Die Nichtzulassung der Revision mangels Erfolgsaussichten: Zur analogen Anwendbarkeit des § 144 Abs. 4 VwGO im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 133 VwGO 9783161557262, 9783161557255

Mit der Etablierung des Prinzips der Revisionszulassung in den meisten Verfahrensordnungen hat der Gesetzgeber den Zugan

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Die Nichtzulassung der Revision mangels Erfolgsaussichten: Zur analogen Anwendbarkeit des § 144 Abs. 4 VwGO im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 133 VwGO
 9783161557262, 9783161557255

Table of contents :
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Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
§ 1 Einleitung
I. Problemaufriss
II. Bedeutung der Fragestellung
III. Gang der Untersuchung
§ 2 Historischer Abriss der Entwicklung des Prinzips der Rechtsmittelzulassung in Deutschland
§ 3 Revision und Revisionszulassung
I. Die Revision als zulassungsbedürftiges Rechtsmittel
1. Das Zulassungserfordernis als Instrument der Entlastung des Bundesverwaltungsgerichts
2. Die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO
a) Gemeinsame Strukturmerkmale und ihre Bedeutung für die Zulassungsfrage
b) Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO
aa) Zulassungsrelevanz der Rechtssache
(1) Abstrakte Rechtsfrage aus dem Bereich des revisiblen Rechts
(2) Grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage
(3) Abstrakter höchstrichterlicher Klärungsbedarf der Rechtsfrage
bb) Zulassungsfähigkeit der Rechtssache
1) Entscheidungsrelevanz der Rechtsfrage im Berufungsverfahren
(2) Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage im künftigen Revisionsverfahren
c) Abweichung von einer Entscheidung eines höheren Gerichts (Divergenz), § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO
aa) Zulassungsrelevanz der Rechtssache
(1) Aufstellung eines abstrakten Rechtssatzes durch das Vordergericht
(2) Abweichung von einem abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung eines Divergenzgerichts
bb) Zulassungsfähigkeit der Rechtssache: Beruhen des Urteils auf dem abweichenden abstrakten Rechtssatz
d) Entscheidungserheblicher Verfahrensfehler, § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO
aa) Zulassungsrelevanz der Rechtssache
(1) Geltendmachung eines Verfahrensfehlers im Berufungsverfahren
(2) Tatsächliches Vorliegen des Verfahrensfehlers
bb) Zulassungsfähigkeit der Rechtssache
(1) Beruhen des Urteils auf dem Verfahrensfehler
(2) Rügbarkeit des Verfahrensmangels
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 133 VwGO als Zulassungsrechtsbehelf
1. Stellung und Funktion der Nichtzulassungsbeschwerde im Zulassungssystem
2. Das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde
III. Die Entscheidung über die Revision
1. Die unzulässige Revision, § 144 Abs. 1 VwGO
2. Die unbegründete Revision, § 144 Abs. 2 VwGO
3. Die begründete Revision, § 144 Abs. 3 VwGO
a) Eigene Sachentscheidung, § 144 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 VwGO
b) Zurückverweisung an die Vorinstanz, § 144 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 VwGO
4. Die Bestätigung des Berufungsurteils als im Ergebnis aus anderen Gründen richtig, § 144 Abs. 4 VwGO
§ 4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision im Rahmen ihrer Zulassung
I. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
1. Ältere Entscheidungen: Vorwegnahme der Rechtmäßigkeitskontrolle im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
2. Neuere Entscheidungen: Vorwegnahme der Reformationsprüfung im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren analog § 144 Abs. 4 VwGO
II. Überblick über das Meinungsbild im Schrifttum
1. Ablehnende Stellungnahmen
2. Befürwortende Stellungnahmen
III. Rechtspraktische Auswirkungen einer Erfolgsprognose im Zulassungsverfahren
1. Vorteilhafte Gesichtspunkte
a) Prozessökonomische Verfahrensbeschleunigung und Entlastung
b) Verhinderung unbegründeter Hoffnungen auf den Revisionserfolg
c) Schutz des potentiellen Rechtsmittelgegners
2. Nachteilhafte Gesichtspunkte
a) Mehraufwand im Beschwerdeverfahren
b) Zweifelhafte Tauglichkeit des Offensichtlichkeitskriteriums als Maßstab des Rechtsmittelzugangs
3. Zwischenfazit
IV. Die analoge Anwendung des § 144 Abs. 4 VwGO im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 133 VwGO
1. Rechtsmethodische Grundlagen der Analogiebildung
2. Systemwidrige Regelungsdefizite des Revisionszulassungsrechts in Anbetracht der Erfolgsaussichten der Revision?
a) Regelungsabsichten des historischen Gesetzgebers bei Einführung der Nichtzulassungsbeschwerde
aa) Verwaltungsprozess
bb) Andere Verfahrensordnungen
cc) Insbesondere: Zivilprozess
dd) Zusammenfassung und Zwischenfazit
ee) Auswirkungen auf den weiteren Gang der Untersuchung
b) Fehlende Erfolgsaussichten als materielles Ausschlusskriterium der Revisionszulassung?
aa) Zulassungsrelevanz der Rechtssache und Erfolgsaussichten der Revision
bb) Zulassungsfähigkeit der Rechtssache und Erfolgsaussichten der Revision
(1) Klärungsfähigkeit der Grundsatzfrage im Rahmen der Revisionsentscheidung, § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO
(a) Klärungsfähigkeit als Wesenselement der Grundsatzrevision
(b) Ausschluss der Klärungsfähigkeit
(c) Prognostische Elemente der Grundsatzbedeutung
(d) Klärungsfähigkeit und kassatorische Entscheidungskomponente
(e) Klärungsfähigkeit und reformatorische Entscheidungskomponente
(f) Zwischenfazit
(2) Entscheidungserheblichkeit von Abweichungen und Verfahrensmängeln für die Berufungsentscheidung, § 132 Abs. 2 Nr. 2, Nr. 3 VwGO
(a) Beruhen auf Divergenz
(b) Beruhen auf vorliegendem Verfahrensmangel
(c) Reformationsaussichten als systemnotwendiges Korrelat zur retrospektiven Entscheidungserheblichkeit?
(d) Zwischenfazit
(3) Revisionszulassung und Mehrfachbegründungen
(a) Zulassungssituation bei kumulativ mehrfach begründeten Urteilen
(b) Zulassungssituation bei ergebnisrichtigen Urteilen
(c) § 144 Abs. 4 VwGO analog als »Fiktion« kumulativer Mehrfachbegründungen?
(d) Zwischenfazit
(4) Revisionszulassung und Zulassungsermessen
(a) Revisionszulassung als grundsätzlich gebundene Entscheidung
(b) Durchführung der Rechtmäßigkeitskontrolle im Revisionsverfahren nach Ermessen des Revisionsgerichts
(c) Verzicht auf Zulassungsprüfung bei erkannter Ergebnisrichtigkeit?
cc) Zusammenfassung und Zwischenfazit
c) Verfahrensfragen einer Ergebnisrichtigkeitskontrolle im Rahmen der Entscheidung über die Zulassung der Revision
aa) Die Entscheidung des iudex a quo über die Zulassung der Revision
(1) Die Zulassungsentscheidung im Urteil
(2) Die Zulassungsentscheidung im Abhilfeverfahren
bb) Die Entscheidung des iudex ad quem über die Zulassung der Revision
(1) Darlegungspflicht und beschwerdegerichtlicher Zulassungsmaßstab
(a) Beschränkte Zulassungsprüfung allein anhand der ordnungsgemäß dargelegten Zulassungsgründe
(b) Ergebnisrichtigkeitsprüfung als Zulassungskontrolle von Amts wegen?
(c) Darlegungspflicht analog § 144 Abs. 4 VwGO?
(d) Zwischenfazit
(2) Sachentscheidungskompetenzen im Beschwerdeverfahren
(a) Die Anhängigkeit der Hauptsache während des Beschwerdeverfahrens
(b) Sachentscheidungskompetenzen nach § 133 Abs. 6 VwGO
(c) Kassatorische Beschwerdeentscheidung und kassatorisches Revisionsurteil
(d) Kassatorische Beschwerdeentscheidung und reformatorische Ergebniskontrolle
(e) Zwischenfazit
(3) Schriftlichkeit des Beschwerdeverfahrens
cc) Zusammenfassung und Zwischenfazit
3. Nichtzulassung der Revision mangels Erfolgsaussichten und Verfahrenszwecke der Revision
a) Die Zwecke der Revision und ihre Verankerung im geltenden Recht
b) Nichtzulassung der Revision analog § 144 Abs. 4 VwGO und Parteiinteressen an der korrekten Entscheidung des Rechtsstreits
c) Nichtzulassung der Revision analog § 144 Abs. 4 VwGO und Allgemeininteressen an der Wahrung der Rechtseinheit
d) Zwischenfazit
V. Fazit zur prozessrechtlichen Untersuchung
§ 5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
I. Die Rechtsweggarantie gegen Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt, Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG
1. Grundsätzliches zum Gewährleistungsgehalt
2. Anspruch auf Rechtsschutz gegen den Richterspruch?
3. Der vom Gesetzgeber vorgehaltene Rechtsmittelweg als „Rechtsweg“ i. S. d. Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG
4. Verbot unzumutbarer, sachlich nicht gerechtfertigter Zugangserschwerungen zur nächsten Instanz
5. Anspruch auf Einhaltung der gesetzlich vorgesehenen Grundstruktur des Rechtsmittelsystems
6. Zwischenergebnis
II. Das Verbot des Entzugs des gesetzlichen Richters, Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG
1. Grundsätzliches zum Gewährleistungsgehalt
2. Verfassungsrechtlich relevanter Richterentzug durch den Richterspruch nur bei justizieller Willkür
3. Erfolgsaussichten der Revision als willkürliches Zulassungskriterium?
4. Verfassungsrechtlich relevanter Zuständigkeitsverstoß durch Sachentscheidung des Beschwerdesenates?
a) Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG und die Begründung gerichtlicher Entscheidungszuständigkeiten durch richterliche Rechtsschöpfung
b) Die Verteilung der funktionellen Zuständigkeiten des Bundesverwaltungsgerichts zwischen Beschwerde- und Revisionssenat
5. Zwischenergebnis
III. Das Gebot der Rechtsmittelklarheit, Art. 20 Abs. 3 GG
1. Grundsätzliches zum Gewährleistungsgehalt
2. Erfolgsaussichten der Revision als außergesetzliches Zulassungskriterium
IV. Das Gebot der Rechtsmittelgleichheit, Art. 20 Abs. 3 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG
1. Grundsätzliches zum Gewährleistungsgehalt
2. Revisionszulassung nach Maßgabe ihrer Erfolgsaussichten als verfahrensrechtliche Ungleichbehandlung
3. »Offensichtliche« Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils als sachgerechtes Differenzierungskriterium?
4. Zwischenergebnis
V. Der Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht, Art. 103 Abs. 1 GG
1. Grundsätzliches zum Gewährleistungsgehalt
2. Austausch der Entscheidungsgründe im Zulassungsverfahren und Anspruch auf rechtliches Gehör
VI. Die Instituts- und Funktionsgarantie der obersten Gerichthöfe des Bundes, Art. 95 Abs. 1 GG
1. Grundsätzliches zum Gewährleistungsgehalt
2. Nichtzulassung der Revision mangels reformatorischer Erfolgsaussichten und Rechtseinheitsaufgabe der Revisionsgerichte
VII. Fazit zur verfassungsrechtlichen Untersuchung
§ 6 Gesamtfazit und Schlussbetrachtungen
Schrifttumsverzeichnis
Sachregister

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Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht Band 144 herausgegeben von Rolf Stürner

Alexander Gerald Schmidt

Die Nichtzulassung der Revision mangels Erfolgsaussichten Zur analogen Anwendbarkeit des § 144 Abs. 4 VwGO im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 133 VwGO

Mohr Siebeck

Alexander Gerald Schmidt, geboren 1986; Studium der Rechtswissenschaften in Leipzig; 2011 Erstes Juristisches Staatsexamen; Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für ­Öffentliches Recht, Deutsches und Europäisches Umweltrecht und Rechtsvergleichung der Universität Würzburg; 2017 Zweites Juristisches Staatsexamen und Promotion; seit 2017 Proberichter am Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg.

Zugleich Dissertation an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg

e-ISBN PDF 978-3-16-155726-2 ISBN 978-3-16-155725-5 ISSN  0722-7574 (Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ biblio­g raphie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mi­ kroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen aus der Times New Roman gesetzt, auf alterungs­beständiges Werkdruck­papier gedruckt und gebunden.

Vorwort Diese im März 2015 eingereichte Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg im Wintersemester 2016/2017 als Dissertationsschrift angenommen. Die Disputation fand statt am 7. Juni 2017. Im Zuge der Veröffentlichung der Schrift wurden Rechtsprechung und Schrifttum auf den Stand von September 2017 gebracht. Bedanken möchte ich mich zunächst bei meinem verehrten Doktorvater Herrn Prof. Dr. Ralf Brinktrine für die freundliche Betreuung und Förderung der Arbeit. Meine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Deutsches und Europäisches Umweltrecht und Rechtsvergleichung hat auch meinen beruflichen und menschlichen Werdegang beeinflusst und geprägt. Weiteren Dank schulde ich Herrn Prof. Dr. Eckhard Pache für die Erstellung des Zweitgutachtens. Ferner bedanke ich mich bei Herrn Prof. Dr. Christoph Degenhart, welcher mich im Zuge meiner studentischen Tätigkeit an seinem Lehrstuhl für Staatsund Verwaltungsrecht an der Juristenfakultät der Universität Leipzig schon früh an das wissenschaftliche Arbeiten herangeführt und hierfür begeistert hat. Der größte und wichtigste Dank gebührt aber meiner lieben Frau Sandra, welche nicht nur die langwierige und anstrengende Aufgabe des Korrektur­ lesens übernommen hatte, sondern mir auch auf vielfältige Weise den Rücken gestärkt und durch ihre liebevolle Unterstützung dieses Werk erst möglich gemacht hat. Der letzte Dank gilt schließlich Herrn Prof. Dr. Dres. h.c. Rolf Stürner für die Aufnahme meiner Dissertation in die von ihm herausgegebene Schriftenreihe sowie Frau Daniela Taudt vom Mohr Siebeck Verlag für die freundliche und engagierte Unterstützung bei der Veröffentlichung. Würzburg, im Oktober 2017

Alexander Schmidt

Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII

§  1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Bedeutung der Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 III. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

§  2 Historischer Abriss der Entwicklung des Prinzips der Rechtsmittelzulassung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . 17 §  3 Revision und Revisionszulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 I. Die Revision als zulassungsbedürftiges Rechtsmittel . . . . . . . 31 1. Das Zulassungserfordernis als Instrument der Entlastung des Bundesverwaltungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2. Die Zulassungsgründe des §  132 Abs.  2 VwGO . . . . . . . . . 34 a) Gemeinsame Strukturmerkmale und ihre Bedeutung für die Zulassungsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 b) Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 aa) Zulassungsrelevanz der Rechtssache . . . . . . . . . . 41 (1) Abstrakte Rechtsfrage aus dem Bereich des revisiblen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 (2) Grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage . . . . . 43 (3) Abstrakter höchstrichterlicher Klärungsbedarf der Rechtsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 bb) Zulassungsfähigkeit der Rechtssache . . . . . . . . . . 47 (1) Entscheidungsrelevanz der Rechtsfrage im ­Berufungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . 47 (2) Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage im künftigen ­Revisionsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 c) Abweichung von einer Entscheidung eines höheren Gerichts (Divergenz), §  132 Abs.  2 Nr.  2 VwGO . . . . . . . . . . . . 49 aa) Zulassungsrelevanz der Rechtssache . . . . . . . . . . 52 (1) Aufstellung eines abstrakten Rechtssatzes durch das Vordergericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

VIII

Inhaltsverzeichnis

(2) Abweichung von einem abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung eines Divergenzgerichts . . . . 53 bb) Zulassungsfähigkeit der Rechtssache: Beruhen des Urteils auf dem abweichenden abstrakten Rechtssatz . . 56 d) Entscheidungserheblicher Verfahrensfehler, §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 aa) Zulassungsrelevanz der Rechtssache . . . . . . . . . . 58 (1) Geltendmachung eines Verfahrensfehlers ­ im Berufungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . 58 (2) Tatsächliches Vorliegen des Verfahrensfehlers . . . 61 bb) Zulassungsfähigkeit der Rechtssache . . . . . . . . . . 62 (1) Beruhen des Urteils auf dem Verfahrensfehler . . . 62 (2) Rügbarkeit des Verfahrensmangels . . . . . . . . . 64 II. Die Nichtzulassungsbeschwerde nach §  133 VwGO als Zulassungsrechtsbehelf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 1. Stellung und Funktion der Nichtzulassungsbeschwerde im Zulassungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2. Das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde . . . . . . . . . 68 III. Die Entscheidung über die Revision . . . . . . . . . . . . . . . . 71 1. Die unzulässige Revision, §  144 Abs.  1 VwGO . . . . . . . . . 72 2. Die unbegründete Revision, §  144 Abs.  2 VwGO . . . . . . . . 72 3. Die begründete Revision, §  144 Abs.  3 VwGO . . . . . . . . . 73 a) Eigene Sachentscheidung, §  144 Abs.  3 S.  1 Nr.  1 VwGO . . 74 b) Zurückverweisung an die Vorinstanz, §  144 Abs.  3 S.  1 Nr.  2 VwGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 4. Die Bestätigung des Berufungsurteils als im Ergebnis aus anderen Gründen richtig, §  144 Abs.  4 VwGO . . . . . . . . . 76

§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision im Rahmen ihrer Zulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 I. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts . . . . . . . 85 1. Ältere Entscheidungen: Vorwegnahme der Rechtmäßigkeitskontrolle im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren . . . . . . . 85 2. Neuere Entscheidungen: Vorwegnahme der Reformationsprüfung im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren analog §  144 Abs.  4 VwGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 II. Überblick über das Meinungsbild im Schrifttum . . . . . . . . . . 91 1. Ablehnende Stellungnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 2. Befürwortende Stellungnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 III. Rechtspraktische Auswirkungen einer Erfolgsprognose im Zulassungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 1. Vorteilhafte Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 a) Prozessökonomische Verfahrensbeschleunigung und Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

Inhaltsverzeichnis

IX

b) Verhinderung unbegründeter Hoffnungen auf den Revisionserfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 c) Schutz des potentiellen Rechtsmittelgegners . . . . . . . . . 103 2. Nachteilhafte Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 a) Mehraufwand im Beschwerdeverfahren . . . . . . . . . . . 106 b) Zweifelhafte Tauglichkeit des Offensichtlichkeitskriteriums als Maßstab des Rechtsmittelzugangs . . . . . . . . . . . . 110 3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde nach §  133 VwGO . . . . . . 117 1. Rechtsmethodische Grundlagen der Analogiebildung . . . . . 121 2. Systemwidrige Regelungsdefizite des Revisionszulassungsrechts in Anbetracht der Erfolgsaussichten der Revision? . . . 126 a) Regelungsabsichten des historischen Gesetzgebers bei Einführung der Nichtzulassungsbeschwerde . . . . . . . . . 128 aa) Verwaltungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 bb) Andere Verfahrensordnungen . . . . . . . . . . . . . . 131 cc) Insbesondere: Zivilprozess . . . . . . . . . . . . . . . . 134 dd) Zusammenfassung und Zwischenfazit . . . . . . . . . . 135 ee) Auswirkungen auf den weiteren Gang der Untersuchung 136 b) Fehlende Erfolgsaussichten als materielles Ausschlusskriterium der Revisionszulassung? . . . . . . . 137 aa) Zulassungsrelevanz der Rechtssache und Erfolgsaussichten der Revision . . . . . . . . . . . . . 137 bb) Zulassungsfähigkeit der Rechtssache und Erfolgsaussichten der Revision . . . . . . . . . . . . . 142 (1) Klärungsfähigkeit der Grundsatzfrage im Rahmen der Revisionsentscheidung, §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO 143 (a) Klärungsfähigkeit als Wesenselement der Grundsatzrevision . . . . . . . . . . . . . . 143 (b) Ausschluss der Klärungsfähigkeit . . . . . . . . 145 (c) Prognostische Elemente der Grundsatzbedeutung 151 (d) Klärungsfähigkeit und kassatorische ­Entscheidungskomponente . . . . . . . . . . . . 155 (e) Klärungsfähigkeit und reformatorische ­Entscheidungskomponente . . . . . . . . . . . 163 (f) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 (2) Entscheidungserheblichkeit von Abweichungen und Verfahrensmängeln für die Berufungsentscheidung, §  132 Abs.  2 Nr.  2, Nr.  3 VwGO . . . . . . . . . . . 170 (a) Beruhen auf Divergenz . . . . . . . . . . . . . . 170 (b) Beruhen auf vorliegendem Verfahrensmangel . 173 (c) Reformationsaussichten als systemnotwendiges Korrelat zur retrospektiven Entscheidungserheblichkeit? . . . . . . . . . . . 179 (d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188

X

Inhaltsverzeichnis

(3) Revisionszulassung und Mehrfachbegründungen . . 188 (a) Zulassungssituation bei kumulativ mehrfach ­begründeten Urteilen . . . . . . . . . . . . . . . 188 (b) Zulassungssituation bei ergebnisrichtigen Urteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 (c) §  144 Abs.  4 VwGO analog als »Fiktion« kumulativer Mehrfachbegründungen? . . . . . . 191 (d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 (4) Revisionszulassung und Zulassungsermessen . . . . 199 (a) Revisionszulassung als grundsätzlich gebundene Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 (b) Durchführung der Rechtmäßigkeitskontrolle im Revisionsverfahren nach Ermessen des ­Revisionsgerichts . . . . . . . . . . . . . . 202 (c) Verzicht auf Zulassungsprüfung bei erkannter ­Ergebnisrichtigkeit? . . . . . . . . . . . . . . . 203 cc) Zusammenfassung und Zwischenfazit . . . . . . . . . . 207 c) Verfahrensfragen einer Ergebnisrichtigkeitskontrolle im Rahmen der Entscheidung über die Zulassung der Revision 209 aa) Die Entscheidung des iudex a quo über die Zulassung der Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (1) Die Zulassungsentscheidung im Urteil . . . . . . . 211 (2) Die Zulassungsentscheidung im Abhilfeverfahren . 214 bb) Die Entscheidung des iudex ad quem über die Zulassung der Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 (1) Darlegungspflicht und beschwerdegerichtlicher ­Zulassungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 (a) Beschränkte Zulassungsprüfung allein anhand der ordnungsgemäß dargelegten ­Zulassungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . 220 (b) Ergebnisrichtigkeitsprüfung als ­ Zulassungskontrolle von Amts wegen? . . . . . 223 (c) Darlegungspflicht analog §  144 Abs.  4 VwGO? . 227 (d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 (2) Sachentscheidungskompetenzen im Beschwerdeverfahren . . . . . . . . . . . . . . 235 (a) Die Anhängigkeit der Hauptsache während des Beschwerdeverfahrens . . . . . . . . . . . . 236 (b) Sachentscheidungskompetenzen nach §  133 Abs.  6 VwGO . . . . . . . . . . . . . . . 239 (c) Kassatorische Beschwerdeentscheidung und ­kassatorisches Revisionsurteil . . . . . . . . . . 242 (d) Kassatorische Beschwerdeentscheidung und reformatorische Ergebniskontrolle . . . . . . . . 244 (e) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 (3) Schriftlichkeit des Beschwerdeverfahrens . . . . . . 249

