hat; Steffens 1817 gegenwärtige Zeit I 28 Haupttendenzen der ganzen Entwicklung der germanischen Geschichte; Lötz 1822 Staatswirthschaftslehre II 19 muss fremdes Eigenthum . . . nach dem Wesen und der Grundtendenz des bürgerlichen Lebens doppelt heilig seyn; Schiller 1822-26 (S. W. XVIII 61) Beim ersten Anblick scheint nichts einander mehr entgegengesetzt zu sein, als die Tendenzen dieser beiden Triebe (des sinnlichen Triebes und des Formtriebes), indem der eine auf Veränderung, der andere auf Unveränderlichkeit dringt (KEHREIN); Queillon 1828 Vermittlung 1102 Die doppelte Tendenz des Zeitalters, Alles zersetzen und zergliedern zu wollen, und den Gefühlen, als wären sie Schwächen oder Gebrechen der menschlichen Natur, den Krieg zu erklären, hat auch einen nachtheiligen Einfluss auf die Religion ausgeübt; Wit v. Dörring 1830 Fragmente I 48 aber dennoch glaubte er im ganzen Benehmen Rußlands eine entschieden unfreisinnige Tendenz mit vielen Consequenz durchgeführt zu entdecken; Ranke 1835 Briefwerk 271 inneren Umwandlungen der geistlich weltlichen Tendenzen der Welt, wie sie von Epoche zu Epoche erschienen; ders. 1836 Gespräch 38 Alle die Staaten, die in der Welt zählen und etwas bedeuten, sind erfüllt von besonderen, ihnen eignen Tendenzen . . . Vielmehr sind jene Tendenzen geistiger Art, und der Charakter ihrer Mitbürger wird dadurch bestimmt, ihnen . . . aufgeprägt; Schlesier 1836 Ohd. Staaten 23 den öffentlichen Frieden zu sichern, Gesellschaft und Staat auflösende Tendenzen zurückzuweisen und das Vertrauen wieder herzustellen; Bismarck 1849 Br. 145 der Antrag ist schlecht in seiner Tendenz; Ranke 1854 Epochen W. G. IX 2, 4 dass diese grossen geistigen Tendenzen, welche die Menschheit beherrschen, sich bald auseinander erheben, bald aneinander reihen. In diesen Tendenzen ist aber

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immer eine bestimmte particuläre Richtung, welche vorwiegt und bedingt, dass die übrigen zurücktreten; ebd. IX 2, 7 Ich kann also unter leitenden Ideen nichts anderes verstehen, als dass sie die herrschenden Tendenzen in jedem Jahrhundert sind. Diese Tendenzen können indessen nur beschrieben, nicht aber in letzter Instanz in einem Begriff summiert werden . . . Der Historiker hat nun die grossen Tendenzen der Jahrhunderte auseinanderzunehmen und die grosse Geschichte der Menschheit aufzurollen, welche eben der Complex dieser verschiedenen Tendenzen ist; ebd. IX 2, 233 Ich würde als leitende Tendenzen unserer Zeit aufstellen: die Auseinandersetzung beider Principien, der Monarchie und der Volkssouveränität; Lotze 1857 (III 328) Wirkungstendenzen der Seele; Suttner 1896 High-life 69 Jeder Gedanke ist eine Tendenz zur That; sobald zwischen Vorstellung und Ausführung kein Hindernis, keine Gegenvorstellung eintritt, verwirklicht sich die Idee; Büchner 1898 Sterbelager 183 trotz allem Fortschritt der Wissenschaft . . . eine Neigung reaktionärer Tendenzen auf fast allen Gebieten menschlichen Seins und Denkens; Waetzoldt 1905 Kunstwerk 9 Nach Fechner steht das gesamte Naturgeschehen unter dem Prinzip der „Tendenz zur Stabilität"; Becker 1914 Deutschland 7 die historischen Tendenzen der russischen Politik; Lissauer 1919 Aufs. (I 51) ästhetischen und politischen Tendenzen der gegenwärtigen literarischen Jugend; Federer 1926 Papst 327 ein belesener . . . Mann von leisen liberalen Tendenzen (WDG); Spranger 1927 Lebensformen 407 Es scheint, als ob eine „Kultur" in gleichem Sinne eine geistige Entwicklungstendenz in sich trage, wie wir es von der Entwicklung der Lebensstufen des Individuums behaupten; 1929 Handb. d. Englandkunde II 119 Tendenz zur Rationalisierung; Sombart 1930 Nationalök. 274 Unter Tendenz können wir verstehen: ein in die Zukunft projiziertes Geschehen; Gallian 1934 österr. Soldat 99 Zerstörungstendenzen; Bertololy 1941 Heimkehr 25 denn der Strom des Lebens, die Tendenz aller Entwicklung zog unaufhaltsam und alles mitreissend vorwärts, der Zukunft, dem Neuen entgegen; Neue Ztg. 1. 3. 1950 Diese Pariser Zeichnungen sind sogenannte „Tendenzskizzen". Sie geben charakteristische Züge der kommenden Mode wieder, ohne auf Details einzugehen; Englert-Faye 1952 Goethe 133 [wirtschaftliche] Sicherungstendenz; 1956 Kluckhohn-Festschr. 151 Begriffe wie „Schule", „Richtung", „Strömung", „Tendenz"; Wandruszka 1956 Haus 15 innere Problematik des Habsburgerreiches, dessen Aufbau und Herrschaftsidee . . . mit den „Zeittendenzen" im Widerspruch stand; Sieburg 1963 Paris 35 die Widerstandskraft des Parisers gegen die

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Tendenz

standardisierende Tendenz der Großstadt ist gewaltig ( M Ü L L E R ) ; Auto 8 (1965) 21 Ganz unvermittelt aber kehrt sich diese Tendenz um . . . Durch die Reifenwahl läßt sich dieser Tendenz entgegenwirken ( M Ü L L E R ) ; Münch. Merkur 20. 7. 1967 Eine Umfrage ergab, daß bei vielen Firmen in Nordrhein-Westfalen Aushilfsstellen dem Rotstift zum Opfer fielen. Eine „rückläufige Tendenz" melden Niedersachsen und Bremen; Offenburger Tagebl. 15. 9. 1967 Einen nachhaltigen Konjunkturaufschwung in allen Ländern der Sechsergemeinschaft sagte der französische Vizepräsident der Europäischen Kommission . . . voraus [und] erklärte . . . daß die Wiederbelebungstendenzen in der Bundesrepublik ihren Ausgang nehmen; Fotomagazin 8 (1968) 16 Auch auf Fotoausstellungen ist diese Tendenz spürbar ( M Ü L L E R ) ; Offenburger Tagebl. 28. 10. 1970 Tendenzänderungen (Uberschr.) Baden-Württemberg erlebte ein hochpolitisches Wochenende. Parteitage von C D U und SPD . . . setzten deutliche Akzente; FAZ 6. 11. 1970 Als gefährlich bezeichnete er auch die zunehmenden sozialistischen Tendenzen in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. tendenziell: Süddtsch. Ztg. 15. 3. 1951 Politik tendentiell sinkender Preise; Becher 1955 Macht d. Poesie 33 da das, was tendenziell zweifellos richtig ist, sich nicht unmittelbar verwirklicht ( W D G ) ; Fraenkel 1957 Staat 377 Die Schwankungen entstehen durch das tendenzielle Auseinanderklaffen der Sparentscheidungen des Volkes und der Investitionsentscheidungen der Unternehmer (MÜLLER); Naumann 1958 Soziologie Einltg. XXI tendenziellen Regelmässigkeiten; Stuttgarter Ztg. 28. 8. 1963 Der Systemwechsel werde überall in der Wirtschaft Anpassungsprozesse in Gang setzen, deren Verlauf tendenziell die Gefahr allgemeiner Preiserhöhungen mit sich bringt; Adorno 1963 Prismen 76 [der moderne Sport] ähnelt den Leib tendenziell selber der Maschine an (MÜLL E R ) ; FAZ 14. 10. 1970 tendenziell steigend (Uberschr.) In den großen Verbraucherländern der westlichen Welt ist damit zu rechnen, daß die Preise für den Rohstoff Mineralöl steigende Tendenz haben werden. Tendenzlosigkeit: Burckhardt 1844 Br. II 139 von der totalen Tendenzlosigkeit des Lebens . . . welche im Amüsement und in der Industrie aufgegangen ist. tendieren: Lettenbaur 1927 Morgen 165 Das blühende Wirtschaftswesen des Landes tendiert zum Frieden unter den Völkern; ebd. 251 Die Interessen der Teile tendierten offenbar immer gegen das Ganze; Bäumler 1934 Männerbund 41

Die Gesellschaft tendiert zum Wohlstand; Geopolitik 11 (1934) 238 [des] Deutschen Reiches, das nach dem Westen tendierte; Guggenheim 1961 Heimat 32 Wie es Emil Staiger . . . geschrieben hat, tendiert unsere Romanliteratur von der allgemeinen objektiven Darstellung . . . mehr zu speziellen persönlichen, von der Objektivierung zur Subjektivierung; 1964 Tagesztg. DDR o. S. In welche Richtung tendiert das berufliche Interesse der Stadt- und Landjugend? ( W D G ) . Tendenz 1 b: 1867 Brutzer 233 eine Tendenz zum Fallen [an der Börse]; Schiebe 1869 Kaufm. Corresp. 9 Saflor hat steigende Tendenz (beide S C H I R M E R , Kaufmannssprache); 1930 Arnholds Wochenber. Nr. 15 o. S. Seit dem letzten Tendenzbericht, der an dieser Stelle noch . . . gegeben wurde, sind die Veränderungen zahlreicher Kassenwerte doch recht beträchtlich gewesen . . . Die Tendenz der Börse unterlag in den letzten Tagen mehrfachen Schwankungen; ebd. 7. 2. 1931 wie überhaupt Schiffahrtsaktien im Einklang mit der Allgemeintendenz Kursbesserungen aufwiesen; ebd. 14. 2. 1931 Es läßt sich jedenfalls keineswegs mit Gewißheit behaupten, daß dieser Tendenzumschwung eine börsentechnische Erscheinung ist; ebd. 28. 3. 1931 Insgesamt war damit also die Tendenz der Börse besonders zum Schluß der Woche an fast allen Märkten als durchaus zuversichtlich und freundlich zu bezeichnen; ebd. 19. 9. 1931 Die Tendenz blieb schwach und selbst die sonst übliche Angleichung der Kurse an höhere Kurstaxen . . . wurde vielfach vermißt; Lokal-Anz. 15. 3. 1933 Der weitere Verlauf brachte aber dann eine ganz entschiedene Tendenzbesserung; 1963 Tagesztg. BRD o. S. Die Tendenz [am Rentenmarkt] war ausgesprochen freundlich ( W D G ) ; Offenburger Tagebl. 15.2. 1967 Tendenzwende an der Börse möglich (Überschr.) Zeichen der Stabilisierung; FAZ 28. 12. 1971 Ein Tendenzwandel . . . stellte sich mit der Jahreswende 1969/70 ein. tendieren: Stuttgarter Ztg. 4. 2. 1963 Die zuvor noch freundliche Grundstimmung schlug zwar um, auch die ausländischen Plätze tendierten überwiegend leichter, die Kundschaft blieb aber relativ besonnen, so daß sich die Kurseinbußen in mäßigen Grenzen hielten; 1966 Tagesztg. BRD o. S. Die meisten Wertpapierbörsen der Welt tendieren schwächer oder zumindest zurückhaltend (WDG). Tendenz 2: 1802 Eunomia II 192 Was wären unsere meisten Theater ohne Souffleur, und unsere Schriftsteller ohne die Stichwörter: Humanität, Synthesis, Subjectivität, Kritik, Tendenz, Catego-

Tendenz rie, Zeitalter, Geschmack; Börne 1833 Br. aus Paris III 267 In Jarke's antirevolutionairem Tendenzblättchen \]äger 1835 F. Schnabel 18 Der Burschenschaft war er abgeneigt, da er für ihre Tendenzen, wie für Politik überhaupt wenig Neigung fühlte . . . das von dieser Verbindung gebieterisch verlangte Keuschheitsgesetz, die von den Bessern gebotene Mäßigkeit, Friedfertigkeit und Vermeidung des Duells; Pückler 1840 Bildersaal I 397 Unmöglich kann ich mich enthalten . . . Folgendes hinzuzufügen, was aus meiner Seele gesprochen und überdem der Tendenz dieses Buches so ganz analog ist; Herwegh 1840 Ged. II 123 Ich will keine Tendenzpoesie. Das Ewige ist immer Tendenz; Burckhardt 1842 Br. an Schreiber 59 die Einseitigkeit der Gegenwart, dass sie nun eine Tendenzpoesie und eine Tendenzkunst hat. Man fordert jetzt vor allen Dingen in letzter Instanz ein politisches Interesse. Wer es mit der Geschichte ehrlich meint, wird zu einer Geschichte mit Tendenz nie unbedingt Ja sagen; Witzleben 1842 Mitt. 96 dass in Deutschland nur folgende Zeitschriften eine gefährliche Tendenz haben \Jarcke 1844 Br. an Eichendorff 59 Von Tendenz- und Kontroverspoesie (die ich, mit Einschluss der Katholiken, auch nicht mag) ist keine Spur in diesen Stifterschen Novellen; Auerbach 1857-58 Sehr. III 146 'das bild gewinnt eine tiefe tendenz'. bleib' mir vom leib mit deiner tendenz, entgegnete der maier, die menschen haben den teufel zur weit hinausgejagt, aber den schwänz haben sie ihm ausgerissen und der heiszt tendenz (DWB); Haym 1859 (Ges. Aufs. 79) ein Tendenzstück im grossen Stile; Vischer 1861 Krit. Gänge N. F. II 55 Goethe's schwache und matte Versuche gegen die Revolution; doch diese Stücke sind eben Tendenzpoesie, Shakespeare's Stück verdient nicht einmal diesen Namen; 1862 Briefw. Burckhardt-Heyse III daß auch das beste historische Drama heutigen Tages nicht mehr durchschlägt, sondern bei Seite gelegt wird, sobald der Tendenzphilister seine Rührung daran gehabt hat; Schmidt 1871 Bilder II 228 moralische Tendenz des RomanJ; ders. 1873 Bilder III 238 dass die Zeit von 1848-1866 für den politischen Tendenzroman günstiger war als die gegenwärtige, gerade weil die letztere politischer ist; Gutzkow 1878 Longinus 21 Du machst in „Tendenz", du dienst dem blossen Theaterbedürfnis!; Fischer 1891 LG Schwabens I 65 romantischen Tendenzschriften; Fontane 1894 Br. II 2, 315 [daß] der ganze streitsuchende Krimskrams . . . von Tendenz und Nichttendenz hinter mir liegt; A. D. B. 43 (1898) 777 der katholische Tendenzromancier Philipp Wasserburg; Eucken 1903 Aufsätze 226 landläufigen Erzeugnisse der konfessionellen Tendenzliteratur; Schmitz 1911 Brevier 329 Tendenzkunst . . . die sich mit irgendwelchen

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revolutionären oder sozialen Tendenzen verbündet; Dtsch. Rundschau 158 (1914) 154 zugleich Kulturbild und Roman, Tendenzwerk und Porträtgalerie sein zu wollen; 1924 Deutschlands Erneuerung 309 Darum ist es ein ungerechter Vorwurf, wenn man seiner Regierung solche Konsequenzen andichten will; das ist nichts anderes als parteipolitische Tendenzmacherei; Wassermann 1928 Maurizius 137 Herr von Andergast beugte sich ein wenig vor . . . voll der geheimen Tendenz, dem Vater unerwartet Neues über den Sohn zu sagen (WDG); Friedeil 1928 Kulturgesch. II 227 religiösen Tendenzprozessen gegen die Hugenotten; 1928 Querschnitt 335 Seine jetzige Berühmtheit fußt auf seinen Tendenzwerken, die aber, trotz ihrer Zugehörigkeit zur sozialdemokratischen Partei, keine ausgesprochene Parteirichtung haben; Berl. Illustr. Nachtausg. 4. 3. 1933 Kommunistisches Tendenzstück verboten (Uberschr.); 1934 Börsenbl. f . d. dtsch. Buchhandel 767 Wenn bei der Beurteilung eines Werkes die Bemerkung geäußert wird: „Das ist ja Tendenz!", so ist damit immer ein abfälliges, verneinendes Urteil verbunden. Tendenzdichtung in diesem Sinne ist eine solche, die stark vom Zweck bestimmt wird und in der die Werbung für irgendein Gebiet, sei es politischer, religiöser oder sonstiger Art, vorwaltet; Morgen 1936 Kriegspropaganda 47 Tendenznachrichten sind Nachrichten, die subjektiv gefärbt sind; H. Mann 1951-56 (XI 270) Wer Tendenz nicht will, ist immer nur gegen das Vorwärtsgerichtete (WDG); SUddtsch. Ztg. 12. 7. 1952 Streitobjekt „Tendenz-Betrieb" (Uberschr.) Pressefreiheit und Mitbestimmungsrecht / Heikle Fragen, die der Klärung bedürfen. Unter einem „Tendenz-Betrieb" kann sich ein normaler Sterblicher schwerlich etwas vorstellen, es sei denn, er ist zufällig Zeitungsverleger oder Experte des Betriebsverfassungsrechtes. Bei dem Wörtchen Tendenz denkt man ohnehin an steigende oder fallende Preise, an politische oder sonstige „Ausrichtung" . . . Im Bonner Entwurf zum Betriebsverfassungsgesetz gibt es die folgende Bestimmung über TendenzBetriebe: „Auf Betriebe, die politischen, gewerkschaftlichen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen, künstlerischen und ähnlichen Bestimmungen dienen, finden die §§ 67 bis 76 keine Anwendung . . ." Die zitierten Paragraphen befassen sich, wohlgemerkt, mit dem wirtschaftlichen Mitbestimmungsrecht; Brecht vor 1956 Sehr. z. Theater 1155 Jedes Drama, das nicht nur die Tendenz hat, Geld zu machen, hat irgend eine andere Tendenz (WDG); Offenburger Tagebl. 9. 12. 1970 Der Hauptvorstand der Industriegewerkschaft Druck und Papier hat sich . . . erneut für die ersatzlose Streichung des bisherigen Tendenzschutzparagraphen ausgesprochen; FAZ 16.

Tender

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10. 1971 Tendenzschutz soll sich auch auf Zeitungsbetriebe erstrecken (Oberschr.) In der Tendenzklausel des vorgesehenen Betriebsverfassungsgesetzes hat der Arbeitsausschuß des Bundestages jetzt ausdrücklich auch Betriebe und Unternehmen erwähnt, die unmittelbar oder überwiegend Zwekken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung dienen. tendenziös: Mündt 1857 Pariser Kaiserskizzen 165 [das französische Theaterpublikum] das die Fähigkeit besitzt, seinem Theater gemäß auch aus ideellen und tendenziösen Pointen zu schöpfen; Prems. Jahrbücher 1 (1858) 328 Ist die Richtung, der hier das Wort geredet werden soll, tendenziös, so ist sie verurtheilt. Denn ächte Wissenschaft ist absichtslos und wahrheitsliebend; Koch-Sternfeld 1861 Bayern u. Tirol. Vorr. V tendentiöse Wissenschaft und Geschichte; Katscher 1886 Nebelland 185 mit durchsichtig tendenziösen Geschichten; 1910—11 Literar. Echo 52 Tendenziöse Kunst; 1922 Deutschlands Erneuerung 604 tendenziöse Darstellung; Wassermann 1928 Maurizius 415 [seine Beteuerung] klang eigentümlich tendenziös oder warnend (WDG); Lokal-Anz. 14. 10. 1934 Hinzukam, daß sie als NichtSpanier viel unter ten-

denziösen Machenschaften der spanischen Aufsichtsbehörden zu leiden hatten; ebd. 25. 10. 1934 daß sehr vieles, was in den ausländischen Zeitungen geschrieben wird, tendenziös ist; LemetHolenia 1964 Vertauschte Briefe 87 die . . . tendenziösen Veränderungen des tatsächlichen Wortlauts (WDG); Offenburger Tagebl. 9. 7. 1970 Was „tendenziös" ist, wird auf dem Verwaltungsweg entschieden und dem verantwortlichen Redakteur drohen sechs Monate bis zwei Jahre Gefängnis . . . Jede Kritik an der Regierung [in Peru] ist mit hohen Strafen bedroht, „tendenziöse" Berichterstattung über die Entwicklung der Agrarreform kann mit fünf Jahren Gefängnis bestraft werden; FAZ 5. 8. 1971 Mit solchen, nicht zuletzt in der zeitlichen Optik verzerrten tendenziösen Darstellungen ist niemandem gedient; Mannh. Morgen 27. 9. 1978 wer noch Ausgaben der Nazizeit gerettet hatte, konnte nur ernüchtert erkennen, wie tendenziös häufig Auswahlen verfälscht worden waren. tendenzlos: Gottschall 1885 Totenkl. 255 Paul de Koch schildert tendenzlos Leben und Sitte; für Ida's Darstellungsweise kann man nur den Ausdruck „sanglant" gebrauchen.

T e n d e r M . ( - s ; - ) , im f r ü h e r e n 1 9 . J h . ( g e b u c h t 1 8 3 8 bei H e y s e ) e n t l e h n t aus

gleichbed. engl, tender

(gekürzt aus attender

'Pfleger; Aufwärter', zu attend

'acht-

g e b e n ; p f l e g e n , ( a u f - ) w a r t e n ' ) ; a in d e r B e d . ' a n eine ( D a m p f - ) L o k o m o t i v e

ange-

koppelter Begleitwagen o d e r angebauter Behälter für den K o h l e - und W a s s e r v o r rat', heute selten; b gleichzeitig auch für '(kleines) Begleitschiff, - b o o t ' , meist z u r Uberbringung größeres

von

Passagieren,

Gepäck,

Nachrichten,

Proviant

o . ä.

an

ein

(Linien-)Schiff.

Tender a: 1844 Nachweisung Eisenbahnbau Baden 79 Tender; ebd. 239 Tenders; Hackländer 1847 Werke VI 238 Hinter der Locomotive kommt der Tender; Scholl 1853 Führer des Maschinisten 263 Der gewöhnlichen Locomotive ist ein für den Wasser- und Coaksvorrath eigens gebauter Wagen, Tender genannt, beigegeben; Heine 1856 Reise um die Erde II 19 Die Locomotive, Tender, Personenwagen . . . machten das Ganze zum hübschesten Modell, das ich noch je gesehen; Plessner 1873 Lokalbahnen 13 Tenderlokomotive; Langewiesche 1933 Abenteuer 200 Der Dampf, der aus dem Zylinder seitlich herausschießt, verdeckt mir den Blick auf den Handgriff am Tender, den ich fassen muß; ebd. 202 Auf der untersten Sprosse bleibe ich stehen, wohlverborgen zwischen Tender und Postwagen . . . Auch für diese Maschine kommt der

Heizer an jeder Station auf den Tender gestiegen zum Abfüllen. Tender b: 1890 (Baumgarten 1928 Wanderfahrten 88) Endlich, als auf das Glockensignal auch der letzte Nichtmitreisende das Schiff verlassen hatte und auf dem Tender wieder nach Bremerhaven zudampfte, hob eine Dampfmaschine den Anker und langsam setzte sich die Schraube in Bewegung; Laverrenz 1902 Winterfahrt 42 Gegen '/ 2 9 Uhr warfen wir auf der Reede von Boulogne sur mer Anker, um den französischen Tender, der uns einige Passagiere an Bord bringen und den Lotsen mitnehmen sollte, zu erwarten ( K L U G E , Seemannssprache); Ziegler 1902 Unter der HapagFlagge 197 Ein schleunigst gecharterter Tender bringt die letzten Passagiere an Bord ( K L U G E ,

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Tennis Seemannssprache); Konen 1912 Reisebilder 7 wenn der kleine Tender den Schiffsgoliath vom Land wegzieht; Stuttgarter Ztg. 5. 6. 1961 da in der Nähe des Tankers mehrere Tender-Neubauten der

Bundesmarine liegen; FAZ 13. 3. 1971 Dagegen sei ein sowjetischer Unterseeboot-Tender . . . noch immer im Seegebiet der Inselrepublik.

T e n n i s N . ( - ; o h n e P I . ) , im frühen 19. J h . entlehnt aus gleichbed. engl, ( < mittelengl.

ten(n)es,

tenetz

v e r m u t l i c h a u s a l t f r z . tenez,

als B e z e i c h n u n g

f ü r ein t e n n i s ä h n l i c h e s

2 . I m p e r a t i v v o n tenir

' n e h m e n , halten', z u lat.

halten');

tennis-court

n a c h g e w i e s e n , als B e z e i c h n u n g f ü r ein B a l l s p i e l , bei d e m z w e i S p i e l e r

Spielerpaare,

spanntes

Netz

die

sich

voneinander

auf englische Verhältnisse b e z o g e n ,

tenere

'(gespannt) oder

anfangs

tennis

Ballspiel,

in e i n a n d e r getrennten

gegenüberliegenden, Spielfeldern

o f t in d e r

durch

befinden,

nach

ein

Zs.

querge-

bestimmten

Regeln einen Schlagball mit einem Schläger über das N e t z hin- und z u r ü c k s c h l a g e n , häufig

als

Bestimmungs-

und

Grundwort

in

Zss.

wie

Tennisschuhe,

-platz,

-Schläger, -turnier; Hallen-, Rasentennis und Tischtennis als Bezeichnung für ein d e m T e n n i s ä h n l i c h e s , a u f e i n e m T i s c h a u s g e t r a g e n e s S p i e l , b e i d e m d i e P a r t n e r m i t h ö l z e r n e n , b e s c h i c h t e t e n S c h l ä g e r n e i n e n Z e l l u l o i d b a l l ü b e r e i n in d e r M i t t e d e s Tisches befestigtes N e t z h e r ü b e r - und hinüberschlagen, auch Spiker 1818 Reise II 45 Ein Theil des Hofes ist zu einem grossen Ballplatze (tennis-court) eingerichtet; Pückler 1828 Verstorbener I 90 Diese Ruine liegt in dem Park des Herrn Bulkley, welcher sehr unpassend ein Tenniscourt (Ballspiel) darin angelegt hat; Adrian 1829 London 347 Das Boxen in Handschuhen (Sparring) im Tennis-court . . . ist gewöhnlich zahlreich besucht (alle B E N N E T T ) ; .Kohl 1844 bnt. Inseln III 359 Die berühmtesten englischen Ballspiele sind aber: Bowling, Racket, Tennis, Cricket; ebd. III 361 Tennis mit Schlägern gespielt; 1887 Grenzboten I 217 Football und Tennis, Cricket und Rudersport; 1902 Dtsch. Mädchen-Buch 10 Tafel-(Tisch-)Tennis oder PingPong; Key 1904 Liebe (Übers.) 363 das erotische Tennisspiel — das . . . die Ehen stiftet oder stört wird von Sommerluft und Müssiggang begünstigt; Heinroth 1906 Enttäuschungen I 71 [eines] kleidsamen Tenniskostüms; Emmerig 1908 Dariusbrief der Tennisballgeschichte (Titel); Knoop 1909 Br. 182 junge Mädchen in Tennisschuhen und ein Raket unter dem Arm; Bloem 1910 Sommerlt. 73 Den unverbrauchten Energieüberschuß ihrer stählernen Leiblichkeit tobte sie in halsbrecherischen Ritten, stundenlangen Radpartien, endlosen Tennistournieren aus; Voss. Ztg. 13. 10. 1926 In Budapest, wo sich das Tischtennis größter Beliebtheit erfreut, wurde die Saison eröffnet; Kircher 1927 Fair Play 80 der weibliche Tennischampion; 1928 Die Dame 2. Okt. 'h. 8 Dirigenten zuzusehen ist mindestens so interessant wie Tenniscracks; Voss. Ztg. 21. 7. 1929 Beim Tennismatch ist es so

'Pingpong'.

ähnlich wie im Kinotheater; je weiter hinten man sitzt, desto klarer und übersichtlicher das Bild; ebd. 4. 12. 1929 In französischen Tenniskreisen erwägt man die Möglichkeit, die fünf besten Tennisamateure gegen die fünf besten Tennisprofessionals zur Feststellung^der größeren Spielstärke kämpfen zu lassen; Berl. Illustr. Nachtausg. 20. 12. 1929 unsere ehemalige Meisterin wird sich an dem Kölner Hallentennis-Turnier beteiligen; B. Z. am Mittag 28. 3. 1930 Tennis-Cracks in Wien (Uberschr.) Der Wiener Parkclub hat sich für die ihm zur Durchführung übertragenen internationalen Tennismeisterschaften von Österreich . . . die Teilnahme von Cilly Aussem . . . gesichert; Voss. Ztg. 30. 12. 1930 Kurz vor Jahresschluß geben auch Belgien und Rumänien ihre Tennisranglisten bekannt; Geissler 1930 Weiss 7 Karl Hornberg und die Dame sind im Tennisanzug; ebd. 111 Da liegt der Brief, den sie an den Tennisklub geschrieben hat; ebd. 119 Deshalb sind um die zehnte Morgenstunde die Tennisplätze noch ziemlich leer; Voss. Ztg. 9. 8. 1931 Die kühnsten Optimisten hatten es nicht vor Beginn unseres Tennischampionats in Hamburg sich träumen lassen, daß die Meisterschaften . . . eine derartig sensationelle Steigerung erfahren würden; Mein Magazin 26. 12. 1931 EisTennis — ein neuer Wintersport; Berl. Illustr. Nachtausg. 9. 2. 1932 Der deutsche Tennisprofimeister Rüßlein brachte Tilden abermals eine Niederlage bei; Lokal-Anz. 5. 9. 1933 Angelgerät, Tennisschläger, Bücher, Kleidungsstücke und alle Journale . . . liegen im wilden Durcheinander her-

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Tenor

um; ebd. 25. 9. 1934 [daß] der vorjährige Weltmeister Nüßlein brachte Tilden abermals eine Meisterschaften der deutschen Tennislehrer in Berlin teilnahm; SUddtscb. Ztg. 25. 9. 1950 BadenBaden hat das Privileg, 1884 das Tennis in Deutschland eingeführt zu haben; ebd. 9. 5. 1951 nachdem Deutschlands „Tennis-Botschafter" . . . im DavisCup zu Zagreb gegen Jugoslawien mit einem eleganten Schmetterball das 3:2 sicherstellte; Münch. Abendztg. 20. 6. 1953 Die „Gesetzten" von Wimbledon sind verärgert. In der „Tennisburg" von London droht ein Streik; SUddtscb. Ztg. 5. 1. 1961 Der letzte Schrei in der Tennismode ist der Tennis-Dreß aus Papier; Offenburger Tagebl. 22. 7. 1964 Obwohl es schon im Mittelalter Ballhäuser gab . . . dauerte es noch einige Jahrhunderte, ehe die Geburtsstunde des modernen

Tennis schlug; ebd. 29. 7. 1964 zumal da BadenBaden mit dem T C „Rot-Weiß", der sich zunächst Lawn Tennisclub nannte, den ältesten Tennisclub Deutschlands besitzt; FAZ 8. 3. 1969 Als sehr gut aussehender, zärtlicher Idealist . . . Tenniscrack und Sportwagenfahrer . . . suche ich das attraktive Pendant (Anzeige); ebd. 27. 6. 1970 Dennoch legt man,unter den Tennisspielern immer noch großen Wert auf eine gewisse Abgrenzung zu anderen Massensportarten; ebd. 14. 4. 1971 Die Einladung einer amerikanischen Tischtennismannschaft . . . für einige Freundschaftsspiele war eine der hoffnungsvollsten Meldungen; ebd. 15. 11. 1971 Der . . . Trainer der deutschen „Tennis-Twens" muß sehen, wie er das Beste daraus macht; ebd. 7. 2. 1972 Washington und Moskau beunruhigen sich nicht, da sie sich Ägypten wie einen Tennisball zuspielen.

Tenor 1 M. (-(e)s; Tenöre), PI. früher und regional noch -e, im frühen 15. J h . entlehnt aus mlat. tenor, ital. tenore 'Hauptstimme, die die Melodie hält; Melodie, Weise; hohe Männerstimme' ( < lat. tenor, —> Tenor 2 ), anfangs in der Form Tenur; zunächst in der mehrstimmigen Musik für '(Lage der) Haupt-, Ausgangsstimme, die im cantus firmus den Melodieteil trägt und der die anderen Stimmen zugeordnet werden' (vgl. —» Diskant; vgl. —» Tenor 2 ), von daher zur Bezeichnung der zweituntersten Stimme, der tiefen Mittellage (zwischen Alt und Baß im vierstimmigen Chor), dann auch im Instrumentalsatz und der dafür ausgeschriebenen Notenvorlage, gelegentlich auch bildlich verwendet; dann zur Bezeichnung der hohen Männerstimme, der (männlichen) Stimmlage und -qualität, die im allgemeinen den Bereich zwischen dem kleinen c und dem eingestrichenen g umfaßt und bes. für 'Opernsänger, der die Tenorpartien auf der Bühne singt' (Helden-, Operrettentenor; lyrischer T e n o r ; Tenorbuffo, -bariton), auch bildlich verwendet im Sinne von 'Star-, erste Besetzung'. Dazu im 15./16. J h . die aus gleichbed. mlat. tenorare entlehnte verbale Ableitung tenorieren, auch tenerieren, 'die Tenorstimme singen', selten bildlich verwendet; daneben die Anfang 17. J h . aus gleichbed. mlat. tenorista entlehnte veraltete Personalableitung Tenorist 'Tenorsänger'. Tenor: Hugo v. Montfort vor 1423 (XVI 12) die vogel singent überal quint und quart mensur mit mangem suessen lieben schal, etlicher halt tenur (DWB); ebd. XXVIII 17 tenur und discantieren (DWB); 15. Jh. Fastn. Sp. 362, 1 ich kan tenor dritt stim, discant (DWB); Eyb 1472 Philogenia 138 groben noten des tenors sollen mein sein; Ringwald 1506 Tr. Eck. D 6b [man muß] alt, tenor und bassum habn, wenn man ein stück nach rechten ziel mit vollen stimmen singen wil (DWB); Virdung 1511 Musica N 1' Dz man die zu flöten brauchnn mag / es sey Tenor / baßcontra . . . discant / nach den du aber acht 16cher auf 8 flöten hast; 1528 Braunschw. SO I 34 de deme cantor helpen singen tenor, bass, alt; Logau vor 1655 (II

5, 39) man wiehert den discant, man brüllet den tenor (DWB); Grimmelshausen 1669 Simplic. II 409 dergleichen mehr klägliche wort heulete er gleichsam in einem pass daher, sein weib schrie einen erbärmlichen tenor darunter (DWB); J. G. Jacobi 1774 (III 208) diese arie, im tenor gesungen, überraschte mich sehr (DWB); Kindleben 1779 Schluterius 41 wohlklingende Tenorstimme; Zelter 1796-1832 briefl. an Goethe 276 das liedchen ist . . . dreistimmig für zwei [ersten und zweiten] tenore und bass (DWB); Goethe 1812 Br. (W. XXIII118) Tenorpartien singen; Iffland vor 1814 theatral. Laußahn LVII 5 Reichards urtheil über diesen herrlichen tenor (DWB); Gutzkow 1850— 52 Ritter VI 193 der mann musz zweiten tenor, die

Tenor frau zweiten sopran sprechen, das ist das wahre duett der liebe (DWB); Wickede 1854 Kriegsleben 130 Heldentenor; Szavardy 1852 Paris I 253 da diese [die Stellung der Regierung] sowohl von der Constitution, als von der Nationalversammlung als Gesamtheit gefährdet wird, ist die Rolle des ersten Tenors der halbofficiellen Blätter auch eine Schwierige geworden. Bei den Oppositionsblättern vertritt der Hauptredacteur auch die Stelle des ersten Tenors und schreibt die Premier Paris über allgemeine Politik; Heinse 1857 Hildeg. 11 die bässe und tenore (DWB); Burckhardt 1870 Br. an Preen 15 eine sehr ausgezeichnete Gesellschaft. . . ein Tenor . . . hors ligne; Freytag vor 1895 Ges. W. VII 77 der zweite tenor, der im hause . . . bisweilen ein lied sang (DWB); Dombrowski 1920 System III 40 In einer badischen Nachwahl ging er, ohne eigentlichen Wahlkampf, siegend durchs Ziel . . . Ein Heldentenor war er nicht. Ein paar Mal spitzte er sich . . . auf einen Ministersessel. Aber jedesmal ging der süße Kelch an ihm vorüber; 1928 Handb. d. Frankreichkunde I 208 bewegen sich die bis zu schnatterndem oder keifendem Parlando verlebendigten Zusatzstimmen des „Mottetus" und „Triplum": zum „Tenor" (als dem Halter des melodischen Themas) der „Discantus" (Abspalt-Gesang) und der „Contra"; A. Zweig 1935 Einsetzung 454 während ein zweitklassiger Sänger mit Schmalz im Tenor anhub (WDG); Siiddtsch. Ztg. 24. 7. 1953 Die gestrige 19. Etappe von Briancon nach Lyon (227 km) überließen die „Tenöre", wie die Asse genannt werden, ihren Vasallen; Offenburger Tagebl. 25. 8. 1971 Tenor-

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saxophonist sucht Anschluß an Beat-, Tanz- oder Rock-Band (Anzeige). tenorieren: 15. Jh. Fastn. Sp. III 1409 die ain [Frau] der andern tenorirt, darüber die ander tischandirt mit quinten und mit quarten (DWB); Wickram 1556 Pilg. T 2 die nachtigall süs tenoriert (DWB); Rot 1571 Dictionanus 355 Tenerirn, Die allgemein stimm singen / die man den Tenor nennt / das ist die haltent stimm / nach der sich die andern richten sollen. Tenorist: Prätorius 1619 Syntagma mus. II 15 So ist / jedoch meines ermessens, solche höhe den Cantoribus vocalis Musicae, sonderlich den Altisten vnd Tenoristen sehr vnbequem / vnd offtmals fast vnmüglich zuerreichen; ebd. III 138 Also / daß wenn ein Bassist alleine in die Orgel singet / so mus der Organist die Cadentien auch im Bass, singt ein Tenorist, so muß er sie im Tenor machen; Kuhnau 1700 Musikal. Quacksalber 9'Em andrer, nahmentlich Herr Nachtwächter, der Tenoriste, dachte, es müste bey einem so frembden Künstler die Rede noch künstlicher gesetzet werden; Schubart 1774 Deutsche Chronik 104 Herr Valepi, der Likomedes im Singspiele, ist ein vortreflicher Tenorist, singt aber etwas asthmatisch und gepreßt; Matthisson 1825 Sehr. II 246 herr, St. Aubin, ein beliebter tenorist (DWB); Kompert 1859 Selbstlaut (VII 224) Der Prämiant der Klosterschule in der böhmischen Kreisstadt ist ein Tenorist geworden, den nach dem Zeugnisse . . . der vorzüglichsten Gesangslehrer die Theaterdirektoren mit schwerem Golde aufwiegen werden.

T e n o r 2 M. (-s; ohne PI.), Anfang 17. Jh. entlehnt aus lat. tenor 'ununterbrochener Lauf, Fortgang, -dauer; Zusammenhang, Sinn, Inhalt; Ton einer Silbe; (An-)Halten' (zu teuere '(fest-)halten'), vom 18. bis ins 20. Jh. nur gebucht, erst in jüngster Zeit wieder belegt in der Bed. 'Wortlaut; (Haupt-)Inhalt, Sinn; Grundgehalt, -tendenz, -Stimmung, -ton, -zug' eines (Gesetzes-)Textes, einer Äußerung o. ä. (Grundtenor), im Rechtswesen präzisiert zu der Bed. 'entscheidender, verfügender Teil eines Urteils, Urteilsformel' (Urteilstenor). Kirchhof 1602 Milit. disc. 78 Vnd wirdt darnach vom FeldewSybel nach einem Fühler auff künftigen Monat erstlich vmbgefragt / derselbige aufgeschrieben / genennet / gemehret / von ihm vnnd den andern / den neuwen Befehlhabern gedancket vnd nach dem vberigen umbgefragt, auff den tenor und form / wie im Anfang hiervon angezogen; ders. 1602 Wendunmut II 229 ihm . . . untersagt ward, auf die maß und tenor solcher bursch gebreuchlich; 1677 Alsfelder Stadtschul-Visitationsabscheid (M. G. P. XXVII 163) nach Tenor der

mehr besagten fürstl. legum; Democritus 1697 Orcodoxia 67 solche Werk / die ein Heuchler . . . nach dem äusserlichen tenor des Gesetzes auß eigener Wahl verrichtet; Hildesheimer 1953 Paradies 118 Bühls Gedichte hatten . . . jenen quälenden Tenor angenommen (WDG); 1966 Neue Justiz o. S. Die Urteilsgründe können allenfalls für die Auslegung des Tenors herangezogen werden, ihn aber nicht ersetzen (WDG); 1970 Einheit o. S. Dabei ist der Tenor zuweilen . . . auf Pessimismus gestimmt (WDG); FAZ 2. 7. 1970 In seinen auf

156

Termin

einen kriegerischen Tenor abgestimmten Reden der letzten Tage hat sich Nasser erneut . . . eindeutig auf die Rückgabe aller okkupierten Territorien festgelegt; ebd. 23. 11. 1971 Der Tenor der ägyptischen Zeitungen ließ gleichwohl erkennen, daß die ägyptische Führung noch nicht

alle Hoffnung auf diplomatische Lösungsversuche aufgegeben hat; Mannh. Morgen 18. 1. 1979 Der bitter polemische Tenor seiner Bücher und deren intellektuelle, scharf sezierende Sprache brachten ihm [Arno Schmidt] beim Publikum keinerlei Erfolg ein.

Termin M. (-(e)s; -e), früher auch N. und PI. - und -es, Ende 13. Jh. aufgekommen, über mlat. terminus '(abgegrenzter) Bezirk, Bereich, Gebiet; Grenze, Ende, Ziel; festgesetzter Zeitpunkt, (Zahlungs-, Gerichts-)Tag; Abgrenzung, (Begriffs-)Bestimmung, Begriff, Definition' zurückgehend auf lat. terminus 'Grenzzeichen, -stein, -marke und die damit bezeichnete Grenze; Ende, Ziel; der den Grenzmarken vorstehende Gott', bis ins 20. Jh. gelegentlich in der lat. (flekt.) Form, vgl. —> Terminus; vgl. vom 13. —15. J h . selten nachgewiesenes Term(e) 'Grenze, Grenzstein', im 17. J h . unter frz. Einwirkung vereinzelt für 'Zeitpunkt'; a in der allgemeinen Bed. 'zeitliche Grenze, festgesetzter Zeitpunkt, Tag', häufig als Grund- und Bestimmungswort in Zss. wie Abreise-, Räumungs-, Sendetermin; Terminkalender, -plan; termingebunden, -gerecht, zuweilen auch für '(begrenzter) Zeitraum, Frist', speziell in der Kaufmannssprache für '(durch Vertrag oder Vereinbarung festgelegter) Zahlungs-, Liefertag' (Liefer-, Zahlungs-, Vertragstermin; Termingeschäft 'Börsengeschäft, das nicht bei Vertragsabschluß, sondern zu einem späteren Zeitpunkt, aber zum gleichen Kurs erfolgt'), früher vereinzelt auch für '(bis zu einem bestimmten Zeitpunkt fällige) Zahlung'; in der Rechtssprache in der Bed. 'Gerichts(-verhandlungs-)tag, Stichtag' und 'auf einen bestimmten Zeitpunkt anberaumte Gerichtsverhandlung, Vorladung vor eine Behörde' (Lokal-, Gerichts-, Scheidungs-, Sühne-, Verhandlungstermin); überaus häufig in Syntagmen wie einen Termin einhalten, etwas auf einen späteren Termin verschieben, einen Termin haben 'zur Verhandlung geladen sein' und 'angemeldet sein', z. B. beim Arzt, zum Termin erscheinen, etwas im (ersten, zweiten) Termin verhandeln und ugs. einen Termin schaffen, umwerfen, einen Termin platzen, auffliegen lassen, auch in bildungsspr. verwendeten lat. Syntagmen wie terminus ad quem 'Zeitpunkt, bis zu dem etwas gilt oder ausgeführt sein muß, Endpunkt' und terminus a quo 'Zeitpunkt, von dem an etwas beginnt, ausgeführt wird, Ausgangs-, Anfangspunkt'; dazu seit späterem 17. Jh. die adj. Ableitung terminlich 'einen/den Termin betreffend; an einen Termin gebunden, termingerecht', seit Ende 18. Jh. die adj. Ableitung terminweise 'zu einzelnen Terminen (fällig, zahlbar)', in neuester Zeit die vereinzelte adj. Ableitung termingemäß 'termingerecht' und die Personalableitung Terminer M. (-s; -) 'Angestellter eines Industriebetriebes, der für die Ermittlung der Liefertermine und für die zeitliche Steuerung des Produktionsablaufs verantwortlich ist', b Vom 16. Jh. bis ins 18. Jh. in der Bed. 'Grenze, Schranke; Endpunkt, Ziel', auch in der Wendung in Terminis bleiben 'in Schranken, Grenzen bleiben'; c im 17./18. Jh. selten im Sinne von 'Zustand, in dem sich jmd./etwas in einem bestimmten Zeitraum befindet', bes. in der Wendung in (bestimmten) Terminis stehen. Termin a: 1297 Augsbg. 165 setzen das termin; 1321 Münster 1515 na den termyne der betalinghe; 1401 Hildesheim 19 den terminum holden (alle

M Ö L L E R ) ; um 1450 Algonsmus Rat 279 Terminrechnung; Hug 1495 — 1533 Villinger Chronik 174 Item die schaczing, die zugesagt ward von allen

Termin Stenden in der lantfogtygm ward iedem sin termin uffgelegt; /525 (Germ. XXVIII 405) einen tag und termin ernannt und angesetzt (HEYNE); Luther 1542 Tischreden V156 die Juden hatten ihre gewisse termin, wie sie freien solten; 1542—46 Hofordnung Joachims II (Hass 80) die termin, wann die schulde und pfandschafften an den hauptsummen auszugeben [sind]; 1546 Notariat u. Rhetorik 125b hab ich wider auch Ladung oder Citation zu geben erkant, und dem Cläger nachfolgend rechtlich Termin angesetzt; Schmeltzi 1551 Samuel 744 Ja wenn darauff wolt harren der feind / Wir wollen vmb verbündtnuss bittn / Vnd ob vns solchs wirdt abgeschnittn So begern wir ein klein Termin / In dem so wöll wir schicken hin / In alle Flecken Israel / Das sie zu hilff vns kummen schnell;Schwartzenbach 1554Synonyma. Formular Blh Anfaenglich. Auff die ersten zeit / auff das erste zil / vff den ersten Termin; Mathesius 1562 Sar. 26" fordert er sein gelihen gelt auf den ersten termin wieder auf (DWB); Termineus 1565 Processus 12 zu einem ieglichen rechtlichen termin geladen; Knaust 1566 Müntzhüchlin 16h Hielte sichs aber also, dass auff die bezalung kein eigentlicher tag oder Terminszeit gesetzet were; Dilbaum 1577 Januar A4" [das Getreide] auff Versicherung vnd erschwingliche Termin . . . dargeben ; 1589 Frantzös. Zeittung 7 der Termin seye so kurtz, dass wo er nicht eilete, were zubesorgen, er möchte nicht bey Zeiten ankommen ; Rasch 1590 Neu Kalender C1 auff die yeblische termin oder zahlzeit; Eyzinger 1590 Relationen I 32 dem angesetzten peremptorial oder amtlichen Termin; Mangold 1597 Markschiffs Nachen B4h Wann die Ladung nicht reichen wil, Daß sie den Termin oder Zill, nicht halten können; 1598 (Aretin 1839 Bayerns auswärt. Verh. I Urkd. Bd. 6) Terminen, oder zahlungsfrissten; 1605 (Hohenzollern Jahrbuch 2 (1898) 32) den Termin do die Schiff einlauffen sollen; Pape 1605 Jonas 67° der Termin ist vor der Thür; Sattler 1607 Orthographia 109 Allen rechtlichen terminen auss: vnd abwarten; ebd. 243 Der angestellte Termin ist zu kurtz; Walterssweyl 1608 Beschr. e. Reiss 36b Vnd so jhnen der Termin jhres Verruckens Kundt gethan, mag sich ein jeder widerumb auff dass zuruckraisen nach Tripoli, mit Brot versehen; Fröreisen 1613 Wolken (Übers.) 169 dieweil schon herbey kompt jetzund Der termin und die letzt zahl woch Und die Zinss stets fortgehen noch; 1637— 45 Instruktionen 383 khanst du dich bis auf den dritten monat soldt mit drey termin zu bezahlen erkleren; Chemnitz 1647 Schwed. Krieg II 18" der angesetzte termin des cristags . . . war verstrichen (DWB); 1648 (Dtsch. Ztg. 17. Jh. 172) Ihre Käyserl. Majest. haben den Land Ständen eine gewisse Summa Gelds zu erlegen auff gewisse Ter-

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mins-Zeit, als Lichtmessen, Georgi vnnd Pfingsten des 1648. [Jahres] destinirt; Duez 1652 Nomencl. 59 die zeit oder das termin der bezahlung ist verfallen; Abele 1654 Gerichtshändel I 130 daß Dionysius, nach verfliessung des vorgesetzten termins, Fug und Macht haben sol; Maria Anna v. Bayern 1654 Decretum Alh aines oder des andern bestimbten zahlungs Termins; Hilarius Lustig v. Freudenthal nach 1650 Lieder-Buechlein 153 Nun hab ich mich ergeben, gleich wie ein Gfangner thut, nach allem Gluck zu leben, obs schon auch kost mein Blut: setz weiter kein Termin, wann ich sie nicht mehr sehe, so ist mein Leben hin; Warmund 1664 Geldmangel 618 In Betrachtung dessen/und des gemeinen Nutzens halben, in fürfallenden strittigen Berg-Sachen/Weitläufftigkeit/ so etwan in protestiren/ oder Aufschiebung der gerichtlichen Terminen; 1668 (Sammig. wirzburg. Landesverord. I 271") der gesetzte respective viertheil- und halbjährige Terminus; Riemer 1679 Maulaffe 161 hatte ich mir wol vorgenommen . . . noch vor dem Morgenrothe aufzustehen; alleine der Termin war verschlaffen, und die Sonne schon aufgegangen; 1691 Pfalz 25" 10000. Gulden in Terminen zu geben; 1716 Württemberg. LandRecht 66 ein benandten Termin und Zeit anzustellen; Glafey 1736 Anleitung 164 Einen Termin anberaumen, um Anberaumung eines neuen Termins ansuchen, sind denen Practicis geläuffige Redens-Arten; Rösel 1746InsektenbelustigungI 22 nachdem sie ausgefüttert, erwachsen und an dem termin ihrer Verwandlung ist (DWB); 1752 Leipziger Sammlungen VIII 151 einen Terminum a quo zu bestimmen; Michaelis 1772 Poet. Br. (Werke 1791 II 252) Berechne denn, eh' der Termin verfällt; Wezel 1775 Tob. Knaut III 44 der Termin zur Abreise [wurde] so kurz als möglich angesezt; ders. 1777 Erzählungen I 42 nach Verlaufe des anberaumten Termins erschien jeder; 1788 Journal v.u. f . Deutschland II 137 In dem angesetzten Termino; Goethe 1791 Großcophta III 2 die termine sollen richtig abgetragen werden (HEYNE); Lavater 1798-1800 (Nachgel. Sehr. I 214) Terminum a quo und ad quem; Buchholz 1821 Taschenb. 243 nach welchem der König von Schweden und Norwegen an Dänemark in zehnjährigen Terminen drei Millionen Thaler . . . bezahlen sollte; Gotthelf 1854 Schuldenb. 209 die fatalen termine erscheinen unerwartet, als wie vom himmel herab (DWB); Burckhardt 1856 Br. III 264 Wir leben halt Alle nur auf Termin in den Tag hinein; um 1870 Die Gartenlaube (Berlin) o. S. Ein ganz überflüssiges Fremdwort mit den allerverschiedensten Bedeutungen ist das Wort Termin. Wenn man z. B. sagt: ich muß zum Termin, so meint man damit: ich muß zum Gericht oder zur Gerichtsverhandlung oder etwa zur Versteigerung. Wenn man aber z. B.

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Termin

sagen will: am 1. Januar ist der letzte Termin, so heißt das auf deutsch: die letzte Frist; Strauß 1871 Br. an s. Tochter 180 Wir müssen nur bei Zeiten uns entschließen und den Termin bestimmen, damit ich bei dem vortrefflichen Wirth die Bestellung machen kann; Spitzer 1880 Wagn. 25 die sie zum bestimmten Termine pünktlich ablieferte; Voit 1881 M-G. 30 Terminskalender. In diesem werden alle periodischen und sonstig einverlangten Eingaben etc. vorgemerkt; Eckstein 1895 Hartwig 411 Pirkheim zog den Wechsel von vorgestern und einen zweiten, dessen Fälligkeitstermin auf den ersten Juni lautete, gleichmütig aus der Brieftasche; Polenz 1900 Liebe 257 Das Frühjahr war inzwischen herangekommen, mit ihm der Termin zu den Staatsprüfungen; Bernheim 1903 Methode (Reg.) Terminus ante quem und post quem; Technik u. Wirtschaft 5 (1912) 381 Die vollkommenste Form für diese Art von Geschäften ist der börsenmäßige Terminhandel; Hauptmann 1918 Ketzer V 533 Bei solchen Beängstigungen . . . verging der junge Priester vor Ungeduld, da der bestimmte Termin für den besonderen Gottesdienst auf dem Gipfel von Sant Agata nicht schnell genug herbeikommen wollte; Graf 1925 Gesicht 89 Manche Scheidungsprozesse ziehen sich jahrelang hinaus. Da gibt es Termine über Termine; Frankf. Ztg. 22. 10. 1927 Die Lebensmitteleinfuhr hat . . . wieder eine Verstärkung erfahren, die . . . auf die Terminabrechnungen in der Reiseinfuhr zurückgeht; Voss. Ztg. 21. 4. 1929 Besonders stark waren die Terminpapiere in Mitleidenschaft gezogen; Amholds Wochenber. 7. 2. 1931 Im Berliner Metallhandel sind lebhaftere Terminumsätze zu verzeichnen; Voss. Ztg. 28. 8. 1931 Für die Abwicklung der Termin-Engagements ist heute ein entscheidender Tag; Berl. Illustr. Nachtausg. 9. 6. 1932 [er] regte vielmehr einen öffentlichen Sühnetermin zwischen den Parteien an; Lokal-Anz. 21. 1. 1933 aber die Umgebung hat jetzt die Morgenstunde . . . als Abfahrtstermin in Aussicht genommen; ebd. 13. 3. 1933 Wegen des bevorstehenden Umzugstermins; Berl. Illustr. Nachtausg. 17. 3. 1933 in Anbetracht der drohenden Terminnot; Lokal-Anz. 19. 3. 1933 Es werden daher also im Regelfall die an diesem Tage anstehenden Termine [bei Gericht] aufgehoben; ebd. 22. 6. 1933 daß ein neuer Gütetermin erst auf seinen Antrag anberaumt wird; Münch. N. N. 15. 10. 1937 Terminjäger, der auch Lagerbuchführung übernimmt, von Fabrikationsbetrieb für sofort oder später gesucht (Anzeige); Süddtsch. Ztg. 7. 10. 1948 „Termin-Preise" für Schuhe (Uberschr.) Auf der Münchner Schuhmusterschau . . . wurde an den Einzelhandel meist mit zwei bis vier Monaten Lieferfristen verkauft; ebd. 30.131. 12. 1950 Der Terminkalender 1951 mit einer Vielzahl

großer Länderkämpfe; ebd. 14. 4. 1951 Terminbestimmung (Überschr.) Im Wege der Zwangsvollstreckung sollen im Amtsgericht . . . öffentlich versteigert werden (Anzeige); ebd. 22. 6. 1955 Die SPD sprach sich in einer Erklärung schärfstens gegen die „Terminhetze" aus; ebd. 22. 8. 1957 hui den Devisen-Terminmärkten wird die D M mit riesigen Reports . . . behandelt; Offenburger Tagebl. 9. 12. 1961 Macmillans „Terminschwierigkeiten" für einen Besuch in Bonn redeten für den, der hören kann, eine deutliche Sprache; FAZ 1. 9. 1962 Gesucht Terminbeamter für die Erstellung von Durchlaufplänen zur Steuerung großer, arbeitsintensiver Werkstücke (Anzeige); Frankf. Ztg. 31. 12. 1968 Wenn der Augenschein nicht trügt, dann sind zu diesem Jahreswechsel mehr Terminkalender verschenkt worden als je zuvor. Der Terminkalender jeder Größe und Spielart hat den früher bevorzugten kleinen Taschenkalender . . . in den Hintergrund gedrängt; Stuttgarter Ztg. 15.4. 1969 dann könnte man aus der Note vom 11. April mit Terminultimatum schließen, daß es sich . . . nun lohne, dieses Thema erneut in die politischen Auseinandersetzungen . . . zu werfen; FAZ 5. 5. 1970 Wir werden also eine Art „Terminhandel für jedermann" bekommen; ebd. 24. 7. 1971 Wenn in Moskau erst der Eindruck entstünde, für Eile sei in Bonn vom Sachlichen etwas einzuhandeln, verschärfte sich das Feilschen nur und dauerte es nur länger. Termine wollen wir nicht mehr hören. Term(e): Nicolai 1633 an Schwendendorff (Sonden 375) wegen der Zahlung gesetzten terme (JONES). terminlich: 1674 Dief.-Wülcker 873 die terminlichen 123 gülden; ebd. 1787 o. S. die herrschaftliche praestationen . . . terminlich erheben ( D W B ) ; Goethe 1827-42 (W. XIV 145) Wenn er ihnen eine terminliche Zahlung garantiert ( K E H R E I N ) ; Ludwig vor 1865 (1954) terminlich so viel [bezahlen] (DWB). termingemäß: Unruh 1958 Novellen 14 fragte, ob er nicht kürzlich termingemäß . . . die Order unterschriftlich bestätigt habe. terminweise: 1797 Handlungsbibl. 209 terminweise; Gotthelf 1854 Schuldenb. 19 er hat ihm . . . versprochen zu bezahlen, terminweise oder auf abkündigung ( D W B ) ; Ludwig vor 1865 (1954) terminweise bezahlen (DWB). Termin b: Paracelsus 1536 Wundartzney 1 IVh Was dem Artzet zu förchten sey, vnd was durch das hymlisch gestyrn gehindert wird, vnd wie weyt die vermüglichayt sein Terminum setzet; ebd.

Terminal II VIIh vnd das ist die kranckheyt die den terminum setzet, in wölchem der tod ist; ebd. II XXk dann nichts ist das sein terminum müg vberlebenn; Ambach 1544 Von Zusauffen CT Denn die wilden thierer erkennen das ziel, termin vnnd mass der natur, Die Trunckenboltz aber suchen am mann ein weyb, vnd am weib ein männlin; Federmann 1557 Reisen 29 termines, grentzen und gewarsame; Paracelsus 1570 Archidoxa G4° ewig ohne end bey vns zu bleiben/vnd das leben one ein Termin setzen; Federmann 1578 Petrarca a4° die termin vnd zile der Poesy in ein Regel zustellen; Schefßer 1664 Türcken Schrifft 18 eine wahre allgemeine kristliche Kirche setzen, das ist, wie die Lateiner reden, einen terminum a quo, oder eine Gräntze von der man abgefallen ist, machen; 1683 Leiermann 130 wenn es nur in Terminis geschiehet; 1683 Klatschmaul 39 Siehe da wolt ihr Weibergen auch Politische Klatschmäuler werden, bleibet doch in Terminis; 1694 Euclides 5 Das Eusserste, oder Rand, im Latein Terminus, ist eines jeden Dings letztes Ende; Rembold 1710 Perspectiva 1" Der Rand (Terminus) ist das äusserste von einer

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jedweden Sache; 1713 (1903 Festg. a. Heigel 396) [Sardinien] ist gleichsam ein Terminus Europae gegen denen Affricanischen Cüssten.

Termin c: 1609 Aviso Nr. 2 Bl. A2h stehen also die Sachen [Verhandlungen] noch in seltzsamen Terminis; ebd. Nr. 4 Bl. A4" Mit Königlicher Maytt. vnd den Evangelischen Stenden stehet es, noch in alten Terminis; 1621 (Aretin 1839 Bayerns auswärt. Verh. I Urkd. Bd. 126) Wann dann die Sachen zu diesen gefehrlichen terminis . . . gelangt; 1659 (Dtsch. Ztg. 17. Jh. 281) stehet es noch in vorigen terminis, und Continuiret die jetzige Regierung zwar annoch; 1661 (ebd. 183) [Ich] berichte, dass es mit Ihro Kaiserl. Majest. diensten, Gott lob, allerseyts in guten terminis. Der Friede bleibt in seinen Kräften; Weise 1673 Erznarren 211 dabey Florindo Brieffe von seiner Liebsten erhielt, doch kunte er alles so verbergen, daß man so eigentlich nicht wüste, in was vor terminis die Sache bestehen möchte; 1721-22 Discourse d. Mahlern 13 In diesen Terminis stehen wir nun heut zu Tag.

Terminal M., auch N- (-s; -s), im früheren 20. Jh. entlehnt aus gleichbed. engl./amerikan. terminal (zurückgehend auf lat. terminus, —• Termin); 1 meist M., im Verkehrswesen als Bezeichnung für einen Bahnhof, Flugplatz oder den Umschlagplatz einer Eisenbahn-, Lastkraftwagen-, Schiffs- oder Fluglinie, häufig in der Zs. Containerterminal, auch für eine Abfertigungshalle für Fluggäste, vereinzelt übertragen verwendet im Sinne von 'Endstation'. 2 Meist N . , in der elektronischen Datenverarbeitung als Bezeichnung für die von der zentralen Datenverarbeitungsanlage räumlich getrennte Datenendstadion. Terminal 1: Zischka 1936 Monopole 45 „Terminals", den Endelevatoren; MZ 20. 7. 1968 Container-Terminals für die Oberpfalz werden Wirklichkeit ( C A R S T E N S E N ) ; ebd. 16. 9. 1968 Inder 3. Stufe erhält Passau einen Container-Terminal ( C A R S T E N S E N ) ; Hamb. Abendbl. 29. 10. 1968 Die planmäßigen Containerzüge verbinden die Hafenplätze in Hamburg und den bremischen Hafen mit den binnenländischen ContainerTerminals in Frankfurt, Mannheim und StuttgartLudwigsburg ( C A R S T E N S E N ) ; Spiegel 23. 12. 1968 Container haben eigene Bahnhöfe: ContainerTerminals mit modernsten Krananlagen (CARS T E N S E N ) ; MZ 8. 2. 1969 Auf dem Terminal München, der . . . auf dem nördlichen Ladehof des Hauptbahnhofs installiert worden war ( C A R S T E N S E N ) ; Die Welt 5. 11. 1969 Aus den Schuppen 73 und 74 der Hamburg Amerika-Linie . . . am Kaiser-Wilhelm-Hafen soll in zweijähriger Bauzeit ein rampenloser Hapag-Terminal entstehen

( C A R S T E N S E N ) ; MZ 18. 12. 1969 Für diesen massiven Verkehr wird ein neues Terminal gebaut, in dem fünf Jumbos gleichzeitig abgefertigt werden können ( C A R S T E N S E N ) ; Süddtsch. Ztg. 5. 3. 1970 Und speziell für dieses Flugzeug bauten wir einen Terminal; Die Welt 15. 10. 1970 Ferner sollen Organisationsprobleme der Verkehrsabläufe bei den verschiedenen Verkehrsträgern und die an den Schaltstellen (Terminals) des Behälterverkehrs auftretenden Schwierigkeiten erörtert werden ( C A R S T E N S E N ) ; FAZ 28. 10. 1970 Der Abend . . . bringt das Züricher Ballett auf ein Niveau, das mit Vokabeln aus dem Bereich der Uraufführung dieses Programms am besten beschrieben werden kann: Terminal — eine Endstation, die ein Sackbahnhof ist, mit lauter verrosteten Abstellgleisen; N. Z. Z. 9. 4. 1971 In Muttenz ist ein „Terminal" für Lastwagen mit einem Zollamt in Betrieb genommen worden ( C A R S T E N S E N ) ; Spiegel 3. 11. 1975 mehr als die Hälfte der

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terminieren

gesamten Schiffstonnage . . . verkehren mittlerweise als Zwischenträger von den Öl-Terminals vor den Küsten zu den Häfen (CARSTENSEN); ebd. 14. 8. 1978 Behalten die Experten recht, so werden keine zehn Jahre nach dem Schiffstau in etlichen Nahost-Häfen leere Kais und unterbeschäftigte Container-Terminals zur Industrielandschaft der ölländer gehören (CARSTENSEN).

Terminal 2: Spiegel 9. 3. 1970 Interessenten aus den verschiedensten Fachgebieten könnten mit sogenannten Computer-Terminals, einer Kombination aus Bildschirm und einer Art Schreibma-

schine, die Information - gegen Bezahlung - von dort abrufen; WamS 19. 4. 1970 Außerdem offerieren wir die Reihe der UCC-HochleistungsTerminals, die dem Benutzer alle Möglichkeiten einer großen Computer-Zentrale bieten (beide CARSTENSEN); FAZ 26. 2. 1971 Er steuert entweder selbständig technische und wissenschaftliche Prozesse oder dient in Verbindung mit anderen IBM-Systemen als „intelligentes Terminal" mit Prozeßanschluß; ebd. 13. 10. 1971 Die gesuchten Angaben werden dann sofort über das Terminal ausgedruckt; Spiegel 17. 4. 1978 Diese Datensichtgeräte, sogenannte intelligente Terminals, erledigen Aufträge (CARSTENSEN).

terminieren 1 V.trans., um 1300 aufgekommen, über mlat. terminare 'begrenzen, bestimmen; sterben' zurückgehend auf lat. terminare 'be-, abgrenzen; be-, einschränken; nach einer festen Regel bestimmen; beschließen, beendigen'; a in der selten nachgewiesenen, bis ins 20. Jh. gebuchten Bed. 'etwas begrenzen, bestimmen' (vgl. —» Termin b), seit dem 16. Jh. vereinzelt auch für 'beenden'; dazu seit Mitte 19. Jh. die auf lat. terminalis 'zur Grenze, zum Ende gehörig' zurückgehende adj. Ableitung terminal in der Bed. 'das Ende betreffend, zum Ende gehörend; am Ende stehend, End-', fachspr. in Medizin, Botanik und Linguistik (Terminalschmerz, -knospe, -kette); in neuester Zeit der wohl aus gleichbed. engl, terminator übernommene Fachausdruck der Astronomie Terminator M. (-s; -en) 'Grenzlinie zwischen dem beleuchteten und dem im Schatten liegenden Teil des Mondes oder eines Planeten'; b seit späterem 19. Jh. (gebucht 1870 bei Heyse) in der Rechtssprache in der Bed. 'einen Termin oder Gerichtstag (ab-)halten', seit frühem 20. Jh. allgemeiner verwendet in der heute dominanten Bed. 'etwas zeitlich, terminlich festlegen, einen Termin (an-)setzen' und 'etwas befristen'. Dazu seit früherem 16. Jh. das aus gleichbed. lat. terminatio entlehnte, bis ins 17. Jh. auch in der lat. (flekt.) Form belegte Subst. Termination F. (-; -en) 'Begrenzung, Beendigung; Endung (eines Wortes, Verses)' (zu a) und 'Befristung' (zu b), in neuester Zeit das Verbalsubst. Terminierung F. (-; -en), vereinzelt 'Beendigung' (zu a) und häufiger 'zeitliche Festlegung; Befristung' (zu b). terminieren a: Braunschweig. Reimchronik um 1300 (22) dhe her dartzo hatte gheterminert ( M Ö L L E R ) ; Dt. Mystiker um 1340 (I 125) suzikeit, di der geist nicht gesprechen ader terminiren mac (DWB); Rivius 1548 Vitruv. 17t endet oder terminiert; Rot 1571 Dictionarius 355 Terminirn, Enden/zyllen/vollenden/etwas zum endt bringen; Furttenbach 1627 Halinitro-Pyrobolia 9 Terminierter weiss; ders. 1649 Mayer Hoffs Gebäw 5 terminirter vnd in wol nachgedenckender Manir . . . den Zirckel samt dem Lineal, terminirt gefürth; Leisewitz 1780 Tagebücher II 51 mit ihren französisch terminirten Kunstworten aus allen Wissenschaften, so falsch sie auch angebracht sind.

terminal: Schleiden 1842 Bot. I 71 Terminalknospe; Haeckel 1866 Generelle Morphologie II 137 terminale Knospung; Joel u. Frankel 1924 Cocainismus 47 terminalen Schlaf; Althaus/Henne/ Wiegand 1973 Lex. d. germ. Linguistik 202 Die syntaktische Information des Lexikoneintrags wird mit dem entsprechenden komplexen Symbol der präterminalen Kette verglichen und wenn Ubereinstimmung besteht, die lexikalische Einheit zusammen mit den übrigen Informationen in die präterminale Kette eingeführt; so ergibt- sich die terminale Kette,Spiegel 20. 2. 1978 Der „Terminalschmerz" läßt sich bisher nur durch Opiate beherrschen, wobei in Kauf genommen wird, daß der

terminieren Krebskranke in seinen morphiumsüchtig wird.

letzten

Lebenswochen

Termination: Ickelsamer vor 1537 Grammatic A3 endung vnd termination diser wörter; Rivius 1548 Vitruv. 3& Termination; Opitz 1624 Poeterey 184 masculinae terminationis; Winckelmann 1649 Bedencken 131 terminationes; Morhof 1700 Unterr. 19 frembde terminationes; 1721 — 22 Discourse d. Mahlern 34 Nur ist sorge zuhaben, daß ein solch neues Wort einen Thon und eine Termination habe; Mommsert vor 1903 Ges. Sehr. V 456 Der Begriff der Grenze fordert die mathematische den Erdboden schneidende Linie. Deren Feststellung ist die Termination; ebd. 458 Die Termination ist die Feststellung der Grenze, die Limitation. Terminierung: Stuttgarter Ztg. 21. 4. 1968 Großbritannien erlaubt auch, wenn auch erst seit kürzerer Zeit und ebenfalls mit gewissen Einschränkungen, die Terminierung einer Schwangerschaft. terminieren b: Csokor 1924 Schuss 76 Prüft man die Anklageschrift gegen Otto Eißler, die nach Einholung des psychiatrischen Gutachtens am 23. Februar 1924 für den zu Aprilbeginn terminierten Prozeß verfertigt wurde; 1926 Festschr. Nationalhibl. Wien Vorw. III infolge dringender terminierter anderer wissenschaftlicher Arbeiten; Offen-

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burger Tagebl. 23. 3. 1962 Die Zeit liegt falsch. Südwestfunk-Mittagsnachrichten gedankenlos terminiert (Uberschr.); ebd. 6. 11. 1971 die für Mittwoch terminierte nächste Verhandlungsrunde vorzubereiten; ebd. 16. 12. 1971 Der Mannheimer Oberbürgermeister . . . hat seinen bereits im Januar angekündigten Rücktritt im nächsten Jahr auf den 1. Oktober terminiert. Terminierung: Stuttgarter Ztg. 20. 3. 1959 in der Terminierung dieser immer riskanten Freilichtaufführungen . . . beweglicher und anpassungsfähiger geworden; ebd. 18. 10. 1961 Auch Wirtschaftsminister Erhard stellte sich noch einmal hinter eine Kanzlerschaft Adenauers und lehnte jede „Terminierung" ab; ebd. 29. 10. 1962 Der Vorstand der Bundespressekonferenz hat sich wegen der Aktion gegen den „Spiegel" telegrafisch an Bundesinnenminister Höcherl. . . gewandt und um „detaillierte Auskunft" über die konkreten Gründe und die genaue Rechtsgrundlage einschließlich der „Terminierung" der Aktion gebeten; ebd. 14. 4. 1969 Die Terminierung der Verhandlungsaufnahme für den 15. April oder . . . eines anderen nächstgelegenen Termins; Offenburger Tagebl. 4. 7. 1970 Es habe mit der Terminierung nicht hingehauen, er bedauere zwar auch die Duplizität der Sammlungen, hoffe aber, daß sie für D R K und SOS-Kinderdörfer trotzdem erfolgreich sein würden.

terminieren 2 V.intrans., Mitte 15. Jh. übernommen aus mlat. terminare in seiner Bed. 'in einem begrenzten Gebiet umherziehen' (zu terminus '(abgegrenzter) Bereich, Bezirk, Gebiet', —* Termin); in der nur noch historisierend verwendeten allgemeinen Bed. 'in einem bestimmten Gebiet, Land herumziehen, -reisen', speziell bezogen auf Bettelmönche für 'innerhalb eines zugewiesenen Gebietes Almosen sammeln', auch in den intensivierenden, meist pejorativ verwendeten Präfixbildungen aus-, durch-, ein-, herum- und umherterminieren; dazu schon seit späterem 13. Jh. nachgewiesenes, veraltetes, auf gleichbed. mlat. terminia zurückgehendes Subst. Terminei 'abgegrenzter Bezirk, Gebiet, Landschaft' und 'bestimmter Bezirk, in dem Bettelmönche Almosen sammeln durften', auch 'das Sammeln der Almosen' und 'Haus, Unterkunft der Bettelmönche', dafür vom 14. bis ins 19. Jh. gelegentlich auch Termin; seit Ende 13. Jh. das veraltete Subst. Termin(ier)er '(herumziehender) Bettelmönch', dafür auch Terminarius, Terminarier ( < gleichbed. mlat. terminarius) und Terminant ( < gleichbed. mlat. terminans). terminieren: 1442 Chronik d. dtsch. Städte III 378 [Der König] reit furbasz von Straspurgk . . . gen Bern in Uchtland . . . und terminiret also bisz nach sant Martins tag, do kam er wider gen

Osterreich (DWB); um 1490 Reformation Sigmundi J2b von den Betelörden so sy das almisen Verdienern auff dem terminieren die haben Mein hailtumb zu tragen; Luther 1526 Papstthum XIX

162

terminieren

18 Y m m alle landt man sie wol kent. Das macht y h r stets terminiren. Das volck sie schentlich v e r f ü r e n ; Waldis 1548 Esopus IV 22 ein m ö n c h thet zu eim dorf einkern, u n d wolt daselben terminieren, das er allda zusammen lasz ein schock oder zwei guter käsz ( D W B ) ; um 1550 (Schade, Satiren III 168) [ihnen] verbieten im ganzen bistüm zu . . . termenieren ( D W B ) ; Sachs vor 1576 (IX 460) [man] zog im das h e m b d von seinem nack, macht im drausz ein termanier-sack ( D W B ) ; ebd. XVII 328 t h u n nichts dann schlaffen, fressen und sauffen u n d terminiern, aufn land umb-lauffen ( D W B ) ; 1583 (Mitt. G. Erz'gesch. 2 (1892) 88) schwermens vnd terminierens auf der gassen; Wölfling 1796 Reise III 40 terminiren [der Kapuziner]; Immermann 1838 Oberhof 86 [auf] terminierenden Fahrten; Tietz 1859 Erinn. 128 Kapuziner, denen m a n . . . auf ihren Terminiergängen begegnet; Wagner 1870 Klosterleben II 335 ein terminirender Franziskaner; Stemplinger 1932 Jugend in Altbayern 73 einen terminierenden Kapuzinerfrater. aus terminieren: Kessler 1524—39 Sabbata 60 och die dörfer und Klainfugisten maijerhöf u m b schmalz, kes u n d aijer ussgeterminieret haben; Schumann 1559 N. 240 hette er schier auss geterminiert. durchterminieren: Simplicissimus 1669 (II 278) G a n z Deutschland durchterminieren ( S A N D E R S 1871). einterminieren: Volksztg. vor 1871 (XVI 285) Wein . . . einterminieren ( S A N D E R S 1871). herumterminieren: Grimmelshausen 1669 Simpl. (I 166) herumterminieren ( S A N D E R S 1871); Htischer 1729 Vom Mönch in Dresden 23 diesen auf der Festung herumterminierenden M ö n c h . umherterminieren: um 1500 Zimm. Chr. I 286 die uf den raub . . . u m b her terminerten ( D W B ) ; Francisi 1669 Trauersaal II 134 terminirten . . . in Wäldern u n d Gebirgen drey Tage u m h e r . Termin: 1376-87 Dtsch. Reichstagsakten I 320 in i terminen und gebieten ( L E X E R ) ; 1742 Würzb. Verordnung (Schmeller I 621) der landtermin, das recht in einem landbezirke almosen zu sammeln ( D W B ) ; Laukhard 1802 Leben V 84 auf dem T e r m i n herumzulatschen, und Butter, Käse, Eier u. d. gl. zu betteln. Terminant: 1784 Journal v. u. f . II 276 Terminanten f ü r Kirchen.

Deutschland

Terminarier: Arnstadt 1387 (217) den czwen terminariis ( M Ö L L E R ) ; Jena 1446 (II 399) auch

den terminarien ( M Ö L L E R ) ; Güthel 1522Dialogus Dl* Terminarien vnd bettel m ü n c h ; ders. 1522 New jar C4" den wenigsten vnnd vngelarten, den armen Capelianen, bey denn werntlichenn, vnd den T e r minarien vnter den M ü n c h e n . Terminei: Hessen 1262 (II 1,382) dez egenanten dorffes unde t e r m e n y ; ebd. 1295 (754) in d e m gericht und terminy; Limburger Chronik um 1380 (24) in der terminei h e r u m im land zu M e n z und Francfurt ( D W B ) ; Teufels Netz vor 1450 (5377) nemend acht, was guoten Ion wirt im [dem Bettelmönch] von der termini! ( D W B ) ; um 1450 (SB München 1 (1869) 218) D e r keyser hat ja des reichs termenyge an allen den enden d o die lewte w o n hafftigk seind ausz heyssen lesen; 1485 (Thudichum 239) in Allensteter gmark vnd 1860 Gauverf. termenei; Pauli 1522 Schimpf 220 was ein Barfüser M ü n c h ungeschickt uff dy T e r m i n y zu heischen N u s s und anders; Alberus vor 1553 (88) und goszbach [liegt] nah dabei in der Epsteiner termeney ( D W B ) ; Sachs vor 1576 (III 378) du laufst u m b auf der termanei ( D W B ) ; Steph. v. Buchau 1568Satyra (Wolkan, Böhmen II 127) danckt noch G o t t Das er n u r k ü m p t auss solcher not Verredet auch zu ewing zeitten N i t m e h r auff T e r m y n e y zu reitten; Privatus 1598 Remigius Dämonolatria 174 ehe das G e w i t t e r die T e r m e n e y desselbigen D o r f f s vmbgeben hab; 1598 Orientalisch Indien II 26 D e n n alda ist ein Niderlag von gantz Indien, Persien, Arabien vnd T ü r c k e y , vnd allen andern vmbligenden O r t e r n vnd anstossenden T e r m i n e y e n ; ebd. II 33 Alle diese Landschafften vnd Termineyen sind sehr f r u c h t b a r ; 1691 Pfalz 4h Termineyen und Bezirke; Goethe 1772 Götz VIII 125 d u magst versprechen, nicht aus deiner terminei zu gehen ( D W B ) ; ders. vor 1832 (Br. 173) ein ritt z u m Gallenthor durch die terminei [in F r a n k f u r t ] bis z u m allerheiligen ( D W B ) . Termin(ier)er: Seuse 1295-1366 (119) die termner heissent ( M Ö L L E R ) ; 1368 (Urkundenb. Klosterneuburg 439) her p r u o d e r Leopolt, Augustiner o r d e n , und die zeit terminierer datz N e u n b u r k ( L E X E R ) ; Teufels Netz vor 1450 (5359) so denn die terminierer uslauffend ( D W B ) ; Chemnitz 1480 (281) von des ordens wegin terminer gewest ( M Ö L L E R ) ; um 1490 Reformation Sigmundi El" [die Bettelorden haben] terminierer das sy dester bas ir n o t t u r f f t habn; ebd. Jl" V o n den terminierern der Antonier, gaister, der betel ö r d e n ; Manuel 1528 Vom Papst 628 ach, ich armer u n d u n w e r d e r terminierer! ich h a b ' nun gesamlet schier zwenzig jor an käs, ziger w ü r s t , h a m m e n und allerlei war ( D W B ) ; nach 1565 Analecta Luther. 270 Im B a b s t u m b must m a n den pfaffen, der Terminirern u n n d t Stationirern so viel geben als m a n hatte;

Terminologie Fabncius 1567 Teuffei Dlk dieser Schleicher vnd Terminierer; Nigrinus 1587 Schlüssel Büchlein 64" hat also auch der geringste schmutzigste Bettel-

163

münch, terminirer vnd stationirer oder Ablasskrämer sich der ordentlichen gewalt widersetz; Estor 1762 Neue kl. Sehr. VI 728 Terminirer.

Terminologie F. (-; -n), seit frühem 18. J h . nachgewiesen, zurückgehend auf (m)lat. terminus, —* Terminus, und griech. Xóyog 'Wort, Kunde; Lehre'; in der Bed. 'Gesamtheit, System der (in einer spezifischen, definierten, teilweise genormten Bedeutung verwendeten) Wörter und Fachausdrücke eines bestimmten Fach-, Wissens-, Sachgebietes, Gesamtheit der Termini technici, Fachwortschatz, Nomenklatur', im 18. J h . gleichbed. mit —*Technologie 1 im Sinne von'wissenschaftliche Systematik für den Aufbau eines Fachwortschatzes, Terminologielehre'; dazu Mitte 18. J h . das latinisierende Subst. Terminologicus 'Fachmann auf dem Gebiet der Terminologie(n)', dafür heute Terminologe M. (-n; -n); seit Ende 18. Jh. die adj. Ableitung terminologisch 'die Terminologie betreffend, dazu gehörend'; seit frühem 20. J h . die verbale Ableitung terminologisieren V.trans. 'etwas, einen Sachverhalt in (genormten) Fachtermini ausdrücken; den Fachwortschatz eines bestimmten (Sach-)Bereichs definitorisch festlegen, präzisieren, normen' mit dem dazugehörigen Verbalsubst. Terminologisierung F. (-; -en) und in neuester Zeit die subst. Gelegenheitsableitung Terminologismus '(übertriebene) Neigung, Tendenz zur Terminologiebildung'. Terminologie: Walch ¡726 Philos. Lex. Vorr. XXIV und was die Lehre von den Terminis betrifft, habe ich mich derjenigen Schriften bedienet, welche Valentin Velthem . . . Jacob Thomasius, Joh. Clauberg, Joh. Clericus heraus gegeben. Doch macht dasienige, was zur Terminologie gehöret, hier den wenigsten Theil aus (SEIBICKE); Bödiker 1764 Grundsäze d. Tisch. Spr. 125 Man würde weit besser thun, daß man die fremden Worte behielte und die teutschen dabei sagte. Denn ich kann ia nicht fortkommen, wenn ich nicht auch die lateinische und übrigen Terminologien gelernet habe (ZFDW XV 13); Horner 1747 Lex. topogr. Vorr. o. S. Was die lexica für Vortheil bey den definitionibus, auch in der terminologie oder (dass ich nach der Mode recht Teutsch rede) Erklärung der Kunstwörter, bringen, welche in allen Disciplinen, oder bald in dieser, bald in jener, auch in einer anders als in der andern, vorkommen, übergehe [ich] mit Stillschweigen; Schönaich 1754 Ästhetik 114 Dieses Wort ist von großer Wirkung in der hallerischen Terminologie; v. Einem 1762 (Simon 1902 Fachbildung 692) Einem Anfänger muß ihre [der Kaufleute] Terminologie zuweilen fürchterlich vorkommen (SEIBICKE); Pirscher 1767 Krieges-Baukunst 24 Terminologie der Linien und Winkel; Goethe 1774 Werther (19) 112 Der Fürst fühlt in der Kunst und würde noch stärker fühlen, wenn er nicht . . . durch die gewöhnliche Terminologie eingeschränkt wäre; Beckmann 1777

Anl. z. Technologie Einl. XII Es ist unangenehm, dass einerley Werkzeuge und Arbeiten, bey verschiedenen Handwerken, ganz verschiedene Benennungen haben. Wolte man die technologische Terminologie philosophisch oder systematisch bearbeiten, so würde man mehr Synonymen abzuschaffen, als neue Namen einzuführen haben; Schlözer 1780 Briefw. histor. Inh. VII 21 eine öde Schul Terminologie; Goethe 1780 Tagebücher I 117 Lies mir von Aulhorn die Tanz Terminologie erklären; Trunk 1781 Forstlehrbuch (Prolegomena 1) Dieses Wort [Technologie] bedeutet sowohl Kunstwörter als Kunstkenntnisse. Terminologie aber ist ein Barbarismus (SEIBICKE); Hermes 1791 Märtyrer I 272 [ein heiteres Hochzeitsmahl] in absichtlich verkehrt gebrauchter Terminologie und in ebenso absichtlich verkehrtem Anwenden verschiedener Stellen aus lat. Dichtern; Fichte 1794 Bestimmung VI 299 Terminologie der kritischen Philosophie; Goethe 1795-96 Lehrjahre (21) 148 Der Bauer der die fremde Terminologie [des Bergbaus] nicht verstand, that allerlei alberne Fragen; ebd. (22) 320 keine Schul-Terminologie erinnerte an etwas Steifes oder Gemeines; ders. 1797 Tagebücher II 157 Terminologie . . . wonach man Kunstwerke beschreiben und beurtheilen will; Christ um 1800 Schauspielerleben 175 dass alle die Herren, die gegen ihn spielten, nach der Spielerterminologie Grec waren; Soden 1805 Nationalökonomie Vorr. X Ebenso unvermeidlich war es,

164

Terminologie

bey dem Versuche der Gründung einer neuen Szienz, öfters ganz neue Ausdrücke und Benennungen zu adoptiren, eine eigene Terminologie zu schaffen; 1806 Raumer-Briefw. (Leben I 217) ich wollte, daß Sie den großen Ausdruck der antiken Einfalt sich ganz vertraut machen, um einige neuscholastische Terminologien und Wendungen aufzugeben; 1811 Neue Bibl. d. Pädagogik II 26 der grammatischen Terminologie; Beck 1812 Mittelalter 52 Auch die Scholastik des Mittelalters hat neuerlich zu grosse Bewunderer gefunden, dass man ein Zeitalter, welches unfruchtbaren Spitzfindigkeiten, mystischer Hülle, und barbarischen Terminologien nicht abgeneigt zu seyn scheint. . . aufmerksam machen muss; Goethe 1813 Tagebücher V 16 Gespräch über medicinische und chemische Gegenstände, besonders über neuere Terminologie und Symbolik; Dohm 1814 Denkw. 1 267 in juristische ihm nicht ganz verständliche Terminologie eingehüllet; Soden 1824 Nationalökonomie IX 34 theils der Sprachgebrauch feindlich und verwirrend entgegenstand, wo er also eine ganz neue Terminologie erst erschaffen musste; Schlözer 1828 Schlözers Privatleben I 242 Ihre Druckschriften . . . wenn er gleich nicht alles darin versteht — kaufmännische Terminologie, wie kantische Terminologie, wie Jäger Praktik Terminologie; 1852 Prutz' Museum II 252 Ihre einzige Klippe ist die Pedanterie, das Zopfthum stehender Phrasen und unvermeidlicher Wendungen, die bestaubte Terminologie der Schulen; Springer 1868 Berlin 35 [die] seemännische Terminologie; nürnberger 1877 Herzenssachen 1 Jede Fachsprache wird es durch zwei Elemente: durch Terminologie und Phraseologie; Tönnies 1906 Term. 30 Alles was Wissenschaft heisst, wie auch alles, was Kunst heisst, hat seine Terminologie, seine technischen Begriffe; Dichtung 1 (1918) 4 Was Dichtkunst sei, kann niemand hier erklärt wollen : Terminologie ist geblaßt und geneigter Wille zu verstehen selten; Jahrbuch f . Philologie 2 (1927) 258 daß schon die Terminologie-Schöpfung aus der Natur der axiomatischen und postulatorischen Sachverhalte einerseits, der Sprache andererseits mit gewissen Mängeln und Einschränkungen behaftet sein muß; Beri. Mon'hefte f . internationale Aufklärung 8 (1930) 307 Schlagworte der politischen Terminologie; Schadewaldt 1956 Sinn 11 Grundlagen der modernen wissenschaftlichen Terminologie; Diesel 1963 Menschheit 340 sendet man sich dauernd Noten und verlangt, dass der andere sie ernst nimmt mitsamt ihren albernen verbrauchten Terminologien ; Althaus/Henne/Wiegand 1973 Lex. d. germ. Linguistik 285 Nomenklatur und Terminologie sind oft nicht klar zu scheiden. Terminologe: Hoffmann

1976 Fachsprache 134 An

diesem Punkt setzt nun die Tätigkeit der Terminologen ein, deren Arbeit nicht vom Vertrauen auf die Neuheit der Sprache, sondern vom Mißtrauen gegen sie, ihren Kommunikationswert und ihre Informationskraft geleitet wird; ebd. 307 Der bekannte sowjetische Terminologe . . . und seine Anhänger sehen auch in der Nomenklatur Benennungen von Begriffen. Terminologicus: Schönaich 1754 Ästhetik 114 Dieses Wort ist von großer Wirkung in der hallerischen Terminologie. Denn so saget der Terminologicus. terminologisch: Goethe-Schiller 1794-1805 Briefw. VI 109 Man spürt nichts von dem heftigen terminologischen Schlendrian seiner Nachfolger (KEHREIN); Rothacker 1927 Logik 11 Diese Autoren verfochten logisch die Ersetzung des Terminus Geisteswissenschaften durch Geschichtswissenschaften. Terminologisch aber auch meist zugleich durch Kulturwissenschaften; Jahrbuch f . Philologie 2 (1927) 259 daß der Unterschied zwischen der spezifisch terminologischen und der einfach beschreibenden Darstellung ein und desselben Sachverhaltes irgendwie parallel geht mit dem Unterschied zwischen Wissenschaft und Leben; Burdach 1930 Eindrücke 28 Die Hemmungen der gegenseitigen Verständigung wachsen ins Unüberwindliche, wo die fatalen, abstrakten Hilfsbegriffe, die terminologischen Schlagworte im Spiel sind; Münch. N. N. 24. 2. 1945 ['den] von Churchill einmal vor 39 Jahren gebrauchten Ausdruck „terminologische Ungenauigkeit"; Althaus/ Henne/Wiegand 1973 Lex. d. germ. Linguistik 284f. Der terminologische Charakter der Wörter ist . . . von dieser Struktur abhängig, außerhalb der das Wort gemeinsprachlich sein kann. Eine Nomenklatur besteht oft aus Kunstwörtern.

terminologisieren: Jahrbuch f . Philologie 2 (1927) 258 Vorhandensein von zu terminologisierenden Sachverhalten und Schöpfung und Dasein einer Terminologie sind . . . die Vorbedingung der Terminologie-Anwendung; ebd. 259 Konsequent zu Ende gedacht würde nun „Terminologisierung" bedeuten, daß zur Darstellung der zu terminologisierenden Sachgehalte ausschließlich terminologische, also in diesem Sinne . . . „Kunst"-Worte verwandt werden.

Terminologisierung: Jahrbuch f . Philologie 2 (1927) 258f. Somit gibt es keine „reine" Terminologisierung, sondern sie geht in die einfache

Terminus axiomatisch und postulacorisch unpräjudizierte „Beschreibung" über, ja sie besteht in der Regel zum größten Teile aus einer solchen.

Terminus

M.

(-; Termini),

im

165

Terminologismus: Röpke 1946 Civitas 123 die Tendenz zum bloßen Rubrizieren, Klassifizieren und Definieren (Terminologismus).

frühen

15. J h .

vereinzelt,

seit M i t t e

k o n t i n u i e r l i c h n a c h g e w i e s e n e E n t l e h n u n g aus g l e i c h b e d . m l a t . terminus minus,

ter-

—» T e r m i n ) , bis ins 2 0 . J h . lat. flektiert u n d in lat. S y n t a g m e n , d a n e b e n im

1 7 . / 1 8 . J h . selten die F o r m Termin in d e r

16. Jh.

( < lat.

Bed.

'einer

bestimmten

u n d im 1 8 . J h . v e r e i n z e l t die K u r z f o r m Terminologie,

einem

Sachbereich

Term;

angehörender

F a c h a u s d r u c k , F a c h w o r t ; B e g r i f f ' , g l e i c h b e d . m i t —» T e r m i n u s t e c h n i c u s , v e r e i n z e l t a u c h a b g e f l a c h t f ü r ' W o r t , A u s d r u c k ' ; d a z u seit s p ä t e r e m 1 9 . J h . die s u b s t . leitung T e r m i n i s m u s

M.

( - ; o h n e P I . ) als B e z e i c h n u n g f ü r eine

Ab-

philosophische

L e h r e , d e r z u f o l g e alles D e n k e n n u r in B e g r i f f e n v o r sich g e h t , die i h r e r s e i t s n u r Z e i c h e n d e r w i r k l i c h e n D i n g e sind (vgl. N o m i n a l i s m u s ) u n d die P e r s o n a l a b l e i t u n g T e r m i n i s t M . ( - e n ; - e n ) ' V e r t r e t e r des T e r m i n i s m u s ' . D a n e b e n in n e u e s t e r Z e i t aus g l e i c h b e d . engl, term

entlehntes T e r m

M.

( - s ; - e ) als F a c h a u s d r u c k

der

Mathe-

m a t i k , P h y s i k u n d d e r L i n g u i s t i k in d e r B e d . ' f o r m a l i s i e r t e r A u s d r u c k ; Z a h l e n w e r t ( v o n F r e q u e n z e n eines A t o m s ,

Moleküls)'.

