119 66 19MB
German Pages 195 [412] Year 1798
i» kleinen Städten, oder
Nevo I u t t o tt e n int Städtchen ,s * * drei Meilen von Berlin.
Eine komische Geschichte.
Zweiter Theil. c u e Auflage. Berlin,
bei
Arnold
r 7 9 7.
Wcver.
Erstes Kapitel. fc f) e o v i e ti n D Praxis.
D er Junker hatte eben sein Nachmittags*
schla scheu gemacht. und stand auf sich ein Pfeifchen zu füllen/ als Hell und FreinranN mit einem Gesicht hereintraten, worauf Schmerz und Besorgnis auf bas lebhafte ste ausgedrükt waren. Wir wollen zwar nicht gradezu sagen, daß dieses L.^mine'sgesicht der beiden Herren erkünstelt gewe sen sei, aber doch müssen wir zur Steuer der Wahrheit gestehen, daß wir bei dieser Gelegenheit unsern Pastor (sei es mit der Jammermine, wie es sei) doch auf einer kleinen Abweichung von seinen sonst geäuft selten Grundsäzen ertappt haben. So hart dies in mancher strengen Moralisten Ohren klingen mag, so leicht wind der Zweites Dttndcl'kn« A
[
2
]
Menschenfreund und der Menschenkenner
dem guten Hel! im voraus Pardon zurufen. Zeichne Dir immerhin die Linien vor,
wie weit Tu gehen willst, seze Dir die Erenzsanlen der Wahrheit
gend,
und
der Tu
des Rechts uub des Unrechts,
der
Weisheit und der Thorheit so genau und bestimmt, als Du willst ~ und habe nur
ein Herz in Deinem Busen, das beim An-
bltk des Schöllen, ®u£cn und Wahren sei
ne Schlage verdoppelt, das, je näher Du dem Ziele kommst, desto ullbändiger pocht,
und was gilt's,
guter Freund, Du gehst
wenigstens drei Schritt' über Dein weises Ziel hinaus,
und weisst es nicht einmal,
daß Du es thatest und schwörst wohl gar Stein und Bein, daß Du noch auf Dei nem Grund imi) Boden seist. —
„Das
„wird kein Mensch von festem Karakter?" — Wirklich nicht? O liebe Herren, versteht
sich mit einem warmen Herzen, sagt mir
doch, wie ost wurdet Zhr nicht schon durch Euer Zutrauen
auf andre getäuscht? —
[
I
3
wie oft fasset Ihr den weisen EntschluS,
fortan keinem mehr zu trauen, den Ihr
nicht durch alle mögliche Proben im Was« fer und Feuer hattet gehn lasse»? wie mis« trauifch wolltet Ihr nicht auf alles sei»,
wolltet Euch durch feine» Schein,—• war' er auch noch so blendend — mehr hintcrgehen
lasse», und — die Hand auf's Herz — über« schrittet Ihr Eure Grenzen nie? —
Auch ein Pröbchen für Euch, Ihr weise Vater und Erzieher—„Strafe Dein Kind nie im Zorn"— ist die vortrefliche Grund« regel, die Ihr Euch zogt und — ohne Heu« chelei nie überschrittet? — und wenn Ihr es thatet,
(versteht sich, daß Zorn nicht
Raserei war) sagt, glaubtet Ihr dann Un, recht daran zu thun?
Und wer überging
nicht schon die festgcsezte Schlafstundc, wenn
ein herrliches Buch unsern Geist munter erhielt oder freundschaftliche süsse Gesprä che unser Herz erlabte»? — Wer grif nicht
tiefer in seinen Deutel, als es Vorsaz war,
Iven» er bei dem tiefsten Elend die reinste
A
i
C 4
T
Schuldlosigkeit traf? Wer geriet nicht stLm fer in Eifer, als er sich's je erlauben ivotf/ te, wenn er den Arglosen, von Buben irre; geleitet, am Rande des Abgrunds sah?-^ Zwar hab' ich manchen gar ehrbaren Manw gekannt, der sich durchaus keiner Anomalie-' schuldig machte und bei jedem Alireiz dazu sehr kaltblütig predigte: man müsse festen Sinnes und seinen Grundsätzen treu blei ben. : Britrge ihm die herzlichste Gesund heit zu und Du wirst ihn nicht bewegen, ein halbes Gläschen mehr zu trinken, als sehn Eeseztes ist; llicht der heiterste Leilztag noch das Zureden seiner Begleiter wird ihn vertnegen, einen Schritt weiter zu gehen, als» es ihm sein Ziel erlaubt; nicht die süsseste. Unterhaltung kann ihn ein Viertelstündchen länger dem Bette entziehen, als es seine^ Gewohnheit mit sich bringt, im Gegenched bleibt er seinem Wort und Vorsaz so ge^ treu, daß er auch dann nicht eine ländliche Lustpartie aufgieöt, wenn die unfreundlich ste Witterung und der übelste Weg beit?
T
]
5
Itcßrigen alle Lust benimmt tttib daß er je* den,
der daheim bleibt, des Wankelmuts,
-der Unbeständigkeit, der Wortbrüchigkeit ße;
-schuldigt.
Aber, lieben Freunde, bei aller
dieser Festigkeit
Kleben
an
des Karakters und diesem
Borsazen
.kann ich nicht sagen,
und
Gewohnheiten
daß mir der Mann
ehrwürdiger geschienen hätte, ja ich will es
Euch nur gradezu gestehen, tausendmal lisbenswürdiger dürilt mir unser ^ell, wenn er, vermutlich ohuw-Wissen, einen Sprung
über-seine Grund saze hinweg macht.
Wozu nun das alles soll?— Das will -ich Euch gleich sagen, lieben Leser.
Ihr
sollt mir nur-zugeben, daß auch der ehrlt-che, brave und weise Mann oft etwas in der Theone als feste, allgemeine Norm an nimmt, wobei er sich in der Ausübutrg ge
zwungen siehr, Exeeptionen zu machen, von
denen er sich ost' kaum selbst gesteht, daß sie Ausnamen sind, und ich will Euch dann
ven Herzen gern einräumen, daß man bew A 3
T
6
n
gleichen Anomalien nie zu allgemeinen Ste geln erheben müsse.
Unser Pastor Hell war ein solcher Feind
von aller Verstellung und Unwahrheit, daß
er dergleichen auch nicht einmal im Scherz leiden konnte und daß er sie selbst nicht als Mittel zur Erreichung eines unschuldigen
oder höchst nüzlichen Endzweks gut hies: Unwahrheit, sprach er, bleibt Unwahrheit,
und sonach immer etwas Unwürdiges und
Böses und kann durch tcnrsend vorgeschüz--
te gute Absichten nimmermehr zu etwas
Wahrem und mithin nie zu etwas Gutem erhoben werden, mag auch der dadurch er reichte Endzwek noch so schön sein.
Durch
Verstellung oder Erdichtungen sein Ziel er
reichen, heisst immer Schleifwege gebrau, chen, die zwar bequemer und näher sein
können, allein sichrer und anständiger ist
und bleibt denn doch die grade Strasse.--
An diesem Saze hing unser Pastor so fest, daß er im Ernst auf den hätte zür
nen .können, der sich unterstanden, seine
r Allgemeinheit
zu
2
i
bezweifeln,
düch
wusste der edle Mann nicht, daß er es sich selbst jezuweilen erlaubte, Ausnamen davon
zu machen, und das that er denn heute
ganz unwidersprechlich.
Die kummervolle
Mine wollen wir ihm gar nicht einmal am rechnen, aber die lebhafte Beschreibung der
worin das Fräulein und der
Gefahren,
Maler aus -Mangel eines geschikten Arzr tes schwebten, war wenigstens, zur Halste Der Pastor wusste recht gut,
Erdichtung.
baß es mit der Krankheit der chochadlichen Jungfrau wenige oder nichts..zn bedeuten
habe und doch schilderte er ihren Zustand so fürchterlich,
sollen,
haß jeder hätte schwören
suche schon für den. alten Cha
ron das Fahrgeld zusammen. —
Lirber
Hell, das war Unwahrheit, war Versteh
lung — und ich fürchte, jener Philosoph^ der aus seiner einsamen Studirstube das
Dekret gab;
mau. müsse dem wütenden
Verfolger auf Befragen den Au/enthalt
seines ungj.ükltchen Opfers alMgey,^ jähen A4
r
«
i
Wir auch - schott dm Dolch zuM Stos iti’d
Herz gezükt - ------ freilich dieser Wahrheits riese iwri» dm erste» Stein auf Dich wer
fen.- Aedoch lass ihn, wir wollen ihm da
für wünschen, daß der Bote, der ihm das unglukliche Ende eines feiner Kinder oder
des ekivas verkündigen soll - Wein solcher WahcheitSsrciind sei. Lass ihn immer wer
fen, lieber Hell- uns bist Du, eben Dei
ner edlett Mrstellung, Deiner jezigen Un wahrheit wegen, nur «m desto lieber, aber
Nun thu «ns-auch den Gefallen, und halte Nicht jede angmommmcMine für Heuche lei, nicht'jede unschädliche oder wohl gar nüzliche
Unwahrheit
für
eine Lüge.
Schade nur,' daß' Deine -rührende und (un ter unsH übertriebene Beschreibung, der Lei-
deir und der Gefahr der beiden Patienten
nicht die ganze Wirkung bei dem Haupt mann hervorbrachte,
die Du und Dein
Areimatrn wünschten- — denn Du standst leider, als Du sprachst- auf des Junkers
dlindenSelte. - Hättest Du Dir noch die«
s » I stn'Kunstgrif erlaubt,- Deinen Mann von
der rechten Seite-zu fassen, ich-wettet Dir Würdest weniger Mühe und einen- glükln chern Erfolg gehabw haben.
Für den Tod, lieber Pastor, begann der alte Kriegte, kein Kraut gewachsen iss, und wem, einige Ncgi'mentcr Berlin-
scher Aerzte hier wären, hnd pfuschten uird
ssuakfalberken alle, so würden sie doch kee-
«en eckigen retten, der 's lezte. Pulver uf i>ic’ Pfanne geschüttet hat. — Hel
oder
«lernen Sie?
Pastor.
Dqs ist. eben- die Frage, lie
ber Hauptmann,
ob sich die Patienten,
wie Sie sagen, schor, rein-verschossen haben oder nicht.
Wer soll das entscheiden?
Wer- von uns hat. so viel.Kenntni^udcS
menschlichen Körpers, der Ke-mWichen- der Kranl'heitc» und--der Mittel daMgen? —>
uuLr Bader etwa ?-
und
wer
Ist .Lutz
Stande dem Schaden, abzuhelserr, ehe- ex.
Unverbesserlich wird?
Ar
L
Hauptmann.
lieber Hell.
io
]
Wie Sie
da schwazen
Mag wohl verteufelt schwer
sein, das Gesundheitsflikkerhandwerk. He; was meenen Sie, wer mein Arzt ist? —•
Zch selbst und kein Mensch weiter.
Sehn
Sie da, lieber Freimann, da hab ich ein
verhenkert
schnaksches
Ding,
ist so
en
weltliches
Buch, das der Pastor nicht se
hen mus.
Aus dem liest mir meine Lui,
fe des Abends oft was vor, ja da sollten
Sie mal hören, wie der die Aerzte rum Holt.
Tausend Element, der lässt ihnen kee-
nen ganzen Fezen am Leibe, und da thut
er, Hollnich Gott! recht dran. Freimann erkannte es sogleich für den
Roman eines unsrer beliebtesten und vor/
treflichsten Dichter
und seufzte
über
das
Schiksal der besten Bücher, die so ost miet; Verstanden werden.
Der Hauptmann
fuhr fort:
Sie, der menschliche Leib ist,
Sehn
so zu Ha
gen, wie 'ne Mühle, und da kommt nun
schier alles druf an,
ob der Graben reen
ü
Merket: ■ Sie,
Ist,
Hapert's uu
gen.
1
II
das
mit
ist unser Ma,
der Mühle,
so
wird der Graben mal geräumt, der schlam,
mig ist.
Na unb wenn der Wagen mal
voll Unrat sizt, da wird 'ne tüchtige Pur, oder Vohmtihf gebraucht, sehn Sie
ganz
und da klappert die Wühle wieder fort *—
und das kann unser Liborius so gut, wie en Studirter.
Freinrann merkte den begangenen Feh ler.
Des Hauptmanns Auge fiel gerade
auf das Buch, woraus er zum Theil sei,
ne Weisheit geborgt hatte, und die beiden Männer mochten demnach auf der blinden
Seite spreche!:, was sie wollten, sein gesun, der Sinn vernam von dem allen nichts.
Der Doktor, der es durchaus nicht für der Schwache
der
Menschen zu bedienen, um sie zum
Gu,
unerlaubt hielt,
sich
teu zu vermögen, postirte -sich sogleich zwi, schon besagtem Roman und dem Haupt,
mann und begann, wie folget: Recht, lieber Hauptmann, vollkommen
recht!
[
r-
Jl
meen' ich auch^
TTM, :
sichte der
Hauptmann und mm blikte er zufrieden lächelnd-dem Redner in's Gesicht, woraus
Areimann nicht wenig Hofrrung schöpfta.
Er wusste, daß es dem Hauptmann we-
Der an-gesundem Menschensinn, noch an
Wohlwollen gebrach, gemeinnüzige Wahr heiten anzuerkennen,
wenn sie ihm nur
grade vor sein gesundes Auge.gebracht' wuv-
Den und nicht aufgedrungen werden sollten. Er fuhr fort: Recht, das dacht' ich gleich, daß wir
mit einander einig
waren.
Es ist auch
warlich nicht anders möglich, als daß. ver
nünftige Wanner, die nicht Misverständnis oder Eigensinn oder verschiedenes In
teresse trennt, endlich auf einen Punkt zu-
sammentreffen.müssen. verstanden,
Wir sind ganz ein
wie ich sehe, es lag nur an
der Erklärung.—
Hauptmann
(überrascht und verlegen.)