Inhaltsverzeichnis

XI

cc) Zusammenfassung und Zwischenfazit . . . . . . . . . . 253 3. Nichtzulassung der Revision mangels Erfolgsaussichten und Verfahrenszwecke der Revision . . . . . . . . . . . . . . . 255 a) Die Zwecke der Revision und ihre Verankerung im geltenden Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 b) Nichtzulassung der Revision analog §  144 Abs.  4 VwGO und Parteiinteressen an der korrekten Entscheidung des Rechtsstreits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 c) Nichtzulassung der Revision analog §  144 Abs.  4 VwGO und Allgemeininteressen an der Wahrung der Rechtseinheit 268 d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 V. Fazit zur prozessrechtlichen Untersuchung . . . . . . . . . . . . . 276

§  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren . . . . . . 283 I. Die Rechtsweggarantie gegen Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt, Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG . . . . . . . . . . . 284 1. Grundsätzliches zum Gewährleistungsgehalt . . . . . . . . . . 284 2. Anspruch auf Rechtsschutz gegen den Richterspruch? . . . . . 288 3. Der vom Gesetzgeber vorgehaltene Rechtsmittelweg als „Rechtsweg“ i. S. d. Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG . . . . . . . . . 296 4. Verbot unzumutbarer, sachlich nicht gerechtfertigter ­Zugangserschwerungen zur nächsten Instanz . . . . . . . . . . 300 5. Anspruch auf Einhaltung der gesetzlich vorgesehenen Grundstruktur des Rechtsmittelsystems . . . . . . . . . . . . . 305 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 II. Das Verbot des Entzugs des gesetzlichen Richters, Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 1. Grundsätzliches zum Gewährleistungsgehalt . . . . . . . . . . 313 2. Verfassungsrechtlich relevanter Richterentzug durch den Richterspruch nur bei justizieller Willkür . . . . . . . . . 315 3. Erfolgsaussichten der Revision als willkürliches Zulassungskriterium? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 4. Verfassungsrechtlich relevanter Zuständigkeitsverstoß durch Sachentscheidung des Beschwerdesenates? . . . . . . . 323 a) Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG und die Begründung gerichtlicher ­Entscheidungszuständigkeiten durch richterliche Rechtsschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 b) Die Verteilung der funktionellen Zuständigkeiten des Bundesverwaltungsgerichts zwischen Beschwerde- und Revisionssenat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 III. Das Gebot der Rechtsmittelklarheit, Art.  20 Abs.  3 GG . . . . . . 342 1. Grundsätzliches zum Gewährleistungsgehalt . . . . . . . . . . 342 2. Erfolgsaussichten der Revision als außergesetzliches ­Zulassungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346

XII

Inhaltsverzeichnis

IV. Das Gebot der Rechtsmittelgleichheit, Art.  20 Abs.  3 i. V. m. Art.  3 Abs.  1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 1. Grundsätzliches zum Gewährleistungsgehalt . . . . . . . . . . 348 2. Revisionszulassung nach Maßgabe ihrer Erfolgsaussichten als verfahrensrechtliche Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . 353 3. »Offensichtliche« Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils als sachgerechtes Differenzierungskriterium? . . . . . . . . . 356 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 V. Der Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht, Art.  103 Abs.  1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 1. Grundsätzliches zum Gewährleistungsgehalt . . . . . . . . . . 361 2. Austausch der Entscheidungsgründe im Zulassungsverfahren und Anspruch auf rechtliches Gehör . . . . . . . . . . . . . . . 364 VI. Die Instituts- und Funktionsgarantie der obersten Gerichthöfe des Bundes, Art.  95 Abs.  1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 1. Grundsätzliches zum Gewährleistungsgehalt . . . . . . . . . . 367 2. Nichtzulassung der Revision mangels reformatorischer Erfolgs­ aussichten und Rechtseinheitsaufgabe der Revisionsgerichte . . 370 VII. Fazit zur verfassungsrechtlichen Untersuchung . . . . . . . . . . 373

§  6 Gesamtfazit und Schlussbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . 375 Schrifttumsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395

Abkürzungsverzeichnis a. A. anderer Ansicht a. a. O. am angegebenen Ort a. E. am Ende alter Fassung a. F. AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union AnwBl Anwaltsblatt ArbGG Arbeitsgerichtsgesetz BAG Bundesarbeitsgericht BAGE Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichtes BayVBl. Bayerische Verwaltungsblätter BayVerfGH Bayerischer Verfassungsgerichtshof BauR Zeitschrift für das gesamte öffentliche und zivile Baurecht BeckRS Beck-Rechtsprechung Bundesfinanzhof BFH BFH/NV Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Nicht Veröffentlicht) BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BRAK-Mitt. Bundesrechtsanwaltskammer Mitteilungen BSG Bundessozialgericht BSGE Entscheidungen des Bundessozialgerichts Drucksachen des Deutschen Bundestages BT-Drs. BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGG Gesetz über das Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGK Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerwG Bundesverwaltungsgericht BVerwGE Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts BVerwGG Gesetz über das Bundesverwaltungsgericht Deutsches Obergericht DOG DÖV Die öffentliche Verwaltung Deutsches Steuerrecht DStR DVBl. Deutsches Verwaltungsblatt EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EMRK Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten EuGRZ Europäische Grundrechte-Zeitschrift

XIV

Abkürzungsverzeichnis

EUV Vertrag über die Europäische Union Zeitschrift für das Gesamte Familienrecht FamRZ FGO Finanzgerichtsordnung Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer FGO-ÄndG Gesetze GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland GmS-OGB Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes Charta der Grundrechte der Europäischen Union GrCh GS Gesetzessammlung für Preußen GVG Gerichtsverfassungsgesetz HdBStR Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland HessGVBl. Hessisches Gesetz- und Verordnungsblatt Juristische Rundschau JR JZ Juristenzeitung jurisPR-BVerwG juris PraxisReport Bundesverwaltungsgericht jurisPR-SozR juris PraxisReport Sozialrecht jurisPR-SteuerR juris PraxisReport Steuerrecht jurisPR-WettbR juris PraxisReport Wettbewerbsrecht KirchE Entscheidungen in Kirchensachen KRABl. Amtsblatt des Kontrollrates m. w. N. mit weiteren Nachweisen MDR Monatsschrift für Deutsches Recht Neue Justiz NJ NJW Neue Juristische Wochenschrift NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ-RR Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – Rechtsprechungsreport NZS Neue Zeitschrift für Sozialrecht OVG Oberverwaltungsgericht PBefAusglV Verordnung über den Ausgleich gemeinwirtschaftlicher Leistungen im Straßenpersonenverkehr PersR Der Personalrat RAO Reichsabgabenordnung Recht der Arbeit RdA RG Reichsgericht RGBl. Reichsgesetzblatt RGE Z Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen RMBereinVpG Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess RsprEinhG Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes SGb Die Sozialgerichtsbarkeit SGG Sozialgerichtsgesetz SozR Entscheidungssammlung Sozialrecht StPO Strafprozessordnung VBlBW. Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg Die Verwaltung Verw VerwArch Verwaltungsarchiv

Abkürzungsverzeichnis

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VerwRspr Verwaltungs-Rechtsprechung in Deutschland Zeitschrift für Vermögens- und Immobilienrecht VIZ VwGO Verwaltungsgerichtsordnung Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer VwGOÄndG Gesetze WM Wertpapier-Mitteilungen ZfBR Zeitschrift für deutsche und internationales Bau- und Vergaberecht ZPO Zivilprozessordnung ZPO-RG Gesetz zur Reform des Zivilprozesses ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik ZZP Zeitschrift für Zivilprozess

§  1 Einleitung I. Problemaufriss Im Verwaltungsprozess bedarf das Rechtsmittel der Revision gemäß §  132 Abs.  1 VwGO1 stets der Zulassung. Dies gilt sowohl für Revisionen gegen die Berufungs- und Normenkontrollentscheidungen der Oberverwaltungsgerichte als auch für Revisionen gegen erstinstanzliche Urteile der Verwaltungsgerichte im Wege der Sprungrevision nach §  134 VwGO und der Ersatzrevision bei Ausschluss der Berufung nach §  135 VwGO2. Die Revision ist nach §  132 Abs.  2 VwGO nur dann zuzulassen, wenn einer oder mehrere der gesetzlich vorgesehenen Zulassungsgründe einschlägig sind. Dies wiederum ist der Fall, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO), das mit der Revision anzugreifende Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§  132 Abs.  2 Nr.  2 VwGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO). Die Kompetenz zur Revisionszulassung liegt zunächst und in erster Linie bei dem Gericht, welches die anzufechtende Entscheidung erlässt und die Frage der Rechtsmittelzulassung bereits im Urteil selbst zu klären hat. Wurde die Revision hingegen nicht vom Vordergericht (iudex a quo) zugelassen, ­können die Beteiligten in den Fällen von §  132 Abs.  1 VwGO und §  135 S.  3 VwGO die Nichtzulassung der Revision selbstständig durch Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht als dasjenige Gericht, welches nach §  49 Nr.  1, Nr.  2 VwGO über das Rechtsmittel der Revision zu entscheiden hätte (iudex ad quem)3, anfechten, §  133 Abs.  1 VwGO. 1  Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991, BGBl. I S.  686, zuletzt geändert durch Artikel 11 des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung EU) Nr.  910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG vom 18. Juli 2017, BGBl. I S.  2745. 2  Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  5. 3  Der iudex a quo ist das Gericht, dessen Entscheidung mit dem in Rede stehenden Rechts-

2

§  1 Einleitung

Im Rahmen dieser Nichtzulassungsbeschwerde4, der das Vordergericht nach §§  133 Abs.  5 S.  1, 148 Abs.  1 VwGO zunächst abhelfen kann, überprüft das Bundesverwaltungsgericht als Beschwerdegericht nach §  49 Nr.  3 VwGO eigenständig und unabhängig von der Entscheidung der Vorinstanz, ob Revisions­ zulassungsgründe nach §  132 Abs.  2 VwGO einschlägig sind und die Revision daher zuzulassen ist5. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Revisionszulassungsgründe und das Zulassungsverfahren scheinen dabei auf den ersten Blick von einem Gleichlauf der Zulassungsmaßstäbe von iudex a quo und iudex ad quem auszugehen und insbesondere den Erfolgsaussichten der zuzulassenden Revision keine Bedeutung beizumessen. Demnach müsste sich das jeweilige Zulassungsgericht gleichsam „blind“ für den wahrscheinlichen Ausgang des noch einzuleitenden und durchzuführenden Revisionsverfahrens stellen. Unter der Geltung des Prinzips der Rechtsmittelzulassung in seiner Ausformung durch die derzeitige Fassung der §§  132, 133 VwGO müsste es demnach auch zur Zulassung solcher Revisionen kommen, denen schon im Vorfeld bescheinigt werden könnte, dass sie nicht zur Verbesserung der Rechtsstellung des jeweiligen Rechtsmittelführers beitragen könnten, weil ihnen keine Erfolgschancen zukommen. Diese scheinbar dem Gesetz immanente Folge entspricht jedoch nicht der derzeitigen Zulassungspraxis6. Das Bundesverwaltungsgericht überprüft als Beschwerdegericht, wenn es im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde mit der Zulassungsfrage befasst wird, keineswegs ausschließlich, ob die Rechtssache im konkreten Fall Zulassungsgründe aufwirft und daher entsprechend der gesetzlichen Handlungsanweisung des §  132 Abs.  2 VwGO die Revision zugelassen werden muss. Vielmehr wendet das Gericht die revisionsverfahrensrechtliche Bestimmung des §  144 Abs.  4 VwGO analog auch im Beschwerdeverfahren an7. Nach dieser Vorschrift ist eine Revision dann zurückzuweisen, wenn die behelf angefochten werden soll, während als iudex ad quem das Gericht bezeichnet wird, das über eben jenen Rechtsbehelf letztlich in der Sache zu entscheiden hat, vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, BVerfGE 107, 395 (399); Creifelds/Weber, Rechtswörterbuch, S.  721. 4  Zwar spricht §  133 Abs.  1 VwGO selbst nicht von „Nichtzulassungsbeschwerde“, dieser Terminus wird aber etwa in den §§  60 Abs.  2 S.  1, 84 Abs.  2 Nr.  4 VwGO verwendet. Zur Terminologie vgl. auch GmS-OGB, Beschluss vom 24. Oktober 1983 – GmS-OGB 1/83 –, BVerwGE 68, 379 (381) und Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  15 Fn.  3 m. w. N. 5  BVerwG, Beschluss vom 08. Mai 1995 – 4 NB 16/95 –, NVwZ 1996, 372 (374); May, Revision, IV Rn.  70. 6  Ebenso Schreiner, Zulassungsberufung, S.  52. 7  Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 30. August 1962 – III B 88.61 –, VerwRspr 15, 367 (367 f.); BVerwG, Beschluss vom 13. Juni 1977 – IV B 13.77 –, BVerwGE 54, 99 (100); ­BVerwG, Beschluss vom 01. Februar 1979 – 7 B 2/79 –, NJW 1979, 2163; BVerwG, Beschluss

I. Problemaufriss

3

Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils zwar eine Verletzung revisiblen Rechts ergeben und die Entscheidung hierauf beruht, sich das Judikat aber aus anderen Gründen als richtig darstellt. Nach Ansicht des Bundesverwaltungs­ gerichts, der sich auch die anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes, deren Revisionszugang durch das Zulassungsprinzip mit Nichtzulassungsbeschwerdevorbehalt bestimmt wird8, entfalte der Rechtsgedanke dieser Norm Vorwirkungen ins Zulassungsverfahren. Der hinter ihr stehende Grundgedanke, dass ein Verfahren nicht um eines Fehlers willen fortgeführt werden soll, welcher sich nicht auf das Ergebnis der Entscheidung auswirken würde, gelte danach nicht nur für die eigentliche Revisionsentscheidung, sondern erst recht schon für die Frage nach der Durchführbarkeit des Revisionsverfahrens an sich, nämlich für die Entscheidung über ihre Zulassung9. Daher könne eine Nichtzulassungsvom 29. Oktober 1979 – 4 CB 73/79 –, Buchholz 310 §  144 VwGO Nr.  34 S.  3 f.; BVerwG, Beschluss vom 21. März 1986 – 3 CB 30/84 –, Buchholz 310 §  144 Nr.  46 S.  10 f.; BVerwG, Beschluss vom 30. April 1990 – 5 ER 616/90 –, Buchholz 310 §  125 VwGO Nr.  9 S.  3 f.; B ­ VerwG, Beschluss vom 05. Oktober 1990 – 4 B 249/89 –, NVwZ-RR 1991, 118 (119); ­ VerwG, Beschluss vom 02. November 1990 – 5 B 100/90 –, Buchholz 310 §  43 VwGO B Nr.  112 S.  27; BVerwG, Beschluss vom 02. August 1991 – 3 B 2.91 –, Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr.  16 S.  4; BVerwG, Beschluss vom 21. August 1998 – 8 B 115/98 –, NVwZ 1999, 191; BVerwG, Beschluss vom 26. September 2002 – 2 B 23/02 –, NVwZ-RR 2003, 246 f. (entsprechende Entscheidungsgründe nicht mit abgedruckt, vgl. juris); BVerwG, Beschluss vom 03. September 2010 – 6 B 30/10 – (unveröffentlicht, juris); BVerwG, Beschluss vom 02. November 2011 – 3 B 54/11 –, NVwZ-RR 2012, 86 (87). 8  Die analoge Anwendung der dem §  144 Abs.  4 VwGO in den anderen Verfahrensordnungen entsprechenden Vorschriften im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde werden explizit oder jedenfalls der Sache nach beispielsweise bejaht von BGH, Urteil vom 18. Juli 2003 – V ZR 187/02 –, NJW 2003, 3205 (3206); BGH, Beschluss vom 10. August 2005 – XII ZR 97/02 –, MDR 2005, 1241 für §  561 ZPO; BFH, Beschluss vom 10. Februar 1989 – V B 50/87 –, BFH/NV 1990, 107 (108); BFH, Beschluss vom 10. Dezember 2003 – X B 134/02 –, BFH/NV 2004, 906 (907 f.) für §  126 Abs.  4 FGO; BSG, Beschluss vom 12. Juli 1985 – 7 BAr 114/84 –, SozR 1500 §  160a Nr.  54 S.  70 ff.; BSG, Beschluss vom 08. Februar 2000 – B 1 KR 29/99 B –, NZS 2001, 56; BSG, Beschluss vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 69/08 B –, BeckRS 2009, 53032; BSG, Beschluss vom 03. März 2009 – B 1 KR 69/08 B –, NZS 2010, 119 (120) für §  170 Abs.  1 S.  2 SGG sowie von BAG, Beschluss vom 15. Februar 2005 – 9 AZN 982/04 –, BAGE 113, 321 (325); BAG, Beschluss vom 15. März 2011 – 9 AZN 1232/10 –, BAGE 137, 218 (219), welche verlangen, dass die zulassungsträchtigen Rechts­ fragen von der Vorinstanz zu Lasten des Beschwerdeführers entschieden worden sein müssen. Diese Rechtsprechung wird vom Bundesverfassungsgericht jedenfalls dem Grunde nach ausdrücklich gebilligt, vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 2007 – 1 BvR 382/05 –, BVerfGK 10, 208 (213 f.); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 15. Februar 2011 – 1 BvR 980/10 –, NVwZ-RR 2011, 460 (461) jeweils zur Zulassungsberufung. 9  So etwa ausdrücklich BVerwG, Beschluss vom 02. November 1990 – 5 B 100/90 –, Buchholz 310 §  43 VwGO Nr.  112 S.  27 sowie BSG, Beschluss vom 03. März 2009 – B 1 KR 69/08 B –, NZS 2010, 119 (120).

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§  1 Einleitung

beschwerde dann nicht zur Zulassung der Revision führen, wenn zwar die E ­ ntscheidungsgründe des angegriffenen Urteils einen gesetzlichen Revisionszulassungsgrund ergeben, sich dieses aber bereits im Beschwerdeverfahren aus anderen, erst vom Bundesverwaltungsgericht entscheidungstragend herangezogenen Gründen als im Ergebnis richtig herausstellt und diese Alternativgründe selbst keine Zulassungsgründe aufwerfen würden10. Somit bilden nach dem Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des ihr folgenden Schrifttums die Erfolgsaussichten der Revision, jedenfalls im Rahmen der Nicht­z ulassungsbeschwerde, durchaus ein relevantes Zulassungskriterium. Die ausdrückliche gesetzliche Handlungsanweisung des §  132 Abs.  2 VwGO würde sich demnach nur auf die Zulassungskompetenz des Vorderrichters beziehen. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts hätte §  132 Abs.  2 VwGO im Rahmen der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde demgegenüber ­folgenden Sinngehalt: Auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung ist die Revision vom Bundesverwaltungsgericht nur zuzulassen, wenn 1.  die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann und sich das Urteil nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig darstellt, ohne dass hinsichtlich dieser Gründe selbst die Revision zuzulassen wäre; §  144 Abs.  4 gilt entsprechend. Dieser vom Bundesverwaltungsgericht und den anderen Revisionsgerichten praktizierten Handhabe des Zulassungsrechts stehen Teile des rechtswissenschaftlichen Schrifttums und der einschlägigen Kommentarliteratur ablehnend gegenüber. So wird den Revisionsgerichten unter anderem vorgeworfen, hiermit die vom Gesetzgeber getroffenen Systementscheidungen im Rahmen der von ihm statuierten gesetzlichen Zugangsschranken zu den Revisionsgerichten zu konterkarieren und systemwidrig die Grenzen zwischen Nichtzulassungsbeschwerde und Revisionsverfahren zu verwischen11. Der Erfolg der Revision sei 10  BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 2007 – 1 BvR 382/05 –, BVerfGK 10, 208 (213 f.) sowie BVerwG, Beschluss vom 24. Oktober 1979 – 8 B 82/79 –, Buchholz 310 §  132 Nr.  178 (nur Leitsatz, vgl. juris) und Sendler DVBl. 1992, 240 (242). 11  So beispielsweise Traut, Zugang zur Revision, S.  101, 218; Kuhla, in: Kuhla/Hüttenbrink/Endler, Der Verwaltungsprozess, Abschnitt F Rn.  183; Reuß, DVBl. 1957, 293 (297);

I. Problemaufriss

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von den §§  132, 133 VwGO bewusst nicht als Zulassungsmaßstab vorgesehen, sondern ausschließlich der Begutachtung im Revisionsverfahren als Teil der Sach­prüfung vorbehalten. Eine dementsprechende Prüfung bereits im Beschwerdeverfahren würde deshalb einerseits das Zulassungsverfahren contra legem zu einem Rechtsbehelf gegen die Hauptsacheentscheidung erweitern und andererseits das eigentliche Revisionsverfahren vorwegnehmen und damit entwerten12. Auf diese Weise würde den Beteiligten nicht nur das Recht auf eine mündliche Revisionsverhandlung, die erst die für die Beantwortung schwieriger Rechts­ fragen erforderlichen Erkenntnisse liefern könnte, genommen13, sondern ihnen auch der gesetzliche Richter entzogen, indem das Bundesverwaltungs­gericht in der Besetzung als Beschwerdesenat nach §  10 Abs.  3 Hs.  2 VwGO die Prüfung des Sacherfolgs der Revision wie auch die Klärung dabei aufkommender Rechtsfragen dem vollen Revisionssenat im Sinne des §  10 Abs.  3 Hs.  1 VwGO vorenthielte14. Überdies ergebe sich hierbei die merkwürdig anmutende Konsequenz, dass ein Beschwerdeführer mit Angriffen gegen die vorinstanz­liche Sachentscheidung nicht durchzudringen vermag, weil er sich in seiner Beschwerdebegründung nach §  133 Abs.  3 S.  3 VwGO auf die Darlegung der Gründe für die Revisionszulassung zu beschränken hat15, sich der Prüfungs­ umfang der bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeentscheidung dem­ gegenüber aber vollumfänglich auf die Frage der sachlichen Richtigkeit des Urteils erstrecken könne16. Vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer kein umfassenderes Wissen als ein richterliches Kollegialorgan besitzen könne17, stelle sich eine Beschwerdeentscheidung, die sich i. S. v. §  144 Abs.  4 VwGO maßgeblich auf andere als von der Vorinstanz herangezogene Erwägungen stützt, zudem als unzulässige Überraschungsentscheidung dar18.

