Berlin oder Leipzig?: Eine Studie zur sozialen Organisation der Germanistik im "Nibelungenstreit" 348435030X, 9783484350304

Gegenstand der folgenden Untersuchung soll der "Nibelungenstreit" sein, ein Disput in der Germanistik des 19.

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Berlin oder Leipzig?: Eine Studie zur sozialen Organisation der Germanistik im "Nibelungenstreit"
 348435030X, 9783484350304

Table of contents :
EINLEITUNG 1
ERSTER TEIL: Wissenschaft und Ethos 3
I. Gelehrte Beschäftigung mit dem Nibelungenlied 3
II. Der Beginn des "Nibelungenstreits" 8
III. Philologisierung: Karl Lachmann und die Folgen 11
IV. Meisterschaft oder Dogmatismus? 19
ZWEITER TEIL: Zum Prozeß der Gruppenbildung in der Germanistik 22
I. Franz Pfeiffer, Karl Bartsch und die "Germania" 22
II. Karl Weinhold, Julius Zacher und die "Zeitschrift für deutsche Philologie" 29
III. Friedrich Zarncke und die "Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur" 36
IV. Moriz Haupt, Karl Müllenhoff und die "Zeitschrift für deutsches Altertum" 49
V. Wilhelm Scherer und die Aktualisierung der Philologie 53
VI. "Scherer-Schule": Zur sozialen Durchsetzung von Innovation 62
DRITTER TEIL: Konsequenzen einer Kontroverse 76
I. Symptome der Konsolidierung 76
II. Der neue Gelehrtentyp 81
III. Neugermanistik 87
IV. Fazit und Ausblick 99
LITERATURVERZEICHNIS 103
I. Abkürzungsverzeichnis 103
II. Quellen zum "Nibelungenstreit" 104
III. Sonstige Quellen 107
IV. Literatur zu einzelnen Autoren 109
V. Forschungsliteratur 113
REGISTER 119

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STUDIEN UND TEXTE ZUR SOZIALGESCHICHTE DER LITERATUR

Herausgegeben von Wolfgang Frühwald, Georg Jäger, Dieter Langewiesche, Alberto Martino, Rainer Wohlfeil Band 30

Rainer Kolk

Berlin oder Leipzig? Eine Studie zur sozialen Organisation der Germanistik im »Nibelungenstreit«

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1990

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Redaktion

des Bandes:

Wolfgang

Frühwald

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Kolk, Rainer: Berlin oder Leipzig? : Eine Studie zur sozialen Organisation der Germanistik im »Nibelungenstreit« / Rainer Kolk. - Tübingen : Niemeyer, 1990 (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur ; Bd. 30) NE: GT ISBN 3-484-35030-X

ISSN 0174-4410

© Max Niemeyer Verlag GmbH & Co KG, Tübingen 1990 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Satz und Druck: Druckerei Maisch + Queck, Gerlingen Einband: Heinrich Koch, Tübingen

Inhaltsverzeichnis

EINLEITUNG

ERSTER T E I L :

1

Wissenschaft und Ethos

3

I. Gelehrte Beschäftigung mit dem Nibelungenlied

3

II. Der Beginn des »Nibelungenstreits«

8

III. Philologisierung: Karl Lachmann und die Folgen

11

IV. Meisterschaft oder Dogmatismus?

19

ZWEITER TEIL:

Zum Prozeß der Gruppenbildung in der Germanistik

I. Franz Pfeiffer, Karl Bartsch und die Germania II. Karl Weinhold, Julius Zacher und die Zeitschrift für Philologie

22 29 36

deutsches

Altertum

49

V. Wilhelm Scherer und die Aktualisierung der Philologie VI. »Scherer-Schule«: Zur sozialen Durchsetzung von Innovation

DRITTER TEIL:

22

deutsche

III. Friedrich Zarncke und die Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur IV. Moriz Haupt, Karl Miillenhoff und die Zeitschrift für

....

Konsequenzen einer Kontroverse

I. Symptome der Konsolidierung II. Der neue Gelehrtentyp

53 62 76 76 81

III. Neugermanistik

87

IV. Fazit und Ausblick

99

LITERATURVERZEICHNIS

103

I. Abkürzungsverzeichnis II. Quellen zum »Nibelungenstreit«

103 104 V

III. Sonstige Quellen

107

IV. Literatur zu einzelnen Autoren

109

V. Forschungsliteratur

REGISTER

vi

113

119

Die Philologie ist die schmiegsamste aller Wissenschaften. Sie ist ganz auf das feinste geistige Verständnis gegründet. Die Gedanken und Träume vergangener Menschen und Zeiten denkt sie nach, träumt sie nach. Hier will sie das verwirrte Lallen entstellter Volksüberlieferungen verstehen; dort folgt sie dem Fluge des Genius auf seiner einsamen Bahn. Aber alles Verstehen ist ein Nachschaffen: wir verwandeln uns in das, was wir begreifen; der Ton, der an unser Ohr schlägt, muß einen verwandten in uns wecken, sonst sind wir taub; und die partielle Taubheit ist leider gemeines Menschenlos. Die Philologie ist allumfassend, all verstehend, allbeleuchtend: die Philologen stehen unter den Gesetzen endlicher Beschränkung. Wilhelm Scherer*

* Das Motto entstammt Wilhelm Scherers Aufsatz Goethe-Philologie

von 1877. VII

Einleitung

Gegenstand der folgenden Untersuchung soll der »Nibelungenstreit« sein, ein Disput in der Germanistik des 19. Jahrhunderts, der in der Geschichtsschreibung des Fachs wiederholt Aufmerksamkeit erregt hat. 1 Die thematische Ebene, also die Argumente für oder gegen die Nibelungenforschungen Karl Lachmanns, steht dabei bislang im Mittelpunkt. Die Entstehung opponierender Gruppen von Germanisten wird dieser Kontroverse nach der Jahrhundertmitte eher beiläufig zugerechnet. »Berliner Schule« und »Leipziger Schule« erscheinen als Kurzformen für die Pole der fachinternen Diskussion, verweisen auf ein Mosaik aus persönlichen Streitigkeiten und inhaltlichen Differenzen zwischen den beteiligten Forschern. 2 Der vorliegende Beitrag zur Wissenschaftsgeschichte der Germanistik will die Untersuchung von Wissensbeständen und Methoden durch Beobachtungen zur internen Struktur des Forschungsbereichs »Deutsche Sprache und Literatur« ergänzen. Seine allmähliche Entstehung und Etablierung an der Universität des 19. Jahrhunderts zeigt sich als komplexer Prozeß innerhalb des reformierten Wissenschaftssystems, der nicht auf die konzeptgeschichtliche Dimension verkürzt werden sollte. Die Institutionalisierung des Fachs an Schule und Hochschule, die Professionalisierung seiner Vertreter, die Herausbildung kontinuierlich bearbeiteter Problemfelder, die Kommunikation unter den Mitgliedern der disziplinaren Gemeinschaft müssen weitere Gegenstände der Untersuchung sein. Erst die systematische Berücksichtigung beider Analyseebenen kann Genese und Wandel moderner Wissenschaften angemessen verfolgen. 3

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Vgl. die Einführung von Edward Schröder in den Briefwechsel zwischen Karl Miillenhoff und Wilhelm Scherer. Im Auftrag der Preußischen Akademie der Wissenschaften hg. von Albert Leitzmann, Berlin, Leipzig 1937, S . X I I I f . ; Friedrich Neumann, Studien zur Geschichte der deutschen Philologie. A u s der Sicht eines alten Germanisten, Berlin 1971, S. 89f.; Klaus Weimar, Geschichte der deutschen Literaturwissenschaft bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, München 1989, S. 251f.

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Vgl. Helmut de Boor, Rez. des Briefwechsels der Brüder Grimm mit Karl Lachmann, in: ZfdPh 55 (1930), S. 4 0 0 - 4 0 4 ; Friedrich Neumann, Rez. des Briefwechsels Wilhelm Scherers mit Erich Schmidt, in: A f d A 75 (1964), S. 125-135. Vgl. Martin Guntau, Zur Herausbildung wissenschaftlicher Disziplinen in der Geschichte (Thesen), in: Rostocker wissenschaftshistorische Manuskripte 1 (1978), S. 11-24; Richard D . Whitley, The intellectual and social organization of the sciences, Oxford 1984; Ulfried Geuter, D i e Professionalisierung der deutschen Psychologie im Nationalsozialismus, Frankfurt/M. 1984, S. 49ff.; Wolfgang Krohn / Günter Küppers, D i e Selbstorganisation der Wissenschaft, Frankfurt/M. 1989, bes. S. 122ff.

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Entstehung, Verlauf und Konsequenzen des »Nibelungenstreits«4 sollen unter diesem Blickwinkel beschrieben werden. Die soziale Organisation der Germanistik, ihr Publikationssystem, die entstehenden Interessengruppen und die Modi ihrer Auseinandersetzung werden als Aspekte von Institutionalisierung zur Sprache kommen. 5 Der erste Teil rekonstruiert den Beginn der Kontroverse und erinnert an Entwicklungen aus der Frühphase der universitären Beschäftigung mit deutscher Sprache und Literatur. Der zweite Teil beschreibt die entstehenden Gruppen (»Schulen«) in der Germanistik nach 1850, ihre Positionen und Strategien im »Nibelungenstreit«. Der dritte Teil schließlich diskutiert die Folgen der beschriebenen Divergenzen für die Gesamtentwicklung der Disziplin. Diese Studie entstand im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts »Wissenschaftsgeschichte der deutschen Literaturwissenschaft«. Seinen Leitern, Prof. Dr. Wilhelm Voßkamp und Priv.-Doz. Dr. Jürgen Fohrmann, sowie den Kollegen, besonders Dr. Holger Dainat, möchte ich an dieser Stelle für vielfältige Hinweise und aufmunternde Kritik danken. Ein besonderer Dank gilt dem Zentralen Archiv der Akademie der Wissenschaften der DDR in Berlin für die Gewährung der Einsichtnahme in Gelehrtennachlässe, den Herausgebern der Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur für die Aufnahme der Arbeit in diese Reihe und der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Bewilligung eines großzügigen Druckkostenzuschusses. Köln, im November 1989

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Rainer Kolk

Ich verwende diese geläufige Bezeichnung als Verständigungshilfe; eine thematische Begrenzung ist damit nicht präjudiziert. Es werden vielfach Quellen auszuwerten sein, die nicht über das Epos oder seine wissenschaftliche Erforschung handeln - und doch den »Nibelungenstreit« ausmachen. Zu den verschiedenen Formen der Institutionalisierung einer wissenschaftlichen Disziplin vgl. Guntau, S. 22; vgl. auch das Frageraster von Anthony Grafton, Polyhistor into Philolog: Notes on the Transformation of German Classical Scholarship, 1780-1850, in: History of Universities 3 (1983), S. 159-192.

ERSTER T E I L

Wissenschaft und Ethos

I. G e l e h r t e B e s c h ä f t i g u n g m i t d e m N i b e l u n g e n l i e d Bevor im folgenden die unter der Bezeichnung »Nibelungenstreit« in die Fachgeschichte eingegangene Kontroverse unter den professionellen Vertretern der Germanistik behandelt wird, soll kurz die Diskussion des E p o s seit dem 18. Jahrhundert in Erinnerung gerufen werden. 1 Die Wiederentdeckung des Nibelungenliedes (in der Handschrift C) durch den Lindauer Arzt J a k o b H e r m a n n Obereit im Jahre 1755 stößt zunächst auf ein den emotional aufgeladenen Debatten des 19. Jahrhunderts nicht im mindesten vergleichbares Interesse der Zeitgenossen. Zwar hatte bereits seit dem Humanismus die altdeutsche Überlieferung immer wieder die Beachtung von Gelehrten und Literaturliebhabern gefunden; eine kontinuierliche Behandlung der mit der Edition und Interpretation des Epos verknüpften Fragen aber läßt sich nicht beobachten. Diese gravierende Differenz zur wissenschaftlichen Erforschung nach der Universitätsreform charakterisiert das Panorama der quantitativ durchaus beachtlichen Rezeptionszeugnisse, die sich seit der Mitte des 18. Jahrhunderts auffinden lassen. Johann J a k o b Bodmer, der es unternimmt, Obereits Fund der Öffentlichkeit zu präsentieren, stellt das Nibelungenlied in die Reihe der großen E p e n . Homers Ilias wird der Bezugspunkt für die Herausgabe und das Verständnis des mittelalterlichen Werks, das Bodmer, unterstützt von seinem Freund Johann Jakob Breitinger, auf die letzten 12 von 39 Aventiuren im Druck verkürzt. 2 In einer Zeit des gesteigerten Interesses an der klassischen Antike wird dieser Vergleich, sei es, um die Eigenständigkeit beider E p e n oder ihren Rangunterschied zu betonen, zu einem beliebten rhetorischen Versatzstück der Beschäftigung mit dem

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Einschlägig in der bibliographischen Erschließung der relevanten Quellen wie in der Erforschung von Rezeptionsprozessen in Wissenschaft, Schule und Öffentlichkeit sind die Arbeiten Otfrid Ehrismanns; als eine knappe, einführende Skizze vgl. das Kapitel zur Rezeptions- und Wirkungsgeschichte des Nibelungenliedes in: ders., Nibelungenlied: Epoche - Werk - Wirkung, München 1987, S. 242-285, sowie die dort verzeichnete weiterführende Literatur. Die Bezeichnung »Nibelungenstreit« soll in der vorliegenden Untersuchung für die Auseinandersetzungen nach Lachmanns Tod reserviert bleiben, wenngleich auch frühere Debatten um die Auslegung des Epos oftmals nicht weniger polemisch geführt wurden.

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Vgl. Helmut Brackert, Nibelungenlied und Nationalgedanke. Zur Geschichte einer deutschen Ideologie, in: Ursula Hennig / Herbert Kolb (Hg.), Mediaevalia litteraria. Festschrift für Helmut de Boor zum 80. Geburtstag, München 1971, S. 343 -364, S. 345.

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Nibelungenlied. 3 Bereits Bodmers Zugriff verrät zudem, daß zunächst »nicht objektive historische Vermittlung« Ziel der Rezeption war, »sondern eine Anpassung an den zeitgenössischen Geschmack.« 4 In der Auseinandersetzung mit der dogmatischen Regelpoetik Gottschedischer Prägung wird das Epos zum Beweismittel für die eigenen Argumente. Eine angemessene Edition und Würdigung ist nicht beabsichtigt, erscheint beispielsweise Bodmer sogar durchaus fragwürdig, der die ästhetische Qualität mittelhochdeutscher Literatur generell zurückhaltend beurteilt. 5 Solche Intentionen geben in mancherlei Hinsicht Rezeptionsstrukturen vor, die für andere Autoren kennzeichnend sein werden. Auch die erste Gesamtausgabe des Nibelungenliedes, unter Benutzung der Abschriften Bodmers von seinem Landsmann Christoph Heinrich Myller 1782 vorgelegt, trägt außerliterarische Gründe für eine Beschäftigung mit dem Epos vor; es sei als »historische Beglaubigung« (Myller) des Adels brauchbar. Um einiges bekannter als die Inhalte der Ausgaben Myllers ist ihre pauschale Abwertung durch Friedrich II. geworden, dessen aufklärerischer Haltung dieser Strang der literarischen Überlieferung längst obsolet erschien. 6 Solche persönlichen Vorlieben und generalisierenden Urteile machen es der beginnenden wissenschaftlichen Erforschung altdeutscher Texte nach 1800 leicht, ihre Vorläufer als im Kern desinteressiert und verständnislos darzustellen. 7 Den 3

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Vgl. Otfrid Ehrismann, Das Nibelungenlied in Deutschland. Studien zur Rezeption des Nibelungenlieds von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg, München 1975, S. 27ff. zu Bodmer und Breitinger. Ehrismann, Nibelungenlied in Deutschland, S. 30. Vgl. Ehrismann, Nibelungenlied in Deutschland, S. 30, der dort auch Bodmers Ansicht mitteilt, das Epos werde kaum jemals vollständig im Druck erscheinen, vielmehr sei bei der Publikation altdeutscher Literatur »eine reife und einsichtsvolle Wahl« zu treffen. Aus ästhetischen Gründen lehnt ein halbes Jahrhundert später, als das Nibelungenlied bereits breit rezipiert worden war, Hegel das Epos ab; vgl. Ehrismann, Nibelungenlied: Epoche - Werk - Wirkung, S. 226. - Wolfgang Frühwald stellt die Rezeption des Nibelungenliedes in den größeren Zusammenhang eines Umbruchs »in der Mentalität bildungsbürgerlicher Kultur«, der als »Umschlag vom kosmopolitischen zum nationalistischen Denken« gesehen wird. Ders., Wandlungen eines Nationalmythos. Der Weg der Nibelungen ins 19. Jahrhundert, in: Dieter Borchmeyer (Hg.), Wege des Mythos in der Moderne. Richard Wagner »Der Ring des Nibelungen«. Eine Münchner Ringvorlesung, München 1987, S. 17-40, S. 24. Vgl. zu Myller (Müller) Ehrismann, Nibelungenlied in Deutschland, S. 37ff.; Neumann, S. 36f., nennt die zahlreichen Werke, die Myller in seiner Sammlung deutscher Gedichte aus dem XII., XIII. und XIV. Jahrhundert (1782-1785) dem Publikum vorstellt. Bedenkt man die auf nationale Identifikation ausgerichteten Rezeptionsmuster des 19. und 20. Jahrhunderts, so erscheint das fast zeitgleich abgegebene Urteil des Historikers Johannes von Müller aus dem Jahre 1786 erstaunlich weitsichtig: »Der Nibelungen Lied könnte die Teutsche Ilias werden.« Zit. nach Ehrismann, Nibelungenlied in Deutschland, S. 40. Vgl. zu diesem Übergangsstadium Bernd Neumann, Die verhinderte Wissenschaft. Zur Erforschung Altdeutscher Sprache und Literatur in der »vorwissenschaftlichen« Phase, in: Peter Wapnewski (Hg.), Mittelalter-Rezeption. Ein Symposion, Stuttgart 1986, S. 105-118; für die »Thematisierungsweisen« der deutschen Literatur im 18. Jahrhundert vgl. umfassend Weimar, Geschichte, bes. S. 56-170.

vorliegenden Editionen, Übersetzungen und Kommentaren, so eine beliebte publizistische Strategie, mangele es an solider Kenntnis der sprachgeschichtlichen Grundlagen, methodisch versiertem und überprüfbarem Vorgehen wie auch an präzisen Vorstellungen über die in Frage kommende Leserschicht. 8 Diese Dichotomie von »Kennern« und »Dilettanten« bleibt, das werden die Untersuchungen zum »Nibelungenstreit« nach 1850 zeigen, auch in der fachwissenschaftlichen Diskussion der etablierten Universitätsdisziplin der deutschen Philologie präsent. Einen wichtigen Schritt über die von individuellen Neigungen und Qualifikationen abhängige Behandlung altdeutscher Literatur des 18. Jahrhunderts hinaus gehen Autoren der Romantik. Ludwig Tieck gelingt mit den Minneliedern aus dem schwäbischen Zeitalter 1803 eine für die Zeit achtunggebietende editorische Leistung, die dennoch ein gebildetes Publikum nicht abschreckt.9 Kein geringerer als Jacob Grimm hat noch nach Jahrzehnten auch die »hinreißende Vorrede« Tiecks gelobt. 10 Um das Nibelungenlied bemühen sich in erster Linie die Brüder Schlegel. Für Friedrich hält die altdeutsche Literatur einen Vorrat für »große alte National-Erinnerungen« bereit, »das herrlichste Erbteil, das ein Volk haben« könne, authentische Poesie und wegweisendes Gegenbild einer desolaten Gegenwart. 11 Seinem Bruder August Wilhelm erscheint das Nibelungenlied als Denkmal einer besseren Vorzeit schlechthin: Diese Heldensagen beweisen uns, daß das damalige Menschengeschlecht nicht nur an Riesenkraft der Leiber, sondern an Größe und Reinheit der Gesinnungen den nachfolgenden weit überlegen war [...]. So mag denn das gegenwärtige Geschlecht in jenen Spiegel großer Menschheit blicken, wenn es den Eindruck nicht vernichtend fühlt. 1 2

Schlegels Hochachtung, hier zitiert nach den berühmten Berliner Vorlesungen über schöne Litteratur und Kunst (1801-1804), weist voraus auf eine um 1810 verstärkte Hinwendung zur altdeutschen Überlieferung. 13 Die nationalen Einheitsbestrebungen nach den napoleonischen Kriegen erzeugen für einige Jahre ein 8 9

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Vgl. B. Neumann, S. 105f., S. 109f. Vgl. Tiecks Intention, »nicht für Gelehrte, sondern für ächte Liebhaber« zu arbeiten; zit. nach Gerard Kozietek (Hg.), Mittelalterrezeption. Texte zur Aufnahme altdeutscher Literatur in der Romantik, Tübingen 1977, S. 14 (Einleitung); S. 16-22 enthält eine ausführliche Darstellung der Verdienste Tiecks um die Rezeption mittelalterlicher Literatur in Deutschland. Jacob Grimm, Selbstbiographie, in: ders., Selbstbiographie. Ausgewählte Schriften, Reden und Abhandlungen, hg. u. eingel. v. Ulrich Wyss, München 1984, S. 23-39, S. 27. Vgl. Kozielek, Einleitung, S. 8ff., das Zitat S. 8. August Wilhelm Schlegel, Deutsche Ritter-Mythologie, zit. nach Kozielek (Hg.), S. 6 2 - 8 2 , S. 70f. Zum Konzept seiner Literaturgeschichte vgl. Jürgen Fohrmann, Das Projekt der deutschen Literaturgeschichte. Entstehung und Scheitern einer nationalen Poesiegeschichtsschreibung zwischen Humanismus und Deutschem Kaiserreich, Stuttgart 1989, S. 99-115; Weimar, Geschichte, S. 255ff.; Klaus Garber, Martin Opitz - »der Vater der deutschen Dichtung«. Eine kritische Studie zur Wissenschaftsgeschichte der Germanistik, Stuttgart 1976, S. 74ff. Vgl. zum folgenden Kozielek, Einleitung, S. 22ff., und Ehrismann, Nibelungenlied in Deutschland, S. 47-66. Weimar, Geschichte, S. 220ff., nennt die Nibelungen-Vorlesungen zwischen 1812 und 1826.

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der Rückbesinnung auf eine Blütezeit des Deutschen Reichs förderliches Klima im gebildeten Publikum. Vornehmlich die Nibelungensage wird zum Gegenstand oberflächlich popularisierender, oftmals germanophiler Aneignungs- und Aktualisierungsversuche. 14 Es kann deshalb nicht überraschen, daß dieses auf politische Ereignisse reagierende öffentliche Interesse nach den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts zurückgeht. 1 5 Dennoch kann sich die Beschäftigung mit den altdeutschen Werken stabilisieren. Das ist zum einen das bereits angesprochene Verdienst zeitgenössischer Schriftsteller wie der Schlegels, die ihr beträchtliches Renommee zur Vermittlung und Anregung benutzen, sei es mit ästhetischem oder mit nationalpolitischem Akzent. Friedrich Heinrich von der Hagen, auf den im Zusammenhang mit anderen Berliner Wissenschaftlern der ersten Jahrhunderthälfte zurückzukommen sein wird, ist ein gutes Beispiel für die produktive Wirkung der Vorträge August Wilhelm Schlegels. Von der Hagens umfangreiche Bemühungen, das Nibelungenepos breiteren Kreisen verständlich zu machen, bilden das in der Fachgeschichte vielgescholtene Gegenstück zu dem >streng< wissenschaftlichen Selbstverständnis eines Lachmann oder Haupt. 1 6 Zum anderen gelingt es, die Beschäftigung mit deutscher Sprache und Literatur an der neuorganisierten Universität des 19. Jahrhunderts institutionell zu verankern. Damit werden die deutschen Studien zum - wenn auch vorerst noch unsicheren - Berufsfeld, sind dauerhaft in der Universität präsent, können den akademischen Nachwuchs für sich interessieren. Für den Umgang mit den altdeutschen Texten hat diese Entwicklung einschneidende Konsequenzen: Die Verwissenschaftlichung trennt zunehmend den professionellen Forscher vom Gelehrten wie vom gebildeten Liebhaber der Literatur, dessen Leistungen sich auf Sammeltätigkeiten, auf Zulieferdienste für die »Kenner« beschränken müssen. In der Rezeptionsgeschichte der altdeutschen Dichtung läßt sich dieser Prozeß beispielhaft an August Wilhelm Schlegel und den Brüdern Grimm zeigen. Schlegel beschäftigt sich bereits seit 1798 mit dem Nibelungenlied, faßt Pläne für modernisierte Ausgaben und greift ästhetische und literaturgeschichtliche Fragen auf. Seit 1812 wird sogar eine kritische Edition erwogen, 1 7 die eine Summe der langjährigen Studien hätte sein können; das Vorhaben bleibt jedoch unausgeführt, persönliche Gründe

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Vgl. neben der genannten Forschungsliteratur die Arbeiten Josef Körners: D i e Renaissance des germanischen Altertums. Eine literarhistorische Skizze, in: Zeitschrift für den deutschen Unterricht 27 (1913), S. 1 - 2 9 , S. 21ff.; August Wilhelm Schlegels Nibelungenstudien, in: N e u e Jahrbücher für Wissenschaft und Jugendbildung 4 (1928), S. 7 4 - 9 0 , S. 80ff. Eine gute Übersicht über die romantische Nibelungenbegeisterung bietet: Nibelungenforschungen der deutschen Romantik, Leipzig 1911 (Reprint Darmstadt 1968). Vgl. Ehrismann, Nibelungenlied in Deutschland, S. 91: Wegen eines »weitverbreiteten Desinteresses an der älteren deutschen Literatur« sei auch die nationale Emphase kein dauerhaftes Stimulans gewesen; dazu auch Frühwald, S. 25. Vgl. dazu die Ausführungen zum philologischen Ethos und zur Gruppe der Berliner Philologen; umfassend jetzt: Eckhard Grunewald, Friedrich Heinrich von der Hagen 1780-1856. Ein Beitrag zur Frühgeschichte der Germanistik, Berlin, N e w York 1988. Vgl. Körner, Schlegels Nibelungenstudien, und Ehrismann, Nibelungenlied in Deutschland, S. 64, S. 99f.

und andere literarische und wissenschaftliche Interessen verhindern eine dominante Stellung auf dem Gebiet der germanistischen Forschungen. Denn längst haben sich Autoren wie die Grimms, Lachmann, Docen und von der Hagen diesem Feld zugewandt, neutralisieren Schlegels Vorsprung durch konsequente Spezialisierung. Die berühmte Rezension des ersten Jahrgangs der Altdeutschen Wälder, herausgegeben von den Grimms in den Jahren 1813 bis 1816, belegt ein letztes Mal die wissenschaftliche Qualifikation und Aktualität Schlegels auf altdeutschem Gebiet, impliziert zugleich aber, daß die Zeit des vielseitig engagierten und ausgreifend publizierenden Gelehrten abläuft: »Das Resultat: bloße Fragmente allüberall.« 18 Den Grimms, so die Pointierung der Fachgeschichte, wird der Verriß Schlegels zum Wendepunkt ihrer wissenschaftlichen Biographie. Anstelle der umfassenden Konzeption der Germanistik in den Altdeutschen Wäldern verfolgen beide zukünftig ausgewählte Forschungsprobleme, zu deren Bearbeitung sie wegweisende Erkenntnisse beitragen können. Bezüglich des Nibelungenliedes teilen die Grimms August Wilhelm Schlegels Vorstellung, es sei keinem individuellen Autor zuzurechnen, sondern als »die Hervorbringung der gesamten Kraft eines Zeitalters« 19 anzusehen. Für die Grimms steht diese Perspektive einer autopoetischen (Volks-) Poesie im Zentrum ihrer Arbeit zur altdeutschen Literatur und Mythologie. 20 Es geht ihnen deshalb auch weniger um die korrekte (Wieder-)Herstellung eines oder des Textes; Wissenschaft bekommt die Aufgabe zugewiesen, der mythischen Vorzeit nachzuspüren, das Wirken des epischen Prozesses in der Geschichte zu bestimmen. Eingeschrieben ist einer solchen Haltung die Achtung vor den »alten Menschen«, die »größer, reiner und heiliger« gewesen seien. Philologie muß dem Verständnis der Grimms zufolge nicht als kühle Rekonstruktion des Empirischen betrieben werden, sondern »als Religion, als Versprechen, das Göttliche schauen zu dürfen im Gang zur >edelsten Menschheit^ auch zu den Nibelungen.« 21 Solchen emphatischen Akzenten im wissenschaftlichen Selbstverständnis begegnet der einflußreichste Nibelungenforscher des Jahrhunderts skeptisch. Karl Lachmann vertritt schon in seiner Berliner Habilitationsschrift Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth 1816 die später konfliktträchtige Ansicht, das Epos sei aus einer Vielzahl rekonstruierbarer »Lieder« zusam18

Körner, Schlegels Nibelungenstudien, S. 88, der dort auch Schlegels altertumskundliche, indologische und romanistische Parallelprojekte beschreibt. Zu Recht betont Körner, daß Schlegels Intentionen eine bedeutsame Alternative zur schließlich dominierenden Philologie Lachmanns darstellten (S. 89).

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Zit. nach Ehrismann, Nibelungenlied in Deutschland, S. 61. Die umfangreiche Literatur zu den Forschungen der Grimms verzeichnet Ludwig D e necke, Jacob Grimm und sein Bruder Wilhelm, Stuttgart 1971; die Bibliographie wird weitergeführt in: Brüder Grimm Gedenken. Neuerdings hat Otfrid Ehrismann noch einmal den Poesie-Begriff der Grimms und ihr philologisches Selbstverständnis rekonstruiert: Philologie der Natur - die Grimms, Schelling, die Nibelungen, in: Brüder Grimm Gedenken 5 (1985), S. 3 5 - 5 9 . Ich komme auf Jacob Grimms Abneigung gegen das formalisierte Editionsverfahren Lachmanns im Abschnitt über Friedrich Zarncke zurück.

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Ehrismann, Philologie der Natur, S. 43f., das vorherige Grimm-Zitat S. 42.

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mengefügt. 2 2 Die Fragen nach der Einheit des Nibelungenliedes, nach der Autorschaft und nach den Abhängigkeitsverhältnissen der überlieferten Handschriften bleiben Problemstellungen bis in die Gegenwart hinein. Die freundschaftliche Auseinandersetzung Lachmanns im Briefwechsel mit Wilhelm Grimm stellt in ihrer empirischen Solidität und sprachgeschichtlichen Akribie einen ersten Höhepunkt dar. Bedeutsam in der Perspektive meiner Untersuchung ist darüber hinaus der strukturelle Unterschied zur angesprochenen Befassung mit dem Epos seit der Mitte des 18. Jahrhunderts. Mit der institutionellen Absicherung germanistischer Forschung an der Universität und mit der verdichteten Diskussion über das Epos wie über andere Themen zwischen Autoren wie Lachmann, den Grimms, von der Hagen, Docen, Büsching, Benecke, um nur einige zu nennen, ergibt sich nunmehr eine kontinuierliche Kommunikation mit begrenzten wissenschaftlichen Problemstellungen. Persönliche Wertungen fließen sicherlich auch um 1820 in die teilweise polemischen Debatten ein; sie sind aber eher Begleiterscheinungen einer sich konsolidierenden disziplinaren Diskussionskultur, deren Ergebnisse von neu hinzutretenden Forschern aufgenommen und modifiziert werden können. Fachliches Wissen wird so tradier- und erlernbar. Der »Nibelungenstreit« ist in seiner Intensität erst dann voll verständlich, wenn man die entstandenen Kommunikationsstrukturen in ihrer Eigenart berücksichtigt und von den entsprechenden Elementen vormoderner Wissenschaft abhebt. 2 3

II. Der Beginn des »Nibelungenstreits« Der »Nibelungenstreit« ist nur zu Anfang ein Streit über das Nibelungen-Epos und auch das nie ausschließlich. Die Heftigkeit der Debatte, ihre Erbitterung und andauernde Einflußnahme auf die Entwicklung der Disziplin rühren zunächst daher, daß das berufliche Selbstverständnis führender deutscher Philologen der Jahrhundertmitte tangiert wird. 24 Besonders Adolf Holtzmanns Untersuchungen über das Nibelungenlied bezichtigen 1854 die als Muster philologischer Arbeit geltenden Beiträge Karl Lachmanns der editorischen Willkür und arroganter Rhetorik; in beidem, so Holtzmann, stünden ihm seine Schüler kaum etwas nach. 2 5 Moriz Haupt und Karl Müllenhoff, nach Ausbildungs- und Forschungsinteressen 22

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Vgl. Ehrismann, Nibelungenlied in Deutschland, S. 116-134, sowie die im folgenden Abschnitt genannte Literatur zur Editionstechnik Lachmanns. - Umfassend zu· Lachmann jetzt: Harald Weigel, »Nur was du nie gesehn wird ewig dauern«. Carl Lachmann und die Entstehung der wissenschaftlichen Edition, Freiburg 1989. Einen allgemeinen Überblick über Veränderungen in der Universität und im Selbstverständnis der Gelehrten nach 1800 gibt Charles E. McClelland, Die deutschen Hochschullehrer als Elite, 1815-1850, in: Klaus Schwabe (Hg.), Deutsche Hochschullehrer als Elite 1815-1945. Büdinger Forschungen zur Sozialgeschichte 1983, Boppard 1988, S. 2 7 - 5 3 . Vgl. Verf., Wahrheit - Methode - Charakter. Zur wissenschaftlichen Ethik der Germanistik im 19. Jahrhundert, in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 14.1 (1989), S. 5 0 - 7 3 . Vgl. Adolf Holtzmann, Untersuchungen über das Nibelungenlied, Stuttgart 1854, S. Vff.

berufene Verteidiger der Arbeiten Lachmanns nach seinem Tode (1851), nehmen diese Polemik als pietätlose Attacke auf Grundsätze der philologischen Berufsethik wahr. Lachmann formuliert sie exemplarisch in der Vorrede zur zweiten Ausgabe seiner Iwein-Edition 1843 als Charakteristik seines Lehrers und Mitarbeiters Georg Friedrich Benecke: Sein Vorbild leitet zum ernst und zur milde, zum trost und zum aufschwung, zur besonnenheit und zur gewandtheit, vor allem aber zu sorgfältiger treue, zum eifer für die Wahrheit und wider den schein, dahin richtet sich unser wohl bewustes streben, und wenigstens gefühlt haben als das seinige muss dies wer sich zu uns rechnen will, wie viel jeder einzelne würklich leisten kann, darüber haben wir nicht zu richten: aber nur Wahrhaftigkeit und sich selbst vergessende strenge Sorgfalt kann uns fördern. 2 6

Dem entsprechen die Kriterien für die Beurteilung gegenläufiger Ansichten. Berthold Litzmann, später Ordinarius für neuere deutsche Literatur in Bonn, vernimmt als Student in Berlin aus Müllenhoffs »Munde die Schändlichkeit, Verstocktheit, Bosheit und allgemeine, bodenlose, moralische Verworfenheit jener Nibelungenforschung und -kritik, die nicht Karl Lachmanns Wege gehen wollte.« 27 Diesem sittlichen Anspruch an wissenschaftliche Arbeit, der zugleich Verehrung der Tradition fordert und Zugeständnisse an außerwissenschaftliche Interessen verbietet, können und wollen die Schriften Holtzmanns sich nicht unterwerfen. Er erhält Unterstützung aus unterschiedlichen Richtungen. In der Sache, also in der Frage nach der Bewertung der vorliegenden Handschriften, legt der Leipziger Friedrich Zarncke einige Wochen später eine eigene Revision der Überlieferungskritik Lachmanns vor. 28 Damit hat sich ein Philologe der Lachmann-Tradition gegen den Meister bekannt, während Holtzmann, auch Professor für orientalische Sprachen in Heidelberg, noch als Außenseiter der Diskussion gelten konnte. Die persönliche Erbitterung von Haupt und Müllenhoff führt, besonders seitens des letzteren, eine bis dahin nicht gekannte Schärfe in die fachliche Auseinandersetzung ein. Nicht nur wird der Gegenseite jegliche philologische Kompetenz abgesprochen, den Kritikern werden zudem charakterliche Defizite und unlautere Motive unterstellt. 29 Ähnlich werden die bald als Gegner auftretenden Franz Pfeiffer, Karl Bartsch und Wilhelm Müller disqualifiziert. Deren Gegenposition manifestiert sich in der Gründung der Germania (1856) als einem Forum für Autoren, die gegen den Führungsanspruch der Berliner Philologen protestieren. 26

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Iwein. Eine Erzählung von Hartmann von A u e . Mit Anmerkungen von G. F. Benecke und K. Lachmann, 2. Ausgabe 1843. Hier zitiert nach der 3. Ausgabe Berlin 1868, S. V. Berthold Litzmann, Im alten Deutschland. Erinnerungen eines Sechzigjährigen, Berlin 1923. S. 188. Vgl. Friedrich Zarncke, Zur Nibelungenfrage, Leipzig 1854. Es handelt sich um die Antrittsvorlesung Zarnckes als Nachfolger des zunächst amtsenthobenen und dann nach Berlin berufenen Haupt! Zur inhaltlichen Position vgl. Otfrid Ehrismann, Nibelungenlied 1755-1920. Regesten und Kommentare zu Forschung und Rezeption, Gießen 1986, S. 54ff. Vgl. Verf., »Wir sind für immer geschiedene Leute«. Berliner Germanisten im »Nibelungenstreit«, in: Protokollband der Konferenz »100 Jahre Germanisches Seminar« der Humboldt-Universität, Berlin (Ost) 1990, S. 8 5 - 9 6 .

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Versucht wird zugleich, »die ganze spezifisch Lachmannsche Schule« 30 als einen homogenen Kreis machthungriger Epigonen zu etikettieren: »Der hämische und hochmüthige Ton und die exklusive Richtung der Lachmannianer ist unleidlich [...]; die der Wissenschaft und ihrem Fortschritt so verderbliche Cameraderie darf in der Germania nicht aufkommen.« 3 1 Die Zuschreibung »Schule« wird hier pejorativ verwendet, soll Einseitigkeit und geistiges Mitläufertum signalisieren. Die Tendenz dieses Vorwurfs kann sich auf entsprechende Äußerungen der Berliner Philologen berufen. Müllenhoff konstatiert, daß mit Lachmanns »Begründung der deutschen Philologie [...] in der That eine neue Epoche der Philologie begonnen« habe, und »jemehr wir bei der Ausdehnung des Gebiets der Schule und Zucht bedürfen, desto größer ist nur seine Bedeutung.« 3 2 Geradezu devot hebt Moriz Haupt in seiner Antrittsrede in der Preußischen Akademie der Wissenschaften hervor, er »habe keine leistungen aufzuweisen, die tief eingriffen in den gang der Wissenschaft«, und schließt mit dem Gedenken an »das unverdunkelte vorbild« Lachmanns. 3 3 Gemeint ist damit immer die unauflösbare Verbindung von Forschungsleistung und sittlicher Lebensführung, welche die Iwein- Vorrede verlangt, und die von Lachmann nach Ansicht seiner Schüler - und der Fachgeschichtsschreibung - exemplarisch verkörpert wird. 34 Aber aus dem Bereich persönlicher Vorlieben und Feindschaften heraus kann der »Nibelungenstreit« nicht erklärt werden. 3 5 Zunächst muß präzisiert werden, worin das >Epochale< der Philologie Lachmanns beruht, das Müllenhoff als bahnbrechende Neuerung, als >Gründung< der Wissenschaft von deutscher Sprache und Literatur feiert.