Na,
ist mir lieb — aber wie so? — Wi§ und
warhastig. —
13
I Lreimaim.
]
Nun ja,
lieber' Haupt
mann, Sie: sagen uns da, daß wie bei
der Mühle sehr viel auf den Graben an-
koinmc, so wäre es bei dem menschlichen Körper mit dem Magen.
Wirklich ganz
rwrrreflich!. Nun, wenn der' Graben vcr-> schlämmt iß, so schikt der Müller den er#
frei! den besten Taglöhner
und
lässt ihn
reinigen, u n d w r u n sonst kein Fehler
an der Mühle'war, so tiktakt sie dann wieder frisch — Eben so kann jeder Bader, ja jeder Mensch seinen Magen, wenn die Krankheit blos hier sizt, durch leichte Mit#
tcl
reinigen.
—
Wahrhaftig,
lasst sich gar nichts cinwcnden! werden Sie
dawider
Aber nun
uns auch zugestehen, lieber
Hauptmann, daß wenn der Fehler indem
Gebäude der
Mühle selbst ist, in ihrem
Räderwerke oder am Stein oder sonst wo, die Mühle doch nicht gehen wird, wenn auch der Grabe« auf bae beste gereinigt-
wäre.
s
J
14
1gstiiptinann cnnnriwo Nu ja, das ist
ein apartiger Kasus, verstehn Sie —
Ganz recht, lieber Haupte
Freimann.
mann, und ein Kasus, dem kein Taglöh ner abhelfen, ja den er oft nicht
einmal
auffinden kann, da mus der Meister selbst
dran, mus die ganze Maschine gut kennen,
ihren Bau bedächtig durchgehen und dann mit vieler Geschiklichkeir und Vorsicht das Schadhafte ausbessern.
Nicht wahr, lie
ber Hauptmann, derselbe Fall ist bei dem Menschen auch, doch die Anwendung ma chen Sie selbst besser, als ich sie Ihnen
sagen kann —
Hauptmann.
Hören lässt sich das al/
lerdings. — Hell.
Und
mm denken
Sie,
lieber
Hauptmann, wenn nun so ein Fehler irt der Mühle selbst wäre, und es käme ein Stümper und dächte an
nichts, als den
Graben zu reinigen, würde nicht nach kur zer Zeit
die
Mühle
ganz
zu
Grunde
gehn? — Ze stärker sie durch den freiern
[ ZufluS
T5
]
des Wassers m Bewegung gefezt
wird, je mehr und je eher wird
sie zer*
tüttet und bald' ganz unbrauchbar werden, da der Schaden anfangs voll einem ver,
ständigen Meister mit geringen Kosten und
in kurzer Zeit hatte können verbessert wer
den. Hauptmann.
nicht Unrecht.
Alle Dlix, da haben Sie
Na und sizt's benti uf der
Burg und bei dem Maler mtfjt im Ma,
gen?
Die beider: Herrn versicherten, daß der Lader alle
ihm
durchbraucht
habe
so
bekannte
zwier
Mittel
uild es stehe
nur um
schlimmer mit dell Patienten.
Nun
mehr brachte der Pastor einen Mann in Vorschlag,
desselr
Gcschiklichkeit
in
der
gallzerl umliegenden Gegend bekannt war,
und gab zu verstehell, daß dieser sich wohl entschliessen würde, seinen Wohnsiz bei ihnell aufzuschlagen.
Hauptmann.
Z na,
man gleich schreiben,
können's ihm
daß er kommen soll,
E -6 3 hab', soll mich der Blix, nicht ein Wsrte chen dawider.
haben, wo
Zu
ein
leben wird er schon'S
Arzt
iss,
giebt's
auch
Kranke.
Das war nun noch ein Punkt, der zu vor in Richtigkeit gebracht werden muffte.
Herr Schlicht, so hies das in Vorschlag
gebrachte Subjekt, würde nur aus Freund schaft für Len biedern Hell seinen Wohn ort verwechselt haben, weil seine Geschik-
lichkeit ihm in B..., wo er fich bisher aushielt, wenn auch nicht -ein überflüssiges,
doch hinreichendes Auskommen verfchafte. Allein so genügsam der Mann war, so hatte doch Hell zu.viel Achtung und zu
viele Liebe gegen seinen Freund, als daß er, ohne ihm wenigstens ein mässiges bestimm tes Einkommen anbieren zu können, dies
-Opfer von ihm verlangen sollte. Dies stell te er dem Hauptmann gerade und offen
herzig vor und fezte hinzu. Laß er für sein
Theil sich verbindlich mache, acht Scheffel Korn jährlich für
ihn auszusezen und er hoffe.
C
'J
17
hoffe, daß jeder der vermögenden und wohl, denkenden Einwohner seinem Beispiel fol
gen werde.
Ze nu, was das anlangt, lies sich der Hauptmann gar
bedächtig vernemen —
so ist das, verstehn Sie, eine neue Aussa
ge, und was mich betrift, so hab' ich Gott
sei's gedankt, keines Arztes nötig.
Eine
Laxanz, ein Vohmtihf, ein guter Schnaps mit Pomeranzencsscnz zu haben.
ist bei mir immer
Indessen - -------------
O edler Mann, fiel ihm Freimanu in's Wort, der nach diesem Eingang be
sorgte, das Quantum möchte gar zu ge ring von seiner Seite ausfallen und daher der natürlichen
Gutmütigkeit des Haupt
manns eine kleine Nachhülfe geben woll te — O edler Mann, verbergen Sie uns
.Zhr schönes Herz nicht, das so warm für alles, was das
trist, schlagt.
Wohl der Menschen be-
Brauchten Sie auch nie der
.Hülfe eines Arztes, was jeder zwar wün
schen wird, aber keiner Zweircs Ban-chen,
hoffen darf, sind
D
[
1
18
Sie nicht der Vater einer zahlreichen Fer milie, Ihrer armen Unterthanen?
Hauptmann.
I nu ja doch, ich toill's
ja recht gern; soll sechszehn Scheffel von
mir jährlich haben — Na, ist's so recht?
Hell.
Sie thaten das, lieber Haupt«
mann, was wir von Ihrem
menschen
freundlichen Herzen erwarteten, und
ich
weis. Sie werden auch hierbei nicht stehen bleiben, sondern Sich mit uns vereinigen, um den Herrn Bürgermeister dahin zu
vermögen, daß er durch vernünftige Vor
stellungen die Bürgerschaft zu einem frei
willigen Beitrage für den anzustellenden Arzt bewege.
Hauptmann.
ich
das
bei
Sie man uf, Fikfakkereien
Na Pastor, gern thu'
Gott
nicht,
der wird
vormachen
uns
und
passen
verteufelte
und wir
ziehen
so klug wieder ab, wie wir gekommen sind.
Denken Sie an mich, das ist ein Dlizflau-
senmacher. — Aber'ö Kinder, nicht eens tn's andre zu reden, Ihr habt mich da mit
[
19
J
6em neuen Arzt so überrumpelt/ daß ich selbst nicht recht wees, wie ich dran bin.
Hal thun wir ooch nicht dem armen Li, bsrius Unrecht? — sollt' er nicht ooch kumpabel sinn, so 'n Nad in der Mühle
auezubessern? — Hell.
Diese Besorgnis, lieber Haupt,
mann, macht Ihrem Herzen Ehre, al, lein kommen Sie mit uns, wir besuchen
gelegentlich den
armen
Maler und dort
sollen Sie Beweise finden, daß der Bader
ein Unwissender ist, Gewissens
wegen
dem wir Amts und
verbunden
sind,
sein
Handwerk zu legen.
Zweites Kapitel. Wie eL dem Maler er-itt-.
Alle drei Männer traten alsbald bey
Marsch an, ob es gleich schon etwas fin, ster zu werden begvnnte, denn dieses Tn-
umvirat hatte das mit einander gemein,
daß sie einen guten Vorsaz nicht gern aus B s
[
19
J
6em neuen Arzt so überrumpelt/ daß ich selbst nicht recht wees, wie ich dran bin.
Hal thun wir ooch nicht dem armen Li, bsrius Unrecht? — sollt' er nicht ooch kumpabel sinn, so 'n Nad in der Mühle
auezubessern? — Hell.
Diese Besorgnis, lieber Haupt,
mann, macht Ihrem Herzen Ehre, al, lein kommen Sie mit uns, wir besuchen
gelegentlich den
armen
Maler und dort
sollen Sie Beweise finden, daß der Bader
ein Unwissender ist, Gewissens
wegen
dem wir Amts und
verbunden
sind,
sein
Handwerk zu legen.
Zweites Kapitel. Wie eL dem Maler er-itt-.
Alle drei Männer traten alsbald bey
Marsch an, ob es gleich schon etwas fin, ster zu werden begvnnte, denn dieses Tn-
umvirat hatte das mit einander gemein,
daß sie einen guten Vorsaz nicht gern aus B s
l
20
]
die latlge>. Bank schoben und erkalterr lief; fcn; Nöch mochten sie zwanzig Schritte von des Malers Behausung entfernt sein, als ihnen'Herr Liborius mit vielem Un gestüm entgegen kam, allein so trozig sein Gang und so heftig seine Geberden warenso nam er doch plözlich bei Erblikknng drei er sehr wichtigen Patronen so viel höfliche Geschmeidigkeit nn, daß er bcti zierlich sten und gekrümmtesten Bükling etabvrireu konnte, 'wodurch er den Vortheil erhielt, daß er, eh' er noch mit dem unterthanigsten guten 2tbend zu Ende gekommen war, schon mit dem Oberleibe ein fernes Stük die drei Herrell im Nükken hatte, und se nach sich hinlänglich entschuldigen konnte, daß er, der Entfernung wegen, die Fra ge des Hauptmanns nach dem Befinden des Malers nicht gehört hätte. Beiläufig wird der geneigte Leser die Bemerkung machen, daß belobter Herr Liborius ein ganz andrer Herr Liborius war, wenn er mit Leuten zu thun hat/
;[
2i
]
te, die seiner - bedurften und von . denen foe/ rng zu -hoffen war, 'als wenrr er das Glük hatte, Personen- auszuwarten- deren Hül fe er benötigt.war tuib die bezahlen fotut; ten. Gegen die. armern Einwohner > und gegen alle, dieUnglük traf, von ihm auf irgend eine Art abhängig $u sein, war er das ungeschliffenste, undienstfertig, sie und fühlloseste Geschöpf, das "man sich denken kann, aber desto nachgebender, be, scheidlter, zuvorkommender und -demütiger betrug er sich gegen Vorneme und Reiche. Sie dursten nur halb einen Wunschanst fern, so ward er zngestanden, selbst "wernr er die offenbar, schädlichsten Sachen ^berraf; sie durften nur befehlen, so fas die Krank, hcit, die zuvor im Magen gehaust.hatte, in der Leber und wgr man auch damit, noch nicht zufrieden, so transportiere - sie der gefällige Arzt in die Gedärme oder wo sie der Patient hin haben wollte. -Ohne daß es ihm etwas kostete, konnte er dem Hauptmann für ein geschenktes altes B 3
[
-r
]
Huhn dm Rokzipfel küssen und dem Pw
stör auf den Knien Beleidigungen abbit
ten und Besserung geloben; aber wehe auch dem, dem er schaden konnte oder der sei
Der
ner ohne gute Bezahlung bedurfte.
lezte Fall traf bei unserm Maler ein und wir dürfen unö daher über des Baders
Betragen gegen diesen nicht wundern, da
e6 ganz bei ihm in der Regel war, Lrmern
Patienten durch eine
dafür zu be
Behandlung
unbarmherzige
den
rauhe und
strafen, daß er entweder nicht besser wer ben oder nicht sterben wollte. Eben
als
unsre Herrn einen
Kazenbukkel zu
machen
kleinen
begönnern,
um
durch die halbe Thüre in die Wohnung des Malers zu kriechen, stürzte ihnen mit dem
fürchterlichsten Geheul Frau Brigitta tnv gegen.
Ihr Gesteht war wirklich schon an
sich nicht das angenemste, vornemlich hat
te eine nicht gemeine Portion Bosheit
unverkennbare
Neid
Krallenfüsse
demselben ausgedrükt, die
auch
bet
und auf
dem
C
2Z
]
freundlichsten Lächeln ihr ches gaben, aber so
etwas toibetti#
fürchterlich, wie sie
jezt aussah, das, lieber Leser, magst Dl»
aus den Umständen selbst abnemen, die sie i» diesen schreklichen Zustand versezt hat,
ten.
Zch armes, unglükliches Weib, schrie
sie einmal über das andre, da liegt 's nun
in den Klauen des Satans — Gott im Himmel erbarm!
Kommen Sie, werte,
ster Herr Pastor, kommen Sie und ret, ten eine arme Seele! — Alle Hagel nicht
einmal, fiel ihr der bestürzte Hauptmann in's Wort,
was ist 's Frau?
dem Maler was thun?
hel
wer will
soll ihn —
und so schob er die bestürzte Brigitte auf die Seite, die zwar immer um Hülfe schrie
und doch den engen Eingang eigne Person versperrt hielt,
die Stube,
durch ihre
und eilte in
Hell und Areimann folgten
dem Hauptmann.
Hier fanden
den Maler in einem Zustande,
sie nun der dem
männlichsten Herzen eine Thräne ablokken
konnte.
Bleich und
abgezehrt sas er in B 4
(
24
seinem BeLLe, blikte
1 starr umher,
sties
schrekliche Verwünschungen gegen sich selbst
aus, zerraufte sein Haar und sank dann Wieder kraftlos zurük.
Bald
richtete er
sich wieder auf, fing bitterlich an zu weineu, rang die Hände und betete: Erbar
men, Gott, Gnade! — dann stellte sich die fürchterlichste Verzweiflung aufs neue
ein.