Terminus: 1417 Frankfurts Reichscorrespondenz I 309 daz dan der vicarius den obgenanten Steden in disz terminy schribe und gebiede den clegern gein dem erwonnen beholffin zu sin; ebd. I 310 Und obe nu die sache zu gross wulde werden, das man ym in disem begriffe und terminy allein nit widersteen mochte, das dan der vicarius den begriffen und eynungen . . . hette zu schriben; Sarcerius 1559 Patorale 6" diese zwey [theologische Streit-] wörter oder termini; Xylander 1562 Euclid (Ubers.) 124 Zu solcher [Proportion] werden . . . drey zalen, oder zil (termini) erfordert . . . jede proportion steht inn vergleichung zwayer ding, als nun klar ist, werden solche ding zu Latein Termini genant; Fischart 1581 Dämonomania 593 Dialectischer Terminis; Fugger 1584 Gestüterey 87" damit ich in jhren terminis [der Roßzucht] bleibe; Gutmar 1603 Gemerck vnd Kennzeychen 117 Termini [der Theologie]; Sattler 1607 Orthographie 7 terminos oder gattungen zureden; Lorini 1607 Von Vestung Bauwen (Übers.) 35 dass die Bevestigung eine Wissenschafft, vnnd wie alle andere auff jhre gewisse vnd beweissliche Terminos gegründet ist; 1717 Rosen-Creutz-Bruder 38 Ich als ein Teutscher . . . hab sonst mehrers beliebung an meiner Teutschen Mutter Sprach, aber mir würds schwer fallen, in diesen andern Frag alles Teutsch fürzubringen, denn die Lateinischen Termini, deren nothwendig muss gedacht werden, nit können teutsch gegeben werden; Florentinus de Valentia 1617 Rosa A3" Sie sehen auf die Terminos vnnd lassen die res, nehmen den schatten für die

Wandt, wollen dennoch Physici, Naturkündiger vnd hochgelehrte köpff sein; Grasseus 1618 Kl. Bauer 11 Ich muss dein lachen, sprach er, dass du die Terminos Philosophicos noch nicht verstehest; Marolois 1627 Fortification (Übers.) 4 darinnen wir vns der gemeinen vnd in der Arithmetica vblichen Namen vnd terminis gebrauchen wollen; 1631 (Tholuck, Vorgesch. 137) die neuen französischen terminos [des Kriegswesens]; Mengering 1642 Gewissensrüge 184 bey Biederleuten vnd Leyen (wie ins Gemein dieser terminus auch bey vns passiret war); Harsdörffer 1643 Gesprechspiele III 110 die Kunstwort von der Jägerey . . . technica vel termini artis; Schill 1644 Ehrenkranz 311 Termini artis, Kunstwörter; 1649 Wurm 50 damit ich mich auch jhrer . . . terminen gebrauche; ebd. 120 Terminen; Lassenius 1661 Tischreden 354 von diesen Terminis [der Botanik]; Böckler 1672 Man. arch. mil. I 16 Termini der Linien des Grundriß; Berward 1673 Interpes phraseologiae metall. 10 Termini Bey den Schächten und Forderungen; ebd. 15 Termini und Gezeug bey dem Bohren; Pickelhäring 1685 Kleideraffe 176 Er entschuldigte sich zwar, er hätte solche Wort nicht recht verstanden, und könne sich noch nicht recht die Schneider-Terminos einbilden; Gruber 1697 Kriegs-Disciplin o. S. Erklärung einer Militärischen Terminorum; Thomasius 1701 Kl. Sehr. 63 Ob die termini, derer sich die Frantzosen bedienen / auch in denen Scriptis Aristotelicorum anzutreffen seyn oder nicht; ebd. 83 Ebenmäßig würde es mit einem Fechtmeister ablaufen / wenn er

166

Terminus

seinen Scholaren die terminos erklären wolte was die quarte, die tertie, die secunde . . . sey; 1704 Auserlesene Anmerk. I 127 eine Systematische Wissenschaft / welche mit nichtsbedeutenden terminis und abstractionen pralet; ebd. I 245 Er brauchet zur Erklärung göttlicher Reden keine terminos aus der heidnischen albernen Philosophie; ebd. II 176 daraus man wohl definitiones und terminos aber keinen wahren Begriff von den Eigenschaften der Laster kriegt; Chilemont 1705 Kriegs- u. Staatsrat II 13 in den Schoquantischen Terminis; 1711 Fama II 126 Der Autor hält es vor ein recht wichtiges Werck / wenn ein gelehrter den Bauch mit Metaphysischen Terminis recht wohl angefüllet; 1721-22 Discourse d. Maklern 47 daß er keinen Satz gelten lasse, von dem er alle Terminos nicht im Grunde verstehet; Wagner 1724 Soldatenbibl. 119 Die Termini, so zur KriegesKunst gehören / sind in alphabetische Ordnung gebracht; ebd. 133 Andere nöthige und gemeine Krieges-Wissenschafften aber, als die Erklärung der Chargen, der gewöhnlichen Terminorum, Observantzen und anderer Disciplins-Puncten lassen sie gäntzlich weg; 1725 Faustbuch Christi. Meyen. 10 er expostulirte mit sehr penetranten Terminis mit ihm; Fleming 1726 Soldat 49 Von der Erklährung derer meisten Terminorum, die bey der Fortification vorkommen; Marperger 1726 Anleitung 45 Schiff- und Segellations-Termini; Belemnon 1728 Bauern-Lex. 137 Dieser Terminus ist den Bauern wenig oder gar nicht bekandt; Fassmann 1729 Narr 3 Letztlich hielte Bessarion eine so lange und verdrießliche, auch mit vielen Lateinischen und Griechischen Terminis angefüllte, Rede gegen den König; ebd. 11 Allein, was scheren mich die grauen Termini? Der Aristoteles ist lange schon marode; ebd. 21 Es ist ein vor allemal gewiß, daß man ausser den Trivial Schulen, allwo man mehr als den Unterricht im Christenthum geniesset; item Lesen, Schreiben, Rechnen; und dann ferner einen Casum und Terminum verstehen lernet, nicht allemal nach Wunsch reussiret; 1730 (Archiv, f . Kulturgesch. 5 (1907) 30) mit sehr höfflichen terminis; Schnabel 1731 Felsenburg I 13 Ihre gewöhnliche Freyheit verleitete sie gar bald, mich, wiewohl in gantz leutseeligen termini, zu fragen: wer, und woher ich wäre?; 1738 Hamburg. Berichte 726 Kunstwörter oder Terminos; 1741 Begebenheiten 48 die genaue Umarmung [coitus] (um mich des Termini derer Herrn Roman-Schrei893 ber zu bedienen); Trichter 1742 Ritterlex. Forst-Termine; Wieland 1757Gesch. d. Gelehrtheit 48 was izt unter dem Namen Philosophie mit größtem Eifer getrieben wurde, nichts weiter als eine nichtswürdige Disputierkunst und ein Chaos von barbarischen Terminis und Distinctionen wurde; ebd. 57 Er hat zu diesem Ende die vor-

nehmsten Terminos universales, welche entweder Substanzen oder Qualitates, Quantitates, Rela-" tiones, Virtutes und Vitia bezeichnen, auf eine besondere Art arrangirt; Michaelis 1773 Raisonnement III 315 in den scholastischen Terminis; Goethe 1780 Br. IV 169 Kunstterm; ders. 1780- 82 (Vogel, Goethes Selbstzeugnisse 135) Sie [die Natur] verbirgt sich in tausend Namen und Termen, und ist immer dieselbe; Beck 1799 Propädeutik 11 so kommen in einem Vernunftschlusse drey Hauptbegriffe vor; erstens der Begriff von dem Gegenstande selbst, wodurch derselbe an und für sich fest gehalten wird, (Terminus minor;) zweitens derjenige Begriff, unter dem dieser Gegenstand stehend erkannt wird, (Terminus maior;) endlich der Begriff, auf welchem diese Anerkennung beruht, (Terminus medius.); Goethe 1827-42 (W. LI 207) Wenn ich nun zunächst einen Terminus, der noch zu fehlen scheint, vorschlagen sollte ( K E H R E I N ) ; Kürnberger 1877 Herzenssachen 1 Wenn der Weber sich nicht seinen Kunstausdruck oder Terminus bildet . . . so gibt ihm die ganze bürgerliche Gesellschaft kein Weber-Wort, weil sie keinen Weber-Begriff hat; Burckhardt 1877 Br. an Preen 104 der Stimmung der „arbeitenden" Klassen. (Würde man nur einmal diesen infamen ungerechten Terminus los, es wäre schon viel gewonnen); Kaufmann 1888 Gesch. d. d. Univ. I 51 Sie wurden Nominalisten oder Terministen genannt, von nomen oder terminus; ebd. II 358 knüpften an die durch Occam begonnene Erweiterung und Fortbildung . . . an, welche sich vor allem auf die sog. proprietas terminorum, d. h. auf die Wortformen der Begriffe und auf Verhältnisse des Satzbaues warf; Treitschke 1898 Politik II 312 ihr Beschluß wurde dann in der Regel von den anderen Staaten „herübergenommen", wie der Terminus lautete; Bismarck 1924 (Klemm II 328) Bei dieser Gelegenheit möchten wir noch bemerken, daß uns die Benutzung des sozialistischen Terminus „Streikbrecher" durch die Regierung . . . bedenklich erscheint; Matthes 1926 Sprachform 95f. Erst jetzt wird das Wort „Zeichen für den Begriff" und übernimmt damit eine ganz neue Funktion, es wird in diesem ganz bestimmten Sinne „Terminus" . . . Da jenes Fixieren des Begriffs das denkende Ich immer wieder zum definitorischen Umreißen drängt, so wohnt . . . dem Begriff eine Tendenz zum Erstarren i n n e das definitorisch Umrissene, das nun in das Wort, in den Terminus gebannt wird, wird ein erstarrtes . . . Gebilde; Jahrbuch f . Philologie 2 (1927) 259 Beschreibung . . . welche ihren wissenschaftlichen Charakter dadurch erhält, daß fachliche Termini in ihr sich befinden; Grisebach 1928 Gegenwart 80 Der Gebrauch der Termini fordert die Anwendung der reinen Methode; 1953 Gedächtnisschr. a.

Terminus technicus Hämel 38 Anm. Vgl. etwa den Terminus „Kunstbewußtsein" bei Hegel; Niebelschütz 1961 Spiel 273 wenn uns das Große, par terre ausgedrückt, „madig" gemacht wird, in welchem terminus vulgaris bjldhafte Vorstellungskraft liegt, im Sinne des Wurmstichigen; Althaus/Henne/Wiegand 1973 Lex. d. germ. Linguistik 57 Fremdsprachliche Wörter werden zu Termini: man wählt z. B. passende Wörter aus dem Griechischen oder Lateinischen . . . Leider werden Termini häufig aus dem Zusammenhang ihrer wissenschaftlichen Definition gerissen und „vulgär" benutzt; Die Zeit 10. 2. 1978 um einen gängigen liberalen Terminus zu gebrauchen. Terminismus: Lange 1866 Materialismus I 215 Dass Prantl die Richtung Occams . . . als „Terminismus" (vom logischen „Terminus", dem Hauptwerkzeuge dieser Schule) bezeichnet; Spann 1914 System 327 „Terminismus". Terminist: Kaufmann 1888 Gesch. d. d. Univ. I 51 Die einen faßten nur die Einzeldinge als objektiv gegeben oder wirklich vorhanden, die All-

167

gemeinbegriffe (Universalien), das sind die Bezeichnungen der Arten, Familien, Eigenschaften als Abstraktionen der Sprache und des Denkens. Sie wurden Nominalisten oder Terministen genannt, von nomen oder terminus. Die anderen faßten die Universalien als Sachen, res, und hießen danach Realisten; Stimmen d. Zeit 64 (1903) 283 Die Terministen entkleideten die allgemeinen Ideen jeder Art von Realität außerhalb des denkenden Geistes; sie waren ihnen Hilfsbegriffe, weiter nichts. Die Terministen leugneten aber nicht, daß die Wissenschaft das „Allgemeine" zum Gegenstand habe. Term: Althaus/Henne/Wiegand 1973 Lex. d. germ. Linguistik 44 Eigennamen . . . sind Grundterme, Nominalphrasen . . . sind abgeleitete Terme; ebd. 47 So formt die folgende Konstituentenbildungsregel . . . den Ausdruck . . . in einen kategorialgrammatisch geformten Term um; ebd. 69 Als funktionale Grundkategorien können die Kategorie des Terms und die des Satzes angenommen werden, da diese beiden Kategorien gesättigte sprachliche Einheiten kennzeichnen.

Terminus technicus M. (-; Termini technici), seit späterem 17. Jh. nachgewiesenes latinisierendes Syntagma (aus Terminus und gelehrtenlat. technicus < griech. texvikoç, —* technisch), älteres, Mitte 17. Jh. aufgekommenes gelehrtenlat. N.P1. Technica (vocabula) ersetzend in der Bed. 'Fachwort', gleichbed. mit —» Terminus. Terminus technicus: Becher 1668 Method. didact. 34" termini technici, Kunstwörter; Thomasius 1701 Kl. Sehr. 21 [wir] bemühen uns die Lateinischen oder Griechischen Terminos technicos mit dunckeln und lächerlichen Worten zu verhuntzen; ebd. 85 Mit einem Wort / die gantze Sitten-lehre der Aristotelic erkläret durchgehends nichts / als terminos technicos, und giebt derer definitiones und dividiones; Marperger 1710 Hanf (Reg.) Termini technici bey den Seiler-Handwerck; Hagger 1719 N.Saltzb.Kochb. Vorr. X Die Termini technici, Kunst- und Speise-Wörter sind also angebracht; Fleming 1719 Vollkommene Jäger. Anhang I 104 Dictionarium Derer rechtförmlichen Weyde-Wörter oder Terminorum Technicorum; Hübner 1722 (1014) Kunst-Wörter, Termini Technici vel Artis (SEIBICKE); Sperander 1728 Ala ModSprach 725 Daher termini technici (vobabula technica) KunstWörter, so in einer jeden Wissenschaft besonders seyn, davon man eben nicht allemal Raison geben kan, was sie heisen, sondern weil solche so reeipirt, und von undencklichen Jahren in einer Wissenschaft beliebt worden, auch noch itzo behalten werden

müssen; Zedier 1744 Universallex. XLIV 508 Technici termini, Kunst-Wörter; Meier 1754 Anfangsgründe I 559 Aller Gebrauch der Kunstwörter (termini technici) ist, im schönen Denken, schulfüchsisch und pedantisch; Schmotther ]1755 Vollkommener-Cantzleymäßiger . . . Schreiber u. Rechner 631" terminus technicus, ein Kunst-Werckzeugs- oder Handthierungs-Wort; 1764 Vorlesgn. d. dtsch. Rechtschreibekunst 134 die Kunstwörter (Termini technici); Goethe 1827-42 (W. LI 207) So trennen solche Termini technici das Bezeichnete ab von allem übrigen ( K E H R E I N ) ; Detmold 1834 Kunst 32 terminos technicos; Körting 1884 roman. Phil. I 76 daher braucht er vorzugsweise den Wortschatz des gewöhnlichen Lebens als den am unmittelbarsten verständlichen, wo dieser aber nicht ausreicht, nimmt er durch den Usus in ihrer Bedeutung bestimmte termini technici zu Hülfe; Chamberlain 1913 Br. I 223 Kommt es wirklich auf ein Wort an? Biologie als terminus technicus schillert ohnehin in so vielen Farben, daß man es heute fertiggebracht hat, darunter „die Wissenschaft des Lebens, das kein Leben ist" zu ver-

168

Termite

stehen; Jahrbuch f . Philologie 2 (1927) 259 Denn weder kann ein wissenschaftlicher Text gänzlich aus „terminis technicis" bestehen; HZ 144 (1931) 635 [seine] Dissertation möchte auf dem Hintergrunde einer kurzen Charakteristik der historischen Bedeutung des hier untersuchten terminus technicus den ideengeschichtlichen Wandel begreiflich machen.

Technica: Harsdörffer 1643 Gesprechspiele III 110 technica vel termini artis . . . die Kunstwort von der Jägerey; Leibniz 1696 Unvorgreiffl. Gedancken 338 Und wenn man dergestalt die Technica oder Kunst-Worte vieler Nationen beysammen hätte, ist kein Zweiffei, dass durch deren GegeneinanderHaltung den Künsten selbst ein grosses Licht angezündet werden dürffte.

Termite F. ( - ; -n), seit Anfang 19. J h . nachgewiesen, über flekt. Form von gleichbed. neulat. termes (Linné 1748) zurückgehend auf spätlat. termes, Nebenform von lat. tarmes 'Holzwurm'; meist pl. verwendet als Bezeichnung für eine auch als „weiße Ameise" bekannte, in großer Artenzahl vor allem in den (Sub-) Tropen verbreitete Ordnung staatenbildender, oft holzfressender, weißgrauer Insekten, deren meist unterirdisch angelegte Nester bis 6 m hoch über den Erdboden hinausragen (Termitenbau, -häufen), auch auf den Menschen übertragen und bildlich verwendet; dazu im 19. J h . die adj. Gelegenheitsableitung termitenhaft 'nach Art der Termiten'. Termite: 1800 Neues Hannöver. Magazin 1839 Termiten; Schubert 1827 Reise I 56 In Afrika lebt ein kleines, verächtliches Insekt, Termit genannt, das Häuser erbaut; Heinzen 1845 Mehr als zwanzig Bogen 49 tausend gemordete Seelen werfen ihn wüthend zu Boden und hängen sich an den Zappelnden wie ein Termitenschwarm auf eine Boa-Constrictor; Hartmann 1879 Völker Afrikas 135 weisser Ameisen oder Termiten; Büchner 1895 Geistesleben 225/. Hier agiren die Großköpfe wirklich als Soldaten und vertheidigen, wie bei den Termiten, die Gemeinschaft gegen alle äußeren Störenfriede; Naturwiss. Wochenschr. 20 (1905) 671 Eine phylogenetische Ableitung des Termitenstaates hat neuerdings W. M. Wheeler versucht . . . Auch erste Anzeichen eines sozialen Lebens, durch welches die Termiten eine so außerordentlich isolierte Stellung einnehmen, lassen sich bei den Schaben nachweisen; Escherisch 1934 Termitenwahn 19 Der Bolschewismus hat geglaubt, diesen Weg [die Mechanisierung des Geistes] gehen zu können und hat durch diesen „Termitenwahn" ein namenloses Unglück . . . gebracht; ebd. [eines] mechanisierten Termitenstaates; Lokal-Anz. 22. 4. 1933 Und überall im Lande hausen auf primitiven Farmen, die aus den Ziegeln der Termitenbauten errichtet sind . . . in Schulden und Kampf die deutschen Farmer; Münch. N. N. 6.17. 5. 1944 Menschliche Termiten (Uberschr.) Doch selbst der hier vorexerzierte Grad an Auslöschung persönlicher Lebensführung erschien dem Bolschewismus nur als Uebergangsstufe. Vor uns liegt eine . . . Schrift über' die Stadt der Zukunft . . . Für die Neuansiedlung stellt er [der Verfasser] folgende

Grundsätze auf: Beschränkung der Wohnkasernen . . . auf Schlafräume; Gemeinsame Zubereitung des Essens in Essens-Fabriken; gemeinsame Einnahme der Mahlzeiten in Speisehäusern . . . wie er denn auch den Menschen nur als „Arbeitseinheit" . . . anspricht; Süddtsch. Ztg. 22. 2. 1951 sollten ein städtebaulich ansprechendes Gebäude und keine „termitenhaufenähnlichen Wohnkojen" errichtet werden; Pulver 1953 Erinnerungen 70 Hinter aller Schau, unter den mächtigen Quadern, die seinen Weltbau stützen sollten, nagte das schlechte Gewissen und tat seine Termitenarbeit; Süddtsch. Ztg. 16. 8. 1957 Termiten bedrohen Paris (Überschr.) Die französische Hauptstadt ist zur Zeit von einer Invasion von Termiten bedroht. Die Insekten haben in den alten und zum Teil schon baufälligen Häusern . . . beträchtlichen Schaden angerichtet; Zf Wirtschaftsgeographie 2 (1958) 34 Die Russen bevorzugen im Gegensatz zu dem amerikanischen Einfamilienhaussystem den „Termitenbau" bei ihren Städteplanungen; Stuttgarter Ztg. 27. 6. 1962 Die als besonders fleißig geltenden Termiten arbeiten nur in größeren Gruppen, im „Team" . . . Obwohl die Termiten mit über 1600 verschiedenen Arten fast über die gesamten Tropen und Suptropen verbreitet sind vor Jahren haben sie sich sogar im Hamburger Fernheizungssystem eingenistet — und zu den gefürchtetesten Zerstörern von Nutz- und Bauholz gerechnet werden müssen, weiß man über ihre Verhaltensbiologie nur sehr wenig . . . Ungeklärt ist noch die Frage, wie sich die völlig blinden Arbeiter der Termiten untereinander verständigen, um eine Gemeinschaftsarbeit wie Nestbau bewerk-

169

Terrain stelligen zu k ö n n e n ; Süddtsch.

Ztg.

27. 3. 1963

häufen o h n e gesellschaftsbildende Kraft bezeich-

zudem gebe es d a f ü r keinen zentralen P u n k t mehr,

net, k o m m t dafür nicht in Frage,

wie dies Paris für Frankreich darstelle. B o n n . . .

termitenhaft:

in bitterem Z o r n als bürokratischer Termiten-

Termitenhafte Emsigkeit ( S A N D E R S 1871).

Kladderadatsch

22

(1870)

58"

Terrain N . (-s; -s), im 18. Jh. vereinzelt M., im frühen 17. Jh. vereinzelt in der entstellten Form Terzain, seit Ende 17. Jh. kontinuierlich belegte Entlehnung aus gleichbed. frz. terrain ( < lat. terrenum 'Erdstoff; Erde, Acker', subst. N . von terrenus 'aus Erde bestehend, zur Erde gehörig, Erd-, Land-', zu terra 'Erdboden, Sand, Erde; Land'); in der Bed. 'Gelände, Gebiet', vorwiegend im militärischstrategischen Bereich (Terrainmanöver, -lehre, -skizze), aber auch allgemeiner verwendet, auch 'Boden(-beschaffenheit), Erdoberfläche, G r u n d ' und speziell 'Grundstück, Baugelände, -grund', bes. in den Zss. Terrainspekulation 'Grundstücks-, Bodenspekulation' und Terraingesellschaft 'Unternehmen, das Baugelände erwirbt, erschließt und zur Bebauung wieder veräußert'; seit spätem 18. Jh. auch bildlich und übertragen verwendet im Sinne von 'Sach-, Interessengebiet, Sachbereich, Tätigkeitsfeld'; häufig in Syntagmen wie das Terrain sondieren 'das Gelände erkunden' und 'etwas vorsichtig erkunden, in einer bestimmten Sache vorfühlen', Terrain gewinnen 'Boden gewinnen; sich verbreiten; Fuß fassen' und 'Ansehen gewinnen, in einer Sache Vorteile für sich erringen', das Terrain für etwas vorbereiten 'die Grundlagen, Voraussetzungen für etwas schaffen', sich in/auf neuem Terrain bewegen 'sich in einem neuen (Sach-)Gebiet, Bereich bewegen, Neuland betreten' und sich auf unsicherem Terrain bewegen 'sich auf unsicherem Grund bewegen'. Wallhausen 1617 Militia 44 das Terzain zu messen; ebd. 100 D a n n das Terzain so new / bewegt vnd d ü n n ist / ist nicht dienlich zu einer Mine (beide J O N E S ) ; Gruber 1697 Kriegsdisziplin III 20 u n d w a n n m a n nicht genugsam Terrain hat, mit einer so breiten F r o n t e zu marchiren; 1705 Bauernaufstand (Riezler I 162) Da das Terrain sehr difficil war, so k o n n t e ich nicht anders als unter den Feuer der Stücke passiren ( B R U N T ) ; 1706 Erlöstes Brabant 5 D a n u n auch die Reuterey m e h r Terrain u n d L a n d s - R a u m b e k o m m e n ; 1708 Leopold d. Große I 187 aber hierinnen hält man ihn f ü r unvergleichlich, daß er ein Terrain mit wenig Volk gegen einen doppelt überlegenen Feind zu vertheidigen weiß; Rohr 1718 Staatsklugheit 62 [das] u n n u t z b a r e Terrain zu bessern A n b a u zu bringen; Zschackwitz 1723 Karl VI. 134 die Kay serlichen k o n n t e n nicht so bald den A n f a n g t h u n / indem das Terrain, all w o sie sich befanden / voller H e c k e n u n d Zäune w a r ; Wagner 1724 Soldatenbibl. 197 die C o r p s nehmen denn ein weiters Terrain in die Länge als in die Breite ein; 1734 Last am Rhein-Strom il denen Bürgern das schönste terrain u n d f r u c h t b a r e Land g e n o m m e n ; Landsberg 1737 Grund-Risse 2 die G r e n t z e n u n d den

Terrain eines Landes; Florin 1749 Hausvater II 374b o h n e unumgängliche N o t h w e n d i g k e i t auf einem solchen Terrain einen wuchtigen Bau zu f ü h r e n ; Moser 1776 Patriot. Phantasien II 426 das sonst noch erträgliche Terrain zu grundlosen Morästen . . . umschaffen; Hase 1779 Aldermann II IS meine politisch topographische Beschreibung des Terrains; Goethe 1780 Tagebücher I 116 Ich gewinne viel Terrain in der Welt; Musäus 1781 Physiognom. Reisen II 158 Wie sich das Terrain allgemach e r h o b ; Smollet 1785 P. (Übers.) I 140 Dieser Aufseher untersuchte . . . das T e r r ä n : das ist, er studirte sein T e m p e r a m e n t , u m seine Fähigkeiten und Gesinnungen kennen zu lernen; Becker 1784 - 86 Reise 56 ein kleines Terrain, nicht weit von der Stadt, nebst einem Landhause und Weinberge; Goethe 1786 Tagebücher I 330 das vulkanische Terrain; Nicolai 1790 Anekdoten IV 63 Er ritt am vorletzten Tage Nachmittags aus, u m das Terrain zu dem Manöver des letzten Tages den Generalen anzuweisen; 1795 Journal d. Moden X 148 Eine . . . Visiten-Karte kann . . . W i n k e geben, das Terrain sondiren; Goethe 1795 — 96 Lehrjahre (22) 80 freute sich über alle M a ß e n , daß sie so klug gewesen sei, vorauszugehen, das

170

Terrain

Terrain zu recognosciren und sich einzunisten; Heinse 1803 Anastasia 149 dem Feldherrn, der sein Terrain so kennt, wie ein guter Spieler die Felder seines Schachbrets; Seydel 1808 Beytr. z. Kriegskunst IV 78 Die Terrain-Vortheile soviel als möglich benutzen; Aster 1812 Angriff I 3 weil die Werke jeder Festung in ihrer Gestalt durch die Verschiedenheit des sie umgebenden Terrains und anderer örtlichen Umstände, größten Theils verschieden ausfallen; Hoyer 1815 Kriegsbaukunst I 15 daß von der Beschaffenheit des Terrains allein die Anordnungen zur Vertheidigung wie zum Angriff abhängen; Martens 1824 Militärverpflegung 2 Die künstliche Terrainbildung, Feld- und Ortsbefestigung, und was zum Ingenieurwesen gehört; Goethe 1827-42 (W. XXX 176) Ein schikanöses gebirgisches Terrain ( K E H R E I N ) ; ebd. XLI 265 Solch ein Terrain wünscht sich der Kriegsgedanke (KEHREIN); ebd. XLVIII 65 Das deutsche geistigliterarische Terrain war damals ganz eigentlich als ein Neubruch anzusehen ( K E H R E I N ) ; Rumohr 1832 Denkwürdigkeiten II 34 fühlte [bei Verhandlungen] . . . mit Entsetzen, im Begriffe alles Terrain zu verlieren, welches ich mir . . . durch eine glückliche Mischung von Muth und Besonnenheit erobert zu haben glaubte; Gutzkow 1839 Vergangenh. XII 1010 Er nennt dies in seinem modernen Gewelsch: „Neues Terrain gewinnen"; Steinmann 1842 Mefistofeles I 9 eines Journals als Gesammtterrains für die geistigen Kräfte der Hochschule; Moltke 1845-46 Manderbach (Rom) 56 Aus den vorhandenen Nachrichten erkennen wir, daß nur noch die gewaltigen, zeitweisen Überschwemmungen des Tiber und die Ablagerung seines Schlammes die Form des Terrains verändert haben; ebd. 119 während das Angriffsterrain des Gegners ein durchschnittenes und wenigstens für Reiterei schwieriges genannt werden muß; Fallmerayer 1847 Versuche III 141 durch Localansicht und „Terrainstudien" in Jerusalem selbst; Biedermann 1849 Erinn. 398 Er suchte nach beiden Seiten hin wieder Terrain zu gewinnen, kam aber dadurch vollends aus dem Gleichgewicht; Kohl 1850 Verkehr 399 Aus diesem Zusammenfallen immer größerer Flüsse entsteht Das, was wir ein Flußsystem nennen können, insofern wir darunter die ganze Zusammensetzung aller der verschiedenen Wasseradern verstehen und was man ein Flußgebiet zu nennen pflegt, insofern man darunter die ganze Terrainoberfläche versteht; 1852 Prutz' Museum I 59 [in Paris] e r o b e r t . . . die schaffende Phantasie der Kleiderkünstler und Putzmacherinnen das Terrain für ihre neuen Gedanken; ebd. II 252 Es ist Roetscher's Verdienst, auch für diese ein wissenschaftliches Terrain erobert zu haben; 1854 ebd. I 562 das Terrain des Plattdeutschen wird alle Tage kleiner;

Kossak 1855 Stereoskopen 63 wie leicht die grossen Männer wieder einmal Terrain gewinnen und Fuss fassen könnten; Rodenberg 1856 Bilderbuch 63 [für] dieses leichte, lustige und . . . durch Grazie anziehende Lorettervolk sind die Elysäischen Felder das eigentliche Terrain und Herrschaftsgebiet; Scheffel 1856 Glück (Br.) 15 werde ich dann das Terrain gründlich sondiren, ob und was für mich zu machen ist; 1859 Hausblätter III 69 Die Art von Gelände, in der Kriegssprache durchschnittenes Terrain genannt, ist freilich für den Krieg sehr schwierig; Xylander 1862 TerrainLehren 1 Wer sich auf dem Terrain oder der Erdoberfläche mit allen darauf befindlichen, natürlichen und künstlichen Gegenständen . . . umgesehen hat; Suckow 1862 Sold'leben 39 da sie [die Exerzierzeit] jedes Jahr . . . mit einem TerrainManöver in der Nähe Berlins mit supponirtem Feinde endigte; Grabowski 1863 Off. 117 Mit einigen leichtfüßigen Sätzen war er auf der andern Seite der Straße und suchte seiner Angebeteten Terrain abzugewinnen, was ihm bei seinen langen Beinen auch nicht schwer wurde; Mahler 1864 Uber die Eider 56 Das Terrain zwischen Missunde und Kosel ist offen aber hügelig und reich an kleinen Schluchten; ebd. 193 dass die Dänen durch einen forcirten Ausfall das verlorene Terrain zurückzuerobern versuchen würden; Prittwitz u. Gaffron 1865 Befestigung 6 Diejenigen Mittel nun, welche dazu dienen, dem Feinde die Besitznahme oder Eroberung eines Terraintheiles oder Terrainabschnittes unmöglich . . . zu machen, nennt man im Allgemeinen Vertheidigungsmittel; ebd. 532 Die Beobachtung des nähern Terrains vor den Festungen muß . . . durch Patrouillen und durch Feldwachen . . . stattfinden. Wie weit damit vorzugehen sei, wird von der Terrainbeschaffenheit und von der Stärke und dem Geiste der Garnison abhängen; 1865 Stadtfraubas 127 Kriegsentschädigung auf dem ruinirten Terrain der Liebe; Hartmann 1866 Erlebnisse 183 wenig Infanterie hätte uns in dem Waldterrain den Weitermarsch unmöglich machen können; Kretschman 1870—71 Kriegsbr. 236 Auf dem rechten Flügel, wo der Großherzog kämpfte, war das Terrain günstiger; ebd. 239 Bei Vaumainbert bekamen wir in einem der Artillerie und Kavallerie unzugänglichen Weinbergs-Terrain . . . Feuer; Gutzkow 1875 (46) Säkularbilder VIII 436 Soviel . . . der Dichter an Terrain verliert; Ehrle 1881 Armenpflege 60 ist England ein besonders geeignetes Terrain für Studien über die Armenfrage; Lindenberg 1883 Berlin 24 Wiener Cafés, die sich so rasch ihr Terrain in Berlin erobert haben; Riehl 1885 Vorträge II 384 Ein Erdrutsch ohne klare Linien, eine Sandgrube, ein Grashang ohne alle Plastik heisst in der Schulsprache „Terrain", und der Schüler muss

Terrasse vor allem solche Terrainstudien fleissig nach der Natur aufnehmen; Dtsch. Rundschau 48 (1886) 472 Uber Terrairi-Curorte zur Behandlung von Kreislaufstörungen; ebd. 473 alle auf „Terraincuren" bezüglichen Verhältnisse; Lubliner 1896 Riviera 32 Denn entweder wird die Gegend für die Fremden hergerichtet . . . oder das Terrain wird w i r t schaftlich ausgenutzt; Stimmen d. Zeit 64 (1903) 539 [der] Handel mit „Terrains"; Blüthgen 1907 Spiritisten 44 [Berlins] Vorstadtterrain, wo sich das Kleinleben in himmelhohen, monotonen Mietskasernen abspielt; Dtsch. Geschichtshl. 9 (1908) 162 Auch die Paläographie hat, je näher wir der Gegenwart treten, an Terrain verloren; Pan 1 (1910—11) 668 Terrain- und Bauspekulation; 1911 Grenzboten II 478 Berliner Terrain- und Baugesellschaft; Janitschek 1916 Wildes Blut 91 Schwierigkeiten [im Bahnbau] . . . bei näherer Besichtigung des Terrains; Barth 1923 Porträts 20 Historische Neubauten erheben sich immer nur auf einem Terrain, das erst durch Niederreissen des Bestehenden gewonnen worden ist; 1926 Sittengesch. v. Paris 42 Die Prostitution breitete sich mit der Zeit über ihr ursprüngliches Betätigungsterrain aus und wurde . . . auch im Freien ausgeübt; Voss. Ztg. 22. 9. 1929 Allerorts regen sich tüchtige Makler und Terraingesellschaften; ebd. 24. 1. 1930 Wie halbgebaute Häuser in einer Villenkolonie, deren Terrainspekulant sich übernommen hat. . '.standen auf Iwans Weg unvollendete Schicksale; Dtsch. Rundschau 224 (1930) 169 er fühjt sich geniert, weil er auf einmal auf fremdes Terrain der Bildung und der Kultur geraten ist; Voss. Ztg. 9. 2. 1930 Leute, die . . . das Gesprächsterrain erst vorsichtig abtasten; Geogr. Zschr. 39 (1933) 478 alte „Terrainlehre", heute Geländekunde genannt; Beri. Illustr. Nachtausg. 15. 6. 1933 ein auf dem Terrain des städtischen Viehhofes gelegenes winziges Gelände; Lokal-Anz. 7. 7. 1934 Die G . - V . der zum gleichen Konzern gehörenden Terraingesell-

Terrasse altprovenz.

F. (-; -n), Anfang terrassa

171

schaft Frankfurter Chaussee A . - G . , Berlin, genehmigte gleichfalls den Abschluß; 1935 Bodenreform 278 Der zu Heimstätten benötigte Grund und Boden in der Umgebung der Städte in den Industriegegenden . . . muß der sogenannten Terrainspekulation entzogen werden; ebd. 306 Die Terrains der Neu-Westend-Gesellschaft seien durch ihre natürliche Lage mit großen Vorzügen ausgestattet . . . daß die Terrains der- Gesellschaft mit ganz vorzüglichen Verkehrsverbindungen rechnen können; B. Z. am Mittag 23 . 3. 1936 will jetzt das Gericht durch Aussagen alter Leute aus der Gegend, die sich noch an die Terrainverhältnisse vor Ausbeutung der Kohlengruben erinnern können, zur Klarheit gelangen; Münch. N. N. 17. 12. 1939 daß nach Auffassung des Reiches das diplomatische Terrain durch die fortwährenden Zwischenfälle und das Vorgehen der Polen ungangbar geworden sei; Hellpach 1939 Geopsyche 145 „Terrainkur", d. h. . . . planvolle Stufung der Wegesteigungen; Feuchtwanger 1951 JUd. Krieg 106 Er besaß Terrains hier, die ihm der Glasfabrikant . . . gern abgekauft hätte ( W D G ) ; Süddtsch. Ztg. 4. 3. 1959 Vor der Presse sprach Macmillan die Hoffnung aus, das Terrain für kommende OstWest-Verhandlungen etwas geebnet . . . zu haben; ebd. 23. 3. 1961 Brandt hat in Westberlin in den letzten Monaten ohne Zweifel politisches Terrain eingebüßt; Boll 1966 Vorlesungen 50 werden [bei Dickens] immer wieder von neuem das Sprachgelände und das soziale Terrain überprüft; Offenburger Tagebl. 24. 3. 1968 Und immer wieder . . . wird bei derartigen Anlässen davon gesprochen, die wirtschaftlichen Interessen kommunistischer Staaten könnten möglicherweise dazu beitragen, politisches Terrain gutzumachen, zur Entspannung beizutragen; Bad. Ztg. 10. 9. 1970 Terrainverlust der Kirche in der Öffentlichkeit (Uberschr.).

terrasse

(über

Plattform'

(vgl.

18. J h . entlehnt aus gleichbed. frz.

'Erdaufhäufung,

(aufgeschüttete,

erhöhte)

gleichbed. rnlat. terratia, terrassia, terracea) zurückgehend auf lat. terra, —> Terrain; vgl. s c h o n m h d . ,

v e r e i n z e l t bis E n d e

17. J h .

n a c h g e w i e s e n e s terraz,

tarraz

' E r d a u f w u r f ; W a l l , Bastei, B o l l w e r k , Barrikade', auch ' e r h ö h t e r freier Platz; Altan, E r k e r ' ) ; a in d e r B e d . ' g e r ä u m i g e , a n ( o d e r a u f ) W o h n g e b ä u d e n a n g e b r a c h t e , m e i s t mit einem steinernen Fußbodenbelag versehene Plattform, (nicht überdachter) Austritt; freier R a u m ( a m E r d g e s c h o ß ) eines H a u s e s , d e r sich z u m G a r t e n hin ö f f n e t ' , auch

im

Sinne v o n

'Dachgarten',

Haus-, Hotelterrasse,

als G r u n d w o r t

in Z s s .

wie

Garten-, Dach-,

früher gelegentlich auch für ' e r h ö h t angelegter, mit Steinen

o d e r R a s e n e i n g e f a ß t e r ( A u s s i c h t s - ) O r t , P l a t z in e i n e m G a r t e n , P l a t t f o r m i m F r e i e n

Terrasse

172

( z u m P r o m e n i e r e n ) ' ; b seit M i t t e 1 8 . J h . in d e r B e d . ' ( n a t ü r l i c h e , d u r c h entstandene,

oder

künstlich

angelegte)

waagrechte

Erd-,

Gelände-,

stufenartiger A b s a t z ' , meist pl. v e r w e n d e t für 'treppenartig ansteigende bungen'

(Felsen-,

wendet;

in n e u e s t e r Z e i t a u f d e n

Landterrasse;

zuweilen

Terrassenkultur), Bereich

der Architektur

auch

Erosion

Hangstufe, Erderhe-

bildlich

ausgedehnt,

s t i m m u n g s w o r t in Z s s . w i e T e r r a s s e n h ä u s e r , - W o h n u n g e n ' H ä u s e r ,

Be-

Wohnungen

(mit g r o ß e n D a c h g ä r t e n ) , die t r e p p e n - , s t u f e n f ö r m i g (an H ä n g e n ) angelegt, o r d n e t s i n d ' . D a z u s e i t A n f a n g 1 8 . J h . a u f f r z . terrasser

ver-

als

ange-

'mit Erde beschütten; mit

einem E r d w a l l u m g e b e n ; zu B o d e n schlagen, n i e d e r w e r f e n ' z u r ü c k g e h e n d e s

ter-

r a s s i e r e n V . t r a n s . ' ( e i n G e l ä n d e , G e b ä u d e ) s t u f e n f ö r m i g , t r e p p e n a r t i g a n l e g e n ; an Hängen

künstliche

dazugehörigen,

Terrassen

seit E n d e

anlegen',

18. J h .

selten

vereinzelt

bildlich

nachgewiesenen

verwendet,

Verbalsubst.

r u n g F . ( - ; - e n ) , seit 18./19. J h . die g l e i c h b e d . adj. A b l e i t u n g e n - f ö r m i g 'in F o r m ,

Art und Weise von Terrassen (angeordnet,

a u c h t e r r a s s e n m ä ß i g u n d das A d v .

mit

dem

Terrassie-

terrassenartig,

angelegt)',

früher

terrassenweise.

Terrasse a: Hübner 1712 Naturlex. 1855 Terrassen heiszen die erhabenen platze in den lust-gärten, so mit steinen oder rasen eingefasset sind (DWB); Rohr 1716 Haußhaltungs-Bibl. 242 Terrasse ist ein erhabener Platz von Erde, die entweder mit Stein eingefasst ist, oder mit Rasen, welches gute Löschungen erfordert ( B R U N T ) ; Sturm 1719 Reise-Anm. 23 Oben darüber auf der Terrasse stehen vier grosse . . . Gefisse . . . an der Terrasse gegen dem Orengerie und dem Maille-Garten ( B R U N T ) ; Key ssler 1729 Reisen (Ausg. 1776) 1134 Diese Hauptkirche ist auf der einen Seite mit eben einer solchen aufgemauerten Terrasse oder Spaziergange umgeben, wie zu Bern; Zedier 1744 Universallex. XLII o. S. Terrasse, ein erhabener Platz von Erde in einem Lustgarten; Weckhrlin 1777 Denkw. 33 so siehet man sich auf einer Terrasse, von welcher man die glücklichste und reizendste Aussicht über die Stadt Wien hat; Grecourt 1777 (II 214) Schon brach um ihn ein junger Rasen / Hervor — die niedlichste Terrasse, die / Den Umriß des Gebäudes einzufassen / Geschaffen war; Heinse 1780—83 Tagebücher VII 48 auf der Terrasse oben vor der Kirche hinter Vevai; Westenrieder 1782 Traum 101 Auf den kleinen Terrassen, durch die man hinabsteigen konnte, stunden oder lagen marmorne Bilder; 1786 Journal d. Moden I 90 eine Terrasse von Eisenblech, das durch eine neue Erfindung . . . vom Roste nie leiden kann; ebd. I 308 eine dreyfache mit vielen exotischen Pflanzen . . . besetzte Terrasse [vor einem Schloß]; Böttiger 1795 Reise n. Hambg. (Literar. Zustände II 69) Terrassen und Gartenanlagen; Kömer 1810-11 Erz. IV 212 Wir saßen Beide schweigend und in süßen Träumen versunken auf der Terrasse; Goethe 1827—42 (W. XVI 81) Ich stand auf der Terrasse unter den hohen Kastanienbäumen ( K E H R E I N ) ; Kohl 1842

Böhmen 323 Die Aussicht von dieser Terrasse ist entzückend, und die Lage des Schlosses . . . höchst eigenthümlich; Schlözer 1844 Jugendbr. 39 die Kirchen, die Prunkbauten mit ihren Kunstschätzen und - die Brühische Terrasse! Die ist unser Hauptquartier geworden ; Schlesinger 1852 London I 27 Stein- und Blumenterrassen; Noe 1869 Brennerbuch 33 eine mit Fenstern versehene „Terrasse"; Walloth 1887 Praxis 63 überschaute von der Terrasse ihre herrliche Besitzung; Polko 1895 Hell u. Dunkel 133 auf der grossen Terrasse des väterlichen Landhauses; Liliencron 1896 Poggfred XII161 Er saß vor seinem Schloß auf der Terrasse; Tovote 1900 Laterne 87 [die] gedeckten, durch Segeltuch geschützten Terrassen; Beri. Illustr. Nachtausg. 18. 6. 1932 Da - während ein Stückchen Schloßbeleuchtung von der Wirtshaus' terrasse sichtbar ist und Lampions und Herzen erglühen — wird ein Sängerstreit vom Gartenzaun gebrochen; Lokal Anz. 30. 6. 1933 Die Gesellschaft . . . richtete ihr Augenmerk darauf, das Viertel in Straßenanlagen und Bauweise mit besonderem Reiz auszustatten . . . So kam man auf den Plan der Gartenterrassen; ebd. 2. 6. 1934 Auch am Sonntagnachmittag wird . . . im Terrassengarten . . . das Musikkorps . . . ein großes Militärkonzert geben; Gürt 1942 Rosen 88 Eine leichte Brise war aufgesprungen und trug kleine, gekräuselte Wellen bis zur Seeterrasse; Dtsch. AZ. 22. 6. 1944 So hatte Burkhard den Reitplatz verlassen, hatte ins Terrassenzimmer geschaut; Süddtsch. Ztg. 27.128. 5. 1950 Vorher muß man auf der Terrasse der Gastwirtschaft gesessen haben; Heuscheie 1950 Dank 71 auf der Terrasse des Schlosses; 1965 Durch die schöne Welt Junih. In den Terrassenrestaurants an der Riviera findet man mühelos einen Fensterülatz.

Terrasse Terrasse b: Bodmer 1752 Noah 7 Oberhalb hüpfte der Berg mit ebenen Terrassen von Auen; Heime 1780-83 Tagebücher VII 20 [die Berge am Hochrhein] mit schönen Terrassen wie ein Amphitheater; ebd. VII 61 [bei Sorrent sind] Terrassen angelegt . . . mit Wein und ö l bepflanzt; Forster 1791 Ansichten IX 1 [Rebenbau an] Felswänden und Terrassen; Schiller 1795 Baumzucht 9 bei bergigtem . . . Platz . . . [für eine Baumschule] durch Mauren oder Terrassen so viel HorizontalFlachen zu bekommen; Brun 1809 Episoden II 258 wir reiten auf rohem Pfade am Rande der Felsterrasse; Goethe 1827-42 (W. XXX 176) Auf deren [der Felsen] schmalen vorragenden Kanten, wie auf zufälligen Natur-Terrassen, der Weinstock zum allerbesten gedieh ( K E H R E I N ) ; Bronner 1837 Weinbau IV 153 die nicht horizontalen, sondern schief angelegten Terrassen, die man hier nicht wie im Unterlande Schrannen, sondern Gräben nennt; ebd. IV 166 Die Weinberge sind . . . in Terrassen . . . abgetheilt; Gerstäcker 1848 Flusspiraten I 221 [als er auf der] schroff abfallenden Terrasse, hinfloh, warf er sich diese plötzlich mit kühnem Satz hinunter; Bachofen 1851 Griech. Reise 200 die sich im Hintergrund erhebende Gebirgsterrasse; 1860 Beschr. OA Neuenbürg 4 kleine Stufen (Terrassen) und markierte Absätze; Brinkmann 1862 Studien I 2 von dem schwäbisch-fränkischen Terrassenlande; 1863 Beschr. OA Sulz 5 Diese Hochfläche bricht ringsum mit einer stark markirten Terrasse (Halde) gegen die Partie des Keupers ab; Noe 1865 Bair. Seebuch 22 Terrassenlandschaft der Voralpen; 1866 Geogr. Jahrb. 470 [in Asien] von West nach Ost sich ausdehnende Weltterrasse; Hehn 1887 Italien 22 Wie Bewässerung, so ist auch Terrassenbau eine südliche Form der Bodenkultur; Freytag vor 1895 Ges. W. IV 103 aus den geöffneten schränken glänzten . . . hohe terrassen von wasche, linnen und bunten Stoffen (DWB); Voss 1901 Fra Checco 93 Die Kluft endete in eine Felsenterrasse, auf der sich gerade Raum genug für eine Ansiedlung fand; 1902 ZDöAlpenver. 255 Das zweite interessante Objekt in dem Kessel zwischen Sonnblick und Hocharn ist der Keestrachter, von Richter ein „Terrassenfirn" genannt; 1913 Köln. Ztg. Nr. 381 Denn überall, wo die Sonne ausgiebig die steilen, zersägten, schiefrig gelagerten Wände trifft, haben die „Weinhauer" in mühseligem Terrassenbau bis zum höchsten Grat ihre Weinberge angelegt; Hauptmann 1918 Ketzer V 485 auf einer mit Wein überzogenen Terrasse; ebd. V 506 Jenseits der Kirche, ein wenig höher . . . lag auf rundem, flachem Terrassenhügel das älteste Heiligtum der Umgegend, eine kleine Kapelle; Geogr. Zschr. 36 (1930) 490 während die Landstufen und die Landterrassen und die Einebnungen älter sind [als die

173

Täler]; Berl. Illustr. Nachtausg. 1. 4. 1932 der untersetzte Bursche mit der sorgfältig gekräuselten Haarterrasse; Lokal-Anz. 26. 8. 1934 das ganze schöne Land, aus dessen Sonnendunst sich Tasdorf und Rüdersdorf und Kalkberge heben mit ihren Bergterrassen; ebd. 24. 9. 1934 Strömender Regen und die zahlreichen schweren Steigungen im Spessart und den fränkischen Terrassen stellte auf der 6. Etappe . . . große Anforderungen an die Teilnehmer; Dtsch. AZ. 25. 10. 1935 Paul von Jankös neues Klavier besteht aus einer sechsfachen, terrassenförmig übereinandergeschichteten Tastatur. Daher der Name „Terrassenklavier" . . . die technische Vereinfachung leuchtet schon aus dem kleinsten Beispiele ein, wenn etwa rasche chromatische Passagen wasserfallartig über die Terrassen rauschen; Gläser 1946 Unvergängliche 26 über den Terrassen seiner Weinberge; Offenburger Tagebl. 24. 5. 1960 In Remscheid wurden jetzt die ersten Terrassenhäuser der Bundesrepublik fertiggestellt . . . Diese Terrassenhäuser, ein Zwischentyp zwischen Etagenwohnung und Einfamilienhaus; ebd. 12. 1. 1963 den Anspruch Rot-Chinas auf das „Terrassenland"; Stuttgarter Ztg. 9. 10. 1965 Rund um den Luganer See . . . baut die Contracta seit vielen Jahren wertvolle Landhäuser, Terrassenbungalows; ebd. 13. 1. 1968 Diese Terrassenhäuser . . . werden von den Fachleuten als „Wohnform der Zukunft" bezeichnet; FAZ 15. 4. 1971 Die Schäden für die Landwirtschaft, sei es an den Terrassenkulturen im Gebirge, sei es auf den Feldern der fruchtbaren Hochebene . . . waren . . . noch nicht zu übersehen. terrassenartig: Mutius 1810 Br. 121 Im Süden erhebt sich das Ufer amphitheatralisch mit einer Menge von Weinbergen und terrassenartigen Gärten; Greinz 1930 Golgatha der Ehe 103 terrassenartig. terrassenförmig: 1794 Br. über Hamburg 44 terrassenförmig; Lewald 1836 Aquarelle I 247 die terrassenförmige Höhe; 1863 Beschr. OA Sulz 5 indem die Thalgehänge nicht terrassenförmig . . . auftreten; Perfall 1890 Liebe 102 Der terrassenförmig sich von der Hochebene thalwärts . . . abstufende Garten; Brandt 1901 Ost-Asien I 139 Näher an der Stadt und über derselben . . . ziehen sich terrassenförmig Reihen von Friedhöfen hin; B. Z. am Mittag 6. 6. 1933 [die] Treppe, die terrassenförmig bis zum Gipfel des Hanges führt; Lokal-Anz. 6. 9. 1933 Tirnowo, die alte Zarenstadt auf Hügeln an der geschlängelten Jantra terrassenförmig aufsteigend; ebd. 16. 5. 1934 hoch mit Gras bestanden war die Waldschneise, die sich terrassenförmig zu einem klaren Waldsee herabneigte; Dtsch. AZ. 6. 7. 1935 Die ganze Gebäude-

Terrine

174

anlage wird von vornherein in das Alt-Berlin Stadtbild derart eingefügt, daß sie die erste Stufe der terrassenförmig aufsteigenden Altstadt bildet; ebd. 25. 10. 1935 Paul von Jankös neues Klavier besteht aus einer sechsfachen, terrassenförmig übereinandergeschichteten Tastatur. terrassenmäßig: Matthison 1814-17 Sehr. II 232 der weg läuft terrassenmäszig an einem lothrechten felsen hin (DWB). terrassenweise: Heinse 1780 — 83 Tagebücher VII 271 Die Berge sind Terrassenweis bepflanzt, soweit sie nur haben können bepflanzt werden; 1784 Journal v. u. f . Deutschland I 226 den Rüdesheimer Berg, der mit unglaublicher Mühe terrassenweise ganz mit Wein bepflanzt ist. terrassieren: Sturm 1741 Anw. (Architektur) G" [die Zisterne wird] innen und aussen terrasiret, dass sie um und um mit Quell-Wasser beflossen seyn kan, und doch keines hinein dringet; Jacobsson 1781-95 (IV384h) terrassierter boden (DWB); Lavater 1802 Physiogn. Regeln (Nachgel. Sehr. V 54) Scharf-gezeichnete, lippenlose, sich an den

Enden aufwärts ziehende Mittellinie des Mundes . . . sind selten anders, als bey schlauen, aktifen, industriosen, kalten, harten, schmeichelnden, und terrassierenden [Schätze aufhäufenden] Geizhälsen; Seume 1803 Spaziergang 8 ah den bergen rund herum [um Triest] hat man hinauf und herab terrassiert und dadurch ziemlich schöne Weingärten angelegt (DWB); Ittner 1819 Kaiserstuhl 376 Die Weinberge sind wie Festungswerke durch abgedachte Rasenlager terassirt; Goethe 1821 Br. XXXV69 sehr zierlich terrassirten Gärten; Lewald 1843 Mappe 228 der terrassirte Garten; Haym 1902 Lehen 96 die terrassirten Rebengärten von Naumburg; Welti 1908 Br. II 256 mit einem schönen, alten, terrassierten Garten. Terrassierung: Nicolai 1790 Anekdoten I 201 Dieß Begräbnißgewölbe ward schon angelegt, ehe die Erde von der Terrassirung auf die oberste Anhöhe heraufgekarret war; 1833 Bayer. Annalen V 661 Terrassirung des Wegs; 1943 Wissen u. Wehr 235 Durch das alle Abhänge in kunstvoller-Terrassierung ausnutzende nasse Reisfeld wird der Mensch . . . zum nachhaltigen Bildner der japanischen Kulturwelt.

Terrine F. ( - ; -n), im früheren 18. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. e i g e n t l i c h ' i r d e n e s G e f ä ß ' ( s u b s t . F . v o n a l t f r z . terrin

gleichbed. mlat. terrineus, 'tiefe

Schüssel,

Gefäß

mit

zurückgehend auf lat. terra, oder

ohne

Deckel

zum

terrine,

'aus E r d e ( g e m a c h t ) , i r d e n '


Terrain); in der Bed.

Servieren,

bes.

von

Suppe,

Punsch o. ä.' (Suppen, Punschterrine). 1737 Jüd. Baldober 2 Terinen, so inwendig vergulirt gewesen; Halle 1761 Werkstäte d. Künste I 106 Terrinen (Tiefschüsseln mit einem Deckel); ebd. I 277 Terrinen auf Silberart, gros und klein, von englischem Zinne; Meiners 1785 Br. Schweiz II 263 Tafelgeschirr, Terrinen, Schüsseln; Clauren 1816 Mimiii (Ndr.) 12 Milchterrinen; Goethe vor 1832 (XI283) sie stellen eine art kleiner terrine . . . auf (DWB); Grabbe vor 1836 (II 258) wir wollen uns zur restauration einige terrinen punsch machen (DWB); Glasbrenner 1836 Berlin IV 24 draußen in der Küche is noch eine janze Terrine voll Suppe; Kohl 1845 Paris I 147 zerbrochenen Suppenterrinen; Scheidler 1859 Jen. Bl. II 164 eine grosse Terine Eiergrogg; Mahler 1864 Uber d.Eider 108 Dann kam noch, als etwas ungemein Erquickliches, eine große Terrine mit Weinsago, eine Suppe, die besonders im Herzogthum Schleswig sehr beliebt ist; Gutzkow 1875 (46) Säkularbilder VIII 34 von Tellern und Suppenterrinen; Wickede 1878 Leutnant 257 schien sich der Durst aller dieser Künstler wo möglich noch zu verdoppeln und selbst die riesigsten Terrinen mit Punsch

wurden im Umsehen stets wieder leer; Kretzer 1887 Timpe 27 daß Alter und Blindheit es ihm nicht möglich machten, ebenfalls von dort oben den Leuten in die „Suppenterrine" zu spucken; Eckstein 1895 Hartwig 125 Funkelnden Auges blickte der Lehrbursche nach der hellblau umränderten Sonntags-Terrine. Zart und zierlich kräuselte sich der Rauch empor und weckte die Ahnung würziger Suppenkräuter; Hoffmann 1898 Gelehrte 177 Töpfe, Terrinen und Schüsseln; Mann 1924 Zauberberg II 469 Hofrat Behrens . . . hob mit einem Schöpfer dampfendes Getränk aus einer Terrine (WDG); Stickelberger 1946 Künstler III 329 „Was sind Terzinen [sie!]?" raunte Hand Wedigh Zyriak Kaie zu . . . Der klärte ihn von oben herab auf. „Behältnisse für Gansleberpasteien; bei uns spricht mans ohne z aus"; Die Zeit 30. 6. 1978 der Deutsche Fußball-Bund (DFB) werde eine unterernährte Truppe nach Argentinien schicken, die voller Neid in die prall gefüllten Suppenterrinen anderer Ländervertretungen schaut.

territorial

175

t e r r i t o r i a l A d j . , im späteren 17. J h . entlehnt aus lat. territorialis g e h ö r i g ' (zu terra,

'zum Gebiet

—> T e r r a i n ) , bis ins 18. J h . auch in der lat. ( f l e k t . ) F o r m ; meist

im politischen und v ö l k e r r e c h t l i c h e n B e r e i c h v e r w e n d e t in der B e d . 'das (einzelne) H o h e i t s - , Staatsgebiet b e t r e f f e n d , zu i h m gehörig, es b e h e r r s c h e n d ' , früher bes. im Z u s a m m e n h a n g mit der Kleinstaaterei, in neuester Zeit auch für ' z u einem

be-

s t i m m t e n ( g e o g r a p h i s c h e n ) G e b i e t , L e b e n s r a u m g e h ö r i g ' ; im S p r a c h g e b r a u c h der DDR

auch in der B e d . „ e i n e n örtlichen B e r e i c h b e t r e f f e n d " ( W D G ) ;

meist in

subst. Z s s . verwendet wie T e r r i t o r i a l r e c h t , - S t a a t , - g e w a l t ' H o h e i t s g e w a l t

über

ein T e r r i t o r i u m ' , -politik 'auf G e b i e t s v e r g r ö ß e r u n g gerichtete P o l i t i k ' , - g e w ä s s e r ' z u einem an der M e e r e s k ü s t e liegenden Staat gehöriges S e e g e b i e t ;

Hoheitsge-

wässer', - r e s e r v e als B e z e i c h n u n g f ü r die in der B R D auf freiwilliger Basis regional aufgestellten R e s e r v i s t e n v e r b ä n d e n e b e n d e m aktiven H e e r und T e r r i t o r i a l s y s t e m als historische B e z e i c h n u n g für die A b h ä n g i g k e i t der K i r c h e v o m Staat im Zeitalter des

Absolutismus;

System

der

in

komplexen

der

DDR

Planung

auch

Territorialprinzip

und

Leitung

„Leitungsprinzip

gesellschaftlicher

Prozesse,

im das

speziell der T e r r i t o r i a l s t r u k t u r R e c h n u n g t r ä g t " und T e r r i t o r i a l s t r u k t u r „ G l i e d e rung des Staates, L a n d e s in staatliche T e i l g e b i e t e , bes. B e z i r k e , K r e i s e , die von örtlichen V o l k s v e r t r e t u n g e n geleitet w e r d e n " ( W D G ) . D a z u seit M i t t e 19. J h . die seltene subst. A b l e i t u n g T e r r i t o r i a l i s m u s M . ( - ; o h n e P I . ) ' L a n d e s h e r r e n t u m ' , seit E n d e 19. J h . die subst. A b l e i t u n g T e r r i t o r i a l i t ä t F . ( - ; o h n e P I . ) ' Z u g e h ö r i g k e i t zu einem Staatsgebiet, Staatlichkeit', b e s . im V ö l k e r r e c h t v e r w e n d e t ( T e r r i t o r i a l i t ä t s p r i n z i p ) und das S u b s t . T e r r i t o r i a l i s i e r u n g

F . ( - ; ohne PI.) 'Eingliederung

ein/das T e r r i t o r i u m , U n t e r w e r f u n g unter die Staatsgewalt' ( G g s .

in

Entterritoriali-

sierung); daneben die fachspr. im V ö l k e r r e c h t und in der D i p l o m a t i e v e r w e n d e t e P r ä f i x b i l d u n g e x t e r r i t o r i a l 'den G e s e t z e n des A u f e n t h a l t s l a n d e s nicht u n t e r w o r f e n , außerhalb der L a n d e s h o h e i t s t e h e n d ' , vereinzelt übertragen g e b r a u c h t , das S u b s t . E x t e r r i t o r i a l i t ä t F . ( - ; o h n e P I . ) ' v ö l k e r r e c h t l i c h garantierter S c h u t z v o n D i p l o maten v o r den B e h ö r d e n des G a s t l a n d e s ; I m m u n i t ä t ' und das vereinzelte V e r b e x territorialisieren

V.trans.

'jmdm.

Exterritorialität

gewähren,

(etwas)

einen

exterritorialen Status g e b e n ' . territorial: Lassenius 1661 Tischreden 72 nach denen Legibus Territorialibus, oder denen Gesetzen, welche an diesem oder jenem Ort, durch uhralte Gebrauch, zu einer unumstosslichen Regul worden; Becher 1668 Discurs 225 muß also solches Collegium von dreyerley Art Menschen bestehen / nemblich von etlichen / welche da wissen / Quid Juris, scilicet, die ihre territorialia und Jurisdictionalia, wieweit sie befugt seynd / wol verstehen; 1691 Pfalz y Territorial-Herrn; Thomasius 1701 Kl. Sehr. 110 Nach der gemeinen Aristotelischen Lehrart weiß ich nicht / zu was ich die superioritatem Terrirorialem machen soll; Marperger 1711 Beschr. d. Messen I 275 Territorial-Herrn; 1716 Fama LVI 620 Des Orts Ursprung / Situation, Einwohner, Regenten . . . Gesetze und Ordnungen, Religions-Sachen, Kriegs- und FriedensHandlungen / Müntzwesen, Bergwerck- und Floß-Sachen, auch übrige Territorial-Gerechtigkeiten; Boltz 1752 Amts-Actuarius 147 Criminal-

und Territorial-Jurisdiction; Schuhart 1774 Dtsch. Chronik 196 Schon war der Rath, das Gericht und ein Theil der Ordnungsstube entschlossen, das Territorial-Recht über die Fahrwasser an Preußen abzutreten; Schlözer 1778 Briefw. histor. Inh. I 187 wie könnte der Stat die Territorial-Einkünfte nach Europa ziehen?; Musäus 1781 Reisen IV 254 Territorialluft; Schlettweins Archiv 8 (1784) 477 durch Erhebung des einzigen Territorialimposten [Steuer] allen Grundeigenthümern das vollkommenste Benutzungsrecht über das Ihrige versichern; ebd. 512 Das physiokratische System erfordert weiter nichts, als allgemeine Handels- und Gewerbsfreyheit, und den Territorial-Imposten; Fischer 1790 Brandenburg-Anspach II 332 Diese Territorial- und Fraischgerechtsame; Pütter 1795 Unterschied 167 Territorialverfassung; Schiller vor 1805 (XII 251) Territorialgerechtigkeiten der Provinzen und Städte (KEHREIN); 1813 Gränze 3 Die Territorialverhältnisse zwischen Frankreich

176

territorial

und Deutschland von einem strategischen Punkte aus zu betrachten; Haller 1818 Restauration III 8 Territorial-Macht, d. h. der Domainen und Landereyen, auf denen das Fürstenthum beruht; Buchholz 1821 Taschenh. 205 Da der Fürst Metternich vorangegangen war, so erwartete man nichts Geringeres, als wesentliche Veränderungen, theils in dem Verhältnisse des Kaiserreichs zu dem heiligen Stuhl, theils in dem Territorial-Besitz, so wie dieser durch die Congreß-Acte festgestellt war; Koch-Sternfeld 1825 Beyträge I 384 Patrimonial-, Landsassen-, Territorial-, Nationalstaat: so bezeichnet man die Stufenleiter der civilisirten Völker; 1828 Jahrbücher d. Gesch. I 200 die von Bayern an Baden gemachten Territorialansprüche; 1829 ebd. II 309 bekennt sich im Kirchenrechte zu dem sogen. Territorialsysteme; Gutzkow 1835 Charaktere IX 29 ob sich Talleyrand noch im Bereich der Territorial- und Gleichgewichtsinteressenpolitik bewegt; Prince-Smith 1843 Handelsfeindseligkeit 11 Der blosse Territorialstaat hat aufgehört, und der industrielle Staat stellt für die Politik eine andere Aufgabe hin; Diezel 1857 Resultate 95 Preussen ist der Typus des bureaukratischen deutschen Territorialstaates, der seine Zeit offenbar ausgelebt hat; Stahl 1856 Staatslehre 99 das eigentliche Territorialrecht, das nicht ein Eigentum, sondern eine politische Gewalt über den Boden ist; 1866 Grenzboten III 402 der Territorialbestand des Königreichs Sachsen ist von Preussen zugestanden worden; Ratzel 1897 Polit. Geogr. 5 strebten nach territorialer Zusammenschliessung und Abgrenzung; Brandt 1901 OstAsien II 297 daß die beiden Regierungen in allem, was auf die territorialen Beziehungen der beiden Reiche Bezug habe, sich mit Rücksicht und Höflichkeit behandeln . . . sollten; Zukunft 62 (1908) 192 auf jeden territorialen Erwerb auf dem Balkan . . . zu verzichten; Friesen 1910 Erinn. III361 Die Vereinigung der Reichsaufsicht und der Territorialaufsicht über das beherrschende preußische Eisenbahnnetz würde genügen, um auch in die übrigen Bahnverwaltungen Einheit zu bringen; Lenz 1922 Staat 93 eine territorial gegliederte Arbeiter- und Bauernarmee; 1931 Arbeitsausschuss 65 So schwierig die Revision der territorialen Bestimmungen des Versailler Vertrages auch sein mag; Berl. Illustr. Nachtausg. 15. 8. 1933 Ein Feldlager der englischen Territorialarmee in Wyke Rogis wurde vom Blitz getroffen; 1933 Volk u. Reich 186 [die] territoriale Integrität des Deutschen Reiches; Hausenstein 1935 Wanderungen 119 nach dem Ende seines territorialstaatlichen Eigenlebens; Berl. BörsenZtg. 25 . 5. 1935 der Verzicht Deutschlands auf alle territorialen Forderungen gegenüber Frankreich; Haushofer 1937 Weltmeere 77 typische TerritorialGewässerschlachten; Münch. N. N. 8. 1. 1938

Danach sind nur ein Geschwader der regulären Luftstreitkräfte und sechs Geschwader der territorialen Luftwaffe noch nicht auf die volle Stärke gebracht worden; ebd. 11. 12. 1939 ob es russischen Kriegsschiffen gelingen werde, in den Bottnischen Meerbusen einzudringen, da dafür praktisch nur die schmale Durchfahrt zwischen den schwedischen Territorialgewässern und den Alandsinseln in Frage kommt; ebd. 17. 6. 1940 Deutschland hat territoriale oder politische Interessen auf dem amerikanischen Kontinent weder früher gehabt, noch besitzt es solche heute; Dtsch. AZ. 30. 6. 1944 da England in diesen Krieg nicht mit der Absicht eingetreten sei, territoriale Gewinne zu erzielen; Süddtsch. Ztg. 1946 Nr. 23 in Deutschland steigerte die Glaubensspaltung die zentrifugalen Tendenzen der Territorialfürsten; NZ. (Basel) 27. 3. 1950 Wie bereits angetönt, spielen die diesbezüglichen Interessen der Zivilbevölkerung im Kriegsfalle mit den Funktionen des Territorialdienstes stark ineinander. Denn der Territorialdienst führt als integraler Bestandteil unserer Armee überall dort den Kampf gegen den Angreifer, wo die Feldarmee aus irgendwelchen Gründen ausfallen muss; Süddtsch. Ztg. 28. 6. 1955 Unter militärischer Territorial-Organisation ist die Gliederung des Bundesgebietes in sechs Militärbereiche gemeint; ebd. 29. 4. 1958 Es fand sich nicht die nötige Zweidrittelmehrheit für eine Entscheidung darüber, ob die Ausdehnung der Territorialgewässer auf drei, sechs oder zwölf Seemeilen festgelegt werden soll; Zimmermann 1959 Säugetiere 29 die meisten Nager leben territorial, das heißt . . . jeder Verband bezieht einen abgegrenzten Lebensraum (WDG); Stuttgarter Ztg. 25. 3. 1963 Das Wort, daß mit einer territorialen Verteidigung kein Krieg gewonnen werden kann . . . hat zweifellos seine Richtigkeit; ebd. 16. 10. 1964 Die im Frühjahr 1964 ins Leben gerufene Territorialreserve des nordbadischen Verteidigungsbezirks hält gegenwärtig in den Kreisen Karlsruhe und Bruchsal ihre erste größere Einsatzübung ab; Offenburger Tagebl. 8. 2. 1966 Der Aufbau der Heimatschutztruppen, der neuen Form der territorialen Verteidigung; N. Z. Z. 14. 8. 1971 Die neueste Vorlage des Bundesrates über militärische Bauten . . . enthält unter anderem ein Objektkredit von 7,79 Millionen Franken zur Errichtung eines Territorialspitals Mittelgösgen; Die Zeit 31. 3. 1978 Erst die territoriale Verankerung der Entrechteten wird den Gemäßigten ihre Chance geben und die Radikalen an den Rand des Geschehens drängen. Territorialisierung: Paulsen 1896 G. U. I 250 Territorialisierung der Universitäten, ja man kann sagen, der Wissenschaft und des geistigen Lebens

Territorium überhaupt; Oncken 1914 Aufsätze I 270 die einst verhängnisvolle Territorialisierung des alten Reichs; Mitteis 195} Staat (Reg.) 139 Territorialisierung des Rechtes; 1965 Festschr. a. H. Aubin 154 Zunahme der Zölle an einer Verkehrslinie mit fortschreitender Territorialisierung. Entterritorialisierung: Schmitt 1939 Grossraumordnung 12 „Entterritorialisierung" des völkerrechtswissenschaftlichen Denkens. Territorialismus: Stahl 1856 Staatenlehre 167 Es bildete sich so das Landesherrentum, der Territorialismus. Nun wurde es den Fürsten . . . leicht, die ständischen Rechte, als unvereinbar mit den höheren Rücksichten des Staates zu brechen; Braun 1881 Bilder I 13 zur Zeit des Verfalls des Feudalismus und des Aufblühens des Territorialismus; 1953 Bildungsfragen 317 Der Grundsatz: „Wessen das Land, dessen die Religion" erhielt damals reichsrechtliche Geltung. Der Territorialismus hatte gesiegt über die mittelalterliche Reichsidee. Territorialität: Roscher 1899 Handel (System III 28) Die Städte haben die sog. Territorialität (besser

177

Staatlichkeit) des Rechtes angebahnt; Ruppin 1903 Darwinismus 21 [das] Territorialitätsprinzip des modernen Staats; 1915 Dtsch. Reden I 217 die Territorialität des Rechtes; Süddtsch. Ztg. 13.114. 5. 1950 Der Eigentümer selbst konnte allerdings bei konsequenter Anwendung des Territorialitätsprinzips gegenüber seinem enteigneten Betrieb keine Ansprüche geltend machen . . . Akte der Willkür, auch wenn sie in die Form eines Gesetzes oder einer Verordnung gekleidet werden, müssen aber durchaus nicht toleriert werden, um so weniger gegenüber einem System [der DDR], das sich selbst nicht an das Territorialitätsprinzip gebunden fühlt. exterritorial: Adomo 1955 Prismen 183 Seine [Marcel Prousts] Beziehung zur Kunst hat etwas Exterritoriales, und manche seiner Fehlurteile . . . zeigen bis zum Ende Spuren des Dilettanten (DUDEN). exterritorialisieren: Johnson 1959 Mutmaßungen 187 ich glaube, die Stadtbahn ist schon exterritorialisiert (DUDEN).

T e r r i t o r i u m N . ( - s ; Territorien), E n d e 16. J h . entlehnt aus lat. territorium einer Stadt gehörendes Ackerland, Stadtgebiet' (zu terra, auch lat. flektiert; in der allgemeinen

Bed.

'Grund

'zu

—* Terrain), bis ins 19. J h . und

Boden,

großes

(geo-

graphisches) Gebiet, Bezirk, L a n d ( - s t r i c h , -schaff)', überwiegend im politischen und völkerrechtlichen Bereich in der Bed. 'staatliches H o h e i t s - , Herrschaftsgebiet', gelegentlich bildlich verwendet, auch als historische Bezeichnung für die Gebiete der Landesherrn und der Reichsstädte im Unterschied z u m Deutschen Reich (bis ca. 1806), das einen unmittelbaren Territorialbesitz nicht mehr innehatte; daneben speziell auf nordamerikanische Verhältnisse bezogen als Bezeichnung für ein noch nicht v o l l k o m m e n als Bundesstaat in den Verband aufgenommenes G e b i e t ; in der D D R v o r allem auf Wirtschaftsgebiete bezogen. Ernstinger 1579—1610 Raisbuch 49 noch 4 andere stett in dem paduanischen territorio; 1598 Orientalisch Indien / / 77 Kurtze Erzehlung von dem Land, welches hinter Goa gelegen ist, in welchem territorio vnnd Gebiet die Statt Goa liegt; Sattler 1607 Orthographie 110 vnder dem territorio des Gottshauses gelegen; Hulsius 1617 13. Schiffart 26 in diesem territorio oder Bezirck; 1623 Beschr. d. Schlacht b. Stattloo 7 [war] er alsbald auff das Holländisch territorium dafür er nicht weit gehabt/ gewichen; Furttenbach 1627 Itin. haltete 174 von Florenzola aber ritten wir 8. Meil über die Appenini ein sehr hohen Berg . . . allda man Scar-

peria, mit sampt desselben gantzen territorium ubersehen kan / ein solche lustige Prospectiva, als man finden mag; Geyer 1629 Sendschr. o. S. ein gantze Landschafft oder Territorium; Mengering 1638 Soldatenteufel 140 weil sie in ihren Grentzen vur territorien den Vonheil gehabt; 1658 (Dtsch. Ztg. 17. Jh. 187) in hiesigem Ertzbischofflichen Territorio; Spreng 1662 Wechselpraktik 14 So zeugt das Lombardische Territorium nicht unebenen Wein; Böckler 1665 Schola militaris 520 Hierbey ist auch nothwendig / daß man durch geschickte Leuthe . . . den Plan oder Grundriß des Orts / wie auch das gantze Territorium darumbher

178

Territorium

entwerffen [muß]; 1684 Getrost. Europa D4" der Marek oder Gränzstein . . . welchen das Baslerische Territorium vom Marck-Gräffischen unterscheidet; Thomasius 1688 Mon'gespr. I 126 die vom Lande aber / so in das Territorium gehörig / sollten nur vom Thaler 6 Pf und die Frembden gar nichts geben; 1690 Hocbb. Augsb. 71 das Augspurgische Territorium betretten; 1691 Pfalz 4h welches Recht Chur-Pfalz nicht nur in dero eignem Territorio, sondern auch weit und breit herum [habe]; Chilemont 1705 Kriegs- u. Staatsrat II 89 daß sowohl der . . . Theil Volcks daraus bereits in das Päbstliche Territorium entweiche; Prambhofer 1712 Traum-Ges. 269 müste alsobald sammt dem Hof auch die Stadt räumen / und ein anders Territorium betretten; Sinold 1715 KirchenHist. 403 O b sonst einem Landes-Herrn in seinem territorio das jus reformandi zustehe; Marperger 1722 Altanen lh Holtz aus fremden Territorio; Pegius 1725 Hunde-Recht 13 Wenn einer in seinem territorio und auf seinem Gebiet oder Grund und Boden das Wild . . . anschiesst; Barth 1734 Tageb. 155 Das Mainzische Territorium ist von den Franzosen völlig in Kontribution gesetzt; Glafey 1736 Anleitung 146 Es liegen die Herrschaften N . N. . . . im Sächsischen Territorio; 1739 Hamburg. Berichte 396 in einem fremden Landstriche (Territorio); 1759 Modeztg. II 99 Man verabscheuet alle und jede Auflagen in unserm Territorio; 1786 Journal aller Journale VI 134 Territorium der vereinigten Staaten in Nordamerika; Crome 1791 Wahlcapit. 72 Privilegia, so der Kurfürsten, Fürsten und Stände in dero territoriis zustehenden Polizeywesen; Schiller vor 1805 (XIV 38) Auf ihren eigenen Territorien und Schlössern (KEHR E I N ) ; Athenstädt 1823 Eur. II 189 als wie der Grundbesitzer großer Ländereyen und Güter, ein willkührliches Recht auf die Person, oder das Eigenthum der auf seinem Territorio ansäßigen Bewohner hat; 1826 Atlantis 188 die Gränzen des von den Ureinwohnern reservirten Territoriums; Gerstäkker 1848 Flusspiraten I 9 Schon in früheren Zeiten, als die westlichen Staaten noch als Territorium der Union galten; Kohl 1851 Rhein I 97 Vergrösserung des Territoriums der Staaten; Hinrichs 1852 Rechtsu. Staatsprincipien III 372 Occupirt ein Volk ein Land oder eine Gegend, so wird dieselbe Eigenthum des Volkes. Da jedem Volke die bürgerliche Herrschaft zukommt, so erhält das Volk gleichfalls die Herrschaft in dem von demselben occupirten Lande. Dann entsteht das, was man Territorium nennt, d. h. ein Land, mit dem die Herrschaft unmittelbar verbunden ist; 1852 Prutz' Museum I 399 auf dem Territorium der Stadt [Hamburg]; ebd. (1855) II 907 kann die Kunstgeschichte . . . nur eine Domäne, ein zugehöriges Territorium der Culturgeschichte sein; Rodenberg 1860 Insel d.

Heiligen II 244 mitten im Territorium des rebellischen O'Neill; Hartmann 1866 Erlebnisse 61 [hat] ein kleines Territorium am Einfluß der Geeste in die Weser abgetreten; Ratzel 1897 Polit. Geogr. 163 Selbst was in den [nord-] amerikanischen Republiken ein Territorium [ist] . . . ist dort zu erläutern,; Below 1900 Territorium und Staat (Titel); Brandt 1901 Ost-Asien II 329 Der Attorney-General des Territoriums erzählte mir aus eigener Erfahrung; Schmid 1909 Mönch 90 auf diese Weise entstand in der Hauptstadt des festgefügten Staates (nicht mehr: „Territoriums") ein Bürgerstand; Kaiser 1911 Lebenserinn. 233 Freundinnen oder gute Bekannte . . . zu empfangen und auf eigenem Territorium [im eigenen Haus] zu bewirten; Johnston 1917 Menscbenverst. 117 Das Territorium und Schutzgebiet Aden sind ziemlich groß; 1923 Polit. Handwb. I 30 Alaska, ein „Territorium" [der USA]; 1924 Deutschlands Erneuerung 270 Die in den Ständen verkörperte Mitarbeit des Volkes mußte verdrängt werden, damit die Territorien zu Staaten werden konnten; Voss. Ztg. 1. 6. 1930 Die Einheit des wirtschaftlichen Territoriums betonte dann auch der König; Lokal-Anz. 17. 3. 1933 Die Tatsache, daß der Badische Bahnhof in Basel . . . schweizerisches Territorium ist, haben nun Helfershelfer der Frau zu ihrer gewaltsamen Befreiung genutzt; ebd. 24. 4. 1934 London erklärte, es dürfe nicht verantwortlich gemacht werden für irgendwelche Ereignisse außerhalb des Territoriums der Walfischbai und nächsten Umgebung; Dtsch. AT.. 30. 6. 1944 Die mehr als 8000 britischen Schiffe, die im Jahre 1939 vorhanden waren, seien aber britisches Territorium unter der britischen Flagge gewesen . . . Die von diesem obersten Repräsentanten der britischen Reeder gewählte Identifizierung eines Schiffes mit dem nationalen Territorium kennzeichnet die lebenswichtige Bedeutung, die das Ersatzproblem für die britische Schiffahrt darstellt. Nach Lage der Dinge hat England im Verlauf des Krieges ungefähr die Hälfte dieses Territoriums eingebüßt . . . Wie England sich mit dem Verlust seines schwimmenden Territoriums abfindet; N. Z. Z. 2. 10. 1944 Wir müssen . . . dafür sorgen, daß die Ehekonflikte nicht bis vor den Scheidungsrichter gelangen, bringt doch der Scheidungsprozeß die Leute bestimmt nicht mehr zusammen. Wir müssen die Kämpfe in die Vorfelder der eigentlichen Territorien verlegen: Eheberatung, Eheschutzverfahren, Friedensrichter; Neue Ztg. 23. 8. 1946 Eine Sondernummer des Bulletins des französischen Informationsministeriums schlägt vor, dem Ruhrgebiet als „Internationalem Territorium" ein ähnliches Statut zu geben wie dem Saargebiet nach dem ersten Weltkrieg; Münch. Merkur 12. 8. 1954 Dr. Otto John hat gestern in Ostberlin sein

Terror Debüt gegeben. „Auf eigenen Wunsch", wie er betonte, ging sein erstes öffentliches Auftreten nach dem Territoriumswechsel über die Bretter; Offenburger Tagebl. 13. 9. 1958 Adenauer erinnerte die Sowjetrussen daran, daß sie das Besatzungsstatut über Berlin nicht einseitig aufkündigen können, weil in ihm ausdrücklich vereinbart sei, daß das Territorium Berlin von den Besatzungsmächten gemeinsam verwaltet werde; Süddtsch. Ztg. 16. 1. 1959 Sie sind ein Besucher des einstmals indianischen Territoriums von Michigan; Stuttgarter Ztg. 21. 3. 1959 Zu Beginn dieses Jahres begannen die amerikanischen Fahnenfabrikanten in großer Eile . . . die Fabrikation neuer amerikanischer Landesfahnen, weil mit der Aufnahme des „Territoriums" Alaska in die Union als 49. Gliedstaat die bisherige Fahne mit ihren 48 Sternchen im oberen Innenfeld hinfällig geworden war; Zucbardt 21965 Stunde 416 die vielen Schwierigkeiten, mit denen man [im 18. Jh.] beim Passieren der verschiedenen deutschen Territorien . . . zu rechnen hatte (WDG); Offenburger Tagebl. 19. 1. 1967 Die

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Einwohner dieses französischen Gebiets [Somaliküste] . . . werden mit Ja oder Nein die Frage zu beantworten haben, ob sie für das Verbleiben des Territoriums innerhalb der französischen Republik unter einem neuen Regierungs- und Verwaltungsstatut sind; ebd. 23. 3. 1968 Auf dem Territorium der D D R finden gegenwärtig im Raum Magdeburg planmäßige Übungen von Truppenteilen . . . statt; Stuttgarter Ztg. 29. 12. 1969 Die sowjetische Regierung bleibt bei ihrem alten Standpunkt, daß Westberlin „innerhalb des Territoriums der Deutschen Demokratischen Republik" liegt und nicht — wie nach Ostberliner Lesart - „auf dem Territorium der D D R " ; 1971 Protokoll VIII. Parteitag II 124 die im Territorium vorhandenen kulturellen, sozialen und Erholungseinrichtungen (WDG); ebd. II 145 die Herstellung richtiger Wechselbeziehungen zwischen den Zweigen [der Volkswirtschaft] und dem Territorium (WDG); Die Zeit 31. 3. 1978 Das Wort Waffenstillstand gibt es in unserem Wortschatz nicht gegenüber einem Feind, der palästinensisches und arabisches Territorium besetzt hält.