Gottwald, BRAK-Mitt. 1999, 55 (59); Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  133 Rn.  79. Vgl. auch Neuhäuser, Zulassung der Berufung, S.  177 und Finkelnburg, in: Schmidt-Aßmann/ Sellner/Hirsch/Kemper/Lehmann-Grube, Festgabe 50 Jahre BVerwG, S.  173 (178 f.) zur Beantwortung bisher ungeklärter Rechtsfragen bereits im Zulassungsverfahren. 12  Grunsky, in: Dietrich/Gamillscheg/Wiedmann, Festschrift Hilger/Stumpf, S.  261 (265). 13  Reuß, DVBl. 1958, 233 (234). 14  Naumann, DÖV 1956, 545 (548); Redeker, in: Lenz, Festschrift Gelzer, S.  333 (337). 15  Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  241 ff. m. w. N. 16  Gaier, NVwZ 2011, 385 (389); Traut, Zugang zur Revision, S.  220; Baumgärtel, Zu­ lassungsberufung, S.  98. Weiterführend zu dieser Problematik aus Sicht des beauftragten Rechtsanwalts vgl. Piekenbrock, AnwBl 2004, 329 (332); Barnert, in: Kiesow/Simon, Vorzim­ mer des Rechts S.  13 (17) sowie Daniels, Vortrag PVR, S.  19. 17  So Quaas, NVwZ 1998, 701 (703) zu ernstlichen Richtigkeitszweifeln beim Antrag auf Zulassung der Berufung nach §  124 Abs.  2 Nr.  1 VwGO. 18  Daniels, Vortrag PVR, S.  19; Bachof, JZ 1957, 374 (379).

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§  1 Einleitung

Die Frage nach der Berücksichtigungsfähigkeit der Erfolgsaussichten der ­Revision im Rahmen ihrer Zulassung ist eng verknüpft mit der Grundsatz­ problematik des geltenden Rechtsmittelsystems, nämlich mit der Frage nach den Funktionen und dem Anlass der Revision und ihrem Verhältnis zueinander. Daneben tangiert sie Fragen nach der funktionellen Kompetenzverteilung zwischen Zulassungs- und Rechtsmittelverfahren, der Stellung und den Pflichten der Parteien im Zulassungsstadium und nach dem Verhältnis von Prozessökonomie und Gesetzesbindung der Judikative in Anbetracht gesetzlicher Rechtsmittelbeschränkungen. Ungeachtet der vielfältigen Rechtsprobleme einfachrechtlicher wie auch verfassungsrechtlicher Art, die eine außergesetzliche Erfolgsprognose im Zulassungsverfahren aufwirft, und der in Anbetracht der Fragestellung zwischen Rechtsprechung und Literatur verhärteten Fronten, hat diese Problematik gleichwohl im rechtswissenschaftlichen Schrifttum nur geringe Beachtung gefunden und wird selbst in Darstellungen und Abhandlungen, deren Schwerpunkt auf dem Recht der Nichtzulassungsbeschwerde liegt, oftmals nur am Rande behandelt19. Die vorliegende Arbeit nimmt dieses Defizit zum Anlass, um im Rahmen einer umfassenden Untersuchung zu klären, inwieweit das geltende System der Zulassungsrevision im Verwaltungsprozess einer Erfolgsaussichtenprognose offen steht und ob die von der Rechtsprechung hierzu analog herangezogene revisionsverfahrensrechtliche Vorschrift des §  144 Abs.  4 VwGO mit dessen Zielrichtung, Funktionsweise und Wirkungszusammenhängen, auch unter dem Blickwinkel des Verfassungsrechts, in Einklang steht. Hiermit soll nicht nur ein Beitrag zum rechtswissenschaftlichen Diskurs geleistet, sondern auch dazu beigetragen werden, die Beurteilungsgrundlagen für die Behandlung von Nichtzulassungsbeschwerden in der Rechtspraxis verlässlicher handhaben zu können.

II. Bedeutung der Fragestellung Die tatsächliche praktische Relevanz der verwaltungsgerichtlichen Nichtzulassungsbeschwerde für die Eröffnung des Revisionszugangs ist vergleichsweise gering. Von den im Jahre 2013 vom Bundesverwaltungsgericht insgesamt 690 erledigten Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren – die Verfahren in NormenSo beispielsweise bei Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  238 ff. und Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  886 ff. Einen Fokus auf die vorliegende Problematik legen dagegen etwa Sendler, DVBl. 1992, 240 ff., Seiler, NJW 2005, 1689 ff. und Redeker, in: Lenz, Festschrift Gelzer, S.  333 ff. sowie zum Teil auch Rennert, NVwZ 1998, 665 ff., allerdings maßgeblich unter dem Aspekt der Beurteilungsperspektive der Berufungszulassungsgründe §  124 Abs.  2 Nr.  1, Nr.  2 VwGO. 19 

II. Bedeutung der Fragestellung

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kontrollsachen unberücksichtigt – führten nur 83 zur Zulassung der Revision, während 169 Beschwerden bereits als unzulässig verworfen und 379 als unbegründet zurückgewiesen wurden, wobei insgesamt weitere 59 Verfahren durch Rücknahme, Erledigung der Hauptsache oder auf sonstige Weise beendet wurden 20. Dies entspricht einer Erfolgsquote von lediglich 12,03 %. Die in Anbetracht dieser Zahlen hohe Misserfolgsrate von Nichtzulassungsbeschwerden dürfte unter anderem auf folgende Umstände zurückzuführen sein: Die durch die vorinstanzliche Entscheidung beschwerte Partei erstrebt im Rahmen einer anschließenden Revision stets die Abänderung des Tenors zu ihren Gunsten, §§  141 S.  1, 129 VwGO. Für sie stellt sich also die Aussicht auf ein Revisionsverfahren als letzte fachgerichtliche Möglichkeit dar, eine aus ihrer Sicht materiell richtige Sachentscheidung zu erlangen. Das Erfordernis der Revisionszulassung im Bereich der sachlich-rechtlichen Zulassungsgründe von §  132 Abs.  2 Nr.  1 und Nr.  2 VwGO stellt dabei allerdings gerade nicht auf dieses Individualinteresse der Parteien an einer korrekten Entscheidung der Streitsache, sondern auf das Allgemeininteresse an einer höchstrichterlichen Entscheidung des jeweiligen Falles ab. Hat die Vorinstanz ein derartiges Bedürfnis verneint und demgemäß die Revision nicht zugelassen, ist die Nichtzulassungsbeschwerde für die unterlegene Partei der einzige Weg, die Anrufbarkeit der Revisionsinstanz zum eigenen Vorteil zu ermöglichen. Da aber Individual- und Allgemeininteressen an einer Revisionsentscheidung oftmals gerade nicht Hand in Hand gehen, weil sie auf unterschiedliche Aspekte der Rechtssache abstellen, kann der Beschwerdeführer nicht selten versucht sein, auch dort ein von §  132 Abs.  2 VwGO näher bestimmtes Bedürfnis nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts darzutun oder sogar zu konstruieren, wo dies eigentlich nicht gegeben ist21. Die Nichtzulassungsbeschwerde stellt sich insoweit als Kumulationspunkt der vom Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Rechtsmittelund Rechtsmittelzugangsrechts berücksichtigten verschiedenen – und teilweise gegenläufigen – Interessen dar22. 20  Quelle des statistischen Zahlenmaterials: Berichts des Statistischen Bundesamtes zu Geschäftsanfall und -erledigung der Verfahren vor den Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichten nach Ländern sowie vor dem Bundesverwaltungsgericht u. a. nach Verfahrens­ gegenstand, Erledigungsart und Verfahrensdauer im Jahre 2013, Fachserie 10 Reihe 2.4 – 2013, S.  114, erschienen am 19. November 2014, abrufbar unter https://www.destatis.de/DE/Publi kationen/Thematisch/Rechtspflege/GerichtePersonal/Verwaltungsgerichte2100240137004. pdf?__blob=publicationFile, zuletzt abgerufen am 19. September 2015. 21  Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  4 4 hält die im Rahmen der Nichtzu­ lassungsbeschwerde erforderliche Geltendmachung von Allgemeininteressen durch den um Rechtsschutz in der Revision Suchenden aus dessen Sicht für „kontraintuitiv.“ 22  Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  246 etwa spricht vom „gelegentlich eben miß­ liche[n] Zusammenhang zwischen Revisionszulassung und Gemeininteressen.“

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§  1 Einleitung

Darüber hinaus gilt es auch zu berücksichtigen, dass die Einlegung und Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde und das Führen des Beschwerdeverfahrens keineswegs für jeden beauftragten Rechtsanwalt eine Routineangelegenheit darstellt23. Vor dem Bundesverwaltungsgericht bewegt sich der Mandatar in den höchsten juristischen Kreisen und steht einem sowohl prozessual wie auch fachrechtlich hoch spezialisiertem Richtergremium gegenüber. Entsprechend hoch sind die formalen Anforderungen an die rechtsanwaltlichen Sorgfaltspflichten und Mitwirkungsobliegenheiten vor den Revisionsgerichten 24. Von Finkelnburg stammt die in dieser Hinsicht vielzitierte, recht pragmatische Feststellung, „[h]öchste anwaltliche Kunst erfordert die Nichtzulassungsbeschwerde“, bei der der Rechtsanwalt stets der Gefahr ausgesetzt ist, „sich unweigerlich in dem Geflecht von Verfahrensmangel, grundsätzlicher Bedeutung und Divergenz (§  132 Abs.  2 VwGO) [zu verheddern], das durch die restriktive und zuweilen geradezu prohibitive Rechtsprechung des BVerwG noch verstärkt wird“25, durch die ihm zahlreiche „Stolpersteine“ auf dem Weg zum Sacherfolg vor die Füße gelegt werden 26. Gerade bei der Bearbeitung von Nichtzulassungsbeschwerden müsse der Rechtsanwalt zeigen, „daß er ein fähiger ­Jurist ist“27. Die Gefahr, bereits an formalen Hürden zu scheitern, ist in den Verfahren vor den Revisionsgerichten besonders hoch 28. Überdies entspricht die hohe Misserfolgsquote von Nichtzulassungsbeschwerden auch faktisch der gesetzgeberischen Leitvorstellung vom System der Rechtsmittelzulassung. Die Zulassungskompetenz liegt in erster Linie beim Vorderrichter, der mit dem Prozessstoff bereits bestens vertraut sein dürfte29. Das Gesetz übertragt daher mit §  132 Abs.  1 Hs.  2 Var.  1 VwGO in erster Linie ihm die Befugnis zur Beurteilung der Frage nach der Erforderlichkeit einer ­revisionsrichterlichen Entscheidung nach Maßgabe der sachlich-rechtlichen ­Zulassungsgründe nach §  132 Abs.  2 Nr.  1, Nr.  2 VwGO. Es ist daher entspre23 

BVerwG, Beschluss vom 07. März 1995 – 9 C 390/94 –, NJW 1995, 2122 (2123); ­ VerwG, Beschluss vom 25. März 1998 – 9 B 806/97 – (unveröffentlicht, juris); ebenso BSG, B Beschluss vom 27. Juli 2005 – B 11a AL 93/05 B – (unveröffentlicht, juris). 24  Zu den anwaltlichen Sorgfaltspflichten vgl. Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, passim sowie Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  133 Rn.  10 f. 25  Finkelnburg, in: Schmidt-Aßmann/Sellner/Hirsch/Kemper/Lehmann-Grube, Festgabe 50 Jahre BVerwG, S.  173 (176). 26  Zuck, NJW 2008, 2078 (2081). 27  Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  66. 28  Gross, in: Bauer, Festschrift ArGe Arbeitsrecht im DAV, S.  325 (326) bezeichnet die arbeitsgerichtliche Nichtzulassungsbeschwerde als „Leiden der Anwaltschaft, mehr noch der Parteien“ und als „Unerträglichkeit des anwaltlichen Seins“. 29  Präsidenten der oberen Bundesgerichte, RdA 1959, 102 (103); Baumgärtel, Zulassungs­ berufung, S.  209.

II. Bedeutung der Fragestellung

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chend der gesetzlichen Grundannahme in erster Linie das Tatsachengericht dazu berufen, das Revisionsgericht durch entsprechende Zulassungsentscheidungen mit dem nötigen Anschauungsmaterial für höchstrichterliche Leitentscheidungen und eine sorgsame Rechtsfortbildung zu versorgen und dafür un­ ergiebige Fälle herauszufiltern30. Die Nichtzulassungsbeschwerde soll mit der Statuierung einer zusätzlichen Zulassungskompetenz des iudex ad quem der Korrektur in solchen Fällen dienen, in denen dieser Filter versagt oder – wie etwa bei der Zulassung wegen Verfahrensfehlern nach §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO – an seine Erkenntnisgrenzen stößt31. In Anbetracht dessen, dass ein gewissenhafter Tatrichter eine Überprüfung seiner Entscheidung nicht fürchtet und er daher im Regelfall bei von ihm erkannter grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache oder bei bewusstem Abweichen von höchstrichterlichen Entscheidungen das Rechtsmittel gegen sein Urteil zulassen wird, ist eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung dieses Rechtsmittels nur in den Fällen tatsächlich erforderlich, in denen die Allgemeinbedeutung der durch die Rechtssache aufgeworfenen Rechtsfragen nicht ohne weiteres auf der Hand liegt oder dem Vordergericht in entscheidungsrelevanter Weise ein Verfahrensfehler unterlaufen ist32. Den Parteien des Rechtsstreits dürfte dies nicht immer einsichtig sein. Dies dürfte zeigen, dass immer noch Klärungsbedarf hinsichtlich Stellung und Funktionen der Nichtzulassungsbeschwerde im verwaltungsgerichtlichen Rechtsmittel- und Rechtsmittelzulassungssystem besteht. Die Klärung der Frage, ob die Erfolgsaussichten der Revision zu den Voraussetzungen zu zählen sind, unter denen einem entsprechenden Zulassungsbegehren stattzugeben ist, trägt dabei nicht nur im Allgemeinen zur Rechtssicherheit bei, sondern kann auch dazu beisteuern, von vornherein erfolglose Beschwerden zu verhindern und auf diese Weise einerseits die Gerichtsbarkeit vor unnötiger Arbeitsbelastung zu schützen und andererseits dem Rechtsschutzsuchenden wesentliche Zeit und Kosten ersparen. Die vorliegende Arbeit will die dabei relevanten Aspekte und Meinungsbilder einer Systematisierung zuführen und im Zuge einer umfassenden Begutachtung zur Klärung dieser bisher in hohem Maße umstrittenen Problematik beitragen. In rechtsdogmatischer Hinsicht wirft die Frage nach der Berücksichtigungsfähigkeit der Erfolgsaussichten der Revision im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde neben allgemeinen rechtsmethodischen, verfassungsrechtlichen und prozessualen Fragestellungen Grundfragen des gesetzlichen Systems der Rechtsmittelzulassung auf. Die Funktion und der Wirkungskreis eines RechtsHapp, BayVBl. 1999, 577 (579). Baring, NJW 1965, 2280 (2281). 32  Baumgärtel, Zulassungsberufung, S.  209; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  186. 30  31 

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§  1 Einleitung

mittels werden nämlich maßgeblich nicht nur von seiner verfahrensrechtlichen Ausgestaltung und seinem Prüfungsumfang, sondern auch von denjenigen formellen und materiellen Kriterien und Maßstäben bestimmt, die für die Auswahl und Zuleitung der Rechtssachen verantwortlich sind, die vom Rechtsmittel­ gericht zu entscheiden sind 33. Soll die Revision zuvörderst die einheitliche Fortbildung des revisiblen Rechts und die Wahrung einheitlicher Rechtsprechungslinien im Allgemeininteresse bezwecken, müssen die Bestimmungen über den Revisionszugang dementsprechend eine Anrufung des Revisionsgerichts in all denjenigen Fällen ermöglichen, in denen die Rechtseinheit durch eine instanzgerichtliche Entscheidung bedroht wird, und gleichzeitig alle Streitsachen vom Gericht fernhalten können, die für diese Aufgaben unergiebig sind und zu einer für die Allgemeinheit unnützen Mehrbelastung der Revisionsinstanz führen würden 34. Sieht man dagegen in der Revision primär ein Instrument der Gewährleistung von materiell richtigen Sachentscheidungen im Einzelfall, bedarf es dementsprechend einer Zugangssteuerung, die gerade die Fehlerhaftigkeit der angegriffenen Entscheidung maßgeblich in Ansatz bringt35. Der Gesetz­ geber hat sich in Anbetracht der möglichen Rechtsmittelfunktionen mit dem Zulassungsprinzip nach §  132 VwGO für ein System der vorgelagerten Zugangskontrolle am vorrangigen Maßstab des Allgemeininteresses entschieden, bei dem das Parteiinteresse am Ausgang des Rechtsstreits grundsätzlich keine Rolle spielt36. Im Rahmen der Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach §  132 Abs.  1 Nr.  1 VwGO und dem entscheidungs­ relevanten Abweichen von einer Entscheidung eines höheren Gerichts nach §  132 Abs.  1 Nr.  2 VwGO wird die Erforderlichkeit einer Beurteilung des Falles durch das Rechtsmittelgericht grundsätzlich nicht vom Ausgang des Verfahrens abhängig gemacht, sondern an die zur jeweiligen Tenorierung führende rechtliche Begründung angeknüpft. Daneben steht der Zulassungsgrund des entscheidungsrelevanten Verfahrensfehlers nach §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO im Dienste der Verfahrensaufsicht der Rechtsmittel- über die Vorinstanz und soll im W ­ esentlichen sicherstellen, dass durch die Einhaltung der prozessrechtlichen Rahmenbedingungen die tatrichterliche Sachentscheidung auf eine korrekte So im Ansatz auch Fuchs, JZ 2013, 990 (990 f.) und Hanack, Ausgleich, S.  83. BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 1984 – 4 CB 29/84 –, Buchholz 407.4 §  17 FStrG Nr.  56 S.  55; Schafft, Selektion, S.  111; May, Revision, I Rn.  43; Weyreuther, Revisions­z u­ lassung, Rn.  4; Prütting, Zulassung, S.  65; Rimmelspacher, in: Gottwald/Roth, Festschrift Schumann, S.  327 (331). 35  Vgl. etwa Seibert, DVBl. 1997, 932 (932) zu den Berufungszulassungsgründen. 36  Schwinge, Grundlagen, S.  214; Lässig, Fehlerhafte Rechtsmittelzulassung, S.  78. Den Begriff „richterliche Zugangskontrolle“ gebrauchte das BVerfG auch schon im Zusammenhang mit der zivilprozessualen Annahmerevision nach §  554b ZPO a. F., vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (285). 33 

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II. Bedeutung der Fragestellung

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Ausgangs- und Tatsachengrundlage gestützt werden kann. Insoweit erscheint es, dass die Entscheidung über die Zulassung der Revision gerade nicht auf den letztendlichen konkreten Ausgang des Rechtstreits abstellt, sondern sich vor allem nach Maßgabe der vom Vordergericht zugrunde gelegten materiellen und prozessualen Entscheidungsgrundlagen bestimmt. Für einen Ausblick auf die Erfolgsaussichten des zuzulassenden Rechtsmittels scheint daher zunächst kein Raum, zumal der primär zur Entscheidung über die Zulassung berufene iudex a quo ohnehin von der Richtigkeit seiner Sachentscheidung, in der er sich zugleich mit der Zulassungsfrage befassen muss, überzeugt sein wird und die Wahrscheinlichkeit ihrer Aufhebung durch die Kontrollinstanz daher nicht in Erwägung zu ziehen hat. Verweigert der Vorderrichter hingegen die Zulassung und wird der iudex ad quem im Wege der Nichtzulassungsbeschwerde mit der Frage nach der Rechtsmittelzulassung befasst, ändert sich die Beurteilungsperspektive. Denn im Vergleich zur Vorinstanz ist es dem Rechtsmittelgericht, welches nicht nur das Zulassungsbegehren zu bewerten hat, sondern auch im Anschluss hieran über das eigentliche Rechtsmittel zu entscheiden hätte, durchaus faktisch möglich, die Fehlerhaftigkeit des Urteils als Eventualität in Betracht zu ziehen und bei der Frage nach der Erforderlichkeit einer Entscheidung zur Sache in Ansatz zu bringen. Eine solche Vorgehensweise erscheint umso verlockender, je eindeutiger sich der Ausgang des weiteren Verfahrens bereits im Stadium der Zulassung offenbart oder jedenfalls prognostizieren lässt37. Dies führt zum eigentlichen, systemimmanenten Kernproblem des Prinzips der Revisionszulassung. Indem die gesetzlichen Revisionszulassungsgründe jedenfalls nicht dem Grunde nach auf den Erfolg des zuzulassenden Rechtsmittels abstellen, kann es unter der Geltung des §  132 VwGO auch zur Zulassung solcher Revisionen kommen, denen von vornherein kein Erfolg in dem Sinne beschieden werden kann, dass sie zu einem für den Rechtsmittelführer günstigeren Ausgang des Rechtsstreits gereichen38. Dies hat seine innere Rechtfertigung darin, dass der Gesetzgeber mit der Einrichtung der Revision gerade nicht nur die Richtigstellung inkorrekter Entscheidungen zur Abhilfe einer Beschwerde der Parteien bezweckt, sondern Entscheidungen des Revisionsgerichts als höchster Instanz der jeweiligen Fachgerichtsbarkeit aus Gründen für notwendig erachtet, die in ihrer Bedeutung über die Relevanz für den jeweils konkreten Streitfall und damit über das Parteiinteresse hinaus gehen 39. Dies sind nament37  May, Revision, IV Rn.  67; Gottwald, BRAK-Mitt. 1999, 55 (59); Bachof, JZ 1957, 374 (379). 38  Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  239. 39  BFH, Urteil vom 05. November 1971 – VI R 284/69 –, BFHE 103, 477 (480 f.); Meyer-­ Ladewig, in: Bachof/Heigl/Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (417); ­Schwinge,

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§  1 Einleitung

lich Gründe der einheitlichen Rechtsfortbildung und der Wahrung der Rechtseinheit durch die Entscheidungsautorität des höchsten Fachgerichts40. Diese Aufgaben kann das Revisionsgericht nämlich auch in den Fällen erfüllen, in denen es die vordergerichtliche Entscheidung entweder in den entscheidungstragenden Gründen oder jedenfalls im Ergebnis bestätigt, §§  137 Abs.  1, 144 Abs.  4 VwGO41. Zu einer Einbeziehung der Erfolgsaussichten der Revision in die Regelungen über den Revisionszugang sah sich der Gesetzgeber daher konsequenterweise nicht veranlasst. Die Verweigerung der Revisionszulassung durch den iudex ad quem für den Fall, dass sich analog §  144 Abs.  4 VwGO trotz einschlägiger Zulassungsgründe die angegriffene Entscheidung als im Ergebnis richtig herausstellt, stellt dieses im Gesetz angelegte Grundprinzip in Frage. Die gesetzlich vorgezeichneten Grenzlinien zwischen Zulassungs- und eigentlichem Rechtsmittelverfahren werden auf diese Weise durch richterliche Rechtsfortbildung neu gezogen. Muss ein Zulassungsbegehren neben grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfragen auch ein gewisses Maß an Erfolgsaussichten der angestrebten Revision aufwerfen, werden die Individualinteressen an materiell korrekten Entscheidungen auch für die ansonsten von Allgemeininteressen dominierten Zugangsschranken r­ elevant42. Die Nichtzulassungsbeschwerde erhält damit den Charakter eines sachlich-inhaltlichen Vorprüfungsverfahrens, welches nicht nur Fälle aussondern soll, die für die Rechtsgemeinschaft in ihrer Gesamtheit unergiebig sind, sondern auch diejenigen Streitsachen von der dritten Instanz fernhalten soll, die keiner Korrektur zugunsten der Streitparteien bedürfen, weil sie aus Sicht des Revisionsgerichts bereits durch die Vorinstanz jedenfalls in Anbetracht des E ­ ntscheidungsergebnisses zureichend gelöst wurden43. Dieses an sich auf den ersten Blick prozessökonomisch sinnvolle Vorgehen wirft allerdings die Fragen auf, inwieweit neben ausdrücklichen gesetzgeberischen Handlungsanweisungen noch Raum für die Ausformungen von Rechtsmittelbeschränkungen durch den Richter verbleibt und welche Grenzen der Judikative dabei gesetzt sind. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass auch innerhalb einzelner wie auch zwischen verschiedenen gesetzlich vorgesehenen und ausgestalteten Rechtsschutzinstrumenten im Laufe der Zeit faktische Funktionsverschiebungen und Grundlagen, S.  32. May, Revision, I Rn.  46, 48 weist darauf hin, dass das Auffinden von Gesetzesverletzungen gleichwohl nicht die einzige oder gar vorrangige Aufgabe der Revision ist, es dieser vielmehr auch letztendlich um die korrekte Streitentscheidung geht. 40  Geis/Thirmeyer, JuS 2013, 799 S. (799). 41  Redeker, in: Lenz, Festschrift Gelzer, S.  333 (333); Eichberger/Buchheister, in: Schoch/ Schneider/Bier, VwGO, §  137 Rn.  10. 42  Prütting, Zulassung, S.  92. 43  Ruban, in: Gräber, FGO, §  115 Rn.  32.