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Karl Bartsch am 5. 6. 1856, in: Hans-Joachim Koppitz (Hg.), Franz Pfeiffer/Karl Bartsch: Briefwechsel. Mit unveröffentlichten Briefen der Gebrüder Grimm und weiteren Dokumenten zur Wissenschaftsgeschichte des 19. Jahrhunderts, Köln 1969, S. 24. Franz Pfeiffer am 1 5 . 6 . 1856, in: Pfeiffer/Bartsch-Briefwechsel, S. 24. Vgl. auch das Vorwort in seiner Aufsatzsammlung mit dem programmatischen Titel: Freie Forschung. Kleine Schriften zur Geschichte der deutschen Litteratur und Sprache, Wien 1867, S. V I I XII: Je mächtiger der Gegner, desto massiver muß die Polemik sein. Karl Müllenhoff, Die deutsche Philologie, die Schule und die klassische Philologie, zitiert nach: Johannes Janota (Hg.), Eine Wissenschaft etabliert sich. 1810-1870, Tübingen 1980, S. 2 7 7 - 3 0 3 , S. 303. Moriz Haupt, Antrittsrede (6. 7. 1854), in: ders., Opuscula, Bd. III. 1, Leipzig 1876 (Reprint Hildesheim 1967), S. 1 - 3 . Vgl. auch die Widmung Haupts an Lachmann, in: Erec. Eine Erzählung von Hartmann von A u e . Hg. von Moriz Haupt, Leipzig 1839, S. Illf. Vgl. Hendricus Sparnaay, Karl Lachmann als Germanist, Bern 1948, S. 7ff.; Weigel, S. 33f. Vgl. Koppitz in der informativen Einleitung zum Pfeiffer/Bartsch-Briefwechsel, S. 14: »Letzten Endes wäre dieser Germanistenstreit zu vermeiden gewesen, wenn sich die verschiedenen Parteien nur näher kennengelernt hätten.« D i e s e Bekanntschaften bestanden übrigens durchaus. Zarncke beispielsweise war Hörer bei Lachmann und Haupt, Pfeiffer Mitarbeiter der Zeitschrift für deutsches Altertum, wie eine ganze Reihe der späteren Gegner Haupts.

III. Philologisierung: Karl Lachmann und die Folgen Eine »sehr klare Belehrung über Aufgabe, Grundsätze und Methode philologischer Textkritik« nennt Julius Zacher als Ergebnis Lachmannscher Vorlesungen, »Aufgabe und Zweck des Seminars war [...] also: Methode zu lernen.« 36 Dem kann auch die gegenwärtige Fachgeschichtsschreibung beipflichten: Lachmanns innovative Leistung liegt in der Übertragung der altphilologischen Textkritik auf deutsche Texte. 37 Damit ist allerdings das zu erklärende Phänomen nur in eine andere Disziplin verschoben. Begründet wird mit diesem Hinweis nur die wissenschaftliche wie öffentliche Reputation dieser »Methode«. Zu analysieren bleibt, warum die Textkritik als ein maßgeblicher Bestandteil der klassischen Philologie eine solche Bedeutung gewinnen konnte. Will man den oft beschriebenen Siegeszug der Altertumswissenschaft nach 1800 verstehen, muß man sich vergegenwärtigen, daß zwar die qualitative Zunahme an wissenschaftlich relevanten Informationen im 18. Jahrhundert gewaltig ist, aber der Auftrieb der Naturwissenschaften ist zunächst eine westeuropäische, keine deutsche Erscheinung. Deutsche Wissenschaft und Wissenschaftspolitik favorisieren im Zeichen des Neuhumanismus Konzepte individueller Bildung. Die Naturwissenschaften kämpfen bis weit in das 19. Jahrhundert hinein gegen das Stigma bloßer >Nützlichkeit< an. 38 Das deutsche Wissenschaftssystem, das durch die Universitätsreform schubartig gefördert und seiner Labilität enthoben wird, zeichnet sich im Gegenteil durch die Pionierfunktion der Altertumswissenschaft aus. Im internationalen Vergleich erreicht die deutsche Altphilologie bereits um 1830 ihre Spitzenposition, Geschichte und Bibelkritik folgen etwa ein Jahrzehnt später, die Naturwissenschaften erreichen um die Jahrhundertmitte eine führende Stellung. 39 Die uns heute geläufige Vormacht der mathematisch-naturwissenschaftlichen Disziplinen ist für die hier zur Diskussion stehende Phase der Wissenschaftsentwicklung wenig maßgeblich, jedenfalls um 1800 im Gebiet des späteren Deutschen

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Julius Zacher/Konrad Zacher, Art. Lachmann, in: J. Ersch/J. Gruber, Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und Künste, Teil 41, 2. Section, Leipzig 1887, S. 105-126, S. 113f. Vgl. Karl Stackmann, D i e Klassische Philologie und die Anfänge der Germanistik, in: Hellmut Flashar u.a. (Hg.), Philologie und Hermeneutik im 19. Jahrhundert. Zur Geschichte und Methodologie der Geisteswissenschaften, Göttingen 1979, S. 2 4 0 - 2 5 9 , bes. S. 244, S. 254; Ulrich Hunger, Romantische Germanistik und Textphilologie: Konzepte zur Erforschung mittelalterlicher Literatur zu Beginn des 19. Jahrhunderts, in: Jürgen Fohrmann/Wilhelm Voßkamp (Hg.), Von der gelehrten zur disziplinaren Gemeinschaft, Stuttgart 1987, S. 42* - S. 68*, bes. S. 60*f. Zum Selbstverständnis des Editors Lachmann und seiner psychischen Disposition vgl. Weigel, bes. S. 158-191.

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Vgl. das Resümee von Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800-1866. Bürgerwelt und starker Staat, München 1983, S . 4 8 4 f f . , bes. S. 495; neuerdings: R. Steven Turner, Universitäten, in: Karl-Ernst Jeismann/Peter Lundgreen (Hg.), Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd. III: 1800-1870. Von der Neuordnung Deutschlands bis zur Gründung des Deutschen Reiches, München 1987, S. 221-249, bes. S. 223ff.

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Vgl. Turner, S. 238.

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Reichs nicht feststellbar. 40 Dabei handelt es sich keineswegs um eine Verzögerung im Hinblick auf die Entwicklung zur modernen Gesellschaft. Hans-Ulrich Wehler hat jüngst darauf hingewiesen, daß in einer Periode beschleunigten sozialen Wandels »eine solche >allgemeine< Bildung einen Komplex von Verstandes- und Verhaltensdispositionen« bereitstellte, die sich »für die Lagebeurteilung und das Entscheidungshandeln von Eliten unterschiedlicher Natur als hochgradig funktional erwiesen.« 41 »Erfahrungsdruck« 4 2 muß auch die sich entwickelnde Altertumswissenschaft am Ende des 18. Jahrhunderts aushalten; systematische Entdeckungsreisen, Ausgrabungen und Archivsichtungen bringen auch hier Zugewinn an klassifizierbarem Material. Das berühmteste Beispiel für heute unvorstellbare Editionsleistung bietet der Berliner Ordinarius und Wolf-Schüler Immanuel Bekker. Er kollationierte mehr als vierhundert Handschriften in verschiedenen europäischen Bibliotheken und besorgte die Herausgabe von über einhundert Bänden mit antiken Texten. 43 Gerade in dieser Figur des unaufhaltsamen Herausgebers wird deutlich, worin sich die textphilologische Arbeit im frühen 19. Jahrhundert auszeichnet. Denn Bekker war jeder »nutzlosen sammelei« abgeneigt, wie es sein Kollege Moriz Haupt formuliert. 4 4 Der Altphilologe Rudolf Hirzel präzisiert 1888 in seiner Jenaer Antrittsrede unter dem Eindruck der erfolgreichen Naturwissenschaften: Selbst solche, die nicht gerade Gegner unsrer Wissenschaft sind, haben die Meinung, dass dieselbe nächstens Hungers sterben werde, weil es ihr am nöthigen Material gebricht. [ . . . ] Diese Ansicht ist ebenso oberflächlich als ungerecht. Sie ist ungerecht: denn sie gönnt der Philologie nicht was man andern Wissenschaften gern gewährt; von der Mathematik und Physik verlangt Niemand Vermehrung des empirischen Materials [ . . . ] . D i e Geschichte der Philologie lehrt überdies, dass wirklich gerade epochemachende Thaten in dieser Wissenschaft von einer Vermehrung des Materials ganz unabhängig waren

Nun ist zwar das Auftauchen neuer Objekte für eine Disziplin sicher kein Nachteil, besonders wenn man ihre öffentliche Legitimationspflichten bedenkt. Aber Hirzeis Beispiel, er erwähnt Friedrich August Wolfs Prolegomena ad Homerum (1795), spielt auf die Qualität des wissenschaftlichen Zugriffs an: Diese Schrift enthält »den ersten methodischen und sicher gegründeten Versuch der Geschichte 40

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Vgl. die instruktive Tabelle der nationalen Anteile an Entdeckungen in medizinischnaturwissenschaftlichen Fächern bei Nipperdey, S. 494. Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 2: Von der Reformära bis zur industriellen und politischen »Deutschen Doppelrevolution«, München 1987, S. 509. Wolf Lepenies, Das Ende der Naturgeschichte. Wandel kultureller Selbstverständlichkeiten in den Wissenschaften des 18. und 19. Jahrhunderts, Frankfurt/M. 1978, S. 16. Vgl. Rudolf Pfeiffer, D i e Klassische Philologie von Petrarca bis Mommsen, München 1982, S. 222. Bernhard Kytzler spricht von 141 Bänden in dem Artikel »Klassische Philologie«, in: Tilmann Buddensieg u . a . (Hg.), Wissenschaften in Berlin, 3 B d e . , Bd. 2, Berlin 1987, S. 96-101, S. 98. Vgl. auch die Gedenkrede von Moriz Haupt auf Bekker, in: ders., Opuscula III.l, S. 2 3 9 - 2 4 8 , bes. S. 246: Bekker »dachte griechisch«. Haupt, Gedächtnisrede auf Bekker, S. 244. Rudolf Hirzel, Über die Stellung der classischen Philologie in der Gegenwart, Leipzig 1888, S. 9f.

eines antiken Textes [ , . . ] . « 4 6 Nicht eines sensationell neuen, sondern eines bekannten Textes; keine abgeschlossene Edition, sondern ein »Versuch«, der jahrzehntelang diskutiert und revidiert worden ist. A b e r eben »methodisch« angelegt und damit am sich ausbildenden modernen

Wissenschaftsbegriff

partizipierend.

D i e an Wolf anschließende, ihn dann allerdings weit übertreffende Textphilologie von Gottfried Hermann über Bekker und Lachmann bis Jakob Bernays und Friedrich Ritsehl definiert, was als wissenschaftlich im modernen Forschungsbetrieb an der reformierten Universität des frühen 19. Jahrhunderts gelten kann. 4 7 D a s Wahrheitspostulat

als Insistenz auf jenseits von Personen existierendem,

gesichertem Wissen fungiert sowohl als Mittelpunkt des modernen Wissenschaftsbegriffs wie als konstitutives Zentrum seines Korrelats, der selbstdisziplinierten, asketischen Gelehrtenpersönlichkeit : Bei der Frage aber, wie viel durch eine Ausgabe irgend einer Schrift des Alterthums gewonnen sei, hört man noch gar zu oft den vornehm humanen Ausspruch der Trägheit, natürlich lasse sich über einzelne Lesarten und Erklärungen noch streiten, und des Einen Urtheil oder Gefühl solle den Anderen nicht vorschreiben. Von dieser sträflichen Milde weiss die ächte Kritik und Erklärungskunst gar nichts, weil sie auf Wahrheit ausgeht und nicht auf den Schein. 48 Es zeugt v o m impliziten Reflexionsniveau der Editionstheorie Lachmanns, daß dieser Wahrheitsbegriff als ein nur asymptotisch zu erreichender gedacht wird; die Editions/)rajtii arbeitet mit einem »Wahrscheinlichkeitsprinzip«, 4 9 faßt also den erreichten Status in der Sicherheit einer Textherstellung als prinzipiell revidierbar auf. D i e von Lachmann intendierte Rekonstruktion eines ursprünglichen Textes (Archetypus) ist »nichts weniger als unendlich, wenn auch ein einzelner schwerlich die Quellen schon ganz erschöpft und gewiss oft aus menschlicher Schwäche fehlt.« 5 0 Lachmann versucht deshalb, das subjektive iudicium des Herausgebers zu eliminieren, also Bedingungen anzugeben, »die es erlauben, mechanisch zu entscheiden«. 5 1 D i e s e sollen dann objektiven Wahrheitskriterien und zugleich dem

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R. Pfeiffer, S.215. Ich folge den Kriterien von Wolfgang Hardtwig, Die Verwissenschaftlichung der Geschichtsschreibung und die Ästhetisierung der Darstellung, in: Reinhart Koselleck u.a. (Hg.), Formen der Geschichtsschreibung, München 1982, S. 147-191, S. 151f. Karl Lachmann, Ueber G. Hermann's Ausgabe von Sophokles Ajax, in: ders., Kleinere Schriften zur classischen Philologie, hg. von Johannes Vahlcn, Berlin 1876 (Reprint Berlin, New York 1974), S. 1-41, S. 2. Magdalene Lutz-Hensel, Prinzipien der ersten textkritischen Editionen mittelhochdeutscher Dichtung. Brüder Grimm - Benecke - Lachmann. Eine methodenkritische Untersuchung, Berlin 1975, S. 237. Zu Mängeln und Widersprüchen vgl. S. 240ff. und Stackmann, S. 252f. Karl Lachmann, Rechenschaft über L. Ausgabe des Neuen Testaments, in: ders., Kleinere Schriften zur classischen Philologie, S. 250-272, S. 252. Vgl. zu dieser Edition ausführlich Weigel, S. 161ff., der S. 214ff. zeigt, daß Lachmanns Suche nach dem Archetyp ästhetischen Prinzipien - bis hin zur Gestaltung des Drucks - gehorcht. Sebastiano Timpanaro, Die Entstehung der Lachmannschen Methode, 2., erw. und Überarb. A. Hamburg 1971, S. 70. Timpanaro bezeichnet dies als den originellsten Beitrag Lachmanns zur Editionstechnik des 19. Jahrhunderts. 13

»unbestechlichen Wahrheitssinne« 52 des Forschers zumindest tendenziell genügen. Der Verbund der solchermaßen ermittelten wissenschaftlichen Wahrheiten beansprucht Systemcharakter,53 Zum einen wird dieses Postulat für tatsächliche Wissenschaftlichkeit durch die übergreifenden Definitionen der Altertumswissenschaft seit Wolf eingelöst. Die zahlreichen philologischen Einzeldisziplinen von der Numismatik über die Mythologie bis zur Metrik werden systematisch aufeinander bezogen. Einheit wird durch das Objekt der Wissenschaft, die klassische Antike selbst, gesichert. 54 Innerhalb dieser organischen Ganzheit werde zum anderen Widerspruchsfreiheit und Komplementarität der einzelnen Sätze angestrebt. Für die recensio, die Prüfung und Beurteilung der vorliegenden Überlieferungen, versucht Lachmann, ein »Gesetzmäßigkeiten-System« 55 zu erstellen. Im Nachvollzug der angegebenen Regeln soll sich die beste Lesart für die Rekonstruktion des Archetyps ergeben. Die Merkmale des Lachmannschen Arbeitsprogramms wie der Enzyklopädie Wolfs deuten auf ein Übergangsstadium. Um 1800 vollzieht sich als Folge der »Dynamisierung der Wissenschaft« (Schnädelbach) die Ablösung des alten gnoseologischen Wissenschaftsprogramms, dem die klassische Mechanik als paradigmatischer Fall von Wissenschaftlichkeit durch Mathematisierung erschien. 56 Die Wissenschaft an der Universität des 19. Jahrhunderts wird hingegen durch ein Konzept geprägt, das nicht mehr aus der intellektuellen Verfassung des Menschen schlechthin und seiner Erkenntnisfähigkeit begründet wird: A l s o nicht die Wissenschaft selbst als Aussagesystem oder als Inbegriff von Wissen vermag die Erfahrung als wissenschaftliche zu qualifizieren, sondern nur die schon als wissenschaftlich verstandenen Verfahren der Gewinnung und Überprüfung von Wissen können dies leisten. [ . . . ] Die prozedurale Wissenschaftscharakteristik selbst ist unumgänglich, wenn sich die Definitionsrichtung umkehrt und nicht mehr die Wissenschaft die Erfahrung als wissenschaftlich qualifiziert, sondern Erfahrung selbst als Wissenschaftskriterium erscheint. 5 7

Lachmanns textphilologisches Konzept weist in dieser Perspektive antiquierte und moderne Züge zugleich auf. Charakteristisch ist zunächst die Nähe zur formalen Sprachphilologie seines wichtigsten Lehrers Hermann. Dieser folgte in der Behandlung der Grammatik noch der Maxime Kants, »dass von scharfer Begriffsbestimmung ausgegangen und dann mit folgerichtiger Entwickelung von jeder einzel52 53

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Johannes Vahlen, Ansprache auf Karl Lachmann, in: SB Β 1893, S. 6 1 5 - 6 2 3 , S. 621. Hardtwig, S. 151; vgl. auch Herbert Schnädelbach, Philosophie in Deutschland 1831-1933, Frankfurt/M. 1983, S. 108. Vgl. Axel Horstmann, Die Forschung in der Klassischen Philologie des 19. Jahrhunderts, in: Alwin Diemer (Hg.), Konzeption und Begriff der Forschung in den Wissenschaften des 19. Jahrhunderts, Meisenheim am Glan 1978, S. 27-57, S. 34f. Lutz-Hensel, S. 326; Stackmann, S. 251f., spricht von »Regeln«. Vgl. Schnädelbach, S. 106, sowie Rudolf Stichweh, Zur Entstehung des modernen Systems wissenschaftlicher Disziplinen. Physik in Deutschland 1740-1890, Frankfurt/M. 1984, S. 14ff. Schnädelbach, S. 108.

nen Erscheinung der Grund aufgesucht und klar dargestellt« werden müsse. 58 Lachmann ersetzt zwar, wie zu sehen sein wird, diese logisch-rationale Prämisse, vertritt aber dennoch die resultierende Abneigung Hermanns gegen die WolfBoeckhsche Tradition einer umgreifenden Konzeption von Altertumswissenschaft: D i e wahren Philologen dagegen, wohl wissend, daß man im Fluge zwar schnell zu einer Höhe gelangen könne, wo man in der Vogelperspective sehr vieles übersieht, aber nichts recht unterscheiden kann, gehen einen andern Weg, und [ . . . ] sehen sie die Sprache als die schwerzuersteigenden Propyläen zu dem gesamten Alterthume an. 5 9

Diese Präferenz für Sprachphilologie bestimmt auch Lachmanns Forschungsprogramm. Anschluß an den Strukturwandel des Wissenschaftssystems gewinnt es allerdings nicht nur durch die von Hermann implizit geforderte Spezialisierung, sondern vorrangig durch die Empirisierung und Prozessualisierung der Textuntersuchung. In seiner berühmten Rezension der Hermannschen Ausgabe des Ajax von Sophokles tadelt Lachmann voreilige Herausgeber, »die nicht vor allen Dingen nach einem strengurkundlichen Texte streben, und ohne das schärfste Verhör aller Zeugen allzuschnell an die Arbeit zu gehen wagen.« 60 Lachmann argumentiert gegen die Bevorzugung oder jedenfalls ungeprüfte Hinnahme divinatorischer Verfahren der Kritik. Er übertrifft damit in der empirischen Grundlegung noch andere sprachphilologische Richtungen. Der Ritschl-Schüler Franz Bücheler etwa will beim Antritt des Bonner Ordinariats 1878 die Zulässigkeit nicht->mechanischer< Verfahren von der jeweils zu überprüfenden Persönlichkeit des Forschers abhängig machen: Freilich jene Divination, durch die der kritische Künstler über alle Schranken der Zeit und Hindernisse der Tradition hinweggetragen aus der Seele seines Schriftstellers das Wahre plötzlich neu produciert, sie ist so wenig lehrbar, als sich das Genie anerziehen läßt. 6 1

Für Bücheler hat sich im Zeichen ausufernder Spezialisierung und quantitativer Ausdehnung seines Fachs das ehemalige Wundermittel der Konjekturalkritik als gefährlich erwiesen: »Die Diagnose gelingt 20mal, die Heilung kaum lmal.« An die Stelle der »Masshaltung jener Meister«, genannt werden Bekker und Lach-

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Hermann Koechly, Gottfried Hermann. Zu seinem hundertjährigen Geburtstage, Heidelberg 1874, S. 28. Vgl. Horstmann, S. 49f. Gottfried Hermann, Ueber Herrn Professor Böckhs Behandlung der Griechischen Inschriften, zitiert nach: Ernst Vogt, Der Methodenstreit zwischen Hermann und Böckh, in: Flashar u.a. (Hg.), S. 103-121, S. 115. Diese Gegenüberstellung von Übersicht und genauer Kenntnis erscheint in der Germanistik als Kriterium für die Unterscheidung von >wahrem< Philologen und >ungründlichem< Literarhistoriker; vgl. Jürgen Fohrmann, Literaturgeschichtsschreibung als Darstellung von Zusammenhang, in: Fohrmann/Voßkamp (Hg.), S. 174*-187*, S. 180*. Lachmann, Rez. Hermann, S. 2. Franz Bücheler, Philologische Kritik, Bonn 1878, S. 14.

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mann, sei in »pedantischer Nachahmung« die »Verballhornung« der alten Texte getreten. 6 2 Lachmanns Präferenz für das »induktiv-empirische Verfahren« 6 3 zeigt die Textphilologie auf dem· Niveau der allgemeinen Wissenschaftsentwicklung, von dem sie Bücheler schon wieder abkommen sieht. Die Durchsetzung des Empirismus, der in Deutschland erst mit der Diskreditierung des Hegelianismus auf breiter Bahn hervortritt, 6 4 macht die oft zitierte Wissenschaftlichkeit der Editionen Lachmanns aus, wenn auch Widersprüche bemerkt worden sind. 65 Die möglichst vollständige Prüfung der vorliegenden Überlieferungen und die vorurteilslose Revision existenter, teilweise sehr renommierter Ausgaben dienen der Ablösung spekulativer wie unüberprüfbar subjektiver Editionstätigkeit. Einen »Kampf für Echtheit gegen Eleganz« hat Timpanaro diese Postulate am Beispiel der ProperzAusgabe genannt. 6 6 Lachmann geht damit einen entscheidenden Schritt über Hermann hinaus, der noch überkommene humanistische Ausgaben für seine Editionen verwertete. 6 7 Lachmann hingegen setzt auf »streng historisch constituirte Texte«, die möglicherweise »öfter der lieb gewordenen Gewohnheit« unbequem werden könnten. 6 8 Die konsequente Historisierung der editorischen Arbeit stellt den zweiten, um in Müllenhoffs Diktion zu bleiben, >epochalen< Aspekt des Lachmannschen Wirkens dar, das damit völlig auf der Höhe der zeitgenössischen Wissenschaftsreflexion steht. Schnädelbach hat im Rekurs auf Humboldts Forderungen in seinen Reformschriften vom »Ethos temporalisierter Forschung« gesprochen. 69 Wissenschaft wird nicht mehr als ein invariantes System aufzudeckender Wahrheiten begriffen, sondern als Prozeß: prinzipiell durch empirischen Zuwachs immer revidierbar und auf Innovation bedacht, nicht, wie im 18. Jahrhundert die Regel, gesichertes Wissen akkumulativ ablagernd. Die von Lachmann intendierte Genealogie der Hand-

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Bücheler, S. 13. Lutz-Hensel, S. 238. Der Induktivismus Lachmanns erklärt auch das Fehlen theoretischer Reflexion: Erfahrung geht vor Theorie; vgl. allgemein Schnädelbach, S. 113. Weigel, S. 199: Schleiermachers Hermeneutik untersuchte »die transzendentalen Bedingungen des Verstehens und lieferte zugleich der Editionspraxis die Theorie, die sie als Legitimation ihres weitgehend schweigsamen Tuns vorzeigen konnte.« Vgl. Schnädelbach, S. 110. Diese Periodisierung läßt Robert Prutz nicht gelten. Seiner Meinung nach stand Lachmann, »bewußt oder unbewußt«, unter dem Einfluß der Hegelschen Philosophie, deren Lehrmeinung ein Epos ohne schaffendes Autorindividuum entsprochen habe; ders., Der Dichter des Nibelungenliedes, in: Deutsches Museum 12.1 (1862), S. 8 4 9 - 8 6 1 , S. 851. Vgl. Lutz-Hensel, S. 237: »Handschriftenvorlieben« geraten in Konflikt mit dem Wahrscheinlichkeitsprinzip und dem angestrebten »quantifizierenden Verfahren«; vgl. auch Hunger, S. 62* und Weigel, S. 171f. Timpanaro, S. 28. Weigel, S. 168: »Darin bestand seine Genialität, auf der H ö h e der Zeit zu sein als >der richtige Mann am richtigen OrtNebeneinander Nacheinander : Die Bemühung um die Rekonstruktion des >authentischen< Archetyps erzeugt bei entsprechender Vielzahl der Textzeugen im Stemma ein umgekehrtes Evolutionsmodell,74 Während im naturwissenschaftlichen Modell der Evolution das Hervorgehen der höher entwickelten Formen aus den einfachen Ursprüngen deutlich wird, zeigt das Stemma die allmähliche >Verderbnis< des Originals in den verschiedenen Textzeugen. Friedrich Ritsehl entwirft 1837 den Plan für »einen förmlichen genealogischen Stammbaum über die Abstammung und Verwandtschaft aller Väter, Söhne, Brüder, Enkel und Neffen in 70

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Vgl. Lutz-Hensel, S. 244f. Timpanaro, S. 69, relativiert Lachmanns eigenständigen Anteil für die Altphilologie. Lachmann, Rez. Hermann, S. 2. Vgl. Lutz-Hensel, S. 442: Charakteristik der Handschriften, Lesartenapparat, erklärende Anmerkungen. Zu diesem Element moderner Wissenschaft vgl. Stich weh, S. 48f. Die traditionelle Gegenposition vertritt der Breslauer Altertumsforscher Johann Gustav Büsching: »Sollte eine Klarheit in diese Untersuchungen kommen, so mußte ich mir ein Fachwerk bilden, in welchem eine jede Entdeckung ihre Stelle fand, in welcher jedes Verhältniß, so viel wie möglich, betrachtet und erwogen ward.« Ders., Abriß der Deutschen Alterthums-Kunde, Weimar 1824, S. 6. Die Aufgabe klassifizierenden Denkens in Perioden massenhaften Informationszuwachses und die daraus resultierende Attraktivität von Evolutionsmodellen in Medizin, Rechtsgeschichte und den Naturwissenschaften ist das Thema von Lepenies, bes. S. 45ff. und S. 61ff.

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der großen Plautinischen Manuscriptenfamilie«. 75 Hirzel, der bereits die Leitfunktion der klassischen Philologie im Spektrum der modernen Wissenschaften nurmehr als »stolze Vergangenheit« 76 sieht, verkehrt ein halbes Jahrhundert später die tatsächliche Abfolge unter dem Eindruck naturwissenschaftlicher Vormacht. Aus dieser Abwehrstellung heraus meint er die Aktualität seines Faches beweisen zu können, wenn er dessen Partizipation am entwicklungsgeschichtlichen Denken nachweist. 77 Der strenge empirische Induktivismus der auch von Lachmann favorisierten Textphilologie sichert diesem Forschungsbereich der Altertumswissenschaft inner- wie außerwissenschaftliche Wertschätzung. Im reorganisierten Erziehungssystem übernimmt die Philologie propädeutische Funktionen und stellt die Lektüreverfahren für die bildende Aneignung der vorzugsweise antiken Überlieferung bereit. 7 8 Im reformierten Wissenschaftssystem sichert sich die Textphilologie den »Status einer Grundlagenforschung«. 7 9 Nach Haupts Einschätzung bietet sie »jeder philologischen und historischen Forschung« das benötigte Material »gesichtet und geläutert dar«, ohne sich in »subjectives meinen und vermuten« zu verirren. 8 0 Die unvergleichliche Karriere der Philologie ist im neugestalteten Bildungssystem nach 1800 also darin begründet, daß sie zugleich ihre Funktion, nämlich die Erzeugung wissenschaftlicher Wahrheiten, wie auch ihre Leistung, gesellschaftlich akzeptiert in der spezifischen Nützlichkeit für die Schule, zu aktivieren imstande ist. Die textphilologische Arbeit ist darüber hinaus deswegen interessant, weil sie nicht nur selbstgenügsam innerhalb der Altertumswissenschaft arbeitet. Haupt akzentuierte besonders ihre grundsätzliche Unentbehrlichkeit für andere Disziplinen, sei es die Geschichtswissenschaft, seien es die langsam sich emanzipierenden Neuphilologien. 81 Die neuhumanistische Bildungstheorie als Begleitsemantik des modernen Wissenschaftssystems im 19. Jahrhundert zeigt ihre enorme Wirkung für die Ausdifferenzierung neuartiger Fachbereiche in der Philosophischen Fakultät nicht nur im traditionellen Blick auf die geisteswissenschaftlichem Disziplinen. Im Gegenteil 75

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Zitiert nach Timpanaro, S. 46. D i e Absetzbewegung der Altphilologen von den Gelehrten des 18. Jahrhunderts diskutiert Grafton, S. 178ff. Hirzel, S. 1. Vgl. die teilweise ironischen Nachweise S. 15ff., daß die Philologie »auch hier mit dem Strom« schwimme. Vgl. Detlev Kopp/Nikolaus Wegmann, »Die deutsche Philologie, die Schule und die Klassische Philologie«. Zur Karriere einer Wissenschaft um 1800, in: Fohrmann/Voßkamp (Hg.), S. 123*-151*. Rainer Rosenberg, Zehn Kapitel zur Geschichte der Germanistik. Literaturgeschichtsschreibung, Berlin (Ost) 1981, S. 51. Rosenberg akzentuiert die Reinigung von historischen Aspekten im Ergebnis, dem edierten Text. Mir scheint dieses Resultat der Editionspraxis Lachmanns eher ein Moment von Kanonisierung einer bestimmten »klassischein] Kunstsprache« (Hunger, S. 61*) zu sein. Ich erinnere daran, wie hartnäckig Lachmann auf dem »streng historischen« Verfahren der Kritik besteht. Haupt, Antrittsrede, S. 2. Für die Geschichtswissenschaft vgl. Hardtwig, S. 174ff.; für die Germanistik vgl. Janota (Hg.), S. 32ff.

ist der Aufstieg der Naturwissenschaften wie der Mathematik damit verknüpft, daß es ihnen gelingt, einen der Altphilologie ebenbürtigen Bildungswert zu behaupten. 8 2 Dies gelingt durch die Wendung gegen praktisch-technischen Nutzen unter Beibehaltung empirischer Verfahren. Diese Argumentation ist in der Altertumswissenschaft früh vorgezeichnet worden: Philologie diene eben nicht der philantropisch intendierten Sachkenntnis, sondern der neuhumanistischen Formung des Individuums. Begriffsbildungen wie >klassische Physik< reklamieren noch 1890 für sich eine der klassischen Philologie< vergleichbare Wissenschaftsstruktur. 83

IV. Meisterschaft oder Dogmatismus? Die Kritiker der Forschungen Lachmanns haben in Anbetracht seiner Verdienste um die Verwissenschaftlichung der Beschäftigung mit deutscher Sprache und Literatur die Beweislast vollständig auf ihrer Seite. Die Argumentation wird deshalb oft mit einer rhetorischen Doppelstrategie vorgetragen. Wilhelm Müller beispielsweise glaubt für die Liedertheorie Lachmanns 1855 »hinlänglich gezeigt zu haben, daß sie weit davon entfernt ist eine Thatsache zu sein, vielmehr wegen ihrer unzulänglichen Begründung schon jetzt durch und durch erschüttert ist [ . . . ] . " Gleichzeitig aber gesteht er seine Anerkennung: »Lachmanns große Verdienste um die Wissenschaft werden nicht im Geringsten dadurch geschmälert, wenn die Zeit lehrt, daß er in dem einen oder andern Punkte nicht das Richtige getroffen hat.« 8 4 Der Kritiker stellt sich damit auf die Seite der Wissenschaftlichkeit: Textphilologie nach dem Muster Lachmanns ist solide Forschung in die richtige Richtung. Aber gerade deshalb muß im Detail Revision erlaubt sein, im Sinne der auch von Lachmann akzeptierten Unabschließbarkeit des Forschungsprozesses, der sich nicht an berühmten Namen, sondern an Ergebnissen orientiert. Dann ist es nur noch ein kleiner Schritt und quasi aus der Logik der Sache selbst folgend, die Position Lachmanns einzunehmen und nun von hier aus die Gegner dieses Wissenschaftsideals zu denunzieren: Wir sind von Achtung durchdrungen vor allen den Männern, welche unsere Wissenschaft geschaffen und gefördert haben [ . . . ] . Wir bilden keine Schule und auf unserer Fahne steht keine Schulmeinung, sondern wir wollen die Wahrheit erforschen. [ . . . ] Es ist dieselbe aufrichtige Liebe der Wahrheit, die uns einerseits allen Mitforschenden gegenüber verträglich macht, und uns andrerseits allen Autoritäten gegenüber den Muth der Unabhängigkeit u. Selbständigkeit verleiht. 8 5 82 83

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85

Vgl. Stichweh, S. 455ff., S. 498f. Vgl. Stichweh, S. 455f., der einen »naturwissenschaftlichen Neuhumanismus« konstatiert. Wilhelm Müller, Rez. Karl Müllenhoff, Zur Geschichte der Nibelunge Not, in: Göttingische gelehrte Anzeigen 1855, S. 689-720, S. 720. Adolf Holtzmann, Rez. Germania, 1. Heft, in: Heidelberger Jahrbücher der Literatur 49 (1856), S. 4 7 - 5 2 , S. 47. D i e Ähnlichkeit bzw. Übereinstimmung mit dem »Prospekt« der Germania ist nicht zufällig. Karl Bartsch nennt in seinem Nekrolog auf Holtzmann diesen als spiritus rector der Neugründung und Verfasser des bei Janota (Hg.), S. 3 2 0 - 3 2 3 , mitgeteilten Prospekts; vgl. Germania 16 (1871), S. 242-247, S. 244.

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Lachmanns Gegner spalten die von seinen Schülern angenommene Kongruenz von Gelehrtenleben, Gesamtwerk und einzelnen Editionsergebnissen auf. Wohl darf dem Meister philologischer Forschung ein ehrendes Angedenken bewahrt bleiben, aber sein Arbeitsprogramm ernstnehmen soll dann heißen, das Ethos unabhängiger Forschung auch an ihm selbst zu bewähren. An Karl Bartsch schreibt Franz Pfeiffer 1858: Wie können Sic glauben, daß ich Lachmanns eminente Verdienste um die Kritik je läugnen oder schmälern wollte. Ich habe ihm das Beste zu danken und lerne noch täglich von ihm, nicht nur, wie man es recht machen, sondern häufig auch, wie man es nicht machen soll. Letzteres ist zwar ein negatives, aber doch ein Verdienst. Lachmanns Nachbeter kann man nicht angreifen, ohne dem Meister auf den Leib zu gehen, denn was haben sie geleistet oder gethan, was nicht auf dem, als seinem Grunde ruhte, was er einmal gesagt, behauptet oder aufgestellt hätte? 8 6

Die Kritik an Ergebnissen Lachmanns kann sich dann selbst als eigentliche Wahrerin seines Erbes emphatisieren: Die »Liebe zur Wissenschaft und Wahrheit« verlangt unter diesen Voraussetzungen, daß »wir das, was wir als Wahrheit erkennen, nicht in uns verschließen, sondern, unbekümmert um Haß, Verdächtigung oder Schmähung, auch bekennen.« 8 7 Kann es eine exaktere Paraphrase des von Lachmann verkörperten Wissenschaftsideals geben? Es wird im Vergleich dieser Äußerungen mit solchen Müllenhoffs oder Haupts weitgehende Übereinstimmung im wissenschaftlichen Selbstverständnis der Germanisten in der Mitte des Jahrhunderts deutlich. Textphilologische Arbeit selbst bedarf keiner Rechtfertigung mehr, ihre Axiome wie der empirische Induktivismus und die Kontrollierbarkeit des Verfahrens werden gerade darin als grundsätzlich akzeptiert sichtbar, daß ihre Nichtbeachtung ein beliebter Vorwurf ist. 88 Das Nibelungenlied und seine Bearbeitung durch Lachmann sind deshalb in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts oft nur öffentlichkeitswirksamer Ausgangspunkt für Polemiken, denen es längst nicht mehr um eine sachgerechte Epos-Interpretation und -Kritik zu tun ist. Der »Nibelungenstreit« erhält durch die Vielzahl der beteiligten Autoren sehr bald eine solche Komplexität, daß eine im engeren Sinne argumentative Kontroverse ohne polemische Seitenhiebe zur Ausnahme wird. Zufälle, Rücksichten auf Freund/Feind-Konstellationen oder schlichte Unkenntnis tragen ihrerseits zur Verschärfung der Situation bei. Eine Episode aus dem Jahre 1862 mag das belegen. In der Germanistischen Sektion der XXI. Philologenversammlung in Augsburg referiert Bartsch über das Nibelungenlied. Pfeiffer, der selbst nicht anwesend ist, läßt sich von Freunden über den Vortrag und die anschließende Diskussion berichten. Pfeiffers nächster Brief an Bartsch ist äußerst distanziert gehalten. Er verleiht seinem »Erstaunen« Ausdruck, daß sich Bartsch gegen die doch zuvor 86 87 88

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Franz Pfeiffer am 7. 11. 1858, in: Franz Pfeiffer am 7. 11. 1858, in: Vgl. Verf., Wahrheit; wiederholt barkeit von Schlußfolgerungen schung.

Pfeiffer/Bartsch-Briefwechsel, S. 50. Pfeiffer/Bartsch-Briefwechsel, S. 51. werden saubere Zitate und intersubjektive Überprüfreklamiert, also Grundtugenden philologischer For-

privatim akzeptierte Kürenberger-Hypothese Pfeiffers ausgesprochen habe; der jüngere Freund wird bezichtigt, auf einen »Köder« der Gegner hereingefallen zu sein. 89 Die Antwort ist von äußerster Verwunderung geprägt. Bartsch referiert ausführlich seine damaligen Worte und bekräftigt die Zustimmung zu Pfeiffers Sicht. Dessen folgender Brief enthält bereits die Aufklärung des Mißverständnisses. Seine Gewährsleute, Pfeiffer nennt den Wiener Bibliothekar Diemer, den Wiener Extraordinarius Mussafia und den Erlanger Ordinarius Raumer, haben »das gerade Gegenteil« von Bartschs Vortrag mitgeteilt: Nicht aus böser Absicht haben sie so berichtet, davon bin ich überzeugt, wohl aber aus Unverstand, weil sie von der ganzen Sache nichts verstehen. Ich gehe eine Wette ein, daß keiner von diesen 3 gelehrten Thebanern von Lachmanns Theorie und Beweisführung eine klare Vorstellung hat: sie haben läuten hören, wissen aber nicht wie oder wo.1"1

Die Diskussion über die »verwickelten Streitfragen«, wie Pfeiffer die NibelungenDebatte im selben Brief nennt, hat zu einer solchen Vielfalt spezieller Ansichten und konkurrierender Arbeitsprogramme geführt, daß dem unbeteiligten Fachgenossen das Verständnis von Detailproblemen verwehrt bleibt. Nicht einmal ein Jahrzehnt nach Ausbruch des >Streits< zeigt sich, daß die Germanistik keineswegs geschlossen unter dem Eindruck dieser Kontroverse steht; jedenfalls findet keine völlige Ausrichtung der alltäglichen Arbeit auf die Nibelungenthematik hin statt. Die im folgenden beschriebenen Gruppen sind deshalb auch keine homogenen Vereinigungen jeweils übereinstimmender Epos-Interpreten. Es wird vielmehr zu beachten sein, daß sowohl >die Berliner< wie ihre Gegner höchst unterschiedliche Interessen in die Debatte einbringen und keineswegs eine einfache Polarisierung der disziplinaren Gemeinschaft vorliegt.

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Franz Pfeiffer am 10. 11. 1862, in: Pfeiffer/Bartsch-Briefwechsel, S. 122f. Für die Information über inhaltliche Streitfragen der Nibelungen-Forschung im 19. Jahrhundert, die nicht Thema der vorliegenden Untersuchung sein können, sei verwiesen auf die Anmerkungsteile der einschlägigen Briefwechsel sowie besonders auf die genannten Arbeiten von Ehrismann und Frühwald. Zu den aktuellen Forschungsproblemen vgl. auch: Joachim Heinzle, D a s Nibelungenlied. Eine Einführung, München 1987. Franz Pfeiffer am 15. 11. 1862, in: Pfeiffer/Bartsch-Briefwcchsel, S. 126.