Terror M . , (-s; ohne Pl.), im früheren 19. Jh. (gebucht 1838 bei Heyse) aufgekommen, wohl unter Einwirkung von gleichbed. frz. terreur zurückgehend auf lat. terror 'Angst erregendes, Schrecken verbreitendes Geschehen' (zu terrere '(er-) schrecken'), erst seit Anfang 20. Jh. kontinuierlich und häufig belegt in der Bed. 'Schrecken(-sherrschaft), Gewalt(-tätigkeit, -akt); (systematische) Verbreitung von Angst und Schrecken durch Gewaltaktionen (zur Erreichung eines (macht-)politischen Ziels); (politische, geistige) Unterdrückung, Einschüchterung, Bedrohung, Vergewaltigung', vor allem als politisch-ideologisches Schlagwort zur Sammelbezeichnung für in politischen Auseinandersetzungen angewandte Kampfmittel (Terrorakte, -aktionen) wie (von totalitären Regimes und Diktaturen zur Unterdrückung oppositioneller Bewegungen, rassischer, nationaler, politischer Minderheiten eingesetzte) Zwangsarbeit, Deportation, Exekution, Liquidierung einerseits und (von oppositionellen, revolutionären, extremistischen Gruppen gegen ein herrschendes System, eine bestehende (staatliche) Ordnung gerichtete) Sabotage, Aufruhr, Attentat, Entführung andererseits, häufig in Zss. wie Staats-, Polizei-, Rassen-, Gruppen-, Gegenterror; Terrorregime, -organisation, -anschlag; im zweiten Weltkrieg in propagandistischer Absicht häufig auf feindliche (Angriffs-) Aktionen bezogen; seltener auf nicht politische Gewalt- und Störaktionen, z. B. durch kriminelle Jugendliche, Gangster usw. ausgedehnt, auch übertragen verwendet in der abgeflachten Bed. '(von einer Idee, Mode ausgehende) erpresserische Druckausübung, Macht, Beherrschung, Diktat' und ugs. scherzhaft im Sinne von 'Aufhebens, Wirbel, Aufruhr, Unruhe', z. B. in der Redewendung (keinen) Terror machen '(keinen) Ärger, (keine) Schwierigkeiten, (kein) Theater machen'. Fallmerayer 1850 Aufs. (II 84) Der Terror eines Tiberius und eines Caligula ward seit jenem Ereignis . . . nicht selten überboten; Pan 2

(1911-12) 59 Terror der Syndikate; Dtsch. Nation 1 (1919) 6 Der Terror der Pariser Allianz . . . ist nichts als ein Instrument kommender Kriege;

180

Terror

Runge 1919 Neue Fichte-Funde 21 Befrei: von allem Terror sollte der Zögling durch Selbsttätigkeit Selbstachtung gewinnen; 1922 Deutschlands Erneuerung 620 weil die regierenden Parteien dem Terror der Strasse entgegenzutreten nicht wagen; ebd. 624 aber noch furchtet er den Terror der Jüngeren, denen es gut geht; 1925 Sittengesch. d. Theaters 132 Schilderungen von der Haltung, der Ungehemmtheit und dem Terror des Theaterpublikums in England; Friedeil 1928 Kulturgesch. II 406 der Terror unter den Jakobinern oder im heutigen Russland; Voss. Ztg. 8. 9. 1929 Wenn die Außenpolitik das Material zum Unruhestiften nicht mehr hergibt, muß man aus Eigenem Schrecken und Aufregung schaffen. Man greift zum Terror. Aus den harmlosen Stinkbomben und Feuerwerkskörpern, mit denen man bis vor kurzem Versammlungen zu stören pflegte, sind richtige Bomben geworden; ebd. 25. 10. 1929 Die Legende vom Terror (Uberschr.) Das Geschrei über den Terror der Regierung war die neueste Agitationsparole der Volksbegehrens-Presse; ebd. 26. 6. 1929 Wenn aber die Freiheit mißbraucht wird und dieser Mißbrauch zu schärfstem Terror gegen Andersdenkende ausartet, wird es allerhöchste Zeit, einzugreifen; ebd. 15. 2. 1930 Terror der streikenden Schofföre (Uberschr.) Ausschreitungen streikender Schofföre gegen nicht streikende Kollegen; ebd. 22. 11. 1930 Die furchtbare Szene endete damit, daß man ihn auf das Feld schleifte, ihn Schuhe und Strümpfe ausziehen ließ und seine Fußsohlen mit Hieben bearbeitete, bis er bewußtlos wurde. Dieser bestialische Terror wird weiterhin ergänzt durch polizeiliche Maßnahmen; ebd. 28. 11. 1930 wenn sie [die polnische Kultur] zu ihrer Durchsetzung gegenüber dem innerhalb der rotweißen Staatsgrenzen vorhandenen deutschen Kulturgut solcher Mittel bedarf oder wenigstens nicht die Anwendung brutalsten Terrors verhindert; Vorwärts 9. 1. 1931 In den Zuckergebieten von Kuba ist infolge der schlechten Wirtschaftslage unter den Bauern eine große Terrorbewegung ausgebrochen; Der Montag 12. 1. 1931 daß die amerikanischen Verbrecherbanden aus New York und Chicago ihren Terror bereits auf das Filmparadies Hollywood ausgedehnt haben; BZ. am Mittag 24. 2. 1931 daß er [AI Capone] auch noch in anderer Form, nicht nur durch Geldspenden, die Wahl zu bestimmen versuchen werde. Ein solcher „Wahlterror" soll aber um jeden Preis vermieden werden; 1932 Volk u. Reich 471 kann doch gewiss nicht von „Druck" oder „Terror" die Rede sein; Berl. Illustr. Nachtausg. 23 . 2. 1933 daß in letzter Zeit Kommunisten in der Uniform der SA. und anderer nationaler Verbände Terrorakte bereits hervorgerufen haben; ebd. 28. 2. 1933 Terrormaßnahmen der kommunistischen Partei;

Lokal-Anz. 1. 3. 1933 Durch ein unmenschlich erdachtes und sorgfältig vorbereitetes System maßlosen kommunistischen Terrors; ebd. 2. 3. 1933 Unter der Ueberschrift „Terror, Zwang und individuelle Gewaltakte"; ebd. 24. 3. 1933 Allein die Methode des individuellen und Massenterrors hat die nationalsozialistische Bewegung im Laufe weniger Jahre über dreihundert Tote und Zehntausende an Verletzten gekostet; ebd. 28. 8. 1933 Wenn man heute in der Umwelt von Terror in Deutschland, von Vergewaltigung rede, so sei dazu zu sagen, daß wir Deutschland von der Vergewaltigung und dem Terror derer befreit hätten, die es bewußt zerrissen haben; ebd. 26. 5. 1934 Die verschärften Terrorabwehrgesetze deuten jedenfalls darauf hin, daß man sich im Kabinett über die Erregung im Lande keinen Illusionen hingibt; ebd. 21. 6. 1934 Die Terrorwelle in Oesterreich ist wieder weiter im Ansteigen begriffen; Dtsch. AZ. 10. 1. 1935 Den Nachweis zu erbringen, daß das neue Deutschland eine auf Einschüchterung und Terror beruhende, von der Volksmehrheit im Grunde nicht gebilligte Ordnung sei; ebd. 1. 8. 1935 Die Bolschewisten, bei denen man es schon als ein Nachlassen des Terrors ansehen muß, wenn in sechs Monaten nicht viel mehr als 50 Personen erschossen worden sind; Münch. N. N. 24 . 7. 1937 Terror, Gewalt, Staatsbetrug u. a.; ebd. 22. 11. 1939 Unter diesen Umständen wurden Beamte des Sicherheitsdienstes der SS beauftragt, Verbindungen mit dieser britischen Terrorund Revolutionszentrale im Haag aufzunehmen; ebd. 31. 5. 1940 Diese Organisation hatte vom 10. Mai an eine Terrorherrschaft in Belgien ausgeübt; ebd. 14. 8. 1942 wiederholten Verbände der britischen Luftwaffe ihre Terrorangriffe auf das Rhein-Main-Gebiet; Divo 1943 Westdtsch. Grenzvolk 37 Das mit dem Jahre 1792 einsetzende französische Terrorregime; Münch. N. N. 17. 2. 1943 [Marseille] geriet unter den Terror des organisierten Einbruchs und Überfalls; ebd. 8. 3. 1944 Der erste Tagesangriff auf einzelne Teile der Reichshauptstadt durch.USA-Bomber trug ausgesprochenen Terrorcharakter; Dtsch. AZ. 4. 6. 1944 dieser Bolschewismus seine primitiven Vergewaltigungs- und Terrorformen . . . über ganz Europa ausbreiten will; ebd. 22. 6. 1944 daß die von ihm propagierte Luftterror-Kriegsführung nur ein Bumerang ist; ebd. 28. 6. 1944 Die jüdischen Terroristen in Palästina setzen . . . ihre Terrordrohungen fort und haben in den letzten Tagen zwei Kriminalbeamte ermordet; Münch. N. N. 28. 10. 1944 Lebend an die Wand genagelt (Uberschr.) Grauenhafter Mordterror in Ostpreußen; SUddtsch. Ztg. 30. 10. 1945 Dank der Ausschaltung der Gewaltherrschaft Hitlers durch die alliierten Mächte ist das Terrorsystem der

terrorisieren Nazigerichte abgeschafft worden; Hülsen 1947 Zwillings-Seele II 122 Die in Deutschland von einem stupiden Terror ohnegleichen zertrümmerten Masstäbe; Thiess 1947 Despotie 5 Die nationalsozialistische „Revolution" dagegen war überhaupt keine, sondern eine Massenbewegung, die den Staat erobert hatte. Geistig gesehen vollkommen ideenlos, ergab sie auch nicht das äussere Bild einer Revolution, sondern eines kalten Terrors, der nichts anderes zu verteidigen hatte als die Macht der Usurpatoren; Suddtsch. Ztg. 15. 12. 1950 Es ist jener unverhüllte „Friedensterror", den nur Ahnungslose nicht von echtem Friedenswillen zu unterscheiden vermögen; ebd. 4. 9. 1953 die Wiederholung des Grausigen und das Wiedererstehen eines totalen Terrorstaates nazistischer oder kommunistischer Prägung zu verhüten; Arbeitgeber 5. 4. 1956 so sah man auf Gewerkschaftsseite darin keinen ausreichenden Grund, auf eine wilde Kampagne gegen „Unternehmerwillkür" und „Betriebsterror" zu verzichten; Süddtsch. Ztg. 3. 6. 1957 Freilich, Terror und Gegenterror, Aufstand, Widerstand und Repressalien sind heillos ineinander verfilzt; ebd. 20. 8. 1957 „Terror" und „organisierter Radau" (Oberschr.) Stuttgarter Ztg. 4. 3. 1959 daß in einer Welt, in der die Macht der Waffen und der Terror den Ausschlag geben, den beiden großen westeuropäischen Staaten, die weder viel reale Macht besitzen, noch die Mittel haben, Terror bei dem Gegner zu erzeugen, nur eine begrenzte aktive Rolle zukommen kann; Adorno 1961 Noten II 24 lateinischer Terror der clarté; Schnurre 1964 Schreibtisch 94 Terror der [Berliner] Mauer; Offenburger Tagebl. 6. 8. 1964 Im Süden sei sie in einen Terrorkampf gegen Südvietnam verwickelt; ebd. 15. 9. 1964 politischen Terror gegen Franz Josef Strauß; FAZ 9. 7. 1966 Der Bundeskanzler sprach vom „Terror der Straße" und nannte eine Gruppe demonstrierender Oberschüler „die Armen im Geiste"; ebd. 30. 3. 1968 Literarischer Terror? (Uberschr.) Diese Organisation . . . terrorisiere Verleger, Autoren und Buchhändler; ebd. 6. 3. 1969 Zu einem a priori, über das keine Diskussion mehr in Frage kommt, gehört der autoritäre Charakter der Erziehung („Erziehung ist Terror", Alexander Mitscherlich); Bad. Ztg. 15. 12. 1969 Nach Meinung der Gendarmerie waren die Lehrlinge drauf und dran, in der Gemeinde ein „Terrorregime" aufzurichten. Die geplagten Bürger wagten keine Anzeige, wenn sie nachts von den Burschen mit Radau aus der Ruhe geweckt wurden; Offenburger

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Tagebl. 18. 3. 1970 Die Jugendlichen seien auf der Zuckerinsel in Terrortaktik ausgebildet worden; FAZ 25. 3. 1970 „Terror gegen Terror" (Uberschr.) In einem anonymen Schreiben aus Straßburg kündigt eine „Internationale Anti-Terror-Organisation" . . . „Terror gegen Terror" an, um „im Interesse des Friedens und der Sicherheit in der zivilen Luftfahrt" den Attentaten auf El-AlFlugzeuge und andere Israel anfliegende Maschinen zu begegnen; Offenburger Tagebl. 12. 10. 1970 Der Weg, den dieses Vertragswerk bisher durchlief, sei gepflastert mit Irreführung der öffentlichen Meinung, mit „Meinungsterror" gegen die Vertriebenenverbände; FAZ 30. 1. 1971 Die afrikanischen Staaten schweigen noch immer zu den unsinnigen Anschuldigungen Guineas gegen die Bundesrepublik, die Terrorjustiz in Conakry und den Bruch Guineas mit Bonn; ebd. 29. 6. 1971 Die Werksleitung spricht in diesem Zusammenhang von „offenem Terror"; Offenburger Tagebl. 7. 9. 1971 Die Konferenz könnte entscheidende Auswirkungen auf die weitere Entwicklung in der Unruheprovinz haben, in der die Terrorkampagne in den letzten Wochen einen Höhepunkt erreicht hat; ebd. 14. 10. 1971 weil die Terror-Akte andauern und sich noch kein Ende des Konfliktes [in Nordirland] absehen läßt; FAZ 16. 10. 1971 gegen die „Unterdrückung der Meinungs- und Pressefreiheit" und den „kulturellen Terror" in Brasilien protestiert; ebd. 3. 12. 1971 Clapham hat wirklich Glück gehabt, wenn er an vier Universitäten noch keinem Terror begegnete; oder vielleicht keinem gegen ihn selbst gerichteten Terror, das könnte ja möglich sein; ebd. 13. 1. 1972 Hasselmann verwies auf einen „schleichenden Gesinnungsterror", dem einzelne Beamte und Gruppen des öffentlichen Dienstes . . . ausgesetzt seien; Die Zeit 9. 6. 1978 Völlig zutreffend hat Hermann Lübbe, an den Jugendterror der Französischen Revolution erinnernd, den Terrorismus eine „Praxis der Tugend" genannt . . . „Die subjektive Bedingung der Möglichkeit des Terrors ist das gute Gewissen. Nur in der Reinheit des Gewissens erträgt man, was im Vollzug des Terrors krude Faktizität ist"; ebd. Bilanz des Terrors (Uberschr.) In der Türkei vergeht kaum ein Tag ohne terroristische Gewalttaten . . . In Nordirland liegt die Bilanz des Terrors noch höher . . . In Italien gab es 1975 rund 700 Terroranschläge . . . Die Bilanz terroristischer Gewalttaten in der Bundesrepublik von 1970 bis April 1978.

terrorisieren V.trans., im früheren 19. Jh. wohl unter Einwirkung von gleichbed. frz. terroriser aufgekommene Ableitung zu —* Terrorismus; in der Bed. '(jmdn./eine Menschengruppe) durch Terrorakte in Furcht und Schrecken

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terrorisieren

versetzen; (politisch) unterdrücken, einschüchtern, bedrohen, verfolgen; zum Nachgeben zwingen; (geistig) vergewaltigen, niederhalten; Terror, Terrorismus ausüben', bes. im politischen Bereich, auch allgemeiner und abgeflacht im Sinne von 'jmdn. beherrschen, quälen, unter Druck setzen, in Atem halten; jmdn. (durch hartnäckiges und aufdringliches Verhalten) zwingen, sich ständig mit ihm zu beschäftigen, jmdm. auf die Nerven gehen'; vgl. —» tyrannisieren; dazu seit späterem 19. Jh. das Verbalsubst. Terrorisierung F. (-; -en). terrorisieren: Gutzkow 1836 Goethe (8) 284 Basedow bekämpfte die Illusionen . . . aber er terrorisierte auch die Gefühle; Perthes 1848 briefl. (Bundestag 83) Terrorisiert müssen sie [die Gebildeten] werden; Proschko 1849 Bauern-Krieg Vorr. o. S. damals wie in unseren Tagen, wurde der friedliche Bürger und Landmann von einer kleinen, unter fremdem Einflüsse stehenden Partei aufgehetzt und terrorisirt; Görtz 1852 Reise 1 238 Anm. Wenn . . . eine Bande zuchtloser Bösewichter die Stadt derart terrorisirten, dass kein Mann . . . vor ihren Unbilden sicher war; 1853 Prutz' Museum I 235 Zu den Unarten, denen die Demokratie von 1848 sich hingab, gehörte auch die Neigung zum Terrorisiren, die Anwendung von Droh- und Schreckmitteln; Gutzkow 1856 Narrenwelt II 93 und sich hoffentlich nicht von ihm terrorisiren lassen; 1857 Kompass 23 Dass ein . . . Journalismus im Stande ist, eine für Klatschgeschichten enthousiastisch empfängliche Stadt wie Hamburg, nicht bloss zu interessieren, sondern auch zu terrorisiren; Rodenberg 1860 Insel d. Heiligen I 49 Das Gesicht des Doctors Swift, der den Hof der Königin Anna, das Toryministerium, ganz London drei Jahre lang terrorisirt hat; Preuss. Jahrbücher 27 (1871) 382 des . . . die besitzenden Klassen terrorisirenden Faulenzerlebens; Fontane 1871 Kriegsgef. 191 hatte . . . ein „Dresdner Journal" vom 27. 9. gefunden und mit Hülfe dieses zwei Monate alten Zeitungsblattes terrorisirte er seine Mitgefangenen und löste alle schwebenden Fragen; Lieres u. Wilkau 1874 Leib-Kür. Rgt. 13 von jenem schattenhaften Wesen, mit welchem unsere Ammen die [Kinder] zu terrorisiren pflegen; Dingelstedt 1879 Bilderbogen 136 den liebedienerischen Sparmeister . . . zu bemühen wussten, um sämtliche Stäbe und Intendanzen mit einer eisernen Elle zu controliren, zu corrigiren, zu terrorisiren; Wagener 1884 Erlebtes I 29 haben wir . . . gesehen, dass eine kleine Bummlerschar doppelt und dreifach so grosse Abteilungen der [Berliner] Bürgerwehr verhöhnte und terrorisirte; Kraus 1895 Br. Beil. 226 der die Kirche terrorisirenden jesuitischen Partei; 1903 Grenzboten IV 46 im Namen der alles beherrschenden und terrorisierenden Etikette; Münsterberg 1904 Amerikaner 137 weil die unsauberen Praktiken

irischer Bosse . . . das amerikanische Volk [wirtschaftlich] terrorisieren; 1916 Deutschland II 762 England hat . . . den neutralen Handel terrorisiert; Bahr 1927 Zauberstab 57 gehorcht nur dem Drang, dem Druck seiner Begabung, mit der es ihm heiliger Ernst ist, die ihn terrorisiert, in deren Dienst allein sein Leben für ihn einen Sinn hat; 1928 Querschnitt 854 „Es bleibt uns nichts übrig, als unsere Koffer zu packen", stöhnte die Tante terrorisiert und erinnerte sich des Südens mit seinen Galgenbäumen; Zur Mühlen 1929 Ende 227 Ich war wirklich keine Anhängerin des individuellen Terrors, aber auch ich Hess mich nicht terrorisieren; Voss. Ztg. 24. 12. 1929 Wenn nur ein kleiner Teil dieser zweifellos terrorisierten Wähler gesellschaftlich oder wirtschaftlich die Möglichkeit gehabt hätte, sich der Eintragung zum Volksbegehren zu entziehen; Lokal-Anz. 17. 7. 1934 Kreise der Arbeiterschaft werden von den kommunistischen Elementen terrorisiert; ebd. 29. 12. 1934 Der polnische Rinaldi, Räuberhauptmann Maczuga, der jahrelang mit seiner Bande Südpolen terrorisiert hatte; Münch. N. N. 26. 10. 1944 Die Stadt Nevers wird von spanischen und sowjetischen Banden terrorisiert, Toulouse wird von einem 25jährigen Kommunisten k o n t r o l l i e r t . . . in Tours „regiere" ein zwanzigjähriger Kommunist und Bordeaux werde beherrscht von einem Dreiundzwanzigjährigen; Wiener Kurier 14. 1. 1949 Affen terrorisieren ein Flugzeug (Uberschr.); Süddtsch. Ztg. 14. 6. 1951 Rowdies terrorisieren die Landstraßen (Uberschr.); ebd. 5. 8. 1953 Wir sind nicht der Meinung . . . daß die Polizei gewerkschaftlich terrorisiert werden darf; Offenburger Tagebl. 3. 3. 1959 Ferner habe sich der Angeklagte schuldig gemacht 9000 Juden auf dem griechischen Freiheitsplatz terrorisiert und später gefoltert zu haben; Stuttgarter Ztg. 15. 10. 1960 Aus dem [durch die moderne Werbung] umworbenen Menschen werde ein terrorisierter, aus der Freiheit werde Unfreiheit; Süddtsch. Ztg. 21. 12. 1961 Politische Halbstarke terrorisieren und erpressen die Bevölkerung durch Plastikbomben; ebd. 13. 3. 1962 Seit einigen Wochen terrorisieren organisierte Zuhälter-Banden die Gastronomen in der [Wiener] Innenstadt; Fontana 1964 Einltg. zu Csokor, Br. 9 zu schrecken, zu

Terrorismus lähmen, zu terrorisieren; Süddtsch. Ztg. 18. 11. 1967 Der Terror der Höllenengel (Uberschr.) Eine amerikanische Motorradbande, deren Mitglieder vier junge Mädchen vergewaltigt und mißhandelt haben, terrorisiert eine ganze Stadt; Stuttgarter Ztg. 26. 3. 1968 Der Reform soll übrigens auch das terrorisierende französische Notensystem zum Opfer fallen; FAZ30. 3. 1968 Literarischer Terror? (Uberschr.) Diese Organisation . . . terrorisiere Verleger, Autoren und Buchhändler; ebd. 27. 1. 1970 Es [das Gesetz] wird allen terrorisierenden Trends gegenüber souverän . . . sein; Freiburger Wochenber. 29. 5. 1970 in Erstaufführung 2 Schwestern — blond, attraktiv, verführerisch — terrorisieren mit ihren Körpern und ihrer Sinnlichkeit die Männer einer Stadt (Anzeige); FAZ 17. 8. 1971 Erstaunlich ist indessen, daß der Kreml jene Leute terrorisiert, die nur über einen kritischen Geist, nicht aber physische Gewaltmittel verfügen. Terrorisierung: Friedrich 1862 Wessel Vorr. IV dass er [der Kritiker eines Buches] und einige Genossen sich die Terrorisierung der öffentlichen Stimmung anmassen, was nicht ihren Vorurtheilen und Ansichten entspricht; Berolzheimer 1914 Moral 120 die Terrorisierung der Minderheitsparteien durch eine machtbewusste Parlamentsmajorität; Wätzoldt 1921 Kunsthistoriker I 225 als eine Folge der Terrorisierung des gesamten inneren Lebens durch den Intellekt wurde der Betrieb der Wissenschaften . . . verworfen; Bonnet 1926 Unternehmertum (Ubers.) 57 Terrorisierung ihrer

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Arbeitgeber; Schüttet 1938 Luftkrieg 65 Terrorisierung der Zivilbevölkerung durch Luftangriffe; Ungem-Sternberg 1943 Frankreich 58 Terrorisierung der Terroristen; Münch. N. N. 28. 10. 1944 Der Gegner hofft immer noch, durch Terrorisierung der deutschen Heimat unsere Kriegsmoral zerbrechen zu können; ebd. 8. 11. 1944 der Kreml versuchte offenbar, die Schweiz in seine „kontinentale Terrorisierungspolitik einzubeziehen"; Burnham 1948 Manager (Ubers.) 284 Diese Bändigung der Massen bedeutet nun nicht nur deren physische Terrorisierung. Der äussere Terror spielt auf längere Sicht eine untergeordnete Rolle im Vergleich zu der Aufgabe, Denken und Fühlen der Massen an eine bestimmte Einstellung zu gewöhnen; Süddtsch. Ztg. 2. 7. 1948 Radikalisierung dieser Entwurzelten und Enterbten macht reissende Fortschritte, und schon nehmen zweifelhafte Gestalten, die bis vor kurzem noch hinter dem eisernen Vorhang lebten, ihre politische Zusammenfassung unter Terrorisierung widerstrebender Kräfte in die Hand; Offenburger Tagebl. 14. 7. 1961 die Terrorisierung der europäischen „Kolonialherren" im schwarzen Erdteil; Süddtsch. Ztg. 15. 3. 1963 daß ich von einer Terrorisierung der Stadt Würzburg durch eine nazistische Clique sprach; Fetscher 1967 Marx 264 hat . . . Stalin eine Politik der Terrorisierung der Bevölkerung durchführen können; Stuttgarter Ztg. 25. 8. 1969 Normal waren demnach Zensur und Unterdrückung der Freiheit und, wenn nötig, auch Terrorisierung der Bevölkerung durch eine politisierte Justiz.

Terrorismus M. (-; ohne PI.), Ende 18. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. terrorisme (zu terreur, —> Terror); zunächst meist auf die Zeit Robespierres und der Jakobiner in Frankreich bezogen in der Bed. 'Gewaltherrschaft, Schreckensregiment, -system', dann allgemeiner verwendet für 'Verbreitung von Angst und Schrecken durch Gewaltakte und -maßnahmen zur Erreichung eines (macht-) politischen Ziels; politische Unterdrückung, Vergewaltigung (einer Minderheit durch den Staat), Planung und Ausführung von Gewaltaktionen (durch eine Minderheit gegen den Staat); Einstellung und Verhaltensweise, die den Terror zum Prinzip hat; Ausübung des Terrors', auch abgeflacht im Sinne von '(erpresserische) Druckausübung, Beherrschung, Diktat' z. B. durch eine Idee, Mode o. ä., weitgehend gleichbed. mit —* Terror; in jüngster Zeit als ideologisch wertendes politisches Schlagwort zur Bezeichnung eines weltweiten Phänomens (Nahost, Nordirland), bes. aber auf die (kriminellen) Tätigkeiten (politisch motivierter) extremistischer Gruppen in der Bundesrepublik bezogen, die mit Gewalt gegen Sachen und bes. Personen, z. B. Prominentenentführung und -ermordnung, Geiselnahme, Bombenanschläge usw., die bestehende staatliche Ordnung bekämpfen (Terrorismusgesetz, -debatte).

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Terrorismus

1796 Berl. Archiv II 491 Der Lyoner schimpfte den ganzen Abend auf die Stadt, welche wirklich noch immer stark im Geruch des Terrorismus [während der französischen Revolution] steht, und, durch das inhumane Betragen ihrer Bewohner gegen einen Fremdling, diesen Geruch nicht versüssen wird; 1797 Révolutions-Almanach 113 in dem kleinen Zwischenraum zwischen dem gestürzten Terrorism und dem erwachten Druckgefühl; Laukhard 1797 Leben IV 1, 64 Zur Zeit des Terrorismus oder des Schreckenssystems in Frankreich; ebd. IV 1, 117 der Jakobinismus, oder wie man ihn seit 1794 auch heisst, der Terrorismus; ebd. IV 1, 198 Maratismus, sonst auch Terrorismus, Jakobinismus oder Schreckenssystem . . . benannt; ebd. IV 2, 44 Der Terrorismus war mit dem Jakobinismus aufs engste verbunden, oder beyde waren vielmehr ein und dasselbe Ding; 1798 Berl. Archiv I 33 Ich rechne daher die vielen einzelnen Mord- und Blutscenen der ersten drei Jahre . . . gar noch nicht unter die Rubrik des Terrorismus; ebd. II 3 gegen den militärischen Terrorism, mit welchem der französische Brigadechef . . . die . . . harte Contribution einzutreiben drohte; Lavater 1798 Br. an die Bremer Freunde 13 Dass man sich alle Mühe giebt, den Terrorisme empor zu bringen . . . dass das Landvolk unter dem Terrorisme der neuen Opposition zu seufzen beginnt; Wieland 1799 (W. XXXIII381) wenn sie nicht die Klugheit hätten, den übrigen Ingredienzien ihrer Staatsverwaltung immer noch ein wenig Terrorism beizumischen ( L A D E N D O R F ) ; Schlegel 1801 Ehrenpforte 8 Unwissend sagst du, spricht der Terrorismus der Kritiker, und dummdreist, doch zu wagen, Mit breitem Spott der Menge vorzutragen Browns grosse Lehr', und Kants Idealismus; 1802 Darstellung d. Ursachen 64 eine grosse Zahl Franzosen, die der Revolution und des Terrorism müde waren; 1802 Patriot. Archiv II 2, 20 Deutschland kann unmöglich eine Republik werden, ohne den bei weitem grössern Theil der Feinde dieses Systems, durch jenen ernstlichen Terrorismus in Zügel zu halten, welcher schreckt und zittern macht; Börne 1834 Br. a. Paris V 85 Es herrscht jetzt ein Terrorismus, ein Sansculotismus, ein Jacobinismus (drei Worte wie Kampher, die Censurmotten abzuhalten) in der französischen Literatur; Wächter 1839 Histor. Nachlass II 168 Die Obsieger Robespierre's wurden nun, aus Violents Modérés. Der Terrorisme wich dem Modérantisme; Stein 1842 Soz. 52 der hochgefeierte, gefürchtete, gewaltige Danton, der Mirabeau des Terrorismus; Fr. W. IV. 1847 briefl. an Bunsen 91 Neuenburg hat der Welt aus einem Sumpf von Schurkerey, Ehrlosigkeit, Feigheit und Terrorismus heraus eines der seltensten Beispiele dargebothen; Kaiser 1848 Mem. 168

wurden die Truppen von den friedlichen Bewohnern dieser Vorstädte als Erretter und Befreier von dem Terrorismus der Anarchisten und ihrer Werkzeuge, der bewaffneten Proletarier . . . begrüsst; Stein 1848 Königthum 300 eine Gewalt in den Händen des Proletariats, die in jedem Augenblicke gegen den Besitz gewendet, zum furchtbarsten Terrorismus ausschlagen konnte; Rosenkranz 1848-56 Polit. Br. 20 ausserhalb der Nationalversammlung hat sie [die Revolutionspartei in Berlin] durch das Mittelglied Rüge und Konsorten den Terrorismus der Massen erregt, der . . . in der grauenerregendsten Weise auftrat ; Raumer 1849 Br. Frankf.-Paris 1112 Wiederum erblickt man hinter allem Lobe der Demokratie, die Hinneigung zur Diktatur und zum Terrorismus; Hausser 1851 Denkw. 31 mit dem ministeriellen Meinungsterrorismus; ebd. 134 Terrorismus des Pöbels; ebd. 135 Terrorismus der Massen; Görtz 1852 Reise I 327 [Gefängniswärter] deren auf Terrorismus gestütztes Ansehen nie . . . erschüttert werden darf; 1852 Prutz' Museum II 254 Die Boerne'sche Form der Theaterkritik wurde besonders von der jungdeutschen Richtung weiter ausgebildet . . . geistreiche Blitze und Blicke, geniale Aperçus, scharfe, schlagende Bemerkungen, ein aufräumender Terrorismus bezeichnen den Höhepunkt dieser fragmentarischen Bildung; ebd. II 452 durch den Einmarsch der Truppen von dem Terrorismus einer Hand voll Leute . . . erlöst zu werden; 1856 Mon'schr. Wiss. V. Zürich 164 religiöser, politischer und socialer Terrorismus; Heunisch 1857 Baden 364 Der Terrorismus der Grossgewerbe, der Creditbanken und des Handels aller Länder concentriren den Reichthum; Koch-Sternfeld 1861 Bayern u. Tirol Vorr. XI geheimen Wühlereien und Hetzereien auf der einen Seite [haben] dem gegründeten Misstrauen, und sofort dem Terrorismus auf der andern Seite fortwährend neuen Anlass gegeben; Oppenheim 1866 Verm. Sehr. 77 [das neue französische Kaisertum] bedient sich eines gewissen, fein berechneten, betäubenden, eines gleichsam eleganten Terrorismus, um in Frankreich zu herrschen, wie sonst nur von Usurpatoren in fremden Ländern geherrscht wird; ebd. 255 Schwache Menschen verwechseln im gewöhnlichen Leben Eigensinn mit Charakter, und nehmen in der Politik Terrorismus für Energie; Meissner 1866 Schwarzgelb 32 aller Terrorismus der Straße hat es nicht vermocht, mich je zu beugen, und ich kann mich mit Stolz darauf berufen, daß ich, an so vielen Stationen ich auch gedient, nirgendwo bei den Massen populär gewesen bin; Schücking 1867 Künstler-Leidenschaft 27 Deinen Terrorismus, womit Du mich zwingen willst, Dir Abenteuer aus meinen Jugendtagen zu gestehen; Jäger 1869 Darwinsche Theorie 141 er hasst . . . das Faust-

Terrorismus recht, den Terrorismus der Uberzeugung; Preuss. Jahrbücher 27 (1871) 364 Kein Abgeordneter steht so hoch, dass er sich unterstehen dürfte, im Parlamente einen Terrorismus auszuüben; 1874 Grenzboten IV 357 Die Aufhebung der deutschen Territorialbanken hielte man für wünschenswerth, man scheut sich aber vor dem Stück Terrorismus, das dazu gehören würde; Kürnberger 1874 Siegelringe 466 Torquemada, jenem Ungeheuer, welcher mit Sulla, mit Iwan dem Grausamen und Robespierre . . . zu den schrecklichsten Ausübern des Terrorismus zählt; Gutzkow 1875 (46) Säkularbilder (VIII 353) dieser Terrorismus der blossen politischen und Municipalexistenz der Menschheit ist Widerspiel der Humanität; Lessing 1884 Modeteufel 23 Ein solcher Bazar . . . übt einen unerhörten Terrorismus aus; Waldstein 1892 Erst wägen 47 meist sind sie [Soldatenmisshandlungen] der Wohldienerei, der Sucht bei Paraden zu glänzen, der Angst vor dem Terrorismus des Friedens entsprungen; ebd. 53 Bei sittlichem Verfall aber ist die Disziplin, wie die Geschichte aller Zeiten und Völker es lehrt, auch durch Terrorismus nicht auf die Dauer zu erhalten; Jahrbücher f . dtsch. Armee 109 (1898) 7 Da die Menschen im sozialdemokratischen Gemeinwesen nicht minder zur Opposition geneigt sein werden, als im verfassungsmässigen Kulturstaate, und da bei dem beabsichtigten rigorosen Terrorismus im sozialen Staat der Ursachen zu berechtigter Unzufriedenheit naturgemäss viel mehr sein werden; Münsterberg 1904 Amerikaner I 11 dass der Deutsche unter obrikeitlichem Terrorismus seufze; Spitteier 1905 Wahrheiten 52 Was ist denn Terrorismus? Das Schweigen aller, wenn einer geopfert wird. Mehr braucht es nicht. Es ist nicht die geringste, tatsächliche Macht vonnöten, um einen Terrorismus zu begründen; es genügt, dass jedermann sich ducke; Huret 1909 Berlin 186 wir sind [in Deutschland und Berlin] weit vom Terrorismus und Klassenkampf entfernt; Pan 1 (1910/11) 701 Es ist offener Terrorismus, wenn man einem Reserveoffizier den Rock auszieht, der für einen Sozialdemokraten stimmte; Lux 1915 Deutschland 127 lasst uns wieder sinnvolle Lebendigkeit an Stelle der ungefühlten Theorien und des Schlagwörterterrorismus setzen; Shaw 1919 Menschenverstand (Übers.) II 101 vom berüchtigten Terrorismus der russischen Regierung im eigenen Land; 1924 Kunstwissenschaft 67Terrorismus des impressionistisch-französischen Hauptquartiers in Deutschland; Berl. Illustr. Nachtausg. 7. 3. 1934 daß ohne sie [die nationale Revolution] heute „der Terrorismus der Dritten Internationale über zwei Drittel oder drei Viertel des europäischen Kontinents wüten" würde; Münch. N. N. 19. 5. 1938 im sudetendeutschen Gebiet, wo ein „schrecklicher Terrorismus"

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herrsche, wirksam durchzugreifen; N. Z. Z. 29. 11. 1943 Unterdrückung des Terrorismus und des Banditentums; ebd. 4. 1. 1944 Bekämpfung des Terrorismus, Verhütung des Bürgerkrieges und Unschädlichmachen allen Gesindels, das das heutige Leben in Frankreich täglich bedroht; Münch. N. N. 17. 2. 1944 durch energische Aktionen gegen den Terrorismus die öffentliche Sicherheit und Ordnung herzustellen; ebd. 13.H4. 5. 1944 dass man heute in Frankreich einem von Moskau organisierten Terrorismus nur mit einer kraftvollen Aktion . . . entgegentreten kann; Dtsch. AZ. 16. 9. 1944 was die Atmosphäre des Terrorismus, der Menschenjagd, für das europäische Terrain bedeutet . . . Sie haben die Ideologie des Terrorismus aus der Luft vertreten und haben den Terrorismus des Hinterhalts gezüchtet und genährt; Süddtsch. Ztg. 18. 9. 1953 Provinzialismus und behördlicher Geschmacksterrorismus; Bauer 1957 Verbrechen 131 der Terrorismus, die Abschreckungsidee, ist mit exzessiven Machtpositionen verbunden; ebd. 207 des Terrorismus staatlicher Strafgewalt Herr zu werden; Histor. Jahrbuch 78 (1959) 103 Ohne die ausgleichende Gerechtigkeit der Regierung würden die Universitäten dem Terrorismus der Gruppen anheimfallen; Stuttgarter Ztg. 13. 7. 1961 daß der „pangermanistische Terrorismus" von neuem am Werke sei; FAZ 13. 3. 1971 neue Truppenverstärkungen zu entsenden, um den Terrorismus auszurotten, bevor er zum entscheidenden Schlag ausholt; ebd. 25. 5. 1971 Wir treten dafür ein, daß es in der ganzen Welt keine politische Nachsicht für bestimmte Formen des Terrorismus gibt; Offenburger Tagebl. 3. 8. 1971 Baskische Separatisten verurteilt (Uberschr.) Wegen „Hochverrats", Terrorismus, Aufruhr und Verstecken von Waffen; FAZ 12. 10. 1971 Der Verteidigungsausschuß der spanischen Cortes hat die Strafen für das Delikt Terrorismus verschärft . . . Drei der bekanntesten spanischen Strafrechtler haben sich im letzten Jahr in Gutachten gegen die Anwendung der Terrorismus-Paragraphen auf politisch motivierte Delikte gewandt; Die Zeit 9. 6. 1978 Kernfrage eines Problems: Wie ist der Terrorismus entstanden? Wie läßt er sich bekämpfen? . . . Wenn man die Ursachen des Terrorismus kennt, kann man ihn auch bekämpfen . . . Psychologen und Politiker, Seelsorger und Juristen haben versucht, die Wurzeln des Terrorismus zu finden . . . Läßt sich das Phänomen Terrorismus überhaupt erklären? (Uberschr.) Eine dafür taugliche Schwarz-WeißErklärung der Welt liefert ein primitiver militanter Marxismus. Er bildet denn auch den vagen ideologischen Hintergrund des „Sozialrevolutionären" Terrorismus in der Bundesrepublik. Eine primitivmarxistische Einfärbung des Terrorismus läßt sich

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Terrorist

jedenfalls nicht leugnen. Daß aber marxistisch beeinflußtes Denken zum Terrorismus führen müsse, bestreiten andere Wissenschaftler . . . mit Vehemenz . . . Die Bilanz? Sie bleibt immer noch unbefriedigend. Es gibt keine einfache Erklärung des Terrorismus, keine simple Schuldzuweisung, kein

eindeutiges Handlungsmuster für die politische Auseinandersetzung, keine sichere Methode der Prävention. Dies hängt damit zusammen, daß der Terrorismus wie ein Chamäleon ist, er nimmt die Farbe des Zeitgeistes an, wie Laqueur sagt, ja, er nutzt die aktuelle Mode.

Terrorist M. (-en; -en), auch Terroristin F. (-; -nen), Ende 18. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. terroriste (zu terreur, —» Terror); zunächst meist auf französische Verhältnisse bezogen in der Bed. 'Anhänger des Schreckenssystems der Jakobiner', vereinzelt auch bildlich verwendet, dann allgemeiner für 'jmd., der Terror(-anschläge plant und) ausübt', seit Anfang der 70er Jahre zunehmend als schlagwortartige Bezeichnung für Mitglieder von organisierten Gruppen, (Untergrund-)Organisationen (in der Bundesrepublik angeblich aus der Studentenbewegung 1968 hervorgegangen), die mit Gewalt gegen Menschen und Sachen die bestehende staatliche Ordnung bekämpfen und daher als kriminell und staatsgefährdend strafrechtlich verfolgt werden (vgl. auch —»Radikalist, —»Revolutionär, —»Sympathisant); häufig als Bestimmungswort in Zss. wie Terroristenorganisation, -gruppe, -anschlag, -szene, -gesetz; dazu gleichzeitig die adj. Ableitung terroristisch 'durch Gewalt und Schrecken herrschend; Terror verbreitend; mit den Methoden des Terrors, des Terrorismus (vorgehend); auf Terror, Terrorismus bezogen, beruhend', auch allgemeiner und zuweilen abgeflacht für 'rücksichtslos, erpresserisch'. Terrorist: 1795 Neuer teutscher Merkur 329 Unsere Theaterterroristen, die so herrisch über Tod und Leben eines Stückes absprechen; 1795 Europäische Annalen III 174 alle ehemaligen Jacobiner, izt Terroristen genannt; Jacobi 1796 (Briefw. II 244) diesen seltsamen Terroristen des kategorischen Imperativs; Laukhard 1797 Leben IV 1, 118 eines Marat, Robespierre und andrer Terroristen; Berenhorst 1798 Kriegskunst I 197 Terroristenstreich; Görres 1798 Blatt (I 92) aristokratische Terroristen und Spitzbuben; Jenisch 1800 Geist u. Charakter I 109 Terroristen-Periode der Revoluzion; Görres 1800 Polit. Sehr. I 39 seine politischen Gegner haben ihn einen Terroristen gescholten; 1802 Darstellung d. Unruhen 64 Das Wiener Cabinet hätte blos gebraucht, den Schein zu vermeiden, nicht Frankreich, sondern den Terroristen den Krieg zu machen, und eine große Zahl Franzosen, die der Revolution und des Terrorism müde waren, hätten die Armee verstärkt; 1848 Grenzboten 11, 239 Terroristenpartei; 1852 Prutz' Museum II 448 die Terroristen der französischen (10) 209 Revolution; Gutzkow 1872 Knabenzeit Robespierre war ein Terrorist; Bluntschli 1884 Denkw. I 94 der alte Terrorist Lavasseur; Voss. Ztg. 6. 9. 1929 Die bisherigen Ermittlungen lassen keinen Zweifel darüber, daß das jüngste Bombenattentat von der gleichen Gruppe Terroristen

verübt worden ist wie die bisherigen; ebd. 7. 9. 1929 Es sehe fast so aus, als machten sich die Terroristen über die Maßnahmen der Untersuchungsbehörden lustig. Daß es sich bei dieser Kette von Bombenanschlägen um die Arbeit einer peinlich disziplinierten Terroristengruppe handelt, darüber bestehe nach dem Stand der Dinge kein Zweifel mehr; Montag Morgen 9. 5. 1932 in alledem ist nichts von einem politischen oder menschlichen Sinn, der eine Einreichung in die Blutgeschichte der Attentate möglich machte, wie sie von den Terroristen und Anarchisten geschrieben wurde; Berl. Illustr. Nachtausg. 13. 3. 1933 Studenten als KPD-Terroristen (Uberschr.); Lokal-Anz. 22. 1. 1934 Es ist also durchaus denkbar, daß das Attentat von kroatischen Terroristen ausgeht; ebd. 23 . 8. 1934 Hier stand ein Anhänger der SAP, der Sozialistischen Arbeiter-Partei des russischen Terroristen Trotzki, unter Anklage; ebd. 31. 10. 1934 da nach italienischer Ansicht die juristischen Grundlagen für eine Auslieferung der Terroristen nicht ausreichen; ebd. 23. 11. 1934 Der rumänische Außenminister Titulescu erhielt heute von einer unbekannten Terroristenorganisation einen neuen Drohbrief; ebd. 27. 12. 1934 daß Trotzki an der von den Sowjetbehörden aufgedeckten „Terroristenverschwörung" beteiligt gewesen sei; Dtsch. AZ. Mitte Dez. 1935 Er ist einer der einge-

Terrorist fleischtesten Kommunisten und verschworensten Terroristen; Münch. N. N. 1. 8. 1937 Scharfe Maßnahmen gegen „ I R A " (Überschr.) De Valera und die irischen Terroristen; Köln. Ztg. 1. 6. 1944 Die USA-Luftterroristen (Überschr.) haben die amerikanischen Luftbanditen ihre bestialischen Verbrechen fortgesetzt; Münch. N. N. 8J9. 7. 1944 Im französischen Raum wurden 157 Terroristen und mit Fallschirm abgesetzte britische Sabotagetrupps im Kampf niedergemacht; Offenhurger Tagehl. 16. 6. 1959 Algerische Terroristen eröffneten in der Nacht zum Montag aus einem Wagen das Feuer auf die Polizeiwache; ebd. 13. 4. 1961 Die Sprengstoffterroristen, die von der Presse „plastiqueurs" genannt werden; ebd. 31. 3. 1966 Die Explosion wird als der erste erfolgreiche Terroristenanschlag gegen die Botschaft bezeichnet; FAZ13. 10. 1969 Recht aufschlußreich für die Natur der Terroristenbewegung ist die Tatsache, daß in Uruguay zwei der drei gefallenen Terroristen und die Mehrzahl der Verhafteten junge Studenten waren, die der Oberschicht entstammen . . . Auch in anderen Ländern hat sich gezeigt, daß die Mehrzahl der Terroristen und Guerilleros Studenten sind, die die Lehren der kommunistisch unterwanderten Universitäten in die Praxis umsetzen. Daneben spielen aber überall auch die in Havanna oder Peking ausgebildeten Berufsrevolutionäre eine Rolle; Offenburger Ti>gebl. 25. 2. 1970 Nach den Flugzeugattentaten verstärkte Kontrollen (Überschr.) Araber-Organisation kündigte neue Anschläge gegen israelische und amerikanische Verkehrsmaschinen an. Die Bundesrepublik soll kein „Tummelplatz für Terroristen" werden; FAZ 12. 9. 1970 Kritik am Terroristengesetz zurückgewiesen (Überschr.) Wer immer dagegen protestiere, daß man mutmaßliche Terroristen ohne Verurteilung in Haft halte; ebd. 14. 12. 1970 auch jene „Terroristen", die von Sambia oder Tansania nach Rhodesien, Südafrika und Mocambique einfallen, seien . . . in China oder anderswo ausgebildete schwarze Söldner; Offenburger Tagehl. 15. 2. 1971 Genscher: Kein Tummelplatz für Terroristen (Überschr.) Weitere Festnahmen bei der Fahndung nach der „Baader-Mahler-Bande"; FAZ 27. 11. 1971 Eine politische Lösung darf nicht durch Gewalttaten herbeigeführt werden, noch dürfen bei der Ausarbeitung einer solchen Lösung die Forderungen der Terroristen einbezogen werden; Mannh. Morgen 30. 3. 1978 Ferner sind ihre Argumente gegen die Todesstrafe: Schaffung des Märtyrertums bei Terroristen; Die Zeit 31. 3. 1978 Als der „visionäre Extremist", wie ihn die Londoner Times jüngst nannte, der ehemalige Terrorist und großisraelitische Nationalist im Juni 1977 in Jerusalem das Ruder übernahm; ebd. 9. 6. 1978 Wer sind die Terroristen?

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. . . Sie sind Symbolfiguren politischer Entwicklungen und Fehlentwicklungen, Figuren der Öffentlichkeit — und gerade deshalb unbekannt. Ein einziges Merkmal haben alle deutschen Terroristen gemeinsam: sie sind relativ jung . . .Bekannt ist ferner, daß drei Viertel der westdeutschen Terroristen dem oberen Mittelstand oder den Oberschichten entstammen . . . die besonderen Bedingungen, unter denen die Terroristengruppen sich entwickelt haben — übrigens ausschließlich in Großstädten . . . Und wie unterschieden sich die verschiedenen Terroristengenerationen? Einig jedoch scheinen sich die Psychologen darüber zu sein, daß es bei den Terroristen eine Reihe von Charakteristika gibt, die wohl nicht bei allen gleichermaßen, aber doch ziemlich häufig zu beobachten sind . . . 1. Gestörter Umgang mit den eigenen Emotionen . . . 2. Gestörtes Verhältnis zur Autorität . . . 3. Gestörtes Verhältnis zur Identität . . . Uber die speziellen Fähigkeiten und Leistungen der weiblichen Terroristen gibt es bissige und billige Aperçus die Fülle. Genauere Analysen sind seltener. So rügt Suzanne von Paczensky die Zurückhaltung der Wissenschaftler auf dem CDU-Kongreß über den „Weg in die Gewalt", sich über Wert und Wesen der Terroristinnen zu äußern, mit der spitzen Bemerkung: „In den veröffentlichten Beiträgen, die insgesamt 219 Seiten umfassen, nimmt die Betrachtung der weiblichen Terroristinnen exakt achtzehn Zeilen ein, die in dem Goethe-Zitat gipfeln: 'Denn geht es zu des Bösen Haus, das Weib hat tausend Schritt voraus.'"; Mannh. Morgen 8. 9. 1978 Die unmittelbar nach den tödlichen Schüssen auf den mutmaßlichen Terroristen Willy Peter Stoll eröffnete Großfahndung nach möglichen Komplizen brachte bisher kein greifbares Ergebnis . . . Der Düsseldorfer Vorfall beweise, daß Terroristen sich in der Bundesrepublik ungehindert bewegen könnten . . . Von vier Polizeikugeln getroffen sackte der als Terrorist gesuchte Stoll . . . zusammen . . . Stoll, den das Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden zu den „gefährlichsten Terroristen" zählte; Bild am Sonntag 10. 9. 1978 Alarm! Top-Terroristen (Überschr.); Mannh. Morgen 11.9. 1978 Mit großem Nachdruck werden die beiden als hochgefährlich eingestuften, mutmaßlichen Terroristinnen . . .gesucht, die . . . an der Vorbereitung eines neuen Verbrechens im Raum Düsseldorf beteiligt waren. terroristisch: 1797 Geissei 40 Aspasia Migelli . . . welche, als eine terroristische Charlotte Corday einen Meuchelmord an Boissy d'Anglas . . . verüben wollte; ebd. 43 Lebois, Redakteur des unendlich freymüthigen und selbst terroristischen Journals: L'Ami du Peuple; ebd. 162 Die söge-

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nannte terroristische oder anarchische Partey; ebd. 163 der . . . mit der rothen Müzze auf dem Kopfe terroristische Motionen gemacht hatte; Laukhard 1797 Leben IV 2, 14 Meine Leser müssen sich erinnern, dass das terroristische System gleich nach der Eroberung von Lyon . . . nachliess; Lavater 1798 (Nachgel. Sehr. 1 235) Eine allgemeine Betäubung bemächtigt sich bey dem ersten, allemal unerwarteten terroristischen Akt, mit einmal aller Gemüther; Reil 1803 Rhapsodien 15 Die Erhaltung der Ruhe und Ordnung beruht auf terroristischen Prinzipien. Peitschen, Ketten und Gefängnisse sind an der Tagesordnung; Raumer 1849 Br. Frankf.-Paris I 19 Ebenso merkwürdig daß Arbeiter, denen Mitglieder des (fast terroristischen) politischen Klubs vorgestellt hatten, sie möchten faul sein um länger beschäftigt zu werden; Sybel 1859-61 (HZ 162 (1940) 76) terroristischen Umtriebe; Schwabach 1910 Akten 181 dass eine sehr grosse Anzahl von Wählern sozialdemokratische Stimmen abgibt unter dem Drucke der recht terroristisch vorgehenden Kameraden; Eberle 1912 Grossmacht 51 Sie [die Presse] wurde . . . zur Sklavin des Geldes; ihr Freiheitssinn wurde zur Tyrannengesinnung, ihr Demokratismus zum terroristischen Plebeismus; Ruederer 1916 Erwachen 262 Aufräumung des alten, terroristischen Systems der Pfaffen; Voss. Ztg. 6. 9. 1929 die Nationalsozialistische Partei als solche für die terroristischen Akte verantwortlich zu machen; ebd. 24 . 6. 1930 Den lokalen Behörden wurde die Erlaubnis erteilt, im Fall terroristischer Angriffe Kriegsgerichte einzusetzen; Berl. Illustr. Nachtausg. 15. 3. 1934 wurde der Verdacht ausgesprochen, daß an hoher Stelle der terroristischen Organisation ein Verräter sein muß; Lokal-Anz. 23. 10. 1934 daß die beiden Personen Mitglieder einer terroristischen Bande sind; ebd. 11. 12. 1934 Abschluß eines internationalen Abkommens zur Bekämpfung terroristischer Anschläge; Oer Westen 30. 12. 1934 daß eventuell vorhandenen terroristischen Elementen . . . gründlich das Handwerk gelegt wird; Münch. N. N. 9. 3. 1943 Die Engländer als die Urheber des Luftkrieges gegen Frauen und Kinder verfolgen mit ihren terroristischen Bombenüberfällen das Ziel, die militärische Abwehrkraft und den Widerstandswillen des deutschen Volkes von innen heraus zu zermürben; N. Z. Z. 22. 12. 1943 den terroristischen Charakter der britisch-amerikanischen Luftangriffe auf deutsche Städte; Münch. N. N. 6.17. 5. 1944 Diesen Grundsatz hat ein Jahr Luftkrieg mit

hemmungsloser Anwendung aller terroristischen Mittel gegen die Zivilbevölkerung nicht erschüttert; Süddtsch. Ztg. 10. 4. 1958 Im New Yorker Hafen hat der Arbeiter noch immer die Faust der terroristischen Gewerkschaftsbosse im Nacken; ebd. 30. 5. 1960 Allzu verhaßt ist das korrupte und terroristische Regime des letzten Jahrzehnts gewesen; Jaspers 1963 Werk 9 Der terroristische Herrschaftsanspruch der totalitären Ideologen wurde entlarvt; Fetscher 1967 Marx 219 die faschistische Staatsmacht sei die offene terroristische Diktatur der am meisten reaktionären und chauvinistischen imperialistischen Elemente des Finanzkapitals; Stuttgarter Ztg. 27. 3. 1968 Der Terroristische Student ist ein schmarotzendes Ungeziefer, das sich momentan auf der ganzen Welt, aber besonders im freiheitlichen Berlin, stark verbreitet. Der Terroristische Student (im Volksmund: Radaubruder) hat sich durch einen noch nicht erforschten Mutationssprung aus dem Studiosus, auch gaudeamus igitur genannt, entwickelt. Der Studiosus ist ein nützliches und geselliges Wesen . . . Beim Terroristischen Studenten sind . . . diese nützlichen Artmerkmale verkümmert. Auch erweist er sich gegen autoritäre Integrationsversuche weitgehend resistent. Daher ist er eine große Gefahr. Er ernährt sich von ewigen Werten, Tabus und unseren Steuergeldern und ist an langen Haaren, einem meist krausen Bart und Kordhosen erkenntlich. Er tritt gewöhnlich in Schwärmen auf, den sogenannten Goins oder Demonstrationen. Weil er dadurch oft den geregelten Verkehr aufhält, nennt man ihn terroristisch. Diesen in Schwärmen auftretenden sog. terroristischen oder immatrikulierten Mob bekämpft man mit Wasserwerfern, Holz- oder Gummiknüppeln und versehentlich sich lösenden Revolverschüssen; FAZ 18. 5. 1968 Als „gefährlichen Weg" und „Schritt zur Diktatur" hat am Freitag Moskau die Zweite Lesung der „terroristischen" Notstandsgesetze durch den Bonner Bundestag dramatisiert; Stuttgarter Ztg. 30. 7. 1969 Er sei nicht ausgezogen, um Juden zu vernichten und Terror zu üben. So dürfe man sie, die Angeklagten, auch nicht vor dem terroristischen und rassistischen Hintergrund sehen; Mannh. Morgen 29. 3. 1978 Wir dürfen uns dadurch, daß in den letzten Monaten in der Bundesrepublik keine terroristischen Anschläge erfolgt sind, nicht täuschen lassen; ebd. 8. 9. 1978 Aufschlüsse, die offenbar im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten stehen.

Test M. (-(e)s; -s, selten -e), Anfang 20. J h . entlehnt aus gleichbed. engl./ amerikan. test (ursprünglich 'Probiertiegel' < altfrz. test 'irdener Topf; Tiegel für alchimistische Experimente' < lat. testum 'Geschirr, Schlüssel'; vgl. in mhd. Zeit

Test

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aus dem Altfrz. entlehntes, bis ins 20. Jh. gebuchtes Test 'Schmelzgerät für die Erprobung von Silber; Prüfung im Schmelzverfahren'); in der Bed. '(wissenschaftliches Verfahren zur) experimentelle(n) Untersuchung, (Stich-)Probe, Prüfung nach einer zuvor genau durchdachten Methode und im Hinblick auf das Vorliegen abgrenzbarer Kriterien und deren quantitative Erfassung', zuerst und anfangs häufig auf amerikanische Verhältnisse bezogen, im psychologisch-pädagogischen Bereich, speziell der Psychodiagnostik, Begabtenauslese in Ausbildung und Beruf (Eignungs-, Intelligenz-, Persönlichkeits-, Verhaltenstest, auch Rorschachtest als Bezeichnung für einen nach seinem Erfinder benannten Verfahrenskomplex zur Erfassung der Gesamtpersönlichkeit), im schulischen und universitären Bereich nach englisch-amerikanischem Vorbild auch 'schriftliche Prüfung, Kontrolle der erreichten Lernziele und gewonnenen Kenntnisse in Form von nach einem bestimmten System erarbeiteten Fragen', auch als Bezeichnung für das Testmaterial selbst, den zugrundegelegten Fragebogen o. ä. verwendet; häufig negativ in Verbindung gebracht mit Schematismus und Reduzierung der menschlichen Persönlichkeit in ihrer Komplexität auf meßbare Daten; dann ausgedehnt auf andere wissenschaftliche Bereiche, z. B. in der diagnostischen (zur Feststellung von Krankheiten und Krankheitsbereitschaft) und pharmazeutischen (zur Untersuchung der Wirkungsweise von Medikamenten) Medizin (Allergie-, Alkohol-, Labor-, Leber-, Seh-, Zuckertest), im Bereich von Wirtschaft und Technik zur Erprobung der Brauchbarkeit und Qualität von (neuen) Waren, Erzeugnissen, Materialien, Maschinen u. ä. (Atom-, Hitze-, Material-, Warentest), speziell auch 'Richtungsund Einstellmarke an optischen Geräten', in der Statistik für '(Verfahren zur) Uberprüfung einer Hypothese an Zufalls- oder repräsentativen Stichproben; (Fragebogen zu einer) statistische(n) Umfrage, Informantenbefragung im Hinblick auf zu erwartendes (Käufer- oder Wähler-)Verhalten' (Meinungs-, Leser-, Verbraucher-, Wählertest) und ganz allgemein für 'konstruierter Fall, V e r s u c h s ballon); Prüfstein; Kontrolle', in der Folge der zunehmenden Quantifizierung aller Lebensbereiche schlagwortartig verbreitet; häufig in Syntagmen wie jmdn./etwas/ sich einem Test unterziehen, einen Test mitmachen, mit etwas/jmdm. einen Test durchführen und als Bestimmungswort in Zss. wie Testanalyse, -bericht, -ergebnis, -methode, -theorie 'Gesamtheit der einem Test zugrundeliegenden Methoden und Annahmen; Gesamtheit der genormten Testverfahren', Testreihe, -serie, Teststopp 'Einstellung von Atomversuchen', Testbild, -fahrt, -fall (teillehnübersetzt aus engl., auch im Deutschen belegtem, test-case) 'Prüfstein, Probe für den Ernstfall', Testperson, -pilot, -strecke, -streifen und Testversuch, -prüfung. 1911 Grenzboten IV 376 Die Experimente selbst, jetzt allgemein mit dem englischen W o r t „ T e s t s " (Prüfungsmittel) bezeichnet, waren meist sehr einfacher A r t ; ebd. 379 Indem er also eine große Anzahl von Tests an normalen Kindern durchprobierte, gelang es ihm, zunächst für jede der elf Altersstufen von drei bis dreizehn Jahren eine kurze Serie von Tests zusammenzustellen; Münsterberg 1914 Psychotechnik 89f. D e r Hauptmangel . . . ergibt sich in hohem Maße aus dem scheinbaren Hauptvorzug der Methode, nämlich aus der

Leichtigkeit, mit der psychologische Tests von jedermann geplant und ohne viel Vorbereitung und ohne viel T e c h n i k durchgeführt werden können; ebd. 100 D e r Testcharakter des Experiments hängt daher nicht von der zahlenmäßigen Gestaltung des Resultats ab . . . Die wichtigste Bedingung für zuverlässige Testuntersuchungen ist eine sorgsame Berücksichtigung der wechselnden subjektiven Verhältnisse; ebd. 319 Es handelt sich bei diesen Tests um Anordnungen für Versuche, die schnell ohne Ermüdung der Kinder . . . durchgeführt

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werden können und doch eine zureichende Genauigkeit ermöglichen; 1923 Polit. Handwb. II 989 Die Eignungsprüfung kann entweder mit einfachsten Hilfsmitteln (Bleistift, Papier) vorgehen und entsprechende Stichproben erheben ( = sog. „Tests") oder hochwertige Prüfeinrichtungen in Apparat benutzen; 1929 Jahrbuch Charakterologie VI 66 Einzeltests; Voss. Ztg. 24. 11. 1929 Neben dem Laboratoriumsexperiment steht nun aber eine andere psychologische Methode, deren Ausbildung und Verwendung in Amerika gigantische Dimensionen angenommen hat: der Test. Tests sind einfache Aufgaben, die das Denken, die Aufmerksamkeit, die Raumanschauung, die Geschicklichkeit, das Wissen, ferner auch Temperamentsund Charaktereigenschaften usw. prüfen . . . Fast immer sind sie zu festen Testserien zusammengestellt; 1930 Wohin? Ratgeher 7 Testmethoden, um die Eignung eines Berufsanwärters festzustellen; Thurnwald 1931 Gesellschaft I Vorm. VIII mit Feingefühl und Skepsis fragen, ob wir zur Anwendung derartiger einseitiger „Tests" berechtigt sind; ebd. 116 mit einigen wenigen „Tests" Schemata von Kulturschichten konstruiert; ebd. I 274 Man darf [in der Völkerkunde]'ebensowenig mit einseitigen „Tests" arbeiten wie etwa in der persönlichen Charakterologie; Bühler 1932 Kleinkinder-Tests. Entwicklungstestsvom 1 .—6. Lebensjahr (Titel); Frankf. Ztg. 9. 12. 1934 Die Erfassung der seelischen Totalität ist in der Tat nicht durch die exakte Methode von „Tests" möglich; Lokal-Anz. 2. 1. 1935 „Was ist das eigentlich, ein ,Test'?" — Keine andere Frage wird so häufig an den Fachpsychologen gestellt wie diese . . . der „Test" ist ja sein tägliches Handwerk . . . auch in anderen Wissenschaftsgebieten . . . Von diesen biologischen und physikalischen Tests hat die Öffentlichkeit aber fast nie etwas erfahren, ganz im Gegensatz zum psychologischen Test; Sombart 1936 Menschen 119 Test-Verfahren . . . das im engeren Sinne die auf experimentellem Wege gemachte Feststellung bestimmter einzelner Eigenschaften eines Individuums bedeutet; ebd. 236 mittels des sogenannten Test-Verfahrens, das bekanntlich darin besteht, dass ich einen bestimmten Kreis von Menschen nach einem bestimmten Frageschema auf bestimmte Eigenschaften hin prüfe; Münch. N. N. 31. 12. 1939 mit jedem neuen Geschützturm und mit jeder Flugzeugstaffel wurden die Anspielungen deutlicher, daß nun erst das eigentliche „Test case" bevorstehe; Zulliger 1941 Einführung in den Behn-Rorschach-Test (Titel); Frankf. Ztg. 2. 1. 1941 unsere laufenden Examina werden in Form von Tests abgehalten . . . Das ist die Folge der Massenausbildung . . . Der Gast hatte in den wenigen Wochen seit seiner Ankunft in Amerika die Tests in verschiedenen

Formen kennengelernt . . . Er hatte sogar einen eisigen Schnupfennachmittag in seinem Hotelzimmer damit verbracht, die hundertzehn Fragen eines Timetests zu beantworten . . . und schließlich nach der angegebenen Punktmethode den Prozentsatz seines Bildungsgrads genau zu errechnen . . . Die einfachsten sind die yes-and-no oder true-or-false Tests . . . Komplizierter ist schon die Form der Auswahltests; Münch. N. N. 7. 3. 1944 der „Test case", die große erste Bewährungsprobe für die „Befreiung" Europas . . . Ist das „Experiment" so weitgehend mißglückt . . . Oder gibt der „Probefall" sonst seinen Regisseuren Anlaß zum Versteckspielen?; M.-A. Abendztg. 15. 2. 1945 Die Forschungsmethoden der Ausdruckskunde sind ebenso einfach wie überlegt. Um z. B. den Beruf und Charakter eines Menschen zu ermitteln, wurde der sogenannte Zeichentest entwickelt; Süddtsch. Ztg. 4. 8. 1949 das psychologische Prüfungssystem, dem bei der Zonenverwaltung jene Angestellten unterworfen wurden, die ins Beamtenverhältnis übernommen werden sollten. Ihre Eignung wird nicht allein aufgrund ihrer Vorbildung und ihrer dienstlichen Beurteilung festgestellt, sondern auch mit Hilfe eines allgemeinen „Tests" - und mit diesem Fremdwort sind wir denn mitten im Triebwerk der [Seelen-]Quetsche und finden an ziemlich offensichtlicher Stelle die Fabrikmarke „Made in U S A " ; NZ. (Basel) 14. 3. 1950 Auf einem der ersten Testflüge mit einem Versuchsmodell wurden . . . der ChefTestpilot . . . und der Radiooperateur getötet; Neue Ztg. 12. 5. 1950 Test als Gesellschaftsspiel (Überschr.) Offen gestanden: wenn ich bei einem Test hätte schreiben müssen, was ein Test ist - ich wäre in einiger Verlegenheit gewesen. „Eine Art Fragebogen über das Innenleben" — „Versuch einer Seelenphotographie" - „Bildungsverhör" hätte ich vielleicht geantwortet. Wie sachlich und präzise ist dagegen die Auskunft des Konversationslexikons: „Prüfungsverfahren zur Feststellung seelischer und geistiger Tatbestände". Trotzdem befriedigt sie mich nicht ganz. Sie orientiert nur über den Test an sich, nicht aber über das, was die Menschen aus ihm machen; Münch. Allgem. 14. 5. 1950 Gefährliches Testverfahren (Überschr.) „Mit Beginn des neuen Schuljahres werden auf Grund eines Erlasses des Kultusministeriums . . . erstmalig Schülerbeobachtungsbogen, die eine psychologisch fundierte Beurteilung der Schüler ermöglichen sollen, eingeführt. Die Ergebnisse des Testverfahrens sollen bei der Auslese der Schüler für den Besuch der höheren Schulen und Fachschulen sowie für die Berufsberatung angewendet werden . . . Für die von Jahr zu Jahr einzutragenden Vermerke wird der Lehrer seinen Schüler auf sein allgemeines Verhalten, seine Mimik, Gestik,

Test Schrift und Sprechweise hin beobachten" . . . Schematisch in Rubriken aufgeteilt, stellt der Testbogen Fragen nach den Eigenschaften des Schülers, so unter anderem Beobachtungsgabe: „gründlich—oberflächlich", Aufmerksamkeit: „ausdauernd-leicht ablenkbar"; Süddtsch. Ztg. 9. 11. 1950 Jedenfalls wird der „Fall" Meinzolt in weiten Kreisen aller Parteien als eine Art „test case" dafür angesehen, inwieweit die Kritik des SPD-Abgeordneten berechtigt ist; ebd. 9. 2. 1951 ein bis ins Kleinste durchdachtes System der Leistungsberechnung, welches es möglich macht, an Hand von objektiven „Tests" jeden Arbeiter vom Wert seines Arbeitsplatzes . . . zu überzeugen; ebd. 21. 3. 1951 Der Streik der Pariser Metro war offensichtlich nur ein „Test", der erweisen sollte, ob sich zur Zeit auch größere Streiks organisieren lassen; ebd. 11. 7. 1951 Daraufhin wurden von verschiedenen militärischen und zivilen Stellen umfangreiche Teste durchgeführt, die überraschende Ergebnisse hatten; ebd. 25. 7. 1951 Das einzige Herzenserfrischende an einem solchen Gesinnungstest ist das Vertrauen der Jugend in die Freiheit der Meinungsäußerung; 1952 Gegenwart 471 Das Buch dieser erfahrenen Graphologin kann den gefährlichen Mißbrauch steuern, der heute mit jedem „test" den Menschen in seine Handschrift wie in einen Käfig einsperrt; Süddtsch. Ztg. 16. 5. 1952 Die Ausstellung zeigt Arbeiten der Kinder, Teste zur Erforschung der kindlichen Seele sowie Beispiele für verschiedene Lehrmethoden; ebd. 28. 11. 1952 Ein „Verkehrstest" für die 7. und 8. Klassen, unterteilt in ein Aufgabenbuch und ein Lösungsheft; ebd. 16. 5. 1953 Der Verbraucher-Stimmungs-Test von Emnid zeigte' schon 1952, daß sich die „Wunschrichtung Reisen und Erholen" an die erste Stelle der Bedürfnisse vorgeschoben hatte; Ackermann 1954 Mode 170 eine Art Test des neuen Lebensstils, den sich die Jugend in allen Ländern . . . schafft; Süddtsch. Ztg. 14. 7. 1954 Leser-Tests oder Volksbefragungen sind wohl der ungeeignetste Weg, hier zu verantwortbaren Ergebnissen zu kommen, weil sie eine im Grunde weltanschauliche Frage nach stimmungsmäßigen Gesichtspunkten entscheiden; ebd. 18. 9. 1954 Bei einem Test des Bayerischen Roten Kreuzes in Regensburg lehnten rd. 60 Prozent der angehaltenen Autofahrer die Bitte der Sanitäter, einen Verletzten mitzunehmen, aus nichtigen Gründen ab; ebd. 26. 9. 1954 in Amerika, dem klassischen Land der „Tests"; ebd. 16. 6. 1955 82 Prozent der Testpersonen erklärten, daß sie bei Einführung des neuen Systems Tütenkohle kaufen würden; ebd. 21. 8. 1956 Die 50 Test-Hausfrauen gehören neben sieben Fachkräften zum Personal des Hauswirtschaftlichen Instituts. Ohne sie hätten die meisten Versuche im Labor und in der

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Versuchsküche nicht das rechte Gewicht gehabt; ebd. 6. 6. 1957 Die Werft hat nun das Schiff so umgebaut, daß die Testversuche neuerdings zur vollen Zufriedenheit des Wirtschaftsministeriums ausfielen; ebd. 29. 6. 1957 USA schränken Röntgen-Tests ein (Uberschr.) Der öffentliche Gesundheitsdienst der USA hat eine Einschränkung der Röntgen-Reihenuntersuchungen empfohlen; ebd. 22. 8. 1957 Wahrscheinlich greifen ihm [Kilometer-geher] einige Schuhfabrikanten unter die Beine, denen er wertvolle Tests erläuft, indem er ihre Fertigwaren bis zur Brandsohle abläuft; Münch. Stadtanz. 2. 5. 1958 Die besten Testergebnisse hatten im allgemeinen jüngere Leute; Stuttgarter Ztg. 7. 4. 1959 Testflugzeug abgestürzt (Uberschr.); Süddtsch. Ztg. 8. 4. 1959 Autos und Nylonstrümpfe unter der Lupe (Uberschr.) Das wichtigste Prüfungsobjekt der Consumers Union ist das Auto . . . Die drei Tester . . . sind ständig auf Achse . . . Der Test schließt eine 3200 Kilometer lange Fahrt unter den verschiedensten Bedingungen . . . ein . . . auch viele Freiwillige gehören zu den Helfern der Gesellschaft. So rasierten sich 60 Männer für einige Wochen mit den verschiedensten elektrischen Rasierapparaten und schickten dann ihre Berichte . . . Mehr als tausend Menschen probierten fleißig diverse Kaffeesorten, damit ermittelt werden konnte, welche Geschmacksrichtung bevorzugt wird . . . Großes Interesse erregten ausgedehnte Versuchsreihen über die Auswirkungen des Nikotins . . . in jeder Ausgabe wird . . . darauf hingewiesen, daß es untersagt ist, Testberichte für Reklamezwecke zu verwenden; Offenburger Tagebl. 4. 8. 1959Glücklicherweise krachte es hier nicht, denn es war nur ein Test, einer der Tests, die ein Prüfer der Bundesverkehrswacht Bonn gegenwärtig in der Volksschule-Turnhalle durchführt; Stuttgarter Ztg. 5. 2. 1960 Auf einer Tagung der Göppinger Pflanzenschutzwarte hat Dipl.-Landwirt Fricker . . . mitgeteilt, daß bald in Donaueschingen eine sogenannte Teststation eingerichtet werde; Offenburger Tagebl. 11. 2. 1960 Einen Testfall für den sowjetischen Entspannungswillen nannte Adenauer die Berlinfrage; Spiegel 29. 11. 1961 Die Arbeitsämter teilen den Berufsanwärtern mit, daß sie sich vor Antritt ihrer Lehrstellung einem ärztlichen Gesundheitstest zu unterziehen haben (CARSTENSEN); Die Welt 23. 1. 1962 Testprüfungen an 37 geübten Fahrern zeigten (CARSTENSEN); Süddtsch. Ztg. 13. 3. 1962 Der Test wird getestet (Uberschr.) Arbeitstagung des Berufsverbands deutscher Psychologen in München; Offenburger Tagebl. 29. 3. 1962 Verbraucherverbände wollen Verbrauchertest einführen (Uberschr.); Süddtsch. Ztg. 27. 6. 1962 Auch ein neutraler Wagen der Kripo, mit dem der Oberbürgermeister . . . eine

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Testament

„Testfahrt" unternahm, wurde mit Fäusten und Füßen traktiert; FAZ 1. 9. 1962 Test-Stopp am 1. Januar 1963? (Überschr.) Die Vereinigten Staaten haben sich am Freitag auf der Genfer Abrüstungskonferenz damit einverstanden erklärt, daß die Atommächte ihre Kernwaffenversuche . . . einstellen; 1963 Rüss. Echo 233,43 Mischehenfrage aus katholischer Sicht. Kein Testfall für die ökumenische Gesinnung des Konzils ( C A R S T E N SEN); Offenburger Tagebl. 19. 2. 1963 Für die Amerikaner ist der Vorwurf, mit einer TestExplosion kurz vor Beginn der neuen Verhandlungsrunde alles kaputtgemacht zu haben, reines Theater . . . Die Zahl der Inspektionen und Stationen beim Test-Verbot werde man aushandeln; Stuttgarter Ztg. 19. 3. 1963 Die Bestimmungen über die Einführung eines obligatorischen SehTestes im Rahmen der Führerscheinprüfungen; ebd. Außer diesen „Teststraßen", die den künftigen Straßenbau beeinflussen bzw. ändern sollen, gibt es noch Versuchsstrecken, auf denen mit Kunststoffen gearbeitet wird; Süddtsch. Ztg. i . 9. 1963 Kritik am S c h u l t e s t . . . in der vor allem bemängelt wurde, daß die Eltern von der Abhaltung des Tests nicht verständigt werden und daß der Test leider vielfach als primäres Mittel zur Feststellung noch nicht schulreifer Kinder benutzt wird; Offenburger Tagebl. 11. 9. 1963 daß man im Februar dieses Jahres im Bundes wirtschaftsministerium beschlossen habe, ein „Allgemeines Deutsches Warentestinstitut" zu errichten; ebd. 17. 4. 1964 Freiburg erwartet eine „Testwahl" (Überschr.) Die Frage, auf die das Ergebnis des 26. April eine Antwort geben soll, lautet schlicht: waren die Erfolge der Sozialdemokraten in Freiburg . . . ein Zufall, eine rein kommunale Entscheidung oder Ausdruck eines allgemeinen Meinungswechsels?; Bad. Ztg. 2 7 . 1964 um den Beginn einer Testbohrung zu erleben . . . ob auch auf Freiburger Gemarkung mineralisiertes Thermalwasser zu finden ist; Bild 16. 3. 1965 Verkäuferprotest gegen Testkunden (Überschr.) Für 35 Mark können sich Geschäftsinhaber einen „Testkunden" mieten, wenn sie ihr Personal für nicht ausreichend „kundenfreundlich" halten; FAZ 30. 7. 1966 Der

Verleger der Testzeitschrift „ D M " ; Stuttgarter Ztg. 11. 1. 1967 Blutalkoholtests anfechtbar (Überschr.) Süddtsch. 'Ztg. 20. 1. 1967 Es gibt heute kaum eine Zeitschrift, in der das Wort Test, der Begriff Test nicht an irgendeiner Stelle, in irgendeinem Zusammenhang auftaucht . . . vom Testfieber bleibt . . . niemand verschont . . . In unserer Familie wirkt sich die Testkrankheit etwa so aus . . . „Butter kann gar nicht so wichtig sein, wie es immer dargestellt wird . . . Der Test wird es beweisen"; Stuttgarter Ztg. 26. 9. 1967 Zuckertest im ganzen Land (Überschr.) Offenburger Tagebl. 6. 5. 1968 Die Wahl in Baden-Württemberg ist durchaus ein Test in dem Sinne, daß der Wähler die Große Koalition als eine Übergangsphase akzeptierte, aber nicht darüber hinaus fortgesetzt sehen will; Stuttgarter Ztg. 17. 3. 1968 Die Auflegung dieses ersten Immobilienfonds in Württemberg wird . . . als ein Testobjekt für weitere Fondsgründungen angesehen; FAZ J . 2. 1969 Die Berichte der Testingenieure werden von den Wissenschaftlern und Technikern analysiert; ebd. 22. 7. 1969 Noch immer keine Entscheidung über die Stiftung Warentest (Überschr.); ebd. 18. 3. 1970 Ein großer Testreaktor für das KFZKarlsruhe? (Überschr.); ebd. 18. 6. 1970 Die Bundesregierung habe von Anfang an betont, daß sie den Erfolg ihrer Bemühungen nicht garantieren könne. „Aber sie bleibt dabei, daß sie sich und andere diesem Test des guten Willens unterziehen wird"; Schweizer. Nationalbank 1971 Bulletin Aprilh. o. S. Der Bund subventioniert Tests. Seit kurzem werden auch in der Schweiz Warentests vom Staat subventioniert . . . Wer Warentests regelmässig liest und sich bei seinen Einkäufen nach ihnen richtet, gehört zu den besonders sorgfältigen Konsumenten; FAZ 31. 8. 1971 Tempo hundert auf zwei Teststrecken (Überschr.); ebd. 21. 2. 1972 Testbogen (Überschr.) Wenn man den Krankheitsverlauf in einer generell anwendbaren und generell vergleichbaren Weise grafisch aufzeichnet . . . kann der behandelnde Arzt klarer als bisher die Grenzen der Wirksamkeit eines Medikaments erkennen.

Testament N . (-(e)s; -e), Ende 13. Jh. entlehnt aus lat. testamentum 'Vertrag, Bündnis; Vermächtnis' (zu testari, —» testieren), in der Vulgata als lat. Ubersetzung für griech. öia6fjKT|, hebr. berit(h) 'Bund Gottes mit den Menschen'; 1 in der Bed. 'Gelübde, Bund; Urkunde', nur noch im religiösen Bereich als Bezeichnung für den Gnadenbund des jüdisch-christlichen Gottes mit den Menschen und vor allem die Schriften, Verfassung, Urkunde darüber, überwiegend in den Syntagmen Altes Testament zur Bezeichnung des mit den Juden geschlossenen göttlichen Bundes und der in die Bibel aufgenommenen heiligen Schriften der Juden und Neues

Testament

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Testament zur Bezeichnung der Versöhnung der Menschheit mit Gott durch seinen menschgewordenen Sohn und des die christlichen heiligen Schriften enthaltenden Teils der Bibel; dazu die in neuester Zeit gebuchte Personalableitung Alt-, Neutestamentier M. (-s; -) 'Wissenschaftler, der sich (berufsmäßig) mit dem Alten/Neuen Testament befaßt'. 2 Seit dem 15. Jh. im Zuge der Einführung des Römischen Rechts in der Bed. 'vom Erblasser getroffene, frei widerrufbare, letztwillige Verfügung, Anordnung, Rechtsgeschäft über das (rechtliche) Schicksal und die Verteilung des Nachlasses nach seinem Tode; (schriftlich, urkundlich niedergelegter) Letzter Wille; Erbeinsetzung, -verschreibung', häufig in fachspr. lat. Syniagmen gebucht, auch allgemeiner und bildlich verwendet für '(politisches, literarisches, künstlerisches) Vermächtnis, Erbe; Nachfolge(-rschaft)'; in Syntagmen wie ein Testament aufsetzen, vollstrecken, eröffnen, anfechten, fälschen, sein Testament machen, auch ugs.salopp im Sinne von 'sich auf das Schlimmste gefaßt machen'; als Bestimmungswort von Zss. wie Testamentseröffnung, Testamentsvollstrecker 'vom Erblasser mit der Durchführung der im Testament genannten Bestimmungen beauftragte Person', auch bildlich für 'jmd., der das Werk eines bedeutenden Künstlers, Politikers o. ä. in dessen Sinne weiterführt, vollendet'. Dazu das Mitte 14. bis Mitte 16. Jh. belegte, aus gleichbed. spätlat. testamentarius entlehnte Subst. Testamentarius, auch Testamentarier (PI. Testamentari(i), Testamentan en), 'Notar, der den Testamentstext aufsetzt; Vollstrecker des Letzten Willens', mit selten gebuchtem Testamentarei 'Amt eines Testamentsvollstreckers'; seit späterem 14. Jh. die veraltete verbale Ableitung testamentieren 'letztwillig verfügen, vermachen' (vgl. —> testieren 1) mit der dazugehörigen Personalableitung Testament(ier)er 'jmd., der ein Testament macht; Erblasser, -setzer; Stifter eines Vermächtnisses' (vgl. Testierer, Testator, —» testieren 1). Dazu seit frühem 16. Jh. die veraltete adj. Ableitung testamentisch, meist näher bestimmt durch alt-/neu-, in der Bed. 'das (Alte/Neue) Testament betreffend', auch 'nach Art des Alten/Neuen Testaments' (zu 1); gleichzeitig testamentlich, zunächst in der veralteten Bed. 'durch letztwillige Verfügung, Testament festgelegt, darauf bezogen' (zu 2), dann seit dem 18. Jh., meist näher bestimmt durch alt-/neu-, in der heutigen Bed. 'das (Alte/Neue) Testament betreffend, auf ihm beruhend' (zu 1); im 17. Jh. vereinzelt testamentalisch 'durch letztwillige Verfügung, Testament festgelegt'; seit Ende 18. Jh. die adj. Ableitung testamentarisch 'durch letztwillige Verfügung, Testament festgelegt, darauf bezogen' (zu 2), dann auch, durch alt-/neu- näher bestimmt, für 'nach Art des Alten/Neuen Testaments' (zu 1). Testament 1: Seuse 1295/1366 (Bihlmeyer 1907 Deutsch. Sehr. 494, 14) zu eine testamente der minnen; Kreuziger um 1300 (Johann v. Frankenstein, der Kreuziger 2080) ein testament in mime blute; ebd. 2135 von dem nüwen testament; Tauler 1361 Predigten XXXIV 28 under dem alden testament (alle M Ö L L E R ) ; Salat vor 1498 veri. Sohn 45 darumb uns ouch gezimpt nachzmal, zü beschirmen alt nüw testament (DWB); Platter vor 1499 (42 B) das nüw testament ist der nüw punt, den Christus mit den glöubigen uffgericht hett und mit seinem blüt versiglet (DWB); Emser 1505

Satyren 81 In testamenten allen beidenn; Luther 1520 Kl. Messe (VI 359) in weltlichen testamenten; ebd. VI 363 das testament, das ist die wort und gelübd Christi; Güthel 1522 Dialogus G T im alten vnd neüen testament; Zwingli 1523 II. Disp. (II 787,25) testamentbrieff; Kramer 1523 Unterredung 427 zu redenn auss dem allten testament; Luther 1524 Ratsherren (XV 50) die heylige schrifft des Alten Testaments; Zwingli 1525 Ordnung (IV 688) das tranck, das nüw testament, ist in minem blüt; Murner 1528 Messe 42 in den nuwen testamentlin; 1531 Gespräch zu Bemn A 3b

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Testament

als ich den underscheyd gab, vnder Alltem vnd Nüwem Testament; ebd. A 5" das alt vnd nüw Testament beide ein Gottes wort . . . seynd . . . Das Nüw Testament ist volkomner dann das allt, vnnd das allt ist durch Christum erfüllt vnnd zu erklärt worden; Luther 1 538Reichstag (L 361) Wie unser Herr Christus jnn seinem Testament einsetzt, das wirs thun sollen, sein dabey zu gedencken, das er uns von tod und sünden . . . erlöset hat; Stumpf 1541 Beschreybung Bl. IV" nit allein Göttlicher rechten alts vnnd neuws Testaments; Ruf 1545 Passion C 6" Damit im Vmkreiss diser erden Veracht nit mög vergessen werden Min lyb vnd blut recht werd erkent So wil ich das nüw testament Im wyn vnd brot hüt setzen yn Damit man gott könn danckbar syn; Mathesius 1563 Ebert. Qq 4" Wie wol nun der Ehestand auch ein bund oder Testament, wie er auch ein ehebund genennet wird; F. Platter vor 1614 (287) ein schön deutsch testamentlin, stattlich gebunden ( D W B ) ; Mathesius 1621 Luther 14T er [Luther] saget auch einmal . . . die schönste auslegung Mosis, der propheten und psalm, ist das newe testament . . . wie auch das alte testament die grundfeste ist des newen testaments, wenn ich junger were, wolte ich alle wort des newen testaments in Mose und propheten suchen ( D W B ) ; Baumstark 1906 Palastinapilger 29 „Testament unseres Herrn Jesus Christus", ein pseudoapostolisches Rechtsbuch, das um die Wende vom 5. zum 6. Jahrhundert . . . entstand; FAZ 8. 9. 1970 Eine exegetische Arbeitsgruppe untersucht das Verständnis von Frieden im Alten und Neuen Testament; Die Zeit 19. 1. 1979 daß ich meine Gemeinde in die historisch-kritische Arbeitsmethode am Neuen Testament einübte . . . Selbst im Alten und Neuen Testament sind die Aussagen über Gott nicht einheitlich.

testamentarisch: Nordau 1881 Paris II 200 alttestamentarisch; Derbich 1889 Militärarzt I 58 alttestamentarischen Grossindustriellen. testamentisch: Luther 1523 (XI 256) Und das wyrs auch durchs newe testament beweyßen, steht hie fest Johannes der teuffer, Luce 3. der on zweyffel Christum zeugen, zeygen und leren musste, das ist, seine lere must eytel new testamentisch und euangelissch sein; Wicel 1541 Onomasticon Ecclesiae 8" Weil nun die Bawern das alt Testamentisch Bildstürmen auff sich deuteten, musste auch das jenige folgen, das dabey stehet, Nemlich Götzendiener todt schlagen . . . Nachfolgende Tauffnamen sind Hebreisch, oder Alttestamentisch; ebd. 11" Der Alt vnd Newtestamentisch Joseph ist jederman bekant; Göser 1767 Judith 443 neutestamentische Judith.

testamentlich: Gichtel 1722 Theosophia Practica Vorr. b 1" [Jesus spricht] Ihr seyds, die bey mir verharret habt in meinen Anfechtungen, und ich wil euch das Reich bescheiden, (Testamentlich) wie mirs mein Vater bescheiden hat; 1842 Naturgeschichte d. dtsch. Studenten 112 alttestamentlicher Ursprache; Bierbaum 1910 Reife Früchte 88 alttestamentlich. Testament 2: Stainhöwel 1473 ber. Frauen 261 und als er sterben solt, liesz er ain testament hinder im, daz der eltist sun . . . syne schwester Cleopatram ze wyb neme; ders. 1474 — 82 Aesop 350 Er hat ain testament geseczet an synem letzten end; öhem um 1500 Chronik 54 denen, so dem münster oder Capellen ir hilff und stür tugen oder inen ettwas in irem . . . letsten willen und testement verschaffend; Eberlin v. Günzburg 1521 Bundsgenossen 114 testament vnd Ordnung; 1522/23 Kastenordnung (Wi. L) 9 der stiffter [von Kirchengut] testament vnd willen erfülle; ebd. 22 zu testamenten bescheiden; Kettenbach 1523 Practica 198 testament vnd mit seim letzten wyln; Eberlin v. Günzburg 1526 Tacitus-Germaniaiibers. 10 Sie machen kain testament; Pemeder 1544 Summa Rolandina 5a Testament oder letster will; 1546 Pasquillus Novus der Husseer (Strobel, Beitr. IV 2,179) ein auffgericht Testament; Mathesius 1559 Leychpr. (I 25,33) [Joseph will] seines lieben Vatters Testament vnd letzten willen als ein gehorsamer Son verrichten; 1572 Statutenbuch 71"ff. testament oder gescheit, oder letzter wille ( D W B ) ; 1582 Ambraser Liederbuch 281 das er solt machen ein testament; Paumgartner 1586 Briefw. 78 Dieweil dann sein testamentt inn der grossen eysern gelttkhisten inn meiner verwahrong; ebd. 133 Es vermeind ya der Paulus, er wer im nit wenig nuz sein zu seim testamend, welgs er im den alsbalt hat misen zuschicken; 1588 Notariatbuch 11" ein testament ist anders nichts, dann eine gerechte meinung anders willens von dem, was einer nach seinem tod zu geschehen begert, mit benennung eines erben, dann die erbsatzung ist die haupt- und grundtfest eines testaments ( D W B ) ; Spangenberg 1606 Saul 288 wie sie vor jhrem letzten Endt Möchten machen jhr Testament. Vnd versorgen jhr Weib vnd Kinder; ders. 1607 Ganss König 40 Welcher gestalt die Königliche Martins Ganss, nach deme sie resignieret, vnd jhr Testament gemacht, sich willig in Tod geben; Sattler 1607 Orthographie 310 Testament, letster will, Ehegemecht; Walterssweyl 1608 Beschr. e. Reiss in Palaestina a. d. ]. 1587 T Doch beynebens nicht vergessen, ein ordentlich Testament vnnd letzten Willen zu machen; Simler 1610 Regiment A 4" Testaments weyss; 1616 Bayer. Landrecht 338 Von Testamenten, vnd andern letzten Willen; ebd.

Testament 342f. Von Testament der Kriegsleut; Doverinus 1623 Geheimnussen 95 in Auffrichtung jhrer letsten Willen vnd Testamenten; Rennemann 1630 Privilegia 5 zu jhrem letzten Willen, so sie im letzten Testament machen, wenn sie nemlichen in jhren letzten Zügen ligen; Hilarius Lustig v. Freudenthal nach 1650 Lieder-Buechlein 148 Bereit bin ich zum Sterben, rieht auf ein Testament, mein Hertz hat sie zu erben, schaff ichs vor meinem End, wiewol es zuvor ist ihr, dieweil ich ayeh Treu und Liebe, hab stets vertrauet dir; Weise 1673 Erzn. 6 in ermangelung eigener leibeserben die nächsten freunde im testament ordentlich zu bedenken (DWB); Henrici 1727 Ged. 309 der Liebe Testament [ = Kind]; Siebenkees 1792 von letzten Willen 1 Testamente und letzte Willen heissen in der Nürnbergischen Reformation oft Geschaffte und Ordnungen . . . TestamentsExecutor; Schiller 1801 M. Stuart 3421 (V 2) schrieb ihr Testament mit eigner Hand; Balte 1804 Geschäftsgang i. Preussen 97 Ein militärisches Testament von vorbeschriebener Art gilt nur bis ein Jahr nach dem Frieden, verliert aber durch Desertion unbedingt seine Gültigkeit; ebd. 288 Wenn eine solche Verfügung das ganze Vermögen betrifft, so heißt sie ein Testament; betrifft sie aber bloß einen Theil desselben, so heißt sie ein Codicill; ebd. 292 Eheleuten ist es erlaubt, ein wechselseitiges Testament zu errichten; Goethe 1820 briefl. an Zelter III 76 Es ist gut, dass man von Zeit zu Zeit aus seiner Umgebung zu scheiden und aufzuräumen genöthigt wird, daher entstehen so die Zwischentestamente unserer Laufbahn; Hillebrand 1874 Wilsches 388 literarische Testaments-Vollstreckerin; 1875 Dtsch. Rundschau III 483 die beginnende Session der [französischen] Nationalversammlung, von Thiers sarkastisch „Die Testaments-Session" genannt; Kretzer 1887 Timpe 339 Gleich in der Frühe suchte er einen Notar auf und ließ sein Testament aufsetzen; Hamack 1910 (N. F. F. 5) Testament der Antike und . . . Testament des Urchristentums; Kjellen 1921 Grossmächte W. 148 Testament Peters des Grossen; Wilhelm II. 1922 Ereignisse 21 politischen Testament; Schmitz 1928 Essays 44 [Disraeli] gewissermassen der Testamentsvollstrecker jener alten Zeit, von deren Geist er gerettet hat; Rehm 1930 Untergang 138 Nietzsche, der . . . als der ideengeschichtliche Testamentsvollstrecker Gibbons angesprochen werden muss; Friedeil 1931 Kulturgesch. III 303 Er [Lincoln] fiel auf dem Gipfel seines Wirkens . . . gleich . . . Cäsar, Henri le Grand. Diese fanden Testamentsvollstrecker . . . er brauchte keinen, denn sein Werk war vollendet; Graff 1930 Strasse 86 Da können wir ja unser Testament machen; österr. Wehrztg. 9. 10. 1931 dass Schlieffen den Gesamtplan Ende 1905 in einer,

195

natürlich sehr geheimen, Denkschrift - man nennt sie jetzt das „Testament des Grafen Schlieffen" — niederlegte; Lokal-Anz. 23. 3. 1933 Nochmalige Testamentseröffnung (Uberschr.) Die Rechtswirksamkeit eines jeden Testaments, also auch des gemeinschaftlichen Testaments von Ehegatten, ist von seiner gerichtlichen Verkündung abhängig; Berl. Illustr. Nachtausg. 22. 8. 1933 Ich bestimme deshalb folgendes: Mein Testamentsvollstrecker John Sharp wird eine Woche nach der Eröffnung meines Testamentes einen internationalen Wettbewerb . . . ausschreiben; Sedlmayr 1934 (Epochen II 36) Giacomo della Porta war der pietätvolle Testamentsvollstrecker von Michelangelos architektonischen Ideen; Lokal-Anz. 11.7. 1934 Das Testament des Reichspräsidenten (Uberschr.) Beutler 1941 Essays I 414 säkulares Testament; Goethe 9 (1944) 38 der utopische Testamentroman der „Wanderjahre"; 1954 Begegnungen 145 Weil es dem ewig prüfenden . . . Politiker Heuss nicht gegeben ist, nur Testamentsvollstrecker zu sein; Arbeitgeber 20. 7. 1957 Familienunternehmen und Unternehmertestament; FAZ 25. 6. 1969 In dieser Richtung will Schumann die Politik des Generals fortführen, der schon — wie es scheint - ein „politisches Testament" androht, das sich als Programm für Frankreich herausstellen könnte; ebd. 31. 1. 1970 Formfreies „Testament" (Uberschr.) Ein eigenhändiges Testament muß, soll es wirksam sein, vom Testierenden mit der Hand geschrieben und unterzeichnet werden; Offenburger Tagebl. 30. 6. 1970 In seinem „politischen Testament" bezeichnete Jean Rey als weitere wichtige Punkte der künftigen EWG-Entwicklung die Einführung direkter Wahlen zum europäischen Parlament. testamentalisch: Adele 1654-58 Gerichtsh. I 204 der klare testamentalische buchstab (DWB). testamentarisch: Feder 1789 Grundlehren 238 Recht der testamentarischen Erbfolge; Schmalz 1818 Privatrecht 122 testamentarische Form [der Erbverträge]; Goethe 1826 Br. (XLI 263) testamentarische Verordnung; ]. Grimm 1831 Selbstbiographie (Kl. Sehr. I 6) das von ihm [Savigny] gelesene testamentarische erbrecht (DWB); Steffens 1840 Was ich erlebte II 202 durch testamentarische Verfügung; Kroneuml 1860 Kapitän I 119 Der Baron hat testamentarische Bestimmungen getroffen, denen zufolge die ganze Gemäldesammlung dem Fideicommiß einverleibt ist. Testamentarius: 1352 Lünebg. 478 de testamentarri; 1364 Braunschw. Lbg. III 233 eyn testamentarius; 1369 Arnstadt 168 und testamentarios; 1437 Gotting. II 147 der testamentarien (alle M Ö L L E R ) ; 1479 NUrnb. Reformat. 2& (5, 3) die

testen

196

testamentarier und Vollzieher der geschäft (DWB); 1510 Münchner Spiel 55 Die . . . seelen im fegfeür schreyen zu iren testamentani oder iren geschafft herren allso . . . O ir alle, den wir gewallt haben geben, euch haben wir gemacht zu testamentari im leben, Das ir sollt volstrecken unnsern letsten willen, damit wir den zorn gots möchten stillen; Pauli 1522 Schimpf 61 Wo einem jenen etwas würt, das der ander gern hat, so ist die Früntschafft uss, als die Testamentary etwan thun; ebd. 128 Es sol auch niemans sparen uff seine fründ und Testamentary, das sie nach seinem Dot widerkeren; ebd. 251 Aber wie man dir hilfft und Früntschafft zu dir hat, das sichstu in den Testamentarien wol, wie untrüw sie iren Fründen sein; Begardi 1539 Index Sanitatis 39* die erben oder testamentarien; Perneder 1544 Institut. F 2a Die Testament sollen inner jaresfrist nach tödtlichem abgang des testierers volzogen werden / vnd solliche volziehung / durch den so er der testierer dazu verordnet beschehen / wo sie aber lenger durch den geordneten testamentari auffgezogen wurde; Wegele 1595

testen

V.trans.,

e n g l . / a m e r i k a n . test jmdn.

im früheren 2 0 . J h .

Gesch. d. Univ. Würzburg tarier guetachten (DWB).

II 219 der testamen-

testamentieren: Gessler 1511 Formulare mentieren.

77" testa-

Testamentierer: um 1380 Limburger Chronik o. S. testamentirer; Gessler 1511 Formulare 78" testamentierer; Zwingli 1523 II. Disp. (II 759, 19) empfahen zu einer vesten . . . bevestigung sines glaubens, darzü es got, Christus der testamentyerer, uffgesetzet und geordnet hat; Notariatbuch (1588) 12k demnach der testamentirer abgehet mit todt, so mag dan jemandts, den das angehet, fordern das testament zu eröffnen (DWB). testamentlich: Schatzger 1523 Eerung A 4" von Testamentlichs verschaffens wegen, vnd letzten Willens vnnsers liebsten herren Jhesu Cristi; Goethe um 1800 briefl. an Zelter V 300 Nun aber selbst von mir etwas zu sagen, so ist alles, was ich gegenwärtig persönlich leiste, rein testamentlich (KEHREIN).

wohl

unter Einwirkung

von

gleichbed.

a u f g e k o m m e n e A b l e i t u n g v o n —• T e s t , in d e r B e d .

'etwas/

n a c h e i n e r f e s t g e l e g t e n M e t h o d e i m H i n b l i c k a u f eine b e s t i m m t e

stellung

(experimentell)

untersuchen,

weisen, festzustellen versuchen, etwas ausprobieren,

prüfen;

etwas

durch

einen

Test

durch Prüfung, Befragung zu ermitteln

e r p r o b e n ' , a u c h ' a u f die P r o b e s t e l l e n ; k o n t r o l l i e r e n ,

z i e r e n ' ; d a z u das v e r e i n z e l t n a c h g e w i e s e n e V e r b a l s u b s t .

Testung

F.

k o m m e n e , subst. Ableitung

Tester

M . ( - s ; -) 'jmd., der (beruflich) Tests

d e r an e i n e m T e s t als V e r s u c h s p e r s o n

teilnimmt',

P r o b e e x e m p l a r e i n e r W a r e ' u n d die v e r b a l e P r ä f i x b i l d u n g w e i s e n , n a c h w e i s e n , feststellen,

ertesten

auch

suchen; inspi-

(-; -en),

n e u e s t e r Z e i t die u n t e r E i n w i r k u n g v o n g l e i c h b e d . e n g l . / a m e r i k a n . tester führt; jmd.,

Fragenachzu-

in

aufgedurch-

'Prüfgerät;

' d u r c h Test be-

herausfinden'.

testen: 1937 Soldatentum 117 Sie sind liebe Kameraden und gute Gesellschafter, ihre Freundschaft wechselt. — Testen kann man sie, abgesehen von wissenschaftlichen Methoden, durch verblüffende Aufsatzthemen oder durch einen Aufsatz kurz nach der Einstellung; Süddtsch. Ztg. 21. 8. 1951 Damals, als die Amerikaner ihre militärische Besetzung Deutschlands abgeschlossen hatten, begannen sie . . . den Pulsschlag des deutschen Volkes zu „testen". Meterlange Fragebogen wurden in sorgfältiger Kleinarbeit entworfen, Kolonnen von Meinungsforschern wanderten treppauf und treppab, erfahrene Sachverständige gingen an die Auswertung; ebd. 16. 9. 1952 Schulpsychologin Lore Huber „testet"; Welt am Sonntag 16. 3. 1958 Mich interessierte, welche Farbe der Kater

bevorzugen würde. Auch das zu testen, ist modern; Süddtsch. Ztg. 24. 3. 1958 Der getestete Mensch (Oberschr.) Ist der Mensch meßbar?; Münch. Stadtanz. 2. 5. 1958 Von den rund 2500 Getesteten besaßen 33 Prozent die volle Sehkraft; Stuttgarter Ztg. 27. 1-2. 1958 An 23 Tagen ließen sich mehr als 1800 Personen kostenlos testen; Süddtsch. Ztg. 8. 4. 1959 Amerikas VerbraucherUnion testet die verschiedensten Waren und sagt unbestechlich, ob sie ihr Geld wert sind; Stuttgarter Ztg. 16. 12. 1959 um das aus Dutzenden von Drähten zusammengesetzte, fünf Zentimeter starke Seil zu testen; ebd. 23. 1. 1960 Die Pisten für Slalom- und Abfahrtslauf sind gewissermaßen europäischen Ursprungs . . . Toni Sailer . . . und andere internationale Größen haben sie getestet;

testieren ebd. 14. 3. 1962 Die fünf Vorgesetzten erklärten später, sie hätten lediglich die Wachsamkeit des Postens testen wollen; Süddtsch. Ztg. 21. 3. 1962 Ich weiß, man mißt, testet und berechnet sehr viel heutzutage, jedoch wird man immer wieder gewarnt, der Statistik zu viel Glauben zu schenken; Stuttgarter Ztg. 26. 10. 1962 der Sowjetblock habe offensichtlich einen polnischen Frachter dazu ausersehen, als erstes kommunistisches Schiff die amerikanische Blockade vor Kuba zu „testen"; Süddtsch. Ztg. 6. 2. 1963 Sobald vom Materialprüfungsamt die gefährdeten Decken getestet worden seien, werde man entscheiden, wie Abhilfe geschaffen werden solle; Offenburger Tagebl. 1. 6. 1964 Wir haben uns selbst mit unseren Preisen getestet mit namhaften Großfirmen in Karlsruhe und Mannheim. Wir waren selbst überrascht. Bitte vergleichen Sie vor einem Einkauf unser Angebot (Anzeige); Süddtsch. Ztg. 20. 1. 1967 Man wird getestet und man testet sich selbst . . . " Ich teste mich, um herauszufinden, wie lange es dauert, bis man es nicht mehr aushalten kann - das Leben ohne Milch"; FAZ 25. 5. 1968 Testen Sie sich selbst ob wir zueinander passen (Anzeige); Stuttgarter Ztg. 12. 12. 1968 Und unser Prinzip ist es, penibel zu sein. Unsere Cigaretten regelmäßig zu testen, testen zu lassen. Regelmäßig zu kontrollieren, zu verbessern . . . Nur so können wir allen Rauchern eine leichte, aber geschmackvolle Cigarette anbieten: unsere Milde Sorte (Anzeige); Offenburger Tagebl. 4. 3. 1969 Die drei Westalliierten haben inzwischen ihren Militärverkehr auf der Interzonenautobahn erheblich verstärkt. Beobachter glauben, daß damit . . . die Situation auf der Autobahn getestet und

197

zugleich die Manöverbewegungen sowjetischer und DDR-Truppen beobachtet werden sollen; Die Zeit 19. 1. 1979 Die so rigoros für die Massen arbeiten, wissen eine Menge über die Psychologie der Massen . . . Die Methoden sind getestet noch und noch. Testung: Stuttgarter Ztg. 21. 5. 1963 Probleme der Prüfung, Testung und Einführung neuer Substanzen. Tester: Süddtsch. Ztg. 8. 4. 1959 Die drei Tester in New Häven sind ständig auf Achse, um regelmäßig sämtliche amerikanische und die populärsten ausländischen [Fahrzeug-JTypen zu prüfen; Packard 1961 Verführer (Übers.) 11 die Tester und Manipulatoren; FAZ 27. 1. 1962 fiel den Unterführern plötzlich ein, nach längst vergessen geglaubten Kommißregeln den Soldaten zu prüfen . . . Im Handgemenge überwältigten die fünf „Tester" . . . den Soldaten; Spiegel 14. 3. 1962 Aus Braunschweig erhielten die Kölner Tester einen Brief ( C A R S T E N S E N ) ; ebd. 6. 6. 1962 Andere Tester kamen zu ähnlich schlimmen Resultaten ( C A R S T E N S E N ) ; ebd. 29. 5. 1963 bewarben sich . . . über 4000 Amerikaner als Turbinen-Tester ( C A R S T E N S E N ) ; ebd. 17. 7. 1963 Tyrannei der Tester ( C A R S T E N S E N ) ; FAZ 16. 1. 1970 Die Tester halten eine Typenprüfung für Kopfstützen in Zukunft für unbedingt erforderlich. ertesten: Die Zeit 12. 4. 1963 Der Mensch verbringt seine Freizeit im Haus. Silbermann hat das ertestet ( C A R S T E N S E N ) ; Spiegel 1966 No. 34,65 Was an den Rennfronten benötigt wurde, ertestete der Chef selber ( D U D E N ) .

testieren V.(in)trans., im späten 15. J h . entlehnt aus lat. testari 'etwas bezeugen, Zeuge von etwas sein, etwas durch Zeugnis dartun, bekunden, an den Tag legen; versichern, beweisen; zum Zeugen nehmen; ein Testament machen'; 1 rechtsspr. in der Bed. 'ein Testament errichten; den Letzten Willen urkundlich festhalten' und 'jmdm. etwas vermachen, vererben', in Zss. wie Testierfähigkeit 'juristische Fähigkeit einer Person, ein Testament zu errichten oder aufzuheben', Testierfreiheit 'Recht, jmdn. abweichend von der gesetzlichen Erbfolgeregelung unter Beachtung des Pflichtteils zum Erben einzusetzen'; dazu im 16./17. J h . die Präfixbildung vertestieren 'vermachen', seit frühem 16. J h . veraltetes, aus gleichbed. lat. testator übernommenes Testator, auch Testierer, mit den movierten Formen Testatrix, Testatorin, Testatiererin, für 'jmd., der ein Testament macht, Erblasser, -setzer; Stifter eines Vermächtnisses', gleichbed. mit Testament(ier)er, —> Testament 2, und 'jmd., der ein Testament ausstellt', gleichbed. mit Testamentarier, —> Testament 2. 2 a Seit späterem 16. J h . (1571 bei Rot) gebucht, erst im 20. J h . belegt in der allgemeinen Bed. 'bezeugen, bestätigen, bescheinigen, beurkunden', vgl. häufigeres

198

testieren

g l e i c h b e d . a t t e s t i e r e n ; b seit d e m 1 9 . J h . s p e z i e l l i m H o c h s c h u l b e r e i c h in d e r B e d . 'den

Besuch

bildungen

einer

Vorlesung

bestätigen;

ein

Testat

ausstellen'

mit

a n - / a b t e s t i e r e n 'ein A n - / A b t e s t a t ausstellen' u n d d e m

den

Präfix-

dazugehörigen

V e r b a l s u b s t . A n - / A b t e s t i e r u n g F . ( - ; - e n ) ; d a n e b e n seit M i t t e 1 9 . J h . d a s a u f l a t . testatus,

P a r t . P e r f . v o n testari,

Urkunde',

neuerdings

auch

zurückgehende Subst. T e s t a t N . (-(e)s; -e), 'Zeugnis, gebucht

für

'Prüfsiegel

für

ein

getestetes

(zu a) und '(im Studienbuch eingetragene) schriftliche Bestätigung, Beglaubigung,

Zeugnis

über

die

Teilnahme

an

einer

( z u b ) , a u c h in d e n P r ä f i x b i l d u n g e n A n - / A b t e s t a t N .

