Der Streitgegenstandsbegriff in der VwGO [1 ed.] 9783428539703, 9783428139705

Die Auseinandersetzung um den Streitgegenstand als »Zentralinstitut« des Prozesses währt seit Jahrzehnten und ist noch i

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Der Streitgegenstandsbegriff in der VwGO [1 ed.]
 9783428539703, 9783428139705

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1226

Der Streitgegenstandsbegriff in der VwGO Von Nicolai Kaniess

Duncker & Humblot · Berlin

NICOLAI KANIESS

Der Streitgegenstandsbegriff in der VwGO

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1226

Der Streitgegenstandsbegriff in der VwGO

Von Nicolai Kaniess

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2012 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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© 2012 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-13970-5 (Print) ISBN 978-3-428-53970-3 (E-Book) ISBN 978-3-428-83970-4 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2011/12 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin als Dissertation angenommen. Das Manuskript wurde im November 2011 abgeschlossen. Literatur und Entscheidungen konnten bis Mitte 2012 berücksichtigt werden. Dank möchte ich meinem sehr verehrten Lehrer Herrn Professor Dr. Walter Krebs aussprechen, an dessen Lehrstuhl ich über drei Jahre lang tätig sein durfte. Er hat mein Promotionsvorhaben mit großem Engagement begleitet und gefördert und stand mir mit wertvollem Rat und ebensolcher Unterstützung jederzeit zur Seite. Herrn Professor Dr. Wolfgang Kuhla danke ich für die überaus schnelle und freundliche Erstattung des Zweitgutachtens. Für wertvolle Hinweise und anregende Gespräche danke ich Frau Professor Dr. Barbara Remmert, Frau Dr. Ariane Berger und insbesondere Herrn Luis Vargas. Für die moralische Unterstützung während der Lehrstuhlzeit bin ich Frau Stefanie Stresow zu großem Dank verpflichtet. Dies gilt ebenso für meine Freundin und meine Eltern, ohne deren liebevolle Unterstützung die Erstellung dieser Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Berlin, im September 2012

Nicolai Kaniess

Inhaltsverzeichnis Erstes Kapitel Einleitung und Gang der Untersuchung

11

A. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 B. Stand der Diskussion um die Funktionen des Begriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 I. Identifikationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1. Rechtliche Bedeutung der Identifikationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2. Entwicklung eines Identitätskriteriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 a) Materiell-rechtlicher Streitgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 aa) Mehrheit subjektiver Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 bb) Nichtbestehen des Rechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 b) Prozessualer Streitgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 aa) Eingliedriger Streitgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 bb) Zweigliedriger Streitgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 3. Ergebnis zur Identifikationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 II. Maßstabfestlegungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 III. Bindung der Zivilgerichte und Wiederholungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1. Feststellung der (Rechtswidrigkeit und) Rechtsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . 24 2. Aufhebungsanspruch (und Feststellung der Rechtsverletzung) . . . . . . . . . . . . 26 3. Ergebnis zur Bindung der Zivilgerichte/Wiederholungsverbot . . . . . . . . . . . . 28 IV. Ergebnis zum Stand der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 C. Fragestellung und Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

8

Inhaltsverzeichnis Zweites Kapitel Auslegung der VwGO-Vorschriften

32

A. Der Streitgegenstand in § 121 VwGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 I. Rechtssatzqualität von Urteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1. Veränderung der materiellen Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2. ZPO: Prozessuales Verständnis der Rechtskraftwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3. Übertragung auf den Verwaltungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 4. Systematische Erwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 5. Ergebnis zur Rechtssatzqualität von Urteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 II. Adressaten der Urteilsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 III. Inhalt der Urteilsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1. Identifikation der Urteils-„Entscheidung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 a) Entscheidung in der Urteilsformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 b) Weitere Entscheidungen im Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 c) Beschränkung auf die Letztentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 d) Ergebnis zur Identifikation der Urteils-„Entscheidung“ . . . . . . . . . . . . . . . 42 2. Entscheidungsteilmenge „über den Streitgegenstand“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 a) Differenzierung nach Grund/Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 aa) Schwierigkeiten bei der praktischen Handhabung . . . . . . . . . . . . . . . . 44 bb) Vorgaben für die Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 cc) Rechtskraftfähigkeit der Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 (1) Zivilprozessuales Dogma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 (2) Geltung im Verwaltungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 (3) Ergebnis zur Rechtskraftfähigkeit der Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . 54 dd) Ergebnis zur Differenzierung nach Grund/Entscheidung . . . . . . . . . . . 55 b) Andere Differenzierungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 aa) Notwendigkeit der Kriterienentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 bb) Ermittlung des Abgrenzungskriteriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 (1) Kriterium: Feststellung der Rechtswidrigkeit für einen anschließenden Amtshaftungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 (a) Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 (b) Herleitung der verbindlichen Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . 61

Inhaltsverzeichnis

9

(c) Ergebnis zum Amtshaftungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 (2) Kriterium: Verbot, nach stattgebendem Anfechtungsurteil einen inhaltsgleichen neuen Verwaltungsakt zu erlassen (Verwaltungsakt-Wiederholungsverbot) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 (a) Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 (b) Herleitung und Kritik des Wiederholungsverbotes . . . . . . . . . . 66 (aa) Behauptung des Beklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 (bb) Behauptung des Klägers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 (cc) Erstreckung auf Verwaltungsakte „dieser Art“ . . . . . . . . . 70 (dd) Vorgaben des materiellen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 (c) Ergebnis zum Wiederholungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 (3) Kriterium: Verbot der Doppelentscheidung in derselben Sache (ne bis in idem) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 cc) Ergebnis zu den Differenzierungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 c) Eigener Ansatz: Rechtsschutzfunktion des Urteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 aa) Verbindliche Entscheidung über das Recht des Klägers . . . . . . . . . . . . 77 bb) Mehrheit subjektiver Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (1) Anspruchsmehrheit im Verwaltungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (2) Handhabung der Anspruchsmehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 (a) Anspruchsmehrheit bei Stattgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 (b) Anspruchsmehrheit bei Abweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (c) Simultane Verfahren bei Anspruchsmehrheit . . . . . . . . . . . . . . 85 (d) Rückschluss aus den Ergebnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (3) Eigene Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 (a) Mögliches Nichtbestehen des Rechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 (b) Bündelung mehrerer Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 (c) Materiell-rechtliche Wirkung des Urteils . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 (4) Zwischenergebnis zur Rechtsmehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 cc) Funktionsüberprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 (1) Rechtsschutzfunktion des Urteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 (2) Verhinderung der Zweitentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 (3) Exkurs: Prozessurteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 (a) Verfahrensbeendigung und Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . 102 (b) Keine Abweisung wegen res iudicata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 (c) Möglichkeit beliebiger Klagewiederholung . . . . . . . . . . . . . . . 106 dd) Ergebnis zum Eigenen Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3. Ergebnis zum Norminhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

10

Inhaltsverzeichnis

B. Der Streitgegenstand in § 110 VwGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 I. Auslegung der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 1. Der Begriff des Teilurteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2. Rückschluss auf den Streitgegenstandsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 II. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 C. Der Streitgegenstand in § 123 VwGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 I. Wortlaut und Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 II. Systematik und Teleologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 1. Mangelnde Unterscheidbarkeit der Anordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 2. Derselbe „Bezug auf“ das subjektive Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Drittes Kapitel Das subjektive Recht als Zentralbegriff

119

A. § 40 Abs. 1 VwGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 B. § 42 Abs. 2 VwGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 C. Begründetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 I. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. Normenkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 2. Klagen ohne eigene Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 II. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

Erstes Kapitel

Einleitung und Gang der Untersuchung A. Problemaufriss Die Bestimmung des Streitgegenstandes verwaltungsgerichtlicher Klagen hat Menger einmal „zu den schwierigsten Gebieten des Prozeßrechts“ gezählt1. Tatsächlich ist der Streitgegenstand ein Begriff, der in vielfacher Hinsicht umstritten ist2. Lediglich in einem Punkt herrscht weitgehende3 Einigkeit: Es handle sich bei ihm um ein einheitliches Rechtsinstitut, das eine „Zentralfigur“ des Prozesses darstelle4. Nicht nur bezögen sich sämtliche Handlungen der Beteiligten und des Gerichtes auf den Streitgegenstand5, auch ließen sich viele Probleme des Prozessrechtes nur durch seine Ermittlung lösen6. Er sei konstituierend für die rechtliche Identität des Rechtsstreites7 und ziehe sich damit von Anfang bis Ende durch den gesamten Prozess8.

1

C.-F. Menger, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 1954, S. 158. Dazu im Einzelnen unten, Erstes Kapitel, B. (S. 12 ff.). 3 Anders etwa P. O. Ekelöf, ZZP 85 (1972), S. 145 (146 f.); R. Pietzcker, GRUR 1974, S. 613 (615). 4 Aus der zivilprozessualen Literatur vgl. W. Habscheid, Der Streitgegenstand im Zivilprozess, 1956, S. 15: „zentrale Figur“; D. Hesselberger, Die Lehre vom Streitgegenstand, 1970, S. 25: „der zentrale Begriff“; K. H. Schwab, JuS 1965, S. 81 (81): „Zentralfigur“; ders., Der Streitgegenstand im Zivilprozeß, 1954, S. 3: „Mittelpunkt des Prozesses“; aus der verwaltungsprozessualen Literatur vgl. S. Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im Öffentlichen Recht, 1995, S. 2: „immense(…) Bedeutung des Streitgegenstands(…)begriffs für das gesamte Rechtsleben“; M. Hößlein, VerwArch 2008, S. 127 (128): „zentrale Begrifflichkeit“; G. Lüke, JuS 1967, S. 1 (1): „Problem erster Ordnung“; J. Martens, DÖV 1964, S. 365 (365): „Zentralproblem“; H. H. Rupp, AöR 85 (1960), S. 301 (311): „Schlüsselproblem“; vgl. auch W. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974, § 5 I (S. 26): „Angelpunkt des Prozeßrechts“. 5 G. Baumgärtel, JuS 1974, S. 69 (69). 6 G. Lüke, JuS 1967, S. 1 (1); K. H. Schwab, Der Streitgegenstand im Zivilprozeß, 1954, S. 2. 7 G. Barbey, in: Erichsen/Hoppe/v. Mutius, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, Festschrift für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 177 (177). 8 In diesem Sinne F. Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 8. Aufl. 2011, § 10 Rn. 6. 2

12

1. Kap.: Einleitung und Gang der Untersuchung

Es stellt sich die Frage, worin diese Beurteilung als Zentralinstitut begründet liegt. Dem Text der VwGO lässt sich eine solche Bedeutung des Begriffs jedenfalls nicht ohne Weiteres entnehmen. Nur in drei Fällen bedient er sich des Streitgegenstandsbegriffs, um spezifische Fragen zu beantworten: jene nach der Zulässigkeit eines Teilurteils (§ 110 VwGO), der Ermittlung der Reichweite der Bindung durch ein Urteil (§ 121 VwGO) und der Rechtsschutzformvoraussetzung der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Stellt man dem die Häufigkeit der Verwendung anderer Begriffe wie Klage9 oder Antrag10 gegenüber, scheint der Streitgegenstand im quantitativen Textvergleich von nachgerade untergeordneter Bedeutung zu sein. Soll es sich beim Streitgegenstand dennoch um einen zentralen Begriff des Prozessrechtes handeln, muss er also an verschiedenen Stellen desselben von Bedeutung sein. Rechtlich bedeutsam kann er als Begriff dann sein, wenn es sich um einen Rechtsbegriff handelt – also einen Begriff, von dessen Inhalt Rechtsfolgen abhängen. Es stellt sich damit die Frage, welche Rechtsfolgen vom Begriff des Streitgegenstandes abhängen. Insofern fragt sich, wozu der Begriff im Prozess benötigt wird. Dies soll zunächst anhand des Standes der Diskussion11 untersucht werden, um daraus die dieser Arbeit zugrunde liegende Fragestellung12 zu entwickeln.

B. Stand der Diskussion um die Funktionen des Begriffs Denkbar scheint, dass der Begriff des Streitgegenstandes im Prozess verschiedene Funktionen erfüllt.

9 Als eigenständiger Begriff in §§ 42, 43 Abs. 1, 44, 48 Abs. 2, 50 Abs. 1 Nr. 2, 4, 5, 51 Abs. 1, 3, 52, 74 Abs. 1 S. 2, 75 S. 1, 2, 77 Abs. 2, 78 Abs. 1, 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, 81, 82, 85 S. 1, 87a Abs. 1 Nr. 2, 89 Abs. 1, 90 Abs. 1, 91, 92, 107, 109, 155 Abs. 2, 156 VwGO, ferner als Teil zusammengesetzter Begriffe in weiteren Normen. 10 Als eigenständiger Begriff in §§ 23 Abs. 2, 24 Abs. 2, 3 S. 1, 47 Abs. 1, 2 S. 1, 2a, 60 Abs. 1, 2, 3, 65 Abs. 1, 3 S. 9, 68 Abs. 2, 74 Abs. 2, 75 S. 1, 2, 80 Abs. 5, 6, 7, 80a, 80b Abs. 2, 87a Abs. 1, Nr. 2, 3, 99 Abs. 2, 113 Abs. 1, S. 2, 4, Abs. 3 S. 2, 120 Abs. 1, 121 Nr. 2, 123 Abs. 1 S. 1, 124a Abs. 3, 4, 5, 127 Abs. 2 S. 1, 134 Abs. 1, 3 S. 1, 139 Abs. 2 S. 3, 142 Abs. 2 S. 2, 146 Abs. 4 S. 3, 151 S. 2, 155 Abs. 2, 3, 164, 168 Abs. 2, 170 Abs. 1 S. 1, 172 S. 1 VwGO, ferner als Teil zusammengesetzter Begriffe in weiteren Normen. 11 Da die im Verwaltungsprozess diskutierten Fragen vielfach auf den in der zivilprozessualen Diskussion entwickelten Grundlagen aufbauen, wird im Folgenden Literatur und Rechtsprechung aus beiden Bereichen zu untersuchen sein; soweit sich spezifisch verwaltungsprozessuale Fragen stellen, wird dies entsprechend kenntlich gemacht. 12 Dazu unten, Erstes Kapitel, C. (S. 30 f.).

B. Stand der Diskussion um die Funktionen des Begriffs

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I. Identifikationsfunktion Jedenfalls über eine Funktion des Begriffs herrscht Einigkeit: Der Streitgegenstand diene der Identifikation von Streitigkeiten13. Er individualisiere also den anhängigen Rechtsstreit und ermögliche damit die Abgrenzung von anderen Rechtsstreitigkeiten: Würden zwei Rechtsstreitigkeiten über denselben Streitgegenstand geführt, seien sie identisch14. Die Abgrenzung eines Rechtsstreites von einem anderen kann im Prozess für verschiedene Normen relevant werden. 1. Rechtliche Bedeutung der Identifikationsfunktion So statuieren §§ 90 Abs. 1, 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG, dass eine „Streitsache“ während ihrer Rechtshängigkeit nicht gleichzeitig an einem anderen Gericht anhängig gemacht werden könne. Soll ermittelt werden, wann dieselbe Streitsache vorliegt, wird auf den Begriff des Streitgegenstandes abgestellt15: Werde in mehreren Streitsachen über denselben Streitgegenstand gestritten, seien sie identisch. Soweit man den Streitgegenstandsbegriff also zur Identifikation von Streitsachen gebraucht, dient er dazu, das Zulässigkeitshindernis entgegenstehender Rechtshängigkeit16 zu ermitteln. Ebenso regelt § 121 VwGO, dass Urteile verbindlich sind, „soweit über den Streitgegenstand entschieden“ wurde. Die verbindliche Entscheidung über den Streitgegenstand dürfe in einem erneuten Verfahren nicht in Frage gestellt werden17; mithin seien neue Verfahren über denselben Streitgegenstand wegen entgegenstehender Rechtskraft unzulässig18. Sollte sich diese Annahme in einer noch zu erfol13

Vgl. nur G. Barbey, in: Erichsen/Hoppe/v. Mutius, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, Festschrift für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 177 (177); A. Blomeyer, Zivilprozeßrecht – Erkenntnisverfahren, 2. Aufl. 1985, S. 233; C. F. Germelmann, Die Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen in der Europäischen Union, 2009, S. 24 f.; H. Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand im Verwaltungsprozess, 2001, S. 155. 14 Vgl. nur K. H. Schwab, Der Streitgegenstand im Zivilprozeß, 1954, S. 3. 15 K. A. Bettermann, Rechtshängigkeit und Rechtsschutzform, 1949, S. 26; K.-M. Ortloff/ K.-U. Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 90 Rn. 2; K. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 90 Rn. 3; F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 90 Rn. 7; H. A. Wolff, in: Posser/ders., BeckOK VwGO, Stand: 01. 07. 2012, § 90 Rn. 9. 16 Vgl. nur F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 90 Rn. 15. Nach BVerwGE 43, S. 258 (259) handelt es sich dabei um eine von Amts wegen zu prüfende Prozessvoraussetzung. Dazu vgl. noch unten Zweites Kapitel, A. III. 2. c) bb) (2) (c) (S. 85 f.). 17 Vgl. noch unten, Zweites Kapitel, A. III. 2. b) bb) (3) (S. 76). 18 M. Kilian, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 121 Rn. 65; F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 121 Rn. 10; H. v. Nicolai, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, 15. Aufl. 2010, § 121 Rn. 5; K. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 121 Rn. 9; BVerwGE 73, S. 348 (348 f.); BVerwG DVBl. 1962, S. 265 (265); anderer Auffassung (es sei nur eine abweichende Entscheidung über denselben Streitgegenstand untersagt) sind etwa W. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974, § 47 III 2 (S. 494 ff.); C. H. Ule,

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1. Kap.: Einleitung und Gang der Untersuchung

genden Überprüfung19 als richtig erweisen, hinge vom Streitgegenstandsbegriff die Ermittlung der so genannten res iudicata ab. Letztlich statuiert § 91 VwGO, dass Änderungen von Klagen ohne Einwilligung oder Sachdienlichkeit grundsätzlich nicht zulässig seien. Für die Frage, wann eine Klage dieselbe und damit trotz des Vortrags neuer Aspekte nicht geändert ist, sei ebenfalls auf den Streitgegenstand abzustellen; werde trotz neuen Sach- oder Rechtsvortrages noch immer über denselben Streitgegenstand gestritten, liege keine Klageänderung vor; andernfalls sei die Klage geändert20. Die VwGO knüpft also an verschiedenen Stellen an die Identität eines Rechtsstreites an. In § 90 Abs. 1 VwGO ist die Identität von Streitsachen zu ermitteln, in § 91 Abs. 1 VwGO diejenige von Klagen. In § 121 VwGO wird der verbindliche, nicht erneut zu entscheidende Teil eines Urteils über den Begriff des Streitgegenstandes ermittelt. Geht man davon aus, dass trotz der abweichenden Begriffe in den jeweiligen Normen die Identität von Klagen und Streitsachen stets nach der Identität des Streitgegenstandes zu bemessen sei, so kann der Inhalt des Streitgegenstandsbegriffs also die Auslegung der genannten Vorschriften und damit die von ihnen gesetzte Rechtsfolge beeinflussen. 2. Entwicklung eines Identitätskriteriums Unterstellt man die Richtigkeit der Überlegung, dass der Streitgegenstand das gesuchte Kriterium zur Ermittlung der Identität von Rechtsstreitigkeiten ist, müssen also mittels des Inhaltes dieses Begriffes Verfahren unterscheidbar sein. Der Streitgegenstand muss dann ein Identitätsmerkmal eines Verfahrens sein. Dieses Merkmal ist grundsätzlich in zwei Varianten denkbar: Es kann materiell-rechtlich oder prozessual bestimmt werden. a) Materiell-rechtlicher Streitgegenstand Soll ein Kriterium gefunden werden, das den Rechtsstreit individualisiert, scheint es zunächst denkbar, am materiellen Recht anzuknüpfen, um welches der Prozess geführt wird. Soweit die VwGO Individualrechtsschutz gewährt, streitet der Kläger um seine, also subjektive Rechte. Subjektive Rechte21 des Klägers sind, ungeachtet Verwaltungsprozeßrecht, 9. Aufl. 1987, § 59 I 1 (S. 313); BVerwGE 35, S. 234 (236); 82, S. 272 (274). 19 Vgl. dazu noch unten Zweites Kapitel, A. III. 2. c) cc) (2) (S. 98 ff.). 20 F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 91 Rn. 2; P. Kothe, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, 15. Aufl. 2010, § 91 Rn. 1; K. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 91 Rn. 8; V. Schmid, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 91 Rn. 5; BVerwG DVBl. 1984, S. 93 (94). 21 Vgl. grundlegend G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl. 1905, S. 41 ff.; O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 9 ff.; O. Bachof, VVDStRL 12 (1954), S. 36 (72 ff.).

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der im Einzelnen bestehenden Schwierigkeiten des Begriffs22, jedenfalls gekennzeichnet durch eine sich aus einem konkreten Rechtssatz ergebende Berechtigung des Rechtsträgers23, die regelmäßig auf die Einhaltung einer Verhaltenspflicht eines Verpflichteten gerichtet ist24. Soweit eine Verhaltenspflicht besteht, deren Einhaltung der Inhaber des Rechtes zu fordern berechtigt ist, spricht man von einem Anspruch25. Doch auch Gestaltungs- und Beherrschungsrechte fallen unter den Begriff des subjektiven Rechtes26. Werden Rechtsstreitigkeiten schon dem Namen nach als Streitigkeiten über Rechte geführt, so scheint denkbar, als Identifikationskriterium des Verfahrens das subjektive Recht zu verwenden: Wird ein zweiter Prozess um dasselbe Recht, also beispielsweise denselben Anspruch, geführt, sind beide Verfahren identisch. Einer solchen, früher verbreiteten Betrachtung27 wurden jedoch vornehmlich28 zwei Bedenken entgegengebracht. aa) Mehrheit subjektiver Rechte Zum einen gelinge die Identifikation dann nicht hinreichend präzise, wenn dem Kläger eine Mehrzahl eigener Rechte zur Erreichung seines Klageziels zur Verfügung stehe29. Dies mag folgendes Beispiel verdeutlichen: 22 Vgl. nur H. Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, 1986, S. 136 ff.; H.-U. Erichsen, in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1995, § 11 Rn. 30 ff.; H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl. 1960, S. 130 ff. 23 H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober/W. Kluth, Verwaltungsrecht I, 12. Aufl. 2007, § 43 Rn. 10. 24 H.-U. Erichsen, in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1995, § 11 Rn. 35. 25 H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober/W. Kluth, Verwaltungsrecht I, 12. Aufl. 2007, § 43 Rn. 7. 26 H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober/W. Kluth, Verwaltungsrecht I, 12. Aufl. 2007, § 43 Rn. 6, 8; sie sind eigenständige Kategorien neben dem Anspruch, wenn man davon ausgeht, dass sie nicht selbst eine Verhaltenspflicht für einen Verpflichteten aufstellen, vgl. K. Larenz/C.-W. Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 74 ff. 27 K. Beisler, Deutsche Rechts-Zeitschrift 1950, S. 31 (33); K. A. Bettermann, Kommentar zum Mieterschutzgesetz und seinen Nebengesetzen, 12. EL 1957, Vor §§ 2 – 4 Rn. 72; G. Kleinfeller, AcP 137 (1933) = N.F. 17 (1933), S. 129 (147): Es sei „schon logisch nicht denkbar, daß der Begriff ,Anspruch‘ als Gegenstand des Prozesses etwas anderes sein könne als der materiellrechtliche Anspruch außerhalb des Prozesses“; K. Redeker, MDR 1953, S. 277 (277); K. Unzer, in: Planck, BGB, Band 4, 3. Aufl. 1906, § 1380 Anm. 1; vgl. aber auch aus jüngerer Zeit M. Fischer, Die verwaltungsprozessuale Klage im Kraftfeld zwischen materiellem Recht und Prozessrecht, 2011, S. 258 f. 28 Ein weiterer Kritikpunkt liegt darin begründet, dass vielfach vom materiell-rechtlichen Anspruch als Streitgegenstand gesprochen wurde, vgl. dazu K. H. Schwab, JuS 1965, S. 81 (81 f.). Diese Terminologie passt für Feststellungs- und zivilprozessuale Gestaltungsklagen nicht, da mit ihnen regelmäßig keine Ansprüche verfolgt werden, vgl. grundlegend A. Wach, Der Feststellungsanspruch, 1889, passim. Die hier deswegen gewählte Terminologie des subjektiven Rechtes als Oberbegriff für Ansprüche, Gestaltungs- und Statusrechte birgt dieses Problem nicht. So auch referierend schon W. Habscheid, Der Streitgegenstand im Zivilprozeß, 1956, S. 23: „[…] das einzelne subjektive Recht als Gegenstand des Rechtsstreites […]“. 29 G. Lüke, JuS 1967, S. 1 (3).

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Denkbar ist, dass inhaltsgleiche Verpflichtungen des Beklagten einerseits aus einem deliktischen, andererseits aus einem vertraglichen Rechtssatz bestehen. Es lägen dann zwei Ansprüche, mithin Rechte, vor. Es bestünden also zwei Rechtsstreitigkeiten und damit Streitgegenstände. Sollte der Kläger mit seinem Anspruch aus Vertrag wegen der damit verbundenen Beweiserleichterung nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB durchdringen, eine Deliktshaftung aber nicht beweisen können, mag man annehmen, er würde hinsichtlich des einen Streites obsiegen, hinsichtlich des zweiten aber im Prozess unterliegen. Auch für den Beklagten könnte eine solche Beurteilung ungünstig sein: Sollte der Kläger seine Schadensersatzklage im ersten Prozess nur auf vertragliche Haftung stützen, stünde im Falle einer Abweisung einer erneuten Klage, diesmal gestützt auf deliktische Haftung und damit einen anderen Streitgegenstand, keine Rechtskraft des Ersturteils entgegen. Allerdings gründen diese Bedenken unter anderem30 auf der Annahme, jeder einzelne Rechtssatz gewähre bei der Erfüllung seiner Voraussetzungen ein eigenes Recht. Dies wurde für Ansprüche mit Blick auf die Legaldefinition in § 194 BGB in Zweifel gezogen: Nicht in der Definition des materiell-rechtlichen Anspruchs als „Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen“ enthalten sei nämlich ein Verweis auf die Anspruchsgrundlage31, also eine Formulierung wie „das sich aus einem bestimmten Rechtssatz ergebende Recht“32. Dies könnte man zum Anlass nehmen, von einem einzelnen Anspruch auszugehen, der sich lediglich aus mehreren Anspruchsgrundlagen speist33. Dagegen spricht aber zweierlei: Zum einen 30 Ebenfalls wird unterstellt, sich aus unterschiedlichen Normen ergebende Ansprüche seien nicht identisch. Dem wurde von B. Rimmelspacher, Materiellrechtlicher Anspruch und Streitgegenstandsprobleme im Zivilprozeß, 1970, S. 335 ff. mit einer Begriffsaufspaltung begegnet: Ein Anspruch bestehe aus Rechtsposition und Rechtsbehelf und Identität läge immer dann vor, wenn dieselbe Rechtsposition – mag sie sich auch aus unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen ergeben – geltend gemacht wird. Zur Kritik dieser Auffassung vgl. überzeugend K. H. Schwab, in: Prütting/Rüssmann, Verfahrensrecht am Ausgang des 20. Jahrhunderts – Festschrift für Gerhard Lüke zum 70. Geburtstag, 1997, S. 793 (805 f.). 31 A. Georgiades, Die Anspruchskonkurrenz im Zivilrecht und Zivilprozeßrecht, 1967, S. 142. 32 Man könnte argumentieren, diese Aussage ergebe sich auch nicht zwingend aus der Formulierung „das Recht“, weil Selbiges die Folge der Erfüllung der Voraussetzungen einer Anspruchsgrundlage, nicht aber mit ihr zu identifizieren sei und damit rechtslogisch zwingend nur mindestens eine Anspruchsgrundlage voraussetze, vgl. dazu K. Engisch, Einführung in das juristische Denken, 4. Aufl. 1956, S. 38 f.; A. Georgiades, Die Anspruchskonkurrenz im Zivilrecht und Zivilprozeßrecht, 1967, S. 102. 33 A. Georgiades, Die Anspruchskonkurrenz im Zivilrecht und Zivilprozeßrecht, 1967, S. 142, 146, 163 ff.; W. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974, § 5 II 2 (S. 31). Auf den Anspruch als einheitliches Verfügungsobjekt abstellend W. Henckel, Parteilehre und Streitgegenstand, 1961, S. 262 ff. Im Ergebnis einen einheitlichen Anspruch annehmend R. Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches, 3. Aufl. 2011, Rn. 293; H. Brox/W.-D. Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 35. Aufl. 2011, Rn. 655: „der Anspruch“ könne sich „aus mehreren Anspruchsgrundlagen“ ergeben (Hervorhebung im Original); K. Larenz/M. Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl. 2004, § 18 Rn. 33 ff., insbes. 36; a.A. G. Bachmann, in: Säcker/Rixecker, Münchener Kommentar zum BGB, Band 2, 6. Aufl. 2012,

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ist der Umgang mit unterschiedlichen Durchsetzungshindernissen, etwa einer divergierenden Verjährung zwischen vertraglichen und deliktischen Ansprüchen, ungeklärt34. Zum anderen setzt ein Anspruch, soll er ein Rechtssubjekt zu etwas verpflichten, zwingend einen Rechtssatz voraus, weil nur ein Rechtssatz im Rechtssinne verpflichten kann. Damit dürfte der Anspruch schwerlich vom ihn begründenden Rechtssatz35 zu trennen sein36. Geht man also davon aus, dass sich nach dem Durchdringen oder Unterliegen mit einzelnen subjektiven Rechten zum einen die Kostenfolge im Prozess bemisst37, zum anderen ein die Zulässigkeit einer erneuten Klage hindernder Einwand der res iudicata besteht, der nur das konkret verneinte materielle subjektive Recht betrifft38, kann eine Gleichsetzung von subjektivem Recht und Streitgegenstand zu einer Aufspaltung desselben Klagezieles auf mehrere Verfahren führen. bb) Nichtbestehen des Rechtes Überdies ist gegen die Identifikation des Streitgegenstandes mit dem subjektiven Recht vorgebracht worden, dass bei Nichtbestehen des fraglichen Rechtes auch der Streitgegenstand nicht existiere und mithin kein abweisendes Urteil über ihn ergehen könne. Man habe daher allenfalls vom behaupteten Recht bzw. vom Streitgegenstand als Rechtsbehauptung zu sprechen39. Richtig ist, dass ein Prozess, der über ein Recht geführt wird, immer auch das Ergebnis des Nichtbestehens des fraglichen Rechtes haben kann. Geht man von der Prämisse aus, dass der Streitgegenstand ein prozessuales Institut sei, das stets – auch im Falle einer unbegründeten Klage – bestehe, muss er daher vom materiellen Recht unabhängig sein. Andernfalls bestünde ohne das materielle Recht auch kein Streitgegenstand40. Die bei dieser Betrachtungsweise notwendige Abstraktion vom § 241 Rn. 40 m.w.N.; D. Medicus, Schuldrecht I, 17. Aufl. 2006, Rn. 357 und H.-M. Pawlowski, Allgemeiner Teil des BGB, 7. Aufl. 2003, Rn. 329, der von einzelnen Ansprüchen, aber einer einheitlichen, aus diesen gespeisten „Forderung“ nach § 241 Abs. 1 BGB ausgeht und damit das Problem auf diesen Begriff verlagert. 34 P. Arens, AcP 170 (1970), S. 392 (401 ff.). 35 Darauf hinweisend, dass jede Anspruchsgrundlage selbst die Geltung eines Anspruchs anordnet, R. Dietz, Anspruchskonkurrenz bei Vertragsverletzung und Delikt, 1934, S. 127. 36 Im Ergebnis auch C. F. Germelmann, Die Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen in der Europäischen Union, 2009, S. 26 f.; K. H. Schwab, in: Prütting/Rüssmann, Verfahrensrecht am Ausgang des 20. Jahrhunderts – Festschrift für Gerhard Lüke zum 70. Geburtstag, 1997, S. 793 (800 ff.). 37 Dazu krit. noch unten, Zweites Kapitel, A. III. 2. c) bb) (3) (b) (S. 93 f.). 38 Dazu krit. noch unten, Zweites Kapitel, A. III. 2. c) cc) (2) (S. 98 ff.). 39 A. Nikisch, Der Streitgegenstand im Zivilprozeß, 1935, S. 14 ff., insbes. 16 f.; A. Blomeyer, in: Rosenberg/Schwab, Festschrift für Friedrich Lent zum 75. Geburtstag, 1957, S. 43 (51 ff.); W. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974, § 5 II 2 (S. 31). 40 Denkbar wäre freilich auch ein Auseinanderfallen von Streit- und Urteilsgegenstand, weswegen ein fehlender Streitgegenstand das Urteil unberührt ließe. Vgl. dazu J. Martens,

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materiellen Recht41 durch eine Bezeichnung des Streitgegenstandes als Rechtsbehauptung zu schaffen, ist dann folgerichtig. Denn eine bloße Behauptung eines Rechtes ist schon begrifflich von seinem wirklichen Bestehen unabhängig. Überdies ist sie in der Lage, durch die Behauptung einer bloßen Rechtsfolge mehrere auf dasselbe Verhalten – also dieselbe Folge – gerichtete materielle Rechte zu bündeln und so einen eigenständigen prozessualen Streitgegenstandsbegriff zu schaffen42. b) Prozessualer Streitgegenstand Aufgrund der geschilderten Kritik an einem materiell-rechtlichen Streitgegenstandsbegriff hat sich in der Folgezeit ein prozessuales Verständnis der Identifikation von Verfahren herausgebildet. Dies ist vornehmlich durch zwei Modelle geschehen: Beiden ist gemein, dass sie den Streitgegenstand vom materiellen Recht losgelöst als prozessuales Institut – synonym formuliert: „prozessualer Anspruch“ – verstehen, das verschiedene materielle Rechte zu bündeln in der Lage ist. Nach welchen Kriterien ein solcher prozessualer Streitgegenstand zu bestimmen sei, ist freilich vor allem in der Diskussion im Zivilprozessrecht umstritten. aa) Eingliedriger Streitgegenstand So entwickelte Schwab nach Vorarbeiten Böttichers43 den Gedanken, dass für die Identifikation des Streitgegenstandes grundsätzlich der Klageantrag genüge: „Der Antrag steht im Mittelpunkt des Rechtsstreites. Um die Begründetheit dieses Antrages streiten die Parteien. Stellt der Kläger mehrere Anträge, so liegen mehrere Streitgegenstände vor. Verändert der Kläger seinen Antrag, dann ändert er damit auch die Klage“44. Wie viele oder welche Anspruchsgrundlagen den Antrag stützen, spiele für die Identitätsermittlung grundsätzlich keine Rolle45. Mehrere auf dasselbe VerDÖV 1964, S. 365 (365). Allerdings legt der Wortlaut des § 121 VwGO nahe, dass Gegenstand des Urteils die Entscheidung „über den Streitgegenstand“ ist, vgl. dazu ausführlich noch unten, Zweites Kapitel, A. III. 2. (S. 42 ff.). 41 Zur ausführlichen Darstellung der Entwicklung dieser Abstraktion, die anfangs noch für jedes einzelne materielle Recht vorgenommen wurde, vgl. D. Hesselberger, Die Lehre vom Streitgegenstand, 1970, S. 137 ff. m.w.N. 42 A. Nikisch, Der Streitgegenstand im Zivilprozeß, 1935, S. 24: Die „Behauptung eines Rechts von bestimmter juristischer Qualifikation“, also eines einzelnen materiellen Rechtes, sei, außer bei Feststellungsklagen (S. 22), regelmäßig nicht Streitgegenstand. 43 E. Bötticher, in: Bernhardt, Beiträge zum Zivilprozeßrecht – Festgabe zum siebzigsten Geburtstag von Leo Rosenberg, 1949, S. 73 ff.; vgl. auch D. Hesselberger, Die Lehre vom Streitgegenstand, 1970, S. 170 ff. 44 K. H. Schwab, Der Streitgegenstand im Zivilprozeß, 1954, S. 184. Dieses alleinige Abstellen auf den Antrag hat zu der Bezeichnung der Theorie als „extrem prozessual“ geführt, G. Lüke, in: Gottwald/Prütting, Festschrift für Karl Heinz Schwab zum 70. Geburtstag, 1990, S. 309 (309). 45 K. H. Schwab, Der Streitgegenstand im Zivilprozeß, 1954, S. 190 ff.

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halten gerichtete materiell-rechtliche Ansprüche fielen grundsätzlich in einem Antrag46 zusammen und entsprächen damit nur einem Streitgegenstand. Freilich zeigt sich am Beispiel der Leistungsklagen, dass ein alleiniges Abstellen auf die Fassung des Antrages zur Identitätsermittlung nicht genügt. Andernfalls würde der Streitgegenstand einer Klage auf Zahlung eines Kaufpreises dem Streitgegenstand einer Klage auf Rückzahlung eines Darlehens in gleicher Höhe entsprechen, weil die sprachliche Fassung der Anträge identisch wäre: In beiden Fällen lautet sie lediglich auf Verurteilung des Beklagten zur Zahlung derselben Summe. Deswegen bedarf es nach Schwab insofern einer Auslegung des Antragsinhaltes, der um Elemente des Lebenssachverhaltes – einmal der Sachverhalt um das Ereignis Kaufvertragsschluss, das andere Mal der Sachverhalt um den Darlehensvertrag – anzureichern sei47. Mithilfe des auf diese Weise ausgelegten Antrages lasse sich der Streitgegenstand bestimmen, der nicht nur die oben dargestellte Rechtsfolgenbehauptung, sondern auch die Behauptung, diese Folge in der gewählten Rechtsschutzform durchsetzen zu dürfen48, unter dem Oberbegriff des Begehrens49 zusammenfasse. bb) Zweigliedriger Streitgegenstand Der Umstand, dass regelmäßig der Sachverhalt zur Anreicherung des Antragsinhaltes herangezogen werden muss, hat zu der Kritik geführt, der Streitgegenstandsbegriff Schwabs sei in Wahrheit nicht eingliedrig (also lediglich mithilfe des Antrages zu bestimmen), sondern „unecht-zweigliedrig“50 (es bedürfe der Bestimmung von Antrag und Sachverhalt). Bedarf es daher ohnehin in vielen Fällen einer Zuhilfenahme des Sachverhaltes, liegt es nicht fern – und ist auch in der verwaltungsprozessualen Literatur51 und Rechtsprechung52 weit verbreitet – Antrag und 46 Zum Problem der Bewertung eines Antrages als „derselbe“ vgl. P. O. Ekelöf, ZZP 85 (1972), S. 145 (147 f., insbes. 148, 2. Abs.). 47 K. H. Schwab, Der Streitgegenstand im Zivilprozeß, 1954, S. 185: „ Zur Auslegung aber muß der Sachverhalt herangezogen werden“. 48 K. H. Schwab, Der Streitgegenstand im Zivilprozeß, 1954, S. 189. Demnach hätten also eine auf dasselbe materielle Recht gestützte Leistungs- und Feststellungsklage unterschiedliche Streitgegenstände, dazu W. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974, § 5 III 1 (S. 36 f.). 49 Anders A. Nikisch, Der Streitgegenstand im Zivilprozeß, 1935, S. 49 ff., der den Begriff des Begehrens aus Gründen der Formulierung verschiedener ZPO-Vorschriften ausdrücklich ablehnt und die Rechtsbehauptung als Streitgegenstand betrachtet; zur – freilich nicht überall so verwandten – Differenzierung des Begehrens als an das Gericht gerichtetes Anliegen gegenüber dem prozessualen Anspruch als sich auch gegen den Beklagten richtendes Anliegen vgl. ausführlich S. Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im öffentlichen Recht, 1995, S. 62 ff. 50 So etwa plakativ C. F. Germelmann, Die Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen in der Europäischen Union, 2008, S. 28; zur Kritik vgl. D. Hesselberger, Die Lehre vom Streitgegenstand, 1970, S. 192 ff. 51 G. Barbey, in: Erichsen/Hoppe/v. Mutius, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, Festschrift für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 177 (184); B. Clausing, in:

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Sachverhalt gemeinsam als Identifikationskriterien für den Streitgegenstand zu verwenden53. Nachgerade zwingend wird dies aber, weist man dem Streitgegenstand mehr als nur Identifikationsfunktion zu: So mag man annehmen, er diene auch dazu, die „Aufgaben des Klägers von denen des Richters“ abzugrenzen54. Antrag und Sachverhalt seien dann Ausdruck dessen, was der Kläger zur Bestimmung des Prozessstoffes zu liefern habe: einerseits die Fakten, andererseits die Behauptung, aus selbigen ergebe sich eine bestimmte Folge (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die restliche Prüfung sei nach Maßgabe des Grundsatzes da mihi facta, dabo tibi ius „Recht wie Pflicht“ des Richters55. Auch ließe sich annehmen, vermöge des Streitgegenstandes solle „das Streitprogramm in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht“ aufgedeckt werden56 und so eine (hier sog.) Informationsfunktion für Verfahrensbeteiligte erfüllen. Wenn das so ist, bedarf es für alle Klagearten der Aufdeckung nicht nur in rechtlicher Hinsicht, was durch den Antrag geschieht. Es bedarf ihr auch in tatsächlicher Hinsicht: Dann muss der Lebenssachverhalt „stets Bestandteil des prozessualen Anspruchs sein“57, weil er die tatsächliche Grenze des Streitprogramms zieht. Identifiziert man Rechtsstreitigkeiten zweigliedrig, also mittels Antrag und Sachverhalt, fällt ein für die Auslegung des Antrags bei der eingliedrigen Bestimmung notwendiger Begründungsaufwand weg. Der Streitgegenstand setzt sich dann aus der im Antrag enthaltenen Rechtsfolgenbehauptung (sowie gegebenenfalls auch der Behauptung, diese mit der gewählten Rechtsschutzform durchsetzen zu dürfen)

Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 56; S. Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im Öffentlichen Recht, 1995, S. 46 ff.; C. F. Germelmann, Die Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen in der Europäischen Union, 2009, S. 28 f.; F. O. Kopp/ W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, Anh § 90 Rn. 12; G. Lüke, JuS 1967, S. 1 (6); H.-J. Musielak, in: ders., ZPO, 9. Aufl. 2012, Einleitung Rn. 74; K. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 121 Rn. 23; vgl. aus der zivilprozessualen Literatur statt aller nur K. Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 33. Aufl. 2012, Einl II Rn. 25; im Ergebnis auch P. Gottwald, in: Rauscher/Wax/Wenzel, Münchener Kommentar zur ZPO, Band 1, 3. Aufl. 2008, § 322 Rn. 113. 52 St. Rspr. des BVerwG, vgl. nur NVwZ 2007, S. 104 (105); Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 80; E 96, S. 24 (25); NVwZ 1994, S. 78 (79); NVwZ 1990, S. 1069 (1069); E 70, S. 110 (112); NVwZ 1983, S. 220 (220); ferner st. Rspr. des BGH, vgl. nur BGHZ 34, S. 337 (339); 36, S. 365 (367); 117, S. 1 (5); 132, S. 240 (243). 53 Grundlegend L. Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 1. Aufl. 1927, § 87 II (S. 238 ff.). 54 L. Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 1. Aufl. 1927, § 87 II 1 (S. 238) (Hervorhebung im Original). 55 L. Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 1. Aufl. 1927, § 87 II 1 b, c (S. 238 f.). 56 W. Habscheid, Der Streitgegenstand im Zivilprozeß, 1956, S. 205. 57 W. Habscheid, Der Streitgegenstand im Zivilprozeß, 1956, S. 205.

B. Stand der Diskussion um die Funktionen des Begriffs

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zusammen und umfasst zusätzlich den Lebenssachverhalt58. Unterschiedliche Anträge bedingen deswegen, wie bei einer eingliedrigen Identitätsbestimmung, unterschiedliche Streitgegenstände. Gleiche Anträge hingegen führen dann nur noch bei einem einheitlichen Sachverhalt zu einem einheitlichen Streitgegenstand, während abweichende Sachverhalte trotz Antragsgleichheit unterschiedliche Streitgegenstände kennzeichnen. Probleme bei der Identifikation verlagern sich dadurch auf die Frage, wann Lebensvorgänge einem oder mehreren Sachverhalten zuzuordnen sind59. 3. Ergebnis zur Identifikationsfunktion Die dargestellten Eckpunkte60 der Diskussion deuten eine Tendenz an, die im Folgenden weiter zu untersuchen sein wird: Die Erweiterung und Verfeinerung des Streitgegenstandsbegriffs liegt nicht nur in seiner Identifikationsfunktion begründet. Wie die Überlegungen Rosenbergs und Habscheids zeigen, liegt die Einführung des Sachverhaltes als eigenständiges Element auch darin begründet, dass der Streitgegenstandsbegriff Ausdruck der prozessualen Kompetenzverteilung sein und Informationsfunktion über den Streitstoff in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht haben soll. Freilich sind die prozessuale Kompetenzverteilung und die Aufdeckung des Streitstoffes in der VwGO bereits durch andere Vorschriften sichergestellt: Die Kompetenzverteilung ergibt sich hinsichtlich des Sachverhaltes aus § 86 VwGO, hinsichtlich Rechtsfragen aus dem Grundsatz iura novit curia. Die Aufdeckung des Streitstoffes ist durch § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorgeschrieben. Müssen diese Rechtsfolgen mithin nicht dem Streitgegenstandsbegriff entnommen werden, so verbleibt für ihn im verwaltungsgerichtlichen Verfahren insofern lediglich die Identifikationsfunktion. Dafür scheint die Verwendung eines materiell-rechtlichen Identifikationskriteriums – die Lösbarkeit der angesprochenen Probleme vorausgesetzt – jedenfalls nicht von vornherein undenkbar.

II. Maßstabfestlegungsfunktion Möglicherweise hängen aber andere Rechtsfolgen vom Inhalt des Streitgegenstandsbegriffs ab. So zählte man im Verwaltungsprozessrecht vor allem in den 58

W. Habscheid, Der Streitgegenstand im Zivilprozeß, 1956, S. 221 f.; L. Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 1. Aufl. 1927, § 87 II 2 (S. 241). 59 Dazu instruktiv H.-J. Musielak, in: ders., ZPO, 9. Aufl. 2012, Einleitung Rn. 75 f. und O. Jauernig/B. Hess, Zivilprozessrecht, 30. Aufl. 2011, § 37 Rn. 12 ff.; K. H. Schwab, in: Prütting/ Rüssmann, Verfahrensrecht am Ausgang des 20. Jahrhunderts – Festschrift für Gerhard Lüke zum 70. Geburtstag, 1997, S. 793 (794 f.). 60 Für eine detaillierte Nachzeichnung der Diskussionsentwicklung vgl. D. Hesselberger, Die Lehre vom Streitgegenstand, 1970, S. 91 ff., sowie auch C. Löwisch, Die historische Entwicklung des Streitgegenstandes – auf der Grundlage des römischen und seit der Geltung des Gemeinen Rechts, 1967, passim.

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1. Kap.: Einleitung und Gang der Untersuchung

fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts zur Aufgabe einer Auseinandersetzung mit dem Begriff nicht weniger als die Beantwortung der „Grundfrage nach dem Wesen der Verwaltungsgerichtsbarkeit“61: Mithilfe der Inhaltsbestimmung des Streitgegenstandes sollte die Entscheidung zwischen objektiver Kontrollfunktion und subjektivem Rechtsschutz getroffen werden62 (hier mit Blick auf den damit angesprochenen gerichtlichen Entscheidungsmaßstab sog. Maßstabfestlegungsfunktion). Ausgangspunkt dieser Diskussion war die „klassische“63 Klageart des Verwaltungsprozesses: die Anfechtungsklage. Streitgegenstand derselben sei, so wurde anfangs formuliert, der angefochtene Verwaltungsakt64. Mit zunehmender Beachtung der im Zivilprozess geführten Auseinandersetzung um den Streitgegenstand65 verfeinerte sich diese Auffassung hin zum Streitgegenstand als der Rechtsbehauptung, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen sei66 : Hierüber habe das Verwaltungsgericht verbindlich zu entscheiden. Die Betroffenheit des Klägers in seinen Rechten sei hingegen nur eine Frage der Aktivlegitimation67. Dies wurde bisweilen daraus abgeleitet, dass die Anfechtungsklage angesichts des geschichtlichen Ursprungs der Verwaltungsrechtsprechung68 kein Rechtsschutzverfahren im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG sei, sondern ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung im behördlichen Vorverfahren, „einer Berufung etwa vergleichbar“69. Komme es für das Vorverfahren nicht auf subjektiven Rechtsschutz an, gelte dies auch für die An61

C.-F. Menger, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 1954, S. 158. R. Naumann, DVBl. 1952, S. 584 (589). 63 J. Hüttenbrink, in: Kuhla/ders., Der Verwaltungsprozess, 3. Aufl. 2002, D Rn. 24. 64 P. van Husen, Gesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Bayern, WürttembergBaden und Hessen mit Kommentar, 1947, § 84 Bem. 2 (S. 111). Eine Ausdrucksweise, die auch heute bisweilen noch verwandt wird, vgl. BVerwG NVwZ 2011, S. 233 (234 Rn. 13): „Streitgegenstand des Hauptsacheverfahrens ist der Bescheid […]“; BVerwGE 77, S. 102 (105); ähnlich BVerwGE 84, S. 31 (32). 65 Für eine Übernahme des dort herausgearbeiteten Verständnisses plädierte etwa schon früh W. Laforet, Deutsches Verwaltungsrecht, 1937, S. 266 FN 7; sehr deutlich geschieht dies bei C.-F. Menger, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 1954, S. 161 ff., der eine Einordnung der verwaltungsprozessualen Standpunkte in die zivilprozessuale Terminologie vornimmt. Bisweilen wurden zivilprozessuale Erkenntnisse aber auch überhaupt nicht zur Kenntnis genommen, vgl. nur E. Eyermann/L. Fröhler, Verwaltungsgerichtsgesetz, 2. Aufl. 1954, § 84 2 b (S. 257), der zur Identifikation der eadem res lediglich auf den Sachverhalt abstellt (und zu diesem offenbar auch rechtliche Aspekte zählt), sich aber mit dem Antrag nicht auseinandersetzt. 66 W. Niese, JZ 1952, S. 353 (353), knüpft mit dem Begriff des „Begehrens […] auf Feststellung“ an zivilprozessuale Terminologie an; ausdrückliche Bezeichnung als „Rechtsbehauptung“ mit Verweis auf den Zivilprozess bei G. Wacke, AöR 79 (1953 – 54), S. 158 (170). 67 W. Niese, JZ 1952, S. 353 (354). 68 Vgl. dazu W. Skouris, Verletztenklagen und Interessentenklagen im Verwaltungsprozeß, 1979, S. 23 ff.; E. Schmidt-Aßmann/W. Schenk, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, Einleitung Rn. 76 ff. 69 G. Wacke, AöR 79 (1953 – 54), S. 158 (163, 164 ff., freilich „in einem erweiterten Sinne“ [Hervorhebung im Original], S. 169). 62

B. Stand der Diskussion um die Funktionen des Begriffs

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fechtungsklage: Das „gerichtliche Verfahren [beginnt nicht vor den Verwaltungsgerichten, sondern – Anm. d. Verf.] erst bei dem Landesverwaltungsgericht“70. Dem wurde bereits früh mit einer Auslegung der Normen der zu jener Zeit geltenden Prozessgesetze entgegengetreten: So konnte etwa gemäß § 23 Abs. 1 MilRegVO Nr. 16571 eine Anfechtungsklage „nur darauf gestützt werden, daß der Verwaltungsakt den Kläger in seinen Rechten beeinträchtige, weil er rechtswidrig sei.“ Daraus – und aus einem Vergleich mit der Verpflichtungsklage – zog insbesondere Bettermann den Schluss, dass Streitgegenstand der Anfechtungsklage ein subjektives Recht des Klägers entweder auf Aufhebung des Verwaltungsaktes durch den Verwaltungsträger oder auf richterliche Aufhebung des Verwaltungsaktes sei72. Nach der Übernahme der zu jener Zeit entwickelten prozessualen Streitgegenstandsbestimmung aus der Zivilprozessrechtswissenschaft73 wurde schließlich formuliert, der Streitgegenstand der Anfechtungsklage sei die Rechtsbehauptung, „der Verwaltungsakt verletze den Kläger in seinen ,Rechten‘“74. Dass diese Diskussion um die subjektiv-rechtliche Ausrichtung verwaltungsgerichtlicher Verfahren heute noch vom Begriff des Streitgegenstandes abhängt, lässt sich allerdings bezweifeln. Sie ist durch die in der VwGO in verschiedenen Normen (unter anderem §§ 42 Abs. 2, 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO) umgesetzte Systementscheidung für subjektiven Rechtsschutz75 überholt. Deswegen erfüllt der Begriff des Streitgegenstandes heute nicht mehr die Funktion, die „Grundfrage nach dem Wesen der Verwaltungsgerichtsbarkeit“76 zu beantworten. Sie ist bereits beantwortet.

70 G. Wacke, AöR 79 (1953 – 54), S. 158 (170), Hervorhebung im Original. Wacke bleibt freilich Ausführungen dazu schuldig, ob der Gegenstand der Anfechtungsklage vor dem Landesverwaltungsgericht denn dann ein anderer sei. 71 VOBl. Britische Zone 1948, 263 = ABl. MilReg 1948, 799, Hervorhebungen von Verf. 72 K. A. Bettermann, DVBl. 1953, S. 163 (165); so auch schon R. Naumann, DVBl. 1952, S. 695 (696): „Wird jemand rechtswidrig durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so hat er einen Anspruch darauf, mit Hilfe des Verwaltungsgerichts den Verwaltungsakt als rechtswidrig beseitigt zu erhalten. Dieser Anspruch, das subjektive Anfechtungsrecht des Klägers, ist der Streitgegenstand im verwaltungsgerichtlichen Verfahren“. 73 Vgl. dazu oben, Erstes Kapitel, B. I. 2. b) (S. 18 ff.). 74 C.-F. Menger, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 1954, S. 164; wohl auch O. Bachof, JZ 1953, S. 411 (411). 75 W. Krebs, in: Erichsen/Hoppe/v. Mutius, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, Festschrift für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 191 (197); dem folgend etwa M. Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 113 Rn. 11; E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, 65. EL 2012, Art. 19 Abs. 4 Rn. 8; R. Wahl, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, Vorbemerkung § 42 Abs. 2 Rn. 14; BVerfG NVwZ 2009, S. 240 (242); BbgVerfG NJOZ 2008, S. 981 (984). 76 C.-F. Menger, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 1954, S. 158.