II. Bedeutung der Fragestellung

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kompetenzielle Veränderungen auftreten können44, führt dies letztlich zu der Frage, welche Aufgaben Revision und Nichtzulassungsbeschwerde heutzutage noch erfüllen sollen und erfüllen können. Dem will die vorliegende Untersuchung nachgehen. Da sich die den vorliegenden Untersuchungsgegenstand bildenden Fragen auch in den anderen Verfahrensordnungen, in denen das Prinzip der Revisionszulassung unter Vorhaltung einer Nichtzulassungsbeschwerde verwirklicht ist, stellen, können die Ergebnisse dieser Untersuchung zudem auch Ansatzpunkte für weitergehende Analysen des Revisionszugangs in den dortigen Prozess­ systemen liefern45. Als Vorbemerkung für den weiteren Gang der Untersuchung sei noch auf Folgendes hingewiesen: Die Nichtzulassung der Revision kann sowohl in den Fällen der Revision gegen Berufungsurteile der Oberverwaltungsgerichte als auch gegen deren Normenkontrollbeschlüsse nach §  47 Abs.  5 S.  1 VwGO sowie gegen Urteile der Verwaltungsgerichte bei Ausschluss der Berufung nach §  135 S.  1 VwGO mit der Nichtzulassungsbeschwerde an das Bundesverwaltungs­ gericht angefochten werden, §§  132 Abs.  1, 133 Abs.  1, 135 S.  2, S.  3 VwGO46. Die Frage, ob das Bundesverwaltungsgericht die Revisionszulassung verweigern darf, wenn sich die angegriffene Entscheidung aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig darstellt, stellt sich in all diesen Konstellationen gleicher­maßen. Die Ausführungen in dieser Arbeit beziehen sich demnach auf all diese Fälle gemeinsam. Zum Zwecke der Vereinfachung und eines einheitlichen Sprach­ gebrauchs wird gleichwohl im Rahmen dieser Untersuchung nur die Grund­ konstellation des Durchlaufens der Berufungsinstanz in den Blick genommen. Soweit im Folgenden also von der Revision oder der Nichtzulassungsbeschwerde gegen Berufungsurteile die Rede ist und nicht ausdrücklich auf entsprechende Unterschiede aufmerksam gemacht wird, gelten diese Ausführungen sinngemäß auch für die Revision in Normenkontrollsachen und für die Ersatzrevision. Nicht unter den Gegenstand dieser Arbeit fällt demgegenüber die Nichtzulassung der Sprungrevision im Sinne des §  134 Abs.  1 S.  1 VwGO. Eine diesbezügliche Nichtzulassungsbeschwerde sieht das Gesetz nicht vor, weil in diesen Fällen die Beteiligten auf die Berufung bzw. den Antrag auf Zulassung der Beru-

So Schmidt-Aßmann, Die Verwaltung 44, 105 (115). Vgl. §  72a ArbGG, §  116 FGO, §  160a SGG, und §  544 ZPO. Rechtsprechung und Literatur zu diesen Vorschriften sollen daher, soweit im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung, im Rahmen dieser Untersuchung mit berücksichtigt werden. May, Revision, I Rn.  53 verweist insoweit darauf, dass die Unterschiede der Revisionszugangsvoraussetzungen in den verschiedenen Verfahrensordnungen nur gradueller, nicht aber genereller Natur sind. 46  Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  40. 44  45 

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§  1 Einleitung

fung zu verweisen sind, §  134 Abs.  2 S.  3, Abs.  3 S.  1 VwGO47. Da der iudex ad quem sich mit den Erfolgsaussichten eines zulassungsbedürftigen Rechtsmittels im Rahmen seiner Zulassungsentscheidung überhaupt nur dann befassen kann, wenn er über die Rechtsmittelzulassung selbst befinden kann und dementsprechend über eine gesetzlich eingeräumte Zulassungskompetenz verfügt48, ist die Sprungrevision daher für die vorliegende Untersuchung nicht von Interesse.

III. Gang der Untersuchung Der Untersuchung vorangestellt ist zunächst ein kurzer Abriss über die geschichtliche Entwicklung des Prinzips der Revisionszulassung und der Nichtzulassungsbeschwerde mit Fokus auf den verwaltungsprozessualen Regelungen (§  2). Im Anschluss daran sollen die für die weitere Behandlung der Fragestellung erforderlichen rechtlichen Ausgangspunkte geklärt werden. Da sich die Nichtzulassung der Revision mangels Erfolgsaussichten im Kern als Verquickung von Zulassungs- und Sachentscheidung über die Revision darstellt, bedarf es zunächst eines Eingehens auf eben jene Gesichtspunkte als Ansätze für die weitere Untersuchung (§  3). Besonderes Augenmerk liegt hierbei auf den materiell-rechtlichen Kriterien der Revisionszulassung, dem Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde sowie den Varianten der Revisionsentscheidung. Im sich hieran anschließenden Hauptteil soll dann die Frage, inwieweit das Bundesverwaltungsgericht als Beschwerdegericht die Revisionszulassung verweigern darf, wenn sich trotz einschlägiger Zulassungsgründe die angegriffene Entscheidung aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig herausstellt, umfassend untersucht werden (§  4). Nach einem einführenden Überblick über das Meinungsspektrum in Rechtsprechung und Literatur zur Streitfrage (§  4 I. und II.) soll die Fragestellung zunächst vom rechtspraktischen Standpunkt aus betrachtet werden. Zu diesem Zweck werden die Vor- und Nachteile der Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision im Zulassungsverfahren herausund gegenübergestellt und am Maßstab des geltenden Rechts gemessen (§  4 III.). Den Schwerpunkt der Arbeit bildet die sich hieran anschließende Analyse des Rechts der Revisionszulassung im Verwaltungsprozess unter dem Blickwinkel der Fragestellung, ob die von der Rechtsprechung zur Einbeziehung e­ iner Erfolgsaussichtenprognose in die Entscheidung über die Revisionszu­las­ sung befürwortete analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Verfahren Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  134 Rn.  27. Vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 1979 – VIII ZR 87/79 –, NJW 1980, 344 (344) zum Erfordernis der gesetzlichen Anordnung einer Zulassungskompetenz des iudex ad quem. 47 

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III. Gang der Untersuchung

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über die Nichtzulassungsbeschwerde rechtsdogmatisch tragfähig ist (§  4 IV.). Zu diesem Zweck sollen nach einer Betrachtung der gesetzgeberischen Regelungsabsichten anhand der einschlägigen Gesetzesmaterialien (§  4 IV. 2. a)) sowohl die materiellen Zugangsschranken zum Revisionsgericht in Form der Zulassungsgründe (§  4 IV. 2. b)) als auch die verfahrensrechtlichen Komponenten des Revisionszulassungssystems (§  4 IV. 2. c)) dahingehend untersucht werden, ob diese Regelungslücken in Anbetracht der Berücksichtigungsfähigkeit der Erfolgsaussichten der Revision aufweisen, die durch einen entsprechenden richterrechtlichen Analogieschluss zu schließen wären. Die hierbei gefundenen Ergebnisse sollen danach auf ihre Vereinbarkeit mit den Verfahrenszwecken der Revision überprüft werden (§  4 IV. 3.). Die aus dieser Analyse des einfachen Rechts gewonnenen Erkenntnisse bilden im Anschluss daran den Ausgangspunkt für eine verfassungsrechtliche Begutachtung der in Rede stehenden ­Zulassungspraxis des Bundesverwaltungsgerichts (§  5). Abschließend sollen in einem Gesamtfazit die im Rahmen dieser Untersuchung gewonnenen Ergeb­ nisse noch einmal zusammengefasst und übergreifend bewertet werden (§  6).

§  2 Historischer Abriss der Entwicklung des Prinzips der Rechtsmittelzulassung in Deutschland Erste Ansätze von Rechtsmittelbeschränkungen als Maßnahmen zur Steuerung des Zugangs zu den höherinstanzlichen Gerichten, um deren Tätigkeit auf die Entscheidung von Fällen im Allgemeininteresse zu fokussieren, finden sich im Preußen des 19. Jahrhunderts. Vor dem Hintergrund einer auf längere Sicht untragbaren Überlastung des preußischen Obertribunals und anderen erheblichen Missständen im preußischen Rechtsmittelsystem, welches den Zugang zur näch­ sten Instanz vom Erreichen bestimmter Streitwerte abhängig machte, wurde erst­ mals eine Abkehr vom bis dahin verbreiteten Prinzip der umfassenden rechtsmittelrichterlichen Vollkontrolle der vordergerichtlichen Entscheidung diskutiert1. Mit der Verordnung über das Rechtsmittel der Revision und der Nichtigkeits­ beschwerde vom 14. Dezember 1833 führte Preußen schließlich neben der bisher als zusätzlicher Tatsacheninstanz fungierenden Revision das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde ein, welche als reines Rechtskontrollrechtsmittel vor a­ llem die Gleichheit der richterlichen Rechtsanwendung sicherstellen sollte2. Da für die Nichtigkeitsbeschwerde im Gegensatz zur Revision zunächst keine Rechtsmittelbeschränkungen als Filtermechanismen vorgesehen waren, sollte diese bis zur Einführung einer Streitwertgrenze durch Deklaration vom 06. April 1839 das Revisionsverfahren bald in seiner praktischen Bedeutung verdrängen3. Die preußische Nichtigkeitsbeschwerde dient alsbald als Vorbild für die Ausgestaltung des Revisionsrechts in den meisten anderen deutschen Staaten. Auch nach der Gründung des Deutschen Reiches im Jahre 1871 blieb das verwaltungsgerichtliche Verfahren zunächst durch die Länder geregelt. Nach dem Vorbild Badens errichteten diese erstmals echte, von der Administrative getrennte Verwaltungsgerichtshöfe4. Auf dem Gebiet der Zivilrechtspflege kam 1  Vgl. dazu und zum Folgenden die ausführliche Darstellung bei Schwinge, Grundlagen, S.  8 ff. m. w. N. 2  Möhring, NJW 1949, 1 (1). Schwinge, Grundlagen, S.  12 spricht in Bezug auf die Einfüh­ rung der Nichtigkeitsbeschwerde durch genannte Verordnung vom entscheidenden „Wendepunkt in der Entwicklung des deutschen Rechtsmittelwesens“. 3  Prütting, Zulassung, S.  24. 4  Uhl, Abgrenzung, S.  17.

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§  2 Historischer Abriss der Entwicklung des Prinzips der Rechtsmittelzulassung

es mit dem Inkrafttreten der Civil-Prozess-Ordnung am 01. Oktober 18795 zur reichseinheitlichen Einführung einer an die preußische Nichtigkeitsbeschwerde angelehnten, streitwertabhängigen Revision an das neu errichtete Reichsgericht6. Diese Streitwertgrenzen konnten gleichwohl einer zunehmenden Überlastung des Revisionsgerichts nicht vorbeugen und Forderungen nach einer ­Reform des Rechtsmittelzugangs wurden laut7. Von besonderer Tragweite für die künftige Ausgestaltung des Rechtsmittelrechts sollten sich die Vorschläge Franz Adickes᾿ aus dem Jahre 1906 erweisen8. Unter Heranziehung von im britischen Rechtsraum bewährten Ideen befürwortete er die Ausgestaltung der letzten Instanz als eine ausschließlich der Rechtswahrung und Rechtsfortbildung verpflichtete Institution9. Neben anderen Ansätzen, wie dies zu erreichen sei, schlug Adickes unter anderem auch die Einführung einer dem heutigen Zulassungssystem vergleichbaren Vorabprüfung der Rechtsmittelwürdigkeit der Streitsache durch den Vorderrichter vor, die sich ausschließlich am öffentlichen Interesse an einer einheitlichen Rechtssprechungspraxis orientieren sollte10. Einen ersten bedeutenden Schritt in Richtung des Zulassungsprinzips brachte die Reichsversicherungsordnung vom 19. Juli 191111, welche eine Pflicht zur Vorlage von Streitsachen im Bereich des Versicherungswesen an das zuständige Reichsversicherungsamt im Falle eines beabsichtigten Abweichens von dessen Entscheidungen sowie in sonstigen Fällen von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung statuierte12. Abgesehen von Teilgebieten des öffentlich-rechtlichen Rechtsschutzes bestand die Rechtszersplitterung auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts aber weiter fort. Art.  107 der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919, welcher die Einrichtung verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes auch auf Reichsebene proklamierte, blieb letztlich ohne Umsetzung in Form eines allgemein zuständigen zentralen Reichsverwaltungsgerichtes13.

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Gesetz vom 30. Januar 1877, RGBl. S.  83. Schwinge, Grundlagen, S.  21. 7  Pfeiffer, NJW 1999, 2617 (2617); Prütting, Zulassung, S.  25. 8  Adickes, Franz: Grundlinien durchgreifender Justizreform, Berlin 1906. 9  Adickes, Grundlinien, S.  31 f., 133, 141. 10  Adickes, Grundlinien, S.  138, welcher aber unter Verweis auf das angeblich mangelnde Vertrauen in die vorderrichterliche Objektivität gleichwohl im Ergebnis für streitwertabhängige Zugangsschranken plädierte. Augenscheinlich lag Adickes´ Vorschlag noch der Gedanke eines Zulassungsermessen zugrunde, ohne hierbei auch die Möglichkeit einer gebundenen Zulassungsentscheidung mit entsprechender Kontrollbefugnis des iudex ad quem in den Blick zu nehmen. 11  RGBl. S.  509. 12  Prütting, Zulassung, S.  29. 13  Uhl, Abgrenzung, S.  18; May, Revision, I Rn.  14. 6 

§  2 Historischer Abriss der Entwicklung des Prinzips der Rechtsmittelzulassung

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Seinen ersten Niederschlag im deutschen Prozessrecht erfuhr das Zulassungs­ prinzip zunächst als Übergangslösung auf dem Gebiet der Zivilrechtspflege. Durch die nach Ende des Ersten Weltkrieges rapide gestiegenen Scheidungs­ zahlen samt entsprechender Eingänge von Revisionen in Ehesachen14 und die dadurch bewirkte, kaum noch hinnehmbare Belastung des Reichsgerichts wurde es erforderlich, mittels geeigneter Maßnahmen die Zahl der Revisionen drastisch zu beschränken15. Mit der Verordnung zur Entlastung des Reichsgerichts vom 15. Januar 192416 wurde daher für einen Übergangszeitraum von zwei Jahren die Revision in Ehesachen vom Erfordernis der vorherigen Zulassung durch das Oberlandesgericht abhängig gemacht, welches die Revision zuzulassen hatte, wenn dies zur Klärung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung erforderlich war oder es in seinem Urteil von Entscheidungen des Reichsgerichts oder anderer Oberlandesgerichte abgewichen war17. Die Nichtzulassung der Revision war dabei unanfechtbar18. Nach dem zwischenzeitlichen Aus­laufen dieser Entlastungsverordnung und einer zunächst gescheiterten Verlängerungsinitiative wurde diese Revisionszugangsbeschränkung in Ehesachen erst 1932 mit der Maßgabe wiedereingeführt, die Rechtsmittelzulassung ins Ermessen des Vorderrichters zu stellen19. Das Zulassungsprinzip als erfolgreiche Entlastungsmaßnahme fand fortan rasche Verbreitung in anderen Prozessordnungen 20. Seinen endgültigen Durchbruch erfuhr es als erstmalige Umsetzung in Dauerrecht am 23. Dezember 1926 mit dem Erlass des Arbeitsgerichtsgesetzes21, welches im arbeitsgerichtlichen Verfahren neben dem streitwertabhängigen Zugang zu Berufung und Revision die Möglichkeit der Zulassung dieser Rechtsmittel in Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung vorsah22. Im Vergleich zur Revisionszulassung in Ehe­ sachen stellte diese Regelung jedoch nicht etwa eine Beschränkung, sondern eine Erweiterung des bisherigen Instanzenzuges dar, weil unter ihrer Geltung auch zuvor nicht rechtsmittelfähige Streitsachen in die nächste Instanz gelangen konnten, wenn sie trotz geringeren Streitwertes Rechtsfragen von allgemeinem Interesse aufwarfen23. Mittels der Verordnung zur Vereinfachung und VerbilliLinnenbaum, Probleme §  546 Abs.  1 Satz  2 ZPO, S.  9. Vgl. Prütting, Zulassung, S.  30 m. w. N. 16  RGBl. I S.  29. 17  Lässig, Fehlerhafte Rechtsmittelzulassung, S.  11. 18  RG, Beschluss vom 10. Juli 1924 – IV TB Nr.  168/24 –, RGE Z 108, 349 (349 f.). 19  Hanack, Ausgleich, S.  4 4. 20  Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  4. 21  RGBl. I S.  509. 22  Depenbrock, RdA 1958, 407 (407); Prütting, Zulassung, S.  32; Hanack, Ausgleich, S.  46. 23  Wlotzke, in: Mayer-Maly/Richardi/Schambeck/Zöllner, Festschrift Müller, S.  647 (650). 14 

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gung der Verwaltung vom 03. September 193224 wurde das Zulassungsprinzip neben der weiterhin bestehenden Wertrevision auch in das Verfahren vor dem preußischen Oberverwaltungsgericht eingeführt25. In der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft kam es ab dem Jahre 1933 zu einem immer tiefgreifenderen Abbau des Rechtsschutzes gegen die öffentliche Gewalt, vor allem durch die institutionelle und organisatorische Er­ setzung unabhängiger Gerichte durch eine politisch gebundene Administrativ­ justiz26. Durch nationalsozialistische Ideologien geprägte Vorstellungen vom Zweck gerichtlicher Verfahren wie auch die kriegsbedingten Notlagen führten in den Folgejahren zu einschneidenden Rechtsmittelbeschränkungen, die regelmäßig in der Ausweitung des Zulassungserfordernisses bestanden 27. So wurde etwa mit den Führererlassen zur Vereinfachung der Verwaltung vom 28. August 193928 und vom 06. November 193929 nicht nur die Eröffnung des Rechtsweges von einer konstitutiven Entscheidung der über Beschwerden des Bürgers befindenden Behörde abhängig gemacht30, sondern auch die Statthaftigkeit der weiteren verwaltungsgerichtlichen Rechtsmittel umfassend an eine entsprechende Zulassungsentscheidung des Vordergerichts gekoppelt31. Dem durch Führererlass vom 03. April 194132 errichteten Reichsverwaltungsgericht, welches dem äußeren Schein nach33 zentralisiert die letztinstanzlichen Verwaltungsrechtsprechungsbefugnisse im Dritten Reich ausüben sollte, kam dabei aufgrund ­seines begrenzten Wirkungskreises weder eine tatsächliche Bedeutung für den Individualrechtsschutz noch für die Prägung der ihm zugeordneten Rechts­ gebiete zu34. Mit der Verordnung vom 07. August 194435 wurde schließlich die

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GS S.  283. Uhl, Abgrenzung, S.  18. 26  Prütting, Zulassung, S.  36. 27  Hanack, Ausgleich, S.  47 f. 28  RGBl. I S.  1535. 29  RGBl. I S.  2168. 30  Scheerbarth, DÖV 1963, 729 (732). 31  Bettermann, DVBl. 1956, 11 (12). 32  RGBl. I S.  201. 33  So Menger, DÖV 1963, 726 (729), welcher dazu auf die bloß organisatorische Zusammenfassung der bereits bestehenden Revisionsspruchkörper zur Tarnung der „prinzipiell rechtsschutzfeindliche[n] Einstellung des Nationalsozialismus“ verweist. Ebenso Kirchberg, Verwaltungsblätter Sonderbeilage Oktober 2013, 20 (23). 34  Uhl, Abgrenzung, S.  18; Schwarz, Bundesverwaltungsgericht, S.  6. 35  Eine Veröffentlichungsfundstelle dieser auch in anderen Werken, etwa bei Prütting, Zulassung, S.  36, angeführten Verordnung über die Aufhebung der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ließ sich nicht auffinden. Dies merkt auch Kohl, Reichsverwaltungsgericht, S.  2 Fn.  4 an. 25 