Produkt'

Bescheinigung,

Universitätsveranstaltung' ( - ( e ) s ; - e ) 'zu B e g i n n eines

S e m e s t e r s v o m D o z e n t e n u n t e r s c h r i e b e n e B e s t ä t i g u n g , d a ß eine V o r l e s u n g wurde/am Ende Vorlesung

des Semesters

erteilte (neben d e r im Studienbuch

eingetragene) Bestätigung

ü b e r die erfolgte T e i l n a h m e

belegt

aufgeführten

an den

Veran-

staltungen'. testieren 1: 1479 Nürnb. Reformat. 176h welche personen testirn mögen oder nit ( D W B ) ; Emser 1525 Annotationes B 3h vnd vns all sein gut bescheyden, testirt [hat] . . . vor allen dingen des tastierenden willen; Fischart 1575 Garg. 100 wolt er auch von dem untestierten unnd unverlegierten Erb was haben ( R Ü T T E R ) ; Wegele 1851 Gesch. d. Univ. Würzburg II 124 teutsche herren, die nicht zu testiren macht haben ( D W B ) ; Spangenberg 1607 Ganss König (44, 148) Die Gurgel [der Gans] nach rechtem Sinn, Testieret hat den Spinnerin; Mathesius 1621 Luther 141" d. Luther was ein becher testirt ( D W B ) ; 1716 Württemberg. LandRecht 349 sampt oder sonderlich testiren; Siebenkees 1792 von letzten Willen Vorr. 6 4 testirende Person; ebd. 2 Wer testiren will, muss zur Zeit der Errichtung des Testaments den Gebrauch des Verstandes haben; 1829 Civilist. Magazin III 1 Uber die Mündigkeit zum Testiren; Marlin 1868 Geheimnis 195 Ich gründe diese Stiftung in dem festen Glauben, daß ich ebenso gemeinnützig testiere, als wenn ich eine öffentliche wohltätige Anstalt ins Leben rufe; Alberti 1880 Die ältesten Herrn von Weida 23 er hat a. 1515 derselben Sanct Vesti kirche testirt und bescheiden das dorf ( D W B ) ; Roscher 1888 Ackerbau (System II 536) Testirfreiheit der Grundeigentümer; FAZ 31. 1. 1970 Ein eigenhändiges Testament muß, soll es wirksam sein, vom Testierenden mit der Hand geschrieben und unterzeichnet werden. Testator: Luther-Emser 1521 Str. I 124 dis wunderbarlich testament darinn Christus nicht alein der testator sonder auch der erb ist; Musculus 1585 Wetterhan 205 wie auch in zeitlichen Testamenten, gibt der Testator seinen Erben, oder wem er will; Boltz 1752 Amts-Actuarius 945 Von der Natur werden behindert Testamenta zu machen, diejenige, so die Vernunft nicht gebrauchen können und deren beraubt sind . . . Niemand kan gezwungen werden ein Testament zu

machen, sondern wenn das Testament gültig seyn solle, muß der Testator seinen letzten Willen freywillig declariren, mithin nicht mit Gewalt oder Betrug hierzu verleitet und induciret werden. Hierzu kommet noch, daß man von dem ernstlichen Willen des Testators gesichert sein müsse; Bretzner 1787 Leben I 144 Testatorem; ebd. 145 Testators; Hippel 1793 Kreuz- u. Querzüge I 15 Testator, Testatricin. Testierer: Perneder 1544 Institut. Fla Vnd so der Testierer in seinem testament kainen testamentari oder volzieher geordnet hette / so solle die oberkait einen geben vnd verordnen; Knaust 1566 Müntzbüchlin 18h Testirer; Siebenkees 1792 von letzten Willen 6 der Testirer. vertestieren: Ernstinger 1579-1610 Raisbuch 46 dise schöne bibliotheca von etlich tausent büechern hat ain cardinal . . . der herrschafft Venedig geschenckht und vertestiert; 1593 Wagnerbuch 8 Item er [Faust] hat ¡hn [Wagner] auch seine güter vor seinem End vertestieret, jhn zu einem Erben eingesetzt; Sandgrub 1618 Delitiae 94 In seinem seltzamen, wunderlichen, dem Pfaffen vertestierten Legat. testieren 2 a: Uhu 1930 Julih. o. S. Er merkte, wie er zu lächeln begann, wenn sie zu sprechen anfing, und daß er zu laut und zu lange lachte, wenn sie fertig war . . . Die Diagnose lag klar zutage . . . Aber Gregory wollte es nicht glauben. Sein Verstand weigerte sich, ihm diese äußerste Torheit zu testieren; Offenburger Tagebl. 4. 5. 1970 Preusker kündigte an, er werde die deutsche Revisions- und Treuhand A G , die gegenwärtig den Jahresabschluß des Investor Fonds zum 31. März prüfe, bitten, noch eine Vermögensaufstellung zum 30. April zu testieren. Damit könne bewiesen werden, daß „bis auf kleine Umschichtungen genau derselbe Bestand an deutschen Aktien" wie am 31. März vorhanden

Tête-à-tête Testat: Schopenhauer 1844. 1856-60 Sprache (Nachl. II 142) Testat; Beta 1878 Agrarverfassung 11 dass der Erbzwang, welcher einen Verschuldungzwang des immobilen Guts — dem Werkzeug derUrproduction — involvirt, in Übereinstimmung mit der übrigen liberalen Gesetzgebung aufgehoben werde. Also freies Testatrecht. testieren 2 b: ]. Grimm 1846 (Verhandlungen der Germanisten zu Frankfurt a. M. 59) Man weiss auch, wie die Studenten auf der Universität unterscheiden: sie haben zweierlei Wissenschaft, solche die sie testiert erhalten müssen, und andere, wo das nicht nothwendig ist; darnach richtet sich dann ihre Neigung zur Annahme und zum Besuch der einzelnen Vorlesungen; Gutzkow 1875 Rückblicke (11) 15 als ich bei ihm ein Kolleg testieren ließ; Siemens 1947 Lehen 33 „Testierbuch". abtestieren: Ziegler 1895 Student 214 Schweigen aber lassen Sie mich von dem mit der Honorarfrage im Zusammenhang stehenden An- und Abtestieren in Ihren Vorlesungsbüchern; Bonn 1953 Gesch. 57 Wir hätten natürlich schwänzen können. Man brauchte nur an- und abzutestieren; wenn das in

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Ordnung war, kümmerte sich kein Mensch um An- oder Abwesenheit. Abtestierung: Dahn 1895 Erinn. IV 2,51 Wer dreimal unentschuldigt ausblieb . . . wurde . . . ausgeschlossen, d. h. erhält keine Abtestierung. antestieren: Ziegler 1895 Student 214 Schweigen aber lassen Sie mich von dem mit der Honorarfrage im Zusammenhang stehenden An- und Abtestieren; Bonn 1953 Gesch. 57 Wir hätten natürlich schwänzen können. Man brauchte nur an- und abzutestieren. Antestierung: Dahn 1895 Erinn. IV 2,57 wie er als „crasser Fuchs" eingetroffen sei, hätten ihn ältere Studirende aufgefordert, mich behufs ,,Antestirung" in meiner Wohnung aufzusuchen. Testat: Siemens 1947 Leben 33 Testat; 1957 Brot u. Wein 102 Den Anfang setzte eine Aufnahmeund den Schluß, nach sieben Wochen, eine Testatsprüfung. Wer nach bestandener Aufnahmeprüfung überhaupt am Kursus teilnehmen durfte.

Tête-à-tête N . ( - ; -(s)), im späten 17. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. tête-àtête (eigentlich 'Kopf an/bei K o p f ) , in unterschiedlichen Schreibweisen nachgewiesen; a in der Bed. 'Zusammenkunft, -treffen, Gespräch unter vier Augen', bes. 'zärtliches, intimes Beisammensein zweier Liebender; Schäfer-, Liebesstündchen; geheime, vertrauliche Verabredung; Stelldichein, Rendezvous', heute häufig übertragen verwendet im politischen Bereich für 'politisch-diplomatische Besprechung, Unterredung unter vier Augen' meist von Staatsoberhäuptern; daneben adv. gebrauchtes tête-à-tête für 'vertraulich, unter vier Augen; allein', b Im 18./19. Jh. im militärischen Bereich gebucht für 'heftiges (Frontal-)Zusammentreffen kriegerischer Einheiten, scharfes (Kopf-an-Kopf-, Mann-zu-Mann-)Gefecht' (vgl. Tête als militärspr. Bezeichnung für die Spitze des .Truppenkörpers). Tête-à-tête a: Mahrenholtz 1678 Unterredungen Bvf wir . . . dürffen auch in ein teste à teste unserer Teutschen Catons Gesichter oder Censure nicht scheuen ( B R U N T ) ; um 1760 Mannlich (Erinn. (St.) 18) Diese Fräuleins kommen also zu einem tête-à-tête zu ihm?; Wezel 1775 Tob. Knaut III 232 er floh sorgfältig jedes tête-à-tête [mit ihr]; Hermes 1778 Reise I 135 Diese Reise . . . ist kein . . . (ich habe das deutsche Wort noch nicht, und bin doch unterdessen einige Meilen gereist. Ich denke, wir sind noch ein wenig arm, wir Deutschen?) nun, sie ist kein Tête-à-tête gewesen. Ein Frauenzimmer . . . erlangte . . . die Einwilligung mit uns zu reisen. Diese Person . . . ist eines

Predigers Frau, und kommt vom Besuch eines Verwandten zurück; Musäus 1781 Physiognom. Reisen II 197 ein vertrauliches tête-à-tête mit einem Mädchen; 1786 Wiener Musenalmanach 115 Und mit der Morgenröte Stand er im langen Sonntagskleid zum Tête-à-tête schon bereit; Wölfling 1796 Reise III 84 [man] verabredet wohl auch ein tête à tête; Foote 1796 Schriftsteller (Übers.) (II 41) Ach! fort mit den Karten! Es giebt Zeitvertreibe, die sich besser für ein Tête-à-tête schicken; 1797 Nuditäten 18 Ich zitterte, und fühlte seine Lippen warm Auf meinen Lippen unter Küssen glühen, Ich war zu schwach, der Sieg ward sein. O Freund, ich habe dir dein tête à tête verziehen, Vergieb auch mir, —

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Tête-à-tête

mein Herz blieb sein; Foote 1797 Mäzen (Übers.) (III 47) Sie hatten ein Tête-à-tête mit meiner Nichte; Burkhard 1800 Erzählungen I 314 aber dass sie ein tête-à-tête gab, dass sie von Mannspersonen . . . Besuche annahm, wollte er durchaus nicht mehr zugeben; Prinzessin Wilhelm 1808 hriefl. (H. 1. 132 (1925) 73) Uberhaupt ist es immer etwas anderes die Menschen allein zu sehen und das verstehe ich aus dem ff. mir solche têtes à tête zu menagieren; 1821 (Falke 1895 Zeit 186) [Boudoir] das Gemach für Geist und Liebe, das Gemach, in dem es nur ein tête-à-tête gab, ein Leben und Geniessen zu zweien; Soaun 1822 Santini (1175) dass der Graf . . . mit ihrer Tochter oft bis Mitternacht en tête à tête bleibe; Picard 1826 Minard I 125 speiste . . . allein, im tête à tête, mit seinem Sohne; Dingelstedt 1847 Jusqu'à la mer 7 Wir essen auf dem Deck, ein eheliches tête-à-tête wie zu Hause; Grossmann 1847 Gemischte Gesellschaft 55 Wie übel aber oft die eilfertigsten Dienstleistungen aufgenommen werden, erfuhr . . . Flora, als sie zu ungelegener Zeit ein tête-à-tête drehte sich dasselbe auch nur vorerst um ein TanzEngagement für die nächste Ballsaison, das aber im Verlauf sehr interessant werden konnte - durch die Mittheilung unterbrach, dass Klara sehr unwohl sei; Guseck 1851 Salvator II 124 bei einem Tête-à-tête mit der Dame seines Herzens; ebd. II 197 Ein zufälliges Tête-à-tête mit einer schönen Hofdame — ist das ein Verbrechen?; Boretius 1855 Br. 55 meiden ein tête-à-tête mit den Professoren noch viel sorgsamer als ein Gleiches mit ihren zahlreichen Gläubigern; Mündt 1857 Kaiser-Skizzen I 149 im gemüthlichen Tête-à-Tête mit dem vor ihm stehenden Schoppen; Rasch 1865 Häuser 178 ein zärtliches tête-à-tête unter vier Augen; Goltz 1865 Jugendleben III 157 zu dieser Intimität, zu diesem tête à tête mit einem blutjungen Manne; Monteton 1872 Drei Meilen 109 ein sehr liebliches Halbdunkel, welches verführerisch zu einem traulichen Tête à tête aufforderte; Wallner 1874 Land 298 thaute [er] nur selten im engsten Freundeskreise auf oder im traulichen tête-à-tête bei einem Glase feinen Rheinweins; Münch. Archiv 62 (1879) 463 bei Gelegenheit eines zärtlichen Tête-à-Tête; Röse 1884 Revanche 3 im tête-à-tête mit langweiligen Gatten; Roland 1888 L. 113 Tête-à-Tête an romantischen Plätzen, Quellengrotten oder schattigen Abhängen; Wachenbausen 1890 Leben 180 in einem süssen tête-à-tête mit der Favorite des Deys ertappt; Foote 1890 Fallobst 149 die beiden sassen sich bald im traulichsten tête-à-tête gegenüber, assen, tranken und plauderten; Hopfen 1893 Elend 1187 Er hatte zu viel gegessen, er hatte zu viel geredet und er fürchtete das tête à tête mit seiner schöneren Hälfte; Senden 1900 Tänzerin 41 Nun, schöne Maske, so vertieft im tête à tête?; Bieber-

stein 1903 Recamier 167 so müßte dieses Tête-à-Tête mit der schönsten und am meisten bewunderten Frau ihrer Zeit ein gar drolliges Kapitel abgeben; Kretzer um 1910 Stehe auf 147 Er wußte, daß Kreuz außer jener flüchtigen Begegnung im Korridor ihrer Wohnung niemals mit Elisabeth zusammengetroffen war, daß also dieses Traum-têteà-tête rein sinnlos war; Poppenberg 1913 Rokoko 24 wird bei einem . . . Tete-à-tete mit einer Nymphe von der Oper aufgeschreckt; Lokesch 708 Damals 1927 Fortf. v. Scherr, Kulturgesch. hieß es auch in der Operette „Der Opernball" von Richard Heuberger „Geh'n wir ins Chambre separée Ach, zu dem süßen tête à tête, Dort beim Champagner und beim Souper Man alles sich leichter gesteht." Wenn diese Verse auch schlecht sind, drücken sie doch das damalige Empfinden über jene Dinge deutlich genug aus; Wilke 1930 Erinn. 223 Die letzte Flasche Wein . . . habe ich im Tête-à-Tête mit dem Minister a. D . von Podbilski sachverständig geleert; Stegemann 1930 Tage 167 Die Worte, die wir . . . wechselten, fielen so leise, als der Anstand erlaubte, der nicht duldete, dass sie zu einem geflüsterten tête-à-tête wurden; Münch. N. N. 17. 1. 1944 die . . . Darstellerin, die sich dank einem Rendezvous (Tee mit Reminiszenzen an verflossine tête-à-têtes) beim Großherzog verspätet; NZ. (Basel) 15. 3. 1950 O b für den Tag oder die Nacht, für das kleine tête à tête oder das grosse Rencontre im Ballsaal oder am Gartenfest, — die Möglichkeiten, sich schön zu machen, sind in goldener Fülle vor uns ausgebreitet; Süddtsch. Ztg. 19. 9. 1953 Für sie ist das Gespräch beim Tête-àTête mehr oder minder nur ein Anlauf zum leiblichen Genuß, ein seelischer Aufschwung; ebd. 10. 5. 1958 Daß Dulles diesen Vertrauenskredit erhielt, läßt vermuten, er wolle ihn mißbrauchen, um ein Tête-à-tête mit den Kremlgewaltigen herbeizuführen; Offenburger Tagebl. 6. 3. 1959 ebenso unverkennbar ist das Mißbehagen, das sich in Paris, Bonn und Washington darüber entwickelt hat, daß Macmillan hier anscheinend Chruschtschow bereits zu weit entgegengekommen sein könnte. Man geht kaum fehl in der Annahme, daß beim tête-à-tête in Marly entsprechende Gegenzüge erörtert wurden; Süddtsch. Ztg. 9. 2. 1961 Seitdem ist . . . das deutsch-französische Tête-àtête gestört; Münch. Stadtanz. 24. 3. 1961 bei einem trauten tête-à-tête auf einer Bank im Englischen Garten; 1968 Durch die schöne Welt Julih. [die Kabinen] sind alle holzgetäfelt, gut gepolstert und geben genug Gelegenheit, dem Spiegelbild zu huldigen, bevor die Frisur beim Tête-à-tête an der Reling Schaden nimmt; Laforgue 1970 Berlin 1887 (Übers.) 28 das tête-à-tête [zwischen Bismarck und Wilhelm I] beginnt; Offenburger Tagebl. 18. 9. 1971 Nur wenige

Text Autominuten von dem sowjetischen Bade-Mekka Jalta entfernt, konnte sich Breschnjew kein intimeres Plätzchen für sein Tête-à-tête mit Brandt suchen; Die Zeit 31. 3. 1978 Zu Sadat meinte er während des Jerusalemer tête-à-tête: „Wenn jetzt der Frieden ausbricht, kann ich mich ja in Kairo zur Ruhe setzen." tête-à-tête: Thomasius 1688 Monatsgespräche I 658 daß Caliste versuchte in seiner conversation . . . tête à tête mit ihm zu sprechen; ebd. II 434 mit einem Frauenzimmer tête à tête zu reden ( B R U N T ) ; ders. 1701 Kl. Sehr. 254 Wie man in einer Conversation, die tête à tête geschieh« / nach dem Haupt affect des andern unvermerckt solle nachforschen; ebd. 329 und ein Vernünfftiger wird ein gutes Wort / das er in einer Conversation tête à tête erhalt / höher achten; als hundert Kusse / die er in Gesellschaft erlanget; 1788 Journal d. Moden 265 als wenn er sich allein (tête à tête) in ihrer Nähe befindet; Schiller 1789 Geisters. (13) 217 er bleibt

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tête-à-tête mit seinen beiden Leuten; Prokesch v.. Osten 1830 Tagebücher 33 Gentz, mit dem ich den Abend recht angenehm tête-à-tête verplaudere; Raumer 1849 Frankf. —Paris II 155 Sehr angenehm für meine Person, den Präsidenten so tête-à-tête zu sehen und zu sprechen; Ranke 1857 Briefwerk 416 eine kleines Dinner tête à tête eingenommen; Hopfen 1887 Genius 92 ein unangenehmes Bild, mit dem ich nicht Tag für Tag tête-à-tête verkehren möchte; Offenburger Tagebl. 23. 12. 1970 Als der Mann tete-à-tete plötzlich den Seidenstrumpf hervorholte und Anstalten machte, das Mädchen zu erdrosseln, eilten einige Kolleginnen herbei und schlugen den „Freier" in die Flucht.

Tête-à-tête b: Zedier 1744 Universal-Lexicon 1461 Tete à tete heisset so viel auf Deutsch als Mann zu Mann, und wird sonderlich bey einem scharffen Gefechte gebraucht, da keine Partei der andern den Platz räumen will ( B R U N T ) .

Text M. (-(e)s; -e), Mitte 14. Jh. entlehnt aus lat. textus, textum 'Verbindung, Zusammenhang (der Rede); Wortgefüge, Stil; Darstellung, Inhalt', eigentlich 'Gewebe, Geflecht' (zu texere 'weben, flechten'), im Mlat. auch 'Wortlaut der Evangelien; Heilige Schrift; Schriftzeichen'; l a in der allgemeinen Bed. 'schriftlich festgehaltene, inhaltlich-thematisch zusammenhängende Folge von Wörtern, Sätzen; Wortlaut einer Rede, eines Schriftstückes', häufig als Grundwort in Zss. wie Zeitungs-, Fach-, Rollen-, Gesetzestext; speziell im philologisch-literaturwissenschaftlichen Bereich als Bezeichnung für das Exemplar eines Schriftwerks, das als Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung zur Grundlage von Anmerkungen, Erläuterungen, Glossen, (philologischen) Bearbeitungen, Ubersetzungen gemacht wird, als Grund- und Bestimmungswort in Zss. wie Ur-, Primär-, Quellen-, Ubungstext; Textdichter, -kritik, -ausgabe, -exegese; früher bes. für 'Bibelstelle als Gegenstand der Auslegung, Kern(-stück) einer Predigt' (Bibeltext), von daher übertragen verwendet für 'Gegenstand, Thema (der Rede, Unterhaltung, Untersuchung); Sache; Grund, Veranlassung'; auch 'schriftliche Erläuterung einer Abbildung; Bildbeschriftung, -Unterschrift; Legende' und im musikalischen Bereich speziell 'einer Melodie, einem musikalischen Werk unterlegte Worte; sprachlicher Teil der Partitur, Libretto' (Gesangs-, Lied(er)-, Schlagertext; Textbuch). Häufig in bildlich-übertragenen Wendungen wie jmdm. den Text lesen 'jmdm. eine Strafpredigt halten, die Meinung sagen' (eigentlich 'jmdm. eine (passende) Bibelstelle vorhalten und erklären'; vgl. jmdm. die Leviten lesen), im Klartext (reden) 'auf gut deutsch (reden)', weiter im Text! 'weitermachen! fortfahren! zur Sache!', aus dem Text kommen 'den Faden verlieren, nicht mehr weiter wissen', beim Text bleiben 'bei der Sache bleiben'. Dazu die seit späterem 19. Jh. (gebucht 1871 bei Sanders) nachgewiesene adj. Ableitung textlich 'den Text betreffend' und im frühen 20. Jh. die vereinzelte verbale Ableitung textieren V.trans. 'eine Unter-

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Text

schrift unter einer Abbildung anbringen, ein Bild beschriften, mit Text versehen', auch im Sinne von 'formulieren' (vgl. —» texten), mit dem dazugehörigen Verbalsubst. Textierung F . ( - ; -en). b In neuester Zeit in der Sprachwissenschaft als Bezeichnung für das meist über Satzgröße hinausgehende, aus einer Kette von Sätzen bestehende sprachliche Gebilde, in dem sich sprachliche Kommunikation vollzieht, häufig als Bestimmungswort in Zss. wie Textbegriff, -grammatik, -linguistik, -sorte; vgl. daneben Kontext M. (-(e)s; -e) 'textuelle Umgebung einer sprachlichen Einheit', auch 'außersprachliche Umgebung des Textes, (Gedanken-, Sach-, Situations-)Zusammenhang einer Äußerung' und Kotext M. (-(e)s; -e) 'der umgebende Text einer sprachlichen Einheit'; dazu die adj. Ableitung textuell 'den Text betreffend; Text-', die subst. Ableitungen Texthaftigkeit F. ( - ; ohne PI.), auch Textualität F. ( - ; ohne PI.) 'Eigenschaft, Textmerkmale aufzuweisen' und Textologie F. ( - ; ohne PI.) 'Textwissenschaft' mit der dazugehörigen adj. Ableitung textologisch, sowie in Analogie zu Phonem, Morphem u. ä. gebildetes Textern M . (-s; -e) 'textkonstituierende Einheit'. 2 Seit früherem 19. J h . (gebucht 1838 bei Heyse) fachspr. im Druckwesen nachgewiesen für 'Schriftgattung, -grad von 20 Punkt und ungefähr 7,5 mm Buchstabenhöhe'. Text l a : 1350-65 (Karajan 1855 Über Heinrich den Teichner 55) text ( L E X E R ) ; um 1380 Meister Altwert 213,6 Den Text und nit die glos; 15. Jh. Fastn'sp. (I 323,7) ain andren text lesen; ebd. 730,18 herr der wirt, ich wil euch den rechten text sagen, warumb wir alle plobs clait tragen ( D W B ) ; Wittenweiler 1400—50 Ring 87 Dar zuo ist die glos vil guot, Wan der text uns zwivel tuot; Steinhöwel 1474— 82 Aesop 5 Hie wirt ouch allain die gemain usslegung nach schlechtem tütsch ungerymt geseczet, nit wie sy vor in tütschen rymen geseczet sint, umb vil zuogelegte wort zemyden und uf das nächst by dem text, wie oben stat, zu belyben; Niclas v. Wyle 1478 Transl. 174 Ja es sagt der text vnd die glose die genennet wird ordinaria. Ixx. di. Sanctarum; ebd. 188 Sag ich daz ain yetklicher der den texte da selbs recht erwigt; ebd. 312 Alda magst du büchertext vnd glosen bede der kriechen vnd der latinischen . . . lesen; 1510/11 Sterzinger Spiele Fingerle I 28 text lesen; Gengenbach um 1517 Leienspiegel (188) neben den text geschrieben; Murner 1520 Luthers Lehren B 3 Ich hab mein leptag nie keinen funden der in sensu textuali, dz ist in verstant des texts ie gesagt hab, die beicht das werstenden werde; Güthel 1522 Dialogus L 1" Kain plat für das maul nemen, Den text mit der glose sagen; Kettenbach 1522 Sermon 86 text des Euangelij; Eberlin v. Günzburg 1523 (III 17) text der Biblia; Guttel 1524 Euangelion A T Auss diesem Euangelyschenn texdt haben wyr . . . zu sehenn; Emser 1525 Annotat D 2h damit er ein nawenn verstand des texts einführen wil; Murner 1528 Messe 37 er miesse sagen noch dem text wölches das opffer sey; Berkenmeyer um 1530 Begriff aler künig des A. T. A 3" Das geschah vmb

seiner sünd willen sagt der Text; Salat 1537 verl. Sohn 201 [Lehrer] der nun den text [Luk. 15] luter und klar von wort zu wort wirt legen dar (DWB); Forster 1539 teutsche Liedlein Vorr. o. S. dasz auch der rechte text in allen liedlin nicht vorhanden, kann ich nit für, dann ich wol weisz, wie groszen fleisz ich lange zeit gehabt, dasz ich die rechten text der liedlin bekommen möcht, hat aber nit sein wollen, dieweil wir aber nicht der text, sondern der composition halber, die liedlin in druck geben, haben wir in die liedlin, darunter wir kein text gehabt (damit sie nicht ohn text wären) andere text gemacht; wiewol wir auch etlich text mit fleisz, als die fast ungereimt gewesen, hinweg gethan, und andere dafür gemacht ( D W B ) ; Luther 1540 Tischreden (V 36) Darumb, wie der locus oder text gibt, so neme man es, legem vnd evangelium; Alpinus 1550 Histori Troie b 5h eyn warhafftiger Text des Troianischen Kriegs; Scheidt 1551 Grobianus 7 vom Text geschweifft; ebd. 4717 Der Frawen solt ein Text her lesen, die Kost sey gar nichts wert gewesen ( T R Ü B N E R ) ; Boltz 1551 Weltspiegel (II 141) Do hör ich zwar ein seltzam wesen, Hatt dem ein wüsten text gelesen; Stephan v. Buchau 1568 Satyra (Wolkan, Böhmen II 121) Der Text darff keiner glosen nicht Ich bin vor mehr zur walfart gangen Da man solch ablass hat empfangen Odr weil ich hab gelebt, glaubt mir Hat mir kein Weib bas gefalln den jr; Fischart ¡575 Garg. 77 Item ferner im text ( T R Ü B N E R ) ; Musculus 1585 Wetterhan 265 Vnd steht weiter im Text; ebd. 266 Fahr nur fort, im Text, ich will dasselbe wol erwarten; ebd. 269 Aber höre weiter im text, was Sanct Peter vom Antichrist . . . saget; ebd. 291 Auss diesem Text, sein fürnemlich vier stuck zu

Text mercken; Mathesius 1586 Syr. III 24k der text ist der noten seele ( D W B ) ; Nigrinus 1587 Schlüssel Büchlein 10" Es gilt aber nicht etwas herauss zwacken auss einem gantzen Text, was einem dienet, vnnd den denen, vnd deuten dem gantzen Context zu wider; vor 1588 Wurstisen 288 in geiner rede nam er den text 'es segne uns gott und aller weit erde förchte ihn' ( D W B ) ; Gutmar 1592 Kennzeichen kath. Rei. 96 wer gehet vor dem Schmidel vnd Hasiander? vielleicht ein vnbekanndter Pfaltzgräuischer Alexander, Orsuvia, fort vnd noch weytter im Text, wer ist der ältist Grossvatter?; Spangenberg 1598 Musica 5 wie Lutherus sagt, die Noten machen den Text lebendig; ebd. 1607 Ganss König (114) ein Lehrhaffter Text darbey ausserwehlt; Albertinus 1615 Landstörzer 2 daß ich den wahren und klaren Text ablese, und etlicher Leuthe darneben gemachte falsche glossas ablaine ( T R Ü B N E R ) ; Opitz 1624 Poeterei 27 So stehet es auch zum hefftigsten unsauber, wenn allerley Lateinische, Frantzösische . . . Wörter in den Text vnserer Rede geflickt werden ( T R Ü B N E R ) ; vor 1661 Schuppius 640 das [der angeführte Bibelspruch] ist ein text für geistliche, die ihr heiliges amt durch ein ärgerlich leben Unehren ( D W B ) ; Riederer 1719 Paragramm. A 3" einen solchen Text, der entre deux, darbey er nicht geschimpfft ist, es soll nur par raillerie dienen; Stoppe 1728 Ged. I 209 Die Ehen sind ein Text, worüber jeder Narr Sich seine Glossen macht; Günther 1739 Gedichte 154 Weihnachtstextes; Michaelis 1772 Je Unnatürlicher (Werke 1791 III 160) Das Maul halten! Weiter im Text, wenn ihr könnt!; Hippel 1774 Uber die Ehe 35 ich verlese eigentlich in diesem werkchen nur texte, über die ein jeder, der lust hat, predigen kann ( D W B ) ; Musäus 1781 Physiognom. Reisen I 33 Komm mir nicht zu tief in Text, dass wir Freund' bleiben; Haken 1790 (LD. LXVI 86) dass ich Dir sollte durch Deinen unbändigen Sinn fahren und Dir den Text recht väterlich lesen; Laukhard 1792 Leben I 123 Sie haben mich schön angeführt! aber dafür haben Sie gestern Ihren Text hören müssen!; ebd. II 183 wusste . . . Semler schon alles: er nahm mich vor und las mir den Text nach N o t e n ; Sintenis 1796 Dialogen I 116 zu weit in den Text kommen, oder vielmehr, wir kämen aus dem Evangelium gar in die Epistel, wenn ich allles umständlich beantworten wollte; Seume 1803 Spaz. I 155 nachdem ich ihm so derb und sanft als möglich den text über seinen unvernünftigen frasz gelesen hatte ( H E Y N E ) ; Schiller vor 1805 (VI 318) als der aufgeklärte verfeinerte Wortführer der volksgefühle würde er dem hervorströmenden, spräche suchenden affect der liebe . . . einen reinen und geistreichen text unterlegen ( H E Y N E ) ; Kosegarten 1816 Das Amen d. Steine o. S. Der blinde Greis erhub sich

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alsobald, Wählt' einen Text, erklärt' ihn, wandt' ihn an, Ermahnte, warnte, strafte, tröstete ( T R Ü B N E R ) ; Goethe 1827-42 (W. XII 65) Mich drängts den Grundtext [der Bibel] aufzuschlagen ( K E H R E I N ) ; ebd. XXXI 19 Einer Unzahl italiänischer Opern eilte man deutschen Text unterzulegen ( K E H R E I N ) ; ebd. XLIII 282 D a ß wir von dem Urtext abwichen ( K E H R E I N ) ; ebd. XLVIII 160 Ihre Briefe verfolgten immer mit kräftigeren Ausführungen denselben Text ( K E H R E I N ) ; Immermann 1838—39Münchh. IV 86 er erinnerte sich an den text einiger gardinenpredigten ( H E Y N E ) ; / . Grimm 1851 (Kleinere Sehr. 1152) unter den texten waren ihm [Lachmann] am liebsten die schwersten und die dem critiker die vielseitigsten handhaben darböten (D W B ) ; Müllenhoff 1855Nibelunge Not 8 einer Textrecension, was die Philologen darunter verstehen; Herrigs Archiv 17 (1855) 321 Texteskritik . . . in Shakespeare's Dramen; Kuemberger 1877 Herzenssachen 280 Textausgabe; Frey tag vor 1895 (Ges. W. I 173) solche Veränderungen in den rollen und textbüchern gehen an den theatern von einer generation der schauspieler auf die andere über ( D W B ) ; Woldeck um 1900 Sie 73 Heute erteilte ich Arthur Stubenarrest wegen der gestrigen Ungezogenheiten und ging an den Strand, um seinem Spießgesellen ordentlich den Text zu lesen; Janitschek 1912 Ehen 168 hörte man . . . oft zornig ihrem Mann den Text lesen; Voss. Ztg. 3. 10. 1929 Über näher orientierende, huschende und zuckende Textschlagworte erfolgen später genauere Anweisungen; Lokal-Anz. 23. 1. 1933 daß ihr Piano auch bei diskretestem Orchesterspiel kaum zu hören, geschweige denn ein Textwort zu verstehen ist; ebd. 24. 1. 1933 D e r unbekannte Vertragstext (Uberschr.); Berl. Illustr. Nachtausg. 11. 2. 1933 Der zweite war der bereits erwähnte Textschreiber Friedrich Heller, der auch für die Aufträge zu sorgen hatte; Lokal-Anz. 21. 2. 1933 Textdichterin seiner O p e r „ D e r Corregidor"; Berl. Illustr. Nachtausg. 12. 6. 1933 Deutschstämmige K o m p o nisten . . . sollten ihre Textunterlagen künftig aber nicht von den Fremdstämmigen beziehen; LokalAnz. 12. 9. 1934 Auf dem Tisch in seiner Kabine fand er den Funkspruch. Es war kein Klartext, Zahlengruppen bedeckten das Blatt. Er machte sich daran, den Funkspruch zu dechiffrieren; Berl. Börsenztg. 16. 5. 1935 war ein wirklich witziger Textumdichter leider nicht aus der Erde zu stampfen; 1960 Studium Berolinense 466 TextPhilologen; Süddtsch. Ztg. 30. 7. 1968 Zugunsten der Komponisten, der Textdichter — wie nicht nur die Librettisten von Opern, sondern auch die Verfasser von Schlagertexten genannt wurden; FAZ 20. 11. 1970 Bonner Klartext (Uberschr.); ebd. 6. 9. 1971 wobei sich die vier Mächte in Berlin darauf verständigt hätten, daß die englische Fassung die-

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texten

jenige sei, mit der künftig gearbeitet werden solle. Sie sei also der „Gebrauchstext"; Mannh. Morgen 29. 3. 1978 Eckeners Blätter halten sich nicht nur präzis an einzelne Textstellen, sondern übertragen auch etwas von der spukhaften . . . Atmosphäre des Geschehens; ebd. 30. 3. 1978 Außerdem werden Texthefte mit Bearbeitungen klassischer Stücke für die Spielzeugbühnen gezeigt; Die Zeit 7. 4. 1978 In der Tat wäre die Unterdrückung des vollständigen Textes auf strafrechtlichem Wege einer Zensur und Meinungsmanipulation von Staats wegen gleichgekommen. Das Landgericht Düsseldorf freilich hat sogar den Text selbst freigesprochen; Die Zeit Ii. 9. 1978 Zieht man die Werbung am billigen Preis, der besonderen Duftnote oder der Superwasch kraft auf. Das alles muß zunächst entschieden . . . werden. Erst dann beginnt die eigentliche Ausarbeitung des Textes. textieren: Colerus 1929 Kaußerr er es textiert, der Denunziant.

399f. Schlau hat

Textierung: Colerus 1929 Kaufherr 339f. müssen für die Entlassung Gründe maßgebend gewesen sein, die über das rein geschäftliche weit hinausreichen . . . sie fürchten nach der Textierung, ich hätte gestohlen oder sonst was angestellt . . . Schlau hat er es textiert, der Denunziant; LokalAnz. 18. 8. 1934 Für uns kommt nur der stumme Film in Frage. Wir lehnen die Textierung deswegen ab, damit die Individualität des Unterrichts gewahrt bleibt; 1947 Zwiebelturm 242 Textierung . . . dieser aktuellen Bildberichte. textlich: Riehl 1885 Vorträge 11 147 Man las Kollegien über Goethes Faust und Dantes Göttliche Komödie, nicht um diese Werke . . . litterarhistorisch und textlich-philologisch zu Versen zu entwickeln; Winterstein 21947 Leben I 294 Ich versuchte, die umfangreiche Rolle des Helmer textlich zu erfassen (WDG). Text l b : Althaus/Henne/Wiegand 1973 Lex. d. germ. Linguistik 221 Dieser sog. transphrastische Ansatz betrachtet Texte als Ketten von Sätzen . . . Zum andern wird Text als die natürliche Vorkommensweise von Sprache aufgefaßt: Kommunikation vollzieht sich grundsätzlich in Texten . . . Dieser Textbegriff ist zweifellos noch explizierungsbedürftig (vgl. hierzu Texttheorie) . . . Derartige

sprachimmanente Gesetzmäßigkeiten werden nun auch im Textbereich gesucht und als Kohärenzregeln oder Textbildungsregeln beschrieben; ebd. 233 Der Begriff 'Texttheorie' wird in dfer linguistischen Literatur . . . oft gleichbed. mit dem Begriff 'Textlinguistik' [gebraucht] . . . die Voraussetzungen und Bedingungen konkreter Textproduktion und -rezeption in sprachlichen Kommunikationsprozessen; ebd. 245f. Verstärkte Forschung zu satzübergreifenden Strukturen (Textlinguistik), unter Einbezug referenzsemantischer und pragmatischer Komponenten (Textgrammatik, Textpragmatik, Textsorten usw.); ebd. 575 Innerhalb der Germanistik trifft die Linguistik auf eine Literaturwissenschaft, die . . . sich von einer 'Kunstwissenschaft' in Richtung auf eine allgemeinere 'Textwissenschaft' zu verändern beginnt. textuell: Althaus/Henne/Wiegand 1973 Lex. d. germ. Linguistik 213 ist immer wieder der Versuch gemacht worden, Satzgrammatik-Modelle so zu erweitern, daß mit ihnen textuelle Phänomene adäquat erfaßbar werden. Textualität: Althaus/Henne/Wiegand 1973 Lex. d. germ. Linguistik 213 Die Textualität von Satzmengen manifestiert sich darin, daß die Verkettung der Einzelsätze untereinander nicht beliebig ist (Kohärenzproblem). Textern: Koch 1959 Vom Morphem (Titel).

zum

Textern

Texthaftigkeit: Althaus/Henne/Wiegand 1973 Lex. d. germ. Linguistik 221 daß sich aus dem Satzbegriff keine Kriterien für die Texthaftigkeit sprachlicher Gebilde ableiten lassen. Der kommunikativ orientierte Ansatz dagegen versucht, Texthaftigkeit funktional zu bestimmen. Textologie: Koch 1959 Vom Morphem zum Textern o. S. (Klappentext) Die stark organisierte Strukturierung taditioneller Gebiete der modernen Linguistik (Phonologie, Syntax usw.) läßt das ungleich kompliziertere und faszinierendere Amalgam von Strukturhierarchien innerhalb einer linguistisch verstandenen Textologie erahnen. textologisch: Althaus/Henne/Wiegand 1973 Lex. d. germ. Linguistik 157 Textologischer Aspekt [der Wortbildung].

texten V.(in)trans., in jüngster Zeit aufgekommene Ableitung zu —> Text l a in der Bed. '(einen Text, bes. für die Werbung oder Schlagerbranche) verfassen', daneben vereinzelt die Präfixbildung betexten V.trans, 'etwas beschriften, mit Text

textil

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versehen' (vgl. textieren, —> Text 1 a); da iu die Personalableitung Texter M. (-s; -), auch Texterin F. ( - ; -nen) 'jmd., der (beruflich) Texte für die Werbung oder Unterhaltungsbranche verfaßt' (Schlagei •-, Werbetexter). texten: 1963 Tagesztg. DDR o. S. Tonn spielte eine tragende Rolle in dem von . . . Ule Rixdorfer getexteten „Aufenthalt in Bimmelskirchen" (WDG); Mannh. Morgen 30. 3. 1978 Papa wird deshalb künftig sogar die Schlager seines Sohnes texten dürfen. betexten: Münch. Stadtanz. 18. 4. 1958 halfen mit, die Photos zu datieren und zu betexten. Texter: 1955 Tagesztg. DDR o. S. Wir suchen zur Unterstützung unseres Werbeleiters einen Texter (WDG); FAZ 9. 1. 1960 Versierter Texter für unsere Werbeabteilung gesucht . . . Der Gesuchte muß vor allem ideenreich sein und brillant schreiben können (Anzeige); ebd. 9. 1. 1960 Texter . . . Sprachbeherrschung ist selbstverständlich (Anzeige); ebd. 3. 12. 1960 Texterin die wir in unser Werbeteam aufnehmen möchten . . . interessante, journalistische Tätigkeit im Rahmen von Public Relations (Anzeige); Packard 1961 Verführer (Übers.) 282 Werbetexter; Stuttgarter Ztg. 27. 1. 1962 Werbefachmann, -texter, -leiter, -berater (Anzeige); FAZ 17. 5. 1963 Werbetexter der

lebendig und mit zündender Uberzeugungskraft schreibt (Anzeige); ebd. 19. 10. 1962 Vorsicht! Texter mit Ideen Sprachlich reicht's vom Aggressiven bis zum Humorvollen (Anzeige); ebd. 7. 12. 1967 Internationale Werbeagentur sucht VollblutTexter . . . die alle Medien perfekt beherrschen — also auch Film, Funk und Fernsehen (Anzeige); Stuttgarter Ztg. 21. 2. 1968 Aber schon seit Anfang Januar klagen vor allem die Kölner Karnevalisten über dürftig besetzte Säle und kärgliche Büttenreden. Ein bewährter Texter solcher Späße; Die Zeit 15. 9. 1978 Kein Platz für verträumte Poeten (Uberschr.) Werbetexter: Gebraucht wird neben Kreativität viel Geduld und ein dickes Fell . . . Zunächst umschreibt ein Kontakter — Mittelsmann zwischen dem Agenturkunden und dem Team der Graphiker, Filmleute und Texter — die Aufgabe . . . Die meisten Werbetexter gelangen auf Umwegen in die Agenturen, über ein abgebrochenes Sprachstudium, journalistische Tätigkeit oder ein Studium an einer Werbefachschule; Mannh. Morgen 31. 1. 1979 der populäre Moskauer Schauspieler und Liedertexter.

textil Adj., seit frühem 19. J h . selten, seit früherem 20. J h . häufiger nachgewiesen (vgl. älteres gleichbed. engl, textile, frz. textile), zurückgehend auf lat. textilis 'gewebt, gewirkt' (zu texere, —* Text); in der Bed. 'gewebt, gewirkt; webbar' und 'Arbeitsvorgänge, Erzeugnisse der Textilindustrie betreffend', meist als Bestimmungswort von Zss. wie Textilerzeugnis, -faser, -kaufmann, -wäre; dazu im 20. Jh. das (wohl nach engl, textiles, frz. textiles gebildete) Subst. Textilien PI. als Sammelbezeichnung für alle aus Fasermaterial gewebten, gestrickten, gewirkten Stoffe, Gewebe, Tuche und daraus hergestellte Kleidung, Wäsche (Heimtextilien); in neuester Zeit die sing. Rückbildung Textil N . (-s; ohne PI.) 'Material aus textilem Faserstoff', z. B. im Syntagma aus Textil. textil: Lübke 1821 Alter 2 textilen Erzeugnisse; 1879 Maier-R. II 416 Textilindustrie, das Spinnund Webereifach, auch Näherei und Stickerei (SCHIRMER, Kaufmannssprache); Riegl 1893 Stilfragen 9 den textilen Techniken der Flechterei und Weberei; Tönnies 1912 Gemeinschaft 194 Unter den bildenden Künsten . . . sind die textilen . . . dem weiblichen Sinne . . . angemessen; Johnston 1917 Menschenverst. 103 auf den Gebieten der Landwirtschaft, der Viehzucht, der Fischerei und der Textilindustrie; Arnholds Wochenber. 21. 2. 1931 Am Textilmarkt hat sich die Stimmung in der abgelaufenen Woche gebessert und die Kurse zogen auf der ganzen Linie weiter an; ebd. 28. 3.

1931 Sehr fest lagen wieder Textilaktien, so in erster Linie Stöhr Kammgarn; ebd. 18. 4. 1931 Überhaupt waren Textilwerte besonders schwach, so gingen auch Nordwolle . . . um mehr als 10% zurück; Lokal-Anz. 17. 1. 1933 Als Folge des Abschneidens der Zufuhr von Textilrohstoffen während des Krieges wurden in Deutschland erhebliche Mengen Flachs angebaut; ebd. 28. 1. 1933 ergaben sich auch hier Verschiebungen insofern, als einige Textilfabriken eingingen; ebd. 22. 8. 1934 in die edelste Textilfaser zu verwandeln; ebd. 28. 8. 1934 Auf der Textilmesse ist ein sehr starker Besuch zu verzeichnen gewesen. In einzelnen Abteilungen ist auch bereits ein ganz befriedigendes

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textil

Ergebnis erzielt worden, hier insbesondere für Gardinen, Dekorationsstoffe, Damenkonfektion und Textileinrichtungsgegenstände, wie Teppiche und Bettdecken; ebd. 25. 10. 1934 Der Vizepräsident der amerikanischen Textilarbeiter-Gewerkschaft . . . der im vergangenen Monat den Generalstreik in der Textilindustrie leitete; Dtsch. AZ. 12. 2. 1935 so daß . . . der rohstoffsuchende Spinner mit dem Waren ausführenden Weber, Wirker oder anderen Textilfertigfabrikanten in Verbindung trat; ebd. 27. 8. 1935 Auf wirtschaftlichem Gebiet zeigt sich dies in der Ankündigung der niederländischen Textilerzeuger, Textilfabriken in Java zu errichten; ebd. 4. 9. 1935 Die im Rahmen der Ausstellung „Die Kleidung des Herrn" . . . veranstaltete Lehrschau deutscher Textilstoffe; Arnholds Wochenber. 18. 4. 1936 Besonders hoch sind im übrigen die Renditen . . . bei Textilunternehmungen; TextilZtg. 9. 10. 1936 Die von der Ortsgruppe Augsburg des Reichsbundes des Textil-Einzelhandels zugestandenen Schneiderinnen-Rabatte; Berl. Börsertztg. 15. 3. 1937 Die Textilschau . . . erfreute sich guten Besuches; Münch. N. N. 11. 3. 1938 Anteil der Inlandserzeugung an der deutschen Versorgung mit Textilrohstoffen (Uberschr.); ebd. 17. 2. 1944 daß es zu dieser unabhängigen Stellung der deutschen Textilversorgung gekommen ist; ebd. 8. 3. 1944 Auf diesem Gebiet ist die_Textilnormung bahnbrechend vorangegangen; ebd. 6.17. 5. 1944 durch freiwillige Spenden aus der Textilreserve der deutschen Haushaltungen Millionen ausländischer Arbeiter . . . mit brauchbarer Arbeitskleidung zu versorgen; Dtsch. AZ. 14. 5. 1944 In den Fach- und Wirtschaftszeitungen tauchen immer wieder Nachrichten auf, daß ein „neuer" Spinnstoff für die Textil- und Bekleidungsindustrie nutzbar gemacht werde; Münch. N. N. 3.14. 6. 1944 Anlaß zur Gründung von öffentlichen Textilwarenprüfungsämtern in anderen Textilgebieten Deutschlands; Neue Ztg. 9. 5. 1950 Tagung des Vereins der Textilchemiker und -Coloristen . . . Faserschonende Textilveredelung; Süddtsch. Ztg. 2. 2. 1951 ein weit bekannter textiler Ausrüstungsbetrieb; ebd. 6. 7. 1951 75 Jahre Textilfachschule in Lambrecht (Uberschr.) Die „Staatliche Höhere Fachschule für Textilindustrie" . . . der Tausende deutscher Textilfachleute in Industrie und Handel eine gediegene Ausbildung verdanken; ebd. 10. 5. 1957 Es soll die Besonderheiten der Wollfaser und anderer spinnbarer textiler Haare, ihre Erzeugung, Verarbeitung und Verwendung untersuchen; Offenburger Tagebl. 11. 3. 1959 So zeigt sich besonders bei den textilen

Rohstoffen eine Änderung der bisher nach unten gerichteten Preisentwicklung; FAZ 17. 11. 1962 Die textile Lohn-Masche (Überschr.); Quick 16. 8. 1964 Bei Nennung der „textilfreien Zone" sehe ich sie energisch den Kopf schütteln. „Nackt? Kommt nicht in Frage." . . . Am Nachmittag wird dann auch der letzte Textilrest in die Badetasche verstaut; FAZ 9. 3. 1968 zusammen mit dem Fachhandel den Konsumenten animieren, textilbewußter zu werden; Stuttgarter Ztg. 15. 3. 1968 der . . . am Technikum für Textilindustrie in Reutlingen Textiltechnologie studiert hat; ebd. 6. 3. 1969 daß an den FKK-Stränden der Nordseeinsel eine größere moralische Disziplin herrsche als an den sogenannten Textilstränden; ebd. 2. 6. 1969 Nur ein dilettantischer Wirrwarr berichtet über kesse und sehr selten textilfreie Blondinen von der Reeperbahn; Bad. Ztg. 26. 1. 1970 Sie war nur eine von zahlreichen nahezu textilfreien Damen; FAZ 28. 5. 1971 Aber auch innerhalb des textilen Bereichs ist eine Umorientierung offenkundig erforderlich. Textil: Münch. N. N. 22. 2. 1937 Die Berufsgruppe Textil ließ heuer 200 — im Vorjahr 40 — Wettkämpfer aufmarschieren; 1966 Sibylle o. S. Laufschuhe . . . aus Textil und schwarzem Leder ( W D G ) ; 1971 Kultur im Heim o. S. Materialien wie Plast, Holz und Textil ( W D G ) ; Freundin 3. 8. 1978 Ist doch klar, so ein Bikini, das ist eigentlich nicht mehr als ein Stück Textil zum Ins-WasserSteigen. Textilien: Lokal-Anz. 4. 9. 1934 Besonders auffallend ist dabei die außergewöhnliche Zunahme der Umsätze in Bekleidung und Textilien; Münch. Ztg. 10./II. 10. 1936 Der Name für Textilien (Uberschr.) Bezeichnungsgrundsätze für Spinnstoffe; Münch. N. N. 17. 8. 1941 Fast unbegrenzt aber ist die Verwertung von Alttextilien; Süddtsch. Ztg. 27. 1. 1951 Der Begriff „Textilien" ist im weitesten Sinne zu verstehen und umfaßt unter anderem auch Schirme und Hüte; FAZ 25. 8. 1970 Weiter aufwärts mit Heimtextilien (Uberschr.) Die Entwicklung bei Tufting-Teppichen, bei Möbelstoff-Flachgeweben und in der Gardinenindustrie . . . in allen Bereichen der Heimtextilien-Industrie; ebd. 25. 8. 1971 Heimtextilien - Bettwaren Baumwollwaren; ebd. 15. 1. 1972 Das gute Geschäft mit Heimtextilien aller Art scheint anzuhalten. Diesen Eindruck vermitteln jedenfalls die ersten drei Tage der Internationalen HeimtextilienMesse in Frankfurt.

Textur

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Textur F. (-; -en), im späteren 16. Jh. vereinzelt, seit späterem 18. Jh. kontinuierlich nachgewiesene Entlehnung aus lat. textura 'Gewebe, Gefüge, Zusammenfügung, Verbindung' (zu texere, —» Text); 1 zunächst, auch in der lat. Form, als Bezeichnung für die klassische Form der gotischen Schrift. 2 a Seit spätem 17. Jh. in verschiedenen naturwissenschaftlichen Bereichen, vor allem Geologie und Anatomie, für 'Gewebe, (faseriges) Gefüge, Faserung; (Art der) räumliche(n) Anordnung, gesetzmäßige(n) Verteilung, Verbindung, Zusammensetzung'; dazu in neuester Zeit die überwiegend in der Part.Perf.-Form texturiert adj. verwendete verbale Ableitung texturieren V.trans. in der Bed. 'synthetisches Gewebe, Chemiefaser in Aussehen, Eigenschaften (Volumen, Elastizität, Wärmehaltungsvermögen, Saugfähigkeit o. ä.) an Naturfaser angleichen' mit dem dazugehörigen Verbalsubst. Texturierung F. (-; -en) und der seltenen Personalableitung Texturierer M. (-s; -). b Seit Mitte 19. Jh. übertragen und bildlich verwendet, vor allem im literaturwissenschaftlichen Bereich für '(Inhalts-, Handlungs-)Gefüge, Gerüst, Aufbau; Anlage, Plan, Struktur eines sprachlichen Kunstwerks', auch auf gesellschaftliche und kulturelle Phänomene bezogen. Textur 1: Rot 1571 Dictionarius 356 Textur, Ein gemeine GSchrifft, nicht zu groß oder klein / damit man die Text vnter die noten schreybet; AfdA 55 (1936) 75 Im 14. Jh. mehren sich die deutschsprachlichen Zeugen: zunächst für die 'Textura' und weiterhin für die 'Bastarde' (Mischung von Kursiv- und Buchschrift). Textur 2 a: Lebenwaldt 1681 Teufels List VI 55 die Seidenwürmlein-Textur; Schiller 1769 Ökonom. Beyträge I 436 Stein-Kohlen von solch fester Textur gefunden; ebd. I 503 Es ist wahr, diese Bodenstücke sind hart zu verarbeiten, sie haben eine feste durch einander liegende Textur und sind noch überdies mit vielem Harz gleichsam zusammen geleimt; Saussure 1787 Reisen durch die Alpen (Übers.) III 83 dichte Steinbinke, z. B. von Kalkstein, in denen man nicht die geringste Spur von blatterichter Textur merken kann; Forster 1791 Ansichten (IX 14) Verschiedenheiten der Textur an den sogenannten Bimssteinen; Mutius 1813 Br. 208 Wundere Dich nicht über die grobe Textur dieses Briefes, er ist opus rusticum, gut zu Kauf- und Scheidebriefen und sieht überhaupt einem Schweinsleder ähnlicher als einem Briefbogen an eine Dame; Bichat 1823 Anatomie (Ubers.) III 16 Eintheilungen . . . der Gewebe . . . 1) eine zellulöse oder membranöse; 2) eine muskulöse oder fibröse und 3) eine nervöse Textur; ebd. 21 die . . . zwei grossen Eintheilungen . . . die Veränderungen der Form, und der Textur; Leonhard 1823 Felsarten I 8 Eine sorgsame Untersuchung von ungleichartigen Gesteinen . . . verlangt vergleichende Auffassung aller Unterschiede in Textur und Bruch, in Glanz, Farbe, Härte; Goethe 1827— 42 (W. LI 48) Die erste ist ein Gneis, dessen fasrige

Textur durch deutliche fleischfarbene Feldspathkrystalle hervorgebracht wird ( K E H R E I N ) ; Hundeshagen 1842 Forstwiss. 1 393 Textur des Holzes; Cotta 1842 Geognosie 34 Textur der Gesteine; ebd. 292 porphyrartige Textur [des Basalts]; Moltke 1845-46 Wanderbuch (Rom) 44 Es gibt einen Tuff von loser, bröckliger Textur, welcher den Ubergang zum Peperin bildet; Berlepsch 1875 Schweizerkunde 249 Textur [des Kalks]. texturieren: Stuttgarter Ztg. 18. 12. 1969 erheblich günstigere Erlöse zu erzielen als die mehr oder weniger anonymen Texturierwerke. Texturierer: FAX 14. 10. 1970 Auf Grund der Verteuerung der Faserstoffe werden die Texturierer ihre Zuschläge für farbige Polyamid- und Polyestergarne erhöhen müssen. texturiert: FAZ 9. 10. 1965 daß erhebliche Fortschritte nicht nur bei elastischen Geweben durch elastische Garne (Helanca) in Kette und Schuß und mit texturierten Garnen sowie mit elastomeren Fäden erzielt würden; Stuttgarter Ztg. 30. 10. 1966 Mischzwirne aus texturiertem und gesponnenen synthetischen und Naturgarnen; ebd. 30. 10. 1968 eine gemeinsame Firma zur Herstellung texturierter Garne gegründet; ebd. 18. 12. 1969 Wachstumsraten von 30 und 40 v. H. für texturierte (elastische) Garne; FAZ 14. 10. 1970 Texturierte Farbgarne werden teurer. Texturierung: FAZ 9. 3. 1968 Bin Textilfachmann . . . z. Zt. a. Sektor Texturierung tätig (Anzeige); Stuttgarter Ztg. 18. 12. 1969 Die Texturierung ermäßigt ihre Wachstumsraten (Uber-

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Theater

sehr.) beurteilt er die Mengenentwicklung für die Texturierung auch für die Zukunft nicht ungünstig.

Textur 2 b : Hettner 1848 (Sehr. 274) aus der poetischen Textur zieht er roh die rohen Fäden, den schönheitsvollen, gesunden Körperteil macht er zum anatomischen Präparat; Stahr 1848 Italien II 174 in der freien Textur des Kunstwerks; Burckhardt 1867 Br. IV 257 Textur der Tragödie; Grimm 1870 Essays I 21 die [aus dem 17. Jahrhundert stammende] Textur der bürgerlichen Ordnung [war im 18. Jahrhundert in Frankreich] immer noch so fest und haltbar; Gervinus vor 1871 (V 726) ein stück [A. W. Schlegels Ion] von feiner textur (DWB); Hehn 1893 Goethes H. u. D. 6 ein

wahrhaftes Kunstwerk [das] immer halb unbewusst von dem künstlerischen Genius geschaffen ist, gleichsam eine Unendlichkeit von Absichten in sich birgt . . . ein so besseltes und ganz individuelles Gebilde treffend zu charakterisieren, gleichsam die Fächer seiner Textur aufzuwinden; Kraus 1895-99 Br. 202 dass ein Politiker von der Nachwelt das ganze Netz seiner politischen Tätigkeit ausbreitete, ohne dass ihm der Gedanke kommt, man könne an der Moralität einzelner Stücke aus diesem Gewebe oder auch gar an der ganzen Textur etwas auszusetzen haben; Baumgarten 1929 Lebensgesch. 342 Textur der neuen Mehrheit; Giemen 1941 Lob 14 Solch „handfeste Textur" möchte sich . . . mancher Grosstadtmensch von heute als schützende Mitgift wünschen.

Theater N. (-s; -), im früheren 16. J h . entlehnt aus lat. theatrum 'Schauplatz (bes. für dramatische Darstellungen), Schauspielhaus; Zuschauer, Versammlung; Schauspiel' ( < gleichbed. griech. öeaiQOV, zu öea'das (An-)Schauen, Schau(-spiel)', ö e ä o ö a i 'sehen, schauen, betrachten'), anfangs in der lat. (flekt.), erst seit Mitte 17. J h . in der heutigen Form; a zunächst in der Bed. '(Schau-)Bühne, Szene für Darstellungen, Vorführungen aller Art', von daher weiterentwickelt zu 'Gebäude für die (regelmäßige) Aufführung von Schauspielen, Opern, Operetten u. ä.; (Schau-)Spiel-, Opernhaus', im Zusammenhang mit der Metapher des Lebens oder der Natur als Theaterbühne häufig bildlich verwendet im Sinne von 'Schauplatz (eines Geschehens), Kulisse, Prospekt'; auch für 'künstlerisches Unternehmen, ständige (staatlich geförderte oder private) Einrichtung, die Schauspiele, Opern o. ä. zur Aufführung bringt' und 'Gesamtheit der am Theater beschäftigten Personen', auch kurz für 'Theateraufführung, -Vorstellung, -spiel' und schließlich als Kollektivbezeichnung für 'Schauspiel-, Bühnenkunst; Theaterwesen; Gesamtheit der aufgeführten Theaterstücke, Aufführungspraxis; darstellende Kunst (eines Volkes, einer Epoche) in der Gesamtheit ihrer Erscheinungsformen'; zuweilen im Zusammenhang mit Künstlichkeit, Schein, Pomp auf der einen und mit Unsolidität, Zügellosigkeit, Frivolität auf der anderen Seite negativ konnotiert. Häufig in Syntagmen und Wendungen, bes. im Zeitalter des Barock in den lat. Syntagmen theatrum anatomicum 'Bühne, auf der öffentlich Leichen seziert wurden'; theatrum mundi 'Schauplatz für Weltgeschehen; Welttheater', auch als historische Bezeichnung für ein mechanisches Theater, in dem die Figuren auf Laufschienen über die Bühne bewegt wurden, für Nachbildungen ganzer bevölkerter Landschaften und Städte (Welt im kleinen) und zur Bezeichnung umfangreicher Chroniken im 17. und 18. J h . ; in Wendungen wie ins Theater gehen 'als Zuschauer der Aufführung eines Theaterstücks beiwohnen', zum Theater gehen 'Schauspieler werden', Theater spielen '(berufsmäßig) in Theaterstücken mitwirken', auch bildlich für 'so tun als ob, heucheln, vortäuschen, simulieren; sich in Szene setzen' (vgl. b). Uberaus häufig als Grund- und Bestimmungswort von Zss. wie Amphi-, Film-, Kasperle-, National-, Provinz-, Volkstheater; Theaterdirektor, -donner, -geschichte, -kasse, -kritik, -probe, -stück, -Wissenschaft; theaterbegeistert und in

Theater

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aus gleichbed. frz. coup de théâtre lehnübersetztem Theatercoup 'unerwartete, überraschende Wendung, die sich nicht zwangsläufig aus dem Handlungsablauf ergibt', auch bildlich verwendet, vor allem im politischen Bereich, für 'Eklat, Skandal' (vgl. b). Dazu die im 19. J h . gebuchten adj. Ableitungen theaterhaft, theaterisch 'zum Theater gehörig; bühnenhaft' und die vereinzelt nachgewiesene verbale Gelegenheitsableitung theatrisieren 'Theater spielen', b Seit Anfang 20. J h . ugs. verwendet in der übertragenen Bed. 'Aufhebens, Unruhe, Aufregung, Wirbel; Geschrei, Lärm, Gezeter; Getue, Ziererei; Effekthascherei' (vgl. —> Spektakel 2 , —> Tamtam 2 b , —» Zirkus), vor allem in Wendungen wie Theater machen und in der Zs. Affentheater; dazu im früheren 20. J h . die Gelegenheitsableitung Theaterei 'Ziererei; Effekthascherei' (vgl. —» Theatralik). Theater a: Hedio 1531 Josephus Vorr. IXh Theatrum was ein schawplatz gestaltet wie ein halber zirckel, Amphitheatrum aber da man überal hinzu sehen mocht; Rivius 1548 Vitruv. 4h Gebewen oder Theatris; ebd. 29lh in einem Theatro; 1569 Amadis (LV LX 6) (gleich in einem offnen Schauwspiel vnd Theatro der gantzen weit) dess glücks wanckelbar Veränderung; Ernstinger 1579—1610 Raisbuch 169 arenes oder theatrum; Spangenberg 1605 Hecuba (CCXI 165) allhier im Theatro Academico . . . agirt; ebd. 270 Diss wölln wir itzt agiren fein, Doch bitt Ich Euch all in gemein, Sonderlich den Gemeinen Hauffen: Ihr wolt nicht auffs Theatrum lauffen. Sondern fein still und Sittsam seyn, So werd Ihrs sehn und hören fein; ders. 1606 Saul (Vorr. 129) [Straßburger Aufführungen] auff die ban vnd dazu geordneten Theatrum oder Schawplatz . . . vorzubringen; ders. 1607 Ganss König (Vorr. 4) wann ich in diesem herrlichen weitem Theatro der Welt, alle Creaturen, vnd derselben art vnd eigenschafft nach meinem wiewol geringen Discurs betrachte vnd erwege; 1609 Aviso Nr. 41 A T ein Theatrum . . . vngefehr 3. Viertel einer Elln hoch auffgebawet, darauff ein vberaus schönes Többich . . . vnd ein Sammete . . . Küssen gelegt, allda sie nach jhrer Art sitzen vnd essen sollen; Grasser 1610 Schatzkammer I 588 für ein recht Theatrum vnd Schawhauss der wunderbaren wercken Gottes zu halten; F. Platter 1612 (Ausg. Boos) 255 theatrum zur anatomy; Albertinus 1615 Gusman v. Alfarche 457 theatro oder Binen; Wallhausen 1617 Corpus militare 65 Der Krieg ist . . . Theatrum vn Schawplatz der Ehren; 1619 Von der Bonorum Cession 43 Bey den alten Römern war ein Ordnung, dass sie jenigen, die nit mutwillig oder vorsetzlich, sondern durch Unglücksfälle bonis zu cediren gezwungen worden, einen sonderlichen Ort im Theatro oder Spielhauss den Spielen zuzusehen, jnnhaben solten . . . damit sie dennoch nicht aller Ehren entsetzt waren; Neumayr v. Ramssla 1620 Reise i. Frankr. 187 gegen über auff der andern Seiten des Wassers seynd auch viel Häuser, wie auch etliche Theatra, da man die

Hunde mit den Ochsen vnd Beeren kempffen lest; Zeiller 1628 Theatrum Tragicum, Das ist: Newe Wahrhafftige, traurig, kläglich vnnd wunderliche Geschichten, die wegen Zauberey, Diebstal vnnd Rauberey . . . sich . . . zugetragen haben (Titel); Furttenbach 1649 Schul-Gebäw 15 ein kleines . . . Theatrum oder Seena di comedia vffgericht; Lauremberg 1652 Scherzged. 17 dem Theater disser Welt; 1663 (Mangold, Notizen 5) Die drei Grazien, sehr wohl pariret, wurden aus den Wolken auf das Theatrum gelassen; Fr. W. 1667 Polit. Test. 51 vndt gedencken, Das feuer seie noch ferne von Eweren grensen: Ewere Lande Das theaterum sein wurden, Darauff man die trogedi spillen | wolle]; Hartmann 1678 Anatomie 150 so müssen entweder frembde herumvagierende Streuner . . . sich als Comoedianten gebrauchen lassen, die selbe auf öffentlichem theatro darzustellen; Abr.a S. Clara 1689 Judas II 142 worauff gleich ein wackerer Kerl . . . auff das Theatrum oder Bühn hinauffgestigen; 1710 (Friedrich I. Br. 207) daß ich im Schloß ein theater laße bauen; Schudt 1714 Merkwürdigkeiten I 128 Spanien ist das rechte Trauer-Theatrum . . . viel blutige Tragödien mit denen arme Juden aufs grausamste gespielet worden; Amaranthes 1715 Frauenzimmer-Lex. 1359 Opern-Buch . . . so auf dem Theatro praesentiret und abgesungen wird; Mencke 1716 Charlatanerie 8 Anm. die meisten Menschen spielen auf dem grossen Theater der Welt bald eine listige, bald lächerliche, bald traurige Comödie; ebd. 239 dass die ganze Welt ein beständiges Possen-Spiel . . . ein immerwährendes CharlatansTheatrum abgebe; 1718 (Kirchner, Grundlagen II 161) Das Spanische Italiänische Krieges-Theatrum; Haller 1723 - 27 Tagebücher 58 Das Theatrum anatomicum soll sehnswürdig seyn/kont'es aber nicht sehn; Marperger 1726 Anleitung 29 wann zumahl ihre Principales auff dem grossen WeltTheater ihre Personen in Kriegs- und Friedens-Geschäfften mercklich mit agiren; Belemnon 1728 Bauern-Lex. Vorr. T Es ist zwar das jetzige Theatrum mundi mit so vielen gelahrten, critischen,

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Theater

curiosen . . . Schrifften . . . angefüllet; Stoppe 1729 Ged. II 120 ohne Scham und Scheu Das Fleisch-Theatrum offen lassen; Göcking 1734 Saltzburg. Emigrations-Gesch. I 281 Da baueten sie eine Bühne auf, welches ein ordentliches Theatrum eines Marckschreyers war, oben und an Seiten waren die Bretter an manchen Orten mit schönem Tuch oder grünen Reisern ausgezieret; Barth 1734 Tagebuch 177 Weil diese Karte, das theatrum belli genannt, zu Ersehung aller der bei dieser Campagne passirten Orte erst ganz neu aufgelegt und mithin nach München vielleicht noch nicht gebracht worden ist; J. E. Schlegel vor 1749 Ästhet, u. dramaturg. Sehr. CCI 35 das theater würde seine natur verändern und nicht mehr unter die ergetzlichkeiten gehören, wenn man nicht mehr festsetzte, dasz der hauptzweck desselben in demjenigen vergnügen beruht, welches die nachahmung der menschlichen handlungen erwecket (DWB); Zincke 1751/52 Cameralisten-Bibl. 1046 Solte uns nicht auch ein Theatrum Instrumentorum aller Künste und Handwerker vortreflich nützen?; Edelmann 1752 Selbstbiographie 62 so verschaften die angenehmen Landschaften, die zu beiden Seiten des Ufers erschienen . . . alle Augenblicke ein neu Theatrum an Städten, Dörfern, Klöstern; 1767 Zachariä IV 80 Bis laubichte krümmen dich zu der wilden natur einsamen theater geleitet (DWB); Musäus 1781 Physiognom. Reisen 1154 Staatstheatrum; Moser 1784 Patriot. Archiv I 489 Theater ist die Erziehungsschule deutscher Nation. Lustspiele erweichen die Sitten . . . Tragische Ungeheuer machen Jünglinge zu rasenden und zu grossmüthigen Räubern; Moritz 1785-90 A. Reiser 171, 27 obgleich das theater nur ein schlechtes zimmer mit weiszen wänden, und das parterre eine kammer war, die daran stiesz (DWB); ebd. 408, 14 sein hang zum theater (DWB); Bartels 1787 Br. I 49 wo ein Kind, kaum geboren, schon zum männlichen Verstände reift, aber auch desto eher wieder vom Theater der handelnden Menschheit abtreten muss; Knigge um 1790 Umgang 305 enthalte Dich aller . . . prunkvollen Declamationen und TheaterScenen! Solche Pedantereyen und Förmlichkeiten; ebd. 387 Was für Menschen sind gewöhnlich diese Theater-Helden und Heldinnen? Leute ohne Sitten, ohne Erziehung, ohne Grundsätze, ohne Kenntnisse; Abenteurer . . . freche Buhlerinnen; Iffland vor 1814 theatr. Lauflrahn IX 1 der eingang zum theater war gedrängt mit menschen angefüllt (DWB); Hegel 1822 oriental. Welt 270 Das dritte Theater der Geschichte sind die Stromebenen des Oxus; Goethe 1827-42 (W. XVII 112) Daß auch Personen, die von diesem Theater abgetreten sind, wohl gern darauf wieder eine Rolle spielen mögen ( K E H R E I N ) ; Raimund 1834 Verschwender (II 351) der . . . den Theaterprin-

zessinnen die Cour macht; 1845 Neue Europa II 364 Das Projekt eines Berliner Volkstheaters, welches bei der Gründung der Königstädter Bühne vorlag; ebd. 1846 (I 312) die Schauspieler des Steinstraßentheaters, die im Sommer ihre Kunst nicht übten, für sein Tivoli zu werben und ein Tages- oder Gartentheater zu errichten; Niendorf 1854 Paris 28 Ein Theater- und Gesellschaftssaal, so glänzend und bunt zumal dadurch, dass jedes Rez de Chaussée eine Schaustellung bietet, Laden an Laden, Scheiben bis zur Erde; 1852 Prutz' Museum II 254 Die Boerne'sche Form der Theaterkritik wurde besonders von der jungdeutschen Richtung weiter ausgebildet, welche in ihr alle ihre reformatorischen Capricen und den ganzen Gehalt ihrer Weltanschauung ausbreitete; ebd. 1855 (I 354) Wie V. Hugo . . .seine Theaterblitze schleudert; 1863 Bilder a. Paris 1309 Jede erste Vorstellung in der großen Oper ist für das Pariser Theaterpublikum eine hochwichtige Angelegenheit; ebd. 11 73 also einfache Theaterdecoration, aber sehr schön; ebd. II 151 die Pariser sind einmal mit ihrem Geschmack bei allen kirchlichen Feierlichkeiten noch nicht über die Theaterdecoration hinausgekommen; Falke 1866 Gesch. d. mod. Geschmacks 157 Sie [Gestalten der Bibel und Mythologie im Barock] sollen offenbar die grosse . . . Haltung der Gestalten Rafaels . . . nachahmen, darüber aber verfallen sie der Theatermanier und sind dramatis personae, Rollen des Schauspiels; Dingelstedt 1868 Amazone (VI 56) Dass sie „vom Theater" ist; Noë 1869 Brennerbuch 83 das fruchtbare Thal Habach . . . dessen Eiswände wie eine lange Reihe von Theatercoulissen sich hier dem Blick eröffnen; 1874 Grenzboten IV 156 Die abendliche Beleuchtung dieses prächtigen Wasserfalls . . . ein Schauspiel von überwältigender Wirkung. Jene Leute, die überall kritisieren müssen, sind natürlich mit dem Anathem „Theatereffekt" zur Hand. Jawohl, es ist ein Theatereffekt, aber einer, den zu sehen der Mühe werth ist; Gutzkow 1875 Säkularbilder (VIII 21) Die Theatermanie früherer Zeiten, die Goethe so plauderselig beschrieben hat, findet man nicht mehr so viel bei den Kindern; Lindau 1877 Br. 121 dass das kunstlose Zusammenballen von allen möglichen . . .Ereignissen noch keine Handlung und dass die plumpe Anhäufung von groben Theatercoups noch keine Wirkung ist; Stieler 1886 Krieg 70/71 197 Wenn wir in alten Büchern blättern, dann erzählen sie uns bisweilen vom 'Kriegstheater'. Wahrhaftig, das Wort ist wahr; denn der Krieg ist das älteste und grösste Schauspiel, das die Menschheit ersonnen — er ist das Trauerspiel der Weltgeschichte; Freytag 1886—88 Ges. W. XIV 309 der deutsche Zuhörer verträgt im geschlossenen theater nur schwer eine darstellung,

Theater welche drei stunden überdauert (DWB); Reichenbach 1891 Ehre I 137 Glaubst Du, dass ich eine Theaterszene mit den Forstersleuten aufführen will? . . . alle romantischen Szenen sind mir zuwider; Luise v. Kobell 1894 Erinn. II 53 Dingelstedt war . . . das Opfer einer halb Palast-, halb Theater-Intrigue geworden; Liliencron 1896 Poggfred (XI 35) Im Zirkus, Flohtheater; 1902 (Mitr. Ztg. Jan. 1932) Auf dem Theaterzettel finden wir bereits Bekannte aus unseren Tagen; Tovote 1903 Letzte Schritt 55 spielt mir im Leben zu viel Theater; Hesselmeyer 1906 Hannibals Alpenübergang 6 in diesem strategischen Alpenübergang Napoleons lediglich den großartigen Theatercoup eines politisierenden Generals zu erblicken; Stümcke 1911 Theaterausstellung 1 Gründung der Gesellschaft für Theatergeschichte; 1924 Festschr. Kippenberg 44 Der Verleger gleicht auch von fern dem Theaterdirektor, der seine Ideen vom Theater nur ausdrücken kann mit Hilfe der Dichter, Schauspieler, Regisseure und Theatermaler; Harden 1927 Versailles 248 dann verrollt der Theaterdonner in die Soffitten und alles kehrt wieder zur alten Ordnung; 1928 Querschnitt 342 kann sich mit den Logenschließern unterhalten, Kaffee kochen, Strümpfe stricken, den neuesten Theaterklatsch erörtern; Friedell 1928 Kulturgesch. II 293 Wiener Hof- und Nationaltheater nächst der „Burg"; Voss. Ztg. 17. 1. 1930 Das amüsante Milieu, theatergerecht verarbeitet; ebd. 8. 2. 1930 Verse von Goethe und Heine wirklich zu lesen und zu lieben und mir aus den allermodernsten Theaterinszenierungen nichts zu machen; Wegweiser 1931 Nr. 38 Die übrigen Spielhäuser, heute Theater genannt . . . es wäre jammerschade, wenn das Stück Kultur, das wir Theater nennen, uns verlorenginge; Lokal-Anz. 4. 2. 1933 Hanns Johst Staatstheaterintendant? (Überschr.); Berl. Illustr. Nachtausg. 24. 5. 1933 Wien hat für das Berliner Theaterleben eine neue Bedeutung gewonnen; ebd. 8. 5. 1933 Reichszentrale für das deutsche Theaterwesen; ebd. 21. 6. 1933 Die Theaterspielzeit ist zu Ende . . . Daneben werden eigene Wandertheaterensembles geschaffen; ebd. 10. 8. 1933 Ein Kampfbericht von der allabendlichen Schlacht an den Theatergarderoben; Voss. Ztg. 5. 11. 1933 Denn der Autor und sein zeichnender Bruder schildern ja nicht, wie ein Theaterstück, sondern wie eine Theateraufführung entsteht; Lokal-Anz. 17. 11. 1934 Wie aus einer Theaterloge sah er die ganzen feindlichen Batteriestellungen; Berger 1935 Schaubühne I 21 der Glaube an die geistige Würde des Theaters, der gerade in Zeiten sinkenden Geschmacks, sittlichen Verfalls oder nationaler Zersetzung immer wieder seine erhebende und gemeinschaftsbildende Kraft bewähren sollte; Dtsch. AZ. 4. 1. 1935 Stärker als im vergangenen Jahr

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sind die Festtage am Jahresende 1934 im Berliner Theaterspielplan in Erscheinung getreten; 12 Uhr Blatt 22. 1. 1935 die Liebe zur Theaterkunst, das Theaterblut rollt in ihren Adern; Dresdner Anz. 9. 9. 1936 Diese Form [der Opera buffa] bedingt im Grunde nichts als Spiel, heiterstes „Theater"; 1937 Die Literatur 565 Voraussetzungen, Methode und Lehrgang der Theaterwissenschaft; Wittek 1937 Bewährung 120 Er hatte sie alle angeführt, hatte ihnen Theater vorgespielt, ein grossartiges, gutgespieltes Theater; Münch. N. N. 30. 1. 1941 einer theaterwirksamen, abrundenden Bearbeitung unterzogen; Petzet 1944 Falckenberg 171 eine grosse Gesellschaft von theaterinteressierten Leuten; Süddtsch. Ztg. 9. 9. 1948 Experimentierendes Tanztheater (Uberschr.); Rehm 1951 Götterstille 17 dem grossen Menschen, dem Monarchen, der selbst auf dem „Theatrum Europaeum" agiert; ebd. 67 Die Welt der wichtigen hohen Staatsaktionen, der potentatisch bestimmten und erfüllten Geschichte, das Theatrum politicum als Theatrum mortis war im Barockjahrhundert zum erstenmal überhart ausgeprägt worden; Süddtsch. Ztg. 17. 2. 1951 Von der großen Oper in Odessa zum Stadttheater in Ingolstadt . . . Theaterleute sind dergleichen Sprünge gewohnt; ebd. 19. 9. 1951 eine reich gegliederte Belebung malerischer Impressionen im Sinne des Bildungstheaters; Bonn 1953 Gesch. 36 Die Hauptbildungsstätte war das Theater . . .Man ging nicht. . . aus blossem Vergnügen ins Theater; man wollte sich vielmehr bilden; Süddtsch. Ztg. 21. 7. 1953 „Theatrum Europaeum" oder auch „Großes Welttheater" nannten sich die Chroniken der Barockzeit; 1956 Hochland 368 Das Wiedererstehen des barocken theatrum mundi — des blendendsten Theaters, das die Welt je sah — aus Hofmannsthals und Claudels Geist; Süddtsch. Ztg. 27. 9. 1957 [München] baut ein Theater, das vornehmlich zu Ansichts- statt zu Spielzwecken dient; Alewyn 1959 Welttheater 66 Das Theater im Theater ist eine Schöpfung des Barock; Neues Österreich 31. 1. 1959 Rainiers Theater-Coup erregt den Unwillen der Monegassen (Uberschr.); Stuttgarter Ztg. 3. 3. 1959 Nationaltheater, dessen Besucherschaft . . . bei der Theatergemeinde . . . zu 36 Prozent von außerhalb komme; Offenburger Tagebl. 3. 3. 1959 der Theaterdonner der Wahlreden; Münch. Stadtanz. 26. 6. 1959 das Theatrum mundi, das kleine Welttheater, auf dem im 19. Jahrhundert aktuelle Ereignisse dargestellt wurden; ebd. 5. 2. 1960 Die Theaterkassenschlange (Uberschr.); Stuttgarter Ztg. 4. 1. 1962 Hoch- und Tiefpunkte der New Yorker Theatersaison; Süddtsch. Ztg. 20. 10. 1962 [während] den Proben zu dem Stück „Der Hund des Generals" können die Theaterfans einmal einen ausgiebigen Blick hinter

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Theatralik

die Kulissen tun; Offenburger Tagebl. 24. 10. 1963 75 Jahre Burgtheater am Ring (Uberschr.) Laudatio und neues Welttheater; FAZ 26. 8. 1964 in der Redaktion der Zeitschrift „Theater heute"; Offenburger Tagebl. 9. 6. 1965 ob es wirklich in der deutschsprachigen Theaterlandschaft im letzten Jahr keine besseren Inszenierungen gab; Stuttgarter Ztg. 30. 9. 1965 herzhaft triviale Verfolgungs- und Verwechslungsposse . . . durch ihre Massierung von Theatercoups, durch die schamlose Ausbeutung komischer Situationen geradezu klassisch; FAZ 9. 10. 1965 Zentralverband Deutscher Filmtheater; Fischer 1966 Kunst 8 In West und Ost ist es Mode, die ganze Dichtung Samuel Becketts als „absurdes Theater" zu katalogisieren; Görlitz 1967 Gesch. Generalstab 112 dass er sich selbst gern Theater vorspielte; Süddtsch. Ztg. 11. 11. 1968 Boxring wird zum Schmierentheater (Uberschr.); 1969 Durch die schöne Welt Julih. o. S. [das] „Schwarze Theater", in dem nicht Menschen, sondern Requisiten Stücke zu spielen scheinen, wie die Pantomimen aus dem 'Theater am Geländer' [in Prag]; Stuttgarter Ztg. 19. 2. 1969 Fünf Bühnen werden im April dieses Jahres während der sechsten Welttheater-Saison in London gastieren; Offenburger Tagebl. 30. 5. 1969 mit dem gegenwärtig vom Karlsruher „Kammertheater" gezeigten Vierpersonenstück „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?"; Süddtsch. Ztg. 3. 1. 1970 Das repräsentative Theaterspielen . . . obliegt den drei subventionierten Bühnen (Repertoiretheatern in unserem Sinne) mit großen ständigen Ensembles; Bad. Ztg. 3. 1. 1970 Rohrenlose Wandbildschirme — Kein „Guckkastentheater" mehr (Uberschr.); FAZ 5. 1. 1970 Jahreshauptversammlung des Berufsverbandes „Deutsche Puppentheater"; ebd. 13. 1. 1971 Wird das „Theater des Westens" in Berlin nach Ablauf des Pachtvertrages . . . eine Dreierdirektion erhalten ?.; Offenburger Tagebl. 17. 1. 1972 Münchner Volkstheater soll einem Kino Platz machen (Uberschr.).

theaterisch: Voss 1821 Arist., Die Wespen 1290 den theaterischen schrecklich wie gescheiten mann (DWB).

theatrisieren: 1816 Briefw. G-Z. II 251 Wir hatten aber damals so viel Lust zu leben und zu theatrisieren, daß mich im Winter ein Teil der Gesellschaft in Jena besuchte, um unsere Übungen fortzusetzen. Theater b: Hilty 1906 Neue Briefe 72 Es ist in den menschlichen Dingen ungemein viel blosses „Theater"; Busse 1926 Opfer 151 Er wollte sie heute gewinnen, wusste nur nicht, wie er es eindrucksvoll sagen solte, schämte sich ein wenig seines Theaters, das ihm plötzlich unwürdig schien. Das sollte er doch nicht nötig haben nach 15jähriger Ehe, bei seinem Weib um eine Liebesnacht betteln zu müssen; Dtsch. Rundschau 224 (1930) 171 Er sieht nach der Uhr, überlegt ein bißchen, dann wird er sachlich, diktiert kurz und ohne alles Theater die Aufträge für den Jungen; Voss. Ztg. 2. 1. 1932 Theater um Nurmi (Uberschr.); Lokal-Anz. 27. 12. 1934 Des Volkes, das es von je nie schätzte, wenn man „Theater" macht; Mummert 1936 hoffen 78 Sie machen ja Theater; Süddtsch. Ztg. 29./30. 7. 1950 Es ist wirklich ein Affentheater, daß jedesmal erst nach Beginn der Festspiele die Beteiligten aufwachen und merken, wie kindisch die Zustände zwischen Deutschland und Oesterreich sind; Südostdtsch. Kurier (Bad Reichenhall) 10. 8. 1951 Heute war dasselbe Theater wiederum am Schalter 4 zu erleben, wo von einem Beauftragten der Deutschen Bundesbahn . . . verschiedene Einzahlungen . . . durchgeführt wurden; Welk 1957 Hoher Befehl 94 das Ganze hier ist Theater, Herr Konsul, und heute ist es sogar Affentheater; Hammel 1969 Treibel II Machen Sie kein Theater, gnädiges Fräulein. Ich mache ja auch keins (WDG); Offenburger Tagebl. 7. 7. 1971 Die jüngste Sitzung der Konzertierten Aktion in Bonn war nach Ansicht . . . des . . . Franz Josef Strauss nichts weiter als ein „Theater der großen Worte".

Theaterei: Stein 1929 Schmied Roms 57 Manchmal ist Mussolini, der so gut jede „Rolle" zu spielen versteht, völlig frei von Theaterei.

Theatralik F. (-; ohne PI.), seit Anfang 20. Jh. nachgewiesene subst. Ableitung zu —» theatralisch in der Bed. 'Bühnenwirksamkeit; Pathos; Größe, Würde', meist aber pejorativ für 'äußerliche Wirkung, Pomp, falsches Pathos, Schwulst, Gespreiztheit; Effekthascherei; übertrieben schauspielerhaftes, unnatürliches Wesen, Gebaren' (vgl. —»Theater b); dazu gleichzeitig die Personalableitung Theatraliker M. (-s; -), veraltend für 'jmd., der Bühnenwerke schafft, Dramatiker', selten auch 'Mensch mit gespreizter Wesensart, unnatürlichem Gebaren, Gehabe'.

theatralisch Theatralik: Premi. Jahrbücher 112 (1903) 163 führe . . . meistentheils zu äusserlicher Theatralik und brutalen Effekthascherei; 1910-11 Literar. Echo 212 einen Vorgang von zustimmender altmodisch-konventioneller Theatralik; Wohlmuth 1918 Schauspielerlehen 162 wie der Uberschlanke eine Gipsbüste Schillers auf hohem Sockel mit grossartiger Theatralik umschlang; Schweizer. Mon'hefte 2 (1922- 23) 629 Sinn für Romantik ur.d Theatralik; Hardert 1927 Versailles 16 Wilhelms imperialistische Theatralik; ebd. 282 Mittel lärmender Theatralik; Dtsch. Rundschau 224 (1930) 171 und verliert sich an die Theatralik der Vorstellung; Friedeil 1931 Kulturgesch. III 531 ein Theater ohne Theatralik, ein Theater des Schweigens; Beri. Illustr. Nachtausg. 24. 5. 1932 „Bluff, Schwindel, Theatralik", sagte sie laut vor sich hin. Aber ihre Erregung blieb; Lokal-Anz. 10. 11. 1934 Wir dürfen ruhig von der Theatralik Schillers sprechen : denn das Wort ist ja nicht nur im Sinne handwerklichen Könnens gemeint, sondern soll des Dichters bestes Wissen um den Sinn der Bühne und ihre Aufgaben betonen; Stange 1935 Menzel als preuss. Künstler 10 Wenn er ältere Zeiten preussischer Geschichte darstellte, so tat er es nicht aus kaltem Geschichtssinn oder aus Freude an grandioser Theatralik; Münch. N. N. 23. 11. 1941 Natürlichkeit und Theatralik, Würde und Anmut und alle Extreme spanischen Wesens vereinigten sich in ihm [Velasquez]; Weizsäcker 1950 Erinn. 139 Hang zur Theatralik und zur Frivolität; Süddtsch. Ztg. 30. 11. 1950 An die Stelle innerer Wahrhaftigkeit setzte die Regie . . . eine kaum erträgliche Theatralik; Schneider 1951 Rechenschaft

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25 Theatralik der heutigen Bühnen; Süddtsch. Ztg. 21. 4. 1951 Das Terzett der drei „sekundären" Irren . . . bleibt dagegen in einer wenn auch skurril zugespitzten Theatralik befangen; Lieb 1952 München 224 aus Realismus und Pathos mischte sich das historiemalerische Gefühl, das . . . Piloty in die Malerei, Geibel und Conrad Ferdinand Meyer in die Literatur brachten. Theatralik war die Gefahr. Tragisch stand damals Feuerba:hs Malerei zwischen den Polen; Bonn 1953 Gesch. 167 Wilhelms II Theatralik gab gute Schlagzeilen in der amerikanischen Presse ab; ebd. 198 dem deutschen Temperament, das bis zu Adolf Hitler wenig Neigung zur dynamischen Theatralik bekundet hatte; Süddtsch. Ztg. 4. 1. 1954 In Westberlin übrigens hat man, als 1952 das städtische Telephonnetz „gespalten" wurde, keine Kabel durchgeschnitten, sondern ohne Theatralik einfach die Kontakthebel ausgeschaltet.