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1. Kap.: Einleitung und Gang der Untersuchung

III. Bindung der Zivilgerichte und Wiederholungsverbot Elemente dieser ursprünglichen Diskussion haben jedoch bis heute Bedeutung für die Begriffsbestimmung behalten. Dies liegt darin begründet, dass angenommen wird, „der Streitgegenstand der Anfechtungsklage [müsse] ausdehnend mit dem Ziel bestimmt werden […], eine Bindung der Behörde mit Blick auf Wiederholungsakte und auf Entschädigung oder Schadensersatz zu erreichen“77. Mithin wird es als Aufgabe einer Bestimmung des Streitgegenstandsbegriffs für die Anfechtungsklage betrachtet, zweierlei zu leisten: Zum einen möge er einen Inhalt haben, der bei verbindlicher Entscheidung über ihn die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes für ein sich etwaig anschließendes Haftungsverfahren vor den Zivilgerichten feststelle78. Zum anderen möge sein Inhalt so beschaffen sein, dass er bei verbindlicher Entscheidung darüber gewährleiste, dass der Verwaltungsträger einen einmal durch das Verwaltungsgericht aufgehobenen Verwaltungsakt nicht ohne Veränderung der Sach- und Rechtslage inhaltsgleich ein weiteres Mal erlassen dürfe79. Um diese Rechtsfolgen durch das Urteil zu setzen, werden verschiedene Begriffsinhalte des Streitgegenstandes vertreten80. 1. Feststellung der (Rechtswidrigkeit und) Rechtsverletzung Verbreitet wird in Anknüpfung an die Formulierung bei Menger und § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO als Streitgegenstand die Rechtsbehauptung des Klägers verstanden, er werde durch den angefochtenen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt, weil dieser rechtswidrig sei81. Diese Rechtsbehauptung sei im Antrag des Klägers ent77

K. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 121 Rn. 25. B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 61; S. Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkung im Öffentlichen Recht, 1995, S. 118 f.; H. v. Nicolai, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, 15. Aufl. 2010, § 121 Rn. 9 f.; K. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 121 Rn. 25; W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 13. Aufl. 2012, Rn. 608 f.; C. H. Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 9. Aufl. 1987, S. 217; T. Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, 3. Aufl. 2011, Rn. 246; BVerwGE 77, S. 102 (106). 79 B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 59; S. Detterbeck, NVwZ 1994, S. 35; ders., Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im Öffentlichen Recht, 1995, S. 106 ff.; J. H. Gotzen, Das Verwaltungsakt-Wiederholungsverbot, 1997, S. 25 ff.; F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 121 Rn. 21; K. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 121 Rn. 25; V. Schmid, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 88 Rn. 9; C. H. Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 9. Aufl. 1987, S. 313; T. Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, 3. Aufl. 2011, Rn. 246; BVerwGE 91, S. 256 (257); BVerfGE 47, S. 146 (165 f.). 80 Zu der Frage, ob das Urteil diese Rechtsfolgen überhaupt setzen kann – und wenn ja, wie – vgl. noch unten, Zweites Kapitel, A. III. 2. b) bb) (S. 59 ff.). 81 B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 61; F. Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 8. Aufl. 2011, § 10 Rn. 9; W. Schmitt Glaeser/H.-D. Horn, Ver78

B. Stand der Diskussion um die Funktionen des Begriffs

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halten, neben dem zur Erfüllung der Identifikationsfunktion auch noch der Sachverhalt Inhalt des Streitgegenstandes sei82. Die Behauptung bestehe aus den beiden kausal verknüpften Elementen der subjektiven Rechtsverletzung und der objektiven Rechtswidrigkeit83. Werde der Klage stattgegeben, bejahe das Gericht damit diese Behauptung. Sei auf diesem Wege einmal festgestellt, dass der angegriffene Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen sei und den Kläger in seinen Rechten verletzt habe, könne aufgrund der Präjudizialität zum einen das mit dem Amtshaftungsverfahren befasste Zivilgericht dieses Ergebnis bei der Beurteilung der Amtspflichtwidrigkeit voraussetzen und zum anderen dürfe der Verwaltungsträger den als rechtswidrig erkannten Akt nicht wiederholen84. Welche Bedeutung freilich die eigenständige Rechtswidrigkeitsfeststellung neben der Feststellung der Rechtsverletzung haben soll, scheint unklar. Sie mag dem Umstand geschuldet sein, dass sowohl das Verwaltungsakt-Wiederholungsverbot85 wie auch die Bindung des mit dem Amtshaftungsverfahren befassten Zivilgerichtes vormals aus der Rechtswidrigkeitsfeststellung des Urteils hergeleitet wurden86. Ihrer separaten Feststellung bedarf es aber nicht, denn die Rechtswidrigkeit ist in der Rechtsverletzung enthalten. Eine subjektive Rechtsverletzung „impliziert“87 nicht nur eine objektive Rechtswidrigkeit, sondern ist eine solche: Die Rechtsverletzung ist begrifflich ein Verstoß gegen eine Rechtsnorm, die individualschützend ist. Eine Verletzung ist daher immer ein Rechtsverstoß, also rechtswidrig88. Mithin hat die Feststellung der objektiven Rechtswidrigkeit keine eigenständige Bedeutung89.

waltungsprozeßrecht, 15. Aufl. 2000, Rn. 113; C. H. Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 9. Aufl. 1987, § 35 II 3 (S. 217); T. Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, 3. Aufl. 2011, Rn. 246; vgl. auch K. A. Bettermann, NJW 1961, S. 1097 (1098); BVerwG E 40, S. 101 (104); DVBl. 1989, S. 933 (933); E 91, S. 256 (257); 116, S. 1 (3). 82 F. Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 8. Aufl. 2011, § 10 Rn. 9; C. H. Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 9. Aufl. 1987, § 35 II 3 (S. 217); vgl. auch D. Ehlers, JURA 2008, S. 506 (507) mit allerdings anderem Verständnis des Antragsinhaltes. 83 F. Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 8. Aufl. 2011, § 10 Rn. 9. 84 C. F. Germelmann, Die Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen in der Europäischen Union, 2009, S. 32 f.; K. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 121 Rn. 12; C. H. Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 9. Aufl. 1987, § 35 II 3 (S. 217); zur Überzeugungskraft dieser Erwägung vgl. noch unten, Zweites Kapitel, B. III. 2. b) bb) (2) (S. 65 ff., 75). 85 Vgl. den Begriff bei S. Detterbeck, NVwZ 1994, S. 35 (35). 86 So etwa noch W. Niese, JZ 1952, S. 353 (354); vgl. auch J. H. Gotzen, Das Verwaltungsakt-Wiederholungsverbot, 1997, S. 55 f. 87 F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, Anh § 90 Rn. 8; W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 13. Aufl. 2012, Rn. 610. 88 Vgl. W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 13. Aufl. 2012, Rn. 730 Fn. 1. 89 A.A. etwa O. Bachof, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes, Band II, 1967, S. 199, der sie als objektivrechtliche Kontrolle versteht, „ob ein bestimmtes Verhalten der Behörde überhaupt und ein für allemal […] rechtmäßig ist oder nicht“. Dies widerspricht aber dem Wortlaut des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, der die Rechtswidrigkeit nur insoweit für entscheidungsrelevant erklärt, wie sie

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1. Kap.: Einleitung und Gang der Untersuchung

Wenn überhaupt, wäre die Rechtsbehauptung insofern als jene zu verstehen, der Verwaltungsakt verletze den Kläger in seinen Rechten90. 2. Aufhebungsanspruch (und Feststellung der Rechtsverletzung) Ferner wird erwogen, den Streitgegenstand als den prozessualen Anspruch des Klägers gerichtet auf Aufhebung des Verwaltungsaktes, zu bestimmen91. Über die Rechtswidrigkeit des Aktes und die dadurch bedingte Rechtsverletzung werde als bloße Vorfragen zwar nicht verbindlich entschieden92, dennoch müsse das Zivilgericht sie im Amtshaftungsverfahren unter Umständen beachten93. Ferner umfasse der prozessuale Anspruch auch wesensgleiche Verwaltungsakte, so dass eine durch Anfechtungsurteil aufgehobene Verfügung grundsätzlich vom Verwaltungsträger nicht inhaltsgleich erneut erlassen werden dürfe und widrigenfalls in einem neuen Anfechtungsverfahren ohne erneute Sachprüfung aufzuheben wäre94; denn dann läge die Rechtsverletzung bedingt, vgl. schon H. H. Rupp, AöR 88 (1963) = N.F. 49 (1963), S. 479 (486 ff., insbes. 489). 90 BVerwGE 29, S. 210 (211 f.); 39, S. 247 (249); BVerwG Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 78; BVerwG Buchholz 428.1 § 4 InVorG Nr. 7; in dieser Formulierung auch schon O. Bachof, JZ 1953, S. 411 (411) und etwa H. v. Nicolai, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, 15. Aufl. 2010, § 121 Rn. 7. 91 S. Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im Öffentlichen Recht, 1995, S. 162, der den Anspruch auf S. 65 als gegen das Gericht und den Beklagten gerichtet auffasst; bisweilen wird auch materiell-rechtlich formuliert, so etwa zu § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO bei W. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974, § 5 IV (S. 44), der freilich ohnehin einen stark materiell-rechtlich orientierten Streitgegenstandsbegriff vertritt, und F. Weyreuther, in: Erichsen/Hoppe/v. Mutius, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, Festschrift für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 681 (687); BVerwG NJW 1984, S. 2174 (2174); BVerwG NVwZ 1991, S. 369 (371); BVerwG Buchholz 360 § 13 GKG Nr. 91; BVerwGE 85, S. 368 (376); vgl. auch schon K. A. Bettermann, DVBl. 1953, S. 163 (165); R. Naumann, DVBl. 1952, S. 695 (696). 92 S. Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im Öffentlichen Recht, 1995, S. 156. 93 Dies konstruiert S. Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im Öffentlichen Recht, 1995, auf zweierlei Arten: Zum einen mittels einer von ihm sog. „mittelbaren Präjudizialität“. Bestehe demnach zwischen Prozessen ein – auch mittelbares – präjudizielles Abhängigkeitsverhältnis, trete auch ohne Rechtskraft eine Bindung an tragende Urteilsgründe ein (S. 165 ff.). Darin wird man freilich eine Überschreitung des Wortlautes des § 121 VwGO zu sehen haben. Zum anderen beruft sich Detterbeck auf die Figur des kontradiktorischen Gegenteils, welches gegenüber dem Aufhebungsanspruch „die Befugnis der Behörde zum Erlaß des Verwaltungsakts“ sei (S. 169). Freilich trägt diese Erwägung nur in eine Richtung, wie der Umkehrschluss zeigt: Wäre die Behörde nicht befugt, einen Verwaltungsakt zu erlassen, korrespondiert damit eben nicht notwendig ein Aufhebungsanspruch – sondern nur dann, wenn sie dabei subjektive Rechte verletzt. Es scheint sich daher weniger um ein echtes Gegenteil als vielmehr einen logischen Schluss zu handeln. 94 S. Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im Öffentlichen Recht, 1995, S. 157 ff.

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Streitgegenstandsidentität vor und eine vom ersten Urteil abweichende Entscheidung sei dem Gericht untersagt95. Allerdings setzt eine solche Streitgegenstandsbestimmung zweierlei voraus: Zum einen ein bestimmtes Verständnis der Konstruktion der Rechtskraft96. Es muss angenommen werden, eine bereits bestehende Entscheidung über Verwaltungsakte derselben Art97 und damit denselben Streitgegenstand hindere eine Zweitentscheidung nicht, sondern nur eine abweichende Zweitentscheidung98. Zum anderen setzt eine solche Definition die Erwägung voraus, auch die Entscheidung über eine Vorfrage, die nicht Teil des Streitgegenstandes sei, könne verbindlich sein. Dagegen spricht aber der Wortlaut des § 121 VwGO, der Verbindlichkeit nur für die Entscheidung anordnet, welche „über den Streitgegenstand“ ergangen ist. Aufgrund dieser Schwierigkeiten wird die Streitgegenstandsbestimmung mithilfe des prozessualen Aufhebungsanspruchs bisweilen auch um eine separate Feststellung der subjektiven Rechtsverletzung erweitert99 : Beide Elemente seien gemeinsam als Behauptung im Antrag des Klägers enthalten und ergäben, zusammen mit dem Sachverhalt, den Streitgegenstand. Mithilfe des Aufhebungsanspruchs könne dem Charakter der Anfechtungsklage Rechnung getragen werden, mithilfe der Feststellung der Rechtsverletzung werde eine Bindung des Verwaltungsträgers und des mit einem Amtshaftungsverfahren befassten Zivilgerichtes erreicht100. Ferner ergebe sich eine solche Definition auch aus dem Unterschied zwischen der Anfechtungs95 Von der Wirkung der Rechtskraft als Verbot nur einer abweichenden Zweitentscheidung ausgehend W. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974, § 47 III 2 (S. 494 ff.); C. H. Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 9. Aufl. 1987, § 59 I 1 (S. 313); BVerwGE 35, S. 234 (236); 82, S. 272 (274). 96 Vgl. dazu krit. noch unten, Zweites Kapitel, A. III. 2. c) cc) (2) (S. 98 ff.). 97 Zur Kritik ausführlich H. Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand im Verwaltungsprozess, 2001, S. 216 f. 98 Anders die wohl überwiegende Auffassung, vgl. etwa K. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 121 Rn. 9 m.w.N.; F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 121 Rn. 10; C. F. Germelmann, Die Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen in der Europäischen Union, 2009, S. 32; L. Rosenberg/K. H. Schwab/P. Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl. 2010, § 151 Rn. 10. 99 W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 13. Aufl. 2012, Rn. 610; F. O. Kopp/ders., VwGO, 18. Aufl. 2012, Anh § 90 Rn. 8; D. Ehlers, JURA 2008, S. 506 (507); M. Hößlein, VerwArch 2008, S. 127 (150); im Ergebnis auch H. Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand im Verwaltungsprozess, 2001, S. 234 und C. F. Germelmann, Die Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen in der Europäischen Union, 2009, S. 32, der freilich vom Anspruch einerseits und der Feststellung der Rechtswidrigkeit nebst Rechtsverletzung andererseits ausgeht; ebenso K. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 121 Rn. 25: „zweischichtig“; noch weiter V. Schmid, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 88 Rn. 9, die den zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff ablehnt und deswegen nicht den Sachverhalt als Teil des Streitgegenstandes definiert. Neben dem Aufhebungsanspruch und der Rechtsverletzungsfeststellung nimmt sie dafür noch den angefochtenen Verwaltungsakt in die Definition auf. 100 W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 13. Aufl. 2012, Rn. 610; F. O. Kopp/ders., VwGO, 18. Aufl. 2012, Anh § 90 Rn. 8.

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1. Kap.: Einleitung und Gang der Untersuchung

klage nach § 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO und der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO: Streitgegenstand der Fortsetzungsfeststellungsklage sei lediglich die Rechtsverletzungsfeststellung, so dass auch nur darüber verbindlich entschieden werde. Hinter dieser Verbindlichkeit dürfe die Urteilswirkung der Anfechtungsklage nicht zurückbleiben, weswegen neben dem Aufhebungsanspruch auch hier eine Rechtsverletzungsfeststellung notwendig sei101. 3. Ergebnis zur Bindung der Zivilgerichte/Wiederholungsverbot Die geschilderten Ansichten gehen, mögen sie auch im Detail unterschiedlich ausgestaltet sein, übereinstimmend davon aus, dass einem erfolgreichen Anfechtungsurteil (parallel auch Verpflichtungsurteil102) verbindlich die Rechtswidrigkeit des – bzw. Rechtsverletzung durch den – Verwaltungsakt(es) entnehmen zu sein müsse. Nur so lasse sich eine Bindung des mit einem Amtshaftungsverfahren befassten Zivilgerichtes erreichen. Ob dies zutrifft, wird in dieser Arbeit noch zu untersuchen sein103. Gleiches gilt für die Erwägung, dass mittels derselben Feststellung – oder einer Erfassung von Verwaltungsakten „derselben Art“ – ein erfolgreiches Anfechtungsurteil ein Wiederholungsverbot für den Beklagten aufstelle104.

101 W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 13. Aufl. 2012, Rn. 610; F. O. Kopp/ders., VwGO, 18. Aufl. 2012, Anh § 90 Rn. 8; M. Hößlein, VerwArch 2008, S. 127 (150); mit ähnlichen Erwägungen, aber ohne Festlegung auf einen über die Feststellung der Rechtsverletzung hinausgreifenden Teil BVerwGE 116, S. 1 (3); dagegen H. Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand im Verwaltungsprozess, 2001, der auf S. 224 f. zutreffend darauf hinweist, dass im Falle der Erledigung ohnehin ein neuer – wiederum auslegungsfähiger – Antrag zu stellen sei. Nach BVerwGE 109, S. 87 (90), BVerwG Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 320 und BVerwG Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 60 sei der Streitgegenstand der Anfechtungs- und Fortsetzungsfeststellungsklage derselbe. 102 Die Diskussion zur Verpflichtungsklage wird unter denselben Gesichtspunkten wie die soeben dargestellte zur Anfechtungsklage geführt; vgl. dazu die Definitionen bei W. Schmitt Glaeser/H.-D. Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl. 2000, Rn. 113: Rechtsbehauptung des Klägers, die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsaktes sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten; B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 63; S. Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im Öffentlichen Recht, 1995, S. 206 f.; BVerwG NVwZ 2007, S. 104 (106): Rechtsbehauptung eines Anspruchs oder prozessualer Anspruch auf Erlass des Verwaltungsaktes bzw. Neubescheidung; W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 13. Aufl. 2012, Rn. 611; F. O. Kopp/ders., VwGO, 18. Aufl. 2012, Anh § 90 Rn. 9: Anspruch auf Erlass des Verwaltungsaktes bzw. Neubescheidung und subjektive Rechtsverletzung durch Unterlassung bzw. Ablehnung. Zum Ganzen H. Jacobj, Spruchreife und Streitgegenstand im Verwaltungsprozess, 2001, S. 234 ff. 103 Dazu im Einzelnen unten, Zweites Kapitel, A. III. 2. b) bb) (1) (S. 60 ff.). 104 Dazu im Einzelnen unten, Zweites Kapitel, A. III. 2. b) bb) (2) (S. 64 ff.).

B. Stand der Diskussion um die Funktionen des Begriffs

29

IV. Ergebnis zum Stand der Diskussion Die Diskussion, welche zum Begriff des Streitgegenstandes geführt wird, zeigt eines deutlich: Er „trägt seinen Namen zu Recht. Er ist ein Gegenstand vielfältigen Streites.“105 Zeugnis davon legt schon der Umstand ab, dass selbst grundlegende Begrifflichkeiten bislang nicht konsequent verwandt werden. So versteht beispielsweise das Bundesverwaltungsgericht den Streitgegenstand als sich durch Antrag und Lebenssachverhalt bestimmendes prozessuales Institut106, führt diese Betrachtung aber nicht immer konsequent fort zur Definition des Anfechtungsantrages als der Rechtsbehauptung, der angegriffene Verwaltungsakt (sei rechtswidrig und) verletze den Kläger (dadurch) in seinen Rechten107. Bisweilen formuliert es vielmehr, Streitgegenstand einer Anfechtungsklage sei der angefochtene Verwaltungsakt108 oder ein subjektives Abwehrrecht des Klägers109. Dies deutet darauf hin, dass noch keine gefestigte Dogmatik besteht, welche die mit dem Begriff verknüpften Fragen adäquat zu lösen imstande ist. Betrachtet man die Summe der Diskussionsaspekte, fällt auf, dass über eine Bestimmung des Streitgegenstandsbegriffs eine Vielzahl unterschiedlicher Rechtsfragen im Prozess zu beantworten sein soll: Von der Identifikation von Rechtsstreitigkeiten über die prozessuale Kompetenzverteilung und eine Informationsfunktion zur Aufdeckung des Streitprogramms bis hin zur Festlegung des Verwaltungsprozesses auf subjektiven Rechtsschutz, die Bindung eines Zivilgerichtes und ein Wiederholungsverbot sollen dem Begriff Inhalte zu entnehmen sein. Dies sei der Fall, obgleich zum Teil (vgl. etwa §§ 82 Abs. 1 Satz 1, 90 Abs. 1, 91 Abs. 1 VwGO) gesetzliche Regelungen für Teile dieser Fragen bestehen, die den Begriff des Streitgegenstandes gerade nicht verwenden.

105

S. 11. 106

H.-G. Gorski, Der Streitgegenstand der Anfechtungsklage gegen Steuerbescheide, 1973,

St. Rspr. des BVerwG, vgl. nur NVwZ 2007, S. 104 (105); Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 80; E 96, S. 24 (25); NVwZ 1994, S. 78 (79); NVwZ 1990, S. 1069 (1069); E 70, S. 110 (112); NVwZ 1983, S. 220 (220). 107 BVerwGE 40, S. 101 (104); BVerwG DVBl. 1989, S. 933 (933); BVerwGE 91, S. 256 (257); 116, S. 1 (3); bloßes Abstellen auf die Behauptung, der Verwaltungsakt verletze den Kläger in seinen Rechten bei BVerwGE 29, S. 210 (211 f.); 39, S. 247 (249); BVerwG Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 78; BVerwG Buchholz 428.1 § 4 InVorG Nr. 7. 108 BVerwG NVwZ 2011, S. 233 (234 Rn. 13); BVerwGE 77, S. 102 (105); ähnlich BVerwGE 84, S. 31 (32). 109 BVerwG NJW 1984, S. 2174 (2174); BVerwG NVwZ 1991, S. 369 (371); BVerwG Buchholz 360 § 13 GKG Nr. 91; BVerwGE 85, S. 368 (376).

30

1. Kap.: Einleitung und Gang der Untersuchung

C. Fragestellung und Untersuchungsgegenstand Geht man davon aus, dass mithilfe des Streitgegenstandsbegriffs diese aufgezeigte Vielfalt von Rechtsfragen zu beantworten sein sollte, so mag man ihm tatsächlich eine zentrale Bedeutung im Prozess zusprechen können. Sollte der Begriff diese aber haben, so überrascht es, dass trotz der aufgezeigten langen Diskussion noch keine Einigkeit über seinen Inhalt erzielt wurde. Betrachtet man die Rechtsprobleme, die in der Diskussion mit dem Begriff verknüpft sind, so scheint jedenfalls folgende Erklärung für diesen Umstand denkbar: Möglicherweise sind die Fragen zu unterschiedlich, um sie durch die Verwendung eines einheitlichen Rechtsinstitutes beantworten zu können110. Soll der Streitgegenstand nämlich einerseits dazu dienen, die Identität von Rechtsstreitigkeiten zu ermitteln, so hat dies andererseits mit der Frage nach der subjektivrechtlichen Ausrichtung verwaltungsgerichtlicher Verfahren nichts zu tun. Sollen schließlich einem erfolgreichen (Anfechtungs-)Urteil verbindliche Inhalte wie ein Wiederholungsverbot oder andere Gerichte bindende Feststellungen zu entnehmen sein, so ist auch dies von der Frage nach der Identität eines Rechtsstreites unabhängig. Dies legt nahe, dass unter dem Streitgegenstandsbegriff Rechtsfragen diskutiert werden, die miteinander nicht in enger Beziehung stehen. Sollte das so sein, würde es sich beim Streitgegenstand um einen reinen Problembegriff handeln: Er wäre eine bloße Zusammenfassung verschiedener Fragen unter einer einheitlichen Bezeichnung. Dies könnte erklären, warum die Diskussion noch nicht beendet ist: Je nachdem, auf die Lösung welchen Teilproblems aus der Diskussion der Schwerpunkt bei der Inhaltsbestimmung des Streitgegenstandsbegriffs gelegt wird, werden die Bestimmungen nachgerade zwangsläufig unterschiedlich ausfallen111. Möglicherweise kann also die Diskussion deswegen nicht zum Abschluss gelangen, weil das einheitliche Institut Streitgegenstand, das alle aufgeworfenen Fragen beantwortet, nicht existiert112. Sollte der Streitgegenstand nämlich mehr sein als ein (rein deklaratorischer) Problembegriff, also ein Rechtsbegriff, so muss er sich aus der Rechtsordnung legitimieren. Sollen von unterschiedlichen Begriffsinhalten Rechtsfolgen abhängen, so muss die Rechtsordnung diese vorgeben. Dies soll der Ansatzpunkt für die nachfolgende Untersuchung sein. Sie fragt zunächst danach, welche Bedeutung und 110

So schon R. Pietzcker, GRUR 1974, S. 613 (615). Exemplarisch S. Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im Öffentlichen Recht, 1995, der auf S. 156 ff. den Schwerpunkt auf den prozessualen Aufhebungsanspruch legt und auf S. 115 ff., 162 ff. eine von ihm sog. „mittelbare Präjudzialität“ entwickeln muss, um die auch von ihm für nötig befundene Bindung von Zivilgerichten für seine Streitgegenstandsdefinition sicherzustellen. 112 Zweifelnd auch G. Baumgärtel, JuS 1972, S. 69 (73 ff.); P. O. Ekelöf, ZZP 85 (1972), S. 145 (146 f.); C. F. Germelmann, Die Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen in der Europäischen Union, 2009, S. 25; R. Pietzcker, GRUR 1974, S. 613 (615). 111

C. Fragestellung und Untersuchungsgegenstand

31

welchen Inhalt der Streitgegenstandsbegriff in denjenigen Normen der VwGO hat, die sich seiner bedienen: Dies sind die §§ 110, 121 und 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Erst wenn auf diese Weise ermittelt ist, was die VwGO selbst unter dem Begriff versteht, ist es gerechtfertigt zu prüfen, ob sich die dabei gewonnenen Erkenntnisse verallgemeinern lassen. Das Ergebnis kann sein, dass die VwGO den Begriff des Streitgegenstandes, soweit sie ihn in unterschiedlichen Normen verwendet, zur Bezeichnung desselben Phänomens benutzt. Das könnte ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Streitgegenstand übergeordnete Bedeutung als auslegungsleitendes theoretisches Konstrukt besitzt113. Das Ergebnis kann freilich auch sein, dass es keiner Theorie des Streitgegenstandes als eines einheitlichen Institutes bedarf. Möglicherweise ergibt sich die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen des Prozesses bereits aus der Auslegung der jeweiligen Vorschriften.

113 So geht etwa S. Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im Öffentlichen Recht, 1995, S. 45 davon aus, dass eine „dogmatische Bewältigung der Streitgegenstands- und Rechtskraftproblematik“ ohne eine Theorie nicht funktioniere.

Zweites Kapitel

Auslegung der VwGO-Vorschriften A. Der Streitgegenstand in § 121 VwGO Den Begriff des Streitgegenstandes verwendet § 121 VwGO. Um zu verstehen, welche Funktion und welchen Inhalt er haben kann, gilt es zunächst zu betrachten, was Regelungsinhalt dieser Norm ist. Sie ordnet für rechtskräftige Urteile eine Bindung an. Damit setzt sie nach dem systematischen Zusammenhang114 und nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers115 Urteile voraus, die nicht mehr mit Rechtsmitteln angreifbar sind (sog. „formelle Rechtskraft“116). Jenen Urteilen117 weist § 121 VwGO Bindungswirkung (sog. „materielle Rechtskraft“118) zu.

I. Rechtssatzqualität von Urteilen Meint Bindung als – hier ausschließlich zu betrachtende – rechtliche Verbindlichkeit119 eine Bindung durch Recht, so setzt diese einen Rechtssatz voraus: Ohne

114 So enthalten die §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 113 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2, 124a Abs. 4 Satz 6, Abs. 5 Satz 4, 126 Abs. 1 Satz 1, 133 Abs. 4, Abs. 5 Satz 3, 140 Abs. 1 Satz 1 VwGO keine Aussagen über eine inhaltliche Bindung. 115 BT-Drucks. III/55, S. 44 zu § 120 VwGO-E (heute § 121 VwGO); vgl. aus der aktuellen Literatur nur F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 121 Rn. 2; M. Kilian, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 121 Rn. 10; vgl. ebenso auch schon zu § 16 EGCPO C. Hahn, Die gesammten Materialien zur Civilprozeßordnung, 1880, S. 509. 116 Allg. Terminologie, vgl. § 705 ZPO; F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 121 Rn. 2; R. Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 33. Aufl. 2012, § 705 Rn. 1a; W. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974, § 47 I (S. 484 f.). 117 Zur Erstreckung des § 121 VwGO auf Beschlüsse und Gerichtsbescheide gemäß § 84 VwGO vgl. W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 13. Aufl. 2012, Rn. 618; F. O. Kopp/ ders., VwGO, 18. Aufl. 2012, § 121 Rn. 4. 118 Allg. Terminologie, vgl. F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 121 Rn. 2; K. Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 33. Aufl. 2012, § 322 Rn. 1; W. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974, § 47 I (S. 484 f.). 119 Zum Begriff E. Radek, Bestand und Verbindlichkeit verfassungsgerichtlicher Entscheidungen, 1969, S. 49 f.; H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober/W. Kluth, Verwaltungsrecht Band 1, 12. Aufl. 2007, § 48 Rn. 8.

A. Der Streitgegenstand in § 121 VwGO

33

selbigen kann es rechtliche Verbindlichkeit nicht geben120. Mit anderen Worten statuiert § 121 VwGO die Aussage, rechtskräftige Urteile enthielten Rechtssätze121. 1. Veränderung der materiellen Rechtslage Enthalten Urteile Rechtssätze und entscheiden Urteile über Rechte der Beteiligten, so verändern sie die Rechtslage. Spricht also ein Urteil dem Kläger ein Recht zu, so hat der Kläger dieses Recht, spricht es ihm ein Recht ab, dann hat er das Recht nicht (mehr)122. Diese unmittelbare Beeinflussung der Rechtslage ist bei Gestaltungsurteilen besonders deutlich: Mit Rechtskraft eines Urteils, das die Ehe scheidet, ist gemäß § 1564 Satz 2 BGB das materiell-rechtliche Eheverhältnis zwischen den Parteien aufgelöst. Ebenso wird durch ein Gestaltungsurteil gemäß § 133 Abs. 1 HGB eine offene Handelsgesellschaft aufgelöst123. Geht man von einer solchen Wirkung auch abseits der Gestaltungsurteile aus, so verändert jedes rechtskräftige Urteil die Rechtslage: Beurteilt der Richter die bestehende Rechtslage zutreffend, fügt er ihr mit dem Urteil einen neuen, die abstrakt-generelle Rechtslage konkretisierenden Rechtssatz hinzu124; beurteilt er sie fehlerhaft, stellt er einen neuen Rechtssatz auf, der die bisherige Rechtslage dem Urteilsinhalt anpasst125.

120

H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl. 1960, S. 120 ff. So in der Sache auch schon O. Mayer, Zur Lehre von der materiellen Rechtskraft in Verwaltungssachen, AöR 21 (1907), S. 1 (19 ff., insbes. 24, 29 f.); vgl. auch K. A. Bettermann, DVBl. 1953, S. 163 (163): Funktion des Urteils sei „der Ausspruch dessen, was in dieser Streitsache (zwischen den Parteien) rechtens ist“. 122 So schon F. K. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band 6, 1847, S. 263: „Es ist einleuchtend, daß mit dieser, dem rechtskräftigen Urtheil beigelegten Fiction der Wahrheit [dies sei der eigentliche Sinn der Rechtskraft, S. 271, Anm. d. Verf.] eine sehr starke Rückwirkung der bloßen Prozeßhandlung auf die Rechte selbst verbunden ist. Denn durch diese Fiction kann es geschehen, daß ein vorher nicht vorhandenes Recht neu erzeugt, oder daß ein vorhandenes Recht zerstört, vermindert, oder in seinem Inhalt verändert wird.“; vgl. auch B. Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, Erster Band, 5. Aufl. 1882, § 129 Nr. 1: „Das verurtheilende Urtheil gibt dem Kläger einen neuen und selbständigen Grund, Befriedigung seines Anspruchs zu verlangen. Der Kläger braucht auf das ursprüngliche Rechtsverhältniß nicht mehr zurückzugehen, und ebenso wenig braucht er sich aus dem ursprünglichen Rechtsverhältniß Einwendungen gefallen zu lassen; er hält dem Gegner einfach das Urtheil entgegen und verlangt von ihm, daß er dem Urtheil gehorche; thut der Gegner das nicht, so tritt unmittelbar Zwang gegen ihn ein“. 123 Dazu K. Hopt, in: Baumbach/ders., HGB, 35. Aufl. 2012, § 133 Rn. 15; zu weiteren Beispielen für Gestaltungsurteile vgl. K. Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 33. Aufl. 2012, Vorbem § 253 Rn. 6. 124 H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl. 1960, S. 242 ff.; I. Appel/H. Melchinger, VerwArch 84 (1993), S. 349 (360 ff.). 125 M. Pagenstecher, Zur Lehre von der materiellen Rechtskraft, 1905 (Nachdruck 1968), passim. 121

34

2. Kap.: Auslegung der VwGO-Vorschriften

2. ZPO: Prozessuales Verständnis der Rechtskraftwirkung Diese Veränderung der materiellen Rechtslage durch das Urteil wurde vor allem nach Inkrafttreten der Civilprozeßordnung für den Zivilprozess bestritten: Als in der CPO geregeltes Institut sei die Rechtskraft prozessual zu verstehen126. Überdies sei nicht erklärbar, wie eine unrichtige Entscheidung zum Beispiel über absolute Rechte wie das Eigentum materiell-rechtlich nur inter partes wirken könne127. Allerdings scheint dieser Einwand nicht zwingend, denn das materielle Recht kennt auch für absolute Rechte eine relative Unwirksamkeit128 und damit relative Wirkungen. Ebenso wenig verfängt die Kritik, es lasse sich bei materiell-rechtlicher Wirkung eines Urteils nicht erklären, warum bei einer Wiederaufnahme des Verfahrens nach Rechtskraft auf die ursprüngliche Rechtslage zurückgegriffen werden könne, denn diese sei doch durch das Urteil verändert worden129. Dient die Wiederaufnahme des Verfahrens dazu, die Rechtskraft des Urteils zu beseitigen130 und hat die Rechtskraft materiell-rechtliche Wirkung, wird selbige durch die Wiederaufnahme beseitigt und die ursprüngliche Rechtslage lebt wieder auf. Gleichwohl haben diese Überlegungen zusammen mit der Erwägung, eine durch ein falsches Urteil bewirkte Veränderung der Rechtslage – und damit eine Erstreckung des Rechtsfehlers von der prozessualen auf die materiell-rechtliche Ebene – sei unbillig131, dazu geführt132, dass sich allgemein ein prozessuales Verständnis der Wirkung der Rechtskraft in der zivilprozessualen Literatur133 und Rechtsprechung134 126

S. 8 f. 127

S. 20.

K. Hellwig, Wesen und subjektive Begrenzung der Rechtskraft, 1901 (Nachdruck 1967), K. Hellwig, Wesen und subjektive Begrenzung der Rechtskraft, 1901 (Nachdruck 1967),

128 J. Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage, 1925, S. 177, der freilich dennoch eine prozessuale Wirkung der Rechtskraft vertritt. 129 K. Hellwig, Wesen und subjektive Begrenzung der Rechtskraft, 1901 (Nachdruck 1967), S. 16; dazu auch L. Rosenberg/K. H. Schwab/P. Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl. 2010, § 151 Rn. 9. 130 J. Meyer-Ladewig/R. Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 153 Rn. 3. 131 F. Lent, Die Gesetzeskonkurrenz im Bürgerlichen Recht und Zivilprozeß, Band 2, 1916 (Nachdruck 1970), S. 298 f. 132 Vgl. zum Ganzen W. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechtes, 2. Aufl. 1974, § 47 III 1 (S. 493 f. m.w.N.): Diese Entwicklung habe „nicht so sehr wegen der besseren Argumente [stattgefunden], sondern einfach deshalb, weil die Verfechter dieser Auffassung zahlreicher und lautstärker waren als ihre Gegner“. 133 A. Baumbach/W. Lauterbach/J. Albers/P. Hartmann, ZPO, 70. Aufl. 2012, Einf §§ 322 – 327 Rn. 9; O. Jauernig/B. Hess, Zivilprozessrecht, 30. Aufl. 2011, § 62 Rn. 6 ff.; W. Lüke, Zivilprozessrecht, 10. Aufl. 2011, Rn. 359; H.-J. Musielak, in: ders., ZPO, 9. Aufl. 2012, § 322 Rn. 4 f.; I. Saenger, in: ders., ZPO, 4. Aufl. 2011, § 322 Rn. 11; E. Schilken, Zivilprozessrecht, 6. Aufl. 2010, Rn. 1010; L. Rosenberg/K. H. Schwab/P. Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl. 2010, § 151 Rn. 7; K. Schellhammer, Zivilprozess, 13. Aufl. 2010, Rn. 838.

A. Der Streitgegenstand in § 121 VwGO

35

durchgesetzt hat: Demnach lasse ein Urteil die wahre Rechtslage unberührt und stelle lediglich ein Verbot für Gerichte in Folgeverfahren auf, von der im Ausgangsverfahren getroffenen rechtlichen Beurteilung abzuweichen135. Versteht man nach dem oben Dargestellten schon das Urteil als Entscheidung über eine vom materiellen Recht losgelöste Rechtsbehauptung bzw. einen prozessualen Anspruch, so erscheint eine ebenso vom materiellen Recht abgelöste prozessuale Wirkung dieser Entscheidung als konsequente Folge136. Die eingangs beschriebene materiell-rechtliche Wirkung von Gestaltungsurteilen ist dann eine Ausnahme, die als Gestaltungswirkung von der Rechtskraftwirkung zu unterscheiden ist137. 3. Übertragung auf den Verwaltungsprozess Eine solche prozessuale Wirkung der Rechtskraft bestimmt auch das Verständnis im Verwaltungsprozess138. Begründet wird diese Übernahme der zivilprozessualen Vorstellungen mit vornehmlich zwei Argumenten: Zunächst lege die Verwendung des Wortes „binden“ in § 121 VwGO nahe, dass es sich lediglich um eine prozessuale Bindung, aber keine materiell-rechtliche Wirkung handle139. Dies erscheint jedoch aus zweierlei Gründen zweifelhaft: Zum einen ist nach dem oben Gesagten für rechtliche Verbindlichkeit gerade ein Rechtssatz erforderlich. Zum anderen scheint eine lediglich prozessuale Bindung im Sinne eines Abweichungsverbotes für einen späteren Richter aus dem Normtext des § 121 VwGO schwer erklärbar. Man mag sie allenfalls mittelbar konstruieren, denn im Katalog der durch das Urteil Gebundenen ist ein späterer Richter nicht genannt; im Gegenteil sind die Beteiligten dem Wortlaut zufolge Adressaten der Bindungswirkung140. Einfacher lässt sich daher eine Bindung des Richters in Folgeverfahren konstruieren, geht man von einer materiell-rechtlichen Wirkung des Urteils aus. Denn dann besteht mit dem ersten Urteil ein Rechtssatz, den der gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an das Recht gebundene Folgerichter als zwischen den Beteiligten bestehendes und den Einzelfall regelndes Recht anwenden muss. Ein solches Erklärungsmodell ist gerade im Verwaltungsrecht üblich: 134

BGHZ 3, S. 82 (85 f.); 34, S. 337 (339 f.); 35, S. 338 (340); 36, S. 365 (367); 93, S. 287 (288 f.). 135 Vgl. etwa die plastische Formulierung bei R. Künzl, in: Waldner/ders., Erlanger Festschrift für Karl Heinz Schwab, 1990, S. 123 (131): „die Rechtskraft bewirkt, daß die Forderung als bestehend zu behandeln ist“. 136 J. Blomeyer, JR 1968, S. 407 (409). 137 P. Gottwald, in: Rauscher/Wax/Wenzel, Münchener Kommentar zur ZPO, Band 1, 3. Aufl. 2008, § 322 Rn. 19. 138 Vgl. nur B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 19 f.; H. v. Nicolai, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, 15. Aufl. 2010, § 121 Rn. 4; K. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 121 Rn. 7; C. H. Ule, 9 Aufl. 1987, § 59 I (S. 313); wohl offen lassend F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 121 Rn. 2 a.E. 139 B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 20. 140 Darauf hinweisend schon P. van Husen, Gesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Bayern, Württemberg-Baden und Hessen mit Kommentar, 1947, § 84 Bem. 2 (S. 111).

36

2. Kap.: Auslegung der VwGO-Vorschriften

Dies zeigt das Beispiel des Verwaltungsaktes, der als Rechtssatz im Einzelfall bestimmt, was zwischen den Beteiligten rechtens ist141 und damit – seine Wirksamkeit vorausgesetzt – eine vormals gegebenenfalls andere Rechtslage entsprechend verändert142. Ferner wird darauf verwiesen, ein prozessuales Verständnis der Rechtskraftwirkung sei insbesondere im Verwaltungsrecht geboten, weil es „stärker als das Zivilrecht von einem Wechsel der tatsächlichen und rechtlichen Umstände beherrscht ist“143. Ob dies wirklich zutrifft, mag man mit Blick auf die wegen der Privatautonomie viel freiere Rechtsgestaltung der Parteien im Privatrecht bezweifeln. Historisch gründet diese Auffassung in der Überzeugung, dass „die Rechtmäßigkeit der Verwaltungstätigkeit häufig von Voraussetzungen abhängt, deren inhaltliche Bestimmung starken Schwankungen ausgesetzt ist, so etwa, wenn das Gesetz auf öffentliches Interesse, Bedürfnis, Wohlfahrt usw. verweist“144. Soweit das materielle Verwaltungsrecht solche wenig bestimmte Rechtsbegriffe verwendet, ändert dies aber nichts daran, dass das auf ihnen beruhende staatliche Verhalten rechtlich determiniert ist und damit grundsätzlich der gerichtlichen Kontrolle offensteht145. Die sich daraus ergebende Frage ist lediglich eine der Kontrolldichte; ein Argument gegen die Rechtssatzqualität von Urteilen folgt daraus nicht. Denn ob das Urteil als Rechtssatz die Rechtslage verändert oder sich die Beteiligten prozessual nur nicht mehr auf die wahre Rechtslage berufen können, ist für das praktische Ergebnis insofern nicht relevant146. Durchgreifende Bedenken gegen die Annahme einer materiell-rechtlichen Wirkung der Rechtskraft verwaltungsgerichtlicher Urteile bestehen damit nicht. 4. Systematische Erwägung Nach dem bisher Gesagten spricht damit vor allem der Wortlaut des § 121 VwGO für eine materiell-rechtliche Wirkung des Urteils. Diese Erkenntnis lässt sich darüber

141 O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Band 1, 3. Aufl. 1924, Unveränderter Nachdruck 1969, S. 93. 142 Aus diesem Grund scheint auch der Einwand zweifelhaft, „Bedenken gegen die Annahme einer Umgestaltung der materiellen Rechtslage durch einen (fehlerhaften) Richterspruch“ wögen im Verwaltungsrecht „besonders schwer“ – so aber B. Clausing, in: Schoch/ Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 20. 143 So noch H. v. Nicolai, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, 14. Aufl. 2004, § 121 Rn. 4. 144 E. Eyermann/L. Fröhler, VGG, 2. Aufl. 1954, § 84 2 b. 145 W. Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1984, S. 79. 146 W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 13. Aufl. 2012, Rn. 619; So spricht denn auch A. Blomeyer, Zivilprozeßrecht – Erkenntnisverfahren, 2. Aufl. 1985, S. 473, davon, dass „nur noch Gefühlsargumente“ übrig blieben, da beide Theorien nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen führten. In diesem Sinne auch W. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974, § 47 III 1 (S. 494): „[D]och beginnt sich allmählich die Erkenntnis durchzusetzen, daß es reine Begriffsjurisprudenz ist […]“.

A. Der Streitgegenstand in § 121 VwGO

37

hinaus in systematischer Hinsicht auch147 mit Blick auf die bereits angesprochene Wirkung von Gestaltungsurteilen erhärten: So wird mittels eines stattgebenden Anfechtungsurteils gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO der angefochtene Verwaltungsakt aufgehoben. Geht man davon aus, dass ein Verwaltungsakt ein für den Einzelfall geltender Rechtssatz148 sei und dass ein Rechtssatz nur durch einen weiteren Rechtssatz inhaltlich veränderbar sei, muss ein Urteil, um einen Verwaltungsakt aufheben zu können, insofern selbst Rechtssatz sein149. 5. Ergebnis zur Rechtssatzqualität von Urteilen Sowohl der Wortlaut als auch ein Vergleich mit § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO deuten auf eine materiell-rechtliche Wirkung verwaltungsgerichtlicher Urteile. Diese enthalten also Rechtssätze. Soll § 121 VwGO die Rechtssatzqualität von Urteilen erklären, muss die Norm zwei Fragen beantworten können: Zum einen diejenige nach dem Adressaten der Bindung (sog. „subjektive Reichweite“150), zum anderen diejenige nach dem Inhalt des bindenden Rechtssatzes (sog. „objektive Reichweite“151).

II. Adressaten der Urteilsnorm Die subjektive Bindung regelt § 121 VwGO ausdrücklich in den Nr. 1 und 2 in Form eines Kataloges der durch ein Urteil gebundenen Personen. Dieser ist

147 Ebenso mag man in Art. 95 Abs. 1 Var. 2 GG ein Indiz für eine materiell-rechtliche Wirkung verwaltungsgerichtlicher Urteile sehen: Ausweislich der Abschnittsüberschrift „Die Rechtsprechung“ statuiert die Norm, dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit „Rechtsprechung“ im Sinne des Grundgesetzes ist. Wenn Verwaltungsgerichte als Rechtsprechung im Wortsinne „Recht sprechen“ sollen, muss daher das, was sie sprechen – letztlich also das Urteil – Recht sein. Das setzt einen Rechtssatz voraus, also muss das Urteil ein solcher sein (vgl. auch H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl. 1960, S. 243 ff.). 148 So schon O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Band 1, 3. Aufl. 1924, Unveränderter Nachdruck 1969, S. 93; A. Emmerich-Fritsche, NVwZ 2006, S. 762 (763); vgl. auch die Formulierung von H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober/W. Kluth, Verwaltungsrecht Band 1, 12. Aufl. 2007, § 45 Rn. 38, dernach das Ergebnis einer Regelung durch Verwaltungsakt eine „gesetzte […] Rechtsfolge“ sei – eine solche setzt einen Rechtssatz voraus. 149 Dies konzedierend, aber die Gestaltungswirkung als selbstständige Wirkung neben der Rechtskraftwirkung ansehend H. v. Nicolai, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, 14. Aufl. 2004, § 121 Rn. 4. 150 Allg. Terminologie, vgl. B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 93; P. Gottwald, in: Rauscher/Wax/Wenzel, Münchener Kommentar zur ZPO, Band 1, 3. Aufl. 2008, § 322 Rn. 137: „subjektive Grenzen“. 151 Allg. Terminologie, vgl. B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 54; P. Gottwald, in: Rauscher/Wax/Wenzel, Münchener Kommentar zur ZPO, Band 1, 3. Aufl. 2008, § 322 Rn. 84: „objektive Grenzen“.

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2. Kap.: Auslegung der VwGO-Vorschriften

grundsätzlich abschließend152. Soweit hinsichtlich einzelner Verfahrensarten Abweichendes geregelt ist153, wie etwa beim Normenkontrollverfahren, dessen Entscheidung bei Stattgabe gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO allgemeinverbindlich ist, kann hier dahinstehen, ob es sich dabei um lex specialis gegenüber § 121 VwGO handelt oder um Normen, die ein aliud154 regeln.

III. Inhalt der Urteilsnorm Zur Bestimmung der Grenzen der objektiven Bindung, also des Inhaltes des Urteils-Rechtssatzes, verweist § 121 VwGO in einem ersten Schritt auf den Entscheidungsteil des Urteils („soweit […] entschieden worden ist“). Inhalt kann also zunächst nur sein, was entschieden wurde: Was nicht unter den Begriff der Entscheidung fällt, kommt als Inhalt des Urteils-Rechtssatzes von vornherein nicht in Frage. In einem zweiten Schritt engt § 121 VwGO den Inhalt weiter auf jenen Teil der Entscheidung ein, die „über den Streitgegenstand“ ergangen ist. Also muss die Aussage richtig sein, dass der Streitgegenstand im Sinne der Vorschrift nicht über das hinausgehen kann, worüber entschieden worden ist155. Mithin bemisst sich anhand der Bestimmung der Entscheidung notwendig auch der höchstmögliche Umfang des Streitgegenstandes. Aus diesem Grund gilt es, zunächst die Entscheidung in Urteilen zu identifizieren und anschließend zu bestimmen, welche Teilmenge davon über den Streitgegenstand ergangen ist und damit Rechtssatzinhalt zu sein hat. 1. Identifikation der Urteils-„Entscheidung“ Entscheidung ist eine determinierte Wahl zwischen Möglichkeiten156. Insofern kann der Begriff sowohl für das Ergebnis des Wahlvorganges als auch den Vorgang selbst gebraucht werden, was eine „unterschiedliche Blickrichtung auf dasselbe Phänomen zum Ausdruck“ bringt157. Soweit hier Urteilsentscheidungen ge- und untersucht werden sollen, wird der Begriff zur Identifikation eines Ergebnisses 152 Vgl. im Einzelnen B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 93 ff. 153 Dazu schon BT-Drucks. III/55, S. 44 zu § 120 VwGO-E (heute § 121 VwGO), ferner S. 34 zu § 46 VwGO-E; vgl. auch B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 94. 154 Denkbar ist, dass die Bindung der Parteien, etwa hinsichtlich „tragender Gründe“, nach § 121 VwGO weiter reicht als die allgemeinverbindliche bloße Beseitigung der Norm aus der Rechtsordnung nach § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO, vgl. dazu J. Ziekow, in: Sodan/ders., VwGO, 3. Aufl. 2010, § 47 Rn. 364. 155 Zu einem anderen Ergebnis kommt man auch nicht, wenn man mit B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 45 m.w.N. den Entscheidungsteil des Urteils mit dem Streitgegenstand gleichsetzt. 156 W. Krebs, Kontrolle in staatliche Entscheidungsprozessen, 1984, S. 31 ff. 157 W. Krebs, Kontrolle in staatliche Entscheidungsprozessen, 1984, S. 30.

A. Der Streitgegenstand in § 121 VwGO

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gebraucht; dem liegt die Überlegung zugrunde, dass das Urteil den gerichtlichen Wahlvorgang und damit den Entscheidungsprozess als Ergebnis abschließt. a) Entscheidung in der Urteilsformel Ist die Entscheidung insofern das Ergebnis einer determinierten Wahl zwischen Möglichkeiten, liegt es zunächst nahe, die Urteilsformel158 nach § 117 Abs. 2 Nr. 3 VwGO als Entscheidungsteil eines Urteils zu identifizieren159. Denn sie ergeht grundsätzlich anhand des Maßstabes, ob das vom Kläger geltend gemachte subjektive Recht besteht oder nicht, als Wahl zwischen den Varianten der (Teil-)Stattgabe und (Teil-)Abweisung. Richtig ist daher, dass die Urteilsformel eine Entscheidung enthält. Fraglich ist jedoch, ob das Merkmal „soweit […] entschieden worden ist“ in § 121 VwGO durch eine Identifikation mit der Urteilsformel inhaltlich abschließend bestimmt ist. Das setzt voraus, dass das Urteil entweder nur in der Urteilsformel eine Entscheidung enthält oder aber, sollte es mehrere Entscheidungen enthalten, von § 121 VwGO nur die in der Urteilsformel zu findende gemeint ist. b) Weitere Entscheidungen im Urteil Denkbar ist, dass das Urteil noch weitere Entscheidungen abseits der in der Urteilsformel getroffenen enthält. Legt man für die Untersuchung dieser Frage die Annahme zugrunde, dass eine Entscheidung als Abschluss eines Wahlvorganges aus demselben hervorgeht, so gibt es nicht nur die eine Entscheidung. Vielmehr muss bereits während des Entscheidungsprozesses seinerseits entschieden werden, welche Determinanten der Wahl zugrunde gelegt und welche Entscheidungsvarianten an diesen gemessen werden. Insofern lässt sich jeder Entscheidungsvorgang „bis hin zu den kleinsten Entscheidungsschritten zergliedern“, die ihrerseits nicht nur Teile der letzten Entscheidung als Ergebnis des Gesamtprozesses, sondern auch selbst Entscheidungen sind160. 158 Insofern die Haupt-Entscheidungsformel. Dass Nebenentscheidungen wie z. B. solche über Kosten oder vorläufige Vollstreckbarkeit nicht in materieller Rechtskraft erwachsen, ist nicht umstritten – vgl. schon die niemals an Nebenentscheidungen anknüpfenden Ausführungen bei C.-F. Menger, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 1954, S. 158 ff.; C. H. Ule, Verwaltungsprozessrecht, 9. Aufl. 1987, S. 312 f.; T. Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, 3. Aufl. 2011, Rn. 245 ff.; C. Bickenbach, Das Bescheidungsurteil als Ergebnis einer Verpflichtungsklage, 2006, S. 29 f.; B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 50; F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, Anh § 90 Rn. 7; V. Schmid, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 88 Rn. 6 ff.; BVerwGE 96, S. 24 (26). 159 B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 45; M. Kilian, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 121 Rn. 60; F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 121 Rn. 18; BVerwG NVwZ 1994, S. 1115; weiter aber zum Beispiel C. F. Germelmann, Die Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen in der Europäischen Union, 2009, S. 32. 160 W. Krebs, Kontrolle in staatliche Entscheidungsprozessen, 1984, S. 33.

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2. Kap.: Auslegung der VwGO-Vorschriften

Dies trifft ebenso auf das Urteil zu. So hängt die Entscheidung der Stattgabe oder Abweisung aus Sachgründen etwa im Falle einer Anfechtungsklage ihrerseits gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO von den Entscheidungen über die Rechtswidrigkeit und die dadurch bedingte Rechtsverletzung ab. Die Entscheidung über die Rechtsverletzung wiederum hängt ab von Entscheidungen über die im Einzelfalle verletzten Rechtssätze und ihre Qualität als objektives oder subjektives Recht. Sie hängt ferner ab von Entscheidungen über die Voraussetzungen der Rechtssätze. Diese wiederum werden zum Beispiel durch Entscheidungen über den zugrunde zu legenden Sachverhalt determiniert. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Aussage treffen, ein Urteil bestehe abseits formeller Vorgaben wie der Rechtsbehelfsbelehrung (§ 117 Abs. 2 Nr. 6 VwGO) oder den Anforderungen des § 117 Abs. 1 VwGO in der Regel ausschließlich aus Entscheidungen, die aufeinander bezogen sind. Man mag sich ein verwaltungsgerichtliches Urteil insofern als eine Pyramide aufeinander aufbauender Entscheidungen vorstellen, deren Spitze die letzte, in der Urteilsformel enthaltene Entscheidung darstellt. Die Bausteine dieser Pyramide sind für sich genommen jedoch ebenfalls Entscheidungen. Dies zeigt folgendes Beispiel: Hat ein Gericht etwa einer Anfechtungsklage gegen einen versammlungsrechtlichen Bescheid stattgegeben, lassen sich auf jeder Stufe der Pyramide Entscheidungen identifizieren. So mag man dem Urteil entnehmen, was das Gericht über den Inhalt des Versammlungsbegriffes entschieden hat oder über die Voraussetzungen der einschlägigen Befugnisnorm. Ebenso lassen sich am Boden der Pyramide Entscheidungen über den Sachverhalt finden. Gedanklich lässt sich die Pyramide in unzählige kleinere Pyramiden zerlegen. Nur, weil diese kleineren Pyramiden Teil einer gesamten Pyramide sind, verlieren sie nicht ihre Qualität als Entscheidungen: Sie sind selbständiger Abschluss ihres eigenen Entscheidungsprozesses. Sie sind damit Entscheidungen im oben genannten Sinne des Begriffs, nämlich Ergebnisse. Sie sind auch gemäß § 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO als „Urteilsgründe“ in einem jeden Urteil enthalten. c) Beschränkung auf die Letztentscheidung Mithin enthält ein Urteil nicht nur in der Urteilsformel eine Entscheidung; vielmehr besteht es aus zahlreichen Entscheidungen161. Dies zugrunde gelegt, wäre die Bindungswirkung mit dem Merkmal „soweit […] entschieden worden ist“ nicht a priori auf die Entscheidungsformel begrenzt, sondern könnte auch die dargestellten weiteren Entscheidungen erfassen. Anders wäre dies jedoch, sollte § 121 VwGO eine bestimmte Qualität der Entscheidung voraussetzen. So ließe sich erwägen, dass von vornherein nicht jede im Urteil enthaltene Entscheidung als Inhalt des UrteilsRechtssatzes in Frage käme, sondern nur die in der Urteilsformel enthaltene Letztentscheidung162. 161

So i.E. auch schon J. Martens, Die Praxis des Verwaltungsprozesses, 1975, S. 166 ff.; R. Pietzner/M. Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im öffentlichen Recht, 12. Aufl. 2010, § 20 Rn. 6. 162 B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 45.