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Verwaltungsgerichtsbarkeit, durch Verordnung vom 27. September 194436 auch die Rechtsmittelmöglichkeiten in den anderen noch bestehenden Gerichts­ zweigen abgeschafft37. Im Zuge des Wiederaufbaus nach dem Zusammenbruchs Nazideutschlands begannen die Besatzungsmächte allmählich, in den einzelnen Ländern wieder ein funktionierendes Justizsystem unter grundsätzlicher Beibehaltung der bewährten Gerichtsverfassungen zu etablieren38, das Erfordernis der Rechtsmittel­ zulassung wurde zunächst aber nur in Ehesachen wieder eingeführt39. So verfügte das Kontrollratsgesetz Nr.  36 vom 10. Oktober 194640 die Wiedererrichtung der Verwaltungsgerichtsbarkeit und führte zur Installation zweiinstanzlicher Instanzenzüge in den Ländern der Westzonen mit einer Kombinationen aus Zulassungs- und Streitwertberufung41. Die Einrichtung eines zentralen obersten Rechtsmittelgerichts nahmen darüber hinaus die amerikanischen und britischen Besatzungsmächte in deren vereinigtem Wirtschaftsgebiet in Angriff. Sie errichteten durch Verordnung bzw. Proklamation der amerikanischen und britischen Militärregierungen vom 09. Februar 194842 das Deutsche Obergericht als ein dem US-amerikanischen Supreme Court nachempfundenes Höchstgericht 43 mit Funktionen eines Staatsgerichtshofes und Revisionsgerichtes zur Sicherung der Rechtseinheit in der Bizone44. Das Deutsche Obergericht konnte mit der Revision angerufen werden, wenn gegen ein in einer Verwaltungssache ergangenes Urteil kein anderes Rechtsmittel mehr statthaft war und die Revision vom iudex a quo wegen der grundsätzlichen Bedeutung einer entscheidungserheb­ lichen Rechtsfrage für die Wirtschaftseinheit der Bizone zugelassen worden war45. Erstmals unterlag hier die Nichtzulassungsentscheidung der Anfechtungsmöglichkeit mittels sofortiger Beschwerde an den iudex ad quem – eine im angloamerikanischen Recht bereits bekannte Institution, die trotz der nur geringen Rechtsprechungstätigkeit des Deutschen Obergerichtes schon bald zu ei36 

RGBl. I S.  229. Prütting, Zulassung, S.  34, 36. 38  Als Ausgangspunkt dessen lassen sich die Proklamation Nr.  3 des alliierten Kontroll­ rates vom 20.10.1945 und das Kontrollratsgesetz Nr.  4 vom 30.10.1945 ansehen, vgl. Prütting, Zulassung, S.  37. 39  Prütting, Zulassung, S.  37. 40  KRABl. S.  61. 41  Prütting, Zulassung, S.  43. 42  Proklamation Nr.  8 der amerikanischen Militärregierung und Verordnung der britischen Militärregierung Nr.  127 zur Errichtung eines deutschen Obergerichts für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet, VOBl. für die britische Zone 1948 S.  55. 43  Rosenthal, Probleme des ZPO-RG, S.  45. 44  Ule, in: Erichsen/Hoppe/von Mutius, Festschrift Menger, S.  81 (87). 45  Art. VI Abs.  1, Abs.  2 VO Nr.  127. Vgl. hierzu Uhl, Abgrenzung, S.  18. 37 

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nem Vorbild und festen Bestandteil des Revisionsrechts in der allgemeinen und besonderen Verwaltungsgerichtsbarkeit werden sollte46. Die Einführung dieser Nichtzulassungsbeschwerde stellte dabei einen Kompromiss zwischen der anglo­amerikanischen Rechtstradition der primären Zulassungskompetenz des iudex ad quem und der in Deutschland bisher praktizierten Rechtsmittelzu­ lassung durch den iudex a quo dar47. Unter der Geltung des grundgesetzlich verbürgten Rechtsschutz- und Justizgewährsanspruchs fand das Prinzip der Revisionszulassung im Laufe der Zeit schließlich Eingang in die meisten großen Verfahrensordnungen mit Ausnahme der Strafprozessordnung, so etwa mit dem Rechtspflegevereinheitlichungs­ gesetz vom 12. September 195048 in begrenztem Umfang in den Zivilprozess49. Mit dem Gesetz über das Bundesverwaltungsgericht vom 23. September 195250 wurde anhand des Vorbildes des Deutschen Obergerichtes der Bizone erstmals ein bundesdeutsches höchstes Gericht auf dem Gebiet der Verwaltungs­ rechtspflege geschaffen, durch welches der verwaltungsgerichtliche In­stanzen­ zug um die Möglichkeit der Revision erweitert wurde. Neben enumerierten erstinstanzlichen Zuständigkeiten entschied das Bundesverwaltungsgericht vor allem über die Revision gegen Urteile der allgemeinen obersten Landesverwaltungsgerichte und der Landesverwaltungsgerichte im ersten Rechtszug als Sprungrevision, soweit diese die Revision nach §  53 BVerwGG wegen der zu erwartenden Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen, der Beteiligung des Bundes als Partei des Rechtsstreits oder wegen einer Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes oder eines obersten Landesverwaltungsgerichtes zugelassen hatten51. Die Grundgedanken, die zur Statuierung einer Zulassungskompetenz des Vorderrichters führten, fußten vor allem auf den Prämissen, das Revisionsgericht von Fällen minderer Bedeutung frei zu halten und damit bereits im Vorfeld zu entlasten, sowie auch im Bereich der Judikative eine föderale Ordnung zu verwirklichen52. Zulassungsfrei blieb weiterhin die ausschließliche Verfahrensrevision nach §  54 BVerwGG, soweit der 46  Vgl. Art. VI Abs.  3 VO Nr.  127. Dazu Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  190 und Prütting, Zulassung, S.  43. 47  Arndt, NJW 1949, 256. Die Rechtsmittelzulassung durch das Vordergericht sei nach seiner Auffassung eine von nationalsozialistischem Obrigkeitsdenken durchsetzte „Missbildung“. Dem widerspricht Danckelmann, NJW 1949, 256, mit dem Hinweis, dass es sich bei der Frage, wem die Zulassungskompetenz obliegt, nicht um eine politische Frage, sondern lediglich um eine solche der Zweckmäßigkeit handele. 48  BGBl. I S.  455. 49  Lässig, Fehlerhafte Rechtsmittelzulassung, S.  12. 50  BGBl. I S.  625. 51  Uhl, Abgrenzung, S.  19. 52  Vgl. die amtliche Begründung BT-Drs. I/1844, S.  24.

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geltend gemachte Prozessrechtsverstoß einen der im Katalog der Norm aufgezählten Verfahrensfehler darstellte und zugleich einen der Zulassungsgründe des §  53 Abs.  2 BVerwGG verwirklichte. Mit der Statuierung eines Nichtzu­ lassungsbeschwerdevorbehaltes in §  53 Abs.  3 BVerwGG nach dem Vorbild von §  102 Abs.  4 des Hessischen Verwaltungsgerichtsgesetzes in der Fassung vom 30. Juni 194953 sah dieses Gesetz zum ersten Mal im bundesdeutschen Prozessrecht die Anfechtbarkeit der unterbliebenen bzw. verweigerten Zulassungs­ent­ scheidung des Vorderrichter und demnach eine Aufteilung der Zulassungskompetenzen zwischen iudex a quo und iudex ad quem vor54. Der Bundesgesetz­ geber war sich dabei durchaus bewusst, im Zuge der Beschwerdemöglichkeit den erhofften Entlastungseffekt zunächst wieder zu relativieren, hielt dies aber aus Gründen der einheitlichen Auslegung und Anwendung des Revisionszu­las­ sungs­rechts für unabdingbar55. Der Errichtung des Bundesverwaltungsgerichts als oberstes Rechtsmittel­ gericht der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit folgte die Einsetzung von Revisionsgerichten auch für die besonderen Zweige der Verwaltungsgerichtsbarkeit56. Durch das Sozialgerichtsgesetz vom 03. September 195357 wurde die Revision zum neu installierten Bundessozialgericht wie im BVerwGG dem ­Zulassungserfordernis, zunächst ohne Beschwerdemöglichkeit, unterworfen. Zulassungsfrei waren die Verfahrensrevision und die besondere Form der Revision wegen Fehlern in der Kausalitätsbeurteilung. Die Einrichtung des Bundes­ finanzhofes durch Gesetz vom 29. Juni 195058 beschränkte sich vorläufig auf die Schaffung dieser Institution und verwies insbesondere für das Rechtsmittel­ verfahren auf die weitergeltende Reichsabgabenordnung vom 22. Mai 193159, welche in §  286 RAO die Einlegung der Rechtsbeschwerde von der Zulassung durch den Vorderrichter abhängig machte. Der Erlass der Verwaltungsgerichtsordnung vom 21. Januar 196060 führte zu einer bundesweiten Vereinheitlichung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und inkorporierte das bisher in den §§  53 ff. BVerwGG geregelte Revisionsverfahren in das neue umfassende Regelwerk, ohne dass damit wesentliche ÄndeHessGVBl. S.  137. Vgl. dazu Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  133 Rn.  1. Egidi, DVBl. 1956, 559 (560), Müller, NJW 1960, 515 (515); Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  9. Vgl. auch Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  5: „Ausprägung des zweispurigen Zulassungsprinzips“. 55  Vgl. BT-Drs. I/1844, S.  33. 56  Zu den jeweiligen Besonderheiten vgl. Prütting, Zulassung, S.  45 f. 57  BGBl. I S.  1239. 58  BGBl. I S.  257. 59  RGBl. I S.  161. 60  BGBl. I S.  17. 53 

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rungen des Rechtsmittelrechts einhergingen61. Die Statthaftigkeit der Revision wurde in §  132 Abs.  1, Abs.  2 VwGO normiert, die Nichtzulassungsbeschwerde in §  132 Abs.  3 bis 5 VwGO62. Während die noch unter der Geltung des ­ VerwGG bestehende Möglichkeit der Zulassung der Revision wegen der BeB teiligung von Bundesbehörden am Rechtsstreit gänzlich gestrichen wurde, wurde die zulassungsfreie Revision wegen absoluter Verfahrensfehler nach §  133 VwGO um eine zulassungsbedürftige Verfahrensrevision in allen anderen Fällen entscheidungserheblicher Prozessrechtsverstöße der Vorinstanz ergänzt63. Parallel zur VwGO wurde als zeitlich befristete Entlastungsmaßnahme durch Gesetz vom 21. Januar 196064 die Berufung unter Verweisung auf §  131 VwGO 1960 in enumerierten Verwaltungsstreitsachen bundesgesetzlich von einer Zulassung durch das Verwaltungsgericht abhängig gemacht65. Zur Ablösung der Interimslösung im Finanzrechtsweg durch Weitergeltung der RAO kam es erst mit dem Erlass der Finanzgerichtsordnung vom 06. Oktober 196566, welche sich grundsätzlichen am Vorbild der VwGO orientierte und für den Revisionszugang eine Kombination aus Wert- und Zulassungsrevision mitsamt Beschwerdevorbehalt sowie eine zulassungsfreie Verfahrensrevision vorhielt. Die Regelung des Revisionszugangs der VwGO beeinflusste anschließend auch die anderen Gerichtszweige. So sah bereits der Regierungsentwurf zur Änderung des Rechts der Revision in Zivilsachen und in Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 13. März 197267 die vollumfassende Einführung der ausschließlichen Zulassungsrevision nach dem Vorbild der VwGO in Zivil-, Arbeits-, Finanz- und Sozialsachen vor68. Durch

Uhl, Abgrenzung, S.  19; Rosenthal, Probleme des ZPO-RG, S.  46. Prütting, Zulassung, S.  44. 63  Vgl. dazu die Stellungnahme des Rechtsausschusses BT-Drs. 3/1094, S.  12 f. 64  BGBl. I S.  4 4 65  Näher dazu Baumgärtel, Zulassungsberufung, S.  33. 66  BGBl. I S.  1477. 67  BT-Drs. 6/3252. 68  Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  45. Interessanterweise favorisierte dieser Entwurf eine gänzliche Abschaffung der Verfahrensrevision. Verfahrensfehler allein sollten danach nicht mehr den Zugang zur Revisionsinstanz eröffnen können, sondern nur noch im Rahmen einer Grundsatz- oder Divergenzzulassung zur Kontrolle durch das Revisions­ gericht gestellt werden können, vgl. S.  24 der Entwurfsbegründung. Der Entwurf und diese Regelung im speziellen konnten sich – auch in der folgenden Legislaturperiode (BT-Drs. 7/444) – letztlich noch nicht durchsetzen, vgl. Wlotzke, in: Mayer-Maly/Richardi/Schambeck/Zöllner, Festschrift Müller, S.  647 (651) sowie kritisch zur Abschaffung der Verfahrensrevision Grave, VerwArch 64, 53 (63 ff.). Die vom Rechtsausschuss des Bundestages vorgeschlagene Kombination aus Zulassungs- und Annahmerevision im Zivilverfahren wurde gleichwohl im Zuge der folgenden Novelle verwirklicht, BT-Drs. 7/3596, S.  4, 7 f. 61 

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Gesetz vom 30. Juli 197469 wurde die Nichtzulassungsbeschwerde, welche sich im verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzsystem bewährt hatte70, ­unter Abschaffung der bisher zulassungsfreien Verfahrensrevision auch in die Sozial­ gerichtsbarkeit eingeführt71. Das ZPO-Änderungsgesetz vom 08. Juli 197572 ergänzte das bisher im Zivilprozess praktizierte Kombinationssystem aus Streitwert- und Zulassungsrevision um die Befugnis des Bundesgerichtshofes, nach §  554b ZPO 1975 die Annahme solcher Revisionen in vermögensrechtlichen Streitigkeiten abzulehnen, denen keine grundsätzliche Bedeutung zukam73. Die arbeitsgerichtliche Revision wurde im Zuge der Novellierung des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 21. Mai 197974 vollständig am Zulassungsprinzip ausgerichtet. Mit der dabei neu eingeführten arbeitsgerichtlichen Nichtzulassungsbeschwerde konnte jedoch nach §  72a ArbGG 1979 die grundsätzliche Bedeutung nur solcher Rechtssachen geltend gemacht werden, die kollektivarbeitsrecht­ liche Streitsachen betrafen, während in individualarbeitsrechtlichen Verfahren nur eine Divergenzzulassung durch den iudex ad quem in Betracht kam75. Mit den Entwürfen einer einheitlichen Verwaltungsprozessordnung für die öffentlich-rechtlichen Gerichtszweige aus den Jahren 1982 und 198576 sollten aus Gründen der Rechtsklarheit erstmals Institutionen und Verfahren der allgemeinen Verwaltungs-, der Sozial- und der Finanzgerichtsbarkeit auf eine einheitliche Basis gestellt werden. Im Zuge dessen sollten nicht nur unnötige Einzelregelungen bereinigt, sondern zur Verbesserung des Rechtsschutzes das Verfahren in diesen Gerichtszweigen gestrafft und insgesamt beschleunigt werden77. Als entsprechende Beschleunigungsmaßnahme sah der Entwurf ins69 

BGBl. I S.  1625. Baring, Gutachten A für den 44. DJT., S.  79. 71  Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  2. 72  BGBl. I S.  1863. 73  Linnenbaum, Probleme §  546 Abs.  1 Satz  2 ZPO, S.  2; Wlotzke, in: Mayer-Maly/ Richardi/­Schambeck/Zöllner, Festschrift Müller, S.  647 (651). Diese Revisionsablehnungsbefugnis des BGH, die es ermöglichte, den Zugang zur dritten Instanz auch von der Arbeitsbelastung des Revisionsgerichts abhängig zu machen, war zweifelsohne ein effektives In­ strument zur Minimierung der Verfahrenszahlen, stieß aber an die dem Gesetzgeber und der Judikative bei der Ausgestaltung und Ausformung des Rechtsmittelzugangs gezogenen verfassungsrechtlichen Grenzen, vgl. BVerfG, Beschluss vom 09. August 1978 – 2 BvR 831/76 –, BVerfGE 49, 148 ff.; BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 ff. 74  BGBl. I S.  545. 75  Wlotzke, in: Mayer-Maly/Richardi/Schambeck/Zöllner, Festschrift Müller, S.  647 (657 f.) unter Hinweis auf die gesetzgeberische Erwartung einer großzügigen Zulassungspraxis der Landesarbeitsgerichte. 76  BT-Drs. 9/1851 und BT-Drs. 10/3437. 77  BT-Drs. 10/3437, S.  62. 70 

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besondere weitergehende Rechtsmittelbeschränkungen vor. Da aufgrund der Eigenart von öffentlich-rechtlichen Rechtsstreitigkeiten eine Tatsacheninstanz regelmäßig dem Rechtsschutzanspruch des Bürgers genügen dürfte, sollte auch in der Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit die Berufung weitestgehend mittels Zulassungserfordernis und entsprechender Kompensation durch eine Nichtzulassungsbeschwerde beschränkt werden78. Im Bereich des Revisionsrechts sollte einheitlich die unzweckmäßige Parallelität von zulassungsfreier und zulassungsbedürftiger Verfahrensrevision abgeschafft werden, die sich oftmals sogar als Rechtsmittelfalle auswirken konnte79. Obwohl die Vereinheitlichung des Verwaltungsprozessrechts letztlich nicht zustande kam, fanden die in diesem Entwurf befürworteten Beschleunigungsgedanken durch das 4. VwGO-­ Änderungsgesetz vom 17. Dezember 199080 am Vorbild der bisherigen Regelung des SGG Eingang in die allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die zulassungsfreie Verfahrensrevision in Fällen absoluter Revisionsgründe wurde zugunsten eines umfassenden Zulassungserfordernisses auch in Anbetracht von Verfahrensfehlern aufgegeben81. Der hierdurch freigewordene §  133 VwGO konnte zwecks Übersichtlichkeit neuer Regelungsstandort der Nichtzulassungsbeschwerde werden. Korrespondierend zur Änderung des Zugangs zur Verfahrensrevision wurde zudem die Möglichkeit geschaffen, das Berufungsurteil im Falle seiner festgestellten Verfahrensfehlerhaftigkeit schon im Beschwerdeverfahren aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen82. Mit dem 6. VwGO-Änderungsgesetz vom 01. November 199683 sollte das Zulassungsprinzip die das gesamte verwaltungsgerichtliche Rechtsmittelrecht beherrschende Zugangsvariante nach dem Vorbild der Revision werden84. Ei78 

Vgl. S.  145 der Entwurfsbegründung a. a. O. Vgl. S.  152 der Entwurfsbegründung a. a. O. Denn die Umdeutung einer Nichtzulassungsbeschwerde, welche sich auf absolute Revisionsgründe stützte, in eine zulassungsfreie Verfahrensrevision des – notwendigerweise anwaltlich vertretenen – Rechtsmittelführers wurde strikt abgelehnt, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 08. März 1961 – VIII B 183.60 –, BVerwGE 12, 107 (108 f.). Dies machte es in der Praxis beim gleichzeitigen Vorliegen zulassungsfreier und zulassungsbedürftiger Verfahrensmängel nötig, sowohl Revision als auch Nichtzulassungsbeschwerde zu erheben. Vgl. dazu Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  137 sowie Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  1, 3. 80  BGBl. I S.  2809. 81  Eine Einschränkung des Revisionszugangs war gleichwohl damit nicht bezweckt, denn die bisher zulassungsfreien Verfahrensfehler sollten im Zulassungsgrund des Verfahrensmangels voll aufgehen, vgl. die amtliche Begründung BT-Drs. 11/7030, S.  33. 82  Dies wurde im Wesentlichen aus prozessökonomischen Erwägungen der Notwendigkeit zur vollständigen Durchführung der Verfahrensrevision vorgezogen, vgl. BT-Drs. 11/7030, S.  34. Vgl. dazu Kautz, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, §  133 VwGO Rn.  3. 83  BGBl. I S.  1626. 84  Uechtritz, VBlBW. 2000, 65 (66). 79 

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nerseits wurden Beschlüsse in Normenkontrollverfahren der Revisionsmöglichkeit unterworfen, denn das bisherige Vorlageverfahren hatte sich als systemfremd erwiesen85. Andererseits wurden sowohl die Berufung als auch die Beschwerde in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in sämtlichen Fällen dem Zulassungserfordernis unterstellt und an die bereits im Revisionsrecht bewährten Zulassungsgründe der Grundsatzbedeutung, der Divergenz und des Ver­ fahrensmangels sowie an die neuartigen, mehr an den Aufgaben einer zweiten Tatsacheninstanz orientierten Zulassungsgründe der ernstlichen Richtigkeitszweifel und der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten geknüpft. Eine allgemeine Zulassungsberufung war bereits seit 1982 im verwaltungsgerichtlichen Sonderprozessrecht des Asylverfahrens86 verankert und diente der VwGO-Novelle als Leitbild87. Die Entscheidung über die Berufungszulassung wurde zunächst nur dem Berufungsgericht selbst vorbehalten, später aber mit Erlass des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess vom 20. Dezember 200188 auch zu einer von Amts wegen zu berücksichtigenden Frage für das Verwaltungsgericht erklärt89. Die ebenfalls im Zuge des 6. VwGO-Änderungsgesetzes statuierte Zulassungsbedürftigkeit der Beschwerde im Eilrechtsschutz hatte sich hingegen als justizpolitisch verfehlt und impraktikabel herausgestellt und wurde durch das Rechtsmittelbereinigungsgesetz wieder aufgehoben90. Mit den Reformgesetzen vom 19. Dezember 200091 für die FGO und vom 27. Juli 200192 für die ZPO wurde schließlich in allen großen Verfahrensordnungen mit Ausnahme der StPO die Streitwert­ revision vollständig durch die zulassungsbedürftige Revision mit Beschwerdevorbehalt ersetzt93. W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  132 Rn.  1. Asylverfahrensgesetz vom 16. Juli 1982, BGBl. I S.  946. 87  Bergmann, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, §  78 AsylG Rn.  4 f. 88  BGBl. I S.  3987. 89  Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  124 Rn.  17. 90  BT-Drs. 14/6393, S.  14. 91  BGBl. I S.  1757. 92  BGBl. I S.  1887. 93  Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  6. Die strafprozessuale Revision war aufgrund der anders priorisierten Verfahrenszwecke der StPO seit jeher keinen materiellen Zugangsbeschränkungen unterworfen, vgl. dazu eingehend Pfeiffer, NJW 1999, 2617 (2621 f.); Nasall, NJW 2003, 1345 (1348); Jagusch, NJW 1963, 1 (3) und auch Baring, Gutachten A für den 44. DJT., S.  7 Fn.  1. Das Beschwerdeverfahren in Ordnungswidrigkeitensachen unterliegt demgegenüber einer Kombination aus enumerierten Fallvarianten und der Zulassung unter Ausschluss von Bagatellsachen, vgl. §§  79, 80 OWiG. Zu den Besonderheiten des neuen zivilprozessualen Revisionszulassungsrechts, welches neben den Bestimmungen der ZPO durch fachgesetzliches „Sonderprozessrecht“ mit konstituiert wird, vgl. Rosenthal, Probleme des ZPO-RG, S.  53 ff. und passim. 85 

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Das Anhörungsrügengesetz vom 09. Dezember 200494, durch welches flächendeckend fachgerichtliche Abhilfemöglichkeiten gegen Gehörsverstöße bei ansonsten unanfechtbaren Entscheidungen geschaffen wurden, änderte zudem den Revisionszugang zum BAG erheblich. So führte die Novelle mit §  72 Abs.  2 Nr.  3 ArbGG nicht nur erstmals die Verfahrensrevision wegen absoluter Revi­ sionsgründe und Gehörsverstöße auch in das arbeitsgerichtliche Verfahren ein95, sondern hob auch die seit 1979 geltende Beschränkung der Nichtzulassungsbeschwerde auf Fälle grundsätzlicher Bedeutung mit kollektivarbeitsrechtlichem Bezug auf und erstreckte sie damit auf alle Arten von Streitgegenständen96.