Der kleine Zunge winselte um sein
Bette her und schrie: nicht sterbet;, Vater,
leben, lieber Vater! Aber der arme Kranke
hörte weder auf die Stimme seines Kindes,? noch auf das Zureden der drei Freunde, bis er endlich nach einem sehr heftlgen Anfall
ganz ermattet zurüksank und etwas ruhi ger ward.
Unterdessen hatte Hell, der sich nun hie grössten Vorwülsse machte, daß er die Krank
heit des Malers für unbedeutend gehalten hatte, so viel vor; , der heulenden Brigitta
herausgebracht, erklärt hätte,
daß Herr Liborius eben ihr Mann sei völlig behext
und er wolle ferner nichts mehr mit ihm
25 J zu thun haken, der Patient inichte suchen seine Seele zn retten, für seinen Leib wisse ex keine Hülfe. 2x3 ie? — was? — be hext? rief der erstaunte Hauptmann mit dem gerechtesten Unwillen, das hat der Schurke von Bader gesagt? —> Behext? soll Dich der Teufel — Diese Worte dran gen endlich -em erschöpften Maler zu Oh ren, er blikte seine Gaste starr an und strekte bie abgezehrten Hände mir lebhaftem Entzükken nach dem Pastor au^: O Gott sei Dank, daß Sie da |mb, Herr Predi ger — Ach, ich bin ein Kind des .Teufels, retten Sie — er-armen Sie Sich — - ---- Pastor. Armer Mann, Sie sind schänd lich getäuscht worden. Gott ist die Liebe — hat N-chsicht. mit unsepn Fehlern und Schwächen, und grobe Laster begingen Sie gewis nicht.. Maler. Laster ha! schrektiche, verr fluchte Laster! — ach, da steht er, mein Peiniger — .sehe»; Sie, wie er die Klauen nach mir ausstrekt — Gott! Erbarmen! I
fE»n Ocfti^cv Schauder unterbrach ihn.)
B 5
[
-6
1
Pastor.
Sie klagen Sich zu stark an—
Maler.
Nein, nein, ich habe geh....,
habe die Ehe gebrochen,
meine Sünden
sind grösser — — Stftu Brigitta (springt lunt Bette.) Was! geh....?
Du Schandbalg, geh.... hast
Du?
Pastor (der fie ans die Seite führt.)
Liebe
Frau, sehen Sie denn nicht, daß Ihr Mann
in der Fiebrrhize spricht? Miller (der eg gehört hat.)
Nein, lieber
Herr Prediger, um Gottes willen, hören
Sie mein Bekenntnis an: ich habe die Ehe
gebrochen, oft — oft — hören Sie mich und geben mir die Absolution, damit ich
erlist werde ans den Klanen des Satans. So viel sich auch die Männer bemüh ten die Fran zu beruhigen und die Auefa,
gen ihres Gatten für Bilder einer kranken
Einbildungskraft zu erklären,
so ängstlich
fuhr im Gegentheil der Maler fort so viele
einzelne Umstände von seinem Verbrechen
anzuführen,
daß Niemand mehr an der
27
t
Wahrheit konnte.
]
Bekenntnisses
seines
zweifeln
Brigitta gerieth daher in solche
Wut, daß es schien, als hätte der Gehörnte den Patienten verlassen,
Ehehälfte gefahren.
und sei in seine
Sie würde ganz ge,
rvis den todtkranken Mann auf das Aeus, serste gemiehandelt haben, wenn nicht der
Hauptmann dazwischen getreten wäre und mit dem kräftigsten Schwur ihr angedeutet
hätte, er wolle ihr Hände und Füsse bin
den lassen,
wenn sie sich unterstände dm
Kranken anzurühren, und da sie dessen unge
achtet fortfuhr,
ihn wenigstens mit der
Zunge zu geisscln, so nam er Brigitten et,
was unsanft bei dem Arm, führte sie gar
eilig zur Thür hinaus und verschlos sie. Unterdessen hatte Freimann mit dem
edlen Pastor keinen geringen Kampf.
Er,
strer wollte den Rranken durchaus wie ei,
nen Wahnsinnigen behandelt wissen
und
glaubte vor der Hand kein bess'res Beru, higungsmittel anwendbar, als daß man sich in die Grillen und Einbildungen des Pa,
L tietiteii schikke.
28
]
Er bat daher den Pastor,
ihm bte verlangte Absolution zu ertheilen
unb dadurch, nach des Malers Meinung,
die Bezauberung zu lösen,
allein der Pa
stor, der, wie wir schon wissen, durchaus
ein Fein-., aller Unwahrheit und
Grimasse
war, und überdies eine feierliche Neligions-. Handlung dadurch zu einem Po.sseuspiel her/
abzuwürdigen glaubte,
blieb
dabei,
daß.
durch vernünftige Vorstellungen weit siche
rer, wenn auch etwas langsamer der End-
zwek erreicht werden würde. Freimanns Ungestüm, augenbliklich
helfen
wollte,
der durchaus
lies nicht ab
Vorstellungen zu machen, und da auch die
se fruchtlos wäret!, sezte er mit grosser Em
pfindlichkeit hinzu: Freund, Sie folgen Ih rem grossen Muster nicht, hatte Christus
gedacht wie Sie, er würde wenig Besessene geheilt haben —
Augenblik,
Ich werde gehen, jeder
den der arme Kranke länger,
blosser Bedenklichkeiten wegen leidet, ist für
mich eine Hölle.
[
29
3
Areimann! rief der sanfte Pastor und hielt ihn zurük, wir wollen einen Mittel weg einschlagen, bleiben Sie. Während dieses vorging, schüttete das arme Gerippe noch alle seine Todrsünden von Herzen und je mehr es beichtete, de, sio leichter fühlte es sich. Da ward auch kein Kus vergessen, den er je einem weib lichen Geschöpfe gegeben hatten Freilich schränkte er sich auf diese Art Sünden al lein ein und hielt sie für himmelschreiend, da er doch noch ausserdem nicht wenig Fehler an sich hatte und so manche andre heilige Pflicht verlezte, allein darüber dür fen wir uns wohl nicht wundern, ist doch diese Meinung unter uns nur zu gewöhnlich. Wir sind zwar weit davon entfernt, dergleichen Fehltritte contra jextum sür unbe, deutend oder gar für erlaubt zu halten/ vielmehr gestehe.', wir gern ein, daß eben diese Menschlichkeiten sich vielleicht am härtesten bestrafen und wollen daher jederumnn, besonders.Jünglinge und Mädchen
3°
E
J
wohlmeinend warnen, sich nicht oft eine
einzigen Fehltritt wegen ihre ganzen Le» benetagö hindurch elend zu machen.
Aber
das müssen wir denn doch zur Steuer der
Wahrheit bekennen/ baß zu jenen alltag.lichen Sünde»/ die Schadenfreude- Lieb-
losigkeit/ Miegunst, Lästerung, Bosheit und wie die bekannten Kleinigkeiten mehr
heissen, hervorbringen, wenigstens zehnmal
wehr Gewissenlosigkeit und Verdorbenheit des Herzens gehören als zu den entsezli, chen Sünden der Unkeufchheit, und doch
werden jene gewöhnlich übersehen und die, se auf das unbarmherzigste gerügt.
lich
denkt
Zhr
Frei,
Groestädter über diesen
Punkt weit billiger, wenn nicht gar zu leichtsinnig, aber bei Uns Provinzialen mus noch immer, troz dem Beispiele Zcsu und
den weisen Gesezen des unsterblichen Frie, drich's, das arme gefallne Mädchen un, gemein viel leiden.
Hier mishandelt die
Unglükliche eine wütende Mutter,
deren
schlechtes Beispiel und sorglose Erziehung
L
3i
]
sie dem Verführer in die Arme warf; bork flucht ihr ein erzürnter Vater,
graues Haar und
seil»
sein Ehebette die Un
J
schaudert! --------- „Und wovor?" — Dach-
te nur eben an das Glük bei* Ehemänner/ denen eine gelehrte Frau zu Theil warb, füge aber nichts davon,
denn ich spreche
hier blos von Verstandesausbildung, nicht
Gelehrsamkeit — zwei
von
Dinge,
die
wie Tag und Nacht von einander verschiß den sind.
Wir wollen hier nur
einige Gaze aus
stellen, an deren Wahrheit hoffentlich Nie;
mand zweiflen wird, und dann den Schlus
daraus zu ziehen jedem Leser selbst über;
lassen. Der erste Saz: zur Verträglichkeit ge; hört Uebereinstimmung unserer Urtheile.
Der zweite:
unsere
Urtheile
hängen
nicht sowohl von unsrer Geisteskultur, als
vorzüglich davon ab,
mit
von welcher Seite,
welchem Interesse,
in welcher Lage
und mit welchen Nerven wir eine Sache betrachten. Der dritte:
Ze sorgfältiger ich etwas
überdacht zu haben glaube, desto Zuversicht;
[
i7i
]
lieber ist mein Urtheil darüber — je mehr > Gründe mir mein Verstand angab, mich zu etwas zu. bestimmen, desto fester ist mein Entschlue, desto weniger geh' ich davon ab. Sieh also, lieber Leser, ähnliche Verstandeebildung erzeugt nicht gleiche Urtheile, gleiche Entschlüsse, sondern — was um so schlimmer ist — macht nur jeden um desto hartnakkiger bei seinen Vorsazen und Meinungen, je richtiger er die Sache selbst zu durchschauen glaubt. Nun sagt mir in aller Welt, wie soll bei solchen Kollisionsfällen der Friede in der Ehe be stehet!? — wer soll seine Ueberzeugung fah ren lassen? — wer dem andern wider sein vermeintlich besseres Wissen nachgeben? —Ohne Bedenken werden meine männliche Leser antworten: die Frau. Und ich fra ge, warum? — „Weil sie sich dem An sehen des Mannes unterwerfen mus." — Und ich höre noch nicht auf zu fragen: worauf gründet sich das Ansehen des Man»
]
I
neS? *— doch nicht auf ein Paar nervich,
tere Fäuste?
— oder darauf, daß er der
Inhaber der Kasse ist und vielleicht durch
sparsamere Spenden den Ungehorsam bet strafen kann?
Dir
— Nun wohl,
willst Du
dadurch Überlegenheit und Achtung
verschaffen, gut, so wird es Dir vielleicht
gelingen,
aber aus jede eheliche Elüksee,
thu immerhin Verzicht.
ligkeit
— Sieh,
es bleibt nichts weiter übrig, als ein gröss
ftrer Grad der Ausbildung Deines Bert
dies allein wird Deinen Gatten
standes,
willig machen, Deinen Ratschlagen zu foü
gen.
Ueberzeuge
fahrung,
bessere
durch Gründe und Er/
daß Deine Meinung immer die
sei,
und
Dein
Ehegenosse
wird
gern seinen Willen dem Deinigen in zwei/ felhaften
Fallen
unterwerfen.
Wiederum
wie schädlich zu grosse Aehnlichkeit! — Allein hier mus ich noch ein Notabene machen,
wobei
manche
freundlich aussehen dürfte:
Dame
wieder
sott eine ehetn
che Verbindung glüklich sein,
so mus auf
[
»73- 2
Einer Seite eine merkliche Ueberlegenheit
des Verstandes Statt haben. Freilich sollte nun
wohl
dies
Uebergewicht allezeit auf
Seiten des Mannes sein, ist es aber nicht immer und thut das auch
Glük
weiter
wohl eher sich
unter
keinen
dem ehelichen
Eintrag.
Zch
manchen Mann gekannt, der
Direktion
Frau sehr wohl befand,
feiner
habe der
klügern
nur mus er sich,
auch, seiner Schwäche bewusst, fein willig
leiten lassen und nicht brummens
Eilftes Kapitel. Zweiter Theil der Predig: von gleichgeschafnen Seelen. Zur Halste war' ich denn mit meinem
Beweise fertig,
und ich weis gewis viele
meiner Leser erliessen mir den Rest gern, aber es hilft nichts, haben Sie den ersten Theil meiner Predigt für Ehestandskandi
daten mit angehört,
so müssen Sie sich
auch entschliessen dem lezten beizuwohnen. Möglich, daß eben dieser lezte Theil,
wi
3 auch ähnliche -L-ieblingsneigungcu und Ge wohnheiten tragen viel zum Ungläß der Ehe bei. Davon hab' ich denn ein trauriges Beispiel an einem meiner Verwandten und ich will es Dir, lieber verschwiegener Lesel> mittheilen. Lina war ein gutes lie bes Geschöpf, als sie noch Kind war. Sorglos und heiter flatterte sie um alle Blumen her, und auf jeder Rose fand sie das Lächeln der Freude. Ihr gefühlvolles Herz stand jedem Guten und Schöner; of fen, und fand von beiden überall so viel, so viel, daß sie nur annemen und geniessen durfte. Theilnemend und wohlwollend wie sie war, schlos sie sich jedem Wesen an, um ihm ihre Freuden mitzutheilen, und neue Wonne von ihm zu erhalten. Tran ren konnte sie kein Thier sehen, weinen keinen Menschen, sie scherzte mit) softe und streichelte so lange bis das Thier froh ward und der Weinende lachte. So war das Mädchen, als eine zu dienstfertige
[
Nerven
deren
$veunW,
]
iSi
theils
durch
Krankheiten, theile durch Gram über ver
eitelte Wünsche,
theile durch empfindeln-
de Romane überspannt und dadurch unge, wöhnlich schwach und reizbar worden wa
ren, die arme Lina — ganz und gar verSie gab ihr herzbrechende, melan
hunzte.
cholische
Gedichte,
unglückliche
Liebesge
schichten, schwärmerische Romane, Schau der erregende Trauerspiele und Lina vek
schlang alles, verlor ihre Munterkeit, und ward immer stiller, und trüber.
me!