A. Der Streitgegenstand in § 121 VwGO

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Begründen ließe sich ein solcher Ansatz etwa mit folgender Überlegung: Sollte die Bindungswirkung alle Entscheidungen erfassen und bestünde das Urteil nahezu vollständig aus Entscheidungen, so könnte das Merkmal keine wesentliche Konkretisierung des Inhaltes des Urteils-Rechtssatzes leisten. Im dargestellten Bild würde es vielmehr die gesamte Urteilspyramide aufeinander aufbauender Entscheidungen erfassen. Eine solche inhaltliche Leere des Merkmals könnte gegen eine entsprechende Auslegung sprechen. Allerdings lässt sich dagegen erinnern, dass ein solch weites Verständnis sogar von Vorteil wäre: Dem Normtext des § 121 VwGO zufolge findet die exakte Trennung zwischen bindenden und nicht bindenden Urteilselementen nicht mithilfe des Begriffs der Entscheidung, sondern dem des Streitgegenstandes statt. Binden sollen jene Entscheidungen, die „über den Streitgegenstand“ ergangen sind. Versteht man also den Begriff der Entscheidung weit, so dass er viele Urteilselemente erfasst, verbleibt für die Bestimmung einer darin enthaltenen Teilmenge von Entscheidungen, die über den Streitgegenstand ergangen ist, viel Raum. Fasst man ihn umgekehrt sehr eng, verbleibt zur Streitgegenstandsbestimmung nur wenig Raum163. Diese theoretische Erwägung zeigt ihre praktischen Auswirkungen vor allem bei klageabweisenden Urteilen. Betrachtet man dort alleine die Letztentscheidung, also die Spitze der Urteilspyramide, als Entscheidung im Sinne des § 121 VwGO, so lautet sie: „Die Klage wird abgewiesen.“164 Erfasst man mit dem Entscheidungsbegriff keine weiteren Urteilsbestandteile, hat es damit sein Bewenden: Ob die Klage aus prozessualen Gründen oder Sachgründen abgewiesen wurde, lässt sich aus der Letztentscheidung nicht bindend feststellen, denn diese Information ergibt sich nicht aus der Urteilsformel. Sie ist vielmehr in der Begründung (§ 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) des Urteils enthalten165. Sollen aber abweisende Prozess- und Sachurteile mittels unterschiedlicher Entscheidungsinhalte unterschiedliche rechtliche Wirkungen erzeugen können166, muss man auch Teile der Urteilsbegründung als Entscheidung werten, weil sie sonst als Inhalt des Urteils-Rechtssatzes von vornherein ausscheiden würden167. Denn nach dem eingangs Gesagten kommt für Verbind163

Mit zunehmender Einengung des Entscheidungsbegriffes verlagert sich das Problem der Streitgegenstandsbestimmung auf die Bestimmung der Entscheidung; letztlich können bei einem solchen Verständnis Entscheidung und Streitgegenstand sogar gänzlich miteinander identifiziert werden, so etwa bei B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 45. 164 Vgl. nur R. Pietzner/M. Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, 12. Aufl. 2010, § 20 Rn. 36. 165 R. Pietzner/M. Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, 12. Aufl. 2010, § 20 Rn. 36 FN 102. 166 Allg. Meinung, vgl. nur B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 52, 91; F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 121 Rn. 19 m.w.N.; vgl. auch aus dem Zivilprozess W. Grunsky, Zivilprozessrecht, 13. Aufl. 2008, Rn. 239. 167 Ein vergleichbares Problem kann sich auch bei klagestattgebenden Urteilen stellen, wenn die Urteilsformel nicht aus sich heraus verständlich ist. So bedarf es bisweilen etwa zur Identifikation des aufgehobenen Verwaltungsaktes neben der Lektüre der Urteilsformel der

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2. Kap.: Auslegung der VwGO-Vorschriften

lichkeit nur in Frage, was Entscheidung ist. Dies spricht dafür, mit dem Merkmal „soweit […] entschieden worden ist“ in § 121 VwGO zunächst alle der aufeinander aufbauenden Entscheidungen in einem Urteil zu erfassen. Ob sie „über den Streitgegenstand“ ergangen und damit bindend sind, ist erst in einem zweiten Schritt zu prüfen. Mit einer solchen Vorgehensweise ist auch nicht notwendig eine inhaltliche Entleerung des Merkmals „soweit […] entschieden worden ist“ in § 121 VwGO verbunden. Denn denkbar ist, dass sich bereits darüber zum Beispiel obiter dicta oder hilfsweise Erwägungen aus der Gruppe möglicher bindender Urteilsbestandteile entfernen lassen. Dem Wortlaut nach mögen diese Erwägungen zwar als Abschluss eines jeweiligen Entscheidungsprozesses Entscheidungen darstellen und damit unter § 121 VwGO fallen. Allerdings verwendet bei systematischer Betrachtung auch § 45 VwGO den Begriff der Entscheidung und statuiert, dass eine solche „über […] Streitigkeiten“ ergehe. Dies legt nahe, dass Entscheidungen, die nicht über die Streitigkeit ergehen, sondern als hilfsweise Erwägungen oder obiter dicta nur bei Gelegenheit der Streitigkeit vom Gericht geäußert werden, schon keine Entscheidungen im Sinne der Norm sind. Legt man dies zugrunde, so fallen solche Entscheidungen bereits nicht unter § 121 VwGO. Insoweit erfasst das Merkmal „soweit […] entschieden worden ist“ also lediglich jene Entscheidungen, die in der aufeinander aufbauenden Urteilspyramide ergangen sind. Obiter dicta und hilfsweise Erwägungen sind kein Teil der solchen und kommen mithin als bindende Urteilsbestandteile nicht in Frage. d) Ergebnis zur Identifikation der Urteils-„Entscheidung“ Verwaltungsgerichtliche Urteile enthalten also nicht nur in der Urteilsformel eine Entscheidung. Sie bestehen abseits formeller Vorgaben, obiter dicta und hilfsweiser Ausführungen regelmäßig ausschließlich aus Entscheidungen. Mit dem Merkmal „soweit […] entschieden worden ist“ in § 121 VwGO findet damit in einem ersten Schritt eine Eingrenzung möglicher bindender Urteilsbestandteile auf jene Entscheidungen statt, die Teil der aufeinander aufbauenden Entscheidungspyramide sind, deren Spitze die in der Urteilsformel enthaltene Letztentscheidung darstellt. 2. Entscheidungsteilmenge „über den Streitgegenstand“ Dies zugrunde gelegt, kommt also bei der Bestimmung des Inhaltes des UrteilsRechtssatzes der Eingrenzung „über den Streitgegenstand“ in der Vorschrift des § 121 VwGO entscheidende Bedeutung zu. Der Begriff hat damit die Funktion einer Heranziehung der Beteiligtenbezeichnung nach § 117 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und/oder des Tatbestandes nach § 117 Abs. 2 Nr. 4 VwGO. Siehe zum Ganzen J. Martens, Die Praxis des Verwaltungsprozesses, 1975, S. 166 f.; R. Pietzner/M. Rollenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, 12. Aufl. 2010, § 20 Rn. 6; D. Buchwald, Objektive Bindungswirkung – Materielle Rechtskraft – Richterrecht, 1997, S. 12.

A. Der Streitgegenstand in § 121 VwGO

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Determinante, nach der sich bemisst, welche Entscheidungen noch Inhalt des UrteilsRechtssatzes sind und welchen keine bindende Wirkung mehr zukommt168. Mithilfe des Begriffs des Streitgegenstandes zieht § 121 VwGO also die Grenze, ab welcher Stufe der Urteilspyramide Entscheidungen Verbindlichkeit beanspruchen können und bis wohin im Urteil enthaltene Entscheidungen unverbindlich bleiben. Für diese Grenzziehung hilft die Lektüre des Normtextes nicht weiter. § 121 VwGO enthält keine Kriterien für die inhaltliche Ausfüllung des Begriffes des Streitgegenstandes. Aus diesem Grund ist die Bestimmung desselben von zu entwickelnden Abgrenzungskriterien abhängig169. a) Differenzierung nach Grund/Entscheidung Möglicherweise ergibt sich aus einer Differenzierung des Urteilsinhaltes in eine Entscheidung und die sie tragenden Gründe eine zwingende Vorgabe für die Differenzierung. Denn weitgehend einheitlich wird die Aussage für richtig gehalten, dass es ein „fundamentaler Grundsatz des Prozeßrechts“ sei, dass „Entscheidungsgründe an der Rechtskraftwirkung nicht teilnehmen“170 und deswegen nicht zum Streitgegenstand zählen. Dieser Satz bedarf nach der hier verwendeten Terminologie der Einordnung. Nach dem bisher Gesagten besteht ein Urteil, soweit es hier Untersuchungsgegenstand ist, aus einer Pyramide aufeinander aufbauender Entscheidungen. Möchte man diese Pyramide in Entscheidung und Gründe unterteilen, erfasst man mit beiden Begriffen notwendig Teile der Pyramide und damit Entscheidungen im Sinne des § 121 VwGO. Das Begriffspaar Entscheidung und Gründe ist dann dergestalt zu verstehen, dass Entscheidung diejenigen Entscheidungen meint, die über den Streitgegenstand ergangen sind171 und Gründe jene Entscheidungen bezeichnet, die nicht darüber ergangen sind. Was noch zur Entscheidung in diesem Sinne zählt, wäre dann über den Streitgegenstand ergangen und hätte damit bindende Wirkung, was hingegen als

168 So ausdrücklich F. Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 8. Aufl. 2011, § 10 Rn. 7 a.E.; ebenso H. J. Müller, DVBl. 1963, S. 404 (404). 169 Vgl. auch M. Sachs, Die Bindung des Bundesverfassungsgerichts an seine Entscheidungen, 1977, S. 37: Die Reichweite der Rechtskraft ergebe sich „nicht aus logischen, sondern aus Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten.“ 170 BVerwG DVBl. 1963, S. 64 (65); E 96, S. 24 (26); Vgl. auch schon A. Blomeyer, Zivilprozeßrecht – Erkenntnisverfahren, 2. Aufl. 1985, S. 478 f.; ebenso W. Keller, in: MeyerLadewig/ders./Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 10. Aufl. 2012, § 141 Rn. 7 ff.; differenzierend aber B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 50: „Weder läßt sich sagen, daß allein der Tenor, nicht aber die Entscheidungsgründe in Rechtskraft erwachsen, noch können die Gründe als solche rechtskräftig werden.“ 171 B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 45.

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2. Kap.: Auslegung der VwGO-Vorschriften

Grund zu verstehen wäre, zählte nicht dazu und wäre folglich auch nicht verbindlich172. Es scheint jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass mit diesem Begriffspaar zwingende Kriterien verbunden sind, nach denen sich zwischen den Begriffsinhalten trennen lässt. Möglicherweise lässt sich also über eine Identifikation der Gründe der nicht bindende Urteilsinhalt identifizieren und auf diese Weise die Entscheidung über den Streitgegenstand als verbleibender Urteilsrest ermitteln. Genauso ist aber denkbar, dass diesem Begriffspaar keine zwingenden Kriterien zur Differenzierung zu eigen sind. In diesem Falle würden die Begriffe Entscheidung und Grund lediglich ein auf anderem Wege gewonnenes Ergebnis bezeichnen und die erforderliche Abgrenzung nicht selbst vorgeben. aa) Schwierigkeiten bei der praktischen Handhabung Versucht man zunächst, aus der praktischen Handhabung des Begriffspaares auf ein Kriterium zur Abgrenzung zu schließen, scheint schon das grundsätzliche Verständnis der Begriffe problematisch: So heißt es in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zwar, selbst eine „zentrale Begründung“ erwachse nicht in Rechtskraft, da § 121 VwGO keine „Vorfragen sowie die Schlussfolgerungen [erfasse], auch wenn diese für die Entscheidung tragend gewesen sind“173. Andererseits finden sich aber Urteile, denen zufolge „auch der für die getroffene Feststellung maßgebliche Grund an der Rechtskraftwirkung teilnimmt“174. Solchen sog. „tragenden Gründen“ Rechtskraftwirkung zuzubilligen175, durchbricht die strikte Trennung zwischen Entscheidung und Grund und wirft die Frage auf, ob das Begriffspaar wirklich Ausdruck eines fundamentalen Grundsatzes ist. Zu einer solchen Durchbrechung kommt es der Sache nach ebenfalls, soweit zur Bestimmung des Inhaltes der Entscheidung auf die Gründe zurückgegriffen wird176. Demnach soll zwischen Entscheidung und Grund trennscharf differenziert werden können und den Gründen nur die Funktion zukommen, den Inhalt der Entscheidung zu determinieren. Auf diese Weise sollen Entscheidungsgründe ohne eigene Teilnahme an der Rechtskraft „die Reichweite gerichtlicher Entscheidungen […] be172

So auch W. Geiger, in: Külz/Naumann, Staatsbürger und Staatsgewalt, Band 1, 1963, S. 183 (200): „Zur rechten Abgrenzung zwischen Tenor und Gründen kann deshalb die Bestimmung des Streitgegenstandes nicht entbehrt werden“. 173 BVerwG NVwZ 2003, S. 343 (344) m.w.N.; vgl. auch BVerwGE 140, S. 290 (297 Rn. 22). 174 BVerwG NVwZ 1988, S. 1120 (1121); BVerwGE 131, S. 346 (349 Rn. 18). 175 BVerwGE 131, S. 346; 92, S. 266 (270 f.); NVwZ 2003, S. 2255 (2256); vgl. auch zur FGO H.-G. Gorski, Der Streitgegenstand der Anfechtungsklage gegen Steuerbescheide, 1974, S. 105 f. 176 Vgl. nur C. F. Germelmann, Die Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen in der Europäischen Union, 2009, S. 57 m.w.N.: „Hilfsfunktion bei der Ermittlung des Inhalts des Entscheidungsausspruchs“.

A. Der Streitgegenstand in § 121 VwGO

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stimmen“177. Das ist nicht vorstellbar. Soll ein Entscheidungssatz ermittelt werden, müssen Elemente, die seine Reichweite und damit seinen Inhalt bestimmen, sprachlich notwendig in ihm in positiver (einschließender) oder negativer (ausgrenzender) Form enthalten sein. Mit der Inhaltsbestimmung des Entscheidungssatzes werden sie Teil desselben. Dies zeigt folgendes Beispiel: Soll ein Entscheidungssatz etwa lauten, dass der Kläger ein Recht auf eine Leistung habe, so lässt sich dem in dieser Form kein bestimmter Inhalt entnehmen. Erst, wenn sich aus der Begründung ergibt, worin die Leistung besteht und aus welchem Rechtssatz sich das Recht ergibt, wird der Satz verständlich178. Dann aber lautet der Satz – vollständig verstanden –, dass der Kläger ein sich aus § X ergebendes Recht etwa auf die Zahlung einer Subvention in bestimmter Höhe habe. Ist der Ursprungssatz auf diese Weise mit Informationen angereichert, so enthält er diese Informationen. Dass er ursprünglich lediglich sprachlich verkürzt wiedergegeben wurde, ändert nichts daran, dass Teil des nunmehr inhaltlich hinreichend bestimmten Satzes diese zusätzlichen Informationen sind. Deswegen muss bei Zugrundelegung dieser Auffassung zwangsläufig offen bleiben, wie etwas die Reichweite der Bindungswirkung bestimmen soll, ohne selbst an ihr teilzuhaben179. Mithin stellt sich die Frage, ob überhaupt eine Unterscheidung zwischen Grund und Entscheidung vorgegeben ist, woher diese Trennung kommt und ob sie im Verwaltungsprozess Anwendung finden kann.

177 W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 13. Aufl. 2012, Rn. 623 f. So auch S. Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im Öffentlichen Recht, 1995, S. 224 f.; ebenso BVerwG DVBl. 1963, S. 64 (65); BVerwGE 29, S. 210 (212); 68, S. 306 (309 f.); 70, S. 159 (161); 96, S. 24 (26); im Ergebnis wohl auch H. v. Nicolai, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, 15. Aufl. 2010, § 121 Rn. 8: „Wenn auch die Entscheidungsgründe nicht an der Rechtskraft teilnehmen, werden sie deshalb doch von der Rechtskraft erfasst.“ und M. Sachs, Die Bindung des Bundesverfassungsgerichts an seine Entscheidungen, 1977, S. 39 ff.: „die Gründe nehmen nur unselbständig an der Rechtskraft […] teil.“ 178 Vgl. schon J. Martens, Die Praxis des Verwaltungsprozesses, 1975, S. 167, der davon ausgeht, „daß der wesentliche Teil des richterlichen Ausspruchs über die Rechtslage nicht im Urteilstenor steht, sondern in den Entscheidungsgründen und im Tatbestand.“ (Hervorhebung im Original). Die Urteilsformel sei vielmehr „Vorankündigung der eigentlichen Entscheidung“. So auch R. Pietzner/M. Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, 12. Aufl. 2010, § 20 Rn. 6. 179 Deswegen zu Recht kritisch C. Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, 3. Aufl. 1991, § 20 Rn. 69: „Allerdings sehe ich nicht, wie die Gründe für die Auslegung der Entscheidungsformel herangezogen werden können, ohne dadurch und insoweit selbst an der Rechtskraft teilzunehmen; mit der Auslegung fließen sie doch in die Entscheidungsformel ein.“; anders daher auch M. Bolay, in: Lüdtke, Sozialgerichtsgesetz, 4. Aufl. 2012, § 141 Rn. 10: „Ausnahmsweise werden sie [=Entscheidungsgründe, Anm. d. Verf.] jedoch von der Bindungswirkung umfasst, wenn sie zur Auslegung des Urteilstenors erforderlich sind.“ und ebenso M. Kilian, in: Sodan/ Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 121 Rn. 61 a.E.

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2. Kap.: Auslegung der VwGO-Vorschriften

bb) Vorgaben für die Abgrenzung Die Regelung des § 117 Abs. 2 VwGO steht einer Unterscheidung zwischen Gründen und Entscheidung jedenfalls nicht entgegen. Die Norm enthält in Nr. 3 die Urteilsformel, welche nach allgemeinem Verständnis mit der Entscheidung gleichgesetzt wird180, und in Nr. 5 die Entscheidungsgründe. Jedenfalls die dadurch determinierte schriftliche Einteilung eines Urteils ermöglicht die formale Trennung zwischen Entscheidung und Grund. Denkbar scheint also, diese Urteilseinteilung für die Unterscheidung in bindende und unverbindliche Urteilselemente zugrunde zu legen. Freilich ist diese Untergliederung insofern willkürlich, als die VwGO, auch in § 117 Abs. 2, keinen Maßstab dafür aufstellt, welche Urteilselemente der jeweiligen Gruppe zuzuordnen sind. Wollte man die schriftliche Einteilung gleichwohl zum Abgrenzungskriterium erheben, würde man dem Richter anheimstellen, durch eine sprachliche Gestaltung der Entscheidungsformel die Bindungswirkung des Urteils zu verändern. Zwei Beispiele mögen dies verdeutlichen: Im ersten Fall erlasse das Gericht ein Urteil mit der Formel, ein bestimmter Verwaltungsakt werde aufgehoben. In der Urteilsbegründung weise es darauf hin, dies sei wegen der Verletzung des Klägers in seinen Rechten geschehen. Im zweiten Fall erlasse das Gericht ein Urteil mit der Formel, der bestimmte Verwaltungsakt werde aufgehoben, weil er den Kläger in seinen Rechten verletze. Sollte die rein formale schriftliche Trennung im Urteil das Abgrenzungskriterium zwischen bindenden und nicht bindenden Urteilselementen darstellen, wäre im ersten Fall lediglich die Aufhebung des Verwaltungsaktes verbindlich. Die Rechtsverletzung durch den Verwaltungsakt wäre Entscheidungsgrund und damit unverbindlich. Im zweiten Fall hingegen wäre auch die Rechtsverletzung des Klägers bindend festgestellt, obgleich das Gericht darüber genauso wie im ersten Fall – nur eben nicht in der Urteilsformel – entschieden hat. Einzig die Fassung der Formel unterscheidet die beiden Fälle. Die Pyramide der aufeinander aufbauenden Urteilsentscheidungen hingegen –und damit das, worüber entschieden wurde –, wäre in beiden Beispielsfällen identisch. Man müsste also annehmen, für die Frage nach der Verbindlichkeit der Entscheidungen sei das, worüber entschieden wurde, nicht relevant; vielmehr komme es einzig auf die sprachliche Fassung der Urteilsformel an. Der Wortlaut des § 121 VwGO deutet jedoch in eine andere Richtung: Er statuiert, dass gerade die über den Streitgegenstand ergangene Entscheidung verbindlich sei. Dies zeigt, dass ein rein formales Verständnis, wie bereits der diese Möglichkeit 180 B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 45; M. Kilian, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 121 Rn. 60; F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 121 Rn. 18; BVerwGE 17, S. 293 (299); 70, S. 159 (161); 96, S. 24 (26); anders J. Martens, Die Praxis des Verwaltungsprozesses, 1975, S. 167; R. Pietzner/M. Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, 12. Aufl. 2010, § 20 Rn. 6; wohl nur terminologisch abweichend BSG, Urt. v. 21. 03. 2006, Az. B 2 U 2/05, JURIS, Rn. 28: „der in der Formel enthaltene Gedanke“.

A. Der Streitgegenstand in § 121 VwGO

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ablehnende CPO-Gesetzgeber formulierte, „einem übertriebenen Formalismus huldigen“181 würde. Aus der formalen Trennung des Urteils in Urteilsformel und Urteilsgründe ergibt sich damit kein zwingendes Kriterium, Urteilselemente der Entscheidung oder den Gründen zuzuordnen. Allerdings könnte der Begriff des Grundes dahingehend zu verstehen sein, dass er umfasst, woraus „das Gericht im Wege des logischen Schlusses die Antwort auf den Klageantrag gewinnt“ („logischer Grund“)182. Diese Anknüpfung an den Klageantrag ist im Verwaltungsprozess aber schon deswegen problematisch, weil das Gericht an die sprachliche Fassung der Anträge gemäß § 88 Halbsatz 2 VwGO nicht gebunden ist. Mithin ist diese Festlegung selbst von der Bewertung abhängig, was man als Inhalt des Klageantrages betrachtet. Nach dem zum Stand der Diskussion Dargestellten183 ist dieser Inhalt vielfach umstritten. Je nachdem, was Inhalt des Antrages sein soll, bestimmt sich auch die Einordnung von Urteilselementen als Antragsinhalt oder Grund. Eine solche Bestimmung des Begriffs des Grundes als logischer Grund liefert also kein Wertungskriterium für eine Abgrenzung, sondern ist vielmehr selbst von einem solchen abhängig. Sie ist damit eine terminologische Festlegung184, bietet aber keinen darüber hinausgehenden Erkenntnisgewinn. Betrachtet man das Urteil nach dem Gesagten als eine Pyramide aufeinander aufbauender Entscheidungen, so findet sich kein zwingendes Kriterium, ab einer bestimmten Stufe von Grund oder von Entscheidung zu sprechen. Weder die schriftliche Einteilung des Urteils nach § 117 Abs. 2 VwGO noch begriffliche Bestimmungen des Grundes etwa als logischer Grund geben eine solche Trennung vor. Es handelt sich daher um eine Wertungsfrage. Dies erklärt auch, warum der oben dargestellte „fundamentale Grundsatz des Prozeßrechts“, dass „Entscheidungsgründe an der Rechtskraftwirkung nicht teilnehmen“185, in seiner praktischen Anwendung zu Schwierigkeiten führt: Ist Wertungsfrage, was Grund und was Entscheidung ist, kann diese Festlegung in Einzelfällen abweichender Beurteilung unterliegen. Das Begriffspaar mag daher allenfalls zur Bezeichnung eines auf andere Weise gewonnenen Ergebnisses taugen, beantwortet aber nicht selbst die Frage nach dem Streitgegenstand. Es formuliert sie nur um.

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C. Hahn, Die gesammten Materialien zur Civilprozeßordnung, 1880, S. 292. A. Zeuner, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Rahmen rechtlicher Sinnzusammenhänge, 1959, S. 5. 183 Vgl. oben, Erstes Kapitel, B. (S. 12 ff.). 184 Ebenso die Konstruktion von D. Buchwald, Objektive Bindungswirkung – Materielle Rechtskraft – Richterrecht, 1997, S. 186 f., dessen Differenzierung ebenso in sich stimmig ist, aber nicht für sich in Anspruch nehmen kann, dass die Rechtsordnung gerade an sie anknüpfe. 185 BVerwG DVBl. 1963, S. 64 (65); E 96, S. 24 (26); Vgl. auch schon A. Blomeyer, Zivilprozeßrecht – Erkenntnisverfahren, 2. Aufl. 1985, S. 478 f.; ebenso W. Keller, in: MeyerLadewig/ders./Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 10. Aufl. 2012, § 141 Rn. 7 ff. 182

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2. Kap.: Auslegung der VwGO-Vorschriften

cc) Rechtskraftfähigkeit der Gründe Selbst wenn man aber von einer Unterscheidbarkeit von Grund und Entscheidung ausgehen wollte, wäre sie für die Frage nach dem Umfang der verbindlichen Urteilsentscheidung jedoch möglicherweise nicht relevant186. Ihre Relevanz würde nämlich voraussetzen, dass der Grundsatz der Nichtteilnahme von den Gründen an der Rechtskraft und damit die Überlegung, durch die Teilung in Grund und Entscheidung ließe sich die Reichweite der Rechtskraft bestimmen, überzeugt. Das ist zweifelhaft. (1) Zivilprozessuales Dogma Die Ablehnung der Teilnahme von Gründen an der Rechtskraft eines Urteils stammt aus dem Zivilprozess187, wo sie aus dem die Rechtskraft regelnden § 322 ZPO hergeleitet wird188. Die Norm statuiert in Absatz eins, dass Urteile nur insoweit der Rechtskraft fähig seien, „als über den […] erhobenen Anspruch entschieden“ sei. Aus der Bezeichnung „Anspruch“ in Absatz eins und e contrario Absatz zwei wird geschlossen, dass Gründe und Entscheidungen, zum Beispiel über Verteidigungsmittel, abseits der ausdrücklich genannten Einrede der Aufrechnung nicht in Rechtskraft erwüchsen189. Auch die Entstehungsgeschichte des § 322 ZPO wird regelmäßig für dieses Verständnis fruchtbar gemacht, denn der Gesetzgeber habe „bewusst die Rechtskraft auf die Entscheidung über den ,Anspruch‘ beschränkt“ und Begründungselemente gerade keiner automatischen Rechtskraftwirkung unterworfen190. Richtig ist jedoch, dass der Gesetzgeber der damaligen Civilprozeßordnung die Reichweite der Rechtskraft zweigliedrig zu bestimmen suchte. Dem lag die Rechtskraftlehre von Savignys191 zugrunde, der zwei Elemente für die Bestimmung der Reichweite heranziehen wollte: zum einen das privatautonome Element des Klageantrages, zum anderen aus Gründen des Interessenschutzes die Rechtskraft weiterer Urteilselemente: Zur Aufgabe des Richters gehöre „nicht blos die augenblickliche Abwehr äußerer Rechtsverletzung, sondern auch die Sicherung durch die in alle Zukunft 186 So im Ergebnis auch S. Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im Öffentlichen Recht, 1995, S. 130, der resümiert, dass „auch eine Bindung an die Urteilsgründe besteht“; vgl. auch J. Martens, Die Praxis des Verwaltungsprozesses, 1975, S. 119 ff.; C. Bickenbach, Das Bescheidungsurteil als Ergebnis einer Verpflichtungsklage, 2006, S. 209 ff. 187 Vgl. nur BT-Drucks. III/55 S. 44 zu § 120 VwGO-E (heute § 121 VwGO). 188 P. Gottwald, in: Rauscher/Wax/Wenzel, Münchener Kommentar zur ZPO, Band 1, 3. Aufl. 2008, § 322 Rn. 84; H.-J. Musielak, in: ders., ZPO, 9. Aufl. 2012, § 322 Rn. 16 f.; BGH NJW 2003, S. 3058 (3059). 189 A. Blomeyer, Zivilprozeßrecht – Erkenntnisverfahren, 2. Aufl. 1985, S. 478 ff; H.-J. Musielak, in: ders., ZPO, 9. Aufl. 2012, § 322 Rn. 3, 17; K. Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 33. Aufl. 2012, § 322 Rn. 30. 190 H.-J. Musielak, in: ders., ZPO, 9. Aufl. 2012, § 322 Rn. 2. 191 F. K. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band 6, 1847, S. 350 ff.

A. Der Streitgegenstand in § 121 VwGO

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fortwirkende Rechtskraft. […] Der Richter also würde seiner Pflicht nicht genügen, wenn er blos für das Bedürfniß des nächsten Augenblicks [also die Befriedigung des im Antrag geltend gemachten Rechtes, Anm. d. Verf.] nothdürftig sorgen, die Sicherung aber für alle Zukunft versäumen wollte. Diese Sicherung begründet er nur dadurch, daß er die Elemente der Entscheidung feststellt, deren Rechtskraft hinfort bei jedem neuen Rechtstreit benutzt werden kann.“192 Diese grundsätzliche Zweiteilung übernahm der CPO-Gesetzgeber, wie bereits in einer historischen Untersuchung nachgewiesen wurde193. Allerdings ersetzte der Gesetzgeber das zweite Element durch ein der Parteidisposition unterworfenes, indem er die bei von Savigny automatisch stattfindende Rechtskrafterstreckung über den Klageantrag hinaus von einer zusätzlichen förmlichen Antragstellung im Sinne der Zwischenfeststellungsklage gemäß § 265 Abs. 2 ZPO abhängig machte. Er ging anfangs davon aus, das Urteil solle nicht „Folgen erzeugen, deren sich die Parteien im Laufe des Prozesses gar nicht bewusst geworden sind“194 und deswegen über den Antrag hinausgehende Rechtskraftwirkung erst dann erzeugen, wenn die jeweiligen Fragen von den Parteien mittels Zwischenfeststellungsklage gemäß § 265 Abs. 2 ZPO in Streit gestellt wurden. Dem lag zunächst der Gedanke zugrunde, die Parteien vor richterlicher Bevormundung zu schützen195. Während der anschließenden Kommissionssitzungen jedoch entwickelte sich dieser Gedanke insofern weiter, als die Rechtskraftfähigkeit anderer Urteilselemente nach mehreren Erörterungen angenommen und lediglich aus Gründen der Rechtsklarheit von einer förmlichen Antragstellung nach § 265 Abs. 2 ZPO abhängig gemacht wurde196 – dies jedoch nur soweit, wie die liberale Übersetzung des von-Savignyschen Automatismus funktionierte. Wo dies aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht der Fall war, sollte mit § 322 Abs. 1 ZPO gerade keine Ausdehnung der Rechtskraft auf Begründungselemente abgelehnt werden197. (2) Geltung im Verwaltungsprozess Ist danach schon historisch die Richtigkeit des Dogmas der Nichtteilnahme der Gründe an der Rechtskraft im Zivilprozess zweifelhaft, stellt sich erst recht die Frage, ob es auf den Verwaltungsprozess übertragen werden kann.

192

F. K. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band 6, 1847, S. 359. K. Reischl, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Zivilprozess, 2002, S. 123 f. 194 C. Hahn, Die gesammten Materialien zur Civilprozeßordnung, 1880, S. 291. 195 C. Hahn, Die gesammten Materialien zur Civilprozeßordnung, 1880, S. 291. 196 K. Reischl, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Zivilprozess, 2002, S. 115 ff., 126, 132 f. 197 K. Reischl, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Zivilprozess, 2002, S. 313; dem folgend auch C. Bickenbach, Das Bescheidungsurteil als Ergebnis einer Verpflichtungsklage, 2006, S. 212 f. 193

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2. Kap.: Auslegung der VwGO-Vorschriften

Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 121 VwGO schließen eine Erstreckung der Rechtskraft auf in den Urteilsgründen niedergeschriebene Entscheidungen nicht aus198: Soweit die Norm zur Bestimmung des Bindungsinhaltes auf den Begriff des „Streitgegenstandes“ abstellt, ist sie mangels Angabe von Kriterien zu dessen Bestimmung offen. Zwar wollte der VwGO-Gesetzgeber die zivilprozessualen Grundsätze „im wesentlichen auf den Verwaltungsgerichtsprozeß übertragen“, es aber auch „Rechtsprechung und Lehre […] überlassen, […] Grundsätze herauszuarbeiten und bereits gewonnene Grundsätze zu festigen und auszubauen“199. Sachlich knüpfte der Gesetzgeber an die Regelung des § 84 Verwaltungsgerichtsgesetzes verschiedener Bundesländer200 an201, welcher die bereits zuvor diskutierte Frage einer umfassenderen Rechtskraft als im Zivilprozess nicht beantwortet hatte202 und worüber auch zum Zeitpunkt der Verabschiedung der VwGO noch keine Einigkeit herrschte. Hätte der Gesetzgeber eine Rechtskrafterstreckung auf Begründungselemente ablehnen wollen, hätte es vor diesem Hintergrund nahe gelegen, eine eindeutige Ablehnung, nicht aber eine Entwicklungsoffenheit in der Gesetzesbegründung auszudrücken. Angesichts dessen ist die gesetzliche Wertung im Verwaltungsprozessrecht hinsichtlich Wortlaut und Entstehungsgeschichte nicht eindeutig203. Es stellt sich also die Frage, was eine systematische Betrachtung ergibt. Mit Blick auf die unterschiedlichen Prozessordnungen und damit Prozessmaximen, in welche § 322 ZPO im Zivilprozessrecht und § 121 VwGO im Verwaltungsprozessrecht eingebettet ist, scheint denkbar, dass eine Erstreckung der Rechtskraft über den Antrag hinaus im zivilgerichtlichen Urteil andere Folgen für die Beteiligten hätte als im verwaltungsgerichtlichen Urteil. Möglich ist, dass sich aus einer solchen Be-

198 So auch C. Bickenbach, Das Bescheidungsurteil als Ergebnis einer Verpflichtungsklage, 2006, S. 212; a.A. BVerwGE 25, S. 7 (9), demzufolge, freilich ohne Begründung, § 121 VwGO „ebenso auszulegen ist wie § 322 Abs. 1 ZPO“; W. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974, § 47 IV s (S. 518). 199 BT-Drucks. III/55 S. 44 zu § 120 VwGO-E (heute § 121 VwGO). 200 „Rechtskräftige Urteile binden die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger für den Streitgegenstand.“ Bayern: Gesetz Nr. 39 v. 25. 09. 1946 (GVBl. S. 281); Bremen: Gesetz v. 05. 08. 1947 (GBl. S. 171); Hessen: Gesetz v. 31. 10. 1946 (GVBl. S. 194); WürttembergBaden: Gesetz Nr. 110 v. 16. 10. 1946 (RegBl. S. 221). Textnachweise bei E. Eyermann/L. Fröhler, VGG, 2. Aufl. 1954, S. 1 ff. 201 BT-Drucks. III/55 S. 44 zu § 120 VwGO-E (heute § 121 VwGO): „Diese Vorschrift entspricht dem § 84 VGG“. 202 Vgl. aus der Diskussion dafür BayVGH, Urt. v. 12. 05. 1915, BayVGH Bd. 36 (1915), S. 159, 162; W. Laforet, Deutsches Verwaltungsrecht, 1937, S. 271 FN 3; dagegen E. Eyermann/ L. Fröhler, Verwaltungsgerichtsgesetz, 2. Auf. 1954, § 84 Nr. 2 a) bb); P. van Husen, Gesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Bayern, Württemberg-Baden und Hessen mit Kommentar, 1947, § 84 Bem. 2 (S. 110 f.); W. Schmitt, NJW 1949, S. 611 (613). 203 Anders aber B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 45 a.E.: „Die gesetzliche Wertung ist insoweit jedoch eindeutig“; C. F. Germelmann, Die Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen in der Europäischen Union, 2009, S. 53.

A. Der Streitgegenstand in § 121 VwGO

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trachtung ein Argument für oder gegen eine Rechtskrafterstreckung auf Begründungselemente ergibt. Anders als der Verwaltungsprozess, in dem gemäß § 86 Abs. 1 VwGO der Grundsatz der Amtsermittlung gilt, wird der Zivilprozess grundsätzlich vom Beibringungsgrundsatz204 beherrscht. In beiden Gerichtszweigen besteht demnach im Grundsatz eine unterschiedliche Zuständigkeit für die Beschaffung der Tatsachengrundlage: Während ihre Ermittlung im Verwaltungsprozess dem Gericht als neutralem Dritten obliegt, können im Zivilprozess die Parteien über die Entscheidungsgrundlage disponieren. Was von ihnen übereinstimmend vorgetragen bzw. von der Gegenpartei nicht bestritten wird, ist ohne weitere richterliche Prüfung gemäß §§ 138 Abs. 3, 288 ZPO als Tatsache zugrunde zu legen205. Zugespitzt formuliert können die Parteien damit durch ihr Vorbringen einen von der tatsächlichen Sachlage abweichenden Sachverhalt der richterlichen Beurteilung zuführen206. Ein Umstand, der verständlich wird, betrachtet man den Beibringungsgrundsatz als prozessuale Fortsetzung der Privatautonomie der Parteien207. Denn wer „über sein Recht außerprozessual verfügen kann, muß es auch innerhalb des Prozesses verspielen können.“208 Dies gilt auch jenseits prozessualen Geständnisses und Verzichtes sowie der materiell-rechtlichen Einreden. Denn obgleich sich der Beibringungsgrundsatz nur auf die Schaffung der Tatsachengrundlage bezieht, eröffnet er den Parteien die Möglichkeit zur Beeinflussung des anzuwendenden Rechtes209 : Der Richter hat nur 204

Vgl. etwa § 284 Satz 2, 3 ZPO; K. Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 33. Aufl. 2012, Einl I Rn. 1 f.; H.-J. Musielak, in: ders., ZPO, 9. Aufl. 2012, Einleitung Rn. 37. Insofern sei hier der klassische Zivilprozess gemeint; Besonderheiten im Bereich von Ehe- und Familien-Verfahren bleiben unberücksichtigt. 205 H.-J. Musielak, in: ders., ZPO, 9. Aufl. 2012, Einleitung Rn. 37; T. Rauscher, in: ders./ Wax/Wenzel, Münchener Kommentar zur ZPO, Band 1, 3. Aufl. 2008, Einleitung Rn. 298; deswegen weist auch O. Jauernig, Verhandlungsmaxime, Inquisitionsmaxime und Streitgegenstand, 1967, S. 5 f., darauf hin, dass sich diese Erkenntnis auf die Bestimmung des Streitgegenstandes auswirken müsse. 206 B. Kropshofer, Untersuchungsgrundsatz und anwaltliche Vertretung im Verwaltungsprozeß, 1981, S. 51 f.; wohl auch BVerfGE 52, S. 131 (Sondervotum, S. 153); selbst das bewusst unwahre Geständnis zu Ungunsten des Gestehenden hat das Gericht zugrunde zu legen, vgl. T. Rauscher, in: ders./Wax/Wenzel, Münchener Kommentar zur ZPO, Band 1, 3. Aufl. 2008, Einleitung Rn. 300; kritisch R. Köhler-Rott, Der Untersuchungsgrundsatz im Verwaltungsprozeß und die Mitwirkungslast der Beteiligten, 1997, S. 50. 207 So die ganz h.M., vgl. nur L. Rosenberg/K. H. Schwab/P. Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl. 2010, § 77 Rn. 3 a.E.; K. Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 33. Aufl. 2012, Einl I Rn. 3; F.-J. Säcker, in: ders./Rixecker, Münchener Kommentar zum BGB, Band 1, 6. Aufl. 2012, Einleitung Rn. 7; W. Schmitt Glaeser/H.-D. Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl. 2000, Rn. 541; R. Köhler-Rott, Der Untersuchungsgrundsatz im Verwaltungsprozeß und die Mitwirkunglast der Beteiligten, 1997, S. 47; C. H. Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 9. Aufl. 1987, S. 134; D. Leipold, JZ 1982, S. 441 (442); dazu die Erwiderung von R. Bender, JZ 1982, S. 709; kritisch R. Köhler-Rott, Der Untersuchungsgrundsatz im Verwaltungsprozeß und die Mitwirkungslast der Beteiligten, 1997, S. 46 f. 208 W. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974, § 3 II 2 (S. 20). 209 W. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974, § 3 II 3 (S. 22 f.) m.w.N.

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2. Kap.: Auslegung der VwGO-Vorschriften

Rechtssätze heranzuziehen, deren Voraussetzungen sich aus dem nach dem Parteivortrag als wahr geltenden Sachverhalt ergeben. Mithin können die Parteien die Determinanten der gerichtlichen Entscheidung – tatsächliche Entscheidungsgrundlage und Rechtssätze – selbst beeinflussen. Überdies erfüllt der Beibringungsgrundsatz auch eine soziale Funktion: Bleibt es den Parteien selbst überlassen, die tatsächliche Streitgrundlage zu bestimmen, können sie den Umfang des Streits und damit der potentiellen Beeinträchtigung ihrer sozialen Beziehungen selbst beeinflussen210. Prozessfragen beispielsweise auf die Mangelhaftigkeit einer Sache zu begrenzen, einen Dissens beim Vertragsschluss aber übereinstimmend zu verschweigen, kann aus Gründen geschäftlichen Anstandes die sozialen Beziehungen zwischen den Parteien trotz des Prozesses intakt halten. Geht man angesichts dieser Überlegungen davon aus, dass das Zivilprozessrecht solche Dispositionsfreiheit gewährt, weil es nur dem privaten Parteiwillen zur Durchsetzung verhelfen will und damit „kein öffentliches Interesse daran besteht, die Wahrheit von Tatsachen zu ermitteln, die privatrechtlichen Beziehungen zugrunde liegen, über die die Parteien die Verfügungsfreiheit besitzen“211, muss es um ihrer Willen die Möglichkeit von Urteilen auf Basis eines unrichtigen Sachverhaltes und in diesem Sinne „unrichtige“ Urteile in Kauf nehmen. Dies ist im Verwaltungsprozessrecht anders: Indem es gemäß § 86 Abs. 1 VwGO die Beschaffung der Entscheidungsgrundlage in die Alleinverantwortung des Gerichtes legt und damit der Disposition der Beteiligten entzieht, bedingt es eine höhere Wahrscheinlichkeit für die Übereinstimmung der Entscheidungsgrundlage mit den wahren Verhältnissen212. Diese erhöhte Wahrscheinlichkeit ist aus mehreren Gründen notwendig: Geht es im Verwaltungsprozess grundsätzlich um die Rechtskontrolle staatlichen Handelns in den Grenzen subjektiver Rechte, gebietet Art. 19 Abs. 4 GG grundsätzlich eine vollständige Kontrolle unter Aufklärung aller entscheidungsrelevanten Tatsachen213. Überdies bedarf der Bürger, welcher der Verwaltung in Hinsicht auf Arbeitsressourcen, Fach- und Rechtskenntnis häufig unterlegen sein wird, der gerichtlichen Hilfe durch Aufklärung der entscheidungsre-

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W. Brehm, Die Bindung des Richters an den Parteivortrag und Grenzen freier Verhandlungswürdigung, 1982, S. 34 f.; deswegen auch nicht überzeugend E. Schmidt, DRiZ 1988, S. 59. 211 K. Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 33. Aufl. 2012, Einl I Rn. 3. 212 W. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974, § 47 IV 2 (S. 518); H. Addicks, NWVBl 2005, S. 293 (295); M. Marx, Die Notwendigkeit und Tragweite der Untersuchungsmaxime in den Verwaltungsprozeßgesetzen (VwGO, SGG, FGO), 1985, S. 58; anders M. Kaufmann, Untersuchungsgrundsatz und Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2002, S. 446. 213 BVerfGE 15, S. 275 (282); 18, S. 203 (212); 18, S. 191 (194 f.); 73, S. 339 (373); 84, S. 59 (77); M. Marx, Die Notwendigkeit und Tragweite der Untersuchungsmaxime in den Verwaltungsprozeßgesetzen (VwGO, SGG, FGO), 1985, S. 84 f.

A. Der Streitgegenstand in § 121 VwGO

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levanten Umstände („Gebot der Waffengleichheit“)214. Auch abseits des subjektiven Rechtsschutzes erfordert ein objektiver Gesichtspunkt eine höhere Gewähr der inhaltlichen Richtigkeit der gerichtlichen Entscheidung: Man wird formulieren können, dass das Bestehen von Kontrolle durch den damit verbundenen Abschreckungseffekt die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die zu kontrollierende Entscheidung richtig gefällt wird215. Insofern dient eine lückenlose Ermittlung des Sachverhaltes im Rahmen gerichtlicher Kontrolle auch objektiv der Förderung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Wohl deswegen, jedenfalls aber wegen der durch die Beteiligteneigenschaft des Staates in den Prozess eingeführten öffentlichen Belange wird vielfach formuliert, dass an der Aufklärung des Sachverhaltes im Verwaltungsprozess „öffentliches Interesse“216 bestehe. Zusammengefasst können also die Entscheidungsdeterminanten eines zivilgerichtlichen Urteils von den Parteien beeinflusst werden und an einer Ermittlung der Wahrheit besteht grundsätzlich kein öffentliches Interesse. Im Verwaltungsprozess hingegen sind die Entscheidungsdeterminanten der Disposition der Beteiligten entzogen und an ihrer zutreffenden Ermittlung besteht ein öffentliches Interesse. Folglich ergäben sich aus dem Erwachsen von Urteilsbegründungen in Rechtskraft unterschiedliche Konsequenzen: Im Zivilprozess würde – da die Rechtskraft nicht der Parteidisposition unterworfen ist217 – nicht nur das, worüber gestritten wurde, sondern auch das, was zwischen den Parteien gerade nicht zum Streit kommen sollte, mittels Urteil verbindlich festgestellt. Die Parteien wären damit gehalten, auch aktuell unwichtige Details oder Punkte, die aufgrund nichtrechtlicher Erwägungen nicht thematisiert werden sollen, in Streit zu stellen. Nur so ließe sich vermeiden, dass die Rechtskraft – sollte es auf diese Fragen in möglichen Folgeprozessen ankommen – ihnen zum Nachteil gereichen könnte („unabsehbare Fernwirkungen“218). Ist es nach dem Gesagten auch Funktion des Beibringungsgrundsatzes, soziale Beziehungen zu schonen, würde eine Rechtskrafterstreckung auf Begründungselemente diesen Aspekt nachgerade konterkarieren. Dies jedoch träfe auf den Verwaltungsprozess nicht zu: Aufgrund der umfassenden rechtlichen Determination der 214

P. Stelkens, NVwZ 1982, S. 81 (83); W. Schmitt Glaeser/H.-D. Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl. 2000, Rn. 541; M. Nierhaus, Beweismaß und Beweislast, 1988, S. 259 ff. 215 W. Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1984, S. 58 f. 216 M. Nierhaus, Beweismaß und Beweislast, 1988, S. 478; F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 86 Rn. 1; W. Schmitt Glaeser/H.-D. Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl. 2000, Rn. 541; W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 13. Aufl. 2012, Rn. 21; D. Lorenz, Verwaltungsprozessrecht, 2000, § 30 Rn. 12. Zum Begriff des „Öffentlichen Interesses“ insofern instruktiv M. Kaufmann, Untersuchungsgrundsatz und Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2002, S. 290 ff. 217 W. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974, § 47 III 4 (S. 499 f.); O. Jauernig, Zivilprozessrecht, 29. Aufl. 2007, § 63 III 3 (S. 199); B. Clausing, in: Schoch/ Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 31 f.; BVerwG DVBl. 1962, S. 265 (265). 218 D. Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, Band 4 Teilband 1, 22. Aufl. 2008, § 322 Rn. 68; BAG NJW 2003, S. 1204 (1205).

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2. Kap.: Auslegung der VwGO-Vorschriften

Beziehung der Beteiligten bleibt für soziale Schonung kein Raum. Weder besteht zudem materiell-rechtlich Verfügungsfreiheit der Beteiligten, die sich im Prozess fortsetzen könnte, noch können die Beteiligten im Prozess über die Entscheidungsdeterminanten disponieren219 : Über eine Privatautonomie, die, wie im Zivilprozess, zu schützen wäre, verfügt der Staat nicht220. Mithin besteht auch nicht die Gefahr, dass aus nichtrechtlichen Gründen gewähltes Prozessverhalten im Erstprozess die Rechtsposition der Beteiligten im Folgeprozess beeinträchtigen könnte. Besteht überdies für die Richtigkeit der Entscheidungsgrundlagen im Verwaltungsprozess eine gesteigerte Wahrscheinlichkeit, stellt sich die Frage, warum die mittels gerichtlichen Ermittlungsaufwandes festgestellten Tatsachen nicht auch für die Beteiligten Verbindlichkeit beanspruchen sollten; wohnt dem doch gerade nicht die typisch zivilprozessuale Gefahr inne, dass aus nichtrechtlichen Gründen bewusst außer Streit gestellte Fakten qua Urteil rechtlich fixiert würden. (3) Ergebnis zur Rechtskraftfähigkeit der Gründe Dass es ein „fundamentaler Grundsatz des Prozeßrechts“ sei, dass „Entscheidungsgründe an der Rechtskraftwirkung eines Urteils nicht teilnehmen“221, lässt sich jedenfalls im Verwaltungsprozess nicht begründen. Auch diejenigen Bestandteile eines Urteils, die im Abschnitt der Urteilsbegründung gemäß § 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO niedergeschrieben sind, können in Rechtskraft erwachsen. Die gegenteilige Auffassung kann bereits im Zivilprozess als zweifelhaft gelten. Jedenfalls erfüllt sie dort aber freiheitssichernde Funktion für die Prozessparteien und soll soziale Beziehungen schonen. Diesen Zwecken dient der Verwaltungsprozess nicht, weshalb das Dogma von der Nichtteilnahme der Gründe an der Rechtskraft hier nicht anwendbar ist222.

219 Wohl aber können sie über das Stattfinden einer Entscheidung als solche disponieren, vgl. zur Bedeutung der Dispositionsmaxime im Verwaltungsprozess C. H. Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 9. Aufl. 1987, S. 5 f., 137 ff., insbes. 138 f. 220 Inzwischen allg. Meinung, vgl. nur P. Badura, Staatsrecht, 5. Aufl. 2012, A Rn. 6; H. P. Bull/V. Mehde, Allgemeines Verwaltungsrecht mit Verwaltungslehre, 8. Aufl. 2009, Rn. 56; D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 1984, S. 87 f.; H.-U. Erichsen, in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1995, § 22 Rn. 9; C. Ernst, Die Verwaltungserklärung, 2008, S. 242 ff., insbes. 245; H. Maurer, Staatsrecht I, 6. Aufl. 2010, § 1 Rn. 22. 221 BVerwG DVBl. 1963, S. 64 (65); E 96, S. 24 (26); Vgl. auch schon A. Blomeyer, Zivilprozeßrecht – Erkenntnisverfahren, 2. Aufl. 1985, S. 478 f.; ebenso W. Keller, in: MeyerLadewig/ders./Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 10. Aufl. 2012, § 141 Rn. 7 ff. 222 So im Ergebnis auch C. Bickenbach, Das Bescheidungsurteil als Ergebnis einer Verpflichtungsklage, 2006, S. 213 und S. Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im Öffentlichen Recht, 1995, S. 129 der aber eine Erstreckung auf Begründungselemente nur für Fälle von ihm sog. „präjudizieller Abhängigkeit“ vorsieht. Für eine „grundsätzliche Vergleichbarkeit“ von Zivil- und Verwaltungsprozess vgl. hingegen statt vieler G. Lüke, JuS 1967, S. 1 (2).

A. Der Streitgegenstand in § 121 VwGO

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dd) Ergebnis zur Differenzierung nach Grund/Entscheidung Mittels einer Differenzierung nach dem Begriffspaar Grund und Entscheidung lässt sich die Bewertung der im Urteil enthaltenen Entscheidungen als bindend und nicht bindend nicht vornehmen. Entscheidungen im hier verstandenen Sinne sind Ergebnisse, die aus einem Wahlvorgang des Gerichtes hervorgegangen sind. Besteht ein Urteil nach dem Gesagten aus einer Vielzahl von Entscheidungen, so bestehen keine zwingenden Vorgaben, ab welcher Stufe der in einem Urteil enthaltenen, aufeinander aufbauenden Entscheidungspyramide von Grund bzw. von Entscheidung zu sprechen ist. Diese Trennung ist vielmehr selbst von einer Wertung abhängig. Darüber hinaus scheint sie ohnehin nur dann sinnvoll, wenn man davon ausgeht, dass Gründe nicht von der Rechtskraft eines Urteils erfasst werden können. Dies lässt sich nach dem Gesagten für den Verwaltungsprozess nicht begründen. Vielmehr ist es hier möglich, dass auch Begründungselemente von der Rechtskraft erfasst werden. Mithin eignet sich die Verwendung des Begriffspaares Grund und Entscheidung nicht, das gesuchte Wertungskriterium für die Ausfüllung des Streitgegenstandsbegriffs in § 121 VwGO zu liefern. Tatsächlich bezeichnen die ob der aufgezeigten Probleme wenig plastischen Begriffe Entscheidung und Grund lediglich ein auf anderem Wege gewonnenes Ergebnis und geben die erforderliche Abgrenzung nicht selbst vor. b) Andere Differenzierungskriterien Gelingt eine Trennung zwischen verbindlichem und unverbindlichem Entscheidungsteil eines Urteils nicht rechtslogisch zwingend mittels einer Differenzierung in Grund und Entscheidung, so stellt sich die Frage, welche anderen Kriterien für die Trennung heranzuziehen sind. aa) Notwendigkeit der Kriterienentwicklung Dem vorgelagert ist allerdings die Frage, ob es der Entwicklung solcher Kriterien überhaupt bedarf. Denn grundsätzlich sind zur Bestimmung des bindenden UrteilsRechtssatzes drei Varianten denkbar: Zum einen könnte man eine Begrenzung des Urteils-Rechtssatzes auf die Entscheidungsformel selbst erwägen. Die praktische Schwäche eines solchen Ansatzes hat aber bereits die oben dargestellte223 Auslegung des klageabweisenden Urteils aufgezeigt. Will man als Rechtssatz zudem einzig die Formel in ihrer jeweiligen sprachlichen Fassung ansehen, so liegt es an der richterlichen Formulierung, wie weit die Rechtskraft des Urteils reicht. Der Urteilsrechtssatz bestimmt sich dann nicht danach, worüber entschieden wurde, sondern nur danach, welche seiner Entschei223

Vgl. dazu oben, Zweites Kapitel, A. III. 1. c) (S. 41 f.).