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ZWEITER T E I L

Zum Prozeß der Gruppenbildung in der Germanistik

I. Franz Pfeiffer, Karl Bartsch und die Germania Der hier vorgelegte Versuch, koexistierende Gruppen in der Germanistik zwischen 1850 und 1880 zu unterscheiden, muß sich der Gefahr bewußt sein, die Komplexität der Disziplin unzulässig zu reduzieren. In diesem Zeitraum befindet sich die professionelle Behandlung deutscher Sprache, Literatur und Altertümer bereits in einer Phase der endgültigen Etablierung an den deutschsprachigen Universitäten. 1 Zahlreiche Lehrstühle, Extraordinariate und Privatdozenten, 2 seit 1856 zwei Fachzeitschriften und seit 1862 eine eigene Sektion in der Versammlung der deutschen Philologen und Schulmänner 3 lassen auf eine intensive fachliche Entwicklung schließen, der man durch Schematisierung kaum gerecht werden kann. Das Sozialsystem des Fachs allerdings wird durch den Prozeß der >Schulenbildung< erheblich verändert. Die Beobachtungen zu den Folgen für diese Ebene der wissenschaftsgeschichtlichen Analyse konzentrieren sich deshalb auf die Kommunikationsstruktur der Germanistik im »Nibelungenstreit«, die bisher kaum Beachtung gefunden hat. 4 Die Germanistik befindet sich um 1850 in einer Situation des Umbruchs. Mit Benecke (1762-1844) und Lachmann (1793-1851) sind zu Beginn der Kontroverse bereits zwei der ehemals führenden Fach Vertreter tot. Im folgenden Jahrzehnt sterben Joseph Freiherr von Laßberg (1770-1855), Friedrich Heinrich von der Hagen (1780-1856), Wilhelm Grimm (1786-1859), sein Bruder Jacob (1785-1863) und Ludwig Uhland (1787-1862). Die Germanistik verliert damit die für die Produktion und Popularisierung ihrer kognitiven Elemente wichtigsten und maßgebenden Mitglieder der disziplinären Gemeinschaft in der Frühphase. 5 Die methodische 1

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4

5

Vgl. Ursula Burkhardt, Germanistik in Süd Westdeutschland. D i e Geschichte einer Wissenschaft des 19. Jahrhunderts an den Universitäten Tübingen, Heidelberg und Freiburg, Tübingen 1976, S. 64; Weimar, Geschichte, S. 244ff. Vgl. Christian von Ferber, D i e Entwicklung des Lehrkörpers der deutschen Universitäten und Hochschulen 1864-1954, Göttingen 1956, S. 206. Ferber zählt für 1864 34, für 1880 51, für 1900 76 Hochschulgermanisten. Vgl. Klaus Röther, D i e Germanistenverbände und ihre Tagungen. Ein Beitrag zur germanistischen Organisations- und Wissenschaftsgeschichte, Köln 1980, S. 88ff. Zur Entwicklung der inhaltlichen Positionen einzelner Forscher sei noch einmal verwiesen auf die erwähnten Arbeiten Otfrid Ehrismanns, bes. in: Nibelungenlied in Deutschland, S. 103-198. Ideologiegeschichtliche Betrachtungen finden sich in der Studie von Brackert sowie bei Heinzle, S. 98ff. Vgl. Holger Dainat/Rainer Kolk, »Geselliges Arbeiten«. Bedingungen und Strukturen

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und inhaltliche Perspektive des Fachs ist dadurch kaum gefährdet; die philologische, an Lachmann anschließende, und die Jacob Grimm verpflichtete sprachgeschichtliche Arbeit sind akzeptierte Grundlagen wissenschaftlicher Germanistik geworden. 6 Aber moderne Wissenschaft konstituiert sich als »Verknüpfung kognitiver und sozialer Strukturen.« 7 Die Geltung von Methoden und Konzepten bedarf einer ständigen Legitimation in der »scientific community« (Thomas S. Kuhn), wobei nicht nur rationale Kriterien eine Rolle spielen. Der Angriff auf Lachmanns Nibelungen-Forschungen wird von seinen Anhängern als Verletzung sozialer Normen der fachinternen Diskussion gewertet: »Uebrigens haben fast alle Gegner Lachmanns seinen Tod abgewartet, um ihren papierenen Heldenmuth um so gemüthlicher leuchten zu lassen; dieser Umstand ist natürlich nicht gerade geeignet, das Zutrauen zu ihren Forschungen zu steigern.« 8 Auch Wilhelm Scherer denkt in seiner Rezension der Kleineren Schriften Lachmanns darüber nach, weshalb man »ihm gleichsam nach seinem Tode noch das undankbare Amt eines verantwortlichen Ministers der Philologie in Deutschland aufnöthigen« wolle. 9 Scherers Antwort lautet: »Auch ein Todter muß den Haß aller derer dulden, welche ihm zutrauen, daß er sie im Leben achtungslos behandelt haben würde.« 1 " In der erst langsam stabilisierten Disziplin der deutschen Philologie kam Lachmann zu Lebzeiten die Funktion zu, die fachliche Diskussion zu fokussieren. Dafür sind nicht nur die skizzierten wissenschaftlichen Leistungen bedeutsam; die Absicherung erworbener Reputation durch die gelungene Institutionalisierung dieser kognitiven Orientierung tritt hinzu. Lachmann hat einen Lehrstuhl an der führenden Universität des deutschsprachigen Raumes inne und vertritt sein Fach zusammen mit der angesehenen klassischen Philologie - an einem denkbar prominenten, repräsentativen Ort. Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, einer der führenden Altphilologen am Ende des 19. Jahrhunderts, hat diese wissenschaftspolitisch entscheidende Zentrumsfunktion der preußischen Metropole und den sich ergebenden administrativen Bonus in das Schlagwort »Berlinokratie« gefaßt. 11

der Kommunikation in den Anfängen der Deutschen Philologie, in: F o h r m a n n / V o ß k a m p ( H g . ) , S. 7 * - 4 1 * . 6

7

Vgl. Rosenberg, S. 41ff.; Janota ( H g . ) , S. 32ff. Zum unterschiedlichen Wissenschaftsbegriff beider vgl. Weigel, S. 22ff. Peter Weingart, Paradigmastruktur und wissenschaftliche Gemeinschaft - das Problem wissenschaftlicher Entwicklung, in: ders., Wissensproduktion und soziale Struktur, Frankfurt/M. 1976, S. 3 3 - 9 2 , S. 34. Ich orientiere mich im zweiten Teil der Untersuchung an der Beobachtung Weingarts, daß Zeitschriften die »Sichtbarkeit« (S. 59) von Gruppen erhöhen.

8

Karl Meyer, Z u r deutschen Heldensage, in: Deutsche Vierteljahrsschrift 32 (1869), H . 4 , S. 2 6 - 4 9 , S. 32.

9

Wilhelm Scherer, Rez. Karl Lachmann, Kleinere Schriften, in: Preußische Jahrbücher 38 (1876), S. 5 9 7 - 6 0 4 , S. 598.

10

Scherer. Rez. Lachmann, S. 598.

"

Ulrich von Wilamowitz-Moellendorf, Erinnerungen 1 8 4 8 - 1 9 1 4 , Leipzig o. J . ( 1 9 2 8 ) , S. 186. Vgl. auch den Abschnitt über Haupt und Müllenhoff in dieser Untersuchung.

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Ergänzt wird die Stellung an dieser renommierten Universität durch die Mitgliedschaft in der lokalen Akademie, deren Publikationen auf eine internationale Leserschaft zählen konnten. Zudem ist der von Lachmann vertretene philologische Umgang mit den altdeutschen Sprachdenkmälern in der Zeitschrift für deutsches Altertum verankert, die sich unter ihrem Herausgeber Moriz Haupt seit 1841 als einziges Fachorgan der jungen Disziplin halten kann. 1 2 Die Verehrung Lachmanns und eine konsequente Fortsetzung seiner Arbeiten tragen dem Hermann-Schüler Haupt 1853 die Nachfolge auf dem Berliner Lehrstuhl ein. Die Kontinuität philologischer Forschung am Ort bleibt gewahrt, als Karl Müllenhoff, Schüler Lachmanns und der Grimms, 1858 das Ordinariat von der Hagens übernimmt. Dieses philologische Monopol gerät beträchtlich ins Wanken, als nach Lachmanns Tod die Kritik an seinen Arbeiten mit der Polemik gegen den epigonalen Wissenschaftsstil seiner Schüler verknüpft wird. Pfeiffer rechtfertigt 1862 die Rezension einer neuaufgelegten Lachmann-Edition damit, daß »die Urteilslosigkeit und Impotenz der Schule« nirgends hervorträten wie dort. 1 3 Der Verfasser, Adolf Holtzmann, schließt seinen Verriß mit der Rüge »sklavisch treuer Ausführung« und erklärt solche »blinde, völlig gedanken- und willenlose Nachtreterei« zu einem »Denkmal vollkommener Armseligkeit«. 14 Aus dieser Analyse der wissenschaftlichen Rückständigkeit der Berliner Germanisten folgt für die Gruppe um Pfeiffer die Notwendigkeit, eine Gegenöffentlichkeit zu etablieren. Die 1856 gegründete Germania. Vierteljahrsschrift für deutsche Alterthumskunde markiert sowohl für ein interessiertes außerwissenschaftliches Publikum wie für die Fachkollegen eine eigenständige neue Position. Das Programm der Zeitschrift verspricht aber nicht nur die Wiedereinführung sachbezogener Arbeit und seriöser Formen der Auseinandersetzung, sondern sieht auch Miszellen, Nachrichten und Rezensionen, später Bio- und Bibliographisches vor. Das neue Fachorgan wird durch sein regelmäßiges Erscheinen und die genannten Rubriken erheblich flexibler als das Berliner Konkurrenzblatt, das in unregelmäßigen Abständen ausschließlich wissenschaftliche Aufsätze druckt. Besonders der Rezensionsteil erweist sich als geeigneter Ort für schnell reagierende Polemiken. Bereits 1864 kann Reinhold Bechstein konstatieren, daß Haupts Zeitschrift »eingeschlafen« sei, während die Germania als »das einzige Organ der deutschen Alterthumskunde zu gelten« habe. 1 5

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Vgl. Karin Morvay, Die Zeitschrift für deutsches Altertum unter ihren ersten Herausgebern Haupt, Müllenhoff, Steinmeyer und Scherer (1841-1890), in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 15 (1975), Sp. 4 6 9 - 5 2 0 ; Kurt Ruh, Zum hundertsten Jahrgang der Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur, in: Z f d A 100 (1971), S. 1 - 3 und seine Chronik der Zeitschrift, S. 163-165. Vgl. auch im zweiten Teil meiner Untersuchung. Vorbemerkung Pfeiffers zur Rez. Holtzmanns, Zum Nibelungenliede, in: Germania 7 (1862), S. 1 9 6 - 2 2 5 . Der Erstabdruck der Rezension datiert von 1859. Holtzmann, Zum Nibelungenliede, S. 225. Reinhold Bechstein, Die deutsche Philologie in Jacob Grimm's Todesjahr, in: Deutsche Jahrbücher für Politik und Literatur 11 (1864), S. 90-113; 12 (1865), S. 317-332, S. 331f.

Neben Bechstein können Fedor Bech, Ignaz Zingerle, Albert Höfer, Wilhelm Ludwig Holland, Hermann Fischer, Holtzmann und besonders Karl Bartsch als engere Verbündete Pfeiffers gelten. 16 Erheblich aufgewertet wird seine Gegenbewegung durch die Mitarbeit Jacob Grimms und Ludwig Uhlands in der Germania. Diese Altmeister der Germanistik tragen aber nicht nur durch wissenschaftliche Aufsätze zum Ansehen der Zeitschrift bei, ihre Namen schaffen auch einen Ausgleich für Lachmanns Reputation, auf die von Haupt und Müllenhoff verwiesen wird. Gleichzeitig demonstrieren Herausgeber und Beiträger ihre - mit dem Namen Uhland eng verbundene - Intention, altdeutsche Studien nicht als esoterische Wissenschaft, sondern mit Rücksicht auf das gebildete Publikum zu treiben: Ich darf in Hinblick auf meinen Leserkreis und will auch nicht zu viel Texte bringen, und diese womöglich nie ohne sprachliche Erläuterungen. Dieser Mangel an Erklärung und die vielen Texte haben, ich weiß es, Haupts Zeitschrift den größten Theil der Leser entfremdet. 1 7

Pfeiffer versteht diese Orientierung als Aufklärung über wissenschaftsfeindliche Praktiken der Gegenseite: Wir arbeiten doch zunächst für Laien, diesen müssen wir die Schwierigkeiten so viel wie möglich aus dem Wege räumen. [ . . . ] Ich bin überzeugt, daß man All dies mit Beifall aufnehmen wird; höchstens die Berliner werden schimpfen, daß man die Schulgeheimnisse preis gibt. U m so besser. 1 8

Die Stärke der Gruppe um Pfeiffer und seinen Nachfolger als Herausgeber der Germania, Karl Bartsch, liegt in der schnellen Etablierung eines flexiblen Publikationsorgans. Der ohne Zweifel zwischen 1854 und der Mitte der sechziger Jahre fortwirkende konservative Wissenschaftsstil der Berliner Philologen, ihre teilweise irrationale Verteidigung Lachmannscher Positionen, wird durch das aktuelle Programm der Kritiker in die Defensive gedrängt. Die gezielte Rücksicht auf Belange des akademischen Unterrichts 19 in kommentierten Ausgaben sowie die Bereitstellung systematisch erhobener Angaben zu wissenschaftlichen Neuerscheinungen und Personalia des Fachs sichern der Germania einen stabilen Leserkreis, finanzielle Unterstützung 2 0 und den parallel laufenden Editionen verlegerischen 16 17

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Zu den Personen vgl. den Anhang im Pfeiffer/Bartsch-Briefwechsel sowie Burkhardt. Franz Pfeiffer am 7.11. 1858, in: Pfeiffer/Bartsch-Briefwechsel, S. 50. Vgl. die dortige Einleitung, S. 13 und Janota (Hg.), S. 42ff. D i e Publikumsorientierung ist auch Maßstab für die Editionen. Franz Pfeiffer am 7.12. 1863, in: Pfeiffer/Bartsch-Briefwechsel, S. 149. Vgl. Franz Pfeiffer am 5. 11. 1860, in: Pfeiffer/Bartsch-Briefwechsel, S. 89. Vgl. als ein Beispiel für eine publikumsorientierte Begleitmonographie zu den Editionen Rudolf Menzel, Das Leben Walthers von der Vogelweide, Leipzig 1865. Neben den Lehrern nennt Menzel als Adressaten seines Buches »die höheren Stände und Berufsclassen« sowie die »ganze studirende Jugend«, wobei er sich auch »Zuwachs an frischen Kräften« für die Germanistik erhofft (S. X l l f . ) . Es sei »Folge der exklusiven Vornehmigkeit« (S. XI) der Fachdiskussion, daß das allgemeine Interesse am deutschen Altertum zurückgehe. D i e Germania wurde vom österreichischen Staat subventioniert, vgl. S. 104 und S. 106 im Pfeiffer/Bartsch-Briefwechsel.

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Erfolg. 2 1 Daß dieser Gruppe, über die gesamte zweite Hälfte des Jahrhunderts gesehen, kein dauerhafter Erfolg in der disziplinaren Gemeinschaft beschieden ist, hat eine Reihe von Gründen. Zunächst einmal fällt im Vergleich mit den Berliner Kontrahenten die institutionelle Marginalität im Universitätssystem auf. Pfeiffer selbst wird zwar 1857 als Nachfolger Karl August Hahns nach Wien berufen, kann aber von dort aus keinen Einfluß auf die Besetzung von Lehrstühlen in Deutschland nehmen. Bartsch, seit 1851 Professor in Rostock, übernimmt 1871 an der badischen Landesuniversität Heidelberg das Ordinariat Holtzmanns, kommt also an eine Hochschule von mittlerer Größe, die ihren Schwerpunkt um diese Zeit bei den Rechts- und Naturwissenschaften hat. 2 2 Die anderen Autoren der Germania besetzen Professuren an kleinen Universitäten: Höfer in Greifswald, Zingerle in Innsbruck, Holland in Tübingen, Bechstein als Nachfolger Bartschs in Rostock; Bech bleibt Gymnasiallehrer. Wie wichtig aber der Einfluß an den drei Großuniversitäten Berlin, Leipzig und München ist, weiß auch Bartsch, der 1861 klagt: »Wäre ich Lachmannianer, so wäre ich vielleicht nach Berlin gekommen [...], denn Haupt ist immer noch der allmächtige in der Facultät. Das sind Früchte der Wahrheitsliebe! Preußen ist mir für eine Reihe von Jahren verschlossen [...].« 2 3 Solche konkreten personalpolitischen Konsequenzen verdeutlicht auch das Beispiel des Münchner Ordinarius' Konrad Hofmann. Der Schüler und Nachfolger des berühmten Sprachforschers Johann Andreas Schmeller (verstorben 1852), zeigt den Willen zur rigorosen Durchsetzung traditioneller philologischer Qualifikation. 1861 verzögert er die Habilitation des Uhland-Schülers Wilhelm Hertz, dem schließlich ein Extraordinariat an der Universität versagt bleibt; daß ein »bloßer Dilettant« wie Hertz durch Pfeiffer protegiert worden sei, findet sich besonders hervorgehoben. 2 4 Ähnlich ablehnend verhält sich Hofmann bei dem schließlich erfolglosen Habilitationsgesuch des Zarncke-Schülers und späteren Breslauer Ordinarius' Eugen Kolbing. 25 Von vergleichbarem Nachteil ist die Fehleinschätzung fachinterner Kommunikationsstrukturen. Besonders Pfeiffer läßt in seiner Antipathie gegen die »Clique« jede differenzierte Beobachtung der tatsächlichen Einstellung seiner Kollegen vermissen. Umstandslos rechnet Pfeiffer Karl Weinhold und Julius Zacher zu seinen Gegnern, obwohl, wie zu sehen sein wird, beide in nicht unerheblicher Distanz zu Müllenhoff stehen. Um Zacher zu diskreditieren, publiziert die Germania Briefe des verstorbenen Jacob Grimm, die ablehnende Urteile über den Hallenser Ordi-

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Vgl. Pfeiffers Erfolgsberichte S. 180, S. 213 und S. 216 im Pfeiffer/Bartsch-Briefwechsel. Vgl. Turner, S. 224. Karl Bartsch am 31.10. 1861, in: Pfeiffer/Bartsch-Briefwechsel, S. 103. Bartsch, obwohl primo loco vorgeschlagen, scheitert deshalb auch in Marburg, vgl. S. 223. Berufen wird der Haupt-Schüler Karl Lucae. Vgl. die Darstellung des Vorgangs bei Stefanie Seidel-Vollmann, D i e Romanische Philologie an der Universität München (1826-1913). Zur Geschichte einer Disziplin in ihrer Aufbauzeit, Berlin 1977, S. 168ff.; das Zitat S. 171. Vgl. Seidel-Vollmann, S. 171f.

narius enthalten. 2 6 D i e Affäre provoziert eine öffentlichkeitswirksame »Erklärung Briefe Jacob Grimm's betreffend« seines N e f f e n Herman Grimm. Er verwahrt sich gegen den »scandalöse[n] Mißbrauch« der Korrespondenz und legt als Rechtsnachfolger seines Onkels »Protest« gegen eine etwaige Fortsetzung dieser »Rache« ein. 2 7 Pfeiffer antwortet mit der Unterstellung, Herman Grimm, Kunsthistoriker in Berlin, sei »aus nichts weniger als unverdächtiger Quelle« über die Veröffentlichung unterrichtet: Und wahrlich, sie ist vortrefflich organisirt diese Clique und Claque: wenn einem aus ihrer Mitte, und wäre er noch so »unbedeutend«, das Geringste geschieht, sofort schreien sie, einer Meute gleich, alle zusammen und verstehen es, den Fall geschickt in Scene zu setzen. Pfeiffer beharrt auf seiner Mission, »den Garten unsrer Wissenschaft von schädlichem G e w ü r m und v o n Schmarotzerpflanzen« zu säubern. 2 8 Müllenhoff, der Herman Grimm tatsächlich nicht beeinflußt hatte, fordert privatim »Hundepeitsche« und »Tollhaus« für seinen Kontrahenten, überläßt aber letztlich einer peinlich berührten Öffentlichkeit das Urteil über Pfeiffers Verhalten. 2 9 Ähnlich schroff begegnet Pfeiffer Karl Weinhold, den er zunächst als Mitarbeiter zu gewinnen sucht. Als dieser ablehnt, er hält die Neutralität der

Germania

nicht für gewährleistet, 3 0 bescheinigt ihm Pfeiffer ein »eingebildetes, abstoßendes Wesen« und bezeichnet ihn als »leidenschaftlichefn] Lachmannianer«. 3 1 Kurz darauf wird Weinholds Über den Beilaut in der Vierteljahrsschrift vernichtend besprochen; die »Kette der dargelegten Irrthümer« lasse nach Meinung des Rezensenten nur das Urteil »gänzliche Resultatlosigkeit« zu. 3 2 Pfeiffer selbst polemisiert einige Zeit später gegen Weinholds mittelhochdeutsches Lesebuch und disqualifiziert auch dessen sachliche Erwiderung als »Verbrämung mit sentimentalen Phrasen«. 3 3 26 27 28

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Vgl. Verf., Wahrheit, S. 67f. Erschienen in: LZB 1866, Sp. 435-438. Beide Zitate: Franz Pfeiffer, Erwiderung an Herrn Herman Grimm, in: LZB 1866, Sp. 493f. Karl Müllenhoff am 20. 5. 1866, in: Müllenhoff/Scherer-Briefwechsel, S. 156. Vgl. Weinholds Äußerung gegenüber Jacob Grimm vom 22. 4. 1856, mitgeteilt in: Briefe deutscher Philologen an Karl Weinhold, in: Mitteilungen aus dem Litteraturarchive Berlin III, 2 (1902), S. 57-105, Nr. 3. Weinhold äußert auch sein Mißtrauen gegen den Bartsch-Schüler Bech als Mitarbeiter am Deutschen Wörterbuch, als dessen Beiträger Rudolf Hildebrand Weinhold gewinnen möchte. Weinhold an Hildebrand vom 5. 11. 1863, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Philologie, in: Euphorion 25 (1924), S. 10-19, S. 18. Franz Pfeiffer am 12. 8. 1859, in: Pfeiffer/Bartsch-Briefwechsel, S. 64. Wenngleich Weinhold immer seine Verehrung Lachmanns bekundet hat, so ist dieses Pauschalurteil doch falsch. Zu den im folgenden näher behandelten Schülern Lachmanns, besonders Haupt und Müllenhoff, geht Weinhold auf Distanz; vgl. auch den folgenden Abschnitt meiner Untersuchung. (Franz Stark), Rez. Karl Weinhold, Über den Beilaut, in: Germania 6 (1861), S. 474-486, S. 486. Die Verfasserschaft klärt Pfeiffer, in: Pfeiffer/Bartsch-Briefwechsel, S. 109. Franz Pfeiffer, Rez. Karl Weinhold, Mittelhochdeutsches Lesebuch, in: Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien 14 (1862), S. 723-730; Karl Weinhold, Bemerkungen 27

Diesen Bruch des persönlichen Vertrauensverhältnisses kann auch Bartsch bei Übernahme der Germania-Redaktion durch einen versöhnlichen Brief an seinen ehemaligen Breslauer Lehrer nicht mehr rückgängig machen. 3 4 Gleichermaßen rigoros grenzt sich Pfeiffer gegen Zarncke ab, der in seiner Position als ebenfalls im »Nibelungenstreit« unmittelbar engagierter Lachmann-Kritiker zur Kooperation prädestiniert sein müßte. Gegen den Vorschlag Bartschs lehnt Pfeiffer den Leipziger Kollegen als Mitarbeiter an geplanten Editionen ab, kritisiert sein »vorlautes, anmaßendes Wesen« 35 und das »unverschämte Geschwätz im Centraiblatt«. 36 Erst in den achtziger Jahren konstatiert Bartsch eine gewisse Annäherung der Standpunkte. 3 7 Die rigide Isolierungspolitik Pfeiffers stellt die folgenreichste Schwäche seiner Wissenschafts- und Organisationspraxis dar. Selbst vor engen Mitarbeitern macht dieser Konfrontationskurs nicht Halt. In einem Brief äußert Bartsch über Holtzmann: »Aber freilich fehlt es ihm mitunter an philologischer Schärfe; das Gefühl geht manchmal mit ihm durch.« 3 8 Öffentlich wird dieser Vorwurf, der die Einschätzung des gemeinsamen Gegners verwendet, im Nekrolog der Germania wiederholt. Bartsch bewertet Holtzmanns »Gegenansicht« zu Lachmann: Sie »entbehrte einer streng durchgeführten Begründung und ließ im Einzelnen an philologischer Genauigkeit manches zu wünschen übrig.« 39 Ähnliche Bemerkungen fallen über Höfer; 4 0 auch mit Wilhelm Wackernagel, dem Pfeiffer seine Basler Ehrendoktorwürde verdankt, kommt es zum Bruch. 4 1 Diese selbstgewählte Exklusivität verhindert nicht nur die langfristige Durchsetzung der wissenschaftlichen Intentionen Pfeiffers. Der Verzicht auf eine aktive disziplinare Kommunikation erschwert die Bekanntschaft mit neuen Mitarbeitern, wirkt sich generell negativ auf zusätzliche Außenkontakte aus. Charakteristisch dafür ist das Auslaufen der Germania, deren letzter Band 1892 erscheint. Nach dem Tode Bartschs (1888) fungiert sein Schüler Otto Behaghel als Herausgeber, der seine Forschungen nicht mehr an der Arbeit des Heidelberger Lehrers orientiert, sondern an der aktuellen junggrammatischen Sprachwissenschaft. 42 Dem entspricht das Verfahren zur Wiederbesetzung des Lehrstuhls von Karl Bartsch. Die Fakultät verweist auf »die bereits erschütterte tradition der Heidelberger germanistischen schule« und votiert

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gegen Herrn Prof. Dr. Franz Pfeiffers Recension [ . . . ] , in: Beilage zur Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien 14 (1862), S. 1 - 4 ; Franz Pfeiffer, Antwort, ebd., S. 4; dort das Zitat. Unveröffentlichter Brief von Karl Bartsch an Karl Weinhold vom 16. 12. 1868, im Z A A d W , Nachlaß Weinhold. Franz Pfeiffer am 18. 6. 1863, in: Pfeiffer/Bartsch-Briefwechsel, S. 142. Franz Pfeiffer am 6. 3. 1864, in: Pfeiffer/Bartsch-Briefwechsel, S. 159. Zarncke hatte eine Schrift Pfeiffers zurückhaltend rezensiert. Vgl. Karl Bartsch, Rez. Friedrich Zarncke (Hg.), Das Nibelungenlied (6. Α . ) , in: Germania 33 (1888), S. 108f. Karl Bartsch am 9. 6. 1864, in: Pfeiffer/Bartsch-Briefwechsel, S. 167. Karl Bartsch, Adolf Holtzmann, in: Germania 16 (1871), S. 242-247, S. 243. Vgl. Pfeiffer/Bartsch-Briefwechsel, S. 179 und S. 196. Vgl. Koppitz' Einleitung in den Pfeiffer/Bartsch-Briefwechsel, S. 14f. Vgl. Neumann, S. 108.

für Wilhelm Braune, den Schüler Zarnckes. 43 Die mangelhaften kommunikativen Verbindungen verhindern, zumal für den Fachvertreter an einer kleinen Universität, die Rekrutierung einer hinreichend großen Schülerschaft, aus der wiederum innovative Kräfte für die Fortsetzung einer Wissenschaftsprogrammatik über den Generationswechsel hinweg gewonnen werden können. Sowohl Pfeiffer als auch Bartsch, die über Jahrzehnte die Germania führen, vernachlässigen in einer Periode erheblichen quantitativen Wachstums ihrer Disziplin die Partizipation an der sozialen Dimension des Wissenschaftsbetriebs. Die in den fünfziger Jahren noch originelle Berücksichtigung von Informationsbedürfnissen eines gebildeten Publikums, verbunden mit philologischer Kompetenz, wird am Ende der sechziger Jahre von Julius Zacher aufgegriffen und weiterentwickelt; auch kommentierte Textausgaben sind dann keine Domäne der Germania-Gruppe mehr, die es, ganz generell gesagt, nicht versteht, ihren zunächst kritischen Impetus auf Dauer produktiv zu modifizieren und innerhalb des Fachs zukunftsträchtige Eigenständigkeit zu demonstrieren. An den Leipziger und Berliner Universitätsgermanisten wird zu erkennen sein, wie eine erfolgreiche Durchsetzung kognitiver Strukturen organisiert werden kann.

II. Karl Weinhold, Julius Zacher und die Zeitschrift Philologie

für

deutsche

»Mit Karl Weinhold«, so beginnt der Breslauer Germanist Friedrich Vogt seinen Nekrolog, »ist einer der letzten aus dem leben geschieden, die noch aus Jacob Grimms und Lachmanns munde die wegweisung für ihre germanistischen Studien empfingen, der letzte der noch in Grimms geist und art das gesamtgebiet der germanischen philologie beherrschte und betraute.« 44 Kein Gedenkartikel, keine Erinnerung, die nicht diesen Abglanz der heroischen Frühzeit erwähnte, den Weinhold auch selbst in ehrfürchtiger Besinnung auf die >Gründer< kultivierte. Denen Schloß sich »ein kleines Häuflein pietätsvoller Schüler« an: »Das Lernen war eine fromme Lust. Man freute sich auf den Wegen der geliebten Meister zu wandeln und hinter ihnen her ergänzende Nachlese zu halten [.. ,].« 45 Die hier von Weinhold angedeutete Epigonalität hat in der Tat seine wissenschaftliche Produktion bestimmt. Selbst Erich Schmidt, der sich nach Scherers Tod für die Berufung Weinholds auf den Lehrstuhl Müllenhoffs eingesetzt hatte, 46 betont: »Weinhold 43

Vgl. Darstellung und Zitat bei Burkhardt, S. 38.

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Friedrich Vogt, Karl Weinhold, in: ZfdPh 34 (1902), S. 137-162, S. 127. Vgl. auch die Reminiszenzen von Conrad Müller, Germanistische Erinnerungen. D e r Alma Mater Vratislaviensis zum Jubelstrauß gebunden, Berlin 1911, bes. S. 16ff.; zum Breslauer Seminarbetrieb unter Weinhold vgl. S. 34ff. Karl Weinhold, Antrittsrede, in: S B B 1890, S. 780f. Vgl. Bernd Rindermann, D i e ersten Ordinarien am Germanischen Seminar: Karl Weinhold, in: Wiss. Zs. d. Humboldt-Universität zu Berlin. Gesellschaftswiss. R. 36 (1987), S. 7 8 2 - 7 8 4 , S. 782.

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blieb rückständig [...]. Die neue Bewegung war ihm fremd, unbehaglich, ja zuwider.« 47 Gemeint ist die junggrammatische Sprachforschung, deren Vertreter Eduard Sievers von seinen wissenschaftlichen Leistungen her zur Besetzung des erledigten Ordinariats hätte herangezogen werden können. Aber Weinhold erhält den Ruf nicht wegen wegweisender Forschungen oder einflußreicher Kollegen in der Fakultät: »Er ist die Abendröte, die aus der größten Zeit seiner Wissenschaft noch uns leuchtet und die noch der Jugend leuchten soll, deshalb habe ich ihn nach Berlin geholt.« 48 An der hauptstädtischen Universität als traditionelle philologische Gelehrtengestalt zu wirken, gleichsam die »ethischen und die gemütswerte der gegenstände seiner forschung mit ganzer seele« 49 zu vergegenwärtigen, soll die Rolle Weinholds in der Metropole sein. Der im Wissenschaftsbetrieb des Kaiserreichs schon anachronistisch anmutende Weinhold findet sich konsequenterweise nicht unter den direkt Beteiligten des »Nibelungenstreits«. Er sah ihm »mit verschränkten Armen zu«, formuliert Erich Schmidt nicht ohne vorwurfsvollen Unterton. 5 0 Friedrich von der Leyen, der als Student noch bei Weinhold hörte, erinnert sich, daß er »fast der gesamten Gegenwart eine beharrliche, meist sehr berechtigte Abneigung« entgegenbrachte, »das aufdringliche Schreien und Anpreisen« verachtete. 5 1 Weinhold hat, anders als seine Kollegen Müllenhoff, Scherer, Zarncke und Pfeiffer, nie systematisch Schüler an seiner Arbeit interessiert oder gar in die polemischen Debatten eingeführt. Er war vielmehr stolz darauf, »weder selbst eigentlich schule gebildet noch einer wissenschaftlichen fraktion angehört« zu haben. 5 2 Diese Neutralität und sein den Grimms und Lachmann eng verpflichtetes Wissenschaftsideal, besonders auch die weit ausgreifenden volkskundlichen Arbeiten, lassen Weinhold als eine singulare Gestalt in der Germanistik des 19. Jahrhunderts erscheinen. 5 3 Neben Wilhelm Wackernagel ist Weinhold der renommierteste Autor, den Julius Zacher in den ersten Heften seiner neugegründeten Zeitschrift für deutsche Philologie präsentieren kann. Wie Holtzmann und Pfeiffer seinerzeit für ihre Germania, so entwerfen auch Zacher und der als Mitherausgeber tätige Gymnasiallehrer Ernst Höpfner 1868 einen Prospekt. Der Akzent liegt aber nicht auf Konfrontation oder polemischen Schuldzuweisungen:

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Erich Schmidt, Karl Weinhold, in: ders., Reden zur Litteratur- und Universitätsgeschichte, Berlin 1911, S. 106-120, S. 117; Vogt, Weinhold, S. 152. Äußerung des zuständigen Ministerialdirektors im Preußischen Kultusministerium, Friedrich Althoff, zitiert nach: Friedrich von der Leyen, Leben und Freiheit der Hochschule. Erinnerungen, Köln 1960, S. 43f. Vogt, Weinhold, S. 161. Schmidt, Weinhold, S. 109. Friedrich von der Leyen, Karl Weinhold, in: Biographisches Jahrbuch und deutscher Nekrolog für 1901, Jg. 6, Berlin 1904, S. 4 7 - 5 1 , S. 51. Vogt, Weinhold, S. 161; vgl. Schmidt, Weinhold, S. 119, und von der Leyen, Weinhold, S. 51. Auch ohne einer Interessengruppe direkt anzugehören, bekleidet Weinhold die Ordinariate von Breslau, Krakau, Graz, Kiel und Berlin.

Die Haltung anlangend wird die Zeitschrift einen möglichst objectiven Charakter zu tragen, allem Partheitreiben fern zu bleiben und in ihrem Tone und ganzen Wesen jederzeit die W ü r d e der Wissenschaft zu wahren trachten. Jede wissenschaftliche Ansicht soll sich in ihr frei aussprechen dürfen, sobald solches in wirklich wissenschaftlicher Weise geschieht. 5 4

Germanisten aus unterschiedlichen Richtungen versichern diesem Programm ihre »thätige Mitwirkung«: Neben Weinhold fallen Rudolf Hildebrand und Zarncke aus Leipzig auf, Scherer aus Wien, Raumer, Wilhelm Wilmanns, ein Schüler Miillenhoffs, schließlich der Weinhold-Schüler Matthias von Lexer, Ernst Martin, Michael Bernays, Zingerle und Wackernagel. In einem Brief an Weinhold berichtet Zacher einige Jahre später über seine damaligen Intentionen: Die Zeitschr. habe ich begonnen, als und weil mehrere unserer besten leute, darunter auch Sie, müssig am wege standen, und nicht lust hatten, weder nach Berlin noch nach Wien zu gehen.

Abschließend bittet Zacher um einen Beitrag für seine Zeitschrift, wäre es auch nur, um kundbar zu machen, dass die alten auch noch da sind, und in alter freundschaft zusammenhalten, nicht gewillt der oft sehr vorlauten jugend das feld zu räumen u. gänzlich zu überlassen. 5 5

Zachers Projekt verdankt am Ende der sechziger Jahre seinen Erfolg zunächst dieser Wahrnehmung eines verbreiteten Unwillens gegenüber einem verselbständigten »Nibelungenstreit«, der sich längst aus der Diskussion inhaltlicher Probleme zu einer grenzenlosen Polemik gegen jeden tatsächlichen oder vermeintlichen Gegner entwickelt hat. 1868 erwähnt Zacher als Präsident der germanistischromanistischen Sektion auf der Philologenversammlung in seiner Eröffnungsansprache »Klagen und Wünsche« der »ältesten und geachtetsten Koryphäen unserer Wissenschaft« und ruft zu »neuefr] Einheit und Einigkeit« auf. 56 Zacher nimmt damit eine Position ein, die seiner wissenschaftlichen Biographie nicht reibungslos entspricht. In den fünfziger Jahren ist für ihn die rückhaltlose Verteidigung der Thesen und Polemiken Müllenhoffs selbstverständlich.57 Soweit die damaligen Publikationen der Ehrfurcht vor den Grimms oder Lachmann Ausdruck verliehen hatten, bleibt ihre Emphase auch später charakteristisch.58 Zu den Schülern der >GründerOberhaupt< der Leipziger Universitätsgermanistik, erwächst den Nibelungenforschungen Karl Lachmanns ein fähiger Kritiker, der nicht als Außenseiter, Autodidakt oder ehrgeiziger Popularisierer abzustempeln ist. 81 Schon im dritten Semester seines Studiums wird Zarncke Hörer Haupts in Leipzig, unmittelbar darauf sein Famulus und erlangt bei Hermann und Theodor Wilhelm Danzel eine solide philologische und literaturgeschichtliche Ausbildung. Mit Empfehlungen Haupts versehen, wechselt Zarncke nach Berlin zu Lachmann und den Grimms und wird bereits 1854 außerordentlicher Professor für deutsche Philologie an der Universität Leipzig als Nachfolger des amtsenthobenen Haupt. Zarncke rundet seine makellose akademische Karriere ab durch die

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die interpretation der überlieferten schriftzeichen, welche wir in divinatorischer kritik üben.« - D i e Kritik Zachers an der Betriebsamkeit junger Fachkollegen wird, besonders im Fall Scherers, auch für Weinhold bezeugt; vgl. C. Müller, S. 32, der dort über die Breslauer Germanistischen Abhandlungen (1882ff.) berichtet, die ein gewisses Zugeständnis Weinholds an moderne Publikationsformen bedeuteten. Weingart, S. 72. Vgl. zu den folgenden biographischen Angaben Friedrich Vogt, Friedrich Zarncke, in: ZfdPh 25 (1893), S. 7 1 - 9 0 . Zur Geschichte des von Zarncke gegründeten Seminars vgl. Marion Marquardt, Zur Geschichte des Germanistischen Instituts an der Leipziger Universität von seiner Gründung 1873 bis 1945, in: Zeitschrift für Germanistik 9 (1988), S. 681-687.

erfolgreiche Herausgebertätigkeit für das Literarische Zentralblatt, dessen erste Jahrgänge nach 1850 Autoren wie die Grimms, Müllenhoff, Theodor Mommsen und den Altphilologen Otto Jahn verzeichnen können. Mit dem Revisionsversuch zur Nibelungenkritik Lachmanns gerät Zarncke 1854 schlagartig in die Reihe der des Verrats am philologischen Erbe bezichtigten Germanisten. Obwohl seine Thesen von denen Holtzmanns erheblich abweichen, ist der Bruch mit Haupt und Müllenhoff unvermeidbar. Zarncke argumentiert zunächst noch sachlich, beruft sich auf seine akademischen Lehrer, 8 2 nimmt aber bald den Stil seiner Gegner auf. Anders als die Germania-Gruppe versucht Zarncke nicht, die Berliner Philologen als geschlossene Phalanx zu treffen. Über Holtzmanns polemischen Essay Kampf um der Nibelunge Hort gegen Lachmann's Nachtreter urteilt Zarncke 1855: Niemand, der Haupt's wissenschaftliche Persönlichkeit und seinen großen Wirkungskreis kennt, wird es zugeben können, daß über ihn so geringschätzig geurtheilt werde, wie es hier geschieht; Herrn M ö l l e n h o f f s subalterneren Leistungen aber wird durch diese Zusammenstellung eine Ehre erwiesen, die der Mann nicht verdient [.. ,]. 8 3

Wiederholt wird diese Strategie in der Rezension der Denkmäler deutscher Poesie und Prosa aus dem Vili-XII Jahrhundert 1864. An Müllenhoff werden »steife und orakelnde Manier« und »subjective Willkür« getadelt; über den Mitherausgeber Scherer heißt es, »daß die von ihm bearbeitete Partie im Ganzen einen viel erquicklicheren Eindruck« mache, »Sorgfalt« und »genaue Kenntniß« verrate. 8 4 Zarnckes Beurteilung zielt darauf ab, Müllenhoff zu isolieren und ihn als Philologen zu desavouieren, sich selbst aber im selben Moment als eigentlichen Verteidiger der Wissenschaft darzustellen. Deshalb die Wendung gegen Holtzmann wie auch die distanzierte Wertung der Arbeiten Pfeiffers. 8 5 Zarncke gebraucht Topoi, die ebensogut dem rhetorischen Inventar Lachmanns oder Müllenhoffs entnommen sein könnten. Dem letzteren wird »ein unbegreiflicher Fehler der Methode« angekreidet, er wird mit Sätzen Lachmanns korrigiert, findet aber doch seine »Sorgsamkeit, Gründlichkeit und Gelehrsamkeit« anerkannt. 8 6 Der Leipziger Ordinarius präsentiert sich als aufmerksamerer Schüler des allseitig akzeptierten Vorbildes, revidiert falsche Schlüsse mit überlegener Kenntnis und erweist sich als souveräner Richter und Sachwalter der Philologie gegenüber den Invektiven des Gegners. Dieser Gestus rein sachgebundenen Engagements bestimmt auch die

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Vgl. Friedrich Zarncke, Zur Nibelungenfrage, Leipzig 1854. Friedrich Zarncke, Rez. Adolf Holtzmann, Kampf um der Nibelunge Hort gegen Lachmann's Nachtreter, in: L Z B 1855, Sp. 176. Friedrich Zarncke, Rez. Karl MüllenhoffAVilhelm Scherer (Hg.), Denkmäler deutscher Poesie und Prosa, in: LZB 1864, Sp. 233-237. Noch 1884 erinnert Scherer diese Strategie mit Verbitterung; vgl. seinen Brief vom 4 . 1 0 . 1884, in: Horst Brunner/Joachim Heibig (Hg.), Wilhelm Scherer/Elias von Steinmeyer: Briefwechsel 1872-1886, Göppingen 1982, S. 282. Vgl. Friedrich Zarncke, Rez. Franz Pfeiffer, Forschung und Kritik auf dem Gebiete des deutschen Altertums, in: LZB 1864, Sp. 160-163. Friedrich Zarncke, Rez. Z f d A 10 (1855), 1. H., in: LZB 1855, Sp. 3 9 8 - 4 0 1 .