Die Ar
noch liebte sie zwar die Natur, aber
sie hüpfte
nicht mehr
um die Blumen,
sie schlich nur umher und jeder Maulwurfs,
Noch hing zwar
Hügel war ihr ein Grab.
ihr Dlik an der Rose gern,
aber sie duf-
rcte ihr nicht mehr Freude zu, sie war ihr das
Bild
des
leidenden,
Mädchens und Jünglings. gefühlvoll,
aber nicht so
Gute
Schöne,
Uebel.
und
Noch
hinwelkenden
Noch war sie wohl
für das
als für Leiden und
war ihr
wohl — unaus-
M 3
[
]
18=
sprechlich wohl/ denn ihr Her; war rem,
aber ihr Auge thränte und auf ihrer Stirn gaukelte incht Heiterkeit, nagende Schwer, mut umnebelte sie;
noch schloö sie sich so
gern den Geschöpfen Gottes an, aber nicht
de» frohen, nur den traurenden — und trauerte und weinte mit ihnen,
zu trösten.
Arme Lina!
statt sie
und was thatest
Du, Dich vorzubereiten zu Deiner künf tigen Bestimmung — Gattin und Mutter
zu werden? Du lasest, lerntest eine Grab stätte zeichnen, ein Vcrgismeinnicht siikken,
ein jammerndes Lied auf dem Klavier spie le» u»d — machtest Verse,
den» Lina
war leidar auch Dichterin — kurz, Du thatest nichts, wohl aber raubtest Du Dei
ner Seele, wie Deinem Leibe jede Kraft
und Festigkeit.
Du erträumtest Dir eine
Welt und Menschen,
sind und
wohl uns!
wie sie nirgendswo nicht sein können,
Du überspanntest Deine andre,
Foderungen an
die Dir versagt werden mufften,
und die, wären sie Dir auch alle gewährt
[
doch nur Deine und anderer Lei-
worden, den
J
183
vermehrt
hätten,
glühtest
Du
vor
und es ge;
Begierde Thränen zu troknen,
lang Dir nur bei Heuchlern und Unwür
digen,
sonst erpresstest Du
sie
vielmehr
und mehrtest, wider Willen, den Schmerz.
Denke nach, liebe Lina, ob ich zu viel sa
ge, indes erzähl' ich weiter. Unsre
Schwärmerin hatte nun
arme
nur Eilten Wullsch und der war — ein
Geschöpf
zu
finden,
mit ihr gleich
das
fühlte , das jedes leise Beben der Pappel, jeden Klageton der Nachtigall mit ihr em
pfände,
das dem welkenden Veilchen eine
Thräne
mitweinte
Seufze'r
verstände und wiedergäbe.
Wunsch
ward
Jüngling,
Herzens,
erhört.
gutmütig
wie
den
und
geheimsten
Heinrich, und
Ihr ein
unverdorbenen
Lina und verschroben wie
sie, begleitete sie einst mit seiner Schwe
ster auf einem Spaziergang. sich
am
Abhang
eines
Sie lagerten
lustigen Hügels,
unter ihnen hier springende Lämmer, dort M 4
[ 184 J Wiehernde Rosse, weiterhin frohe Arbeiter,
um
sie
her
Teppich
ein
von
duftenden
Kräutern und lieblichen Blumen, über
rem Haupt die frohlokkcnde Lerche — al, les zur Freude einladend.
Ach!
sprach Lina,
mir ist,
wohl
und eine Thräne zitterte im Auge. aussprechlich wohl,
wie
seufzete tief
Un,
erwiderte Heinrich in
einem
Jammerten
und
Hand.
Verstotcn
blikte
drükte ihr
die
Mädchen
das
dem Jüngling ins blaue Auge und — o der
Wonne! —
auch
ihm
tröpfelte ein
Perlchen von der glühenden 'Wange.
Da
erwiderte sie sanft den Handebruk des ge, fühlvollen
Jünglings
und
ihre
Seelen
schlossen auf — ewig den Bund der zart,
lichsien Freundschaft, oder vielmehr,
was
sie sich freilich selbst noch nicht gestanden — den
Bund
der
Liebe.
nun diesen Hügel,
Ost besuchten sie
und immer war ihnen
hier so wohl, aber noch mehr so weh.
verliessen
sie
ihren
Siz
ohne
Thränen geopfert zu haben und
Nie
wollüstige
ür bam
r
*85
7
ger Schwermut und beklommener,
waren,
gekommen
Wohnungen
schlichen
znrük.
Denn
sie
als sie in
ihre
der Freuden
wirbel der Lerche dünkte ihnen ein Trauer
lied
ungleicher
Liebe,
Wiehern der Rosse, Grausamkeit
das
mutwillige
laute Klage über die
gefühlloser
Menschen,
von Saft strozende gebeugte
Halm,
der die
gekrümmte Blume netzten sich nur für sie, um an der allgemeinen Trauer der Natur Zezt war dem Zung-
Antheil zu nemen.
ling und dem Mädchen nicht mehr wohl,
als wenn sie beisammen sein konnten, ihre Seelen stchienen ihnen so in eins verwebt,
daß jede Trennung Zerstörung ihres eige Ernste Geschäfte wur
nen Selbsts war.
den Heinrichen geschmaklos und lästig- die
kleinste Arbeit Hinein unerträglich,
sich nicht sprechen zu
Hindernis
dünkte
wiewohl
beiden
das
sie sich
wenigstens
bitterste Leiden,
täglich
einige
jedes
können, und
Stunden
sehen und mit einander,
oft
ohne Zeugen, unterhalten konnten, so blie-
M 5
[
J
,86
ben doch der Stunden der Trennung an um satt und genug
jedem Tag so viel,
das kalte gefühllose Menschengeschlecht am klagen, die herzleeren,
saftlosen Geschäfte
des Lebens zu verfluchen und die Schmer zen
der Sehnsucht
getrennter
ausweinen zu müssen.
Liebender
Was Wunder, daß
sich schon jezt Lina und Heinrich für die unglüklichsten Dulder hielten, die den gan
zen Kelch der Leiden auszuleeren bestimmt
wären!
Trauren war
ihnen
Bedürfnis,
Thränen ihre süsseste Wonne und diese um glükliche Stimmung verlies
sie bis jezt,
zehn Zahr nach ihrer Verbindung, nie.
Sorglos hatte bisher Linas Mutter
die zärtliche Freundschaft ihrer Tochter und des Zünglings betrachtet,
nicht auf das
Hinwelken ihrer Munterkeit gemerkt, nicht
das immer thränenvolle Auge geachtet, da
fand sich Mann,
endlich ein biedrer und reicher
der Lina'n,
Hand anbot.
ter,
die arm war, die
Freudig ergrif sie die Mutt
um sie der Tochter zu reichen, aber,
I 187 ] 9 Himmel! — die frohe Botschaft schlug das unglükliche Mädchen zu Boden. Das Maas unsrer Leiden war noch nicht voll, mein Einziger, schrieb sie ihrem Heinrich,
grausame Menschen wollen uns trenne» —
auf ewig trennen, komm, mein Geliebter,
«nd gib mir den Tod, von Deiner Hand schmerzt er nicht! Am Grabe nur finden
wir Ruhe und das Ende unsrer Leiden. Der Jüngling tobte, weinte, fluchte —
„Man will Dich verhandeln, schändlich ver kaufen, Lina, eine kalte, hartherzige, geizige
Mutter will dar, aber keine Macht soll Dich
mir entreissen, denn — wir können sterben."
— Zum Glük verschoben sie noch ein Weil chen diesen doppelten Mord und hauchten indessen ihren Unmut und ihren Schmerz
wechselseitig in Elegien aus.
Lina, sprach
die Mutter, Dein Heinrich ist wohl ein
guter, braver Junge, aber er ist arm und
Du — hast nichte, was wollt Ihr beide anfangen? — Ja, hätte er ein Amt, gern gäb' ich meine Einwilligung und legte Cur-
[
I?«
]
re Hande selbst zusammen.
Sei Vernunft
tig, liebe Lina, Herr S... ist, wie Du weisst, ein edler, würdiger und — reiche
Mann. Aber
Folge mir,
Lina rprd
meine
Heinrich
Tochter. — achteten
des
Reichthums nicht so viel, nannten das al
les elenden Plunder und schworen/ troknes Brot als Götterkost zu geniessen/ wenn
sie es nur gemeinschaftlich verzehren dürft ten.
Noch einige fruchtlose Versuche wag
te die schwache Mutter und — gab endlich dem liebegirrenden Töchterchen nach
und
der edle reiche Mann — ward abgewiesen.
Aber die beiden Liebenden hörten nicht auf und können es bis jezt rwch nicht unterlass
feil, über die Grausamkeit der kalten be dächtigen Mutter zu klagen.
Nach einigen
durchjammerten Zähren
erhielt endlich Heinrich ein Amt — wie
wohl ein sehr kärgliches, er ward ein Land
pastor, und Lina die Seine.
Ein kleines
Dörfchen nam nun die Liebenden auf und schien ganz dazu gemacht zu fein, die Würr-
t
IS9
1
sche des zärtlichen Paars zu erfüllen. Bei de hatten zwei Lieblingsncjgnngen mit ein ander gemein, denen sie um so mehr fröhn.» len, für je unschuldiger sie dieselben hiel< reu und je mehr sie ihre übrigen Wünsck^e nach Wohlleben, Zerstreuungen, Reichthum ruern und dergleichen zu beschränken ivufp ten. Lina liebte die Tauben, Heinrich die Blumen und Beide die Dichtkunst über alles. Da war kein Hügel, kein Bäuno chen im Garten, keine Blume, die sie nicht besungen hätten, allein gewohnt über; all nur das Traurige, Melancholische auf; znfinden, tönte ihr Gesang stets Klagelleder. So reizend sie sich den ländlichen Aufenthalt geträumt hatten, so wenig fan den sich beide, schon nach den ersten vier Wochen befriediget, denn sie trafen überall nicht das, was sie suchten, fanden es immer nicht fv, wie ihre Einbildungskraft es wünschte. Nie kehrten sie von einem Spaziergang zurük, ohne daß ihr Herz blutete, denn bald hatte ein Bauer sein
[
*9°
]
kraftloses Pferd unbarmherzig geschlagen/
bald hörten sie das Klagegebrüll einer Kuh/
der ihr junges Kalb entrissen war,
bald
sahen sie einen mutwilligen Knaben, der ein Vogelnest geplündert hatte, bald fan
den sie einen abgelebten Greis,
der mit
zitternder Hand das Holz für bcii Kamin seiner Kinder spalten oder ihre Gänse hü
ten musste — und Gott weis, was sie
alles fanden,
kurz sie gingen nie durch
das kleine Dörfchen, ohne tief in der See
le erschüttert zu werden und brachten je, desmal einen vermehrten Widerwillen gegen alles, was Menfch war, in ihr Haus. Las uns
hier in
unsrer
Glükseeligkeit suchen,
sie
kleinen
Hütte
sei uns
unsre
Welt, sprach Heinrich zu Lina, die Men
schen sind nicht für uns, wir nicht für sie; wir wollen — wir können uns selbst genug sein.
Sie schlossen sich- von nun an
ein, Lina fütterte ihre Tauben, Heinrich wartete der Blumen und Beide — mach
ten Verse,
Bald mehrte sich das Gestik
[
iS i
]
gel stark an, ausfliegen lies sie Lina nie, denn, sagte sie, wie müssen sich die armen Junger» grämen, wenn ihre Mutter fort ist, und wer weis — ob nicht ein grausa mer Habicht das sanfte arglose Täubchen bei seiner Ausflucht würgte. — Schon füll ten fünfzig Paar den Boden, denn Lina konnte mcht so unmenschlich handeln nnb der Mutter ein Junges rauben und — o der Grausamkeit! — es morden. Freilich verfütterte die Frau Pastorin viel — sehr viel, was ihre kleine Küche höchst nötig brauchte, aber es machte sie ja auch so glücklich! — Da sas sie ganze Stunden lang auf dem Boden «und weinte der ar men verachteten Taube eine Mitleidsthrä ne, die den stolzen Tauber durch ihr schmach tendes Girren vergebens zur Gegenliebe zu bewegen suchte. Und wie ost fand es sich nicht, daß ein Junges aus dem Nest ge fallen war — ach! dann fezte sie das Ar, me mit unbeschreiblicher Wehmut in ihren Dusen, stürzte mit Wehklagen die Treppe
[
t$ia
)
hinunter und brächte das Leidende ihrem Heinrich in den Garten.
Aber, o Um
glük! ihr Auge Von Thränen getrübt, be
werbt nicht die kleine bescheidene Ranunkel
Und ihr unvorsichtiger Fus zerkmkt sie. Lü Na! ruft der erschrokene Heinrich, Lina-
Du hast einen Mord begangen! — -/Nicht ich, mein Heinrich, sieh es siel selbst aus dem Nest oder der böse Tauber
—
nimmt sie das Täubchen aus dem Busen-
reicht es ihm weinend dar und
noch eine prächtige Hiacinthe.
zertritt
Ilm ©ob
teS Willen, Lina, was thust Du? Ichreik
der geängstigte Gatte, keinen Schritt roct/
ter, geh mit Setntfr Taube und verwüste
wir nicht meine Blumen! — Da erblaste
Lina,
stumm stand sie
einen Augenblik-
dann sprach sie: Auch Du gefühllos, Hein rich?
Nein Du, entgegnete der Pa/
ftor, sieh, dieser doppelte Mord schmerzt
Dich nicht? — „Aber mein Täubchen" — „Aber meine Hiaeinthe und Ranunkel — "
Lina
*93
[
Lina
ging, trug
J ihr
Täubchen
in'S
Nest und schlich sodann an ihren Schrei, um dem vollen Herzen durch ein
betksch,
Gedicht Luft zu machen.
klagte
und
im Garten
Stunde
ruhiger.
Weibchen nach, Ergus ihren
Gleich
Henrich weh,
ward nach
einer
eilte er seinem
das durch den poetischen
Unwillen ziemlich ausgelöscht
hatte und sie verständigten und versöhnten sich wieder.