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2. Kap.: Auslegung der VwGO-Vorschriften

dungen das Gericht in der Urteilsformel niedergeschrieben hat und welche er im Abschnitt der Gründe niedergelegt hat224. Dies widerspricht dem Wortlaut des § 121 VwGO, der die Bindung nicht von der formalen Einteilung des Urteils abhängig macht, sondern davon, worüber entschieden wurde – nämlich über den Streitgegenstand. Geht man hingegen davon aus, dass die Urteilsformel der Auslegung fähig ist, so übernimmt man mit der Auslegung nach dem Gesagten Elemente der Urteilsbegründung in die Formel: Sie werden damit Teil der Formel225. Die Begrenzung der Rechtskraft auf die Urteilsformel ist dann in Wahrheit keine solche. Man mag insofern die Formel als sprachlich verkürzte Fassung der Entscheidung verstehen; dies ändert aber nichts daran, dass man tatsächlich zur Beseitigung dieser Verkürzung auf weitere Urteilselemente zurückgreift und sie damit zum Inhalt der Urteilsformel erhebt. Die Frage, welcher Elemente es bedarf, um die Verkürzung zu beseitigen, ist aber selbst von einer Wertung abhängig: Sie hängt davon ab, wann man den Tenor als sprachlich vollständig, die Verkürzung also als beseitigt betrachtet. Die Beantwortung dieser Frage setzt ihrerseits die Festlegung voraus, was verbindlicher Inhalt des Urteils sein soll. Soll die Verbindlichkeit möglichst viele Urteilselemente umfassen, soll also über viele Fragen verbindlich entscheiden werden, sind viele Elemente in die Formel hineinzulesen, um sie zu vervollständigen. Soll sie wenig umfassen, bedarf es nur weniger weiterer Elemente zur Vervollständigung. Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Nach dem Gesagten besteht ein Urteil aus einer Pyramide aufeinander aufbauender Entscheidungen. Darin sind etwa Entscheidungen über die einzelnen Voraussetzungen von Rechtsnormen ebenso enthalten wie solche über den Sachverhalt. Geht man davon aus, dass die Urteilsformel erst vollständig ist, wenn sie neben der Aufhebung eines angefochtenen Verwaltungsaktes auch eine verbindliche Aussage über die Rechtsverletzung des Klägers durch den Verwaltungsakt enthält, ist die sprachliche Verkürzung zu beseitigen, indem neben der Aufhebung auch die in der Urteilspyramide enthaltene gerichtliche Entscheidung über Rechtsverletzung in die Urteilsformel hineingelesen wird. Geht man hingegen davon aus, dass die Urteilsformel schon bei verbindlicher Aufhebung des Verwaltungsaktes vollständig sei, ist die Entscheidung über die Rechtsverletzung nicht in die Formel hineinzulesen. Die „Extremposition“226 der Begrenzung des Urteils-Rechtssatzes auf den reinen Wortlaut der Urteilsformel verstößt damit gegen § 121 VwGO. Eine Begrenzung auf eine durch Auslegung vervollständigte Urteilsformel ist hingegen nur scheinbar eine Begrenzung auf diese; tatsächlich handelt es sich um die selektive Verleihung von Rechtskraft an Begründungselemente, soweit diese zur Vervollständigung des Tenors herangezogen und damit Teil desselben werden. 224

Vgl. dazu oben, Zweites Kapitel, A. III. 2. a) bb) (S. 46 f.). Vgl. dazu oben, Zweites Kapitel, A. III. 2. a) aa) (S. 44 f.). 226 Begriff bei S. Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im Öffentlichen Recht, 1995, S. 128; vgl. auch M. Sachs, Die Bindung des Bundesverfassungsgerichts an seine Entscheidungen, 1977, S. 37. 225

A. Der Streitgegenstand in § 121 VwGO

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Allerdings ist auch die andere „Extremposition“ denkbar, namentlich die Verbindlicherklärung aller im Urteil enthaltenen Entscheidungen. Das Urteil würde dann die Adressaten verpflichten, alle in ihm enthaltenen Entscheidungen als verbindliche Festschreibung eines Sollens-Zustandes zu betrachten. Auch für diese Variante bedürfte es keiner Entwicklung von Abgrenzungskriterien, weil die Verbindlichkeit von Urteilsentscheidungen aus dem Urteil heraus ohne theoretische Erwägungen erklärbar wäre. Nur für die dritte Variante käme es darauf an – dann nämlich, wenn nur ein Teil227 der im Urteil enthaltenen Entscheidungen Verbindlichkeit beanspruchen würde. Damit muss zunächst beantwortet werden, warum eine Vollverbindlichkeit von Urteilselementen im Verwaltungsprozess nicht in Frage kommt. Dient nämlich, wie gezeigt, die Einschränkung der Rechtskraftwirkung im Zivilprozess dem Freiheitsschutz, so lautet die Frage nicht, warum dieser zivilprozessuale Grundsatz nicht auch im Verwaltungsprozess gelten sollte228, sondern umgekehrt, was hier überhaupt dafür spricht, von einer Beschränkung der Rechtskraftwirkung auszugehen. Für eine Beschränkung lässt sich zunächst der Wortlaut des § 121 VwGO anführen. Die Norm statuiert nicht, dass rechtskräftige Urteile „binden, soweit entschieden worden ist“, sondern „soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist“. Das legt nahe, eine Bindungswirkung nur hinsichtlich einer Teilmenge der im Urteil enthaltenen Entscheidungen anzunehmen. Diese Erwägung deckt sich auch mit der Entstehungsgeschichte der Norm: Sie sollte nach dem Willen des Gesetzgebers eine – wenn auch vom Zivilprozess möglicherweise abweichende, ihm aber doch „im wesentlichen“ entsprechende – begrenzte Rechtskraftwirkung des Urteils auslösen229. Systematisch lässt sich dieses Ergebnis allerdings nicht mit einem Umkehrschluss aus § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO stützen: Die in dieser Norm einzig für die Bescheidungsklage getroffene Anordnung der Verbindlichkeit der richterlichen Rechtsauffassung kann man auch als deklaratorische Darlegung eines allgemeinen Prinzips begreifen230. 227 Innerhalb dieser Variante wäre es nur noch eine terminologische Frage, ob man von der Verbindlichkeit des Entscheidungssatzes spricht, für dessen Bestimmung auf einzelne Gründe zurückgegriffen wird (oder auch: Auslegung der [sprachlich verkürzten] Urteilsformel unter Zuhilfenahme von Begründungselementen) oder von einer Verbindlichkeit des Entscheidungssatzes und tragender Urteilsgründe. 228 So aber W. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974, § 47 IV 1 a (S. 502); B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 45 m.w.N. Selbst kritische Ansätze wie derjenige von V. Schmid, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 88 Rn. 7 und ihr folgend zum Beispiel F. Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 8. Aufl. 2011, § 10 Rn. 8 setzen erst bei der Frage an, welche Gründe ausnahmsweise binden sollen, stellen aber nicht das Dogma der Nichtteilnahme von Gründen an der Rechtskraft insgesamt in Frage. 229 BT-Drucks. III/55 S. 44 zu § 120 VwGO-E (heute § 121 VwGO). 230 So wohl C. Bickenbach, Das Bescheidungsurteil als Ergebnis einer Verpflichtungsklage, 2006, S. 206; a.A. K. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 121 Rn. 22, der insofern von einer „Ausnahme“ spricht; BVerwG DVBl. 1970, S. 281 (281).

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2. Kap.: Auslegung der VwGO-Vorschriften

Möglicherweise ergibt sich aber aus dem in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG niedergelegten Grundsatz der Gewaltenteilung ein Hinweis. Dieser enthält die Aussage, dass Verwaltungstätigkeit und damit auch die Beurteilung von diesbezüglichen Entscheidungsmaßstäben grundsätzlich der Verwaltung überantwortet ist231. Wäre jedoch jede in einem Urteil enthaltene Entscheidung für die Verwaltung verbindlich, könnten die Gerichte neben den in der sonstigen Rechtsordnung enthaltenen Maßstäben zahllose neue Maßstäbe aufstellen. Mit zunehmender Zahl von Gerichtsentscheidungen würden diese Maßstäbe ein großes Ausmaß annehmen. Zwar würden sie aufgrund der personellen Rechtskraftgrenzen des § 121 VwGO nur inter partes wirken, doch dürften ihre faktischen Auswirkungen aufgrund des Edukationseffektes gerichtlicher Entscheidungen232 groß sein. Es stünde zu befürchten, dass Verwaltungstätigkeit in höherem Maße als bisher durch Gerichtsentscheidungen determiniert würde233. Dies würde eher dem anglo-amerikanischen Modell des case law entsprechen als der deutschen Rechtstradition. Auch dies spricht daher für einen begrenzten Rechtskraftumfang. Ferner stellt sich die Frage, ob dem Zweck der Rechtskraft, Rechtsfrieden herzustellen234, nicht auch durch einen begrenzten Umfang des verbindlichen Urteilsinhaltes besser gedient werden kann. Zwar ließe sich argumentieren, dass eine Vollverbindlichkeit durch abschließende Beantwortung nachgerade aller insofern zwischen den Beteiligten bestehenden Fragen dem Rechtsfrieden am besten diene235. Allerdings setzt dieser Gedanke ein qualitativ gutes, von den Beteiligten akzeptiertes Urteil voraus. Wäre nämlich jede Entscheidung, die in der Pyramide aufeinander aufbauender Entscheidungen eines Urteils enthalten ist, verbindlich, so wäre sie auch von den Beteiligten zwingend zu beachten. Um dies zu verhindern, könnte deswegen auch um wenig relevante Entscheidungssätze des Urteils, etwa über Vorfragen, Streit entstehen, der zu Rechtsmittelverfahren führen würde; dies könnte selbst dann der Fall sein, wenn der Streit in der hauptsächlichen Frage bereits im Sinne des Rechtsmittelführers entschieden wäre. Die Beteiligten wären damit gehalten, ein Urteil so lange mit Rechtsmitteln anzugreifen, bis jede einzelne in ihm enthaltene 231

Dies zeigt sich etwa daran, dass die gerichtliche Kontrolle der Verwaltung auf eine Rechtskontrolle beschränkt ist, H. Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 20 Rn. 26 a.E.; vgl. auch F. Schnapp, in: v. Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Art. 20 Rn. 58. 232 W. Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1984, S. 58 f.; vgl. auch D. Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, Band 4, 22. Aufl. 2008, § 322 Rn. 17: „abstrakte Urteilskraft“. 233 Vgl. zum Parallelproblem hinsichtlich des Charakters verfassungsgerichtlicher Entscheidungen als quasi-gesetzgeberische Tätigkeit N. Wischermann, Rechtskraft und Bindungswirkung verfassungsgerichtlicher Entscheidungen, 1979, S. 68 f. und K.-P. Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band 2, 6. Aufl. 2010, Art. 20 Rn. 221. 234 D. Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, Band 4, 22. Aufl. 2008, § 322 Rn. 27 f.; W. Lüke, Zivilprozessrecht, 10. Aufl. 2011, Rn. 351. 235 M. Sachs, Die Bindung des Bundesverfassungsgerichts an seine Entscheidungen, 1977, S. 37; D. Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, Band 4, 22. Aufl. 2008, § 322 Rn. 75; C. F. Germelmann, Die Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen in der Europäischen Union, 2009, S. 53; vgl. auch J. Martens, Die Praxis des Verwaltungsprozesses, 1975, S. 120 ff.

A. Der Streitgegenstand in § 121 VwGO

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Entscheidung in ihrem Sinne getroffen wäre236. Zur schnellen Streitbeendigung und damit Herstellung von Rechtsfrieden wäre eine Vollverbindlichkeit deswegen weniger geeignet als ein begrenzter Umfang der Urteilsverbindlichkeit. Demnach deuten sowohl der Wortlaut als auch die Historie, der Zweck der Vorschrift und der Grundsatz der Gewaltenteilung darauf hin, dass eine Grenzziehung zwischen bindenden und nicht bindenden Urteilselementen erforderlich ist. Andernfalls liefe schon das Merkmal „über den Streitgegenstand“ in § 121 VwGO leer. Mag die Teilung nach dem Gesagten zwar nicht rechtslogisch vorgegeben sein, so ist sie doch gesetzlich vorgeschrieben. Mithin bedarf es ihrer Vornahme und damit der Entwicklung eines Abgrenzungskriteriums. bb) Ermittlung des Abgrenzungskriteriums Besteht damit die Notwendigkeit der Abgrenzung, so ist ihr die Überlegung voranzustellen, an welchen Entscheidungsmaßstäben mögliche Abgrenzungskriterien zu messen sind. Nach dem im ersten Kapitel dieser Untersuchung dargestellten Stand der Diskussion237 wird angenommen, dass das verwaltungsgerichtliche Urteil mittels seiner Rechtskraft mehrere Funktionen zu erfüllen in der Lage sein müsse. Der Streitgegenstand sei demgemäß als Summe all jener Elemente zu betrachten, die er notwendig umfassen müsse, damit das Urteil diese Funktionen erfüllen könne. Oder, mit anderen Worten: „Der gewünschte Umfang der Rechtskraft bestimmt […] den Streitgegenstand. Dieser wird dadurch von den Füßen auf den Kopf gestellt.“238 Soweit die bisherige Untersuchung ergeben hat, dass keine rechtslogisch zwingende Vorgabe für die Bestimmung des Streitgegenstandes besteht, scheint eine an den Urteilsfunktionen ausgerichtete Bestimmung als überzeugender Weg. Sollte es nämlich Funktionen geben, die ein Urteil mittels Rechtskraftwirkung erfüllen muss, so muss der die Reichweite der Rechtskraft bestimmende Streitgegenstandsbegriff in der Lage sein, diese Erfüllung sicherzustellen. Andernfalls würde die Begriffsbestimmung der Rechtsordnung zuwiderlaufen. Damit ist zunächst zu klären, welche Funktionen ein Urteil mittels seiner Rechtskraftwirkung erfüllen muss. Die hierbei gewonnenen Ergebnisse sind dann in einem zweiten Schritt als Maßstäbe für die Inhaltsbestimmung des Streitgegenstandsbegriffs zugrunde zu legen. Diese Untersuchung soll im Folgenden stattfinden. 236

Vgl. dazu W. Grunsky, Zivilprozessrecht, 13. Aufl. 2008, Rn. 241a; D. Leipold, in: Stein/ Jonas, ZPO, Band 4, 22. Aufl. 2008, § 322 Rn. 68; BAG NJW 2003, S. 1204 (1205). 237 Vgl. dazu oben, Erstes Kapitel, B. (S. 12 ff.). 238 C. Bickenbach, Das Bescheidungsurteil als Ergebnis einer Verpflichtungsklage, 2006, S. 214; so auch S. Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im Öffentlichen Recht, 1995, S. 50; demgegenüber kritisch M. Kilian, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 121 Rn. 46, der den Streitgegenstand und damit die Rechtskraft eng fassen will, aber als Ausgleich die zusätzliche Kategorie der unabhängig vom Streitgegenstand bestehenden „erweiterten Rechtskraftwirkung“ verwendet. Im Ergebnis besteht damit nur ein terminologischer Unterschied.

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2. Kap.: Auslegung der VwGO-Vorschriften

(1) Kriterium: Feststellung der Rechtswidrigkeit für einen anschließenden Amtshaftungsprozess Als eine jener wesentlichen Funktionen eines verwaltungsgerichtlichen Urteils – insbesondere eines Anfechtungs- und Verpflichtungsurteils – wird es nach dem eingangs zum Stand der Diskussion Dargelegten239 angesehen, die Entscheidung eines Zivilgerichtes in einem etwaig folgenden Amtshaftungsprozess teilweise zu determinieren: Gebe das Verwaltungsgericht einer Anfechtungsklage statt, stelle es im Urteil zugleich die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes fest und kläre damit verbindlich eine Vorfrage des Amtshaftungsverfahrens240. Dies liege darin begründet, dass der Erlass eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes regelmäßig – wenn auch nicht notwendig241 – die Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht und damit die Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals des Anspruchs aus Art. 34 Satz 1 GG i.V.m. § 839 BGB darstelle242. (a) Historische Entwicklung Entwickelt wurde diese Funktion vor allem in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes243, der 1953 die Frage nach einer Bindungswirkung verwaltungsgerichtlicher Urteile anfangs noch offen ließ244, sich aber in einem zweiten Fall245 im selben Jahr für eine weit reichende Bindung entschied. Dem lag ein Sachverhalt zugrunde, aus dem ein Vermieter einen Amtshaftungsanspruch geltend machte, da ihm durch eine – vom Verwaltungsgericht auf seine Anfechtung hin aufgehobene – Wohnungseinweisungsverfügung ein Mietausfall entstanden sei. Zu beurteilen hatte der Bundesgerichtshof die Bindungswirkung des verwaltungsgerichtlichen Urteils

239

Vgl. dazu oben, Erstes Kapitel, B. III. (S. 24 ff.). B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 61; S. Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkung im Öffentlichen Recht, 1995, S. 118 f.; H. v. Nicolai, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, 15. Aufl. 2010, § 121 Rn. 9 f.; K. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 121 Rn. 25; W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 13. Aufl. 2012, Rn. 609 f.; C. H. Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 9. Aufl. 1987, S. 217; T. Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, 3. Aufl. 2011, Rn. 246; BVerwGE 77, S. 102 (106). 241 Vgl. nur Stein/Itzel/Schwall, Praxishandbuch des Amts- und Staatshaftungsrechts, 2. Aufl. 2012, Rn. 93 f., insbes. 94; R. Steinberg/A. Lubberger, Aufopferung – Enteignung und Staatshaftung, 1991, S. 281; S. Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im Öffentlichen Recht, 1995, S. 118 f. m.w.N. 242 B. Tremml/M. Karger/M. Luber, Der Amtshaftungsprozess, 3. Aufl. 2009, Rn. 105 m.w.N.; F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 59. 243 Vgl. die sehr instruktive Aufarbeitung der Rechtsprechungsentwicklung bei W. Geiger, in: Külz/Naumann, Staatsbürger und Staatsgewalt, 1963, S. 183 ff. 244 BGH JZ 1953, S. 410 (410): „Einer [eigenen, Anm. d. Verf.] Prüfung könnte möglicherweise allerdings die materielle Rechtskraft eines verwaltungsgerichtlichen Urteils entgegenstehen“ – ob dem so sei, wurde offengelassen. 245 BGHZ 9, S. 329. 240

A. Der Streitgegenstand in § 121 VwGO

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nach dem damaligen § 80 der MilRegVO Nr. 165246, der statuierte: „Rechtskräftige Urteile binden die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger für den durch die Urteilsbegründung rechtlich bestimmten Streitgegenstand.“ Für das Verwaltungsgericht war hingegen § 23 Abs. 1 Satz 1 MilRegVO Nr. 165 maßgeblich, welcher bestimmte: „Die Anfechtung eines Verwaltungsaktes kann nur darauf gestützt werden, daß der Verwaltungsakt den Kläger in seinen Rechten beeinträchtige, weil er rechtswidrig sei.“ Nachdem der Bundesgerichtshof zu dem Schluss gekommen war, dass Urteilen von Verwaltungsgerichten materielle Rechtskraft zukomme, argumentierte er: Wenn „Rechtswidrigkeit […] nach § 23 MilRegVO Nr 165 der einzige Grund für die Aufhebung des Verwaltungsaktes sein kann […], muß die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Aufhebung des Aktes immanent sein.“247 Das mit diesem logischen Schluss begründete Ergebnis entspricht seitdem ständiger Rechtsprechung248 und wurde auch in der Literatur im Ergebnis akzeptiert249. (b) Herleitung der verbindlichen Entscheidung Gleichwohl stellt sich die Frage, ob diese Wirkung eines verwaltungsgerichtlichen Urteils überhaupt eine Frage der materiellen Rechtskraft ist, die § 121 VwGO regelt. Daran mag man zunächst aufgrund des Wortlautes zweifeln: Enthält die Norm nämlich einen abschließenden Katalog der gebundenen Personen, der sich grundsätzlich nur auf die Beteiligten erstreckt, fehlt ihr ein Hinweis darauf, dass auch Richter – zumal solche anderer Gerichtsbarkeiten – an das Urteil gebunden sind250. Dem lässt sich jedoch folgende Erwägung entgegenhalten: Ist das verwaltungsgerichtliche Urteil nach dem Gesagten ein Rechtssatz, der zwischen den Beteiligten gilt und bestimmt, was für sie rechtens ist251, muss ein nach Art. 20 Abs. 3 GG an das Recht gebundenes Zivilgericht diesen Rechtssatz anwenden252. Sollte also ein ver246

VOBl. Britische Zone 1948, 263 = ABl. MilReg 1948, 799. BGHZ 9, S. 329 (331). 248 Vgl. nur BGHZ 9, S. 329; 10, S. 220 (225); 20, S. 379 (382 f.); 77, S. 338 (341 f.); 90, S. 4 (12); 95, S. 28 (35); 113, S. 17 (20); Wohl nur terminologisch abweichend BGHZ 10, S. 220 (225) mit der Ausführung, dass ein „rechtskräftiges Urteil eines Verwaltungsgerichts, durch das auf Anfechtungsklage hin ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, zugleich die rechtskräftige Feststellung der Rechtswidrigkeit dieses Verwaltungsaktes“ enthalte. 249 Nachweise oben, Fn. 240. 250 Eine solche Bindung nimmt BVerwG Buchholz 448.0 § 5 WPflG Nr. 23 „aus dem Rechtsstaatsprinzip“ an. 251 Vgl. dazu schon oben, Zweites Kapitel, A. I. (S. 32 ff.); vgl. auch O. Mayer, AöR 21 (1907), S. 1 (19 ff., insbes. 24, 29 f.). 252 Diese Überlegung greift auch dann, wenn etwa im Verwaltungsprozess gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO die Behörde für den Rechtsträger auftritt, im Amtshaftungsprozess vor dem Zivilgericht hingegen der Rechtsträger selbst Beklagter ist. Entgegen W. Geiger, in: Külz/ Naumann, Staatsbürger und Staatsgewalt, 1963, S. 183 (202 f.) ändert dies nichts daran, dass im Verwaltungsprozess über das materielle Recht zwischen dem Kläger und dem Rechtsträger entschieden wird. Die Behörde ist nämlich materiell-rechtlich nicht selbst Zuordnungssubjekt, sondern handelt für den Rechtsträger. Sie tritt auch prozessual lediglich als Prozessstand247

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2. Kap.: Auslegung der VwGO-Vorschriften

waltungsgerichtliches Urteil zwischen den Beteiligten die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes verbindlich feststellen, müsste ein Zivilgericht diese im Urteil enthaltene Feststellung als geltende Rechtslage dem Amtshaftungsverfahren zugrunde legen: Der Verwaltungsakt wäre dann rechtswidrig, weil und soweit das Urteil dies festlegt. Das Urteil gliche insofern in seiner Wirkung jener eines bestandskräftigen feststellenden Verwaltungsaktes253 : Für diesen ist die bisherige Rechtslage ebenfalls insofern unerheblich, als er selbst sie im Einzelfall seinem Inhalt gemäß festschreibt – gegebenenfalls mag die Festschreibung, soweit sie der bisherigen Rechtslage widerspricht, zwar rechtswidrig sein, jedoch ist sie wirksam254. Grundsätzlich ist damit denkbar, dass ein verwaltungsgerichtliches Urteil mittels der Rechtskraftwirkung nach § 121 VwGO die Funktion erfüllen kann, verbindlich eine Frage für ein mit dem Amtshaftungsverfahren befasstes Zivilgericht zu klären. Fraglich scheint jedoch, ob die Erfüllung dieser Funktion durch ein verwaltungsgerichtliches Urteil notwendig Entscheidungsmaßstab für die Inhaltsbestimmung des Streitgegenstandsbegriffs in § 121 VwGO ist. Das setzt nämlich zweierlei voraus: zum einen, dass die Bindung des mit dem Amtshaftungsverfahren befassten Zivilgerichtes an die Beurteilung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes durch das Verwaltungsgericht wirklich erforderlich ist255. Zum Zweiten, dass sich diese Bindung nicht sicherstellen lässt, wenn keine über die Aufhebung des Verwaltungsaktes hinausgehende verbindliche Feststellung etwa über die Rechtswidrigkeit des oder Rechtsverletzung durch den Verwaltungsakt(es) im Urteil des Verwaltungsgerichtes enthalten ist. Denkbar scheint, dass schon die zweite Voraussetzung nicht gegeben ist. Ist nämlich das Urteil des Verwaltungsgerichtes ein Rechtssatz, so ist es der Auslegung und Anwendung auf einen Sachverhalt fähig. Betrachtet man die ursprüngliche Begründung des Bundesgerichtshofes in diesem Lichte, hat das Gericht die Erkenntnis der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes durch einen Rückschluss aus zwei Rechtssätzen gewonnen: die Feststellung der Aufhebung des Aktes im Urteil einerseits und § 23 MilRegVO Nr. 165 andererseits. Es handelt sich dabei also um ein Ergebnis systematischer Auslegung. Diese ist auch heute möglich. Auch nach § 113 schafterin für ihn auf, vgl. M. Brenner, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 78 Rn. 5; M. Happ, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 78 Rn. 4; C. Meissner, in: Schoch/Schneider/ Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 78 Rn. 38 m.w.N.; BVerwGE 80, S. 127 (128). 253 Dazu U. Stelkens, in: P. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 35 Rn. 219 f.; H. A. Wolff/M. Ronellenfitsch, in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, Stand: 01. 07. 2012, § 35 Rn. 138 ff. 254 Plastisch ausgedrückt bei H. A. Wolff/M. Ronellenfitsch, in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, Stand: 01. 07. 2012, § 35 Rn. 138: Sind „diese Konkretisierungen der Rechtslage inhaltlich unzutreffend und damit rechtswidrig, ohne nichtig zu sein, so verändern sie wegen der Wirksamkeit rechtswidriger Verwaltungsakte die Rechtslage.“ 255 Zu dieser Annahme vgl. W. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974, § 37 IV 2 (S. 523): „Das Schadensersatzbegehren steht […] in so engem Zusammenhang mit dem Streitgegenstand des Vorprozesses, daß widersprüchliche Entscheidungen ausgeschlossen sein müssen“.

A. Der Streitgegenstand in § 121 VwGO

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Abs. 1 Satz 1 VwGO muss jeder aufgehobene Verwaltungsakt rechtsverletzend und damit rechtswidrig gewesen sein256. Stünde also durch das verwaltungsgerichtliche Urteil nur verbindlich fest, dass der angefochtene Verwaltungsakt aufgehoben sei, ließe sich aus dieser Information und der Aussage des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ebenfalls schließen, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen sei. Es stellt sich damit lediglich die Frage, wer den Schluss auf die Rechtswidrigkeit vornehmen muss. Enthält das verwaltungsgerichtliche Urteil nur die Information der Aufhebung, ist es das Zivilgericht, das daraus und aus § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO auf die Rechtswidrigkeit schließen muss. Enthält das Urteil hingegen selbst die verbindliche Feststellung der Rechtswidrigkeit, muss das Zivilgericht den Schluss nicht mehr selbst vornehmen, sondern muss das Ergebnis ohne eigene Überlegungen zugrunde legen. Dieser Unterschied wird aber nur dann relevant, wenn die Gefahr besteht, dass das Zivilgericht zu einem anderen Ergebnis kommen kann als das Verwaltungsgericht. Eben diese Gefahr ist jedoch nicht gegeben. Es handelt sich nämlich bei der Aufhebung des Verwaltungsaktes durch das Verwaltungsgericht nicht um eine Tatsache, die etwa aufgrund des verwaltungsgerichtlichen Urteils zu vermuten wäre und für die dann – nach § 292 Satz 1 ZPO – der Gegenbeweis zulässig wäre. Denn das würde voraussetzen, dass es sich um tatsächliche Umstände257 handelt, aufgrund derer das Vorliegen einer Rechtsfolge oder anderer tatsächlicher Umstände anzunehmen wäre258. Der Schluss von der Aufhebung des Verwaltungsaktes auf seine Rechtswidrigkeit ist jedoch, weil sowohl das Urteil als auch § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO Rechtssätze sind, ein solcher aus zwei Rechtssätzen259 auf eine Rechtsfolge, also ein rechtlicher Schluss. Rechtliche Schlussfolgerungen sind nach dem Grundsatz iura novit curia mangels Tatsachenqualität dem Beweis entzogen und damit dem Gericht vorbehalten260. Deswegen wäre der Schluss von den Parteien nicht zu erschüttern und das Zivilgericht könnte, ohne sich erneut mit einem Sachvortrag auseinandersetzen zu müssen, die Rechtswidrigkeit des aufgehobenen Verwaltungsaktes bejahen. Im 256 Anders nur im Falle eines sachlich falschen Urteils; daraus sollen aber keine Konsequenzen gezogen werden, weil die Bindung auch an falsche Urteile hier vorausgesetzt wird; ebenso BVerwGE 95, S. 256 (259); 82, S. 272 (274); 14, S. 359 (363: „Die Möglichkeit, daß infolge der Rechtskraft eine unrichtige Entscheidung maßgeblich bleibt, ist geringer zu veranschlagen als die Rechtsunsicherheit, die ohne die Rechtskraft bestehen würde.“). 257 O. Jauernig, Zivilprozessrecht, 29. Aufl. 2007, § 50 VI (S. 167); W. Lüke, Zivilprozessrecht, 10. Aufl. 2011, Rn. 266; D. Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, Band 4, 22. Aufl. 2008, § 292 Rn. 9, 13; vgl. nur allgemein A. Blomeyer, Zivilprozeßrecht – Erkenntnisverfahren, 2. Aufl. 1985, S. 348; L. Rosenberg/K. H. Schwab/P. Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl. 2010, § 111 Rn. 2 ff. 258 Vgl. die Beispiele bei E. Schilken, Zivilprozessrecht, 6. Aufl. 2010, Rn. 471; L. Rosenberg/K. H. Schwab/P. Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl. 2010, § 112 Rn. 33 ff. 259 Nicht zu verwechseln ist insofern die Frage nach dem Bestehen des Rechtssatzes „Urteil“ mit der Frage nach seinem Inhalt (Rechtsfrage): „Das Bestehen einer Rechtsnorm ist zwar eine Tatsache im logischen Sinn, aber keine Tatsache im Sinn des Beweisrechts“, L. Rosenberg/K. H. Schwab/P. Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl. 2010, § 111 Rn. 4. 260 Vgl. W. Grunsky, Zivilprozessrecht, 13. Aufl. 2008, Rn. 41 a.E.

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2. Kap.: Auslegung der VwGO-Vorschriften

Ergebnis wäre damit sichergestellt, dass auch ohne verbindliche Feststellung der Rechtswidrigkeit im verwaltungsgerichtlichen Urteil das Zivilgericht nicht zu einem anderen Ergebnis käme261. Es bedarf also unter diesem Gesichtspunkt keines Rückgriffs auf das Institut der in § 121 VwGO geregelten materiellen Rechtskraft. (c) Ergebnis zum Amtshaftungsprozess Selbst wenn man also eine Bindung des Zivilgerichtes für eine der wesentlichen Funktionen eines verwaltungsgerichtlichen Urteils hält, ist diese Funktion für die Bestimmung des Streitgegenstandes ohne Belang262. Dies liegt darin begründet, dass das Verwaltungsgericht über die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes oder die Rechtsverletzung durch den Verwaltungsakt mit Blick auf ein Amtshaftungsverfahren nicht verbindlich entscheiden muss. Es genügt, wenn es die Aufhebung des Verwaltungsaktes verbindlich vornimmt. Aus dem Rechtssatz des Urteils, welcher den Verwaltungsakt aufhebt, und dem in § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO enthaltenen Rechtssatz kann das Zivilgericht schließen, dass der aufgehobene Verwaltungsakt rechtsverletzend war. Dieser rechtliche Schluss ist nach dem Grundsatz iura novit curia dem Zivilgericht vorbehalten und kann deswegen nicht durch einen Vortrag der Parteien erschüttert werden. Die Bindung eines mit einem Amtshaftungsprozess befassten Zivilgerichtes durch ein verwaltungsgerichtliches Urteil muss daher nicht zur Ermittlung eines Wertungskriteriums zur Streitgegenstandsbestimmung in § 121 VwGO herangezogen werden. (2) Kriterium: Verbot, nach stattgebendem Anfechtungsurteil einen inhaltsgleichen neuen Verwaltungsakt zu erlassen (Verwaltungsakt-Wiederholungsverbot) Als weitere wichtige Funktionen eines verwaltungsgerichtlichen Urteils – insbesondere eines Anfechtungsurteils – wird es einhellig angesehen, den Beklagten am Erlass eines inhaltsgleichen, neuen Verwaltungsaktes zu hindern263.

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Nicht ausgeschlossen scheint auch, den Satz, einem stattgebenden verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsurteil ließe sich gleichsam auch eine verbindliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes entnehmen, als Gewohnheitsrecht aufzufassen. Ein solches kann jedenfalls aus ständiger Rechtsprechung entstehen und setzt eine über längere Zeit „tatsächlich überwiegend befolgte Regel“ voraus, die „Ausdruck einer […] begleitenden Rechtsüberzeugung ist“, vgl. K. Larenz, C.-W. Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 176 f. 262 Anders aber die herrschende Meinung, vgl. statt aller nur W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 13. Aufl. 2012, Rn. 608 f.; weitere Nachweise oben, FN 240. 263 B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 59; F. O. Kopp/ W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 121 Rn. 21; K. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 121 Rn. 25; V. Schmid, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 88 Rn. 9; C. H. Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 9. Aufl. 1987, S. 313; T. Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, 3. Aufl. 2011, Rn. 246; S. Detterbeck, NVwZ 1994, S. 35; ders., Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im Öffentlichen Recht, 1995, S. 106 ff.; J. H. Gotzen, Das Verwal-

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(a) Historische Entwicklung Entwickelt hat das Bundesverwaltungsgericht diese Funktion in einem Urteil vom 30. August 1962264. Dort hatte es einen Fall zu entscheiden, in dem eine Klägerin einen Verwaltungsakt anfocht, der ihr die Verhaltenspflicht aufgab, einen in ihrem Eigentum stehenden Weg „zur Benutzung für die Öffentlichkeit freizuhalten“. Dieselbe Verhaltenspflicht war bereits, ebenfalls in Form eines Verwaltungsaktes, mehr als 30 Jahre zuvor ihrer Rechtsvorgängerin aufgegeben worden. Diese hatte den früheren Verwaltungsakt jedoch erfolgreich angefochten – er war 1930 gerichtlich aufgehoben worden, da er aufgrund mangelnder Öffentlichkeit des fraglichen Weges „nicht gerechtfertigt“ gewesen sei. Das Bundesverwaltungsgericht legte für die Beurteilung der Rechtskraft des damaligen Urteils den Maßstab des § 121 VwGO an. Ungeachtet der Frage nach der Richtigkeit dieses Vorgehens265 führte es aus: „[Das damalige Urteil] bindet somit die Streitteile hinsichtlich der Entscheidung über den Streitgegenstand. Gegenstand des Streites war im Jahre 1930 die Rechtsbehauptung der Beklagten, die (damalige) Klägerin sei zur Offenhaltung des Weges verpflichtet, weil es sich bei der streitigen Fläche um einen öffentlichen Weg handle. [… An die] Entscheidung, durch die die Rechtsbehauptung der Beklagten verneint worden ist, sind die jetzige Klägerin und die Beklagte gebunden.“266 Damit sei ein Verwaltungsakt, der die Klägerin nunmehr auf dieselbe Weise in Anspruch nehme, ohne zwischenzeitliche Änderung der Sach- oder Rechtslage „rechtswidrig, weil er entgegen der rechtskräftigen Entscheidung von 1930 ergangen ist“267. An diesem Ergebnis hält das Bundesverwaltungsgericht seitdem in ständiger Rechtsprechung fest268. Allerdings sieht es ein Wiederholungsverbot nun nicht mehr als Folge einer verbindlichen Vorentscheidung über die Rechtsbehauptung der Beklagten, sondern als Entscheidung über die Rechtsbehauptung des Klägers, ein bestimmter, von ihm angefochtener Verwaltungsakt sei rechtswidrig und verletze ihn dadurch in seinen Rechten269.

tungsakt-Wiederholungsverbot, 1997, S. 25 ff.; BVerwGE 91, S. 256 (257); BVerfGE 47, S. 146 (165 f.). 264 BVerwGE 14, S. 359; vgl. zur früheren Rechtsprechung, insbesondere zur entgegenstehenden Ansicht des Preußischen OVG, J. H. Gotzen, Das Verwaltungsakt-Wiederholungsverbot, 1997, S. 5 ff. sowie an Vorläufern der BVerwG-Entscheidung etwa OVG Lüneburg, DVBl. 1952, S. 693. 265 Dazu kritisch H. J. Müller, DVBl. 1963, S. 404 (405). 266 BVerwGE 14, S. 359 (361 f.). 267 BVerwGE 14, S. 359 (363). 268 BVerwGE 16, S. 224 (226); 29, S. 210 (213 f.); 40, S. 101 (104); 91, S. 256 (258); 116, S. 1 (3). 269 BVerwGE 40, S. 101 (104); BVerwG DVBl. 1989, S. 933 (933); BVerwGE 91, S. 256 (257); 116, S. 1 (3); bloßes Abstellen auf die Behauptung, der Verwaltungsakt verletze den Kläger in seinen Rechten bei BVerwGE 29, S. 210 (211 f.); 39, S. 247 (249); BVerwG Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 78; BVerwG Buchholz 428.1 § 4 InVorG Nr. 7.

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2. Kap.: Auslegung der VwGO-Vorschriften

(b) Herleitung und Kritik des Wiederholungsverbotes Hebt ein Gericht einen Verwaltungsakt mit rechtskräftigem Urteil auf, beseitigt es ihn aus der Rechtsordnung und damit auch seine Wirksamkeit gemäß § 43 Abs. 2 Variante 3 VwVfG270. Die von diesem Verwaltungsakt angeordnete Rechtsfolge besteht also nicht mehr. Will der Verwaltungsträger nach einem solchen Urteil dieselbe Rechtsfolge im Einzelfall gegenüber dem ehemaligen Kläger neu setzen, muss er einen neuen Verwaltungsakt erlassen. Eine mit dem aufgehobenen Akt inhaltsgleiche, nach dem Urteil erlassene Verfügung ist also ein neuer Verwaltungsakt271, der folglich wiederum angefochten werden kann. Soll das Gericht verpflichtet sein, ihn aufzuheben, ist dafür normativer Ausgangspunkt die Regelung des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO272. Der neuerliche Verwaltungsakt muss also, damit das Gericht ihn aufheben muss, gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO rechtswidrig und dadurch rechtsverletzend sein. Es erscheint denkbar, dass er rechtswidrig und dadurch rechtsverletzend ist, weil er gegen einen im vorangegangenen Urteil enthaltenen Rechtssatz verstößt (wobei sowohl denkbar ist, dass selbiger objektives oder subjektives Recht enthält). Dies dürfte gemeint sein, wenn das Bundesverwaltungsgericht ausführt, der neue Verwaltungsakt könne deswegen „rechtswidrig [sein], weil er entgegen der rechtskräftigen Entscheidung von 1930 ergangen ist“273. Soll ein Verstoß gegen das vorangegangene Urteil den nachfolgenden Verwaltungsakt rechtswidrig oder gar rechtsverletzend machen, ist dafür Voraussetzung, dass das Urteil, soweit es Rechtssatz ist, überhaupt eine Aussage über einen nachfolgenden Verwaltungsakt trifft. (aa) Behauptung des Beklagten Nach Maßgabe der Entscheidung vom 30. August 1962274 erscheint es zunächst plausibel, dies anzunehmen. Betrachtet man als Streitgegenstand nämlich die Rechtsbehauptung der Beklagten, die im Verwaltungsakt tatsächlich getroffene Regelung treffen zu dürfen, könnte diese im ersten Verfahren rechtskräftig verneint worden sein. Es bestünde dann mit dem rechtskräftigen Urteil ein Rechtssatz zwischen den Beteiligten, der verbindlich feststellt, dass diese Regelung nicht getroffen werden darf. Diese Feststellung wäre in ihrer Abstraktheit geeignet, auch künftige 270 M. Sachs, in: Stelkens/Bonk/ders., VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 43 Rn. 201 m.w.N. Die Abkürzung VwVfG wird in dieser Arbeit zur Bezeichnung der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder verwendet. 271 So richtig K. Erfmeyer, DVBl. 1997, S. 27 (31), der deswegen den Begriff der „wiederholenden Verfügung“ ablehnt. 272 Anders freilich, wenn man davon ausgeht, dass die Rechtskraft des ersten Urteils auch anschließende Verwaltungsakte erfasse und Rechtskraft keine erneute Entscheidung, sondern nur eine abweichende Neuentscheidung verbiete. Dazu ausführlich noch unten, Zweites Kapitel, A. III. 2. b) bb) (2) (b) (cc) (S. 70 ff.). 273 BVerwGE 14, S. 359 (363). 274 BVerwGE 14, S. 359.

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Verwaltungsakte zu erfassen. Ob sie aber als Streitgegenstand zu betrachten ist, scheint fraglich. Zum einen würde man sich damit vom konkret angefochtenen Verwaltungsakt lösen, der zum bloßen Anlass der Entscheidung würde275. Die Anfechtung hätte lediglich die Funktion eines Verfahrens-Anstoßes; nach diesem müsste das Gericht vollumfänglich kontrollieren, ob der Verwaltungsträger objektiv-rechtlich befugt war, diesen Akt zu erlassen. Eine solche objektive Kontrolle würde jedoch noch nicht den eigentlichen Ausgang des Verfahrens, nämlich die Aufhebung oder Nichtaufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes, determinieren. Hierfür ist erst ein Verstoß gegen subjektive Rechte des Klägers entscheidend, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Kontrolle der objektiv-rechtlichen Befugnis wäre insofern auch kompetenzwidrig, denn wie die §§ 42 Abs. 2, 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO zeigen, darf das Gericht über eine objektive Rechtswidrigkeit nur entscheiden, soweit sich daraus die subjektive Rechtsverletzung des Klägers ergibt. Die Rolle des Klägers dergestalt auf den Anstoß eines objektiven Kontrollverfahrens zu beschränken, entspricht auch nicht mehr dem heutigen Modell der Verwaltungsrechtsprechung als Institution zum Schutz subjektiver Rechte276 ; sie entspricht dem Verständnis jener Zeit, zu der sich die Verwaltungsrechtsprechung aus der Selbstkontrolle der Verwaltung zu einer eigenständigen Gerichtsbarkeit zu entwickeln begann und ihre heutige Selbständigkeit noch nicht gegeben war277. Ferner passt eine solche Konzeption der verbindlichen Urteilsentscheidung auch nicht zur Regelung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO. Gemäß dieser Norm führt die Erledigung des angefochtenen Verwaltungsaktes während des gerichtlichen Verfahrens grundsätzlich zur Erledigung der Hauptsache und verhindert damit eine Sachentscheidung. Wäre aber die für das Urteil vorgesehene verbindliche Sachentscheidung eine solche über die objektiv-rechtliche Befugnis des Verwaltungsträgers zum Erlass des Verwaltungsaktes, könnte sie unabhängig von der Erledigung des angefochtenen Verwaltungsaktes erfolgen. Seine Erledigung ließe die Haupt-

275

Vgl. dazu H. H. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 175. Vgl. nur W. Krebs, in: Erichsen/Hoppe/v. Mutius, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, Festschrift für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 191 (197); M. Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 113 Rn. 11. 277 Vgl. nur R. v. Gneist, Der Rechtsstaat und die Verwaltungsgerichte in Deutschland, 2. Aufl. 1879, S. 270 f.: „Wenn in bestrittenen Fragen [der öffentlichen Rechts-]Ordnung den Unterthanen rechtliches Gehör gewährt, contradictorisch verhandelt und Beweis aufgenommen wird, so geschieht es (wie im Strafprocess) zur Sicherung einer sinngemässen Ausführung der Gesetze. Man erkennt das Interesse der Beteiligten als einen Rechtsspruch an, aber in anderer Weise als da, wo der Rechtsschutz des Individualrechts nächster Zweck und Gegenstand der obrigkeitlichen Thätigkeit ist.“; ebenso noch W. Niese, JZ 1952, S. 353 (355 f.); vgl. dazu und zur geschichtlichen Entwicklung auch C. H. Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 9. Aufl. 1987, S. 4 f.; E. Schmidt-Aßmann/W. Schenk, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, Einleitung Rn. 76 ff. 276

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2. Kap.: Auslegung der VwGO-Vorschriften

sache unberührt. Die Normierung einer Regelung wie jener des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erschiene dann nicht notwendig278. Ginge man davon aus, dass mit einem stattgebenden ersten Urteil verbindlich über die Befugnis zum Erlass des Verwaltungsaktes entschieden würde, könnte sich außerdem ein Problem der Zulässigkeit einer zweiten Klage stellen. Erlässt nämlich der Verwaltungsträger nach dem ersten Urteil einen neuen, inhaltsgleichen Verwaltungsakt, so wäre der Streitgegenstand dieses Verfahrens mit dem des ersten Verfahrens identisch: Ob die Befugnis zum Erlass besteht, wurde bereits im ersten Verfahren entschieden. Unterstellt man zunächst – was noch zu untersuchen sein wird279 –, dass einer erneuten Entscheidung über denselben Streitgegenstand ein Zulässigkeitshindernis (res iudicata) entgegensteht, so wäre die Anfechtung des inhaltsgleichen, neuen Verwaltungsaktes unzulässig280. Letztlich wäre die Überlegung, mittels des Urteils würde verbindlich über die vom Beklagten behauptete objektiv-rechtliche Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes entschieden, auch nur für ein stattgebendes Anfechtungsurteil stimmig: Hebt das Gericht den angefochtenen Verwaltungsakt gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO auf, war er nach der Überzeugung des Gerichtes rechtswidrig und dadurch rechtsverletzend, durfte also gegenüber dem Kläger nicht erlassen werden. Die Befugnis zum Erlass bestand nicht. Wiese das Verwaltungsgericht die Klage aber mangels Begründetheit ab, wäre damit nicht umgekehrt festgestellt, dass der Beklagte zum Erlass des Verwaltungsaktes objektiv-rechtlich befugt sei. Vielmehr ist auch denkbar, dass die Abweisung erging, weil der Verwaltungsakt zwar rechtswidrig war – also gerade keine Befugnis bestand, ihn zu erlassen –, er aber keine Rechte des Klägers verletzte. Dass der Streitgegenstand dergestalt für stattgebende und abweisende Urteile unterschiedlich sein sollte, scheint nicht überzeugend281; der Wortlaut des § 121 VwGO legt eher nahe, dass „über den“, also einen einheitlichen Streitgegenstand positiv oder negativ entschieden wird. Überdies liefe eine je nach Verfahrensausgang unterschiedliche Streitgegenstandsdefinition Gefahr, der Beliebigkeit anheimzufallen. Demnach ist Streitgegenstand und damit Inhalt des verbindlichen Teiles des Urteils – des Urteils-Rechtssatzes – also nicht die Befugnis der Beklagten zum Erlass des Verwaltungsaktes. Mithin trifft das Urteil auch keine verbindliche Aussage darüber, ob der Beklagte befugt oder nicht befugt sei, den Verwaltungsakt (über278

Darauf hinweisend H. J. Müller, DVBl. 1963, S. 404 (405). Vgl. dazu unten, Zweites Kapitel, A. III. 2. c) cc) (2) (S. 98 ff.). 280 K. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 121 Rn. 9; vgl. zum Problem auch S. Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im Öffentlichen Recht, 1995, S. 109. Man mag dies freilich mit der Behauptung überwinden, die Rechtskraft verbiete nur eine abweichende, aber nicht schlechthin eine wiederholte Entscheidung in derselben Sache, so etwa W. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974, § 47 III 2 (S. 494 ff.); ebenfalls noch H. v. Nicolai, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, 14. Aufl. 2004, § 121 Rn. 5 m.w.N.; BVerwGE 35, S. 234 (236); 82, S. 272 (274). 281 Anders W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 13. Aufl. 2012, Rn. 610. 279

A. Der Streitgegenstand in § 121 VwGO

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haupt, mithin auch erneut) zu erlassen. Daher kann ein neuerlicher Verwaltungsakt auch nicht aus diesem Grund gegen das frühere Urteil verstoßen. (bb) Behauptung des Klägers Betrachtet man mit der späteren Rechtsprechung die „Rechtsbehauptung des Klägers, ein bestimmter, von ihm angefochtener Verwaltungsakt sei rechtswidrig und greife in seine Rechtssphäre ein“282 als Streitgegenstand, so stellt sich die Frage, wie sich daraus ein Maßstab für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit künftiger Verwaltungsakte konstruieren lässt. Zwar bestünde mit dem stattgebenden Urteil ein Rechtssatz mit dem Inhalt zwischen den Beteiligten, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig und dadurch rechtsverletzend war. Jedoch ist eben dieser schon durch das Urteil aufgehoben und damit nicht mehr Teil der Rechtsordnung. Was immer auch Urteilsinhalt wäre, würde sich auf diesen vergangenen Verwaltungsakt beziehen. Ein erst nach dem Urteil erlassener, weiterer Verwaltungsakt mag zwar dieselbe Regelung zum Inhalt haben. Wer ihn deswegen aber als „dasselbe“ identifiziert, vernachlässigt, dass jeder Verwaltungsakt ein auf seinen Erlass gerichtetes Verwaltungsverfahren nach § 9 VwVfG abschließt283. Für jedes dieser Verfahren gelten eigene Rechtmäßigkeitsmaßstäbe, wie beispielsweise § 28 VwVfG, die bei Missachtung zur Rechtswidrigkeit des verfahrensabschließenden Aktes führen. Auch ein wiederholender Verwaltungsakt mit gleicher Regelung ist deswegen ein neuer, sein eigenes Verfahren abschließender Verwaltungsakt284. Deswegen kann eine im ersten Urteil möglicherweise über den dort angefochtenen Verwaltungsakt enthaltene Rechtswidrigkeitsfeststellung (oder eine – etwa mithilfe der Figur des kontradiktorischen Gegenteils285 konstruierte – Feststellung mangelnder Befugnis zum Erlass eben dieses Verwaltungsaktes286) nicht „denknotwendig“287 „dasselbe [betreffen]“288 wie 282 BVerwGE 91, S. 256 (257) m.w.N.; vgl. schon BVerwGE 40, S. 101 (104); BVerwG DVBl. 1989, S. 933 (933); BVerwGE 91, S. 256 (257); 116, S. 1 (3); bloßes Abstellen auf die Behauptung, der Verwaltungsakt verletze den Kläger in seinen Rechten bei BVerwGE 29, S. 210 (211 f.); 39, S. 247 (249); BVerwG Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 78; BVerwG Buchholz 428.1 § 4 InVorG Nr. 7. 283 K. Erfmeyer, DVBl. 1997, S. 27 (31); umstritten ist aber der Zeitpunkt des Endes des Verwaltungsverfahrens, vgl. F. O. Kopp/U. Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 9 Rn. 23a (Erlass des Widerspruchsbescheides); H. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 9 Rn. 193 (Bekanntgabe des Verwaltungsaktes); K. Ritgen, in: Knack/Henneke, VwVfG, 9. Aufl. 2010, § 9 Rn. 31 (Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes). Jedenfalls mit Abschluss des gerichtlichen Verfahrens ist es jedoch beendet. Deswegen ergeht ein wiederholender Verwaltungsakt immer aufgrund eines neuen Verfahrens. 284 So schon G. Wacke, Aör 79 (1953-54), S. 158 (172 ff., insbes. 174 f.). 285 Dazu H.-J. Musielak, in: ders., ZPO, 9. Aufl. 2012, § 322 Rn. 21 ff. 286 Man könnte erwägen, dass mit der Feststellung der Rechtswidrigkeit gleichzeitig auch die mangelnde Befugnis zum Erlass festgestellt würde, weil diese sich diese beiden Aussagen spiegelbildlich zueinander verhalten; vgl. F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 121 Rn. 21. Dieses wechselseitige Verhältnis besteht jedoch nicht mehr, wenn man von der Feststellung der Rechtsverletzung oder des Aufhebungsanspruchs als Streitgegenstand ausgeht.

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2. Kap.: Auslegung der VwGO-Vorschriften

im zweiten Verfahren, sondern allenfalls dasselbe Ergebnis haben289. Für dieses Ergebnis mögen dieselben Tatsachen- und Rechtsfragen wie im ersten Verfahren bedeutsam sein, doch bezogen sie sich dort, wie auch § 79 VwGO zeigt, auf ein anderes Angriffsobjekt290. Soll die Streitgegenstandsdefinition daher an eben dieses anknüpfen, ist sie ungeeignet, darüber hinaus künftige Verwaltungsakte zu erfassen. (cc) Erstreckung auf Verwaltungsakte „dieser Art“ Zu einem anderen Ergebnis gelangt man jedoch, sollte nicht nur über die Rechtswidrigkeit des und Rechtsverletzung durch den konkret angegriffenen Verwaltungsakt(es) entschieden werden, sondern gleichsam auch über alle anderen, etwaig folgenden Verwaltungsakte „dieser Art“291. Ungeachtet der Frage nach der Identifikation von Folgeakten als Akten „dieser Art“292 kann eine solche Streitgegenstandsbestimmung insbesondere aus drei Gründen problematisch sein: Zum Ersten wäre der Streitgegenstand im Zweitprozess, ginge es um die Anfechtung eines Verwaltungsaktes „derselben Art“, mit dem des Vorprozesses identisch. Dies ist notwendige Folge, definiert man den Streitgegenstand in Abstraktion vom konkret angegriffenen Verwaltungsakt dergestalt weit. Geht man zunächst – vorbehaltlich einer noch erfolgenden Untersuchung293 – davon aus, dass sich nach der Reichweite der Rechtskraft auch die Frage der res iudicata bemisst, stünde der Grundsatz des ne bis in idem der Zulässigkeit der Zweitklage entgegen294. Wer diesen Denn auch, wenn keine Rechte verletzt sind und damit keine Abwehransprüche bestehen, mag dennoch objektiv-rechtlich die Befugnis zum Erlass fehlen. 287 C. F. Germelmann, Die Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen in der Europäischen Union, 2008, S. 33. 288 K. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 121 Rn. 10. 289 F. Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 8. Aufl. 2011, § 10 Rn. 19 a.E.; selbst dies ist aber nicht notwendig so, wie schon der Fall eines erneut, diesmal jedoch unter Vermeidung der gerichtlich gerügten Rechtsfehler, erlassenen Verwaltungsaktes zeigt: Auf diese Weise kann zwischen den exakt gleichen Parteien mit exakt gleicher Regelung ein wiederholender Verwaltungsakt ergehen, was auch von der herrschenden Meinung als zulässig erachtet wird, vgl. nur B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 81. 290 Das konzediert zum Beispiel auch C. F. Germelmann, Die Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen in der Europäischen Union, 2008, S. 30. 291 So die insofern auf den „prozessualen Aufhebungsanspruch“ abstellende Lösung von S. Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im Öffentlichen Recht, 1995, S. 157 ff., insbes. 159; vgl. auch schon O. Bachof, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes, Band II, 1967, S. 199. 292 Dazu kritisch K. Erfmeyer, DVBl. 1997, S. 27 (28), der freilich a.a.O. auf S. 31 f. ein Differenzierungskriterium entwickelt. 293 Dazu krit. noch unten, Zweites Kapitel, A. III. 2. c) cc) (2) (S. 98 ff.). 294 M. Kilian, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 121 Rn. 75; K. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 121 Rn. 9 m.w.N.; F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 121 Rn. 10; C. F. Germelmann, Die Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen in der Europäischen Union, 2009, S. 32; L. Rosenberg/K. H. Schwab/P. Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl. 2010, § 151 Rn. 10.