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offensive Rezension des neugegründeten Anzeigers für deutsches Altertum und deutsche Literatur 1875. Zarncke zeigt sich von der Konkurrenz für das Zentralblatt keineswegs unangenehm berührt, sondern begrüßt »hier einen wirklichen Fortschritt«, denn »jetzt heißt es: Stellung nehmen, discutieren, hervortreten mit den Gründen!« 8 7 Entsprechend wird Müllenhoff vor dem Fachpublikum ins Abseits gedrängt durch den Vorwurf, er habe nicht versucht, »seine Gegner zu überzeugen, sondern von vornherein die ganze Frage als gar nicht disputabel behandelt«, 88 die Nibelungenforschung also durch Arroganz und nicht durch Ergebnisse bereichert. Die geschickte Rhetorik Zarnckes sollte über seinen an Lachmanns Ethos strengster Wahrhaftigkeit geschulten Wissenschaftsbegriff nicht hinwegtäuschen. Die selbständige, um seriöse Prüfung bemühte Haltung Zarnckes wird in seiner Korrespondenz mit den Grimms deutlich. Jacob Grimms bekannte Rezension der Nibelungen-Ausgabe Hahns erscheint 1851 in den Göttingischen gelehrten Anzeigen; durch sie wird der Heptadenkonstruktion Lachmanns von renommierter Seite widersprochen. Grimm hatte seine Gegengründe aber ursprünglich dem Zentralblatt angeboten und um namentliche Kennzeichnung ausdrücklich gebeten, zweifellos, um etwaigen Gerüchten über sein Verhältnis zu dem verstorbenen Lachmann zuvorzukommen. Zarncke, der den berühmten Beiträger nicht verlieren möchte, wiegelt unter Berufung auf formale Gründe ab; es handele sich nicht um eine echte Rezension, sondern primär um »Polemik gegen Lachmann«. Zarncke empfiehlt sogar eine andere Zeitschrift, Grimm zieht die Besprechung aber von sich aus zurück. 8 9 Fast zwei Jahre später, Zarncke arbeitet inzwischen selbst über das Nibelungenlied, erinnert er Grimm an den Vorfall: Allerdings war Pietät für den großen Mann ein Hauptmotiv, [ . . . ] denn das war nicht zu leugnen, Ihre Entdeckung drohte der Lachmannschen Kritik den härtesten Stoß zu versetzen, ganz abgesehen von der wahrhaft ekelhaften Geheimnißthuerei [ . . . ] . Mich hat diese Entdeckung entsetzlich verstimmt. [ . . . ] Mit ihrer completen Unwahrscheinlichkeit fällt das ganze große Gebäude der Lachmannschen Kritik über den Haufen [.. .]. 9 0

Das Resultat dieser Einsicht bringt Zarnckes Vortrag Zur Nibelungenfrage, der 1854 zur Konfrontation mit Haupt und Müllenhoff führt. An dem dort propagierten Bekenntnis zu dem - auch von seinen Berliner Kollegen reklamierten - Wissenschaftsideal mit den Postulaten Wahrheit, logische Folgerichtigkeit und asketische Darstellung hält Zarncke während seiner gesamten publizistischen Laufbahn fest. In einem Rechenschaftsbericht zum fünfundzwanzigsten Jahrgang des Zentralblatts insistiert Zarncke auf dem »strengsten Maßstab der Wissenschaft«, um durch ihn »den Sinn für correcte und exacte Methode der Forschung in weiteste

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Friedrich Zarncke, Rez. Z f d A 19 (1875), 1. H . , in: LZB 1875, Sp. 1425-1427, Sp. 1426. Friedrich Zarncke (Hg.), D a s Nibelungenlied, Leipzig 2 1865, S. XXXV. Vgl. die Briefe Nr. 6 bis Nr. 12 in: Albert Leitzmann (Hg.), Briefwechsel der Brüder Grimm mit Friedrich Zarncke, in: SBB 1934, S. 931-982; das Zitat S. 937. Friedrich Zarncke am 29. 4. 1853, in: Grimms/Zarncke-Briefwechsel, S. 950f.

Kreise zu tragen [...].« Dabei sei »rücksichtslos« vorzugehen, und »dem bequemen Hinhorchen auf Namen, auf sog. Autoritäten, sollte kein Vorschub geleistet« werden. 9 1 Ein Jahr später eröffnet Zarncke eine unerbittliche Polemik gegen Wilhelm Scherer, der inzwischen für eine Berliner Professur im Gespräch ist. Die folgenden - beiderseitigen - Invektiven sind keine Konsequenz der Gruppenzugehörigkeit; noch wenige Jahre zuvor hatten beide einen intensiven Briefkontakt gepflegt. 92 Der vertrauliche, kollegiale Ton weicht in den Jahren nach 1875 einer prinzipiellen Auseinandersetzung über die Orientierung der Germanistik. Mit Süffisanz preist Zarncke neue Arbeiten Scherers als Beweise für »journalistisches Geschick«, nennt den »Ton, der hier angeschlagen wird, Reclame« und hält »solche Schnurrpfeifereien« für »der Würde der Wissenschaft nicht entsprechend.« 9 3 Es ist für die erwähnte Verworrenheit vieler scheinbar eindeutiger Koalitionen und Sympathien in der Folge des »Nibelungenstreits« einmal mehr bezeichnend, daß zu eben diesen Publikationen Scherers ein verächtliches Urteil Zachers vorliegt, das Zarnckes Intentionen vollständig entspricht: Lassen Sie doch den Berlinern ihren allein selig machenden glauben an ihre eigene Unfehlbarkeit! Wenn der alte [Lachmann, R. K.] heute wider aufstünde, er würde den gesellen schöne geigen, die sich auf seinen stuhl gesezt haben und sich anmassen mit seinem scepter regierens zu spielen. 9 4

Ganz in diesem Geiste Zacherscher Epigonen-Insinuation attackiert Zarncke die folgenden Schriften Scherers, die »durchaus populär und im Touristentone gehalten« seien: »Aber was soll das Alles gedruckt?« Und »dieser Touristenmanier entspricht auch sonstige Unfertigkeit« im Umgang mit den Gegenständen der Darstellung. Wiederum folgt der Rekurs auf Lachmann. Nicht der besprochene Autor, wohl aber sein Rezensent wahrt dessen Verdienste um die deutsche Philologie: »aber wir fragen, seit wann entspricht ein solches Vorgehen der wissenschaftlichen Wahrheitsliebe? Es ist Gift für diese.« Es fehle dem Verfasser »an der nothwendigen Vorbedingung, an der soliden Arbeit«, er habe begonnen, »die Journalistik mit ihrer leichtgeschürzten Methode rückwärts hineinzutragen in die

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Friedrich Zarncke, A n unsere Leser, in: LZB 1874, Sp. 1721-1726, Sp. 1721ff. Vgl. die ersten beiden Briefe in: Der Lehrer. A u s Briefen Friedrich Zarnckes, in: P B B (Tübingen) 100 (1978), S. 369-387. Zarncke, Rez. Z f d A 19, Sp. 1426f. Unveröffentlichter Brief Julius Zachers an Karl Weinhold vom 27.4. 1875, im Z A A d W , Nachlaß Weinhold. D e n Bezug erläutert der Hallesche Wissenschaftler dann gegen Ende des Briefes: »Dafür erweist mir aber auch hr. Scherer die besondere ehre, mich einen vielleicht vorsichtigen aber unproductiven gelehrten zu nennen. [Anspielung auf Scherer, Litterarhistorische Gespenster, R. K.] Was wol Haupt (geschweige Lachmann) zu einer productivität wie ztschr. 18, 461-65 [Scherer, Allerlei Polemik I, R. K.] gesagt haben würde!«

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germanistische Wissenschaft. Und das ist vom Uebel.« 9 5 Zarncke radikalisiert die Kritik am Darstellungsprinzip Scherers zur Abrechnung mit der grundsätzlichen Bereitschaft, die Postulate der philologischen Wissenschaftspraxis aus der Frühphase der Disziplin zu revidieren. Die Topoi der Dilettantenkritik werden reaktiviert, begleiten die Argumentation jetzt in umgekehrter Richtung: Die von Zarncke problematisierten Verfahren Scherers zeugen nicht mehr vom wohlmeinenden, aber unreflektierten Dilettantismus vorwissenschaftlicher Beschäftigung mit altdeutschen Stoffen; vielmehr wird der erreichte Stand der Wissenschaft verwässert - und das von einem angesehenen Mitglied der disziplinaren Gemeinschaft. Diese »Grenzverwirrung« (Zarncke) ist nun nicht die Folge eines handwerklichen Fehlgriffs bei der Präsentation des Materials und der Ergebnisse. Zarncke sieht das philologische Ethos gefährdet, die explizite Grundlage wissenschaftlichen Handelns in der Germanistik. Zarncke gibt damit nach zwanzig Jahren den Vorwurf der Pietätlosigkeit und der eklatanten Verletzung der Standards wahrer Forschung an die Berliner Rivalen zurück: desolates methodisches Bewußtsein und sittlich fragwürdiges Schielen nach der Publikumsgunst bei einem Ordinarius an der ersten Universität des Reichs, die ehedem Lachmann auf einen Lehrstuhl berief, zudem protegiert von Müllenhoff, der im selben Jahr die Kleineren Schriften des Altmeisters, von einem andächtigen Vorwort begleitet, herausgibt. Kann es da noch Zweifel geben, bei wem die paradigmatischen Arbeiten Lachmanns ihre wahre Fortsetzung gefunden haben? Die Schärfe der Auseinandersetzung ist das Resultat einer prinzipiell anderen Einschätzung der disziplinären Gegenwart. Wenn Zarncke Scherers Absicht kritisiert, »nur das Programm zu Untersuchungen« zu entwerfen, »die Andere ausführen möchten«, 9 6 so hält er den hierin sich aussprechenden Gestus und das Selbstverständnis Scherers weder für persönlich angemessen noch für zeitgemäß. In den Gedenkaufsätzen für Jacob Grimm entwickelt Zarncke seine Sicht der Wissenschaftsentwicklung. »Scharfsinn und treuer Fleiß«, so beginnt ein Artikel, »sind die Factoren, die den normalen und stetigen Fortschritt der Wissenschaft bedingen. Mit ihnen gerüstet sehen wir Tausende von Gelehrten in ununterbrochener Emsigkeit geschäftig, die einzelnen Probleme, eins nach dem anderen, zu erledigen.« Diese Reihe der durchschnittlichen Forscher durchbreche - »sparsam im Laufe von Jahrhunderten« - ein Revolutionär, »der sich diesem Maßstabe entzieht, in dem jene beiden Cardinaleigenschaften des Gelehrten erst als Momente zweiten Ranges erscheinen, der mit dem Instincte und der Produktivität des Ge-

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Alle Zitate: Friedrich Zarncke, Rez. Wilhelm Scherer, Geistliche Poeten der deutschen Kaiserzeit, in: LZB 1876, Sp. 151-153. Vgl. zu dieser Rezension in vornehmlich ideologiekritischer Sicht Uta Dobrinkat, Vergegenwärtigte Literaturgeschichte. Zum Verhältnis von Gegenwart und Vergangenheit in der Literaturgeschichtsschreibung Wilhelm Scherers am Beispiel der »Skizzen aus der älteren deutschen Literaturgeschichte« und der »Geschichte der deutschen Literatur«, Diss. FU Berlin 1978, S. 154ff. Zu Scherers Konzepten vgl. die folgenden Abschnitte in der vorliegenden Untersuchung. Zarncke, Rez. Scherer, Geistliche Poeten, Sp. 153.

nies ganzen Wissenschaften neue Grundlagen« gebe. 9 7 Für diese Ausnahmeerscheinungen sei Grimm ein vorzügliches Beispiel, der »mit dem kühn vordringenden Blick des Pfadfinders« 98 der deutschen Altertumskunde zum wissenschaftlichen Durchbruch verholfen habe. Bei aller Bewunderung für eine epochale Leistung akzentuiert Zarncke die Differenz zu Wilhelm Grimm. Er war »bemüht, mit der größten Sorgfalt alles Einzelne fein und sauber zu überlegen«, so daß schließlich »mehr seine, als des Bruders Arbeit für die Fortsetzer die maßgebende Grundlage ihrer Methode geworden ist.« 99 Aus dieser Perspektive kann kein günstiges Licht auf Wilhelm Scherer fallen, der sich den Anschein des »Pfadfinders« zu geben bemüht ist - und doch nur »Fortsetzer« sein kann. Die konsolidierte Disziplin, die sich ihrer Verfahren und Problemstellungen, so Zarncke, längst versichert habe, könne nur präzise Detailforschung prämieren, nur solide Arbeit sei nunmehr angezeigt. Selbsternannte Genies würden gerade im Zeitalter naturwissenschaftlicher Exaktheitspostulate den Dilettantismus wiederbeleben und das Fach in der öffentlichen Meinung schädigen. 100 Und daß diese dem Leipziger Germanisten nicht so gleichgültig ist, wie die Polemiken verschiedentlich vermuten lassen, erhellt aus einer sarkastischen Glosse, mit der Zarncke nach dem erwähnten unerbittlichen Ausfall gegen Scherers »Touristenmanier« in den Preußischen Jahrbüchern debütiert. Nach den obligatorischen Seitenhieben auf die »Lachmannianer von der stricten Observanz«, Zarncke rechnet sich zu den Lachmannianern mit »freierem Gebahren«, prägt er für seine Gegner den Spitznamen »Heptadisten«. 101 Der Scherer-Schüler Rudolf Henning repliziert unverzüglich mit bekannten Argumenten auf diesen Appell »an das weitere Publikum«. 102 Zarncke rechtfertigt sich mit der Behauptung, die Heptaden-Konstruktion sei Symptom der »Aufrechterhaltung eines geistigen Drillsystems«, durch das die Wissenschaft einen »Schaden« erleide, der »tief eingreift in das ethische Gebiet. Und dieser Umstand ist für mich das Motiv geworden, die moralische Unterstützung eines Leserkreises in Anspruch zu nehmen, wie ihn die 91

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Friedrich Zarncke, Jacob Grimm, in: ders., Kleine Schriften, Bd. 2, Leipzig 1898, S. 199-218, S. 199. Friedrich Zarncke, D i e Brüder Grimm, in: ders.. Kleine Schriften, Bd. 2, Leipzig 1898, S. 2 2 0 - 2 3 5 , S. 230. Zarncke, Brüder Grimm, S. 230f.; Zarncke formuliert hier ein Modell, das der modernen Wissenschaftsforschung als die Gegenüberstellung von normaler und revolutionärer Wissenschaft geläufig geworden ist. Vgl. Thomas S. Kuhn, Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, Frankfurt/M. 4 1979; Weingart schließt an diese Überlegungen an. Vgl. die Einschätzung der Forschungspraxis Zarnckes durch seinen Sohn Eduard Zarncke, in dessen Würdigung, in: Friedrich Zarncke, Kleine Schriften, Bd. 2, S. 376-397, bes. S. 390ff.: Zarncke war bestrebt, »überall in die Tiefe zu gehen«, ließ »nur die exacte Specialforschung« gelten und verwarf »das Handtieren mit den sogenannten höheren Ideen«.

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Friedrich Zarncke, D i e Heptaden und die Heptadisten, in: Preußische Jahrbücher 40 (1877), S. 4 7 5 - 4 8 6 ; die Zitate S. 476 und S. 485. Der Spitzname spielt an auf das Anordnungsprinzip Lachmanns in seiner Nibelungen-Edition.

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Rudolf Henning, Die böse Sieben noch einmal, in: Preußische Jahrbücher 40 (1877), S. 625 - 630, S. 625.

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Preußischen Jahrbücher um sich sammeln.« 1 0 3 Zarncke nähert sich damit nur scheinbar der von ihm bekämpften Publikationspraxis Scherers an, denn anders als sein Berliner Kontrahent behält der Leipziger Germanist die geforderte Trennung von fachwissenschaftlicher Behandlung und gezielter Popularisierung bei. Letztere genügt einer wichtigen Forderung an moderne Wissenschaft, die gerade im Zuge ihrer postulierten Autonomisierung für die Rechtfertigung ihrer Ergebnisse durch Transparenz Sorge zu tragen hat. 1 0 4 Ein gutes Beispiel dafür bieten Zarnckes Artikel über Goethe in der Augsburger Allgemeinen Zeitung in den Jahren 1877 bis 1888, zumal in dieser Zeit, nicht zuletzt durch das Engagement Scherers, die philologische Behandlung auch der neueren deutschen Literatur akademische Reputation erlangt. 1 0 5 Diese Übersetzungsleistungen von fachwissenschaftlichen Ergebnissen für außerwissenschaftliche Publika stoßen nicht auf die Ablehnung Zarnckes, der ausdrücklich Scherers Verdienst um die Popularisierung der »sonst ganz esoterisch und möglichst langweilig behandelten Fragen der Wissenschaft« hervorhebt. 1 0 6 Als illegitim hingegen bezeichnet Zarncke das Übergreifen popularisierender Darstellung in die eigentliche, fachinterne Problembehandlung, was dann den erreichten Stand der Verwissenschaftlichung rückgängig zu machen drohe. Der Artikel über die Heptaden Lachmanns und ihre Verteidiger in den Jahrbüchern greift nach Zarnckes Willen kein innerdisziplinäres Problem der Germanisten auf, sondern erläutert an diesem Beispiel nur die seiner Meinung nach negativen Konsequenzen einer dogmatisch verhärteten Position, die zudem noch von wissenschaftspolitisch einflußreichen Kollegen vertreten werde. Diese Erstarrung, dieser »Fanatismus«, sollten nun wiederum als prinzipielles Problem einer modernen Disziplin »das weitere Publikum, auch der Gelehrten«, interessieren, dessen geläufige Orientierung an »bewährte[n] Namen« in diesem außergewöhnlichen Falle versagen müsse. 107 Zarncke stellt seine wissenschaftspolitische Einsichten und seine Fähigkeit zu »freierem Gebahren« auch in seiner Tätigkeit als Ordinarius an der um 1870 zweitgrößten Universität des Reichs unter Beweis. Die in der Fachgeschichtsschreibung der Germanistik übliche Bezeichnung »Leipziger Schule« 108 für Zarncke und seine Schüler ist allerdings schon früh von berufener Seite zurückgewiesen worden. Eduard Sievers bezeichnet sich in einem Nachruf zwar »mit stolz« als Schüler: »Und doch hat Zarncke nicht eine schule hinterlassen, in dem sinne 103

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Friedrich Zarncke, Z u den Heptaden, in: Preußische Jahrbücher 41 (1878), S. 108f. Vgl. abschließend Rudolf Henning, Entgegnung, in: Preußische Jahrbücher 41 (1878), S. 109f. Zur Funktion von Popularisierung für moderne Wissenschaft vgl. Stichweh, S. 56ff. D i e Artikel Zarnckes verzeichnet Vogt, Zarncke, S. 88ff. Zur Neugermanistik vgl. den entsprechenden Abschnitt im dritten Teil der vorliegenden Untersuchung. Zarncke, Rez. Scherer, Geistliche Poeten, Sp. 153. Zarncke, Heptadisten, S. 477. Auf das Verhältnis von Essayismus und Außendarstellung komme ich in den Scherer-Abschnitten zurück. So bei Neumann, S. 102; Josef Dünninger, Geschichte der deutschen Philologie, in: Wolfgang Stammler (Hg.), Deutsche Philologie im Aufriß, Bd. 1, Berlin 2 1957, Sp. 8 3 - 2 2 2 , Sp. 187; Werner Bahner/Werner Neumann (Hg.), Sprachwissenschaftliche Germanistik. Ihre Herausbildung und Begründung, Berlin (Ost) 1985, S. 211.

wie man dies wort zu verstehen pflegt. Gar viele seiner schüler haben ganz andere bahnen eingeschlagen als die seinigen waren, je nach anlage und neigung.« Keine »summe persönlicher lehrsätze« habe als Ziel der Lehre gegolten, vielmehr habe Zarncke versucht, die einzelne Persönlichkeit »zu freister und vollster entwicklung« zu bringen. 109 Will man den Begriff der wissenschaftlichen >Schule< nicht nur als heuristische Kurzform für eine Gruppe von Gelehrten mit gleichen Interessen und identischen Ausbildungsgängen wählen, sind die Merkmalskataloge aus anderen Disziplinen hilfreich; für die Geschichte der Germanistik liegt keine Untersuchung zur Präzisierung des Begriffs vor. Die differenzierteste Definition liefert Edward Tiryakian in einer Studie zur soziologischen Schulenbildung. Zunächst akzentuiert er die starke Zentrierung der Schule um eine »intellektuelle charismatische Persönlichkeit, einen Gründer, der einen unerschütterlichen Glauben an das Modell, die Theorie [...], die er durchsetzen will, besitzt«, wobei dieses Programm durch die Rekrutierung von Schülern stabilisiert werden müsse. 110 Bereits in diesem Punkt behält Sievers gegen die Fachgeschichtsschreibung recht: Die wissenschaftlichen Biographien der bedeutendsten Schüler Zarnckes, neben Sievers also Wilhelm Braune und Hermann Paul, zeigen völlig unterschiedliche Arbeitsschwerpunkte, die wiederum nur zum Teil aus denen Zarnckes abgeleitet werden können. Pauls junggrammatische Sprachforschung oder die Lautphysiologie von Sievers stehen nur sehr bedingt mit Zarnckes philologischem Programm in Verbindung. Braunes Arbeiten zur Edition, besonders seine bahnbrechenden Nibelungen-Forschungen, kommen dieser Wissenschaftspraxis noch am nächsten. 1 1 1 Ebenfalls fehlt in der Leipziger Germanistik eine »professionelle Proklamation«, ein Gründungsmanifest, das die Orientierung einer wissenschaftlichen Schule exemplarisch verdeutlicht und für die Disziplin eine neuartige Position fixiert. 112 Gerade dem traditionellen Philologie-Begriff Zarnckes, wie auch Zachers, Weinholds, Pfeiffers oder Müllenhoffs, ist das Moment rein theoretischer Reflexion fremd. Die Konzentration auf induktive, empirische Forschung sieht eine methodologische Grundsatzerklärung nicht vor, wie sie für die Soziologie in Frankreich

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Eduard Sievers, Friedrich Zarncke, in: PB Β 16 (1892) S. V - V I I I , S. V i l i . Edward A . Tiryakian, D i e Bedeutung von Schulen für die Entwicklung der Soziologie, in: Wolf Lepenies (Hg.), Geschichte der Soziologie. Studien zur kognitiven und historischen Identität einer Disziplin, Bd. 2, Frankfurt/M. 1981, S. 3 1 - 6 8 , S. 49. Andere Merkmale einer Schule sind eine vorzügliche institutionelle Anbindung (beispielsweise eine große Universität), Publikationsmedien und ein Gründungsmanifest, auf das auch die Mitglieder der Schule als Basis ihrer wissenschaftlichen Identität rekurrieren können (S. 50). Auf die beschriebenen Gruppen von Germanisten treffen einzelne Kriterien zu; wichtig ist aber deren Zusammenwirken für die Durchsetzung einer Schule. Vgl. zur Beurteilung der Zarncke-Schüler die Aufsätze: Marga Reis, Hermann Paul, S. 159-204; Hans Fromm, Wilhelm Braune, S. 4 - 3 9 ; Peter Ganz, Eduard Sievers, S. 4 0 - 8 5 ; alle in: PBB (Tübingen) 100 (1978). Tiryakian, S. 50. 43

die Règles de la méthode sociologique (1895) darstellen. 113 Auch wegweisende Editionen, wie Lachmanns Iwein, können und wollen diese Funktion nicht erfüllen, weil in ihnen zwar das textphilologische Verfahren musterhaft durchgeführt, seine Verankerung in expliziter Selbstreflexion aber nicht geleistet ist: Die Legitimität, ja Notwendigkeit philologischer Tätigkeit bedarf in der Ära neuhumanistischer Bildungskonzepte keiner ständigen Begründung. »Den verschiedenartigsten Männern, die großentheils heute auf den ersten Kathedern Deutschlands sitzen«, lobt Victor Michels in seinem Nachruf, wurde Zarncke »in ihrer Eigenart gerecht. Er war beinahe zu ängstlich bemüht, keine Nachtreter zu ziehen, sondern selbständige Köpfe in eigene Bahnen zu führen.« 1 1 4 Diese in Erinnerungen und Nekrologen wiederholt gerühmte Liberalität des Universitätslehrers an einer stark frequentierten, traditionsreichen Universität ermöglicht es paradoxerweise, für die Leipziger Germanisten eine gegenüber der Germania-Gruppe und der Fraktion um Zacher und Weinhold erhöhte soziale Homogenität anzunehmen. Nicht die Verpflichtung auf Verfahren und Lehrmeinungen macht die Bedeutung des Lehrers Zarncke aus, sondern die »Fähigkeit, neu auftauchenden Richtungen und Strömungen sich zuzuwenden«, 115 seine Hörer für innovative Leistungen zu interessieren und zu motivieren. Diese aber, das wird auch das Beispiel Scherers zeigen, werden nach der Jahrhundertmitte nicht in der traditionellen philologischen Arbeit erbracht, die in eine Krise ihres Selbstverständnisses steuert. 1 1 6 Sowohl für Paul, Braune und Sievers als auch für ihre Kollegen Karl Brugmann und Hermann Osthoff wird die Rezeption der zeitgenössischen vergleichenden Sprachwissenschaft des Leipziger Slavisten August Leskien und der entsprechenden Arbeiten Wilhelm Scherers wegweisend. Bereits Ende der siebziger Jahre eröffnen die Publikationen Leipziger Germanisten der allgemeinen Sprachwissenschaft neue Felder und setzen in der Gesamtentwicklung ihres Fachs nachhaltige nicht-philologische Akzente. 1 1 7 Die Gründung einer eigenen Zeitschrift ist konsequente Fortsetzung der selbständigen Rolle dieser Wissenschaftler. Die Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur (1874ff.) sind »in erster Linie

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Vgl. Tiryakian, S. 53ff., und Victor Karady, Strategien und Vorgehensweisen der Durkheim-Schule im Bemühen um die Anerkennung der Soziologie, in: Lepenies (Hg.), S. 2 0 6 - 2 6 2 ; dort auch: Jerzy Szacki, »Schulen« in der Soziologie, S. 1 6 - 3 0 . »Schule« scheint mir deshalb für die Geschichte der Germanistik nicht in der engen Definition der Wissenschaftssoziologie, sondern nur als Kurzformel, als Verständigungshilfe brauchbar. Victor Michels, Friedrich Zarncke, in: Vossische Zeitung, Nr. 523 (1891), Sonntagsbeilage Nr. 45. Wilhelm Wundt, Ansprache, zitiert nach: Zarncke, Kleine Schriften, Bd. 2, S. 3 7 0 - 3 7 3 , S. 371. Bedingt durch die zunehmende Spannung zwischen Wissenschaftlichkeit im Detail (»Methode«) und inhaltlichen Verbindlichkeiten sowie übergreifenden, integrativen Forschungskonzepten. Vgl. Ada Hentschke/Ulrich Muhlack, Einführung in die Geschichte der Klassischen Philologie, Darmstadt 1972, S. 97. Vgl. Bahner/Neumann (Hg.), S. 354ff. und die genannten Artikel in P B B (Tübingen)

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gedacht als Forum für die Herausgeber selbst, ihre wissenschaftlichen Freunde und gleichgesinnten Kollegen. [ . . . ] >Die Berliner Clique< werden die wissenschaftlichen Gegner in den Briefen der Freunde genannt.« 1 1 8 Damit ist die Eigenständigkeit der Leipziger Germanistik unterstrichen, zumal der jüngeren Generation, denn Zarncke hatte in etablierten Zeitschriften offensichtlich zufriedenstellende Publikationsmöglichkeiten gefunden. 1 1 9 Besonders das Engagement Braunes macht »das Organ auf Jahrzehnte zu einem Zentrum sich historisch verstehender grammatischer Forschung«, so daß er sogar »eine Art Arbeitsteilung« mit der Zeitschrift für deutsches Altertum konstatieren kann. 1 2 0 Mag sich diese friedliche Koexistenz im Zuge fachinterner Differenzierung und Spezialisierung ergeben haben: In den siebziger Jahren stellt sich die neue Zeitschrift zunächst mit massiven Attacken auf die etablierten Größen der Philologie vor. Schon im ersten Band der Beiträge diskutiert Hermann Paul Lachmanns ¡wein-Ausgabe, deren positive Wirkung er in die Frühzeit der Disziplin verweist. In der Gegenwart aber sei »viel weniger die belebende anregung zu empfinden« als vielmehr die »lästige fessel, die der freien entwickelung unserer Wissenschaft auferlegt wird.« 121 Paul setzt die Provokation fort, indem er explizit Pfeiffers negativer Einschätzung der Edition beipflichtet und sein eigenes Verdikt mit dem Charakter Lachmanns begründet, der Vorliebe für alles schwierige und abstruse, welche ihn geneigt machte hinter jedem unsinn einen versteckten oder verderbten sinn zu suchen, ein verfahren, worin auch heutzutage leider von mancher seite die einzig richtige methode gesehen wird. 1 2 2

Konfrontation kann auch zwanzig Jahre nach Ausbruch des »Nibelungenstreits« zur Profilierung dienen; daß der intellektuelle Rang der Leipziger unbestreitbar ist, verschärft in den siebziger Jahren das Diskussionsklima noch einmal erheblich. Der Gegner der Leipziger Germanisten, das wird in allen polemischen Ausfällen deutlich, heißt aber nicht mehr Lachmann, Haupt oder Müllenhoff, sondern Wilhelm Scherer. Der »Nibelungenstreit« tritt damit im Kaiserreich in eine zweite Phase, in der die Schüler der ersten Generation das publizistische Feld dominieren. Bereits 1877, nur ein Jahr nach Zarnckes scharfer Abweisung der Darstellungsprinzipien Scherers, übernimmt Paul die Fortsetzung der prinzipiellen Auseinandersetzung, die in einer Reihe von Punkten auf den Lehrer zurückgreift. Paul versucht explizit, Scherers »Richtung« in »direktem Gegensatze« zu »der früheren Tradition der Lachmann'schen Schule, deren Fortsetzung sie doch sein will«, zu zeigen. Paul kehrt die Perspektive um und macht sich Lachmanns ethi118

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Fromm, S. 7. Die Studie greift zurück auf unveröffentlichte Briefe von Paul, Braune und Sievers. Beispielsweise in den Sächsischen Akademieberichten und in der Germania, vgl. Vogt, Zarncke, S. 85ff. Zur Relevanz von Zeitschriften für Gruppen vgl. auch Tiryakian, S. 50, und Weingart, S. 60. Beide Zitate bei Fromm, S. 9. Hermann Paul, Über das gegenseitige Verhältnis der Handschriften von Hartmanns Iwein, in: PBB 1 (1874), S. 2 8 8 - 4 0 1 , S. 289. Paul, Iwein, S. 290.

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sches Prinzip zu eigen, »die Besonnenheit und die Strenge gegen sich selbst, die erst nach harter Durcharbeitung sich erlaubt, über eine Frage abzuurtheilen.« Mit diesem Maßstab können Scherer dann fehlende Selbstkritik, »populäre Raisonnements« und die »Vermischung populärer und wissenschaftlicher Darstellungsweise« nachgewiesen werden. 1 2 3 Wie schon Zarncke versucht auch Paul, den Opponenten wissenschaftlich zu isolieren. Die Intention, wissenschaftliche Probleme anders zu akzentuieren und darzulegen, wird als solche nicht wahrgenommen. Bemängelt wird stattdessen der drohende wissenschaftliche Niveauverlust, der aus der »bundesgenossenschaft aller Journalisten« 1 2 4 erwachse. Diese am tradierten philologischen Wissenschaftsbegriff orientierte und im »Nibelungenstreit« längst nicht mehr originelle Abwertung des Gegners ergänzt Paul durch den Hinweis auf ein Spezifikum eben dieser Wissenschaftspraxis: »War doch jede Selbstbesinnung, jedes nachdenken über die berechtigung der überlieferten methode von jeher verpönt.« 1 2 5 Kritisiert wird damit das induktive Verfahren der Textphilologie, dem Paul die Verpflichtung auf kontinuierliche Theoriebildung entgegenhält. 1 2 6 In der mangelhaften Grundlagenreflexion, der »einseitigkeit des combinierens«, sieht der Leipziger Germanist die zentrale Inkonsequenz der von Scherer inspirierten Forschung. Zwar wolle er »die mittel der historischen kritik« verwenden, gerate jedoch aus dem genannten Grund immer wieder in den Bereich unseriöser Spekulation: >resultat um jeden preist ist das losungswort; und das mittel, wodurch dies résultat gewonnen werden kann, wenn die methodischen mittel versagen, kann nichts anderes sein als ein willkürlicher gewaltact.127

Die polemische Diskussion hat sich somit von der Frage nach der adäquaten Lachmann-Rezeption abgewendet, wie sie beispielsweise die Debatten zwischen Pfeiffer, Bartsch, Holtzmann und Zarncke auf der einen, Müllenhoff und Zacher auf der anderen Seite thematisierten. Auf die Tagesordnung rücken methodologische Reflexion und die Innendifferenzierung der Disziplin in Sprach- und Literaturwissenschaft. 1 2 8 Die Relativierung philologischer Traditionen ist damit verbunden wie auch ein weiterer Spezialisierungsschub, der wie in den Anfängen der Germanistik einstmals f ü h r e n d e Forscher auf bestimmten Gebieten marginalisiert. Ein Beispiel dafür bietet Scherers Zur Geschichte der deutschen Sprache. In ihren bahnbrechenden Morphologischen Untersuchungen rühmen die Indogermanisten Osthoff und Brugmann das Buch Scherers von 1868, durch dessen »impulse« sich die »physiognomie der vergleichenden Sprachwissenschaft nicht unbe123

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Hermann Paul, Sammelrez., Quellen und Forschungen (Bde. 9, 14, 15), in: Jenaer Literaturzeitung 1877, S. 4 2 8 - 4 3 0 , alle Zitate: S. 428. Hermann Paul, Nibelungenfrage und philologische Methode, in: P B B 5 (1878), S. 428-447, S. 439. Paul, Nibelungenfrage, S. 439. Vgl. Reis, Paul, S. 162ff. Ähnliche Ziele verfolgt sein Gegner Scherer. Paul, Nibelungenfrage, S. 445. Dies gilt für den kognitiven Bereich. Auf der Universität setzt sich die Trennung von >älterer< und >neuerer< Abteilung durch.

trächtlich verändert« habe. 1 2 9 Die Neuauflage (1878) wird von Osthoff in einer Rezension vorgestellt. Ihr erster Satz lautet: »Das Neue, welches die zweite Auflage des Schererschen Buches bringt, sind werthvolle Beiträge zur Charakteristik des Mannes und seiner Stellung zur Wissenschaft.« 130 Die Besprechung liefert keinerlei Diskussion etwaigen Erkenntnisfortschritts für die Sprachforschung, in seinem sachlichen Gehalt ist das Buch für Osthoff veraltet: Manche Passagen zeigten, »daß Scherer von den Forschungen der letzten Jahre [ . . . ] ganz abseits gestanden hat und nun doch darüber mitzureden« wage. 131 Osthoff bemängelt, daß Scherers »genialer Instinct« zwar neue Bahnen gewiesen, es aber versäumt habe, diese Grundlagen durch strenge Forschung zu Details und »Principienfragen« auszuschöpfen: »Dieses Mannes Art ist es nicht, Gedanken bis zum Ende zu denken.« So sei die epochale Leistung inzwischen zur »Engros-Darstellung« verkommen. 1 3 2 Einen ähnlichen Akzent setzt Paul in seiner Rezension. Obwohl immer noch anregend zu lesen, dürfe das Buch »nur noch ein geschichtliches Interesse in Anspruch nehmen.« 1 3 3 Paul erklärt dies mit Scherers falscher Analyse wissenschaftlicher Evolution, die es gegenwärtig nicht mehr erlaube, einen Forschungsbeitrag »nach dem Muster der Lachmann'schen Hauptwerke zu einem kanonischen Buche« zu erheben. Sowohl in den Einzelergebnissen wie »in Bezug auf die Methode« sei die Sprachwissenschaft »weit über Scherer's damaligen Standpunkt hinausgekommen«, statt der »fast schrankenlosen Willkür des Construierens« sei »Exactheit« eingekehrt, die »nur von den reinen Gesetzeswissenschaften der Mathematik, Physik und Chemie übertroffen« werde. 1 3 4 Die Zarncke-Schüler orientieren sich nicht mehr an den Traditionen der >Gründerdie Leipziger< die Stelle(n) der Germania-Gruppe im süddeutschen Raum übernehmen. Die Tübinger Philosophische Fakultät nennt für die Wiederbesetzung des Ordinariats von Keller 1883 Sievers, Paul und Braune; Sievers wird berufen, wechselt 1887 nach Halle und geht 1892 nach Leipzig zurück: das Musterbeispiel einer durch unbestrittene fachliche Leistung ermöglichten akademischen Karriere. 1 3 6 Selbst Zacher, sicherlich kein vorbehaltloser Freund der Leipziger Germanistik, urteilt: »Unter den jüngeren stelle ich Sievers den anderen weit voran. Er arbeitet gewissenhaft, denkt, und ist ein vortrefflicher Charakter.« 137 Die genannten Stationen geben von der Reputation Sievers' nur einen unzulänglichen Eindruck; er erhält Angebote aus Freiburg (er empfiehlt Paul, der dort 1874 außerordentlicher, 1877 ordentlicher Professor wird), Münster und Bonn (Sievers lehnt nach dem Jenaer Angebot eines Ordinariats ab). Auch Harvard und Cambridge erteilen äußerst lukrative Rufe, die er zugunsten der Aussicht auf die Zacher-Nachfolge in Halle ablehnt. 1 3 8 Das krasse Gegenbeispiel findet sich im Werdegang Hermann Pauls, der an vier Universitäten fünffach primo loco gesetzt wird und dennoch keinen Ruf erhält, erst 1893 das Ordinariat Lexers in München übernehmen kann. 1 3 9 Der universitäre Mißerfolg Pauls steht in krassem Gegensatz zu seinen intellektuellen Fähigkeiten, ist aber eine Folge unzulänglichen persönlichen Einflusses. Während Sievers die wissenschaftlichen Kontroversen meidet, in der Zeitschrift für deutsches Altertum publiziert und mit dem Müllenhoff-Schüler Elias von Steinmeyer zusammenarbeitet, gerät Paul durch seine scharfen Ausfälle gegen Lachmann und Scherer in den Bannstrahl der preußischen Ministerialbürokratie, die sich auf Berliner Gutachter stützt. 1 4 0 Wilhelm Braune wiederum übernimmt nach seiner Tätigkeit in Gießen den Bartsch-Lehrstuhl in Heidelberg. Sein ehemaliger Leipziger Kollege Osthoff setzt die Nominierung primo et unico loco durch. Der Bericht der Berufungskommission hebt neben den Forschungen und dem breiten Lehrangebot Braunes auch seine Fähigkeiten als Herausgeber der Beiträge und der Neudrucke deutscher Literaturwerke des XVI. und XVII. Jahrhunderts (1876ff.) hervor. 141 Ein 136 137

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Vgl. Burkhardt, S. 21ff. Unveröffentlichter Brief Julius Zachers an Karl Weinhold vom 7. 4. 1886, im Z A A d W , Nachlaß Weinhold. Vgl. Dietrich Germann, A u s Eduard Sievers' Jenaer Zeit (1871-1883), in: PB Β (Tübingen) 90 (1968), S. 3 0 3 - 3 1 4 (mit Auszügen aus Gutachten über Sievers). Vgl. Reis, S. 168f. Vgl. Reis, S. 168; Germann, S. 308; Zarncke-Briefe, S. 379: »Althoff [zuständiger Ministerialdirektor, R. K.] scheint die Pflege der Schererschen Schule für eine Ehrenpflicht des Preußischen Cultusministeriums zu halten« (an Wilhelm Braune vom 23. 6. 1884). D i e Lage scheint sich später entspannt zu haben, vgl. S. 385. Vgl. Burkhardt, S . 3 8 f . ; Fromm, S. 20; Eduard Sievers, Wilhelm Braune, in: PB Β 51 (1927), S. I - V I , S. IV.