Noch wollte der Pastor die
legte Stunde vor dem Essen seinen Nelken
schenken,
und Lina — troj der Aussöh,
tiüng — ihr angefangenes Lied nicht uiu
vollendet
lassen.
Doch
Heinrich vergas
bei seinen Blumen der Zeit/ und er wür, de selbst um Ein Uhr noch nicht- an das
tzssen gedacht haben,
wenn ihn nicht sein'
Magen nur zu ernsthaft an die übergan gene Mittagsstunde erinnert hätte. (Liebe Grosstädter,
wir
zwölf
weil
Uhr,-
Provinzialen essen um'
wir
wenigstens
drei
Stunden früher des Tages geniessen, als Hchrl)
Werden' wir bald essen?
Lweues fBilnWti.
N
fragte'
der
J
194
[
Gatte sein schreibendes Weibchen. —
Sollen man sehen, wie das in der Schn-' le stinken wird, wees das noch aus altes
Zeiten her. rnich Gott,
Ohne Prise müssen wir, hol Reisaus nenren.
Hell
und
Freimann lächelten und versicherten dem
Hauptmann, daß er eß aus ihre Gefahr einrnal ohne Riechfläschchen wagen könnte,
im Fall der Not aber würde der Pafter Holzniarm oder der Lehrer selbst mir ei, new
Prischen wohl
aushelfe»
können.
Der Junker lies sich das gefallen, und Hans fuhr weiter. Sechszess.'trs Kapitel. Worin — nicht gerverrrr w-rrd
Es war ein schöner Herbstworge!:, ajtr Menr Gräschen hingen siirerue Thau,«er-'
aber was hat das Niechflafch/
üsre
d)cn wir der Schule zu thun? — Nicht? «a, da seh man rual!
Nee, lieber Pa
stor, Sie würben schlecht im Kriege weg
kommen, vorgrsehn! hecffr's da, wenn Du nicht eenö uf den Pelz kriegen willst. —>
Sollen man sehen, wie das in der Schn-' le stinken wird, wees das noch aus altes
Zeiten her. rnich Gott,
Ohne Prise müssen wir, hol Reisaus nenren.
Hell
und
Freimann lächelten und versicherten dem
Hauptmann, daß er eß aus ihre Gefahr einrnal ohne Riechfläschchen wagen könnte,
im Fall der Not aber würde der Pafter Holzniarm oder der Lehrer selbst mir ei, new
Prischen wohl
aushelfe»
können.
Der Junker lies sich das gefallen, und Hans fuhr weiter. Sechszess.'trs Kapitel. Worin — nicht gerverrrr w-rrd
Es war ein schöner Herbstworge!:, ajtr Menr Gräschen hingen siirerue Thau,«er-'
C
225
j
fcu und die Sonne Miste so mild auf sie herab, als ob sie sich scheute diese schöne Spiegel ihrer Stralen aufzusaugen. Zwar waren die Felber leer, schon hatte die scharfe Sense der Erde ihre Gaben ge raubt und die Feldblumen am Wege neig ten schon dorrend ihre welkenden Häupter, schon wiegte sich die ganze Natur allmähr iich in den Winterschlaf ein. Da hätte •nun unsre Gesellschaft gar eine schöne Gelegenheit gehabt, über das alles zu jammern und zu winseln und Thränen zu vergiessen, daß sie den Weg davor nicht gesehen und wir hätten dann die se klägliche Empfindeleien wieder unsern Lesern vorleiern körnten. Aber lieber Gotr wer kann helfen, daß ihre Nerven nicht schwächlicher und ihre Einbildungskraft nicht kränkelnder war, kurz —> mag daran ein Aergerniö nemen, wer da will — so viel ist und bleibt doch gewie, geweiur ward auf der ganzen Reise nicht. Frei lich konnten sie sichre nicht verbergen/
P 3
[
-30
]
r>re Natur ihrem Tode nahe sei, aber sie lächelte ja noch in ihrem greisen H.mre so heiter, als könnte sie mit Wohlgefallen auf alle ihre Werke znnrk sehen, und noch war sie ja nicht so kraftlos, um nicht tau sende ihrer Geschöpfe aus ihrem alternden Schoosse zu speisen. Ganze Heerden blö kender und brüllender Thiere zehrten die starren Ueberbleibsel der Saaten und das späte Grashälmchen auf. Noch blikte die, se gute Allnähreritt ja so freudig umher, als wüsste sie gewis, bald werd' ich, schö, ner noch als izt, erwachen, warum sollten also unsre Reisende rrauren? — und das thaten sie auch so wenig, daß die ganze Gesellschaft vielmehr im frohsten Zubel den herrlichen Gesang: LobtdenHerrn, anstimmte und die Freude hatte, den Lob gesang der Vögel und das Daukgebrüll der Rinder, wahrend der kurzen Zwischen pausen, entfallen zu hören. Eben hatte man die höchste Spize der Sandhügel erreicht und nun eröfnete sich
£
231
]
chnen eine Aussicht, die ich vergebens mei
nen
Lesern zu
werde.
versinnlichen
unternemen
Es war, als wollte der Scböpfer
nach geendetem Lobliede die guten Sänger
dadurch
belohnen,
er
daß
ihnen
einen
Theil seiner schönen Werke auf einmal vor legte.
begann die Hel/
O wunderschön!
litt und alle fielen ein:
und
wert
ist Gottes Erde
darauf beglükt zu sein!
Vor
ihnen tag das schöne neugebaute Dörfchen
mit der noch schöneren Kirche, um das sich
ein breiter Wiesenteppich mit raufend viel farbigen Blumen lagerte, heller Bach umkranzte.
den ein spiegel
2ln seinem dissei-
tigen Ufer zogen sich langgefurchte Saat felder hin, die noch stolz mit ihrem beschornen Rükken prangten. weitgedehnter Dusch,
des
Sie umschlos ein der bis an den Fus
Sandberges reichte,
Gesellschaft hielt.
auf dem unsre
Zu ihrer Rechten bläh
ten sich stolz zwei Hügel auf,
nicht um
das lüsterne Auge zu beschränken, denn sie liessen des Raumes zwischen durch genug P 4
-Z2
L
J
die dahinter liegenden Fruchtselder imb Ne
niedern Hütterr eines friedlichen Dorfes zu
sondern um durch
schauen,
ein
fcblmies
Halbverbergen, die enthüllten Schönheiten
desto
reizender
weilte
zu
machen.
Linken
Zur
das Auge auf einer langen Kette
grünender Sträucher
und
Bäume.
Sr
einförmig dies lcztere scheinen mag, so sehr hatte auch hier die gute Bildnerin Natur ihren Reichthum von Mannichfaltrgkeit an
Bald
gebracht.
gebutten,
bald
glühten
glänzten
dem Auge entgegen, nende Fichten,
bald
dornichte
silberne
Ha
Birken
weiterhin immergrün
wieder
schon
ent
blätterte Elsen rnrd hin und wieder ragte
fiuc stolze Eiche mit breiter Krone empor.
Auch sah man mehrere Kirchen und Thür me aus diesem und in der
grünen
Meer anfstcrgen,
dunkelsten -Ferne
crblikte der
scharfe Seher dje hohen Warten einer ent/ legenen
Stadt.
Lange hielt der Wagen auf dem Hü
gel, lange blikten sie froh umher, aber sie
E S33 saheir^sich nicht satr,
j und bem Irm?ee
blizte der weisse Kirchthuenr zu sehr schon in's Auge, als daß er-länger hätte säu-
men
(eimcii.
man weiter Hans,
Na,
rief er, wer unter Weg's ist, mus fort? Von nun an kam durchaus kein anderer Gedanke mehr in seinen Kopf, als der an den Schulmeister und seine Kinder.
Zst
doch kurios, fing er lächelnd an, bin fii meinem ganzerr
Leden
nicht gern in die
Schule gegangen,
und lasse mich noch uf
aire Tage
zu'm Dorfschulmeester
rneine
schleppen! -- Na, sollen man sehen, den
ke immer der arme Narr wird so verduzt fi:i, wie seine Schuljungen, wenn er uns
alle mir enander ankommen, sieht. Hell und Frennamr belustigten sich an
den sonderbaren Vorstellungen des Jun-, kero,
die er sich von dem Lehrer
des
Dorfs machte und hüteten sich sorgfältig
durch eine umständlichere Schilderung ihm feinen Irrthum zu benemen, frü mehr zu überraschen.
P s
um ihn de:
Meinen Lesern
L
2Z4
]
mus id) aber in voraus ein Paar Worte über den Mann sagen,
damit es ihnen
nicht eben so geht, wie dem Herrn von Erkrat. ein
Zn
des Junkers Auge stand
Dorfschulmeister gerade zwischen dem
Hirten und
dem
und
auch für einen abgedankten
das
ist
Schmidt mitten
inne,
Soldaten, für einen verstümperten Schmioder Leinweber immer genug,
der im
Winterhalbenjahr für circa j; — 20 Tha ler jährlichen Lohns das mühsame Geschäft
besorgt, der lieben Dorfjugend mittelst des
Bakels und der Nuthe per postcriora den Katechismus
und
die Lesekunst beizubrin
gen, denn lnehr — unterdrükt Eure Seuf
zer nicht, Zhr edlen Menschenfreunde — mehr ist von solchen und so schlecht
beso ld eten
Leuten
nicht
zu
erwarten,
und mehr — lasst sie herabfallen die Thrä ne, die Euch im Auge blinkt — mehr ge
schieht in den meisten Dörfern und kleinen Städten unsers Vaterlandes nicht. — Ga ben sich doch einmal die Grossen des Lau-
235
[
]
des die kleine Mühe und liessen die sämt
lichen Dorfschulmeister zusammen kommen,
warlich sie wurden an diesen Lehrern und Erziehern eines so grossen und so wichtigen Theils der Nation, saubre Männlein fin
den,
die,
wenige
ausgenommen,
Dummheit, Unwissenheit,
ihrer
oft auch ihrer
schlechten Sitten und zum Theil ihres ver dorbenen Herzens wegen,
recht zu thun,
ohne ihnen Un
sehr füglich zum Ausschus
der Menschheit gerechnet werden könnten,
und
solche
Menschen sollen andre richtig
denken, vernünftig und gesittet sich betra
gen und edel und rechtschaffen handeln leh ren! ! Aber,
werdet Zhr sagen,
haben wir
nicht ein vortrefliches Schulmeisterseminariiim in Berlin? — werden dort nicht
geschikte Manner gebildet? — wozu also die Klagen? — Wohl, jene Anstalten sol
len vortreflich sein,
wünschen
wir läugnen es nicht,
vielmehr jedem
Städtchen Glük/
Dörfchen
und
dem einer ihrer Züglin-
»V zu Theil ward/ aber Freund, wir? -n. rvir kennen jene Manner nur vom Hörem
sagen/ denn in einem Umkreise von ciniV
gen Meilen weis ich wenigstens keinen einvigen in dieser Gegend, der diesen Unters richt genossen hatte.
Zrvölf Dörfer aber
sonnt’ ich Dir nennen,
in denen der Leh
rer der Jugend nur mit Mühe seinen 92 a?
wen krizclt,
und fünf und drei an den
Fingern zusammenzählt,
und
und von Natur
Vaterlandsgeschichte und Erdbeschrei
bung gerade so viel weis, als meine Kaze
und von der Religion — das vielleicht'
herruplapvern im Stunde ist,
was in sei
nem Katechismus steht. — „Aber warum
sorgt man nicht dafür, daß Ihr bessere Leh rer bekommt? — es liegt vermutlich ar:
Euch selbst?" — Gcwis nicht. Freund,
sieh Dich einmal um, dort links hinter je
nem Berge ragt ein Spizcken vor — nim nur
Dein Augenglas,
oder
wie
Du's
nennst, wir Provinzialen brauchen derglei
chen nicht, haben Gott Lob? gesunde Art-
[
1
2Z7
g«j — nun in jenem Dörfchen starb VP einigen Jahren der betagte Schnüncisicr.
Er hatte fein Leben ziemlich hoch gebracht, denn dis Gemeinde sorgte dadurch sehr für seine Gesundheit,
Hut
daß sie ihm rm Son^-
das wichtige Amt eines Gansshirtsn
übertrug,
dieser Jahreszeit
um ihm in
Bewegung und — Brot zu verschaffen.
Dir
Bauern fühlten
ihren doppelten
Verlust sehr scbnrerzlich und da ihre befie-
dertm Zwcifüsicr nicht ohne Aufsicht sein
sonnte«,
folgten»
so schritten sie sogleich nach er#
Ableben
des
Schulmeisters
Wahl eines neuen Ganfthirren,
zur
dem sie
auch gern dis Sorge für ihre ««befiederter» Iweifürlcr würden übertragen haben, wem»
sie dies eigenmächtig hätten thun dürfe«
und wenn der neue Hirte nur Einen Buch staben hatte lesen können.
Kurz, diese zwei
wichtige Posten wurden getrennt und de,r künftige Schullehrer auf das stattliche Ge
halt von sechs Scheffel Roggen und
7
Thaler Schulgeld eingeschränkt.
Zum
[ =38 J Unglük fand slch's nunmehr,
genannte
daß das so
Schulhaus etgenrlich die Woh
nung des Hirten war,
die seinem einzi
gen Erben und Nachfolger, qua Gänsehir ten, eigenthümlich gehörte,
mithin fehlte
es nun nicht allein an einem Schulmeister, sondern, was schlimmer war,
auch an ei,
nem Schulgebäude. — Die Gemeinde zeig
te ihre zwiefache Verlegenheit höhen; Otts
an, bas Schulmeisterseminarmm sollte ein Bedürfnis,
und der König durch Spende
des Bauholzes das andre befriedigen,
und
Dörfner erboten sich die Kosten des
die
Es versios ein Jahr
Baues zu tragen.
noch
und
kam
kein
Schulmeister,
ward an keinen Bau gedacht; chen zwei Jahr,
noch
es verstri
und stehe — da langte
an Seminanst an, sah und hörte und — lief,
als brannte ihm der Kopf,
wieder
fort — Endlich nachdem die liebe Dorsch-
gend drei Jahr ohne Unterricht — die lan
ge sters
Krankheit des verstorbenen Schulmer,
ungerechnet — herumaeirrt und an
[
1
=39
Kops und Herzen *— wenigstens nicht aebessert war,
entschlossen sich Schulze und
Gerichte mit Ernst an's Werk zu gehen,
und sich selbst einen Schulmeister zu su chen.