94 

BGBl I S.  3220. Die Plenarentscheidung des Bundesverfassungsgerichts BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003, – 1 PBvU 1/02 –, BVerfGE 107, 395 ff. machte eine entsprechende umfassende Novellierung des meisten Prozessordnungen notwendig. 95  Der Gesetzgeber sah sich hierbei zur Reaktion auf kritische Äußerungen des BVerfG veranlasst, vgl. BT-Drs. 15/3706, S.  14. Denn das Fehlen der Möglichkeit einer Revisionszulassung wegen durchgreifender Verfahrensfehler (vgl. dazu etwa BAG, Urteil vom 20. September 1993 – 9 AZR 400/93 –, NJW 1994, 751) sei ein „aus rechtsstaatlicher Sicht auf Dauer schwer hinzunehmende[r] Zustand“, so BVerfG, Beschluss vom 26. März 2001 – 1 BvR 383/00 –, NJW 2001, 2161 (2163). 96  Diese von Anfang an umstrittene Beschränkung war schlichtweg sachlich nicht mehr zu rechtfertigen, vgl. BT-Drs. 15/3706, S.  20.

§  3 Revision und Revisionszulassung Die Revision ist ein nach Maßgabe gesetzgeberischer Zweckmäßigkeitsvorstellungen geformtes Institut mit unterschiedlichen, gleichwohl miteinander verknüpften Funktionen1. Sie nimmt im Instanzenzug eine besondere Stellung ein. Zum einen ist sie ein echtes Rechtsmittel in der Hand der Parteien, mit denen diese die Aufhebung eines rechtsfehlerhaften vordergerichtlichen Urteils und eine erneute Sachentscheidung zu ihren Gunsten begehren 2. Zum anderen ist gerade das Revisionsgericht im Dienste des Allgemeininteresses tätig, denn es verfügt als das letztinstanzliche Fachgericht über Möglichkeiten und Befugnisse, auf die bundeseinheitliche Auslegung und Anwendung des revisiblen Rechts einzuwirken und durch Herausarbeitung abstrakter, allgemeingültiger Rechtssätze die Untergerichte präventiv bei ihrer sachlichen Entscheidungsfindung zu unterstützen3. Die Revisionsgerichte sind daher in besonderem Maße und mehr noch als andere Instanzen dem Ideal der Rechtseinheit verpflichtet4. Weil aber nicht jede Rechtssache, mag sie vom Berufungsgericht auch falsch entschieden worden sein, die Rechtseinheit tangiert, ist eine vorherige Sondierung und Filterung der von ihnen zu entscheidenden Fälle erforderlich5. Zugleich sind die personellen und sachlichen Kapazitäten der Revisionsgerichte beschränkt und auch nicht unbegrenzt vermehrbar6. Denn die Maxime der Rechtsprechungseinheit macht es faktisch erforderlich, den Auslegungsprimat über das Bundesrecht bei möglichst kleinen obersten Spruchkörpern zu zentralisieren7. Die quantita1  BVerfG, Beschluss vom 09. August 1978 – 2 BvR 831/76 –, BVerfGE 49, 148 (160); Prütting, Zulassung, S.  88; Reuß, DÖV 1959, 10 (11). 2  Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 26. Ergänzungslieferung März 2014, Vorb. §  124 Rn.  1. 3  Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  1; Pohle, Gutachten B für den 44. DJT. S.  19; Reuß, DÖV 1959, 10 (11); Meyer-Ladewig, in: Bachof/Heigl/Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (417); von Mettenheim, NJW 2004, 1511 (1513). 4  Jagusch, NJW 1954, 161 (161). 5  Prütting, Zulassung, S.  65. 6  Dethloff, ZRP 2000, 428 (428). 7  Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  4; Rimmelspacher, in: Gottwald/Roth, Festschrift Schumann, S.  327 (331); Schafft, Selektion, S.  230; Rennert, NVwZ 1998, 665 (667); Pohle, Gutachten B für den 44. DJT., S.  39.

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§  3 Revision und Revisionszulassung

tive und qualitative Begrenzung der Anrufungsmöglichkeiten der Revisionsgerichte zur Reduktion ihrer Arbeitsbelastung ist insoweit letztlich nötig, um die Arbeitsfähigkeit der höchstrichterlichen Judikatur, die Güte ihrer Rechtsprechung und damit letztlich die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege als solche sicherzustellen8. Daher hat der Gesetzgeber die Anrufbarkeit der dritten Instanz in fast allen Verfahrensordnungen durch ein vorgeschaltetes System „richterlich[er] Zugangskontrolle“9 – die Revisionszulassung – eingeschränkt. Dieses stellt sich dabei als Filtersystem dar, im Zuge dessen aus Gründen der Entlastung nur diejenigen Rechtssachen in die höhere Instanz gelangen sollen, denen der Gesetzgeber ein bestimmtes Maß an Rechtsmittelwürdigkeit beimisst, welches wiederum eng mit den vom Gesetzgeber angedachten Rechtsprechungsaufgaben des Revisionsgerichts in Zusammenhang steht10. Dies sind vor allem Aufgaben der einheitlichen Rechtsfortbildung und der Wahrung der Rechtseinheit auf dem Gebiete des Bundesrechts sowie die Verfahrensaufsicht über die Instanzgericht der Länder, also solche Rechtsprechungsfunktionen, die zuvörderst im Allgemeininteresse bestehen11. Verfassungsrechtlich ist die quantitative und qualitative Begrenzung des revisionsgerichtlichen Rechtsschutzes durch das Prinzip der Revisionszulassung grundsätzlich nicht zu beanstanden12. 8  Hanack, Ausgleich, S.  253 f.; Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  5; Prütting, Zulassung, S.  65; Meyer-Ladewig, in: Bachof/Heigl/Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (417); Baring, Gutachten A für den 44. DJT., S.  98. 9  So BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (285) zur mit der Zulassungsrevision jedenfalls funktionell verwandten Annahmerevision nach §  554b ZPO a. F. Von der Zulassungsrevision unterschied sich die Annahmerevision unter anderem insoweit, als dass diese dem Revisionsgericht ein Ermessen zur nachträglichen Ablehnung eines bereits anhängigen Revisionsverfahrens einräumte. 10  BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 1984 – 4 CB 29/84 –, Buchholz 407.4 §  17 FStrG Nr.  56 S.  55; Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  4; Rosen­ thal, Probleme des ZPO-RG, S.  23; Rennert, NVwZ 1998, 665 (666); ders., VBlBW 1999, 283 (283). 11  BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 08. Januar 2004 – 1 BvR 864/03 –, NJW 2004, 1371 (1371); BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 1984 – 4 CB 29/84 –, Buchholz 407.4 §  17 FStrG Nr.  56 S.  55; Hanack, Ausgleich, S.  280; Pohle, Gutachten B für den 44. DJT., S.  39. 12  Vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 10. April 2008 – 1 BvR 1440/07 –, NJW 2008, 2493 (2492); BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 09. März 2004 – 1 BvR 2262/03 –, NJW 2004, 1729 (1730); BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 08. Januar 2004 – 1 BvR 864/03 –, NJW 2004, 1371 (1371); BVerfG, Kammerbeschluss vom 07. Dezember 1998 – 1 BvR 831/89 –, NVwZ 1999, 290 (291); BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. November 1992 – 1 BvR 974/92 –, NVwZ 1993, 358; BVerfG, Kammerbeschluss vom 18. Dezember 1991 – 1 BvR 1411/91 –, SozR 3-1500 §  160a Nr.  7 S.  14; BVerfG, Beschluss vom 08. Dezember 1965 – 1 BvR 662/65 –, BVerfGE 19, 323 (326 ff.); BVerwG, Beschluss vom 09. Oktober 1970 – III B 73.70 –, VerwRspr 22, 629 (630). Zustimmend bspw. Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  12; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kom-

I. Die Revision als zulassungsbedürftiges Rechtsmittel

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I. Die Revision als zulassungsbedürftiges Rechtsmittel 1. Das Zulassungserfordernis als Instrument der Entlastung des Bundesverwaltungsgerichts Gemäß §  132 Abs.  1 VwGO steht den Beteiligten gegen die Urteile und Normenkontrollbeschlüsse des Oberverwaltungsgerichts die Revision an das Bundesverwaltungsgericht nur dann zu, wenn diese zuvor zugelassen worden ist. Mit dem Erfordernis der vorherigen Zulassung hängt der Zugang zum Revi­ sionsgericht im Verwaltungsprozess also von einem konstitutiven richterlichen Ausspruch ab, welcher nach Maßgabe der in §  132 Abs.  2 VwGO normierten Gründe die Revisionswürdigkeit der Rechtssache beurteilt und im Falle ihrer Einschlägigkeit die zunächst verschlossene Revisionsinstanz freigibt13. Die Zugangsmöglichkeiten zur Revision werden dabei primär durch das Allgemein­ interesse an der vereinheitlichenden Lösung spezifischer Rechtsprobleme durch ein höchstes Zentralgericht dominiert14. Erst nach Überwindung der Zulassungshürde gewinnt das Parteiinteresse rechtserhebliche Bedeutung und die Revision entfaltet ihre Rechtsschutzfunktionen15, wenngleich auch dies nur in begrenztem Umfang, denn aufgrund des Ausschlusses der Sachverhalts- von der Revisionskontrolle gemäß §  137 Abs.  2 VwGO vermag sie naturgemäß nicht sämtliche Rechtsfehler der Vordergerichte ausräumen zu können16. Die verwaltungsgerichtliche Revision gewährt somit Rechtsschutz nur in den Fällen und in dem Umfang, wie es das Allgemeininteresse an der Erhaltung der Rechtseinheit gebietet und nutzt gleichzeitig das individuelle Interesse an der sachlich korrekten Einzelfallentscheidungen zur Lösung von Rechtsproblemen, deren Bedeutung über die konkrete Rechtssache hinausgeht17. Der Entlastungsgedanke, der jedem System der Beschränkung des Rechtsmittelzugangs durch Herausfilterung rechtsmittelwürdiger Fälle zugrunde mentar Bd. III, Art.  101 Rn.  45; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  285; Neuhäuser, Zulassung der Berufung, S.  76; Gaier, NVwZ 2011, 385 (387); Baring, Gutachten A für den 44. DJT., S.  89 jeweils m. w. N. Kritisch hingegen Reuß, DÖV 1959, 10 (11); Pohle, Gutachten B für den 44. DJT., S.  59 f. und Arndt, NJW 1962, 1660 (1662) sowie aus neuerer Zeit von Mettenheim, NJW 2004, 1511 (1512) zum Zivilprozess. 13  Rennert, NVwZ 1998, 665 (667); Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  17; Lässig, Fehlerhafte Rechtsmittelzulassung, S.  22 f. 14  Prütting, Zulassung, S.  93; Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  2; Pohle, Gutachten B für den 44. DJT., S.  19. 15  Ruban, in: Gräber, FGO, §  115 Rn.  1; Prütting, Zulassung, S.  93. 16  Arndt, in: Glanzmann/Faller, Ehrengabe Heusinger, S.  239 (254); Prütting, Zulassung, S.  123. 17  BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980, – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (289 f.); May, Revision, I Rn.  71; Ball, in: Heinrich, Festschrift Musielak, S.  27 (27).

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§  3 Revision und Revisionszulassung

liegt18, wird unter dem Rechtsregime der Rechtsmittelzulassung in doppelter Weise verwirklicht, nämlich sowohl durch eine materiell-rechtliche als auch durch eine formell-rechtliche Komponente19. In materiell-rechtlicher Hinsicht wird die Möglichkeit des Zugangs einer Rechtssache zum Rechtsmittelgericht von ihrer Rechtsmittelwürdigkeit abhängig gemacht, die wiederum nach gesetzlich enumerierten Kriterien – den Zulassungsgründen des §  132 Abs.  2 VwGO – zu bestimmen ist. Diese knüpfen in erster Linie an die gesetzgeberische Grundvorstellung von den Aufgaben eines letztinstanzlichen Gerichtes an 20. Die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO zielt auf die Beantwortung bisher ungeklärter Rechtsfragen des revisiblen Rechts durch eine höchstrichterliche Entscheidung und damit auf eine zukunftsgerichtete bundeseinheitliche Rechtsfortbildung mittels Aufstellung allgemeingültiger abstrakter Rechtssätze durch eine oberste Zentralinstanz des Bundes21. Durch die Pflicht zur Revisionszulassung bei Abweichungen von höchstrichterlichen Entscheidungen nach §  132 Abs.  2 Nr.  2 VwGO wird es dem Bundesverwaltungsgericht ermöglicht, in all denjenigen Fällen eine nachträgliche Korrektur der vordergerichtlichen oder auch der eigenen Rechtsprechung vorzunehmen, in denen das Berufungsgericht den Judikaten der dort genannten Divergenzgerichte die Gefolgschaft verweigert und damit die Rechtsprechungseinheit in Frage gestellt hat22. Die Zulassung der Revision wegen entscheidungserheblicher Verfahrensfehler nach §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO als Instrument der Verfahrensaufsicht über die Berufungsgerichte steht demgegenüber in erster Linie im Dienste der Einzelfallgerechtigkeit23, ermöglicht gleichwohl aber auch eine vereinheitlichend-rechtsfortbildende Rechtsprechungstätigkeit des Bundesverwaltungs­gerichts im Bereich des Prozessrechts24. Weist die Rechtssache alle materiell-­rechtlichen Voraussetzungen eines solchen Zulassungsgrundes auf, so ist die Zulassung zwingend auszusprechen, ohne dass dem Gericht auf Rechtsfolgenseite ein Ermessensspielraum zukäme25. Spiegelbildlich muss die Zulassung in allen anderen Fällen, in denen dies nicht der Fall ist, verweigert werden, selbst wenn das May, Revision, I Rn.  43. So im Ansatz auch Lässig, Fehlerhafte Rechtsmittelzulassung, S.  21. 20  Vgl. etwa BT-Drs. 7/444, S.  12, 14. 21  Hamm, Revision in Strafsachen, Rn.  103; Kirchhof, in: Erichsen/Hoppe/von Mutius, Festschrift Menger, S.  813 (813). 22  Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  57. 23  BVerwG, Beschluss vom 02. November 1995 – 9 B 710/94 –, NVwZ-RR 1996, 359 (359); Meyer-Ladewig, in: Bachof/Heigl/Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (417). 24  Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  98. 25  Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  21; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  132 Rn.  6. Ein Zulassungsermessen kann aber ausnahmsweise 18 

19 

I. Die Revision als zulassungsbedürftiges Rechtsmittel

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Rechtsmittel offenkundig erfolgreich sein würde, weil die anzufechtende Entscheidung offenkundig auf einem Rechtsfehler beruht26. Das individuelle Parteiinteresse an der sachlich richtigen Entscheidung des einzelnen Streitfalles findet nämlich – vorbehaltlich abweichender gesetzlicher Bestimmungen – im Rahmen des Rechtsmittelzugangs nach Maßgabe des Zulassungsprinzips weder in positiver noch in negativer Hinsicht Berücksichtigung, sondern kommt erst nach Eröffnung des Rechtsmittels zum Tragen27. Auf diese Weise soll sicher­ gestellt werden, dass nur diejenigen Rechtssachen das Rechtsmittelgericht überhaupt erst erreichen können, deren Problemgehalt eine Entscheidung gerade durch ein Höchstgericht erforderlich macht, während es in anderen Fällen bei der von der Vorinstanz ausgesprochenen Sachentscheidung auch dann zu bleiben hat, wenn diese rechtlich zweifelhaft ist oder die Parteien noch nicht vollständig befriedigt worden sind 28. In formell-rechtlicher Hinsicht zeigt sich die Entlastungsfunktion des Zulassungsprinzips darin, dass über die Rechtsmittelwürdigkeit im vorbezeichneten Sinne nicht im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens selbst entscheiden wird, sondern die Beantwortung dieser Frage in einen gesonderten Verfahrensschritt ausgelagert ist29. Über die Rechtsmittelzulassung entscheidet nämlich primär der iudex a quo im Wege einer prozessualen Nebenentscheidung30 zu seiner Hauptsacheentscheidung und erst sekundär der iudex ad quem in einem eigenständigen, allein auf die Zulassungsfrage bezogenen Zwischenverfahren31, §§  132 Abs.  1, 133 Abs.  1, Abs.  5 S.  1 VwGO. Ohne eine solche Freigabeentscheidung kann das Revisionsgericht nicht in zulässiger Weise angerufen werden, sie hat also prozessrechtsgestaltende Wirkung32. Diese prozessuale Neben­ im Bereich der Verfahrensfehlerzulassung im Abhilfeverfahren vor dem iudex a quo nach den §§  133 Abs.  5 S.  1 Hs.  1, 148 Abs.  1 S.  1 VwGO bestehen, vgl. hierzu §  4 IV. 2. b) bb) (4) (a). 26  BVerwG, Beschluss vom 16. Mai 1988 – 7 B 221/87 –, NJW 1988, 2400 (2401); Pietzner/ Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  13. 27  Barnert, in: Kiesow/Simon, Vorzimmer des Rechts, S.  13 (14 f.); Gaier, NJW-Sonderheft 2003, 2. Hannoveraner ZPO-Symposion, S.  18 (19). 28  Wenzel, NJW 2002, 3353 (3354). 29  Schon Arndt, in: Glanzmann/Faller, Ehrengabe Heusinger, S.  239 (239) wies darauf hin, dass gerade hierin das eigentliche charakteristische Wesensmerkmal der Zulassungs­ revision liegt, während die Gründe, aus denen die Zulassung auszusprechen ist, zwar die eigentliche Rechtsmittelbeschränkung in sich tragen, aber kein Spezifikum dieser Art des Rechtsmittelzugangs bilden. 30  BVerwG, Urteil vom 05. Mai 1955 – V C 191.54 –, BVerwGE 2, 80 (81); BFH, Urteil vom 05. November 1971 – VI R 284/69 –, BFHE 103, 477 (480 f.); Blanke, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Vorb. §  124 Rn.  47. 31  Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  3. 32  BVerwG, Beschluss vom 29. August 1985 – 3 CB 13.85 –, Buchholz 310 §  133 Nr.  57 S.  34 f.; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  4; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke,

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§  3 Revision und Revisionszulassung

entscheidung über die Zulassung kann einerseits im Laufe des Rechtsmittel­ verfahrens selbst nicht mehr erneut in Frage gestellt werden, sondern bindet das Rechtsmittelgericht im Falle ihrer Wirksamkeit, ohne dass es dabei darauf a­ nkäme, ob die Zulassungsentscheidung auch inhaltlich korrekt ist, die Rechts­ sache also tatsächlich Zulassungsgründe aufweist, §  132 Abs.  3 VwGO33. Andererseits verliert der vom Zulassungsgericht bejahte Zulassungsgrund im anschließenden Rechtsmittelverfahren seine Relevanz. Das Revisionsgericht kann bei seiner Entscheidung über die Rechtssache demnach auch die Beantwortung derjenigen Rechtsfragen, um derentwillen die Zulassung ausgesprochen wurde, dahingestellt lassen, wenn es aus Sicht des Gerichts für die korrekte Fallentscheidung hierauf nicht ankommt oder der Zulassungsgrund nachträglich wegfallen sollte34. Es ist insoweit allein der wirksame Zulassungsausspruch, nicht aber der Zulassungsgrund, welcher die Statthaftigkeit des Rechtsmittels ver­ mittelt35.