Theatraliker: Alberty 1912 Regie 68 Ibsen . . . diesem eminenten Theatraliker; ZfdPhil. 54 (1929) 313 Renaissancetheatraliker; 1929 Fazit 66 von dem grossen Theatraliker der Vernichtung besetzt; Friedell 1931 Kulturgesch. III 370 ein Theatraliker, der beides [Dichtung und Musik] gemacht hat, so oft er es brauchte; ebd. III 474 dass [Schiller, Ibsen] eminente Theatraliker waren, aber Schiller der Theatraliker der Soffitte, der Kulisse und der ausgeschnittenen Tür; Süddtsch. Ztg. 14. 12. 1950 Casona . . . hat nicht die poetische Gestaltungskraft, den menschlichen Tiefgang seines Freundes Garcia Lorca; er bleibt Arrangeur, Theatraliker.

theatralisch Adj., im früheren 18. Jh. aufgekommen, zurückgehend auf lat. tbeatralis 'zum Theater gehörig; Theater-' (zu tbeatrum, —* Theater); in der Bed. 'das Theater, die Schauspielkunst betreffend; Theater-, Bühnen-; szenisch; darstellerisch, schauspielerisch, gestalterisch; bühnengerecht, -wirksam', gelegentlich leicht abwertend auf schauspielerische und szenische Darstellung bezogen für 'nur auf äußere Wirkung angelegt; bloß dekorativ; überzeichnet, überzogen, überspielt (dargestellt)', von daher bes. auf menschliche Verhaltens- und Wesensart übertragen im Sinne von 'wie im Theater, schauspielerhaft; zur Schau getragen; nachgemacht, unecht; unnatürlich, gekünstelt; (dick) aufgetragen, aufgesetzt; hochtrabend, emphatisch, pathetisch, gespreizt, schwülstig; pompös, bombastisch' und auch allgemeiner verwendet; dazu die im 18. J h . vereinzelt belegte Personalableitung Theatralist, gleichbed. mit Theatraliker (—» Theatralik), mit dem dazugehörigen, im 20. J h . vereinzelt belegten Adj. theatralistisch 'pathetisch, schwülstig'; seit früherem 18. J h . die verbale Ableitung theatralisieren V.trans. '(einen Stoff) für die Bühne umsetzen, bühnenwirksam verarbeiten', auch 'mit falschem Pathos belegen; hochspielen', mit dem dazugehörigen Verbalsubst. Theatralisierung F. (-; -en); im

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theatralisch

20. Jh. die seltene subst. Ableitung T h e a t r a l i t ä t F. ( - ; ohne PI.), gleichbed. mit —* Theatralik; daneben seit dem 18. Jh. T h e a t r a l - , nur als Bestimmungswort von subst. Zss. nachgewiesen in der Bed. 'das Theater betreffend, Theater-' und im 18./ 19. Jh. vereinzelt das Subst. T h e a t r a l i e n , Theatralia PI. 'das Theater betreffende Dinge; Theaterstücke'. theatralisch: Gottsched 1732 Sterbender Cato Vorr. 16 in theatralischen Gedichten; Besser ¡7,32 Sehr. I o. S. Theatralischen Lustbarkeiten; Uffenhach 1733 Neben-Arbeiten Vorr. a 6b denen scharfen theatralischen Regeln; Dippel 1734 Analysis 49 gehört es aber mit zur Maschine, wie der Herr Hofrat statuiren muß, so ist es Theatralisch, und importirt so viel als nichts; Pfyffer 1734 LufftStreich 33 als ob das Päbstische Mess-Opffer das blutige Opffer, Jesu Christi am Creutz auf eine Theatralische Weis nachahme; Glafey 1736 Anleitung 39 Diesem zu folge haben sie genau zu erwegen, ob etwa ein Wort einen solchen NebenGedancken hinter sich habe, der etwas gemeines, theatralisches, bitteres oder dergleichen andeute; Gottsched 1742 Versuch 28 Anm. die n o t wendigste Eigenschaft eines Poeten, der theatralische Stücke verfertigen will; 1748 Vergnügte Abendstunden I 77 mit dieser theatralischen Nymphe; 1750 Nacheifrungen in den zierlichen Wissenschaften 142 bildet der theatralische Dichter Menschen; ebd. 150 Eigenschaften eines theatralischen Redners; 1751/52 Wurmsaamen (Witkowski 31) Theatralisches Frauenzimmer; Meier 1757 Betrachtungen 39 ein theatralischer Dichter; Mendelssohn 1761 Philosoph. Sehr. II 139 unsere gewöhnlichen untheatralischen Ubersetzungen; Sturz 1767 Julie (II 175) Dieser Charakter [des deutschen Liebhabers auf der Bühne] ist völlig theatralisch; Weisse 1767 (II Vorr. o. S.) des Verfassers allererster theatralischer Versuch; Ramler 1769 Einltg. II 249 Begriff von der theatralischen Dekoration der Alten; Wezel 1775 Tob. Knaut III 73 ein recht theatralischer Seufzer; Goethe 1778 Tagebücher (LXI14) In stiller Trauer . . . nachher wieder gezwungen zu theatralischem Leichtsinn; Hermes 1778 Reise II 17 zur möglichst theatralischen und schwärmerischen Illusion; 1779 Baiern 55 dass selbst in Rom kein theatralischerer Anblick sowohl wegen seiner Grösse und des Raums, als wegen der schönen Ordnung der Antiquitäten . . . anzutreffen sei; Musäus 1781 Physiognom. Reisen II 113 unsere heutige Schwärmerey ist nicht der alte wütige Enthusiasmus mit der Löwenmähne, sondern nur Spielwerk, Gaukeley, ein nachgeahmter theatralischer Löwe; ders. 1783 Fiesko (H. II 124) die zweite Hand an dieses Schauspiel zu legen, um ihm eine mehr theatralische Gestalt zu geben; Weinlig 1784 Rom II 69 In unsern Tagen ist nichts gewöhnlicher als von

einer Gegend, einer Stadt, einem Garten usw. zu sagen, daß sie eine amphitheatralische Lage haben, wenn sich der Plan derselben allmählig aufwärts erhebt; Becker 1784 - 86 Reise 223 unser theatralisches Spiel, wozu . . . Nicolais Kinder die Symphonie spielten; Kollonetz 1785 Verf. 40 vergnügten Unterhaltungen in theatralischen Häusern; Moritz 1786 Reiser II 430 für das Romantische und Theatralische; ebd. II 431 Aussicht auf . . . theatralische Laufbahn; ebd. II 438 theatralischen Leidenschaften durchstürmten . . . seine Seele; Nicolai 1790 Anekdoten H. V 11, sey mehr ein theatralisches Schauspiel, als ein wirkliches Sinnbild des Krieges; 1791 Thalia III 10 Theatralische Kunstgriffe; Goethe 1799 Br. (XIV 7) da sich die Theatralische Welt bei mir versammeln wird; ebd. XIV35 theatralischer Effekt; ebd. XIV 44 gratulire zum Tode des theatralischen Helden; Rehfues 1809 Br. a. Italien II 234 Schauspieler, der . . . auf der Bühne . . .theatralisch für die Freiheit gestorben war; Femow 1806 Studien I 80 theatralischer Leichenpomp; Meisl 1820 Quodlibet (I 16) Was gibt es theatralisches Neues, keinen neuen Acteur?; Tieck 1827 (Krit. Sehr. IV 203) Aber die theatralische Wirkung, das Fortschreiten, das Lebendigwerden durch das Spiel; Bachofeti 1851 Griech. Reise 70 Der Grieche wird durch die malerische Kleidung, die er trägt, von Jugend auf an ein gewisses selbstgefälliges Auftreten gewöhnt, das seinem Gange, seinen Gebärden und Mienen, und den tausend Stellungen, die er im Laufe eines Gespräches annimmt, den Ausdruck eines beabsichtigten theatralischen Effektes leiht; Scheffel 1852 Italien (Br.) 18 Das Innere dieser Kirchen ist viel zu theatralisch eingerichtet, als dass man einen grossen Eindruck davontragen kann; Schadow 1854 Vasari 29 die theatralische Nachäffung antiker römischer Grösse; Niendorf 1854 Paris 37 samt dem damit [mit dem französischen Aufwand] zusammenhängenden theatralischen Etwas; ebd. 227 Die Wirkung ist ergreifend, nur etwas zu französisch, d. h. theatralisch; Holtei 1854 Schneider II 324 hoftheatralisches Amtsgeheimnis; Kossak 1855 Stereoskopen 27 Sucht der Franzosen, alle ihre T h ä t i g k e i t . . . an die Öffentlichkeit herauszukehren und damit einiges theatralische Schaugepränge zu treiben; R. Wagner 1858 briefl. an M. Wesendonk 38 auf dem Marcusplatz, der durchaus theatralisch anregt durch seine ganz besondre Eigenthümlichkeit; Castelli 1861 Mem. II 90 am

theatralisch theatralischen Horizonte drei Sterne erster Grösse; 1863 Bilder a. Paris 1199 Das Innere der Kirche ist mit prächtigen rothen und grünen Sammet-Draperien behangen, mit goldenen Franzen und hineingestickten goldenen Bienen. Das Ganze macht aber mehr einen theatralischen als würdigen Eindruck; Hamerling 1870 Danton (VI 7) Ich selbst glaube, dass „Danton und Robespierre", von guten Kräften dargestellt, sich als vorzugsweise „theatralisch" angelegt erweisen würde. Äussere Umstände aber sind es, welche die Aufführung untunlich machen; Hillebrand 1876 England 236 theatralische „Pose"; Rutenberg 1877 Zinne 22 Theatralisch heisst also: übertriebene, verzerrte, carikirte Naturwahrheit; Bleibtreu 1889 Nap. 1 35 Mit theatralischer Geste beugte sich Savary über den Gefallenen; Dahn 1894 Erinn. IV 1 das Gebahren der Franzosen „theatralisch" zu schelten . . . „theatralisch", d. h. gemacht und künstlich; Suttner 1896 High-life 195 was ist das wieder für ein theatralisches Gebahren? Was soll diese ohnmachtsgleiche, hingegossene Stellung? . . . wozu die augenverdrehenden Seufzer? Nur immer unaffektiert sein, Trudi, und ruhig und gemessen; Fontane 1898 Zwanzig 562 Immer an der Spitze zu sein und dabei theatralisch zu perorieren; Dtsch. Revue 25 (1900) III 7 Da wurden keine Freiwilligen vorgerufen und keine theatralischen Worte über die drohenden Gefahren verloren; Gregori 1908 Josef Kainz 58 Weil sich in der Erstaufführung der Darsteller des Garceran noch recht theatralisch gebärdete; Lissauer 1916 Aufs. (I 76) eine bestimmte Stunde auf dem Katheder zu erscheinen, hatte für ihn etwas „Theatralisches" und war ihm zuwider; sobald er [der Dramendichter] an den Schauspieler denkt, der seinen Helden verkörpert, an das Publikum, das sein Stück sehen soll, sobald er sich in Theatergesetze fügt, ist er dem dichterischen Gesetz untreu geworden und wirkt theatralisch (ein Wort, das eben auf solche Weise zu seinem Pejorativsinn gelangt ist); 1923 Almanach d. Musikbücherei 167 Dieser ganz folgerichtige Gedanke ermangelt in der szenischen Ausführung leider der für die Bühne unbedingt nötigen Klarheit, da die Hauptvorgänge nicht plastisch und theatralisch fesselnd herausgearbeitet sind. Die Scheu vor dem übel Theatralischen läßt Pfitzner dem dramatisch Wirksamen ängstlich aus dem Wege gehen, zum Schaden des Eindrucks; Brey 1924 Kreuzhof 31 es war ein theatralischer, zur Schau getragener Schmerz, der nicht tief ging; Klein 1925 Generaldirektor o. S. Ich habe mich verkauft. Klingt ein bißchen theatralisch, nicht wahr? Es ist aber so; Berl. Illustr. Nachtausg. 1932 Nr. 19 Darauf hatte Mrs. Ashcott einen Revolver hervorgebracht und sich ins Herz geschossen. Es war eine durch und durch theatralische Angelegen-

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heit gewesen; ebd. 21. 3. 1933 Für die unverstandene Frau . . . bringt Hilde Wagener . . . theatralische Gesten auf und ein veraltetes Pathos; Renker 1935 Land 112 theatralischem Patriotismus; Münch. N. N. 14. 5. 1939 Rehberg gestaltet vielmehr vom Intellekt her: dazu gesellt sich ein starker theatralischer Instinkt, der indessen, abgespalten vom monologischen Intellekt, den theatralischen Aufwand nicht recht mit dem Ganzen zu verbinden weiß; VB. 21. 9. 1940 Alle anderen spielen eigentlich gehorsam um sie herum, wenn auch gewiß in eigener Haltung gefühlvoll oder mitreißend theatralisch-parodistisch; Süddtsch. Ztg. 28. 12. 1946 Die theatralisch-melancholische Wehmut des alten Mimen mit dem goldenen Waldhorn; Sedlmayr 1948 Verlust 48 Man hat das Theatralische . . . auch als einen Grundzug des Barocks angesehen; ebd. 54 dieser sonderbar hybride Geist, der das Sachliche mit dem Theatralischen und Dekorativen, dem Zirkushaften und Sensationellen verbindet; Süddtsch. Ztg. 14. 9. 1959 Gerhard Hauptmanns theatralische Sendung; Offenburger Tagebl. 23. 1. 1970 Untheatralisches Revolutionsdrama (Uberschr.). Theatral-: Sonnenfels 1768 Br. 74 von der annähernden Läuterung des Theatralgeschmacks; ebd. 100 der deutsche Theatraldichter; ebd. 173 einen Platz unter den vortrefflichsten Theatralpersonen Italiens; ebd. 188 [Schlegel] diesem nur •aufblühenden Theatralgenie; ebd. 488 ein Entwurf ihrer Theatralpolitik; ebd. 490 Die Mittwoche und Donnerstage sind die schlechtesten Theatraltage; 1773 Br. an Klotz I 41 Theatraldekorateur; Leon 1786 briefl. an Reinhold (Wiener Freunde 62) des berüchtigten und nie genug bezüchtigten Theatralausschusses; 1792 Journal v. u. f . Deutschland II 993 Theatraluntersuchung; Westenrieder 1817 Neue Beyträge II 300 mit einer Galanterie oder Theatral-Moral; ZfdPhil. 54 (1929) 309 Theatralrenaissance. Theatralien: Schiller 1828-29 briefl. (VI 169) Sonst haben mich die neusten Französischen Theatralia auf der Bibliothek beschäftigt, die der Herzog wollte, daß ich sie lesen sollte; ebd. IV 334 Dank für die guten Nachrichten, die sie mir vom Gang unsrer Theatralien schreiben (beide K E H R EIN). theatralisieren: Goethe 1829 Br. (LV 111) theatralisirt; Harden 1927 Versailles 23 [Eduard VII. von England] konnte nicht ohne das Theater, kaum ohne den besonderen Duft der Kulissen, leben: hat aber sein Leben und Königsamt niemals theatralisiert; Nord u. Süd 52 (1929) 451 Theatralisiertes Leben; Sedlmayr 1948 Verlust 47 Auch das plastische Denkmal theatralisiert sich zusehends.

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Theismus

Theatralisierung: Dingelstedt 1878 Bilderbuch 91 Schiller hat in der unglaublich kurzen Zeit von August bis Oktober 1781 die „Umschmelzung" seiner Dichtung, deren „Theatralisierung" vollendet; Heilborn 1929 Revolutionen II 297 seelische Aggregat-Zustände. Eine Theatralisierung des Naturempfindens, wie sie der Epoche leider auch entsprach; 1956 Festg. a. Neubert f 9 ein erstes Beispiel jener Theatralisierung des Lebens . . . 4us dem redlichsten Bemühen heraus, alles der Kunst dienbar zu machen. Theatralist: Fassmann 1729 Narr 47 Hof-Comoedianten und Theatralisten, Medailleurs . . . auch

galant gelehrte Satyren beliebende Virtuosi können sich frey bey ihm angeben. theatralistisch: Münch. N. N. 26. 7. 1940 Das theatralistischste, aber auch kennzeichnendste Phänomen der Umstellung biete Frankreich, das die alte Losung „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" ersetzt habe durch die Formel „Arbeit, Familie, Vaterland". Theatralität: Fehr 1924 England 152 die gigantische Theatralität seiner Ozeanwirklichkeit, wo . . . Schiffe zu geheimnisvollen Wesen . . .durchzuckt werden.

Theismus M. (-; ohne Pl.), im späteren 18. Jh. aufgekommen, zurückgehend auf griech. 0eoç (vgl. frz. théisme und älteres engl, theism); Bezeichnung für die rêligionsphilosophische Anschauung und Lehre vom Dasein eines (Monotheismus) oder mehrerer (Polytheismus) transzendenter, auf die Welt als eigene Schöpfung jedoch ständig erhaltend und lenkend (durch Vorsehung, Offenbarung, Wunder) einwirkender göttlicher Wesen, meist im Unterschied zu Deismus (—» Deist) als dem Glauben an Gott unter Verneinung seines Schöpfertums und seines weiteren Einwirkens auf die Welt bzw. unter Leugnung der Offenbarung, oder im Unterschied zu —> Pantheismus als der substantiellen Gleichsetzung von Welt und Gott und der Leugnung der göttlichen Personalität; gelegentlich auch allgemein als Bezeichnung für jede Art von Gottesglauben im Unterschied zu —> Atheismus als der Leugnung des Daseins eines göttlichen Wesens überhaupt; dazu gleichzeitig die subst. Ableitung Theist M. (-en; -en) 'Vertreter, Anhänger des Theismus' (vgl. älteres engl, theist) und die adj. Ableitung theistisch 'den Theismus, den/die Theisten betreffend; auf dem Theismus beruhend, ihm gemäß' (vgl. engl, theistic). Theismus: 1773 Philosophie d. Natur (Übers.) 167 Theismus; 1789 Neues dtsch. Museum I 39 Theismus; Nicolai 1790 Anekdoten I 217 daß der König . . . den Theismus vertheidigt, und wider den Atheismus gesprochen hat; Schlegel 1826 briefl. an Humboldt 18} Theismus; Vischer 1837 Erhabene 132 Weltaussicht des sogenannten Theismus; Hettner 1844 (Sehr. 3) Die neuere Philosophie hatte den Gott des religiösen Theismus, der ihr historischer Ausgangspunkt ist, dahin bestimmt; ders. 1850 Schule 136 aller Theismus ist fatalistisch; Windelband 1877 (Präludien 196) dem kartesianischen Theismus; ebd. (1902) II 291 Den Inhalt der göttlichen Person bildet der Inbegriff der höchsten Werte, sie ist das reale Normalbewußtsein, diejenige Persönlichkeit, in der alles wirklich ist, was sein soll, und nichts ist, was nicht sein soll: die Wirklichkeit aller Ideale. Darin besteht die Heiligkeit Gottes. Sie involviert seine Weisheit, seine Güte, Liebe und Gerechtigkeit,

seine Schönheit. Das ist die Vorstellungsform des Theismus, der unter den Beweisen für das Dasein Gottes der sog. physikotheologische oder teleologische entspricht; Troeltsch 1909 (IV 773) Zusammenfassung des christlichen und ausserchristlichen Theismus; Wernle 1912 Renaissance 72 zeit- und raumlose Mystik und Kontemplation, die Burckhard „Theismus" nannte und bedeutungsvoll an den Schluß seines Buches gestellt hat als Verheißung auf die eigene Zeit: eine Religion, die mit dem positiven Christentum, seinen Dogmen und Riten nichts mehr zu tun hat, auch wenn sie äußerlich sich ihm noch anschmiegen kann, für die es nur zwei Realitäten gibt, den in der Ordnung des Universums sich entfaltenden Gott und die Seele, und die alle Frömmigkeit ganz in die Andacht und Erhebung der Seele zum geistigen Grund der Welt verlegt. Burckhardt findet diesen „mystischen Theismus" in den Hymnen des Lorenzo Magnifico; Buschan 1922 IV K. I 39 Götter-

Theke glaube (Theismus); Hoche 1927 Wellenbewegungen 21 f . Auffassungen, die man direkt als eine Neubegründung des Theismus bezeichnen kann; in bestimmter Abkehr von pantheistischen Auffassungen wird das Gottesproblem wieder diskussionsfähig; Gerstenhauer 1927 Führer 17 Der Nationalismus ist eine organische Weltanschauung, nicht organischer Atheismus (Pantheismus), sondern organischer Theismus (im Gegensatz zum materialistischen Theismus der Juden). Nach unserem organischen Theismus ist der Allgeist, der Allgott eine göttliche Persönlichkeit, die in der ganzen Welt, in allen Wesen wirkt und webt; Hefte f . BüchereiWesen 12 (1928) 303f. Die Führungslehre will „totaler" sein und durch eine Versöhnung des Verstandes mit dem Gefühle, der wissenschaftlichen Objektivität mit der religiösen Innerlichkeit, dem einzelnen erst seine harmonische Einfügung in das Welt- und Menschheitsganze ermöglichen. Der Adept dieser neuen Mysterien des „Lebenstheismus" wird in der im „Kultus" sich vollziehenden Selbstaufopferung von der „Allplanführung" zum „Mitführen" eingesetzt; Eppelsheimer 1955 Schild 15 Ohne Ciceros vorbereitenden und vermittelnden Theismus hätte der Westen die Lehre der Kirchenväter gar nicht aufnehmen können. Theist: 1773 Philosophie d. Natur (Übers.) I 170 Theisten; Mendelssohn 1785 Morgenstunden I 239

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System des wahren Theisten; Herder vor 1803 (VIII 109) Atheist, Deist oder Theist zu sein (KEHRBIN); Wieland vor 1813 (XXXII 49) Das Wort Deist oder Theist, welches (soviel ich weiß) einen Menschen bezeichnet, der weder atheistische noch dämonistische Grundsätze hat (KEHREIN); Meyr 1866 Gespr. 364 Ich fordere von denen, die Gott lehren, daß sie ihn auch in ihrem Handeln vor Augen haben und nicht auf der einen Seite als Theisten theoretisieren, um sich auf der andern als kleinliche Philister oder gar als Halunken zu benehmen, die mit unbegreiflichem Stumpfsinn eben das thun, was ihren Gott verdrießen und ihnen seine Verachtung zuziehen muß; Shaftesbury 1910 Moralisten (Ubers.) 17 Denn, ein so entschiedener Gegner des Theismus oder des Namens Deist ich auch bin, wenn er in einem die Offenbarung ausschließenden Sinne genommen wird, so glaube ich doch immerhin, daß, streng genommen, Theismus die Wurzel von allem ist, und daß man, um ein echter Christ zu sein, vor allem zuerst ein guter Theist sein muß, denn der Gegensatz von Theismus ist notwendig Polytheismus oder Atheismus. theistisch: Kant 1793 Religion (VI 86) theistische; Hettner 1850 Schule 136 von rein theistischem Standpunkte; .1932/33 Schweizer. Rundschau XXXII 2, 762 Forscher von ausgeprägt theistischer Weltanschauung.

Theke F. ( - ; -n), Mitte 19. Jh. aufgekommen, über lat. tbeca 'Hülle, Decke; Büchse, Kästchen, Schachtel' zurückgehend auf griech. 0fjKT) 'Abstellplatz, Aufbewahrungsort, Lade; Behältnis, Kasten, Kiste' (zu Tiöevai 'setzen, stellen, legen'); vgl. -thek(e) als Grundwort in Zss. wie Biblio-, Pinako-, Diskothek, —* Apotheke u. a.; in der Bed. 'Laden-, Verkaufstisch (mit verglastem Auf- oder Untersatz zum Ausstellen der Waren)' (Laden-, Kühltheke) und 'Schanktisch, Tresen' in einem Lokal (Bier-, Bartheke), auch allgemeiner als Bezeichnung für einen als räumliche Barriere, Schranke im Publikumsverkehr bei Behörden, Ämtern oder in Banken, Bibliotheken u. a. dienenden Tisch, auch im Syntagma etwas unter der Theke (ver-)kaufen 'etwas heimlich, verbotenerweise, illegal (ver-)kaufen'. Barnum 1855 Leben 26 stolzirte hinter der „Theke" mit der Feder hinter'm Ohr herum; Schücking 1861 Marketenderin 17 die aus dunkelm Eichenholz geschreinerte Theke [eines Ladens]; WiesbadnerTagebl. 14. 5. 1876 billig zu verkaufen eine theke (DWB); Hegeler 1908 Ärgernis 30 bei der marmornen Theke [einer Konditorei]; Der Tag. (Berlin) 31. 10. 1911 Sicher muß man Theke mit dem altgriechischen Zeitwort tithenai (setzen, stellen, legen) in Zusammenhang bringen, wie die

Fremdwörter Bibliothek, Glyptothek, Kartothek usw. dartun. Linter Theke versteht man. einen Gegenstand, in den man etwas setzen, stellen oder legen kann — z. B. auch eine Apotheke, die ursprünglich nur einen Aufbewahrungsort, eine Niederlage andeutete . . . In dem Sinne ist eine Theke eine Kiste, ein Schrank, eine Büchse, eine Kapsel, ein Behältnis; am Rhein: ein Ladentisch, ebenso ein Gestell (auf gut Deutsch: Stellage); Kautz 1928 Schatten 41 der Kaufmann? Einer

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Thema

hinter der Theke mit flottem Wort, schneidigem Anzug; Wohl 1932 Reporter 303 Der Riese wuchtet zur Theke und läßt sich einen Schnaps geben; ebd. 309 Die Neueingetretenen gehen zur Theke und wechseln ein paar halblaute Worte mit dem hemdärmeligen Wirt; Lokal-Anz. 24. 1. 1933 Er wartet, bis ihn . . . die Verkäuferin fragt. Denn ein solches Wesen hinter der Theke rechnet nicht nur, bedient nicht bloß . . . sondern weiß auch genau, wie lange der Kunde wartet; ebd. 31. 1. 1933 Er erscheint eines Tages in einer Gastwirtschaft . . . öffnet die Tür, geht an die Theke, bestellt Bier; Berl. Illustr. Nachtausg. 15. 2. 1933 Das Innere des Lokals sah genau so aus, wie man es draußen erwartete. Ein vorderer Raum mit einer Theke; Dietz 1939 Gesellschaft 260 schenkte sich . . . an der Theke eilig ein Glas Bier ein; 1942 Heeresverord.bl. Nr. 34 299 Herumsitzen und Trinken an Schanktischen (Theken); Süddtsch. Ztg. 25. 5. 1951 Ein Raum mit großer Theke und Bedienungsgang schließt sich an; ebd. 3. 12. 1952 Über die Theke lehnt ein Mann, ein etwas zu fett gewordener Wolf in einem braun-violetten Anzug; 1956 Tagesztg. DDR o. S. Die geschwungene Theke im Schalterraum [einer Bank], in der noch eine Förderbandanlage eingebaut werden soll, ist aus Palisanderholz (WDG); Süddtsch. Ztg. 19. 8. 1957 Im Gastraum waren nun außer dem Wirt, der hinter der Theke stand, und der dünnen Gestalt mit grauem Haar . . . noch der Chauffeur; Münch. Stadtanz. 9. 5. 1958 Die Handlung spielt in einem Gastzimmer, das Publikum befindet sich hinter der Theke; Süddtsch. Ztg. 14. 8. 1958 Mein Gegenüber meinte das Kaffeehaus an der Terasia, das im vorigen Jahr fertig wurde und mit seinem hochmodernen bunten Mobiliar, den chromstrotzenden Theken . . . in Triest oder in Mailand bestehen könnte; Münch. Stadtanz. 10. 4. 1959 Er [der Kunde] will an die Ware selbst herankommen können. Deshalb geht man auch von der Barriere

der Verkaufstheken immer mehr ab; Stuttgarter Ztg. 27. 10. 1959 Es gibt außer den staatlichen, städtischen, betriebseigenen und den Organisationen gehörenden Bibliotheken auch noch die gute alte Leihbücherei, aber sie hat im Laden meist nur, was die Buchproduktion Mitteldeutschlands seit 1945 hervorbrachte. „Unter der Theke", so wird mir jedoch versichert, und „hintenrum" gibt es auch Hesse und Hofmannsthal; ebd. 25. 10. 1961 Eine schwedische Registrierkassenfirma . . . baut daher eine ganz moderne Selbstbedienungstheke auf, die das Neueste vom Neuen zeigt, nämlich einen elektronischen Geldrückgeber; ebd. 9. 10. 1962 Hochbetrieb an schottischen Theken (Überschr.) Einen noch nie dagewesenen Hochbetrieb verzeichneten am Sonntag die Hotels und Gaststätten in Schottland; ebd. 22. 3. 1963 fragte der Richter einen „Lieferanten" aus Düsseldorf, wo er denn erfahren habe, daß es für ihn in Krefeld günstige Absatzmöglichkeiten gebe. „An der Theke", war die Antwort; Offenburger Tagebl. 7. 2. 1964 Bei dieser „Jagd nach alten Theken" würden veraltete Ladeneinrichtungen durch moderne Regale, Vitrinen, Kühlmöbel usw. ersetzt; ebd. 5. 3. 1966 Theke, Warenschrank blau, Resopal, Garderobe für Friseurgeschäft, neuwertig . . . zu verkaufen (Anzeige); ebd. 2. 1. 1967 An die Stelle der Theke ist die Hausbar getreten; Stuttgarter Ztg. 11. 4. 1967 Dann machte er noch eine Bemerkung, daß alles schnell gehen müsse. Der andere Räuber sprang über die Theke und raffte dort Geld in Scheinen . . . zusammen; FAZ 21. 11. 1970 Der Kartellsenat stellte jetzt den Vertrieb von Zigaretten über Automaten dem Verkauf „über die Theke" in bezug auf die Festsetzung des dem Gastwirt zufließenden Erlöses durch den Preisbinder gleich; Offenburger Tagebl. 21. 8. 1971 Neuw. Freikühltheke in Winkelform mit gekühlter Schaufensterauslage . . . abzugeben (Anzeige).

Thema N. (-s; Themen und seltener Themata), früher vereinzelt PI. auch Thematas, Anfang 15. Jh. über mlat. t(h)ema 'Vorrede; Materie, Stoff, Inhalt' entlehnt aus lat. thema 'abzuhandelnder Satz; Zeichen, Sternbild der Geburtsstunde, Nativität' ( < griech. 6e(xa 'das Gesetzte, Aufgestellte', bes. 'aufgestellter Satz, Behauptung (über die in Rhetorenschulen Deklamationen abgehalten werden)', auch 'unflektierte grammatische Stammform der Nomina und Verben', zu tiOevai 'setzen, legen, stellen', auch 'meinen, setzen als; annehmen, voraussetzen'), im 16. Jh. auch vereinzelt in der Kurzform Tbem und bis ins 19. Jh. lat. flektiert, l a Zunächst in der Bed. 'zur Ausführung in Rede oder Schrift aufgegebener, zur Abhandlung aufgestellter Satz, Spruch; inhaltliches Stichwort, Titel, Uberschrift als Ausgangspunkt weiterer Ausführungen', z. B. von Predigten,

Thema

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Abhandlungen, Aufsätzen, von daher weiterentwickelt zu 'gedanklicher Inhalt, Gehalt; Gegenstand, Stoff; Kernpunkt, Leit-, Hauptgedanke' von mündlichen und schriftlichen Äußerungen, speziell in der Literaturwissenschaft; auch allgemeiner für 'Gesprächsstoff, -gegenständ; in einer Diskussion zu erörternde/erörterte Sachfrage, Problem' und schließlich ohne direkten Bezug zur Möglichkeit der verbalen Bewältigung für 'Sache, Frage, Problem; Gebiet, Feld, Bereich'; häufig als Grundund Bestimmungswort in Zss. wie Aufsatz-, Gesprächs-, Lieblings-, Rahmenthema; Themenstellung, -komplex, -kreis, in Verbalsyntagmen wie ein Thema abhandeln, jmdm. ein Thema stellen, beim Thema bleiben, vom Thema abschweifen und in Wendungen wie das gehört nicht zum Thema, Thema ( N r . ) 1, Thema des Tages; b seit späterem 17. J h . belegt als Fachausdruck der Musik für '(aus mehreren Motiven zusammengesetzter, durch Variation weiter zu verarbeitender) melodischer Grundgedanke einer Komposition', z. B. einer Fuge, Sonate oder eines Symphoniesatzes, gelegentlich auch bildlich verwendet; c in jüngster Zeit als Fachausdruck der Textlinguistik im Zusammenhang mit dem Aufbau einer funktionalen Syntax als Bezeichnung für die inhaltliche Position innerhalb eines Satzes, die den Ausgangspunkt der Rede enthält, das, worüber gesprochen wird bzw. das, was dem Hörer aus der Situation oder dem vorangegangenen Text schon bekannt ist im Ggs. zum Rhema, das die Aussage über das Thema enthält bzw. das, was an Neuinformation zum Bekannten hinzukommt (Thema-Rhema-Gliederung). 2 Vom späten 16. bis ins 19". J h . vereinzelt nachgewiesen in der Astrologie für '(Glück, Unglück verheißende) Stellung der Gestirne in der Geburtsstunde, Nativität'. 3 Als Fachausdruck der Sprachwissenschaft, speziell der Morphologie in der Zs. Themavokal 'Vokal, der bei der Bildung synpleremischer Wortformen (Flexion, Komposition, Derivation) zwischen die einzelnen Bestandteile der Bildung geschoben wird; Bindevokal'. Dazu seit späterem 19. J h . (gebucht 1870 bei Heyse) die adj. Ableitung thematisch 'zu einem Thema gehörend, es betreffend; sich an ein Thema haltend, ihm entsprechend, auf ihm aufbauend, aus ihm entwickelt, abgeleitet' (zu l a und b), in jüngster Zeit 'auf das Thema eines Satzes bezogen' (zu l c ) , auch 'mit einem Themavokal gebildet' (zu 3) (Ggs. athematisch); gleichzeitig (gebucht 1871 bei Sanders) die subst. Ableitung Thematik F. (-; -en ungebr.), zunächst für '(Kunst der) Aufstellung und Durchführung des Themas einer musikalischen Komposition' (zu l b ) , dann als kollektiver Sing, für 'Gesamtheit, Fülle, Vielfalt von Themen; Themenkreis, -komplex', bes. in Musik und Literatur, aber auch allgemein für 'Fragen-, Problemkreis', häufig auch gleichbed. mit Thema (zu l a und b); in jüngster Zeit die verbale Ableitung thematisieren V.trans. 'etwas zum Thema (einer Abhandlung o. ä.) machen, nehmen' mit dem dazugehörigen, schon im früheren 20. J h . belegten Verbalsubst. Thematisierung F. (-; -en ungebr.) (zu l a ) . Thema l a : Richental 1414-18 Konstanzer Chronik 99 Und do stund uff der bischoff von England Salusburgenßis und prediget und was das sin thema: Erit maenus coram domino; Heisenberg 1516 Emeis / thema [der Predigt]: 'gang auch zu der emeissen' (DWB); 1521 (Schade, Satiren II 161) 1er

und them; Volkslied 1521 „Text" (Liliencron III 369) Ich mein es sei doctor Martein, da er zu Erfurt was allda; „der frid mit euch" was sein thema; Kettenbach 1523 Küchenprediger 32 Thema oder vorred; Luther 1530 Schulpredigt 1 so reich vnd vol ist solch Thema; 1545 Heidelbg. Urkh. I 22b ein

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Thema

Lutheraner, so aus dem Niderlandt; gen Heidelberg komen und etliche themata disputiren wil; Fabricáis 1568 Surius Chronik 47 hat er [Luther] erstlich zu Witteberg / darnach auch zu Heidelberg neuwe themata angeschlagen / damit er einen grossen rhum seines guten Verstands vnd kostlichen disputierens erlangte; 1583 (Mitt. G Erz'gesch. 2 (1892) 125) die themata heraus suchen; Ertlin 1592 Leichenpredigt 6 Zum andern, bey meinem fürgenommen Themate, etwas allein in gemeyn von vnsern zeitlichen vnentfliechlichen Tod reden; F. Platter 1612 (Ausg. Boos) 306 Daß examen wardt morndes den 17 augusti gehalten, aber an dem ort, do ich themata, so mir übergeben, fast ein stundtlang memoriter expliciert, alß wan ich profitierte; ebd. 307 Ich rust mich zum disputieren und entpfieng vom decano zwo themata; ebd. 309 hült D. Isaac die oration und proponiert mir die themata, daruf ich meine oration; A. v. Frankenberg 1667 Von dem Rechten Kirchengehen 34 und auff mein furgegebenes Thema nicht gerade zu gehen noch antworten wollen; Hirsch 1662 Kirchers Musurgia 148f. Der 5. Fehler ist noch unleidenlicher / daß viel die Beschafenheit deß thematis nicht in acht nehmen. Ist noch nicht lang / daß ein Componist über diese Wort / absterget Deus omnium lacrymas . . . etwas setzen wollen / da hat er sich mächtig bemühet / die Wörter lacrymas, luctus, dolor, recht auszutrucken . . . Wiederum ein andererin disem themate, mors luctuosus festinat, setzt die Clausel also; Becher 1668 Method. didact. 143" ein Rhetorisches oder Oratorisches Thema; Schilling 1668 Kathol. Totengerüst 23 Nicht ohne absonderliches Bedencken habe ich zu lobe vnsers gerechten Statthalters / mein vorgebrachtes Thema: Tenebit justus viam suam, & mundis manibus addet fortitudinem, auß dem gedultigen Job erkiset; Selhamer 1699 Tuba I 262 woraus zugleich . . . das gantze Thema der Predig herfür scheinen soll; 1700 (Mitt. G Erz' gesch. 2 (1892) 25) Pflegte er . . . jeder Ordnung in Prima ein Thema zu geben, welches dann jeder nach seiner gelegenheit, per loca Tópica, Rhetoricam et Logicam durchführen musste; Weise 1702 Gedancken II 110 wenn das Thema von geistlichen Sachen handelt; 1704 Auserlesene Anmerk. I Vorr. 6" bevorab da diese arbeit auf elaborierung academischer thematum nicht hauptsächlich angesehen; Prambhofer 1708 Hönig-Fl. 2 Themate oder Vorspruch; 1721—22 Chronik d. Ges. d. Mahlern 20 Beygehend ist eine Liste von einigen thematibus, die wir zusammen getragen haben, und die wir Eüch recommendiren, Eüre pensées detachées nach Gelegenheit darüber einzugeben; Musig 1726 Licht d. Weisheit I (Reg.) Thema wie man es machen lerne; ebd. I 305 eine rechte Erkänntniss von dem Themate, oder der Sach, die ich ab-

handeln will, zu bekommen; Stoppe 1728 Gedichte 12 so fällt mir doch nichts ein, was ich dem Werthe nach mit Rechte würdig nennte, daß es in dieser Noth ein Thema werden könnte; Rohr 1728 Zeremoniellwissenschaft I 317 Er [der Prediger] kan auch auf eine andere Weise, bey einem weltlichen Themate, hier und da entweder einen Spruch göttlichen Wortes mit anfuhren . . . ein aus der Morale wohl ausgesuchtes Thema, wenn es mit guten Gründen auf eine überzeugende Weise vorgetragen, und mit erlesenen Worten ausgesprochen wird; ebd. I 616 und ein sich hierher schickendes Thema auf eine schertzhaffte, jedoch manirliche und unschuldige Weise anzuführen; Fassmann 1729 Narr 24 Derohalben halte ich davor, daß die Jugend in Schulen gantz närrisch und läppisch werde, weil sie gar nichts siehet . . . wie es in der Welt zugehet . . . sondern allein lächerliche Themata und vortrage; Glafey 1736 Anleitung 42 als wenn man ein Thema von dem lieben Frieden Gemälde . . .erdichten muß; Bodmer 1741 Poet. 57 und eben diese Wahrheiten sind und werden der Gegenstand und das Thema der Poesie; Philippi 1743 Reimschmiedekunst 67 [des] Thematis oder auszuführenden Satzes; ebd. 98 das Thema war glücklich durchgeführt; ebd. sein Haupt-Thema aber war, die vielerley Arten des Kreuzes in der Welt zu beschreiben; ebd. 141 Denn wir kriechende Poeten könnten wol diese zwey schönen Themata dem Erfinder abstehlen, und sie zur Ueberschrift von ein paar Bogen Gedichte machen; ebd. 143 Ein Großes voraus haben ferner die kriechende Poeten vor den erhabenen in Erfindung und Ausführung eines Themas; ders. 1743 Witz u. Geschmack 202 Hauptthema; Meier 1759 Anfangsgründe III 295 Diejenige Vorstellung, oder derjenige Gedanke, in und unter welchem alle übrigen Gedanken, die in einer Ausführung vorkommen, enthalten sind, wollen wir die Hauptvorstellung (thema) nennen; 1766 Allg. dtsch. Bibliothek III 1, 216 Von der Art sind die meisten Thematas; lauter Galimathias; 1783 Merkur III 133 Ihr Lieblingsthema war das Capitel vom heurathen; Moritz 1785-90 A. Reiser XCV25 eine förmliche predigt, mit text, thema und eintheilung (DWB); Müller 1792 Herr Th. IV 7 ein . . . zur Sache gehöriges Thema; Laukhard 1797 Leben IV 2, 242 Uber einfache Diebstähle durfte . . . niemand klagen: die Leute wollen leben, die Pferde wollen fressen — das war das Thema zur Antwort; Fichte 1801 Nicolai VIII 33 weil seine . . . Geschäfte ihn abriefen und ihm die nöthige Zeit zur vollkommenen Ausführung seines Themas nicht verstatteten; Füllehorn 1802 Rhetorik 3 Die Rhetoriker theilen alle Vorträge in Rücksicht des Stoffs in 2 Themata ein, ein thema rhetoricum und ein thema hermeneuticum; ebd. 18 Bey andern ge-

Thema mischten Thematibus aus der Politik, Philologie, Ästhetik; Schiller vor 1805 (X 32) Aber auf unser Thema zurückzukommen! (KEHREIN); Goethe 1827-42 (W. V 12) Liebe sei vor allen Dingen Unser Thema, wenn wir singen; ebd. XVII 234 Er fiel unwillkührlich in ein lustiges Thema; ebd. XXIX 288 Endlich legte er ein anmuthiges Thema zum Grunde und variirte solches auf die mannigfaltigste Weise; ebd. XXXIV 273 Nun hatte ich zu meinem Discurs ein solches Thema, daß ich drei ganze Stunden hätte reden können, um es recht auszuführen (alle K E H R E I N ) ; Hormayen 1829 (Zentner, München 62) mein altes Lieblingsthema von der vorzugsweisen Verherrlichung nationaler Gegenstände durch die Kunst; Goethe vor 1832 (XXII 52) jenes elegische thema klang jedoch durch das ganze hindurch (DWB); Heine 1837 Salon IV 308 meine Talente nicht für undankbare Themata zu vergeuden; Herbart 1841 Vöries. 85 es kommt aber darauf an, daß der Schüler seine Meinung offen äußere. Geschieht dies, so ist ein Thema zum Gespräch gegeben . . . Selbstgewählte Themata sind den aufgegebenen weit vorzuziehen, nur nicht von der Mehrzahl der Schüler zu erwarten; Kurz 1843 Schillers Heimatjahre I 15 Der Herzog sprach sehr nachdrücklich von den Pflichten der Untertanen gegen ihn, und dieses Thema war unermüdlich mit hundert Variationen durchgeführt; ebd. III 62 und der geistliche Freund war klug und human genug, von dem angefangenen Thema für jetzt abzulassen; Alfieri 1845 Tyrannei (Ubers.) Vorw. XVI Die Abschaffung stehender Heere . . . ist von jeher ein Lieblingsthema deutscher politischer Schriftsteller gewesen; Goltz 1847 Buch d. Kindheit 277 Es ist ein kurios kitzliches Thema, den Leuten eine Poesie einzureden, die sie nicht von freien Stücken honoriren; Guseck 1851 Salvator I 4 erwiderte die Mutter . . . „Lassen wir dies Thema"; Heine vor 1856 (III 127) doch ich komme ab von meinem thema (DWB); ebd. XX 43 An 2 heterogenen Thematis zu gleicher Zeit arbeiten (SANDERS 1871); Hohenlohe-Ingelfingen 1864 - 70 Leben III 339 Machen Sie nicht solche Witze über ein so ernstes Thema; Meyr 1866 Gespr. 71 Er sah mein Haus, lobte die Einrichtung, erging sich mit Anstand über verschiedene Themata, wie der Moment sie bot, und empfahl sich; Spitzer 1880 Wagn. 87 hielt er es für zweckmässig, dieses blutige Gesprächsthema abzubrechen; Senden 1900 Ehen 44 das heikle Thema ihrer Ehe; Polenz 1900 Liehe 227 Agathe war fortan das Lieblingsthema für die Geschwister; Zobeltitz 1902 papierene Macht I 105 ein landläufiges Unterhaltungsthema; Schnitzer 1905 Käte 69 Themensammlung für Schulaufsätze; 1930 Wachstum 19 Wenn man versucht die Kinder aus innerer Notwendigkeit, gleichsam aus dem

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Schwünge ihres Impulses heraus schreiben zu lassen, so sagt das zunächst nichts gegen Themenstellung. Aber eine Forderung schält sich klar heraus; das Thema muß gewissermaßen der Klasse abgelauscht sein; Arnholds Wochenber. 24. 1. 1931 Auf zahlreichen Wirtschaftsgebieten stehen auch diese Wirtschaftsprobleme in engem Zusammenhang mit politischen Themen, von denen nur das Reparationsproblem . . . erwähnt [sei]; Hintz 1931 Gisela 151 Dann sprechen sie von anderen Dingen. Es ist, als bemühe sich ein jeder, dieses Thema nicht wieder zu berühren; Berl. Illustr. Nachtausg. 22. 3. 1933 Man teilt nicht mehr in Naturkunde, Physik, Chemie usw., sondern faßt das alles zusammen unter Gesamtthemen, zum Beispiel „Schutz" oder „Ernährung"; Lokal-Anz. 27. 8. 1934 Die Erklärungen . . . über die Einschränkungen der Einfuhr und die Herstellung inländischer Rohstoffe . . . waren das Hauptgesprächsthema der Börse; Tönnies 1935 Gemeinschaft 159 das eigentliche Thema der Welthistorie; Süddtsch. Ztg. 19. 4. 1949 Die drei Gouverneure mußten die Arbeit zurückgeben mit dem Vermerk „Thema verfehlt"; ebd. 13. 4. 1951 in Europa beschäftigt sich in allen Hauptstädten die Presse mit dem „Thema des Tages" [der Abberufung eines Generals]; ebd. 25. 9. 1952 Die wissenschaftlichen Vorträge der Arbeitstagung . . . ließen sehr weitgehende Spezialisierung auch in der Astronomie erkennen und gruppierten sich in der Hauptsache um drei Themenkomplexe: Sonne und Sonnensystem, Sternsysteme und Stellarphotometrie; ebd. 23. 9. 1954 Seit sich die moderne Kunst vom Gegenstand abgewendet hat, sind sogenannte Themenausstellungen unbeliebt geworden; Neue Rundschau 1955 o. S. ein mittelalterliches Thema wird da aufgenommen und abgewandelt (WDG); Süddtsch. Ztg. 9. 4. 1957 Neben den genannten fanden nun aber andere wichtige Themenkreise fast gar keine Darstellung; Schelsky 1959 Ortsbestimmung 104 das zentrale Sinnthema unserer Epoche; Stuttgarter Ztg. 8. 5. 1968 Sein Repertoire [für Festreden] ist schier unerschöpflich, seine rhetorische Begabung ohne jede Ermattungserscheinung. Der Themenfundus könnte jeden anderen Festredner vor Neid erblassen lassen; Offenburger Tagebl. 20. 1. 1972 Karl Schiller warf Franz Josef Strauß vor, er habe das Thema verfehlt. Doch ging nicht die Regierungserklärung, ging nicht die ganze Debatte im Deutschen Bundestag am Thema vorbei? An dem Thema jedenfalls, das die Mehrzahl der Bundesbürger. . . stärker interessiert als die mehr akademischen Betrachtungen über Ursachen und Perspektiven der Weltwährungskrise. Thematik: Hiller 1950 Köpfe 172 Das Büchlein ist wegen seiner Thematik bedeutend; ob auch wegen

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Thema

der Art, wie sie behandelt wird? Süddtsch. Ztg. 10. 5. 1950 ein kurzer Blick auf die mannigfaltige Thematik der jüngsten Theaterschöpfungen; ebd. 22. 3. 1951 in einer ebenso feinnervigen wie beziehungsreichen und die komplizierte Thematik klar ordnenden Inszenierung; Bense 1954 Aesthetica 160 die ästhetische Zeichenthematik; Schelsky 1959 Ortsbestimmung 109 In manchen Gebieten des Denkens ist das von uns vorgeschlagene theoretische Grundproblem einer Theorie des Sozialen . . .mit Händen greifbar, etwa in der protestantischen Theologie, wo die Unterscheidung Bonhoeffers, Hammelsbecks u. a. von Evangelium und Religion eben die gleiche Grundthematik offenbart; Bausinger 1964 Festschr. a. Dölker 7 (Vorr.) die Beiträge [der Festschrift] halten sich in ihrer Thematik an einen vorkonzipierten Plan; Offenburger Tagebl. 7. 1. 1966 Man muß also damit rechnen, daß es sich hier auch um etwas handelt, was als Thematik von draußen auf die deutschen Teile zukommt; ebd. 3. 5. 1971 Er betonte, daß die Thematik des Berlin-Verkehrs — Gegenstand der Vier-Mächte-Verhandlungen — nach wie vor bei den Gesprächen . . . ausgeklammert sei; ebd. 9. 10. 1971 Wie Bahr vor Journalisten erläuterte, besteht nach wie vor eine Parallelität in der Behandlung der zu Berlin gehörenden Thematik und dem allgemeinen Verkehrsvertrag; FAZ 12. 10. 1971 Offenbar nahm er einen Teil der militärischen Verhandlungsthematik vorweg. thematisch: 1927 Sittengesch. d. Hafens Vorw. o. S. und somit kann die Sittengeschichte der Kulturwelt von den verschiedensten Gesichtspunkten und thematischen Einstellungen aus durchleuchtet werden; Münch. N. N. 3. 2. 1940 Die diesjährige Kunstausstellung 1940 hat den Untertitel „Kampf und Arbeit". Neben dem alljährlichen Überblick über das Münchner Kunstschaffen soll diesmal gleichzeitig eine thematische Ausstellung im Maximilianeum stattfinden; ebd. 26. 4. 1941 Das Werk wird entflammen, indem es erschüttert, und erschüttern, indem es entflammt, will Gleichnis sein und Tat in einem. Wer könnte sich seiner Wirkung entziehen, die ungeheuer ist, vom Thematischen wie von seiner schauspielerischen wie regiemäßigen Bewältigung her; 1971 Festg. a. Klett 297 Die thematischen Stichworte [des Verlagsprogramms Kletts] hiessen Ehe, Christentum, Persönlichkeit . . . Das anthropologische Thema war deutlich angeschlagen. thematisieren: 1965 Aspekte 15 eine Krise, die Nietzsche als Krise des modernen Bewußtseins und der modernen Zeit thematisierte; ebd. 24 die von Paul Valéry thematisierte . . . Beziehung von Werk und Genese.

Thematisierung: Lipps 1935 Soldat 13 Thematisierung; Krauss 1949 Aufsätze 87 Thematisierung der Antike; Mühlmann 1966 Weber 31 spezifische phänomenologische Thematisierung. Thema 1 b: Speer 1687 Unterr. v. d. mus. Kunst 45 Man soll im General-Baß die Hände genau beysammen halten . . . auch das Thema so die Stimmen und Instrumenta resolviren / wann mans schon könte nicht mit spielen; Scheibe 1745 Musikus 451 Man soll eine gewisse kurzgefaßte Melodie erfinden [zur Fuge] . . . Dieses ist nun der Hauptsatz oder so genannts Thema; 1787 Journal d. Moden II 308 reizende Themata zu Tänzen; Hermes 1789 Für Eltern I 180 die Gräfin spielte und sang. Nach einem sehr richtig und schön phantasirten Vorspiel über ein Thema welches ich nicht kannte, sang sie diese mir ebenso unbekannte Arie; Dalberg 1806 Einfluß der schönen Künste 62 Ein schönes Werk der Tonkunst stimmt nur ein Thema an. Dieses entwickelt sich dann in der Melodie mit all dem Reichthum, der Kraft und Anmuth, worüber die Hülfsmittel der Kunst den Tondichter schalten lassen; Hoffmann 1814 Kreisler 114 Thema eines Liedchens; Raumer 1842 England III 606 [die Nachfolger der jetzigen bekämpften Machthaber werden] dann dasselbe Thema mit Variationen aufspielen; Schlegel 1922 Kulturgrotesken 121 Draußen sang die Sonate . . . Und nun klomm das gewaltige Thema empor, höher und immer höher . . . bäumte sich wieder auf, um gleich darauf in den dunkelbrünstigen Umarmungen der Bässe ganz wieder zu verschwinden. Thematik: Thiess 1927 Gesicht 201 O b ich zwar in einem musikalischen Hause aufgewachsen bin und meine Knabenjahre geradezu durchflochten von der silbernen Thematik Beethovenscher Sonaten sind; Münch. N. N. 25. 9. 1942 [die Vorzüge des Streichquartetts op. 121] bestehen vor allem in einer strafferen Konzeption, in einer klaren erfindungsreichen Thematik und Melodik, in einer Auflichtung der harmonischen und quartettistischen Struktur; ebd. 4. 2. 1944 Und in der pantomimischen Ausführung eines [Musik-]Stücks, das nicht von bedeutender Thematik oder ihrer Durchführungsart getragen wird, kann ein primitiver Rhythmus, wie er beispielsweise in der Taktwiederholung auftritt, zum triumphierenden Beherrscher des Vorgangs werden; Süddtsch. Ztg. 30. 4. 1951 Und welche Vielfältigkeit der Thematik und Formen, welcher Reichtum der Orchesterfarben. thematisch: 1923 Almanach d. Musikbücherei 151 wie Wagner sich thematisch räuspert und wie er

Theodizee sinfonisch spuckt; 1953 Tagesztg. DDR o. S. Wieviel Freude bereitet schon die thematisch sorgfältig entwickelte . . . Ouvertüre! ( W D G ) . Thema l c : Althaus/Henne/Wiegand 1973 Lex. d. germ. Linguistik 187 Unter dieser Bezeichnung [Funktionale Syntax] sollen hier die syntaktischen Konzepte der funktionalen Grammatiken . . . und der inhaltsbezogenen Grammatik . . . sowie andere, z. B. die von der Thema-Rhemagliederung als spannungsbegründendem Prinzip des deutschen Satzbaus ausgehenden Konzepte . . . zusammengefaßt werden; ebd. 190 Die ThemaRhema-Gliederung begründet die kommunikative Spannung des Satzes und ist eines seiner wichtigsten Strukturprinzipien . . . daß der ersten . . . Stelle im Satz besondere kommunikative Funktionen zukommen, z. B. Thema-Setzung, Verknüpfung mit Vorausgegangenem; ebd. 227 So unterscheidet er z. B. die „einfache lineare Progression", in der das jeweilige Rhema zum Thema des neuen

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Satzes wird; ebd. 315 Formal gesehen kann jede Wortart Thema oder auch Rhema sein. thematisch: Althaus/Henne/Wiegand 1973 Lex. d. germ. Linguistik 227 hat versucht, mithilfe der Unterscheidung verschiedener „thematischer Progressionen" die Möglichkeiten der FSP [Funktionelle Satzperspektive] für die Analyse von Satzstrukturen vorzuführen. Thema 2: Thurneisser 1583 Onomast. II 178 in einem Geburts Themate gefunden; Schleiden 1855 Studien 249 die Anfertigung eines Thema oder Horoskop. Thema 3: Althaus/Henne/Wiegand 1973 Lex. d. germ. Linguistik 149 In den germ. Dialekten gab es einst den Unterschied zwischen Zus. mit (nichtpleremischem) Thema-/Bindevokal . . . und Zus. mit (pleremischem) Flexiv in der Fuge.

T h e o d i z e e F . ( - ; - n ) , M i t t e 18. J h . ü b e r n o m m e n aus gleichbed. frz. (1710

von

Leibniz

'Gott(-heit)'

geschaffene

(Etymon

auch

Neubildung,

zurückgehend

auf

theodicee

griech.

9eög

zahlreicher anderer entlehnter Bildungen wie

Theo-

g o n i e , - S o p h i e , - p h a n i e , —> T h e o l o g i e , —* T h e o k r a t i e ) u n d ÖIKT) ' G e r e c h t i g k e i t ' ) ; i m Z u s a m m e n h a n g m i t d e r V e r t e i d i g u n g d e s T h e i s m u s g e g e n ü b e r d e m A t h e i s m u s als Fachausdruck

der

Philosophie

verwendet

in

der

Bed.

'(schriftlich

abgefaßte

A r g u m e n t a t i o n zur) Rechtfertigung der G ü t e , A l l m a c h t und Gerechtigkeit a n g e s i c h t s d e s ( s i n n l o s e r s c h e i n e n d e n ) B ö s e n in d e r v o n i h m g e s c h a f f e n e n Versuch,

die

Güte,

Allmacht

und

Gerechtigkeit

Gottes

mit

dem

Gottes Welt;

menschlichen

L e i d e n in d e r W e l t in E i n k l a n g z u b r i n g e n ' ; i m 1 9 . / 2 0 . J h . a u c h g e l e g e n t l i c h a u f d i e philosophische Gotteslehre und natürliche Theologie Mendelssohn 1755 Gcspr. I 30 [l.oibniz ist] ein Deutscher, ob er gleich seine Theodicee französisch geschrieben; Gerstenberg 1767—71 Rezensionen 23 Der darin enthaltene Essai sur le bonheur des êtres intelligens [von Sulzer] ist eigentlich eine Art von Theodicee, die Weisheit und Güte Gottes bey der gegenwärtigen moralischen Anordnung der Welt, und der Anlage, welche Gott zur Glückseligkeit verständiger Wesen gemacht hat, ins Licht zu setzen; Blumauer 1782—87 Gedichte (III 113) Und wären in der biblischen PandoraBüchse unbesehen Die Güter all geblieben, Sagt selber, hätte Leibniz je Die göttliche Theodicee Zu unserm Trost geschrieben; Bürger 1789 Gedichte (III 168 Vorr.) Wenn das aber auch Iiiaden und Theodizeen wären, so ist offenbar ein solcher Verlust eine wahre Kleinigkeit; Herder 1802 Adrastea III (XXIII 472) Theodizee Leibnitzens;

ausgedehnt.

ders. vor 1803 (V 75) Zoroasters Staatsreligion [wird] eine Art philosophischer Theodicee ( K E H R E I N ) ; Schiller vor 1805 briefl. (III 76) Ich weiß nicht, ob ich dir schon davon geschrieben habe, daß ich damit umgehe, eine Theodicee zu machen ( K E H R E I N ) ; Riehl 1885 Vorträge II 191 wie schon Leibnitz gezeigt hat, der „Dichter" der Theodice, welcher in seiner Person eine Allianz des Philosophen, Theologen und Naturforschers darstellte; Wollf 1909 Theodizee 1 Anm. Unter Theodizee versteht man die Verteidigung der höchsten Weisheit des Welturhebers gegen die Anklagen, welche die Vernunft aus dem Zweckwidrigen in der Welt gegen jene erhebt; Österreich. Zsch. f . Gesch. 8 (1917) 166 In einer Art moderner naturwissenschaftlicher Theodizee läßt er aus den brauenden Nebeln der Weltwerdung die Menschheit entstehen, die . . . der Einheit zu läuft; 1929

Theokratie

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Jahrbuch Dichtung 142 Entwicklungsgedanken der Leibnizschen Theodizee und Monadologie bis zu Goethe; Gebauer 1932 Kulturgesch. 190 wegen des in der Welt vorhandenen Übels wird Gott in den umfangreichsten Ausführungen der „Theodizee" gerechtfertigt. Leibniz hat seine Philosophie in zahlreichen Abhandlungen und Briefen niedergelegt, dann vor allem in den „Essais de Théodicée sur la bonté de D i t u " ; Wust 1936 Ungewissheit IV 32 das wiederholt aufgerollte Theodizeeproblem mit seiner dreifachen Unterscheidung des Übels; Weizsäcker 1949 Weltbild 158 Naturgesetz und Theodizee (Uberschr.). . . wie die Theodizee nach dem Muster der Extremalprinzipien der Physik

gebaut ist; ebd. 159 Leibniz hat es gewagt, die wirkliche Welt als die beste der möglichen Welten zu bezeichnen . . . Läßt sich dieses einsehen, so ist Gottes Schöpfung gerechtfertigt, die „Theodizee" gelungen; Bavink 1950 Welt%ch. 37 Wir können auf die lange und wechselvolle Geschichte dieser Frage [wieso in der Welt Sinnvolles und anscheinend völlig Sinnloses in unverständlicher Mischung nebeneinander liegen], die im Grunde nichts anderes als das berühmte sog. Theodizeeproblem ist, hier nicht eingehen; 1958 Dies Univ. VI 25 die „natürliche Theologie" - seit der Aufklärungszeit auch wohl „Theodizee" genannt; Bense 1958 Ästhetik 25 klassischen Theodizee.

T h e o k r a t i e . F . ( - ; - n ) , seit f r ü h e m 1 8 . J h . n a c h g e w i e s e n , e v e n t u e l l ü b e r g l e i c h b e d . engl, theocracy,

f r z . théocratie

z u r ü c k g e h e n d auf griech. Ö e o K Q c m a ' G o t t e s -

h e r r s c h a f t ' (aus 0EÔç ' G o t t ( - h e i t ) ' u n d KQCXTOÇ ' S t ä r k e , K r a f t ; G e w a l t ; H e r r s c h a f t ' , KQaxeîv ' M a c h t , K r a f t h a b e n ; h e r r s c h e n , sich einer S a c h e b e m ä c h t i g e n ' ) ,

anfangs

a u c h v e r e i n z e l t in d e r g r i e c h . F o r m ; als F a c h a u s d r u c k d e r ( S t a a t s - ) P h i l o s o p h i e z u r B e z e i c h n u n g einer H e r r s c h a f t s f o r m ,

in d e r ein g ö t t l i c h e s W e s e n als d e r alleinige

I n h a b e r d e r s t a a t l i c h e n G e w a l t u n d die i r d i s c h e n M a c h t h a b e r ( m e i s t P r i e s t e r , a b e r a u c h K ö n i g e o . ä . ) n u r als d e s s e n S t e l l v e r t r e t e r v e r s t a n d e n w e r d e n , b e s . a u f das a l t testamentliche Israel, A l t ä g y p t e n , Tibet, aber auch auf das mittelalterliche E u r o p a b e z o g e n ; d a z u seit A n f a n g

1 9 . J h . die adj. A b l e i t u n g t h e o k r a t i s c h ' a u f e i n e / d i e

T h e o k r a t i e b e z o g e n , a u f ihr b e r u h e n d , ihr g e m ä ß ; in d e r A r t einer T h e o k r a t i e ' u n d das in j ü n g s t e r Z e i t g e b u c h t e S u b s t . T h e o k r a t M . ( - e n ; - e n ) ' A n h ä n g e r ,

Vertreter

eines t h e o k r a t i s c h e n S y s t e m s ' . Theokratie: Sperander 1728 A la mod Sprach o. S. Theocratia, Göttliches Regiment, da Gott unmittelbar das Regiment führet, dergleichen bey denen Juden im alten Testament geschähe, ehe sie von dem Propheten Samuel einen König begehrten; Milton 1754 Verl. Paradies (Übers.) II 287 Anm. Theocratie; Herder 1780 Einfluss (1X321) Der reinste Despotismus sollte wohl nach Absicht des Gesetzgebers die Jüdische Theokratie werden; ihr Führer errettete sie ja eben aus dem Glutofen der Dienstbarkeit Ägyptens und gab ihnen Gesetze Gottesdienstlicher Verfassung; Michaelis 1785 Mos. Recht I 165 Theokratie der Israeliten; Herder vor 1803 (XXXIV 119) Wollen wir Moses Gesetzgebung nicht Theokratie, so laßt sie uns Nomokratie nennen ( K E H R E I N ) ; Haller 1808 Staatenkunde 159 Priester-Staaten (Theokratien); Wieland vor 1813 (XXXII 79) Eine neue Art von Theokratie und Hierarchie zu gründen (KEHREIN); Fichte 1813polit. Fragm. (VII 611) Der Geist der alten Zeit ist irdische Theokratie, der der modernen, himmlische; der irdische Staat muss daher durchaus auf den himmlischen aufgebaut

seyn, seinen Geist verwirklichen, und ist nur als Glied desselben zu begreifen; Steffens 1817 gegenwärtige Zeit I 216 jene Ansicht, die das Göttliche des Staats mit seiner ganzen Fülle in einem jeden . . . setzt, durch welche allein die Treue gegen den Herrscher, der Gehorsam gegen die Gesetze einen lebendigen Sinn erhalten, durch welche alle Formen des Staates sich zur wahren religiösen Theokratie steigern; Haller 1820 Restauration II 14 die geistlichen Staaten (Hierarchien, Theokratien); Dalberg 1830 Betrachtungen 83 unter Gregor VII [entstand] eine so furchtbare Theokratie, dass alle Reiche unter die Gewalt des Papstes, als unter das vermeintliche Organ der Gottheit, gebannt wurden; Frantz 1862 Kritik aller Parteien 34 Das göttliche Recht ist eine Theokratische Lehre, und selbst das Grundprinzip der Theokratie; Riehl 1865 Vorträge I 384 oder aus welches einzelnen Sterblichen Haupt wäre denn der Lehensstaat, oder die antike Republik, oder die orientalische Theokratie entsprungen?; Holtzendorff 1869 Principien 208 Berechtigung der Theokratie; Treitschke 1897 Politik II 6 Die Theokratie des

Theologe Aristoteles . . . ein Staatstum von gewaltiger Kraft; ebd. II 7 die Theokratie, die seit Jahrtausenden alle asiatischen und viele afrikanische und amerikanische Urstaaten beherrscht hat, als eine ganz eigene Staatsform [neben Monarchie, Aristokratie und Demokratie]; Haeckel ¡913 LW. 471 Theokratie der Kirche; Tönnies 1931 Soziologie 38 in der politischen Form der Theokratie und des Cäsaropapismus; ebd. 43 Durch das Christentum aber und seine Kirchen gewann eine besondere Bedeutung die jüdische Theokratie: die Könige David und Salomo wurden vielfach für die christlichen Kaiser, Könige und Fürsten geweihte Vorbilder; Hausenstein 1935 Wanderungen 175 [der Frankfurter Dom] ein Kapitel der alten, von Karl dem Großen hergeschriebenen deutschen Theokratie; Fraenkel 1957 Staat 151 die Voraussetzungen für die Entfaltung . . . politischer Freiheit jenseits der Extreme von Theokratie und Cäsaropapismus (MÜLLER); 1963 Hoffnungen 14 da sie [die Juden nach der babylonischen Gefangenschaft] keinen politischen Staat mehr hatten, gründeten sie sich allein auf den einen Gott . . . als Theokratie im politischen Gehorsam gegenüber der Weltmacht erst der Perser, dann der hellenistischen Herrscher, dann der Römer; Enzensberger 1964 Einzelheiten I 10 wenn das [Monopol] der Theokratie gebrochen ist und mit ihr der Glaube an Offenbarung und Erleuchtung (MÜLLER).

theokratisch: Planck 1809 christl. -kirchl. Gesellschafts-Verf. V 17 Behauptung des theokratischen Prinzips, nach welchem die höchste weltliche wie die höchste geistliche Macht in den Händen des Pabst vereinigt seyn sollte; Hegel 1822 oriental. Welt 271 theokratischen Aristokratie; ebd. 272 theokratischen Monarchie; Vico 1822 Grundzüge (Übers.) 37 in den Zeiten der theokratischen Regimente des Heidenthums; Ancillon 1831 Extreme II 9 Bei den Indiern, bei den Ägyptiern,

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bei den Juden, wo die Gewalt in den Händen des Priesterstandes, und die Regierung rein theokratisch war; Görres 1836-42 Mystik V 55 Unter theokratischen Formen ( K E H R E I N ) ; 1839 DVjS II 240 geht noch jetzt ein theokratisches Element durch das Leben der Indianer; Görtz 1854 Reise III 35 theokratische Staaten . . . in denen die religiöse Vorschrift der Staatsordnung als Grund dient; Fallmerayer 1859 Versuche III 500 theokratischen Gemeinwesen des Alterthums; Frantz 1862 Kritik aller Parteien 34 Das göttliche Recht ist eine theokratische Lehre, und selbst das Grundprinzip der Theokratie; Stahl 1863 Parteien 43 Energie des theokratischen Ideals; Riehl 1865 Vorträge I 396 Im theokratischen Staat bringt man die Staatslehre in den Katechismus, im menschlich verfassungsmäßigen Staate soll man's nicht; ebd. (1885) II 243 Zuerst war die Zeit des theokratischen Absolutismus. Der König von Gottes Gnaden ist ein Despot, aber er ist doch ein ganzer König; Treitscbke 1897 Politik I 70 Man mag eine solche theokratische Staatsallmacht scheußlich finden, aber daß dieser Staat ein Staat war, läßt sich nicht leugnen; Nilsson 1911 Primitive Religion 57 theokratischen Staaten; Harden 1927 Versailles 130 Die Zeit theokratischer Vorstellungen ist für den Weltwesten unwiderbringlich dahin; Tönnies 1931 Soziologie 43 das Römische Reich, das in seiner späten Phase den theokratisch-orientalischen Charakter nachbildete und auch in das in christlichem Sinne Heilige Römische Reich sich fortsetzte; Süddtsch. Ztg. 14. 4. 1950 Und das erste Beispiel einer mit organisierter Freiheitsbeschränkung und Gedankenpolizei arbeitenden Staatsherrschaft — das theokratische Regiment Calvins und des Genfer Rates — zittert als ein Exempel der Schreckensherrschaft; Maritain 1950 Hum. (Übers.) 81 die theokratische Utopie im strengsten Sinne des Wortes; FAZ 14. 8. 1971 Auf theokratischer Grundlage müßte unsere Ehe aufgebaut werden (Anzeige).

Theologe M. (-n; -n), auch Theologin F. (-; -nen), Mitte 14. Jh. entlehnt aus mlat. theologus 'Gelehrter der Heiligen Schrift; bibelkundiger Kirchen-, Glaubenslehrer' ( < lat. theologus 'jmd., der über Gott und göttliche Dinge forscht und lehrt' < griech. (Adj.) BeoXöyog 'von Gott und göttlichen Dingen redend, lehrend', aus öeöc; 'Gott(-heit)' und Xöyog 'Wort, Rede; Kunde, Lehre', zu Xeyetv 'sagen, reden'), anfangs in der Form Theolog, in der Reformationszeit vereinzelt in aus pejorativer Absicht entstellten Formen wie Thollogus, Theolieger, und bis ins 18. Jh. häufig in der lat. (flekt.) Form; im Bereich der christlichen Konfessionen in der Bed. 'jmd., der die Heilige Schrift studiert (hat) und damit besonderes Wissen von Gott und göttlichen Dingen besitzt; jmd., der die Heilige Schrift auslegt und

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Theologe

darüber lehrt; christlicher Gottes-, Religions-, Glaubensgelehrter; christlicher Religions-, Glaubenslehrer', später zunehmend eingeengt auf 'jmd., der an einer (kirchlichen) Hochschule Theologie studiert (hat), lehrt; christlicher Religionswissenschaftler', auch 'Geistlicher; jmd., der sich (durch das Studium der Heiligen Schrift, der Theologie) auf den geistlichen Stand vorbereitet'. Daneben im 15. Jh. vereinzelt gleichbed. Theologicus (subst. M. von lat. theologicus, —» theologisch), und, meist pejorativ verwendet, von Mitte 15. bis ins 18. Jh. belegtes, wohl in Anlehnung an —» Sophist gebildetes Theologist (vgl. die gelehrtenlat. Bildung Theologista), vom späteren 16. Jh. bis Ende 18. Jh. Theologant ( < gleichbed. mlat. theologans, zu theologari 'göttliche Dinge studieren; von göttlichen Dingen reden, lehren') mit der dazugehörigen adj. Ableitung theologantisch, und im 18./19. Jh. bezeugtes, pejorativ verwendetes Theologaster. Theologe: 1355 Schachb. 161 ein meisterlich theologus ( M Ö L L E R ) ; 1470 (Odiger 1953 Bildung 13) Theolog; Niclas v. Wyle 1478 Transl. 251 O b nu wol gnediger herre die theologi vii arguwierent und probieren vnmuglich sin, daz ain mensche in ainen esel verkeret werden mug; 1502 Die Offenbarung S. Johannis des Theologen (Titel) ( D W B ) ; Gengenbach 1516 Couchmatt 140 O ir theologi wyt vnd breit Die do sindts salttz der Christenheit; Luther 1520 An den Adel 69 meine lieben theologen haben sich ausz der muhe und erbeit gesetzt, lassen die biblien wol rügen, und lessen sententias ( D W B ) ; 1521 Karsthans 102 auch nit wie got mensch sey worden, oder der gleichen, wan die theologen die ding all durchgründen vnd bey eim nadelspitz durchneüsent; Luther-Emser 1521 Str. II 30 Und wie wol er [Luther] die selbigen wort tzum teil lougnen, tzum teil ytzo auff die Leypsischen Theologem, itzo auff den bapst vnnd Eckium dewten wil; ebd. II 37 Ach du armer elender theologus, wy last du dich den tewfel so gar vorblenden; ebd. II 82 er [Origenes] gab sich zu seher auff denselben geystlichen synn, der nit nott war, vnd ließ den nöttigen schrifft synn faren, denn damit gaht die schrifft vnter, vnd macht man nymmer mehr grund gute Theologen; ebd. II 101 Szo soll es eynem versifexen gehn, wenn er ein philosophus vnd Theologus sein wil; N u hat aleyn die schul tzu Leyptzk gar vil treffenlicher menner auffgetzogen, die der Christenheit ser nutz gewest, vnd noch auff disen tag an vil orten vor gute prediger, gute theologi, gute magistri, gute Juristen und artzet gehalten werden; LutherSperatus 1524 Artikel (W. XV 139) theologen . . . das ist Gottis gelerten; Rotmann 1534 Restitution 14 der geleerden de man nömet Theologenn vnde geystliken Decret Concilia; Schaidenreisser 1537 Od. 7 auch die geschafften vnd erfindung der ehesten Theologen, Philosophen, Oratoren, Poeten vnnd geschichtschreiber; Luther 1537 Schmalkald. Art. (W. L 224) Die andern werden blind und vermessen, lassen sich düncken, sie halten und

können das Gesetz halten aus jren krefften, wie jtzt droben gesagt ist von den Schultheologen. Da her komen die Heuchler und falsche Heiligen; ders. 1539 Vorr. d. dtsch. Sehr. I (W. L 660) das sie [die Papisten] mich [zu] einen zimlichen guten T h e o logen gemacht haben . . . das du habest angefangen, ein rechter Theologus zu werden; Sleidan 1544 Reden 113 Canonisten und Theologen; Spangenberg 1536 Formularbüchlein 23 Denn obwol alle Christen nicht nach dem Beruf und Amt der Kirchenregierung Theologen sind, so sind sie doch gleichwol alle und sollen alle sein rechtschaffene Theologen, das ist Gottverständige Leute, die von Gott und göttlichen Händeln Bescheid können geben denen, die sie (sonderlich wenn die Rotten solche Verwirrung einführen) darum fragen und bitten; Fabricius 1568 Surius Chronik 47h ja volle trunckene weiber / vnd narrische vnuerstendige pöffel vom leichtfertigen vnnutzen hudeluolck / barsten mit der heiligen schrifft herfur / rhumen sich gantz mutwilligklich / daß sie besser verstehen / dann einiger Theologus; Sachs vor 1576 (III 575) als ich zum theologen kam, sucht die rain lehr der Christenheit, das wort in gottes ainigkeit, da fand ich sie so manigfeltig, so widerwertig und vilspeltig ( D W B ) ; Fischart 1574 APG VIII 547 die Theologus vom Predigstul wie Sanct Jacob zu stürtzen ( R Ü T T E R ) ; ebd. 567 Wiewol es die Theologie nicht glauben ( R Ü T T E R ) ; ders. 1577 Pod. Trostb. X 657 Dan eim Theologo will es nicht gezimmen, der nimmer das Euangelio on gesaz soll predigen ( R Ü T T E R ) ; Scherer 1586 (Lepp. Schlagwörter d. Refzeit 89) Zu sollicher Ehrgeitzigen Gottesrauberey hetten die Würtenbergischen Thollogi, ohn zweifei auch geholffen; ebd. Das wir aber die Firmung . . . auffbinden sollen, daran thun dise Theolieger vnrecht; Grammann 1621 Wildschützen-Latein 61 aller Theologen vnd Geistlichen meinung; Meyfart 1636 V. d. Hochschulen 98 Allen denen Theologen, die nach dem Todte der beyden Männer Gottes / Lutheri vnd Melanchthonis das Werck verhindert; Wieland 1757 Gesch.

Theologe d. Gelehrtheit 63 Schul-Theologorum; Muratori 1772 Von d. guten Geschmacke (Übers.) 453 Wir finden in den Werken der Philosophen und SchulTheologen vielerley gute Sachen; gleichwohl suchen wir in denenselben eine gute Schreibart und Beredsamkeit vergebens; Lessing vor 1781 (X 9) der gelehrte theolog (DWB); Semler 1782 Lebensbeschr. II 7 wenn sonst der Name Theologus erst seine richtige Bestimmung begreift, so ist es ein grosses, ein wahres Wort, tentatio facit theologum; Zimmermann 1784 Einsamkeit II 503 Man weiß, wie reformirte Zorntheologen und Helvetische Cinsensusknechte wüteten gegen solche, die nicht etwa Schriftlehren selbst bestritten, sondern nur dogmatische Bestimmungen derselben; Moritz 1785 - 90 A. Reiser 350 [ich fragte ihn] ob er ein jurist sei, welcher in diesen gegenden die gewöhnliche benennung für einen Studenten ist, weil die theologen grösztenteils in klöstern studieren (DWB); Bretzner 1787 Leben I 243 finstere Theologen; ebd. 1788 (III 96) angehenden Theologen von der strengen Observanz; Laukhard 1792 Leben II 450 die Dinge so vorzutragen, daß der Buchstaben-Theologe Buchstaben, und der geistige, Geist daraus nehmen könnte; Herder vor 1803 (XVII 150) welch ein unwürdiges geschöpf ist ein eleganter theolog nach dem neuesten gewächse! (DWB); ebd. XVII 155 welcher theolog hat je diese auslegung [der Bibel] vorzüglich und glücklich getrieben ohne genauere kenntnisz der alten und ohne bildung der schönen Wissenschaften ? (DWB); Usteri vor 1827 Dichtungen III 9 die herren theologen . . . dociren und beweisen, sie wissen selbst nicht was (DWB); Goethe vor 1832 (XV 11) der theolog befreit dich von der sünde, die er selbst erfunden hat (DWB); ebd. XXV 48 da fand ich einen theologen, der in seinem fache gründlich unterrichtet, wohldenkend, aber arm war (DWB); Freytag 1886-88 Ges. W. VII 48 der Student . . . war theolog (DWB); Hashagen 1910 Kandidatenzeit 142 dass die lutherische Kirche . . . viel zu sehr eine Theologenkirche sei, sich dem wirklichen Leben viel zu fern halte; Lokal-Anz. 30. 3. 1933 Das Theologiestudium bietet zur Zeit für die Frau sehr geringe Aussichten, da ein überaus starkes Angebot von männlichen Theologen vorhanden ist . . . Es gibt allerdings Theologinnen, die an Frauengefängnissen, evangelischen Krankenanstalten . . . ihr Arbeitsfeld gefunden haben; Solger 1930 Gott u. Staat 82 Theologengott; Süddtsch. Ztg. 25. 7. 1951 Eröffnung des internationalen Theologentreffens (Oberschr.) Die Tagung vereinigt . . . Theologen (Dozenten und vor allem Studenten) aus acht europäischen Ländern. Theologant: Fischart 1572 Eulensp. II 144 Dahin gen Prag hat sich begeben Der Eulenspiegel vnd

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darneben Sich geben aus für ein Scotisten, Für ein Philosophum vnd Thomisten, Der all Questiones vnd fragen Aufflösen wöll ohn alles plagen . . . Solchs verdroß die Theologanten, Daß man sie machen wolt zu schänden, Die Magistros vnd Doctoren; ders. 1579 (Lepp, Schlagwörter d. Refzeit 89) Leset die gantze Bibel durch vnd durch, vnd ich will den Theologanten im Quodlibet eine Kanne Weins zum besten geben; ebd. Die roemischen Theologanten; ebd. Da mueßten die Lutherischen Zwinglischen vnnd Calvinischen widerumb das Land einnemmen, und alle die geschorne Koepff, mit allen den Roe Sophisten vnd Theologanten . . . das Feld räumen; ders. 1582 B. (1847: 115) theologantenhaub oder caputium werde in Loewen brüch oder latz genannt; ders. 1582 Garg. 236 als eim . . . unverschämter Janeptischer Ignorant unnd Theologant (RÜTTER); Gichtel 1710Send-Schr. II 122 Theologanten und Baumeister; Herder 1799 Vernunft (XXI 336) Ohne Känntniß der Sprachen und der Geschichte kritisiren junge Theologanten die Bibel nach der Kritik der reinen Vernunft, und schreiben ihr den rechten Sinn vor, a priori. theologantisch: Fischart 1579 (Lepp, Schlagwörter d. Refzeit 89) Vnd lassen sich beduncken, daß diß allein mehr werth ist, als alle Theologantische Doctors gugeln; Nicolai 1776 Noth. III 18 theologantische Weisheit. Theologaster: Lessing vor 1781 (X 13) wie leicht waren jene theologaster zu widerlegen, die auszer einigen miszverstandenen Schriftstellern nichts auf ihrer seite hatten, und durch Verdammung der Vernunft die beleidigte Vernunft im hämisch hielten (DWB); Herder vor 1803 (XIII 91) Köln war damals mit ein Hauptnest der Philosophaster und Theologaster; Seume 1813 Mein Leben I 43 Ein Edelmann aus Thüringen, der wol auch einmal vor einer hebräischen Schule vorbeigelaufen sein mochte, glaubte, er habe das Privilegium den jungen Theologaster zu hänseln. Theologicus: Gossembrot um 1480 (Bolte, buch 22 Anm.) Theologici.

Spiegel-

Theologist: Folz um 1460 (X 31) all theologisten ( M Ö L L E R ) ; Melanchthon 1521 (Lepp, Schlagwörter d. Refzeit 88) Widder das Wüetende Vrteyl der Pariser Theologisten; Eberlin 1521 (Lepp, Schlagwörter d Refzeit 88f.) Do erzeigen sie [Mönche] ein theologisten ernst, vnd allegieren traeffenlich lerer; Urb. Rhegius 1521 (Lepp, Schlagwörter d. Refzeit 89) Aber sich selber hat er [Murner] hoch vnd groß, vermeynet, er sey ein Jurist, vnnd zum teyl ein Theologist, kann beydes

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Theologie

nit vil übrigs; 1522 Anred AT So haben wir auch genugsam erfarenn, wie sie sich in yren disputation er zeigt haben. Die munch vnd Theologisten seint verworffen wordenn; Melanchthon 1523 (Lepp, Schlagwörter d. Refzeit 88) Uber das stifften sie kloester vnd stifft vnd hohen schulen vnd kirchen, darynnen solche lerer, prediger, beychtvetter,

doctores, Canonisten und Theologisten yr weßen mechtiglich füren; Hutten 1523 (Lepp, Schlagwörter d. Refzeit 89) Jtem das sych keiner munche wueterey, keyner Theologisten bitterkeit yehat vnderstanden, das zeuchstu [Erasmus]; Schönaich ¡754 Ästhetik 21 Theologisten.

Theologie F. (-; selten -n), im frühen 15. Jh. entlehnt aus lat. theologia, griech. öeoXoyia 'Untersuchung über Gott und göttliche Dinge; Götterlehre' (zu Seo^oyog, —» Theologe), anfangs in unterschiedlicher Schreibweise und bis ins 18. Jh. auch in der lat. (flekt.) Form; im Bereich der christlichen Konfessionen in der Bed. 'auf gründlicher Kenntnis beruhende gelehrte Auslegung der Heiligen Schrift; auf dem Studium der Heiligen Schrift (und der Kirchengeschichte) gründende Wissenschaft von Gott und seinem Verhältnis zur menschlichen Welt sowie allen sich aus diesen Glaubensinhalten ergebenden religiösen (Handlungsan-) Weisungen; (an einer Hochschule unterrichtete, wissenschaftliche) Glaubens-, Religions-, Kirchenlehre', gelegentlich auf nicht christliche Religionen übertragen für 'Götterlehre; Lehre, Kunde von den heiligen Dingen' und in jüngster Zeit auch auf säkulare Weltanschauungssysteme bezogen im Sinne von '(Gesamtheit der) dogmatische(n) Grundsätze, Lehren; ideologisches Glaubensbekenntnis'. Volkslied 1414-18 „Text" (Liliencron I 237) ir lerer maister hailiger geschrift, da mit ist das conzili gestift, sind vil ze Constenz zu gefaren . . . Ander maister in theologie an zal ist und gewesen ie, gar vil doctores canonisten und groß maister decretisten; Richental 1414—18 Konstanzer Chronik 44 doctor in theoloya; ebd. 53 ain gottesfürchtigen maister in der hailigen theologie Möchtind sy haben nun doctores in sacra theologia; ebd. 58 gelert herren in theologia; 1415 Volkslied 50 maister in theologie ( M Ö L L E R ) ; Folz um 1460 ML 53 der sucht theologey; Beheim 1469-72 Reimchronik 28 theologya; Luther-Emser 1521 Str. II 6 so doch in gemeltem buchlein mher edler kunst, rhetorick, philosophey vnd rechter Theologey . . . Dann in allen deynen buchern gefunden wirt; ebd. II 31 Darauff sich Eckius als ein Doctor der Theologey, der sach nit vnbillich angenomen; ebd. II 146 du machest ein groß geschrey, wie wir die yugent locken tzur philosophey vnd theologey, die wir selbs nit können; 1561 (Archiv f . Reform'gesch. 8 (1911) 197) sovern ir unsern bevel inhalt unsers jüngsten schreybens angeregter wort halben noch nit verrichtet, ir wollet mit bederseits unsern teologien doraus reden, das sie . . . lauter anzaigen wollen, do diese wort des Calvini und Zwingli halben je bedenklich sein sollen; Sleidan vor 1556 (128°) der gelehrte und kunstreiche teufel, so in den rechten und theologi erfaren (DWB); Fischart 1570 Nacht Rab I 58 Er solt auff Theology

begeben; Albertus 1573 Grammatik 139 der Ketzer Theology; Sachs vor 1576 (III 574) da hab ich gelesen etlich büchlein im walde hie durch etlich new theology (DWB); Spangenberg 1607 Ganss König Vorr. 6 auss diesen der Seelen dreyfachen Übungen endstehen drey Fürnembste Faculteten: auss der Geistlichen Theologia; Opitz 1624 Poeterei 8 die poeterei ist anfanges nichts anders gewesen als eine verborgene theologie, und Unterricht von geistlichen Sachen (DWB); Zinkgref vor 1635 (I 177) die artzney, sagt er, macht kranke, die mathematik traurige, und die theologey sündhafte leut (DWB); ebd. I 224 jetzo sehe er, ob es zwar umb die andere studia und die freie künste ein herrlich werk sei, so sei doch . . . eintzig und allein die theologi diejenige, so uns rechten beständigen trost und muht mittheilete (DWB); Winckelmann 1649 Bedencken 121 Theologey; Happel 1690 Roman 180 Sein Landsmann, ein sehr frommer und bei jedermann beliebter, gelehrter Studiosus Theologiae, kam aus seiner Studierstube herzugelaufen; Gichtel 1710 Send-Schr. II 278 Schul-Theologie; Schamel 1717 Formular-Büchlein 11 Theologie im dritten Himmel erlernet; Crusius 1722 Portrait aller Wiss. 3 die gantze Theologie oder Glaubens-Lehr; Ritter 1723 Fl. Illyricus 8 die Theologie oder Gottes-Gelahrtheit; Brucker 1731 Fragen 111 Ius naturae, das ist, das Recht der Natur, wovon die Natürliche Erkenntnis Gottes, oder Theologia naturalis, ein wichtiges Stück ist; Herrliberger 1746 Ceremonien

Theologie (Af 8 die Schul-Theologic, nach des Aristoteles Philosophie; Zinzendorf 1747 Herrnhuter Litanei (ZfdW VII 13) Seitdem die Hertzens-Theologie aufgekommen ist, so hört man nicht mehr viel von Conversis; Wieland 1757 Gesch. d. Gelehrheit 26 Es fehlte gar nicht an vortrefflichen Genien, sondern nur daran, daß sie nicht cultiviert wurden, daß der Aberglaube und der Despotisme ihnen Fesseln anlegte, und daß sie genöthiget wurden, sich auf die Diatribe und die Schultheologie zu applicieren; ebd. 50 f. Petrus Lombardus war der erste Professor Theologiae auf der Schule zu Paris; Basedow 1764 Philalethie III Unter diesen vier Teilen [der theoretischen Philosophie] sind die zwey vorzüglichsten die Psychologie oder von der Seele, und die natürliche Theologie oder von Gott; ebd. I 14 Theologie, oder die Lehre von Gott und der Religion; Muratori 1772 Von d. guten Geschmacke (Ubers.) 361 Die Theologie bestehet nicht in dem, wie etwan dies unserm Verstände zu seyn scheinet, auch nicht in den menschlichen Vernunftschlüssen, sondern in dem, was Gott geoffenbaret, und was vermittelst der Schrift und Uebergabe durch die Kirche auf uns gekommen; Wieland 1780 Oberon VI 24 er war im glauben stark, wiewohl an kenntnisz schwach, und die theologie war keineswegs sein fach (DWB); Zimmermann 1784 Einsamkeit I 352 die Kernprobe dieser Vereinbarung ist, nach der Erfahrungstheologie der Sophis, eben die Wollust die ein von Hitze Stickender hat, wenn ihn ein sanfter Wind umsäuselt; ebd. I 144f. Mystik ward aber auch Bedürfniß, Kühlung und Labsal für viele gute Menschen, in Zeiten da eine unsinnige Schultheologie alle Religion verdrängte; ebd. II 510 Nicht die Religion sondern Mönchstheologie, war die Ursache aller Spaltungen, Lasterungen, Rasereyen, Greuel und Blutvergiessungen der christlichen Kirche; Moser 1784 Patriot. Archiv I 491 Theologie war, wenn das Wort Gottes weniger gehört ward, als das Wort der Menschen, immer ein Zeughaus, woraus der Eigennuz, Hochmuth, Wollust und Stupidität Waffen holten, um sich der Tugend und Wahrheit zu erwehren; Bürger 1787 Anweisung z. dt. Spr. III 30 Der Gottesgelahrtheit obliegen, ist eine altfränkische Prunkphrase. Theologie studieren ist nicht nur gebräuchlicher, sondern auch weit natürlicher und ungezwungener; Bretzner 1787 Leben II 260 daß der schändliche Verführer Theologiam studirt und mit Eid und Schwur ihr ewige Treue zugesagt habe; 1791 Journal v. u. f . Deutschland II 783 Auf den meisten Katholischen Universitäten pflegt man diejenigen, welche noch Philosophie, Theologie, und Jurisprudenz studiren, schon Philosophen, Theologen und Juristen zu nennen; Heinzmann 1792 Feyerstunden d. Geschäftsmannes 654 Herzenstheologie, oder Mystik;

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Seume 1813 Mein Leben I 43 Er war ein Muster von Exegeten in jeder Rücksicht, ausgenommen vielleicht in der Theologie, wo er mit ängstlicher Ehrlichkeit zu sehr an der vorgeschriebenen Formel hing: und so wacker der Mann als Theolog war, hat nach meiner Uberzeugung die Theologie an ihm doch nicht so viel gewonnen als die Philologie verloren; Krause 1828 System d. Philosophie 18 In allen bisherigen systematischen Versuchen der philosophischen Wissenschaft findet sich Theologie und Kosmologie, findet sich Physiologie oder Naturphilosophie, Psychologie, Anthropologie; ebd. 27 soll aber in der Benennung der Wissenschaft auch der Inhalt und Gegenstand bezeichnet werden, so ist sie Wesenlehre, Wesenwissenschaft; und wenn anerkannt ist, daß Wesen und Gott dasselbe bedeutet, so kann die Wissenschaft auch genannt werden: Gottlehre oder Gotteslehre; will man griechische Bezeichnungen: Theologie, Theognosis; Ziegler 1903 Kultur 86 im eigentlichen Sinne des Wortes Theologie, die Lehre von Gott; 1922 Festschr. a. Merkle 117 Das Wort „Theologie", unter dem man, wenn es ohne Zusatz gebraucht wird, gemeinhin, die christliche Theologie versteht, hat neben seiner ursprünglichen Bedeutung schon längst einen viel weiteren Sinn bekommen, in dem es die wissenschaftliche Erkenntnis des Christentums nach allen Seiten seines Wesens und seines Wirkens bezeichnet; Tucholsky vor 1935 Werke 1303 Denn es gibt eine kommunistische Theologie, die so unleidlich zu werden beginnt wie die der katholischen Theologen: Mißbrauch des Verstandes, um einen Glauben zu rechtfertigen (MULLER); Lokal-Anz. 27. 11. 1934 Bonner Theologieprofessor Barth amtsenthoben (Uberschr.); Hahne 1935 Volkheit 19 Gottschau und Gottkündung, die längst nicht mehr nur Theologie sein kann; Brandl 1936 Inn 233 katholischen Theologiefakultät; Wort u. Wahrheit 5 (1950) 488 eine bedauerliche Verengung im landläufigen „Theologiebetrieb"; Siiddtsch. Ztg. 17. 5. 1957 Ein waches Gewissen, ein „Gehorchen im Widerstand" seitens der Anerkenner einer Autorität, zwingen deren Träger zur Selbstprüfung . . . Eine „Behelfstheologie" . . . bedeutet . . . eine Verengung und Selbstverstümmelung wahrer Autorität, die deren völlige Entmachtung zur Folge hat; Fraenkel 1957 Staat 152 Die Theologie Luthers geht aus von der ganz persönlichen Bindung des einzelnen Christen an Gott (MULLER); ebd. 192 Als Dogmatik einer Säkularreligion hat er [der Marxismus] ein ähnliches Schicksal gehabt wie die Theologien religiöser Bewegungen (MULLER); NZ. (Basel) 3. 5. 1970 Theologie des Kommunismus (Uberschr.) Sie [die schweizerische kommunistische Bewegung] hat einen Denker hervorgebraucht, der sich . . . dem

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theologisch — theologisieren

Thema „Theologie" zugewandt hat: Konrad I Beschäftigung mit dem Christentum liegen nun in Farner. Die literarischen Früchte dieser seiner I einem Sammelband „Theologie des Kommunismus?" vor.

t h e o l o g i s c h Adj., im späteren 16. Jh. aufgekommene Ableitung zu —> Theologe, —» Theologie, zurückgehend auf griech. öeoXoyiKog, lat. theologicus 'zur Götterlehre gehörig; die Kenntnis von Gott und den göttlichen Dingen betreffend', vgl. das im frühen 15. Jh. vereinzelt bezeugte lat. Adv. t h e o l o g i c e ; in der Bed. 'auf die (Kenntnis der) Heilige(n) Schrift bezogen; auf die Theologie bezogen, die Theologie betreffend, zur Theologie gehörig, auf der Theologie beruhend', auch für 'auf (die) Theologen bezogen; geistlich'. Daneben seit späterem 18. Jh. das Subst. T h e o l o g i c u m N . (-s; Theologica) 'theologische Frage'. theologisch: 1564 Germ. XXVII 395 politische und theologische räth (DWB); 1563 Heidelberger Katechismus 8 mit rhat vnd zuthun Unserer gantzen Theologischen Facultet; Fabricius 1568 Surius Chronik 11" hatt die Theologische facultet zu Mentz / auß anweysunge vnd exempel des Baseischen Concilums / vnd der Theologen zu Pariß vnd Cöln / ernstlich verordnet und beschlossen; Fischart 1570 Nacht Rab I 34 Theologisch Person; ders. 1575 Garg. 42 das Theologisch in Ewigkeit Amen (ROTTER); Spangenberg 1607 Ganss König Vorr. 7 Dann gleich wie in Geistlichen Sachen viel schöner, herrliche Theologische Bücher geschrieben vnd an tag geben sind; Schuppius (vor 1661) 764 ein Spiegel, in welchem wir uns täglich beschauen sollen, ist theologisch oder politisch, der theologische ist das Wort Gottes (DWB); Erlass der Württemberg. Kirchenbehörde 20. 2. 1683 Es sollen die Pastores samt ihren Weibern und Kindern ehrbarer und theologischer Kleidung sich bedienen; Wieland 1757 Gesch. d. Gelehrtheit 51 Petrus Lombardus war der erste Professor Theologiae auf der Schule zu Paris; und darauf wurde auf allen Schulen eine theologische Fakultät, wie man es nannte, errichtet; Goethe 1757 Labores juv. (XXXVIII 206) solche Weine . . . welche Theologische genennet und mit denen dreyen Buchstaben C O S bezeichnet; Kindleben 1779 Schluterius 171 theologischen Lehrgebäude; Laukhard 1799 Annalen der Univ. zu Schiida III 14 nachdem aber der Wein

den beiden theologischen Doktoren zu Haupte gestiegen war . . . sprachen sie so untheologisch, daß Schwarz vor Ärger und Scham hätte vergehen mögen; Goethe 1827-42 (W. XIX 311) Das ists, was ich mit geflissentlicher Vermeidung aller theologischen Systemsprache mit größter Wahrheit sagen kann (KEHREIN); J. G. Hoffmann 1843 Kl. Sehr. 305 In der theologischen Fakultät wird die Licentiatur nur gesucht, um dadurch und durch die nachfolgende Habilitation die Befugnisse zu erhalten, theologische Vorlesungen als akademischer Privatdozent zu halten; Tillich 1926 religiöse Lage 7 fachtheologisch; Brandl 1936 Inn 215 theologischen Unwissenheit; Fraenkel 1957 Staat 192 Heute . . . geht die Kirche in zunehmendem Maße dazu über, zur modernen Demokratie ein ihr wesensgemäßes, d. h. theologisches Verhältnis zu entwickeln (MÜLLER). theologice: Volkslied 1414—18 „Text" (Liliencron I 254) Allmechtiger got, das alls ich pitt, gib ihm Vernunft und weishait damit, daß er künn sprechen . . . gar maisterlich rhetorice sein wort si theologice zu got auf anagogice. Theologicum: Michaelis 1779 Räsonnement II 279 Anzahl wirklich arbeitender, und wahre theologica lesender Professoren; Jäger 1835 F. Schnabel 54 fleißig theologica studiren; Wort u. Wahrheit 5 (1950) 880 ein Theologicum.

theologisieren V. intrans., im frühen 16. Jh. vereinzelt bezeugte, erst seit Anfang 19. Jh. kontinuierlich belegte Ableitung zu —» Theologe, —> Theologie; in der Bed. 'sich mit theologischen Fragen beschäftigen, Theologie betreiben; sich in theologischen Denkformen bewegen; Theologe sein; sich als Theologe aufführen, den Theologen spielen'; dazu seit frühem 20. Jh. das Verbalsubst. T h e o l o g i s i e r u n g F. ( - ; selten -en) 'Einbeziehung eines Gegenstands in den Bereich der Theologie;

Theorem

231

Betrachtung eines Gegenstands unter theologischen Gesichtspunkten' mit der schon seit späterem 19. Jh. belegten dazugehörigen antonymischen Präfixbildung Enttheologisierung F. (-; selten -en). Daneben seit späterem 19. Jh. das Subst. Theologismus M. (-; Theologismen) 'theologische Weltbetrachtungsweise; theologisch beeinflußte Weltanschauung' und seit früherem 19. Jh. (gebucht 1831 bei Oertel) das aus griech. 0eoXoyot3neva 'Untersuchungen über Gott und göttliche Dinge' (N.P1. des Part. Präs. von öeoXoYeiv 'über göttliche Dinge Untersuchungen anstellen und reden', zu QeoXöyog, —> Theologe) übernommene Subst. Theologumena (kollektiver PI.), dann auch Theologumenon (Sing.) 'Frage(n), Problem(e) aus dem Bereich der Theologie; theologische Abhandlung(en)', im 20. Jh. im engeren Sinne für '(nicht zum Dogma erhobener, zur eigentlichen Glaubenslehre gehörender) allgemein anerkannter theologischer Lehrsatz'. theologisieren: Luther-Emser 1521 Str. II 122 Sihistu schier meyn Munarr, was da sey mit blosser vornunfft on schrifft Theologissiern; Wieland vor 1813 (XLVI 71) Er wurde des Quodlibetalischen Theologisirens bald so überdrüssig ( K E H R E I N ) ; 1839 DVjS IV 272weshz\b Stahls Rechtsphilosophie an die übrigen theologosirenden . . . Doctrinen anzureihen ist; Holtzendorff 1869 Principien 340 Unbrauchbarkeit der theologisirenden Staatssysteme . . . die theologisirende Rechts- und Staatslehre; Schmidt 1875 Richardson, Rousseau u. Goethe 17 Moralische, theologisierende Abschweifungen bauschen Richardsons Werke zu ihrem grossen Umfange auf; Jodl 1903 (Vom Lebenswege I 40) Befangenheit des theologisierenden Caetesianismus; Troeltsch 1903 (IV 404) theologisierende Ethik des Katholizismus und Protestantismus; Berolzheimer 190} System II 248 theologisierende Abartung der Hegeischen Ideen; Schmid 1909 Mönch 11} eine theologisierende Wissenschaft auf Umwegen; Clasen 1913 Salutismus 2 die auch mit dem Herzen theologisierten . . . [und] die Kopftheologen. Theologisierung: Dtsch. Rundschau 55 (1928) 202 Theologisierung der Wissenschaft; Krauss 1949 Aufsätze 70 Theologisierung Vergils; Archiv f . Kulturgesch. 36 (19}4) 93 Theologisierung oder Dogmatisierung der Religionsgeschichte; FAZ 75.