Hinweis auf die neuartigen Kriterien für soziale Anerkennung in einer konsolidierten Disziplin: Auch die organisatorische Tätigkeit gewinnt neben den traditionellen Anforderungen - Forschung und Lehre - an Bedeutung für die Reputation des hauptberuflichen Wissenschaftlers an der Universität des 19. Jahrhunderts.

IV. Moriz H a u p t , Karl Müllenhoff und die Zeitschrift für Altertum

deutsches

Bereits der Beginn des »Nibelungenstreits« zeigt, daß auch nach Lachmanns Tod seine Forschungen ein außergewöhnliches fachliches Interesse auf sich ziehen. In besonderem Maße gilt dies für seine Schüler Moriz Haupt und Karl Müllenhoff; es gilt nicht für den anderen germanistischen Ordinarius in Berlin, Friedrich Heinrich von der Hagen. Sein Wissenschaftsentwurf einer nationalpädagogischen Aufbereitung altdeutscher Texte steht im krassen Gegensatz zu dem philologischen Lachmanns. Die Bandbreite in der akademischen Beschäftigung mit deutscher Sprache und Literatur ist aber ohne diesen Vertreter der >Berliner Germanistik< nicht hinreichend beschrieben, dessen Leistungen in der professionalisierten Disziplin zunehmend in Verruf geraten (Lachmann über von der Hagen: »Dilettantenwerk für Dilettanten«) und mit Gleichgültigkeit gestraft werden. Gelegentliche Ausfälle gegen den »infallibeln hyperkritischen Papst mit dreifachem Doktorhut« (von der Hagen über Lachmann) haben dieses Außenseitertum in der >philologisierten< Disziplin nicht ändern können. 142 Für das Forschungsprogramm des neuen Fachgebiets bleibt von der Hagen ohne Wirkung, erlebt aber kurz vor seinem Tode die Genugtuung, von den Gegnern Lachmanns aufgewertet zu werden; so widmet ihm Holtzmann seine erste Streitschrift. Die Affinität der Polemiken Pfeiffers und Holtzmanns zu Positionen von der Hagens, die doch längst obsolet schienen, erklärt die aufkommende Erregung zusätzlich. Anders als Zarncke, der sich auf sachliche Einwände beschränkt, attackieren die Germania-Autoren bis dato paradigmatische Forschungsleistungen in prinzipieller Hinsicht, bestreiten Axiome der philologischen Arbeit wie den ausschließlichen Bezug auf die Fachkollegen und die Zurückhaltung bei der Kommentierung von Texten. Der professionelle Philologe sieht sein Selbstverständnis gefährdet. Wie anfällig dieses personal fixierte, um Lachmann zentrierte Gelehrtenethos ohnehin ist, bezeugt Zarncke. Er berichtet, vor Ausbruch der Feindseligkeiten habe Haupt von Holtzmann als dem »feinste[n] Kopf« der gegenwärtigen Philologie gesprochen, von dem »könne man lernen, was feine Methode« sei.

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Karl Lachmann an Jacob Grimm vom 25. 5. 1823, in: Grimms/Lachmann-Briefwechsel, Bd. 1, S. 397; Friedrich Heinrich von der Hagen (Hrsg.), Heldenbuch, Leipzig 1855, S. CIV; vgl. Grunewald, S. 2ff. D i e Kritik richtet sich besonders gegen den bloßen Abdruck aufgefundener Handschriften, ein Verfahren, das auch von Pfeiffer und Bartsch energisch kritisiert wird; vgl. in ihrem Briefwechsel S. 24f.

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Miillenhoff hingegen habe als »warnendes Beispiel« für ausufernde Konjekturalkritik gegolten. 143 Der Debatte um die Arbeiten Lachmanns und der veränderten Situation der deutschen Philologie begegnet sein Nachfolger in Berlin mit Unverständnis und der unbeirrbaren Apologie persönlicher Präferenzen. Für die von ihm herausgegebene Zeitschrift für deutsches Altertum allerdings bedeutet dieses Nicht-Reagieren Haupts einen Positionsverlust, der die Neugründung Germania aufwertet. Der erheblich agilere Müllenhoff sieht sich sehr bald genötigt, die Zeitschrift »leise und unvermerkt wieder in Gang« zu bringen, sei es durch »eine Intrigue hinter Haupts Rücken«, sei es durch Eigeninitiative bei der Rekrutierung neuer Autoren. 1 4 4 Die Beschwerden Müllenhoffs über die teilweise unrealistische, teilweise desinteressierte Redaktionstätigkeit seines Kollegen durchziehen die Briefe an Scherer bis in die siebziger Jahre. Weder bekämpft Haupt den Beiträgermangel, 145 noch befördert er fertige Manuskripte zum Druck 1 4 6 oder hält Absprachen mit dem Verleger oder den Mitarbeitern ein. 1 4 7 Nach Zachers Debüt mit der Zeitschrift für deutsche Philologie ergeht die bezeichnende Forderung Müllenhoffs an Scherer, säumigen Autoren Beiträge >abzupressenwirklich< wissenschaftlichen Beiträge hatte bieten können. Nach dem Hervortreten der Germania ist diese Monopolstellung gefährdet, die Intention, Sammelbecken aller deutschen Philologen zu sein, läßt sich nicht aufrechterhalten. Um so wichtiger für die Manifestation der eigenen Position erscheint es Müllenhoff und seinen engeren Vertrauten wie Scherer, Julius Zupitza, Richard Heinzel und Anton Emanuel Schönbach, eine nicht mehr nur exklusive, reagierende publizistische Haltung einzunehmen. Ein Beispiel für die offensive Auseinandersetzung - und für die zahlreichen >Stellvertreter-Kontroversen< - findet sich im 13. Band der Zeitschrift, der 1867 erscheint. 1858 hatte der Wiener Akademiker Zappert ein hebräisches Schlummerlied nach einem Pergamentstreifen der Hofbibliothek herausgegeben; 1868 überprüft ein Kollege Müllenhoffs, der Berliner Extraordinarius für historische Hilfswissenschaften Philipp Jaffé, das Schriftstück. Er qualifiziert es als »betrügerisches machwerk«, als Fälschung des Herausgebers. 149 Die germanistische Öffentlichkeit könnte den Fall, Zappert ist seit Jah-

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Friedrich Zarncke am 23. 6. 1856, in: Grimms/Zarncke-Briefwechsel, S. 961. Karl Müllenhoff am 27. 2. 1864, in: Müllenhoff/Scherer-Briefwechsel, S. 28. Vgl. Morvay, Sp. 495f.; auf den Bd. 11 (1859) folgt erst 1865 der 12. Bd.! Vgl. Karl Müllenhoff am 22. 5. 1867, in: Müllenhoff/Scherer-Briefwechsel, S. 213. Vgl. Karl Müllenhoff am 23. 6. 1868, in: Müllenhoff/Scherer-Briefwechsel, S. 265. Vgl. Karl Müllenhoff am 28. 6. 1868, in: Müllenhoff/Scherer-Briefwechsel, S. 270. Karl Müllenhoff am 19. 1. 1870, in: Müllenhoff/Scherer-Bnefwcchsel, S. 365. Philipp Jaffé, Zum Schlummerlied, in: Z f d A 13 (1867), S. 4 9 6 - 5 0 1 , S. 501.

ren tot, ad acta legen, hätte sich nicht - Pfeiffer zuvor mit einer energischen Verteidigung seines Kollegen hervorgewagt: »Von einem Donner und Carthaunenschlag, der im nächsten Heft der Zeitschrift gegen den Scheich und leider auch einige andre Wiener Freunde losplatzen wird«, berichtet Miillenhoff mit kaum verhüllter Schadenfreude an Scherer. 150 Solche Episoden erklären sich nicht nur aus der Neigung heraus, den wissenschaftlichen Gegner bei jeder sich bietenden Gelegenheit bloßzustellen und seine philologischen wie charakterlichen Mängel zu demonstrieren. Gegenüber den Anfängen der Zeitschrift Haupts mit ihrem asketischen Publikationsprogramm und ihrer unregelmäßigen Erscheinungsweise, die nur wirklich Wichtiges präsentieren wollte, 151 zeigen Artikel dieser Art einen Reflex auf die intensivierte Diskussion unter den Germanisten, in der nicht mehr nur philologische Sachargumente verhandelt werden, sondern auch die »Ehre der Partei« immer wieder behauptet werden muß. 1 5 2 Die Entstehung rivalisierender Fraktionen von Wissenschaftlern, wie sie in den Zeitschriftengründungen ablesbar wird, stellt auch die traditionsreiche Berliner Philologie vor die Aufgabe, ihre Reputation auszuweisen. Den Ausfällen der Gegner mit entsprechender Diktion zu antworten, reicht nicht aus; die Esoterik Haupts arbeitet den nicht nur fachintern tätigen Gegnern eher in die Hände, wie Müllenhoff richtig bemerkt. Rigoros wird deshalb der in der Wissenschaftsmetropole Berlin konzentrierte Einfluß auf institutionelle Vorgänge genutzt. Noch vorsichtig teilt Bartsch 1867 über die Philologenversammlung in Halle mit, es sei »nicht so hübsch und gemüthlich wie sonst« gewesen, er »hatte das Gefühl, als stünden die Berliner hinter den Coulissen und dirigierten die Drähte.« 1 5 3 Ein Jahr später wird die Vermutung Gewißheit: In Marburg unterliegt Bartsch Karl Lucae, der auf Grund »warmer Empfehlung von Müllenhoff sowie seiner Lehrer Zacher in Halle und M. Haupt« berufen wird. 154 1870 regt Müllenhoff die Berufung Scherers nach Straßburg an; 1 5 5 1872 setzt Müllenhoff den Althistoriker Nitzsch in Berlin durch; 156 1874 scheitert Steinmeyer in Greifswald nur an der »Dummheit« seines Protektors, der es hätte »durchdrücken können, wenn ich nur daran ge-

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Karl Müllenhoff am 3. 2. 1867, in: Müllenhoff/Scherer-Briefwechsel, S. 192; den Hinweis auf diesen Vorgang gibt Albert Leitzmann in einer Anmerkung. Mit »Scheich« ist Pfeiffer gemeint, vgl. S. 24; unter die »Freunde« gehört Theodor Georg von Karajan, vgl. S. 197. Auch die anderen Gegner werden mit großem Einfallsreichtum dem Tierreich zugewiesen. Mit noch größerer Gelehrsamkeit hat Leitzmann diese Anspielungen entschlüsselt. Vgl. Morvay, Sp. 484 und Sp. 506. Wilhelm Scherer am 24. 6. 1869, in: Müllenhoff/Scherer-Briefwechsel, S. 326. Karl Bartsch am 8. 10. 1867, in: Pfeiffer/Bartsch-Briefwechsel, S. 218. Auch Scherers Literaturgeschichte will Müllenhoff 1872 als eine Offensive gegen Bartsch verstanden wissen; vgl. Fohrmann, Projekt, S. 221. Art. »Karl Lucae«, in: Chronik der Philipps-Universität Marburg für das Rechnungsjahr 1888/89, 2 (1888/89), S. 1 6 - 2 4 , S. 18. Vgl. Karl Müllenhoff am 3. 10. 1870, in: Müllenhoff/Scherer-Briefwechsel, S. 403. Vgl. Wilhelm Scherer am 14. 9. 1872, in: Müllenhoff/Scherer-Briefwechsel, S.487.

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dacht« hätte. 1 5 7 Volle Konzentration verrät dann wieder ein Brief aus d e m Jahr 1875: Rückerts Tod hatte mich gleich auf den Gedanken gebracht daß Weinhold streben werde nach Breslau zu kommen; dann schien mir Lucae ganz passend für Kiel. Von Martins Erlebnissen in Prag [...] weiß ich nichts. Aber wünscht er fort, würde ich ihn sehr gerne auch in Kiel (oder Breslau) sehen. [...] Lucae möchte ich darum rücken lassen, weil damit für einen der jüngern eine Stelle offen käme. Aber ich sehe ein daß Martin vorgeht. Steinmeyer schrieb mir von dem Plan daß Rödiger sich in Halle habilitieren solle, damit nicht ein Bruder Leipziger dort an Hildebrands Stelle einrückt. 158 Dieser Einfluß auf die Besetzung philologischer Ordinariate ist keine Folge besonderer Raffinesse Müllenhoffs, sondern verdankt sich der mit persönlichen Beziehungen und Vertrauensleuten operierenden Kultuspolitik des preußischen Staates. D i e Lehrstuhlinhaber der Berliner Universität fungieren als bevorzugte Ratgeber über potentielle Fakultätsvoten, wissenschaftliche Leistungen und Lehrerfolge der Bewerber sowie ihre charakterlichen Eigenschaften. D i e offizielle Kooptation der Fakultät, die Vorschlagsliste und das Berufungsverfahren liegen nach diesen informellen Informationsgesprächen der sachverständigen Ordinarien mit den zuständigen Ministerialbeamten. Miillenhoff und später auch Scherer erwähnen in ihren Briefen verschiedentlich diese selbstverständlichen Kontakte. 1 5 9 Entsprechend bleiben Bewerbungen von Wissenschaftlern der anderen Gruppierungen in der Ä g i d e der Ordinariate Haupt, Miillenhoff und Scherer ohne Erfolg. Nach von der Hagens Tod macht sich Zarncke H o f f n u n g e n auf die Nachfolge; den Lehrstuhl erhält Miillenhoff, im gerade eröffneten »Nibelungenstreit« schärfster Gegner der Kritiker Lachmanns und Vertrauter Haupts. 1 6 0 Als 1884 die Philosophische Fakultät der Universität Kiel für Hermann Paul als den Nachfolger Friedrich Pfeiffers votiert, lehnt das Ministerium ab. Zarncke kennt das entsprechende Schreiben; die Berliner Kultusbürokratie favorisiert Rudolf

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Schüler Müllenhoffs und Schwiegersohn des Berliner Mediziners Virchow: In demselben Rescript stehn, wie mir versichert ist, die unglaublichen Worte: das Ministerium bedaure überhaupt, daß die Facultät sich nicht bei so bewährten Kennern wie Müllenhoff und Scherer Rathes erholt habe. 161

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Karl Müllenhoff am 13. 6. 1874, in: Müllenhoff/Scherer-Briefwechsel, S.541. Karl Müllenhoff am 18. 9. 1875, in: Müllenhoff/Scherer-Briefwechsel, S. 573. 159 Vgl. für Müllenhoff im Briefwechsel mit Scherer S. 214, S. 534f., S. 573, S. 589, S. 594, S. 614. Für Scherer vgl. im Briefwechsel mit Steinmeyer S. 77, S. 82, S. 84, S. 208. Allgemein zu diesen Fragen: Bernhard vom Brocke, Hochschul- und Wissenschaftspolitik in Preußen und im Deutschen Kaiserreich 1882-1907: das »System Althoff«, in: Peter Baumgart (Hg.), Bildungspolitik in Preußen zur Zeit des Kaiserreichs, Stuttgart 1980, S. 9-118. Selbstverständlich war auch die Abstimmung mit den Kollegen der benachbarten Disziplinen, in Berlin also etwa mit dem Historiker Mommsen, den Philosophen Eduard Zeller und Friedrich Harms, den Altphilologen Adolf Kirchhoff und Johannes Vahlen als dem Nachfolger Haupts. 160 Vgl. aus der Perspektive des Betroffenen Zarncke den Grimms/Zarncke-Briefwechsel, S. 960ff. 161 Friedrich Zarncke an Wilhelm Braune vom 27. 1. 1884, in: Zarncke-Briefe, S. 376. 158

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Im »Nibelungenstreit« wird Personalpolitik gezielt genutzt, um den wissenschaftlichen Gegner auf der institutionellen Ebene zu schwächen. Dies gilt für alle Parteien, >die Berliner< allerdings verfügen über einen erheblich größeren Einflußbereich mit mehreren Hochschulen, unter ihnen die angesehenen Friedrich-Wilhelms-Universitäten in Bonn und Berlin. Haupt und Müllenhoff, die Protagonisten eines philologischen Wissenschaftsprogramms, geraten zwar gegenüber den neu konstituierten Fraktionen um Pfeiffer und Zarncke zunächst in einen publizistischen Rückstand, halten aber die institutionelle Machtposition in Berlin. Renommierte preußische Ordinariate werden nicht an Kritiker der Forschungen Lachmanns oder Kollegen mit mißliebigen wissenschaftlichen Zielvorstellungen vergeben. 162 Diese konservierende Haltung wird erst durch die Zusammenarbeit Müllenhoffs mit Scherer modifiziert, dessen Aktivitäten für das im »Nibelungenstreit« erschütterte Sozialsystem der Germanistik in den siebziger und achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts erhebliche Relevanz gewinnen. 163

V. Wilhelm Scherer und die Aktualisierung der Philologie Zugleich in seinen wissenschaftlichen Leistungen einer der umstrittensten Germanisten des 19. Jahrhunderts, ist Wilhelm Scherer mit Sicherheit der einflußreichste Historiker seiner Disziplin. Immer wieder thematisieren seine Arbeiten die Figur Jacob Grimms, seine Bedeutung für die wissenschaftliche Germanistik, sein Verhältnis zu Karl Lachmann, dem anderen >GründerStreit< vermeidender Schriftsteller. Er schließt seinen Rückblick auf die Anfänge des Fachs mit der fiktiven Aussicht auf ein »Inferno«, bevölkert von Kollegen, die »zur Ehre der Wissenschaft nichts beitragen, so viel sie selbst auch Ehre vor der Welt dabei gewinnen mögen.« Scherer gibt ein Panorama der zeitgenössischen Germanistik, in der sich die »leichtsinnigen Vielschreiber« finden, Menschen von »unverbesserlicher Halsstarrigkeit«, »Popularitätshascher«, »gewisse Mythologen«, welche die »Verstiegenheit ihrer Combinationen« büßen müssen, schließlich die »Einheitshirten des deutschen Volksepos«. Dagegen setzt Scherer »die kleine Gruppe von Männern«, die »im Paradiese zum Lohne für beharrlichen Ernst und willige Hingebung in Jacob Grimm's Gesellschaft den strahlenden Glanz der Wahrheit ohne Hülle schauen dürfen.« 1 6 5 Geschickt verbindet Scherer seine Zustimmung zu Lachmanns Ethos der Iwein- Vorrede mit der Glosse über die Kritiker der Liedertheorie, die »Einheitshirten«. Pfeiffer reagiert im laufenden Habilitationsverfahren mit einer Beschränkung der venia legendi. 166 Zweifellos haben diese eindeutigen Bekenntnisse zur Berliner Philologie und die unvermeidlichen Konsequenzen zur Bindung Scherers an Müllenhoff beigetragen. 1864 schreibt Scherer: »Ich habe so ein großes Gefühl der Unsicherheit bei meinen Arbeiten [...]. Erst wenn Sie es gebillicht haben, wage ich weiter darauf zu bauen.« 1 6 7 Im selben Jahr führt Müllenhoff seinen Schüler durch die gemeinsame Herausgabe der Denkmäler in die philologische Öffentlichkeit ein; nach dem Urteil Haupts erweist sich Scherer auf Anhieb als Meister seines Fachs. 168 Neben diese sachliche Übereinstimmung tritt die gemeinsame Frontstellung gegen die wissenschaftlichen Gegner, über die Scherer bekannte Verdikte fällt: »Bloß bei Pfeiffer Collégien gehört zu haben, ist so gut als Autodidakt sein.« 169 Oder zu den Anfängen der Nibelungen-Debatte: D a s Schlimme beim Lesen dieser Gegenschriften ist daß man sich bei Zarncke und Holtzmann der Voraussetzung wissentlicher Verschweigungen, ohne Verbliimung gesagt: der Unehrlichkeit, kaum entschlagen kann.

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Wilhelm Scherer, Jacob Grimm, Berlin 1865, S. 166f. Die Passage ist in der zweiten Auflage getilgt. Vgl. Müllenhoff/Scherer-Briefwechsel, S. 141f. Neben Höppner vgl. zu Scherers Biographie und methodologischer Konzeption: Jürgen Sternsdorff, Wissenschaftskonstitution und Reichsgründung. D i e Entwicklung der Germanistik bei Wilhelm Scherer. Eine Biographie nach unveröffentlichten Quellen, Frankfurt/M. 1979, bes. S. 70ff. zu Wien. Scherers Verhältnis zu Pfeiffer beschreibt auch Samuel Singer im Aufsatz über Richard Heinzel, in: ders., Aufsätze und Vorträge, Tübingen 1912, S. 1 8 3 - 2 8 0 , S. 186ff. Wilhelm Scherer am 24. 9. 1864, in: Müllenhoff/Scherer-Briefwechsel, S. 67. Vgl. Haupts Lob, referiert von Müllenhoff, im Anhang des Müllenhoff/Scherer-Briefwechsels, S. 625. Wilhelm Scherer am 7. 4. 1864, in: Müllenhoff/Scherer-Briefwechsel, S. 46.

Zarncke arbeite ohne »Gefühl für das, worauf es zum Fortschritt der Wissenschaft ankommt«. Bartsch seien unschwer »methodische Verkehrtheiten« nachzuweisen. 170 Diese Harmonie mit Müllenhoff in der Negation abwegiger Germanistik ist nur eine Seite im komplizierten Verhältnis Scherers zur Tradition seines Fachs. Jürgen Sternsdorff hat die Wandlungen und Akzentverschiebungen im Wissenschaftsbegriff Scherers akribisch nachgezeichnet. 171 Bei aller handwerklich soliden philologischen Arbeit am Text verweigert sich Scherer von Beginn an einer auf formale Korrektheit reduzierten Forschungspraxis, insistiert auf den politischen Implikationen einer >deutschen< Wissenschaft und reklamiert die Berechtigung ästhetischer Interessen. 1 7 2 Für Scherer ergeben sich aus dieser Orientierung gravierende Konsequenzen im Hinblick auf seine Einschätzung zeitgemäßer Germanistik. Dem österreichischen Oppositionellen, dem - vor der Reichsgründung - Preußen als sicherster Garant nationalstaatlicher Einheit gilt, ist die Ausrichtung seiner wissenschaftlichen Praxis in Übereinstimmung mit dem erkannten Verlauf der geschichtlichen Bewegung selbstverständlich: Scherer optiert für ein Programm, in dem »die ideellen Kräfte der Motivation des Forschers und die objektiven Kräfte und Gesetze der Natur und Geschichte sich zusammenschließen.« 173 Nach der Reichsgründung zerbricht diese Hoffnung auf die Kongruenz von materiellem Fortschritt und geistiger Kultur an der von Scherer mit wachsender Erbitterung verfolgten Illiberalität des neuen Staats. 174 Mag diese Entwicklung Scherers im Vergleich mit anderen nationalliberalen Biographien nicht untypisch sein, sie stellt sowohl in ihrer ersten wie in ihrer zweiten Phase eine einschneidende Umakzentuierung in der Geschichte der Germanistik dar. Mit Wilhelm Scherer, und zu bedenken bleibt dabei seine herausragende institutionelle Bedeutung auf den renommierten Lehrstühlen an der neuen Reichsuniversität Straßburg (1872-1877) und in Berlin (1877-1886), wird die Externalisierung der philologischen Berufsethik in der Disziplin sozial akzeptabel. Der exemplarisch von Lachmann und später von Haupt und Müllenhoff vertretene Wissenschaftsbegriff bestimmt die Kriterien für wahre Forschung wissenschaitsimmanent. Unter Berücksichtigung der methodischen Verfahren und des Gegenstandsbereichs definieren empirische Verifizierbarkeit und systematische, intersubjektiv nachvollziehbare Argumentation die wissenschaftliche Praxis. Die Annäherung an die Wahrheit ist das Ziel des Gelehrten, eine Annäherung innerhalb und durch Mittel der Wissenschaft. Scherer beharrt zwar auf der »wissen170 171

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Alle Zitate: Wilhelm Scherer am 23. 5 . 1 8 6 8 , in: Müllenhoff/Scherer-Briefwechsel, S. 254f. Vgl. Sternsdorff, S. 71ff. zu Scherers Anfängen, bes. S. 82 und S. 88. Zur Literaturgeschichte Scherers vgl. Fohrmann, Projekt, S. 220ff., und Rosenberg, S. lOlff. sowie Peter U w e Hohendahl, Literarische Kultur im Zeitalter des Liberalismus. 1830-1870, München 1985, S. 248ff., der besonders den kulturgeschichtlichen Kontext umfassend behandelt. Sternsdorff, S. 231ff. Sternsdorff, S. 299. Vgl. Sternsdorff, S. 181ff., und Höppner, Studien, S. 210f.

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schaftsimmanenten Entscheidbarkeit aller geschichtlichen Probleme unter einem prinzipiellen Irrtumsvorbehalt«, 1 7 5 sieht aber die Legitimation von Wissenschaft insgesamt - und der Germanistik im besonderen - extern begründet, eben als Beitrag zur geistig-kulturellen Selbstfindung der Nation. D a s Scheitern der Geschieh tsteleologie Scherers, seine Einsicht in das Fehlen eines historischen Substrats für seine humanistischen Imaginationen, darf nicht über den äußerst folgenreichen, eklatanten Bruch mit dem tradierten philologischen Ideal hinwegtäuschen. D e r von Scherer propagierte Zusammenhang von literarischer und nationaler Entwicklung, eine prominente These seiner literaturgeschichtlichen Arbeit, charakterisiert die prinzipielle Funktionalisierung

seines Entwurfs von Wissen-

schaft. D i e s e ist dann »kein System von Wahrheiten oder Erkenntnissen« mehr, sondern »ein Handlungs- und Interaktionssystem«, das im »Lebensprozeß der Menschengattung eine bestimmte Funktion erfüllt und an der Erfüllung solcher Funktionsansprüche gemessen werden m u ß . « 1 7 6 Bereits hier, in der Setzung wissenschaftsexterner (historischer und geschichtsphilosophischer) Prämissen für die philologische Arbeit, liegt die Bedingung der Möglichkeit einer Germanistik nationalem

Erziehungsprogramm,

als

für das Fachvertreter wie August Sauer, Gustav

R o e t h e und Arthur Hübner nach 1900 einstehen w e r d e n . 1 7 7 D i e Konturen dieses Neuansatzes treten deutlicher hervor, wenn man die fachgeschichtlichen Publikationen Scherers heranzieht. Bereits der Jacob Grimm

hatte

vor dem Hintergrund der Verwissenschaftlichung der Germanistik in ihrer Frühphase die gegenwärtige Konfusion der Unbelehrbaren gebrandmarkt. A u c h der Nekrolog auf Moriz Haupt greift auf die A n f ä n g e des Fachs zurück: 175

Sternsdorff, S. 166. Schnädelbach, S. 117 (im Original kursiv). 177 Ich kann diesen Zusammenhang hier nur andeuten. Es ist auffällig, daß diese Exponenten einer militant deutsch-nationalen Germanistik sich selbst immer als strenge Philologen verstanden haben. Die politische Indienstnahme der Germanistik ist weder 1870 noch 1910 ein neues Phänomen; die Literaturgeschichtsschreibung in weiten Teilen des 19. Jahrhunderts lebt von dieser Legitimation; zu Scherer vgl. differenziert Höppner, Studien. Bemerkenswert ist aber, daß nunmehr die führenden Vertreter der Disziplin, nicht mehr Randfiguren wie Maßmann, Prutz, Zeune oder die Literarhistoriker die wissenschaftsimmanenten Zielvorgaben für die eigene Arbeit durch externe Zwecke ergänzen. Zu untersuchen bleibt, wie weit die Geltung solcher Normen reicht, inwiefern etwa die alltägliche Arbeit des Germanisten in Forschung und Lehre affiziert wurde. Ideologiegeschichtliche Aspekte der Fachentwicklung werden diskutiert bei Röther sowie Jörg Jochen Müller (Hg.), Germanistik und deutsche Nation 1806-1848. Zur Konstitution bürgerlichen Bewußtseins, Stuttgart 1974; Franz Greß, Germanistik und Politik. Kritische Beiträge zur Geschichte einer nationalen Wissenschaft, Stuttgart, Bad Cannstatt 1971. Für das 20. Jahrhundert vgl.; Germanistik - eine deutsche Wissenschaft. Beiträge von Eberhard Lämmert, Walter Killy, Karl Otto Conrady und Peter von Polenz, Frankfurt/M. 61980; in allen Beiträgen werden die Traditionslinien der dem Nationalsozialismus dienstbaren Disziplin, teilweise bis in das 18. Jahrhundert zurück, nachgezogen. Wilhelm Voßkamp, Kontinuität und Diskontinuität. Zur deutschen Literaturwissenschaft im Dritten Reich; Norbert Hopster, Ausbildung und politische Funktion der Deutschlehrer im Nationalsozialismus, beide in: Peter Lundgreen (Hg.), Wissenschaft im Dritten Reich, Frankfurt/M. 1985, S. 140-162; S. 113-139. 176

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Haupt gehörte freilich nicht der ersten, großen Gelehrten-Generation unseres Jahrhunderts an, wie Jacob Grimm und Karl Lachmann. Diese waren Bahnbrecher und Zielzeiger; ihre nächst jungem Genossen konnten nur Helfer sein, sie konnten nur fortsetzen, was jene begonnen. Die neuen Methoden brauchten umfassende Anwendung [.. .]. 178

Die Professionalisierung der deutschen Studien, die >Gründung< einer Wissenschaft vom deutschen Altertum durch die wegweisenden Arbeiten Grimms und Lachmanns, erforderte eine Periode der Stabilisierung, in der die Vergegenwärtigung und Sicherung des Erreichten notwendig war: Haupt »suchte die Fundamente zu sichern.« 179 Diese Aufgabe, die Haupt durchaus als die seine akzeptierte, zeigt sich als wissenschaftsimmanente in einer an entlegener Stelle formulierten Selbstreflexion. 1847 ediert Haupt zwei lateinische Gedichte »ohne inneren werth«. Der Grund für den Aufwand: »schlechte poesie sind diese verse freilich, aber die philologie verachtet wie die botanik kein unkraut [.. .]«. 180 Diese Einstellung zur wissenschaftlichen Arbeit läßt Scherer für die Konsolidierungsphase der Disziplin noch gelten. »Anwendung«, also präzise Überprüfung und Perfektionierung der vorhandenen »Methoden«, legitimiert sich über die dauerhaften Ergebnisse dieser Zeit, die musterhaften Editionen und den Zuwachs an Detailkenntnissen. Diesen Abschnitt ihrer Entwicklung hat die Germanistik aber nach Scherers Meinung inzwischen hinter sich gelassen: Nun gibt es eine Doktrin, und F. Ritsehl hat sie wiederholt, noch in seinem letzten gedruckten Aufsatz vertreten: daß es gleichgültig sei, wo der Philolog stehe, wenn er nur seine Pflicht thue - oder mit anderen Worten, daß alle Probleme gleich viel wert seien, das kleine so viel wie das große. [ . . . ] Es wäre ebenso wertvoll, eine neue Entdeckung über Goethe zu machen oder über einen Autor zehnten Ranges [...]. Diese Meinung ist verderblich und aufs äußerste falsch! 181

Die zunächst noch diachrone Differenzierung zwischen Entstehungs- und Reifestadium der Disziplin weicht nun der synchronen Unterscheidung von angehendem und selbstverantwortlich tätigem Gelehrten: Muß der eine noch »gleich willig zu jeder Arbeit sein«, ist es für den anderen »Sünde gegen die Wissenschaft«, seine »Kräfte mutwillig an Nichtigkeiten verschwendet« zu haben. 1 8 2 Die Ausbildung des Forschers wiederholt gleichsam im einzelnen Individuum den Lernprozeß des Fachs, soll aber bis zum aktuellen Stand vordringen. Man wird für Ritsehl hier auch Lachmann oder Haupt einsetzen dürfen, die bei allen persönlichen Differenzen ein identisches Wissenschaftsverständnis vertraten. 1 8 3 Scherer er178

Wilhelm Scherer, Moriz Haupt, in: ders., Kleine Schriften, Bd. 1, Berlin 1893, S. 111-121, S. 116. 179 Scherer, Haupt, S. 117. 180 Moriz Haupt, Zwei ungedruckte gedichte aus später zeit des römischen alterthums, in: ders., Opuscula, Bd. 1, Leipzig 1875 (Reprint Hildesheim 1967), S. 217-229, S. 217f. 181 Wilhelm Scherer, Wissenschaftliche Pflichten, in: Euphorion 1 (1894), S. 1-4, S. 2f. Es handelt sich um eine Skizze Scherers, mitgeteilt von Erich Schmidt. Sternsdorff (S. 258f.) nennt die Fassung im Vergleich mit dem Original »geglättet«. 182 Scherer, Pflichten, S.2. 183 Vgl. Otto Ribbeck, Friedrich Wilhelm Ritschi. Ein Beitrag zur Geschichte der Philologie, 2 Bde., Leipzig 1879, 1881 (Reprint Osnabrück 1969), Bd. 2, S. 337ff.

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scheint dieses textphilologische Programm antiquiert. Gerade aber seine ungebrochene Wirksamkeit in den philologischen Disziplinen bewirkt nun die subtile Ambivalenz, mit der Scherer seine Einwände vorträgt. In der Rezension der Kleineren Schriften Lachmanns, herausgegeben von Scherers Lehrern Müllenhoff und Vahlen, heißt es: Jeder Beruf hat seine Special-Ethik. Auch für den Gelehrten gibt es eine besondere Güter- und Pflichtenlehre. Fleiß und Wahrheitsliebe, die Lachmann immer betont, sind allerdings nothwendig. Aber sie sind Pflichten so elementarer Natur, wie die Gebote >du sollst nicht tödten< und >du sollst nicht stehlendie uns befohlen warGründerzeit< erreicht durch eigenständiges Fortschreiten auch der nachfolgenden Forschergeneration und nicht durch andächtige Reproduktion des Bekannten. Scherer legt den Schwerpunkt im Rahmen der geforderten empirischen Arbeit auf theoretisch reflektierte Erfahrung als Erfahrungs^Mwac/w und besteht auf der prinzipiellen Revidierbarkeit abgelagerten Wissens. Die Lachmann-Rezension schließt:

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Alle Zitate: Scherer, Rez. Lachmann, S. 604. Allgemein zum innovativen Potential eines solchen Verhaltens vgl. Stichweh, S. 50f. Vgl. Oskar Walzel, Wilhelm Scherer und seine Nachwelt, in: ZfdPh 55 (1930), S. 391-400, S. 396: »Wettbewerb mit der klassischen Philologie stand im Hintergrund [ . . . ] . « Z u Scherers Rezeption der zeitgenössischen Wissenschaften vgl. Sternsdorff, bes. S. 161ff. (Naturwissenschaften), S. 254ff. (Psychologie) und die Zusammenfassung am Schluß des Buchs. Zur Diskussion naturwissenschaftlicher Verfahren bei Scherer und Heinzel vgl. Singer, S. 193ff. Scherer, Haupt, S. 117; vgl. S. 118: »Der Kritiker ist ein Künstler. Er muß das Werk, das ihm vorliegt, nachschaffen.« Scherer bleibt der prinzipielle Unterschied zur Naturwissenschaft bewußt, vgl. Sternsdorff, S. 200. Scherer, Rez. Lachmann, S. 604.

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Hierin auf Besserung hinzuwirken, Lachmann's Methode theoretisch auszubilden oder umzubilden, das weiße Blatt endlich zu füllen, welches die Logik und Wissenschaftslehre für uns offen hält, das wäre die schönste und würdigste Art, Lachmann's Gedächtniß zu feiern. 1 9 2

Scherers methodologische Frage nach den Regeln für die Konstitution und Verifizierbarkeit wissenschaftlicher Theorien, der auch etablierte philologische Verfahren zu antworten haben, trifft im gereizten Diskussionsklima des »Nibelungenstreits« auf eisige Ablehnung. Typisch für die entstehenden Einzeldebatten ist, daß sie die neue Fragestellung Scherers als solche kaum wahrnehmen, vielmehr gegen ihre wissenschaftspraktischen Implikationen agitieren. Ich habe im Abschnitt über die Leipziger Germanisten gezeigt, wie Zarncke und Paul unter Rekurs auf die Tradition ihres Gegners Scherers Publikationen verwarfen: Vom »Mangel an Accuratesse«, von »lockeren Behauptungen« 1 9 3 war die Rede, von der »Vermischung populärer und wissenschaftlicher Darstellungsweise«. 194 In den siebziger Jahren wollen diese Polemiken die wissenschaftliche Glaubwürdigkeit Scherers erschüttern. In ihrer Diktion wie in ihrer rigorosen Ablehnung der »Touristenmanier« (Zarncke) sind diese Maßregelungen keineswegs originell; neu ist nur ihre Veröffentlichung. Schon 1864 mokiert sich Müllenhoff über die »Flitter und Bändchen« eines Scherer-Vortrage, 195 der »Manieriertheit des Stils« und »Streben nach gewissen Pointen und Reizen« zeige. 196 Zwei Jahre später wird der Williram Scherers als »zu essayistisch-Hermann Grimmsch« kritisiert, 197 bereits 1868 fällt das Wort vom »Essayismus«. 198 Als 1876 Zarnckes Rezension erscheint, ist Scherer bereits einer der angesehensten und erfolgreichsten Ordinarien der Straßburger Universität und für eine zweite germanistische Professur in Berlin vorgesehen. Sicherlich ein Grund mehr für Zarncke, dem inzwischen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gewordenen Kollegen zu opponieren, der zudem bereits die ersten Schüler präsentiert. Wie aus Müllenhoffs Antworten auf die verlorenen Briefe Scherers aus Straßburg hervorgeht, sieht dieser seinen wissenschaftlichen Ruf und seine Berliner Ambitionen gefährdet. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung allerdings schwerwiegender: Im Disput um das Wissenschaftskonzept Scherers lösen sich auf sachlicher Ebene die Fronten zwischen >Berlin< und >Leipzig< völlig auf. Inhaltlich bekräftigt Müllenhoff alle Einwürfe seines Leipziger Antipoden. Es ergeht an Scherer der briefliche Verweis, »daß niemand, auch

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Scherer, Rez. Lachmann, S. 604. Innovation als wesentliches Element dynamisierter Wissenschaft behandelt Schnädelbach, S. 113ff. - Vgl. auch Weimar, Geschichte, S. 475, zu Scherers »Demontage der philologischen Grundlagen« in seinem Programm einer Literaturwissenschaft, das nationale ästhetische Bildung mit »historisch-psychologischer Rekonstruktion« verbindet; das Verhältnis von Philologie und Ästhetik beleuchten auch Sternsdorff und Höppner, Studien. Zarncke, Rez. Scherer, Geistliche Poeten, Sp. 152f. Paul, Sammelrez., S. 428. Karl Müllenhoff am 5. 6. 1864, in: Müllenhoff/Scherer-Briefwechsel, S. 58. Karl Müllenhoff am 1. 8. 1864, in: Müllenhoff/Scherer-Briefwechsel, S. 63. Karl Müllenhoff am 30. 11. 1866, in: Müllenhoff/Scherer-Briefwechsel, S. 180. Karl Müllenhoff am 12. 5. 1868, in: Müllenhoff/Scherer-Briefwechsel, S. 252.