Sie suchten und fanden endlich e>
nen Leinweber,
der,
wenn er sich das
Evangelium nur einige mal zuvor überle
sen hat, es so ziemlich der Gemeinde ohne
grossen
Anstos vortragen kann.
Dieses
Männchen pakre man mit Weib und Kind
und Handwerkszeug und Schulkindern in
die kleine Stube des Hirten, die leider
nur von einem Duodezfensterchen erleuch
tet wird und wo folglich die Kinder zwar wenig oder nichts sehen,
aber doch auch
nicht viel von dcr Aufsicht des Schulmei
sters zu fürchten haben. Sieh so oder Nicht viel besser sieht es
fast überall bei uns aus, nur nicht dort in
dem neuen Dörfchen.
Edelmann, Ahnen,
Da haust ein
dem Du auf Ehre! alle seine
sein Wappen und sein von im
merhin abknipsen kannst,
ohne daß Da
[ 240 ] ihm das mindeste genommen hättest. Zwar Verstand er sich wenig auf die Klinge, mvch, ts in seinem ganzen Leben kaum ein halbes Duzend Hasen geschossen haben und hielt sich nicht mehr als einen einzigen. Hund, aber desto mehr verstand er die Kunst, stine Unterthanen wohlhabend und vernünst tig zu machen, desto mehr Zeit verwandte cr darauf, sich selbst durch Bücher und den Umgang vernünftiger Männer zu bilden, desto weniger schonte er seines Vermögens, wenn es gute Anstalten zu machen betraf Nur; dieser Edelmann oder edle Man::, welches diesmal völlig cincrfd ist, hatte lauge darauf.gedacht, feinen Bauern einen vernünftigen Lehrer zu verschaffen, er sprach mit fernem Pastor Holzmanrr darüber, und dieser zukre die Achseln. Was fürchten (Sie? rief der rvatre Patron, Sie glauben doch nicht, lieber Freund, daß ich einen braven, geschiktel; Mann werde hungern lassen? — Wenn das ist, rief der entzükre Pastor, so Hat's keine Not, Morgen kommt mein Freund
s
.1
241
grcimt) Benner aus Berlin, der soll uns
eitlen guten Mann zuweisen. Benner war ein junger Gelehrter, der
bei aller Geschrklichkeit mit) Recht schaffen^
heit den Fehler hatte, daß er vetterlos war
und gar nicht ein Bischen knechen wollte, welches doch im Grunde
Stolz verriet,
einen
häslicben
dafür musste er aber auch
zur Pönirenz durch Schriftstellern und Pri-
vatinforniationen
höchst
Brot verdienen.
Es ist zwar wahr, man
mühfamlich
sein
schazte und bemum
sah ihn überall gern,
derte überall seine Talente, aber sobald nnr
Herr Benner
ein Tönchen
von Versor
gung, Fürsprache und so was angab, gleich krochen die vornemen und hohen Schnekken in ihre Muscheln zurük.
Immer hieö es:
es fehlt dem guten Manne an Verwand
ten, an Konnexion,
an Kanälen.
konnte sich Benner,
wenigstens nicht füg
Nun
lich, hohe Verwandte selbst machen, denn ln eine vorneme Familie sich einzuhofmei-
stern verstand der rechtschafne Mann nicht. Zweites Bändchen.
Ä-
L 242 ] Kounenonerr hatte er zwar genug/ aber ih re Faden waren so dünn, daß sie bei dem geringsten Zuge rissen.
Kanäle hatt' er
noch nicht finden können, ausser schlammichte oder noch üblere, die er »licht durchwa ten mochte.
Endlich entdekte ihm ein dik-
ker Mann,
der sich zu seinem und aller
Predigtams-Kandidaten Patron aufgewor
fen hatte und nicht Finger genug au fernem
ganzen Leibe finden konnte,
ihm alle die
Glücklichen vorzuzählen, die durch seine An
leitung zu Brot gekommen waren,
dieser
entdekte ihm, daß er einen herrlichen Weg
auögespaht hatte, auf dem es ihm gar nicht fehlen könne, ehester Tage mit vollen Seegeln in den Port eines Amtes einzulaufen.
Bennern schlug das Herz vor Freude, und der Dikke fuhr so fort:
Gehn Sie noch
heute nach der S------- -brükke, rechter Hand in dem rothen Hause fragen Sie nach dem
Herrn 2E-— und sagen ihm, daß Sie von mir kamen.
Mehr brauchen Sie
nicht.
Der junge Marrn umarmte gerührt seinen
[ Wohlthäter
243
3
und ging oder flog vielmehr
zürn Herrn £, der nichts mehr und nichts weniger als ein Makler war.
Das Männ
chen blies sich noch einmal so dik auf, als sonst
und versicherte
den
Gelehrten
sei-
rrer Wohlgewogenheit und Bereitwilligkeit zu dienen.
Zch selbst, fügte Herr X. hin.
Zu, kann zwar nichts weiter bei der Sache
thun,
als Sie mit einem guten Freunde
von mir bekannt machen, der Ihnen aber
einen so sichern Kanal eröfnen wird, daß es .Ihnen durchaus nicht fehlen kann.
Benner
stotterte mit Mühe die Bitte heraus, ihn etwas näher mit dem Gange der ganzen
Sache bekannt zu machen und der Mäkler lies sich herab, ihm folgende Anweisung zu
geben: Mein Freund, dem ich Sie produ-
circii will, ist der Kammerdiener des Gra sen A .. und ein Herzensfreund von dem Koche Er. Excellenz des Ministers B .. Der Koch hat eine allerliebste Frau, die sich
warlich ein Vergnügen daraus macht,
je-
^dermann zu dienen, und die sehr gut mit Q r
[
244
der Kammerjungfer
der
3 Daronin
C . .
Lurch diese Kammerjungfer en
dran ist.
langen wir Zu.tritt zu dem Zager des Prin zen D. . da sie, wie man sagen will, schon so gut als Verlobte sein sollen. nur erst bis zum Zager,
Sind wir
so haben wir ge
wonnen Spiel und nur noch einen Schritt
zu thun, denn dieser und der Friseur des **
sind Ein Herz und Eine Seele.
der ganz
der Friseur,
Und legt
seines
die Gnade
Herrn besizt, ein gutes Wort für Sie ein, so sind Sie geborgen.
Das Männchen pau
ste sich noch einmal auf und erwartete nun die demütigsten Danksagungen von seinem Klienten,
eben,
aber Benner überzahlte
durch wie viel Hande er gehen müsse, wenn er aus der Garderobe in die Küche,
ans
dieser in das Ehebette, aus dem Ehebett in
des Zöschens Stube, von hier in des Weid manns Fauste,
beutel, seines
aus diesen in
den Puden
und so endlich bis zu den Fussen hohen
Kaum war
Patrons
geworfen
würde
er wieder zu sich gekommen,
[
2 45
]
ßls er auch eben so schnell, wie er gefönt; tuen war, abtrollte und Berlin auf einige Zeit verlies, um seinen Verdrus über die fehsgeschlagenen Hofnungen, die er doch so (eiten zu fassen wagte, bei seinem Freund Holzmann zu verschmerzen, Freund, sagte der Bestzcr des neugekauten Dörfchens zu dem Pastor, schas sen Sie nur einen braven Mann, der nur meine Dorfkinder treu und gut unterrich tet/ ich will ihm wenigstens so viel zulegen, das er über zweihundert Thaler stehen sollWollen Sie mich? erwiderte Benner nach eil igem Bedenken, Mit funkelnden Augen biikte ihn der edle Junker an. Freund, dann leg' ich zu, rief er hastig, wenn es Zhr Ernst ist. Ich denke, Sie kennen mich; unser Verhältnis bleibt Freundschaft, Sie sollen der Lehrer meiner Dorfjugend, Sie sollen auch mein Lehrer sein, und was ich auch thun werde, um Zhnen Ihre Mühe zu belohneil, werden Sie doch immer mein Wohlthäter bleiben. Wollen Sie, Freund? Q 3
[
246
1
Ja, rief Benner, ich will, wenigstens auf einige Jahre,
und
bis ich Ihnen einen
brauchbaren
Mann
zugezogen
guten habe.
Ihr Johann ist ein braver und ehrlicher
Mensch, der bei seinem guten natürlichen Verstände oft viel Lcrnbegierde zeigt, wenn
Sie erlauben — Lieber Benner, fiel ihm der Junker ein, nichts von erlauben, Sie verbinden mich ja dadurch nur noch mehr.
Der Hande! war richtig,
Benner bezog
sein kleines Häuschen, das der Edelmann sehr bequem und geschmakvoll hatte cinridvten lassen, Johann war sein erster Schüler und Assistent, der alle die Nebengefchäf-
te, die man leider überall den Lehrern auf gedrungen hat, verrichtete, und der Junker und der Prediger waren fast täglich feine
Zuhörer, mitunter auch seine Gehülfen.
So viel von dem Manne, der unserm Hauptmann
seit Erblikkung
des weissen
Kirchthurms gar nicht mehr aus dem Kopf wollte, und sicher werden nun unsre Leser,
eben so wie der Pastor und Freimann,
247 J
E em wenig
wenn sie den guteu
lächeln,
Junker weiter sprechen hören. „Auf alle Fälle,
dächt' ich,
Pastor,
war's gut, wenn nran's dem Schulmeester vrrher stekken liesse, daß fremde Herr
schaften in die
Schule
Sie wissen wohl,
kommen
wollen.
wie'v mit solchen Leu
ten steht, die Schule giebt'6 Brot, aber's Handwerk mus die Butter geben, und da würde
der arme Teufel schön erfchrekken
duhn,
wenn er vor Angst den Brustlaz
und Nadel
und Fingerhut hinter'» Ofen
schmeissen müsste."— Wir stören ihn gewis nicht, entgegnete ell. — „Na Luiöchen
und Zhr,, Zhr Damen, eens merkt Euch
nur,
sezen duht Euch um tausend Eottcö
willen nicht üi der Schule,
wegkriegen.
konntet was
Sollt man sehen,
waö die
Duden vor Einquartirung haben. "— Eben
rollte der Wagen in's Dörfchen und der
Junker
musste mit
seinen
und Vermutungen aufhören, or'6
nicht unterlassen,
als
Q 4
Warnungen doch konnte sie vor
der
E
248
Schule abstiegen,
]
dem Pastor
Wundert mich mir,
pern:
still drinnen ist,
zuzuwis
daß alles so
dachte immer,
es würd'
ein Bube just eenen Schilling kriegen. Bennex
hatte
seine
Freunde
schon
durch das Fenster bemerkt, und kam ihnen
bis an die Thür entgegen. voran,
Der Haupt
und stuzte nicht
mann
stolperte
wenig,
als er mit einmal einen wohlgeMann vor sich sahe»
S^einnOe
wär' es ihm selbst so gegangen,
wie er's
kleideten
dem Schulmeister prophezeiht hatte,
denn
er war so überrascht, daß er nur mit Mu
he:
Nichts vor ungut:
nicht recht? zum
hervorörachte.
Schulmeister.
Da
wir sind
wohl
Wollte:; man
sind
Sie ganz
recht, hier ist die Schule, erwiderte Ben«
tier.
Hell und Freimann uincirmten hier
auf ihren Freund, und der Hauptmann ßng an zu mutmaassen, daß dies viellclchr ein Fremder, oder wohl gar der Edelmann
des
Dorfs
hierauf
sein
müsse.
Benner
öfnete
die Schulsiubenthüre und nötigte
249
[
]
Hie Herrschaften hinein zu treten.
Aengst-
lich irrte des Hauptmanns alleiniges 'Äu
ge
umher,
den
um
in irgend einem Winkel
Schulmormrchen
auszuspähen,
fand
aber nlchtS als eine Menge rein gekleide
ter und gewaschener Kinder,
die sogleich
beim Eintritt der Fremden mit Mer Sit, samkeit aufstanden.
den Junker,
Ein neuer Schrek für
der, so wenig
ey sonst ein
Freund von Komplimenten war, der
Ueberraschung
nen tiefen Vükling machte. und
sein
Freund
doch in
den Dauernkindern ei Der Pastor
belustigten sich
einige
Zeit an der Verlegenheit des Hauptmanns,
die, je mehr er die Ordnung und Rein lichkeit der Stube sowohl,
als der Kin
der wahrnam, in desto höherm Grade stieg. Eben
wollte ihm Hell dadurch Luft ver
schaffen, das; er Bennern mit der Absicht ihres uttvermutheten Besuchs bekannt mach
te, als der biedere Junker,
ges ungewohnt,
jedes Zwan
höchst treuherzig ansriefr
Nee, alle Hagel nicht mmal, Luise, was
Q s
250
[
ich
Dir unterwegs
nix- sez Dich man,
]
sagte,
damit
siehst Du,
istd
wie ick,
und so pflanzte er sich zu ben altem Kna/
ben,
die ihm
bescheiden
Sizt ruhig, Kinder,
§en hören, weiter nix.
bis an die Stirn,
Plaz
machten.
will Euch man ufsa/
Benner ward rot
ihm war die Hand/
lungsweise unsers Edelmanns ganz fremd
und er stand im Vegrif diese Nichtachtung
zu ahnden (beim sein grösster Fehler war unstreitig zu starke
Empfindlichkeit
gegen
vermeinte Geringschäzung) als der Pastor
ihn bei Seite zog und mit wenig Worten nicht allein ihn mit dem Junker aussöhnte, sondern
auch
dahin brachte,
daß er die
rauhe Schale des biedern Mannes vergas
imb
dem Hauptmann und den Damen
sein Bewillkommungssprücklein ziemlich de/ rnürrg vorsagte.