8. 1964 Mythisierung und Theologisierung der Geschichte. Enttheologisierung: Scherr 186S Blücher I 143 Enttheologisierung; Muhs 19}0 Gesch. I 10 Enttheologisierung der Moral; Varga 19}3 Erkenntnislehre 99 Enttheologisierung des Denkens. Theologismus: Scherr 186} Blücher I Von. VI Theologismus; ders. 188} Germania 279 Der Theologismus — einerlei, ob Katholisch oder lutherisch - hatte guten Grund, gegen die ungeheure naturwissenschaftliche Umwälzung, welche Kopernikus, Kepler und Galilei zuwegebrachten . . . sich zu sträuben; Jodl 1920 Jodl 32 Theologismus; 1934 Orient H. XVI36 Theologismus; Schelsky 19}9 Ortsbestimmung 136 Gibt es nicht längst auch einen „Pädagogismus", einen „Theologismus", einen „Publizismus" usf. in dem Sinne, daß der Tatbestand der sozialen Wirklichkeit überhaupt nur unter pädagogischen, theologischen, publizistischen usw. Gesichtspunkten analysiert und akzeptiert wird?

Theologumenon: Süddtsch. Ztg. 27. 8. 1946 Franz Werfel: „Theologumena" (Uberschr.); Marti 1963 Literatur 49 aus einem mythisch-apokalyptischen Theologumenon.

Theorem N. (-s; -e), im späten 16. Jh. entlehnt aus gleichbed. lat. theoremu ( < griech. 0ecuQT]^a 'das Angeschaute, Betrachtete, Schauspiel; das geistig Angeschaute, Untersuchte; Untersuchung', bes. 'ein durch Untersuchung gefundener und begründeter (mathematischer Lehr-)Satz; wissenschaftliche, künstlerische Regel, Vorschrift', zu Oewqeiv, —» Theorie), bis ins 18. Jh. häufig in der lat. (flekt.) Form; zunächst als mathematischer Fachausdruck, dann auch in anderen wissenschaftlichen Disziplinen, bes. der Philosophie, verwendet in der Bed. 'in einen Satz

Theorem

232 gefaßte Formulierung

wesentlicher

(noch

zu

beweisender)

Annahmen

oder

Er-

k e n n t n i s s e , des K e r n s einer w i s s e n s c h a f t l i c h e n T h e o r i e ; L e h r s a t z ; w i s s e n s c h a f t l i c h e R e g e l f o r m u l i e r u n g ' , h e u t e speziell in d e r f o r m a l e n L o g i k in d e r B e d . ' m i t t e l s b e s t i m m t e r S c h l u ß r e g e l n aus A x i o m e n l o g i s c h a b g e l e i t e t e A u s s a g e ' ; d a z u i m 1 9 . J h . vereinzelt

das

auf gleichbed.

griech.

OeooprifiaxiKÖg

zurückgehende

r e m a t i s c h ' e i n e n L e h r s a t z b e t r e f f e n d , a u f ihn b e z o g e n ; in L e h r s ä t z e n Theorem: Helmreich 1588 Rechenbuch Vorr. a3" theoremata [in der Mathematik]; Simon Marius 1610 Euklidühers. 94 In diesem vierdten Buch Euclidis seyn lauter Problemata, vnd kein einigs Theorema (SCHIRMER, Mathematik); Schwenter 1625 Geom. Pract. I 215 Ferner daß ich bißweilen auß einem Theoremate ein Problema mache (SCHIRMER, Mathematik); Marolois 1627 Geometria (Übers.) 2 Theoremata; ebd. 11 zu allerley schönen lustigen vnd nützlichen Theorematis; 1694 Euclides 14 Problema, Theorema und berama, seynd drey Griechische Wörtlein, so Euclides denen Vorgaben vorsetzet, und wollen nichts anders sagen, als dass die Vorgab entweder ein Handgriff, eine Betrachtung, eine Erleichterung, oder Hülff dess Nachgehenden seye, ohne welchem es sonsten nicht genugsam klar könte bewiesen werden; Reyher 1699 Euklidübers. 15 Die beweißlichen Vorstellungen, oder BeweißStücke (Theoremata) (SCHIRMER, Mathematik); Wolff 1750 Anfangs-Gründe aller math. Wiss. I 21 Wenn man verschiedene Erklärungen gegen einander hält und daraus schliest, was durch eintzele Betrachtung zu erkennen, unmöglich war, so nennet man solchs einen Lehrsatz (Theorema); 1753 Leipziger Sammlungen IX 401 Theoremata und Regeln; Stigler 1757 mathemat. Wiss. Vorr. T Lehr-Sätze (Theoremata) sind, darinnen zwar ein richtiger Vortrag enthalten, welcher aber erst zu beweisen ist, ehe er als richtig kan zugelassen werden; Meier 1759 Anfangsgrunde III 192 Jene sind die aesthetischen Lehrsätze (theoremata aesthetica), und diese die aesthetischen Aufgaben (problematica aesthetica); Schlegel 1769 Fabeln 128 Und, wenn er eine Wahrheit lehrte, Nicht Theorema darüber schrieb; Schertet v. Burtenbach 1778 Beyträge 52 Die Wissenschaften werden durch Eintheilung in Axiomata, Theoremata, Consectaria etc. begreiflich und leicht gemacht; der Krieg stützet sich ebenfalls auf Grundsätze, Lehrsätze und Folgerungsregeln, welche vorschreiben, was in diesem oder jenen Fall zu thun oder zu lassen sey; Lessing vor 1781 (W. IX 206) Glauben Sie, daß die Scholia eben so gewiß sein müssen, als die Theoremata? ( K E H R E I N ) ; Musäus 1781 Physiognom. Reisen 1141 Theoremchen; ebd. III 83 den unerschöpflichen Schatz von Theoremen; Bürger nach 1791 (III 88) mit ihrer vornehmen Philoso-

Adj.

theo-

bestehend'.

phie, die . . . sich selten, vermutlich um die Unbrauchbarkeit ihrer Theoreme nicht zu verraten, zur Anwendung auf das Besondere und Einzelne herabläßt; Soden 1805 Nationalökonomie I 17 alle Staatswirthschaftlichen Theoreme; Vico 1822 Grundzüge (Übers.) 328 Theoremen und Mathe(W. LIV 166) Versuch men; Goethe 1827-42 gegen das erste Theorem des zweiten Theils des ersten Buchs der Optik ( K E H R E I N ) ; ebd. LIX 7 Theoreme, die solche Dinge aussprechen, die niemand schauen kann (KEHREIN); Hebbel 1842 (DL. CXLIII 15) modernen Theoremen über den Unterschied des Guten und Bösen; Rümelin 1867 Reden I 2 von den Gesetzen der Mathematik . . . die Mathematiker selbst aber bezeichnen ihre Wahrheiten nur als Sätze, in dem richtigen Gefühl, dass das Wort Gesez nur auf die Ordnungen der realen Welt und nicht auf Theoreme anwendbar sei, die im Wege der Deduction aus Axiomen und selbstgesetzten Prämissen abgeleitet werden; 1876 Mon'berichte Ak.d.Wiss. Berlin (1875) 793 ein allgemeines Theorem in betreff der Deformation; Dilthey 1883 Einleitg. I 26 Tatsachen, Theoreme, Werturteile und Regeln; Möller-Bruck 1901 Stilismus 6 einige der Theoreme, die mit dem Namen Stefan George verbunden sind; Lützeler 1934 Grundstile 393 Kunsttheoreme; Röpke 1946 Civitas 57 mathematische Darstellung und Verfeinerung der Theoreme; Müller-Armack 1949 Diagnose 135 dass . . . der Erfolg [der Rassentheorie] in der Öffentlichkeit einem Theorem zufiel, dessen Grenzen . . . von der Wissenschaft klar genug aufgewiesen wurden; De Man 1951 Vermassung 177 der Folgesatz des Theorems, wonach das Kriegspotential eines Volkes all seine produktiven Kräfte . . . umfasst; Hofstätter 1956 Sozialpsych. 104 Theoreme der Psychologie; Silberschmidt 1958 Entwicklung 125 das Theorem von der Wirtschaft, die sich selbst reguliert; Marti 1963 Literatur 21 Die Behauptung vom Gegensatz zwischen Literatur und Dichtung ist ein „faschistisches Theorem"; Frankel 1964 Deutschland 61 Rousseaus Theorem, dass ein Volk, das sich repräsentieren lasse, nicht mehr frei sei; 1965 Dtsch. Literaturztg. o. S. So ist er hier . . . seinem Grundsatz untreu geworden, einen konkreten Tatbestand nicht mit allgemeinen Theoremen zuzudecken (WDG); 1970 Urania o. S. Aber diese

Theoretiker Erkenntnis ist für uns kein gesellschaftspolitisch neutrales Theorem (WDG); Althaus/Henne/Wiegand 1973 Lex. d. germ. Linguistik 61 Wird in einem formalisierten Zeichensystem eine Menge von Aussagen zu Axiomen gemacht . . . so kann

Theoretiker

theoreticus,

M. (-s; -), Anfang

griech.

0EÜ)QT]TIKÖS

233

man aus ihnen deduktiv mit Hilfe genau definierter Regeln eine zweite Menge von Aussagen ableiten, die Theoreme. theorematisch: Schopenhauer 1851 Parerga I 242 theorematischen [Träume].

18. J h . a u f g e k o m m e n ,

(—> t h e o r e t i s c h ) ,

im

z u r ü c k g e h e n d a u f lat.

18. J h .

häufig

in d e r

( f l e k t . ) F o r m u n d im 1 8 . / 1 9 . J h . in d e n N e b e n f o r m e n T h e o r i s t u n d auch

Theoriker;

in d e r

Bed.

'jmd.,

der

sich

mit

etwas

(nur)

lat.

Theoricus,

theoretisch

be-

s c h ä f t i g t ' , speziell ' j m d . , G e l e h r t e r , W i s s e n s c h a f t l e r , d e r e t w a s e i n z e l n e s u n t e r d e m Aspekt

des

Allgemeinen

betrachtet,

der

das

einzelne

in

Hinsicht

auf

sein

e i g e n t l i c h e s W e s e n , seine S t r u k t u r , a u f z u g r u n d e l i e g e n d e G e s e t z e u n d W a h r h e i t e n untersucht,

z u n ä c h s t o h n e die p r a k t i s c h e N u t z a n w e n d u n g

der gewonnenen

Er-

k e n n t n i s s e z u b e a b s i c h t i g e n ' im G g s . z u P r a k t i k e r , u n d ' j m d . , W i s s e n s c h a f t l e r , G e lehrter,

der empirische Daten auswertet

und H y p o t h e s e n ,

e i n e T h e o r i e f ü r die

w e i t e r e F o r s c h u n g s a r b e i t d a r a u s e n t w i c k e l t ' im G g s . z u E m p i r i k e r , v o n d a h e r b e s . für ' j m d . , der begrifflich, schreibt',

auch

pejorativ

rein g e d a n k l i c h , für

'jmd.,

der

abstrakt denkt und Gegenstände weltferne

Gedankengebäude

be-

errichtet;

l e b e n s u n t ü c h t i g e r S p i n n e r , T r ä u m e r ' , a u c h ' j m d . , d e r s u b j e k t i v , o h n e die S t ü t z e der E m p i r i e H y p o t h e s e n konstruiert' und ' j m d . , der unanschaulich, allzu abstrakt einen G e g e n s t a n d b e s c h r e i b t ' . Theoretiker: Sturm 1714 Anw. (Architektur) HJ diejenige . . . die mich immer vor einen blossen Theoreticum ausschreyen und blamieren; Uffenbach 1728 Tagebuch 40 So stupid seye dießer große Theoreticus geweßen; allein es ist solches bey dergleichen großen Lichtern nichts Ungewöhnliches; Meier 1744 Kunstrichter 9 hier scheint mir ein schlechter Theoreticus auch ein schlechter Practicus zu seyn; Zincke 1744 (Vorr. zu Krezschmer, Vorschläge B7") Die ersten sind in diesen Sachen entweder blosse Theoretici oder zugleich practische und erfahrne Leute. Die blossen Theoretici sind zwar 6ffters bey ihren leeren Speculationibus einem Proiecten-Macher sehr ihnlich; 1750 Leipziger Sammlungen VI 58 ein gründlicher Theoretico-Practicus; Zincke 1751 — 52 Camer.Bibl. 650 Theoretici in Cammer- und Finanz-Wissenschaft; 1757 Leipziger Sammlungen XII 749 kein Anfänger und blosser Theoreticus; 1772 Frankf. gel. Anz. 498 Seit Einführung des Römischen Rechts hat sie [die Jurisprudenz] 4 Perioden gehabt. Die Periode der Glossatoren . . . die Periode der Kritiker . . . Nach diesen kamen die Theoretico-Praktici. Diese waren menschlicher als die Glossatoren; Reichardt 1774 Br. e. aufmerksamen Reisenden Vorher. 4 (ZW VIII136) Hieraus kann man nun die Unvollkommenheit vieler unserer Regeln erkennen, nach denen dasjenige, welches

den völligen Beyfall in den Augen des Theoretikers hat, oft für das Ohr sehr unangenehm sein kann, und umgekehrt; 1783 Schlözers Staatsanz. III 14 Häufig wird das Publicum vor den Theoretikern (Speculanten, Studir Stuben Politicis etc.) gewarnet; Zimmermann 1784 Einsamkeit I 143 Eine Gattung der Essäer hiessen Theoretici; diese lebten in der Abgeschiedenheit, und in bestindigem Nachdenken. Eine andere Gattung der selben hiessen Praktici; diese lebten unter sich in Gesellschaft; Matthisson 1786 Sehr. II 94 Heinse gilt bekanntlich für einen der gründlichsten und scharfsinnigsten theoretiker der musik (DWB); Heinzmann 1795 Pest d. Lit. 105 Praktische Schriftsteller haben weit den Vorzug vor den Theoretikern; Steffens 1821 Sehr. I 5 Theoretiker würde der heissen, der in der Natur nur jenes Urgesetz erkennte, das Einzelne nur in seiner Verbindung mit jenem Gesetz sähe; Athenstädt 1823 Eur. I 289 Aufgaben im Staats- und Verwaltungs-Wesen . . . die selbst dem geübtesten und erfahrensten Geschäfts- und Staatsmann praktisch zu lösen, oft nicht so leicht werden, als es manchem Theoretiker der Staatslehre wohl scheinen mag; 1836 Jahrbücher d. Gesch. II 243 Sieyes . . . der Theoretiker der französischen Revolution; Dittmann 1858 Landw. II 302 Thöricht ist es aber, wenn der Landwirth, alle Theorie verschmähend, mit Gering-

234

Theoretiker

Schätzung auf den Gewerbsgenossen herabsieht, der die Theorie bei seiner Praxis zu Hülfe nimmt, und wenn er denselben schon deshalb, weil er ihn für einen sogenannten „Theoretiker" hält, die Fähigkeit abspricht, eine Wirthschaft auf zweckmäßige Weise zu führen; Kuernberger 1877 Herzenssachen 285 Die Theoretiker fabuliren noch immer von unserer Mission, Cultur nach Osten zu tragen; wir, die „praktischen Staatsmänner" aber, fühlen die Mission, Cultur vom Westen abzudämmen; Homberger 1886 Essays 357 Der deutsche Mensch ist ein Gemüthsmensch und ein Theoretiker. Warum der Deutsche mehr im Gemüthe lebt und mehr theoretisiert als andere Kulturnationen, läßt sich nicht in zwei Worten sagen; Dtsch. Revue 25 (1900) I 5 Was in den Laboratorien und in den stillen Werkstätten unsrer grossen Gelehrten und Forscher geschaffen wird, das kommt dem ganzen Volke zu gut. Man spricht oft spottend über die „Bücherwürmer" und von den „Theoretikern", aber die Grundlage aller Praxis ist die Theorie; Voss. Ztg. 28. 6. 1929 der praktische Vorschlag Lobes (dem Geschäftsordnungstheoretiker eine ganze Menge von Bedenken hätten entgegenstellen können) . . . fand eine überraschend starke Mehrheit; ebd. 2. 8. 1931 Anhänger des Freigeldtheoretikers Silvio Gesell . . . haben jetzt einen sog. Deutschen Tauschverband gegründet; S. Fischer-Korrespondenz 1 (1931) H. 3 O b diese Konstruktion wirklich ganz . . . das Glück und die Zukunft der Masse ist, wollen wir dahingestellt sein lassen. Uns fiel auf, daß die führenden Arbeitertheoretiker Renegaten des Bürgertums waren; Winnig 1932 Weg 321 Theoretiker und Literaten; Lokal-Anz. 19. 10. 1934 Der mittelalterliche Goldmacher, der moderne Chemiker, der Erfinder des Papiergeldes, der moderne Kredit- und Währungstheoretiker, alle umkreisen mit ihrem Denken den geheimen Zauber des Goldes; Planck vor 1947 Sinn 25 der Theoretiker . . . ist in immer steigendem Maße genötigt, sich abstrakter mathematischer Hilfsmittel zu bedienen ( W D G ) ; 1954 Tageszeitung DDR o. S. Ein glänzender Theoretiker ist noch kein guter Lehrer (WDG) ; FAZ14. 3. 1970 Dieser Begriff [Praktiker] wird . . . im Gegensatz zu Akademiker gebraucht. Der Gegensatz ist jedoch Theoretiker.

Theoriker: Begardi 1539 Index Sanitatis 7" Dann etliche auß jnen / versteh auß den Dogmaticis / werden genant Theorici oder Speculatiui / vnn die andern Practici. Theorici / das seind die jhenen / so alleyn den Büchern obligen / fleissig zu erfaren / vnd gründlich zu erkündigen die kunst der artznei zu bekommen / vnn ob sie sich schon nimmer darinn geben wollen auff die Übung. Die Practici aber seind die jhenen / so studiert haben die kunst

der artznei / wie sie inn allem theyl zu üben vnd zu brauchen / zu seiner zeit von nöten sein würd / wissen hat / vnnd er sich auch des selben gebrauchs vnderzeucht vnd handelt; Herlicius 1606 Musicom. ß ^ T h e o r i c u s ; A v. Frankenberg 1646 Bedencken u. Ausschreiben 5h Vnd von den Theoricis sagt er ibidem; Herder vor 1803 Relig. (IX 190) ein christ', der an Christum thätlich glaubt . . . hat an diesem thätigen glauben mehr, als der gröszte theoriker, der allgemeine moral im buchstaben aufputzt (DWB). Theorist: Hagen 1772 Logen 5 da Sie Studiosus, Magister, Doctor und Theorist waren; Schubart 1774 Dtsch. Chronik 249 Wer es [daß die Handlung einen großen Einfluß auf die Glückseligkeit des Staates habe] einem Montesquieu, Home, Justi, Sonnenfels und andern Theoristen nicht glauben will, der lese die Geschichte; 1776 Dtsch. Mus. I 217 die ästhetischen Theoristen; Musäus 1781 Reisen III 12 der grosse Kusstheorist; Bürger 1784 Popularität der Poesie (III 18) Das hängt von den äußeren oder inneren Sinnesnerven ab, die kein Theorist anders stimmen kann, als die Natur sie gestimmt hat; ebd. 20 ich sehe, daß die Theoristen Volkspoesie zu einer Gattung machen; ebd. 23 Warum bedienen sich die Theoristen und Kunstrichter solcher Namen, mit denen jeder beinahe andere Begriffe verbindet; 1789 Handlungsbibliothek 378 Die Französischen Theoristen sind von Zeit zu Zeit auf dergleichen müssige Untersuchungen verfallen; Wackenroder 1797 H. 11 Die sogenannten Theoristen und Systematisten; Schleiermacher um 1799 Versuch (II 5) Unvermeidlich scheint es mir indessen, daß jedes Unternehmen über diesen Gegenstand [das gesellschaftliche Betragen] eine Theorie aus Begriffen zu geben, die Virtuosen als auch die Dilettanten beleidigen muß. Diese wollen . . . durch die Kritik des Theoristen, der sich vielleicht auf demselben Platz [der Schaubühne der Welt] nicht einmal versucht hat, ebensowenig gestört sein, als die Liebhaber der Kunst auf dem kleineren Theater. Sie werden sagen, nichts laufe so sehr dem feinen Betragen zuwider, als gerade hierüber allgemeine und umfassende Vorschriften zu geben. Ihnen gebe ich hier zu bedenken, daß der Theorist hier nichts anderes tut, als die Virtuosen zu ergänzen, in dem diese . . . es immer . . .versäumen, den Umriß des Ganzen zu ziehen, und jedem Einzelnen eine bestimmte Stelle anzuweisen; Schlegel 1801 — 02 Vorlesungen 4 Daß indessen das Wort schön in dieser Zusammenstellung ziemlich gedankenlos nach dem gemeinen Sprachgebrauch angewandt worden ist, erhellet daraus, daß solche Theoristen, die das Schöne, als etwas vom angenehmen und guten specifisch verschiedenes eigentlich läugneten, und entweder

theoretisch sinnliches Vergnügen oder Belehrung und moralische Nutzanwendung zum letzten Zweck der Künste machten, sie dennoch immerfort schöne Künste genannt haben; Herder vor 1803 (XVII 161) es ist unleugbar, dasz die alten theoristen, Aristoteles und Quintilian, diesen sinn der menschheit bei ihrem unterrichte mehr im auge hatten als die meisten neuern theoristen (DWB); ebd. (W. XXVI 234) Die Theoristen des Epi-

235

gramms ( K E H R E I N ) ; Goethe 1827-42 (W. XXII 248) Am widerlichsten sind die kricklichen Beobachter und grilligen Theoristen; ihre Versuche sind kleinlich und complicirt, ihre Hypothesen abstrus und wunderlich ( K E H R E I N ) ; ebd. XXXVIII 266 Die alte Forderung des Theoristen: daß ein tragischer Held nicht vollkommen, nicht fehlerfrei sein müsse, findet sich auch hier befriedigt (KEHREIN).

theoretisch Adj., im späteren 17. Jh. aufgekommen, zurückgehend auf lat. theoreticus, griech. 0eu>QT]TiK6g 'beschauend; (geistig) betrachtend; spekulativ, kontemplativ; forschend; sich mit geistigen Betrachtungen beschäftigend' (zu öetüQeiv, —» Theorie), anfangs auch in der lat. Adv.-Form theoretice und von Mitte 16. Jh. bis ins frühere 18. Jh. mit der Nebenform theorisch (über mlat. theoricus 'kontemplativ' zurückgehend auf gleichbed. lat. theoricus < griech. ÖEtDQiKÖg 'die Theoria, die Festgesandtschaft betreffend; das Zuschauen im Theater betreffend'); in der Bed. 'zur Theorie gehörig, sie betreffend, auf ihr beruhend', bes. im Ggs. zu praktisch für 'wissenschaftlich untersuchend, betrachtend; auf allgemeine Erkenntnis des Wesens der Dinge, nicht auf Nutzanwendung bedacht; auf reine Schau allgemeiner Wahrheiten gerichtet', auch pejorativ für '(bloß) ausgedacht, auf lebensfremder Philosophiererei beruhend, ohne Bezug zur Wirklichkeit; unanschaulich; unpraktisch', und im Ggs. zu empirisch für 'gedanklich, begrifflich, abstrakt, allgemein; auf die Grundlagenlehre einer wissenschaftlichen Disziplin, eines Wissensbereiches gerichtet', auch pejorativ für 'subjektiv; fiktiv; von der Empirie nicht gestützt, von der Erfahrung nicht bestätigt; wissenschaftlich unhaltbar'; in neuerer Zeit zunehmend in Zss. wie erkenntnis-, lerntheoretisch. Dazu seit Ende 18. Jh. vereinzelt die subst. Ableitung Theoretik F. (-; ohne PI.) 'Theorie; theoretische Behandlung, Untersuchung' und im 20. Jh. die Gelegenheitsableitung Theoretizismus '(nur, ausschließlich) theoretische Betrachtungsweise'. theoretisch: Weise 1673 Erznarren 83 daß man niemahls weniger Latein gekunt hat, als seit der übersichtige Autor Orbis picti mit seinen vielfältigen Büchern auffkommen, der alles, was er zu Hause theoretice vor gut befunden . . . den Schulen zu practiciren auffgetrungen hat; ebd. 163 Theoretische Irrthümer; Werdmüller 1683 Ingenieur 5 Theoretische Wissenschaft [des Krieges]; Thomasius 1688 Monatsgespräche I 669 Studien, die seinem Stande gemäß wären treiben / und solche theoretische Sachen / von welchen er disputiret; ders. 1701 Kl. Sehr. 84 Nun wollen wir nur ein wenig betrachten ob denn die Ethica des Aristotelis oder die gantze Philosophia practica nach ietzt gesetzten fundament verdiene / das man . . . sie als eine Königin aller diseiplinarum Practicarum betrachte / oder ob mit dieser gerühmten Konigin ihrem regiment es eben so eine kahle Bewandnüß habe / als mit der Herrschaft der über-

güldeten Metaphysik in denen Theoretischen Wissenschaften; ebd. 266 Ein jeder vernünfftiger Mensch wird sehen / daß mein hauptsachlicher Zweck sey / die Jugend nicht mit unnöthigen theoretischen Grillen zu plagen / sondern ihn . . . nichts als belustigende Dinge / und die alle ihr Absehen ad vitam practicam haben / beyzubringen; Sturm 1714 Anw. (Architektur) B" weil die Handwercker auch aus ihren geringsten Dingen Geheimnisse machen, daher dieser Punct mehr empirice als theoretice erlernet wird; Wagner 1724 Soldatenbibl. 267 der dritte Theil zeiget die gantze Lehre theoretisch; Scheibe 1745 Musikus 34 [die Leser] werden zwar allhier nicht wenig stutzen, daß ich . . . zwey Theile unter die Theoretischen Theile der Musik rechne, welche sie vielleicht unter die praktischen setzen; Zincke 1751-52 Camer. Bibl. IV 929 Theoretische Gelehrsamkeit; Winckelmann 1764 Gesch. d. Kunst I 23 Theoretischen

236

theoretisch

Abhandlungen; Basedow 1764 Philalethie I 10 Die Philosophie hat mit Recht zwey Hauptabtheilungen. Die erste betrachtet die Natur und ihren Schöpfer; sie heißt theoretisch; die zweite betrachtet die Pflichten und Klugheits-Regeln der Menschen und heißt praktisch, auch wohl die Sittenlehre und das Recht der Natur; 1766 Allg. dtsch. Bibliothek III /, 70 in dem theoretischen Theile dieses Buchs; Michaelis 1768 Räsonnement I 136 Endigung der theoretischen Studien; Musäus 1781 Physiognom. Reisen II 32 Wenn's practice nicht geht, dacht ich, so geht's vielleicht theoretice; Bürger 1786 Münchhausen II 203 und jeder fängt sogleich an, sich in der Ausübung dessen, was er vorher bloß theoretisch wußte, vollkommen zu machen; Schiller 1792-93 Kalltas (H. IX 151) Die theoretische Vernunfft geht auf Erkenntnis; ders. 1793 Vom Erhabenen (XII 295) das Theoretischund Praktisch-Erhabene; Goethe 1795—96 Lehrjahre (21) 48 und fand, daß die theoretischen Schriften noch meist unaufgeschnitten waren; ders. um 1800 Urtheile (W. XLVII 51) Widerstreit des Praktischen und Theoretischen; Fichte 1800 Handelsstaat Vorr. o. S. Er [der Philosoph] wird behaupten seine, wenn sie nur reintheoretisch aufgestellt worden, unmittelbar ausführbaren Vorschriften, indem sie in ihrer höchsten Allgemeinheit auf Alles passen und eben darum auf nichts bestimmtes, müßten für einen gegebnen wirklichen Zustand nur weiter bestimmt werden; Fülleborn 1802 Rhetorik 9 Bey einer theoretischen Wahrheit kommt es . . . darauf an . . . einen Begriff zu entwickeln; Kant vor 1804 (II 484) die theoretische erkenntnisz ist eine solche, wodurch ich erkenne was da ist (DWB); Goethe 1827-42 (W. XXII 245) Wegen des theoretisch-praktischen Gewäsches ( K E H R E I N ) ; ebd. XXXV 319 Die Aristotelische Lehre beherrschte zu damaliger Zeit alles, was einigermaßen theoretisch heißen wollte (KEHREIN); ders. 1828-29 briefl. (II 75) Der gesellige Mensch ist eine Art von theoretischen Menschen, und wenn ich es rieht bedenke, so zweifle ich, ob Richter [Jean Paul] im praktischen Sinne sich jemals uns nähern wird, ob er gleich im Theoretischen viele Anmutung zu uns zu haben scheint (KEHREIN); Homberger 1879 Essays 316 Und praktisch zu werden in dem guten Sinn, der keineswegs die Verleugnung des Idealen bedeutet, ist uns um so nöthiger, je mehr uns aus unserer theoretischen Vergangenheit noch eine fatale Neigung zum Theoretisieren geblieben ist; Reichenbach 1880 Roman e. Bauernjungen 61 Theoretisch kann man viele Häuser bauen, die dann, wenn man sie ohne Senkblei aufführt, zusammenstürzen; Dilthey 1883 Einleitg. 1116 Aus diesen Prämissen ergibt sich die Aufgabe, eine erkenntnistheoretische Grundlegung der Geisteswissenschaften zu entwickeln; Eucken

1904 Strömungen .39 hat. . . C h r . Wolff die Unterscheidung von theoretischer und praktischer Philosophie in Umlauf gebracht; Böhmer 1915 Sklavinnen 309 Auf alle Fälle stehen seine Handlungen als Ehemann im krassen Gegensatze zu den theoretischen Reden in der Zeit, als er sich um mich bewarb; Zfd Menschenkunde (1925) H. 1 dank den vornehmlich bewußtseinswissenschaftlichen oder, wie es gemeinhin zu eng gefaßt heißt, „erkenntnistheoretischen" Bemühungen; Näf 1930 Staat 156 das staatstheoretische Denken in den Jahrhunderten der Aufklärung; Lütge 1934 Grundherrsch. 181 gemäss der sozialpolitischen und gesellschafttheoretischen Einstellung seiner Zeit; Stuttgarter Ztg. 28. 5. 1966 Die von Experten des Bauwesens auf rund 25 Milliarden Mark bezifferten Gesamtkosten für den Bau von Luftschutzräumen in Wohnbauten nannte das Bundesinnenministerium . . . eine „theoretische Rechnung" . . . wenn alle Hausbesitzer freiwillig Schutzräume errichteten, dann würden rund 21 Milliarden Mark dafür erforderlich sein. Das Ministerium gehe aber davon aus, daß pro Jahr nur etwa 0,5 Prozent der Althausbesitzer einen Schutzbau einrichten werden. Das laufe auf Kosten von rund 100 Millionen Mark hinaus; FAZ 2. 4. 1970 Diskussion lerntheoretischer Ergebnisse und daraus abzuleitender Lern- und Lehrtechnologien; Die Zeit 3. 2. 1978 Er hat ein musiktheoretisches Werk darüber [über die dorische und die phrygische Tonart] gelesen.

theorisch: Rudolff-Stifel 1553 Coss 2T Theorische Arithmeticam; Lorini 1607 Von Vestung Baumen (Übers.) 11 andere Wege vnd Reguln, solche ausstheilungen theorice zu machen; Stevini 1608 Festung 40 so ist doch zwischen der Operation oder thatlichen Wirkung / vnnd der Theorischen Handlung ein so grosser Vnterscheid / daß sie wol einer besondern Außlegung von nöhten hat; ebd. 47 die Theorische Weiss Euclidis; Furttenbach 1627 Halinitro-Pyrobolia Vorr. 2* theorice; Abele 1654 Gerichtshändel 1337 wiewol er alssdann solche bald mit seinem ohne das in der Theorischen Gelehrigkeit guthabenden Grundfest, leichtlich überwunden; Gichtel 1722 Theosophia Practica 25 theorice. Theoretik: Denis 1795 Einltg. I 291 Lehrbücher der Theoretik [der Redekunst]; Zges. Staatswiss. 82 (1927) 283 Problemgebiet der statischen Preistheoretik; Broch 1933 Grösse X41 Zahlentheoretik. Theoretizismus: Göttinger Univ. Ztg. 11 (1946) 16 Dreifach war das Programm: Vertiefung des Glaubens, Überwindung des Theoretizismus und praktische Vorschläge.

theoretisieren

237

t h e o r e t i s i e r e n V . i n t r a n s . , A n f a n g 1 8 . J h . a u f g e k o m m e n e A b l e i t u n g v o n —> t h e o retisch, v o m früheren

1 6 . bis ins spätere. 1 8 . J h . v e r e i n z e l t in d e r v o n —» T h e o -

rie a b g e l e i t e t e n N e b e n f o r m t h e o r i s i e r e n ; in d e r B e d . ' T h e o r i e t r e i b e n ; n a c h d e n k e n ; die D i n g e , b e s . die G e g e n s t ä n d e des E r k e n n e n s t h e o r e t i s c h , a b s t r a k t , begrifflich b e h a n d e l n ; T h e o r i e n

entwerfen,

allgemein,

(wissenschaftliche) H y p o t h e s e n

über

das W e s e n d e r D i n g e a u f s t e l l e n ' , m e i s t ( l e i c h t ) p e j o r a t i v v e r w e n d e t im S i n n e v o n 'einseitig

begrifflich,

praktischen träumen,

allzu

Anwendbarkeit

abstrakt

denken'

einer

Erkenntnis,

und

'ohne

lebensfern,

Berücksichtigung weltfremd

der

denken;

sich in G r ü b e l e i e n v e r l i e r e n ' ; d a z u im s p ä t e n 1 9 . / f r ü h e r e n 2 0 . J h .

das

v e r e i n z e l t e V e r b a l s u b s t . T h e o r e t i s i e r u n g ' A u f l ö s u n g d e r E r f a h r u n g in b e g r i f f l i c h e r Abstraktion;

Rationalisierung'.

theoretisieren: 1704 Auserlesene Anmerk. I 385 theoretisieren, wie man es nennet; Schlözer 1785 Staats-Anz. VII 141 Mit dem pädagogischen Theoretisiren und Projectiren scheints ein Ende zu haben; Goethe 1827-42 (W. XXII 260) Ein großes Übel in den Wissenschaften, ja überall, entsteht daher, daß Menschen, die kein Ideenvermögen haben, zu theoretisieren sich vermessen, weil sie nicht begreifen, daß noch so vieles Wissen hiezu nicht berechtigt (KEHREIN); ebd. LIII 26 Jeder Versuch ist schon theoretisierend ; er entspringt aus einem Begriff und stellt ihn sogleich auf (KEHREIN); Hegel 1835 Ästhetik X 1, 21 Horazens ars poética und Longins Schrift über das Erhabene . . . in welcher solches Theoretisiren gehandhabt worden ist; ebd. 27 Die frühere Manier dieses Theoretisirens wie jener praktischen Regeln; ebd. 29 wie z. B. Goethe viel über Kunst und Kunstwerke geschrieben hat. Das , . . Theoretisiren ist nicht der Zweck dieser Betrachtungsweise, obschon sich dieselbe wohl . . . mit abstrakten Principien . . . zu thun macht; 1852 Prutz' Museum II 14 ein phantastisches, theoretisirendes . . . Volk; Bucher 1855 Parlamentarismus 24 eine Lage, in der theoretisiert, geträumt wird; Preuss. Jahrbücher 2 (1858) 341 hinausgreifend über alles Theoretisieren in die Sphäre der Politik; Helmholtz 1863 Tonempfindungen 2 über Musik zu theoretisieren; Kuemberger 1877 Herzenssachen 237 Zu einem hartköpfigen Streiten, Systemreiten, Theoretisieren, Verranntsein in Principien und Doctrinen war Moriz Hartmann allerdings viel zu viel Poet und Hellene und in der Wollust der Harmonie ging ihm jedes Entêtement unter; Homberger 1879 Essays 316 Und praktisch zu werden, praktisch in dem guten Sinn, der keineswegs die Verleugnung des Idealen bedeutet, ist uns um so nöthiger, je mehr uns aus unserer theoretischen Vergangenheit noch eine fatale Neigung zum Theoretisieren geblieben ist; Liebmann 1884 Klimax 4 Der Hang zum Theoretisieren scheint . . . einem Wechsel von Ebbe und Fluth unterworfen zu sein; ebd. 5 den theoretisierenden

Geistestrieb todtsagen zu wollen; Homberger 1884 Selbstgespr. 67 dass Einer eine Theorie gegen die Hohlheit . . . des Theoretisierens . . . mache, damit das Theoretisieren und die Theoretiker aus der Welt geschafft werden; ders. 1886 Essays 357 Warum der Deutsche mehr im Gemüthe lebt und mehr theoretisiert als andere Kulturnationen, läßt sich nicht in zwei Worten sagen; Spielhagen 1890 Finder I 115 welche über jenem unheimlichen Begriff auch nur als Professoren, Publizisten etc. theoretisierten; Welti 1897 Br. II 109 [Mal-]Proben machen, um aus dem ewigen Theoretisieren herauszukommen; Natorp 1918 Student u. Weltanschauung 21 Gefahr einseitigen Theoretisierens; Diederichs 1918 Br. 307 theoretisierenden Programm-Macher; ebd. 355 lebensfremdes Theoretisieren; Aschner 1928 Krise d. Medizin 23 Zustand der Weltfremdheit und der theoretisierenden Behandlung; Lokal-Anz. 15. 5. 1934 wird die natürliche Empfindung für das Wesentliche des eigenen Musikmachens geraubt: nicht mehr das Ohr, nicht mehr das Herz und Gemüt sollen Richter sein, sondern der Verstand,; über allem Theoretisieren geht allmählich die naive Aufnahmefähigkeit verloren, ohne die gerade der Musik nicht beizukommen ist; Rohracher 1934 Charakterkunde 5 im Stadium des Theoretisierens stecken geblieben; Freyer 1938geschichtl. Selbstbewußtsein 9 aus dem Stadium des Theoretisierens und der ideologischen Besserwisserei . . . heraus . . . gerissen; Wolfskehl 1940 Jahre 58 ohne weitere theoretisierende Hintergrundlichkeit; Süddtsch. Ztg. 6. 3. 1953 sein mächtiger Schädel ist der eines Gelehrten. Und natürlich liebt er, wie alle Maler, das Theoretisieren über sein Werk; Näf 1954 Bilder 161 Auf einem Gebiet, das ungleich mehr zu grübeln und zu theoretisieren als anzuschauen gibt, nützt aber alles Reden nichts; Hilpert 1963 Liebe 86 dass alle Probleme einfacher, schneller, wahrhaftiger und auch erfolgreicher in der Darstellung [im Theater] gelöst werden als durch noch so gebildetes Theoretisieren; FAX 12. 5. 1970 Der Vorsatz, jetzt keinen Kollisionskurs gegen die

238

Theorie

FDP zu steuern, führte . . . von der praktischen Politik weg zu schier endlosen Diskussionen theoretisierender Jungideologen.

Humanitätsideals vorwarf; Jäger 1923 Reden 72 fortschreitende Theoretisierung unseres ganzen Lebens.

Theoretisierung: Achelis 1890 Prakt. Theologie 1 2 Allein das Verständnis dieser Thätigkeiten als der einheitlichen Lebensbethätigung der Kirche und die Systematik derTheorieen jener Thätigkeiten war mit deren praktischer Ausübung und der Theoretisierung der einzelnen Disziplinen noch nicht gegeben; Schmid 1909 Mönch 99 [die neue Vernunftlehre, der man] die Theoretisierung des

theorisieren: Paracelsus 1538 Def. 70 theorizieren; Herder 1778 Erkennen (VIII 230) was von dem angebohrnen Enthusiasmus der heitern, immer strömenden und sich selbst belohnenden Quelle des Genies da her theorisiert wird; ebd. XVII 161 unter uns hat insonderheit Sulzer in diesem geschmacke des wahren und guten theorisiert (DWB).

Theorie F. (-; -n), im frühen 16. Jh. entlehnt aus mlat. theoria 'Kontemplation, (geistige, geistliche) Betrachtung; Beschaulichkeit (des Lebens)' (über lat. theoria '(spekulative) Betrachtung, Untersuchung' zurückgehend auf griech. öecüQia 'Zuschauen, Anschauen (eines Schauspiels); Festgesandtschaft; Betrachten, in Augenschein Nehmen' und bes. 'geistiges Anschauen; Betrachtung, Untersuchung; (wissenschaftliche) Erkenntnis; Wissenschaft als Aufstellung von Lehrsätzen im Ggs. zu Praxis als deren Anwendung', zu öecüQog 'Zuschauer (als Teilnehmer an einer Festgesandtschaft)', öewqeiv 'Zuschauer sein; (ein Schauspiel) betrachten, anschauen; etwas geistig betrachten' und 'sehen, schauen') anfangs auch in der lat. (flekt.) und gelegentlich in der griech. Form. Zunächst als kollektiver Sing, auf die Gesamtheit nicht unmittelbar anwendungsorientierten, wissenschaftlichen Denkens und auch dessen Ergebnis bezogen in der Bed. 'auf reine Schau gerichtete, von einem bestimmten, konkreten Handlungszusammenhang gelöste Erkenntnis; von Zufälligkeiten und Äußerlichkeiten abstrahierende, verallgemeinernde Betrachtung eines Gegenstands in seiner inneren Struktur, seiner Substanz, seinem Wesen; Untersuchung der individuellen Phänomene, der Erfahrungstatsachen im Hinblick auf die Erkenntnis zugrundeliegender (ewiger) Gesetze; Einsicht in allgemeine Wahrheiten ohne die unmittelbare Absicht der Nutzanwendung', meist im (ausdrücklichen) Ggs. zu Praxis als der auf einen individuellen Gegenstand gerichteten, in einem bestimmten, konkreten Handlungszusammenhang zweckorientierten menschlichen Aktivität, deshalb in Wissensbereichen mit starkem Anwendungsbezug (Medizin, Architektur u. ä.) für 'Grundlagenlehre, Regel-, Lehrsatzüberbau'; auch pejorativ für 'lebensfremde, wirklichkeitsferne Philosophiererei (und deren Ergebnis)' (graue, reine, bloße Theorie). Seit dem 18. Jh. im Zuge der neuzeitlichen Wissenschaftsentwicklung und der Einsicht in die Relativität menschlichen Erkennens und seiner Abhängigkeit von der Empirie zunehmend, auch pl. verwendet, eingeengt auf eine jeweils vom Erkennenden mitbestimmte, individuell und historisch abgrenzbare (wissenschaftliche) Betrachtungsweise und vor allem deren Ergebnis in der heute zentralen Bed. 'umfassende, systematische, widerspruchsfreie und womöglich formalisierte Beschreibung und Begründung aller einen Gegenstand betreffenden empirischen Daten (als leitende Grundlage weiterer empirischer Arbeit); Gesamtheit der aus empirischen Daten abgeleiteten Hypothesen über die Struktur und Beschaffenheit eines Erkenntnisgegenstands (die durch Anwendung zu neuen Erkenntnissen und zur Uberprüfung der Hypothesen

Theorie

239

selbst führen); Summe der wissenschaftlichen Erkenntnisse über einen Gegenstand (in Gesetzmäßigkeiten formulierenden Sätzen); (Konstruktion eines wissenschaftlichen) Lehrgebäude(s)' (Erkenntnis-, Literatur-, Verelendungs-, Strukturtheorie; Theoriebildung, -spräche); infolge der Vielzahl zeit- und personenabhängiger Faktoren bei der Analyse und Interpretation empirischer Daten häufig im Sinne von 'subjektive, einzelne Lehrmeinung; individueller Erklärungsversuch; für die wissenschaftliche Allgemeinheit unverbindlicher, vorläufiger Beschreibungsvorschlag' und pejorativ für 'reine Erfindung, bloßes Gedankengebäude; nur subjektives, auf keinerlei empirische Daten gestütztes Hypothesenkonglomerat' (Theorienschmied, -klauber), in jüngster Zeit ugs. gelegentlich abgeflacht für 'Meinung, Vorstellung, Annahme, Gedanken'. Daneben vom frühen 16. b'is ins frühe 18. J h . das weitgehend gleichbed. Subst. Theorica, dann auch Theorik (über mlat. theorica 'astronomische Lehre vom Lauf der Planeten, Himmelsbetrachtung', zu theoricus 'kontemplativ', zurückgehend auf lat. theorica, griech. öecoQLKf] (texvt]) 'philosophische Spekulation', zu öeooQiicög 'die Theorie, die Festgesandtschaft betreffend; das Zuschauen im Theater betreffend'), früher auch vereinzelt für 'astronomische Lehre vom Lauf der Planeten'. Theorie: Fries 1519 Spiegel d. Arznei 18h Theoria ist als vil gesprochen als ein betrachtung; 1575 Concilium Bl. II" (Widmung) Dann nach dem alle Künst auff zweyerley bestehen, erstlich, dass man dieselbige in den Büchern, so davon geschrieben sind, lese vnd lehrne, vnd ein jeder bey jm selbsst ein ding, wie es sey oder seyn sol, jm eynbilde vnd imaginir, Welches die Griechen zierlich 6etoQiav nennen; Fischart 1575 Garg. 276 daß er baide inn der Theorie unnd Practic . . . berümt ward (RÜTTER); 1585 Cyclopedia Paracelsica 1 58 Theoreien; Rathgeb 1592 von Kriegssachen 599 dz sie es allein durch theoriam erkennet; F. Platter 1612 (Ausg. Boos) 267 wie vil ich in allen medicinae partibus proficiert, in praxi, chirurgia, theoria; Alhertinus 1615 Gusman v. Alfarche 387 alsdann sihet vnnd erfähret man . . . was für ein vnderschidt seye zwischen der praxi vnnd theoria / zwischen dem lesen vnd vben; Jüchter 1631 Sepultur-Predigt 3 die Heilige Schrifft muss allein die Norma . . . Regel vnd Richtschnur seyn, darnach wir vns zu achten, richten vnd halten haben, beydes in theoria vnd in praxi, in der Wissenschaft vnd in der vbung, im glauben vnd im leben; Fiovaranti 1604 Krön d. Artzney 49 ich sag vnd bekenne viel mehr, es sey der Methodus oder Theory vielmehr das Liecht vnnd der rechte eygentliche Weg; Winckelmann 1649 Bedencken 125 Es ist bekant, wie ein mercklicher Unterscheid es seye inter Theoriam & Praxin, inter Scientiam & Experientiam: viel sind in Theoria gut, in Praxi wil es nicht fort; viel haben die Scientz, aber die Erfahrung manglet ihnen; Stieler 1683 Auditeur 7h daß gegenwärtige erste Abteilung kaum die gemeine Sachen und was zu der blossen Theorie

gehöret fassen können; Horneck 1684 Österreich 49 wann ich ihn [den Leser] mit solcher Theorie in etwas aufgehalten; Werdmüller 1685 Ingenieure 5 den Unterschied der Theoriae und der Praxis zu beobachten; Leihniz 1699 Briefw. II 122 nachdem man in Theoria eins, ad praxin geschritten werden solle; Thomasius 1701 Kl. Sehr. 223 Zu dem so hat man an der Theorie der Privat Jurisprudenz alle Hände voll zu curiren / daß man nicht weiß / wo man anfangen soll / und also der Praxi leicht drüber vergessen kan; Sturm 1714 Anw. (Architektur) B" gehöret zu einem vollständigen Künstler, noch mehr aber zu einem Architect, so einen Regenten der Künstler in seiner Sprache bedeutet, dass er Theoriam, Praxin und Empiriam, die Wissenschaft, Ausübung und Erfahrung mit einander besitze . . . Also schleicht bey ihnen [den Laienärzten] unvermerckt und ohne ihr Wissen eine Art einer Theoriae und Praxis ein, davon sie doch keine Worte zu machen vermögen; Fassmann 1729 Narr 27 man müsse nur darum studiren, daß man den Donat und die Grammatica vollkommen . . . auswendig herzusagen wisse, und im übrigen viele speculirende Theorie besitze; Scheibe 1745 Musikus 39 In der Theorie finden wir nämlich die Grundursachen mit ihren Beweisen, und also den ganzen systematischen Zusammenhang aller musikalischen Wahrheiten; in der Praxis finden wir die Anwendung aller dieser Sachen. Aus beiden zusammen lernt man componiren; Meier 1748 Anfangsgründe I 5 Theorie der schönen Wissenschaften . . . Theorie der schönen Erkenntnis; vor 1750 Felsenb. II 192 in der praxi war ihm ein und andere cur von ohngefähr noch so ziemlich eingeschlagen, doch in der theorie alles sehr schwach

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Theorie

und elend bestellet (DWB); Wieland 1757 Gesch. d. Gelehrtheit 52 daß die Methode, die auf selbigen [Akademien] gelehrt und studiert wird, geschickter ist, Pedanten und aufgeblasne Witzlinge, als wahre Gelehrte zu machen, theils weil die Menge unnützer Speculationen und Subtilitäten unter das würklich nützliche der Wissenschaften eingemengt werden, theils weil man gewohnt ist, die Theorie von der Praxi oder die Wahrheiten von ihrem Nutzen oder Gebrauch abzusondern; Batteux 1759 Einschr. d. sch. Künste (übers, v. A. Schlegel) Vorher. XXVIII daß sich alle die kleinen besondern Regeln, welche man bloß vermittelst des Gefühls zu kennen braucht, und deren Theorie nur den Geist fesselt, ohne ihn aufzuklären . . . in die allgemeine Regel, sich von selbst verlieren würden; Reinhard 1763 Sehr. IV 519f. Bei allen unseren Studien, ja fast allem was in der Welt eine Wissenschaft heiset, haben wir zwei miteinander auf das genaueste verbundene und dennoch sehr weit unterschiedene Haupttheile, deren wir den ersten die Theorie, den andern aber die Ausübung (Praxin) nennen. Wer seine Wissenschaft ordentlich und zulänglich erlernen wil, der machet mit der Theorie den Anfang und fähret in der Praxi fort. Unsre Handwerksleute aber machen den Fehler, daß sie die Theorie fast gänzlich ausser Augen lassen; Basedow 1764 Philalethie I 11 so wird doch die Uberzeugung von den Pflichten gegen Gott weit starker und lebhafter, wenn sie mit der Theorie von Gottes Daseyn und Eigenschaften verbunden wird ; Meier 1768 Untersuchung I Vorr. A3" dass keine Praxis ohne gute Theorie vollkommen seyn kan; Guden 1768 Polizei d. Industrie 214 Es ist ein gemeines Sprichwort es sey zwar in der Theorie, nicht aber in Praxi, richtig; Michaelis 1770 Räsonnement II 115 die Theorie der Wissenschaft, welche sie [die Studenten] lernen wollen; 1772 Frankf. gel. Anz. 77 die Herren Theorienschmidte; Muratori 1772 Von d. guten Geschmacke (Ubers.) 55 wenn sie [die Wissenschaften] uns und andern zu guten Gottesgelehrten und Sittenlehrer, nicht nur allein nach der Theorie oder Denkungsart, sondern auch in der Ausübung oder in Praxi machen; Bürger 1776 Daniel Wunderlichs Buch III 6 Trauerspiel, - Freudenspiel, — rührendes, weinerliches Lustspiel, — Possenspiel, heroisches, bürgerliches, bäuerliches, schäferliches, — und der Himmel weiß! was noch sonst für Spiele die Theoreienmacher vns herrechnen!; ebd. III 9 Hier, deucht mir, seh' ich manche Vers- und Theoreienmacher mit weiser Miene mir entgegenlächeln . . . Liebe Leute, eure Theorei irret die Theorei der Natur ganz und gar nicht; Schummel 1779 Spitzhart 103 so hatte sich unser Heineccius die Theorey der Erziehung zu seinem Leibfache ausersehen; Hase 1779 Alder-

mann I 269 ein praktischer Kopf, der die magersten Theorienkenntnisse vorzutragen weis, dass man glaubt, es seyen die . . . exaetesfn, eigenen Erfahrungen; Schubart 1780 Originalen 71 Ein Theorienschmied ohne Praxis; Musäus 1781 Physiognom. Reisen II 224 Wiewol ihre vorgeblichen Erfahrungen in der physiognomischen Menschenkunde, sehr mit den Grundsätzen und Meynungen ienes dürftigen Theorey klaubers, des Verfassers nämlich, übereintreffen; 1781 Literar. Pamphlete 6 Die Theorie der Künste ward zur Wissenschaft dessen gemacht, was den Neigungen gefällt; Blumauer 1782-87 Gedichte (II 37) Weisheit und mit ihr Erfahrung liehen Ihm die Schätze zu dem großen Plan, Größer, als der Herrschertheorien Schönste jemals einen geben kann; 1784 Berlin. Mon'schr. 146 Farbentheorie des Newton; Bretzner 1787 Leben II 123 all die Schwüre, Versicherungen nebst dem ganzen Apparatu und Schwindelkram aus der Theorie der Liebe, schwand plötzlich wie ein leichter Morgennebel vorüber; Goethe 1791 Br. (1X261) Die Theorie der blauen Farbe habe ich auch in diesen Tagen geschrieben und werde sie in irgend ein Journal einrücken lassen; ebd. IX 269 In der Theorie der bildenden Künste habe ich auch vieles vorgearbeitet und habe gute Gelegenheit meine Gedanken zu prüfen, indem ich mit mehrern denkenden Künstlern in Verbindung stehe denen ich mich mittheile und durch die ich die Anwendbarkeit und Fruchtbarkeit gewisser Grundsätze am besten entdecken kann; ebd. IX 276 werde ich eine neue Theorie der Farben ins Publicum wagen; ebd. IX 290 Ich werde Versuch an Versuch stellen und die Theorie nicht eher vortragen biß sie jeder aus den Versuchen selbst nehmen kann und muß; Dalberg 1791 Grundsätze 3 Die vollständige Theorie der Ästhetik; 1792 Journal v. u. f . Deutschland II 571 Lieblingsmeynungen und Theorien; Klopstock vor 1803 (VII 321) o der theoreien für dichtende, welche die deutschen kritler jähr aus jähr ein aus der luft uns greifen (DWB); Herder vor 1803 (XVII161) eine theörie der schönen Wissenschaften vortragen (DWB); 1806 Briefe v. d. Univ. 301 zu einer tüchtigen Skepsis gegen alle krassen Theorien und willkührlichen Versuchen in der Medizin; Steffens 1821 Sehr. I 3 Ich fordre von den Naturforschern, dass sie ihre Hoffnung, von ihrem Standpunct aus diese Theorie je zu finden, rechtfertigen sollen; ich fordre von ihnen das Geständnis, dass alles, was sie bisher Theorie nannten, entweder da aufhörte, wo es anfangen sollte . . . oder, wenn es sich an das eigentliche Problem wagte, in Hypothesen ausartete; ich fordre von ihnen, dass sie die Mittel aufzeigen sollen, durch welche sie diese Hypothesen in Theorien verwandeln können; Buchholz 1821 Taschenb. 150 wo eitle Theorien als

Theorie ewige Gesetze des menschlichen Geschlechts dargestellt werden; Goethe 1827-42 (W. XII 100) Grau, -theurer Freund, ist alle Theorie, und grün des Lebens goldner Baum ( K E H R E I N ) ; ebd. XXII 238 Die Theorie an und für sich ist nichts nütze, als in so fern sie uns an den Zusammenhang der Erscheinungen glauben macht ( K E H R E I N ) ; ebd. LV 237 Wo Muster und Vorbilder, und davon abstrahirte Regeln und Theorien aller Art vorhanden sind ( K E H R E I N ) ; ders. vor 1832 Br. 180 junge warme Seelen, die im schlämme der theorien und literaturen noch nicht verlohren sind (DWB); Gutzkow 1838 Blasedow / 108 Abschreckungstheorie; Bacherer 1840 Stellungen I 4 feurigen Zukunfts-Theorien einer neuen Zeit; Kurz 1843 Schillers Heimatjahre I 103 Ich glaube . . . es ist in solchen Dingen schwer, eine bestimmte Linie zu ziehen, eine Theorie zu bilden; Liebig 1852 Studium d. Naturwiss. 20f. wie sehr sich der Begriff von Theorie im Sinne der Naturforschung von dem Wort Theorie im gewöhnlichen Sprachgebrauch unterscheidet. In diesem bedeutet es häufig das gerade Gegentheil von Erfahrung oder Praxis, es bezeichnet oft den Mangel an Bekanntschaft mit Thatsachen und Naturgesetzen; in unserem Sinne ist die Theorie die Summe aller Praxis, sie beruht auf der genauesten Kenntniss der Thatsachen und der Naturgesetze und ist aus dieser Kenntnis hervorgegangen. Wenn ich das Wort Praxis im Gegensatz zu dem Worte Theorie, welches Einsicht heisst, gebrauche, so meine ich nicht damit die praktische Fertigkeit eines Individuums in einer Kunst oder in einem Gewerbe; Knies 1853 Eisenbahnen 44 doktrinäre Theoriesucht; Perthes 1862 Polit. Zustände I 9 Einfluss längst festgestellter Schultheorien auf das politische Handeln; Noe 1865 Voralpen 59 unsere Theorienschmiede und wortreichen Professoren; Reichenbach 1880 Roman e. Bauernjungen 59 Mit Theorien bringt man keine produktive Arbeit vor sich. Praxis, Praxis, darin liegt es; Windelband 1882 (Präludien I 22) die Philosophie als Theorie der Wissenschaft; Dilthey 1883 Einleitg. (I Vorr. XVIII) so hat die bisherige Erkenntnistheorie, die empiristische wie die Kants, die Erfahrung und die Erkenntnis aus einem dem bloßen Vorstellen angehörigen Tatbestand erklärt; ebd. 357 wurde das Studium der Wirklichkeit ergänzt durch eine Erkenntnistheorie, welche das Feld der Wissenschaften abmaß; Schmidt 1887 Einl. z. Urfaust XVIII Lachmanns Lieder- und Buchbindertheorie; Achelis 1890 Prakt. Theologie I 2 Moral und Asketik, die Theorie des religiösen und sittlichen Lebens der Christen; Jänicke 1899 Falkenburg 111 Agnes: Und Deine Theorie von der freien Liebe? Thea: Ist eben graue Theorie; Voss. Ztg. 24. 11. 1929 man

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begegnet zuweilen in amerikanischen Fachkreisen der irrigen Meinung, als ob die ganze deutsche Psychologie heut „Gestalttheorie" sei; Sombart 1930 Nationalök. 308 Was Empirie im Gegensatz zu Theorie sei, steht seit Aristoteles fest; Näf 1930 Staat 156 Denn auch der Staat kann Gegenstand romantischer Spekulation sein. Es gibt eine romantische Staatstheorie; 1931 Handbuch d. Amerikakunde 57 „Verelendungstheorien" des europäischen Marxismus; Voss. Ztg. 1. 1. 1931 Merkwürdigerweise schwirrt hier in den Köpfen die Kasseische Kaufkrafttheorie über die Beziehungen von Geld und Preis herum; Lokal-Anz. 6. 7. 1933 Es ist . . . häufig davon gesprochen worden, daß die Abschreckungstheorie für die Strafe keine Rolle mehr spielen dürfte; Hellpach 1939 Geopsyche 27Theorie, d. h. derein ganzes Fragegebiet einheitlich erfassende Erklärungsversuch, heisst wörtlich und zu Recht: Schaulehre; Planck vor 1947 Sinn 25 Jedesmal, wenn durch einen experimentellen Befund ein Widerspruch mit der bestehenden Theorie festgestellt ist, kündigt sich ein Fortschritt an; denn dann wird eine Veränderung und Verbesserung der Theorie notwendig (WDG); Picht 1958 Erfahrung 9 Die Grenze, die bei Piaton und Aristoteles zwischen E|ineiyia und TE/vr] gezogen wird, bestimmt noch heute die Form, in der man gemeinhin der „Theorie" die sogenannte „Praxis" entgegenstellt. Man gebraucht die griechischen Worte, aber man hat vergessen, dass man zugleich auch in den Bahnen des griechischen Denkens steht; Schelsky 1959 Ortsbestimmung 14f. In der älteren deutschen Ökonomie war die Soziologie der „Theorieträger" dieser Wissenschaft, in der Philosophie des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts war die Soziologie einer der wesentlichsten „Erfahrungsträger" des deutschen Philosophierens; Fetscher 1967 Marx 295 Gemeinspruch: „Das mag in der Theorie richtig sein, längst aber nicht in der Praxis"; Die Zeit 3. 2. 1978 Man braucht diese kühle, sehr rationale Seite seines Schaffens nicht zu unterschlagen, wo die Inspiration von der Theorie diszipliniert oder ausgeschaltet wird; ebd. 31.8. /97#Eurokommunisten sind DDR-Regimekritiker, sie kritisieren zwar grundsätzlich das Regime, bejahen aber die Theorien und Ideologien des Systems . . . Kommunistische Gesellschaftstheorien, wenn sie in der D D R durchgesetzt werden sollen, lassen immer mehr oder weniger diktatorische Regime entstehen.

Theorik: Fries 1519 Spiegel d. Arznei 1$ Theoria ist als vil gesprochen als ein betrachtung. Also ist die theoric der arznei auch nit anders dan ein betrachtung; Paracelsus 1530 Französ. Krankheit

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Therapeut — Therapeutik

Dlk theoric; ders. 1536 Wundartzney I 46" dann eins artzets Theorica soll sein erfarenhayt; Begardi 1539 Index Sanitatis 7" Und kan aber doch kein guter vnnd vollkomner Practicus [Arzt] nit gesein, er hab dann auch zu vor den grundt studiert vnd gelert auss der Theorica oder Speculatiua; Sleidan 1544 Reden 225 dise Theoricam Piatonis; Paracelsus 1562 Liederb uchlin D4h und . . . praxim vnd theoricam obseruieren; ders. 1562 Spitalbuch F24 Theorica der tugenden; ders. 1570 Archidoxa Y4" Dann meine Theoric, wölche geht auss dem liecht der natur; Fischart 1575 Garg. 276 inn der Theoric vnnd Practic, inn ertürung vnd erprechung [des Würfel- und Kartenspiels] vortreflich ward berümt; 1575 Costnitzer Concilium Bl. II" (Widmung) Vnd aber das erste, nemlich die schlecht Theoric vnnd Speculatio, ob sie wol für sich selbst hochnötig, vnnd zum anfang aller Künsten nicht zu entrahten, doch one die Practic ein tod vnd vnnützes ding ist, quia propositum in mente

retentum (wie die Juristen sagen) nihil operatur; ebd. Bl. III" Also sind die Historien aller deren, so in Büchern studiert, vnd die Theoric gefast haben, gleich als lebendige Meister, die da Anweisung geben, wie man das Werck angreiffen . . . muss; Spangenberg 1598 Musica 33 Die Philosophi theilen Musicam In Zweyerley Artt. Eine heißen sie Theoricam, die stehet im wißen, vnnd scharffer tieffer betrachtung hoher, vnd Zum Theil der vernunfft vnbegreifflicher Dinge; Neumayr v. Ramsla 1668 Kriegeswesen 97 Diejenigen, welche mit tapffern Thaten und Weissheit den Waffen folgen, lernen mit der Zeit die Krieges practic, und die, welche mit derselben zugleich die Theoricam vermischen, sind allzeit besser; Sturm 1717 Mathesis 66" sie auch die allgemeine Erdbeschreibung pfleget genennet zu werden; Diese / so wir nur in etwas berühren wollen, stellet jeglicher Planeten ihre Bewegungen und Begebenheiten vor, wannenhero sie Theorica heisset.

Therapeut M. (-en; -en), auch Therapeutin F. (-; -nen), Mitte 18. Jh. aufgekommen, zurückgehend auf griech. ÖEQajteuxrjg 'Diener (Gottes); Wärter; Pfleger' (zu 0EQajiet!Eiv, —» Therapie); 1 meist pl. verwendet als historische Bezeichnung für die (einsiedlerisch, asketisch lebenden) Angehörigen einer ca. 150 v. Chr. gegründeten, in der Nähe von Alexandria beheimateten jüdischen Mönchssekte, vereinzelt auch auf eine indische Brahmanensekte bezogen. 2 Seit früherem 19. Jh. (gebucht 1838 bei Heyse) fachspr. verwendet als medizinische Berufsbezeichnung in der Bed. '(wissenschaftlich ausgebildeter) Heilkundiger; Arzt, der besondere Kenntnisse auf dem Gebiet der Therapie besitzt; behandelnder Arzt', in neuerer Zeit meist verkürzt für Psychotherapeut. Therapeut 1: Hagedorn vor 1754 (III 141) Die strenge Sekte der Essener und ihrer Brüder, der Therapeuten (SANDERS 1871); Zimmermann 1784 Einsamkeit II 91 Die wirklich in mehr als einem Betracht ehrwürdigen Therapeuten [Nachfolger des Pythagoras unter den Brahmanen in Indien] hatten sich zum Gesetze gemacht, ihre Speise nie als nach Untergang der Sonne zu nehmen; Wieland vor 1813 (XXV 379) Den ehemaligen Therapeuten in Ägypten ( K E H R E I N ) ;

Görres 1836- 42 Mystik III 27 Der mystischen Therapeuten unter den hellenisirenden Juden in Ägypten (KEHREIN). Therapeut 2: Stekel 1924 Grund der Seele 49 die modernen Therapeuten; Welt am Sonntag 16. 3. 1958 Beschäftigungstherapeutinnen werden in Deutschland erst seit einigen Jahren ausgebildet . . . Die Möglichkeiten sich als Beschäftigungstherapeutin selbständig zu machen, sind gering.

Therapeutik F. (-; ohne PI.), seit Mitte 16. Jh. belegt, zurückgehend auf griech. ÖEQaJteimKii 'Wartung, Pflege; ärztliche Behandlung, Heilung von Kranken', bis ins 18. Jh. häufig in der latinisierenden Form Tberapeutica; fachspr. in der Bed. 'Lehre, Wissenschaft von der (ärztlichen) Heilung von (physisch, psychisch) Kranken; Heilkunde, -kunst', gleichbed. mit —* Therapie a; dazu die seit früherem 19. Jh. (gebucht 1838 bei Heyse) nachgewiesene veraltete subst. Ableitung Therapeutiker, gleichbed. mit —» Therapeut 2.

therapeutisch Therapeutik: 1558 Heidelb. Statuten 78 dieweil die gantze rationalis oder dogmatica medicina, sonst gewohnlichen leib- und wundartznei genandt, in drei stucken furnemlich begriffen, deren das erste, in welchem das fundament und. grundfeste der gantzen kunst sich erhelt, physiologica, das ander pathologica, das dritt und furnembste theropeutica genennet; Dannhauer 1667 Scheid-Brief/ 936 185 Therapeutica; Woyt 1709 Gazophylacium Therapia, Therapeusis, Therapeutica, ist dajenige Theil der Artzeney-Kunst, welches lehret die Kranckheiten, welche den Menschen angreiffen, wegzuschaffen, und dem Menschen die verlohrne Gesundheit wieder zu bringen; Crusius 1722 Portrait aller Wiss. 42 Die Therapeuticam, eine Wissenschaft aller Dinge, die zu Erhaltung und Wiederbringung der Gesundheit dienen; Sulzer 1745 Begriff aller Wissenschaften 62 Therapeutica;

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1754 (Ann. Ingolstad. Acad. IV 463) Therapeutica [als Lehrstoff an der Universität]; Griesbach 1756 Von d. Fingern 76 In der Therapeutik, oder der vernünftigen Heilkunst; Hufeland 1795 Pathogenie 260 Hauptgeheimnis der natürlichen Therapeutic; 1808 Reils Beyträge I 26 Theorie der psychischen Therapie oder psychischen Therapeutik; Hufeland 1836 Ench. med. 68 Therapeutik (Uberschr.) Krankheit ist eine Abweichung vom normalen Zustande . . . Heilung ist Zurückführung zum normalen Zustande und Wiederherstellung desselben; Hillebrand 1874 Frankreich 288 Therapeutik; Eckstein 1892 Dombrowsky 1 259 Therapeutik. Therapeutiker: Eckstein 1895 Hartwig 371 Medicinalrat Knapp, der zwar für einen tüchtigen Therapeutiker, aber auch für einen starren unerbittlichen Egoisten galt.

t h e r a p e u t i s c h A d j . , i m s p ä t e r e n 1 8 . J h . a u f g e k o m m e n e A b l e i t u n g z u —» T h e r a p e u t i k , —> T h e r a p e u t ( v g l . g r i e c h . G e g a i t e u x i K Ö g ' ( K r a n k e ) p f l e g e n d , h e i l e n d ' ) ; in d e r B e d . ' h e i l k u n d l i c h ; h e i l e n d , h e i l k r ä f t i g ; a u f eine T h e r a p i e b e z o g e n ,

gerichtet;

z u einer T h e r a p i e g e h ö r i g ; a u f e i n e r T h e r a p i e b e r u h e n d ' , v e r e i n z e l t a u c h ü b e r t r a g e n g e b r a u c h t ; d a z u in j ü n g s t e r Z e i t die g e l e h r t e f a c h s p r . N e u b i l d u n g T h e r a p e u t i k u m N . ( - s ; T h e r a p e u t i k a ) ' M i t t e l z u r T h e r a p i e einer K r a n k h e i t ; therapeutisch: Muratori 1772 Von d. guten Geschmacke (Übers.) 555 terapeutischen Medizin; Sickler 1802 Obstkultur 1480 Spezielle therapeutische Kräfte besonderer Traubenarten; 1808 Br. v. d. Univ. 425 so wenig er therapeutisch . . . zu Werke geht, so rein beobachtend, scharf bestimmend ist er in dem, wie er betrachtet; Bachofen 1851 Griech. Reise 197 im Mittelpunkt der gottesdienstlichen und therapeutischen Anlagen des alten Asklepieion; Spitzer 1879 H. 67 dass der Versucher sich ihm in der Gestalt jenes Arztes, von dessen haarsträubenden Äusserungen über die Clericalen ich Dir neulich schrieb, genähert habe, um ihm in der therapeutischen Form zweier Egel das Blut auszusaugen; Steudel 1887 Nihilismus 10 die durch die unbarmherzige Wissenschaft zerstörten therapeutischen Illusionen; Achelis 1890 Prakt. Theologie I 483 Therapeutische Gabe. Die Ö£Qaiteia setzt die öiäyvujoig voraus; öepaJiEÜELV ist curare, nicht nur heilen, sondern auch pflegen. Es ist die Tätigkeit des Seelsorgers, wodurch aufgrund der Diagnose das Ziel der spez. Seelsorge mit dem Individuum erreicht werden kann; 1916 Festschr. a. Brentano 465 Die sogen. Wiener Schule, die rein theoretisch so Grosses leistete, verlor die Fähigkeit zur Therapie; sie endete in einem therapeutischen Nihilismus; Dessauer 1922 Auslandsrätsel 26 Einst würde die tiefentherapeutische Anwendung der

Heilmittel'.

Strahlen die diagnostische Anwendung an Bedeutung und Wert erreichen; Aschner 1928 Krise d. Medizin 23 den therapeutischen Pessimismus und Nihilismus; Offenburger Tagebl. 16. 4. 1959 Der . . . Kultusminister . . . begründete . . . seinen Erlaß über den einheitlich auf 7 45 Uhr festgesetzten Schulbeginn mit der Notwendigkeit, durch derartige „therapeutische Hilfen" die Schüler vor allem von den zunehmenden, die Konzentration störenden Umwelteinflüssen wenigstens teilweise freizuhalten; Anders 1965 Antiquiertheit 4 therapeutischen Vorschläge; Stuttgarter Ztg. 29. 7. 1969 in den arbeitstherapeutischen Werkstätten; 1971 Gesundheit o. S. Die Wissenschaftler hoffen, mit dem Interferon bald einen therapeutisch und prophylaktisch anwendbaren Schutzstoff gegen sehr viele Viruskrankheiten und möglicherweise auch gegen den Krebs in der Hand zu haben (WDG). Therapeutikum: Landarzt 38 (1962) 59 Man muß sich immer wieder klarmachen, daß eines der wichtigsten Therapeutika das Vertrauen des Kranken zum Arzt ist; die Heilwirkung dieses Medikamentes Arzt ist oft größer als die von Operationen und pharmazeutischen Präparaten; 1964 Gesundheit o. S. Jede Prothese ist ein Therapeutikum und kein beliebiges Werkstück (WDG).

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Therapie

Therapie F. ( - ; -n), Anfang 18. J h . aufgekommen, zurückgehend auf griech. 08@ajteia 'Dienen, Bedienung, Verehrung von Höhergestellten; Dienstleistung', bes. 'Heilung, Pflege von Kranken; Körperflege' (zu Gepajtexieiv 'Diener (eines Mächtigeren) sein; verehren; (einen Kranken) pflegen, warten; einen Kranken ärztlich behandeln, heilen'), anfangs auch in der Form Therapia; a bis ins 20. J h . fachspr. verwendet in der Bed. 'Lehre, Wissenschaft von der (ärztlichen) Heilung von (psychisch, physisch) Kranken; Heilkunde, -kunst', gleichbed. mit —» Therapeutik; b in neuerer Zeit weiterentwickelt zu der Bed. 'Behandlung, Heilung von Kranken; (Gesamtheit der) Behandlungsmethode(n), -maßnahme(n), Heilverfahren', in jüngster Zeit auch auf nicht medizinische Bereiche übertagen irri Sinne von 'Heilmittel; Mittel, Verfahren zur Abhilfe eines Mißstandes'; häufig in Zss. wie

Elektro-, Arbeits-, Beschäftigungs-, Schocktherapie und bes. —* Psychotherapie; dazu in jüngster Zeit gebucht die verbale Ableitung therapieren V. trans. 'einen Kranken ärztlich behandeln, heilen; eine Therapie auf einen Kranken anwenden'. Therapie a: Woyt 1709 Gazophylacium 936 Therapia, Therapeusis, Therapeutica, ist dasjenige Theil der Artzeney-Kunst, welches lehret die Kranckheiten, welche den Menschen angreiffen, wegzuschaffen, und dem Menschen die verlohrne Gesundheit wieder zu bringen; Krüger 1750 Diät 7 und die letztere [Wissenschaft nennt man] die Heilungskunst, welche wiederum, wenn sie die innern Kranckheiten zu heilen beschäftiget ist, die Therapie genennt wird; Schiller 1769 Ökonom. Beyträge I 241 und ein oder andere sich hierzu vorfindende fähige Ingénia, nach der ordentlichen Lehrart der Arzney-Kunst, über die Beschaffenheit, Natur, Krankheiten und andere Zufälle der Thier-Körper, eine systematische Physiologie, Pathologie, Therapie, Chirurgie und Pharmaceutique studiren lassen möchten; Denis 1795 Einltg. 1 285 Die Therapie endlich oder ausübende Medicin; Reil 1803 Rhapsodien 39 psychische Heilmittellehre und Therapie; 1808 Reils Beyträge I 26 Theorie der psychischen Therapie, oder psychischen Therapeutik; Hufeland 1823 kl. med. Sehr. II 30 in der Brownschen Krankheitslehre und Therapie; Puchelt 1826 System d. Med. III Die Lehre von der Heilung, ihrem Wesen, ihrer verschiedenen Form, ihren Zeichen und ursächlichen Momenten wird gewöhnlich Therapie genannt, und man unterscheidet gewöhnlich eine allgemeine und besondere, generelle und specielle; ebd. I 12 Die sog. specielle Therapie endlich handelt von der Anwendung der chemischdynamisch wirkenden Heil- und Arzneimittel; Griesinger 1845 Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten (Titel); Haeckel 1913 LW. 543 Therapie als vernunftgemässe Heilkunst.

Therapie b: Zimmer 1926 Reiztherapie 19 Beziehungen der sog. Reiztherapie; Kemmerich 1931

Lupe 121 der von Christus gelehrten, aber nur von ganz wenigen begriffenen Seelentherapie; Voss. Ztg. 4. 9. 1931 ein schmäleres Bändchen „Moderne Ernährungstherapie" folgen läßt; Berl. Illustr. Nachtausg. 12. 8. 1933 Auch werden ausgezeichnete Heilerfolge durch die Beschäftigungstherapie erzielt; V. B. 4. 7. 1944 Die inneren Zusammenhänge [der Wundheilung] konnten allerdings erst durch die wissenschaftliche Erforschung der Entzündungsvorgänge, besonders durch die Entwicklung der modernen Bakteriologie, geklärt werden. Dadurch erst entstand die Möglichkeit einer „kausalen Therapie"; NZ. (Basel) 8. 5. 1950 Die modernen Erkenntnisse um die „Arbeitstherapie", vornehmlich um die Uberführung der jungen Verlassenen und Hilfebedürftigen; ebd. 5. 9. 1950 Rund 3000 Ärzte beteiligten sich an dem . . . Therapie-Kongreß, bei dem führende deutsche Wissenschaftler aller Fachdisziplinen die neuesten Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der Therapie bekanntgeben werden; Eppelsheimer 1955 Schild45 Wir . . . bekennen uns . . . zur Therapie durch den Schock; Süddtsch. Ztg. 3. 2. 1959 Die Beschäftigungstherapie dient der notwendigen Übung verletzter, funktionsgestörter und verkümmerter Glieder, fördert den Heilungs- und Genesungswillen und hilft, die Arbeits- und Belastungsfähigkeit des Rekonvaleszenten zu erproben; Offenburger Tagebl. 20. 6. 1959 II. Deutsche Therapiewoche in Karlsruhe (Uberschr.) Dabei werden Vorträge aus den Gebieten der inneren Medizin, der Chirurgie und der Gynäkologie gehalten; Stuttgarter Ztg. 14. 5. 1969 wird es dann, wenn wir die Ergebnisse des weiteren Lindauer Kongreßverlaufs richtig deuten, nur noch eine einzige Therapieschule geben: die Schule der Verhaltenstherapie; FAZ 25. 8. 1970 Damals war das Thema — Traum als Therapie, nicht nur als Diagnose - vielleicht sogar pikant, denn das überbot selbst Freud.

Therme

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Therme F. (-; -n), im späten 16. Jh. übernommen aus lat. thermae, griech. 0EQ|xai PI. 'warme Bäder; Thermen' (zu 8eqht| 'Hitze, Wärme', ÖEQUÖg 'warm'), zunächst ausschließlich in der bis ins 20. Jh. gebuchten lat. Form, auch in der Schreibung Thermä, seit späterem 18. Jh. auch eingedeutscht Thermen, erst seit späterem 19. Jh. in der rückgebildeten Sing.-Form Therme; in der Bed. 'warme (Heil-)Quelle; warmes Bad (in einer öffentlichen Anlage)', häufig pl. verwendet, meist zur (historischen) Bezeichnung der öffentlichen warmen Bäder im römischen Reich; dazu seit früherem 19. Jh. die nur als Bestimmungswort von Zss. belegte adj. Ableitung thermal (vgl. frz. thermal) für 'eine Therme betreffend, zu ihr gehörig, aus ihr stammend' (Thermalbad, -quelle). Daneben das Mitte 19. Jh. aufgekommene, auf griech 0EQ|i- zurückgehende Adj. thermisch 'die Wärme betreffend, auf Wärme bezogen, auf ihr beruhend' mit der seit früherem 20. Jh. nachgewiesenen subst. Ableitung Thermik F. (-; ohne PI.) 'durch Sonneneinstrahlung und unterschiedliche Erdboden- und Lufterwärmung erzeugter Aufwind', fachspr. in der Meteorologie und beim Segelflug verwendet. Therme: Ernstinger 1579-1610 Raisbuch 94 thermae Diocletianae ; ebd. 152 alte thermae oder bäder der Römer; Grasser 1610 Schatzkammer I 395 Die Thermas vnd Keiserliche Bäder; Sebiz 1647 Sauerbrunnen 9 den metallischen Wassern / so ins gemein Thermae genennet werden; Woyt 1709 Gazophylacium 937 Thermae, die warmen Bider, bestehen aus einem mineralischen Wasser, so von Natur entweder laulicht oder ganz warm ist. . . Sie sind nicht allein in Teutschland an vielen Orten . . . sondern auch in Ungarn und Türckey, wie auch in Engeland häuffig zu finden; Sailer 1767 Lobrede 413 Die Presthaften fanden bey ihrem Wunderbronnen ihre Genesung, und sie bekennten, daß dessen Wasser die Kraft des Jordans, des Teiches Siloe, der gesamten Gesundsbädern, und Thermen übertreffe; Weinlig 1784 Rom II 37 die Thermä der Römer; Matthisson 1795 Italien (IV 237) es wäre, der etymologie zufolge, höchst unpassend, sich unter dem worte 'thermen' etwas anders zu denken, als warme bäder. auch entsprach, ohne die mindeste abweichung, bei den Griechen die sache dem namen, und ihre thermen bestanden nur in dem, was sie hieszen, nämlich in warmen bädern (DWB); Seume 1803 Spaziergang 336 nun wandelte ich an den meerbusen hinunter und sah die ehemaligen thermen des Nero (DWB); 1839 Badegäste I 3 Eine ungeheure Zeit seit die Thermen sprudeln, und wie vielfach sind die Wasser dieser Quellen schon innerlich und äußerlich angewandt bei Menschen und allerlei Gethier!; Rümelin 1862 Reden III 329 [Wildbad im Schwarzwald] zu dem Ruf einer europäischen Therme erhob; Berlepsch 1875 Schweizerkunde 160 warme oder heisse Quelle (Therme); Spitzer 1880 Wagn. 7 So gebrauchte Leonie . . . die Thermen von Gastein, leider jedoch ganz ohne Erfolg; 1906 Naturwiss. Wochenschr. 561 erwärmtem Wasser in den „Thermen"; Lokal-

Anz. 14. 5. 1934 In den kühlen Anlagen, von denen die Straße nach den Thermen des Caracalla begleitet wird; Hausenstein 1935 Wanderungen 50 eine thermenreiche Erholung von den Unbilden des Nordens; Süddtsch. Ztg. 18. 1. 1949 Das Bassin der großen Schwimmhalle wurde zur Tanzfläche, der Heißluft-Trockenraum ist unter seiner karnevalistischen Verkleidung nicht mehr zu erkennen . . . Die Künstlerfeste der Juryfreien „In den Thermen" werden jeden Dienstag und Freitag . . . wiederholt; ebd. 12. 5. 1955 Welche Anziehungskraft die Therme, die sich besonders zur Heilbehandlung von Hauterkrankungen . . . und Fällen von Kinderlähmung eignet, beweisen die Zahlen. thermal: 1839 Badegäste 13 Erheiterung des Geistes ist, soll die Badecur ihre Wirkung nicht verfehlen, so nothwendig, wie das Bad oder das Trinken des Thermalwassers selbst; 1843 Didaskalial 74Thermal-Wasser; 1861 Mem. Humboldts II 308 Thermalquellen; M. N. N. 2. 7. 1940 sich vorläufig in Vichy niederzulassen, Frankreichs größter und berühmtester Thermalstation im Zentralmassiv unfern Clermont-Ferrand; Süddtsch. Ztg. 29. 12. 1950 Haben Sie in Deutschland schon einmal mitten im tiefsten Winter im Freien gebadet? Das kann man nämlich, und zwar in dem niederbayerischen Thermalbad Füssing; ebd. 12. 5. 1955 Besitzer des neuen und einzigen Hotels im niederbayerischen Thermalbad Füssing; ebd. 5. 3. 1959 Das Projekt der Kurverwaltung, in einem modernen Thermalzentrum die radioaktiven Heilquellen von Meran auszuwerten; Stuttgarter Ztg. 12. 9. 1959 Während die anderen Thermalquellen 2,5 Sekundenliter Wasser schütten, ergibt die neue Quelle eine Förderung von sechs Sekundenlitern; Offenburger Tagebl. 12. 9. 1964 Säckinger Thermalbohrung fündig (Uberschr.) Die Ersatzbohrung

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für die versiegte „Badquelle" in Säckingen ist fündig geworden. Bereits in 28,6 Meter Tiefe stieß die neue Bohrung auf Thermalwasser; ebd. 11. 10. 1965 Optimistische Thermalbadpioniere (Uberschr.) Nach jahrelangen Bemühungen hat die Interessengemeinschaft zur Fündigmachung von Thermalwasser auf Singener Markung ihr erstes Ziel erreicht. Thermik: Berl. Illustr. Nach tauig. 15. 8. 1933 Fischer konnte mit dem Darmstädter „Windspiel" einen kurzen Thermikstoß ausnutzen und 200 Meter Höhe gewinnen; ebd. 21. 8. 1933 Ich bin überrascht gewesen, wieviel mehr in diesem Jahre von allen Fliegern die reine Thermik ausgenutzt worden ist; Lokal-Anz. 8. 5. 1934 Nach einem kurzen Termik-Flug und verschiedenen Kunstflugfiguren (Loopings) landete er wieder glatt auf dem Werftgelände; ebd. 24. 7. 1934 herrschte heute vormittag bei Sonne, schwachem Wind und allmählich eintretender Thermik wieder voller Betrieb; ebd. 30. 11. 1934 Es war der erste bewußte „Thermik"-Segelflug. Der motorlose Flieger wurde endlich ganz frei vom Hangwind, er konnte sich fortan auch über ebenem Gelände tummeln; Süddtsch. Ztg. 30. 6. 1953 Dann erst spricht der Pilot von Segelfliegen. Sicher dreht er sich in die Thermik hinein, in jene aufwärts strebende Röhre warmer Luft, die ihn mit einer Geschwindigkeit von drei oder fünf Metersekunden anhebt, bis dicht unter die bauschigen Kumuluswolken; Offenburger Tagebl. 7. 3. 1961 An den Hängen des Teutoburger Waldes herrscht eine gute Thermik, so daß die Tiere [Kraniche] ihre Flugformation auflösen und sich mit der Warmluft über den Gebirgszug tragen lassen können; FAZ 12. 9. 1964 Von der brodelnden Hitze am Boden stiegen kräftige Thermik-Böen in die Luft; Süddtsch. Ztg. 4. 10. 1965 Wir haben bloß eine örtliche Thermik, und das ist zu wenig für eine Zielfahrt. thermisch: Humboldt 1845-50 Kosmos I 183 Den thermischen Zustand unsers Planeten; ebd.

1365 Die thermischen und hygrometrischen Modificationen der oberen Luftregionen; ebd. II 194 Die thermische Meteorologie der Hellenen; ebd. III 6 Die thermischen Zustände der Meeresströme (alle K E H R E I N ) ; 1876 Geograph. Jahrbuch 149 thermischen Zustand des innersten Kernes unserer Erde; ebd. (1880) 229 thermische Vegetations-Constanten; 1918 Deutschland 524 thermischen Verhältnisse; Wegener 1929 Kontinente 11 den thermischen Zustand der Erde; Geogr. Zschr. 36 (1930) 532 Die letzte Septemberwoche stand wieder ganz unter der Herrschaft einer von W anrückenden thermischen Hochdruckwelle; B. Z. am Mittag 6. 6. 1933 Er gewann noch bei der Wasserkuppe Anschluß an thermischen Aufwind; Berl. Illustr. Nachtausg. 25. 7. 1935 Das bei bereits erwärmtem Boden früher erfolgende Einsetzen thermischer Luftströmungen brachte am vierten Tage des 16. Rhön-Segelflug-Wettbewerbes gegen den Vortag erheblich gesteigerte Leistungen; Dtsch. AZ. 10. 9. 1935 Die thermischen Witterungsbedingungen sind gerade in den letzten beiden Jahren für die Segelflieger besonders günstig gewesen. Die herrschende große Hitze schuf günstige Thermik — was am besten mit Aufwindzonen übersetzt werden kann; Laakso 1941 Umlagerung sowie photochemische und thermische Zersetzung bei einigen Xanthogensäureestern (Titel); Münch. Ztg. 21. 7. 1945 In den Räumen des Schlosses . . . befanden sich insgesamt 270 thermische Warngeräte, die jede unzulässige Temperaturerhöhung sofort elektrisch einer Zentrale meldeten; NZ. (Basel) 28. 4. 1950 Die thermischen Fahrzeuge sind Alleinläufer und werden auf Strecken mit wenig Verkehr, das heisst hauptsächlich in Sizilien eingesetzt. Auf gewissen Linien der Insel, die bis zu 75 Promille Steigung aufweisen, ist ein spezielles thermisches Adhäsionsfahrzeug geschaffen worden; Offenburger Tagebl. 10. 12. 1970 Die Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik und der Schweiz über eine Regelung der Wärmebelastbarkeit des Hochrheins durch thermische Kraftwerke werden am 14. und 15. Dezember in Baden-Baden fortgesetzt.