Sie nicht das Recht haben allerlei Winke und Vermutungen und angefangene Untersuchungen andern zur Prüfung und Ausführung hinzuwerfen, wenn man in Summa auch schließlich für die Menge der Anregungen dankbar« sein könne. 1 9 9 Wie Zarncke argumentiert Müllenhoff aus der Sicht des traditionellen Ethos und greift die Lachmannschen Imperative der Selbstkontrolle auf: Aber erkennen Sie Ihren Feind an sich selbst und streben Sie mehr und mehr nach Einfachheit und Mäßigung, dämpfen Sie ihre Natur [ . . . ] . Und damit hängt ein andres noch zusammen: zeigen Sie sich vorläufig einmal etwas seltener dem Publikum. [ . . . ] Es ist das meine feste Überzeugung und dieselbe ist mir auch von andern ausgesprochen: wenn Sie einmal Ihre Stelle in der hiesigen Gelehrtenwelt recht behaupten wollen, so bedarf es einer gewissen strengeren, vornehmeren >Zusammengenommenheit< - sit venia verbo! -, einer gewissen Abgeschlossenheit und Ruhe, die nicht immerfort nach außen Wirkung sucht. 2 0 0

Müllenhoff wie Zarncke mißverstehen als Protagonisten der philologischen Berufsethik das innovative Moment Scherers als charakterliche Labilität. Beide Kritiker sehen es als Verdienst der Grimms, Beneckes und Lachmanns an, neben den wissenschaftlichen Verfahren auch die Exklusion des nicht fachlich ausgewiesenen Publikums durchgesetzt zu haben. Diese Verengung der wissenschaftlichen Arbeit, ihre Kommunikation im internen Kreis der Disziplinen, soll Axiom der professionellen Forschung bleiben. Popularisierung ist nur als Randbereich publizistischer Aktivität denkbar, deutlich abgehoben vom >eigentlichen< Metier. Scherers Anspruch, die geistige Kultur der Nation mitzugestalten, fügt sich diesem Selbstverständnis nicht, ebensowenig wie der Versuch, die Leistungen der alten Meister zu historisieren: Essayismus ist ein Stück Dilettantismus. Aber hat der nicht überall dort Berechtigung, wo noch gesucht wird? Wir tasten uns noch zurecht, auf den Wegen auf denen die großen allgemeinen Wahrheiten der Geschichte liegen. Bis wir vom Tasten zum sicheren Vorschreiten kommen, so lange wenigstens lassen Sie uns essayistisch kranken. 2 0 1

»Bahnbrecher und Zielzeiger« sein zu wollen, nicht immer nur »Fortsetzer und Mitarbeiter«, um die Antithese des Haupt-Nekrologs aufzunehmen: das erachtet Scherer als die seiner disziplinaren Gegenwart angemessene Haltung. Auf der Höhe der allgemeinen wissenschaftlichen Standards zu stehen, ist natürlich auch die Arbeitsprämisse seines Lehrers, nur verkennt Müllenhoff, daß jene nicht mehr von der Philologie markiert werden. Wie Paul und Sievers registriert Scherer mit kritischem Interesse die Tendenzen der von den Philologen beargwöhnten vergleichenden Sprachwissenschaft und der Naturwissenschaften, die ihren institutionel199 200 201 202

Karl Müllenhoff am 17. 2. 1876, in: MüllenhofüScherer-Briefwechsel, S. 585f. Karl Müllenhoff am 17. 2. 1876, in: Müllenhoff/Scherer-Briefwechsel, S. 586. Wilhelm Scherer am 23. 5. 1868, in: Müllenhoff/Scherer-Briefwechsel, S. 255. Vgl. Sternsdorff, S. 285ff., der nachweist, daß Scherer in den 1870er Jahren die positivistischem Elemente zurücknimmt, ästhetische Qualifikation akzentuiert und damit in die Schußlinie der stärker naturwissenschaftlich orientierten Junggrammatiker gerät. - Zur allgemeinen Hochschul- und Fächerentwicklung vgl. Hans-Werner Prahl, Sozialgeschichte des Hochschulwesens, München 1978, S. 214ff., und Ferber. D i e traditionell geforderte Einheit allen Wissens wird in dieser Zeit zwischen 1830 und 1870 durch wach-

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len Siegeszug längst angetreten haben. 2 0 2 Während Scherer jedoch in den siebziger und achtziger Jahren die naturwissenschaftliche Orientierung für seine Konzepte abbaut, behält er den mit seiner Traditionskritik verknüpften Anspruch auf neuartige Darstellungsprinzipien bei. Die von den Gegnern im »Nibelungenstreit« wie von Haupt und Müllenhoff gerügte Popularisierung wissenschaftlicher Ergebnisse zeichnet sich bei Scherer dadurch aus, daß sie die Differenz von wissenschaftlichen und publikumsbezogenen Publikationsformen und -orten aufgibt. Die selbstverständliche Veröffentlichung in Feuilletons, das damit verbundene Erscheinen einer Abhandlung in Fortsetzungen, der Verzicht auf den gelehrten Apparat sind Konsequenzen der Intention, »einzuwirken auf die nationale Bildung«. Riskiert wird der Beifall der Kollegen, die »als unbekannte Olympier über den Wolken zu thronen« pflegen. 2 0 3 Es zeigt sich darin ein Unterschied zur Popularisierung in den Natur- und Ingenieurwissenschaften, deren steigender Komplexität auch gebildete außerwissenschaftliche Publika nicht mehr zu folgen vermögen. Popularisierung hat dort den Zweck, gesichertes Wissen aus den Fächern zu übermitteln, die Kommunikation zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu sichern. 204 Scherers Konzept hingegen verfolgt zwei Ziele: Adressat der Publikationen ist die eigene Disziplin, in der nach Scherers Einschätzung Innovation, eben die Aktualisierung philologischer Programme, geboten ist. Zugleich hat Scherer das außerwissenschaftliche Publikum im Auge; die esoterische Existenz der Philologien wird aufgegeben zugunsten einer Publizistik, die nationale Bildung im Sinne klassischer Humanität als zeitgemäße Aufgabe der Wissenschaft begreift. 2 0 5

VI. »Scherer-Schule«: Zur sozialen Durchsetzung von Innovation Das aus der Perspektive der philologischen Ethik neuartige Wissenschaftsverständnis Scherers hat seine Wirkung in der etablierten Germanistik des Kaiserreichs nur deshalb entfalten können, weil es in der disziplinaren Gemeinschaft soziale Geltung erlangte. Die fachgeschichtlich geläufige Rede von der »SchererSchule« trägt dem Rechnung, 2 0 6 meint die zahlreichen Schüler Scherers und ihren Einfluß in Positionen an der Universität und in der kulturellen Öffentlichkeit.

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sende Spezialisierung, sichtbar in der beginnenden Einrichtung von Forschungsinstituten, faktisch überholt; vgl. Turner, S. 233f. - Mit der Rezeption der vergleichenden Sprachwissenschaft knüpft Scherer an die Tradition der Grammatikforschung Jacob Grimms an, einen Bereich, der in der philologischen Arbeit schon bei Gottfried Hermann ausgespart bleibt, vgl. Horstmann, S. 50. Wilhelm Scherer an Hermann Uhde vom 29. 10. 1876, zit. nach Sternsdorff, S. 206. Vgl. Stichweh, S. 60f. Vgl. Sternsdorff, S. 231f. und S. 243f.; Fohrmann, Projekt, S. 220f.; Hohendahl, Kultur, S. 248ff. Vgl. Neumann, S. 112; Dünninger, Sp. 182; Karl Robert Mandelkow, Goethe in Deutschland. Rezeptionsgeschichte eines Klassikers, Bd. 1: 1773-1918, München 1980, S. 219. Zur »Scherer-Schule« in Osterreich vgl. jetzt eingehend Herbert H. Egglmaier, Entwicklungslinien der Neueren Deutschen Literaturwissenschaft in Österreich in der

Einige Voraussetzungen dieses institutionellen Erfolges sollen im folgenden beschrieben werden. In der zentralen Kontroverse der Germanistik des 19. Jahrhunderts, dem »Nibelungenstreit«, stellt sich Scherer, dies wurde bereits in den zitierten Passagen des Jacob Grimm deutlich, auf die Seite der traditionsreichen Berliner Germanisten Haupt und Miillenhoff und sichert sich mit philologischer Editionsarbeit deren Protektion. Mit dem Ordinariat an der neugegründeten Reichsuniversität Straßburg präsentiert sich Scherer als Exponent einer kaisertreuen Germanistik, deren pro-preußische Bekenntnisse ihm in Wien erhebliche administrative Maßregelungen eingetragen und eine außerakademische Wirksamkeit versagt hatten. Diese aber zählt zu den vorrangigen kulturpolitischen Zielen, die von der Reichsregierung mit den Lehrstühlen der Neugründung verbunden worden waren. 2 0 7 Scherer begrüßt diesen Aspekt gegenüber Müllenhoff, der ihn für die Professur (ohne fachliche Denomination!) vorgeschlagen hatte, als »eine Mission«, die eine »wahre Wohlthat« sein werde. 2 0 8 Wie sehr die sich entfaltende Wirkung Scherers mit den Intentionen der politischen Führung harmonierte, zeigt ein Brief Bismarcks an den Straßburger Kurator, in dem der Reichskanzler die Berufung Scherers nach Berlin als schweren Verlust darstellt. Angesichts der »vortrefflichen Eigenschaften« Scherers wolle er ihn der Universität Straßburg erhalten: Ich wünsche das um so mehr, als Herr Professor Scherer auch über die Kreise der Universität hinaus durch Schrift und Wort anregend deutsche Sprache und deutsche Art fördert, und ich auf diese Wirkungen seiner Arbeit im Reichslande auch vom politischen Standpunkte Werth lege. 209

Eine Verbesserung der Bezüge wird als selbstverständlich erachtet, das Ansehen Scherers im Antwortbrief des Kurators eindrucksvoll bestätigt. Ledderhose referiert, daß Scherer die Reservierung der Berliner Professur neben der Gehaltserhöhung anstrebe; beide Bedingungen seien annehmbar, denn um die Straßburger Universität attraktiv zu halten, seien »hervorragende Lehrkräfte« erforderlich: Zu diesen zählt eben Scherer in hohem Grade; es gibt hier überhaupt nur sehr wenige Docenten, die an geistiger und wißenschaftlicher Bedeutung sowie im Einfluß auf die Frequenz mit ihm verglichen werden können. Er ist [ . . . ] nicht nur ein Fachgelehrter ersten Ranges mit exacter Vorbildung; er ist ein zusammenfassender Geist, ausgestattet mit Phantasie und begeisternder Redegabe, dabei liebenswürdig im persönlichen Verkehr und darum von beherrschendem Einfluß auf die studierende Jugend [...]; hier ist es nur Scherer, der ein Auditorium von 200 Zuhörern zusammengebracht hat. 210

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zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Institutionelles - Wissenschaftspolitisches - Bildungsgeschichtliches, Ms. Graz 1989. Die Krakauer Philosophische Fakultät verwendet diese Bezeichnung bereits 1882. Vgl. Sternsdorff, S. 173ff. Wilhelm Scherer am 31. 10. 1870, in: Müllenhoff/Scherer-Briefwechsel, S. 406; vgl. zur Lehrstuhlbezeichnung Sternsdorff, S. 175. Otto von Bismarck an Karl Ledderhose vom 30. 4. 1875, in: Scherer/Steinmeyer-Briefwechsel, S. 319f. (Anhang). Zum Verhältnis Scherers zu Bismarck vgl. Höppner, Studien, S. 229ff. Karl Ledderhose an Otto von Bismarck vom 8. 6. 1875, in: Scherer/Steinmeyer-Briefwechsel, S. 323 (Anhang).

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Die Ausstrahlung des Redners Scherer wird in allen biographischen Texten und Erinnerungen ehemaliger Hörer bestätigt. 211 Darüber hinaus sucht Scherer den persönlichen Verkehr mit seinen Studenten in regelmäßigen geselligen Zusammenkünften, der »Germanistenkneipe«. Es ist für die andersartige Auffassung vom Beruf des Universitätslehrers bezeichnend, mit welchem Engagement Scherer die Kontakte mit seinen Schülern pflegt - »so etwas erschien Müllenhoff unvorstellbar«, meint Edward Schröder im Rückblick. 212 Das gilt bereits für die institutionelle Voraussetzung dieser Germanistenabende, das Straßburger germanistische Seminar. Scherer erkennt die Bedeutung dieser Veranstaltungsform für die Intensivierung universitärer Lehre und die Durchsetzung der eigenen Forschungskonzepte. 213 Die formal organisierte Kommunikation in der begrenzten Teilnehmerzahl des Seminars wird in der zwanglosen Geselligkeit ergänzt und vertieft. Über die Fortsetzung der »Germanistenkneipe« in Berlin berichtet ein Teilnehmer: »Jeden Montagabend sollten germanistische Dozenten, eine Auslese von germanistischen Studenten und Freunde der deutschen Philologie zusammenkommen und im freien Austausch ihre Meinungen äußern, dabei die Dichtung der Gegenwart und das Theater nicht vergessen.« 214 Die Festigung persönlicher Beziehungen über den universitären Betrieb hinaus ist verbunden mit der Auszeichnung talentierten Nachwuchses (»eine Auslese«); zudem wird die Kommunikation mit einem außerwissenschaftlichen, >gebildeten< Publikum, mit der kulturellen Öffentlichkeit, initiiert. »Er war ein pädagogisches Genie«, erinnert sich Richard Heinzel: »Mit dem sichersten Blick entdeckte er jedes Talent und wußte es auf das geeignete Arbeitsfeld zu führen.« 2 1 5 Also nicht philologische Sozialisation ist mehr die Intention Scherers, ablesbar schon in der Gründung eines germanistischen Seminars in Straßburg, dessen Funktion vom (alt-)philologischen nicht länger übernommen wird. Anders als Lachmann oder Müllenhoff, so der Akzent Heinzeis, berücksichtigt Scherer individuelle Neigungen bei der Wahl von Arbeitsgegenstand und -verfahren, akzeptiert im engeren Sinne philologische wie ästhetische Interessen, betreut Dissertationen zu alt- wie neugermanistischen Themen.

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Vgl. Jakob Minor, Wilhelm Scherer, in: Deutsche Dichtung 1 (1886), S. 123-125; Edward Schröder, Wilhelm Scherer, in: A D B 31 (1890), S. 104-114, S. 107; Erich Schmidt, Wilhelm Scherer, in: Goethe-Jahrbuch 9 (1888), S. 249-262, S. 253. In seiner Einführung in den Müllenhoff/Scherer-Briefwechsel, S. XIX; vgl. auch die Ausführungen zum neuen Typ des Gelehrten im dritten Teil dieser Untersuchung. Vgl. Wolfgang Höppner, Germanistik als Universitätswissenschaft und staatstragende Institution in Preußen - Zur Vorgeschichte des Germanischen Seminars in Berlin, in: Wiss. Zs. d. Humboldt-Universität zu Berlin. Gesellschaftswiss. R. 36 (1987), S. 771-777, S. 776; Verf., Wahrheit. Der konservative Philologie-Begriff Miillenhoffs erlaubt kein rein germanistisches Seminar. Leyen, Erinnerungen, S. 47. Zur Chronologie der »Germanistenkneipe« vgl. Petra Boden, Charlotte Jolies über Julius Petersen. Zum wissenschaftlichen Leben am Germanischen Seminar in den 30er Jahren, in: Wiss. Zs. der Humboldt-Universität zu Berlin. Gesellschaftswiss. R. 36 (1987), S. 632-639, S. 634. Richard Heinzel, Rede auf Wilhelm Scherer, in: ders., Kleine Schriften, hg. v. C. von Kraus und M. H. Jellinek, Heidelberg 1907, S. 145-163, S. 162.

Als Berliner Ordinarius vermittelt er seine Schüler in wichtige Positionen des Kultur- und Theaterbetriebs der Metropole, nutzt seine mannigfaltigen Verbindungen zu Zeitungsredaktionen und Feuilletons. 216 Otto Brahm, Mitbegründer der »Freien Bühne« und später Leiter des Deutschen Theaters und des LessingTheaters, wird auf Anfrage der Vossischen Zeitung neben Theodor Fontane ihr Theaterkritiker; das bekannteste Beispiel für Scherers Kontakte und Einflußmöglichkeiten. 217 Die zahlreichen Publikationen in den renommierten Tageszeitungen und literarisch ambitionierten Blättern wie der Deutschen Rundschau in Berlin oder der Neuen Freien Presse in Wien verdeutlichen darüber hinaus die intensive Verbindung Scherers und der von ihm ausgebildeten oder beeinflußten Germanisten mit dem zeitgenössischen literarischen Leben. Dieses kulturpolitische und literaturkritische Interesse kann aber die akademische Wirkung Scherers nicht erklären. In den Untersuchungen der mit den Lachmann-Anhängern konkurrierenden Gruppen zeigte sich in jedem Fall, daß die Abgrenzung einer eigenständigen Position mit der Herausgabe eines eigenen Publikationsorgans verbunden war. Die Germania, das Zentralblatt, später die Beiträge und die Zeitschrift für deutsche Philologie erwiesen sich als wichtiger Schritt für die jeweilige Fraktion in der Verdeutlichung eines selbständigen Wissenschaftsprogramms. Gegenüber den koexistierenden Gruppen wie der fachinternen Öffentlichkeit konnten die neuen kognitiven Orientierungen sichtbar institutionalisiert werden. Für die Mitglieder des eigenen Kreises ergab sich die Möglichkeit, Forschungsbeiträge problemlos zu veröffentlichen; jedenfalls durfte eine wohlwollende redaktionelle Begutachtung erwartet werden. Zugleich stärkte die deutliche Abhebung von den rivalisierenden Konzepten und ihren Publikationsorten das eigene wissenschaftliche Selbstverständnis. 218 Die Berliner Philologie verfügt mit der Zeitschrift für deutsches Altertum seit 1841 über das angesehenste Organ für Beiträge zur deutschen Philologie. Allerdings signalisierten Müllenhoffs verbitterte Briefe an Scherer, daß Haupt die gerade im »Nibelungenstreit« notwendige Flexibilität und Reaktionsbereitschaft in

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Vgl. ausführlich Wolfgang Höppner, Universitätsgermanistik und zeitgenössische Literatur. Wilhelm Scherers Berliner Jahre 1877-1886, in: Peter Wruck (Hg.), Literarisches Leben in Berlin 1871-1933. Studien, Bd. 1, Berlin (Ost) 1987, S. 157-203. Vgl. Adalbert von Hanstein, D a s jüngste Deutschland. Zwei Jahrzehnte miterlebte Literaturgeschichte, Leipzig 1901, S. 26; diese Kontakte haben die Verbreitung des literaturgeschichtlichen Konzepts Scherers in akademischen wie außeruniversitären Zirkeln begünstigt und zu einer seinen frühen Tod überdauernden Wirkung beigetragen. 1887 hält der Krakauer Germanist Wilhelm Creizenach der »vortrefflich organisirte[n] Reklame, welche die Feuilletons und die belletristischen Zeitschriften beherrschte« vor, wissenschaftliche Einwände gegen ihren Meister Scherer zu negieren. Vgl. ders., Wilhelm Scherer über die Entstehungsgeschichte von Goethes Faust. Ein Beitrag zur Geschichte des literarischen Humbugs, in: Grenzboten 46 (1887), S. 6 2 4 - 6 3 6 , S. 635. Vgl. in allgemein wissenschaftssoziologischer Perspektive Weingart, S. 58ff.

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der Herausgabe der Zeitschrift vermissen ließ. Kurz vor seinem Tode übergibt Haupt die Redaktionsgeschäfte an Mtillenhoff und dessen Schüler Elias von Steinmeyer, der bis 1891 für die Zeitschrift tätig ist. 219 Mit dem Eintritt Scherers in die Redaktion wird 1876 sein bereits vorhandenes Engagement für die Interessenpolitik der Berliner Philologie offiziell, zu der er bald auch als dortiger Ordinarius zählen wird. Noch vor diesem Schritt hatte Scherer schon die wegweisende Konzeption des späteren Anzeigers für deutsches Altertum und deutsche Literatur (1875ff.) entworfen. Mit diesem Rezensionsteil, der wie die Zeitschrift selbst auch für neugermanistische Themen offensteht, neutralisiert die Berliner Germanistik einen Vorsprung der anderen Fraktionen und kann nun ihrerseits die Veröffentlichungen der wissenschaftlichen Gegner vor dem Fachpublikum verhandeln. Gegen die Bedenken Müllenhoffs, der ein Absinken des wissenschaftlichen Niveaus fürchtet, setzen Scherer und Steinmeyer ein regelmäßiges Erscheinen durch, auch dies eine Angleichung an die anderen Fachzeitschriften. Dafür spricht neben finanziellen Gesichtspunkten ein taktisches Argument Steinmeyers, der die Mitarbeiter »nicht vor den Kopf stoßen mag« und deshalb auch einmal »Sachen zweiten oder dritten Ranges aufnehmen« will. 220 Die teilweise auch noch von Müllenhoff praktizierte Exklusivität Haupts wird im neuen Herausgeber-Kollegium der Selbstbehauptung in den Kontroversen des »Nibelungenstreits« geopfert: Publizistische Präsenz und Zusammenhalt der eigenen Gruppe rangieren vor unbedingter Qualität und Originalität. Mit der Ersetzung eines alleinverantwortlichen Redakteurs wird eine Entwicklung erkennbar, über die sich die verbreitete Wendung »Berliner Schule« in der Fachgeschichte legitimieren konnte. Im Kreis um Müllenhoff und Scherer zeigt sich, anders als in den bislang beschriebenen Sezessionen, das Phänomen einer Rollendifferenzierung. Für die Germania verbinden erst Pfeiffer, dann Bartsch, wie Zacher (als wissenschaftlich Verantwortlicher bei der Zeitschrift für deutsche Philologie) und Zarncke für das Zentralblatt redaktionelle Tätigkeit mit wissenschaftlicher Arbeit für das eigene Programm. Die Berliner Gruppe, um diese Abkürzung zu verwenden, 2 2 1 weist eine andersartige Entscheidungsstruktur auf, die aus den unterschiedlichen Kompetenzschwerpunkten der Mitglieder resultiert. Selbstverständlich publizieren alle Wissenschaftler Forschungsbeiträge; ihre jeweilige Mitwirkung bei der Selbstverständigung und der Außendarstellung der »Partei« (Scherer) aber ist nicht an kognitiven Fortschritt gebunden und trägt deshalb zur Durchsetzung der Gruppe innerhalb der Disziplin verschiedenartig bei.

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Vgl. Morvay, Sp. 497ff., die mit Recht eine »neue Herausgeber-Epoche« konstatiert. Elias von Steinmeyer am 5. 11. 1880, in: Scherer/Steinmeyer-Briefwechsel, S. 192f. Müllenhoffs konträre Position am 28. 12. 1873, in: Müllenhoff/Scherer-Briefwechsel, S. 524. Wie bei den anderen Gruppen sind die gewählten Kurzbezeichnungen Verständigungshilfen. Steinmeyer beispielsweise lehrt ab 1873 als Extraordinarius in Straßburg und ab 1877 als ordentlicher Professor in Erlangen.

Karl Müllenhoffs Einflußmöglichkeiten auf die Lehrstuhlbesetzungen in Preußen wurden schon erwähnt. Dadurch können seine Schüler und Mitarbeiter auf Dauer materiell abgesichert und der wissenschaftlichen Arbeit erhalten werden. Müllenhoffs Reputation in der disziplinaren Gemeinschaft der Germanisten gründet sich neben seinen altertumswissenschaftlichen Leistungen, darin Karl Weinhold ähnlich, auf die Teilhabe an der mittlerweile auratischen Frühzeit des Fachs. Kein Nekrolog, der nicht die persönliche Belehrung durch die >Gründer< erwähnt: »Er setzte das Werk Jacob und Wilhelm Grimm's mit einer Energie fort, wie kein anderer Fachgenosse, und mit einer Schärfe der Methode, wie er sie von Lachmann gelernt hatte.« 2 2 2 Steinmeyer ergänzt die Liste der Lehrer durch den Hinweis auf Haupt: »zu den füssen dieser vier meister hat der student Müllenhoff gesessen.« 223 Müllenhoff selbst hat diese direkte Fühlung mit den Pionieren der Germanistik immer als Richtschnur des eigenen Handelns verstanden. Noch mit seiner letzten großen Publikation, dem fünften Band (1. Abt.) der Deutschen Altertumskunde, wendet sich Müllenhoff gegen pietätlose Zeitgenossen. Er wolle »nicht verschulden dass die bahn, die Jacob und Wilhelm Grimm, Lachmann und Zeuss der deutschen altertumskunde gewiesen und bereitet haben, von toren oder verblendeten durchkreuzt und vielleicht verbaut werde.« 2 2 4 Ordinarius für deutsche Philologie an der ehemaligen Fakultät Lachmanns und Mitglied der Akademie zu sein, der auch die Grimms angehörten, sichert Müllenhoff ein wissenschaftliches Ansehen, das nicht bloß Ergebnis eigener Forschungen ist. Der bewußte Anschluß an das Renommee der Berliner Germanistik dokumentiert sich in der Herausgabe von Schriftensammlungen Lachmanns und der Grimms, ist aber nicht nur Akt ehrfürchtiger Traditionssicherung, sondern signalisiert der außerwissenschaftlichen wie der disziplinaren Öffentlichkeit die unzweifelhafte Seriosität des eigenen Programms. Die Leistungen der großen Vorgänger beweisen Aktualität, können möglicherweise erst »jetzt Empfänglichkeit unter den Fachgenossen, zumal den jüngeren«, voraussetzen: Wer aber diese Hingebung und Willigkeit nicht besitzt, wer von vornherein sich aufsetzt, nicht sieht, sehen will oder kann was wir andern wahrnehmen, für schwarz erklärt was uns weiss erscheint, bei dem ist alle gute Lehre von unserer Seite verloren,

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Wilhelm Scherer, Karl Müllenhoff, in: A D B 22 (1885), S. 4 9 4 - 4 9 9 , S. 496. Elias von Steinmeyer, Karl Victor Müllenhoff, in: A f d A 10 (1884), S. 3 7 2 - 3 7 6 , S. 372. Ich erinnere an die ähnliche Begründung für die Berufung Weinholds nach Berlin. Zur Biographie vgl. ausführlich Rudolf Bülck, Karl Müllenhoff und die Anfänge des germanistischen Studiums an der Kieler Universität, in: Zs. d. Gesellschaft für schleswig-holsteinische Geschichte 74/75 (1951), S. 363-407. Karl Müllenhoff, Deutsche Altertumskunde, 5. Bd., 1. Abt., Berlin 1883, S. 2. Es handelt sich um Untersuchungen, die Müllenhoff aus Krankheitsgründen 1881 nicht vollständig abschließen konnte. D i e Herausgabe besorgt, einige Monate vor Müllenhoffs Tod, bereits Scherer; vgl. dessen Vorwort. Er plante auch die Fortsetzung dieses Werks unter Auswertung von Müllenhoffs Nachlaß. Zu den frühen Germanisten vgl. auch Müllenhoffs Antrittsrede in der Akademie der Wissenschaften, in: Monatsberichte der Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. zu Berlin 1864, S. 4 5 9 - 4 6 4 ; in der Antwort des Akademiesekretärs Trendelenburg (ebd., S. 4 6 9 - 4 7 1 ) heißt es: »Es war eine klassische Zeit [ . . . ] . «

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grenzt sich Miillenhoff 1876 ab. 2 2 5 Die Tradition der »Meister« impliziert kognitive wie ethische Komponenten: Wer ihre Leistungen nicht achtet und ihr Erbe verschmäht, verliert die soziale Anerkennung im engen Kreis der »Fortsetzer«. Haupts und Müllenhoffs Prestige sichern der Gruppe um die Zeitschrift für deutsches Altertum Akzeptanz in der mächtigen preußischen Kultusbürokratie, die nicht zuletzt auch das Publikationsorgan subventioniert. 226 Aus der während Haupts Redaktion eingetretenen Lethargie wird die Zeitschrift durch den hervorragenden Organisator Elias von Steinmeyer geführt, der nicht nur die anfallende Routinearbeit besorgt, sondern ein eigenständiges Profil als Herausgeber entwikkelt. 227 Von seinem Lehrer Müllenhoff unterscheidet sich Steinmeyer durch die nüchterne Einsicht in die technischen Notwendigkeiten bei der Gestaltung einer Fachzeitschrift, die in den siebziger Jahren ihre Monopolstellung für die wissenschaftliche Germanistik eingebüßt hat und mit anderen Blättern konkurrieren muß. Im Briefwechsel mit Scherer treten die Beweglichkeit Steinmeyers und sein Kalkül im publizistischen Wettbewerb deutlich hervor. 1878 erwägt Steinmeyer, bei gleichem Umfang der Zeitschrift von vierteljährlichem auf monatliches Erscheinen umzustellen: ferner haben wir die sichere aussieht, alle übrigen germ. zss. zu übertrumpfen: dadurch dass die Zs. monatlich unter die äugen der leute kommt, hat sie vor allen anderen etwas voraus, sie wird dann als das eigentliche organ der Wissenschaft angesehen werden. 228

Ganz ähnlich lautet die Argumentation gegen die Aufnahme eines sehr speziellen syntaktischen Aufsatzes; er richte, so Steinmeyer, sein »Augenmerk« besonders darauf, »durch Mannigfaltigkeit, Lesbarkeit, in gewissem Sinne Piquantheit des Inhalts den Leserkreis stets zu erweitern.« 229 Diesem Ziel lassen sich auch institutionelle Faktoren dienstbar machen: Sind Sie schon in der prüfungscommission? in dieser eigenschaft hoffe ich sehr dass Sie den absatz der Zs. allmählich erweitern können, vielleicht lässt sich auch die ministerialverfügung, welche Zachers Zs. allen gymnasien zur anschaffung empfahl, redressieren. 230

Bei aller taktischen Gewandtheit will Steinmeyer die Zeitschrift nicht als bloßes »parteiblatt« verstanden wissen, so ein Vorwurf an das Zentralblatt. Gerade diese Schwäche läßt Steinmeyer hoffen, »daß sich genug mitarbeiter, die offen oder im 225

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Karl Müllenhoff, Vorrede zu Karl Lachmann, Kleinere Schriften zur deutschen Philologie, Berlin 1876 (Reprint Berlin 1969), S. VII-X, S. X. Einmal mehr zeigt sich darin Übereinstimmung mit einem Gegner: Auch Friedrich Zarncke teilt, dies wurde im Abschnitt über die Leipziger Germanisten gezeigt, diese Sicht der Fachgeschichte. - Das schlechte persönliche Verhältnis Müllenhoffs zu Scherer verdeutlicht Höppner, Studien, S.238ff., mit Blick auf den Berliner »Antisemitismusstreit« 1880, in dem die beiden Germanisten konträre Positionen beziehen. Vgl. Karl Lachmann am 28. 12. 1846, in: Johannes Vahlen (Hg.), Karl Lachmanns Briefe an Moriz Haupt, Berlin 1892, S. 175. 1875 nimmt das Ministerium 50 Exemplare ab, vgl. Scherer/Steinmeyer-Briefwechsel, S. 55. Insgesamt werden 277 Exemplare fest abgesetzt. Vgl. die Einschätzung von Morvay, Sp. 504ff. Elias von Steinmeyer am 3. 4. 1878, in: Scherer/Steinmeyer-Briefwechsel, S. 142. Elias von Steinmeyer am 2. 1. 1884, in: Scherer/Steinmeyer-Briefwechsel, S. 258. Elias von Steinmeyer am 30. 12. 1877, in: Scherer/Steinmeyer-Briefwechsel, S. 138.

geheimen dem Zarnckeschen blatte abhold sind, finden laßen«, der Anzeiger könne dann ein qualitativ höherwertiges »gegenunternehmen« sein. 231 Dieser Anspruch aber, das betont Steinmeyer wiederholt, kann nur eingelöst werden durch eine sachliche, neutrale Redaktionsführung, die auch die wissenschaftliche Gegenansicht akzeptiert, »um den character der Zs. als eines wissenschaftlichen discussionsorgans zu wahren, sonst entsteht der schein der Parteilichkeit.« 232 Dem Selbstverständnis Steinmeyers mißfallen entsprechend Mehrfachrezensionen Erich Schmidts, der »etwas zu sehr litterat« werde. 2 3 3 In einem Brief an Scherer, den Protektor Schmidts, verwahrt sich Steinmeyer gegen solche Praktiken der Beiträger: ich kann mir auch unmöglich denken dass Sie dies gebaren billigen können, welches das ohnehin nicht große ansehen der recensionen in Deutschland völlig auf den hund bringen muss und nur unseren Leipziger Widersachern waffen in die hände gibt. 2 3 4

Dem eigenen hohen Anspruch der Nachfahren Lachmanns darf es nicht genügen, die Fehler der Gegner zu imitieren. In der disziplinaren Gemeinschaft, so die Einschätzung Steinmeyers, setzt sich dauerhaft nur die der wissenschaftlichen Sache dienliche Arbeitshaltung durch. Genügt der wissenschaftliche Gegner diesem Maßstab, kann er im Interesse der publizistischen Kultur auf Beistand rechnen: 1878 antwortet Zarncke auf die erwähnte Polemik Richard von Muths mit einem »maßvoll« gehaltenen Artikel, den Steinmeyer im Sinne »strengstens zu fordernde[r] Unparteilichkeit« annimmt. Nach 25 Jahren zählt Zarncke wieder zu den Autoren der Zeitschrift für deutsches Altertum.235 Die Seriosität des Herausgebers Steinmeyer folgt aus dem philologischen Ethos des Müllenhoff-Schülers. Über formale Fragen der Straßburger Publikationsreihe Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Völker äußert Steinmeyer: ich bin überhaupt nicht für die vielen namennennungen; wenn nur die arbeit gemacht wird, das übrige ist gleich, es geschieht ja nur in majorem scientiae gloriam, deren ingesinde und dienestliute in ihren manigfachen nuancen wir alle sind. 2 3 6

Vergleicht man die beschriebene Wissenschaftsprogrammatik Scherers mit diesem Bekenntnis, wird Steinmeyers folgendes Fazit verständlich. Zu dem berühmten Berliner Kollegen habe er sich immer im »inneren diametralen Gegensatz gefühlt«, heißt es in einem Brief an Edward Schröder: »Übrigens ist mir der Gegen231

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Alle Zitate: Elias von Steinmeyer am 5. 7. 1873, in: Scherer/Steinmeyer-Briefwechsel, S. 18. Elias von Steinmeyer am 10. 5. 1880, in: Scherer/Steinmeyer-Briefwechsel, S. 188. Elias von Steinmeyer am 3. 7. 1877, in: Scherer/Steinmeyer-Briefwechsel, S. 113f. Vgl. ähnliche Überlegungen bei den Herausgebern der Beiträge; D o k u m e n t e dazu bei Gerhard W. Baur (Hg.), Aus der Frühzeit der Beiträge. Briefe der Herausgeber 1870-1885, in: P B B (Tübingen) 100 (1978), S. 337-368. Elias von Steinmeyer am 3. 7. 1877, in: Scherer/Steinmeyer-Briefwechsel, S. 114. Elias von Steinmeyer am 21. 1. 1878, in: Scherer/Steinmeyer-Briefwechsel, S. 140. Zu Muths Polemik gegen Bartsch und Zarncke vgl. den Abschnitt über Julius Zacher. Elias von Steinmeyer am 6. 9. 1877, in: Scherer/Steinmeyer-Briefwechsel, S. 128.