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Grundsatz anerkennt und dennoch zur Zulässigkeit der zweiten Klage kommen möchte295, muss also entweder eine Ausnahme des ne bis in idem annehmen oder unterstellen, die Rechtskraft der Erstentscheidung verbiete nicht schlechthin eine Neuentscheidung über dieselbe Frage, sondern nur eine abweichende Neuentscheidung296. Zum Zweiten kann der Streitgegenstand nach dem Gesagten nicht über das hinausgehen, was im Urteil entschieden worden ist; er kann nur Teilmenge der enthaltenen Entscheidung sein297. Anfechtungsurteile enthalten aber schon tatsächlich in aller Regel keine Ausführungen über künftige Verwaltungsakte „derselben Art“, sondern beziehen sich – was schon § 79 VwGO zeigt – auf den konkret angefochtenen Verwaltungsakt, der mit dem wiederholenden Akt nach dem Gesagten gerade nicht identisch ist. Sind über einen späteren Verwaltungsakt schon keine Ausführungen im Urteil enthalten, enthält die Pyramide aufeinander aufbauender Urteilsentscheidungen also auch keine diesbezüglichen Entscheidungen. Aussagen über spätere Verwaltungsakte sind deswegen schon nicht als Entscheidungen im Urteil enthalten, können also erst recht nicht Entscheidungen über den Streitgegenstand sein. Selbst wenn aber Ausführungen über eine mangelnde Befugnis zum Erlass künftiger Verwaltungsakte mit vergleichbarer Regelung im Urteil enthalten wären, würde dies nichts ändern: Sie wären nach dem oben Gesagten nicht Teil der aufeinander aufbauenden Pyramide aus Urteilsentscheidungen, an deren Spitze die Aufhebung des konkreten, angefochtenen Verwaltungsaktes steht. Sie wären lediglich bei Gelegenheit dieser Entscheidungen vom Gericht geäußert worden. Deswegen wären sie nicht Teil dessen, worüber i.S.d. § 121 VwGO „entschieden worden ist“, sondern bloße obiter dicta. Damit können sie in keinem Fall vom Streitgegenstand erfasst werden298. Zum Dritten würde ein so definierter Streitgegenstand, da er sich auch auf nachfolgende Verwaltungsakte beziehen würde und sollte, der auf Aufhebung eines 295 Vgl. zu diesem Problem J. H. Gotzen, Das Verwaltungsakt-Wiederholungsverbot, 1997, S. 49 f. 296 W. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974, § 47 III 2 (S. 494 ff.); H. v. Nicolai, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, 14. Aufl. 2004, § 121 Rn. 5 m.w.N.; C. H. Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 9. Aufl. 1987, § 59 I 1 (S. 313); BVerwGE 35, S. 234 (236); 82, S. 272 (274); dazu kritisch M. Kilian, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 121 Rn. 75: Ausnahmen des ne bis in idem-Grundsatzes seien „mit rechtsstaatlichen Erwägungen schwer zu vereinbaren“. 297 Vgl. dazu oben, Zweites Kapitel, A. III. (S. 38 ff.). 298 Das spricht auch gegen eine Konstruktion, welche den Streitgegenstand als Rechtsverletzungsfeststellung und Aufhebungsanspruch definiert, wobei sich ersterer auf alle Verwaltungsakte dieser Art bezieht, letzterer nur auf den konkret angegriffenen, so wohl K. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 121 Rn. 25. Denn damit wäre eine zweite Anfechtungsklage zwar nicht wegen entgegenstehender Rechtskraft bzgl. des Aufhebungsanspruchs unzulässig, aber trotzdem lässt sich nicht darüber hinwegsehen, dass eine Aussage über Verwaltungsakte „derselben Art“ eben nicht aus dem Urteil zu gewinnen ist und deswegen insofern auch nichts vorliegt, was verbindlich eine Entscheidung über die Rechtsverletzung durch den neuerlichen Verwaltungsakt determinieren kann.

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2. Kap.: Auslegung der VwGO-Vorschriften

Aktes gerichteten Anfechtungsklage zugleich die Wirkung einer Unterlassungsklage zusprechen. Denn mit ihr würde auch über die Pflicht des Beklagten entschieden, in Zukunft den Erlass gleichartiger Verwaltungsakte zu unterlassen299. Eine solche Doppelfunktion verwaltungsgerichtlicher Klagen ist grundsätzlich denkbar, wie das Beispiel einer Verpflichtungsklage zeigt. Ein ihr stattgebendes Urteil kann die Verpflichtung zur Neubescheidung aussprechen und gleichzeitig einen zuvor ergangenen ablehnenden Verwaltungsakt aufheben. Der Sache nach kassiert ein solches Urteil (Anfechtungsklage) und verpflichtet gleichzeitig (Verpflichtungsklage)300. Allerdings liegt diese Besonderheit darin begründet, dass ohne sie schon der geltend gemachte materiell-rechtliche Anspruch auf Erlass des Verwaltungsaktes nicht bestünde: Existierte nämlich eine wirksame, bestandskräftige Ablehnung, würde diese die frühere Rechtslage verändern und damit abschließend bestimmen, dass kein Anspruch auf Erlass des Verwaltungsaktes besteht301. Überdies findet sich auch im Normtext der VwGO jedenfalls ein Anhaltspunkt für die Einbeziehung der ablehnenden Vorentscheidung in das Verfahren und Urteil, wenn es in § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO heißt, dass eine Verpflichtung ausgesprochen werde, „soweit die Ablehnung […] rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt“302 ist. Für eine Deutung der Anfechtungsklage als (auch) zukunftsgerichteter Klage fehlt indes jeder Anhaltspunkt im Normtext. Im Gegenteil zeigt § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, dass die Erledigung des angefochtenen Verwaltungsaktes grundsätzlich zur Erledigung der Hauptsache303 führt und damit eine Sachentscheidung verhindert. Wäre es aber eine wesentliche Funktion der An299 So BVerwGE 91, S. 256 (257): „Der Beklagten ist es aber infolge der Rechtskraftwirkung des § 121 VwGO auch verwehrt, in derselben Sache gegenüber demselben Beteiligten erneut eine [gleichartige Verfügung] zu erlassen“; enger S. Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im Öffentlichen Recht, 1995, S. 159, der einen solchen Unterlassungsbefehl im Urteil ablehnt und stattdessen den angefochtenen Verwaltungsakt aus dem den Streitgegenstand mitbestimmenden Lebenssachverhalt herausdefiniert. So trete zwischen erstem und zweitem Verwaltungsakt keine Veränderung der Sachlage ein, so dass noch immer derselbe Streitgegenstand vorliege. Die Überzeugungskraft einer so gewonnenen Verengung des Lebenssachverhaltes mag hier dahinstehen; denn letztlich kann diese Definition nicht darüber hinwegtäuschen, dass die im ersten Urteil enthaltene Entscheidung auch bei Detterbeck ein in der Zukunft liegendes Ereignis (Erlass des zweiten Verwaltungsaktes) mit umfasst, ja, mit umfassen soll. 300 J. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 113 Rn. 33, auch wenn er bzgl. der Aufhebung von einem nur „unselbständigen Anfechtungsannex“ spricht. 301 M.-J. Seibert, Die Bindungswirkung von Verwaltungsakten, 1989, S. 511, 520 und 530; C. Bickenbach, Das Bescheidungsurteil als Ergebnis einer Verpflichtungsklage, 2006, S. 48; F. O. Kopp, DVBl. 1983, S. 392 (399); R. Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 42 Abs. 1 Rn. 96; man wird in einer solchen Verpflichtungsklage daher die Zusammenfassung zweier Klagen zu sehen haben – einerseits die Anfechtung des Ablehnungsbescheides, andererseits die Verpflichtung zum Erlass des begehrten Verwaltungsaktes. Vgl. aber demgegenüber kritisch M. Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, Vorbemerkung § 113 Rn. 2: Die Ablehnung werde „nur deklaratorisch aufgehoben“. 302 Hervorhebung von Verf. 303 F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 113 Rn. 96.

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fechtungsklage, auch für die Zukunft den Erlass inhaltsgleicher Verwaltungsakte zu verhindern, könnte das Verfahren hinsichtlich dieses Zieles fortgeführt werden. Es läge dann nahe, bei Erledigung des angefochtenen Verwaltungsaktes eine Fortführung des Verfahrens zur Regel zu erklären, um dieser Funktion gerecht zu werden. Dann wäre aber zu erwarten, dass § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO die Verfahrensfortführung nicht vom gesondert zu prüfenden Vorliegen eines berechtigten Interesses abhängig macht, sondern umgekehrt nur für Ausnahmefälle eine Erledigung der Hauptsache regelt. Zudem spricht auch § 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO gegen eine Deutung der Anfechtungsklage als (Auch-)Unterlassungsklage, da er statuiert, dass mittels der Anfechtungsklage „die Aufhebung eines Verwaltungsakts […] begehrt werden“ könne. Das setzt einen bestehenden Verwaltungsakt voraus304. Das Begehren der Unterlassung eines künftigen Verwaltungsaktes ist im Wortlaut nicht enthalten. (dd) Vorgaben des materiellen Rechts Schon nach dem Gesagten ist in einem stattgebenden Anfechtungsurteil keine Entscheidung über künftige Verwaltungsaktes getroffen. Damit kann auch keine solche in Rechtskraft erwachsen. Mithin enthält das Urteil keinen Rechtssatz, der eine Aussage über künftige Verwaltungsakte trifft. Aus diesem Grund kann ein neuerlicher Verwaltungsakt auch nicht deswegen rechtsverletzend und damit aufzuheben sein, weil er gegen einen Rechtssatz in einem vorangegangenen stattgebenden Anfechtungsurteil verstößt. Für dieses bisher gewonnene Ergebnis spricht auch folgende Überlegung: Der mit der Anfechtungsklage verfolgte materiell-rechtliche Anspruch ist auf Aufhebung gerichtet305. Er ist also ein Anspruch, der auf eine bestehende Rechtsverletzung reagiert und ihre Beseitigung zum Ziel hat306. Besteht er, ist die Klage begründet307. Geht man davon aus, dass das Prozessrecht dem (subjektiven) materiellen Recht zur Durchsetzung verhelfen soll308, darf es dem Kläger nichts gewähren, was er materiell-rechtlich nicht verlangen kann. Wenn es also für die Begründetheit der Klage 304

Statt aller H. Sodan, in: ders./Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 42 Rn. 16; W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 13. Aufl. 2012, Rn. 182. 305 P. Baumeister, Der Beseitigungsanspruch als Fehlerfolge des rechtswidrigen Verwaltungsakts, 2006, S. 205 f., 345; D. Ehlers, in: ders./Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, 2009, § 22 Rn. 74 a.E. (S. 630); vgl. auch F. Schoch, VerwArch 79 (1988), S. 1 (33 ff.). 306 Vgl. dazu K. A. Bettermann, DÖV 1955, S. 528 (535); ausführlich auch H. H. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 153 ff.; M. Baldus/B. Grzeszick/S. Wienhues, Staatshaftungsrecht, 3. Aufl. 2009, Rn. 17. 307 Entscheidend für die Begründetheit der Anfechtungsklage ist allein das Bestehen des Aufhebungsanspruches, D. Ehlers, in: ders./Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, 2009, § 22 Rn. 75 (S. 630); M. Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, Vorbemerkung § 113 Rn. 4; W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 13. Aufl. 2012, Rn. 733, 809; wohl auch F. Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 8. Aufl. 2011, § 25 Rn. 41. 308 W. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974, § 1 II 1 b (S. 8); J. Ipsen, JURA 1987, S. 123 (124 f.); T. Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, 3. Aufl. 2011, Rn. 2.

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2. Kap.: Auslegung der VwGO-Vorschriften

ausreicht, dass der Kläger die Aufhebung des Verwaltungsaktes verlangen kann, darf ihm das Urteil nicht mehr gewähren als eben dies: die – wegen der Rechtskraft nicht mehr in Frage zu stellende – Verwirklichung des Rechtes auf Aufhebung des angegriffenen Verwaltungsaktes. Es darf ihm nicht gleichsam einen Unterlassungstitel gegen künftige Verwaltungsakte verschaffen. Das wäre nur anders, wenn der Kläger eben diese Unterlassung materiell-rechtlich auch verlangen könnte. Das setzt einen Unterlassungsanspruch voraus. Ein solcher besteht aber nur, wenn eine künftige Rechtsbeeinträchtigung durch Erlass eines neuerlichen Verwaltungsaktes „ernstlich zu besorgen“309, also überhaupt eine Wiederholungsgefahr310 gegeben ist. Das ist in einem Anfechtungsstreit schon durch den Edukationseffekt311 gerichtlicher Entscheidungen regelmäßig nicht der Fall312. Soll also das Anfechtungsurteil dem Kläger nicht mehr geben, als das materielle Recht ihm gewährt, muss sich seine Wirkung in der verbindlichen Aufhebung des konkret angefochtenen Verwaltungsaktes erschöpfen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, wie vielfach so oder ähnlich formuliert wird, aus dem „Sinn der Rechtskraft, dem Rechtsfrieden zu dienen und das Vertrauen in die Beständigkeit des Rechts zu schützen“313. Ist Rechtskraft ein Institut des Prozessrechts und dient das Prozessrecht der Durchsetzung materiellen Rechtes, kann es auch nur insoweit Rechtsfrieden und Vertrauen gewähren. Ein Kläger, dem materiellrechtlich kein Unterlassungsanspruch zusteht, darf also nicht darauf vertrauen, vermöge des Prozessrechts einen Unterlassungstitel zu erwirken. Denn das würde das gerichtliche Verfahren von einem Rechtsschutzverfahren in ein von der materiellen Rechtslage losgelöstes Rechtssetzungsverfahren verwandeln, was ersichtlich – vgl. §§ 42 Abs. 2, 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO – nicht gewollt ist. Auch das Gebot wirksamen Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG kann keine andere Beurteilung

309 M. Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, Vorbemerkung § 113 Rn. 13. 310 M. Baldus/B. Grzeszick/S. Wienhues, Staatshaftungsrecht, 3. Aufl. 2009, Rn. 85. 311 W. Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1984, S. 58 f. 312 Es wird davon ausgegangen, der Beklagte würde auch ohne rechtliche Verbindlichkeit der Rechtsbeurteilung durch das Gericht die „natürliche Autorität“ desselben wahren, M. Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 113 Rn. 93; H. A. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 113 Rn. 270. 313 BVerwGE 91, S. 256 (258 m.w.N.); einen Verstoß gegen das „Wesen der Rechtskraft“ befürchtet S. Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im Öffentlichen Recht, 1995, S. 108. Ähnlich formuliert R. Naumann, DVBl. 1952, S. 695 (695): „Man kann dazu zunächst einmal praktisch fragen, wozu die Verwaltungsgerichtsbarkeit eigentlich da ist, wenn die Behörde ihren Verwaltungsakt aus dem vom Verwaltungsgericht im Kassationsurteil gemißbilligten Grund ohne weiteres gegenüber demselben Staatsbürger wiederholen kann.“ Dies trifft den Kern: Eine solche Möglichkeit erscheint Naumann unbillig. Dabei ging er selbst davon aus, dass die Behörde dies tun kann – er wollte mit seiner Konstruktion vielmehr sicherstellen, dass sie es nicht darf. Das ist jedoch auch bei der hier vertretenen Lösung der Fall (siehe sogleich Punkt (c) Ergebnis zum Wiederholungsverbot).

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stützen314, weil Rechtsschutz gegen künftige Akte, also vorbeugender Rechtsschutz, verfassungsrechtlich nur geboten ist, soweit Rechtsschutz gegen eingetretene Rechtsverletzungen in der Sache „zu spät“ käme315. Die VwGO hält aber mit der Unterlassungsklage und dem einstweiligen Rechtsschutz Institute bereit, um sich gegen bevorstehende Verwaltungsakte zur Wehr zu setzen. Dafür, dass diese Institute den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 19 Abs. 4 GG nicht genügen würden, ist nichts ersichtlich. Sind aber die von Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen „Mindeststandards“316 eingehalten, ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn dem Anfechtungsurteil kein Wiederholungsverbot entnommen wird317. (c) Ergebnis zum Wiederholungsverbot Nach alledem ist also die Frage eines Verwaltungsakt-Wiederholungsverbotes nicht als Entscheidungsmaßstab für die Inhaltsbestimmung Streitgegenstandsbegriffs in § 121 VwGO heranzuziehen. Ein solches Verbot ist kein Fall der durch § 121 VwGO angeordneten Bindung318. Es ist vielmehr eine Beschreibung der materiellen Rechtslage: War es schon einmal aufgrund des bestehenden Sach- und Rechtsstandes rechtswidrig, einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen, wird ein Verwaltungsakt mit derselben Regelung ohne Änderung der Sach- und Rechtslage regelmäßig319 ebenfalls rechtswidrig sein. Ein Verbot, einen solchen neuerlichen Verwaltungsakt zu erlassen, folgt daher aus dem materiellen Recht. Es ist identisch mit dem schon für den ersten Verwaltungsakt bestehenden Erlassverbot, das sich schon aus der Pflicht zu rechtmäßigem Handeln nach Art. 20 Abs. 3 GG ergibt. Diese Pflicht ist nunmehr lediglich aufgrund der gerichtlichen Entscheidung dem Verwaltungsträger im konkreten Verhältnis zum Kläger verdeutlicht worden. Sie einzuhalten, ist damit eine Frage der Rechtsdisziplin320. Deswegen bedarf es auch keiner Begründung aus anderen Rechtssätzen, die ggf. unter Rückgriff auf „rechtsstaatliche Erwägungen“321 oder ein unmittelbar an die Beklagte adressiertes „ne bis in idem“-Verbot322 zu gewinnen sind.

314 Anders wohl E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, 65. EL 2012, Art. 19 Abs. 4 Rn. 290. 315 W. Krebs, in: v. Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Art. 19 Rn. 70; E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, 65. EL 2012, Art. 19 Abs. 4 Rn. 278 f. 316 W. Krebs, in: v. Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Art. 19 Rn. 68. 317 So im Ergebnis auch J. H. Gotzen, Das Verwaltungsakt-Wiederholungsverbot, 1997, S. 32 f. 318 Deswegen erübrigt sich auch das Problem der Einschränkung der Rechtskraft durch die §§ 48 ff. VwVfG, vgl. dazu F. O. Kopp/F. J. Kopp, NVwZ 1994, S. 1 (3 ff.). 319 Anders, wenn der Verwaltungsträger nunmehr einen neuerlichen Verwaltungsakt ohne Rechtsverstöße (z. B. Verfahrensverstöße) erlässt. 320 Vgl. dazu W. Krebs, JURA 1996, S. 181 (181 f.). 321 H. J. Müller, DVBl. 1963, S. 404 (405). 322 B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 81.

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(3) Kriterium: Verbot der Doppelentscheidung in derselben Sache (ne bis in idem323) Sollen rechtskräftige Urteile nach § 121 VwGO binden, also verbindliche Rechtssätze sein, so dürfen sie nicht beliebig durch erneute Anrufung der Gerichte zur Disposition gestellt werden. Diese Aussage muss keinem allgemeinen ne bis in idem-Verbot entnommen werden, sondern ergibt sich bereits aus der Systematik der VwGO324: Sie bestimmt zum einen, dass rechtskräftig abgeschlossene Verfahren nicht wiederholt werden sollen. Denn für die Inhaltskontrolle von Urteilen bestehen nur die in ihrem Teil III vorgesehenen Rechtsmittel und ein spätestens mit ihrem Durchlaufen „rechtskräftig beendetes Verfahren“ soll nach § 153 Abs. 1 VwGO grundsätzlich325 nicht wiederaufgenommen werden, es soll also abgeschlossen sein. Zum anderen bestimmt § 121 VwGO, dass die in einem rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren über den Streitgegenstand ergangene Entscheidung verbindlich sein soll. Deswegen ist die Folgerung richtig, dass die verbindliche Entscheidung über den Streitgegenstand nicht erneut ergehen soll, mit anderen Worten also über denselben Streitgegenstand nur einmal verbindlich zu entscheiden ist326. Mithin gibt es also innerhalb der aufeinander aufbauenden Pyramide aus Entscheidungen, aus denen sich ein Urteil zusammensetzt, Elemente, über die mehrfach entschieden werden darf und solche, über die nur einmal verbindlich zu entscheiden ist. cc) Ergebnis zu den Differenzierungskriterien Nicht alle Kriterien, die nach verbreiteter Auffassung zur Abgrenzung zwischen dem bindenden und unverbindlichen Teil eines Urteils herangezogen werden, sind für diese Abgrenzung bestimmend. Soweit angenommen wird, dass ein verwaltungsgerichtliches Urteil die Entscheidung eines mit einem anschließenden Amtshaftungsverfahren befassten Zivilgerichtes teilweise zu determinieren habe, so bedarf es dafür keiner besonderen Gestaltung des Streitgegenstandsbegriffs. Dass ein mit dem Urteil aufgehobener Verwaltungsakt rechtsverletzend war, ergibt sich bereits aus systematischer Auslegung. Auch stellt ein stattgebendes, rechtskräftiges Anfechtungsurteil kein sog. „Verwaltungsakt-Wiederholungsverbot“ auf. Für das stattgebende Urteil genügt es, dass der Kläger materiell-rechtlich Aufhebung des konkret angefochtenen Verwaltungsaktes verlangen kann. Soll das Prozessrecht dem materiellen Recht zur Durchsetzung verhelfen, so darf es dem Kläger nicht mehr gewähren als eben dies: Die Verwirklichung seines Anspruchs auf Aufhebung des 323 Vollständig: „bis de eadem re ne sit actio“, vgl. L. Wenger, Institutionen des römischen Zivilprozessrechts, 1925, S. 166 f. m.w.N. 324 So auch BayVGH NVwZ 1994, S. 514 (514). 325 Zu Fällen der Durchbrechung der Rechtskraft vgl. F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 121 Rn. 30 m.w.N. 326 B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 3; M. Kilian, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 121 Rn. 5; K. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 121 Rn. 4.

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angefochtenen Aktes. Eine Urteilswirkung, die auch künftige Verwaltungsakte erfasst, besteht nicht, weil auch das materielle Recht sie nicht erfasst. Jedoch ist der Gesichtspunkt der Verhinderung einer Zweitentscheidung bei der Definition des Streitgegenstandsbegriffs zu beachten. c) Eigener Ansatz: Rechtsschutzfunktion des Urteils Bei der Überprüfung der für die Definition des Streitgegenstandsbegriffs relevanten Kriterien hat sich gezeigt, dass über den Streitgegenstand nicht mehrfach verbindlich entschieden werden soll. Um zu identifizieren, welche Urteilselemente zur Gruppe der verbindlichen Urteilsentscheidungen gehören, die nicht in einem neuen Verfahren erneut in Frage gestellt werden sollen, liegt es nahe, an die Rechtsschutzfunktion327 des verwaltungsgerichtlichen Urteils anzuknüpfen. aa) Verbindliche Entscheidung über das Recht des Klägers Rechtsschutz kann das Urteil im Wortsinne nur gewähren, wenn es sicherstellt, dass der Kläger nicht mehr als einmal um sein Recht kämpfen muss. Andernfalls wäre schwerlich von Schutz, jedenfalls aber nicht von nach Art. 19 Abs. 4 GG wirksamem Rechtsschutz328 zu sprechen, weil dann Verfahren und Urteil hinweggedacht werden könnten, ohne dass sich an der Sicherung der Rechte des Klägers etwas ändern würde. Andererseits darf der Kläger aber auch nicht mehr als einmal um sein Recht kämpfen. Dies ergibt sich schon daraus, dass der nach Art. 19 Abs. 4 GG bestehende Anspruch auf Rechtsschutz329 gegen den Staat mit dem verbindlichen Urteil durch Erfüllung erlischt330. Darüber hinaus gewährt das Urteil nicht nur dem Kläger Rechtssicherheit, sondern auch dem Beklagten: Auch für ihn soll verbindlich feststehen, ob das im Prozess geltend gemachte Recht des Klägers besteht331. Dies ergibt sich schon daraus, dass regelmäßig um Ansprüche und damit eine Verhaltenspflicht332 des Beklagten gestritten wird. Über diese muss auch für ihn nach dem 327

Statt aller T. Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, 3. Aufl. 2011, Rn. 2 f. BVerfGE 35, S. 263 (274); 65, S. 1 (70); 81, S. 123 (129); dazu W. Krebs, in: v. Münch/ Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Art. 19 Rn. 68 ff. 329 BVerfGE 35, S. 263 (274); 53, S. 115 (127 f.); 65, S. 1 (70); 81, S. 123 (129). 330 B. Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, 20. EL 2011, § 121 Rn. 3 a.E.; W. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Auf. 1974, § 47 (S. 484); J. F. Lindner, in: Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand: 01. 07. 2012, § 121 Rn. 2 a.E. 331 K. Bacher, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, Stand: 15. 07. 2012, § 253 Rn. 57; vgl. auch BGH NJW 2003, S. 1044 (1045): „Wer als Bekl. in einen Rechtsstreit verwickelt wurde, muss sich mit der Rechtskraft eines klageabweisenden Urteils grundsätzlich darauf verlassen können, wegen desselben Anspruchs nicht erneut vor Gericht gezogen zu werden“. 332 Vgl. § 194 Abs. 1 BGB; zum öffentlichen Recht vgl. die Formulierung bei H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober/W. Kluth, Verwaltungsrecht Band 1, 12. Aufl. 2007, § 43 Rn. 7: Ansprüche 328

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Urteil Gewissheit bestehen. Geht man schließlich von der Durchsetzung subjektiver materieller Rechte als Funktion des Prozesses333 und damit letztlich auch des Urteils aus, legt all dies nahe, dass es das subjektive materielle Recht des Klägers334 ist, über das ein Urteil verbindlich zu entscheiden hat und über das nicht mehrfach verbindlich – und möglicherweise gar verschieden – entschieden werden darf. Damit soll also zur Gewährung von Rechtsschutz im Urteil über das subjektive Recht des Klägers verbindlich entschieden werden. Ebenso dient nach dem Gesagten335 der Begriff des Streitgegenstandes dazu, die Entscheidungen im Urteil nach ihrer Verbindlichkeit zu trennen: Diejenigen Entscheidungen, die über den Streitgegenstand ergehen, sollen gemäß § 121 VwGO verbindlich sein; diejenigen, die nicht über den Streitgegenstand ergehen, sollen unverbindlich bleiben. Dies zugrunde gelegt, liegt es nahe, den Streitgegenstand mit dem subjektiven Recht des Klägers zu identifizieren336. Dadurch würde sichergestellt, dass über das subjektive Recht des Klägers verbindlich entschieden würde. Darauf deuten auch die §§ 87a Abs. 1 Nr. 2, 89, 111 und 156 VwGO, die vom (in einer Klage „geltend gemachten“) „Anspruch“ sprechen. bb) Mehrheit subjektiver Rechte Freilich stellt sich die Frage, ob eine solche Definition nicht zu eng gewählt ist. Denn denkbar scheint, dass es Fälle gibt, in denen dem Kläger eine Mehrzahl von subjektiven Rechten, beispielsweise Ansprüchen, zusteht, die auf dasselbe Klageziel gerichtet sind337. Sollte der Streitgegenstand dem einzelnen Anspruch und damit Recht entsprechen, könnte ein solcher Fall zu einer Mehrheit von Streitgegenständen führen, wobei zu prüfen wäre, inwieweit dies ein Problem darstellt. (1) Anspruchsmehrheit im Verwaltungsprozess Dafür muss es zunächst auch im Verwaltungsprozess möglich sein, dass dem Kläger mehrere auf dasselbe Anspruchsziel gerichtete Ansprüche zur Verfügung „geben ihrem Inhaber die Befugnis, von einem bestimmten Subjekt ein Tun, Dulden oder Unterlassen zu verlangen“. 333 W. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974, § 1 II 1 b (S. 8); T. Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, 3. Aufl. 2011, Rn. 2 f. 334 Zum Begriff vgl. oben, Erstes Kapitel, B. I. 2. a) (S. 14 f.). 335 Vgl. oben, Zweites Kapitel, A. III. 2. (S. 42 f.). 336 So schon K. A. Bettermann, DVBl. 1953, S. 163 (164 f.). Bisweilen verfährt auch die Rspr. so, vgl. nur BVerfG DVBl. 2002, S. 1633 (1634): „Streitgegenstand ist [… das …] Recht auf fehlerfreie Entscheidung über die Bewerbung. Wird dieses subjektive Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG […]“; ebenso bereits OVG Münster NWVBl 2002, S. 111; NJW 1984, S. 1577 (1578); M. Fischer, Die verwaltungsprozessuale Klage im Kraftfeld zwischen materiellem Recht und Prozessrecht, 2011, S. 258 ff. 337 Vgl. zur geschichtlichen Entwicklung der Anspruchskonkurrenz und ihrer Auswirkung auf das Prozessrecht D. Hesselberger, Die Lehre vom Streitgegenstand, 1970, S. 29 ff., 69 ff., insbes. 255 ff.

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stehen. Es könnte beispielsweise sein, dass bei Anfechtung einer rechtswidrigen versammlungsrechtlichen „Auflage“338 sowohl Art. 8 Abs. 1 GG als auch § 1 Abs. 1 VersG jeweils ein subjektives Recht in Form eines Aufhebungsanspruchs gewähren. Dann müssen beide Normen überhaupt solche Ansprüche gewähren können. Grundrechte gewähren neben Unterlassungsansprüchen im Falle ihrer Verletzung auch Aufhebungsansprüche339. Fraglich ist aber, ob sich auch aus einfachgesetzlichen Normen des öffentlichen Rechtes, die wie § 1 Abs. 1 VersG einen Status einräumen, Aufhebungsansprüche ergeben können340. Soweit § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO den Erfolg der Anfechtungsklage davon abhängig macht, dass der Kläger „in seinen Rechten“ verletzt ist, kann dies ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Kläger in solchen Fällen – unabhängig von der Qualität des verletzten Rechtes als Grundrecht oder einfachgesetzliches Recht – Aufhebung des Verwaltungsaktes verlangen kann, also einen Aufhebungsanspruch haben muss341. Freilich ist damit noch nicht gesagt, dass sich ein solcher Anspruch aus dem jeweils verletzten Rechtssatz ergibt und nicht beispielsweise aus einem allgemeinen, ungeschriebenen Rechtssatz, der einen „(Vollzugs-)Folgenbeseitigungsanspruch“342 gewährt343. Allerdings ist mit der Normierung des Status auch eine Pflicht des Staates verbunden, Beeinträchtigungen desselben zu unterlassen; denn ohne diese Pflicht unterschiede sich die Statusbeschreibung nicht von einer lediglich als Reflex bestehenden tatsächlichen Begünstigung, die nicht individualschützend wäre und folglich auch kein subjektives Recht verleihen würde344. Wenn einfachgesetzliche subjektive Statusrechte schon Unterlassungsansprüche begründen, ergibt sich daraus zwar nicht notwendig, dass sie im Falle ihrer Verletzung Ansprüche auf Aufhebung der rechtswidrigen Beeinträchtigung gewähren345 ; denkbar ist schließlich auch, dass für die Verletzung der Unterlassungspflicht kein Aufhebungsrecht als Sanktion vorgesehen ist346. Freilich würde dies aber dem Sinn der Einräumung eines Rechtsstatus nicht gerecht: „Ein bloßer 338 Zwar nennt § 15 Abs. 1 VersG-Bund den versammlungsrechtlichen Bescheid „Auflage“, mangels Hauptverwaltungsakt handelt es sich aber um einen eigenständigen Verwaltungsakt, vgl. F.-L. Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, 11. Aufl. 2007, Rn. 544. Solche „Auflagen“ können sowohl Art. 8 Abs. 1 GG, als auch § 1 Abs. 1 VersG verletzen, soweit sie die von den Normen – unter unterschiedlichen Voraussetzungen – normierte Versammlungsfreiheit rechtswidrig beeinträchtigen. 339 W. Martens, in: Ipsen, Hamburger Festschrift für Friedrich Schack, 1966, S. 85 (95); B. Remmert, VerwArch 88 (1997), S. 112 (114 ff.); F. Schoch, VerwArch 79 (1988), S. 1 (35 ff.). 340 Vgl. dazu schon H. H. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 153 ff. 341 H. H. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 249 f. 342 O. Bachof, Die verwaltungsgerichtliche Klage auf Vornahme einer Amtshandlung, 2. Aufl. 1968, S. 98 ff. 343 Zur Begründungsansätzen in Literatur und Rechtsprechung vgl. ausführlich F. Schoch, VerwArch 79 (1988), S. 1 (15 ff.). 344 So grundlegend B. Remmert, VerwArch 88 (1997), S. 112 (121 f.). 345 F. Schoch, VerwArch 79 (1988), S. 1 (36 FN 207). 346 Darauf hinweisend B. Remmert, VerwArch 88 (1997), S. 112 (123); vgl. auch E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, 65. EL 2012, Art. 19 Abs. 4 Rn. 282.

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Unterlassungsanspruch vermag den dauernden Bestand eines rechtlich geschützten Interesses allein nicht zu sichern. […] Deshalb spricht viel dafür, daß [auch] eine einfachgesetzliche Rechtsnorm, die ein Statusrecht begründet, zum Zwecke der Bestandssicherung nicht nur immer einen Unterlassungs-, sondern im Zweifel auch einen Beseitigungsanspruch mitverleiht“347. Können demnach auch einfachgesetzliche Rechte Aufhebungsansprüche gewähren, ist nicht ausgeschlossen, dass auch in verwaltungsgerichtlichen Klagen mehrere auf dasselbe Klageziel gerichtete Ansprüche vom Kläger geltend gemacht werden können348 ; dieser Fall ist im Verwaltungsprozess, anders als im Zivilprozess349, lediglich seltener350, aber nicht ausgeschlossen. (2) Handhabung der Anspruchsmehrheit Wenn aber auch im Verwaltungsprozess mehrere Rechte des Klägers denkbar sind, die auf dasselbe Klageziel gerichtet sind, und der Streitgegenstand dem Recht des Klägers entspricht, so würde dies zu einer Vermehrung von Streitgegenständen führen: Jedes subjektive Recht würde dann einen eigenen Streitgegenstand darstellen. Geht man davon aus, dass sich nach dem Streitgegenstand die Bestimmung der res iudicata bemisst und mithin ein – in dieser Arbeit noch kritisch zu würdigendes351 – Zulässigkeitshindernis für eine erneute Klage über den jeweiligen Streitgegenstand besteht, könnte dies zu einem Problem führen: Es könnte dann möglich sein, dass der Kläger die im Beispielsfall genannten Ansprüche aus Art. 8 Abs. 1 GG und § 1 Abs. 1 VersG in separaten Verfahren geltend macht. Zur Überprüfung dieser These dient die Untersuchung der nachfolgenden Konstellationen.

347 B. Remmert, VerwArch 88 (1997), S. 112 (123); enger, aber auch mit dem Ergebnis außerhalb der Grundrechte bestehender Beseitigungsansprüche P. Baumeister, Der Beseitigungsanspruch als Fehlerfolge des rechtswidrigen Verwaltungsaktes, 2006, S. 80 ff. 348 Vgl. etwa einen ausländerrechtlichen Beispielsfall bei BVerwG InfAuslR 2011, S. 240. 349 Vgl. dazu etwa A. Blomeyer, Zivilprozeßrecht – Erkenntnisverfahren, 2. Aufl. 1985, S. 249; G. Bachmann, in: Säcker/Rixecker, Münchener Kommentar zum BGB, Band 2, 6. Aufl. 2012, § 241 Rn. 41 mit Beispielen. 350 G. Lüke, JuS 1967, S. 1 (2). Dies dürfte darin begründet liegen, dass das Bürgerliche Recht durch ein sich vielfach überschneidendes System von Anspruchsgrundlagen gekennzeichnet ist, vgl. etwa den klassischen Beispielsfall eines Schadensersatzanspruchs aus Vertrag und Delikt. Im Öffentlichen Recht hingegen sind etwa die Grundrechte schon in ihrem Gewährleistungsbereich, also auf Tatbestandsseite, voneinander zu trennen – vgl. dazu F. Klein, in: v. Mangoldt/ders., Das Bonner Grundgesetz, Band I, 2. Aufl. 1966, Vorbem. B XV 2 b und O. Bachof, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, Band III/1, 2. Aufl. 1972, S. 169 ff. Soweit also in verwaltungsgerichtlichen Klagen sich aus den Grundrechten ergebende Abwehransprüche geltend gemacht werden – vgl. dazu F. Schoch, VerwArch 79 (1988), S. 1 (46 ff. m.w.N.) – überschneiden sich diese seltener als Ansprüche im Zivilrecht. 351 Dazu unten, Zweites Kapitel, A. III. 2. c) cc) (2) (S. 98 ff.).

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(a) Anspruchsmehrheit bei Stattgabe Es kann der Fall denkbar sein, dass der Kläger mit seiner ersten Klage, gestützt auf einen Anspruch, Erfolg hat. Wäre Streitgegenstand dieser Anspruch, würde nur verbindlich über ihn entschieden. Sollte der Kläger einen zweiten, auf dieselbe Verhaltenspflicht gerichteten Anspruch haben, könnte er ihn deswegen möglicherweise in einem zweiten Verfahren ebenfalls geltend machen; denn diesem zweiten Verfahren stünde keine Rechtskraft des ersten Urteils entgegen352. Dies könnte zu dem Ergebnis führen, dass er zwei Titel erlangen und aus unterschiedlichen Urteilen vollstrecken könnte, obgleich ihm die Leistung materiell-rechtlich nur einmal gebührt353. Im Falle der Stattgabe einer Gestaltungsklage ist eine sukzessive Geltendmachung allerdings schon materiell-rechtlich nicht denkbar. Gibt das Gericht etwa der Anfechtungsklage im Beispielsfall statt, weil es einen Aufhebungsanspruch aus Art. 8 Abs. 1 GG bejaht, so hebt es gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO den angefochtenen Verwaltungsakt auf. Unterstellt, das Gericht habe in diesem Fall nur über den Streitgegenstand, also den Aufhebungsanspruch des Klägers aus Art. 8 Abs. 1 GG, verbindlich entschieden und nicht über einen etwaig gleichzeitig bestehenden Aufhebungsanspruch aus § 1 Abs. 1 VersG, dann stünde einer erneuten Klage auf Aufhebung des Verwaltungsaktes zwar nicht die Rechtskraft des ersten Urteils entgegen, wohl aber eine mangelnde Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO. Denn der mit ihr verfolgte, sich aus § 1 Abs. 1 VersG ergebende Aufhebungsanspruch wäre mit der rechtskräftigen Aufhebung des Verwaltungsaktes durch das Gericht ipso iure erloschen. Ob diese Wirkung durch Erfüllung eintritt, weil das Angriffsobjekt beseitigt wurde, oder durch Unmöglichkeit, weil der Verwaltungsträger nach der bereits geschehenen gerichtlichen Aufhebung den Verwaltungsakt nun nicht mehr selbst aufzuheben imstande ist, kann hier dahinstehen354. Fraglich ist aber, ob eine sukzessive Geltendmachung im Falle der Stattgabe einer Leistungsklage denkbar ist: Unterstellt sei ein Beispiel, in dem der Kläger aus zwei Anspruchsgrundlagen Gewährung derselben Subvention verlangen kann. Sollte das Gericht in einem Urteil den ersten Leistungsanspruch bejahen, ohne über den zweiten zu entscheiden, stünde einer anschließenden Geltendmachung des zweiten Anspruchs in einem Folgeverfahren ebenfalls keine Rechtskraft des ersten Urteils entgegen355. Auch die Klagebefugnis bestünde weiterhin, denn jedenfalls soweit der erste Anspruch nach dem Urteil noch nicht erfüllt wäre, bestünde der auf dasselbe 352

F. Lent, ZZP 65 (1952), S. 315 (348 f.). Zum Ganzen K. H. Schwab, Der Streitgegenstand im Zivilprozeß, 1954, S. 17 ff. 354 Unterstellt sei, dass die zivilrechtliche Anspruchsdogmatik, soweit sie die Erlöschensgründe der Erfüllung und Unmöglichkeit enthält, auch auf öffentlich-rechtliche Ansprüche anwendbar sei, vgl. dazu E. Gurlit, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2010, § 35 Rn. 3: „Auf verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse finden die BGBVorschriften über das Erlöschen Anwendung.“ (Hervorhebung im Original); H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober/W. Kluth, Verwaltungsrecht Band 1, 12. Aufl. 2007, § 55 Rn. 155. 355 F. Lent, ZZP 65 (1952), S. 315 (348 f.). 353

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Verhalten gerichtete zweite Anspruch ebenfalls weiter. Möglicherweise könnte es aber für den zweiten Prozess am Rechtsschutzbedürfnis mangeln: Der Kläger könnte, um sein Begehren – die Zahlung der Subvention – durchzusetzen, auf die prozessual einfachere Möglichkeit der Vollstreckung aus dem ersten Urteil verwiesen werden356. Dies setzt freilich die Annahme voraus, Art. 19 Abs. 4 GG gebiete zur Gewährung wirksamen Rechtsschutzes kein erneutes stattgebendes Urteil für eine auf den zweiten Anspruch gestützte Klage. Dies kann deswegen zweifelhaft sein, weil es sich bei diesem zweiten Anspruch um ein verletztes Recht handelt, über das noch nicht entschieden wurde. Dagegen ist aber Folgendes zu erinnern: Art. 19 Abs. 4 GG gewährt eine richterliche Befassung mit dem (möglicherweise) verletzten Recht mit dem Ziel der Erlangung von Rechtsschutz357. Rechtsschutz ist jedenfalls dann gewährt, wenn die Rechtsverletzung beseitigt wird. Fraglich ist also, wie die Rechtsverletzung für den zweiten Anspruch zu beseitigen ist. Handelt es sich um einen Anspruch, der auf dasselbe Ziel gerichtet ist wie der im Ursprungsverfahren bejahte, so ist das Ziel identisch: Dieselbe Handlung, die den ersten Anspruch befriedigt, befriedigt gleichzeitig auch den zweiten. Der Rechtsschutzerfolg358 ist also für den ersten wie auch zweiten Anspruch identisch. Soll für den zweiten Anspruch Rechtsschutz gewährt werden, genügt es also, wenn eine richterliche Befassung mit dem Recht stattfindet und sichergestellt wird, dass der Beklagte zu der die Erfüllung herbeiführenden Handlung verpflichtet ist und diese ggf. erzwungen werden kann. Letzteres ist bereits aufgrund des ersten Urteils der Fall. Ein zweites, stattgebendes Urteil ist daher für den zweiten Anspruch nicht erforderlich, weil mit ihm kein „Mehr“ an Rechtsschutzerfolg gegenüber dem bereits mit dem ersten Urteil Errungenen verbunden ist359. Die richterliche Befassung mit dem zweiten Anspruch muss also, selbst sein Bestehen vorausgesetzt, kein zweites stattgebendes Urteil zum 356

So wird das Rechtsschutzbedürfnis verneint, „wenn der Kläger den angestrebten Erfolg auf einfachere Art und Weise erreichen kann“, vgl. W. Schmitt Glaeser/H.-D. Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl. 2000, Rn. 119. 357 M. Sachs, in: ders., GG, 6. Aufl. 2011, Art. 19 Rn. 135. 358 Die durch Art. 19 Abs. 4 GG vorgegebene Eröffnung des Rechtsweges geschieht um des tatsächlichen Schutzes des möglicherweise in seinen Rechten Verletzten willen, vgl. W. Krebs, in: v. Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Art. 19 Rn. 68; diese Anknüpfung am Schutzerfolg zeigt sich auch darin, dass davon ausgegangen wird, eine wirksame gerichtliche Kontrolle habe stattzufinden, vgl. nur BVerfGE 35, S. 263 (274); 65, S. 1 (7); 81, S. 123 (129). Wirksamkeit ist nämlich darauf bezogen, den Rechtsschutzerfolg herbeiführen zu können; vgl. auch zu den Vorgaben des Art. 19 Abs. 4 GG zum einstweiligen Rechtsschutz F. Schoch, in: ders./ Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 80 Rn. 11: „[Art. 19 Abs. 4 GG gibt] keine bestimmte Regelungstechnik vor; entscheidend ist vielmehr der Rechtsschutzerfolg“ (Hervorhebung von Verf.). 359 So BVerwG DVBl. 2010, S. 1388 (2. Leitsatz) sogar im Verhältnis eines titulierten Anspruchs eines Vaters, der auf denselben Anspruchsinhalt gerichtet ist wie ein noch nicht beschiedener Anspruch des Kindes; stünden beide Anspruchsinhaber im Verhältnis von Gesamtgläubigern zusammen, fehle für ein Verfahren des Kindes über seinen Anspruch wegen der Vollstreckungsmöglichkeit aus dem ersten Urteil das Rechtsschutzbedürfnis.

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Inhalt haben. Es genügt vielmehr, wenn sie zum Ergebnis führt, dass das Rechtsschutzbedürfnis fehle, weil der Kläger zur Erlangung von Rechtsschutz auf die prozessual einfachere Möglichkeit der Vollstreckung aus dem ersten Urteil zu verweisen ist. Die zweite Klage aus dem nicht im ersten Urteil beschiedenen Recht wäre deswegen unzulässig. Dieselbe Erwägung greift auch bei der Feststellungsklage: Denkbar ist nämlich auch hier, dass sich das Klageziel auf zwei Rechtssätze stützen lässt, das Gericht aber nur einen geprüft und bejaht und seinem stattgebenden Urteil zugrunde gelegt hat. Auch hier fehlt es für ein anschließendes Verfahren über den zweiten Rechtssatz am Rechtsschutzbedürfnis, da der Kläger mit ihm nichts erhalten könnte, was er nicht schon hat360 : die verbindliche Feststellung seines Rechtes. Soweit also der Klage stattgegeben wird, führt eine Gleichsetzung von Streitgegenstand und dem konkreten subjektiven Recht, über das entschieden wurde, nicht dazu, dass der Kläger sukzessive mehrfach klagen könnte. Es steht einer zweiten Klage aus einem nicht ausdrücklich vom Gericht bejahten Recht zwar keine Rechtskraft des ersten Urteils entgegen, wohl aber mangelt es für ihre Zulässigkeit im Falle einer Anfechtungsklage an der Klagebefugnis, in anderen Fällen am Rechtsschutzbedürfnis. (b) Anspruchsmehrheit bei Abweisung Möglicherweise ist die sukzessive, getrennte Geltendmachung mehrerer Ansprüche aber im Falle einer Abweisung aus Sachgründen denkbar, wenn das Gericht nicht alle in Frage kommenden Ansprüche ausdrücklich verneint hat. So ist im Beispielsfall der Anfechtungsklage gegen einen versammlungsrechtlichen Bescheid denkbar, dass das Gericht einen Aufhebungsanspruch aus Art. 8 Abs. 1 GG verneint, einen sich möglicherweise aus § 1 Abs. 1 VersG ergebenden Anspruch aber übersieht. Geht man in Gleichsetzung von Streitgegenstand und subjektivem Recht davon aus, dass nur über das subjektive Recht aus Art. 8 Abs. 1 GG entschieden worden sei, läge keine verbindliche Entscheidung über einen Anspruch aus § 1 Abs. 1 VersG vor. Eine nach der Klageabweisung erhobene neue, auf § 1 Abs. 1 VersG gestützte Klage wäre damit nicht wegen entgegenstehender Rechtskraft – soweit man insofern ein Zulässigkeitshindernis annimmt361 – unzulässig. Freilich bedarf es aufwendiger Annahmen, um eine solche Konstellation für die Anfechtungsklage anzunehmen: Denn regelmäßig wäre aufgrund der Dauer gerichtlicher Verfahren eine Folgeklage schon wegen Verfristung gemäß § 74 Abs. 1 VwGO unzulässig362. 360 Zur Fallgruppe, dass der „angestrebte Rechtsschutz für den Kläger ohne Nutzen ist“, vgl. W. Schmitt Glaeser/H.-D. Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl. 2000, Rn. 131. 361 Vgl. dazu krit. noch unten, Zweites Kapitel, A. III. 2. c) cc) (2) (S. 98 ff.). 362 Selbst wenn aber die Dauer des mit abweisendem Urteil endenden ersten Anfechtungsverfahrens nur wenige Tage betrüge, würde die formelle Rechtskraft, die Voraussetzung für die Verbindlichkeit der Entscheidung ist, erst nach Ablauf der Rechtsmittelfristen von

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Anders stellt sich dies aber bei abweisenden Leistungsklagen und Feststellungsklagen dar. Auch hier kann es sein, dass das Gericht von zwei auf dasselbe Klageziel gerichteten Rechten des Klägers, beispielsweise Ansprüchen auf Zahlung derselben Subvention, lediglich eines erkennt, das zweite aber übersieht. Unterstellt man auch hier, dass lediglich über das konkret verneinte subjektiven Recht des Klägers, also den ersten Anspruch, verbindlich entschieden wurde, läge bezüglich des zweiten Anspruchs keine verbindliche Entscheidung vor. Einer anschließenden, auf den zweiten Anspruch gestützten Klage stünde dann keine Rechtskraft des ersten Urteils entgegen. Weil (Allgemeine) Leistungs- und Feststellungsklagen grundsätzlich nicht fristgebunden sind363, wäre sie auch nicht wegen Verfristung unzulässig. Die neue Klage wäre ferner auch nicht wegen mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses364 unzulässig. Gewährt Art. 19 Abs. 4 GG einen Anspruch auf Rechtsschutz für das zweite Recht des Klägers, so wäre dieser noch nicht erfüllt. Anders als im Falle der Stattgabe besteht bei der Abweisung für das übersehene Recht keine Möglichkeit, einfacher als durch ein neuerliches Verfahren Schutz für das Recht zu erlangen. Mithin bliebe also bei Gleichsetzung von Streitgegenstand und subjektivem Recht eine neuerliche Klage aus dem übersehenen Recht möglich365. Das wäre auch beim abweisenden Urteil einer Feststellungsklage der Fall, sollte das Gericht auch hier ein auf dasselbe Klageziel gerichtetes Recht übersehen haben. Über dieses wäre nicht verbindlich entschieden worden, weswegen der Kläger dafür in einem weiteren Verfahren zulässigerweise Rechtsschutz zu erlangen suchen könnte. Anders als bei stattgebenden Urteilen zeigt sich bei abweisenden Urteilen ein Problem, wenn man Streitgegenstand und subjektives Recht gleichsetzt: Es ist dann für den Kläger denkbar, aus einem vom Gericht übersehenen subjektiven Recht erneut zu klagen, ohne sich dem Einwand entgegenstehender Rechtskraft ausgesetzt zu sehen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn man davon ausgeht, dass über grundsätzlich einem Monat eintreten, vgl. §§ 124 Abs. 2 Satz 1, 139 Abs. 1 Satz 1 VwGO (Soweit ein Rechtsmittel nicht statthaft ist, tritt formelle Rechtskraft mit Ablauf der Frist für die Nichtzulassungsbeschwerde bzw. den Zulassungsantrag ein, die gemäß §§ 125 Abs. 2 Satz 4, 133 Abs. 2 Satz 1 VwGO ebenfalls einen Monat betragen, vgl. B. Clausing, in: Schoch/ Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 8). Ein früherer Eintritt der formellen Rechtskraft setzt einen beiderseitigen Rechtskraftverzicht voraus, B. Clausing, a.a.O., Rn. 11. Damit eine auf einen übersehenen Aufhebungsanspruch gestützte zweite Anfechtungsklage nicht verfristet wäre, müssten also folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Das abweisende Urteil müsste vor Ablauf der Klagefrist für die zweite Klage ergehen, also grundsätzlich gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO weniger als einen Monat nach Zustellung des Widerspruchsbescheides. Anschließend müssten Kläger und Beklagter vor Gericht Rechtsmittelverzicht erklären. Schließlich müsste noch vor Ablauf der Klagefrist die neue Klage erhoben werden, ohne sich damit dem Einwand prozessualer Arglist wegen des bereits erklärten Rechtsmittelverzichtes auszusetzen. Dies scheint praktisch nachgerade unvorstellbar. 363 H. Sodan, in: ders./Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 42 Rn. 64. 364 Vgl. dazu oben, Zweites Kapitel, A. III. 2. c) bb) (2) (a) (S. 82 f.). 365 Vgl. schon W. Habscheid, Der Streitgegenstand im Zivilprozess, 1956, S. 118 ff.; K. H. Schwab, Der Streitgegenstand im Zivilprozeß, 1954, S. 148 ff.; G. Lüke, JuS 1967, S. 1 (3).

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unberücksichtigt gebliebene Rechte des Klägers auch nicht verbindlich entschieden worden ist. (c) Simultane Verfahren bei Anspruchsmehrheit Neben der sukzessiven mehrfachen Klageerhebung ist aber auch eine simultane denkbar366. Dies wäre der Fall, wenn der Kläger mehrere Rechte, die auf dasselbe Klageziel gerichtet sind und denen gemäß sich der Beklagte materiell-rechtlich nur einmal verhalten muss, gleichzeitig auf mehrere Verfahren aufteilt, also gleichzeitig mehrere Klagen erhebt. Unabhängig davon, ob dieser Fall mit Blick auf die für die anderen Verfahren regelmäßig nicht gegebene gerichtliche Zuständigkeit überhaupt denkbar ist, ist er jedenfalls keiner des § 121 VwGO. Ihn regeln vielmehr §§ 90 Abs. 1, 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG. Gemäß § 90 Abs. 1 VwGO wird „die Streitsache“ durch Erhebung der Klage rechtshängig und kann nach § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG während der Rechtshängigkeit „von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden“. In Ansehung des unterschiedlichen Wortlautes der Vorschriften, die einmal auf die Streitsache, das andere Mal auf den Streitgegenstand abstellen, ist es nicht ausgeschlossen, diesen Begriffen in den jeweiligen Normen unterschiedliche Bedeutung zuzumessen367. Andererseits scheint aber auch möglich, dass die Begriffe gleich zu verstehen sind368 oder jedenfalls Überschneidungen in ihrer Bedeutung bestehen. Dafür spricht folgende Überlegung: Im Verwaltungsprozess obliegt nach § 86 Abs. 1 VwGO die Beschaffung der Entscheidungsgrundlage dem Gericht. Es hat damit die Hoheit sowohl über die Bestimmung des Sachverhaltes als auch über die des anzuwendenden Rechtes369. Der Kläger kann daher nicht entscheiden, ein subjektives Recht geltend zu machen und ein anderes nicht370. Er kann zwar seinen rechtlichen Vortrag auf eine Norm stützen371, das Gericht ist aber an einen solchen

366 Zum Ganzen K. H. Schwab, Der Streitgegenstand im Zivilprozeß, 1954, S. 17 ff.; ders., JuS 1965, S. 81 (82). 367 Vgl. nur U. Hermann, Die Grundstruktur der Rechtshängigkeit, 1988, S. 29 ff., der auf S. 71 f. auf „erhebliche Inkongruenzen“ der beiden Rechtsinstitute Rechtshängigkeit und Rechtskraft trotz „einiger Parallelen“ verweist. 368 K. A. Bettermann, Rechtshängigkeit und Rechtsschutzform, 1949, S. 26; K.-M. Ortloff/ K.-U. Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 90 Rn. 2; K. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 90 Rn. 3; F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, Anh § 90 Rn. 7; H. A. Wolff, in: Posser/ders., BeckOK VwGO, Stand: 01. 07. 2012, § 90 Rn. 9. 369 M. Dawin, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 86 Rn. 19 ff., 29; G. Breunig, in: Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand: 01. 07. 2012, § 86 Rn. 15; vgl. auch BVerwG VIZ 2001, S. 323 (323). 370 BVerwG NVwZ 2007, S. 105 (106); B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 57. 371 Der Kläger muss dies aber nicht tun, vgl. ausdrücklich M. Happ, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 42 Rn. 94.