Thermometer N . (-s; -), bis ins 20. Jh. häufig auch M., seit Anfang 18. Jh., zunächst in griech. und lat. (flekt.) Formen, nachgewiesen, eventuell über älteres frz. thermomètre zurückgehend auf griech. ÖEQIAT] 'Wärme, Hitze', 0EQ^OÇ 'warm' und ^IÉTQOV ' M a ß ' ; a vor allem im medizinischen und physikalisch-meteorologischen

Bereich verwendet als Bezeichnung für ein Gerät zum Messen der Temperatur, das meist aus einer Glasröhre besteht, die mit einer je nach Wärme- oder Kältegrad meßbar expandierenden oder sich kontrahierenden Substanz (z. B. Quecksilber oder Weingeist) gefüllt, luftdicht verschlossen und (nach der Reaumur-, Fahren-

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heit- oder Celsiusskala) in Grade eingeteilt ist; dazu seit spätem 18. J h . die fachspr. adj. Ableitung thermometrisch 'die Temperaturmessung betreffend' und seit späterem 19. J h . (gebucht 1863 bei Kaltschmidt) die ebenfalls fachspr. subst. Ableitung Thermometrie F. ( - ; ohne PL) 'Temperaturmessung', b Seit spätem 18. J h . häufig auf menschliche Gefühle, gesellschaftliche Verhältnisse, Entwicklungen o. ä. übertragen und bildlich verwendet im Sinne von 'Gradmesser; Maßstab'; vgl. —» Seismograph b. Vgl. daneben zahlreiche andere, seit dem 19./20. J h . nachgewiesene und meist fachspr. in wissenschaftlichen und technischen Bereichen verwendete Ausdrücke mit Thermo-, thermo-'Wärme(-energie)-; Temperatur-' als Präfixoid wie T h e r m o elektrizität 'durch Wärme erzeugte Elektrizität; (Lehre der) Beziehung zwischen Temperaturunterschieden in einem Körper und den dadurch bewirkten elektrischen Spannungen', Thermodynamik (nach gleichbed. engl, thermodynamics) 'Teilgebiet der Wärmelehre, das sich mit den Beziehungen zwischen Wärme und Kraft/Arbeit befaßt', thermonuklear (nach gleichbed. engl, thermonuclear) 'durch extrem hohe Temperaturen hervorgerufene Kernreaktionen betreffend, auf ihnen beruhend' (Thermonuklearwaffe), Thermostat (zurückgehend auf griech. 6 E Q [ X Ö 5 und oxaxoq '(fest-)stehend'; vgl. älteres engl, thermostat) 'Vorrichtung zur Erhaltung konstanter Temperaturen; Wärme-, Temperaturregler'; vgl. das seit Anfang 20. J h . bezeugte Warenzeichen Thermosflasche 'doppelwandiges Gefäß, in dem wegen der durch ein Vakuum zwischen beiden Wandungen verursachten verminderten Wärmeübertragung Speisen oder Getränke ihre Temperatur lange behalten'. Thermometer a: Vischer 1709 Informator 170 Thermometron; Scheuchzer 1711 Pbysica I 175 Besser und deutlicher kan man die Wirkungen der Dünnung und Verdichtung nicht sehen, als in gewissen Wettergläsern, so man Thcmometra und Thermoscopia nennet; Sturm 1717 Matheds 10& nennet man Thermometron oder Thermoscopium; 1720 (Mitt. G Erz'gesch. 13 (1903) 186) Zum Anfange wolte ich alle meine optische Instrumenta hergeben, als das ist, nehml. die . . . Specula, Thermometra, Barometra, Thermoscopia, Microscopia, und was dergleichen mehr; Fleming 1726 Soldat 33 Thermometren; Sperander 1728 A la Mod-Sprach o. S. Thermometrum, ein Instrument, dadurch man die Wärme abmessen kan; Key ssler 1730 Reisen (Ausg. 1776) II 1125 zu Thermometris brauchet; 1749 Neue Beyträge (Bremen) V 175 Auf ein Thermometer, an dem die Veränderungen der Wärme und Kälte Lateinisch, Spanisch . . . angezeigt waren; Justi 1758 Staatswirthschaft I 297 des reaumürischen Thermometers; 1768 Beschr. der Barometer 32 Ein Thermometer, worauf wir die Wärme oder Kälte erkennen können; 1772 Frankf. gel. Anz. 137 in dem es den Liquor in dem Thermometer verschiedene Grade über den Siedungspunkt erhob; Saussure 1781 Reisen durch die Alpen (Übers.) I 27 Das Quecksilberthermometer, welches ich nach de Luc das gemeine nenne, ist das, welches fast allenthalben das Reaumürische

heisst; Frank 1783 System der medicin. Polizei III 905 Anm. sein Wohnzimmer nach einem gestempelten Thermometer zu hitzen; Wieland I 93 der thermometer [im 1784 T. Merkur Luftballon], der an der erde 7VJ grad über dem gefrierpunkt stand, fiel in dieser zeit 5 grad unter denselben ( D W B ) ; 1784 Göttinger Taschen-Calender 88 Thermometer . . . Wärmemesser. Ein Werkzeug, das zu bekannt ist, als daß wir nöthig hätten viel Worte dabey zu verliehren. Es sind gemeiniglich mit flüssigen Körpern, als Quecksilber, Luft, Weingeist; Leinöl etc. angefüllte gläserne Röhren, durch die sich die Ausdehnung und Zusammenziehung besagter Flüssigkeiten durch Wärme und Kälte deutlich sehen läßt; Laukhard 1792 Lehen I 43 die Grade des Feuers nach dem Thermometer zu bestimmen; Goethe 1795/6 Lehrjahre (22) 292 aber das Thermometer, das vorher im heißem Wasser gestanden, hing nun an der natürlichen Luft; Rumford 1805 Kl. Sehr. IV 1, 13 Nachdem es einem geschickten Künstler zu Manheim, Namens Artaria, gelungen war, die Kugel eines Quecksilber-Thermometers, welche einen halben Zoll im Durchmesser hatte, im Mittelpunkte einer andern (gläsernen) Kugel von anderthalb Zoll im Durchmesser, auf eine solide Art zu befestigen; Humboldt 1808 Ansichten d. Natur I 93 sobald man nemlich die Beobachtung im Schatten . . . nicht in einer mit heißem Staube

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gefüllten Luft oder mit lichtverschluckenden Weingeistthermometern anstellt; Sammler von Tirol 4 (1808) 2 Quecksilber Thermometer mit einer reaumur'schen Eintheilung; Schubert 1827 Reise I 112 das Reaumursche Thermometer; Mahler 1864 Über die Eider 111 Das Thermometer zeigte kaum drei Grad, — unter solchen Umständen war das Marschiren eine Lust; Gaea 21 (1885) 179 Thermometer-Konstruktionen (Uberschr.) Er berührte kurz die ersten Instrumente für Wärmemessungen, welche in den letzten Jahren des 16. Jahrhunderts angefertigt wurden (Drebbel, Galilei); die florentinische Academia del Cimento konstruirte 1650 bereits Weingeistthermometer, welche als tiefsten Punkt den Eispunkt hatten . . . Nachdem Newton 1680 die Konstanz des Siedepunktes des Wassers mittels eines Leinölthermometers festgestellt, und Halley 1693 entdeckt hatte, daß sowohl Quecksilber als Weingeist in der Thermometerröhre stets die gleiche Höhe erreichen, wenn man das Instrument in siedendes Wasser tauchte, war Fahrenheit der erste, der Anfang des 18. Jahrhunderts den zweiten fixen Punkt praktisch anwendete, indem er als Nullpunkt den Punkt annahm, den das Thermometer in einer Mischung von Eis und Salmiak erreichte . . . Réaumur wandte zuerst die achtzigtheilige Skala vom Eisbis zum Siedepunkte an . . . Die hunderttheilige, nach Celsius (1742) benannte Skala ist die letzte der drei noch jetzt im Gebrauche befindlichen Thermometereintheilungen; Presber 1912 Von Ihr 29 Er knöpft die Weste und das Hemd auf und steckt diskret das Fieberthermometer in die Achselhöhle; Lokal-Anz. 20. 7. 1934 Die . . . stark geschwächte Lage der deutschen Thermometerindustrie ist seit Jahresfrist durch eine straffe allgemeinverbindliche Regelung wieder gefestigt worden. Die Produktion von Fieberthermometern ist auf 14 Dutzend je Mann und Woche beschränkt worden;Süddtsch. Ztg. 22J23. 7. /9J0Sicherheitsthermometer mit automatischer Signaleinrichtung für Schwerkranke.

Thermometrie: Dtsch. Rundschau 49 (1886) 41 physiologische Thermometrie; 1934 Handbuch d. Philosophie IV16 Die 1. Stufe erforscht die Faktoren: die Thermometrie Galileis und Amontons; Grundmann 1941 Die Flüssigkeitstherptometrie und die Möglichkeit ihrer Verbesserung und Ausweitung (Titel). thermometrisch: Zimmermann 1778 Geschichte des Menschen 133 Nun erwäge man thermometrisch die außerordentlichen Verschiedenheiten der Hize und Kälte, welche das Menschengeschlecht bey dieser allgemeinen Verbreitung über den Erdboden ertragen kann, und wirklich erträgt;

Sehrank-Moll 1785 Br. IlVorr. IX den barometerund thermometrischen Beobachtungen des Jahres 1784\Kohll841 Petersburg! 269thermometrische. Thermometer b: Moser 1784 Patriot. Archiv I 503 [Der] Magen — ist oft der Thermometer des Verstandes mancher Hofleute, wie die Lunge der Beweiss ihres Gedächtnisses ist; 1787 Journal v. «. /. Deutschland I 367 Wenn es indessen wahr ist, dass das Theater dem reisenden Philosophen zum Thermometer dienen kann, wenigstens den Geschmack eines Publicums zu bestimmen; Wezel 1790 H. u. U. IV 351 Thermometer ihrer Gunst; Matthisson 1796 Italien (V 32) Thermometer der ächten Kunstwürdigung; Herbart 1820 briefl. (Gebhardt, Schopenhauer 61) Es ist mir sehr daran gelegen, eine Art von Thermometer für die Wärme oder Kälte im philosophischen Publicum zu haben; Wit v. Dörring 1833 Jugendleben 65 Jeder Mensch hat im Gefühle seinen eigenen Thermometer, aber die Scala derselben ist so verschieden abgetheilt, dass der Sindpunct[!] des Einen kaum das Zero der Andern übersteigt; Devrient 1839 F II 278 das Gesicht eines Kaufmannes . . . ist der Thermometer seines Kredites; Lacroix 1844 Geheimnisse von Russland (Übers.) 245 Thermometer der öffentlichen Sittlichkeit; Raumer 1849 Br. Frankf. Paris II 305 das politische Barometer und Thermometer; Steinmann 1857 Rothschild I 28 Herr von Rothschild ist in der That der beste politische Thermometer, ich will nicht sagen, Wetterfrosch, weil das Wort nicht hinlänglich respektvoll klänge; 1871 Vier Monate vor Paris 3 Genug, der Krieg sank unter den Horizont, die Friedenssonne gieng fröhlich in unseren Gedanken auf und trieb den Thermometer unserer Laune um eine erkleckliche Anzahl von Graden in die Höhe; Pfleiderer 1890 Erinn. 55 wie hoch . . . der Gemüthsthermometer vom anfänglichen Gefrierpunkt an bereits gestiegen war; Henne-am Rhyn 1897 Kulturgesch. VII 4 Nullpunkt im Thermometer der Moral und Religion; Bodman 1911 Tagebücher 113 wir schätzen die Menschen danach ein, inwiefern sie höhere oder niedere Vertreter des Menschentums sind. Das Thermometer unsrer Liebe steigt und fällt danach; Naumann 1911 Geist 176 charakterlosen Thermometer des öffentlichen Bewusstseins; Lenz 1922 Staat 7 Pölert war und blieb für Marx das „auswärtige Thermometer" aller Revolutionen wider die „Heilige Allianz"; Harden 1927 Versailles 248 die Volksvertreter erhitzten sich gerade bis zu dem Thermometerstrich, der die richtige Wahltemperatur verhiess; Brockschmidt 1929 Sozialdemokratie 33 Anm. An dem Tage, wo das Thermometer des allgemeinen Stimmrechts den Siedepunkt bei den Arbeitern anzeigt; Voss. Ztg. 30.-3. 1930 Die Krawatte, die man nicht mit

These Unrecht als das Thermometer des Geschmacks bezeichnet; 1932 Stecowa 160 Thermometer der Nervosität rasch den Fieberpunkt [erreicht]; 1942

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Berl. Monatshefte 543 [abzulesen an] zahlreichen, allen Augen zugänglichen soziologischen Thermometern.

These F. (-; -n), im späten 16. Jh. aufgekommen, über gleichbed. lat. thesis zurückgehend auf griech. ôéoiç 'das (Auf-)Stellen, Setzen; aufgestellter Satz; Behauptung' (zu tiBévai 'setzen, stellen'), bis ins 18. Jh. häufig, bis ins 20. Jh. vereinzelt lat. flektiert; zunächst meist fachspr. in Philosophie und Wissenschaft in der Bed. 'aufgestellter (Lehr-, Leit-)Satz' und '(wissenschaftlich zu beweisende) Behauptung, Setzung', speziell in der dialektischen Argumentation (—> Antithese, —> Synthese, —* Hypothese), früher auch im lat. Syntagma in tbesi 'im allgemeinen, in der Regel', in neuerer Zeit zunehmend abgeflacht verwendet im Sinne von '(subjektiver) Grund-, Kernsatz, Behauptung; Standpunkt, Meinung', bes. im politischen Bereich; im 20. Jh. speziell in der Literaturwissenschaft, vermutlich aus gleichbed. frz. roman/pièce à thèse lehnübersetzt, in den Zss. Thesenroman/-stück 'Roman/Stück, der/das die Diskussion eines ideologischen Themas und die Formulierung von Thesen über die eigentliche Handlung stellt, Tendenzroman/-stück'. Fabricius 1588 Surius' Chronik 208h Theses; Wasserleiter 1590 Logica 147h Theses; Geizkofler um 1600 Lehensbeschr. 13 wenn Luther nichts anderes gethan, als dass er die angeführten ihnen communicirten theses und lehr widerfochten, so sey er . . . für kein ketzer zu achten; Gutmar 1603 Gemerck vnd Kennzeycher 134 ein heylsame, einige von Gott gesetzte . . . allgemeyn vnnd Catholische Thesis vnd Conclusio; Frankenberg 1617 V. d. rechten Kirchengehen 56 Giebet mir der Herr . . . dasz ich . . . Keine Theses gebrauchet; Reiss 1657 Bedencken A2" wie es da in seinen Thesibus, Worten, und Sätzen [heißt]; Vischer 1709 Informator 19 Sondern da überhäuffet man erstlich den Verstand mit Conceptibus sacris; [man] lernt dem Worte nach Thesin, Antithesin und disputiren, und verspart die Widergeburt fein weit hinaus; Schamel 1717 Formular-Büchlein 22 dass man keine Thesin oder Lehre vortrage, daferne sie nicht ihren Grund in der Schrifft hat; Meier 1746 Ursachen d. verdorb. Geschmacks d. Deutschen 41 Wenn ein Mann angegriffen wird, der seine Sachen bloss in thesi vorgetragen hat, so kan es eine Grossmuth genennet werden, wenn er öffentlich erklärt, dass er nicht antworten wolle; Hederich 1746 Anleitung 462 Von der Thesi, und Hypothesi; 1779 Uber den Feldzug 31 wie der Magister, der eine Thesin defendirt; Goethe Schiller 1794-1805 Briefw. III 324 Sobald ich mich von meiner Zerstreuung erholt habe, will ich unsere Thesen aufsetzen ( K E H R E I N ) ; Herder vor 1803 (W. XIV 27) An sich ist jedes Unheil (Thesis) eine Zusammensetzung (Synthesis) des Subjects und Prädikats ( K E H R E I N ) ; Steffens 1821 Carica-

turen II 357 das reine Setzen, die Thesis . . . das Entgegensetzen, die Antithesis . . . das Gleichsetzen, die Synthesis; Goethe 1827-42 (W. XXVI 43) Die Facultät wolle mich gern über Theses disputieren lassen ( K E H R E I N ) ; ders. vor 1832 (XXXII 20) er mochte gern meinen dynamischen thesen, wenn er sie auch für grillen hielt, aus reicher erfahrung belehrend nachhelfen (DWB); ebd. LIII 95 so musz er [Roger Bacon] doch den einzelnen theilen des wiszbaren und ausführbaren . . . unrecht thun, um seine these durchzusetzen (DWB); Hoffmann 1843 Kl. Sehr. 294 Die am schwarzen Brett angeschlagenen Thesen; Heine vor 1856 (V 67) als Luther seine thesen gegen den ablasz an die thüre der Augustinerkirche anschlug (DWB); Eckstein 1876 Satir. Zeitbilder 47 These; 1916 Schwed. Stimmen 190 Thesis und Antithesis gehen in der höheren Einheit der Synthesis auf; Hamann 1918 Vorgesch. 145 die unglückliche Thesenpolitik Holsteins; Curtius 1921 Barrés 90 treten in dem Barrèsschen Buch Elemente des Kriminalromans, der Zeitkritik und . . . des Thesenromans [hervor]; ebd. 168 Die nationalistische Ethik hat Barrés in den ihm geläufigen Formen des Thesenromans [dargestellt]; Zfrz. Spr. 52 (1929) 191 Er [Dumas] wurde der Begründer einer neuen Art der Sittenkomödie, des sozialen Tendenzdramas oder Thesenstückes; Berl. Mon'h. f . internat. Außlärung 8 (1930) 304 „Schuldthese" in dem engen Sinn von Versailles; Voss. Ztg. 7. 8. 1931 Nur soviel wird exportiert — das ist die Grundthese - , wie zur Bezahlung dieser Importe notwendig ist; Friedell 1931 Kulturgesch. III 500 [Sudermanns] „Ehre" ist . . . streng nach dem

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Modell des französischen Thesenstücks gearbeitet; 1931 Arbeitsausschuss 43 Das sollte uns eine Lehre sein, endlich abzurücken von der These, die uns seit einem Jahrzehnt narrt, daß Verzicht hüben Verzicht drüben auslöst; Berl. Illustr. Nachtausg. 9. 3. 1933 Er studierte und verwarf die sozialistische These vom Gemeinschaftsland; DVjS 12 (1934) 157 Unsere eigenen „Thesen", um mich dieses ehrwürdigen Wortes aus mittelalterigen Disputationen zu bedienen, sind . . . folgende; Koch 1938 Geist 227 Hegel versucht . . . auf dialektischem Wege, indem er über Thesis und Antithesis zur Synthesis fortschreitet [die Lebenswirklichkeit in eins zusammenzuzwingen]; Münch. N. N. 20. 12. 1943 Noch vor wenigen Jahren wurde mit den Fingern auf die These und Antithese hingewiesen, die in dem unhaltbar gewordenen Nebenund Auseinanderleben Danzigs und Gdingens . . . lagen; Gmelin 1950 Zyklenroman 67 Noch weiter als in den Kultursatiren . . . greift Rolland in der

Âme enchantée auf die Zeitgeschichte aus und verwandelt . . . den Roman geradezu zum Thesenroman; Süddtsch. Ztg. 14. 8. 1958 Die Wiederaufnahme der Beziehungen zwischen Bonn und Belgrad ist problematisch . . . weil Bonn an der These, keine Beziehungen zu Ländern zu haben, die Ostberlin anerkennen, festhält; Münch. Stadtanz. 23. 10. 1959 Fünfzehn Thesen am Münchner Rathaustor (Überschr.) Dr. Hans-Jochen Vogel . . . verkündet sein Sechs-Jahre-Programm; Bornkamm J967 Thesen und Thesenanschlag Luthers (Titel); FAZ 16. 2. 1970 Wer derartig unausgegorene „Thesen" produziert, der hat noch nicht gelernt, 'was gerade an der Offiziersschule gelehrt werden sollte; ebd. 23. 12. 1970 Rücksichtslos fegt Moskau die eigenen Lockthesen von den anzuerkennenden beiderseitigen „Realitäten" vom Tisch; Die Zeit 10. 2. 1978 Die verbreitete Kritik am alten Kabinett läßt sich auf wenige Thesen zuspitzen; ebd. 31. 3. 1978 Schmidts stabilitätspolitischen Thesen entnommen.

Thriller M. (-s; -(s)), im frühen 20. Jh. vereinzelt, erst in neuester Zeit häufiger belegte Entlehnung aus gleichbed. engl./amerikan. thriller (zu thrill 'durchbohren, -dringen; zittern machen, erregen; (er-)beben'); in der Bed. 'ganz auf Spannungseffekte, Nevernkitzel ausgerichtetes (Schauer-)Stück, (Kriminal-)Roman, Film; Reißer' (Psychothriller), vereinzelt übertragen verwendet; dazu in jüngster Zeit die verbale Gelegenheitsableitung thrillern 'einen Thriller (im Fernsehen) senden, ausstrahlen'. Thriller: Kircher 1927 Fair Play 145 diese blöden „London Thriller"; Süddtsch. Ztg. 29. 6. 1954 Das hätte entweder als nervenzerrender Thriller angelegt werden müssen oder als psychopathologische Studie; ebd. 1. 7. 1960 hat . . . seinen Film formal ins Gewand des Thrillers gesteckt und, verblüffend genug, auch dieses Kleid sitzt; ebd. 30. 9. 1960 Die Spur führt nach Caracas . . . französischer Kriminalfilm . . . ist . . . nur ein mäßiger Thriller geworden; Stuttgarter Ztg. 23. 12. 1960 „Mitternachtsspitzen" heißt ein amerikanischer Thriller, in dem Doris Day . . . sich in einer dramatischen Rolle vorstellt; Süddtsch. Ztg. 26. 1. 1961 Dieser . . . zurechtgestutzte Kadettenthriller ist der . . . schwächste unter den Militärfilmen; Spiegel 24. 1. 1962 „Die Welt von Tim Frazer" . . . die in England als des Autors Best-Thriller gilt (CARS T E N S E N ) ; Süddtsch. Ztg. 7. 2. 1963 Erfolgsautor Francis Durbridge hätte in einem seiner Thriller die Fäden nicht verwickelter spannen können, als sie es bei diesem mysteriösen Dokumentenschwund sind; Süddtsch. Ztg. 27. 3. 1963 erlebt hier nun am eigenen Leib haargenau alle jene Standardsituationen des Thrillerromans; FAZ 7. 3.

1964 Die meisten SF [ = Science fictionj-Stories sind ja ohnehin nur „Thriller" im Zukunftsgewand ( C A R S T E N S E N ) ; Erlanger Tagbl. 1. 7. 1964 Preisverdächtig ist auch der englische Film „Griff aus dem Dunkeln", ein blendend gemachter Thriller . . . Hier stimmt von der Psychologie bis zum Schnitt alles, die Gänsehaut wird mit legitimen künstlerischen Mitteln erzeugt; Stuttgarter Ztg. 28. 9. 1965 So rekonstruierte man einerseits die Zeit des Londoner „Blitzes" und die Peenemünder Versuche, ließ Winston Churchill und auch Hanna Reitsch auftreten, um der Sache Authentizität zu geben, setzte dann aber bald den üblichen Spionagesuperthriller in Gang; Offenburger Tagebl. 26. 1. 1971 Der durch seine „Thriller" weltweit bekannte Filmregisseur Alfred Hitchcock ist zum Ritter der französischen Ehrenlegion ernannt worden; FAZ 2. 10. 1971 Die Thematik der 26. Vollversammlung der Vereinten Nationen läßt sich freilich nicht mit den beiden „Thrillern" China und Generalsekretär ausschöpfen; Die Zeit 3. 9. 1976 Der bereits vor dreizehn Jahren gedrehte Psycho-Thriller erscheint jetzt endlich auch auf den Spielplänen unserer Kinos;

Tick ebd. 12. 8. 1977 Mit „The Arms Bazaar" ist Sampson ein neuer Bestseller gelungen, mehr noch - ein Thriller; ebd. 14. 10. 1977 Man liest in einer sauberen, freilich stilistisch nicht immer sicheren Übersetzung einen Thriller aus der Dekadenzzeit der Alten Welt, ein Buch aus jener Klasse, die nach Ausweis der vielen Papyri auch damals die Bestseller stellte; ebd. 4. 8. 1978 Ansprechbar, wie wir

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nach Polanski und der Horrorwelle für Psychothriller geworden sind, hat bei uns heute ein perfekt inszeniertes Psychogramm eine Menge Chancen auf der Opernbühne. thrillern: Spiegel 4. 3. 1964 wenn Mainz das Stückwerk „Die vier Gerechten" in deutsche Gaue thrillert (CARSTENSEN).

Tick M. (-s; -s), im späteren 18. Jh. entlehnt aus frz. tic ungeklärter, eventuell onomatopoetischer Herkunft 'fehlerhafte Angewohnheit von Pferden, ungewöhnliche Bewegungen zu machen, Krippenbeißen; Glieder-, Muskelzucken; absonderliche Eigenart, Gewohnheit, Laune', auch in den Schreibungen Tik, Tic; 1 in der Bed. '(absonderliche, wunderliche, lächerliche) Eigenart, Gewohnheit; Verschrobenheit; kleine Verrücktheit, Laune, Schrulle, Grille, Spleen, Marotte, Fimmel, fixe Idee; Dünkel', auch, z. B. mit den Präp. auf und für, in der Bed. 'Vorliebe, Neigung, Hang' und mit der Präp. gegen in der Bed. 'Abneigung'; in neuester Zeit auch übertragen und adverbiell gebraucht in ugs. Wendungen wie ein(en) Tick nach rechts, ein(en) Tick zu laut. 2 Fachspr. in der Medizin, meist in der Schreibung Tic, in der Bed. ,zwanghaft wiederkehrende, unwillkürliche Bewegung (des Körpers, einzelner Gliedmaßen), Gliederzucken', bes. 'nervöses Zucken eines Gesichtsmuskels', z. B. Blinzeln, Zwinkern, Grimassenschneiden, gelegentlich in frz. Syntagmen wie tic convulsif und tic douloureux 'schmerzhaftes Muskelzucken (im Gesicht)', auch bildlich verwendet (vgl. 1). Tick 1: 1766 Allg. dtsch. Bibliothek II 1, IIS gewissen Tic zu moralisieren; Hermes 1778 Sophiens Reise III 190 Sie wissen, wie sehr mein Vater dem seltsamen Tic nachgab, welchen ich hatte, Lateinisch und Griechisch zu lesen; 1779 Teutscher Merkur I 247 Das ist nun freylich ein Tic, den er mit den geringsten Friseuren und Tanzmeisterchen seiner Nation gemein hat; Müller 1784 Siegfried v. Lindenberg III SO Weil Elisens Kammerkätzchen gerade . . . den Tik hatte, die Verschwiegenheit zu spielen; Hermes 1790 F. Eltern III 386 weil der Aufenthalt so nah bei der Obristinn keine der Freuden, die ich hatte, mir gewähren kann, wenn sie diesen Tic behält; Kotzebue 1791 Meine Flucht n. Paris 92 Er besaß unter anderm den Tic sehr gut französisch zu sprechen; Foote 1796 Ritter (Ubers.) (I 261) ein Geschichtchen, o das ist sein Leben . . . und dem Ersten dem Besten tischt ers wieder auf — Das ist sein Tick, und den benutz ich — ich höre seine Histörchen . . . geduldig an; 1802 Eunomia II 111 Es ist . . . der Sohn eines reichen Parvenü, der vor kurzen von Reisen zurückgekommen. Er hat den Tick, in allen seinen Handlungen von seinen Mitbürgern abzuweichen; Buchholz 1808 Gallerie preuss. Charaktere 284 ein gewöhnlicher Tic der Geschäftsmänner; Börne

1832 Briefe a. Paris I 170 Napoleon wie er lebte. Alle seine Manieren, alle seine Tics waren nachgeahmt; Hettner 1848 (Sehr. 270) diesem philologischen Tick; Mohl 1849—74 Lebenserinn. 1135 Cuvier hatte den Tic, sich auf seine Stellung als Staatsrat . . . weit mehr zu gute zu halten als auf seinen Ruhm als Gelehrten; 1852 Prutz' Museum I 449 Doch hat Balzac mehr realistischen Tik als Hebbel, der sich bisweilen zu phantastischen Ungeheuerlichkeiten fortreissen lässt; König 1857 Clubisten II 122 In diesem Verheimlichen früherer Neigung wollte Therese einen aristokratischen Tik finden; Haym 1857 Leben 48 Ein Tik vornehmer Ehrbarkeit regte sich in mir gegen das vierte Stockwerk mit seiner romantischen Armseligkeit und Nachlässigkeit; Oppenheim 1866 Verm.Schr. 155 spricht sich in Fröbel ein gewisser realistischer Tic aus, der ihn zwar nicht von der . . . Conjecturenmacherei erlöst, wohl aber ihm einen Respekt vor Massen einflösst; Roland 1888 L. 17 Civilpersonen, die dem gewissen Etwas, das wol am richtigsten mit „preußischer Tick" zu bezeichnen ist, abhold sind; Genthe 1892 Slang 63 einen gewaltigen Tick haben; Steinhausen 1899 Kaufmann 126 Indessen war es nicht der Adel allein, der den Kaufmann missachtete, es that dies namentlich

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auch der höhere Beamte, dessen Tic und Dünkel in dem damaligen Zeitalter der Staatsomnipotenz grossgezogen wurde; Zobeltitz 1902 papierene Macht I 135 Er litt am Adelstick; Schmidt 1902 Kursächs. Streifzüge I 55 So ein forscher Annaburger Junge . . . hat einen gewissen „Tick", und kommt sich zu gut für ein gewöhnliches Handwerk vor; Heinroth 1906 Enttäuschungen I 42 Professoren-Tick; Bierbaum 1910 Reife Früchte 22 den Tic fürs Vornehme; Stimmen d. Zeit 88 (1913) 322 Schönformerei und Liebhabertick; Simmel 1915 Philosophie 148 wo . . . wirkliche Christen aus einem gewissen „Bildungs"-tick heraus eine undogmatisch pantheistische Haltung einnehmen; 1926 Adressbuch der Antiquare 17 und häufig haben wir [Antiquare] ja mit Sammlern zu tun, die einem „on dit" zufolge . . . einen kleinen „Tick" haben; Borchardt 1928 Handlungen 264 Casanova . . . wurde einen gewissen Tic nicht mehr los, den er sich bei seiner . . . Gefangenschaft zugezogen hatte: Schwindsucht? . . . Nein, etwas Einfacheres: Das auf Dächern gehen; Hübner 1934 Wirth u. Ura-Linda 14 einen Fälscher . . . der einen besonderen Tick aufs Sprachliche hatte und ihm buchstäblich Seite für Seite fröhnt; 12 UhrBlatt 22. 1. 1935 Ein Durchschnittsmensch im üblichen Sinne wird der Schauspieler niemals sein. Einen kleinen extravaganten Tick wird er sich immer vorbehalten; M.-A. Abendztg. 18. 11. 1943 Unter Tic versteht man — außer den im medizinischen Sinne direkt krankhaften, unwillkürlichen Bewegungen — gemeinhin auch eine ganze Reihe von meist harmlosen, eigentümlichen, auffallenden Angewohnheiten, die wir bei diesem oder jenem Menschen beobachten. „Er hat einen Tic", sagen wir etwa, wenn jemand, sobald er etwas erklären oder erläutern will, anfängt, auf der Tischplatte oder dem Tischtuch unsichtbare Krümchen fortzuwischen. Wir begegnen im Leben sehr vielen solcher „Tics". Die allermeisten sind durchaus nicht pathologisch. Die gesündesten Menschen können einen, manchmal ganz unscheinbaren und nur engerer, aufmerksamer Beobachtung auffallenden „Tic" haben. Aber immer beruhen die „Tics" . . . auf bestimmten körperlichen oder seelischen Ursachen. Auch kann ein psychologisch zu deutender „Tic" nach und nach zu kleinen körperlichen Schäden führen . . . Ungemein verbreitet ist der Tic, die Hände ständig mit irgendetwas zu beschäftigen — mit der Zigarette, mit einem Bierfilz, mit Brotkügelchen drehen, Ringreiben und dergleichen. Auch das Nasereiben und Daumenumeinanderdrehen gehört dazu . . . Vielfach stellen die Tics Angewohnheiten dar, die aus der Kindheit beibehalten wurden, wo

sie aus gewissen körperlichen Reaktionen entstanden und infolge noch fehlender Erkenntnis, Selbstbeobachtung und Selbstüberwachung einwurzelten. So z. B. das häßliche Nägelkauen. Ein „Tic" kann wichtige charakterologische Hinweise liefern. Die unter den Begriff des „Tics" fallenden ständigen Reaktionen sind aber von den mit ihnen allerdings verwandten, neurotischen Erscheinungen zu trennen; Süddtsch. Ztg. 3. 8. 1953 Gott hat uns den sogenannten Rechen-Tick in die Wiege gelegt. Das heißt, wir müssen — ob wir wollen oder nicht — alle die Zahlenangaben nachrechnen, die uns tagaus, tagein von offizieller und inoffizieller Seite auf den Tisch des Hauses gelegt werden; Eppelsheimer 1953 Schild 22 Baudelaires Tick gegen das Kommerzielle; Offenburger Tagebl. 6. 6. 1959 Manchmal heißt es auch von einem, der einen Vogel hat, er habe einen Tick; Stuttgarter Ztg. 31.3. 1960 den einschlägig vorbestraften Lothar W., dessen verhängnisvoller „Tick" für fremde Fahrzeuge allmählich verbrecherisch zu werden droht . . . „Auto-Tick"; Adorno 1961 Noten II 210 Unarten und Ticks des normalen Charakters. Tick 2: 1829 Briefw. G.-Z. V 203 Als Komponist hatte er [Friedemann Bach] den Tic douloureux original zu seyn, sich von Vater und Brüdern zu entfernen; Plönnies 1869 Leben Knopfs 70 aus einer Indigestion hat sich eine hohe Migraine entwickelt, die bis zum tic douloureux steigen und meinen geliebten Herrn noch zwei Tage in's Bett bannen wird; Nordau um 1880 K. II 35 Er war ein stiller, träumerischer Mann, der einen convulsivischen Tic in den Gesichtsmuskeln hatte, in Folge dessen er jede Minute die Lippen zu einem lautlosen Lächeln verzog; Moll 1902 ärztl. Ethik 84 Welche Folgen das längere Ansehen eines schweren Tics auf hysterische Patienten ausüben kann; Frank 1926 Liebesleben 112 Unarten der Kinder, wie Nägelkauen, Nasenbohren oder irgendwelche Tics (Zwangsbewegungen, Grimassenschneiden); Bode 1930 Leben I 58 Nervenleiden, eine Art tic douloureux; M.-A. Abendztg. 18. 11. 1943 In der „Medizinischen Klinik" widmet das Mitglied der Berliner Universitäts-Nervenklinik, Prof. Dr. W. Betzendahl, dem Tie-Leiden eine eingehende fachwissenschaftliche Untersuchung. Unter Tic versteht man - außer den im medizinischen Sinne direkt krankhaften, unwillkürlichen Bewegungen - gemeinhin auch eine ganze Reihe von meist harmlosen, eigentümlichen, auffallenden Angewohnheiten, die wir bei diesem oder jenem Menschen beobachten.

Ticket

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Ticket N. (-s; -s), Gen. früher —, seit Mitte 18. Jh. selten, erst in neuester Zeit häufiger nachgewiesene Entlehnung aus gleichbed. engl, ticket (zurückgehend auf altfrz. e(s)tiquet(te) 'Einkerbung in einen Pflock, (an einem Pfahl befestigtes) verbindliches Zeichen, Aufschrift; Vorschrift', zu estiqu(i)er 'anheften, feststecken', titanisch); seit Mitte 19. Jh. die adj. Ableitung titanenhaft 'riesenhaft, riesig; überragend, großartig; tollkühn, vermessen' (—»titanisch) mit der vereinzelt belegten dazugehörigen subst. Ableitung Titanenhaftigkeit, F. (-; ohne PI.); im 19. Jh. die Gelegenheitsableitung Titanerei 'titanischer Größenwahn'; seit Mitte 19. Jh. die subst. Ableitung Titanentum N . (-s; ohne PI.) 'Eigenschaft, ein Titan zu sein, einsame Größe; Selbstherrlichkeit, Hybris' (vgl. Titanismus, —»titanisch); und in jüngster Zeit die adj. Gelegenheitsableitung titanesk 'ins Maßlose verzerrt, übertrieben gewaltig'. Titan: Stainhöwel 1473 ber. Frauen 63, 10 Titanen; Rollenhagen 1595 Froschmeuseler II 121, 5 Das für etlichen tausend jaren Große riesen auf erden waren, Titanes genant und Giganten Die got für keinen herrn erkanten; Spangenberg 1605 Hecuba (LV CCXI 1581) Bey dess Rysen Titans Geschlecht; Morbof 1682 Ged. 295 Titan selber/der erfroren/Bleibet selber bey Auroren Und geniest der süssen Lust; Zesen 1688 Heidn. Gottheiten 370 Titaner oder Riesen; Batteux 1751 Schöne Künste (Ubers.) 55 Bis auf ihre Zeiten waren die Werke der Kunst kaum anders betrachtungswürdig gewesen, als durch die ungeheure Grösse der Masse oder der Untersuchung. Dieses waren Werke der Titanen. Aber die weit aufgeklärtere Griechen empfanden, dass es weit schöner wäre, den Verstand zu reizen, als die Augen in Erstaunen zu

setzen; Winckelmann 1763-68 Kunst (III 128) Fabel der gewaltigen Titanen; Goethe 1787 Iphigenie (W. IX 77) der titanen der alten götter tiefer hasz auf euch, Olympier! (DWB); Matthisson 1787 Schweiz (II 168) Titanengewitter; Ramler 1790 Mythologie II 400 Titanen waren Söhne des Uranns oder Cälus und der Titäa oder Tellus . . . Die Schwestern der Titanen werden Titanerinnen oder Titaniden genannt; ebd. 403 Nach einer sehr wenig bekannten Fabel soll ein gewisser Titane Ophion mit seiner Gemahlinn . . . regieret haben; Hölderlin 1797/99 Hyperion I 40 wie ein junger Titan schritt der herrliche fremde unter dem zwergengeschlechte daher (DWB); Voss 1798 Ovids Verw. XXVIII31 näher ging die titanin [Latona] . . . zu schöpfen den trunk des kühlen gewässers (DWB); Klinger 1803 Betracht. 1338 wir sitzen hier wie die

Titan

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tanenpose Grabbes; Imago 6 (1920) 37 den Revotitanen . . . die Jupiters weit zerschlagen wollten, lutionären, den Verkündern des neuen Wortes, um eine neue aufzubauen (DWB); 1805 (Schopenden „jungen Titanen" und anderen, die „auf hauer 1830 Fernow's Lehen II 129) Schiller . . . hohen Rossen stolzieren"; Klaiber 1921 Selbstder . . . mit seinem Titanenbruder [Goethe] in . . . biographie 296 den tiefen Groll des gestürzten Freundschaft lebt; 1808 Br. v. d. Univ. 411 jenen uralten Versuch der Titanen oder des Sysyphus Titanen [Bismarck], der unter leidenschaftlichen Kämpfen für sein Lebenswerk das Herzblut hergleichsam wiederholend, von dem das spätere gegeben hat; Schweizer. Mon'hefte 2 (1922/23) 137 Menschengeschlecht . . . noch nie hat lassen von dem Titanenkampf der Technik gegen die Erdkönnen; Massenbach 1808 Sendschreiben 114 dass gewalten; 1923 Almanach d. Musikbücherei 164 es alle Kraft des Russischen Titanen nicht in einem war weder leicht, im Schatten dieses Titanen [Waggut organisierten Körperbau, sondern nur in ner] zu wandeln, noch, aus ihm ins Licht eines seinen, von Englischen Goldfäden in Bewegung anderen Gestirns zu treten, oder — selbst eins zu gesetzten Armen besteht; Steffens 1817 gegenwärwerden; Heuscheie 1927 Geist 19 Beim Tod grosser tige Zeit I 202 Zeit des chaotischen TitanenKünstler . . . standen in den Werkstätten der kampfes aller Planeten unter einander; Schiller grossen Meister zahllose Werke, von Titanen er1822-26 (II 46) Titan, deine Strahlen alle Sandt' dacht, empfangen und erlebt, von Giganten beich nach der theuren Spur (KEHREIN); Goethe gonnen, aber nicht vollendet mit irdischer Kraft. . . 1827-42 (W. XXVI 315f.) Die Titanen sind die Hier blieben Titanenwerke, Torso, Fragment; Folie des Polytheismus . . . Der titanisch-giganBerl. Illustr. Nachtausg. 26. 8. 1933 Besonders tische, himmelstürmende Sinn jedoch verlieh meiner Dichtungsart keinen Stoff (KEHREIN); aber sind es die Exportfirmen, die mit Titanenkraft ans Werk der Werbung gegangen sind; Lokal-Anz. Tieck 1828 (Krit. Sehr. II 215) Und vielen Dichtern ist es, seit Shakespeare, schon so ergangen, dass sie 28. 8. 1933 Ein unvergeßliches Bild: Diese Masse aus Fleisch und Blut, versammelt zu Füßen der das Unreine, Unedle in ihrer Schwäche für KraftTitanengestalt Germaniens aus Bronze; Dtsch. AZ. äusserungen halten und einen gewissen Cynismus, 13. 1. 1935 Er wirft sich ächzend hin und her, einder der Ohnmacht und erkalteten Phantasie nahe gekeilt — ein Titan. Er bäumt sich auf gegen diesen liegt, für Titanengesinnung erklären möchten; mörderischen Anschlag des Schicksals; Brauer 1829 Briefw. G.-Z. V342 Unser Publicum schluckt 1936 Im Dienste Bismarcks 354 kam die ganze und schlingt . . . an dieser Titanenmahlzeit [der zorngewaltige Titanennatur des Alten zum AusOper: Die Stumme von Portici] und will nicht satt werden; Immermann 1835 —43 Sehr. IV 159 so bruch; Maass 1936 Auftrag 54 an einen jener ungebist du [Peter der Große] Jupiter, und dieser tag fügen grossen Felsblöcke . . . die überall herumstürzt die titanen all', die sich gebäumt, dein lichtes lagen, als hätte ein Geschlecht von Titanen verreich zu finstern, in den abgrund! (DWB); 1840 sucht, den Himmel zu stürmen, mit riesenhaften Dtsch. Viertel)'sehr. III 247 vergrössert Tag für Wurfgeschossen; Münch. N. N. 24. 5. 1940 TiTag das stehende Heer automatische Titanen [Ma- tanengruß aus einsamer Höhe (Überschr.) Wendschinen]; Steinmann 1846 Pauperismus 31 Napo- ling-Quartett spielt Beethoven; 1943 Aufbruch 31 leon wurde . . . der Erlöser von der französischen Titanenkampf unseres Führers, Adolf Hitler; (I 60) ein WeltRevolution, dass er diese zu unaufhaltsamer Gä- Hausmann 1955 Entscheidung rung losgebrachten Elemente der unteren Bevölke- gefühl in seiner Brust, das ihn unter die Titanen rung mit dem Griff eines Titanen zusammenführte; reihte. Er war, wenn man es ausdrücken darf, ein Seyffarth 1855 Paris 256 In duftigem Lichte Titan der Liebeshingabe; Jens 1959 Götter 60 schwimmen die Kuppeln, die Thürme von Paris, Delos: das ist ein Spielzeugkasten eines Giganten, der Tummelplatz eines Riesen, der mit Tempeln lauter Titanenschiffe; Daumer 1862 Mansarde VI 18 Schiller, der Titane; Schmidt 1870 Bilder 74 und Häusern wie mit Bauklötzen umging. Ein Friedrich der Grosse hat einen gewaltigen Militär- Kyklos oder Titan, dessen Hand die Insel mühelos staat aufgerichtet und in einem wilden Titanen- umspannte; Süddtsch. Ztg. 7. 9. 1963 Luzerner kampf gegen ganz Europa gestritten; Döllinger Titanen-Galerie (Uberschr.) Die Luzerner Fest1872 Wiedervereinigung 54 Und doch — mächtiger spiele sind Solisten-Festspiele . . . Allein in den noch als dieser Titane [Luther] der Geisterwelt, nächsten Tagen kann man in Luzern folgenden war im deutschen Volke die Sehnsucht nach einer Interpreten begegnen: Claudio Arrau, Pierre FourTagebl. Erlösung aus den Banden eines verdorbenen Kir- nier, Arthur Grumiaux; Offenburger chenwesens; Rutenberg 1877 Zinne 248 einer sich 3. 8. 1971 verstummte der Titan unter den Tegegen die Allmacht des speculativen Denkens auf- nören [Caruso] für immer. lehnenden Titanen-Philosophie; Schmidt 1887 Einl. z. Urfaust XXVI Titanentrotz der Menschenbrust; 1916 Festschr. a. Munker 154 die Tititanenhaft: 1842 Dtsch. Viertel]'sehr. I 64 ein wunderbares, titanenhaftes Gedicht, in dem sich

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die jugendliche Begeisterung des Dichters [Schiller] entlud; Niendorf 1855 London 33 Stadt der Casernen, das titanenhafte Arsenal; ebd. 50 Alles titanenhaft, durch den Nebel noch phantastischer, kolossaler; Rutenberg 1877 Zinne 249 trotz aller titanenhaften Stürmerei unsrer modernen Philosophen; Riehl 1885 Vorträge II 44 dass das Siebengebirg doch gar nicht „titanenhaft", sondern etwas zu niedrig geraten sei; Welti 1894 Br. II 17 der Ausdruck des Kopfes ist eher noch titanenhafter als zuvor; Eucken 1901 Wahrheitsgehalt 77 solches titanenhafte Wagnis [wird] in sich zusammenbrechen; Pan 2 (1912) 750 die gewaltige Kerkerszene . . . mit ihrem titanenhaft dröhnenden Unterton; FAZ 2. 6. 1951 Der titanenhaften Kraft des Kanzlers gelang es noch einmal, den Weltkrieg zu vermeiden. Titanenhaftigkeit: Gutzkow 1852 R. IX 120 In der . . . weltstürmenden Titanenhaftigkeit (SANDERS DWB). Titanentum: Auerbach 1852 Leb. I 245 Daß sich eine tüchtige Kraft zu ungeheuerlichem Titanenthum aufschraubte (SANDERS DWB); Strich 1922 Klassik 35 gewiss war dieser Weg, den Goethe nahm, Erlösung von dem unendlichen Leide des Titanentums und der Sehnsucht; ebd. 54 Aber es war, wenn man das Wort erlaubt, ein Klassisches Titanentum [in Schiller] . . . In der Romantik aber regte sich wieder jenes unendliche und wahre Titanentum, das gegen die kosmische Form gesichert ist. Von ihm spricht Hölderlins Hyperion; ders. 1928 Dichtung 92 Der faustische Drang nach Anerkennen, Allumfassen, Allgeniessen: das ist doch Geist vom Geiste des Titanentums, der titanischen Auflehnung des Menschen gegen die Gottheit; ist Hybris und Vermessenheit; Dacque 1933 Natur 140 Wenn unter Titanentum die Auflehnung gegen

die naturgegebenen Gewalten und radikalste Bezwingung der naturgegebenen Gewalten verstanden wird; Rüegg 1960 Blütezeiten 38 Das Merkwürdige am Basler Humanismus ist . . . dass er im Unterschied zum italienischen, der sich durch seine an ein gewisses Titanentum erinnernde Persönlichkeitsarroganz, einen Kult der „ritu" . . . des sich Auslebens des geborenen Genies . . . durch seinen Ästhetizismus, seine pagane Welt-, Sinnen- und Geniusfreude auszeichnet, von durch und durch christlichem Gepräge ist. Titanerei: Gutzkow 1878 Longinus 26 [Lob Hebbels] in den Journalen Wiens, das leider dem Prahlgeist, der Titanerei, der Holofernesgespreiztheit zugänglich ist. titanesk: Süddtsch. Ztg. 2. 8. 1957 Die Wirkung des furios phantasierenden Klavierparts besteht darin, jene titaneske Virtuosität aufrauschen zu lassen, mit deren Ungewittern Beethoven einst das empfindsame Publikum verschüchterte. Titanide: Ramler 1790 Mythologie II 400 Die Schwestern der Titanen werden Titanerinnen oder Titaniden genannt; Scherr 1865 Blücher I 168 Anm. „Titanide" [Charlotte von Kalb]; 1887 Grenzboten II 179 Die Titanide. Charlotte von Kalb; Liliencron 1896 Poggfred (XI 208) Titaniden; Benn 1951 Probleme 29 [Die modernen Lyriker sind] keine Himmelsstürmer, keine Titaniden, sie sind meistens still; Scurla 1963 Begegnungen 118 Jean Pauls „Jugendwahn", der ihn zu berühmten Leuten getrieben hatte, war vorüber, sein Bedarf an Titaniden gedeckt. titanidisch: 1864 Hausblätter Ubermut.

II 54 titanidischer

Titan2 N. (-s; ohne PI.), auch in der international verbreiteten Form Titanium (Zeichen Ti), 1795 vom Entdecker, dem deutschen Chemiker Klaproth gebildete Bezeichnung für ein graues bis kupferfarbenes metallisches Element, ein stahlähnliches hartes Leichtmetall (Titanmetall, -erz, -weiß); dazu seit früherem 19. Jh. die fachspr. Ableitungen Titanit M. (-s; -e) 'grünlichgelbes oder braunschwarzes Mineral; Titanerz; Hartmetall aus Titan- und Molybdäncarbid', früher auch gleichbed. mit Titan, und seit früherem 20. Jh. gebuchtes Titanat N . (-s; -e) 'durch Zusammenschmelzen von Titandioxid mit Metalloxiden gewonnenes Doppeloxid; titansaures Salz'. Titan: Klaproth 1810 Chem. Wb. V 218 Titan; Leonhard 1824 Felsarten III 718f. MagneteisenSand . . . Titaneisen; Poppe 1837 Erfindungen 519 Das Titanium entdeckte Klapproth im Jahr 1781

im Titalit oder rothem Schörl; Wentrup/Hieber 1939 Über das Gleichgewicht zwischen Sauerstoff und Titan in Eisenschmelzen (Titel); Humboldt 1845-50 Kosmos I 281 metallisches Titan (KEH-

titanisch REIN); Neue Ztg. 6. 8. 1952 Titan, ein neues Leichtmetall (Überschr.) Darüber ob Titan mit dem spezifischen Gewicht 4,5 zu den Leichtmetallen gehört . . . läßt sich streiten . . . In knapp vier Jahren hat Titan eine in der neueren Geschichte der Metalle einzig dastehende Entwicklung durchlaufen und ist von einem kaum dem Namen nach bekannten chemischen Element zum technischen Gebrauchsmetall herangereift . . . Kapazitätsausweitung [der] Titananlagen.

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Titanit: Goethe 1827-42 (W. XLIII 197) Erst fragte man nach Quarzkrystallen, dann nach Feldspäthen, darauf nach Adularien und jetzt nach rothem Schörl (Titanit) (KEHREIN); 1845 Bericht Verh. Ak. d. Wtss. Berlin 89 Titanitsystem; Stuttgarter Ztg. 16. 1. 1968 Zum Schneiden, Besäumen und Zerteilen von Blechbändern gibt es Rollenscherenmesser ganz aus Hartmetall (Titanit) oder mit einem aufgezogenen Hartmetall-Schnittring.

t i t a n i s c h A d j . , i m späten 16. J h . vereinzelt, seit spätem 18. J h . kontinuierlich belegte adj. Ableitung v o n —»Titan (vgl. gleichbed. lat. titanis, titanius, griech. TiTavig, Tixdviog) in der B e d . 'die Titanen betreffend; v o n den Titanen a b s t a m m e n d ' , auch bildlich und übertragen verwendet für 'riesenhaft(-er Gestalt)' und bes. ' v o n gewaltiger, überragender (Geistes-)Kraft, (Geistes-)Stärke, ( G e i s t e s - ) G r ö ß e ; überragend, großartig, überwältigend; tollkühn, vermessen, größenwahnsinnig, h y b r i d ' auf M e n s c h e n b e z o g e n , selten auch v o n B a u w e r k e n , Landschaften im Sinne v o n 'gewaltigen A u s m a ß e s , m o n u m e n t a l ' (vgl. —> gigantisch, kolossal, —> K o l o ß ) ; dazu seit spätem 19. J h . die subst. Ableitung T i t a n i s m u s M . ( - ; o h n e P I . ) 'Eigenschaft, ein Titan zu sein; überragende (Geistes-)Kraft, (Geistes-)Stärke, ( G e i s t e s - ) G r ö ß e ; T r o t z , E m p ö r e r t u m , Auflehnung, U b e r m u t , G r ö ß e n w a h n , A n m a ß u n g , Selbstherrlichkeit, H y b r i s ' . titanisch: H. Sachs vor 1576 (VIII 657) Latone, welche frembd her kam nur von dem thitanischen stam (DWB); Fischart 1577 Trostb. 22 wann die G6ter allzumal die jarliche gedichtnus der Niderlag der himelstürmenden, Titanischen Risen begehn; Goethe 1782 Br. (VI 89) Titanischen Arbeit; 1820 Briefw. G.-Z. I 83 In Alexandersbad besah ich mir die Titanischen Felsenverstürzungen . . . ohne Gleichen; ebd. 1831 VI 313 Hatte man die Thaten dieses Heros als Titanische Himalaja-Erwüchse, aller Menschenmöglichkeit erhoben, gläubig verwogen . . . so erfährt man plötzlich, dass Er ein wirklicher Mensch gewesen und man ist wieder unter Leuten; Steub 1851 (II 87) titanischer Denker; 1852 Prutz' Museum 164 die titanische Spannkraft der Dämpfe [in der Erde]; Vischer 1860 Krit. Gänge N. F. 143 denjenigen [Weg] den die Epoche machenden, urgewaltigen Geister gehen: sie beginnen mit titanischen Werken, bei denen Alles vom gewaltigen innern Impuls, vorerst ohne alles bewußte Absehen auf die Form als solche ausgeht; 1867 Gartenlaube 424 Wir wissen, was sie wollte, was sie erreichte, wie sie irrte, wo sie fehlte [die französische Revolution]. Wir kennen ihre titanische Tendenz, bewundern ihre gigantische Kraft, segnen ihre unvergänglichen Schöpfungen und verdammen ihre Verbrechen; Gutzkow 1878 Longinus 12 Je aufgedonnerter, desto bedeutender, titanischer; Strodtmann 1879 Dichterprofile I 174

[Nero] mit titanischem Trotz gegen das Göttliche; Minor 1901 Faust I 21 Der Faust wird zum Ausdruck des titanischen Strebens; Ponten 1908—26 Quellen 18 Der Deutsche aber glaubt in faustischem Drange für sich jedesmal die Welt titanisch einreissen und prometheisch wieder aufrichten zu müssen; Harnack 1922 (N. F. IV 977) Entwicklung dieses nicht titanischen aber riesenhaften Baus; Breysig 1925 Werden I 55 die ausstrahlende Wirkung seiner Gestalt. . . war zu titanisch, um je von einer Seele nachgeformt zu werden; Hofmannsthal 1927 Schrifttum als geistiger Raum 27 die titanischen Ausbrüche; ebd. 28 diese titanische Grundhaltung, dieses furchtbar angespannte, tragische Sichübernehmen der einzelnen Seele; Friedeil 1928 Kulturgesch. II 43 In Miltons titanischem Epos; Strich 1928 Dichtung 12 wo die drohenden, titanischen Mächte der Natur besiegt sind; ebd. 92 das ist doch Geist vom Geiste des Titanentums, der titanischen Auflehnung des Menschen gegen die Gottheit; ist Hybris und Vermessenheit; ZfPolitik 24 (1934) 237 Am 30. 1. 1933 splitterten die Tore der Macht unter den letzten titanischen Rammstössen; Strich 1939 Dichter 38 Goethe machte den titanischen, jedoch Unmögliches begehrenden Versuch, die urphänomenale Welt in ihrer Entbundenheit zu gestalten; Matscher 1940 Feldpostblüten 7 mitten in dem kahlen, titanisch geschichteten Trümmergewirr; Münch. N. N. 12.113. 9. 1942 In

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titanischen Zeiten, hat man gesagt, geschieht es, daß die an sich selbst gesättigte Philosophie eine Wirklichkeit nicht anerkennen will, die ohne sie entsteht; Jünger 1944 Titanen 11 Chaos und das von ihm stammende Gaia, Uranos, Tartaros, die Titanen und Giganten, Typhoeus . . . gehören zusammen. Prometheus schliesst sich an, als ein Nachspiel des titanischen Werdens, denn in ihm kommt das titanische Wesen zu einer eigentümlichen Vollendung. Es ist titanische Intelligenz, die sich noch einmal mit den Kräften des Zeus mischt und . . . unterliegt; ebd. Iii Titanisch ist der Mensch, insofern er sich ganz auf sich selbst verlässt und ein schrankenloses Zutrauen in seine eigenen Kräfte setzt . . . es gibt ihm die Empfindung der Selbständigkeit, die nicht ohne Anmassung, ohne ein Gewaltsames ist, nicht ohne Trotz; Kippenberg 1948 Rilke 31 titanische Formen der Verzweiflung; Märker 1953 Wandlung 51 der titanische Wille zur Macht im Römertum; Offenburger Tagebl. 1. 8. 1966 Der „Sunday Express" spricht von einem „titanischen Kampf" der englischen Mannschaft, der „über weite Strecken gegen einen wagnerischen Hintergrund dunkler Wolken gespielt wurde". Titanismus: Schmidt 1886 Charakteristiken I 1 Faust gehört der modernen Zeit. Erst im 16. Jahrhundert schlug seine Stunde, und es lockt die kulturhistorischen Bedingungen zu erfassen, unter denen damals ein Mensch alles, was an Titanismus und sinnlicher Lust, an ernstem Wissen und gaukelnder Wahnweisheit, an Grossthaten, Zaubermärchen und Possen aufgespeichert vorlag, als Träger auf die Schulter nehmen musste; ebd. / 6 Ein streitbarer, nimmermüder Titanismus trieb in der ritterlichen Gestalt Ulrichs von Hutten. Da war kein stumpfes, dumpfes Ergeben, sondern ein schneidiges, stürmisches Wagen und ein trutziges Kämpfen gemäss der Losung „durchbrechen, durchbrechen werd' ich oder selbst zu Grunde gehn"; Schulze-Gaevernitz 1909 Marx. 41 berührt sich der marxistische Sozialismus mit dem Geschlechts-„Titanismus" moderner — oft impoten-

ter - Dekadenz; 1910-11 Literar. Echo 1254 Fausts Forschertitanismus; Bahr 1917 Schwarzgelb 144 Goethe . . . der seinen Jugendwahn der absoluten Persönlichkeit, seinen Titanismus selber niemals ganz überwand; Strich 1922 Klassik 245 jener romantische, masslose Titanismus eines Kleist, der Sophokles und Shakespeare durch eine neue Einheit übertürmen wollte; Wust 1936 Ungewissheit (IV 63) der Titanismus seiner endlichen ratio . . . Und diesem ihm eingeborenen Titanismus muss . . . eine höhere Weisheit die Zügel der Ungewissheit anlegen; Jünger 1944 Titanen 9 Inmitten einer Zeit des Titanismus haben wir vergessen, wie oft er schon überwunden worden ist; ebd. 110 Die Titanen entgehen dem Schicksal nicht, das alle Besiegten trifft. Sie sind zweimal besiegt worden, in dem Kronos und in dem Prometheus. Der Titanismus des Kronos ist zyklisch wiederkehrendes Werden, der des Prometheus ein Werden in unbegrenzter Entwicklung und Entfaltung, das den ruhig thronenden Zeus zur Abwehr aufrief. Der Titanismus des Kronos ist elementar, der des Prometheus geistig; N. Z. Z. 10. 6. 1944 von der bezogenen, ausschließlich dogmatischen Heilsposition aus war es möglich, die christliche Kultur abzulehnen und jegliches sittlich-kulturelle Streben als Titanismus oder sittlichen Perfektionismus zu diskreditieren; Ernst 1946 Essais I 165f. Titanismus. Das Wort ist so gross wie die Sache, die es meint. Denn wie bezeichnete man würdiger, treffender, schlagender diesen vieltausendjährigen Wandel des Ehrgeizes, der immer neue Objekte angreift, immer neue Positionen erobert, in immer neuen Gestalten siegt und eben als Chamäleon sich selber treu bleibt?; ebd. I 166 der Titanismus ist nicht nur ein Problem der Weite und des Ziels, er ist auch ein Problem der Masse und der Zahl; Krauss 1949 Aufs. 299 Der Titanismus des mystischen Idealismus hat sich in Amieis Entwürfen verschwendet; ebd. 318 in dem doppelten Titanismus der modernen Menschengeschichte; 1971 Festg. a. Klett 104 kyklopischer Titanismus [in Bauten von Aachen nach Lüttich].

Titular-, Mitte 16. Jh. vereinzelt, seit früherem 18. Jh. kontinuierlich nachgewiesenes latinisierendes Bestimmungswort, (eventuell über gelehrtenlat. titularis, frz. titulaire) zurückgehend auf lat. titulus, —»titulieren, von späterem 18.Jh. bis ins 20. Jh. unter frz. Einfluß auch in der Form Titulär-, Titulair-; a in den bis ins spätere 19. Jh. (1871 bei Sanders) gebuchten Zss. Titularbuch, -lexikon in der Bed. 'Buch, Lexikon, das die Titulaturen der öffentlichen Amtsträger oder betitelter Personen verzeichnet', vgl. —»Titulatur, b Seit Mitte 18.Jh. mit der Bed. '(bloß) nominell einen Titel führend, ein Amt bekleidend' belegt in Zss. mit einer Amts-, Standes- oder Berufsbezeichnung als Grundwort (Titularrat, -professor, -bischof

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'katholischer Bischof, der nur der Weihe nach Bischof ist und keine Diözese leitet'), daneben seit spätem 18. Jh. zuweilen auch als Simplex Titular M. (-s; -e) mit der im 19. Jh. gebuchten Nebenform Titularius für 'jmd., der nur dem Titel, Namen nach ein Amt innehat, ohne die damit verbundenen Funktionen wirklich auszuüben, jmd., der bloß einen Titel führt, ohne ein/das dadurch bezeichnete Amt zu bekleiden'; gleichzeitig auch mit der Bed. '(bloß) dem Namen, Titel nach, nominell; scheinbar, Schein-' in subst. Zss. wie Titularwürde, -Souveränität, vereinzelt 'Surrogat-, Ersatz-' (Titularkaffee), und in adj. Zss. c In jüngster Zeit selten nachgewiesen in der Zs. Titularfest für '(kirchliches) Namensfest, -feier'. Daneben das im späteren 18. Jh. selten belegte, bis ins frühere 20. Jh. (1933 bei Genius) gebuchte Adj. titular, titulär, anfangs auch titularisch, für 'nominell; scheinbar' im Ggs. zu real, wirklich. Titular- a: Meichssner 1541 Handbüchlin 17" Zu dem so haben gemeinlich alle Chur vnd Fürsten, Grauen vnnd Stett, jre sonderliche gebreuch vnd Titular büchlin, deren vsswysung sie sich halten; Liinig 1737 Staats-Titular-Buch II 315 Teutsches und Frantzösisches Titular-Lexicon; Philander 1743 Wohleingerichtetes Teutsch- und Frantzösisches Titular-Buch, Darinnen . . . übliche Titel enthalten (Titel); 1747 Teutsch-lateinisches Titularbuch mit dienlichem Register versehen (Titel); 1765 Titular-Buch Vorher. T Gegenwärtiges Titular-Buch soll . . . die äussere Aufschrift der Briefe . . . an die Hand geben; ebd. Wohleingerichtete Titularbücher. Titular- b: Beust 1743 Consiliarius 154 Doch gehen die Titular-Räthe eigentlich denen würcklichen Räthen nach, obgleich jene mit diesen, ausser dem, gleicher Ehre und Würde theilhafftig sind, und solche zu geniessen haben ;Assmuth 1752 Pflichten II 314 Zur bürgerlichen Ehre sind auch ausser denen so genannt academischen die TitularWürden zu rechnen; Büsching 1761 Erdbeschr. III 93 Titularreichshofräthe; Lichtenberg 1768 Aphorismen I 65 der Jurist zieht sein Burgunder ein und Hasser werden nun zu Brod, Fähigkeiten und Titular Geschicklichkeiten zu würcklichen Ambassaden; Michaelis 1770 Raisonnement II 398 in Halle, wo die Ordinarii . . . auch nach den Privilegiis den Titulärräthen vorgehen; ebd. II 399 war darin ein merklicher Unterschied der vorher da seyenden Grundlage des Ranges, daß die Titulärräthe mit den wirklichen Räthen gleichen Rang haben; ebd. II 455 hat einer aus dem Stadtministerio die theologische Doctorwürde angenommen, so verbieten ihm doch die Statuten der Facultät das Lesen, und er ist blos Titulärdoctor; 1772 Frankf. gel. Anz. 140 Dieses Stück gehört unter die rührenden; und nicht unter die titulairrührenden, sondern wir haben es wirklich nicht ohne Empfindung lesen können; Kotzebue 1795 Armuth I 5

Ich verstehe mich so schlecht aufs Rathen, dass ich nicht einmal Titular-Rath werden möchte; 1798 Merkur (W) II 19 dass die lächerliche Titularsuveränität, womit man seiner [des Volkes] unter verstellten Kniebeugungen spottet, eine blosse Schaukel ist; Kotzebue 1801 Jahr II 290 wenn er es, von einem Titülär-Hoftheater zu einem wirklichen erheben und es in allen Stücken dem Französischen gleich stellen wolle; Planck 1804 christ.-kirchl. Gesellschafts-Verf. II 799 Titular-Oberherrschaft; Immermann 1840 Mem. I 47 Titular-Theorie von der Monomanie; Luden 1847 Rückblicke 2 Fach Gelehrte, Landstände, Titular- und wirkliche Räthe; König 1854 Ges. W. XX 85 Wenn sie aus dem titulargnädigen Fräulein eine gnädige Frau wurde (SANDERS 1871); 1855 Prutz' Museum 139 Hr. Ernst von Schwarzer, derselbe, der im Jahre 1848 Arbeitsminister war und seitdem die eigentliche Redaction des „Wanderer" leitete (Hr. Ritter von Seyfried ist nur Titularredacteur); Heine vor 1856 (III 227) frauen . . . die ihre titulargatten sehr oft mit liebe und treue . . . beglücken (DWB); Riehl 1865-72 Vorträge I 471 Es gibt Staaten mit wirklichen und Staaten mit bloßen Titular-Ministern; Hartmann 1866 Erlebnisse 23 Zugleich wurde ich zum Titulairbombardier befördert und dies mein erstes Avancement hat mich mehr als alle folgenden erfreut; Reichensperger 1872 Phrasen XI So wie diese nach und nach die gangbarsten Consumtionsartikel unter die Lupe genommen und beispielsweise ermittelt hat . . . daß der Titularkaffee aus Cichorie, in Verbindung mit gebrannten Erbsen, Bohnen, Mohrrüben und FichtenholzSägespänen bestand; Geizer 1909 Byzantin. Kulturgesch. 91 Titularpatriarchen; Dtsch. AZ. 25. 8. 1935 1900 wurde er Titularprofessor; NZ. (Basel) 2. 5. 1950 Der Regierungsrat hat . . . zu Titularprofessoren ernannt; Beheim-Schwarzbach 1961 Vorw. zu Biermann-Ratjen, Kultur X der allem behördlichen Titularformalismus abholde Volksmund; FAZ 13. 3. 1970 Ihr hatte Chamisso als so-

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genannter Titulargelehrter angehört, der für die naturwissenschaftlichen Anteile . . . verantwortlich war. Titular: Hase 1779 Aldermann I 32 Anfangs könnt' er sich mit dem alten Schulzen nicht satt reden, weil ihn dieser alle Augenblicke mit einer Exzellenz entgegen kam, welches ihm sonst so häufig nicht wiederfährt, denn er ist bloß hessenhomburgischer Titular; Goethe 1784 Br. (VI 276) Nähme Herder den geheimen Kirchenrath an, betrachtete es weder als Ehre noch als Schande (denn welcher Fürst kann seinem Namen Ehre oder Schande anhängen!) so wäre er dadurch in der Klasse, in die er gehört, in der er lange sein sollte; wer vor ihm drinne ist, sei es, über alle Titularen rückt er ohnedies gleich über; Iffland 1795 Reise n. d. Stadt II 54 Aber — keine Geschäfte? — Sie sind doch Rath? Rath (zuckt die Achseln). Titular! Herr Traut. Titular? Wozu führt das? Rath (blähend). Es trägt freilich vor der Hand nichts ein. Herr Traut. Aber es kostet. Rath (sicher). Es gibt höhere Ansprüche; Lettenbaur 1927 Morgen 72 Es würde sich überhaupt erübrigen, sich mit der Persönlichkeit dieses neuen Titulars zu befassen, wenn er nicht einen Gattungstypus seines, d. h. des Wilhelminischen Zeitalters darstellte, wie er besser schwerlich gedacht werden konnte; ebd. 180 so wäre der Gerent als Neuling genau so verantwort-

lich gewesen wie der eingelebte Titular; ebd. 330 Die anbefohlene Rückkehr auf den alten Posten bekam ein anmutenderes Kolorit durch die Aussicht für den Titular, demnächst einen Gesandtschaftsposten übertragen zu erhalten, der im gleichen Rayon lag. Titular- c: Offenburger Tagebl. 18. 9. 1961 Am gestrigen Sonntag beging die Offenburger HeiligKreuz-Pfarrei, die Mutterkirche der katholischen Pfarreien der Stadt, die äußere Feier ihres Titularfestes; Stuttgarter Ztg. 10. 6. 1968 Am Sonntag fand dann in der Pfarrkirche das Titularfest des Dreifaltigkeitstages statt. titular(isch): Schubart 1744 Deutsche Chronik 3 Die Alten begnügten sich im simpelsten Thone zu sagen, Cäsar, Augustus, der Diktator, der Consul, hat dieß oder jenes gethan, ohne ihre ehrwürdige Namen in Wolken von Titulaturen einzuhüllen, die das Interesse der vorgetragenen Sache oft selbst schwächen. Kleine Dinge im titularischen Pompe gesagt, sind just wie Calots Zwerge in Allongeperücken; Wezel 1777 Erzählungen I Vorr. 3h meine Sammlung [von Erzählungen] soll ein Buch schlechtweg seyn, und weder von Jupiter . . . oder irgend einem Gotte majorum et minorum gentium ein titulares Verdienst borgen.

Titulatur F. (-; -en), im späten 17. Jh. aufgekommen, (eventuell als latinisierende Ableitung zu titulieren) zurückgehend auf lat. titulus, —»titulieren; in der Bed. '(dem Namen vorangestellter) erworbener oder verliehener verbaler Zusatz zum Namen, der das Amt, den Rang, Stand oder die Würde des Trägers kennzeichnet oder bloß ehrende Funktion hat, (Standes-, Amts-, Funktions-, Herkunfts-, Rang-) Bezeichnung als Ausdruck der öffentlichen Stellung ihres Trägers; Anrede(-form); (Ehren-)Name, (-)Titel', auch ironisch-spöttisch verwendet. Riemer 1679 Maulaffe 72 Hiess die Frau unter andern die Magd eine Hure, so wurde Sie von derselben eine Ehebrecherin genennet. Und ist nicht ohne, es schienen diese titulaturen etwas glaublich; 1691 Pfalz 5h Die Titulatur dess ChurFürsten zur Pfaltz, ist folgende; Schamel 1717 Formular-Büchlein 144 Dass dieses [das Wort Geistliche] nicht nur eine ungegründete, sondern auch schädliche Titulatur sey; Biantes 1731 Historicus 1 kunte er ein bittrer Feind aller eitelen Titulaturen genennet werden; ebd. 2 sein eigen Lob durch grosse Titulaturen auszuposaunen; Glafey 1736 Anleitung 147 Nachbar ist im Stylo publico zur Titulatur, welche Könige einander geben, geworden; 1765 Titular-Buch Vorher. Bl. T bey der innern Titulatur in Briefen zu beobachten; Abbt

1765 briefl. (Br. Gelehrter an Klotz 185) Ich denke, wir werden die Titulatur an der Spitze der Briefe bald weglassen können; Holland 1768 briefl. (ebd. II 90) den Canzleyton der Titulaturen, der im deutschen Stil noch immer für eine Pflicht gehalten wird; Gemmingen 1782 Hausvater (NL 139, 1 41) kein Freund von Titulaturen und Komplimenten; Laukhard 1792 Leben I 71 Jeder . . . lachte über die läppische Titulatur; ebd. II 7 Ich kann eben nicht begreifen, wie manche abgedankte Officire und Beamte ihre Titulaturen so eifrig suchen aufrecht zu erhalten; Gotter 1795 Schauspiele 200 Lebensart haben die Vornehmen nicht allein gepachtet. Da kommt's nicht allein auf die Titulatur an; Goethe 1796 Br. (W. XI 57) die Anzeige zu Egmont . . . wozu ich, nach Standes Gebühr, die

titulieren Titulaturen zu setzen bitte; Lavater 1798—1800 (Nachgel. Sehr. 1166) die vielen, vor weniger Zeit noch unentbehrlichen Titulaturen; Rochlitz 1799 Landmädchen (LD. LXVI 128) hatte sich den Kopf zerbrochen über die Titulaturen hoher Persönlichkeiten; Bouterwek 1802 Gesch. II 329f. ceremoniöse Titulaturfloskel, Ew. Herrlichkeit; Laukhard 1802 Lehen V 11} Im Grunde ist nichts geschlechtert, aber leider! auch nichts gebessert worden durch die Veränderung der Titulaturen; Kotzebue 1803 Kleinstädter (II 230) nicht einmal zornig . . . wenn dieser oder jener ihr die gebührende Titulatur versagt; Haller 1820 Restauration II 11 zufälligen Benennungen oder Titulaturen . . . nach Kayserthümern, Königreichen, Herzogthümern; Hehn 1893 Goethes H. u. D. 36 Den geselligen Umgang hemmten willkürliche Anstandsgesetze, weitläufige Umschweife und Titulaturen, Heuchelei und schamlose Servilität; Fontane 1898 Zwanzig 400 sein gerütteltes und geschütteltes

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Titulaturmass; Werfel 1929 Abituriententag 69f. aber dieses tägliche Leben setzte sich aus geheimnisvollen Begriffen zusammen, aus Rangklassen, Dienststufen, Titulaturgraden und Kompetenzgrenzen; Gebauer 1932 Kulturgesch. 401 Titulaturen; Brauer 1936 Im Dienste Bismarcks 288f. Zum Gebrauch lateinischer Titulaturen in Doktorarbeiten; Süddtsch. Ztg. 24. 2. 1959 Der in Universitätskreisen herrschenden Strömung zuwider erhielten die Mittelschullehrer die entworfenen Titulaturen zugebilligt . . . Der eigentliche Glanz von Titulaturen erwies sich am Stammtisch. Wirt und Kellnerin hatten die größte Freude daran, Gäste mit wohlklingender Anrede zu begrüßen. „Recht guten Abend, Herr Fasanenmeister!" schallte es durchs Lokal, oder „Grüß Gott, Herr Inspizient! Gut Nacht, Herr Registrator! Auf Wiedersehn, Herr Adjunkt!" Fehlten Titel, so mußten Berufsbezeichnungen herhalten.

t i t u l i e r e n V . t r a n s . , Mitte 14. J h . vereinzelt, seit dem 16. J h . kontinuierlich belegte Entlehnung aus gleichbed. lat. titulare (zu titulus 'Auf-, Uberschrift; ( E h r e n - ) N a m e ; ( A m t s - ) B e z e i c h n u n g ; A n r e d e ; (vorgegebener) G r u n d , V o r w a n d ' , E t y m o n v o n schon ahd. bezeugtem, längst als völlig integriert geltendem Titel M . ( - s ; -)), früher auch in der v o n Titel abgeleiteten N e b e n f o r m titellieren; in der B e d . 'betiteln'; a auf B ü c h e r , Gedichte o . ä. bezogen in der veralteten B e d . 'etwas mit einer U b e r s c h r i f t versehen, etwas einen Titel geben', dafür im 16. J h . auch die Präfixbildung i n t i t u l i e r e n ; b seit Anfang 16. J h . häufiger auf P e r s o n e n bezogen für 'jmdn. (mit einem, mit d e m ihm gebührenden Titel) anreden; jmdn. mit einem Titel belegen; (be-)nennen, heißen, bezeichnen', auch ironisch und scherzhaft verwendet, zuweilen abwertend im Sinne v o n ' j m d n . mit einem Schimpfwort belegen, beschimpfen' u n d selten auch auf Sachen b e z o g e n ; dazu seit Mitte 17. J h . das selten nachgewiesene Verbalsubst. T i t u l i e r u n g F . ( - ; selten -en). titulieren a: 1349 Repertor. d. Würzb. Saml. lh in diesem buch stén nach einander die buch und stucke, die hier nach beschriben, tituliert und geregistriert sin (LEXER); Mathesius 1566 Luther 168a ein Buch wider Hans Wurst titulirt; Harsdorf f er 1643 Gesprechspiele II 104 folgende Historia Die verständige Mütter tituliret; Menantes 1709 Satir. Roman I 165 Die Invention des Spiels war aus den Heydnischen Fabeln genommen . . . und tituliret worden; Laukhard 1792 Leben I 320 ein Gedicht, welches er . . . titulirte. intitulieren: Eberlin v. Günzburg 1526 (III 273) vnnd das buchlein vom trost in leyden, Tessaradecas intitulirt; Musculus 1580 Wetterhan 245 [ein Buch] intitulieret; 1598 Orientalisch Indien II (Vorr.) das dritte Theil des Orientalischen Indien zu intituliren.

titulieren b: Murner 1512 Schelmenzunft (Ndr. 20) sind wir den geistliches orden und nit hoch titellieret worden? (DWB); Mathesius 1562 Sarepta 48" der fromme könig Pharao . . .tiriliert in [Joseph] höher wie ein newen edelman (DWB); 1564 — 66 Zimm. Chron. III 209 graven und herren . . . titelieren (DWB); H. J. v. Braunschweig 1594 Von Vincentio Ladißlao (Herlicius 1601) 651 Vnd filtzt den einen Schreiber aus, Das er jhn nicht recht titulirt, Vnd nicht genug ehrt vnd hoffiert; Carolus 1609 Relation Nr. 9" sonst lasse sich der junge Hertzog albereit also [Großherzog] tituliren; Guarinonius 1610 Greuel 182 wellichen sie zu jhrem Liebhaber begehrt vnnd angenommen vnnd jhme nur den Blümlenmacher eine gute Zeitlang tituliert; Wallhausen 1616 Ritterkunst 40 in dem er sich einen Monarchen der gantzen Welt lasset nennen, titulieren vnnd schreiben; Neumayr

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Toast

v. Ramsila 1620 Reise i. Frankr. 34 dass sie sich von Gottes Gnaden Hertzogen zu Oranien tituliren; Mengering 1642 Gewissensrüge 975 Ihr lasset euch tituliren Achtbarkeit vnd Weißheit / wolan so beweise hierinn ewre Weißheit; Greflinger 1647 Complementier-Büchlein BT Grüsse, küsse, neige beuge Jedem die Gebühr erzeige, Titulier auch jeden recht, Mehr zu hoch als was zu schlecht; Irnsinger 1653 Pflaster B2h Belangend den fressenden Krebs, welchen fast alle gelehrte ärtzte Morbium incurabilum nennen, vnd ich zwar selbsten ihn gern nicht änderst tituliren wolte; Schupp 1659 Antwort 2* damit ich nun im Titulieren mich nicht an ewerem Patron versündige / so sagt mir doch / wer der grosse Mann sey?; Butschky 1677 Pathmos 39 Wer nach mode studieret hat, den tituliret man einen Stats-Mann; Ahr. a S. Clara 1681 Soldat 7 ein Wahrsager . . . der sie vornehme Leut titulirt; ders. 1688Judas 116 Lieber Welt-Aff / verzeyhe es mir / daß ich dich also frembd titulire; Reuter 1696—97 Schelmuffsky 106 sie titulirten mich hernach nicht anders, als ihr hochwürden (DWB); ders. 1700 Ehrenfried 19, 519 wie sie Ihre Gnaden tituliren solten; Ludwig um 1716 Lexicon 1983 titulirt den narren, wie er will titulirt sein, und laszt ihn lauffen (DWB); Laukhard 1792 Lehen I 368 ihren Pastor, den sie schlechtweg den Magister Weinmaul titulirten; Kotzehue 1803 Kleinstädter II 229 [Er] tituliert keinen Menschen; Raimund 1834 Verschwender (II 421) Wie tituliert man ihn?; Gutzkow 1858 Zauberer I 36 zur gnädigen Frau, wie sie lachend tituliert wurde, zurückzukehren; Roberts 1891 Mitleid 67 Vorhin also brachte sie es fertig, Emmy plötzlich mit „Frau Joel" zu titulieren; Halbe 1906 Insel 80 Ich lasse mich keinen Ochsen titulieren. Ich habe vor dem Publikum zweier Welten gestanden; Schüler 1915 Du ahnst 50 ist das etwa keine Beleidigung, wenn die Frau meinen Arm packt und mich eine unverschämte Person nach der andern tituliert?; Voss. Ztg. 25. 8. 1931 „Die titl. Gäste werden gebeten, die Stühle nicht mit Garderobenstücken zu belegen. Der

Wirt." Gilt das mir? Bin ich ein titl. Gast? Offenbar soll es „die titulierten Gäste" heißen, und offenbar ist gemeint: Ich, der Wirt als wohlerzogener Mann, und übrigens auch im Interesse meines Geschäftes, bin bereit, meine Gäste mit den ihnen zukommenden Titeln anzureden. Da ich aber nicht alle Titel meiner Gäste kenne, und um keinen Fehler zu begehen, niemanden zu gering zu titulieren und niemanden zu hoch (mancher nimmt auch das übel), so sollen sich doch meine Gäste in Gottes Namen selber anreden mit dem Titel, den sie für angemessen halten; Lasker-Schüler 1932 Anonymus (Dichtungen 442) Was titulieren wir uns eigentlich immer noch mit Madame und Monsieur — zwei Brauteltern; „Duden"-Sammlung 1935 o. S. Nur allzuoft werden Beamtenfrauen ungewollt mit dem Berufstitel ihres Ehemannes angesprochen. Eifrige Geschäftsleute setzen je nach Wertschätzung der Kundschaft oft noch ein ehrendes „Ober" davor, hier soll nicht behauptet werden, daß es keine Beamtenfrau gibt, die verlangt, „tituliert" zu werden, aber es sei festgestellt, daß die meisten deutschen Beamtenfrauen wünschen, mit ihrem bürgerlichen Namen angesprochen zu werden. Für beide Teile gilt also die Mahnung, für die Beamtenfrau, die noch nicht die heutige Zeit begriffen hat, und für den Kaufmann oder die Geschäftsfrau, die „titulieren", um bessere Geschäfte zu machen: „Tituliert" nicht mehr so viel!; Doderer 1959 Lederbeutelchen 183 weil sie gestern was Böses getan hat, das sich allerdings auch ganz harmlos als faux-pas, als Ausrutscher titulieren ließe (WDG). Titulierung: Abele 1651 Gerichtsh. I 343 dasz er eben mit unbedachtsamer titulirung [indem er die Frau eine Hure nannte] herausgefahren (DWB); 1925 Dove-Br. 123 Ich eile Ihnen zu versichern, daß mir nichts auf der Welt ferner gelegen, als Sie durch eine falsche Titulierung verspotten zu wollen . . . Ich glaubte wirklich, Sie führten jenen Titel von Wien her.

Toast 1 M. (-(e)s; -s und -e), im späteren 18. Jh. entlehnt aus gleichbed. engl. toast (zu toast 'rösten' < gleichbed. altfrz. toster, zurückgehend auf lat. tostus, Part. Perf. von torrere 'dörren, trocknen, versengen'); in der Bed. 'beidseitig geröstete (Weiß-)Brotscheibe', auch 'zum Toasten geeignetes Weißbrot' (Toastbrot); dazu in neuester Zeit das aus gleichbed. engl, toaster übernommene Subst. Toaster M. (-s; -) 'elektrisches Gerät zum Rösten, Toasten (von Brotscheiben), Brotröster' und das ebenfalls aus dem Engl, übernommene Verb toasten V. trans. '(Brotscheiben) rösten'.

Toast Lichtenberg 1773 Br. I 167 Die Bediente [in Deutschland] brachten unter dessen Thee, Caffee und Toast (GANZ); Moritz 1783 Reisen 26 Aber es giebt eine Art Butterscheiben am Kaminfeuer zu rösten, welche unvergleichlich ist. Es wird nehmlich eine Scheibe nach der andern so lange mit einer Gabel ans Feuer gesteckt, bis die Butter eingezogen ist, alsdann wird immer die folgende drauf gelegt, so daß die Butter eine ganze Lage solcher Scheiben allmälig durchzieht: man nennt dieß einen Toast; ebd. 117 machte mir . . . einen Käse toast; Lichtenberg 1785 Br. II 238 Ich esse Ihnen zu Ehren noch immer Toast zu meinem Thee (GANZ); Küttner 1791 Beyträge I 114 jenes bekannte geröstete Brot mit Butter (toast), nach welchem die Engländer, wenn sie auf dem festen Lande sind, so sehr seufzen (GANZ); Campe 1803 England XXXII 102 Die gewöhnlichste Zuspeise ist sogenannter Toast (man spricht Toost) d.i. geröstetes Brot mit Butter (GANZ); Niemeyer 1822 Beob. 1127 am Feuer gerösteten von beyden Seiten mit Butter bestrichenen Brodtschnitten (toasts); Pückler 1830 Verstorbener I 192 Thee, Butter, Toast und Eier sind aber vortrefflich (GANZ); Brinkmann 1862 Studien II 89 [reisende Engländer] beschwerten sich über das allerdings recht trecken-

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de . . . alte Weissbrod . . . und suchten der Wirthin begreiflich zu machen, sie möge ihnen englischen toast (geröstetes Brod) davon zubereiten. Sie konnten nur in ihrem deutschen Wörter-Vorrathe nicht den rechten Ausdruck für toast finden; Hildebrandt 1867 Reise I 41 ein . . . zweites Frühstück . . . bei dem Bisquit, Toaste (Butterschnitte), Käse, Sherry, Portwein und Brandy geliefert werden; Peters 1904 England 215 gebutterten Toast; Schickele 1932 Grenze 98 Toastbrot mit Käse und Schinken, im Ofen aufgezogen; Süddtsch. Ztg. 21. 4. 1951 An Brot, besser Toast, ist kein Mangel; Münch. Merkur 8. 5. 1957 Ebenso kann es [das Geschenk] aber ein Kartoffelschäler, ein Leselämpchen, ein Läufer, ein Toaströster sein; FAT. 7. 2. 1970 Jaus gehört zu den Gründern der „Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des Toastbrotverzehrs (Golden Toast)"; ebd. 30. 1. 1971 Der rasch wachsende Toastbrotmarkt hat nun eine weitere Gruppe von Brotherstellern dazu gebracht, gemeinsam eine überregionale Toastbrot-Marke anzubieten . . . Schon für 1971 rechnet sich dieser Verband für seinen Ideal-Toast außerordentlich gute Marktchancen aus . . . Wenn die Toastaktion erfolgreich verlaufe, werde man dieses Konzept möglicherweise auch auf andere Brotsorten anwenden.

T o a s t 2 M . ( - ( e ) s ; -s und -e), PI. anfangs auch -en, im früheren 18. J h . entlehnt aus gleichbed. engl, toast, — » T o a s t 1 , zurückgehend auf eine früher geübte T r i n k sitte, w o n a c h derjenige, der einen T r i n k s p r u c h anbringen wollte, z u v o r eine Scheibe gerösteten B r o t e s in sein Glas eintunkte; 1 auf englische Verhältnisse bezogen in der veralteten B e d . 'gefeierte, verehrte (weibliche) Persönlichkeit, auf deren W o h l , Gesundheit ein T r i n k s p r u c h ausgebracht w i r d ' . 2 Seit späterem 18. J h . in der B e d . '(festlicher, feierlicher) T r i n k s p r u c h ; Tafel-, Tischrede', vereinzelt bildlich und übertragen v e r w e n d e t ; häufig in den Syntagmen einen T o a s t a u f j m d n . / e t w a s a u s b r i n g e n , a u s s p r e c h e n ; dazu seit E n d e 18. J h . das schon im früheren 18. J h . in der engl. F o r m vereinzelt belegte, aus gleichbed. engl. toast ü b e r n o m m e n e V e r b t o a s t e n V . i n t r a n s . , meist mit der P r ä p . auf, für 'einen T r i n k s p r u c h auf j m d n . / e t w a s ausbringen, j m d m . zutrinken, z u p r o s t e n ' , dafür seit späterem 19. J h . auch die seltene, n u r n o c h regional verwendete N e b e n f o r m toastieren. Toast 1: Haller 1731 Ged. 319 So wie nun allzulang gewöhnt sich schön zu sehn, Die Toasten alter Zeit den Spiegel schmähn (GANZ). Toast 2: Sterne "•1777 Yoricks empfindsame Reise (Übers.) IV 161 In Frankreich sind die Gesundheiten abgeschafft, und Toasts sind dort niemals eingeführt gewesen; Küttner 1791 Beyträge I 116 damit die Toasts oder Gesundheiten in gehöriger Ordnung herumgetrunken werden; ebd. Der Hausherr . . . ist Präsident oder Toastmeister

(GANZ); 1797 Geissei 152 Toasts . . . auf Englands Glück und Frankreichs Verderben; 1802 Homers Od. trav. 44 Denn bei der Instrumente Klang Ertönt ein froher Rundgesang Und toasts aus nassen Kehlen; 1806 (Sammler v. Tirol 1 (1807) 7) Toasts auf das Wohl des Kaisers; Gentz 1818 Br. a. Pilat I 285 antwortete . . . mit dem Gegen-Tozst; Matthisson 1827 Reiseskizzen (Nachlass I 7) kam mit seiner jüngst verlobten Braut zum Mittagessen, wobei von mir folgender Toast ausgebracht wurde; Rumohr 1832 Denkwürdig-

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Toast

keiten 1182 mit vollen Bechern anzustossen, ohne den Toast auszusprechen; Lewald 1835 Theaterrevue 145 worin er jenes von seinem Freunde in Franckfurt ihm zugebrachten Toastes auf mißbilligende Weise erwähnt haben soll; Laube 1836 Schauspielerin 69 es wurden Toaste ausgebracht und manche mitten in ihrer Entwicklung unterdrückt; Heine 1837 Salon IV 352 Entsetzlicher noch als die Küche der Engländer sind ihre Toaste und ihre obligaten Standreden; Marx 1844 Randglossen III 6 In einem Lande also [Preussen], wo Festessen mit liberalen Toasten und liberalem Champagnerschaum . . . eine königliche Cabinetsordre provozieren; Bismarck 1850 Br. 201 ich fahre aber nicht, weil ich keinen Appetit auf ihre schlechten Weine und ihre constitutionellen Toaste habe; 1852 Prutz' Museum 1624 aus tönenden Gesängen und klingenden Toasten bei klirrenden Gläsern eine Zukunft Deutschlands erhoffen; Schmid 1853 Erinn. II 92 Bei einer fröhlichen Mahlzeit . . . wurden gegen Ende Toaste, sogenannte Gesundheiten, ausgebracht; Steuh 1862 Wanderungen i. bayer. Gebirge 209 Rauschende Toaste auf das grosse deutsche Vaterland; Mahler 1864 Über d. Eider 47 Der erste Toast galt den preußischen Befreiern . . . Alle Toaste wurden auf das freundlichste aufgenommen; Meyr 1866 Gespr. 359 Ich fordere, daß die Deutschen von dem, was sie in Kammervorträgen und Zeitungsartikeln, in Volksreden, Toasten und Festgesängen enthusiastisch versprechen, nur ein Zehntel praktisch halten; Schlözer 1870 Amerikan. Br. 71 Es fehlte nicht an gerührten Toasten und mexikanischen stürmischen Akklamationen; König um 1875 Hum. II 99 Ich nehme den Toast im Namen meiner Kameraden an; Nordau um 1880 K. II 151 dann beginnen die Toaste, vor deren jedem der hinter dem Thron des Lord Mayors auf der Estrade stehende „Master of the Toasts" mit dröhnender Stimme ankündigt, wessen Wol ausgebracht wird, und die Gäste auffordert . . . „Füllen Sie Ihre Gläser", während er nach dem Toaste den Gästen die üblichen drei „Hip, Hip, hurrah" methodisch vorbrüllt; Bucher 1881 Parlamentarismus 6 Toastreden der regierenden Minister; Schneider 1895 Officier 21 mancher sogenannter wilder Toast; Meinecke 1896 Leben d. Generalf. v. Boyen 1344 In Göttingen . . . kam es vor, daß die jungen Offiziere . . . ein fröhliches Weingelage mit Liedern und Toasten feierten; Fontane 1898 Zwanzig 302 eine improvisierte Toastansprache; Kellner 1900 England 407 mit dem wichtigthuenden Pathos, das bei Festmahlen an dem „Toastmeister", einem als Ceremonienmeister verkleideten Kellner, so ausserordentlich amüsiert; Dtsch. Dichtung 28 (1900) 3 Als ToastSprecher that sich . . . der junge Reiner auf; Mann 1901 Buddenbrooks II 293 Wenn er, das Weinglas

zur Hand, am Tische stand und . . . einen Toast ausbrachte; Werthenau 1910 Interessante Wörter 102 Toast. Das Gesundheittrinken ist ein bei allen Völkern . . . geübter heiliger Brauch . . . Bekannt ist die alte Sitte, den Becher oder das Trinkhorn von einem Gaste zum andern herumwandern zu lassen; dabei pflegte man in England eine geröstete Brotschnitte, toast, in den Becher zu legen, die der zuletzt Trinkende, nachdem er eine kleine Rede gehalten hatte, aufessen mußte. So ist der Ausdruck auf eine Tischrede, mit der ein Tischgenosse den andern oder die anderen ehren will, übertragen worden; Berl. Illustr. Nachtausg. 1929 Nr. 26 Das Nächste ist ausnahmslos ein Toast auf das Wohl des Königs und ein zweiter auf das Wohl der Königin . . . und erst hiernach folgen die Tischreden; 1930 Abenteuer Märzh. 14 Die Tafel dauerte drei Stunden — ich weiß gar nicht mehr, wie viele Toaste ausgebracht wurden; N. Z. Z. 17. 4. 1943 unterhielt als unverwüstlicher toastmaster die Gesellschaft; NZ (Basel) 8. 3. 1950 Am Schluss des Banketts brachten König Georg und Präsident Ariol Toaste auf die Freundschaft zwischen Großbritannien und Frankreich . . . aus. toasten: Smollet 1735 P. (Ubers.) 147 Anm. indess dass die Männer bei Tische bleiben und rauchen und trinken. Alle nur erdenklichen Gesundheiten werden aus vollgefüllten Gläsern getrunken. Dies nennt man to toast ;Jean Paul 1797Jubelsenior 331 [ich] stand mit einem Ordensbecher auf, um die Tisch-Kommunikanten zu einem gratulirenden Toasten aufs Wohl der alten Leute zu befeuern (GANZ); Goethe vor 1832 (XLI 32) jeder bruder trinke, trinke! toaste frisch ein tinke, tinke! (DWB); 1858 Grenzboten III 379 Es wurde zwar viel getoastet, aber keine Rede erhob sich auf die Höhe des Festes; Köpke 1872 Kl. Sehr. 617 Da toaste ein Prinz . . . auf das zu vergrössernde Sachsen; Auerbach vor 1882 Dtsch. Bl. I 109a Man hat geredet, getoastet, gejubelt (SANDERS DWB); Röse 1884 Revanche 5 zwanglos wird gespeist, getoastet und gelacht; Th. Mann 1897 Luischen (Novellen I 132) Assessor Witznagel toastete (GANZ); ders. 1901 Buddenbrooks I 40 zu toasten begann; Münsterberg 1904 Amerikaner 144 man toastete viel auf die . . . Bande des Blutes; Sprachkunde 1 (1913) 63 erhob der junge Ehemann . . . sein Glas und toastete auf die Vermittlerin seiner Ehe; Colerus 1929 Kaußierr 164 toasten. toastieren: Bächtold 1870 Kl. Sehr. 279 Soldaten toastierten in den Kneipen auf das siegreiche Deutschland; Hornstein 1890 Mem. 351 toastierte auf den Mann; Heer 1930 Erinn. 18 toastierte er . . . auf das Buch „Joggeli"; NZ. (Basel) 8. 3. 1950 König Georg und Vincent Auriol toastieren auf die britisch-französische Freundschaft.