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stand der Arbeit immer gleichgiltig gewesen, wofern nur etwas dabei herauskam.« 2 3 7 Die mit Sievers zusammen über Jahrzehnte durchgeführte Glossenarbeit beglaubigt dieses Ethos. Zugleich erinnert Steinmeyers Eingeständnis daran, daß die Mitglieder der hier beschriebenen Gruppen sich nur selten durch völlige Kongruenz ihrer wissenschaftlichen Zielsetzungen auszeichnen. Aber selbst grundlegende Unterschiede sind, zumindest in einer Periode verschärfter Positionskämpfe, innerhalb der Fraktionen tolerierbar, wenn der Druck von >außen< wie im »Nibelungenstreit« die gleichgerichteten Interessen in den Vordergrund rückt. Konsens entsteht über die Wendung gegen den gemeinsamen wissenschaftlichen Gegner. Wichtiger als die interne Diskussion methodologischer Grundsatzfragen wird dann, »funde für uns einzufangen und damit Zarncke ein Schnippchen zu schlagen« 238 oder »einen ruf in dem falle an[zu]nehmen, dass die stelle sonst einem Leipziger zu teil würde.« 2 3 9 Steinmeyers Ambition, als Organisator und hauptverantwortlicher Redakteur von Zeitschrift und Anzeiger ein unabhängiges Profil zu beweisen, sieht sich durch die wachsende Bedeutung Wilhelm Scherers wiederholt bedroht. Die Chronologie der indignierten Mahnungen Steinmeyers, daß die redaktionelle Tätigkeit »durchaus allein in meiner hand liegen« müsse, 240 liest sich als Pendant zur Karriere Scherers. Nach dem Tode Pfeiffers in Wien zu Extraordinariat und ordentlicher Professur gelangt, dann an die neugegründete Universität in Straßburg als Germanist mit Zustimmung von höchster Stelle berufen, schließlich einziger Anwärter auf den neuen Lehrstuhl im Wissenschaftszentrum Berlin: Scherers institutioneller Aufstieg innerhalb von zehn Jahren dürfte in der Germanistik des 19. Jahrhunderts einmalig sein. Steinmeyer bekommt diesen Einfluß Scherers als Beschneidung eigener Kompetenzen zu spüren, »ich sinke tatsächlich zum bloßen corrector

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Der Brief Steinmeyers datiert vom 12. 8. 1894 und wird zitiert nach Ulrich Pretzel, in seinem Beitrag zu dem Gedenkartikel » . . . als der Meister unserer althochdeutschen Studien«, in: Erlanger Tageblatt (Beilage) vom 16. 12. 1965. Vgl. zur Biographie auch den Nekrolog von Konrad Zwierzina, in: Almanach der Akademie der Wissenschaften zu Wien 72 (1922), S. 273-290. Elias von Steinmeyer am 14. 12. 1878, in: Scherer/Steinmeyer-Briefwechsel, S. 168. Elias von Steinmeyer am 27. 7. 1879, in: Scherer/Steinmeyer-Briefwechsel, S. 172; es geht um die mögliche Nachfolge Hofmanns in München, die - allerdings erst 1891 - Matthias von Lexer antritt. 1893 folgt dann ein >LeipzigerBerliner< gegenüber etwa der Germania-Gruppe liegt darin, daß diese Differenzen der Mitglieder das Verhalten der Gruppe nach >außen< nicht gravierend schwächen. Elias von Steinmeyer am 11. 6. 1877, in: Scherer/Steinmeyer-Briefwechsel, S. 109.

und correspondenten herab.« 2 4 1 Scherers Antwortbriefe bestätigen die Distanz teils ironisch, teils aber auch durch explizite Zurückweisung unangemessen erscheinender Forderungen. 2 4 2 Scherers Verhalten in der Germanistengruppe um die Zeitschrift für deutsches Altertum ist ein weiteres prägnantes Beispiel für die Eigendynamik des »Nibelungenstreits« in den sechziger und siebziger Jahren. Denn bei aller Vielfalt der Arbeitsgebiete ist Scherer als Nibelungenforscher nie hervorgetreten. Nicht einmal in seinen Lehrveranstaltungen habe er, eigenen Worten zufolge, einen originellen Zugang zu dem Epos gefunden, »in keiner Vorlesung bin ich von vornherein so abhängig von Müllenhoff gewesen und geblieben wie in dieser.« 243 Aber wie kaum ein anderer Germanist entwickelt Scherer Scharfblick und Sensibilität für die Möglichkeiten, die laufende Kontroverse zur Profilierung zu nutzen und damit auch den eigenen wissenschaftlichen Arbeiten Aufmerksamkeit zu verschaffen. Erwähnt wurde sein rückhaltloses Bekenntnis zu dem Erbe Lachmanns im Buch über Jacob Grimm, den Scherer als »fortwirkende wissenschaftliche Persönlichkeit« ansieht. 244 Den Anschluß an die dominierenden Traditionen der altdeutschen Studien verknüpft Scherer mit einem Wissenschaftsbegriff, der Prozeßcharakter und Zukunftsoffenheit der Forschung betont: Je mehr ich die ganze Lage unserer Wissenschaft überdenke, desto mehr scheint es mir, daß neue Gedanken, neue Gesichtspuncte ihr dringender nöthig sind als die letzte äußerste Sorgfalt der Ausführung. Die Methode mit welcher wir zu dieser Sorgfalt des Details auch auf diesem Gebiete [der vergleichenden Sprachforschung, R. K.] einst gelangen können besitzen wir und sie soll uns nicht verloren gehen. Aber da nun in den historischen Wissenschaften überhaupt sich eine Wandlung vollzieht welche ganz neue Fragen aufwirft, so wollen wir zunächst nach vorläufigen Antworten streben, nach einem Fundament in großen Linien, wie Jac. Grimm's Grammatik ein Provisorium unserer Wissenschaft genannt werden kann. 2 4 5

In der durch den »Nibelungenstreit« sensibilisierten Fachöffentlichkeit bleibt, wie schon beschrieben, diese Mischung aus Neuansatz und Tradition nicht ohne irritierende Wirkung. Scherer selbst, und dies erklärt seine herausragende Stellung in der Fachgeschichte, sichert die Bedingung der Möglichkeit, »ganz neue Fragen« aufzuwerfen, mit einmaliger Souveränität in der Verfügung über soziale Prozesse seiner Disziplin. Nicht nur gewinnt Scherer durch seine Liberalität und Konzilianz als Hochschullehrer eine Reihe befähigter Schüler, die sein Wissenschaftskonzept wie seine literaturgeschichtlichen Ergebnisse in Forschung und außerwissenschaft-

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Elias von Steinmeyer am 28. 3. 1878, in: Scherer/Steinmeyer-Briefwechsel, S. 145; vgl. auch S. 111 und S. 191ff. Vgl. Wilhelm Scherer am 12. 6. 1877, in: Scherer/Steinmeyer-Briefwechsel, S. 109: »Sie haben wol nicht gefühlt daß Ihr Brief grob war. So grob, wie ich mir nicht erlauben würde an Sie zu schreiben [ . . . ] . « Diese Einschätzung Scherers teilt Edward Schröder in seiner Einführung in den Müllenhoff/Scherer-Briefwechsel (S. XVII) mit. Wilhelm Scherer am 24. 7. 1868, in: Müllenhoff/Scherer-Briefwechsel, S. 276; im Original gesperrt. Wilhelm Scherer Anfang Oktober 1867, in: Müllenhoff/Scherer-Briefwechsel, S. 236.

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licher Öffentlichkeit verbreiten. Gleichzeitig geht Scherer verschiedene publizistische Wege, um seiner Arbeit am »Fundament in großen Linien« Akzeptanz zu verschaffen. Die Mitarbeit an Feuilletons renommierter Zeitschriften überbrückt die Distanz zum gebildeten Publikum, das zugleich Käufer der Literaturgeschichte sein kann. Die wissenschaftliche Reihe der Quellen und Forschungen (1874ff.) bietet ein Forum für die Publikation umfänglicher Beiträge zur deutschen und englischen Literaturgeschichte und Philologie. 246 Abgerundet werden Scherers publizistische Einflußmöglichkeiten durch die reorganisierte Zeitschrift für deutsches Altertum und ihren Anzeiger.247 Beide Organe werden in den siebziger Jahren das eigentliche Feld Scherers für die in der Perspektive der vorliegenden Untersuchung zentrale innerdisziplinäre Kommunikation. In der Zeitschrift finden kleine Abhandlungen Platz, die auch zur Neugermanistik gehören können; der Anzeiger, von etwa gleichem Umfang, bietet Raum für Rezensionen, die je nach Erfordernis von kurzen Besprechungen bis zu ausführlichen Forschungsberichten reichen können. Die flexible Gestaltung des Referateteils bedeutet einen wichtigen Vorsprung gegenüber den Möglichkeiten der wissenschaftlichen Gegner, die bei feststehendem Bandumfang ihrer Zeitschriften entweder mehrere kurze Rezensionen oder wenige ausgreifende drucken, dann aber keinen Überblick mehr bieten können. Die unterschiedlichen Strategien in der Herausgabe werden in zwei privaten Äußerungen aus den rivalisierenden Lagern erläutert. Hermann Paul plädiert wie auch Müllenhoff! - dafür, »einen höheren masstab« anzulegen und es bei einem »engen kreis von mitarbeitern« zu belassen. 248 Steinmeyer hingegen begrüßt Scherers erfolgreiche Versuche, neue Beiträger zu werben: »die mitarbeiter zur zs. mehren sich ja gewaltig, sodass ich kaum räum schaffen kann; wenn ich nur erreichte dass der druck etwas rascher gienge, und zwei setzer angestellt würden!« 249 Scherers Effektivität als publizistischer Koordinator wird nur von der Wirkung seiner eigenen Beiträge für Zeitschrift und Anzeiger erreicht. Parallel zum Rückzug Haupts aus der redaktionellen Verantwortung ersetzt Scherer kantige Esoterik durch geschliffene Polemik. Zwischen 1875 und 1880 eröffnet Scherer publizistische Offensiven gegen alle Rivalen der Berliner Germanisten. Er verwendet zu diesem Zweck einen neuartigen, glossenähnlichen Artikeltyp, eine Verbindung von wissenschaftlicher Analyse und witzigem Kommentar. Unter dem Titel Bei246

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Vgl. zur Konzeption Wilhelm Scherer am 3. 9. 1877, in: Scherer/Steinmeyer-Briefwechsel, S. 125ff. Seit 1880 tritt die Deutsche Literaturzeitung hinzu; als ihr Herausgeber fungiert bis 1886 der Scherer-Schüler Max Roediger. Scherer nennt das Zentralblatt explizit als Vorbild; vgl. seinen Brief vom 10. 2. 1880, in: Eberhard Lämmert / Werner Richter (Hg.), Wilhelm Scherer / Erich Schmidt: Briefwechsel. Mit einer Bibliographie der Schriften von Erich Schmidt, Berlin 1963, S. 135. Hermann Paul an Wilhelm Braune vom 17. 10. 1882, in: Baur (Hg.), S. 360. Elias von Steinmeyer am 12. 4. 1876, in: Scherer/Steinmeyer-Briefwechsel, S. 75. Vgl. auch sein Fazit, daß 1870 »die Zs. im Eingehen begriffen« gewesen sei »aus Mangel an Material«, 1885 aber er sich »vor Manuscriptofferten nicht mehr zu retten« wisse; Elias von Steinmeyer am 3. 7. 1885, in: Scherer/Steinmeyer-Briefwechsel, S . 2 9 2 .

leidsbezeugung wird Karl Bartsch der neuerliche Abdruck einer bereits bekannten Beichtformel nachgewiesen: Herrn prof. Bartsch ist ein kleiner unfall begegnet, über den ich meine collegiale condolenzvisite in Heidelberg abzustatten nicht unterlassen möchte. [ . . . ] Jeder mensch hat seine fehler. >Wir stolpern wol auf unsrer lebensreise< sagt Goethe. Bartsch hat die verzeihliche schwäche, nicht gerne umzublättern [.. .]. 2 5 0

Bei Weinhold, so Scherers Fazit, sei er mit seinen sprachgeschichtlichen Ausführungen »weniger glücklich« gewesen. D e r G r u n d : Für Weinhold sei nicht »hinlänglich kräftige färbe des vortrags« vorhanden gewesen, um ihn von »nicht unwichtigen ansichten zu überzeugen, die er leider bei Grimm und B o p p noch nicht lernen konnte.« 2 5 1 Scherers Sarkasmus unterläuft die im »Nibelungenstreit« eingeschliffene Alternative, entweder völlig sachlich ein wissenschaftliches Problem zu diskutieren oder mit massiven persönlichen Angriffen den Kontrahenten moralisch zu denunzieren. Anders als Pfeiffer oder Müllenhoff ironisiert Scherer ein Versehen, wertet es als das, was es ist: »ein kleiner Unfall«, eben kein irreparabler Verstoß gegen Grundfesten philologischer Arbeit. Subtil auch der scheinbar nebensächliche Ausfall gegen Weinhold, dem en passant, in einem Satz, Antiquiertheit attestiert wird. Im J a h r vor seinem Eintritt in das Redaktionskollegium formuliert Scherer programmatisch seine publizistischen Intentionen. D e r Aufsatz Allerlei Polemik I. Anonyme Gönner stellt für die Zeitschrift ein Novum dar, bringt er doch keinerlei wissenschaftliche Analyse. Scherer bezieht vielmehr eine Metaebene und diskutiert die Möglichkeiten wissenschaftlicher Rede und Gegenrede. D e r erste Satz lautet: »Ich lese lieber kurzweilige sachen als langweilige und setze diesen geschmack auch bei meinen lesern voraus.« 2 5 2 Im folgenden verteidigt Scherer seine Absicht, »den ernst schwerfälliger erörterungen durch einige lustige bemerkungen zu mildern« und die laufenden Auseinandersetzungen zu beleben. Scherer entwaffnet seine Gegner, aus den Anspielungen läßt sich die Leipziger Germanistik unschwer erkennen, indem er sich ihre Vorwürfe spielerisch aneignet: E r sei ein »arger sünder«, gesteht er, dessen »Schändlichkeit nicht einmal originell« sei, bekennt sich zu den »epigonen« und zu seiner »angebornen Schlechtigkeit«. 253 Ziel dieser Bemühungen sei es, sagt Scherer am Schluß, die kleinlichkeit aus unseren wissenschaftlichen beziehungen zu verbannen. [ . . . ] kleine discussionen über nebenpuncte dürfen uns nicht erhitzen, und wenn wir in vielem ausein-

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Wilhelm Scherer, Beileidsbezeugung, in: A f d A 1 (1875), S. 63f. Bartsch revanchiert sich später; vgl. seine Miszelle: Das Akrostichon in Steinhöwels Apollonius, in: Germania 23 (1878), S. 381-383. Wilhelm Scherer, Allerlei Polemik III. D i e reduplicirten praeterita, in: Z f d A 19 (1876), S. 154-159, S. 3 9 0 - 3 9 2 ; S. 155. Wilhelm Scherer, Allerlei Polemik I. A n o n y m e Gönner, in: Z f d A 18 (1875), S. 461-465, S. 461. Das Besondere dieses Artikels betont Scherer am 4. 5. 1875, in: Scherer/SchmidtBriefwechsel, S. 61. Scherer, Polemik I, S. 462ff.

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ander gehen, so haben wir auch vieles gemeinsam. [...] parteisachen gibts nicht in der Wissenschaft.254 In diesen Worten scheint eine Schlichtung des »Nibelungenstreits« im Bereich des Möglichen zu liegen. Sachliche D i f f e r e n z e n sind nach Scherers Ansicht kein Hindernis für ein von persönlichen Unterstellungen freies Arbeitsklima. U n d doch eskalieren in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre die Kontroversen in einer Weise, die an den Beginn der D e b a t t e erinnert. Als Bartsch 1878 die

Eilhart-

A u s g a b e des Scherer-Schülers Franz Lichtenstein »wegen ihres Mangels an kritischer M e t h o d e wie w e g e n der Unzuverlässigkeit des Apparates als verfehlt« bezeichnet, 2 5 5 wirft ihm Scherer Konkurrenzneid vor. 2 5 6 Bartsch repliziert: »Nur impotente Feigheit wird, statt den hingeworfenen Handschuh aufzunehmen, sich hinter Schimpfreden verstecken.« 2 5 7 Für Scherer sind diese Worte ehrenrührig, in einer Reihe von erregten Briefen überlegt er geeignete G e g e n m a ß n a h m e n , erklärt aber schließlich, daß Bartsch »nicht satisfaktionsfähig« s e i . 2 5 8 D i e Betroffenheit geht so weit, daß Scherer nicht nur ein Duell mit Bartsch in Erwägung zieht, sondern sogar als Mitherausgeber der beiden Publikationsorgane ausscheiden will, als Steinmeyer sich von persönlicher Polemik distanziert und Scherers entsprechende Artikel nicht drucken m ö c h t e . 2 5 9 A u f der E b e n e rationaler Problemstellung und -lösung sind solche Vorfälle

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Scherer, Polemik I, S.465. K[arl] B[artsch], Rez. Franz Lichtenstein (Hg.), Eilhart von Oberge, in: LZB 1878, Sp. 859f. 256 Vgl. Wilhelm Scherer, Rez. des Briefwechsels des Freiherrn K. H. G. von Meusebach mit J. u. W. Grimm, in: AfdA 6 (1880), S. 237-243; vgl. Steinmeyers Brief vom 5. 7. 1878, in: Scherer/Steinmeyer-Briefwechsel, S. 154. Beider Einschätzung kann sich berufen auf das Eingeständnis von Bartsch: »Dr. L. ist mir nun zuvorgekommen.« In seiner Rezension der Lichtenstein-Edition, in: Germania 23 (1878), S. 345-361, S. 361. Zu Franz Lichtenstein, der mit Empfehlung seines Lehrers Scherer 1877 zu Weinhold nach Breslau wechselt und sich dort 1878 habilitiert, vgl. die Erinnerungen C. Müllers, S. 56f., sowie Scherers Schreiben vom 17. 2. 1877, in: Briefe deutscher Philologen an Karl Weinhold (Nr. 21). 257 Karl Bartsch, Zum Anzeiger für deutsches Altertum 6, 240, in: Germania 25 (1880), S. 507. Möglicherweise bezieht sich die scharfe Erklärung Bartschs auch auf den von Scherer initiierten Plan einer Eingabe Wiener Germanisten: Die Zeitschrift sollte neben der Germania für die österreichischen Gymnasien abonniert werden; vgl. die Briefe Scherers vom 24. 10. 1880 und vom 19. 11. 1880, in: Scherer/Schmidt-Briefwechsel, S. 152f. und S. 159. 258 Wilhelm Scherer am 26. 2. 1881, in: Scherer/Steinmeyer-Briefwechsel, S.205; vgl. dort die Briefe Nr. 290-313 sowie Wilhelm Scherer, Mitteilung, in: AfdA 7 (1881), Beilage zum 1. Heft. Scherer deutet die Konsequenz eines Duells an, er habe sich aber von der hypothetischen Qualität der Polemik Bartschs überzeugen lassen. 259 Vgl. Elias von Steinmeyer am 25. 2. 1881, in: Scherer/Steinmeyer-Briefwechsel, S. 204. Steinmeyer argumentiert, diese Affäre bringe nur Bartsch Vorteile, »da er es vortrefflich versteht, sich den Schein des unschuldig gekränkten zu geben.« Die Berliner hingegen kämen »in den Geruch unverbesserlicher Krakehler«, wenn die Polemiken fortgesetzt würden. Die Reaktion Scherers im folgenden Brief (S. 205). 255

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nicht erklärbar. 2 6 0 Wissenschaftliche Differenzen im eigentlichen Sinne, also diskursiv entscheidbare Thesen und Gegenthesen, haben nur noch den Stellenwert von Auslösern für die rigide Disqualifikation der jeweils anderen Seite. Gerade die Episode zwischen Bartsch und Scherer kann auch nicht aus den Profilierungsbedürfnissen des wissenschaftlichen Nachwuchses erklärt werden; beide sind 1880 etablierte und erfahrene Hochschullehrer mit eigenen Zeitschriften. Der »Nibelungenstreit«, in den siebziger Jahren bereits in der zweiten Generation, reduziert sich auf persönliche Rivalitäten, welche die >eigentliche< disziplinäre Kommunikation über die Gegenstände des Fachs dominieren; eine sowohl für die innere Entwicklung der Germanistik wie auch für ihr Erscheinungsbild in der außerwissenschaftlichen Öffentlichkeit gefährliche Tendenz. Im Schlußabschnitt der vorliegenden Untersuchung soll es deshalb darum gehen, die Auswirkungen dieses Prozesses jenseits individueller Konkurrenzen zu beschreiben und einige neuartige Entwicklungen in der Disziplin anzudeuten.

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In ähnlicher Weise eskaliert eine Debatte zwischen >Leipziger< und >Berliner< Wissenschaftlern. D e r Grazer Ordinarius A n t o n Emanuel Schönbach, Schüler Miillenhoffs und Scherers, attackiert Zarnckes Arbeitsprinzip, »jedes kritische und literarhistorische problem wie das verschleierte bild zu sais zu betrachten« und damit keinerlei neue Erkenntnisse zu gewinnen; vgl. seine Rez. von Friedrich Zarncke (Hg.), D e r Graltempel, in: A f d A 3 (1877), S. 167-172, S. 171. Paul antwortet mit der erwähnten Sammelrezension gegen Scherers »kühne Hypothesen«; vgl. im Abschnitt über die Leipziger Germanisten. Dann Rudolf Henning, Schüler Müllenhoffs und Scherers, mit der Rez. Nibelungenlitteratur, in: A f d A 4 (1878), S. 4 4 - 8 0 , gegen Paul S. 4 6 - 5 6 . Dagegen wiederum Pauls Abhandlung über Nibelungenfrage und philologische Methode. Gleichzeitig läuft die zitierte »Heptadisten«-Kontroverse zwischen Zarncke und Henning.

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DRITTER T E I L

Konsequenzen einer Kontroverse

I. Symptome der Konsolidierung Ein zentraler Grund für die endlosen, zirkulären Debatten im »Nibelungenstreit« läßt sich angeben, wenn man die rivalisierenden Einschätzungen desselben Gegenstandes vergleicht. Die von Müllenhoff und Scherer 1864 herausgegebenen Denkmäler, vielleicht die berühmteste Edition Berliner Germanisten der Zeit, rufen nach ihrem Erscheinen zahlreiche Rezensionen hervor. Matthias von Lexer, Schüler Haupts und Weinholds, beurteilt die Ausgabe als »musterhaft gelungen«.1 Zarncke hingegen sieht die »Grenze des Erträglichen« überschritten, »althochdeutsche Dichtungsversuche« habe man vor sich, aber keinen wissenschaftlichen Ertrag. 2 Richard Heinzel wiederum resümiert: »Doch selbst wenn die gewonnenen Resultate weniger glänzend wären, würde die vollendete Methode, die um das Ergebnis so unbekümmerte Weise der Forschung dem Buche, als bloß philologischer Musterarbeit, den ehrenvollsten Platz sichern.«3 Konträr rügt Bartsch »allzugroße Willkür und Gewaltsamkeit, die ihren Grund in vorgefassten Meinungen« habe und damit eine wissenschaftlich akzeptable Textherstellung verhindere.4 Nicht einmal über die kleinen althochdeutschen Sprachdenkmale läßt sich eine philologische Diskussion führen, die auch nur annähernd Konsens erzeugte. Die Konfusion der Maßstäbe steigert sich bei einem zugleich komplexen und zentralen Forschungsobjekt wie dem Nibelungenlied. Bartsch bedauert 1865, die Parteien ständen sich »schroffer denn je gegenüber«, da »eine Unsicherheit des Urteils entstanden« sei.5 1874 sieht er sich »dem Labyrinthe streitender Meinungen« ausgesetzt.6 Rudolf Henning muß 1878 in seinem großen Forschungsbericht zum

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Matthias von Lexer, Rez. Denkmäler, in: Anzeiger für künde der vorzeit N. F. 11 (1864), Sp. 107f. Zitiert nach Stemsdorff, S. 86. Zarncke, Rez. Denkmäler, Sp. 233f. Richard Heinzel, Aus fünf Jahrhunderten deutscher Literatur, in: ders., Kleine Schriften, S. 1-18, S. 2. Die Rezension behandelt di s Denkmäler und Scherers Über den Ursprung der deutschen Literatur. Karl Bartsch, Rez. Denkmäler, in: Germania 9 (1864), S. 5 5 - 6 8 , S. 55. Karl Bartsch, Untersuchungen über das Nibelungenlied, Wien 1865 (Reprint Osnabrück 1968), S. V. Karl Bartsch, Rez. Hermann Fischer, Die Forschungen über das Nibelungenlied seit Karl Lachmann; Karl Vollmöller, Kürenberg und die Nibelungen, in: Germania 19 (1874), S. 3 5 2 - 3 5 8 , S. 353.

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Nibelungenepos eingestehen, »dass wir jetzt statt dreier fünf herrschende ansichten zu verzeichnen haben.« 7 Bereits die Zeitgenossen, Beobachter wie Teilnehmer des »Nibelungenstreits«, vermerken seine Unentscheidbarkeit. Rudolf von Raumer, Autor der ersten großen Fachgeschichte der Germanistik, protokolliert 1870 resigniert: Ueberblicken wir die Thätigkeit der letzten zwanzig Jahre auf dem Gebiet der Nibelungenkritik, so sehen wir, daß ein sehr großer Theil der Forscher Lachmann's Herstellung der angeblichen zwanzig Lieder, aus denen das Gedicht zusammengesetzt sein soll, verwirft. Fragen wir aber andererseits, ob es irgend einem der anderen Forscher gelungen sei, die Gegner von seiner Ansicht über die Entstehung des Nibelungenlieds zu überzeugen, so müssen wir auch dies verneinen. [ . . . ] Wir sind nun weit entfernt, dieses durchgreifenden Zwiespalts wegen die Bedeutung der Untersuchungen über den Ursprung des Epos zu verkennen. Wir ehren den darauf verwandten Scharfsinn und hoffen, daß wir der Lösung des überaus schwierigen Problems immer näher rücken werden. [ . . . ] Mögen wir uns dann immerhin, ein Jeder in seiner Weise, den uns unzugänglichen Zustand unsrer Heldendichtung so vollkommen denken, als es uns gefällt. 8

Raumer lokalisiert mit diesen Worten die Grenzen der bis dahin geübten philologischen Praxis, zu der sich alle konkurrierenden Gruppen bekennen. Die Empfehlung, »Jeder in seiner Weise« solle sich eine eigene Einschätzung bilden, stellt den krassen Gegensatz zum Selbstverständnis des philologischen Forschens dar, wie es stellvertretend Scherer bestimmt: »Denn das unerschütterlichste von allen Axiomen ist für mich, daß man bei einerlei Methode der Forschung nicht zweierlei Meinung über dieselbe Sache haben kann.« 9 Genau dies aber ist in den Kontroversen des »Nibelungenstreits« der Normalfall. Zweifellos bestimmt die Erregung über die Angriffe auf den verstorbenen Lachmann die Schärfe zu Beginn des Disputs, der in der Folge persönliche Angriffe und sachliche Einwände nicht mehr zu trennen vermag. Die Entstehung der beschriebenen Gruppen in der Germanistik nach der Jahrhundertmitte enthebt jedoch die engagierten Wissenschaftler nicht der Verpflichtung, und sei es, um Differenz zu betonen, die Kommunikation zwischen den Fraktionen in Gang zu halten. Es gelingt nur nicht, rationale Kriterien für die Lösung der Sachfragen bereitzustellen, die auch der wissenschaftliche Gegner anerkennen und nachvollziehen könnte; Akzeptanz wird zumeist nur im eigenen Lager erzielt. Aus dieser Konstellation resultieren die Zirkelstruktur der einzelnen Kontroversen, die endlosen gegenseitigen Vorwürfe charakterlicher Mängel und philologischer Inkompetenz, die austauschbare Diktion der Polemiken. Die fast bis zum Duell gesteigerte Auseinandersetzung zwischen Scherer und Bartsch spiegelt Struktur und Grenze der eingeschliffenen Muster, ist auf prä-

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Henning, Nibelungenlitteratur, S. 44. Rudolf von Raumer, Geschichte der Germanischen Philologie vorzugsweise in Deutschland, München 1870 (Reprint New York, London 1965), S. 705f. Hermann Paul bestätigt dies noch dreißig Jahre später: »In Bezug auf das Handschriftenverhältnis ist darin wohl allgemeine Einigung erzielt, dass der Text von C nicht der ursprüngliche sein kann. Sonst stehen sich die Ansichten noch schroff gegenüber.« Im von ihm herausgegebenen Grundriss der Germanischen Philologie, Bd. 1, 2., verb. u. verm. A. Straßburg 1901, S. 138. Wilhelm Scherer am 7. 4. 1867, in: Müllenhoff/Scherer-Briefwechsel, S. 201.

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gnante Weise Ausdruck der innerhalb des herkömmlichen wissenschaftlichen Alltags nicht abschließbaren Divergenzen: Das gesellschaftliche Ritual soll ermöglichen, was die philologische Methode nicht vermag. Der »Nibelungenstreit« führt die Germanistik in einen Zustand der Anomie, in eine Phase mit einer Vielzahl rivalisierender Deutungen und Situationsdefinitionen, 1 0 die es in dieser Form, dem herrschenden Wissenschaftsbegriff zufolge, nicht geben dürfte. Otto Lyon analysiert im Nachruf auf Zarncke die irritierende Lage nach dem Tode Lachmanns: Die Meinung nämlich, daß die Ergebnisse der exakten Methode als unwiderleglich feststehende Thatsachen anzusehen seien und daher die exakte Methode als solche eine gewisse Unfehlbarkeit besitze, wurde dadurch vor allem mit beseitigt, daß Zarncke mit Hilfe derselben Methode, der sich Lachmann bediente, zu gerade entgegengesetzten Ergebnissen kam. 11

Diese Sätze lesen sich wie die direkte Antwort auf das eben zitierte Axiom Scherers von der Objektivität verbürgenden Methode, dem schon Raumer zwischen den Zeilen mißtraute. Die Erschütterung des traditionellen philologischen Wissenschaftsbegriffs hat aber in der Disziplin zunächst keine einschneidenden methodischen oder gar methodologischen Folgen, weil die Gegner der Thesen und Editionen Lachmanns sich selbst als seiner Tradition zugehörig bezeichnen, ihre Kritik also noch als philologieimmanentes Problem behandeln. Auf Grund der immensen Reputation der Arbeiten Lachmanns verfügen seine Schüler und Anhänger zudem über institutionelle Machtmittel, die eine erfolgreiche Gegenöffentlichkeit zunächst verzögern können. Die Disparatheit der längst nicht mehr ausschließlich um das Nibelungenlied zentrierten Kontroversen führt dennoch in den siebziger Jahren zu einer verbreiteten Orientierungslosigkeit, aus der sich für die Germanistik eine Reihe einschneidender Konsequenzen ergeben. Zunächst lassen sich - parallel zu den erwähnten Debatten - Annäherungen zwischen den Gruppen beobachten. Bereits 1870 schickt Zarncke Sievers »nach Berlin, um sich von Müllenhoff den letzten Schliff geben zu lassen!!« 12 Dem Mitarbeiter Steinmeyers an den Althochdeutschen Glossen (1879ff.) folgen später Zarnckes Schüler Gustav Roethe und Konrad Burdach. 1 3 Julius Petersen nennt diesen Vorgang sogar »bezeichnend für die Wissenschaftslage um 1880, die zur versöhnenden und vorwärts weisenden Synthese« hinstrebe. 1 4 Zumindest im Falle 10

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Den Begriff der Anomie verwende ich in der soziologisch geläufigen Bedeutung; er bezeichnet dann einen Zustand labiler sozialer Regelung und schwacher Normierung des individuellen Verhaltens. Zu den verschiedenen Aspekten des Begriffs und seiner theoretischen Einbindung vgl. den entsprechenden Artikel in: René König (Hg.), Soziologie, Frankfurt/M. 1967, S. 22-31. Otto Lyon, Friedrich Zarncke, in: Zeitschrift für den deutschen Unterricht 5 (1891), S. 721-730, S. 724. Friedrich Zarncke an Wilhelm Scherer vom 15. 3. 1870, in: Zarncke-Briefe, S. 371. Vgl. Julius Petersen, Konrad Burdach, in: Dichtung und Volkstum 37 (1936), S. 393-398, S. 395. Julius Petersen, Gedächtnisrede auf Konrad Burdach und Arthur Hübner, in: SBB 1937, S. CXX-CXXX, S. CXXI.

Burdachs wird man das reine Faktum des Hochschulwechsels nicht überbewerten dürfen, denn der spätere Inhaber einer Forschungsprofessur an der Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin muß sich in dieser Zeit scharfer Angriffe Pauls erwehren, deren Rhetorik das Niveau der sonstigen Polemiken mühelos erreicht. 15 Aussagekräftiger und als fachgeschichtliche Quellen für die Beurteilung der Konstellation um 1880 glaubwürdiger erscheinen bislang unbekannte Kollegnachschriften Roethes, der als Student in Leipzig und Berlin die dortigen Vorlesungen sorgfältig notiert hat. 1 6 Für die vorliegende Untersuchung besonders interessant ist der Vergleich der Nibelungen-Vorlesungen Zarnckes (ca. 1878/79) und Müllenhoffs (1880/81). Bedenkt man den vehement polemischen Umgang mit den wissenschaftlichen Gegnern, wie er noch für die Lehrveranstaltungen Haupts beschrieben wird, 17 so zeigen die Nachschriften Roethes ein fast entspanntes Verhältnis sowohl zum Forschungsgegenstand wie zu seiner wissenschaftlichen Diskussion. Selbstverständlich werden die bekannten fachgeschichtlichen Urteile bekräftigt: Von der Hagen »hat das Verdienst, die Nibelungen verbreitet zu haben: das ist hoch anzuerkennen. [...] Die spräche der neurung ein unding [...].« Lachmanns Habilitationsschrift über die Nibelungen sei eine »großartige leistung von strengster methode.« Über sein eigenes Debüt im »Nibelungenstreit« sagt Müllenhoff dann: »Ein polem. anhg. zu jener schrift [Zur Geschichte der Nibelunge Not 1854, R. K.] focht die sache gegen Holtzmann u. Zarncke sehr rücksichtslos aus, vielleicht etwas zu stark: doch gereuts ihn nicht.« 18 Ergänzt werden diese Angaben des Kapitels »Literatur« (im Abschnitt »Geschichte und Kritik der Nibelungen«) durch das Kapitel »Die Handschriften«. In allen Teilen herrscht ein sachlicher Ton vor, der sich zwar eindeutige Wertungen der Forschungsbeiträge erlaubt, im ganzen aber einen ausgewogenen und informativen Überblick gewährleistet. Friedrich Zarncke erklärt seinen Hörern schon im »Vorwort«, daß die Überlie15

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Vgl. Hermann Paul, Zu Walther von der Vogelweide, in: PB Β 8 (1882), S. 161-209, S. 171ff. Konrad Burdach, Zu Reinmar und Walther, in: PBB 8 (1882), S. 461-471; Hermann Paul, Erwiderung auf das Vorstehende, in: PBB 8 (1882), S. 471-479. Abschließend und an bemerkenswertem Ort: Konrad Burdach, Erklärung, in: AfdA 8 (1882), S. 370-374. Zarnckes Vermittlungsversuch scheint nicht erfolgreich gewesen zu sein; vgl. seinen Brief an Wilhelm Braune vom 4. 1. 1882, in: Zarncke-Briefe, S. 372. Aus den neunzehn vorhandenen Kollegnachschriften im Roethe-Nachlaß des ZAAdW läßt sich der Studiengang Roethes mit den Schwerpunkten klassische (Curtius, Ribbeck) und deutsche Philologie (Braune, Zarncke, Scherer, Müllenhoff, Hildebrand) genau rekonstruieren. Vgl. Wilamowitz-Moellendorff, S. 97; Karl Lucae, Autobiographische Aufzeichnung, mitgeteilt von Max Koch in seinem Vorwort zu: Aus deutscher Sprach- und Literaturgeschichte. Gesammelte Vorträge von Karl Lucae, Marburg 1889, S. III—XI, S. IX. Alle Zitate: Karl Müllenhoff, Das Nibelungenlied, Vorlesungsnachschrift von Gustav Roethe im ZAAdW, Nachlaß Roethe, Nr. 38, S. 5, S. 9, S. 11. Der Aufbau: I. Geschichte und Kritik der Nibelungen: Kap. 1: Literatur; Kap. 2: Die Handschriften; Kap. 3: Form der Nibelungen; Kap. 4: Sprache der Nibelungen; Kap. 5: Entstehung des Gedichts. II. Geschichte der Sage; Einschub: Geschichte der epischen Sage. Die Vorlesung ist unabgeschlossen; Müllenhoff zitiert nach Lachmanns Ausgabe (21841, 5 1878).

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ferung des Epos eine »so verwickelte frage« sei, wie »kaum ein andrer gegenständ der literatur sie aufzuweisen« habe. 19 Zarncke doziert mit ironischer Distanz zur Kontroverse: Auf die Bezeichnung der Handschriften »anspielend haben sich die gegner in dieser frage gegenseitig vorgeworfen, die andere partei verstehe nicht einmal das ABC der Nibelungenfrage.« 20 Auch der Leipziger Ordinarius formuliert die geläufigen Bewertungen der Fachgeschichte aus philologischer Sicht; so habe von der Hagen »mit kritischen fragen immer auf gespanntem fuss gelebt«, 21 und um Pfeiffers Kürenberger-Hypothese stehe es »bedenklich«. 22 Lachmann wird eine »mystische neigung zu Zahlenverhältnissen« attestiert, 23 und Holtzmann »blamierte sich also ganz tüchtig« mit den Vermutungen über die Entstehungsgeschichte des Liedes. 24 Aber auch die Arbeiten der eigenen Schüler werden unparteiischer Beurteilung unterzogen: »Sicherheit hat in diese frage [der Handschriften, R. K.] auch die gründliche Unternehmung Pauls nicht bringen können.« 25 In beiden Veranstaltungen, die durch Roethes Mitschrift überliefert sind, wird bei aller Entschiedenheit des Standpunkts die Denunziation des wissenschaftlichen Gegners vermieden; vermittelt werden ausführliche Referate zur Forschungslage und zu fundamentalen Problemfeldern des Textes. Auch diese Quellen deuten auf ein Abklingen des »Nibelungenstreits« als einer das ganze Fach tangierenden, zentralen Kontroverse; einzelne Polemiken wie die zwischen Bartsch und Scherer bleiben weiterhin möglich. Schon die reservierte Haltung Steinmeyers gegenüber der rücksichtslosen Durchsetzung persönlicher Interessen in den wissenschaftlichen Zeitschriften machte auf eine Tendenz aufmerksam, die sich in den achtziger Jahren verstärkt. So tilgt Scherer in der zweiten Auflage seines Jacob Grimm 1885 die »Inferno«-Passage, in der die Kritiker Lachmanns der Lächerlichkeit preisgegeben wurden. Über die sechste Auflage von Zarnckes Nibelungen-Edition schreibt Bartsch 1888 in seiner Rezension: Alle hier besprochenen Punkte sind der Art, daß sie einen principiellen Gegensatz nicht enthalten, und so hoffe ich, daß wir uns allmählich noch etwas mehr nähern werden. Wir beide stehen in Gegensatz zu der noch immer, wenn auch nicht mehr in öffentlicher Polemik, festgehaltenen Lachmannschen Ansicht mit ihren Heptaden. 26

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Friedrich Zarncke, Das Nibelungenlied, Vorlesungsnachschrift von Gustav Roethe im ZAAdW, Nachlaß Roethe, Nr. 37, S. 3. Der Aufbau: Vorwort. Kap. I: Land und Leute im Nibelungenlied; Kap. II: Inhalt, Disposition, Stil, Zeit und Heimat des Nibelungenliedes; Kap. III: Handschriften und Entstehungsgeschichte des Nibelungenliedes; Kap. IV: Quellen und Geschichte der Nibelungensage; Kap. V: Kritik der Nibelungensage. Es folgt ohne durchgehende Beschriftung Roethes die »Erklärung« des Nibelungenlieds, ein unabgeschlossener Stellenkommentar. Zarncke zitiert nach seiner eigenen NibelungenAusgabe (4856, 5 1875). Zarncke, Nibelungen-Vorlesung, S. 4. Zarncke, Nibelungen-Vorlesung, S. 155. Zarncke, Nibelungen-Vorlesung, S. 191. Zarncke, Nibelungen-Vorlesung, S. 176. Zarncke, Nibelungen-Vorlesung, S. 184. Zarncke, Nibelungen-Vorlesung, S. 193. Bartsch, Rez. Zarncke, S. 109.

Auch die Kritiken anläßlich der dritten Auflage der Denkmäler streben 1892 sachliche Würdigung an. Otto Behaghel, Herausgeber der Germania, fühlt sich dem Bearbeiter Steinmeyer »zu lebhaftem Danke verpflichtet«. 27 Wilhelm Braune sieht »die Denkmäler Steinmeyer's als Grundlage weiterer Forschung« und schließt »mit dem Ausdrucke des Dankes für die aufopfernde Arbeit, durch welche St. unserer Wissenschaft eines ihrer Hauptwerke in so trefflicher Weise erneuert hat.« 28 Als Braune schließlich 1900 mit seinen eigenen Forschungen zu den Handschriftenverhältnissen hervortritt, muß er Paul über unerwartete Reaktionen unterrichten: Steinmeyer, bis dahin Anhänger der Gegen these, habe »vollständige Zustimmung kundgegeben«. Edward Schröder, nunmehr Mitherausgeber von Zeitschrift und Anzeiger, teilt mit, daß er sich bei potentiellen Rezensenten »den 5. Korb geholt habe. Die entscheidende Förderung werde allseitig anerkannt, aber die Umworbenen hätten alle die Mühe der Nachprüfung gescheut.« 29 Unter den »Nibelungenstreit« ist offenbar ein unspektakulärer Schlußstrich gezogen worden. Für die Überlegungen des >Leipzigers< Braune, der mittlerweile zum Heidelberger Ordinarius avanciert ist, finden >die Berliner< keinen kompetenten Rezensenten mehr, der auch nur den Versuch unternähme, ein selbständiges Urteil zu fällen oder gar die alten Streitfragen publikumswirksam zu beleben. 30

II. D e r n e u e Gelehrtentyp In der Germanistik lassen sich während der letzten Phase des »Nibelungenstreits« zwei Entwicklungen beobachten, die mit der angedeuteten anomischen Situation des Fachs in Verbindung stehen. Auf der Ebene des Sozialsystems findet sich Akzeptanz für einen neuen Gelehrtentypus, dessen prominentester Vertreter Erich Schmidt sein wird. Sichtbar wird diese Veränderung im Profil des in der Disziplin erfolgreichen Fach Vertreters, wenn man sich die Beschreibungen anerkannter Ordinarien der philologischen Disziplinen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vergegenwärtigt. Von Gottfried Hermann, dem Lehrer Haupts und Lachmanns, berichtet sein Biograph die Abneigung gegen die »schon damals einreissende Sitte mancher Gelehrten, durch zahlreiche und kostspielige Gastereien« hervorzutreten. 31 Die gleiche genügsame Lebensführung diktiert die Ablehnung des Geheimrat-Titels anläßlich des 50jährigen Professoijubiläums 1847. Hermann wendet sich

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Otto Behaghel, Rez. Denkmäler (3. Α.), in: Literaturblatt für germanische und romanische Philologie 13 (1892), Sp. 330f. Wilhelm Braune, Rez. Denkmäler (3. Α.), in: LZB 1892, Sp. 1538-1540, Sp. 1540. Wilhelm Braune an Hermann Paul vom 6. 8. 1900, zitiert nach: Fromm, S. 37. Selbstverständlich muß sich diese Tendenz nicht gleichzeitig auf allen Ebenen der fachlichen Diskussion und bei allen an ihr beteiligten Wissenschaftlern auswirken. Paul schreibt 1901, die »Parteigegensätze« seien »leider bis heute noch nicht überwunden«; Grundriss, S. 101. In seiner zu Beginn zitierten Rezension sieht de Boor auch 1930 noch die ehemaligen Rivalitäten latent wirksam. Koechly, S. 90.