Allein hierdurch hatte er
wirklich ferne Sache nicht zum Vesten ge/
macht,
denn einmal war,
wie bekannt,
der Junker gänzlich unvermögend
was zu erwidern,
so et/
wozu wir zwar keinen
r
25'
]
Teutschen Kamen, aber leider desto mehr die Sache selbst haben, will sagen, ein Kompliment, zum andern war ein ge; krümmrer Rükken warlich nicht das rechte SDZ'.ttct mit dem Hauptmann fertig zu werden, der, sobald er etwas Niedriges und Gebütres sah, gewöhnlich seine Grösse so stark zu fühlen begann, daß er nicht umhin konnte, über den Kazenbukkel weg zu schreiten. Und beides war leider! hier der Fall. Nenner versicherte dem Junker, daß es ihn unendlich freue, in ihm einen Mann kennen zu lernen, der sich so weit über die gewohnten Vorurtheile aufgefchwungen hätte, daß er eine Dorfschule seiner Aufmerksamkeit würdig hielte, — so weit hatte der Hauptmann sich mit ei nem wiederholten Kopfnikken durchgehol fen, als aber der Lehrer noch mehr hinzuftzen wollte, unterbrach ihn der geängstigte Junker mit der gnädigen Versicherung: Ist gut Schalmei------ wollt' ich sagen, ist all gut. Din da nicht recht zu Hau-
ft!
]
252
f
Denner geriet wirklich in eine
—
Nicht kleine Verwirrung,
er wusste durch
aus nicht den barschen Mann zu handha
zog
ben und
sich
durch einen krummen,
krummen Hükling aus der Klemme!
Un
terdessen gi.ng der Junker bei sich zu Ra te,
wie er den Schulmeister tittstireu soll
te,
um so wenig ihm,
was
vergeben,
zu
als sich selbst et
dem; daß der Mann
Nickt von ganz gewöhnlichem Schlage sein
müsse, bekam er schon bei dem ersten AnBisher hatte der Hauptmann
hlik weg.
selbst den Kantor unsers Städtchens nicht anders, als Er genannt, und dieser stand
denn doch nach seiner Meinung einige No
als ein Dorfpraeeptor.
ten höher, machte
ihn
freundliche
das
Nur
Betragen
Hell's gegen Bennern etwas stuzig und er reft'virte endlich,
noch
zu
Versuch
Umstände
eren.
ihn weder zu sieen
Sogleich legte
ab und begann:
er einen
Nicht so viel
Herr
Schulmcester,
kann ha§ nicht gut leiden.
Nur mal die
gemacht,
[
253
J
Buben ihr Sprüche! beten lassen, möchc's wohl hören. Benner war hier auf seiner kizlichsten Seite angegriffen und kämpfte gewaltig mit sich. Einmal empörte Ujti der trozige, verächtliche Ton des IuN, kers, der durch dell stieren Blik des ei nen Auges in der That nicht gemildert ward, auf der arldern Seite schmerzte es ihn, seine Empfindlichkeit gegen einen Ge sellschafter stiller Freunde auslassrn zu müs sen, dies brachte ihn in eine solche Ver legenheit/ daß er mir abgebrochen dem Hauptmann erwiderte: Verzeihen Sie— Ihr Wille — mein Herr — diesmal -«• Allein der gute Junior, der dies für Schaam und Furchtstnnkeit ansah, fiel ihm in'6 Wort und suchte ihn nach seiner Art ju beruhigen: Nicht blöde lieber Mann, vor unser eene darf sich feen Chrlstenmensch fürchten duhn, nur mal frisch die Kinder ufsagen lassen. Zch weis nicht, ob viele meiner Lesek schon in einer ähnlichen Lags gewesen sind-
1
254
[
aber so viel ist gewis,
eine mmusstehlL,
chere giebtüz sicher nicht.
O Ihr Hoch-ad,
die Ihr so verächtlich aus
liehen Herren,
den Bürgerlichen heraobilkt, möchte Euch der Himmel
doch
wenig mehr
ein (sein
Gefühl und ein Grauchen mehr Scharf
sinn geben, um zu begreifen, daß die De-
siürzung, in die Eure Plumpheit und Euer
feindenkenden,
Stolz
den
Mann
versezte,
ehrliebendcn
den der allerunwillkühr-
lichste Zufall — die Geburt — nur unter Euch
der aber
stellte,
sonst tausendmal
über Euch erhaben ist, daß, sag' ich, die,
seö
Verstummen
nicht
Blödigkeit,
nicht
Bewusstsein der Niedrigkeit und Unwür, Ligkeit
sei,
sondern Unwille über Euren
albernen Hochmut
und tiefes,
schmerzli
ches Gefühl einer erlittenen Kränkung, da
mit
Ihr nicht
weit fortschrittet, gende
in Eurem Wahnsinn
Aufmunterungen
Herablassung
den
so
daß Ihr durch demüti und
würdigen
-empfindlicher verwundet.
beleidigende
Mann
noch
So bitter diese
[ -55 ] Anmerkung scheinen mag,
aber
so sehr
grössten
Theil
wohlgebornen
Es ist warlich
so wahr ist sie,
bin . ich auch
geneigt,
dieser
Hoch,
Herren
zu
bei
wohl Seibstdünkel
den
und Hoch-
entschuldigen.
meisten nicht so
den
als Unverstand,
nicht
sowohl stolze Ueberhebung über andre als
unrichtige Bestimmung des des Standpunkts anderer.
dies
Werths
und
Wenigstens war
ganz der Fall bei unserm Junker.
Ein Schulmeister war in fernen Augen —
ein Schulmeister,
das
ist verdolmetschet,
etwas mehr als der Hirte und schier etwas
weniger als der Schmidt des Dorfe. ne Geschäfte waren mühsam, er ein,
ger.
Sei
das gestand
aber des Hirten seine nicht weni
Zwar hatte Lczterer an seinem Phi
lar einen getreuere Assistenten,
dafür stan
den aber auch dem Schulmeister Stok und
Rute zu Gebote, Ordnung zu erhalten, das hiee bei dem Hauptmann,
dafür zu sor
gen, daß die Kinder still fassen.
Sein Ge
schäft war ferner nüzllch., auch das gab er
[
256
J
zu, denn er mi.T.e es ja so weit bringen, daß die junge Brut lesen lernte, damit sie als alte Brut gar andachtiglich ihr Lied dem lieben Gott in der Kirche vorbrüllen könnte; er musste ihr ja den Katechismus einbläucn, damit sie — der Priester zur Einftegnung annam. Alles wahr, aber eben so wenig sonnte er sich's verlaugneu, daß des Schmidts Geschäfte bei welkem noch tlnzlicher wären. Was half dem Bauer fein Gesang und seine Elnseegnung, was half ihm selbst sein Vieh und sein Akkee, wenn des Schmidts künstliche Hand seinem Pfluge nicht Scharfe gab, ihm seine mei# sten Instrumente nicht bereitete und — sei/ nein kranken Pferde die Fistel nicht kurir re? — Freilich, daron, daß der Schulmei ster die Kinder vernünftig denken, sie mit den Dingen des Lebens bekannt machen und zur giüMcherr Betreibung künftiger Geschäfte vorbereiten sollte, daß er sie zur Ordnung, Reinlichkeit, Gehorsam, Arbeit samkeit, Wahrheitsliebe anhalten, dass er ihnen
[
J
257
ihnen alle Pflichten ihres Standes nicht al
lein lehren,
sondern auch zu ihrer Erfül
lung sie abrichten, zu jeder Tugend sie g«#
wihn en sollte, kurz daß ein Schulmeister seine Kinder zu vernünftigen, rechtschafnett
und guten Menschen ziehen müsse, davon wusste
der ^auptmahn
Wörtchen,
kein
sterbendes
so wenig als es sich mancher
Fürst und seine Räte träumen lassen, daß
das Wohl eines Landes grösstetttheils vott
dieser immer noch so verachteten Klaffe von Menschen —
von den Schulmeistern —
abhange, wenn anders das Wohl eines Lau/ des darin besteht, daß seine Bewohner ver/
ständige, ordentliche und gute Bürger sind.
Nirgends zeigt sich das öffenbarer, als in kleinen Städten und Dörfer»,
Findest
Du da, daß die Einwohner gesitteter, klü
ger und besser sind als an ander» Orten, so frage nach und Du wirst finden,
diese
Menschen hatten als Kinder eine» gute»
Lehrer.
Siehst Du
im Gegentheil viel
tühe, lasterhafte und dumme Geschöpfe unr StotiteS Bündchen.
5t
[
258
]
■Jet den Einwohnern, so schliesse untrüglich
daraus: sein,
ihr Lehrer taugte
daß er ein geschikter,
nichts.
Mag
ein gelehrter,
selbst ein guter Mann war, ein guter Leh
rer konnt' er doch unmöglich sein. Und nun beantwortet mir alle, die vom Weibe geboren wurden,
die Frage:
wem
verdankt Zhr Eure Kenntnisse, wem Eure
Tugenden und gute Fertigkeiten, wem mit
hin Euer ganzes Wohl? — und gesteht, den immer noch so verachteten Lehrer», sie mö
gen Professoren, Rektoren, Informatoren oder Schulmeister heissen.
Erkennt
es
einmal Zhr
Grossen des
Landes und beherziget es ein wenig.
Ent
reisst diese wichtige Klasse von Menschen
der Niedrigkeit und dem Elende, worin sie noch so sehr schmachtet,
und bei dem im
mer höher steigenden Preise aller Bedürf
nisse mit jedem Jahr mehr schmachten wird.
Zyr könnt es,
und wie? — gebt ihnen,
den Erziehern der Nation, mehr Ehre und
mehr Brot, dann werden geichikrere Man-
C 259 ] nev sich diesem Stande widmen, sich ihm
ohne Nahrungssorgen und andre Brotge,
schafte ganz weihen, mit Lust und Eifer ihren Pflichten obsiegen und vernünftige, brauchbare und wakre Menschen bilden.
War eö also wohl unserm Junker zu verargen, daß er keinen bessern Begrif von
dem Amt eines Schulmeisters hatte? Frei, sich
ihn
hätte
wohl schon
das Aeussere
Benners und seiner Schule eines andern belehren sollen, allein er that ja auch des,
wegen alles Mögliche
an
dem Dorfprä-
ceptor, was er nach seinen Begriffen thun
konnte, um ihn vor andern Schulmeistern auszuzeichnen,
er hatte sich so weit herab,
gelassen ihn zu besuchen,
mit ihm,
sprach vertraut
nannte ihn nicht Er, und sezte
sich sogar zu seinen Schulknaben, übrigens
blieb aber der Man» in seinen Augen doch
nur ein Schulmeister,
und wie überaus
wenig das sagen wolle, wissen ja die Leser leibet'! alle.
St s
[
a6o
]
Sechszehntes Kapitel. Venner'S Geduld reisst aus. „Nicht blöde, lieber Mann, vor unser
eens darf sich keen Christenmensch fürchten duhn,
nur mal frisch ufsagen lassen!" —
Dies waren die Worte des Junkers, wel
che die geringen Ueberbleibsel der Benner, schon Geduld vollends austrieben.
Und
nun werden vielleicht einige meiner Leser einem klopffechterischen Wortwechsel entge gensehn, worin der Junker und der Schul meister
zu
männigliche Belustigung
sich
keinen ehrlichen Fezen mif dem Leibe las
sen, wie etwa zwei Ftschweiber oder auch wohl zwei ergrimmte Auroren zu thun pfle gen.
Aber offenherzig gestanden, mit Bem
ner'n war in dem Stük durchaus nichts
anzufangen, ich glaube, er hätte sich eher in-die Zunge gebissen, als eine einzige Grob heit gesagt,
gewesen,
wäre sie auch noch so wizig
und würde an einem pöbelhaften
Schimpfwort gewislich ersttkt sein, weswe-
L
261
j
zerr er auch alle Hofnung aufgegeben hat
te, Mitarbeiter an gewissen Journalen zu werden und ein Meisterwerk, wie Bahrdt
mit der eisernen Stirn, stand wahr haftig gar nicht von ihm zu erwarten.
Er
fühlte zwar tief erlittene Kränkungen, sein
Unwille darüber
war fast zu heftig, er
musste mit sich kämpfen, aber nicht um den
Ausbruch grober Ungezogenheiten.zu weh ren oder sonst eine niedrige Rache an sei, nem Gegner zu üben.
dem Gange
Doch wir wollen
seiner Empfindungen einmal
genauer folgen,
vielleicht daß mancher Le
ser hierin mit unserm Benner gleich f'rhlt:
Traf sich's, wie hier, daß Benner Einmal
durch unwürdige Behandlung gekränkt wur, de,
(denn zum zweiten Mal wusste er so
was zu vermeiden und wenn es ihm die
fetteste Pfründe getragen hätte,) so durch
rauschten zwei unangeneme Gefühle auf einmal gleich stark seine Seele,
das eine
war Schmerz über die Herabsezung seines
Perths,
das andre — ja das andre R z
r 262 ] aber wollt Ihr auch Zhr Herren mit dm demütigen
Funfziglokkenperükken
Benner nicht verkezern,
meinen
und dem armen
Narrn die Thür ad cathedram et pafloratum
vor der Nase zuwerfen? —
nun das an
dre, war heftiger Unmut, daß er wieder
einmal die Meinung, die er von dem Men schen überhaupt hatte,
herabstimmen oder
ganz aufheben musste, denn der Kezer hat te leider von der menschlichen Natur, wie
von allen Geschöpfen Gottes, einen sehr guten und hohen und von dem peccato ori
ginell — womit unsre Rechtgläubigen be haftet sind —- einen sehr schlechten und nie
drigen Begrif.