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Vortrag nicht gebunden372. Es hat den Fall gemäß dem Grundsatz iura novit curia hinsichtlich aller in Frage kommenden Rechtsnormen zu prüfen373. Soll der Begriff der Streitsache in § 90 Abs. 1 VwGO diesem Umstand Rechnung tragen, um gleichzeitige separate Verfahren über dieselbe Rechtsfolge zu verhindern, kann der Begriff daher nicht das einzelne subjektive Recht umfassen. Er muss vielmehr die Gesamtheit jener Rechtsnormen bezeichnen, auf welche der Kläger seinen Antrag möglicherweise stützen kann. Auf dasselbe Klageziel gerichtete Rechte gehören deswegen zur selben Streitsache und können vom Kläger nicht gleichzeitig auf verschiedene Verfahren aufgeteilt werden. Dient aber § 90 Abs. 1 VwGO dazu, mehrfache Entscheidungen über dieselbe Streitsache zu verhindern374 und soll auch § 121 VwGO mehrfache Entscheidungen über denselben Streitgegenstand verhindern375, scheint nicht ausgeschlossen, die Begriffe jedenfalls hinsichtlich dieses Zwecks gleich auszulegen376. Dies deutet darauf hin, dass auch bei der Bestimmung des Streitgegenstandes nicht notwendig nur das einzelne subjektive Recht Begriffsinhalt sein muss. (d) Rückschluss aus den Ergebnissen Die Identifikation des Streitgegenstandes mit dem einzelnen subjektiven Recht führt also in den Fällen zu Schwierigkeiten, in denen dem Kläger mehrere zur Erreichung seines Klageziels geeignete Rechte zur Verfügung stehen. Deutlich wird dies vor allem bei klageabweisenden Urteilen, wenn das Gericht einen möglicherweise bestehenden Anspruch übersehen hat. Geht man davon aus, dass über den übersehenen Anspruch nicht verbindlich entschieden wurde, bleibt eine zweite Klage über diesen Anspruch möglich. Dies scheint als Ergebnis nicht von vornherein ausgeschlossen377. Fraglich ist aber, ob es überzeugt. Zum einen kann der bereits gezogene Vergleich zur Streitsache in § 90 Abs. 1 VwGO378 dagegen sprechen. Zählt nämlich auch der übersehene Anspruch zur Streitsache, so ist es dem Kläger damit verwehrt, ihn gleichzeitig zum ersten Verfahren in einer weiteren Klage anhängig zu machen. Dann spricht aber der insofern vergleichbare Zweck der Normen § 90 Abs. 1 VwGO und § 121 VwGO dafür, es dem Kläger auch zu verwehren, den übersehenen Anspruch nach Abschluss des ersten Verfahrens in einem weiteren Verfahren geltend zu machen. Möglicher372

F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 88 Rn. 4. F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 42 Rn. 177. 374 K. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 90 Rn. 2. 375 Vgl. dazu oben, Zweites Kapitel, A. III. 2. b) bb) (3) (S. 76). 376 Vgl. plastisch die Formulierung bei K.-M. Ortloff/K.-U. Riese, in: Schoch/Schneider/ Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 90 Rn. 2: „Rechtshängigkeit und Rechtskraft sind also einander korrespondierende Begriffe bezogen auf den Streitgegenstand“; ebenso H. A. Wolff, in: Posser/ ders., BeckOK VwGO, Stand: 01. 07. 2012, § 90 Rn. 9: „Unter ,Streitsache‘ ist der ,Streitgegenstand‘ zu verstehen“. 377 So etwa F. Lent, ZZP 65 (1952), S. 315 (348 f.). 378 Zweites Kapitel, A. III. 2. c) bb) (2) (c) (S. 85 f.). 373

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weise spricht auch der in § 153 Abs. 1 VwGO enthaltene Verweis auf die Wiederaufnahmevorschriften der ZPO gegen die Möglichkeit, einen übersehenen Anspruch in einer weiteren Klage zu verfolgen. Die Wiederaufnahme dient dazu, die Rechtskraft eines Urteils zu beseitigen379. Umgekehrt soll also das Urteil verbindlich bleiben, wenn die Voraussetzungen einer Wiederaufnahme nicht vorliegen. Ausweislich § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 580 Abs. 1 ZPO ist das nachträgliche Bekanntwerden von bereits zum Zeitpunkt der Urteilsfindung vorliegenden Tatsachen grundsätzlich380 nicht geeignet, eine Wiederaufnahme zu begründen381. Hat also das Gericht Tatsachen übersehen, soll das Verfahren deswegen nicht wiederaufgenommen werden. Tatsachen sind aber für das Gericht nur dann relevant, wenn sie für die Anwendung von Rechtsnormen im Verfahren eine Rolle spielen. Ist das der Fall, kann die Folge eines Übersehens von Tatsachen sein, dass das Gericht Rechte fälschlicherweise negiert, zugesprochen oder – aufgrund des fehlendes entsprechender Sachverhaltsinformationen – übersehen hat. Hat also das Gericht für das Verfahren relevante Tatsachen und in der Folge Rechte übersehen, soll das Urteil nach § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 580 ZPO trotzdem verbindlich bleiben. Dies deutet darauf hin, dass das Prozessrecht das Problem übersehener Rechte dem bereits geführten Verfahren zuordnet und nicht über ein weiteres, neues Verfahren löst. Vielmehr billigt es auch unvollständigen Urteilen Verbindlichkeit zu382. In diese Richtung deutet auch § 113 Abs. 1, 5 VwGO, der jeweils im Plural von „Rechten“ spricht und damit nahe legt, dass alle in Frage kommenden Rechte Gegenstand des Verfahrens sein können. Zusammengenommen scheint also den prozessualen Vorschriften nach dem Grundsatz iura novit curia die Erwägung zugrunde zu liegen, dass sich das Gericht mit allen in Frage kommenden Rechten des Klägers zu beschäftigen hat383. Soweit dem dabei gewonnenen Ergebnis Verbindlichkeit zukommt, scheint es deswegen nicht ausgeschlossen, dass das Gericht auch über jene Rechte verbindlich entscheidet, die es übersehen hat – insofern rechtswidrig, weil unvollständig, aber wirksam384. Auf diese Weise ließe sich jedenfalls sicherstellen, dass übersehene Ansprüche bei der Klageabweisung nicht zum Gegenstand eines neuen Verfahrens gemacht werden können. 379 A. Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 153 Rn. 3; F. O. Kopp/W.R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 153 Rn. 1; K. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 153 Rn. 1. 380 Anders dann, wenn die Tatsachengrundlage aufgrund strafbaren Verhaltens verändert wurde, vgl. § 580 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 ZPO, oder wenn etwa eine Urkunde gemäß Abs. 1 Nr. 7 b) aufgefunden wird. 381 K. Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 33. Aufl. 2012, § 580 Rn. 14 f. 382 Vgl. O. Jauernig, Verhandlungsmaxime, Inquisitionsmaxime und Streitgegenstand, 1967, S. 39. 383 Zur zivilprozessualen Parallele im Ehenichtigkeitsprozess vgl. O. Jauernig, Verhandlungsmaxime, Inquisitionsmaxime und Streitgegenstand, 1967, S. 55 ff. 384 So im Ergebnis auch BGH NJW 2000, S. 3492 (3494); vgl. auch W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 13. Aufl. 2012, Rn. 604 a.E.; O. Jauernig, Verhandlungsmaxime, Inquisitionsmaxime und Streitgegenstand, 1967, S. 39.

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2. Kap.: Auslegung der VwGO-Vorschriften

Man mag diese Überlegung zum Anlass nehmen, in Abstraktion vom materiellen Recht von einer Entscheidung über einen prozessualen Anspruch zu sprechen385, der „mit dem Anspruch des bürgerlichen Rechts […] gar nichts mehr zu tun“386 habe und mehrere materiell-rechtliche Ansprüche im Prozess bündeln könne387. So käme man in den Beispielsfällen zu einer verbindlichen Entscheidung nur über den einen prozessualen Anspruch. Dieser würde etwa im Falle der Anfechtung eines versammlungsrechtlichen Bescheides die materiell-rechtlichen Ansprüche aus Art. 8 Abs. 1 GG und § 1 Abs. 1 VersG umfassen und schon deswegen ihre getrennte Geltendmachung ausschließen. Letztlich ist das aber nichts weiter als eine Beschreibung eben jenes geschilderten Umstandes durch Schaffung eines neuen Begriffes, den man auf der Ebene des Prozessrechtes als Sammelinstitut versteht. Diese Beschreibung mag etwas für sich haben, führt aber in der praktischen Verwendung auch zu Schwierigkeiten: Versteht man den prozessualen Anspruch als allein auf den Prozesserfolg bezogenes und vom materiellen Recht völlig losgelöstes Institut, wird im Urteil nur verbindlich darüber entschieden, ob ein solcher prozessualer Anspruch besteht oder nicht388. Dies erinnert nicht nur an die gemeinrechtliche actio als Klagerecht389, sondern enthält darüber hinaus keine verbindliche Entscheidung über das materielle Recht. Prozessuale und materiell-rechtliche Ansprüche können divergieren, was etwa bei Beweisproblemen oder abweichenden Voraussetzungen verschiedener Anspruchsgrundlagen der Fall sein mag oder wenn Abreden zwischen den Beteiligten oder Prozessvergleiche die gerichtliche Geltendmachung von Rechten beschränken. Wenn in einem Urteil nur über einen prozessualen Anspruch des Klägers entschieden wird, kann das Urteil nicht die materielle Rechtslage zwischen den Beteiligten abschließend klären und damit jene Rechtssicherheit gewähren, die es gemäß Art. 19 Abs. 4 GG nach dem oben Dargestellten390 gewähren soll. Versteht man den prozessualen Anspruch hingegen als Synonym für einen Streitgegenstand, den man – gegebenenfalls mittels Sachverhaltes und – durch eine

385 K. H. Schwab, Der Streitgegenstand im Zivilprozeß, 1954; ders., JuS 1965, S. 81 (85); W. Habscheid, Der Streitgegenstand im Zivilprozess, 1956; ausführliche Nachweise oben, Abschnitt eins. 386 So kritisch A. Nikisch, AcP 154 (1955), S. 269 (269). 387 S. Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im Öffentlichen Recht, 1995, S. 27; D. Ehlers, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, GVG § 17 Rn. 24; P. Gottwald, in: Rauscher/Wax/Wenzel, Münchener Kommentar zu ZPO, Band 1, 3. Aufl. 2008, § 322 Rn. 118. 388 S. Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im Öffentlichen Recht, 1995, S. 162. 389 C. Löwisch, Die historische Entwicklung des Streitgegenstandes – auf der Grundlage des römischen und seit der Geltung des Gemeinen Rechts, 1967, S. 90; vgl. auch D. Hesselberger, Die Lehre vom Streitgegenstand, 1970, S. 59 ff. 390 Vgl. oben, Zweites Kapitel, A. III. 2. c) aa) (S. 77 f.).

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im Antrag enthaltene Rechtsbehauptung definiert391, könnte man auch eine verbindliche Entscheidung über die Rechtsbehauptung begründen. Sie könnte etwa im Falle einer Anfechtungsklage dahingehend lauten, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig sei und den Kläger dadurch in seinen Rechten verletze392. Das wiederum würde aber vom Maßstab der Begründetheit abweichen, denn dass trotz Rechtsverletzung nicht notwendig Aufhebung verlangt werden kann, zeigen etwa das Rechtsinstitut der Verwirkung393 und § 46 VwVfG394. Eine solche Definition würde deswegen das Ziel des Prozesses, die verbindliche Durchsetzung der vom Recht des Klägers aufgestellten Verhaltenspflicht, nicht zu leisten vermögen. Doch auch auf andere prozessual behauptete395 Institute des materiellen Rechtes ließe sich zurückgreifen. Neben der Erweiterung des materiell-rechtlichen Anspruchsbegriffs396 könnte das Institut des Rechtsverhältnisses397 eine Bündelung einzelner Ansprüche leisten398 : Es lässt sich neben einem solchen im engeren Sinne, das einen Anspruch umfasst, auch in einem weiteren Sinne verstehen, das eine Mehrzahl von Ansprüchen erfasst399. Genau wie ein Vertrag ein Rechtsverhältnis ist, das sich aus einer Vielzahl von Rechten und Pflichten zusammensetzt, könnte das Gericht in diesem Sinne über ein materielles Rechtsverhältnis entscheiden400, qua dessen der Beklagte zum beantragten Tun oder Unterlassen verpflichtet sei. In diesem Fall würde in einem Urteil verbindlich eine Aussage über die materielle Rechtslage getroffen.

391 B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 61; F. Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 8. Aufl. 2011, § 10 Rn. 9; BVerwG DVBl. 1989, S. 933 (933); E 91, S. 256 (257); E 116, S. 1 (3). 392 BVerwGE 91, S. 256 (257) m.w.N.; B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 61; vgl. für ausführliche Nachweise aus der Rspr. oben FN 282. 393 Zu diesem Beispiel M. Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 113 Rn. 25; vgl. zu weiteren Beispielen auch M. Gerhardt a.a.O. Rn. 26 ff. und W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 13. Aufl. 2012, Rn. 327. 394 F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 113 Rn. 55 m.w.N., der hierin einen Fall des Grundsatzes dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est erblickt; anders aber, wenn man davon ausgeht, dass der Verstoß gegen bestimmte Verfahrensvorschriften gemäß § 46 VwVfG schon nicht zur Rechtsverletzung führt, so W. Krebs, DVBl. 1984, S. 109 (111). 395 W. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974, § 5 II 2 (S. 31). 396 Dazu vgl. oben, Erstes Kapitel, B. I. 2. a) aa) (S. 16 f.); A. Georgiades, Die Anspruchskonkurrenz im Zivilrecht und Zivilprozeßrecht, 1967, S. 142, 146, 163 ff. 397 N. Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1986, § 20 (S. 367 ff.). 398 H.-U. Erichsen, in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1995, § 11 Rn. 3, 4 ff., der freilich a.a.O. Rn. 7 insofern nur von „deskriptiver Bedeutung“ spricht; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2009, § 8 Rn. 17 ff. 399 Unstr., vgl. dazu M. Jacobs, Der Gegenstand des Feststellungsverfahrens, 2005, S. 243. 400 Kritisch zur Figur des Rechtsverhältnisses vgl. nur A. Scherzberg, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2010, § 12 II 3 c (S. 387 f.); B. Grzeszick, Rechte und Ansprüche, 2002, S. 328 ff.; B. Remmert, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2010, § 18 Rn. 20.

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2. Kap.: Auslegung der VwGO-Vorschriften

(3) Eigene Definition Jede der soeben geschilderten Varianten unterstellt freilich, dass es eines prozessualen Sammelinstitutes bedarf. Dem liegen zwei bereits im Ersten Kapitel dieser Arbeit401 dargelegte Erwägungen zugrunde: (a) Mögliches Nichtbestehen des Rechtes Zum einen dienen der prozessuale Anspruch oder die Rechtsbehauptung dazu, das, worüber entschieden wird, vom materiellen Recht zu abstrahieren: Sie übersetzen das materielle Recht auf die Ebene des Prozessrechtes, um die Ungewissheit seines Bestehens zu kompensieren. Dies wird als notwendig angesehen, weil bei Gleichsetzung von Streitgegenstand und materiellem Recht ein Nichtbestehen des materiellen Rechtes zum Nichtbestehen des Streitgegenstandes führen würde402. Bestünde kein Streitgegenstand, könne nicht gemäß § 121 VwGO „über den Streitgegenstand entschieden“ werden. Dieser Gedanke ist schon deswegen problematisch, weil erst das Gericht mit dem Urteil rechtskräftig das Nichtbestehen des Rechtes feststellt. Nach dem Gedankengang muss aber schon vor der Urteilsentscheidung feststehen, dass das Recht nicht besteht, damit der Streitgegenstand wegfällt. Ein praktischer Anwendungsfall dieses Gedanken scheint deswegen schwerlich denkbar. Zudem erweist sich die Betrachtung letztlich als terminologische Frage. Richtig ist, dass gemäß § 121 VwGO eine Entscheidung über den Streitgegenstand ergeht. Eine Entscheidung ist ein determinierter Wahlvorgang zwischen möglichen Ergebnissen, also Entscheidungsvarianten403. Mit der Entscheidung für eine Variante ist immer die Negation aller anderen Entscheidungsvarianten verbunden. Gleichwohl haben sie im Entscheidungsprozess existiert. Eine Entscheidung zwischen den Varianten „Das Recht besteht“ (Stattgabe) und „Das Recht besteht nicht“ (Abweisung) kann man deswegen unabhängig von seinem wirklichen Bestehen eine Entscheidung über das fragliche Recht nennen. Schlechterdings könnte man sich sonst niemals gegen etwas entscheiden, weil das Etwas dann nicht bestehen würde und folglich auch keine Entscheidung darüber denkbar wäre. Bis zum Moment der Entscheidung existieren alle Entscheidungsvarianten als Möglichkeiten, so dass über sie entschieden werden kann. Man muss die Möglichkeit des Nichtbestehens des materiellen Rechtes daher nicht beim Begriff des Streitgegenstandes verorten. Auch der Begriff der Entscheidung ist in der Lage, die Unschärfe des lediglich möglichen Bestehens dessen, worüber entschieden wird, abzubilden. Aus diesem Grund ist daher keine Abstraktion des Streitgegenstandsbegriffs vom materiellen Recht erforderlich.

401

Erstes Kapitel, B. I. 2. a) aa) und bb) (S. 15 ff.). A. Nikisch, Der Streitgegenstand im Zivilprozeß, 1935, S. 14 ff., insbes. 16 f.; W. Habscheid, Der Streitgegenstand im Zivilprozess, 1956, S. 113 f.; W. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974, § 5 II 2 (S. 31). 403 W. Krebs, Kontrolle in staatliche Entscheidungsprozessen, 1984, S. 31 ff. 402

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(b) Bündelung mehrerer Rechte Zum anderen dienen prozessualer Anspruch und Rechtsbehauptung auch dazu, mehrere materielle Rechte im Prozess zu bündeln. Insofern erfüllen die Institute die Funktion der Beschreibung des schon dargestellten Umstandes, dass mehrere – auch übersehene – materielle Rechte Gegenstand eines Verfahrens und seiner abschließenden Entscheidung sein können. Die Institute sind diesbezüglich deklaratorisch und dann verzichtbar, wenn diesem Umstand auch anders Rechnung getragen werden kann. Möglicherweise gelingt dies unter Zugrundelegung des grundsätzlichen404 Maßstabs für die Begründetheit einer verwaltungsgerichtlichen Klage: Ihr ist stattzugeben, wenn mindestens ein subjektives Recht des Klägers besteht, das seinen Antrag stützt; sie ist abzuweisen, wenn kein subjektives Recht besteht, das den Antrag stützt405. Entscheidungsmaßstab ist mithin, ob mindestens ein subjektives materielles Recht des Klägers, das den Antrag stützt, besteht. Denkbar scheint, dass der Begriff des Streitgegenstandes in § 121 VwGO dazu dient, das bei dieser Prüfung gewonnene Ergebnis abzusichern; Streitgegenstand könnte also die Entscheidung darüber sein, ob ein den Antrag stützendes materielles subjektives Recht des Klägers besteht. Überträgt man diesen Maßstab auf die Beurteilung der Pyramide aufeinander aufbauender Urteilsentscheidungen, stellt sich die Frage, ob und wenn ja wo in ihr eine solche Entscheidung zu finden ist. Bei einem Urteil, das eine Klage aus Sachgründen abweist, hat das Gericht verschiedene Rechtssätze daraufhin geprüft, ob sie dem Kläger ein Recht gewähren. Es hat also insofern über konkrete Rechte negativ entschieden. Damit hat es aber nicht sein Bewenden. Vielmehr muss es auf einer höheren Stufe der Pyramide noch eine weitere Entscheidung geben: Für die Abweisung reicht es nämlich nicht aus, dass einige konkrete Rechtssätze dem Kläger kein Recht gewähren. Vielmehr kann das Gericht eine Klage erst und nur dann abweisen, wenn es entschieden hat, dass sich nicht nur aus den geprüften Rechtssätzen, sondern auch aus keinem anderen denkbaren Rechtssatz ein Recht des Klägers ergibt. Über der Stufe der Entscheidungspyramide, auf der konkrete Rechte verneint wurden, muss es also noch eine weitere Stufe geben, auf der das durch die Prüfung konkreter Rechtssätze gewonnene Ergebnis abstrahiert wird. Das Gericht muss also entschieden haben, dass sich aus 404 Außer Acht bleiben sollen hier einstweilen diejenigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren, die als Ausnahme vom Rechtsschutzsystem der VwGO nicht dem Individualrechtsschutz dienen; vgl. dazu noch unten, Drittes Kapitel, E. I. (S. 125 ff.). 405 Vgl. dazu grundlegend H. H. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 249 ff.; für Anfechtungsklagen vgl. D. Ehlers, JURA 2004, S. 176 (177); H. H. Rupp, DVBl. 1972, S. 232 (232 f.); für Verpflichtungsklagen vgl. D. Ehlers, in: ders./Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, 2009, § 23 Rn. 38; M. Gerhardt, in: Schoch/Schneider/ Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 113 Rn. 64; für (Allgemeine) Leistungsklagen vgl. D. Ehlers, in: ders./Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, 2009, § 24 Rn. 37; für (Allgemeine) Feststellungsklagen trifft dies freilich nur dann zu, wenn man davon ausgeht, dass nur durch subjektive Rechte begründete Rechtsverhältnisse der gerichtlichen Klärung zugänglich sind, vgl. dazu schon H. Quaritsch, VerwArch 51 (1960), S. 342 (344 f.); R. Pietzcker, in: Schoch/ Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 43 Rn. 23 f., 31.

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2. Kap.: Auslegung der VwGO-Vorschriften

keinem denkbaren Rechtssatz ein Recht des Klägers ergebe406. Auf der darunter befindlichen Stufe der Prüfung konkreter Rechte kann das Gericht freilich rechtmäßig oder rechtswidrig gehandelt haben. Hat es etwa im Beispielsfall einen Aufhebungsanspruch aus Art. 8 Abs. 1 GG verneint, einen möglichen solchen aus § 1 Abs. 1 VersG aber übersehen, so hat es rechtswidrig gehandelt: Es hat nicht über alle denkbaren Rechte des Klägers befunden. Ob das Gericht auf dieser Stufe rechtswidrig gehandelt hat, ändert aber nichts daran, dass es auf der nächsthöheren Stufe tatsächlich zu der Entscheidung gelangt ist, kein denkbarer Rechtssatz gebe ein den Antrag des Klägers stützendes Recht her. Diese Entscheidung besteht deswegen unabhängig davon, ob das Gericht bei der Beurteilung konkreter Rechte rechtmäßig oder rechtswidrig gehandelt hat. Sie ist auch unabhängig von den konkret geprüften subjektiven Rechten. Vielmehr trifft sie eine abstrakte Aussage, die ein den Antrag des Klägers stützendes Recht aus allen denkbaren Rechtssätzen verneint. Die in der Entscheidungspyramide des Urteils gesuchte Entscheidung darüber, ob ein den Antrag stützendes Recht besteht, ist also im Falle der Abweisung an der Spitze der Pyramide zu finden und lautet: Es besteht nicht – und zwar aus keiner denkbaren Rechtsnorm. Dies ist also ist Inhalt der gesuchten Entscheidung über den Streitgegenstand in einem abweisenden Urteil. Fraglich ist aber, welche Entscheidung im Falle der Stattgabe verbindlich wird. Auch hier ist denkbar, an der Spitze der Pyramide anzusetzen. Stattzugeben hat das Gericht der Klage dann, wenn mindestens ein subjektives Recht des Klägers besteht, das den Antrag stützt. Denkbar ist, dass sich auch hier an der Spitze der Pyramide eine Entscheidung des Inhaltes befindet, dass mindestens ein subjektives Recht des Klägers besteht. Diese würde – wie auch bei der Abweisung – keine Aussage über ein konkretes materielles Recht treffen, sondern lediglich abstrakt das Bestehen mindestens eines solchen feststellen. Betrachtet man allerdings den Maßstab für die Begründetheit, so stellt sich die Frage, ob eine solche abstrakte Entscheidung in der Urteilspyramide überhaupt vorhanden ist. Bei der Abweisung ist sie nach dem Gesagten erforderlich; eine Abweisung ist nur gerechtfertigt, wenn entschieden wurde, dass aus keinem denkbaren Rechtssatz ein Recht des Klägers folgt. Eine Stattgabe ist hingegen schon dann gerechtfertigt, wenn (mindestens) ein konkretes materielles subjektives Recht des Klägers vorhanden ist. Dies zeigt sich auch in der Praxis, wenn stattgebende Urteile auf ein Recht gestützt werden und das Bestehen weiterer Rechte offen gelassen wird407. In der Urteilspyramide sind dann Entscheidungen über diejenigen subjektiven Rechte enthalten, über die das Gericht 406

P. Unruh, in: Fehling/Kastner, Handkommentar Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 2010, § 121 VwGO Rn. 23; OLG Zweibrücken, OLGZ 1980, S. 237 (238): Bei einer Abweisung werde verbindlich darüber entschieden, dass „unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch“ bestehe. 407 Vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 19. 08. 2011, Az. 1 BvR 2473/10, 1 BvR 2474/10, JURIS Rn. 25; VG Ansbach, Urt. v. 12. 12. 2008, Az. AN 2 K 08.30489, JURIS Rn. 35; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 09. 10. 2007, Az. 11 L 1067/07, JURIS Rn. 18; VG Minden, Urt. v. 27. 04. 2004, Az. 1 K 2708/03.A, JURIS Rn. 28; VG München, NVwZ 2000, S. 461 (461 – zur Klagebefugnis).

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konkret befunden hat. Eine auf einer darüber befindlichen Stufe der Pyramide angesiedelte Entscheidung, dass abstrakt zumindest ein subjektives Recht besteht, ist für die Stattgabe aber nicht erforderlich; denn für sie genügt schon ein konkret bestehendes Recht. Geht man davon aus, dass nur die erforderlichen, aufeinander aufbauenden Entscheidungen Teil der Urteilspyramide und damit des Merkmals „soweit […] entschieden worden ist“ in § 121 VwGO sind, kommt eine abstrakte Entscheidung mit dem Inhalt, mindestens ein subjektives Recht bestehe, schon nicht als Entscheidung im stattgebenden Urteil vor. Sollte das Gericht also im Beispielsfalle der Anfechtung nur einen Anspruch aus Art. 8 Abs. 1 GG bejaht haben, so wäre auch nur verbindlich über diesen entschieden worden. Die Entscheidung darüber, ob ein Recht besteht, lautet im Falle der Stattgabe also: Es besteht – und zwar aus Art. 8 Abs. 1 GG (bzw. dem oder den jeweils geprüften Recht[en]). Diese Entscheidung über ein oder mehrere konkrete subjektive Rechte wäre damit die gesuchte Entscheidung über den Streitgegenstand in einem stattgebenden Urteil. Denkbar scheint aber, dass ein solches Ergebnis der Wertung des § 90 Abs. 1 VwGO widerspricht. Denn mehrere, auf dasselbe Prozessziel gerichtete Ansprüche gehören zur selben Streitsache im Sinne des § 90 Abs. 1 VwGO und können deswegen nicht gleichzeitig in verschiedenen Verfahren anhängig gemacht werden. Eine separate Geltendmachung soll nach dem Gesagten auch nicht sukzessive erfolgen können. Allerdings genügt es, wie dargestellt, für die Verhinderung einer sukzessiven Geltendmachung in verschiedenen Verfahren, wenn bei der Stattgabe gerichtlich nur über eines der subjektiven Rechte verbindlich entschieden würde; den Verfahren über die anderen Rechte würde es dann – soweit sie noch bestehen – am Rechtsschutzbedürfnis und damit an der Zulässigkeit mangeln. Wegen dieses Gesichtspunktes ist also bei der Stattgabe keine Entscheidung über alle subjektiven Rechte erforderlich. Möglicherweise ist sie aber aufgrund einer anderen Erwägung erforderlich. Denkbar ist nämlich, dass mehrere auf dasselbe Verhalten gerichtete Ansprüche bestehen, von denen einer gerichtlich geprüft und verneint, ein anderer aber bejaht wird. Geht man unter Identifikation von „Streitgegenstand“ und „subjektivem Recht“ davon aus, dass der Kläger deswegen mit einem Streitgegenstand unterliegt, mit einem anderen hingegen gewinnt, so müsste der Kläger trotz Erreichung seines Prozesszieles teilweise mit der Folge der anteiligen Kostentragungspflicht unterlegen sein408. Allerdings setzt dieser Einwand voraus, dass sich die Kostenfolge nach dem Unterliegen mit einem Streitgegenstand als jeweils geltend gemachten subjektiven Recht richtet. Da der Kläger nach dem Gesagten nicht entscheiden kann, welches Recht er geltend macht, spricht dafür wenig. Soweit zudem § 154 Abs. 1 VwGO vom „unterliegenden Teil“ und § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO von „teils obsiegt, teils unterliegt“ sprechen, enthalten die Normen keinen Maßstab dafür, wann von 408 A. Nikisch, Der Streitgegenstand im Zivilprozeß, 1935, S. 109 f.; K. H. Schwab, JuS 1965, S. 81 (82); ders., Der Streitgegenstand im Zivilprozeß, 1954, S. 11 ff.; vgl. zum Ganzen auch S. Detterbeck, Streitgegenstand und Entscheidungswirkungen im Öffentlichen Recht, 1995, S. 26 f.

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einem Unterliegen auszugehen ist. Denkbar ist deswegen, dass dieser Maßstab nichts mit dem Streitgegenstand zu tun hat. Soll nämlich der Streitgegenstandsbegriff im § 121 VwGO regeln, welcher Teil des Urteils verbindlich ist, so ist dies von der Frage, wer den Prozess gewonnen oder verloren hat, unabhängig. Ob der Kläger (teilweise) unterliegt, richtet sich schon dem Wortlaut der §§ 154 ff. VwGO nach nicht nach dem Streitgegenstand. Die Frage ist vielmehr danach zu beantworten, inwieweit das Gericht dem Antrag stattgegeben hat oder hinter ihm zurückgeblieben ist409. Mithin trägt der Einwand nicht. Darüber hinaus spricht auch folgende Erwägung für die Anknüpfung an das konkrete subjektive Recht bei der Stattgabe: Die gerichtliche Entscheidung setzt ein subjektives Recht voraus und soll es nicht erschaffen410. Will das Gericht also ein Recht zusprechen, so kann es dies ohne einen konkreten Rechtssatz nicht tun. Auch deswegen muss es anordnen, dass sich das zugesprochene Recht aus einem bestimmten Rechtssatz ergibt. Streitgegenstand und damit verbindliche Entscheidung ist deswegen beim stattgebenden Urteil, ob ein bestimmtes subjektives Rechte besteht – oder, soweit das Gericht dies entschieden hat, ob mehrere bestehen (oder manche davon nicht). Im Falle der Abweisung ist also die verbindliche Entscheidung diejenige, dass kein subjektives Recht – aus keiner Rechtsnorm – besteht. Im Falle der Stattgabe ist verbindliche Entscheidung diejenige, dass ein bestimmtes subjektives Recht (oder mehrere) besteht/bestehen. Das Urteil entscheidet also nach dieser Betrachtung verbindlich darüber, ob ein subjektives Recht, das den Antrag stützt, besteht411 und bildet damit den Maßstab der Begründetheit des Verfahrens ab. (c) Materiell-rechtliche Wirkung des Urteils Trifft das Urteil auf diese Weise eine Aussage über materielle Rechte, so beeinflusst es nach dem eingangs zur Urteilswirkung Gesagten wegen seiner materiellrechtlichen Wirkung die Rechtslage. Es ist ein Rechtssatz, weil es durch § 121 VwGO mit Verbindlichkeit ausgestattet ist. Daher ordnet es an, was im Einzelfalle zwischen den Beteiligten rechtens ist412. Es gleicht in seiner Wirkung insofern der des

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Vgl. mit plastischen Beispielen K. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 155 Rn. 3; zum Ganzen W. Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 154 Rn. 9: „Die Kostentragungspflicht […] ist von materiell-rechtlichen Grundsätzen unabhängig [… und …] knüpft an das Ergebnis des Prozesses an“. 410 Freilich ist die Entscheidung nicht nur deklaratorisch, weil sie einen abstrakten Rechtssatz in einen konkreten umwandelt, vgl. dazu H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl. 1960, S. 242 ff. und I. Appel/H. Melchinger, VerwArch 84 (1993), S. 349 (360 ff.). 411 So auch schon K. A. Bettermann, DVBl. 1953, S. 163 (164 f.). 412 Dazu oben, vgl. auch schon O. Mayer, AöR 21 (1907), S. 1 (19 ff., insbes. 24, 29 f.); ders., Deutsches Verwaltungsrecht, Band 1, 3. Aufl. 1924, Unveränderter Nachdruck 1969, S. 100.

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Verwaltungsaktes, welcher seinerzeit von Otto Mayer aus dem Urteil entwickelt413 wurde. Handelt es sich um ein stattgebendes Urteil, in dem das Gericht etwa einen Anspruch aus Art. 8 Abs. 1 GG bejaht, so legt das Urteil verbindlich fest, dass dieser besteht. Es hat dieselbe Wirkung wie ein Verwaltungsakt, der das Bestehen eines Anspruchs feststellt414 : Auch dieser konkretisiert und individualisiert die generellabstrakte gesetzliche Regelung und ordnet verbindlich an, dass diese so, wie im Verwaltungsakt festgelegt, zu gelten habe415. Er beseitigt damit die Ungewissheit des früheren, abstrakteren Rechtszustandes416 durch Schaffung eines neuen, konkreteren Rechtssatzes417. Ob diese Konkretisierung rechtswidrig ist, weil der Anspruch in Wahrheit nicht bestand, ist für ihre verbindliche Geltung solange ohne Belang, wie keine Nichtigkeitsgründe nach § 44 VwVfG vorliegen. Dies ähnelt der Wirkung des gerichtlichen Urteils: Es ist gemäß § 121 VwGO verbindlich; zur Rechtswidrigkeit führende Fehler sind, wie § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zeigt, im Rahmen von Rechtsmittelverfahren geltend zu machen, führen also im Umkehrschluss nicht zur Unwirksamkeit des Urteils. Selbst schwer wiegende Fehler sind nach § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 579 f. ZPO in einem eigenen Verfahren geltend zu machen und führen daher ebenfalls nicht ipso iure zur Unwirksamkeit des Urteils. Das stattgebende Urteil ordnet also im Einzelfall an, dass zwischen den Beteiligten das vom Gericht bejahte subjektive Recht gegeben ist bzw. mehrere bejahte Rechte gegeben sind. Dies ist damit nach Unanfechtbarkeit des Urteils verbindlich festgelegt. Handelt es sich hingegen um ein abweisendes Urteil, so legt dieses verbindlich fest, dass kein subjektives Recht des Klägers besteht, das den Antrag stützt. Wiederum zeigt sich die Parallele zur Wirkung des Verwaltungsaktes: Beantragt beispielsweise ein Bürger den Erlass einer (Bau-)Genehmigung, so ist der Ablehnung des Antrages als Verwaltungsakt die verbindliche Festlegung zu entnehmen, dass kein Anspruch auf den Erlass der Genehmigung besteht418. Aus diesem Grund 413 O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Band 1, 3. Aufl. 1924, Unveränderter Nachdruck 1969, S. 93. 414 Vgl. dazu I. Appel/H. Melchinger, VerwArch 84 (1993), S. 349 (360 ff., insbes. 362 f.). 415 H.-U. Erichsen, Verwaltungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit I, 2. Aufl. 1984, S. 66; J. Martens, DVBl. 1968, S. 322 (324); U. Stelkens, in: P. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 35 Rn. 31; J. Ipsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 2011, Rn. 336; BVerwG NVwZ 1988, S. 941 (941). 416 J. Martens, DVBl. 1968, S. 322 (324): „Da das letztlich von der Rechtsordnung angestrebte Verhalten der Rechtssubjekte bestimmt sein muß, bedarf es der Beseitigung der subjektiven Ungewißheit über den Inhalt der Norm durch verbindliche Feststellung der im Einzelfall maßgeblichen Rechtsfolgen“. 417 F. O. Kopp/U. Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 35 Rn. 10; H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl. 1960, S. 239 ff.; Vgl. auch J. Martens, NVwZ 1982, S. 480 (484). 418 M.-J. Seibert, Die Bindungswirkung von Verwaltungsakten, 1989, S. 511, 520 und 530: „[Der Bescheid muß] die Feststellung beinhalten, daß (unter den gegebenen Umständen) kein materielles Recht besteht, aus dem der Antragsteller einen Anspruch auf den begehrten Verwaltungsakt herleiten kann.“; i. E. auch F. O. Kopp, DVBl. 1983, S. 392 (399); R. Pietzcker, in:

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verändert eine Ablehnung die materielle Rechtslage und macht damit die Berufung auf vormals etwaig bestehende Ansprüche unmöglich419 : Sie bestehen nach dem Erlass des Verwaltungsaktes nicht mehr fort, weil die Rechtslage nunmehr so ist, wie die Ablehnung sie verbindlich festgestellt hat420. Ob die Ansprüche also wirklich bestanden oder nicht, ist nach der Ablehnung ohne Belang: Nunmehr steht fest, dass sie nicht bestehen. Diese Feststellung mag, soweit sie vormals bestehende Ansprüche negiert, rechtswidrig sein; sie ist aber wirksam und deswegen verbindlich. Eben diese Wirkung hat auch das verwaltungsgerichtliche Urteil: Soweit es eine Klage aus Sachgründen abweist, stellt es verbindlich fest, dass kein subjektives Recht des Klägers besteht, das den Antrag stützt. Es bringt damit materiell-rechtlich alle möglicherweise bestehenden Rechte des Klägers, die den Antrag hätten stützen können, zum Erlöschen – auch jene, die das Gericht übersehen hat. Die Reichweite dieser Wirkung erfasst all jene Rechte, über die nach der Anspruchskonkurrenz im materiellen Recht421 nur einheitlich entschieden werden kann. Hat das Gericht also im Beispielsfall einen Anspruch aus Art. 8 Abs. 1 GG ausdrücklich verneint, einen Anspruch aus § 1 Abs. 1 VersG aber nicht geprüft, so enthält das abweisende Urteil die verbindliche Feststellung, dass kein Anspruch besteht. Mithin erlischt auch ein solcher aus § 1 Abs. 1 VersG. Dies geschieht deshalb, weil er auf dieselbe Leistung gerichtet ist, nämlich die Aufhebung des Bescheides, die materiell-rechtlich nur einmal zu erbringen war und die deswegen von der Urteilsaussage mit erfasst ist. Mithin lässt sich die Mehrheit von Rechten in einer Urteilsentscheidung auch auf Ebene des materiellen Rechtes lösen. Dies gelingt dann, wenn man die zur materiellrechtlichen Wirkung von Verwaltungsakten entwickelte Dogmatik422 auf die Urteilswirkung überträgt. Deswegen bedarf es auch für die Beschreibung einer Entscheidung über mehrere Rechte keiner Abstraktion des materiellen Rechtes durch Schaffung eines prozessualen Institutes. Auch aus diesem Grund muss daher der Streitgegenstand im § 121 VwGO nicht prozessual verstanden werden.

Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 42 Abs. 1 Rn. 96; a.A. H. v. Wedel, MDR 1975, S. 96 (98); zur Frage, ob mit der Ablehnung auch der Verstoß des Vorhabens gegen baurechtliche Vorschriften verbindlich festgestellt wird, vgl. M. Därr, DÖV 1976, S. 111 (114). 419 Vgl. dazu schon oben, Zweites Kapitel, A. I. 1. (S. 33); C. Bickenbach, Das Bescheidungsurteil als Ergebnis einer Verpflichtungsklage, 2006, S. 48. 420 H. Kracht, Feststellender Verwaltungsakt und konkretisierende Verfügung, 2002, S. 114 f. 421 Vgl. dazu nur D. Medicus, Schuldrecht I, 17. Aufl. 2006, Rn. 357 und K. Larenz/M. Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl. 2004, § 18 Rn. 26 ff., der freilich die von Georgiades entwickelte Anspruchsnormenkonkurrenz vertritt. 422 Dazu ausführlich M.-J. Siebert, Die Bindungswirkung von Verwaltungsakten, 1989, S. 69 ff.; S. Becker, Die Bindungwirkung von Verwaltungsakten im Schnittpunkt von Handlungsformenlehre und materiellem öffentlichen Recht, 1997, S. 49 ff.

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(4) Zwischenergebnis zur Rechtsmehrheit Gemäß § 121 VwGO binden verwaltungsgerichtliche Urteile, „soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist“. Der Begriff des Streitgegenstandes bildet den Maßstab der Begründetheit einer Klage ab. Mithin ist § 121 VwGO also so zu lesen, dass Urteile binden, soweit darüber entschieden worden ist, ob ein subjektives Recht des Klägers besteht, das den Antrag stützt. Weist das Gericht eine Klage ab, so stellt es im Urteil verbindlich fest, dass kein subjektives Recht besteht – und zwar aus keiner Rechtsnorm. Diese Entscheidung ist im Urteil enthalten, denn sie ist notwendig, weil das Gericht ohne sie die Klage nicht abweisen könnte. Sie erfasst in ihrer Wirkung all jene materiellen Rechte, über die nach der Anspruchskonkurrenz im materiellen Recht nur einheitlich entschieden werden konnte, und bringt sie materiell-rechtlich zum Erlöschen. Das Urteil gleicht damit in seiner Wirkung einem Verwaltungsakt, mit dem ein Antrag abgelehnt wird: Auch er stellt verbindlich fest, dass kein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht und bringt etwaig bestehende Ansprüche zum Erlöschen. Gibt das Gericht hingegen der Klage statt, so stellt es fest, dass ein konkretes subjektives Recht besteht – und zwar aus dem geprüften und vom Gericht als rechtsgewährend angenommenen Rechtssatz. Es bejaht damit ein oder mehrere konkrete subjektive Rechte und übersetzt die bestehende abstrakt-generelle Regelung in einen Einzelfallrechtssatz. Soweit das Urteil also Rechte bejaht, besteht mit dem Urteil ein Rechtssatz, der das Bestehen dieser Rechte zwischen den Beteiligten verbindlich festsetzt. cc) Funktionsüberprüfung Es ist allerdings zu prüfen, ob sich mit einer solchen Betrachtung sowohl die Rechtsschutzfunktion wie auch die Verhinderung mehrmaliger Entscheidungen in derselben Sache erklären lassen. (1) Rechtsschutzfunktion des Urteils Rechtsschutz ist nach dem oben Gesagten jedenfalls dann gegeben, wenn dem Recht des Klägers zur Durchsetzung verholfen wird und er nicht mehrfach darum kämpfen muss. Soweit das Gericht ein konkretes materielles Recht im Urteil bejaht, steht mit Rechtskraft des Urteils außer Frage, dass dieses Recht besteht: Das Urteil selbst ordnet als Einzelfallrechtssatz gemäß § 121 VwGO an, dass das Recht zwischen den Beteiligten besteht. Sein Bestehen ist damit außer Frage gestellt und muss nicht erneut erstritten werden. Ebenso wird auch die Wirkung des Rechtes gesichert: Soweit das Urteil Gestaltungswirkung hat, setzt es das Recht des Klägers unmittelbar um. Soweit es einen Leistungsbefehl enthält, gewähren die §§ 167 ff. VwGO Mittel zur zwangsweisen Durchsetzung desselben und soweit es lediglich Feststellungswirkung hat, ist das Recht durch eben jene verbindliche Feststellung außer Streit

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gestellt. Allen drei möglichen Urteilsarten423 ist gemein, dass die Frage, ob ein Recht des Klägers besteht, verbindlich entschieden wurde. Es ist damit ausgeschlossen, dass der Kläger erneut darum kämpfen muss und auch für den Beklagten steht mit Verbindlichkeit und damit sicher fest, ob er sich antragsgemäß verhalten muss. Soll Recht Verhalten steuern424, wird die vom materiellen Recht bezweckte Steuerungsfunktion durch das Urteil erreicht. Soweit das Recht vom Gericht bejaht wurde, wird die Rechtsschutzfunktion also erfüllt. Fraglich ist allerdings, ob sie auch für jene Rechte erfüllt wird, deren Bestehen das Gericht übersehen oder offengelassen hat, weil es der Klage schon aufgrund eines anderen Rechtes stattgegeben hat. Für Rechtsschutz bedarf es der richterlichen Befassung mit dem Recht mit dem Ziel der Möglichkeit, Rechtsschutz zu gewähren425. Soweit das Gericht die Entscheidung über konkrete Rechte offengelassen hat, hat es sich mit ihnen befasst, auch wenn es sie als für den Rechtsschutzerfolg unerheblich bewertet hat. Den Erfolg des Rechtsschutzes hat es ebenfalls gewährt, weil es der Klage stattgegeben und damit dem Kläger zugesprochen hat, was auch die offengelassenen Rechte gewährt hätten. Insofern ist der durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierte Rechtsschutzanspruch bereits erfüllt. Soweit das Gericht ein Recht übersehen hat, hat es sich zwar nicht mit ihm befasst und insofern den Rechtsschutzanspruch nicht erfüllt. Allerdings hat der Kläger nach dem oben Gesagten auch für dieses Recht jedenfalls den Rechtsschutzerfolg bereits erlangt, weil die Erfüllung auch des übersehenen Rechtes aufgrund des Urteils sichergestellt ist. Soweit der Kläger ausdrücklich noch eine richterliche Befassung mit diesem Recht verlangt, kann diese stattfinden – wenn auch mit dem Ergebnis, dass es für ein erneutes Verfahren über das übersehene Recht am Rechtsschutzbedürfnis und damit an der Zulässigkeit mangelt. Seiner Funktion als Rechtsschutzinstrument wird das Urteil also bei einer solchen Betrachtung gerecht. (2) Verhinderung der Zweitentscheidung Möglicherweise wird darüber hinaus auch eine erneute Entscheidung über das Recht verhindert. Bei verbreitet vertretener Betrachtung geschieht dies dadurch, dass ein ungeschriebenes Zulässigkeitsmerkmal („ne bis in idem“) angenommen wird, das bei Bestehen einer schon rechtskräftigen Entscheidung über denselben Streitgegenstand zur Unzulässigkeit der Zweitklage führt426. Es überrascht nicht, dass mangels normativer Regelung umstritten ist, wie dieses Merkmal zu verstehen ist – 423

W. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974, § 38 III (S. 377 ff.). H. H. Rupp, in: Weber/Ule/Bachof, Rechtsschutz im Sozialrecht, 1965, S. 173 (181). 425 M. Sachs, in: ders., GG, 6. Aufl. 2011, Art. 19 Rn. 135. 426 Vgl. nur C. F. Germelmann, Die Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen in der Europäischen Union, 2009, S. 32; K. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 121 Rn. 9; W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 13. Aufl. 2012, Rn. 615; F. O. Kopp/ders., VwGO, 18. Aufl. 2012, § 121 Rn. 1; BVerwG DVBl. 1962, S. 265 (265); BVerwGE 73, S. 348 (348 f.). 424

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und ob es womöglich keine neue Entscheidung, sondern nur eine abweichende Neuentscheidung verbietet427. Denkbar ist aber, dass es nach der hier vertretenen Lösung keines Rückgriffs auf ein solches ungeschriebenes Zulässigkeitsmerkmal bedarf. Soweit das Urteil nach dem Gesagten materiell-rechtliche Wirkung entfaltet, könnten der Zulässigkeit von Zweitklagen bereits materiell-rechtliche Erwägungen entgegenstehen. Jedenfalls, soweit nicht schon faktisch aufgrund der Festlegung im ersten Urteil kein Streit im Sinne des § 40 Abs. 1 VwGO mehr besteht, kann die Frage der Entscheidung in einem vorigen Verfahren bei der Prüfung der Klagebefugnis relevant werden. Geht man von der Annahme aus, dass die Voraussetzung der Klagebefugnis wegen der durch Art. 19 Abs. 4 GG vorgesehenen Rechtsschutzfunktion des Verwaltungsprozesses428 in allen Verfahrensarten – ggf. in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO – vorliegen muss429 oder jedenfalls, soweit sie etwa bei Feststellungsklagen nicht vorliegen muss430, nur aus subjektiven Rechten begründete Rechtsverhältnisse der gerichtlichen Prüfung offenstehen431, muss der Kläger also stets geltend machen, ein subjektives Recht zu haben. Es darf nicht „offensichtlich und eindeutig“ ausgeschlossen sein, dass ein solches Recht besteht432. Ist aber die Klage bereits im ersten Verfahren abgewiesen worden, so steht mit dem ersten Urteil verbindlich fest, dass zwischen den Beteiligten kein den Antrag stützendes subjektives Recht des Klägers besteht: Das Urteil selbst hat als Einzelfallrechtssatz materiell-rechtlich, wie ein Verwaltungsakt, etwaig bestehende Rechte zum Erlöschen gebracht. Will der Kläger also in einem weiteren Verfahren eines oder mehrere der Rechte geltend machen, über die schon eine Abweisung ergangen ist, so mangelt es an der Klagebefugnis: Es ist aufgrund der Festlegung im ersten Urteil ausgeschlossen, dass das fragliche subjektive Recht des Klägers besteht433. Die Klage ist

427 W. Schmitt Glaeser/H.-D. Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl. 2000, Rn. 114; W. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974, § 47 III 2 (S. 494 ff.); H. v. Nicolai, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, 14. Aufl. 2004, § 121 Rn. 5 m.w.N.; C. H. Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 9. Aufl. 1987, § 59 I 1 (S. 313); BVerwGE 35, S. 234 (236); 82, S. 272 (274). 428 BVerwGE 92, S. 263 (264). 429 M. Happ, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 42 Rn. 80; F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 42 Rn. 62 ff., der freilich für die Feststellungsklage a.a.O. Rn. 63 eine Ausnahme macht; H.-W. Laubinger, VerwArch 82 (1991), S. 459 (459 ff.); vgl. auch W. Krebs, in: Erichsen/Hoppe/v. Mutius, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, Festschrift für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 191 (198 ff.). 430 F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 42 Rn. 62 ff. 431 R. Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 43 Rn. 23 f., 31. 432 BVerwGE 18, S. 154 (157); 81, S. 329 (330); 92, S. 313 (316). 433 Vgl. BVerwG, Urt. v. 13. 12. 2011, Az. 5 C 9/11, JURIS Rn. 18, wonach eine Klägerin wegen eines entgegenstehenden früheren Urteils „keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheids“ habe. Allerdings verweist das BVerwG im Folgenden nicht auf einen materiell-rechtlichen Anspruch, sondern eine im früheren Urteil verneinte Rechtsbehauptung (Rn. 20).

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dann nicht wegen entgegenstehender Rechtskraft (res iudicata) abzuweisen, sondern wegen mangelnder Klagebefugnis. Wurde der ursprünglichen Klage hingegen stattgegeben und will der Kläger erneut über diejenigen Rechte prozessieren, über die dort verbindlich entschieden wurde, so ist dies ebenfalls nicht möglich: Soweit es sich um eine Anfechtungsklage handelte, sind die entsprechenden – einschließlich der vom Gericht unberücksichtigt gebliebenen – Rechte bereits mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes ipso iure erloschen. Einer neuen, auf Aufhebung des bereits aufgehobenen Verwaltungsaktes gerichteten Klage fehlt es somit jedenfalls an der Klagebefugnis434. Soweit der Kläger andere Rechte mit einer Leistungs- oder Feststellungsklage verfolgen möchte, mangelt es dafür – soweit sie nicht bereits vom Beklagten erfüllt und damit erloschen sind – zwar nicht an der Klagebefugnis; vielmehr legt das erste Urteil gerade verbindlich fest, dass sie bestehen. Allerdings fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis: Der Kläger könnte im Falle der Leistungsklage auf die prozessual einfachere Möglichkeit der Vollstreckung aus dem ersten Urteil verwiesen werden435. Auch für eine zweite Feststellungsklage würde es am Rechtsschutzbedürfnis mangeln, da der Kläger mit ihr nichts erhalten könnte, was er nicht schon hat436 : die verbindliche Feststellung seines Rechtes437. Insofern sei auf das oben bereits Gesagte verwiesen438. Wurde hingegen der ursprünglichen Klage stattgegeben und möchte der Kläger nunmehr unter Berufung auf ein Recht klagen, dass das Gericht bei der ursprünglichen Stattgabe einer Leistungs- oder Feststellungsklage übersehen oder dessen Bestehen es offengelassen hat, so steht dem zwar ebenfalls keine mangelnde Klagebefugnis entgegen; allerdings fehlt es nach dem oben Gesagten auch hier am Rechtsschutzbedürfnis. Soweit es sich um Rechte handelt, die nach der Anspruchskonkurrenz im materiellen Recht vom Beklagten nur einmal zu erfüllen sind, 434

Auch gegen die Rechtsschutzform der Anfechtungsklage kann schon sprechen, dass diese für das Begehren – Aufhebung eines bereits aufgehobenen Verwaltungsaktes – nicht einschlägig ist. Zu einem weiten Verständnis, das auch den Rechtsschein eines Verwaltungsaktes erfassen können soll, vgl. aber J. Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 42 Abs. 1 Rn. 19 ff. 435 So wird das Rechtsschutzbedürfnis verneint, „wenn der Kläger den angestrebten Erfolg auf einfachere Art und Weise erreichen kann“, vgl. W. Schmitt Glaeser/H.-D. Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl. 2000, Rn. 119. 436 Zur Fallgruppe, dass der „angestrebte Rechtsschutz für den Kläger ohne Nutzen ist“, vgl. W. Schmitt Glaeser/H.-D. Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl. 2000, Rn. 131. 437 Mit dieser Behandlung des Problems der res iudicata lässt sich auch erklären, warum bei Verlust des Ersturteils samt Abschriften eine Zweitklage trotz eigentlich entgegenstehender Rechtskraft zulässig sein soll – BGH NJW 1957, S. 1111 (1111 f.) –, was bisweilen als „Ausnahme“ von einem abstrakten „Zweitklageverbot“ angesehen wird – K. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 121 Rn. 9 –, es aber nach der hiesigen Lösung nicht ist. Selbst wenn nämlich das Ersturteil verbindlich das Bestehen des Rechtes bejaht haben mag, mangelt es nach dem Verlust des Urteils nicht mehr am Rechtsschutzbedürfnis, weil der Kläger durch ein erneutes Urteil mehr erhält, als er bereits hatte – die sich mit dem neuerlichen Urteil ergebende Möglichkeit der Vollstreckung. 438 Vgl. oben, Zweites Kapitel, A. III. 2. c) bb) (2) (a) (S. 82 f.).