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in einem Schreiben an den sächsischen König, versichert ihn seiner Loyalität und äußert die Bitte, seine bürgerliche Stellung auf keine Weise zu verändern [...]; er habe nie etwas anderes sein oder heissen wollen, als was er wirklich zu sein im Stande gewesen; jetzt [ . . . ] könne er sich nicht untreu werden und das, worin allein er stets seine Ehre gesetzt, Wahrhaftigkeit und Festigkeit in Wort und That, aufgeben. 32

Dieses bürgerliche Selbstbewußtsein ist immer zugleich Leitfaden der philologischen Arbeit und intendiert die Schulung des Charakters nach seinen Maximen: »Hermann war überhaupt ein überzeugungstreuer Anhänger strengerer Zucht und Sitte, bei der nicht ein Zuckerguß äußerer Glättung, sondern eine tüchtige geistige Bildung gewonnen wurde.« 33 Philologische Wissenschaft, diese Mahnung erteilt Müllenhoff noch Scherer, erzieht zur Einfachheit in der Darstellung der Forschungsergebnisse wie zur Unauffälligkeit und Zurückhaltung im alltäglichen Leben. Über Friedrich Ritsehl heißt es: In Geldangelegenheiten hat der ungeschickte Rechner von Jugend auf eine Bescheidenheit und weltfremde Blödigkeit bewahrt, welche unser finanzkundiges Geschlecht belächelte: zur Goldquelle sind seine Gaben nicht für ihn geworden, der Ruhm des Gelehrten so wenig als des vielberufenen Lehrers. 34

Gegen die Klischees vom weltfremden Gelehrten betont der Biograph, der Altphilologe Otto Ribbeck, sehr zu Recht den institutionellen Erfolg Ritschis, der in den Jahren seiner Tätigkeit in Bonn unbestrittenen Leitfigur der sogenannten >Bonner philologischen SchuleKampf gegen den Dilettantismus*. Das ist selbst ein rechtes Dilettanten109

vergnügen.« Die Philologisierung der neueren deutschen Literaturgeschichte und damit ihre akademische Reputation durchgesetzt zu haben, gilt den Nekrologen auf Scherer und Schmidt als deren größtes Verdienst. Die »strengste Methode« aus »Haupts und Müllenhoffs Schule« habe Scherer auf den neuen Gegenstandsbereich angewendet 1 1 0 und dabei doch »über dem Kleinen und Einzelnen das Größte und Allgemeinste nicht vernachlässigt«. 111 Entsprechend wird Schmidt »strengste Selbstzucht«, verbunden mit »der vollen Fähigkeit des Entsagens«, bescheinigt. 112 Beide Autoren sind in die Traditionslinie der wissenschaftlichen Germanistik integrierbar, die Charakteristika verschmelzen mit den geläufigen Attributen der großen Meister: Schmidt sei von der »Andacht zum Kleinen und Kleinsten« beseelt gewesen, 113 erinnere also an Jacob Grimm. Über Scherer heißt es: »Was er von Jacob Grimm sagt: >neben einem festen Thatsachensinn bewegt sich schrankenlos eine Alles combinierende Phantasie*, das gilt ebenso von ihm selbst.« 114 Karl Müllenhoff und Wilhelm Scherer seien »die mittleren Pfeiler der Brücke« zwischen der modernen Germanistik und den »Generationen ihrer großen Begründer«, die »fast schon der Hauch des Mythischen« umwehe. 1 1 5 Diese Zuschreibungen einer personenzentrierten Fachgeschichte konstruieren Affinitäten und Kontinuitäten: Auch die Arbeiten Schmidts sollen sich »in organischem Zusammenhange mit dem Werke Wilhelm Scherers« befinden. 1 1 6 Aus ihnen erwächst das harmonische Bild einer mit sich selbst identischen Disziplin, ihre Geschichte erscheint als Akkumulation von immer genauerem Wissen über immer mehr Gegenstände. Kaschiert werden durch dieses Verfahren zumeist die vorhandenen Divergenzen in der sozialen Organisation des Fachgebiets. Die Neugermanistik begegnet entschiedenem Widerstand, nicht einmal als Wissensfeld 108 109

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Erich Schmidt am 10. 9. 1882, in: Castle (Hg.), S. 79. Wilhelm Scherer am 11. 7. 1878, in: Scherer/Steinmeyer-Briefwechsel, S. 156; vgl. Erich Schmidt am 10. 3. 1876, in: Scherer/Schmidt-Briefwechsel, S. 69. Minor, Scherer, S. 124. Heinzel, S. 157. Walzel, Schmidt, S. 390. Oskar Walzel, Rez. Schmidt, Sp. 2662. Vgl. ders., Der Charakteristiker Erich Schmidt, in: D a s literarische Echo 14 (1911/12), Sp. 1332-1336, Sp. 1335: »Ja ihn beseelt eine scheue Andacht vor den Tatsachen.« Johannes Schmidt, Gedächtnissrede auf Wilhelm Scherer, Berlin 1887, S. 11; vgl. auch den Schlußabschnitt mit der Parallelisierung beider Autoren. Dietrich Kralik, Karl Müllenhoff und Wilhelm Scherer, in: N e u e s Wiener Tagblatt, Nr. 117 vom 28. 4. 1937. Nadler, S. 321.

insgesamt, wohl aber als Universitätsfach. Zunächst ist die neuere Literaturgeschichte - für den Philologen - dadurch disqualifiziert, daß sie von zahlreichen >DilettantenArbeit< hatte für ihn noch etwas vom alten Sinne des Wortes = >MüheBedrängnißsich's sauer werden lassenden Studierenden das Studieren nicht zu leicht machen unmittelbar^ ohne vorgängige »Arbeit«, beispielsweise grammatische und lexikalische Studien, verständlich sein soll, die sozialisatorische Wirkung des Umgangs mit der kulturellen Überlieferung: 117 118

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Minor, Scherer, S. 124; Fohrmann, Projekt, S. 212f. Ernst Martin, D a s historische Studium der neueren Sprachen und seine Bedeutung für den Schulunterricht zunächst in Baden, Freiburg i. Br. 1872, S. 20. Anton Emanuel Schönbach, Karl Müllenhoff. Gedächtnißrede, in: ders., Gesammelte Aufsätze zur neueren Literatur in Deutschland, Österreich, Amerika, Graz 1900, S. 8 2 - 1 0 3 , S. 97f. Vgl. auch oben im zweiten Teil die Auseinandersetzungen zwischen Zacher und Pfeiffer sowie Müllenhoff und Zacher über kommentierte Ausgaben. Brandl, S. 120. Vgl. für die Anglistik die Bemerkungen über Julius Zupitza, S. 121 ff. Mitgeteilt von Pretzel, S. 43. Heinzel, S. 153. Vgl. oben im ersten Teil die Überlegungen zu Lachmanns Textphilologie.

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Gewis ist das Studium Goethes für uns nicht nur ebenso wichtig, sondern selbst wichtiger als das Studium der Nibelungen. Aber soll man und darf man die lernende, heranwachsende Jugend ebenso früh und überhaupt in die >Geheimnisse seiner Entwickelung< so tief einführen, wie in die Geheimnisse der alten Dichtung? Sie vergessen daß die Universität Lehranstalt und auch Erziehungsanstalt ist und daß >Alles schickt sich nicht für Allee Nicht Alles Wissenswürdige und Lern- und Lehrbare sollen wir auf der Universität vortragen, und nicht Alles der Art für Alle. Besonders in der neuern Litteratur scheint mir Beschränkung und Zurückhaltung geboten. Anregung, Hilfe darf geboten werden, das Beste aber soll der Einzelne nach eignem Bedürfnis sich suchen und selbst erwerben, und jeder wird es thun nach dem Maße seiner Selbsterziehung. Der Gedanke an ein 4stündiges Privatum über Göthe erregte mir Entsetzen. Ehe die Leute dafür reif sind, wie viel müssen sie vorher anderes und an sich selbst gelernt haben! Dagegen die >geplante Einleitung in [die] deutsche Philologie< - das ist andre Kost und gewis ganz am Platze. 124

Die Universität als der Ort schlechthin für pädagogische Einflußnahme auf die bildungsfähige Jugend kann ihrer Verpflichtung dann gerecht werden, wenn sie Hilfestellung für Individuation bietet. Geschehen aber kann dies nur, wenn im gleichen Moment untaugliche Einflüsse vom Studenten ferngehalten werden und er zum Zweck der »Selbsterziehung« auf die disziplinierende Arbeit an den alten Texten verwiesen ist: »Die Philologie ist paedagogische Kunst und Wissenschaft wie keine andre«, heißt es in Müllenhoffs Brief an Scherer weiter; es gebe einen grundsätzlichen Unterschied zwischen dem »Lehrer der Jugend« und dem Forscher als dem »Lehrer der Nation und Menschheit«. Diese Einschätzung ist keineswegs eine rein persönliche Meinung Müllenhoffs. Bei der Denomination des zweiten Berliner Lehrstuhls dringt Scherers Mentor 1877 auf philologische Qualifikation und findet bei herausragenden Vertretern anderer historischer Disziplinen wie Theodor Mommsen Zustimmung. 125 Die Berufung Scherers als ordentliches Mitglied in die Preußische Akademie der Wissenschaften verzögert sich infolge dieses Mißtrauens; erst Müllenhoffs Erkrankung und Tod ermöglichen die Wahl. In seiner Antrittsrede nimmt Scherer explizit Stellung: Das Maass der Wissenschaftlichkeit hängt nicht von der Schwierigkeit des ersten Schrittes ab. Die leisen Unterschiede des Sprachgebrauches zwischen heut und vor fünfzig Jahren zu erkennen, fordert schärfere Sinne, als einem althochdeutschen Texte die grammatische Ausbeute zu entlocken, die er etwa bieten kann. 1 2 6

Den genannten philologischen Postulaten trägt diese Argumentation sehr wohl Rechnung. Scherer lehnt nicht die philologischen Kriterien für Wissenschaftlichkeit ab, er behauptet nur, daß auch der neue Objektbereich eine »Schwierigkeit« aufweise, die der Erforschung durch den Universitätswissenschaftler durchaus würdig sei. Und erst nachdem dieser Beweis unter philologischen Vorgaben ge-

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Karl Müllenhoff am 1. 6. 1877, in: Müllenhoff/Scherer-Briefwechsel, S.611f. Zuvor heißt es: »Wie weit wir doch auseinander gehen [...].« Vgl. Sternsdorff, S. 178ff. und S. 223ff. Wilhelm Scherer, Antrittsrede, in: SBB 1884, S. 727-729, S. 728. In seiner Antwort fordert Mommsen die »praktische Durchführung guter Philologie«, die bei der Edition »sowohl von der altbeliebten Liederlichkeit des Herunterdruckens wie von der neubeliebten Philisterei des Druckfehlersammelns« frei sein solle; ebd., S. 729-731, S. 731.

lingt, wird neuere Literatur für die disziplinare Gemeinschaft akzeptabel. 127 Wenn dann noch »die klassische Philologie mehr und mehr aufhört, zur ästhetischen Erziehung der Nation mitzuwirken«, kann die Neugermanistik ihrerseits wegweisend wirken: »Hat erst Goethe den Thron bestiegen und herrscht er über die Geister der Jugend, so werden die Weisen und Dichter Athens sich von selbst ihm gesellen.« 128

IV. Fazit und Ausblick An den mit der Edition des Grimms/Zarncke-Briefwechsels befaßten Kollegen Albert Leitzmann schreibt Konrad Burdach 1934: »Über die in diesen Briefen hervortretenden wissenschaftlichen und persönlichen Konflikte ist ein einhelliges Urteil auch heute wohl unter Germanisten leider noch nicht zu erzielen.« 129 Volle acht Jahrzehnte nach Beginn des »Nibelungenstreits« läßt sich kein Konsens herstellen über die Bewertung dieses Disputs: Deutlicher kann das Gewicht der Auseinandersetzung kaum bestimmt werden. Aber vielleicht ist auch nur der Maßstab für ein solches Urteil falsch gewählt, impliziert er doch, den »Nibelungenstreit« als eine Anomalie, eine möglicherweise vermeidbare Störung in der Gelehrtenrepublik anzusehen. Nimmt man aber als Prämisse, daß Kontroversen in der Wissenschaft nicht die unwillkommene Ausnahme, sondern die Regel sind, stellt sich auch die Frage nach Ursachen und Konsequenzen anders. In den Blick können dann durchaus konstruktive, für die Entwicklung einer Disziplin nützliche Ergebnisse geraten. Die vorliegende Untersuchung hat diesen Funktionsaspekt betont. Es konnte gezeigt werden, daß der »Nibelungenstreit« eine Eigendynamik entfaltet, die aus der Sachdiskussion um 127

Auch hier ergeben sich allerdings Phasenverschiebungen. Berthold Litzmann, Im alten Deutschland, S. 187 und S.223ff., berichtet, daß seine Dissertation über Johann Christian Günther (gedruckt 1880) von Scherer zwar wohlwollend betreut wurde, eine Promotion über dieses neugermanistische Thema in Berlin aber noch nicht möglich war. Litzmann wechselt zu diesem Zweck nach Tübingen. 128 Scherer, Goethe-Philologie, S. 10. - Dieser optimistische Tenor sollte nicht darüber hinwegtäuschen, daß sehr schnell auch die Goethe-Philologie eines Scherer auf Widerstand stößt, der zu Formulierungen führt, die auch schon Pfeiffer und Holtzmann gegen die »Lachmannianer« gebrauchten. Vgl. als ein Beispiel (Friedrich) Braitmaier, Göthekult und Göthephilologie, Tübingen 1892, S. 4f.: »Die trockene Philologie verbündete sich mit dem geistreichen Feuilleton. W. Scherer heiratete H. Grimm. Scherer-Grimm zeugte E. Schmidt und die zahlreiche Schar zünftiger Göthephilologen. Neben die zerstreute stille Gemeinde trat die stramm organisierte Schule mit dem bewussten Streben nach litterarischer Diktatur. [ . . . ] Der Schule ist es nicht um Erforschung der objektiven Wahrheit, sondern um Verfechtung der Machtsprüche des Schulhauptes zu thun. Diese sind ein Dogma, das einfach nachgesprochen wird, wie ja E. Schmidt noch heute in der vierten Generation den Mythus von den zwanzig Nibelungenliedern gläubig wiederholt.« Vgl. auch S. 36 und allgemein Kruckis, Goethe-Biographik. 129

Unveröffentlicher Brief Konrad Burdachs an Albert Leitzmann vom 19. 10. 1934 im ZAAdW, Nachlaß Burdach. Vgl. die Rezension de Boors aus dem Jahre 1930, auf die Burdachs Brief reagiert.

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Fragen der Eposkritik und -interpretation nur ansatzweise erklärbar ist. Mit seltener Deutlichkeit zeigt sich in diesen Debatten nach 1854, daß die disziplinare Gemeinschaft »sowohl ein Argumentations- als auch ein Handlungszusammenhang« ist. 130 Die Übernahme philologischer Verfahren aus der renommierten Altphilologie sichert der jungen Beschäftigung mit altdeutscher Sprache und Literatur wissenschaftliche Anerkennung, aus der sich eine gesicherte institutionelle Existenz an der reorganisierten Universität des 19. Jahrhunderts ergibt. In jedem wissenschaftlichen Fachgebiet ist die Professionalisierung der in ihm tätigen Forscher verbunden mit einer gewissen Esoterik ihres Wissens um Gegenstände und Methoden. Diese kognitiven Elemente gewinnen im Zuge ihrer diskursiven Durchsetzung unter den Kollegen den Rang sozialer Normen: Die Nibelungenforschungen Karl Lachmanns erreichen in der Germanistik der ersten Jahrhunderthälfte ein solches Ansehen, daß der Angriff auf ihre Ergebnisse - in welcher Diktion und von wem auch immer vorgetragen - als pietätlose Entgleisung bewertet wird, die weder wissenschaftlich beachtenswert sein könne, noch einen Autor mit ethischen Prinzipien verrate, die ihn als gleichberechtigten Kollegen empfehlen würden. Alle im »Nibelungenstreit« engagierten Germanisten bedienen sich in der Folge eines Arsenals ritueller Beschimpfungen, die wenig mit der doch so hochgeschätzten rationalen Diskussion zu tun haben und mit denen die Präzision der Eposanalyse selten verbessert wird. Konträr zum vorgängigen Konsens über die Philologisierung als gemeinsame Grundlage germanistischer Arbeit beginnt die Ausdifferenzierung von Fraktionen, die sich eigene Publikationsorgane schaffen. Die verbalen Differenzen erscheinen im Rückblick größer als die real existierenden, werfen doch alle Gruppen den anderen vor, unphilologisch zu arbeiten und damit die Wissenschaftlichkeit des eigenen Fachs zu riskieren. Die unübersichtliche Gemengelage der Argumente, Vorwürfe und rhetorischen Mittel erzeugt in der Disziplin ein Orientierungsvakuum, zumal das institutionell konsolidierte Wissensgebiet mit neuen Anforderungen konfrontiert wird: der Ausbildung von Fachlehrern und der Vermittlung von Forschungsergebnissen in außerwissenschaftliche Publika. Die Umbruchsituation nach dem Tod einer Reihe führender Germanisten begünstigt neuartige Entwicklungen. Zum einen läßt sich eine Flexibilisierung der tradierten philologischen Berufsethik beobachten. Ordinarien wie Wilhelm Scherer oder Erich Schmidt repräsentieren einen Typ des Gelehrten, der sein Fach nicht nur als Forscher und Dozent beherrscht, sondern auch den von außen an seine Wissenschaft herangetragenen Ansprüchen zu genügen imstande ist. Zum anderen eröffnet sich die Disziplin einen neuen Gegenstandsbereich. Neuere deutsche Sprache und Literatur werden anerkannte Betätigungsfelder für Lehre und Publikation. Wissenschaftlichkeit wird auch in diesem neuen Arbeitsbereich durch die Orientierung an der Philologie zu erreichen versucht. 131 130 131

Weingart (S. 35) dazu in allgemein wissenschaftssoziologischer Perspektive. Bedenkt man die im Vergleich mit der Mediaevistik ungleich größere Material- und Informationsmenge in der Neugermanistik, beispielsweise auch in der Goethe-Forschung durch die Öffnung des Nachlasses erzielt, erscheint der Rekurs auf Philologie konse-

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An diesem Punkt der Fachgeschichte tritt die katalytische Funktion des Konflikts deutlich hervor, der eben nicht den angeblichen Kumulationsprozeß wissenschaftlicher Kenntnisse sabotiert. Gilt nämlich in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts die Philologisierung der Neugermanistik noch als Königsweg wahrer Wissenschaftlichkeit, mehren sich in den achtziger Jahren Stimmen, die diese Ausrichtung problematisieren oder zumindest ihre Ausschließlichkeit kritisieren. Die »einseitige philologische Behandlung hat in unserer Zeit der Litteratur gar manchen Schaden zugefügt«, wird 1880 konstatiert. 1 3 2 Zuvor schon hatte sich Scherer nurmehr »mit einem gewissen humoristischen Behagen« der philologischen Wahrheitssuche hingegeben, die oft einer »Art von Sport« gleiche. 133 Gegen den Imperativ des philologischen Ethos, nur das sicher Beweisbare zu publizieren, heißt es sogar: »Aber die sogenannte Vorsicht ist eine von den widerlichsten Gelehrten-Untugenden, mit der Feigheit recht innig verwandt.« 134 Wenige Jahre nach Scherers Tod schon rügt Erich Schmidt »die unausbleibliche Selbstgenügsamkeit mancher Kleinkrämer«, deren Ignoranz unter dem Deckmantel der Philologie das Ansehen der Forschung beeinträchtige; die »Evidenz der Ergebnisse« einer an Lachmann geschulten Faust-Philologie sei im übrigen durchaus zu bezweifeln. 135 1891 wirft der Straßburger Privatdozent für vergleichende Literaturgeschichte, Wilhelm Wetz, der Philologie vor, mit ihrer »selbstgefälligen Wichtigkeit« die »wissenschaftliche Erkenntnis von Natur und Wesen der Werke« oftmals zu behindern: In der Literaturforschung werde dem »biographischem Kleinkram übertriebene[r] Eifer« zugewendet, während sie im gleichen Moment »an großer Unklarheit über die Prinzipien« kranke. Gegen das »äußerliche und mechanische« 136 Verfahren der Philologie, das sich mit »toten Formen« 1 3 7 begnüge, werden jetzt »Nachfühlen, Nachempfinden des Kunstwerks« gesetzt, die »Fortbildung der Ästhetik« soll seinen »unendlichen Gehalt« und die »Allgewalt des Geistes« beleuchten. 1 3 8

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quent. Eine der im ersten Teil anhand von Lachmanns Textphilologie dargestellten Leistungen war die Bereitstellung von Selektionskriterien für die innerdisziplinäre Konstruktion von wissenschaftlichem Wissen. Weddigen, S. 15. Scherer, Goethe-Philologie, S. 21. Wilhelm Scherer, Bemerkungen über Goethes Stella, in: ders., Aufsätze über Goethe, S. 123-160, S. 127. Erich Schmidt, Aufgaben und Wege der Faustphilologie, in: Mandelkow (Hg.), Goethe im Urteil III, S. 207-219, S. 208. Alle Zitate: Wilhelm Wetz, Ueber Litteraturgeschichte. Eine Kritik von ten Brink's Rede »Ueber die Aufgabe der Litteraturgeschichte«, Worms 1891, S. 51ff. Vgl. die scharfe Zurückweisung durch Konrad Burdach in seiner Sammelrezension in: Deutsche Literaturzeitung 1892, Sp. 1360-1365. Ernst Groth, Die Aufgabe der Litteraturgeschichte, in: Grenzboten 50 (1891), S. 2 6 0 - 2 7 6 , S. 263. Josef Kohler, Ästhetik, Philologie, Vergleichende Litteratur-Geschichte, in: Zs. für Vergleichende Litteraturgeschichte 1 (1887), S. 117-124, S. 119.

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Diese wenigen Zitate können und sollen keine differenzierte Analyse der sich entfaltenden Methodendiskussion in der Germanistik ersetzen. 139 Ihre Tendenz zur Relativierung der Bedeutung philologischer Verfahren zeigt aber, daß in der Neugermanistik die Philologie nicht zu der dauerhaften Dominanz gelangt, die in den altdeutschen Studien zwischen 1830 und 1880 selbstverständlich war. Der »Nibelungenstreit«, der doch eine Debatte um die echte Philologie zu sein vorgab, besitzt eine seiner Pointen in ihrer Problematisierung. Auch das geschärfte methodische Bewußtsein in der Disziplin, von Paul und Scherer mit unterschiedlichen Akzenten und Intentionen schon in den siebziger Jahren gefordert, und die Rezeption außerhalb der Disziplin entwickelter theoretischer Konzepte sind Konsequenzen einer Kontroverse, die zunächst nur die bestehende Reputation der an Lachmann orientierten philologischen Forschung überprüfte, auf ihre rationale Geltung abklopfte. Die für den alltäglichen Ablauf von Wissenschaft maßgebliche Balance von gesichertem Wissen und sozialer Geltung dieser kognitiven Elemente wird in Frage gestellt. Die Reaktion der Germanistik besteht in einer Differenzierung der fachlichen Kommunikation, abzulesen am Ausbau des Publikationssystems. Die beschriebenen Fraktionen stehen in der Folge für unterschiedliche Akzente in der zunehmend spezialisierten Forschung und Lehre. Die Sprachwissenschaft mit ihren herausragenden Vertretern Paul und Sievers tritt neben die deutsche Philologie eines Braune oder Andreas Heusler; Neugermanistik und Literaturgeschichte reflektieren philologische, ästhetische und hermeneutische Fragestellungen. 140 Zudem wendet sich das Fach den Anforderungen der Lehrerbildung zu. 141 Der »Nibelungenstreit« als der sicherlich schwerwiegendste wissenschaftliche Konflikt in der Geschichte der Germanistik erweist sich in dieser Perspektive als produktive Unordnung, aus der die Disziplin mit neuen Problemen, aber auch mit einem aktualisierten Problembewußtsein hervorgeht. 139

Zur Standortbestimmung der Disziplin wie zur Diskussion um Interpretationsverfahren nach 1880 befindet sich eine Untersuchung von Holger Dainat in Vorbereitung, der zusammen mit Cornelia Fiedeldey auch eine Bibliographie der entsprechenden Texte vorlegen wird. 140 Vgl. zu diesen Entwicklungen Rosenberg, S. 139ff., und Mandelkow, S. 265ff., der das Ungenügen einer unreflektiert philologischen Goethe-Forschung zeigt. Auch durch die fortschreitende Spezialisierung nimmt die Wahrscheinlichkeit für Kontroversen, die das ganze Fach dominieren, ab. 141 Im Kaiserreich, verstärkt nach 1890, wird die Forderung nach einer nationalpädagogischen Germanistik und einer entsprechenden Ausbildung der Deutschlehrer laut, vgl. Frank, Bd. 2, S. 485ff. Die Gründung der Zeitschrift für den deutschen Unterricht (1887) institutionalisiert diese Ansprüche, deren Wortführer Rudolf Hildebrand ist. Sein antiintellektualistisches Wissenschaftskonzept erläutern: Brigitte Mehrens, Rudolf Hildebrand als Germanist. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Philologie, Diss. Stanford Univ. 1968; Synes Ernst, Deutschunterricht und Ideologie. Kritische Untersuchung der »Zeitschrift für den deutschen Unterricht« als Beitrag zur Geschichte des Deutschunterrichts im Kaiserreich (1887-1911), Frankfurt/M., Bern 1977, bes. S. 51ff. Zu dieser Traditionslinie auch: Johannes G. Pankau, Wege zurück. Zur Entwicklungsgeschichte restaurativen Denkens im Kaiserreich. Eine Untersuchung kulturkritischer und deutschkundlicher Ideologiebildung, Frankfurt/M., Bern, New York 1983; Röther; Erika Dingeldey, Wege zurück: Rudolf Hildebrand — ein deutscher Pädagoge (1824—1894), in! Diskussion Deutsch 19 (1988), S. 113-125.

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Literaturverzeichnis

I. Abkürzungsverzeichnis ADB

AfdA LZB PBB SBB ZAAdW ZfdA ZfdPh

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Grimms/LachmannBriefwechsel

Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm mit Karl Lachmann, hg. v. Albert Leitzmann. Mit einer Einleitung von Konrad Burdach, 2 B d e . , Jena 1927. Grimms/ZarnckeBriefwechsel der Brüder Grimm mit Friedrich Zarncke, hg. u. eri. ν. Albert Leitzmann, in: SBB 1934, S. 931-982. Briefwechsel Müllenhoff/Scherer- Briefwechsel zwischen Karl Müllenhoff und Wilhelm Scherer. Im Auftrag der Preußischen Akademie der Wissenschaften hg. v. Albert Briefwechsel Leitzmann. Mit einer Einführung von Edward Schröder, Berlin, Leipzig 1937. Pfeiffer/BartschFranz Pfeiffer/Karl Bartsch: Briefwechsel. Mit unveröffentlichten Briefwechsel Briefen der Gebrüder Grimm und weiteren Dokumenten zur Wissenschaftsgeschichte des 19. Jahrhunderts, hg. v. Hans-Joachim Koppitz, Köln 1969. Scherer/SchmidtWilhelm Scherer/Erich Schmidt: Briefwechsel. Mit einer BibliograBriefwechsel phie der Schriften von Erich Schmidt, hg. v. Werner Richter und Eberhard Lämmert, Berlin 1963. Scherer/Steinmeyer- Wilhelm Scherer/Elias von Steinmeyer: Briefwechsel 1872-1886. In Verbindung mit Ulrich Pretzel hg. v. Horst Brunner und Joachim Briefwechsel Heibig, Göppingen 1982. Zarncke-Briefe Der Lehrer. Aus Briefen Friedrich Zarnckes, hg. v. Ulrich Pretzel, in: PBB (Tübingen) 100 (1978), S. 369-387.

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II. Quellen zum »Nibelungenstreit« Benutzt wurden die folgenden unveröffentlichten Materialien, die sich in der Verwahrung des Zentralen Archivs der Akademie der Wissenschaften der D D R befinden: Nachlaß Konrad Burdach: Brief Ernst Elsters an B. vom 3. 7. 1885. Brief Bernhard Seufferts an B. vom 12. 12.(?) 1888. Brief B.'s an Albert Leitzmann vom 19. 10. 1934. Nachlaß Gustav Roethe: Friedrich Zarncke, Das Nibelungenlied (Vorlesungsnachschrift; Nr. 37). Karl Müllenhoff, Das Nibelungenlied (Vorlesungsnachschrift; Nr. 38). Nachlaß Karl Weinhold: Brief Karl Bartschs an W. vom 16. 12. 1868 (aus Nr. 45). Briefe von Julius Zacher an W. aus den Jahren 1848-1886 (Nr. 1557).

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118

Register

(Erfaßt sind die in Text und Anmerkungsteil genannten Personen; Verfasser von Forschungsliteratur sind nicht berücksichtigt.)

Althoff, Friedrich 30, 48, 52 Ameis, Karl Friedrich 82

Edzardi, Anton 33 Elster, Ernst 94

Bartsch, Karl 9f., 1 9 - 2 2 , 2 5 - 2 9 , 32f., 46, 48f., 51, 55, 69f., 7 3 - 7 6 , 80, 89f., 92 Bech, Fedor 2 5 - 2 7 Bechstein, Reinhold 24, 26 Behaghel, Otto 28, 81 Bekker, Immanuel 12, 15 Benecke, Georg Friedrich 8f., 13, 22, 61 Bernays, Jakob 13, 31 Bernays, Michael 88f., 9 5 - 9 7 Biedermann, Woldemar von 95 Bismarck, Otto von 63 Bodmer, Johann Jakob 3f. Boeckh, August 15 Boor, Helmut de 1, 81, 99 Bopp, Franz 73 Brahm, Otto 65, 93, 95 Braitmaier, Friedrich 99 Brandl, Alois 85f., 95, 97 Braune, Wilhelm 29, 4 3 - 4 5 , 48, 52, 72,

Fischer, Hermann 25, 33, 76 Fontane, Theodor 65 Friedrich II. von Preußen 4

79, 81, 102 Breitinger, Johann Jakob 3 Brink, Wilhelm ten 101 Brugmann, Karl 44, 46f. Bücheler, Franz 15f. Büsching, Johann Gustav 17 Burdach, Konrad 35, 78, 93f., 99, 101

Hagen, Friedrich Heinrich von der 6 - 8 , 22, 24, 33, 49, 52, 79 Hahn, Karl August 26, 38 Hanstein, Adalbert von 65 Harms, Friedrich 52 Harnack, Adolf von 83 Haupt, Moriz 6, 8 - 1 0 , 12, 18, 20, 2 3 - 2 5 , 27, 3 6 - 3 8 , 45, 4 9 - 5 7 , 59, 6 1 - 6 3 , 65 - 68, 72, 76, 79, 81, 96 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 4, 16, 83 Heinzel, Richard 50, 54, 59, 64, 76, 85f., 96f.

Carolsfeld, Franz Schnorr von 88 Creizenach, Wilhelm 65 Curtius, Georg 79 Danzel, Theodor Wilhelm 36 Diemer, Joseph 21 Dilthey, Wilhelm 84 Docen, Bernhard Joseph 7f. Düntzer, Heinrich 87, 91, 95 Durkheim, Emile 44

Geiger, Ludwig 92 Goethe, Johann Wolfgang von 42, 62, 64, 8 6 - 8 8 , 9 0 - 9 6 , 98f., lOlf. Gosche, Richard 88 Gottsched, Johann Christoph 4 Grimm, Herman 27, 60, 99 Grimm, Jacob 1, 5 - 8 , 10, 13, 2 2 - 2 6 , 2 9 - 3 1 , 3 4 - 3 8 , 40f., 49, 5 2 - 5 4 , 57f., 6 1 - 6 3 , 67, 71, 73, 88, 96, 99 Grimm, Wilhelm 1, 6, 8, 10, 13, 22, 30, 34, 3 6 - 3 8 , 41, 52, 58, 61, 67, 88, 99 Groth, Ernst 101 Günther, Johann Christian 99 Gundolf, Friedrich 87

Henning, Rudolf 41f., 52, 75f. Herder, Johann Gottfried 84 Hermann, Gottfried 13-17, 24, 62, 81f., 84 Hertz, Martin 82 Hertz, Wilhelm 26 Heusler, Andreas 102

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Hildebrand, Rudolf 27, 31, 52, 79, 91, 102 Hirzel, Rudolf 12, 18, 94 Höfer, Albert 25f., 28 H ö p f n e r , Ernst 30, 32 H o f m a n n , Konrad 26, 70 Holland, Wilhelm Ludwig 25f. Holtzmann, Adolf 8f., 19, 24, 26, 28, 30, 37, 46, 49, 54, 79f., 99 Homer 3 H ü b n e r , A r t h u r 56, 78 H u m b o l d t , Wilhelm von 16

6 0 - 6 9 , 72f., 7 5 - 7 9 , 82, 84, 86f., 90, 93, 96-98 Müller, Conrad 29, 74 Müller, Johannes von 4 Müller, Wilhelm 9, 19 Mussafia, Adolf 21 Muth, Richard von 33, 69 Myller, Christoph Heinrich 4

J a f f é , Philipp 50 Jahn, O t t o 37 Jellinek, Max H e r m a n n 64

Obereit, Jakob H e r m a n n 3 Opitz, Martin 5 Osthoff, H e r m a n n 44, 4 6 - 4 8

Kant, Immanuel 14 K a r a j a n , T h e o d o r G e o r g von 51 Keller, Adelbert 48 Kirchhoff, Adolf 52 Koch, Max 79, 89 Koechly, H e r m a n n 15, 81f. Kolbing, Eugen 26 Köster, Albert 86 Kohler, Josef 101 Kraus, Carl von 64 Kiirenberger, D e r 21, 76

Paul, H e r m a n n 35, 4 3 - 4 8 , 52, 58, 60f„ 70, 72, 75, 77, 7 9 - 8 1 , 84, 89, 94, 102 Petersen, Julius 64, 78 Petrarca, Francesco 12 Pfeiffer, Franz 9f., 2 0 - 2 2 , 2 4 - 3 0 , 33, 37, 43, 45f., 49, 51, 53f., 70, 73, 80, 97, 99 Pfeiffer, Friedrich 52 Propertius, Sextus 16 Prutz, Robert 16, 56

L a c h m a n n , Karl 1, 6 - 1 1 , 13-25, 27-31, 3 3 - 4 2 , 44f„ 4 7 - 5 0 , 5 2 - 5 5 , 57-61, 64, 67-69, 71, I I I , 81f., 84, 86, 88, 95, 97, 100-102 Laßberg, Joseph von 22 Ledderhose, Karl 63 Leitzmann, Albert 1, 35, 38, 51, 99 Leskien, August 44 Lessing, Gotthold Ephraim 65, 86, 90, 94f. Lexer, Matthias von 31, 48, 70, 76 Leyen, Friedrich von der 30, 64 Lichtenstein, Franz 74, 89 Litzmann, Berthold 9, 99 Loeper, Gustav von 94f. Lucae, Karl 26, 51f., 79 Lyon, O t t o 78 Martin, Ernst 31, 52, 97 M a ß m a n n , H a n s Ferdinand 56 Menzel, Rudolf 25 Meusebach, Karl Hartwig Gregor von 74 Michels, Victor 44 Minor, J a k o b 64, 86, 93f., 96f. M o m m s e n , T h e o d o r 12, 37, 52, 98 Möllenhoff, Karl 8 - 1 0 , 16, 19f., 2 3 - 2 5 , 27, 2 9 - 3 2 , 37f., 40, 43, 45f., 4 8 - 5 5 , 58,

120

Nadler, Josef 84f., 96 Nitzsch, Wilhelm 51

Raumer, Rudolf von 21, 31, 77 Reinmar von Zweter 79 Ribbeck, O t t o 57, 79f., 82 Ritsehl, Friedrich 13, 17, 57, 82 Rödiger, Max 52, 72 R o e t h e , Gustav 56, 7 8 - 8 0 , 8 4 - 8 6 , 97 Roosevelt, T h e o d o r e 86 R ü c k e r t , Heinrich 52 Sauer, August 56, 89, 93 Scherer, Wilhelm 1, 23f., 27, 3 0 - 3 2 , 37, 39-42, 44-48, 50-80, 82-84, 86-89, 91-102 Schiller, Friedrich 88, 90f., 94f. Schlegel, August Wilhelm 5 - 7 Schlegel, Friedrich 5f. Schmeller, Johann A n d r e a s 26 Schmidt, Erich 1, 29f., 57, 64, 69, 81, 84-87, 89, 91-94, 96, 99-101 Schmidt, Johannes 96 Schönbach, A n t o n E m a n u e l 50, 75, 97 Schröder, Edward 1, 64, 69, 71, 81, 93 Seuffert, Bernhard 89, 93f. Sievers, E d u a r d 30, 4 2 - 4 5 , 48, 61, 70, 78, 102 Simson, E d u a r d 92 Singer, Samuel 54, 59 Sophie von Sachsen-Weimar 92f.

Stark, Franz 27 Steinmeyer, Elias von 24, 37, 48, 51f., 63, 66-72, 74, 78, 80f. Stolberg, Auguste zu 92 Strümpell, Adolf 83 Suphan, Bernhard 89 Tieck, Ludwig 5 Tomaschek, Karl 88 Trendelenburg, Friedrich Adolf 67 Uhde, Hermann 62 Uhland, Ludwig 22, 25f., 88 Usener, Hermann 35 Vahlen, Johannes 13f., 52, 58, 68 Viehoff, Heinrich 95 Virchow, Rudolf 52 Vogt, Friedrich 29, 36, 42, 45 Vollmöller, Karl 76 Wackernagel, Wilhelm 28, 30f. Wagner, Richard 4 Waldberg, Max von 93 Walther von der Vogelweide 33, 79 Walzel, Oskar 59, 85f., 96

Wasservogel, Irenaus (d.i. Bianca Bobertag) 83 Weddigen, Otto 87, 101 Weilen, Alexander von 86, 93 Weinhold, Karl 26-31, 34, 39, 43f., 48, 52, 67, 73, 76 Wetz, Wilhelm 101 Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von 23, 79 Wilmanns, Wilhelm 31, 33, 90 Wolf, Friedrich August 12, 14f. Wundt, Wilhelm 44 Wustmann, Gustav 93 Zacher, Julius 11, 26, 2 9 - 3 6 , 39, 43f., 46, 48, 5Of., 69, 97 Zappert, Georg 50 Zarncke, Eduard 41 Zarncke, Friedrich 7, 9f., 26, 28-31, 33f., 36-43, 4 5 - 4 9 , 52-55, 58, 60f„ 68-70, 75f., 78-80, 92-95, 99 Zeller, Eduard 52 Zeune, August 56 Zeuss, Johann Kaspar 67 Zingerle, Ignaz 25f., 31 Zupitza, Julius 50, 97 Zwierzina, Konrad 70

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