Diese beide Empfindungen ten sich gewaltig,
durchkreuz
die endlich der Zwei
fel — auch zweifeln gehört zu den unan-
genemen hielt:
Gefühlen —
die
Oberhand be
wer weis ob der Mann Dieb ab
sichtlich,
aus
Bosheit,
aus Selbstsucht
und dergleichen oder blos aus Unverstand,
weil er Dich und Deinen Werth nicht best
[ 26z ] ser kennt,
beleidigt hat.
Allein Zweifeln
ist nicht allein unangenem,
sondern auch
demütigend/ lst ein Bewusstsein der Uiu
wissenheit,
das
gewöhnlich
niederschlägt
und verzagt macht, mithin trat tum Ver legenheit in die Stelle des Unwillens bei
Diese Verlegenheit nam der
Denner'n. Hauptmann
für ^löde Scham,
und sie
hielt so lange an, bis Denner darüber ei nig war,
ob er den Junker
für einen
boshaften oder ernftltigen Mann sollte.
halten
Im ersten Falle würd' er seinen
Gegner verachtet,
und seine Verachtung
gegen ihn merklich gezeigt haben (welches
eben sein Hauptfehler war) im zweiten
konnt' er nur Mitleiden gegen ihn fühlen und ihn, wenn es anging, zurechtweisem Nult aber erinnerte er sich dessen, was ihm Hell mit wenig Worten über den Charak
ter des Hauptmanns gesagt hatte, auch bürgte ihm die übrige Gesellschaft dafür,
daß
es
nicht absichtliche Kränkung von
Seiten des
Junkers
sein
3t 4
könne,
imfc
264
k
]
wenn er ja noch Anstand genommen hätte, so
musste ihn
bei
nur etwas ruhigerm
Nachdenken, die schafsmaffige Aufmunte-
rung des Junkers:
nicht blöde zu sein,
sich nicht vor ihm zu fürchten, völlig über
zeugen, daß der gute Mann — nicht bos haft, nur arm an Geist sel; mithin trat in die
Stelle des Zweifels das Mitleiden,
jene Empfindung, die bet allem Herben und
Dittern doch das Bewusstsein der Ueber-'
legenheit mit sich führt. stand
der
gekrümmt
Mit Einem Mal
komplimentirende
Denner so aufrecht da, wie Sixtus der Fünfte,
nachdem ihn die Kardinäle zum
Papst erwählt hatten, blikte,
aber nicht
so wild und trozig, wie jener Knecht aller
Knechte,
den Hauptmann mit dem Lä,
cheln der sich selbst bewussten Würde und
Erhabenheit an und sagte wie folget: Aus sagen, lieber Mann? nun ja, Ihre Bitte
sei Ihnen gewährt. das Stük
Friedrich lies einmal
vom würdigsten Manne, und
Ahr andern löset ihn ab,
wenn es Em
L’ 265 ] rem Freunde zu sauer wird.
Der Knabe
las deutlich und ziemlich richtig:
Siebenzehntes Kapitel. Vorn würdigsten Manne.
Herr von Brav
war ein würdiger
Oberster und nam Alters wegen seinen 2(6;
schied.
Er kehrte auf seine Güter zurük,
und wäre recht froh gewesen,
wenn ihn
nicht der Gedanke an die Ungesittheit, Liederllchkeit
thauen
und
trübe
Unvernunft
Stunden
seiner Unter;
gemacht
hätte.
Seit zwanzig Zähren hatte er seine zwei
Dörfer nicht gesehen, doch aber konnte er sich
der
elenden
Denkungsart
und
des
schlechten Betragens ihrer Bewohner noch
sehr wohl erinnern.
Zwar lauteten schon
seit geraumer Zeit die Berichte des Pre digers der beiden Gemeinen von her Einen
, sehr vorthetlhaft,
doch aber traute er die
sen Zeugnissen seines Freundes
fo sehr
er auch den Pastor schäzte — nicht ganz. Er fasste daher den EntschluS,
R s
selbst um
L’ 265 ] rem Freunde zu sauer wird.
Der Knabe
las deutlich und ziemlich richtig:
Siebenzehntes Kapitel. Vorn würdigsten Manne.
Herr von Brav
war ein würdiger
Oberster und nam Alters wegen seinen 2(6;
schied.
Er kehrte auf seine Güter zurük,
und wäre recht froh gewesen,
wenn ihn
nicht der Gedanke an die Ungesittheit, Liederllchkeit
thauen
und
trübe
Unvernunft
Stunden
seiner Unter;
gemacht
hätte.
Seit zwanzig Zähren hatte er seine zwei
Dörfer nicht gesehen, doch aber konnte er sich
der
elenden
Denkungsart
und
des
schlechten Betragens ihrer Bewohner noch
sehr wohl erinnern.
Zwar lauteten schon
seit geraumer Zeit die Berichte des Pre digers der beiden Gemeinen von her Einen
, sehr vorthetlhaft,
doch aber traute er die
sen Zeugnissen seines Freundes
fo sehr
er auch den Pastor schäzte — nicht ganz. Er fasste daher den EntschluS,
R s
selbst um
t
266
]
erkannt die Sache zu versuchen.
Mit eb
nem Bedienten machte er in unkenntlicher Kleidung die lezte halbe Meile zu Fus und
traf einen grossen Theil
seiner Mühlham
fcr, so hieö das Dörfchen, auf dem Felde. Wirklich kannte er seinen Geburtsort kaum, so sehr hatte sich die ganze Gegend veralt;
dert.
Grosse Streiken wüstes Land wa
ren in Akterland umgeschaffen und die Hm
fen, die sonst der schlechten Bearbeitung und Düngung
wegen einen höchst traurb
gen Anblik gaben, prangten jezt mit den
ergiebigsten
Saaten.
Hauptmann (emfauend.)
Na, soll mich
dieser und jener, wenn da nicht ein düch, tiger Amtmann,
oder so was, drüber ger
kommen ist, sollt mal sehen! 'Benner.
Meinen Sie? — Nun lis
doch weiter, Wilhelm! Wilhelm.
Das freute zwar den gm.
ten Herrn sehr,
denn er möcht' es sehr
gern sehen, wenn seine Unterthanen fielst
sig
warm und dadurch wohlhabend nuir?
[
den,
26?
]
aber man kann fleissig und tvohlha-
bend und doch kein guter Mensch sein, und das lezte wollte der Gutsherr noch lieber.
Kinder!
rief er einigen Arbeitern zu und
winkte ihnen mit der Hand, denn er war zu weit entfernt,
als daß sie ihn verstehn
konnten. Hauptmann.
Za, las ihn man wim
ken mit) karjohlm, werden von der Arbeit
nicht weggehn duhn. Benner.
Glauben Sie das? — Nun
lies weiter, Andres!
Andreas.
Gleich fchikten die Leute en
nen Knaben ab, der sich erkundigen muss te, was zu ihren Diensten stände.
sind arme Reisende,
fehlt haben,
5ßtt
die des Wegs ver
sagte der verkleidete Oberst,
und mein Gefährte ist so abgemattet und
entkräftet vor Hunger, daß wir.nicht wei ter fortkommen können.
Habt Ihr nicht
etwas Brot und einen Trunk Wassers um
meinen
Gefährten 'zu
stärken?
Schnell
grif der Knabe in die Tasche und brachte
[
fein
]
268
heraus,
Vesperbrot
brach es halb
durch und gab die eine Halste dem Be
dienten :
Es Er nur,
wird doch vor der
den Hunger stillen,
Hand
Dorf kommt.
bis
Er in'«
Der Gutsherr freute sich
herzlich über die Gutmütigkeit des Knabene und wünschte zu wissen, ob sein Va ter eben so denke.
Mein Sohn,
sprach
er, habt Zhr nicht einen Trunk Nachbier
oder Wasser bei Euch,
mich durstet sehr?
Will den Vater fragen, Knabe,
und
antwortete der
eilte davon.
Zn Kurzem
brachte er eine Flasche geschleppt und der
Oberst bemerkte, daß ihm die Thränen im Auge
standen.
Sohn?
—
Was
fehlt
Dir
mein
fragte der Edelmann — Z,
Vater hat mich tüchtig ausgescholte» — — Hauptmann.
Gebt man Pae, der Al
te brummt um'ö Vesperbrot, das er weg gegeben hat —
Benner.
Christ!
Meinen
Sie?
nun weiter
i 269 ] Christ.
I
ausgescholten, hab'ö ooch
Vater
hat
mich tüchtig
sagte der Knabe, und ich
verdient — dachte gar nicht
dran, daß Zhm ooch hungern würde, M ncm Er Obersten)
rührte
(rad;t ne dem
die andre Hälfte.
Aber mein Söhnchen, rief der ge
Gutsherr,
dann
hast
Du
ja
nichts? —♦ O mich hungert nicht, erwider te der Knabe
lächelnd,
nem
Er'e
nur,
und wenn mir's ja noch ankommen sollte,
gibt
mir Vater wohl ein Stükchen ab.
Hier ist ooch Nachbiek, fuhr er fort, trinkt aber ja nicht, weil Zhr noch erhizt seid!
Hauptmann.
Na,
den Geelschnabel an!
da seht mir mal
magst ooch viel da
von verstehen duhn. Denner.
Meinen Sie? —-Nun Kin
der, legt einmal Eure Bücher bei Seite
und sagt mir aufrichtig: sollte das wirk lich schaden auf die Hize zu trinken? —
Friz, was meinst Du? — Friz.
.0 ja, trankt man ja doch kein
Pferd, wenn es warm ist.
[ 270
]
Hauptmann. Z so en Beest und eh Mensch — Bube! das ist doch ’n himmel weiter Unterschied, he? Der Knabe schwieg bescheiden. Siehst Du Friz, sprach der Lehrer, da weisst Du nun schon nichte dem Herrn darauf zu antworten. Frrz. O ja! ein Pferd ist ja weit stär ker, als ein Mmsch und kann mehr aus stehen, also muö es ja uns noch schadli/ cher sein, als dem Pferde. Lehrer. Aber, Wilhelm, sollte man wirklich) schon Beispiele haben, daß so ein Trunk jemandem geschadet hatte? Wilhelm. Leider! mein armer Bru der hat seine rote Bakken davon verloren und ist so engbrüstig geworden, daß er fei/ ue halbe Meile mehr gehen kann. 1 Die Kinder führten noch mancherlei an, wie jener durch einen unvorsichtigen Trunk einen -hartnäkkigen Husten, dieser die Auszehrung bekommen und einen am Lern gar der Schlag gerührt hatte, mch
E 371 ] der Hauptmann konnte über die Freimütigkeit und richtige Bemerkungen der Kin, der
seine Verwunderung nicht bergen und
rief wiederholt:
Na mein Seel,
ich passiven! — Endlich
das !a6
sties er den ne
ben ihm sizenden Knaben in die Seite, der
geschwiegen hatte:
bisher
Na,
Görge
oder wie Du heefft, sag mir mal, warum
duht denn ein Trunk auf die Hize so viel Schaden, he?
Knabe,
Soll ich das recht umständ
lich erzählen? — Hauptmann.
Knabe.
Na, las mal hören.
Sehn Sie, da haben wir im
Oberleibe zwei Lungen, durch die wirOthem holen,
um das Geblüte,
ganzen Lewe herumläuft,
frische Lust
abzukühlen.
das immer im
wieder durch die Wenn wir nun
stark laufen oder arbeiten,
so erhizt sich
das Blut wett mehr, und die Lunge mus sich oster ausdehnen,
um es abzukühlen-
Trmkt nun der Mensch, es mag Wasser
Bier oder sonst was sein,
so wird'
[
2?r
J
die erhizte Lunge und das heisse Blut zu
schnell abgekühlt und es ist eben so gut, als wenn man im grössten Schweis tnö
kalte Wasser springen wollte.
rief der Junker,
Blix noch einmal,
plappert der Zunge nicht, wie ein Doktor! Na man weiter, Herr Schulmeester!
Benner.
Nun nemt Eure Bücher rob
der zur Hand, Kinder,
und schlagt eine
Seite um, denn eben das, was Ihr jezt sagtet, erzählte der Knabe dem verkleide/
teil Obersten auch. Hans.
die Rede
aus
Lis weiter Hans!
Der Edelmann freute sich über
des Knaben,
Erfahrung/
wie
denn er wusste
oft
die
armen
Dauern des Unverstandes wegen Mörder an sich und ihren Kindern werden.
Sind
alle Knaben des Dorfs ft klug, wie Du?
fragte der Edelmann.
Das ist wohl nur
Sem Spas, verfezte der Knabe, mein Va
ter hat mich erst einen Winter lang in die Schule geschikt, aber jezt versäum' ich auch
keine Stunde mehr.
Der Edelmann frag-
£
]
=73
U nun nach dem Namen des Bauers Mth
erinnerte sich sehr wohl,
daß gerade dies
Gehöfte zu seiner Zeit in dem elendsten Zustande und mit dm drükkendsten Schuld
beil belastet gewesen sei. Er ging deswegen
mit dem Knaben zu den Arbeitern zurüff unter dem Vorwand,
als wollt' er dem
Bauer selbst die Bezahlung für Brot und
Mit einem herzlichen Hand
Bier bringen.
schlag empfing ih» die ganze fleissige Fa
milie,
allein
Missen lies,
sobald er seinen Geldbeutel
runzelte
jungen Wirths.
sich
die Stirn des
„Nee Herr, mit seinem
Gelde bleib' Er mir vom Leibe,
en Lie
besdienst mus man nicht bezahlt
liemenr
Zch gloob',
alle Kinder im ganzen Dorfe
wenn ich so
wiesen mit Finger uf mich,
was bähte." — Gibt es viel solche wohl
habende und gutdenkende Bauern in Eu
rem Dorfe? fragte der Obrist. bend ? >— nee sieht Er,
„Wohlha
Herr, was das.
betrift, da bin ich, so zu sagen, man der schlechtste
von allen,
Zweites D«„»ch«n-
aberö versteht Er?