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hat der Kläger für sie bereits den Rechtsschutzerfolg in Form des ersten Urteils erhalten: die verbindliche Feststellung des Rechtes bei einem Feststellungsurteil und die verbindliche Feststellung der sich aus dem Anspruch ergebenden Leistungspflicht bei einem Leistungsurteil. Er kann deswegen auf die Vollstreckung beziehungsweise die Feststellung aus dem ersten Urteil verwiesen werden, so dass für ein zweites Verfahren kein Rechtsschutzbedürfnis mehr besteht. Soweit es sich um Rechte handelt, über die nach der Anspruchskonkurrenz im materiellen Recht nicht einheitlich zu entscheiden war, steht ihm eine zweite Klage freilich weiterhin offen; insofern läge aber auch nach klassischem Verständnis keine res iudicata vor. Mit dieser Behandlung der res iudicata lässt sich auch erklären, warum der Beklagte zugunsten des Klägers vom Urteil abzuweichen befugt wird. Dies ist nach verbreitetem Verständnis insofern problematisch, als bisweilen angenommen wird, dass sich die Beteiligten in jedem Fall dem Urteil gemäß zu verhalten hätten; eine Möglichkeit zur Abweichung zugunsten des obsiegenden Klägers wäre bei solcher Betrachtung eine Einschränkung der Wirkungsweise der Rechtskraft, die nur „zugunsten“, nicht aber „zuungunsten“ des Obsiegenden wirke439. Habe also etwa ein Gericht die gegen einen Verwaltungsakt gerichtete Anfechtungsklage rechtskräftig abgewiesen, dürfe der Beklagte dennoch ausnahmsweise den Verwaltungsakt aufheben, weil dies zugunsten des Klägers geschehe. Nach der hier vertretenen Lösung ist dies freilich keine Ausnahme. Es ist vielmehr die Konsequenz daraus, dass mit dem Urteil ein Rechtssatz besteht, der konkrete Rechte des Klägers zwischen den Beteiligten feststellt oder die Existenz von Rechten beseitigt. Damit steht im Urteil lediglich fest, ob ein Recht des Klägers besteht – also, wozu der Beklagte verpflichtet ist440. Dass ein Rechtssubjekt aber grundsätzlich mehr tun darf als das, wozu es verpflichtet ist, ist eine Selbstverständlichkeit, die hier nur der Vollständigkeit halber Erwähnung finden soll. Ist der Beklagte also beispielsweise nach einem abweisenden Anfechtungsurteil nicht verpflichtet, einen Verwaltungsakt aufzuheben, ist er dennoch dazu berechtigt, soweit er dabei nicht gegen sonstige Rechtssätze verstößt. Soweit zur Ermittlung der Identität des Rechtsstreites diskutiert wird441, inwieweit sich die Bestimmung derselben nach dem Antrag442 oder nach dem Antrag und dem entschiedenen Sachverhalt443 bestimmt, kommt dem im Ergebnis nach dem hier Vertretenen keine wesentliche Bedeutung zu. Richtig ist, dass ermittelt werden muss, ob es in einem anderen Prozess um dasselbe Recht bzw. dieselben Rechte geht, für die das Ersturteil schon eine verbindliche Aussage trifft. Dafür mögen die Kriterien Antrag und Sachverhalt, die allerdings erst auf der Ebene des Prozesses zum Tragen 439

So BVerwG NVwZ 1993, S. 672 (673). Vgl. auch F. Haueisen, NJW 1963, S. 1329 (1333 f.). 441 Dazu siehe oben, Erstes Kapitel, B. I. (S. 13 ff.). 442 K. H. Schwab, Der Streitgegenstand im Zivilprozeß, 1954, S. 184; ders., JuS 1965, S. 81; E. Bötticher, in: Bernhardt, Beiträge zum Zivilprozeßrecht – Festgabe zum siebzigsten Geburtstag von Leo Rosenberg, 1949, S. 73 ff. 443 W. Habscheid, Der Streitgegenstand im Zivilprozess, 1956; G. Lüke, JuS 1967, S. 1 (26); ausführlich dazu oben Erstes Kapitel, B. I. 2. b) bb) (S. 19 ff.). 440

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kommen und deswegen grundsätzlich mit dem materiellen Recht nichts zu tun haben, eine gewisse heuristische Funktion besitzen. So sind subjektive Rechte, ungeachtet der im Einzelnen bestehenden Schwierigkeiten des Begriffs444 jedenfalls gekennzeichnet durch eine Berechtigung445, die regelmäßig durch eine Verhaltenspflicht charakterisiert ist446. Diese Verhaltenspflicht entspricht regelmäßig dem Antrag, so dass durchaus zur Bestimmung der Identität zunächst an diesen angeknüpft werden kann447. Ebenso reicht aber bisweilen der Antrag nicht zur Bestimmung des Rechtes aus, wenn etwa eine Geldleistung eingefordert wird, die sich beispielsweise aus einem Vertrag oder einem in völlig anderer Sache ergangenen Bewilligungsbescheid ergeben kann. Versteht man das Urteil nach dem hier Dargestellten als Entscheidung über materielle Rechte, so ist unerheblich, wieviel vom Antrag und wieviel vom Sachverhalt zu Hilfe genommen werden muss, um zu ermitteln, ob es um die subjektiven Rechte geht, über die schon gestritten oder entschieden wurde. Diese Frage beantwortet sich nicht nach dem Prozessrecht. Sie ist nach der Anspruchskonkurrenz im materiellen Recht448 zu beurteilen: Sind die verschiedenen Rechte auf dasselbe Ziel gerichtet, muss damit der Schuldner materiell-rechtlich die Leistung nur einmal erbringen, wird über sie auch einheitlich gestritten und bei Abweisung einheitlich entschieden. (3) Exkurs: Prozessurteile Betrachtet man die verbindliche Entscheidung über den Streitgegenstand als eine solche über materielle Rechte, ist § 121 VwGO nach dem Gesagten also so zu lesen, dass Urteile „binden, soweit darüber entschieden wurde, ob ein subjektives Recht besteht“. Nur, soweit Urteilsentscheidungen diese Frage betreffen, ist das Urteil demnach verbindlicher Rechtssatz. Fraglich ist aber, ob mit einer solchen Annahme die Wirkung von Prozessurteilen zu erklären ist. (a) Verfahrensbeendigung und Verbindlichkeit Nach verbreiteter Betrachtung erschöpft sich die Wirkung von Prozessurteilen nicht in der Verfahrensbeendigung. Vielmehr erwächst der jeweils zur Unzulässig-

444

Vgl. nur H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl. 1960, S. 130 ff.; H. Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, 1986, S. 136 ff.; H.-U. Erichsen, in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1995, § 11 Rn. 30 ff. 445 H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober/W. Kluth, Verwaltungsrecht Band 1, 12. Aufl. 2007, § 43 Rn. 10. 446 H.-U. Erichsen, in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1995, § 11 Rn. 35. 447 In diesem Sinne auch W. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974, § 5 II 2 (S. 32), der deswegen den „grundlegenden Unterschied zwischen materiellrechtlichen und prozessualen“ Streitgegenstandstheorien für „aufgehoben“ hält. 448 Vgl. dazu nur D. Medicus, Schuldrecht I, 17. Aufl. 2006, Rn. 357 und K. Larenz/M. Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl. 2004, § 18 Rn. 26 ff., der freilich die von Georgiades entwickelte Anspruchsnormenkonkurrenz vertritt.

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keit führende konkrete Grund in Rechtskraft449. Wird also beispielsweise eine Klage wegen Verfristung abgewiesen, so steht mit dem abweisenden Urteil rechtskräftig fest, dass die Klage verfristet ist. Einer erneuten Erhebung der Klage steht dann ohne Änderung der Sach- und Rechtslage der verbreitet angenommene Einwand der res iudicata450 entgegen, weil bereits ein rechtskräftiges Urteil besteht, das die Verfristung verbindlich als Zulässigkeitsmangel festlegt; die zweite Klage ist dann wegen insofern entgegenstehender Rechtskraft abzuweisen451. Nach der hier vertretenen Lösung erwachsen allerdings Urteilsentscheidungen nur insoweit in Rechtskraft, wie sie über die Frage ergehen, ob ein subjektives Recht besteht. Eine Entscheidung über eine prozessuale Frist betrifft aber nicht das materielle Recht452, sondern ergeht über eine rein prozessuale Frage453. Entscheidungen über prozessuale Fragen wie die Verfristung oder einen fehlenden, aber gemäß § 68 VwGO erforderlichen form- und fristgerecht erhobenen Widerspruch, erwachsen deswegen nach der hiesigen Lösung nicht in Rechtskraft. Soweit ein solches Prozessurteil ergeht, hat es nichts über das subjektive Recht, also den Streitgegenstand, entschieden454, so dass § 121 VwGO über eine Verbindlichkeit des Urteils keine Aussage zu entnehmen ist. Die Norm regelt diesen Fall nicht. Sie ist auf reine Prozessurteile, die nichts über das subjektive Recht entscheiden, nicht anwendbar. Sie trifft deswegen auch keine Aussage über die Verbindlichkeit von Zwischenurteilen, mit denen das Gericht gemäß § 109 VwGO die Zulässigkeit der Klage vorab 449

B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 91; P. Gottwald, in: Rauscher/Wax/Wenzel, Münchener Kommentar zur ZPO, Band 1, 3. Aufl. 2008, § 322 Rn. 172; F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 121 Rn. 19; T. Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, 3. Aufl. 2011, Rn. 592; BVerwG NJW 1968, S. 1975 (1796); OVG Berlin DVBl. 1971, S. 278 (279); BayVGH NVwZ 1994, S. 514 (514); freilich wird der Abweisungsgrund damit nicht notwendig zum Streitgegenstand im Sinne des § 121 VwGO erhoben, vgl. ausdrücklich W. Schmitt Gläser/H.-D. Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl. 2000, Rn. 50: Demnach sei über den Streitgegenstand nichts entschieden und die Prozessurteile erwüchsen deswegen nicht in materielle Rechtskraft. Wenn das aber so ist, ist nicht erklärbar, warum trotzdem nach Rn. 501 der Abweisungsgrund verbindlich feststehen soll; verbindlich werden gemäß § 121 VwGO nur diejenigen Entscheidungen, die „über den Streitgegenstand“ ergehen. 450 Dazu krit. oben, Zweites Kapitel, A. III. 2. c) cc) (2) (S. 98 ff.). 451 BGH NJW 1981, S. 1962 (1963). 452 In Einzelfällen kann freilich auch ein langes Zuwarten bis zur Geltendmachung eines Rechtes dessen materielle Verjährung oder Verwirkung bedingen. Darüber wird aber im Rahmen der Fristprüfung bei der Zulässigkeit nicht entschieden; dies ist vielmehr eine Frage der Klagebefugnis oder Begründetheit. 453 C. Meissner, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 74 Rn. 1: „verfahrensrechtliche Mechanismen“, die den Widerstreit des Rechtsschutzinteresses des Betroffenen mit dem Interesse des Staates am Bestand seiner Entscheidungen auflösen. 454 W. Schmitt Gläser/H.-D. Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl. 2000, Rn. 50; deswegen konsequent A. Blomeyer, Zivilprozeßrecht – Erkenntnisverfahren, 2. Aufl. 1985, S. 232, der diesen Umstand durch Schaffung eines eigenen Streitgegenstandes für Prozessurteile korrigieren möchte – von ihm sog. „prozessualer Streitgegenstand“ in Abgrenzung vom „sachlichen Streitgegenstand“.

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2. Kap.: Auslegung der VwGO-Vorschriften

festgestellt hat455. An den Inhalt solcher Zwischenurteile ist freilich das Gericht im weiteren Verfahren nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 318 ZPO gebunden456. Nach dem Gesagten besteht die Wirkung eines Prozessurteils mithin lediglich in der Verfahrensbeendigung457. Nur, soweit das Prozessurteil eine Entscheidung über das materielle Recht trifft, tritt neben die Verfahrensbeendigung durch die insoweit anwendbare Regelung des § 121 VwGO eine Verbindlichkeit: Weist also das Urteil die Klage wegen mangelnder Klagebefugnis ab, so hat das Gericht über das materielle Recht entschieden. Damit steht bei einer Abweisung aus diesem Grund verbindlich fest, dass kein subjektives Recht des Klägers besteht – hinsichtlich der Entscheidungswirkung besteht dann kein Unterschied zur Abweisung mangels Begründetheit458. (b) Keine Abweisung wegen res iudicata Freilich läge damit für alle Prozessurteile, die nicht über das materielle Recht ergehen, auch keine res iudicata vor; neue Klagen in derselben Sache könnten nicht wegen entgegenstehender Rechtskraft abgewiesen werden. Es stellt sich daher die Frage, ob daraus eine signifikante Mehrbelastung der Gerichte folgen würde. Dies könnte deswegen der Fall sein, weil erneute Klagen nicht mit Verweis auf die bereits bestehende Entscheidung wegen entgegenstehender Rechtskraft abgewiesen werden können. Nach dem hiesigen Modell ist in einer Klage, die mangels vorher erhobenen Widerspruchs gemäß § 68 Abs. 1 VwGO abgewiesen wird, nichts über das materielle Recht entschieden worden. Es besteht damit auch keine Urteilsentscheidung, die nach § 121 VwGO in Rechtskraft erwachsen könnte. Erhebt der Kläger nach der Abweisung seine Klage erneut, so muss diese abgewiesen werden, soweit es für die Klage immer noch am vorher erhobenen Widerspruch mangelt. Die erneute Abweisung wird auf denselben Grund gestützt wie die erste. Das Gericht hat die vorherige Erhebung des Widerspruchs also erneut sachlich zu prüfen. Anders stellt sich die Situation nach dem verbreitet vertretenen Verständnis dar: Hier kann das Gericht die erneute Klage wegen entgegenstehender Rechtskraft abweisen459. Formal gesehen muss es deswegen die Erhebung des Widerspruchs nicht 455 So auch H. A. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 109 Rn. 22: Das Zwischenurteil erwachse „nicht in materielle Rechtskraft, da es nicht über den Streitgegenstand […] entscheidet“ (Hervorhebung im Original). 456 F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 109 Rn. 7; H. A. Wolff, in: Sodan/ Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 109 Rn. 22. 457 Anders ausdrücklich BayVGH NVwZ 1994, S. 514 (514): Eine Unterscheidung der Rechtskraftwirkung nach dem Grund der Klageabweisung „entbehrt der rechtlichen Grundlage“. Dem ist aber nicht so: Sie ist vielmehr Folge der hier vertretenen Streitgegenstandsdefinition und damit Anwendung des § 121 VwGO. 458 So auch BVerwG NJW 1968, S. 1795 (1795). 459 BGH NJW 1981, S. 1962 (1963).

A. Der Streitgegenstand in § 121 VwGO

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erneut prüfen. Allerdings muss auch hierbei ermittelt werden, ob sich zwischenzeitlich die Sach- und Rechtslage geändert hat. Denn soweit dies der Fall ist, wird ein neuer Streitgegenstand angenommen, so dass dem zweiten Verfahren insofern keine rechtskräftige Entscheidung über denselben Streitgegenstand mehr entgegensteht460. Sollte der Kläger zwischenzeitlich form- und fristgerecht, aber in der Sache erfolglos Widerspruch erhoben haben, die vormals fehlende Zulässigkeitsvoraussetzung nunmehr also vorliegen, so ist die erneute Klage insofern zulässig461. Auch nach dem verbreiteten Verständnis der Rechtskraft muss das Gericht also prüfen, ob die ehemals nicht gegebene Zulässigkeitsvoraussetzung seit dem Erlass des ersten Urteils nunmehr erfüllt ist. Nur, soweit dies nicht der Fall ist, steht die Rechtskraft des ersten Urteils dem zweiten Verfahren entgegen. In der Sache findet also ebenfalls eine erneute Prüfung statt – wenn auch ausschließlich bezogen auf den Zeitraum zwischen erstem und zweitem Verfahren. Hat sich die Sach- und Rechtslage zwischen der ersten Abweisung und dem zweiten Verfahren nicht geändert, liegt der einzige Unterschied also in Folgendem: Nach verbreiteter Lösung wird die erneute Klage wegen entgegenstehender Rechtskraft abgewiesen, nach hier vertretener Lösung wegen desselben Zulässigkeitsmangels, aufgrund dessen die erste Abweisung erfolgte. Das Gericht prüft in beiden Varianten, ob sich seit der ersten Abweisung eine Veränderung der Sach- und Rechtslage ergeben hat. Einzig in der hier vertretenen Lösung jedoch prüft es auch die ursprüngliche Sach- und Rechtslage erneut. Dieser Unterschied wird rechtlich aber nur in einem Fall relevant: jenem nämlich, dass die ursprüngliche Abweisung rechtswidrig auf das Fehlen einer Zulässigkeitsvoraussetzung gestützt wurde, die tatsächlich vorlag. In diesem Fall hat das Gericht nach üblicher Lösung rechtskräftig entschieden, dass zum Beispiel die Klage mangels Widerspruchs unzulässig sei. Hatte der Kläger aber form- und fristgerecht, jedoch erfolglos Widerspruch erhoben und das Gericht dies bei Erlass des Prozessurteils übersehen, bleibt es dennoch bei dieser Entscheidung462. Denn da sich zwischen der ersten Abweisung und dem neuen Verfahren keine neue Sach- und Rechtslage ergeben hat, steht dem zweiten Verfahren die Rechtskraft des ersten Urteils entgegen463. Nach der hier vertretenen Lösung hingegen wird ohnehin keine entgegenstehende Rechtskraft geprüft. Das Gericht hat erneut darüber zu befinden, ob der Kläger Widerspruch erhoben hat und kann diesen Umstand nunmehr berücksichtigen und die Klage insofern für zulässig erachten. 460 B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 121 Rn. 71; W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 13. Aufl. 2012, Rn. 627. 461 F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 121 Rn. 19, 28; H. v. Nicolai, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, 15. Aufl. 2010, § 121 Rn. 15; K. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 121 Rn. 22. 462 Vgl. zu einer ähnlichen Konstellation BFH BStBl III 1967, S. 615 (616). 463 Vgl. BayVGH NVwZ 1994, S. 514 (514): „Auch fehlerhafte Entscheidungen [über Sachentscheidungsvoraussetzungen, Anm. d. Verf.] sind der Rechtskraft fähig“.

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2. Kap.: Auslegung der VwGO-Vorschriften

Dass das Gericht auch die ursprüngliche Sach- und Rechtslage erneut prüfen muss, mag einen faktischen Mehraufwand mit sich bringen. Dieser dürfte aber tatsächlich gering sein. Denn auch bei üblicher Prüfung muss das Gericht die ursprüngliche Sach- und Rechtslage erneut berücksichtigen, um nunmehr ermittelte oder vorgetragene Informationen in die Kategorie „nachträgliche Änderung“ (Begründung eines neuen Streitgegenstandes) oder „schon zum Zeitpunkt des Urteilserlasses vorliegender Umstand“ (Kein neuer Streitgegenstand) einzuordnen. Die Veränderung der Sach- und Rechtslage muss es deswegen ohnehin prüfen. Lediglich die Bewertung dieser Veränderung verschiebt sich hin von einem Vergleich am Maßstab des ersten Urteils zu einem Vergleich am Maßstab der Voraussetzungen der VwGO. Diese Veränderung des Prüfungsmaßstabes begründet aber keine durchgreifenden Bedenken gegenüber der hier vertretenen Lösung. Vielmehr kann dafür auch folgender Gesichtspunkt sprechen: Dient das Prozessrecht der Durchsetzung des materiellen Rechtes, so wird dieser Zweck durch die hier vertretene Lösung besser erreicht. Mit ihr können falsche Entscheidungen über Zulässigkeitsmängel, welche die Möglichkeit der Rechtsschutzerlangung hindern, einfacher korrigiert werden. (c) Möglichkeit beliebiger Klagewiederholung Soweit nach der hier vertretenen Lösung die Gefahr besteht, dass ein Kläger nach Erlass eines Prozessurteils beliebig oft erneut klagen kann, liegt darin keine Besonderheit. Diese faktische Möglichkeit besteht auch beim verbreiteten Verständnis der Wirkung von Prozessurteilen. Sie werden in den Folgeverfahren lediglich aus anderem Grund (res iudicata) abgewiesen als nach dem hier dargestellten Modell (Abweisung aus demselben Grund wie beim ersten Mal). Die Möglichkeit, ein Gericht trotz rechtskräftiger Entscheidung zu einer erneuten Überprüfung zu zwingen, ist dem Prozessrecht auch nicht völlig fremd: Sie besteht etwa nach § 153 VwGO in den zur Wiederaufnahme führenden Ausnahmefällen oder aber bei Geltendmachung eines Anspruchs nach § 44 SGB X im sozialgerichtlichen Verfahren. Hier kann der Kläger das Gericht in einem neuen Verfahren trotz eines gegen ihn ergangenen abweisenden Anfechtungsurteils – gestützt auf einen Anspruch aus § 44 Abs. 1 SGB X – zwingen, die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes erneut zu überprüfen464. Überdies dürfte die Gefahr wiederholter Klagen in derselben Sache bereits wegen der mit jedem Unterliegen verbundenen Kostentragungspflicht des Klägers nach § 154 Abs. 1 VwGO praktisch gering zu veranschlagen sein. dd) Ergebnis zum Eigenen Ansatz Der Gesichtspunkt der Verhinderung einer Zweitentscheidung über dasselbe Recht gibt ein Wertungskriterium für die Definition des Streitgegenstandsbegriffs 464 Vgl. dazu M. Hintz, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, BeckOK Sozialrecht, Stand: 01. 06. 2012, SGG, § 141 Rn. 4; W. Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 12. Aufl. 2012, § 141 Rn. 1a, 11, 12a, 21.

A. Der Streitgegenstand in § 121 VwGO

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vor. Es muss zur Erfüllung der Rechtsschutzfunktion des Urteils verhindert werden, dass über subjektive Rechte des Klägers mehrfache (und sich gegebenenfalls widersprechende) Entscheidungen ergehen. Das Urteil hat deswegen verbindlich über das materielle Recht zu entscheiden465. Dies geschieht im Falle der Klageabweisung aus Sachgründen mit der verbindlichen Entscheidung, dass kein den Antrag des Klägers stützendes subjektives Recht – aus keinem Rechtssatz – besteht. Damit bringt das Urteil materiell-rechtlich alle möglicherweise bestehenden Rechte, die diesen Antrag stützen, zum Erlöschen466. Wird die Klage aus prozessualen Gründen abgewiesen, so werden nur Urteilsentscheidungen verbindlich, die über Rechte des Klägers ergangen sind; beispielsweise also dann, wenn die Klage mangels Klagebefugnis abgewiesen wird. Entscheidungen über das Fehlen von Sachentscheidungsvoraussetzungen, die vom materiellen Recht unabhängig sind, erwachsen nicht in Rechtskraft, weil sie nicht über den Streitgegenstand ergehen und § 121 VwGO auf sie folglich nicht anwendbar ist467. Gibt das Gericht schließlich der Klage statt, so stellt das Urteil verbindlich fest, dass ein konkretes subjektives Recht – oder mehrere – besteht/bestehen. Es ordnet als Einzelfallrechtssatz die Geltung des vom Gericht geprüften Rechtes zwischen den Beteiligten an468. 3. Ergebnis zum Norminhalt Das verwaltungsgerichtliche Urteil ist ein Rechtssatz. Zur Bestimmung des Inhalts des Rechtssatzes ist § 121 VwGO heranzuziehen. Er ist so zu lesen, dass verwaltungsgerichtliche Urteile „binden, soweit darüber entschieden wurde, ob ein subjektives Recht besteht“. Streitgegenstand ist damit die Entscheidung darüber, ob Rechte des Klägers bestehen, die den Antrag stützen. Das Urteil trifft also eine Aussage über materielle Rechte. Es beeinflusst, weil es materiell-rechtlich wirkt, die Rechtslage. Daher ordnet es an, was im Einzelfalle zwischen den Beteiligten rechtens ist469. Es gleicht in seiner Wirkung insofern der des Verwaltungsaktes, welcher seinerzeit von Otto Mayer aus dem Urteil entwickelt470 wurde. Weist es eine Klage aus Sachgründen ab, bringt es die bislang bestehenden Rechte des Klägers zum Erlöschen – auch solche, die das Gericht bei seiner Entscheidung übersehen hat. Gibt es der Klage statt, ordnet es verbindlich die Geltung des bejahten Rechtes oder der bejahten Rechte zwischen den Beteiligten an. Es verändert also die bisherige Rechtslage. Auf diese Weise lässt sich nicht nur die Bindung der Beteiligten nebst 465

Vgl. dazu oben, Zweites Kapitel, A. III. 2. c) aa) (S. 77 f.). Vgl. dazu oben, Zweites Kapitel, A. III. 2. c) bb) (3) (c) (S. 94 ff.). 467 Vgl. dazu oben, Zweites Kapitel, A. III. 2. c) cc) (3) (S. 102 ff.). 468 Vgl. dazu oben, Zweites Kapitel, A. III. 2. c) bb) (3) (c) (S. 94 ff.). 469 Vgl. dazu schon oben, Zweites Kapitel, A. I. 1. (S. 33); O. Mayer, AöR 21 (1907), S. 1 (19 ff., insbes. 24, 29 f.); ders., Deutsches Verwaltungsrecht, Band 1, 3. Aufl. 1924, Unveränderter Nachdruck 1969, S. 100. 470 O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Band 1, 3. Aufl. 1924, Unveränderter Nachdruck 1969, S. 93. 466

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2. Kap.: Auslegung der VwGO-Vorschriften

jener anderer Richter erklären, sondern auch die Rechtsschutzfunktion des Urteils sowie die Verhinderung abweichender Entscheidungen über eadem res.

B. Der Streitgegenstand in § 110 VwGO Auch § 110 VwGO nennt ausdrücklich den Begriff des Streitgegenstandes. Es stellt sich daher die Frage, wie er in dieser Norm zu verstehen ist.

I. Auslegung der Norm Während die Entstehungsgeschichte der Vorschrift keinen Hinweis auf die Bedeutung des Begriffs des Streitgegenstandes gibt471, lässt sich aus dem Normtext zweierlei ableiten: Zum einen kann der hier so genannte Streitgegenstand teilbar sein, zum anderen kann – soweit er teilbar ist – über seine Teile ein selbständiges Urteil ergehen. Möglicherweise erlaubt eine Einordnung des Begriffs dieses von § 110 VwGO so genannten Teilurteils in den systematischen Kontext Rückschlüsse darauf, welche Bedeutung der Streitgegenstandsbegriff in der Norm hat. 1. Der Begriff des Teilurteils Fraglich scheint damit, was ein Teilurteil gemäß § 110 VwGO ist. Dem Wortsinn nach handelt es sich dabei um einen Teil eines Urteils. Das (vollständige) Urteil setzt § 107 VwGO als abschließende Entscheidung über die (vollständige) Klage voraus. Es liegt daher nahe, dass ein Teilurteil nichts anderes ist als ein Teil jenes die gesamte Klage abschließenden Urteils. Für diese Beurteilung spricht auch § 124 Abs. 1 Halbsatz 1 VwGO: Soweit diese Norm vom „Endurteil einschließlich der Teilurteile nach § 110 VwGO“472 spricht, setzt sie voraus, dass Teilurteile eine Teilmenge des Endurteils sind. Es handelt sich bei einem Teilurteil also um ein inhaltliches Minus zum gesamten Urteil473. Soll ein Teilurteil damit ein Teil eines (die gesamte Klage abschließenden) Urteils sein, so bedingt dies Folgendes: Die Entscheidung über den Inhalt des Teilurteils darf 471 So wollte der Gesetzgeber mit der Regelung in § 110 lediglich „jeden Zweifel an der Zulässigkeit“ von Teilurteilen ausschließen, BT-Drucks. III/55, S. 42 zu § 111 VwGO-E (heute § 110 VwGO); zur Möglichkeit zum Erlass von Teilurteilen durch entsprechende Anwendung des – den Begriff des „Streitgegenstandes“ nicht erwähnenden – § 301 ZPO vor Inkrafttreten der VwGO vgl. etwa E. Eyermann/L. Fröhler, VGG, 2. Aufl. 1954, § 78 II 1 b aa. 472 Hervorhebung von Verf. 473 In diesem Sinne M. Redeker, in: K. Redeker/v. Oertzen, VwGO, 15. Aufl. 2010, § 110 Rn. 2.

B. Der Streitgegenstand in § 110 VwGO

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nicht von anderen Maßstäben abhängen als die Entscheidung über den Inhalt des gesamten Urteils. Wenn also im Urteil über die gesamte Klage nach § 107 VwGO gemäß dem Maßstab ihrer Zulässigkeit und Begründetheit entschieden wird, so muss dies für das Teilurteil genauso gelten. Wären die Entscheidungsmaßstäbe unterschiedlich, wäre nämlich denkbar, dass die Summe von Teilurteilen einen anderen Inhalt hat als ein die gesamte Klage abschließendes Urteil. Dies darf aber nicht der Fall sein, weil ein Teilurteil sonst kein Teil des gesamten Urteils mehr wäre, sondern ein ausschnittsweises Aliud. Das würde, wie dargelegt, § 124 Abs. 1 Halbsatz 1 VwGO widersprechen, der von Teilurteilen als Teilmenge des gesamten Urteils ausgeht. Es darf also inhaltlich keinen Unterschied bedeuten, ob ein Urteil über die Klage auf einmal oder in Teilen gefällt wird474. 2. Rückschluss auf den Streitgegenstandsbegriff Mithin muss der Maßstab der Zulässigkeit und Begründetheit auch für das Teilurteil gelten. Dies erlaubt einen Rückschluss auf den in § 110 VwGO so genannten Streitgegenstand: Ein stattgebendes Teilurteil darf bei Anwendung des benannten Maßstabes nur ergehen, wenn der von § 110 VwGO vorausgesetzte „Teil des Streitgegenstandes“ zulässig und begründet ist. Ein abweisendes Teilurteil darf nur ergehen, wenn der besagte Teil unzulässig und/oder unbegründet ist. Mithin muss also der in § 110 VwGO so genannte „Teil des Streitgegenstandes“ (un-)zulässig und (un-)begründet sein können. Inhalt des Streitgegenstandsbegriffs in dieser Norm muss also ein rechtliches Institut sein, das diese Merkmale aufweist. Das Institut des Prozessrechts, das diese Merkmale trägt, ist die Klage bzw. der Antrag. Dies spricht dafür, dass der Streitgegenstand in § 110 VwGO nichts anderes als die Klage ist. Gegen diese Überlegung spricht auch nicht ein Vergleich mit der Regelung des § 121 VwGO. Zwar können auch Teilurteile gemäß dieser Norm verbindlich werden475 ; sie können also, soweit sie nicht mehr mit Rechtsmitteln angreifbar sind und über das subjektive Recht des Klägers entscheiden, die Rechtslage verändern. Darf es nun im Ergebnis keinen Unterschied bedeuten, ob ein gesamtes Urteil nach § 107 VwGO ergeht oder eine Summe von Teilurteilen nach § 110 VwGO, so darf auch die Verbindlichkeit des gesamten Urteils nicht von der Summe der Verbindlichkeiten der Teilurteile abweichen. Das bedeutet, dass im Sinne des § 121 VwGO die Summe der Teilurteile denselben Streitgegenstand haben muss wie ein vollständiges Urteil nach § 107 VwGO. Deswegen die Streitgegenstandsbegriffe beider Normen in eins zu setzen, vermengt aber zwei unterschiedliche Fragestellungen: einerseits die aus der Anwen474 B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 110 Rn. 8; J. F. Lindner, in: Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand: 01. 07. 2012, § 110 Rn. 6; H. A. Wolff, in: Sodan/ Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 110 Rn. 7. 475 M. Kilian, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 121 Rn. 31; H. v. Nicolai, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, 15. Aufl. 2010, § 121 Rn. 1.

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2. Kap.: Auslegung der VwGO-Vorschriften

dung des § 121 VwGO auf das erlassene Teilurteil entstehende Frage, was die verbindliche Urteilsaussage, also der Streitgegenstand desselben sei, andererseits die sich aus § 110 VwGO ergebende Frage, wann ein Teilurteil ergehen kann. Diesen Unterschied soll folgendes Beispiel476 verdeutlichen: Verklagt seien zwei Personen, die zueinander im Verhältnis einfacher Streitgenossenschaft nach § 64 VwGO i.V.m. § 61 ZPO stehen. Hinsichtlich des ersten Beklagten sei die Klage aus rein prozessrechtlichen Gründen unzulässig, hinsichtlich des zweiten sei sie zulässig, aber für die Beurteilung ihrer Begründetheit sei noch eine Beweisaufnahme vonnöten. Nach dem eingangs Gesagten kann ein Teilurteil nach § 110 VwGO ergehen, wenn sich die Klage in Teile zerlegen lässt, die hinsichtlich ihrer Zulässigkeit und Begründetheit voneinander unabhängig zu beurteilen sind. Nach dieser Maßgabe wäre der gegenüber dem ersten Beklagten bestehende Teil der Klage selbstständig zu beurteilen und entscheidungsreif. Es könnte nunmehr also ein Teilurteil als Prozessurteil hinsichtlich des ersten Beklagten ergehen. Versteht man nämlich den Begriff des Streitgegenstandes in § 110 VwGO als Synonym für jenen der Klage, wäre die Klage insofern teilbar. Das entstandene Teilurteil hätte aber nach dem zu § 121 VwGO Dargestellten477 keinen Streitgegenstand, denn es träfe keine Aussage über das materielle Recht. Die aus der Anwendung des § 121 VwGO resultierende Fragestellung würde daher hinsichtlich des Teilurteils zu der Antwort führen, dass keine Entscheidung über den Streitgegenstand vorläge, § 121 VwGO also nicht anwendbar sei. Wollte man nun den Streitgegenstandsbegriff in § 110 VwGO ebenso verstehen wie jenen in § 121 VwGO, hätte das Teilurteil also schon nicht ergehen dürfen, weil bereits kein „Teil des Streitgegenstands“ vorgelegen hätte, der „zur Entscheidung reif“ gewesen wäre. Das widerspräche aber dem Gedanken der Verfahrensbeschleunigung478, der in der Norm zum Ausdruck kommt. Dies spricht dafür, dass die Begriffe in ihrer Bedeutung in beiden Normen divergieren. Auf dieses Ergebnis deutet auch ein Vergleich zwischen § 107 VwGO und § 110 VwGO. § 110 VwGO lässt für einen Teil des Streitgegenstandes ein Teilurteil zu. Demnach muss also über den gesamten Streitgegenstand ein gesamtes Urteil ergehen können. Diese Erkenntnis ist auch in § 107 VwGO genannt, doch spricht die Norm nicht vom Streitgegenstand, über den das gesamte Urteil ergeht, sondern von der „Klage“. Demnach kann also der gesamte Streitgegenstand im Sinne des § 110 VwGO nichts anderes sein als die gesamte Klage. Streitgegenstand und Klage sind damit in § 110 VwGO synonym.

476

Zu weiteren Beispielen vgl. B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 110 Rn. 5; H. A. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 110 Rn. 8. 477 Vgl. oben, Zweites Kapitel, A. III. 2. c) cc) (3) (S. 102 ff.). 478 Vgl. dazu W. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974, § 46 I 2 (S. 463); B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 110 Rn. 2.

B. Der Streitgegenstand in § 110 VwGO

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II. Ergebnis Entspricht demnach der Streitgegenstandsbegriff in § 110 VwGO demjenigen der Klage, so ist die Norm danach wie folgt zu lesen: Ein Teilurteil kann ergehen, wenn „ein Teil der Klage zur Entscheidung reif“ ist. Stellt sich demnach die Frage, ob ein Teil der Klage entscheidungsreif ist, ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob der Streitgegenstand teilbar ist. Nach den oben genannten Maßstäben ist er es, wenn über die dann übrig bleibenden Teile der Klage selbständig die Entscheidung über ihre Zulässigkeit und Begründetheit möglich ist479. Es muss also „auch bei alleiniger Geltendmachung [der Teile einer Klage über selbige jeweils] ein Vollurteil erlassen werden“ können480. Mithin ist die Klage also teilbar, wenn ihre Teile separat geltend gemacht werden können. Regelmäßig wird die Teilbarkeit bei objektiven Klagehäufungen nach § 44 VwGO oder nach der Verbindung von Verfahren nach § 93 VwGO gegeben sein481. Nach dem zu § 90 Abs. 1 VwGO Gesagten482 ist in anderen Fällen freilich zu berücksichtigen, dass alle subjektiven Rechte, die den Antrag des Klägers stützen können, zu einer einheitlichen „Streitsache“ gehören. Sie könnten also nicht separat geltend gemacht werden. Damit ist es Frage der materiellen Anspruchskonkurrenz, ob in den Klage-Teilen über voneinander unabhängige subjektive Rechte gestritten wird oder ob sie zu einer einheitlichen „Streitsache“ gehören, weil sich der Schuldner nur einmal antragsgemäß zu verhalten hat483. Der zweite Schritt erfordert die Feststellung der Entscheidungsreife der Teilklagen. Diese liegt vor, wenn für den jeweiligen Teil ihre Zulässigkeit bzw. Begründetheit zur Überzeugung des Gerichtes feststeht, also ohne Fortführung des Verfahrens insoweit ein Urteil ergehen kann484. Auf diese Weise ist auch bei Identifikation des Streitgegenstandsbegriffs in § 110 VwGO mit dem Begriff der Klage sichergestellt, dass die Norm praktisch handhabbar bleibt. Es spricht damit nichts dagegen, den Begriff des Streitgegenstandes in § 110 VwGO als Klage zu verstehen. In dieser Norm sind die Begriffe mithin synonym.

479 Vgl. auch statt vieler P. Terhechte, in: Fehling/Kastner, Handkommentar Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 2010, § 110 VwGO Rn. 3: „gegenseitige Unabhängigkeit“. 480 E. Schunk/H. De Clerck, Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl. 1967, § 110 Nr. 1; ebenso M. Redeker, in: K. Redeker/v. Oertzen, VwGO, 15. Aufl. 2010, § 110 Rn. 1; BVerwGE 135, S. 272 (275 Rn. 25). 481 Vgl. F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 110 Rn. 2; B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 110 Rn. 4 f. 482 Vgl. oben, Zweites Kapitel, A. III. 2. c) bb) (2) (c) (S. 85 f.). 483 Zu Beispielsfällen, allerdings unter prozessualer Behandlung, vgl. H. A. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 110 Rn. 8. 484 B. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 110 Rn. 7; vgl. auch H. A. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 110 Rn. 14.

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2. Kap.: Auslegung der VwGO-Vorschriften

C. Der Streitgegenstand in § 123 VwGO Des Begriffs des Streitgegenstandes bedient sich auch die Regelung über eine einstweilige Anordnung in § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Demzufolge kann eine einstweilige Anordnung „in bezug auf den Streitgegenstand“ ergehen. Es stellt sich die Frage, wie der Begriff in dieser Norm zu verstehen ist.

I. Wortlaut und Genese Wenn man zu dieser Frage Literatur und Rechtsprechung auswertet, findet man ein Bild vor, das den Streitgegenstandsbegriff oftmals unterschlägt485. Das hat Tradition. Schon der VwGO-Gesetzgeber erörterte zwar ausführlich, dass er die Frage nach der Zulässigkeit einstweiligen Rechtsschutzes durch Schaffung des § 123 VwGO (damals § 122 VwGO-E) abschließend positiv beantworten wolle486, begnügte sich aber mit hinsichtlich des Regelungsinhaltes der Normen abseits der Diskussion über die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen mit folgendem Hinweis: „Bezüglich der Voraussetzungen des Verfahrens der einstweiligen Verfügung konnte weitgehend auf die ZPO Bezug genommen werden.“487 So entspricht § 123 Abs. 1 VwGO beinahe wortgleich den §§ 935, 940 ZPO, welche wiederum seit Schaffung der Civilprozeßordnung nahezu unverändert geblieben sind488. Auch im Vorbild des § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO, dem § 935 ZPO, ist deswegen dieselbe Formulierung enthalten: Demnach können „Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand“ vom Gericht getroffen werden. Der CPO-Gesetzgeber knüpfte damit nach eigenem Bekunden an die „Vorschriften der neueren deutschen Prozeßordnungen und Entwürfe“ sowie „Bestimmungen des

485 So die bis heute berechtigte Kritik von H. Quaritsch, VerwArch 51 (1960), S. 210 (234); vgl. nur H.-U. Erichsen, JURA 1984, S. 644 (646), der selbst den Wortlaut der Norm bei der Wiedergabe um die entsprechende Passage kürzt; ebenso W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 13. Aufl. 2012, Rn. 1025; BVerwG NVwZ 2001, S. 89 (90); BVerwG, Beschl. v. 27. 06. 1984, Az. 1 ER 310/84, JURIS Rn. 3; F. Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 8. Aufl. 2011, § 33 Rn. 7 nennt den Begriff zwar, lässt ihn aber ohne Erläuterung; ebenso C. H. Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 9. Aufl. 1987, S. 382 f.; T. Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, 3. Aufl. 2011, Rn. 541. 486 BT-Drucks. III/55, S. 44 zu § 122 VwGO-E (heute § 123 VwGO). 487 BT-Drucks. III/55, S. 44 zu § 122 VwGO-E (heute § 123 VwGO). 488 Vgl. § 759 CPO-E = § 814 CPO: „Einstweilige Verfügungen in Beziehung auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte“, dazu C. Hahn, Die gesammten Materialien zur Civilprozeßordnung, 1880, S. 447.

C. Der Streitgegenstand in § 123 VwGO

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französischen Rechts über das Refere-Verfahren“ an489. Soweit der Gesetzgeber den Begriff des Streitgegenstandes verwendete, meinte er damit, wie von Quaritsch nachgewiesen wurde, „die [tatsächliche] Sache, um die gestritten wurde“490. Er bezeichnete also kein prozessuales oder auch nur rechtliches Institut, sondern ein individualisierbares, vermögenswertes Objekt der natürlichen Welt491. Nähme man dieses Verständnis wörtlich, was bisweilen geschieht492, ließe sich § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO als Norm für die Sicherung all jener Rechte begreifen, die gegenstandsbezogen sind. Nur in Bezug auf diese, so ließe sich formulieren, dürfe das Gericht eine Anordnung nach Abs. 1 Satz 1 treffen; für sonstige Rechte wäre Abs. 1 Satz 2 die passende Rechtsschutzform. Freilich ist das nicht zwingend. Schon ob mit der Übernahme unbestimmter zivilprozessualer Begriffe in die VwGO auch die Übernahme der Motivation des CPOGesetzgebers verbunden ist, lässt sich bezweifeln. Schlechterdings scheint sich der VwGO-Gesetzgeber über ihre Bedeutung keine Gedanken gemacht zu haben, so dass von einem auslegungsleitenden Willen des Gesetzgebers493 nicht die Rede sein kann. Jedenfalls aber begründet die Formulierung „in bezug auf“ keine hinreichend scharfe Abgrenzungsmöglichkeit. Bezug bedeutet, dass zwischen zwei Elementen eine Beziehung bestehen muss. Es sagt aber nichts über die Qualität dieser Beziehung aus. Die einstweilige Anordnung dient dem Rechtsschutz. Wann ein zu schützendes Recht hinreichenden Sach-„Bezug“ im Sinne der Vorschrift aufweist oder nicht, dürfte kaum bestimmbar sein. Soll sich beispielsweise der Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung auf ein Grundstück „beziehen“, obgleich er auf ein bloßes Verhalten – die Erteilung der Baugenehmigung – gerichtet ist? Recht hat die Aufgabe, Verhalten zu steuern494 und ist deswegen verhaltensbezogen. Für hinreichende mittelbare Sachbezogenheit mag man Fallgruppen bilden, was aber in der Sache kaum Ertrag haben wird. 489 C. Hahn, Die gesammten Materialien zur Civilprozeßordnung, 1880, S. 447; vgl. dazu D. Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes, 1971, S. 76 ff. 490 Helmut Quaritsch, VerwArch 51 (1960), S. 210 (233) m.w.N. 491 Helmut Quaritsch, VerwArch 51 (1960), S. 210 (233 f.); zu dieser Definition des „Gegenstandes“ vgl. auch G. Holch, in: Säcker/Rixecker, Münchener Kommentar zum BGB, Band 1, 6. Aufl. 2012, § 90 Rn. 1. 492 In diesem Sinne mag man vielleicht deuten: VG Würzburg, Beschl. v. 29. 11. 2010, Az. W 5 E 10.1208, JURIS Rn. 29: „südliche Außenwand des streitgegenständlichen Anbaus“; VG Weimar, Beschl. v. 22. 09. 2009, Az. 2 E 1126/09 We, JURIS Rn. 4: „streitgegenständlichen Wahlplakaten“; VG Bremen, Beschl. v. 16. 04. 2008, Az. 5 V 837/08 JURIS Rn. 18: „Abfalleigenschaft der streitgegenständlichen Fahrzeugteile“; VG Gießen, Beschl. v. 22. 08. 2007, Az. 1 G 1833/07, JURIS Rn. 16: „die streitgegenständlichen Stützmauern“; wohl ebenso, freilich ohne daraus Konsequenzen zu ziehen, F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 123 Rn. 7 a.E.; M. Redeker, in: K. Redeker/v. Oertzen, VwGO, 15. Aufl. 2010, § 123 Rn. 5. 493 Vgl. dazu K. Larenz/C.-W. Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 149 ff. 494 H. H. Rupp, in: Weber/Ule/Bachof, Rechtsschutz im Sozialrecht, 1965, S. 173 (181).

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2. Kap.: Auslegung der VwGO-Vorschriften

II. Systematik und Teleologie Möglicherweise ist eine Einordnung des Begriffs mithilfe systematischer Erwägungen erhellender. Bei der norminternen Systematik fällt auf, dass es einen „bezug auf“ etwas auch für die einstweilige Anordnung nach Abs. 1 Satz 2 (sog. Regelungsanordnung495) geben muss, obgleich die Beziehung dort zu einem streitigen Rechtsverhältnis und nicht zum Streitgegenstand bestehen muss. Denkbar ist, dass die Begriffe „streitiges Rechtsverhältnis“ in Abs. 1 Satz 2 und „Streitgegenstand“ in Abs. 1 Satz 1 einander entsprechen. Das wäre jedenfalls dann der Fall, wenn sich die Anordnung nach Abs. 1 Satz 1 und diejenige nach Abs. 1 Satz 2 nicht voneinander unterscheiden ließen, sie also identisch wären. 1. Mangelnde Unterscheidbarkeit der Anordnungen Gegen eine Identität der beiden Anordnungsformen spricht, dass der Gesetzgeber in § 123 Abs. 1 VwGO dem Rechtsanwender aufträgt, zwischen Satz 1 und Satz 2 zu differenzieren. Dem Wortlaut der Vorschrift nach gibt es also zwei Anordnungsarten. Möglicherweise ist die Trennung aber dogmatisch nicht möglich496. Einstweiliger Rechtsschutz ist Rechtsschutz, also Schutz materieller Rechte. Mithin setzen sowohl die Sicherungs- wie auch die Regelungsanordnung die Existenz eines materiellen subjektiven Rechtes voraus. Während § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO dies ausdrücklich tut („Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers“), ergibt es sich bezüglich Abs. 1 Satz 2 aus der Auslegung des Begriffs „streitiges Rechtsverhältnis“497 und der Systematik: Ein Rechtsverhältnis im Sinne der Norm setzt, wie der Verweis in § 123 Abs. 3 VwGO auf § 920 Abs. 2 ZPO zeigt, einen Anspruch, also eigene Rechte des Antragstellers voraus498. Sowohl Abs. 1 Satz 1 wie auch Abs. 1 Satz 2 ist deswegen gemein, dass ein Recht und eine Gefahr für selbiges bestehen müssen. Dies trifft trotz der abweichenden Formulierung „Nachteil“ in Abs. 1 Satz 2 zu, denn selbiger muss es für den Antragsteller unzumutbar machen, „zur Durchsetzung seines Anspruchs

495 Allg. Terminologie, vgl. nur M. Happ, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 123 Rn. 23; F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 123 Rn. 6; W. Kuhla, in: Posser/ Wolff, BeckOK VwGO, Stand: 01. 07. 2012, § 123 Rn. 55; A. Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 123 Rn. 42; F. Schoch, in: ders./Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 123 Rn. 49. 496 So schon K. Obermayer, in: Conrad/Jahrreiß/Mikat/Mosler/Nipperdey/Salzwedel, Gedächtnisschrift Hans Peters, 1967, S. 875 (882 f.). 497 Helmut Quaritsch, VerwArch 51 (1960), S. 342 (343 f.). 498 K. Finkelnburg/M. Dombert/C. Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Aufl. 2011, Rn. 125; vgl. auch B. Bender, in: Erichsen/Hoppe/v. Mutius, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, Festschrift für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 657 (659).

C. Der Streitgegenstand in § 123 VwGO

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auf das Hauptsacheverfahren“499 verwiesen zu werden: Das ist aber nur der Fall, wenn die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung seines Rechtes bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens „vereitelt oder wesentlich erschwert“ wäre500, wie es Abs. 1 Satz 1 ausdrücklich normiert. Sowohl in der Anordnung nach Abs. 1 Satz 1 wie auch derjenigen nach Abs. 1 Satz 2 geht es also um Schutz für ein Recht des Antragstellers. Sollen die beiden Anordnungen gleichwohl unterschieden werden können, müssen sie abseits des zu schützenden Rechtes Unterschiede aufweisen. Denkbar scheint, dass zwischen dem Begehren der Beibehaltung (Abs. 1 Satz 1) und demjenigen der Änderung (Abs. 1 Satz 2) des Status Quo501 unterschieden werden muss. Das setzt aber voraus, dass sich diese beiden Begehren voneinander unterscheiden. Allerdings ist diese Differenzierung nicht vorgegeben, sondern vielmehr selbst von einer Wertung abhängig. Das liegt daran, dass es im einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO niemals um die Beibehaltung des Status Quo geht. Nach dem Gesagten ist der Status Quo auf Seiten des Antragstellers durch zweierlei gekennzeichnet: ein Recht und eine Gefahr für selbiges. Sowohl der Anordnung nach Abs. 1 Satz 1 als auch derjenigen nach Abs. 1 Satz 2 ist gemein, dass sie der Beseitigung der Gefahr dienen. Nach Erlass der Anordnung ist der Status also – wenn dem Antragsteller Erfolg beschieden ist – durch nur noch ein Element gekennzeichnet: Lediglich das Recht besteht noch, die Gefahr ist hingegen nicht mehr vorhanden. Unabhängig davon also, ob man von Sicherung oder Regelung spricht, tritt immer eine Veränderung des Status Quo ein. Dieses Ergebnis lässt sich auch mit folgender Kontrollüberlegung stützen: Wäre keine Veränderung des Status Quo nötig, bedürfte es keines Erlasses einer einstweiligen Anordnung. Eine solche setzt immer einen Regelungsgrund voraus und sie dient immer dazu, den Regelungsgrund zu beseitigen. Beseitigen kann sie ihn aber nur, wenn sie den Status Quo verändert. Mithin lässt sich also zwischen dem Begehren der Beibehaltung und Veränderung des Status Quo nicht trennen. Auch in diesem Aspekt unterscheiden sich die Anordnungen nach Abs. 1 Satz 1 und Abs. 1 Satz 2 nicht. Sind demnach zwischen den beiden Anordnungen schon theoretisch keine Unterschiede ersichtlich, wird die praktische Schwierigkeit der Abgrenzung verständlich. Von dieser legen die vielfach trotz unterschiedlicher normativer An499 K. Finkelnburg/M. Dombert/C. Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Aufl. 2011, Rn. 129; vgl. auch mit zahlreichen Nachweisen aus der Rspr. W. Kuhla, in: Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand: 01. 07. 2012, § 123 Rn. 126 ff. 500 So in der Sache auch B. Bender, in: Erichsen/Hoppe/v. Mutius, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, Festschrift für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 657 (658); D. Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes, 1971, S. 210 ff. 501 F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 123 Rn. 7 f.; A. Puttler, in: Sodan/ Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 123 Rn. 42 (vgl. aber auch Rn. 45); W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 13. Aufl. 2012, Rn. 1025 ff.; F. Schoch, in: ders./Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 123 Rn. 50; T. Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, 3. Aufl. 2011, Rn. 539 f.

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2. Kap.: Auslegung der VwGO-Vorschriften

knüpfung einander entsprechenden Abgrenzungsbeispiele Zeugnis ab502. Die mangelnde theoretische Unterscheidbarkeit erklärt auch, weswegen vornehmlich in der Rechtsprechung oftmals auf eine Abgrenzung verzichtet wird503. Als pragmatische Lösung hat deswegen die Überlegung, § 123 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 VwGO zu einer Generalklausel zusammenzufassen504, etwas für sich. Man mag ihr entgegenhalten, dass sie dem Wortlaut und der Systematik des § 123 Abs. 1 VwGO widerspreche, der ausdrücklich zwei verschiedene Anordnungsformen normiere505; Freilich wäre aber auch denkbar, Abs. 1 Satz 2 mit der Formulierung „Anordnungen sind auch zur Regelung […] zulässig“ dahingehend zu verstehen, dass sie „damit auch zur Regelung […] zulässig“ seien – also im Sinne einer bloßen Klarstellung506. Unabhängig von jeder etwaigen praktisch vorgenommenen Grenzziehung507 zwischen § 123 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 VwGO lässt sich aber jedenfalls feststellen,

502 Vgl. etwa schon F. Baur, Studien zum einstweiligen Rechtsschutz, 1967, S. 37: Unter die „sichernde“ Anordnung fiele „etwa der Anspruch auf Vornahme eines Verwaltungsaktes“, unter die „regelnde“ Anordnung „Leistungsansprüche“ aus dem „Bereich der […] Verpflichtungsklage“; H.-U. Erichsen, JURA 1984, S. 644 (646 f.): Für die „Sicherungsanordnung“ kommen demnach etwa in Frage: „Recht auf Erlaß eines Verwaltungsaktes, auf Erbringung einer sonstigen Leistung“. Hingegen seien Beispiele für Rechtsverhältnisse im Sinne des § 123 Abs. 1 S. 2 diejenigen, die begründet würden „durch den Antrag auf Erlaß eines Verwaltungsaktes […] oder die Geltendmachung einer sonstigen Verwaltungsleistung“; K. Finkelnburg/M. Dombert/C. Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Aufl. 2011: Für die „Sicherungsanordnung“ kommen etwa nach Rn. 154 „Unterlassungsansprüche“ in Frage, „als regelungsfähiges Rechtsverhältnis“ nach Rn. 124 „Leistungsverhältnisse, die sich […] auf ein Unterlassen beziehen“ usw. 503 So findet sich pauschal eine Anordnung nach „§ 123 Abs. 1 VwGO“ zum Beispiel in folgenden Entscheidungen: BVerwG NVwZ-RR 1997, S. 663 (663); NVwZ 1996, S. 393 (393); VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 17. 01. 2011, Az. 4 S 1/11, JURIS Rn. 1 ff.; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 14. 01. 2011, Az. 10 B 11226/10, JURIS Rn. 5; OVG Saarland, Beschl. v. 14. 01. 2011, Az. 3 B 332/10, JURIS Rn. 1; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22. 12. 2010, Az. OVG 6 S 53.10, JURIS Rn. 3; OVG Nordrhein-Westfalen, NVwZ-RR 2011, S. 408 (408), vgl. auch F. Schoch, in: ders./Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 123 Rn. 49, FN 204 f. m.w.N. 504 D. Leipold, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes, 1971, S. 210; B. Bender, in: Erichsen/Hoppe/v. Mutius, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, Festschrift für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 657 (658). 505 F. Schoch, in: ders./Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 123 Rn. 50. 506 So wohl bisweilen die zivilprozessuale Literatur hinsichtlich des Verhältnisses von § 940 ZPO (entspricht § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO) zu § 935 ZPO (entspricht § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO), vgl. I. Drescher, in: Rauscher/Wax/Wenzel, Münchener Kommentar zur ZPO, Band 2, 3. Aufl. 2007, § 940 Rn. 1; nach anderer Auffassung sei die Abgrenzung lediglich „ohne praktische Bedeutung“, vgl. K. Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 33. Aufl. 2012, § 935 Rn. 3. 507 Man mag annehmen, diese sei insofern erforderlich, als der Gesetzgeber zwei separate Regelungen geschaffen hat, vgl. F. Schoch, in: ders./Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 123 Rn. 50: „Abgrenzungsschwierigkeiten berechtigen nicht dazu, auf eine Abgrenzung völlig zu verzichten“.