Toilette

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Toilette F. (-; -n), Anfang 18. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. toilette (Dimin. von toile 'Tuch, Gewebe' < gleichbed. lat. tela, zu texere 'weben'), früher vereinzelt mit frz. PI. -s und in der Form Toilet(t) N . ; l a im 18. Jh. selten nachgewiesen als Bezeichnung für ein (über einen Tisch gebreitetes) Tuch aus Leinwand, auf das Gegenstände zur Haar- und Körperpflege gelegt wurden oder in das man Nachtwäsche und -Zubehör einschlug; b von daher übertragen auf das Möbelstück (Tisch, Kommode) oder Behältnis zur Aufbewahrung von Pflegeutensilien im Sinne von 'Nachttisch, -kästchen; Kosmetik-, Schmink-, Frisiertisch, -kommode (mit großem Spiegel)' (Frisiertoilette); dazu im 19./20.Jh. die veraltende verbale Ableitung toilettieren 'Toilette machen; sich ankleiden', c Gleichzeitig in der Bed. 'Tätigkeit, Vorgang, Kunst des Sichzurechtmachens, Waschens, Kämmens, Ankleidens', meist im Syntagma Toilette machen 'sich (fein) zurechtmachen, herausputzen, schön machen; sich (für einen festlichen Anlaß) ankleiden', auch bildlich verwendet, häufig in Zss. wie Toilettengegenstände, -spiegel, -seife, -zimmer und Toilettenvisite als Bezeichnung der früheren Gepflogenheit hochstehender Persönlichkeiten, die (morgendliche) Toilette mit einer Audienz zu verbinden, d Seit Ende 18. Jh. in der Bed. 'prächtige, elegante Bekleidung samt Zubehör, Aufmachung, Ausstattung für eine Dame oder einen Herrn der Gesellschaft; große, aufwendige (Abend-) Garderobe für einen festlichen Anlaß' (Ball-, Damen-, Abendtoilette), auch in frz. Syntagmen wie en (gründe) toilette 'in großer Festgarderobe, -aufmachung', auch eingedeutscht (in) große(r) Toilette, gelegentlich bildlich verwendet. 2 Seit frühem 20. Jh. nachgewiesen in der Bed. 'Abort, Klo(sett), WC, Abtritt (mit Waschgelegenheit)' (Toilettenfrau, -papier; Damen-, Herrentoilette). Toilette l a : Hübner 1704 Reales Staats-Lex. 1158 Toilette ist ein Tuch von Leinwand, welches man über einen Tisch breitet, um daselbst die Nachtkleider und anderes Nachtzeug niederzulegen; Amaranthes 1715 Frauenzimmer-Lexicon 2028/9 Toilette, oder Nacht-Tuch, ist ein Tuch von reiner Leinwand, worein das Frauenzimmer ihre Nachtkleider zu schlagen pflegt; Lünig 1719 Theatrum I 314' Die Schlaff-R6cke und Toilettes des Königs schliessen die Cammer Knechte in die Coffer ein (BRUNT). Toilette 1 b: Nemeitz 1718 Sejour 14 Er sitzt des Morgends einige Stunden vor seinem toilet, wie das Frauenzimmer (BRUNT); 1758 Erf. Modezeitung I 6 Der Nachttisch, Toilette (Uberschr.) Die deutsche Benennung zeiget uns einiger massen den Ursprung davon, da man nemlich dasjenige, so man beym Auskleiden von sich gethan, zusammen auf einen Tisch geleget, damit es beym Ankleiden auf einmahl wieder gefunden werden mögte . . . Der französische Nahmen der Toilettes leitet sich von dem Tuch her, womit gewöhnlicher massen diese Gerähtschaften bedecket werden; welches ohne Zweifel ein Frauenzimmer um deswillen erfunden, damit die Unordnung, so sie bey ihrem An- und Auszug herrschen lassen, nicht sogleich in die Augen fallen mögte. Dieser Decke

der Nachlässigkeit ein besser Aussehen zu geben, hat man angefangen, solche mit Spitzen zu besezzen; So ist nach und nach das Zeichen der Unordnung zu einem Stück des Wohlstandes worden. Und dieses ist der Lebenslauf vieler Moden; Halle 1761 Werkstäte der Künste I 109 Eine Toilette (Nachttischmaschine) bestehet aus zween grossen Schachteln, die man Kamdosen nennt; Scbummel 1773 Duell 39 eine feige Memme, die nur hinter die Toilette und nicht in Kampagne taucht; Grecourt 1777 (II 254) Saß sie in vollem Putz an ihrer Toilette, Betrachtete im Spiegel sich allein, So formte sich im Köpfchen eine Kette Von Hoffnungen und süßen Träumereyn; 1781 Jugendstücke 27 die [Puder-]Dose/Die auf dem Toilett steht; 1786 Journal d. Moden I Intelligenzbl. LX Tischtoiletten, zum Aufklappen, mit Spiegel, Schreibzeug und bequemen Einrichtungen; ebd. I Intelligenzbl. LXI Kleine Reisetoiletten, für beyderley Geschlecht, mit allen Bedürfnissen zur Reise versehen; Hermes 1789 F. Eltern V 171 ich finde . . . keine eigentliche Toilette: denn das Putztischchen ist bei aller Niedlichkeit doch nur ärmlich; Schaller 1804 Stuziade II 313 Drauf huldigt man der Galant'rie Bis zehn am Toilettchen; Goethe 1812 br. (Goethes Ehe 554) eine sogenannte Toilette, ein kostbar verziertes Kästchen, worin alle denkbare Bedürfnisse einer Reisewirth-

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schaft enthalten sind; den. 1827-42 (W. XII 46) Die heilsame Toilette [Putzsachen] sollte nicht aus dem Hause, bis man von ihrem Inhalt und Gebrauch näher unterrichtet wäre . . . Daß ich dir von den besten Ingredienzien meiner Toilette die Hälfte zurück lasse (KEHREIN); 1846 Urania 131 Das Nachtlicht brennt auf meiner Toilette. Toilette 1 c: Trier 1708 Gemüths-Bewegungen 277 wenn man das geliebte Frauenzimmer über der Toilette, ehe es noch angekleidet und geputzt wire, unvermuthet uberfiele (BRUNT); Grecourt 1777 (II 17) der Raupe gleicht Sie, wenn sie dem Bett' entsteiget, Und zum Schmetterlinge wird Sie gleich nach der Toilette; Schmieder 1784 Seelenverkäufer 32 Ich muss heute eine Menge Toilettenvisiten geben; 1785 Journal v. u. f . Deutschland I 369 Kniet der Liebesgott vor einem aufgestellten Toilettspiegel, hinter welchem ein offenes Schmuckkästchen steht; 1786 Journal d. Moden I 274 die Toiletten-Mysterien der Schönen der Vorwelt; Schubart 1793 Leben II 46 O Schande - ihr nennt euch Barden, Minnesänger; aber Knaben, Toilettenpuppen seid ihr!; Schiller 1793 Anmut (H. IX 253) die ganze Musik weiblicher Reizungen [wird] zu einer betrüglichen Toilettenkunst; 1793 Journal d. Moden XI 7 Die Herrscherin von Paphos und Amathus die Göttin der Liebe, tritt . . . zwischen ihre zwey Dienerinnen, die Grazien, um mit ihnen über ihren Putz eine von jenen berühmten Bad- und Toilettenkonferenzen zu halten, die schon der Sänger der Odyssee . . . so zierlich besungen hat; Poppe 1837 Erfindungen 196 Wohlriechende Seifen (Toilettenseifen); Guseck 1851 Salvator I 163 stand erst gegen elf Uhr auf, wo sie eine ziemlich lange Toilette machte; 1852 Prutz' Museum I 91 Toilettenkästchen [für Riechwasser]; ebd. (1855) I 210 für den bevorstehenden Abend Toilette zu machen; 1863 Bilder a. Paris 187 Die Tafel ist zu Ende und die Damen haben sich zurückgezogen, um schnell ihre Abendtoilette zu machen (jede hoffähige Dame macht täglich vier Toiletten und wenn großer Ball ist, gar fünf); Hohenlohe-Ingelfingen 1864 -70 Leben III 308 begab ich mich im Hemd in mein Toilettenkabinett, nämlich Gottes freie Natur, und war eben damit beschäftigt, mich zu rasieren; Polko 1869 Staub 207 Ein Mann aus der grossen Welt, mit all' dem äussern und innern Toilettenapparat eines modernen Salonhelden; Villamaria 1873 Manon 59 Die Nischen waren so geräumig, daß die meine außerdem meinen Toilettentisch und die Lieschens meinen Garderobeschrank barg, während das treue Mädchen sich mit ihren nothwendigen Toilettenerfordemissen draußen auf dem kleinen Vorplatz etablirt hatte; Rose 1884 Revanche 276 die Stadt . . . die zur ¡Feier des Tages die entzückendste

Toilette gemacht hatte; 1886 Salon II 284 Das Wort 'Toilette' bezeichnet gewöhnlich die künstliche Verhüllung und Verzierung des menschlichen Leibes. Nun giebt es auch einen vielfältigen Aufputz des menschlichen Gedankens, und das Kabinett, in welchem dieser seine Toilette macht, in welchem er sich badet und parfümirt und putzt und schminkt, woraus er in frischem Glanz hervortritt, um sich der Welt zu zeigen — dieses Ankleidekabinett ist das Tintenfass; Meurer 1892 Bergsteiger 26 Damen, die sich nicht von den Luxus- und Toilettengegenständen und sonstigem weiblichen Putz und Tand trennen mögen; Suttner 1896 High-life 89 Im toilette-Kabinet nebenan rauscht das parfümierte Badewasser. Neben der Wanne liegt in einem großen Atlas-Sachet die Tagwäsche bereit . . . Madame setzt sich an den Toilettentisch und überläßt ihr Haar den Händen der Kammerjungfer; Schnitzer 1905 Kate 21 wenn Käte mich eine halbe Stunde lang warten lassen sollte, wie sie dies zu thun gewohnt ist, wenn sie grosse Toilette macht; Janitschek 1912 Ehen 96 eilte sie nach ihrem Toilettenschrank und kleidete sich aufs Eleganteste an; Uhu 1930 Febr. 70 Johan kann neuerdings meine lackierten Fingernägel nicht leiden. Rede ich ihm vielleicht in seine Toilettenangelegenheiten [hinein]?; Berl. Illustr. Nachtausg. 12. 1. 1932 einen kleinen Koffer mit Toilettensachen packen; ebd. 3. 3. 1933 Abgetrocknet — Toilettenwasser — dreimal mit der Puderquaste übers Gesicht; Stuttgarter Ztg. 11.3. 1961 Man schickt sich an, die Stadt schön zu machen. Stuttgart macht Toilette, um zur Bundesgartenschau so anschauenswert wie möglich zu sein. toilettieren: Lebrun 1824 Fledermäuse (Jahrb. D. Bühnenspiele IV 8) Giebt es doch gewisse Leute in meiner Nähe, die . . . lange toilettirt haben; 1858 Hofdamen-Br. 372 hat. . . einen Fonds des Toilettes, der ihr sehr zustatten kommen wird. Denn man braucht zum täglichen Toilettieren sehr viel; Nordau 1881 Paris unter d. 3. Rep. 12 Nahm es [Paris] eine Anleihe nach der andern auf und wandte vierhundert Millionen daran, um sich von den hochhackigen Schuhen bis zum kapriziösen Rococohütchen neu zu toilettieren. Toilette ld: Blumauer 1784 -94 Virgils Aeneis (I 281) Sie ward in dichten Wäldern groß . . . Der Harnisch statt der Toilet, Anstatt der Nadel die Musket, Und Jagen war ihr liebstes; Bauernfeld 1837 Vater (I 80) Du bist ja en toilette. - Um die Cousine zu besuchen; Schlözer 1845 Jugendbr. 71 die reizenden Herbsttoiletten der Damen [in Paris]; 1850 Hofdamen-Br. 276 Bis jetzt gibts noch keine Frühlingstoiletten. Wie wäre das bei dem

Toilette Wetter möglich; Moltke 1856 Wanderbuch (Paris) 169 Da . . . unterwegs gar keine Zeit war, Toilette zu wechseln, steckten wir alle schon seit sieben Stunden in gestickten Röcken und Ordensbändern; ebd. 172 Sie ist schön und elegant . . . die Figur schlank, ihre Toilette ausgesucht, geschmackvoll und reich, ohne überladen zu sein; Rasch 1863 Berlin 93 ihre Toilette in derangirtem Zustande; 1863 Bilder a. Paris 1159 vier Marschälle und über dreißig Generäle . . . der Damen und ihrer schönen Toiletten nicht zu gedenken. Ueber hundert, meist vierspännige Equipagen hatten die Gäste hinausgebracht, und die Heimfahrt am Abend geschah unter Fackelschein und Gesang; Marlitt 1863 Geheimnis 191 kam die junge Witwe zwar mit erdfahlen Wangen und eingesunkenen Augen, aber trotzdem in äußerst geschmackvoller Morgentoilette die Treppe herab; Villamaria 1873 Manon 45 mit mir in's Gesellschaftszimmer, wo Hortense in glänzendster Balltoilette in französischer Conversation mit einem jungen, fremden Herrn begriffen war; Gutzkow 1875 (46) Säkularbilder (VIII 216) Die Ostentation muss sich von der Toilette des . . . Botschafters bis zur Livree seiner Dienerschaft erstrecken; König um 1875 Hum. II 15 Sie könne dann ausruhen und am Morgen Ihre Toilette ordnen, und Niemand wird erfahren, wo Sie die Nacht zugebracht haben; Lindau 1877 Br. 18 Gedichte, welche in der anständigsten Toilette, mit gepresstem Deckel und Goldschnitt, ihre Aufwartung machen; Moy 1879 Standesherr 1 in dunkler Strassentoilette; Falke 1897 Sie war reizend 68 Erfreulich war es, dass am Polterabend gewöhnliche Gesellschaftstoilette gestattet war; Tovote 1900 Laterne 124 die Loni in ziemlich leichter Haustoilette . . . sich nicht sonderlich genierte; Senden 1900 Ehen 33 in knapp sitzender, hellblauer Seidentoilette; ebd. 41 eine schwarze, tiefausgeschnittene Spitzentoilette; Buhl 1918 Reden 174 Diese geistige Sonntagstoilette scheint mir aber überhaupt das für uns Deutsche Bezeichnende zu sein. Im Werktagsgewand, in unserem Beruf sind wir tapfere Soldaten; Duncker 1918 Liebe 96 die schimmernde Balltoilette nur zum Teil von einem blassgrünen Seidenmantel mit kostbarem Spitzenbesatz verhüllt; 1926 Sittengesch. d. Intimen 98 Mehr noch als im Bad ergeben sich im Schlafgemach und Bett aus der üblichen Hüllenlosigkeit, zu der die Nachttoilette sich vereinfacht hat, vertrauliche Situationen, in denen nicht immer unbefangene Naivität waltet, sondern vielfach erotisches Raffinement den Ausschlag gibt; 1930 Die Dame 2.Jan.'h. 6 Toiletten trägt sie nicht, sondern Kleider, jene Kleider, die als einzige Aus-

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schmückung das Adjektiv „klein" haben; Stuttgarter Ztg. 3. 12. 1962 Den Damen bot der Ball die selten gewordene und doch so willkommene Gelegenheit zur „Grande toilette". Leuchtende Farben, kühne Schnittformen und kostbare Stoffe bildeten reizvolle Kontraste. Toilette 2: Lokesch 1927 Fortf. von Scherr, Kulturgesch. 700 und wer hören will, kann als Dame an diesen Orten manch pikantes Histörchen erlauschen, das, allerdings nur für die zotengewohnten Ohren der Toilettenfrau bestimmt, an Frivolität nichts zu wünschen übrig läßt . . . Aber nicht jede Strichdame beschließt, alt geworden, ihre Tage auf der Damen toilette; Baum 1929 Menschen 315 Herrentoilette; Voss. Ztg. 22. 9. 1930 Heute morgen . . . wurde auf die 46 Jahre alte Toilettenwächterin Selma Roske in den Toilettenräumen an der Charlottenburger Chaussee . . . ein Raubüberfall versucht; Lokal-Anz, 9. 3. 1933 sie wußte, wo die elektrischen Sicherungen lagen, kannte die Fehlerquellen im Badezimmer oder der Toilette; Dtsch. AZ. 5. 1. 1935 Wenn trotzdem in manchen Betrieben weder die Arbeitsräume selbst noch die Kleiderablagen, Toiletten und Aufenthaltsräume den Anforderungen entsprechen; Münch. N. N. 22. 12. 1939 Sie machte höchste Verwirrung geltend, als sie ohne jede fremde Hilfe in einem Toilettenraum gebar; Süddtsch. Ztg. 8. 8. 1957 Einbruch beim Juwelier — durchs Toilettenfenster (Uberschr.); ebd. 13. 1. 1959 Der Räuber flüchtete inzwischen in die Toilette und riegelte sich dort ein; Münch. Stadtanz. 3. 3. 1961 Gedanken einer Toilettenfrau (Uberschr.) Da sitzt du nun vor deinem Ort und wartest auf die Kunden . . . Die Notdurft ist mein Kapital, trotz manchen Ärgernissen. Wer hat noch nicht? Wer will noch mal?; Süddtsch. Ztg. 17. 10. 1961 Toiletten an der Autobahn (Uberschr.) Wie der ADAC in München mitteilte, sollen stationäre Toilettenhäuschen . . . errichtet werden; 1965 Durch die schöne Welt Nr. 7/8 Für den amtlichen Begriff „Toilette - WC (Allgemein)" konnte der Arbeitsausschuß anscheinend kein eindeutiges Symbol erfinden; Stuttgarter Ztg. 17. 2. 1969 soll er sich am vergangenen Wochenende mehrfach im Toilettenraum des Heilbronner Bahnhofs an dem Mädchen vergangen haben; FAZ 1. 12. 1971 Steigende Ansprüche an das Toilettenpapier (Uberschr.) Der deutsche Verbraucher wird anspruchsvoller. Selbst beim Toilettenpapier verlangt er mehr Komfort . . . einer „besonders weichen Qualität in Volumen-Prägung" . . . In dem Tissue-Toilettenpapiermarkt.

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tolerant

tolerant Adj., seit Mitte 18. Jh. nachgewiesen, eventuell als Rückbildung zu —»Toleranz zurückgehend auf (flekt. Form von) lat. tolerans, Part.Präs. von tolerare, —» tolerieren (vgl. älteres engl, tolerant, frz. tolerant)-, in der Bed. 'von den eigenen abweichende religiöse, weltanschaulich-politische Anschauungen, Einstellungen, Meinungen o. ä. duldend, gelten lassend, achtend; Andersdenkende gewähren lassend; weitherzig, großzügig; verständnisvoll, nachsichtig, entgegenkommend', auch '(sexuell) aufgeschlossen, modern eingestellt' (Ggs. intolerant); dazu im 19. Jh. vereinzelt die subst. Ableitung Tolerantismus 'Grundsatz der Religionsduldung' mit der dazugehörigen Personalableitung Tolerantist 'Anhänger des Tolerantismus; Toleranzprediger'. tolerant: Moser 1761 Beherzigungen 51 tolerant zu seyn gegen alle Arten von Religionen . . . theils aus einem politischen Eigennutz, weil die Toleranz ein Mittel ist, das Land zu bevölkern und alle Arten der Einkünfte zu vermehren; Shaftesbury 1768 Char. (Übers.) 31 wir tolerante engländische Menschen; Michaelis 1772 Poet. Br. (VI/. 1791 II 206) bey unsern toleranten Zeiten; Kindleben 1779 Schluterius 134 kein Freund des Aberglaubens, aber doch auch sehr tolerant bey dergleichen Missbräuchen; Schubart 1780 Originalien 19 Stilles, ungeheucheltes Christentum, tolerante Gesinnungen, innige Menschenliebe; Dohm 1788 Verbesserung II 143 sollte denn der Rabbi nicht wenigstens angehalten werden, eben so tolerant in der Synagoge gegen seine jüdische Freydenker zu seyn, als es die christlichen Priester anietzo seyn müssen; Nicolai 1783 Reise I 25 tolerante Denkungsart; Westenrieder 1788 Beitr. I 235 dass das Landvolk in Ansehung der Religion weit toleranter, als der Bürgerstand sey; 1795 Revolutions-Almanach 9 Die rasendsten Toleranzprediger und Toleranzerzwinger, werden oder sind die intolerantesten Gewissensbändiger; Sintenis 1796 Dialogen I 14 tolerant, soweit es die Moral verstattete; 1799 Merkur (W.) II 27 der sonst im edelsten Sinne des Wortes so tolerante Mann; Laukhard 1800 Erzählungen 1252 Hier in Berlin denkt man ziemlich tolerant, und ein Frauenzimmer kann hundert Intrigen gespielt haben, und die Heldin in hundert Romanen gewesen seyn, und doch hat sie ihr Glück noch nicht im mindesten verscherzt; Humboldt 1802 Br. (XVI 5) [die] huldreichen und toleranten Gesinnungen des Königs gegen seine katholischen Unterthanen; Laukhard 1802 Leben V 203 da der Eifersüchtige stets ärger geprellt wird, als der Tolerante; Schiller 1822-26 (X 334) Er ist ungläubiger gegen das Gute, und gegen das Schlechte toleranter geworden (KEHREIN); Stolz 1846- 53 Tagebücher (XI 557) Ich sollte toleranter werden gegen die Thorheiten der Jugend, gegen ihr vorschnelles Urtheil, gegen ihre Vergnügungssucht, gegen ihre Verliebtheit; Perfall 1887 Verhältnis 170 Erst bemühte er sich noch einmal,

Karoline zu einer toleranteren Auffassung ihrer Stellung zu Frl. Rieder . . . zu bewegen; Grenzboten 62, 3 (1903) 19 Wir sind tolerant gegenüber den Uberzeugungen anderer, aber gegenüber der Intoleranz dürfen und werden wir nicht tolerant sein; 1918 Deutschland u. Katholizismus II 176 Toleranz ist ein hochmütiges und intolerantes Wort; Friedeil 1928 Kulturgesch. II 193 Friedrich der Grosse jedoch war tolerant nicht in seiner Eigenschaft als Freidenker, sondern als Genie; Bäumler 1934 Männerbund 141 Die wissenschaftliche Forschung ist alles andere als „tolerant". In allen wesentlichen Dingen ist die Wissenschaft . . . intolerant; Dtsch. AZ. 2. 12. 1938 Wenn er dann wütend ausbricht, weil er das Wort „tolerant" für ein Schimpfwort hält; Münch. N. N. 15. 2. 1939 Er erinnerte daran, daß ein Volk, je kleiner es sei, desto toleranter sein müsse; Hartmann 1954 Begegnung 71 [Max Planck] war der Lebensauffassung anderer Menschen gegenüber tolerant; Offenburger Tagebl. 29. 11. 1958 Laßt uns menschlicher und toleranter werden, laßt uns das Leben durch Güte, Nachsicht und Liebe verschönern; FAZ 4.5.1963 Erfolgreicher Geschäftsmann (Oberschr.) kath., tolerant, gut aussehend und sehr sportlich (Anzeige); ebd. 11. 5. 1963 Bin 35 Jahre (kath., 1,70), gut aussehend, schlank, mit toleranter Vergangenheit (Anzeige); ebd. 15. 6. 1963 sehr gut aussehende Erscheinung, kath. (toi. eingestellt) (Anzeige); 1967 Sybille o. S. Man achtet einander, man ist rücksichtsvoll, tolerant, fair (WDG); FAZ 23. 11. 1970 „Von der Schwierigkeit, tolerant zu sein" hieß das Programm des Düsseldorfer Kom(m)ödchens; 1971 Stern N. 21 Die Donaumonarchie war ein tolerantes Imperium. Wehe dem, der aus Ehrgeiz aus der Reihe tanzte. Tolerantismus: Hillebrand 1881 Jahrh. d. Revol. 80 Noch ein Mal war unter Königin Anna der hochkirchliche Fanatismus gegen Wilhelm's III., von Locke philosophisch exponirten, Tolerantismus ausgebrochen. Tolerantist: Stollberg 1820 Ges. W. III 157 Tolerantist . . . Toleranzprediger (KEHREIN).

Toleranz

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Toleranz F. (-; -en), Mitte 16. Jh. entlehnt aus lat. tolerantia 'das Ertragen, Erdulden; Geduld; Duldsamkeit' (zu tolerare, —» tolerieren; vgl. engl, tolerance, frz. tolérance); 1 ohne PI. in der Bed. '(gegenseitige) Duldung, Duldsamkeit', zunächst im Bereich der christlichen Konfessionen, vor allem im Zusammenhang mit den Religionskriegen im Anschluß an die Reformation, speziell auch 'staatliche Duldung mehrerer Religionen im Staatswesen; Religionsfreiheit' (vgl. Toleranzedikt, -akte, -patent), seit der Aufklärung säkularisiert und als Schlagwort verwendet, im moralphilosophischen und politischen Bereich weiterentwickelt zu 'Geisteshaltung, Gesinnung, Bereitschaft, die Meinungen Andersdenkender, fremde Anschauungen, Lebensstile, Sitten und Gebräuche neben der eigenen bestehen, gelten zu lassen, zu achten', von daher ganz allgemein auf zwischenmenschliches Verhalten bezogen und abgeflacht gebraucht in der Bed. 'gegenseitige Achtung, Rücksichtnahme; Großzügigkeit, Entgegenkommen; Aufgeschlossenheit, Vorurteilslosigkeit', gelegentlich auch abwertend konnotiert im Sinne von 'Nachgiebigkeit; Gleichgültigkeit, Trägheit; Indifferenz', in neuester Zeit auch für 'sexuelle Freizügigkeit'; Ggs. Intoleranz. 2a Seit früherem 19. Jh. gebucht (1838 bei Heyse) im Bereich des Münzwesens in der veralteten Bed. 'gesetzlich erlaubte, geduldete kleine Abweichung vom vorgeschriebenen Gehalt und Gewicht von Münzen; Remedium'; von daher seit Anfang 20. Jh. ausgedehnt auf den technischen Bereich in der Bed. 'höchstzulässiges Maß der Abweichung vom verbindlich vorgeschriebenen Sollmaß, -wert, von der festgelegten Norm', b Seit frühem 20. Jh., ohne Pl., vor allem im Bereich der Medizin verwendet für '(begrenzte) physische/psychische Widerstandsfähigkeit des menschlichen Organismus gegenüber bestimmten schädigenden Einwirkungen' z. B. Lärm, Alkohol, radioaktive Strahlungen u. ä. (Toleranzdosis), auch übertragen verwendet. Toleranz 1: Luther 1541 Br. V 367 die gegen gott die toleranz möchte entschuldigen (DWB); Rot 1571 Dictionarius 356 Tolerantz, Leydung / zugebung. Item die Schrifft so man einem gibt / das er mit einer vnehlichen / ein zeyt lang hausen darff / welches offt auß beweglichen vrsachen geschieht; Londorp 1606 Acta Puhl. II 536b dasz religionsfrieden nur ein toleranz, und Caesar nicht macht gehabt, perpetuum daraus zu machen (DWB); Dannhauer 1642 Katechismusmilch I 392 Dann erstlich so erlauben sie zwar das Bibel lesen, aber nur an denen Orten, wo Ketzerey eingerissen, vielmehr aus Noht, als aus Lieb, aus Permission und Tolerantz, als auch Probation und Gutheissung; ebd. I 418 Nun ist die Tolerantz und die Gestattung der Ketzerey und Uncatholischer Religion unrecht und unziemlich; 1732 Gundlingiana XLV 286 Die Toleranz einer mehr als zu gelinden Obrigkeit; Weickhmann 1756 Versuch 5 Die Holländer [die] durch die Toleranz der Religion eine . . . Menge Fremde ins Land gelockt [haben]; Moser 1766 Reliquien 321 Die so sehr angepriesene Toleranz ist nicht nur das stärkste BeförderungsMittel des Unglaubens, sondern der feinste Un-

glaube selbst; Goethe 1773 Br. d. Pastors (W. XXXVII 157) nicht denken, dass meine Toleranz mich indifferent gemacht habe; Schlözer 1778 Briefw. histor. Inh. II 326 Die Toleranz ist das Kind der Sanftmuth, und folglich unsrer eignen Religion; Kuniaczo 1780 Beytrag 159 Religion und Toleranz! der Lieblingsgedanke meiner Seele; Schubart 1780 Originalien 57 Toleranz in soliden Wissenschaften und Künsten wäre so nötig, als im Christenthum selbst; Musäus 1781 Reisen IV 280 Toleranzprediger mit der Schwefel-Lunte in der Hand; Goethe 1782 Br. (W. VI 66) Friedens- und Toleranzbund; 1786 Wiener Musenalmanach 121 Es stellt der Pastor Woldemar Mit seinem Weib, der reizenden Nanette, Von Toleranz ein achtes Muster dar: Er duldet jedermann in seiner Pfarr, Sie jedermann in ihrem Bette; ebd. 1302 Toleranz, soll sie wahren Nutzen bringen, muss auch ihre gehörigen Gränzen haben. Der Staat duldet alle Religionen, welche schon im Schwange sind, aber er wache, dass keine neue entstehe; Priedel 1788 Br. a. Wien I 197 Toleranzpatent für die Nichtkatholiken; Faber 1790 Beyträge I 404 das sogenannte Toleranzsystem der Juden im österreichi-

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Toleranz

sehen Polen; Nicolai 1790 Anekdoten I 275 Es ist aber ein sicheres Zeichen von Seiner Billigkeit und Herzensgüte, daß Er . . . thitig zeigte, wie geneigt Er zum Theilnehmen, zum Mitleiden und zur Toleranz war; Laukhard 1793 Feldzug II 203 Friedrich der Grosse bediente sich der Toleranz und Pressfreiheit, um die Köpfe seiner Unterthanen durch öffentlich geforderten Forschgeist zu einer einigenden Gährung . . . zu bestimmen; 1795 Revolutionsalmanach 9 Die rasendsten Toleranzprediger und Toleranzerzwinger, werden oder sind die intolerantesten Gewissensbändiger; Wolzogen 1796 Agnes (CXXXVII 366) schleicht sich nach und nach eine Art von Trägheit . . . ein, die unter dem Namen der Toleranz am Ende alles, und sich selbst mit allem anderen hingehen lässt, wie es kann oder will; Riem 1799 Reise I 98 Das Verachtung verdienende Wort „Toleranz" wurde aus der Sprache des wiedergebohrnen Volkes ausgemerzt, und ihm das „Recht der Freiheit der Meinungen" substituiert; 1800 Journal d. Moden XV 80 der schöne Geist der Eintracht und politischen Toleranz; Haschka 1803 briefl. an Reinhold (Wiener Freunde 76) die Tochter des Himmels, wie Mendelssohn in einem Stammbuche die Toleranz nennt; Bolte 1804 Geschäftsgang i. Preussen 17 Die im Staat etablirte Toleranz erlaubt nicht, diejenigen zu Kriegsdiensten zu verpflichten, die in einer Religion gebohren und erzogen sind, welche in diesem Punkte das Gewissen bindet; Soden 1821 Nationalökonomie VIII 105 Selbst das Wort Toleranz ist ein Vergehen gegen die menschliche Vernunft; 1822 Einltg. zu Joseph II. Br. XXXVIII Anm. Durch sein berühmtes Toleranzedict wurde den Protestanten . . . nicht nur freie Religionsübung, sondern auch der Genuss bürgerlicher Rechte eingeräumt; ebd. XL Anm. Was zeigt deutlicher, wie schwer in der Praxis, wie leicht in der Theorie die zum Modewort gewordene Toleranz ist; Westenrieder 1824 Sonderbarkeiten 195 Niemand hält jetzt die Tolleranz und den Indifferentismus . . . für Sachen von ebenderselben Bedeutung; Goethe 1827-42 (W.XX 178) Sie können aber hieraus die unglaubliche Toleranz jener Männer sehen, daß sie eben auch mich, auf meinem Wege, gerade deßwegen, weil es mein Weg ist, keineswegs stören (KEHREIN); Ranke 1846 Briefwerk 335 dass die positiven und gemässigten Geister einander in echter, nicht indifferenter Toleranz nahe getreten; ders. 1854 Epochen (IX 2, 178) suchte Jacob [II. von England] der Testakte gegenüber eine Toleranzakte durchzusetzen; Daumer 1860 Mansarde I 20 Die Toleranz ist ein wesentlicher Grundzug des Protestantismus; der römische Katholicismus dagegen ist unduldsam im Princip; Schaffte 1878 Bau II 68 „Humanität" und „Toleranz"; Röse 1884 Revanche 122 Neben

mancher unbegreiflichen Härte zeigte sie [die französische Gesellschaft] eine laxe Toleranz, die mit Begriffen von Sitte und Anstand nicht in Einklang zu bringen sind; Grenzboten 62, 3 (1903) 19 aber gegenüber der Intoleranz dürfen wir nicht tolerant sein; Naumann 1911 Geist 169 Der preussische Staat . . . der Staat der reinen Vernunft und der evangelischen Union . . . andererseits der Staat der Toleranz, wo jeder nach seiner Fasson, selig werden kann und wo der Staatsgedanke stärker sein soll als irgendein Konfessionsgedanke; 1916 Franzosen 29 Man wird jedoch weiterhin Folgen dieser gegenseitigen Toleranz finden, die sie noch bedenklicher für das Gemeinwohl erscheinen lassen: diese Toleranz ist immer eine freiwillige Konzession trotz und entgegen der Erkenntnis, daß es eigentlich besser anders wäre; 1918 Deutschland u. Katholizismus II 176 Im Volksmund wie in der Gelehrtensprache pflegt man das friedliche Verhältnis zu Andersgläubigen mit dem Namen Toleranz oder religiöse Duldung zu bezeichnen — ein Ausdruck, der eine gewisse Härte und Lieblosigkeit in sich zu schliessen scheint. Von Ad. Harnack ist der Satz geprägt: „Toleranz ist ein hochmütiges und intolerantes Wort." Gleichwohl behält das Wort wenigstens mit Bezug auf die Glaubenslehren seine alte Berechtigung; 1920 Kulturarbeit Vorm. 5 Die Fremdwörter in der Sprache hat man mit Ubereifer bekämpft, die Fremdkörper im Volksleben mit weitherzigster „Toleranz" gewähren lassen; Meinecke 1924 Idee 190 [die] realpolitische Wurzel des modernen Toleranzgedankens tritt deutlich hervor. Das wahre Interesse Frankreichs zwang dazu, tolerant zu sein, um den Staat frei von fremden Einflüssen zu erhalten; Friedell 1928 Kulturgesch. II 193 Friedrich der Grosse übte die echte Toleranz, die . . . darin besteht, dass man jede fremde Individualität und ihre Gesetze anerkennt; Lauckner 1928 Krisis 110 Ich habe stets an eine Sphäre der Toleranz, der Schätzung, sogar der Liebe geglaubt, die hinter, neben und über dem Sexuellen liegt; Bäumler 1923 Männerbund 141 die Weltanschauung des Liberalismus. „Liberal" ist lediglich die Identifizierung von Freiheit und Toleranz; Dietz 1939 Gesellschaft 67 dass wir nicht einmal ein Recht zu einem Verdacht haben, solange wir die merkwürdige Toleranz üben, anderer Tun und Lassen hinzunehmen, ganz gleich, ob es falsch oder richtig ist; Münch. N. N. 29. 12. 1943 Man hat hier die soziologischen Untergründe jener Eigenschaft vor sich, auf welche die Holländer stolz sind, der Toleranz oder Duldung; Süddtsch. Ztg. 23. 8. 1946 Die heutige Haltung der Sowjetregierung gegenüber der Religion bezeichnet der Pater als „wohlwollende Toleranz"; Heuss 1947 Gestalten 24 interkonfessionelle Toleranzgesinnung; Süddtsch. Ztg. 23. 10.

Toleranz 1953 „Toleranz im Straßenverkehr" (Uberschr.); ebd. 16. 8. 1955 Ich würde mich hüten, in dem Augsburger Religionsfrieden . . . einen Vorfeldsieg der sogenannten Toleranzidee zu sehen; ebd. 4. 6. 1957 „Wir brauchen wieder die katholische Elite." Hinter dem „Toleranz- und Ko-ExistenzGerede unserer Tage" verberge sich meist nichts anderes als Müdigkeit, Bequemlichkeit und Feigheit; ebd. 28. 8. 1957 Den Kraftfahrern werde nur noch eine sehr geringe „Toleranzzeit" zugebilligt, in der sie bei Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen mit einer Verwarnung davonkämen; ebd. 7. 3. 1959 Toleranz als Tugend der Jugend (Überschr.) Morgen beginnt die Woche der Brüderlichkeit/Veranstaltungen für die Versöhnung; 1961 Haeresien 437 Es gilt als modern, als Voraussetzung der „Toleranz in einer gespaltenen Gesellschaft", die Existenz einer verpflichtenden Wahrheit zu leugnen oder dahingestellt sein zu lassen; Heuss 1961 Bücherwand 50 Die Toleranz des Nathan ist nicht bloss Duldung, ein nachsichtiges Gewährenlassen fremder Art, sondern ein liebendes Begreifen und Ergreifen dieser fremden Art; Süddtsch. Ztg. 18.3. 1963 Toleranz im Examen des Alltags (Uberschr.) Diskussionsabend über Rassenprobleme/Abschluß der Woche der Brüderlichkeit; ebd. 21. 3. 1963 Solche kleinen Zugeständnisse sind symbolisch für die Toleranz und Anpassung gegeneinander und miteinander; Stuttgarter Ztg. 25. 7. 1966 Toleranz und Humanität (Uberschr.) Tierschutz braucht Rechtsvorschriften; Offenburger Tagebl. 1. 8. 1966 Ein mittlerer Osten, wo eine Vielfalt arabischer Staaten ihr eigenes Schicksal in einer Atmosphäre der Toleranz verfolgen; FAZ 6. 12. 1969 Er sollte Niveau haben und Bereitschaft zur Liebe — Treue - Toleranz mitbringen; Offenburger Tagebl. 18. 3. 1970 war ein für unsere Begriffe ausgesprochen „schöner" und noch dazu gebildeter Neger — fast unmöglich, ihm gegenüber keine „Toleranz" zu empfinden; FAZ 16. 6. 1970 denkt hier an ein Toleranzverhalten im Bundesrat und auch daran, den Liberalen unter mehreren Ministerien sogar das Kultusministerium zu überlassen; ebd. 18. 1. 1971 Wer diese Spielregeln mißachtet, hat keinen Anspruch auf unsere Toleranz . . . Jene Leute aus den Roten Zellen, die sich über die „liberalen Scheißer" lustig machen, denken nicht im Traum daran, sich an die Regeln politischer Fairneß zu halten; N. Z. Z. 11. 8. 1971 Ein neuer Fall gab dem Kassationshof Gelegenheit, sich zur Toleranzgrenze bei angefochtenen Filmen zu äußern; FAZ 18. 8. 1971 das vom Perserkönig Kyros im Vorderen Orient geschaffene Reich [habe] sich durch Großmut und Toleranz gegenüber den unterworfenen Völkern und deren Religionen ausgezeichnet.

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Toleranz 2 a: 1913 Jahr 1913 269 Toleranzmassystem; ,„Duden"-Sammlung 1935 Abmaße und Toleranzen für sämtliche ISA-Passungen; ebd. Toleranzfeld für die Herstellung der Prüflehre auf der Ausschußseite; Münch. N. N. 28. 6. 1938 Daß gewisse Abweichungen, „Toleranzen", hingenommen werden müssen, ist klar, eine mathematische Genauigkeit gibt es in der Industrie nie; 1948 Duttweiler-Festg. 105 die viel grössere Toleranzbreite der Schweizer Gläser; 1959 Schule u. Produktion o. S. Abmessungen und Toleranzen von Maschinenelementen (Stiften, Bolzen, Schrauben, Kupplungen und dergleichen) (WDG); Stuttgarter Ztg. 24. 2. 1960 Tachometer dürfen schwindeln — Verzeihung, innerhalb gewisser Grenzen „Toleranzen" in der Anzeige der Geschwindigkeit aufweisen; FAZ 7. 10. 1970 Die Fertigungstoleranzen und Passungen der mechanischen Teile der von uns produzierten Fahrzeuge . . . sind so beschaffen, daß ein Einfahren grundsätzlich erforderlich ist; N. Z. Z. 10. 8. 1971 daß das Wasser der Limmat über längere Zeit einen Bakteriengehalt aufweist, der innerhalb der vorgeschriebenen Toleranzgrenzen liegt; Süddtsch. Ztg. 18. 5. 1971 hat das Bundesgesundheitsministerium nunmehr empfohlen, mehr als 0,5 ppm Quecksilber im Thunfisch nicht zu dulden. In Bayern wurde diese Toleranzgrenze auf alle Fischarten ausgedehnt; FAZ 20. 8. 1971 Das Toleranzmaß der Verordnung ist ein Schwefeloxydgehalt in der Luft von 150 Mikrogramm je Kubikmeter. Toleranz 2 b: Wolff 1927 Suchten 7 also das, was man toxikologisch unter erworbener Giftfestigkeit und klinisch unter Toleranzsteigerung versteht; Rhein. Merkur 23. 2. 1951 Es ist letztlich eine wachsende Nervenschwäche, welche die „Toleranzgrenze" sinken läßt, d. h. die Fähigkeit und den Willen, ein ungewohntes, dabei keineswegs objektiv unerträgliches Leben zu meistern; 1957 Wissensch, u. Forschung o. S. Die Toleranzdosis [an Radioaktivität], das ist die höchstzulässige Dosis, bei der noch keine biologische Gefahr besteht (WDG); Süddtsch. Ztg. 22.123. 8. 1957 Er halte es für bedenklich, auf die Radioaktivität von Heilwässern hinzuweisen und so das Wesen der „Toleranzdosis" des Trinkwassers (in Bezug auf Radioaktivität) zu bagatellisieren. Solche Toleranzgrenzen hätten nur einen Sinn, wenn man sie ernst nehme; ebd. 22. 11. 1958 Begeht die Menschheit Selbstmord . . . jene „Toleranzdosis", deren Uberschreitung den lautlosen Strahlentod aus der Luft bringen würde, kann auch ohne heißen Krieg durch ununterbrochene Atomwaffenversuche erreicht werden; Münch. Stadtanz. 4. 8. 1961 Der Kfz-Führer mit einem Gewicht von 80 kg erreicht die Toleranzgrenze im allgemeinen bereits, wenn

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tolerieren

er 2,5 Liter Schankbier der IV2 Flaschen Wein oder 12 Glas Branntwein trinkt. Die zulässige

Grenze für Moped- und Motorradfahrer beträgt sogar nur 1,3 Promille Blutalkoholgehalt.

tolerieren V.trans., seit späterem 16. Jh. vereinzelt, seit spätem 18. Jh. häufiger belegte Entlehnung aus lat. tolerare 'ertragen', früher auch in der Schreibung tolle rieren; 1 in der Bed. 'dulden, ertragen; zulassen, gestatten', bezogen auf religiöse Anschauungen, Konfessionen und Sekten, dann ausgedehnt auf 'von den eigenen abweichende weltanschaulich-politische Meinungen, Einstellungen, fremde Sitten und Gebräuche gelten lassen, achten; Andersdenkende gewähren lassen, achten' und abgeflacht 'jmdm. mit Großzügigkeit, Nachsicht begegnen; einer Sache aufgeschlossen gegenüberstehen; etwas ertragen, (er)dulden' (—»Toleranz 1); dazu seit Anfang 18. Jh. aus lat. toleratio 'das Ertragenkönnen' entlehntes veraltetes Toleration, verdrängt von dem seit früherem 19. Jh. nachgewiesenen Verbalsubst. Tolerierung F. (-; ohne PI.) 'das Ertragen, (Er-)Dulden, Gewähren-, Zulassen' und 'das Passieren-, Durchgehenlassen'; seit Anfang 17. Jh. das auf gleichbed. lat. tolerabilis zurückgehende Adj. tolerabel 'erträglich, leidlich; mittelmäßig, ziemlich; verträglich, friedlich' und die erst in jüngster Zeit belegte adj. Ableitung tolerierbar 'erträglich, ertragbar; duldbar', auch 'vom menschlichen Organismus ohne Schaden verkraftbar' (—»Toleranz 2b). 2. Im 20. Jh. im technischen Bereich verwendet für 'Abweichungen von der verbindlich geforderten, genormten Maßgröße zulassen' (—»Toleranz 2a). tolerieren 1: Rot 1571 Dictionarius 356 Tolerirn, Leyden / gedulden / zulassen; Wallhausen 1616 Kriegs-manual: Glossar o. S. Tollerirn; Tbomasius 1688 Monatsgespr. I 93 daß man sie nicht zwingen wollte, ihre Religion zu verlassen / sondern . . . die dißfals gethanen promessen würklich hielte / und ihre Religion tolerirte; Gichtel 1722 Theosophia Practica 75 Und so sie ein Gläubiger nur untersuchen wil, verlästern, verwerfen und verdammen sie ihn, wollen in ihrer Sect und Meinung getragen, unberühret, geliebet und angesehen seyn; hergegen keinen Gläubigen toleriren, als ein Mitglied lieben, weil er ihren Regulen und Sitten nicht nachäffet, defendiret und beschützet; Richfer 1781 Reise 66 Die Polizey tollerirt diese Geschöpfe, um die Fremden zu locken; Dohm 1785 Fürstenhund 139 Sie [die Wienerische Censur] die den besten deutschen Schriften noch immer den Zugang wehrt, höchstens sie nur tolerirt, nicht admittiert, sieht es ruhig an, wenn . . . die erhabenste Regenten Deutschlands auf die unwürdigste Art gelästert werden; ebd. Anm. Admittirt heißt in der österreichischen Censursprache eine Schrift, welche die Buchführer an jeden ohne Ausnahme verkaufen, auch allenfalls nachdrucken dürfen; tolerirt, welche sie nur an bestimmte sichere Personen verabfolgen lassen dürfen. Noch viele unserer classischen Schriften sind blos tolerirt; 1787 Dtsch, Mus.

I 20 Gewöhnlich nennt man toleriren, den nicht ins Auge schlagen der verschiedener Meinung von uns ist, wenn er sonst nur etwas gutes oder nach dem politischen Sinn des Worts etwas brauchbares für uns hat . . . Lavater meynt aber man müsste, wenn man tolerirt, den Tolerirten auch lieben; Laukhard 1802 Leben V 72 Ich will . . . nicht untersuchen, ob ein Vergnügen . . . tolerirt werden könne oder nicht; Koch-Sternfeld 1810 SalzburgBerchtesgaden II 225 Die vielen im Lande befindlichen und manchmahl von den Beamten tolerirten Pfuscher und Pfuscherinnen; Spaun 1822 (II Vorr. V) Dass manchmal Ministerien diese [Presse-]Freiheit beschränken, mag, wenn es aus Staats-Verhältnissen geschieht, tolerirt werden, aber mit Recht kann laut geklagt werden, wenn diese Beschränkung blos zum Behufe, und zum Vortheile einer Parthey verfüget wird; Goethe 1828-29 Br. II 152 Sie haben ja nur so einen Credit, weil man sie tolerirt hat (KEHREIN); Schopenhauer 1859 Welt (II 207) [Die Religion jedes Landes] die sie [die Metaphysik] in der Regel nur unter der Bedingung tolerirt, dass sie sich bequeme, ihr zu dienen und nachzufolgen; Mommsen 1877 Reden 88 nur ein zur Zeit zu tolerierendes Provisorium; Derblich 1895 Militärarzt I 70 dass jeder Mensch in seinen Eltern und Vormündern private, ungeprüfte Pädagogen besitzt, welche der Staat dringend toleriren muss;

tolerieren Ziegler 1895 Student 112 muss er auch als Student schon die verschiedenartigsten Menschen, Charaktere und Meinungen kennen, verstehen und toleriren lernen; Friedell 1928 Kulturgesch. II 193 Das Genie toleriert alles, weil es alle erdenklichen Menschenexemplare und Seelenregungen latent in sich trägt; Deutschlands Erneuerung 16(1932) 54 „toleriert", ein „grässliches Wort"; 8 Uhr Ahend-Bl. 27. 5. 1932 die Häupter des Luthertums . . . haben . . . den Nationalsozialismus allzu lange „toleriert", ja — aus Gegnerschaft gegen Zentrum und S.P.D. — sein Anwachsen im Grunde ganz gern gesehen; Halbe 1933 Scholle 126 die Gefahr eines gewissen Quietismus, eines unfruchtbaren Geschehenlassens und Tolerierens; Lokal-Anz. 1. 2. 1933 Parlamentarische Kreise nehmen noch immer an, daß das Zentrum die neue Regierung durch Nichtannahme der Mißtrauensanträge tolerieren wird; Berl. Illustr. Nachtausg. 23. 3. 1933 Die theoretische Gleichheit vor dem Gesetz kann nicht dazu führen, Menschen zu tolerieren, die am Ende aus irgendeiner demokratischen Doktrin die Freiheit der Nation ausliefern; Süddtsch. Ztg. 2. 11. 1948 Man kann nicht Wiedergutmachung versprechen und gleichzeitig eine Gruppe ideologisch besessener Antisemiten tolerieren, nur weil diese heute, aus begreiflichen Gründen, ihre „religionsphilosophische Visitenkarte" bei den Behörden abgeben; Hiller 1950 Köpfe 302 Da hilft nichts: Verbrecher tolerieren heisst, sich zu ihren Helfershelfern machen; Münch. Illustr. 22. 5. 1954 Im Gegensatz zur Bundesrepublik wird in Österreich das öffentliche Tragen von Orden — selbst mit Hakenkreuz — seit langem toleriert; Bauer 1957 Verbrechen 69 kann günstiges Milieu und Klima. . . Asozialität und Antisozialität in sozial tolerierte Kanäle lenken; Süddtsch. Ztg. 16. 5. 1957 eine Minderheitsregiergung CDU/SPD in Saarbrücken nicht zu tolerieren, da sie keine Lösung der Regierungskrise bringen werde; ebd. 22. 8. 1957 die Christliche Gewerkschaftsbewegung Deutschlands (CGD) zu tolerieren und zu unterstützen; FAZ 19. 9. 1959 So versteht und toleriert man lachend in Westdeutschland auch die unzähligen Karikaturen, denen kein Großer des öffentlichen Lebens in dem Maße ausgesetzt ist wie der Bundeskanzler Dr. Adenauer; ebd. 8. 12. 1962 Unsere 20jährige Tochter . . . wünscht sich . . . einen geistig gereifteren u. zielstrebigen Partner, der . . . auch die kleinen Freuden des Lebens zu schätzen weiß oder diese Neigungen zu tolerieren vermag (Anzeige); ebd. 22. 12. 1970 Von vielen werde der Unternehmer offenbar nur noch deshalb toleriert, wenn auch mit Mißtrauen und Vorbehalten, weil man glaube, ihm und der Wirtschaft immer neue Lasten aufbürden zu können; ebd. 1. 9. 1971 US-Arzneimittelbehörde toleriert Rechenfehler (Oberschr.);

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ebd. 13. 11. 1971 Für eine außergewöhnliche Ehe im gegenseitigen Tolerieren und Füreinanderdasein (Anzeige). tolerabel: 'Wallhausen 1616Kriegs-manual: Glossar o. S. Tollerable; Belemnon 1728 Bauem-Lex. 189 Tolerable; Kortum 1799 Jobsiade 390 Seine Ehegenossin hieße Frau Ide, Er hatte gelebt ziemlich mit ihr in Friede, Denn er war von tolerablem Gemüt; Meysenburg 1902 Br. Pf7. 312 Unsere Reise war tolerable, aber am Abend hatte ich eine schlimme Krisis von Schmerzen. Toleration: Chilemont 1702 Kriegs- u. Staatsrat I A 3" Toleration der Juden. tolerierbar: 1970 Reform-Rundschau Julih' o. S. Da wir aber mit unserer Nahrung bereits die gerade noch tolerierbare Menge von 5 bis 10 Mikrogramm Blei konsumieren, müßte die Bleibelastung durch die Atemluft vollständig entfallen, was durch das Verbot der Benzinverbleiung ohne weiteres möglich wäre; Offenburger Tagebl. 13. 10. 1971 Ehmke nannte die Preissteigerungen, die nach seiner Ansicht „nicht tolerierbar" seien, eine Folge des kritischen Zustandes des internationalen Währungssystems. Tolerierung: Witv. Dörring 1830 Fragmente 1156 meine Tolerirung im gegenwärtigen Momente konnte ihm leichtlich demnach von selbiger zum Verbrechen angerechnet werden; Bl. Tagebl. 8. 6. 1931 Hinter der Disziplinfrage aber stand Bejahung oder Verneinung der Tolerierungspolitik; Frankf. Ztg. 4. 8. 1932 die Tatsache, daß die Sozialdemokratie eine Tolerierungspolitik unter Brüning hat mitmachen können . . . beweist, wie außerordentlich gefestigt die Mehrheit der deutschen Arbeiterschaft . . . dasteht; Lokal-Anz. 4. 1. 1933 schleunige Entscheidung über Tolerierung oder Nichttolerierung, im Notfalle sofortige Reichstagsauflösung; ebd. 5. 1. 1933 u. a. wird auch behauptet, daß über die Möglichkeit einer Tolerierung Papens bei einer Rückkehr zum Kanzleramt gesprochen worden sei; ebd. 9. 1. 1933 Die Ausschüttung von politischen Liebesgaben von Tolerierungsgeschenken an diejenigen Gruppen, die am lautesten drohten; ebd. 17. 1. 1933 Praktisch hängen alle politischen Entscheidungen davon ab, ob die NSDAP eine Tolerierung des Kabinetts v. Schleicher im Reichstag für richtig hält; Graff 1951 Goethe 137 [Goethes] offen eingestandene Unterstützung respective Tolerierung der bonapartischen Gewaltherrschaft; Süddtsch. Ztg. 26. 4. 1951 Die 13 Abgeordneten der BP werden damit ihrer bisherigen Politik einer nur „wohlwollenden Tolerierung der Bundesregierung"

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Tomate

Valet sagen ebd. 17. 9. 1951 Zunächst müßten alle demokratischen Kräfte die Einigung des Kontinents in gegenseitiger Tolerierung betreiben; Neue Ztg. 30. 1. 1953 Ein Kabinett Hitler, selbst wenn ihm das Zentrum durch seine Tolerierung eine parlamentarische Basis verschaffen wollte, würde erst recht ein Kabinett der Provokation sein; Stuttgarter Ztg. 16. 7. 1966 Wehner ging einen beträchtlichen Schritt weiter und sprach von Rechtsformen des Miteinander unterhalb der Schwelle der Anerkennung, aber bei Tolerierung der unaufheb-

baren Machtverhältnisse; Die Zeit 7. 4. 1978 Und auch der deutsche Nuklearexport nach Brasilien wird von Carter noch längst nicht toleriert, wie auf seiner Südamerikareise eben erst wieder deutlich geworden ist. tolerieren 2: „Duden"-Sammlung 1935 Abweichungen nicht tolerierter Maße = 0,2 mm; 1948 Duttweiler-Festg. 104 möglichst toleriertes Werkmaterial.

Tomate F. (-; -n), Anfang 17. Jh. entlehnt aus gleichbed. span. tomate, frz. tomate (zurückgehend auf.gleichbed. mexikan. tomatl), anfangs auch PI. -s und in unterschiedlichen Schreibformen; Bezeichnung für ein gelbblühendes Nachtschattengewächs mit wohlschmeckenden roten Früchten und vor allem für die Früchte dieser Gemüsepflanze, früher auch Gold-, Liebes- und Paradiesapfel genannt, als Grund- und Bestimmungswort in Zss. wie Treibhaus-, Fleischtomate; Tomatenstock, -mark, -soße, -suppe; selten auch übertragen verwendet und auf den Menschen bezogen in den ugs. Wendungen treulose Tomate 'treuloser, unzuverlässiger Mensch' und Tomaten auf den Augen haben 'nicht aufpassen, nichts sehen'; dazu in neuester Zeit die verbale Gelegenheitsableitung tomati(si)eren 'mit Tomaten oder Tomatenmark versehen'. Tomate: deBry 1601 IXte Schiff. 151 Sie gebrauchen auch Tomates, welches frisch und gesunde Körner sind / die man roh essen kann; Ens 1618 Lustgart 110 daß sie auff bestimpten Tag solch Ackerwerck von Mays / Axi / Tomates / Frisolen . . . liefferten; Franz 1668 Lust-Garten 657 die übrige aber aus dem Geschlechte der Mexicanischen Tomatl oder Miltomatl, oder BeerleinPflantze . . . Denn es finden sich in der Neuen Welt andre Gestalten / deren Früchte / weil sie rund seynd / Tomatl genennet und einem Pergamengleichen Häutlein eingehüllet / einer im erste Grad trucknen und kalten Natur / dazu einiger Säuerlichkeit theilhafft sind; Montanus 1673 Neue Welt 269 Und diese trug zu gewöhnlicher zeit Mais / Axi / Tomates / Chias, und Kürbse (alle PALMER); Horneck 1684 Osterreich 96 wie die Spanische Tamates bey uns gut gethan / ist sonst bekant; Hühner 1824 - 28 Zeitungslex. II 537" liebesäpfel, welche man in Westindien der würze halben den saucen hinzuthut und dort tomaten nennt, aus den tropenländern gieng diese frucht zur consumption in küchen nach Frankreich über, und wird dort, wie in Italien, als ein kühlender salat verzehrt (DWB); Oken 1841 Allgem. Naturgesch. III, 2 989 bey uns nur als zierpflanze in gärten . . . in heiszen lindern werden die früchte mit pfeffer, öl und salz gegessen, in Europa aber durchgeschlagen und als schmackhafte suppen und

brühen benutzt, tomate, pomme d'amours (DWB); Hahn-Hahn 1844 Oriental. Br. 1362 Tomaten . . . heissen mit ihrem botanischen Namen Solanum lycopersicum und auf deutsch Liebesapfel; Vaerst 1851 Gastrosophie I 155 In Italien bilden die Tomate, mit Zwiebeln in Oel eingemacht, ein Nahrungsmittel für das gemeine Volk; Niendorf 1854 Paris 35 In Menge flammende Paradiesäpfel — „Tomates" — wie in Ungarn zu würzigen Brühen benützt; Lucas 1889 Christs Gartenbuch 141 Liebesapfel, Paradiesapfel, Tomate; Münch. N. N. 9. 8. 1917 Die Heimat der Tomate weist auf Südamerika hin, und in den Küstengebieten von Peru ist sie noch jetzt wildwachsend anzutreffen. Allerdings hat sie als wildwachsende Pflanze viel kleinere Früchte als die Tomate, die in den Gärten angebaut wird. In Europa ist die Tomate bereits seit dem 16. Jahrhundert bekannt; Schweitzer 1924 Kindheit 14 Erst Ende der achtziger Jahre bürgerte sich die Tomate im Elsaß ein; SchrörghamerHeimdall 1924 Kronawitter o. S. Ein anderer, ein junger Gärtner, hat ihr seine Zuneigung durch eine Tomatenstaude zu verstehen gegeben, die im Wurzelwerk ein Körbchen voll Kartoffeln trug. Oben die schönsten Tomaten, unten Erdäpfel; LokalAnz. 25. 8. 1934 Die Tomatenzucht ist in Charlottenburg zu bewundern. Tagtäglich werden auf dem Balkon die roten Früchte geerntet; ebd. 7. 10. 1934 Die Erfahrung hat gezeigt, daß . . . Tomaten-

Tombola früchte, die man nach dem Abnehmen von der Staude mit einem trockenen Lappen sauber abwischt und in Torfmull bettet, in der Nachreife sehr gefördert werden; Bad. Ztg. 26. 6. 1957 Von den fremden Gästen aus gesegneteren Ländern ist aber die Tomate bei uns heimisch geworden, in Süddeutschland noch ab und zu Paradeisapfel genannt, Tomatl in Mexiko, wo sie daheim ist; FAZ

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6. 12. 1969 aber wir möchten doch lieber Champignonragout mit Tomaten bestellen. tomati(si)eren: FAZ 6.12.1969 Tomatieren (Uberschr.) Auf einer Bonner Menükarte war verzeichnet: tomatiertes Champignonragout. Allerdings haben wir schon selbst Eier poschiert und farciert, Fleisch mariniert, hachiert, paniert, frittiert und tranchiert, aber noch nie ein Pilzgericht tomatiert.

T o m b o l a F. (-; -s und Tombolen), im früheren 19. Jh. (gebucht 1838 bei Heyse) entlehnt aus ital. tombola 'Warenlotterie, Lottospiel', eigentlich 'das Purzeln der Lose in der Lostrommel' (zu tombolare 'purzeln, hinkullern, -fallen'); anfangs auf italienische Verhältnisse bezogen, dann auch allgemeiner verwendet in der Bed. '(öffentliche) Verlosung von (meist gestifteten) Gegenständen (bei Fest- und W o h l -

tätigkeitsveranstaltungen)' (Tombolalos, -gewinn), vereinzelt auch als Bezeichnung f ü r die Vorrichtung, den A u f b a u der Lostrommel und der Gewinne selbst. Stuhr 1847 Italien I 156 das Volksfest einer Tombola (Lottoziehung) gehalten; ebd. I 193 die . . . Tombola in der Villa Borghese . . . Das ist eine Lotterie zu milden Zwecken, für die Cholerawaisen, heisst es, veranstaltet von einem wohltätigen Vereine; Scheffel 1852 Italien Br. 41 der Himmelskönigin zu Ehren Pferderennen, Böllerschiessen und Tombola das Landvolk von nah und fern mit seinen pittoresken Costümen herbeizieht; 1855 Prutz' Museum 1110 mit patriotischen Tombolas glänzen; Teuber 1881 Jugendleben I 152 Weihnachtsfest mit Tombola; Voss 1901 Fra Checco 7 er deutete Träume, prophezeite das Wetter, sagte Zahlen aus, die im Lotto und bei der Tombola unfehlbar gewinnen mußten; Weberitsch 1924 Leben 227 Platztombola . . . Aus Brettern war ein viereckiger Turm errichtet mit einer Tribüne. Nach allen vier Richtungen wurden die gezogenen Nummern ausgehängt, und alle neugierig bildeten eine geschlossene Wand; 1928 Die Dame H. 12 4 Eine Tombola, bei der jedes Los gewinnt, pflegt keine Kostbarkeiten zu enthalten; ebd. 1930 2. Jan. h. 13 Wenn aber die Tombola eines großen Festes so häufig mit — Zahnpasta und ähnlichem beschickt wird, ist es nicht nett; ebd. 1930 2. Aug. h. 46 Er steigt aus, reißt die Mütze vom Kopf, als er vor ihr steht, und bittet sie, an der Probefahrt seines neuen Autos teilzunehmen, das er eben in der Tombola gewonnen hat; Voss. Ztg. 15. 2. 1930 Auf dem Ball der Handelshochschule wurde eine Schwindlerin festgenommen, die gefälschte Tombolalose verkaufte; Berl. Illustr. Nachtausg. 9. 6. 1932 Blinddarm-Operation als Tombola-Gewinn (Uberschr.) Ein bekannter New-Yorker Chirurg war aufgefordert worden, zu einem Vereinsfest einen Tombola-Preis zu stiften. Da die Preise mög-

lichst originell sein sollten, sandte der Arzt einen Gutschein über eine — Blinddarm-Operation; Lokal-Anz. 22. 1. 1933 Tombola ist immer neue Verführung, das immer neue Erliegen . . . Jetzt ist wieder die Zeit der Tombola. Von einem Mal zum andern vergißt man, daß es so etwas gibt, und wenn man in den Saal kommt, steht wieder der Tisch mit den Gewinnen in der Ecke. Zuerst will man nicht, dann kauft man Lose; ebd. 8. 5. 1934 Die Tombola mit den hübschen und praktischen Sachen, die von den Kindern geflochten, gebastelt [wurden]; ebd. 15. 11. 1934 Im Hotel Esplanade hat gestern ein Gesellschaftsabend . . . stattgefunden, der außerordentlich gut besucht und dessen reichbeschickte Tombola zu Wohlfahrtszwecken bestimmt war; ebd. 20. 11. 1934 Die Polizeibehörde sieht sich veranlaßt, darauf hinzuweisen, daß die Tombolaausspielung genehmigungspflichtig ist. . . In diesem Fall ist die Tombola als öffentliche Ausspielung einer Lotterie aufzufassen; Dtsch. AZ. 8. 1. 1935 Eine Tombola, die Spenden aller bekannten deutschen Firmen aufweist, wird in erhöhtem Maße die Veranstaltung zu einem Erfolg werden lassen; NZ. (Basel) 3. 2. 1950 Eine Tombola von ungeahnten Ausmassen war in der Eingangshalle der Muba aufgebaut; ebd. 27. 3. 1950 Nach der Pause, die vor allem der im Blumenschmuck prangenden Tombola galt; Süddtsch. Ztg. 27. 6. 1952 Die Waren werden in einer großen Tombola verlost, deren Erlös zum Wiederaufbau des Nationaltheaters verwendet wird; ebd. 6. 9. 1952 Oberbürgermeister Bärnreuther eröffnete . . . die Mauthallen-Tombola, mit deren Erlös . . . das historische Nürnberger Bauwerk wieder errichtet werden soll; ebd. 25. 1. 1960 In den ersten Tagen dieser Woche werden die letzten Lose der dies-

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Tonali tat

jährigen Nationaltheater-Tombola verkauft sein. Die Tombola-Leitung bittet die Gewinner derjenigen Gegenstände, die noch in den Schaufenstern

ausgestellt sind . . . diese . . . abzuholen; Stuttgarter Ztg. 1. 3. 1969 „Mit fünf Mark sind Sie dabei", heißt es bei dieser lobenswerten Tombola.

Tonalität F. (-; ohne PL), seit späterem 19. Jh. nachgewiesen, unter Einwirkung von älterem, gleichbed. frz. tonalité zurückgehend auf lat. tonus, tonos 'Ton, Laut; Farbton; Spannung' ( < gleichbed. griech. xovoç); als musikalischer Fachausdruck in der Bed. 'Bezogenheit der Töne eines melodischen und harmonischen Ablaufs/ des harmonischen Ablaufs einer ganzen Komposition auf den Grundton der Tonart, in der er/sie steht', im Unterschied zu Atonalität, Polytonalität, selten auch auf nicht musikalische Phänomene übertragen im Sinne von 'Farbtonskala, Farbgebung, Kolorit'; dazu im 20. Jh. die fachspr. adj. Rückbildung tonal 'auf der Tonalität beruhend, sie betreffend, auf einen Grundton bezogen', im Unterschied zu atonal, polytonal, vereinzelt auch auf nicht musikalische Phänomene übertragen. Tonalität: Helmholtz 1863 Tonempfindungen 366f. Bei der Besprechung dieser Tonsysteme ist nun für unseren vorliegenden Zweck die Frage von wesentlicher Wichtigkeit, ob in ihnen eine bestimmte Beziehung aller Töne der Leiter auf einen einzigen Haupt- und Grundton, die Tonica, zu Grunde gelegen hat. Die neuere Musik bringt einen rein musikalischen inneren Zusammenhang in alle Töne eines Tonsatzes dadurch, dass alle in ein dem Ohre möglichst deutlich wahrnehmbares Verwandtschaftsverhältniss zu einer Tonica gesetzt werden. Wir können die Herrschaft der Tonica als des bindenden Mittelgliedes für sämmtliche Töne des Satzes mit Fetis als das Princip der Tonalität bezeichnen. Dieser gelehrte Musiker hat mit Recht darauf aufmerksam gemacht, dass in den Melodien verschiedener Nationen die Tonalität in sehr verschiedenem Grade und verschiedener Weise entwickelt sei; ebd. 371 Obgleich man also bei diesen mittelalterlichen Kirchentonarten die Regel der Tonalität schon bemerkt hatte, war die Regel selbst doch so unsicher, und erlaubte so viele Ausnahmen, dass wir auch hier nicht zweifeln können, dass das Gefühl für die Tonalität viel unentwickelter gewesen sei, als in der modernen Musik; Sternheim 1914 Snob 48 Tonalität [eines Gemäldes]; Literar. Handwerker 62 (1925) 5 Die Krise der Tonalität ist nicht künstlich herbeigeführt worden, sie ist die notwendige Folge der romantischen Klangkunst . . . Es ist zweifellos, daß es nicht darauf ankommt, ob ein Kunstwerk Gesetzen der Tonalität gehorche oder nicht, so wie es auch heute noch Kompositionen gibt, die dem heutigen Tonalitätsempfinden keineswegs entsprechen; Hausenstein 1930 Bad. Reise 33 Spürt man [in BadenBaden] den Schwarzwald? Es riecht herab nach Fichten und Kiefern. Aber der Schwarzwald ist so wenig auffällig wie das Bauliche. Die feine bade-

städtische Zivilisation ist die Mitte, und alles andere ist nur Ingrediens, Rahmen, Tonalität; B. N. 27. i. 1943 Archaismus verbindet sich mit einer Erweiterung der Tonalität auf der Grundlage der Zwölftonreihe; Siiddtsch. Ztg. 3. 7. 1952 die Macht von Schönbergs Tat und Lehre — die Befreiung der Musik aus den Fesseln der Tonalität und die methodische Fixierung des Zwölftonsystems, das bekanntlich andere Musiker unabhängig von ihm ebenfalls gefunden hatten — ist größer als die Macht seines klingenden Werks; Welt 31. 1. 1968 Rückkehr zur Tonalität? „Tage der Neuen Musik" in Hannover (Überschr.) Als ebenso unpräzis erwies sich die Einführung des Begriffs „Tonalität". Jakoby sprach davon, als ob es sich dabei um ein festes Gehäuse handele, in dem jeder Schutzsuchende sichere Zuflucht finden, um einen Baukasten, mit dessen Steinchen jeder operieren könne, der die Spielregeln beherrscht; Stuttgarter Ztg. 22. 2. 1968 Erfurth bleibt in der Flötensonate, in den Klaviervariationen und in fünf Liedern durchaus innerhalb der Tonalität; Bad. Ztg. 16. 4. 1971 Ich habe in diesem Stück, bei diesem Stoff vor der Tonalität keine Angst gehabt. tonal: Literar. Handwerker 62 (1925) 5 So hat die Krise, in der sich das Musikschaffen in unserer Zeit befindet, nicht im Problem „Tonal oder atonal", nicht in der Frage „Neuartig oder Traditionalistisch" ihren Kernpunkt . . . wir brauchen auf dem Gebiete der absoluten Musik nur die Spätwerke Anton Bruckners genauer zu betrachten, um die völlige Uberwindung des engen Rahmens der tonalen Kadenz beobachten zu können; Schlosser 1937 Magistra 11 Dieser Kampf zwischen „barbarischer" Elementarkraft und hellenischer Kalokagathie . . . hat die jüngste klassische Archäologie . . . auf die Formeln „kubistisch"

Tonsur — Top gegen „organizistisch" zu bringen gesucht, sprachlich wie gedanklich nicht allzu glückliche Bildungen, denn die Beziehung auf modernstes „Kunstwollen" enthält wohl den Hinweis auf eine unleug-

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bar in unserer Gegenwart zu beobachtende Affinität — man könnte vielleicht ebenso von „tonal" und „atonal" sprechen.

Tonsur F. (-; -en), Mitte 14. Jh. über gleichbed. mlat. tonsura entlehnt aus lat. tonsure 'das Scheren; Schur' (zu tonsus, Part.Perf. von tondere '(ab-)schneiden, scheren'); zur Bezeichnung der kreisrund kahlgeschorenen Stelle auf dem Kopf, die bei katholischen Geistlichen, bes. bei Mönchen, die Zugehörigkeit zum Klerus anzeigt, gelegentlich auch bildlich verwendet; dazu im 19. Jh. die verbale Ableitung tonsurieren 'jmdn. mit der Tonsur versehen, in den geistlichen Stand aufnehmen', vereinzelt auch bildlich verwendet. Tonsur: 1343 (Sammlung selten gew. pädagog. Sehr, früherer Zeiten, H. XII 4) Avch sol der custer vnd der probst die Korschuler dor zu halten, daz sie in tonsur pfefflichen halten; Schönsleder 1647 Prompt. Jii 2h tonsur nehmen (DWB); Estor 1762 Neue Kl. Sehr. VI 690 Von der ersten tonsur; Knigge 1781—83 Roman III 74 er hatte . . . eine art von tonsur (DWB); Eichhorn 1809-19 Staats- u. Rechtsgesch. 1262 die tonsur ist ein zeichen des erhaltenen ordo (DWB); Ritter 1822-59 Erdkunde IV 1172 zur einweihung gehören die tonsur, die ablution (DWB); Goethe 1827-42 (W. XX 4) Indem er den Hut abnahm und die Tonsur sehen ließ (KEHREIN); ebd. XXXV 361 Daß er den Laienstand verließ . . . Er nahm auch wirklich die Tonsur (KEHREIN); Köhler 1862 Erinnerungen 176 thalergrosse Tonsur; Ratzel 1885—88 Völkerkunde II 98 [die Weiber Schoren] entweder ihren

ganzen köpf oder wenigstens eine tonsur (DWB); Domhrowski 1920 System II 95 Tonsur; Renz 1941 Wildschütz 26 Tonsurkäppchen; Fendrich 1950 Land 151 dem Berthold Schwarz kühlte ein dürftiger Heiligenschein [Schnee] die Tonsur. tonsurieren: ]. Paul 1826f. Wahrh. aus J. P. Leben 13 Dadurch ward ihren Köpfen der unauslöschliche Charakter . . . von einem stehenden Witze gleichsam tonsuriert (KEHREIN); Buchholz 1821 Taschenb. 305 Gleiches Loos fiel den Tonsurirten, so lange sie noch kein geistliches Benefiz besaßen; Cuendias 1847 Spanien 148 Wir haben schon wieder vergessen, daß es keine Mönche mehr in Spanien gibt . . . Die tonsurirten Sardanapale . . . gehören jetzt eben so der Geschichte an; Peetz 1892 Chiemgauer Volk I 74 den tonsurierten Gesellschaften.

Top-, top-, in neuester Zeit aufgekommen als Bestimmungswort in aus dem Engl./Amerikan. entlehnten, teillehnübersetzten oder im Deutschen neu gebildeten, vor allem im Bereich von Mode, Wirtschaft und Werbung verwendeten adj. Zss. mit der Bed. 'hoch(-), höchst(-), äußerst', in subst. Zss., auf Sachen bezogen, für 'erstklassig; Spitzen-, Super-' und, auf Personen bezogen, für '(beruflich) hochqualifiziert, sehr gut bezahlt; auf höchster Ebene eingesetzt, zur Spitzenklasse gehörend', z . B . topfit 'in bester (körperlicher) Verfassung, Form; voll einsatzbereit', top(-) secret 'höchst, streng geheim', meist im Bereich des diplomatischen Verkehrs und der Spionageabwehr, Topmanager, -management 'Spitze der Unternehmensleitung', Topmodell, -Sekretärin, -star, vereinzelt dafür auch kurz Top M. (-s; -s) 'Spitze(-nkraft)'; selten auch als prädikativ gebrauchtes Adj., z. B. im Syntagma top sein '(hoch-)modern, in sein; Mode, Spitze, Klasse sein' (vgl. —»super). Daneben gleichzeitig aufgekommenes Top M. und N. (-s; -s) in der Bed. 'Oberteil eines weiblichen Bekleidungsstückes'; dazu das aus dem Engl./Amerikan. übernommene, meist prädikativ verwendete Adj. topless 'mit entblößtem Oberkörper' (lehnübersetzt: oben ohne), zunächst in der Bademode, dann in der Vergnügungsbranche von Bar-, Animierdamen, Tänzerinnen o. ä.; in jüngster Zeit die subst. Ab-

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Top

leitung Topper M. (-s; -) als Bezeichnung für hemdchenartige Trikotoberteile, meist mit dünnen Trägern. Top-, top-: SUddtsch. Ztg. 24. 4. 1954 Er stellte fest, daß der eiserne Vorhang tatsächlich noch da war. Dann ging er wieder. Jeder Zoll an dem Mann war Top Secret; Spiegel 14. 2. 1962 er übernahm das Kommando in den Top-Secret-Sitzungen des Nationalen Sicherheitsrates (CARSTENSEN); ebd. 9. 5. 1962 Die Russen kaufen Top-Erzeugnisse in Westdeutschland gegen Devisen und beziehen das übrige Material aus den Nachbarländern auf Kredit (CARSTENSEN); ebd. 30. 5. 1962 und versuchen Sie herauszubekommen, aus welchen Breitengraden Deutschlands die Top-Manager . . . herbeigekommen sind (CARSTENSEN); ebd. 10. 10. 1962 Consul Royal . . . das ist ein großes Feuerzeug. top men's Feuerzeug, topman? Das ist einer, der gilt. Auf den man hört. Ein rechter Mann, ein Herr (CARSTENSEN); Die Welt 10. 11. 1962 Es gibt nicht mehr sehr viel, was ausgeplaudert werden könnte, was „top secret" sein muß und tabu (CARSTENSEN); Spiegel 17. 7. 1963 Gleichwohl hatte der Schwede die Sowjets mit ähnlichem TopSecret-Material beliefern können (CARSTENSEN); FAZ 8. 2. 1964 Wir suchen nur top-Kräfte (CARSTENSEN); Frankf. Ztg. 20. 4. 1966 Wir sind der Welt größter Hersteller von Plattenwechslerchassis . . . Für die BSR Deutschland suchen wir einen Top Manager (Anzeige); 1967 Durch die schöne Welt Nr. 11/12 Schneepflüge und Schneeschleudern werden zum Räumen der Gleisanlagen einsatzfähig gemacht und sind am „Tage X " topfit am Einsatzort zur Stelle; Stuttgarter Ztg. 27. 1. 1968 Top-Management (Uberschr.) Der Name unserer Unternehmensgruppe hat einen der höchsten Bekanntheitsgrade des Handels (Anzeige); 1968 Capital 6 Einer der wichtigsten Faktoren im Geschäftsleben ist die Zeit, die dem TopManagement zur Verfügung steht . . . Wenn Sie jemals Zweifel hatten, ob es sinnvoll ist, daß Ihre Spitzen-Manager in Flughafenwartesälen herumsitzen oder sich ihren Weg durch verstopfte Straßen nach entlegenen Zentralflughäfen bahnen, dann rufen Sie den Geschäftsführer der ContiFlug GmbH . . . an (FRIMAN); Stuttgarter Ztg. 13. 4. 1968 weil Mister Bailey den schlanken Gladiatoren wie einen Schulbuben durchprügelte. Das hätte nicht unbedingt passieren müssen, denn Bailey war mit 206 Pfund alles andere als in Topform; Quick 28. 8. 1968 die top gekleideten Halbweltgirls (BUCK); MZ 9. 10. 1968 Auch die Gagen der Mannequins wachsen nicht gerade in den Himmel. 80 bis 100 Mark für den Tag sind der Durchschnitt und nur einige „Tops" finden Jobs, die bis zu 250 Mark am Tag bringen (CARSTENSEN); Hamb.

Abendhl. Ii. 11. 1968 die Top-Hit-Modelle der neuen Stiefelmode (CARSTENSEN); Stuttgarter Ztg. 4. 7. 1969 schicker Partykeller-sporting-room . . . mit Hobby- und „top-fit-Geräten"; ebd. 16.10. 1969 Sofort zu vermieten 1. 5 top-moderne Büroräume (Anzeige); FAZ 20. 8. 1970 Top-Verkäufer (Uberschr.) für Verhandlungen und Abschlüsse auf höchster Geschäftsleitungsebene (Anzeige); ebd. 24. 9. 1970 Top-Sekretärin (Uberschr.) progressiv, ideenreich, gewandt . . . sucht verantwortungsvolle Aufgabe als Chef-Assistentin im Inoder Ausland; ebd. 27. 10. 1970 Zur Unternehmensführung gehöre heute regelmäßig das TopManagement und das mittlere Management als Einheit; Offenburger Tagebl. 25. 11. 1970 Nach einem „Top-secret"-Plan zur Befreiung Kriegsgefangener landete am vergangenen Freitag eine kleine amerikanische Kommandotruppe bei Hanoi; ebd. 11. 12. 1970 Aber vergessen wir auch nicht die Frauen in den höheren Rängen, allen voran „Thailands weiblicher Top-Volks Wirtschaftler"; 1971 Stern Nr. 36 o. S. Nach Ansicht von Profi Vivien wird sie mal ein „erstklassiges TopModell"; 1971 Bunte Illustr. Nr. 35 47 Der Anzug ist voll waschbar und bügelfrei. Abends in die Waschmaschine, morgens wieder top fit (FRIMAN); FAZ 13. 2. 1971 Top Layouter gesucht ein Profi ein Könner (Anzeige); ebd. 20. 2. 1971 die Konkurrenz mischt die Farbtöne oder bringt Schachbrettvariationen auf Topmodelle; ebd. 18. 3. 1971 Den unheilbaren Top-Manager, der die größten Geschäfte in der psychiatrischen Klinik abwickelt; ebd. 3. 4. 1971 Top-Verkäufer aus der Verkaufsbranche (Anzeige); ebd. 7. 4. 1971 Ingenieur der grafischen Industrie — SchriftsetzerLehrmeister Top Man (Anzeige); Offenburger Tagebl. 13. 4. 1971 Top-Striptease Attraktionen Starnummern Casino 2000 (Anzeige); ebd. 23. 4. 1971 „Spiel ohne Grenzen" jetzt noch „top secret" (Uberschr.) Offenburger Mannschaft trainiert fleißig — Messeplatz hermetisch abgeriegelt; FAZ 28. 4. 1971 Top-Sekretärin (Uberschr.) Englisch perfekt inkl. Steno (Anzeige); MZ 17. 6. 1971 jung chic poptop sind unsere Rippenpullis (Anzeige) (CARSTENSEN); 1971 Junge Wirtschaft H. 8/9 „Top-fit" heißt, in Schwung sein, immer auf dem Sprung sein . . . ganz einfach jung sein. Mit ELBEO-Supp-hose. Der stützende Strumpf, der Männer auf die Beine stellt, die mit dem Tempo Schritt halten; Offenburger Tagebl. 1. 9. 1971 Berghauptener Fahrer für den Sonntag topfit (Uberschr.); FAZ 26. 10. 1971 Mit verschiedenen optimalen Einrichtungen erreichen ihre Top-Leute

Topographie maximale Leistungen; Offenburger Tagebl. 4. 11. 1971 Für anspruchsvolle junge Herren: Die „Top" Pop und Freizeitmode aus Paris (Anzeige); ebd. Ii. 11. 1971 Avant Chic-Brillen Top-Stars der Brillenmode (Anzeige); FAZ 3. 12. 1971 Schweizer Unternehmen bietet Top-Existenz durch Übernahme einer General-Repräsentanz (Anzeige); FAZ 15. 1. 1972 Wir brauchen Top-Leute für Liechtenstein (Anzeige); ebd. 2. 2. 1972 Top-Manager/österreich . . . sucht neuen Wirkungskreis (Anzeige); Offenburger Tagebl. 7. 2. 1972 Erhard Keller war auf die Sekunde genau topfit (Uberschr.) Der Inzeller wiederholte seinen Olympiasieg. top: Der Volkswirt 18. 7. 1969 Auf Fremdsprachen habe ich bewußt verzichtet, damit mein Deutsch top bleibt (BUCK); Jasmin 3. 8. 1970 Wer in der Hochsaison in diesem Etablissement am Millionärstisch s i t z t . . . ist 'top' (BUCK); Spiegel 26. 4. 1976 Nach 13 Jahren im Schaugeschäft sind die Stones immer noch top (CARSTENSEN); ebd. 3.1. 1977 „Früher war ein amerikanischer Designer top, wenn er auf einer Pariser Kollektion zu sehen war", mokiert sich . . . Calvin Klein (CARSTENSEN). Top: Offenburger Tagebl. 10. 4. 1959 Rock und Top (Überschr.) Charmant aufeinander abgestimmt — Chic am Abend . . . Frauen mit Freude an verzaubernder Viergesichtigkeit wählen Rock

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und Top. Beides läßt sich so charmant aufeinander abstimmen . . . wodurch immer wieder eine neue Kombination, „ein ganz anderes Kleid" entsteht; FAZ 28. .10. 1971 Show: Von Top zu Topless (Überschr.); 1980 Otto-Katalog Frühling/Sommer 7 DasTrägertop mit gerafftem Oberteil . . . wird von einer schicken Strick-Jacke begleitet; ebd. 226 Der elastische gesmokte Sonnentop sitzt fantastisch sicher; 1980 Quelle-Katalog Frühling/Sommer 313 Für alle Modebewußten: kesses Sonnen-Top mit schmalen Trägern. topless: Süddtsch. Ztg. 31. 12.1966 Das erste Topless-Lokal . . . zu eröffnen . . . Attraktionen . . . Topless in San Francisco hat nichts gemein mit jenem Strip-tease, wie er in Nachtlokalen Europas geboten wird . . . Nichts von der . . . offenen Nepp-Atmosphäre, die in der alten Welt gepflegt wird . . . Topless-Darbietungen in vielen Variationen . . . Titel „Miss Topless" . . . Absicht, nun auch in New York ein Lokal mit „Oben ohne"Bedienung zu eröffnen; Stuttgarter Ztg. 1. 7. 1969 wenn man zu den Klängen einer exotischen Topless-Band tanzen und vom Kellner unter dem Tisch LSD kaufen kann; FAZ 28. 10. 1971 Show: Von Top zu Topless (Überschr.). Topper: 1980 Otto-Katalog Frühling/Sommer 85 wieder brandaktuell: der Sonnentopper, der viel sonnengebräunte Haut zeigt.

Topographie F. (-; -n), Ende 16. Jh. entlehnt aus (spät)lat. topographia 'Ortsbeschreibung' ( < gleichbed. griech. xojtoyQaqpia, aus töitog 'Ort, örtlichkeit, Gegend', auch 'Gemeinplatz', Etymon auch von Fachtermini wie Topik, Topos, vgl. andere Fachwörter mit Topo-, vor Vokalen meist Top-, als Präfixoid wie Topologie, Toponymik, und ypacpeiv 'schreiben'), bis ins 18. Jh. lat. flektiert; in der Bed. 'ausführliche Beschreibung, genaue Kunde der Beschaffenheit eines Ortes; Orts-, Lagebeschreibung', auch für die Beschaffenheit eines Ortes selbst, meist als geographischer Fachausdruck für die (kartographische) Darstellung der Bodenform(en), Flora, Fauna, Gewässer, Besiedlung usw. einer örtlichkeit, einer Landschaft oder eines Landes, auch in der Meteorologie zur Bezeichnung von Höhenwetterkarten, die Luftdruck, Wind und Temperatur in der Atmosphäre darstellen, und auf den Bereich der Anatomie übertragen für 'Beschreibung der Körperregionen und der Lage der einzelnen Organe zueinander'; auch bildlich verwendet. Dazu seit Ende 17. Jh. die adj. Ableitung topographisch 'die Topographie betreffend; mit den Methoden der Topographie hergestellt, auf den Ergebnissen der Topographie beruhend', in Syntagmen wie topographische Anatomie und topographische Karte; seit spätem 18. Jh. die Personenbezeichnung Topograph M. (-en; -en), 'Landvermesser, Vermessungsingenieur'.

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Topographie

Topographie: Speckle 1589 Architectura l h Die Grundlegung oder Topographia, die Verzeichniss des Orts, dahin man neue Baue anzulegen gedenckt; 1614 Topographia omniarum regionum (Titel); Herbinius 1678 De cataractis 183 De Topographia Paradisi; 1692 Novellen 246 was . . . Topographiam aber betrifft; Moser 1765 Schwab. Merkur 6 Die Geo- und Topographie [Schwabens]; 1772 Frankf. gel. Anz. 71 Die Topographie hat sich seit der alten Zeit sehr geändert: denn Priene, das nun mitten im Land liegt, lag ehemals an der See und hatte zween Hafen; Schubart 1777 Vorlesungen schöne Wiss. 9 Topographie heisst die Beschreibung eines einzigen Orts; 1788Journalv. u.f. Deutschland I Vorher, o. S. Reisebeschreibungen aber werde ich diese Topographien nicht nennen, da mein Glauben immer schwankend wird, so oft ich diese Überschrift lese; Schrank 1789 Baier. Flora I Vorr. XV botanische Topographie von Baiern; 1790 Journal v. u. f . Deutschland II 533 Topographie werde gern, als modischer Titel, durch Lokalbeschreibungen ersetzt; Laukhard 1792 Leben 1355 Ich schrieb hier weder Reisekunden noch Topographien, folglich darf man hier nichts weiter erwarten, als was mich betrifft; Eschenburg 1792 Lehrbuch 80 Besondre Theile der Erdbeschreibung und die Chorographie und Topographie, oder die Beschreibung einzelner Länder und örter; Denis 1795 Einltg. 1289 der Topographie oder einzelnen örterbeschreibung; 1802Almanach der Fortschritte 457 Zoega hat eine Topographie des alten Roms vollendet; Heidelberg. Jahrbücher d. Lit. 6 (1813) II 625 der Geschmack an gutgewählten Topographieen; 1813 Knaffl-Hs. 24 Uibersicht über Topographie und Populazion des Bezirks Pohnsdorf; Müller 1816 München I 83 Topographie und Statistik der Stadt; 1829Jahrbücher d. Gesch. 1341 Verdienste der Special-Geschichten und Specialtopographien; Steffens 1841 Was ich erlebte IV 35 geognostische Topographie des Gebirges; Preller 1846 Aufs. 471 Zu Geschichte und Topographie des römischen Capitols; Riehl 1861 Ges. 125 Sie [die Parteigruppe der Bauern] ließ sich nicht nach der gangbaren Kammer-Topographie zur rechten oder linken Seite abtheilen; Kraus 1875 Tagebücher 354 Beschäftigung mit der elsässischen Kunsttopographie; 1925 Flora 562 Roux spricht von der „Topographie der Ursachen"; Friedeil 1931 Kulturgesch. III 512 Topographie der Wiener Seelenverfassung; Wohl 1932 Reporter 167 Wenn etwas an Gwendolyn Molloy bewundernswert ist, so ist es ihr Verständnis für Topographie. Mit untrüglichem Blick hat sie sich auf ihrem Lauf vorhin orientiert, sie weiß, dieser Wald führt von der Bahnlinie fort; Lokal-Anz. 13. 8. 1933 er liest den Lebens- und Schaffensgang des Meisters sozusagen aus der Topographie seiner Erdenbahn ab. D. h., er stellt

in den Vordergrund die Betrachtung der historischen Brahms-Stätten und läßt aus Landschaft, Stadt, Haus und Wohnung eine überaus lebensvolle Rekonstruktion des menschlichen Daseins erstehen; Süddtsch. Ztg. 27. 11. 1950 In diesen Tagen kann die bayerische Topographie ihren 150. Geburtstag feiern. Sie ist eine französische Gründung und geht auf General Moreau zurück, der im Jahre 1800 nach der Einnahme von München ein aus Ingenieur-Geographen zusammengesetztes „bureau topographique" einrichtete; Er u. Sie 1952 Märzh. o. S. daß er einst Kameramann war und daß er die unerschöpfliche seelische Topographie des menschlichen Antlitzes heraufbeschwören kann. Topograph: Meiners 1785 Br. Schweiz II 13 alle Topographen und Reisebeschreiber; Böttiger 1795 Reise nach Hamburg (Literar. Zustände II 16) Topograph; Burckhardt 1838 Bilder (121) Auch in größeren Städten versündigt sich nicht nur der gemeine Mann, sondern auch mancher wohlunterrichtete Topograph durch allzu große Freigebig1860 keit hinsichtlich jenes Namens; Gregorovius Wanderjahre II 201 die meisten Städte der Campagna sind viel älter, und nun gar Cori, welches nach den Berechnungen antiker und moderner Topographen eine der ältesten Städte der Welt ist; Ludendorff 1933 Werdegang 31 Diejenigen Offiziere, die als geeignet befunden wurden als Landesvermesser, d. h. als „Topograph" verwendet zu werden. topographisch: 1691 Pfalz 17h der Topographischen Beschreibung der Pfälzischen Lande und Städte; Wening 1701 Bayern I ch dieser unserer Chur-Bayrischen Topographischen Histori; ebd. (1721) II