2. Die Zulassungsgründe des §  132 Abs.  2 VwGO §  132 Abs.  2 VwGO bestimmt abschließend darüber, aus welchen Gründen die Revision im Verwaltungsprozess zuzulassen ist. Aus anderen, gesetzlich nicht vorgesehenen Gründen darf die Revision nicht zugelassen werden36. Insbesondere der prognostizierbare Ausgang des Rechtsmittelverfahrens ist daher für die Zulassungsentscheidung irrelevant37. Unerheblich ist dafür also die Frage, ob die Revision selbst Aussicht auf Erfolg hätte, namentlich, ob das Berufungsurteil i. S. d. §  137 Abs.  1 VwGO fehlerhaft ist, selbst wenn dieser Fehler von besonders gravierender Art oder gar offenkundig sein sollte38. Die Revision kann selbst VwGO, §  132 Rn.  4; Prütting, Zulassung, S.  9; Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, §  39 Rn.  5; Rennert, NVwZ 1998, 665 (666); Müller, NJW 1955, 1740 (1740). 33  BVerwG, Urteil vom 25. April 1961 – VIII C 306.59 –, NJW 1961, 1737 (1737 f.); Prütting, Zulassung, S.  258; Lässig, Fehlerhafte Rechtsmittelzulassung, S.  76. 34  BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 1975 – II C 43.73 –, BVerwGE 49, 232 (235); ­BVerwG, Urteil vom 25. April 1961 – VIII C 306.59 –, DVBl. 1962, 62; Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  15; Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  36. 35  BAG, Beschluss vom 06. Juni 1956 – GS 2/56 –, BAGE 3, 46 (46); Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  9; Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  17; Lässig, Fehlerhafte Rechts­ mittelzulassung, S.  21, 100. 36  W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  132 Rn.  5; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  43. 37  Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  13. 38  BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 1994 – 4 B 266/94 –, NVwZ 1995, 601 (602); Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  32; Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  34. Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  54. Wird jedoch eine von einer Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfene grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage

I. Die Revision als zulassungsbedürftiges Rechtsmittel

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dann nicht allein deswegen zugelassen werden, weil die Ausräumung vordergerichtlicher Rechtsfehler durch das Revisionsgericht zur Durchsetzung materieller Grundrechtspositionen angezeigt wäre, solange diese nicht in den Anwendungsbereich von §  132 Abs.  2 VwGO fallen39. Bloß einfache Fehler des Berufungsgerichts bei der Anwendung des materiellen Rechts können weder zur Zulassung führen noch dieser, soweit in anderer Hinsicht ein Zulassungsgrund einschlägig ist, entgegengehalten werden40. Rechtssachen ohne Zulassungsträchtigkeit dürfen nicht in die Revisionsinstanz gelangen und es muss mit der vorinstanzlichen Entscheidung über den Rechtsstreit, mögen auch Zweifel an ihrer Rechtskonformität bestehen, sein Bewenden haben41. Der Gesetzgeber hat mit dem Filter­ system des §  132 Abs.  2 VwGO die Zugangsmöglichkeiten zur Revision auf diejenigen Fälle beschränkt, deren Problemgehalt gerade einer höchstrichterlichen Stellungnahme bedarf42, alle anderen Rechtssachen, die die enumerierten Kriterien nicht erfüllen, aber von der dritten Instanz ausgeschlossen43. Ebenso wie der Revisionszugang aufgrund des öffentlichen Interesses an ­einem Schutz der Revisionsgerichte vor Überlastung durch das Prinzip der Rechtsmittelzulassung zunächst grundsätzlich verschlossen ist, sind es auch Allgemeininteressen, die im Einzelfall über §  132 Abs.  2 VwGO zur Überwindung dieser Zugangsschranke führen44. Diese Interessen sind vor allem die einheitliche Fortbildung des Bundesrechts durch die Bündelung von diesbezüg­ in einem Parallelverfahren vor der Entscheidung des Beschwerdegerichts zugunsten des Beschwerdeführers geklärt, so darf ihm dieser nachträgliche Wegfall der Klärungsbedürftigkeit aus Gründen der Rechtsschutzgleichheit nicht zum Nachteil gereichen und seine zunächst bestehende Zulassungsrechtsposition vereitelt werden, vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. Januar 1993 – 2 BvR 1058/92, 2 BvR 1059/92 –, NVwZ 1993, 465 (465 f.); BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Januar 2000 – 2 BvR 2125/97 –, DVBl. 2000, 407 (408); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 28. Juni 2012 – 1 BvR 2952/08 –, BVerfGK 19, 467 (473 ff.). Hätte die Revision nach Maßgabe der Parallelentscheidung Aussicht auf Erfolg, so ist die zunächst formgerecht erhobene Grundsatzrüge seitens des Zulassungsgerichts in eine Divergenzrüge umzudeuten, vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 23. Juni 2000 – 1 BvR 830/00 –, NVwZ 2000, 1163 (1165); BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 1986 – 8 B 7/85 –, Buchholz 310 §  132 VwGO Nr.  240 S.  24; Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  242; E ­ ggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  67; Traut, Zugang zur Revision, S.  212 f. A. A. Günther, DVBl. 1998, 678 (680). 39  BVerfG, Kammerbeschluss vom 07. Dezember 1998 – 1 BvR 831/89 –, NVwZ 1999, 290 (291); BVerwG, Beschluss vom 28. März 2002 – 5 B 87/01 – (unveröffentlicht, vgl. juris). 40  BVerwG, Beschluss vom 19. September 1991 – 1 CB 24/91 –, DVBl. 1991, 1369 (1369 f.); BVerwG, Beschluss vom 30. Januar 1997 – 4 B 172/96 –, NVwZ-RR 1997, 519 (520). 41  BVerwG, Beschluss vom 02. November 1995 – 9 B 710/94 –, NVwZ-RR 1996, 359 (359). 42  BVerwG NVwZ 1993, 268–269; Lässig, Fehlerhafte Rechtsmittelzulassung, S.  16. 43  BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 1984 – 4 CB 29/84 –, Buchholz 407.4 §  17 FStrG Nr.  56 S.  55. 44  Gaier, NJW-Sonderheft 2003, 2. Hannoveraner ZPO-Symposion, S.  18 (18).

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§  3 Revision und Revisionszulassung

lichen Auslegungskompetenzen bei einem obersten Zentralgericht des Bundes (§  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO), die Wahrung der Rechtssprechungseinheit durch Vorhaltung einer Abweichungskontrolle für die Auslegung des Bundesrechts durch die Gerichte der Länder (§  132 Abs.  2 Nr.  2 VwGO) sowie die Einrichtung einer Aufsicht über die Einhaltung des maßgeblich bunderechtlich geprägten Verfahrensrechts durch jene Ländergerichte (§  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO)45. Parteiinteressen am Verfahrensausgang spielen für den Revisionszugang unter der Geltung von §  132 Abs.  2 VwGO danach grundsätzlich keine Rolle46. a) Gemeinsame Strukturmerkmale und ihre Bedeutung für die Zulassungsfrage Die Revisionszulassungsgründe des §  132 Abs.  2 VwGO weisen trotz ihrer unterschiedlichen Funktionen und Voraussetzungen gemeinsame Strukturmerkmale auf, die sie etwa von den Bestimmungen der Streitwertrevision, aber auch vom heute nicht mehr zur Verfügung stehenden Zulassungsgrund der Beteiligung von Bundesbehörden am Rechtsstreit nach §  53 Abs.  2 lit.  b) BVerwGG unterscheiden47. Ihrer Prüfungsstruktur ist nämlich gemein, dass sie zunächst darauf angelegt sind, die vordergerichtliche Entscheidung über die Rechtssache dahingehend zu untersuchen, ob diese einen rechtlichen Problemgehalt aufweist, dem der Gesetzgeber abstrakte Relevanz für die Aufgaben des Revisionsgerichts zuweist und deshalb eine Zulassung der Revision überhaupt in Betracht kommt. Anschließend erfordern die Zulassungsgründe einen Ausblick darauf, ob im Rahmen des konkret in Aussicht stehenden Revisionsverfahrens eine Stellungnahme des Revisionsgerichts zu diesen zulassungsrechtlich relevanten Problempunkten tatsächlich möglich und auch für dessen Sachentscheidung erforderlich sein wird48. Die Fragen, ob die Rechtssache eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufwirft, das Vordergericht bei der Entscheidung des Rechtsstreits von einer höhergerichtlichen Entscheidung abgewichen ist oder diesem dabei ein Verfah45 

BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 1984 – 4 CB 29/84 –, Buchholz 407.4 §  17 FStrG Nr.  56 S.  55; BVerwG, Beschluss vom 02. November 1995 – 9 B 710/94 –, NVwZ-RR 1996, 359 (359). 46  Vgl. Prütting, Zulassung, S.  93. 47  Die Streitwertrevision und die Revisionszulassung wegen Bundesbeteiligung machen nämlich die Möglichkeiten des Revisionszugangs an Umständen fest, die zwar der konkreten Rechtssache selbst anhaften, die für die Entscheidung des Rechtsstreits durch das Revisionsgericht selbst aber von vorherein ohne Bedeutung sind. Diese Varianten des Revisionszugangs stellen damit ausschließlich auf den Anlass des Revisionsverfahrens ab, nicht aber auf die hierdurch zu gewinnenden Rechtserkenntnisse. 48  Ähnlich auch Lässig, Fehlerhafte Rechtsmittelzulassung, S.  33 ff. und 51 ff.

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rensfehler unterlaufen ist, bilden dabei die Kernkriterien der Zulassungsgründe des §  132 Abs.  2 VwGO. Sie geben Aufschluss darüber, ob eine Befassung des Revisionsgericht mit der jeweiligen Rechtssache aus Gründen der einheitlichen Rechtsfortbildung oder Wahrung der Rechtsprechungseinheit auf dem Gebiet des Bunderechts sowie der Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Verfahrens der Untergerichte überhaupt angezeigt sein kann und deshalb der Rechtsstreit zu den für die Revisionszulassung in Betracht kommenden Fallgruppen gehört. Diese Fragen nach dem abstrakten Problemgehalt des Falles lassen sich daher gemeinschaftlich als Fragen nach der »Zulassungsrelevanz« der Rechtssache bezeichnen. Da aber dem Revisionsgericht nicht die Aufgabe zukommt, allein abstrakte Rechtsfragen zu begutachten, sondern, den konkreten Rechtsstreit einer gesetzmäßigen und sachgerechten Entscheidung zuzuführen, müssen diese zulassungs­ relevanten Rechtsfragen auch nach Maßgabe des rechtlichen Prüfauftrags des Revisionsverfahrens entscheidungserheblich sein49. Die Erfüllung der Rechtseinheits- und Verfahrensaufsichtsfunktion des Revisionsgerichts durch Produktion höchstrichterlicher Stellungnahmen zu allgemeinbedeutsamen abstrakten Rechtsproblemen hat insoweit nur bei Gelegenheit der Fallentscheidung zu erfolgen50. Vor dem Hintergrund der kassatorischen Funktion der Revision – das angefochtene Urteil nach §  137 Abs.  1 VwGO in rechtlicher Hinsicht einer Kontrolle auf ergebniskausale Fehler hin zu unterziehen – muss daher die Stellungnahme des Berufungsgerichts zur Rechtsfrage für dessen Entscheidung erheblich und nicht bloßes obiter dictum gewesen sein, denn nur dann kommt auch eine entscheidungsrelevante Befassung des Revisionsgerichts mit dieser Frage im Zuge der Urteilskontrolle in Betracht51. Wäre die Rechtsfrage insoweit keiner entscheidungserheblichen Klärung im Revisionsverfahren fähig, so ist auch die Rechtssache keiner Revisionszulassung fähig. Damit lassen sich diejenigen Merkmale der Zulassungsgründe, die auf die Entscheidungsrelevanz der zulassungsrelevanten Rechtsfragen abstellen – die Merkmale der Klärungsfähigkeit der Grundsatzfrage sowie des Beruhens der Vorentscheidung auf der Divergenz BGH, Beschluss vom 07. Januar 2003 – X ZR 82/02 –, BGHZ 153, 254 (256 f.); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  291; Traut, Zugang zur Revision, S.  98; Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  24. 50  Pohle, Gutachten B für den 44. DJT. S.  46; Wenzel, NJW 2002, 3353 (3354); Pfab, JURA 2010, 10 (13). 51  Vgl. von Gierke/Seiler, JZ 2003, 403 (406). Prütting, Zulassung, S.  127 bezeichnet die Fragen nach der Klärungsfähigkeit, der Klärungserwartung und der Klärungsbedürftigkeit einer zulassungsrelevanten Rechtfrage als Vorfragen jeder Revisionszulassung. Traut, Zugang zur Revision, S.  97 weist hingegen zutreffend darauf hin, dass es sich hierbei um Merkmale handelt, die in jeweils unterschiedlicher Ausprägung in den einzelnen Zulassungsgründen selbst verankert sind und ihnen also nicht methodisch vorgelagert sein können. 49 

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§  3 Revision und Revisionszulassung

und dem Prozessrechtsverstoß –, als Fragen nach der »Zulassungsfähigkeit« der Rechtssache verallgemeinernd zusammenfassen. Nur wenn die Rechtssache nach Maßgabe des jeweiligen Zulassungsgrundes sowohl Zulassungsrelevanz aufweist als auch zulassungsfähig ist, darf die Revisionszulassung ausgesprochen werden. Da alle drei Zulassungsgründe des §  132 Abs.  2 VwGO in gleicher Weise voraussetzen, dass das Berufungsurteil auf dem zulassungsrelevanten Entscheidungsgehalt beruht, scheidet eine Revisionszulassung immer dann aus, wenn das Vordergericht sein Judikat kumulativ mehrfach begründet hat und der Zulassungsgrund nur einen der Begründungsstränge erfasst52. Hat das Gericht seine Entscheidung nämlich sowohl auf eine als auch auf eine andere selbstständig tragfähige Erwägung gestützt, so könnte die zulassungsrelevante Begründung hinweggedacht werden, ohne dass die konkrete Tenorierung anders ausfallen würde und diese daher auch nicht als auf dem zulassungsrelevanten Entscheidungsgehalt beruhend angesehen werden kann53. In diesen Fällen könnte das Revisionsgericht selbst bei einer abweichenden Stellungnahme zu dem zulassungsrelevanten Rechtsproblem die Vorentscheidung nicht aufheben, weil diese dann immer noch durch den anderen Begründungsstrang abgesichert wäre54. Ob jener rechtlich haltbar ist oder hiergegen Revisionsgründe i. S. d. §  137 Abs.  1 VwGO vorgebracht werden könnten, ist dabei aus Sicht der Zu­lassungs­ent­schei­ dung ohne Bedeutung55. Nur wenn im Falle kumulativer ­Mehrfach­begründungen hinsichtlich jedes tragenden Begründungsansatzes ­Zulassungsgründe vorliegen, kann die Revision zugelassen werden56. Eine Ausnahme hiervon solle dann gelten, wenn die einzelnen Begründungsstränge des Berufungsurteils unterschiedliche Auswirkungen auf den inhaltlichen Umfang seiner Rechtskraft zeitigen Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  53. BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 1953 – I B 10.53 –, BVerwGE 1, 1 (2); Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  66. 54  Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  129. 55  BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 1996 – 11 B 150/95 –, NVwZ-RR 1996, 369 (369); Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  124 Rn.  153. Kritisch hierzu Lindner, NJW 2003, 1097 ff., der für die Berücksichtigung der möglichen Fehlerhaftigkeit der anderen Begründungsansätze eintritt. 56  BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 1996 – 11 B 150/95 –, NVwZ-RR 1996, 369 (370); BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – 7 B 261/97 –, NJW 1997, 3328; BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2010 – 9 B 60/10 –, BayVBl. 2011, 352; Kuhla, in: Kuhla/Hüttenbrink/Endler Der Verwaltungsprozess, Abschnitt F Rn.  174; Kummer, Nichtzulassungs­ beschwerde, Rn.  291; von Wedelstädt, Der Betrieb 1991, 1899 (1899); Wenzel, NJW 2002, 3353 (3358). Dies muss auch dann gelten, wenn das Vordergericht einen der Begründungs­ ansätze lediglich als Hilfsbegründung verstanden wissen wollte, vgl. Traut, Zugang zur Revision, S.  108. 52  53 

I. Die Revision als zulassungsbedürftiges Rechtsmittel

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könnten57. Ist die Mehrfachbegründung hingegen insoweit eine alternative, als die Entscheidung entweder aus dem einen oder dem anderen Grund ergangen ist, ohne dass das Vordergericht sich hierzu abschließend festgelegt hat, so beruht das Urteil auch alternativ auf jeder der ­einzelnen Begründungen, aber auf keiner selbstständig tragend allein58. Dann genügt es für die Bejahung der Zulassungspflicht, dass der Zulassungsgrund nur einen der Ansätze erfasst59. Im Übrigen stehen alle Zulassungsgründe gleichberechtigt nebeneinander und können in Anbetracht desselben Begründungsansatzes auch zugleich einschlägig sein60. Erstreckt sich der Zulassungsgrund ausschließlich auf einen abtrennbaren Teil des Streitgegenstandes des Berufungsurteils, so ist eine diesbezügliche Teilzulassung möglich und auch erforderlich61. Eine beschränkte Zulassung allein hinsichtlich bestimmter Rechtsfragen zum Zwecke ihrer ­abstrakten Klärung ist wegen der konkreten Streitentscheidungsfunktion der Revision hingegen nicht zulässig62. Eine unzulässige Beschränkung des Zu­ lassungsausspruchs macht nicht die Zulassung selbst, sondern nur die Beschränkung unwirksam und führt zu einer vollumfänglichen Freigabe der Revision63. Im Folgenden sollen die Funktionen und einzelnen Voraussetzungen der drei Zulassungsgründe des §  132 Abs.  2 VwGO, wie sie gesetzlich ausgeformt und von der Rechtsprechung und der Rechtswissenschaft näher konkretisiert worden sind, überblicksweise dargestellt werden. Da sich die vorliegende Arbeit schwerpunktmäßig mit der Frage befasst, ob die Revisionszulassung aus Gründen fehlender Erfolgsaussichten verweigert werden darf, obwohl die Rechts­sache Zulassungsgründe aufwirft, ist es zu diesem Zweck nicht angezeigt, auf alle 57 

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. April 2003 – 7 B 141/02 –, NJW 2003, 2255 (2255 f.). Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  130; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  66. 59  BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 1993 – 4 NB 3/93 –, NVwZ 1994, 269 (269 f.); May, Revision, IV Rn.  86; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  66; Kuhla, in: Kuhla/Hüttenbrink/Endler Der Verwaltungsprozess, Abschnitt F Rn.  174a; Neuhäuser, Zulassung der Berufung, S.  215. 60  Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  66; Bader, NJW 1998, 409 (410). 61  BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1972 – III C 82.71 –, BVerwGE 41, 52 (53); W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  132 Rn.  4; Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/­ Bier, VwGO, §  132 Rn.  14. Vgl. zur Teilzulassung ausführlich jeweils m. w. N. May, Revision, IV Rn.  121 ff.; Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  22 ff. sowie Linnenbaum, Probleme §  546 Abs.  1 Satz  2 ZPO, S.  59 ff. zur besonders im Zivilprozess relevanten Problematik. Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  139 steht einer Verpflichtung des Zulassungsgerichts, bei einem abtrennbaren Teil des Streitgegenstandes auch nur eine entsprechende Teilzulassung auszusprechen, kritisch gegenüber. 62  Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1972 – III C 82.71 –, BVerwGE 41, 52 (53); May, Revision, IV Rn.  124 ff. 63  BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2001 – 9 C 21/00 –, BVerwGE 114, 27 (36); Pietzner/ Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  22. 58 

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§  3 Revision und Revisionszulassung

Probleme und Einzelfragen der Zulassungsgründe näher einzugehen. Für diesbezügliche Detailfragen sei daher auf das einschlägige Schrifttum sowie die Kommentarliteratur verwiesen. Soweit die vorliegende Problematik einen näheren Blick auf einzelne Kriterien der Zulassungsgründe erforderlich macht, soll dies erst an gegebener Stelle im jeweiligen Zusammenhang geschehen64. b) Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO Die verwaltungsgerichtliche Revision ist gemäß §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO dann zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Der Zulassungsgrund der Grundsatzbedeutung findet sich in allen Verfahrensordnungen wieder, die den Rechtsmittelzugang nach Maßgabe des Zulassungsprinzips ­verwirklichen65. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist dabei der „klassische Zugangsschlüssel zur Revisionsinstanz“66, indem er die wesentlichste Aufgabe der höchsten Fachgerichte, das Bundesrecht in zentralisierter Weise einheitlich fortzubilden, zum Anlass und Kriterium ihrer Anrufbarkeit erhebt67. Die Grundsatzrevision soll das Bundesverwaltungsgericht in die Lage versetzen, Rechtsprobleme, die wegen ihrer Breitenwirkung eine unbestimmte Vielzahl zukünftiger Rechtsstreitigkeiten betreffen können, vorab einer höchstrichterlichen Klärung zuzuführen. Hierdurch soll den Untergerichte eine verlässliche Orientierungshilfe bei der Behandlung dieser Fälle zur präventiven Vermeidung von Divergenzen an die Hand gegeben werden und zugleich durch eine klarstellende höchstrichterliche Stellungnahme zur Rechtslage unnötige Prozesse soweit wie möglich schon im Vorhinein unterbunden werden68. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist ein unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum, gleichzeitig aber in gewissen Grenzen wertungsoffen69. Denn eine explizite Normierung derjenigen Fallgruppen, in denen der Gesetzgeber eine vereinheitlichende Rechtsfortbildung durch die 64 

Hierzu unten §  4 IV. 2. b). Prütting, Zulassung, S.  6; Rosenthal, Probleme des ZPO-RG, S.  130; May, Revision, IV Rn.  50; Lässig, Fehlerhafte Rechtsmittelzulassung, S.  33. 66  Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  31. Ähnlich Geis/ Thirmeyer, JuS 2013, 799 (800). 67  BVerwG, Beschluss vom 30. März 2005 – 1 B 11/05 –, NVwZ 2005, 709 (709); May, Revision, VI Rn.  283; Rosenthal, Probleme des ZPO-RG, S.  109; Maetzel, MDR 1961, 453 (453). 68  May, Revision, IV Rn.  51, 71; Rimmelspacher, in: Gottwald/Roth, Festschrift Schumann, S.  327 (342); Traut, Zugang zur Revision, S.  45; Ewer, in: Quaas/Zuck, Prozesse in Verwaltungssachen, §  7 Rn.  36; Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  15. 69  Linnenbaum, Probleme §  546 Abs.  1 Satz  2 ZPO, S.  26, 48; Weyreuther, Revisionszulas­ sung, Rn.  43, 59; Krämer, FamRZ 1980, 971 (973); Roth, in: Baumeister/Roth/Ruthig, Festschrift Schenke, S.  1107 (1107); May, Revision, IV Rn.  70. 65 

I. Die Revision als zulassungsbedürftiges Rechtsmittel

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­ evisionsgerichte für erforderlich erachtet, wäre diesem schon aus gesetzes­ R technisch-praktischen Gründen unmöglich70. Im Laufe der Zeit haben Rechtsprechung und Rechtswissenschaft gleichwohl unter Zuhilfenahme des Zwecks der Grundsatzrevision praktisch handhabbare Kriterien entwickelt, die diesen Zulassungsgrund konstituieren und eine im Wesentlichen vorhersehbare Rechts­ anwendung ermöglichen. Danach hat eine Rechtssache i. S. d. §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO grundsätzliche Bedeutung, wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung im künftigen Revisionsverfahren dazu dienen kann, die Einheitlichkeit der Rechtsprechung auf dem Gebiete des Bundesrechts sicherzustellen bzw. das Bunderecht einheitlich fortzuentwickeln71. Dies ist wiederum der Fall, wenn die Rechtssache eine bisher noch nicht oder nicht hinreichend höchstrichterlich geklärte Rechtsfrage des Bundesrechts von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich in einer unbestimmbaren Vielzahl von Fällen gleichermaßen stellen kann und diese durch die in Aussicht stehende Revisionsentscheidung auch tatsächlich einer abschließenden Klärung zugänglich ist72. Diese Rechtsfrage muss bereits vom Berufungsgericht erkannt, aufgeworfen und in entscheidungserheblicher Weise beantwortet worden sein, denn nur dann kann auch das Revisions­ gericht im Wege der Urteilskontrolle zu dieser in relevanter Weise Stellung nehmen und diese abschließend klären73. Ob demgegenüber die Rechtsansicht des Vordergerichts hierzu rechtlich tragfähig ist oder nicht, spielt für die Zulassungsfrage keine Rolle, denn erst das zuzulassende Revisionsverfahren selbst kann darüber Aufschluss geben, ob der Standpunkt des iudex a quo zu bestätigen oder zu revidieren ist74. aa) Zulassungsrelevanz der Rechtssache Zulassungsrelevanz besitzt eine Rechtssache im Anwendungsbereich des §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO, wenn sie eine abstrakte Rechtsfrage des Bundesrechts aufwirft, die über den jeweiligen Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt und deren Beantwortung daher im Allgemeininteresse liegt. Zudem muss diese Rechtsfrage einer Beantwortung gerade durch eine Revisionsentscheidung beSo Paulus, ZZP 71, 188 (198). BVerwG, Beschluss vom 02. Oktober 1961 – VIII B 78.61 –, BVerwGE 13, 90 (91). 72  BVerwG, Beschluss vom 13. April 1989 – 1 B 54/89 –, NVwZ-RR 1990, 220 (221); BVerwG, Beschluss vom 22. Oktober 1986 – 3 B 43/86 –, NJW 1988, 664; Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  84; Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  14; von Gierke/Seiler, NJW 2004, 1497 (1497); Meyer-Ladewig, in: Bachof/Heigl/Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (418). 73  Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  14. 74  Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  312-3; Pietzner/Buchheister, in: Schoch/ Schneider/­Bier, VwGO, §  132 Rn.  34. 70  71 