C. Der Streitgegenstand in § 123 VwGO

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dass keine rechtlichen Unterschiede zwischen den beiden im Gesetz normierten Anordnungsformen bestehen508. 2. Derselbe „Bezug auf“ das subjektive Recht Sind danach die Anordnungen nach § 123 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 VwGO nicht voneinander zu unterscheiden, haben sie auch denselben „Bezug“: Soll also eine Anordnung nach Abs. 1 Satz 1 „in bezug auf den Streitgegenstand“ ergehen und eine Anordnung nach Abs. 1 Satz 2 „in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis“, entsprechen das streitige Rechtsverhältnis und der Streitgegenstand einander. Nach dem oben Gesagten509 ist das Rechtsverhältnis im Sinne des Abs. 1 Satz 2 dasjenige, das durch ein Recht des Klägers begründet ist. Es ist damit begrifflich zu jenem Recht synonym. Muss demnach die Anordnung nach Abs. 1 Satz 2 „in bezug“ auf das Recht des Klägers ergehen, trifft dies auch für die Anordnung nach Abs. 1 Satz 1 zu. Der Streitgegenstand in dieser Norm bezeichnet dann ebenfalls das subjektive Recht des Antragstellers510. 3. Ergebnis Es stellt sich freilich die Frage, ob mit diesem Ergebnis ein Erkenntnisgewinn verbunden ist. Soweit man der Norm entnimmt, dass die Anordnung einen Bezug zum Recht des Antragstellers haben muss, ist dies insofern ein Allgemeinplatz, als die Anordnung andernfalls schon nichts zum Rechtsschutz beitragen könnte; etwas zu entscheiden, was in keiner Beziehung zum Recht des Klägers steht, kann es nicht schützen. Geht man aber davon aus, dass die Entscheidungskompetenz des Gerichtes mit seiner Kontrollkompetenz korrespondiert511 und durch das Merkmal „in bezug auf [das Recht des Antragstellers]“ die Entscheidungskompetenz festgelegt wird, erfüllt diese Lesart des § 123 Abs. 1 Satz 1, 2 VwGO jedenfalls die Funktion, die Begrenzung der Entscheidungs- und Kontrollkompetenz des Gerichtes beim Erlass einer einstweiligen Anordnung auf das subjektive Recht des Antragstellers zu verdeutlichen. Nur in Bezug auf dieses darf eine einstweilige Anordnung ergehen. Damit ist zwar keine inhaltliche Neuerung verbunden, dient der einstweilige Rechtsschutz schließlich der Effektivität des Rechtsschutzes, den Art. 19 Abs. 4 GG 508 So auch W. Grunsky, JuS 1977, S. 217 (220), weswegen es „weder möglich noch nötig [ist], zwischen beiden Formen der einstweiligen Anordnung einen exakten Trennstrich zu ziehen“; ebenso A. Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 123 Rn. 45; wohl auch M. Happ, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 123 Rn. 20: „keine praktisch relevanten Unterschiede“. 509 Zweites Kapitel, C. II. 1. (S. 114). 510 I. E. auch OVG Thüringen, Beschl. v. 11. 03. 1996, Az. 3 EO 891/95, JURIS Rn. 24. 511 Dazu W. Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1984, S. 142 f.; ders., in: Erichsen/Hoppe/v. Mutius, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, Festschrift für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 191 (200).

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2. Kap.: Auslegung der VwGO-Vorschriften

für die Verletzung subjektiver Rechte fordert512. Es zeigt aber einmal mehr, dass die Aufgabe des gerichtlichen Verfahrens nach der VwGO grundsätzlich im Individualrechtsschutz513 liegt.

III. Ergebnis Nach dem Gesagten entspricht der Begriff des Streitgegenstandes im § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO dem des subjektiven Rechts des Antragstellers. Er ist daher derselbe wie in § 121 VwGO, auch wenn er in den jeweiligen Vorschriften eine unterschiedliche Funktion hat514 : Soll er in § 121 VwGO die Reichweite der Verbindlichkeit einer Teilmenge gerichtlicher Entscheidungen bestimmen, so dient er in § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO zur Begrenzung der Entscheidungs- und Kontrollkompetenz im gerichtlichen Verfahren.

512 W. Krebs, in: v. Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Art. 19 Rn. 70; E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, 65. EL 2012, Art. 19 Abs. 4 Rn. 273: „Kein einstweiliger Rechtsschutz muß dort vorgesehen werden, wo das Hauptsacheverfahren nicht der Verteidigung subjektiver Rechte i. S. des Art. 19 Abs. 4, sondern objektiven Kontrollzwecken dient“. 513 Dazu W. Krebs, in: Erichsen/Hoppe/v. Mutius, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, Festschrift für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 191 (197 ff.); E. SchmidtAßmann/W. Schenk, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, Einleitung Rn. 167 ff. 514 Darauf hinweisend schon R. Pietzcker, GRUR 1974, S. 613 (616 f.).

Drittes Kapitel

Das subjektive Recht als Zentralbegriff Nach alledem stellt sich die Frage, ob mit dem Begriff des Streitgegenstandes tatsächlich ein „Zentralbegriff“515 des Prozessrechtes gefunden ist. Nachdem nunmehr ermittelt ist, welchen Inhalt der Begriff in den §§ 110, 121, 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat, fragt sich, ob aus den Inhalten auf ein einheitliches prozessuales Institut geschlossen werden kann. Solch ein Rückschluss kann sinnvoll sein, soweit die Begriffe Überschneidungen aufweisen; dann können ihre Gemeinsamkeiten unter Verzicht auf spezifische Besonderheiten zusammengefasst werden516. Ob eine solche Vorgehensweise allerdings in Bezug auf § 110 VwGO Erkenntnisgewinn verspricht, mag bezweifelt werden. Soweit sich die Norm des Streitgegenstandsbegriffs bedient, meint sie damit die Klage; dem Begriff der Klage können aber nahezu beliebig Teilinhalte entnommen werden. In den §§ 121, 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO hingegen meint der Begriff des Streitgegenstandes in beiden Fällen das subjektive Recht des Klägers. Allerdings divergiert er dort in seiner Funktion: In § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO begrenzt der Streitgegenstandsbegriff die Entscheidungs- und Kontrollkompetenz des Gerichtes im einstweiligen Verfahren auf die subjektiven Rechte des Antragstellers, während er im § 121 VwGO die Reichweite der Verbindlichkeit von Urteilsentscheidungen determiniert. Trotz dieser Änderung des Regelungskontextes danach, welche prozessuale Funktion mithilfe der Referenz auf das subjektive Recht in der Norm beschrieben wird, bleibt der Begriffsinhalt aber in beiden Fällen gleich. Ob man angesichts der Identität in zwei von drei Vorschriften dem Begriff des Streitgegenstandes eine zentrale Funktion zuschreiben möchte, scheint zweifelhaft. Soweit er in den gesetzlichen Regelungen aber überwiegend das subjektive Recht des Klägers bezeichnet, stellt sich insgesamt die Frage, ob nicht statt des Streitgegenstandes vielmehr das subjektive Recht der gesuchte Zentralbegriff des Prozesses ist. Denn denkbar scheint, dass das subjektive Recht des Klägers jener rote Faden ist, der sich von Anfang bis Ende durch den gesamten Prozess zieht und das Verständnis

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Nachweise oben, Fn. 4. E. Schneider/F. Schnapp, Logik für Juristen, 6. Aufl. 2006, S. 45; K. Larenz/C.-W. Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 265 ff; M. Zimmermann, Sozialversicherung und Privatversicherung im Kompetenzgefüge des Grundgesetzes, 2009, S. 92 ff.; vgl. auch die instruktiven grafischen Darstellungen der zugrunde liegenden Klassenlogik von O. Weinberger, Rechtslogik, 2. Aufl. 1989, S. 156 f. 516

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3. Kap.: Das subjektive Recht als Zentralbegriff

prozessualer Vorschriften erleichtert. Ob es eine solche Bedeutung hat, soll daher im Folgenden untersucht werden.

A. § 40 Abs. 1 VwGO Möglicherweise ist das subjektive Recht bereits zu Beginn des Verfahrens relevant. So eröffnet zunächst § 40 Abs. 1 VwGO den Verwaltungsrechtsweg grundsätzlich für „öffentlich-rechtliche Streitigkeiten“. Ob mit der „Streitigkeit“ aufgrund der ähnlichen Wortwahl der in anderen Normen ausdrücklich so genannte Streitgegenstand gemeint ist517, mag dahinstehen; der VwGO-Gesetzgeber ging jedenfalls von unterschiedlichen Bedeutungen aus. Er verzichtete, anders als beim Verweis auf das Zivilprozessrecht zu § 121 VwGO518, bewusst auf eine Definition, „weil der Begriff der öffentlich-rechtlichen Streitigkeit noch nicht genügend bestimmt ist. Die Klärung bleibt der Rechtsprechung und der Rechtswissenschaft überlassen.“519 Nach heute verbreiteter Lesart meint die „rechtliche Streitigkeit“ – in Abkehr von den ehemals enumerativ geregelten Eröffnungstatbeständen in der bayerischen und auch preußischen Verwaltungsgerichtsbarkeit520 – als weit zu verstehender Begriff eine Kontroverse um rechtliche Beziehungen521. Fraglich ist also, was die rechtliche Beziehung darstellt. Soweit die VwGO Individualrechtsschutz gewährt, ist die rechtliche Beziehung zwischen den Beteiligten dadurch gekennzeichnet, dass „jemandem, der ein Recht behauptet, sein Recht von einem anderen streitig gemacht wird“522. Die Kontroverse um rechtliche Beziehungen ist also im Falle des Indivi517 So etwa BVerwG NVwZ 1983, S. 220 (220); BVerwGE 71, S. 183 (186); G. Barbey, in: Erichsen/Hoppe/v. Mutius, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, Festschrift für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 177 (178 FN 14); J. Hüttenbrink, in: Kuhla/ders., Der Verwaltungsprozess, 2. Aufl. 2002, S. 21 (22) und wohl auch F. Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 8. Aufl. 2011, § 10 Rn. 6; W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 13. Aufl. 2012, Rn. 85; dies offen lassend D. Ehlers, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 40 Rn. 98; anders schon P. Lerche, Ordentlicher Rechtsweg und Verwaltungsrechtsweg, 1953, S. 57; ders., JZ 1953, S. 212 (214). 518 BT-Drucks. III/55, S. 44 zu § 120 VwGO-E (heute § 121 VwGO). 519 BT-Drucks. III/55, S. 30 zu § 38 VwGO-E (entspricht sprachlich weitgehend dem heutigen § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO) und S. 70: der Begriff sei noch „weitgehend unklar“. 520 Vgl. zur Vorgeschichte der Entwicklung des § 40 VwGO D. Ehlers, in: Schoch/ Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 40 Rn. 1 ff. 521 H.-U. Erichsen, Verwaltungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit I, 2. Aufl. 1984, S. 36; D. Ehlers, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 40 Rn. 101; H. Sodan, in: ders./Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 40 Rn. 166; C. H. Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 9. Aufl. 1986, S. 34 f.; vgl. hingegen die zu weite Formulierung als „Frage von rechtlicher Relevanz“, die den Einsatz des Gerichtes als Gutachter ermöglicht, bei K. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 40 Rn. 8. 522 BVerfGE 2, S. 143 (156) für den verfassungsprozessualen Begriff der „Streitigkeit“; dem für das Verwaltungsprozessrecht folgend OVG Berlin NJW 1975, S. 2038 (2038); vgl. auch W. Schmitt Glaeser/H.-D. Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl. 2000, Rn. 37.

A. § 40 Abs. 1 VwGO

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dualrechtsschutzes eine Kontroverse um das subjektive Recht des Klägers523 : Die Beteiligten führen im Rahmen von Anfechtungsklagen einen Streit um einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Aufhebung des Verwaltungsaktes, bei Leistungsklagen um den jeweiligen Leistungsanspruch und bei Feststellungsklagen um das Recht des Klägers, welches das Rechtsverhältnis darstellt524. Schon der Streit um rechtliche Beziehungen in § 40 Abs. 1 VwGO meint also, soweit es sich um ein Individualrechtsschutzverfahren handelt, eine Streitigkeit um das subjektive Recht des Klägers. Bereits am Anfang des Verfahrens ist dieses daher zu identifizieren. Dies ist auch deswegen notwendig, weil die „rechtliche Streitigkeit“ dem Wortlaut der Norm nach eine „öffentlich-rechtliche“ sein muss. Es muss damit im Rahmen des § 40 Abs. 1 VwGO geprüft werden, ob die Kontroverse über das subjektive Recht und damit die rechtliche Streitigkeit nach Maßgabe des öffentlichen Rechts zu entscheiden ist525. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt damit in Individualrechtsschutzverfahren vor, wenn die Beteiligten über subjektive Rechte des öffentlichen Rechtes streiten. Wann dies der Fall ist, wird vielfach nach der „Natur des Rechtsverhältnisses“ bestimmt, „aus dem sich der geltend gemachte Anspruch“526 ergibt. Das ist terminologisch nicht ganz präzise. Eine Abgrenzung zwischen öffentlichem und privatem Recht ist nur für Rechtssätze möglich527. Ausgangspunkt muss damit eine Identifikation und Bewertung von Rechtssätzen sein528. Die anwendbaren Rechtssätze ergeben sich aber nicht aus der Natur des Rechtsverhältnisses: Nicht das Rechtsverhältnis bestimmt das anwendbare Recht, sondern das anwendbare Recht

523 Vgl. D. Ehlers, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 40 Rn. 207: Es komme auf den „geltend gemachten Anspruch[…] an“; ders., JZ 2003, S. 209 (209). 524 Zu diesem Verständnis des Rechtsverhältnisses vgl. schon oben Zweites Kapitel, C. II. 1. (S. 114). Auch der Nichtigkeitsfeststellungsklage bezüglich eines Verwaltungsaktes gemäß § 43 Abs. 1, 2 S. 2 VwGO liegt ein subjektives Recht zugrunde, vgl. schon H. H. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungslehre, 1965, S. 256 f. 525 So H.-U. Erichsen, Verwaltungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit I, 2. Aufl. 1984, S. 16; D. Ehlers, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 40 Rn. 204; nur terminologisch abweichend ist die Definition, dass die im Streit befangenen rechtlichen Beziehungen „dem öffentlichen Recht im engeren Sinne, also unter Ausschluß des Strafrechts und des Prozeßrechts, angehören“ müssen, C. H. Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 9. Aufl. 1986, S. 34; dagegen sei der Streit „öffentlich-rechtlich“, wenn ein „Akt der deutschen öffentlichen Gewalt […] im Streit ist“, T. Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, 3. Aufl. 2011, Rn. 128. 526 St. Rspr., vgl. nur BVerwGE 129, S. 9 (10 f.); Gemeinsamer Senat der obersten Bundesgerichte BGHZ 97, S. 312 (314 f.); BGH NVwZ 2009, S. 1054 (1055); F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 40 Rn. 6; H. v. Nicolai, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, 15. Aufl. 2010, § 40 Rn. 6. 527 D. Ehlers in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 40 Rn. 220; H.-U. Erichsen, JURA 1982, S. 537 (538). 528 D. Schmidt, Die Unterscheidung von privatem und öffentlichem Recht, 1985, S. 34 f.; D. Ehlers, in: ders./Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, 2009, § 21 Rn. 77; H. Sodan, in: ders./Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 40 Rn. 56.

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3. Kap.: Das subjektive Recht als Zentralbegriff

erschafft und charakterisiert damit das Rechtsverhältnis529. Soll also ermittelt werden, ob über subjektive Rechte nach öffentlichem oder privatem Recht530 zu entscheiden ist, muss für sie die Anspruchs- bzw. Rechtsgrundlage ermittelt werden531. Handelt es sich dabei um einen öffentlich-rechtlichen Rechtssatz532, ist das Recht ebenfalls öffentlich-rechtlich533 und damit auch die Streitigkeit darüber. Es liegt mithin in Individualrechtsschutzverfahren eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor, wenn über subjektive öffentliche Rechte gestritten wird534. Mithin wird das subjektive Recht des Klägers bereits bei der Eröffnung des Rechtsweges im Rahmen der Prüfung des § 40 Abs. 1 VwGO relevant: Gestritten wird in Individualrechtsschutzverfahren über eigene Rechte; der Verwaltungsrechtsweg ist dafür immer dann eröffnet, wenn diese subjektiven Rechte öffentliche Rechte sind. Schon in § 40 Abs. 1 VwGO wird also über das subjektive Recht entschieden. Entscheidungsmaßstab ist, ob es sich, sein Bestehen nach dem Sachvortrag des Klägers535 unterstellt, aus einem öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Rechtssatz ergibt.

529 D. Schmidt, Die Unterscheidung von privatem und öffentlichem Recht, 1985, S. 34 f.; G. Manssen, Privatrechtsgestaltung durch Hoheitsakt, 1994, S. 58; D. Ehlers, in: Schoch/ Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 40 Rn. 207; vgl. auch B. Remmert, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2010, § 18 Rn. 20. 530 Vgl. grundlegend H. J. Wolff, AöR 76 (1950/51) = N.F. 37 (1950/51), S. 205 (208 ff.); zum Ganzen D. Schmidt, Die Unterscheidung von privatem und öffentlichem Recht, 1985, S. 81 ff., 107 ff. 531 BVerwGE 4, S. 215 (217): „Es kommt somit auf die Anspruchsgrundlage an.“; F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 40 Rn. 6a f. 532 Problematisch kann vor allem die Qualifikation von vertraglichen Ansprüchen sein. Geht man davon aus, dass die Anspruchsgrundlage vertraglicher Ansprüche der Vertrag selbst als eigener Rechtssatz ist, muss daher dessen Eigenschaft als öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Rechtssatz bestimmt werden. Dies geschieht vielfach nach dem Vertragsgegenstand, vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Bundesgerichte BVerwGE 74, S. 368 (370). Zum Ganzen vgl. H.-U. Erichsen, in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1995, § 24; K. Lange, NVwZ 1983, S. 313 (313 ff.). 533 G. Manssen, Privatrechtsgestaltung durch Hoheitsakt, 1994, S. 58 f.; H. v. Nicolai, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, 15. Aufl. 2010, § 40 Rn. 6; H. Sodan in ders./Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 40 Rn. 56. 534 Vgl. D. Schmidt, Die Unterscheidung von privatem und öffentlichem Recht, 1985, S. 49: Die Abgrenzung der Rechtswege „hängt ab von den Vorschriften, die über ihre Begründetheit entscheiden“ und damit vom materiellen Recht. 535 Die Frage, ob auf den als richtig unterstellten klägerischen Sachvortrag oder aber den realen Sachverhalt abzustellen sei, soll mangels Relevanz für die weiteren Ausführungen unberücksichtigt bleiben, vgl. dazu aber F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 40 Rn. 6 m.w.N.

C. Begründetheit

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B. § 42 Abs. 2 VwGO Ein strengerer Prüfungsmaßstab liegt in der Klagebefugnis (entsprechend536) § 42 Abs. 2 VwGO an. Sie liegt vor, wenn nicht „offensichtlich und eindeutig“ ausgeschlossen ist, dass das subjektive Recht besteht537. Wird also im Rahmen der Prüfung der öffentlich-rechtlichen Streitigkeit in § 40 Abs. 1 VwGO ein Recht des Klägers als öffentlich-rechtlich identifiziert, verdichtet sich die Prüfung in der Klagebefugnis auf die Frage, ob ein solches eingangs identifiziertes Recht möglicherweise besteht.

C. Begründetheit Im Rahmen der Begründetheit der jeweiligen Klage verdichtet sich die Prüfung auf ihren endgültigen Maßstab538 : Geprüft wird nunmehr, ob ein in § 40 Abs. 1 VwGO identifiziertes und nach Maßgabe der Klagebefugnis möglicherweise bestehendes Recht wirklich besteht. Eine ausdrückliche Normierung dessen findet sich für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen in § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Normen statuieren, dass die objektive Rechtswidrigkeit für die Begründetheit nur bedeutsam ist, soweit sie („dadurch“) die Rechtsverletzung des Klägers bedingt. Mithin treffen sie die Aussage, dass es für die Begründetheit einzig auf auf die subjektive Rechtsverletzung ankommt539. Für die Begründetheit der Verpflichtungsklage nach § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist nicht umstritten, dass das verletzte Recht der Anspruch auf Erlass eines Verwaltungsaktes ist540. Dass die Begründetheit der Anfechtungsklage durch das Bestehen des von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorausgesetzten Anspruchs

536 M. Happ, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 42 Rn. 80; F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 42 Rn. 62 ff., der freilich für die Feststellungsklage a.a.O. Rn. 63 eine Ausnahme macht; H.-W. Laubinger, VerwArch 82 (1991), S. 459 (459 ff.). 537 BVerwGE 18, S. 154 (157); 81, S. 329 (330); 92, S. 313 (316). 538 F. Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 8. Aufl. 2011, § 25 Rn. 41; vgl. auch J. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 113 Rn. 18. 539 Vgl. schon H. H. Rupp, AöR 88 (1963) = N.F. 49 (1963), S. 479 (486 ff., insbes. 489); ders., in: Weber/Ule/Bachof, Rechtsschutz im Sozialrecht, 1965, S. 173 (181 ff.); W. Krebs, in: Erichsen/Hoppe/v. Mutius, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, Festschrift für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 191 (200); D. Ehlers, VerwArch 84 (1993), S. 139 (174 f.). 540 D. Ehlers, in: ders./Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, 2009, § 23 Rn. 38 (S. 653); M. Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 113 Rn. 64; F. Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 8. Aufl. 2011, § 26 Rn. 3; W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 13. Aufl. 2012, Rn. 841; J. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 113 Rn. 33; H. A. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 113 Rn. 411; T. Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, 3. Aufl. 2011, Rn. 339.

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3. Kap.: Das subjektive Recht als Zentralbegriff

auf Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes determiniert ist541, wird hingegen so nicht überall formuliert542. Für diese Überlegung spricht aber nicht nur der nahezu identische Wortlaut des § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO543. Vor allem ergibt sie sich auch aus einer Betrachtung der materiellen Rechtslage: Denn nicht nur der Verpflichtungsklage liegt ein Anspruch auf Erlass eines Verwaltungsaktes zugrunde. Dies ist auch für die Anfechtungsklage der Fall. Materiellrechtlich kann der in seinen Rechten verletzte Bürger von dem Verwaltungsträger Aufhebung des ihn verletzenden Verwaltungsaktes verlangen544. Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes geschieht durch Erlass eines neuen Verwaltungsaktes, welcher den früheren zurücknimmt oder widerruft545. Der Anspruch auf Aufhebung eines Verwaltungsaktes ist damit ein Anspruch auf Erlass eines Verwaltungsaktes. Gäbe es die Rechtsschutzform der Anfechtungsklage nicht, wäre er mittels einer Verpflichtungsklage durchzusetzen. Die Anfechtungsklage ist mithin ein Spezialfall der Verpflichtungsklage546 mit dem Unterschied, dass ein ihr stattgebendes Urteil keine Verpflichtung zur Aufhebung tenoriert, sondern aus Gründen der Prozessökonomie547 den angefochtenen Verwaltungsakt bei Bestehen des Aufhebungsanspruches selbst aufhebt. Weil das so ist, kommt es auch für die Begründetheit der Anfechtungsklage einzig auf das Bestehen des Aufhebungsanspruches an. Sonstige Leistungsklagen sind ebenfalls begründet, soweit das in § 40 Abs. 1 VwGO identifizierte und entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO möglicherweise bestehende Recht – der Leistungsanspruch, auch in Form eines Unterlassungsanspruchs –

541 P. Baumeister, Der Beseitigungsanspruch als Fehlerfolge des rechtswidrigen Verwaltungsakts, 2006, S. 205 f., 345; D. Ehlers, JURA 2004, S. 176 (178); ders., in: ders./Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, 2009, § 22 Rn. 74 a.E. (S. 630); M. Gerhardt, in: Schoch/ Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, Vorbemerkung § 113 Rn. 4; B. Remmert, JURA 1997, S. 96 (100); H. H. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 174 f., 251; F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 113 Rn. 5. 542 Vgl. etwa F. Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 8. Aufl. 2011, § 25 Rn. 3 ff.; W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 13. Aufl. 2012, der zwar in Rn. 730 darstellt, dass es nur auf die subjektive Rechtsverletzung ankommt, in Rn. 731 aber dennoch zuerst und vom subjektiven Recht losgelöst die Prüfung der objektiven Rechtswidrigkeit empfiehlt. 543 D. Ehlers, JURA 2004, S. 176 (178). 544 P. Baumeister, Der Beseitigungsanspruch als Fehlerfolge des rechtswidrigen Verwaltungsakts, 2006, S. 205 f., 345; vgl. zum Ganzen auch F. Schoch, VerwArch 79 (1988), S. 1 (33 ff., 46 f.); H. H. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 258. 545 H.-U. Erichsen, in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1995, § 16 Rn. 6; F. O. Kopp/U. Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 48 Rn. 172, § 49 Rn. 77. 546 D. Ehlers, in: ders./Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, 2009, § 22 Rn. 2 (S. 603); wohl auch W. Schmitt Glaeser/H.-D. Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl. 2000, Rn. 125; anders hingegen H. A. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 113 Rn. 9, der die Anfechtungsklage wegen der Reihenfolge der Normierung als „Entscheidungsgrundform für den Verwaltungsrechtsschutz“ bezeichnet. 547 H. H. Rupp, AöR 85 (1960), S. 301 (313); ders., Grundfragen der heutigen Verwaltungslehre, 1965, S. 254.

D. Ergebnis

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wirklich besteht548. Eine zu § 113 VwGO äquivalente Formulierung findet sich im Gesetz nicht, da sich der Maßstab für die Begründetheit gleichwie der Tenor bereits „aus der Natur der Klage ergibt“549. Auch Feststellungsklagen sind nach dem oben Ausgeführten begründet, soweit das geltend gemachte Recht besteht. Alle Individualrechtsschutz gewährenden Klagen sind mithin begründet, soweit das geltend gemachte subjektive Recht besteht550. Vor diesem Hintergrund scheint es folgerichtig, § 121 VwGO so zu verstehen, wie er nach dem oben Ausgeführten zu lesen ist: Rechtskräftige Urteile binden danach, „soweit darüber entschieden wurde, ob ein subjektives Recht des Klägers besteht, das den Antrag stützt“. Wird im gesamten Prozess um das Recht des Klägers gestritten und am Ende sein Bestehen bei Zulässigkeit und Begründetheit der Klage bejaht, dient § 121 VwGO der Sicherung dieses Ergebnisses. Die Norm stellt damit den Abschluss des roten Fadens dar, welcher sich in Form des subjektiven Rechtes durch den Prozess zieht.

D. Ergebnis Der „Zentralbegriff“ und gleichsam rote Faden für die Beurteilung einer Klage ist mithin das subjektive Recht des Klägers. Es zieht sich von der Prüfung der Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges (Prüfung, ob es um ein öffentlich-rechtliches Recht geht) über die Klagebefugnis (Prüfung, ob dieses Recht möglicherweise besteht) und die Begründetheit (Prüfung, ob es wirklich besteht) bis hin zur Absicherung des Ergebnisses im Urteil (Verbindliche Entscheidung darüber, ob es wirklich besteht) durch den gesamten Prozess.

I. Ausnahmen Freilich lässt sich ein solches, am subjektiven Recht orientiertes System nur konstruieren, soweit die einzelnen Verfahren Individualrechtsschutz gewähren. Das ist gemäß der Systementscheidung des Art. 19 Abs. 4 GG wegen der dadurch bedingten Ausgestaltung der VwGO551 weit überwiegend der Fall. Wie aber bereits oben dargestellt, ist der Verwaltungsrechtsweg nicht nur für Individualrechtsschutzverfahren eröffnet. Durchbrechungen im System des Rechtsschutzes sind an zwei Stellen in der VwGO denkbar: Zum einen kann die Normenkontrolle nach § 47 548

(162).

Statt aller J. Hüttenbrink, in: Kuhla/ders., Der Verwaltungsprozess, 2. Aufl. 2002, S. 74

549 BT-Drucks. III/55, S. 43 zu § 114 VwGO-E (heute § 113 VwGO); so auch M. Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 113 Rn. 4. 550 W. Krebs, in: Erichsen/Hoppe/v. Mutius, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, Festschrift für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 191 (200). 551 W. Krebs, in: Erichsen/Hoppe/v. Mutius, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, Festschrift für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 191 (197); J. Ziekow, in: Sodan/ders., VwGO, 3. Aufl. 2010, § 47 Rn. 37.

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3. Kap.: Das subjektive Recht als Zentralbegriff

VwGO objektives Beanstandungsverfahren sein, zum anderen sind Klagen ohne die Verletzung eigener Rechte nach § 42 Abs. 2 Halbsatz 1 VwGO („Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist“) möglich. Es stellt sich daher die Frage, ob diese Ausnahmen zur Änderung des dargestellten Systems zwingen. 1. Normenkontrolle Zunächst stellt sich die Frage, ob die Normenkontrolle nach § 47 VwGO überhaupt eine Ausnahme vom System des Individualrechtsschutzes darstellt. Daran lässt sich mit Blick auf die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO zweifeln: Diese setzt voraus, dass der Antragsteller durch die angegriffene Rechtsvorschrift in seinen Recht verletzt wird oder zu werden droht. Diese Ähnlichkeit zur Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO kann dafür sprechen, dass das Normenkontrollverfahren zumindest auch Individualrechtsschutzverfahren ist552. Allerdings wurde die Antragsbefugnis erst durch das 6. VwGO-Änderungsgesetz553 auf die Möglichkeit der Rechtsverletzung beschränkt, während vorher ein „Nachteil“ des Bürgers genügte. Die Möglichkeit einer Rechtsverletzung begründete aber auch nach der früheren Normfassung einen „Nachteil“554 ; es war lediglich umstritten, ob auch Nachteile unterhalb dieser Schwelle von der Norm erfasst waren555. Somit ist durch die Neufassung nunmehr der Kreis der Antragsbefugten sicher auf die Fälle möglicher Rechtsverletzungen begrenzt. Wurde schon die Funktion der früheren Fassung bisweilen lediglich in einer gesetzlichen Konkretisierung des Rechtsschutzinteresses erblickt556, so muss sich diese Funktion durch die bloße Verringerung tauglicher „Nachteile“ nicht geändert haben. Aus dem Normtext des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ergibt sich also kein zwingendes Argument für ein Rechtsschutzverfahren. Darüber hinaus zeigt der Wortlaut des § 47 Abs. 1 VwGO, dass „über die Gültigkeit“ von Normen entschieden wird. Mithin handelt es sich beim Verfahrensgegenstand „nicht um eine aufgeworfene Rechtsschutzfrage, sondern die Entscheidung einer abstrakten Rechtsfrage“557. Das zeigt auch die Allgemeinverbindlichkeit der Entscheidung nach § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO. All dies spricht für ein objektives 552 BT-Drucks. 13/3993, S. 10; D. Ehlers, in: ders./Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, 2009, § 27 Rn. 1 (S. 725); W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 13. Aufl. 2012, Rn. 873; F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 47 Rn. 3; M. Redeker, in: K. Redeker/v. Oertzen, VwGO, 15. Aufl. 2010, § 47 Rn. 1; J. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 47 Rn. 5; BVerwG DVBl. 1992, S. 37 (38 f.); NVwZ 2008, S. 899 (900) m.w.N. 553 Gesetz vom 1. 11. 1996, BGBl. I S. 1626. 554 Vgl. die „Verletzung eines rechtlich geschützten Interesses“ bei E. Eyermann/L. Fröhler, VwGO, 7. Aufl. 1977, § 47 Rn. 29 und A. Köhler, VwGO, 1960, § 47 V 3. 555 Vgl. zum Ganzen W. Krebs, VerwArch 69 (1978), S. 323 (326 ff. m.w.N.). 556 So etwa noch H.-C. Bock, Das Rechtsschutzbedürfnis im Verwaltungsprozess, 1971, S. 215; E. Eyermann/L. Fröhler, VwGO, 7. Aufl. 1977, § 47 Rn. 28; F. O. Kopp, VwGO, 3. Aufl. 1977, Vorbem § 40 Rn. 9; W. Krebs, VerwArch 69 (1978), S. 323 (329 m.w.N.). 557 W. Krebs, VerwArch 69 (1978), S. 323 (327).

D. Ergebnis

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Verfahren. Zudem kann eine objektive Rechtskontrolle stets als Reflex den Nebeneffekt subjektiven Rechtsschutzes haben, soweit der kontrollierte Rechtssatz Auswirkungen auf subjektive Rechte hat558. Mag sich also eine Normenkontrollentscheidung auch auf subjektive Rechte auswirken, so wird sie dadurch nicht notwendig zum Individualrechtsschutzverfahren. Letztlich spricht auch für ein objektives Beanstandungsverfahren, dass Behörden nach § 47 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO antragsbefugt sind, ohne eine mögliche Rechtsverletzung durch die angegriffene Vorschrift dartun zu müssen. Mithin ist die Normenkontrolle nach § 47 VwGO ein objektives Beanstandungsverfahren559, das lediglich auch individualrechtsschützende Wirkung haben kann. Sie ist also eine Ausnahme vom System des Individualrechtsschutzes in der VwGO560. Soweit sich damit gegenüber dem oben skizzierten System des Verständnisses verwaltungsprozessualer Vorschriften Abweichungen ergeben, regelt die VwGO diese selbst: Sie legt fest, worüber gestritten wird (§ 47 Abs. 1 VwGO: „über die Gültigkeit“ von Normen) und ermöglichen damit die Identifikation verschiedener Rechtsstreitigkeiten. Ferner ist geregelt, wer antragsbefugt ist (§ 47 Abs. 2, 2a VwGO), nach welchen Maßstäben der Antrag begründet ist (Umkehrschluss aus § 47 Abs. 3 VwGO: Verstoß gegen Bundes- und grundsätzlich auch Landesrecht) und welche Bindungswirkung ein Urteil hat (§ 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Auch ohne die sich verdichtende Prüfung eines subjektiven Rechtes bleibt die Normenkontrolle als Ausnahme vom genannten System deswegen handhabbar. 2. Klagen ohne eigene Rechte Eine Ausnahme vom System subjektiven Rechtsschutzes bilden auch jene Klagen, die gemäß § 42 Abs. 2 Halbsatz 1 VwGO („Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist“) ohne das Bestehen eigener Rechte erhoben werden können. Der bedeutendste Fall dieser Vorschrift sind die sog. altruistischen Verbandsklagen561: 558

M. Gerhardt/W. Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 47 Rn. 3; J. Ziekow, in: Sodan/ders., VwGO, 3. Aufl. 2010, § 47 Rn. 38. 559 W. Krebs, in: Erichsen/Hoppe/v. Mutius, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, Festschrift für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 191 (198); W. Kuhla, NVwZ 1988, S. 1084 (1085); A. v. Mutius, VerwArch 64 (1973), S. 95 (97); H. Siemer, Normenkontrolle durch Feststellungsklage?, 1971, S. 15 f.; J. Ziekow, in: Sodan/ders., VwGO, 3. Aufl. 2010, § 47 Rn. 37 m.w.N. 560 Vgl. auch H.-J. Papier, in: Erichsen/Hoppe/v. Mutius, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, Festschrift für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 517 (518): Das Normenkontrollverfahren ist „von Art. 19 Abs. 4 GG nicht vorgeschrieben“. 561 Dazu R. Wahl/P. Schütz, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 42 Abs. 2 Rn. 228 f., 235 ff.; zu unterscheiden ist danach die altruistische Verbandsklage von der Verbandsverletztenklage (Verband klagt eigene Rechte, die ihm als Verband zustehen, ein: Fall des Individualrechtsschutzes) und der egoistischen Verbandsklage (Verband klagt in eigenem Namen die Rechte seiner Mitglieder ein: Fall der gewillkürten Prozessstandschaft); vgl. auch C. Calliess, NJW 2003, S. 97 (97).

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3. Kap.: Das subjektive Recht als Zentralbegriff

Mittels ihrer dürfen bestimmte Personenmehrheiten zum Beispiel562 gemäß § 64 Abs. 1 BNatSchG in festgelegten Fällen „ohne in eigenen Rechten verletzt zu sein, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung einlegen“. Da in einer solchen Konstellation gerade nicht um materielle subjektive Rechte gestritten wird, stellt sich abseits der ausdrücklichen Ausnahme nach § 42 Abs. 2 Halbsatz 1 VwGO bezüglich der Klagebefugnis insbesondere in der Begründetheit der Rechtsbehelfe die Frage nach dem anzulegenden Entscheidungsmaßstab563. Denkbar ist, dass wie bei der Normenkontrolle nach § 47 VwGO auch hier eine volle Rechtmäßigkeitskontrolle des angegriffenen Aktes erfolgt564. Die Antwort ist jedenfalls dort vorgegeben, wo – wie etwa in § 64 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG – vorgesehen ist, dass nur ein Verstoß gegen Vorschriften, „die bei der Entscheidung zu beachten und zumindest auch den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu dienen bestimmt sind“, gerügt werden könne. Maßstab der Begründetheit solcher Klagen ist dann der Verstoß gegen diese, nicht aber sonstige Normen565. Soweit aber in jedem Fall durch altruistischen Verbandsklagen im Vergleich zu Rechtsschutzklagen der Maßstab der Begründetheit verändert wird566, ist denkbar, mit Blick auf die Akzessorietät gerichtlicher Entscheidungs- und Kontrollkompetenzen567 auch von einer Modifikation des Streitgegenstandsbegriffs in § 121 VwGO auszugehen: Er könnte den insofern veränderten Maßstab der Begründetheit abbilden. Ob das zwingend ist, mag hier dahinstehen. Festzuhalten ist jedenfalls, dass ein Urteil auf eine altruistische Verbandsklage mangels zu schützenden Rechtes keine Rechtsschutzfunktion erfüllt. Verbindlicher Urteilsinhalt gleichwie Prüfungsmaßstäbe für die Begründetheit sind daher, anders als oben zu Rechtsschutzverfahren geschehen, anhand der mit der eingeräumten Verbandsklagemöglichkeit bezweckten objektiven

562 Zu weiteren Beispielen vgl. H. Sodan, in: ders./Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 43 Rn. 402 ff. 563 Vgl. dazu M. Fischer, Die verwaltungsprozessuale Klage im Kraftfeld zwischen materiellem Recht und Prozessrecht, 2011, S. 322 ff. 564 R. Wahl/P. Schütz, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 42 Abs. 2 Rn. 39. 565 So ausdrücklich BVerwG, Beschl. v. 23. 11. 2007, Az. 9 B 38/07, JURIS Rn. 14 f.; M. Gellermann, in: v. Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 64. EL 2012, BNatSchG § 64 Rn. 15; P. Kunig, JURA 1996, S. 493 (497); vgl. auch § 13 Behindertengleichstellungsgesetz und zur dortigen Verbandsklage mit einem Katalog rügbarer Normverstöße M. Majerski-Pahlen, in: Neumann/Pahlen/dies., SGB IX, 12. Aufl. 2010, BBG § 13 Rn. 4; BVerwGE 125, S. 370 (374 f.); vgl. ferner die Überlegung von M. Fischer, Die verwaltungsprozessuale Klage im Kraftfeld zwischen materiellem Recht und Prozessrecht, 2011, S. 324 ff., derzufolge Gegenstand des Verfahrens ein materiell-rechtlicher „Verbandsaufhebungsanspruch“ sei. Dann läge aber schon keine Ausnahme nach § 42 Abs. 2 Halbsatz 1 VwGO vor, weil der Verband ein eigenes Recht einklagen würde. 566 M. Happ, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 42 Rn. 174; F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 113 Rn. 25 a.E. 567 Dazu W. Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1984, S. 142 f.; ders., in: Erichsen/Hoppe/v. Mutius, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, Festschrift für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 191 (200).

D. Ergebnis

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Kontrollfunktion568 des Verfahrens zu ermitteln. Soweit sich Abweichungen vom System des Individualrechtsschutzes ergeben, liegen diese in den unterschiedlichen Funktion der Verfahren begründet. Sie zwingen damit nicht zur Anpassung des Rechtsschutzsystems.

II. Ergebnis Objektive Beanstandungsverfahren in der VwGO sind Ausnahmen vom grundsätzlichen System des Individualrechtsschutzes. Abweichungen in ihrer Handhabung ergeben sich vielfach bereits aus den sie konstituierenden Normen und sind, soweit dies nicht der Fall ist, durch Auslegung anhand der Kontrollfunktion dieser Verfahren zu entwickeln. Für das hiesige Thema genügt die Feststellung, dass sie nicht zu einer Anpassung des grundsätzlich am subjektiven Recht ausgerichteten Systems zwingen.

568 C. Calliess, NJW 2003, S. 97 (101 f.); R. Wahl/P. Schütz, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. EL 2012, § 42 Abs. 2 Rn. 37; T. Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, 3. Aufl. 2011, Rn. 5 f.

Schlussbetrachtung Der Streitgegenstand ist ein Begriff, der in der VwGO keine eigenständige Bedeutung besitzt. Soweit sich § 110 VwGO seiner bedient, bezeichnet die Norm damit die Klage. In den §§ 121, 123 Abs. 1 Satz 1 ist er synonym zum subjektiven Recht. Bereits dieser Gegensatz zeigt, dass der Begriff vom Gesetzgeber benutzt wird, um ganz unterschiedliche Phänomene zu beschreiben. Schon Jauernig schrieb vor über vierzig Jahren, der Schlüssel zu einer Verständigung über den Streitgegenstand sei, „daß die Idee eines einheitlichen Streitgegenstandes aufgegeben wird“569. Diese Überlegung weist in die richtige Richtung. Denn wenn schon der Inhalt des Streitgegenstandsbegriffs in Normen desselben Gesetzes divergiert, scheint die Annahme, er bezeichne ein einheitliches Institut, das in den unterschiedlichsten Vorschriften von Bedeutung sei, wenig überzeugend. Betrachtet man zudem, dass dem Begriff von der Identifikation von Rechtsstreitigkeiten über die prozessuale Kompetenzverteilung und eine Informationsfunktion zur Aufdeckung des Streitprogramms bis hin zur Festlegung des Verwaltungsprozesses auf subjektiven Rechtsschutz, der Bindung eines mit dem Amtshaftungsverfahren befassten Zivilgerichtes und einem Wiederholungsverbot Inhalte zu entnehmen sein sollen570, zeigt sich, dass es sich um einen Problembegriff handelt: Er fasst unterschiedliche Rechtsfragen unter einer einheitlichen Bezeichnung zusammen. Eine solche Zusammenfassung mag allenfalls deklaratorisch von Wert sein, rechtlich hat sie aber keine Bedeutung. Denn wie aufgezeigt, sind die verschiedenen Fragen einer einheitlichen rechtlichen Beantwortung nicht zugänglich. Ihre Zusammenfassung unter einem Begriff birgt daher die Gefahr, diesen Umstand zu verschleiern. Aus dieser Überlegung erklärt sich auch, warum die Diskussion über den Streitgegenstand trotz jahrzehntelanger Auseinandersetzung noch nicht zu einem einheitlichen Ergebnis geführt hat: Sie beruht auf der Annahme, der Streitgegenstand stelle ein einheitliches „zentrales Institut“571 des Prozesses dar und müsse nur exakt genug definiert werden, um alle aufgeworfenen Fragen beantworten zu können572. Sind diese Fragen aber gar nicht einheitlich zu beantworten und sind

569 O. Jauernig, Verhandlungsmaxime, Inquisitionsmaxime und Streitgegenstand, 1967, S. 73 – freilich gleichwohl bezogen auf ein prozessuales Institut. 570 Vgl. dazu oben, Erstes Kapitel, B. IV. (S. 29). 571 Nachweise oben, FN 4. 572 So schon zutreffend die Kritik von R. Pietzcker, GRUR 1974, S. 613 (615).

Schlussbetrachtung

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manche gar zu verwerfen573, so muss dieser Versuch fehlschlagen. Die rein deskriptive Zusammenfassung der unterschiedlichen Diskussionsteile unter dem Begriff des Streitgegenstandes sollte daher aufgegeben werden. Denn über die Regelungen in den §§ 121, 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO hinaus besitzt der Streitgegenstandsbegriff keine eigenständige Bedeutung. Innerhalb jener Regelungen hat er nur insofern eine Funktion, als er ein Synonym für das subjektive Recht darstellt. Eben dieses ist nach dem im Dritten Kapitel Dargelegten574, suchte man einen roten Faden des Prozesses, der sich anbietende zentrale Begriff. Das subjektive Recht ist das, worüber die Beteiligten vor Gericht streiten. Es zieht sich von der Eröffnung des Rechtsweges über die Klagebefugnis und die Begründetheit bis hin zum Inhalt der verbindlichen Urteilsentscheidung. In diesem Sinne ist es Gegenstand des zwischen den Beteiligten bestehenden Streites. Dieser Gegenstand ist in der Tat für den Prozess von zentraler Bedeutung. Gleichwohl schiene es terminologisch unpräzise, deswegen von einer zentralen Bedeutung des Streitgegenstandes zu sprechen. Denn diese Aussage liefe Gefahr, die rein deskriptive Beschreibung des subjektiven Rechtes als Gegenstand des Streites mit der normativen Bedeutung zu vermischen, die der Begriff des Streitgegenstandes in den Vorschriften der VwGO hat – schließlich ist dieser nach dem Dargestellten gerade nicht einheitlich. Mithin ist es vorzuziehen, die Beschreibung als Zentralinstitut auf das subjektive Recht zu beschränken und den Begriff des Streitgegenstandes ausschließlich für die Erläuterung der Normen des §§ 110, 121, 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu verwenden575. Reduziert man dergestalt die Diskussion über den Streitgegenstand auf eine Auslegung der jeweiligen Vorschriften der VwGO, lassen sich die aufgeworfenen Identitätsfragen und Fragen nach der Funktion eines Urteils einfacher erklären. So handelt es sich bei der „Streitsache“ des § 90 Abs. 1 VwGO etwa um die Summe aller subjektiven Rechte, die den Antrag des Klägers stützen können. Soll die Wirkung eines Urteils durch § 121 VwGO erklärt werden, so folgt diese den Strukturen, die für den Verwaltungsakt bereits bekannt sind: Das Urteil wirkt als materiell-rechtlicher Rechtssatz und ordnet an, was im Einzelfalle zwischen den Beteiligten rechtens ist576. Es beeinflusst damit die materielle Rechtslage. Hatte Otto Mayer den Verwal573 So etwa die die Frage nach einem sog. „Verwaltungsakt-Wiederholungsverbot“, das sich aus einem rechtskräftigen Urteil ergebe – vgl. oben Zweites Kapitel, A. III. 2. b) bb) (2) (c) (S. 75). 574 S. 119 ff. 575 Darüber hinaus ist mit dem Begriff des Streitgegenstandes nach dem im Ersten Kapitel, B. (S. 12 ff.) Dargestellten ein ebenso vielfältiges wie uneinheitliches Vorverständnis verbunden. Die Einordnung der hier gewonnenen Untersuchungsergebnisse in diesen Begriff wäre deswegen der Gefahr ausgesetzt, zu neuen Missverständnissen zu führen. Sie sollte daher, zumal der Streitgegenstandsbegriff außerhalb des Anwendungsbereiches der §§ 110, 121, 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO verzichtbar ist, vermieden werden. 576 O. Mayer, AöR 21 (1907), S. 1 (19 ff., insbes. 24, 29 f.); ders., Deutsches Verwaltungsrecht, Band 1, 3. Aufl. 1924, Unveränderter Nachdruck 1969, S. 100.

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Schlussbetrachtung

tungsakt seinerzeit aus der Überlegung entwickelt, etwas dem Urteil Ähnliches müsse als Instrument der Verwaltung zur Verfügung stehen577, so schließt sich nun der Kreis: Das verwaltungsgerichtliche Urteil wirkt wie das Instrument des Verwaltungsaktes. Weist es eine Klage aus Sachgründen ab, so entscheidet es verbindlich, dass dem Kläger kein Recht zusteht. Es legt damit im Einzelfalle fest, dass keine Rechte bestehen, die den Antrag stützen. Es bringt, sollte diese Festlegung rechtswidrig sein, bestehende Rechte zum Erlöschen. Gibt es der Klage statt, ordnet es verbindlich die Geltung des bejahten Rechtes oder der bejahten Rechte zwischen den Beteiligten an. Damit lässt sich erklären, warum ein Richter in Folgeverfahren das frühere Urteil beachten muss: Es ist ein Rechtssatz, der zwischen den Beteiligten gilt und den jeder Folgerichter gemäß Art. 20 Abs. 3 GG aufgrund seiner Rechtsbindung anwenden muss. Ebenso erklärt dies die Rechtsschutzfunktion des Urteils, denn es legt als konkreter Rechtssatz verbindlich fest, dass einer oder mehrere abstrakte Rechtssätze dem Kläger Recht(e) gewähren. Das Urteil gewährt dem Kläger damit verbindlich sein Recht. Auch wird verhindert, dass mehrfach über dieselben Rechte prozessiert werden kann: Soweit die Klage aus Sachgründen abgewiesen wurde, wird der Kläger seiner bis dahin möglicherweise bestehenden Rechte verlustig. Für ein erneutes Verfahren fehlt es damit an einer Möglichkeit seiner Rechtsverletzung, also der Klagebefugnis bzw. dem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis. Soweit der Klage stattgegeben wurde und lediglich eines von mehreren möglichen Rechten, die den Antrag stützen, bejaht wurde, fehlt es für einen Prozess über die übrigen Rechte am Rechtsschutzbedürfnis. Letztlich führt diese Sicht zu einer Vereinheitlichung von Denkstrukturen: Nach diesem Modell kann neben der Verwaltung auch die Judikative die Rechtslage verändern. Der Verwaltung stehen dafür der Vertrag und Verwaltungsakt zur Verfügung, die Judikative bedient sich des Urteils. Die Fähigkeit, Recht zu setzen, wird damit zum Merkmal der Ausübung aller Staatsgewalt.

577 O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Band 1, 3. Aufl. 1924, Unveränderter Nachdruck 1969, S. 93.

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Sachwortverzeichnis Abschreckungseffekt siehe Edukationseffekt Abweichungsverbot 35 f., 101 Actio 88 Aktivlegitimation 22, 67 Amtsermittlung 51 ff. Amtshaftung 24 ff., 29 f., 60 ff., 76, 130 Anfechtungsklage 22 ff., 40, 60 ff., 64 ff., 79 ff., 88 f., 100, 121, 123 f. Anordnung, einstweilige 12, 74 f., 112 ff. Anspruch – Anspruchsgrundlage 16 f., 18 f., 78 ff., 81 ff., 88, 122 – Anspruchsmehrheit 15 ff., 78 ff., 91 ff., 95 f., 99 ff. – Aufhebungsanspruch 23, 26 ff., 67, 73 f., 76, 79 ff., 88, 92, 96, 121, 123 f. – Durchsetzungshindernis 16 f. – Prozessualer Anspruch 18 ff., 26 ff., 34 f., 88 f., 90 ff. – Unterlassungsanspruch 73 ff., 79 f., 124 f. – siehe auch Recht, subjektives Antrag siehe Klage Antragsbefugnis 126 Begehren 19, 82, 115 – siehe auch Anspruch, prozessualer Begriff – Begriffsbildung 119 – Problembegriff 30 f., 130 – Rechtsbegriff 12, 30 f. Beibringungsgrundsatz 51 ff. Bindung siehe Urteil als Rechtssatz Da mihi facta, dabo tibi ius 20 Edukationseffekt 53, 58, 75 Endurteil siehe Urteil Entscheidung – Begriff 38 f. – Kompetenz 117, 128 – und Ungewissheit 90

– als Urteilsbestandteil 39 ff., 42 – und Urteilsformel 39 ff., 55 – und Urteilsgründe 39 ff., 43 ff., 55 Erledigung 67 f., 72 f. Feststellungsklage 83, 84 f., 99 ff., 121, 125 Fortsetzungsfeststellungsklage 28, 67 f., 72 f. Gewaltenteilung 58 Identifikationsfunktion 13 ff., 25, 29, 101 f., 130 Informationsfunktion 20 f., 29, 130 Iura novit curia 21, 63, 86, 87 Klage – Abweisung 16, 17, 41 f., 55 f., 68, 83 ff., 87, 91 ff., 95 f., 99 ff., 102 ff., 107 f., 110 – Änderung 14 – Antrag 12, 18 ff., 25, 27, 29, 47, 48 ff., 86, 88 f., 91 ff., 95 ff., 99, 101 f., 106 f., 125, 131 f. – Doppelfunktion 72 – Klagebefugnis 81 ff., 99 ff., 104, 107, 123, 125, 126, 128, 131 f. – Sachverhalt 19 ff., 25, 27, 29, 40, 51 ff., 56, 62, 85, 101 f. – Ziel 15, 17, 78 ff. Kompetenz 21, 29, 67, 117, 128, 130 Kontrolle – Kontrolldichte 36, 67, 123 – Kontrollfunktion 22, 52, 126 ff., 129 – Kontrollkompetenz 36, 67, 117, 126 ff. Kostenfolge 17, 93 f., 106 Maßstabfestlegungsfunktion 21 ff., 131 Ne bis in idem 70, 76, 98 ff. Normenkontrolle 126 f. Obiter Dicta 42, 71

Sachwortverzeichnis Privatautonomie 36, 51, 54 Recht, subjektives 14 f., 25, 79 f., 94, 102 – siehe auch Anspruch – siehe auch Rechtsschutz, subjektiver Rechtsbehauptung 17 ff., 23, 24 ff., 29, 35, 65, 66 ff., 88 ff., 90 ff. Rechtsbehelfsbelehrung 40 Rechtsdisziplin 75 Rechtsfrieden 58 f., 74 Rechtshängigkeit 13, 85 f., 93, 111 Rechtsinstitut – einheitliches 11, 30 f., 130 f. – prozessuales siehe Anspruch, prozessualer Rechtskontrolle, objektive 22 f., 67, 125 ff. Rechtskraft – formelle und materielle 32 – materiell-rechtliches Verständnis 33 ff. – prozessuales Verständnis 13 f., 34 ff. – von Prozessurteilen 102 ff. – von Urteilsbestandteilen 39 ff., 43 ff., 47, 48 ff., 55 ff. Rechtslage 33 ff., 61 f., 65, 72, 74 f., 94 ff., 105, 124 Rechtsmittel 58 f., 76, 95 Rechtsschutz – Erfolg 73 f., 77 f., 82 f., 88, 97 f., 100 f., 107, 115, 118 f., 125, 131 f. – und Klagen ohne eigene Rechte 127 ff. – Rechtsschutzbedürfnis 82 f., 84, 98, 100 f. – subjektiver 14, 22 f., 24 ff., 27 f., 29, 39, 52 f., 67, 73 ff., 77 f., 91 ff., 97 f., 99 f., 107, 114 f., 117 f., 119 ff., 125, 131 – siehe auch Systementscheidung Rechtssicherheit 77 Rechtsverhältnis 89, 99, 114, 117, 121 f. Res Iudicata 13 f., 17, 68, 70, 80, 98 ff., 102 ff. Sachverhalt siehe Klage Status Quo siehe Anordnung, einstweilige

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Streitsache siehe Rechtshängigkeit Streitigkeit siehe Verwaltungsrechtsweg Systementscheidung 23, 125 Teilurteil siehe Urteil Tenor siehe Entscheidung und Urteilsformel Unterlassungsklage 71 ff., 79 f., 124 f. Urteil – und Auslegung 55 f., 62, 76 f. – Gestaltung 33 ff., 81 f., 97 f. – Prozessurteile 102 ff. – siehe auch Klage, Abweisung – als Rechtssatz 32 ff., 37, 38 ff., 76 – Teilurteil 12, 108 ff. – Wirkung und Verwaltungsakt 35 f., 61 f., 94 ff., 97 f., 98 ff., 107 f., 131 f. – Zwischenurteil 103 f. Urteilsformel siehe Entscheidung Urteilsgründe siehe Entscheidung Verbandsklage 127 ff. Verbindlichkeit siehe Urteil als Rechtssatz Verpflichtungsklage 23, 28, 60, 72, 123 f. Verwaltungsakt-Wiederholungsverbot 24 ff., 29, 64 ff., 76 f., 130 Verwaltungsrechtsweg 120 ff., 131 Verwirkung 89 Vollstreckung 81 ff., 97 f., 100 Vollverbindlichkeit 57 ff. Vorfrage 26 f., 44, 58 f., 60 Wiederaufnahme 34, 76, 86 f., 106 Zivilgericht siehe Amtshaftung Zivilprozess 34 f., 48 f., 51 ff., 54, 57, 80, 112 f. Zwischenfeststellungsklage 49 Zwischenurteil siehe Urteil