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§  3 Revision und Revisionszulassung

dürfen, weil sie entweder noch nicht oder nicht hinreichend höchstrichterlich geklärt ist oder trotz vorgehender Klärung aufgrund geänderter Lebensumstände oder neuer, bisher unberücksichtigter Gesichtspunkte wieder fraglich geworden ist. (1) Abstrakte Rechtsfrage aus dem Bereich des revisiblen Rechts Die Rechtssache muss dazu zunächst überhaupt eine Frage aufwerfen, die das Revisionsgericht bei seiner Entscheidung, ob das Berufungsurteil i. S. d. §  137 Abs.  1 VwGO auf einer Gesetzesverletzung beruht – also nach §  173 S.  1 VwGO i. V. m. §  546 ZPO eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewandt worden ist – zu klären hätte75. Hierbei muss es sich gerade um eine Rechtsfrage handeln, also um „eine Frage, die die Wirksamkeit, den Geltungsbereich, die Anwendbarkeit oder den Inhalt einer Norm zum Gegenstand hat“76. Die Rechtsfrage muss dabei eine abstrakte sein, sich also in verallgemeinerungsfähiger Weise und nicht nur nach Maßgabe der Gegebenheiten und Besonderheiten des je­ weiligen Falles stellen, sondern der Beantwortung durch die Aufstellung eines gleichsam Allgemeingültigkeit beanspruchenden abstrakten Rechtssatzes zugänglich sein77. Unerheblich ist hierfür, ob die Rechtsfrage dem Bereich des materiellen oder des Verfahrensrechts zuzuordnen ist, denn auch prozessrechtliche Problemstellungen können im Interesse der Allgemeinheit einer präventiven höchstrichterlichen Stellungnahme bedürfen78. Allgemein können zulassungsrelevante Rechtsfragen jedem Rechtsgebiet entspringen, welches für die Entscheidung des konkreten Falles von Bedeutung ist, ohne dass die verwaltungsgerichtliche Revisionszulassung auf den öffentlich-rechtlichen Rechtskreis beschränkt wäre. Denn für eventuell auftretende Divergenzen hinsichtlich der Beantwortung von Rechtsfragen, die für mehrere oder gar alle Gerichtszweige gleichermaßen relevant sein können, hat der Gesetzgeber die Anrufbarkeit des Gemeinsamen Senates der obersten Gerichtshöfe des Bundes nach den

Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  62; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  78. BAG, Beschluss vom 15. März 2011 – 9 AZN 1232/10 –, BAGE 137, 218 (219); Roth, in: Baumeister/Roth/Ruthig, Festschrift Schenke, S.  1107 (1107). Zu Fallgruppen und Detail­ fragen zum Bestehen einer Rechtsfrage vgl. Prütting, Zulassung, S.  153 ff. 77  BVerwG, Beschluss vom 16. August 1989 – 7 B 57/89 –, DVBl. 1989, 1196 (1197); BVerwG, Beschluss vom 19. September 1991 – 1 CB 24/91 –, DVBl. 1991, 1369 (1369); K ­ ummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  305. 78  BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1988 – 7 NB 3/88 –, BVerwGE 81, 139 (141); W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  132 Rn.  9; Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  64; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  312. 75 

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Bestimmungen des RsprEinhG79 vorgesehen80. Tatsachenfragen können hin­ gegen aufgrund der ausschließlichen Rechtskontrollfunktion der Revision den Zugang zum Revisionsgericht naturgemäß nicht eröffnen, selbst wenn ihnen Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl zukünftiger Fallgestaltungen, wie etwa im Bereich des Asyl- und Ausländerrechts81, zukommen sollten82. Zudem muss es sich um eine Frage des revisiblen Rechts i. S. d. §  137 Abs.  1 VwGO handeln, also um eine solche des Bundesrechts bzw. des mit Bundesverwaltungs­ verfahrensrecht wortlautidentischen Landesverwaltungsverfahrensrechts83. Für die eigenständige Auslegung des irrevisiblen Landesrechts fehlt es dem Bundesverwaltungsgericht an entsprechenden Entscheidungskompetenzen, sodass eine Rechtsfrage aus diesem Rechtsbereich auch nicht die Zulassung der Revision gebieten kann84. (2) Grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn an der höchstrichterlichen Beantwortung der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage ein allgemeines Interesse besteht. Das ist wiederum der Fall, wenn sich die Rechtsfrage nicht nur in dem in Rede stehenden Verfahren, sondern auch in einer unbestimmbaren Vielzahl ähnlicher zukünftiger Fallkonstellationen in gleicher Wei-

79  Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichts­höfe des Bundes vom 19. Juni 1968, BGBl. I S.  661, zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 05. Dezember 2012, BGBl. I S.  2418. 80  BVerwG, Beschluss vom 16. November 2007 – 9 B 36/07 –, NVwZ 2008, 212 (213); Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  70; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  304. 81  Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  16 führt als Beispiel die Frage nach der Gruppenverfolgung einer bestimmten Ethnie an, die als Tatfrage von allgemeinem Interesse nach BVerwG, Urteil vom 31. Juli 1984 – 9 C 46/84 –, BVerwGE 70, 24 (24 f.) zwar die Zulassung der Berufung, nicht aber die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache rechtfertigen kann. 82  BVerwG, Beschluss vom 09. Juni 1970 – VI B 22.69 –, VerwRspr 22, 1002 (1002); Prütting, Zulassung, S.  123; May, Revision, IV Rn.  52; Geis/Thirmeyer, JuS 2013, 799 (800). 83  BVerwG, Beschluss vom 24. März 1986 – 7 B 35/86 –, NVwZ 1986, 739; BVerwG, Beschluss vom 25. Oktober 1995 – 4 B 216/95 –, BVerwGE 99, 351 (353 f.). Ausführlich zu Fragen der Revisibilität Kuhla, in: Kuhla/Hüttenbrink/Endler, Der Verwaltungsprozess, Abschnitt F Rn.  89 ff. und Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  78 ff. jeweils m. w. N. 84  BVerwG, Beschluss vom 03. März 1997 – 8 B 130/96 –, NVwZ 1998, 66; BVerwG, Beschluss vom 07. Januar 2010 – 7 BN 2/09 –, BayVBl 2011, 510 (511). Gleichwohl kann auch die Auslegung eines Landesgesetz durch das Berufungsgericht mit bundesrechtlichen Maßstäben, die hierbei zu berücksichtigen sind, kollidieren und insoweit eine revisible Rechts­ frage aufwerfen, vgl. BVerwG, Urteil vom 14. September 1994 – 6 C 42/92 –, BVerwGE 96, 350 (355).

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se stellen kann85. Hierfür genügt es weder allein, dass die Rechtsfrage höchstrichterlich noch nicht ausreichend geklärt worden ist noch, dass diese eine größere Zahl anderer Verfahren ebenfalls betreffen könnte. Erforderlich ist vielmehr, dass der Problemgehalt des zur Beurteilung stehenden Verfahrens gerade ein Bedürfnis nach einer verallgemeinerungsfähigen Stellungnahme des Revisionsgerichts aufwirft86. Zentral für die Frage nach der Verallgemeinerungsfähigkeit des Rechtsproblems ist demnach die Prognose, ob die Beantwortung der Rechtsfrage in Form eines verallgemeinerungsfähigen abstrakten Rechtssatzes möglich wäre, der nicht nur für die Verbescheidung der konkreten Rechtssache erforderlich wäre, sondern für den von der jeweiligen Rechtsmaterie betroffenen Verkehrskreis insgesamt von Bedeutung ist87. Das wirtschaftliche Gewicht der Rechtssache rechtfertigt dabei ebenso wenig wie die sonstige tatsächliche Bedeutung der Rechtssache die Zulassung der Grundsatzrevision88. Dem Zulassungsgrund des §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO geht es nämlich gerade nicht um die Befriedigung individueller Interessen, mögen sie auch im Einzelfall noch so gravierend sein, sondern allein um die zukunftsgerichtete Klärung einer frag­lichen oder zweifelhaften Rechtslage zum Vorteil der Rechtsgemeinschaft in ihrer Gesamtheit89. Maßgebliches Kriterium der Grundsatzbedeutung i. S. v. ­allgemeiner Bedeutung der Rechtsfrage ist damit die zu erwartende „Breitenwirkung“ der diesbezüglichen Stellungnahme des Revisionsgerichts für die Rechtseinheit und die Einheitlichkeit der Rechtsentwicklung90. 85  BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 08. Dezember 2010 – 1 BvR 381/10 –, NJW 2011, 1276 (1277); BVerwG, Beschluss vom 09. Juni 1970 – VI B 22.69 –, VerwRspr 22, 1002 (1002); BayVerfGH, Entscheidung vom 12. Juli 2012 – Vf. 56-VI-11 –, BayVBl. 2013, 575 (576); Meyer-Ladewig, in: Bachof/Heigl/Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (419); Rosenthal, Probleme des ZPO-RG, S.  138; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  322. 86  BVerwG, Beschluss vom 26. September 1995 – 6 B 61/95 –, PersR 1996, 27; BVerwG, Beschluss vom 12. Juli 2012 – 4 B 13/12 –, BayVBl. 2013, 93 (93); Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  86; Wenzel, NJW 2002, 3353 (3354); Lässig, Fehlerhafte Rechtsmittelzulassung, S.  43; Traut, Zugang zur Revision, S.  123; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  132 Rn.  12. 87  BVerwG, Beschluss vom 16. August 1989 – 7 B 57/89 –, DVBl. 1989, 1196 (1197); BVerwG, Beschluss vom 19. September 1991 – 1 CB 24/91 –, DVBl. 1991, 1369 (1369); Prütting, Zulassung, S.  153, 158; Kuhla, in: Kuhla/Hüttenbrink/Endler, Der Verwaltungsprozess, Abschnitt F Rn.  102; Himstedt/Kautz, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, §  132 VwGO Rn.  13. 88  BVerwG, Beschluss vom 09. Juni 1970 – VI B 22.69 –, VerwRspr 22, 1002 (1002); Prütting, Zulassung, S.  177 f.; Wenzel, NJW 2002, 3353 (3354). 89  Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  60 f.; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  347; Redeker, in: Redeker/von Oertzen, VwGO, §  132 Rn.  8. 90  Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  83.

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(3) Abstrakter höchstrichterlicher Klärungsbedarf der Rechtsfrage Zulassungsrelevanz besitzt eine Rechtssache im Anwendungsbereich des §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO nicht allein deswegen, weil sie eine Rechtsfrage von allgemeinem Interesse aufwirft. Aus dem Zweck der Grundsatzrevision, das Recht in den Bereichen fortzubilden, in denen die Gesetzeslage noch unklar ist, folgt, dass nur solche Rechtsfragen zu einer entsprechenden Zulassung führen können, die auch gerade einen höchstrichterlichen Klärungsbedarf aufwerfen91. Dieser Klärungsbedarf muss gleichsam in abstracto bestehen, die Entscheidung der Rechtsfrage darf also nicht nur ausschließlich für die Beurteilung des jeweiligen Falles erforderlich sein, denn diesbezüglich hat sich ja schon das Vordergericht im Rahmen seiner Behandlung der Rechtssache mit diesem Rechts­ problem befasst und in einem bestimmten Sinne entschieden92. Die Freigabe des Revisionszugangs ist vielmehr nur erforderlich, wenn der in Rede stehende Problemkreis gerade einer Stellungnahme des Bundesverwaltungsgerichtes als höchstem Fachgericht bedarf93. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Antwort auf die Rechtsfrage zweifelhaft ist, weil es hierfür an einer eindeutigen gesetzlichen Aussage fehlt oder die Gesetzeslage ein Auslegungsproblem offenbart und dieses bisher auch noch nicht abschließend höchstrichterlich entschieden worden ist94. Lässt sich die Lösung des Rechtsproblems hingegen ohne weitere Auslegungsschwierigkeiten dem Gesetz selbst entnehmen95 oder unter Zuhilfenahme einer anderweitig bestehenden Rechtsprechungslinie eindeutig beantworten96, so soll es bereits an deren Zweifelhaftigkeit mangeln und ein Bedarf nach einer Entscheidung des Revisionsgerichts gar nicht erst entstehen können97. Von einer Traut, Zugang zur Revision, S.  97. BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 1987 – 5 B 49/87 –, Buchholz 436.0 §  69 BSHG Nr.  14 S.  6; BVerwG, Beschluss vom 30. März 2005 – 1 B 11/05 –, NVwZ 2005, 709 (709). 93  BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 1994 – 4 B 266/94 –, NVwZ 1995, 601 (602); BVerwG, Beschluss vom 24. August 1999 – 4 B 72/99 –, BVerwGE 109, 268 (270); BVerwG, Beschluss vom 12. Juli 2012 – 4 B 13/12 –, BayVBl. 2013, 93 (93); Maetzel, MDR 1961, 453 (453); Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  35; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  194; Wenzel, NJW 2002, 3353 (3358). 94  Nasall, NJW 2003, 1345 (1347); Traut, Zugang zur Revision, S.  126. 95  BVerwG, Beschluss vom 14. August 1962 – V B 83.61 –, DVBl 1962, 869 (869); B ­ VerwG, Beschluss vom 04. November 1987 – 1 B 112/87 –, NJW 1988, 662 (663); Meyer-­ Ladewig, in: Bachof/Heigl/Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (419); Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  65; May, Revision, IV Rn.  57; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  313. 96  BVerwG, Beschluss vom 24. August 1999 – 4 B 72/99 –, BVerwGE 109, 268 (270); BVerwG, Beschluss vom 03. März 1997 – 8 B 130/96 –, NVwZ 1998, 66; Eggert, Nichtzu­ lassungsbeschwerde, S.  72; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  314; Ewer, in: Quaas/ Zuck, Prozesse in Verwaltungssachen, §  7 Rn.  42. 97  BVerwG, Beschluss vom 19. September 1991 – 1 CB 24/91 –, DVBl. 1991, 1369 (1369); 91 

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§  3 Revision und Revisionszulassung

dergestalt erforderlichen Eindeutigkeit der Rechtslage trotz bisher fehlender höchstrichterlicher Judikatur dürfte gleichwohl dann nicht auszugehen sein, wenn zu der gegenständlichen Rechtsfrage in der Rechtsprechung der Instanzgerichten verschiedene Auffassungen vertreten werden und die Frage auch im Schrifttum nicht einheitlich beantwortet wird98. An der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage fehlt es jedenfalls dann, wenn sie vom Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden worden ist99 und diese Judikatur auch der aktuellen Rechtssprechungslinie entspricht, also nicht als überholt anzusehen ist100. Trotz Vorliegens einer entsprechenden Stellungnahme des Revisionsgerichts kann eine Rechtsfrage gleichwohl wieder zweifelhaft und damit klärungsbedürftig werden, wenn sich eine nachträgliche Gesetzes­ änderung auch auf das zugrunde liegende Normgefüge und damit mittelbar auch auf das in Rede stehende Rechtsproblem auswirken könnte und es daher zur Klarstellung, ob an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten ist oder nicht, einer entsprechenden höchstrichterlichen Aussage bedarf101. Ein erneuter Klärungsbedarf kann gleichfalls dann gegeben sein, wenn gewichtige neue G ­ esichtspunkte gegen die bisherige Judikatur vorgebracht werden können, die vormals noch unbekannt waren oder aus sonstigen Gründen unberücksichtigt geblieben sind102. Anhaltspunkte dafür können beispielsweise sein, dass die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung auf gewichtige Kritik im rechtswisBVerwG, Beschluss vom 30. Mai 2013 – 4 B 3/13 –, BayVBl. 2013, 697 (697). Lässig, Fehlerhafte Rechtsmittelzulassung, S.  54 warnt in diesem Zusammenhang davor, die Grundsatzzulassung vorschnell unter dem Gesichtspunkt der Eindeutigkeit des Auslegungsergebnisses zu verweigern, weil es in vielen Fällen gerade zweifelhaft sei, welcher konkrete Norminhalt denn aufgrund dieser Auslegung im jeweiligen Fall Anwendung zu finden habe. 98  BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 08. Dezember 2010 – 1 BvR 381/10 –, NJW 2011, 1276 (1277); BayVerfGH, Entscheidung vom 12. Juli 2012 – Vf. 56-VI-11 –, BayVBl. 2013, 575 (576); Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  74. 99  BVerwG, Beschluss vom 02. August 1960 – VII B 54.60 –, DVBl. 1960, 854; BVerwG, Beschluss vom 22. August 1986 – 3 B 47/85 –, NVwZ 1987, 55; May, Revision, IV Rn.  59; Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  36. 100  May, Revision, IV Rn.  61. 101  Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  73; Traut, Zugang zur Revision, S.  127; ­Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  320; Ewer, in: Quaas/Zuck, Prozesse in Verwaltungs­ sachen, §  7 Rn.  46. 102  BVerwG, Beschluss vom 02. August 1960 – VII B 54.60 –, DVBl. 1960, 854; BVerwG, Beschluss vom 25. November 1992 – 6 B 27/92 –, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr.  306; Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  66; Prütting, Zulassung, S.  138; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  316; Traut, Zugang zur Revision, S.  127; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  58; Ewer, in: Quaas/Zuck, Prozesse in Verwaltungssachen, §  7 Rn.  44; von Wedelstädt, Der Betrieb 1991, 1899 (1901); Depenbrock, RdA 1958, 407 (408). Nach BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 1994 – 1 BvR 1022/88 –, BVerfGE 91, 93 (118) stehe dem Zulassungsgericht ein Beurteilungsspielraum bei der Frage zu, ob durch neue Gesichtspunkte die bishe-

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senschaftlichen Schrifttum gestoßen ist103 oder ihr von den Instanzgerichten in bewusster und nicht lediglich rechtsfehlerhafter Weise mit nicht von der Hand zu weisenden Gegenargumenten die Gefolgschaft verweigert wird104. bb) Zulassungsfähigkeit der Rechtssache Zulassungsfähig ist eine Rechtssache nach §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO nur dann, wenn die zulassungsrelevante – also grundsätzlich bedeutsame und auch klärungsbedürftige – Rechtsfrage auch im konkret in Aussicht stehenden Revi­ sionsverfahren einer Klärung zugänglich ist. Die Rechtsfrage muss daher sowohl im Berufungsurteil in entscheidungserheblicher Weise beantwortet worden als auch im Revisionsverfahren klärungsfähig sein105. (1) Entscheidungsrelevanz der Rechtsfrage im Berufungsverfahren Die vordergerichtliche Entscheidung muss auf der Stellungnahme des Berufungsgerichts zu der grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfrage beruhen. Fragen, mit denen sich die Vorinstanz überhaupt nicht befasst hat106 oder die erst eine weitere Sachverhaltsaufklärung erforderlich machen und sich daher erst nach Aufhebung und Zurückverweisung durch eine Revisionsentscheidung stellen würden107, können die Zulassungsfähigkeit der Rechtssache nicht begründen. Dies gilt selbst dann, wenn die materielle Rechtsansicht des Berufungsgerichts rige Rechtsprechung tatsächlich so stichhaltig in Frage gestellt sei, dass es einer neuerlichen Stellungnahme auf Grundlage einer entsprechenden Revisionszulassung bedürfte. 103  Meyer-Ladewig, in: Bachof/Heigl/Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (419); von Gierke/Seiler, NJW 2004, 1497 (1498). 104  Prütting, Zulassung, S.  138; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  316; Meyer-­ Ladewig, in: Bachof/Heigl/Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (430); May, Revision, IV Rn.  60. 105  BVerwG, Beschluss vom 30. März 2005 – 1 B 11/05 –, NVwZ 2005, 709 (709 f.); BGH, Beschluss vom 07. Januar 2003 – X ZR 82/02 –, BGHZ 153, 254 (256 f.); Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  14; Roth, in: Baumeister/Roth/Ruthig, Festschrift Schenke, S.  1107 (1107). 106  BVerwG, Beschluss vom 29. Juni 1992 – 3 B 102/91 –, Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr.  17 S.  6; BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 1992 – 5 B 99/92 –, Buchholz 310 §  132 VwGO Nr.  309 S.  43 f.; BVerwG, Beschluss vom 05. Januar 1993 – 11 B 51/92 –, DVBl. 1993, 790 (790); BVerwG, Beschluss vom 05. September 1996 – 9 B 387/96 –, Buchholz 310 §  132 Abs.  2 Ziff.  1 VwGO Nr.  12 S.  19 f.; BVerwG, Beschluss vom 17. März 2000 – 8 B 287/99 –, BVerwGE 111, 61 (62); BAG, Beschluss vom 15. Oktober 2012 – 5 AZN 1958/12 –, NJW 2013, 413 (414). 107  BVerwG, Beschluss vom 29. März 1961 – III B 43.60 –, NJW 1961, 1229; BVerwG, Beschluss vom 30. März 2005 – 1 B 11/05 –, NVwZ 2005, 709 (710); BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 2008 – 9 B 34/07 –, Buchholz 442.09 §  18 AEG Nr.  65 S.  24; Prütting, Zulassung, S.  129.

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falsch sein sollte und das Gericht daher – von seinem Standpunkt aus konsequent – weitere Tatsachenfeststellungen oder die Erörterung anderer rechtlicher Lösungsansätze unterlassen hat, die es eigentlich bei zutreffender Einschätzung der Rechtslage hätte vornehmen müssen108. Hat sich das Berufungsgericht mit der Rechtsfrage befasst und hierzu Tatsachenfeststellungen getroffen, so beruht dessen Urteil gleichwohl nicht hierauf, wenn dieses vom Gericht kumulativ mehrfach begründet worden ist und die anderen selbstständig tragfähigen Begründungsansätze nicht auch in zulassungsrelevanter Weise in Frage gestellt werden könnten109. (2) Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage im künftigen Revisionsverfahren Die Zulassung der Grundsatzrevision kommt nur dann in Betracht, wenn die Rechtssache nicht nur eine Rechtsfrage aufwirft, die abstrakt der höchstrichterlichen Klärung bedarf, sondern diese darüber hinaus auch gerade in dem konkret in Aussicht stehenden Revisionsverfahren geklärt werden könnte. Das Revisionsgericht kann nur zu solchen Rechtsproblemen in abschließender Weise Stellung nehmen, die für die Beurteilung des jeweils anhängigen Streitfalles auch tatsächlich notwendig sind110. Abzustellen ist hierbei auf die Perspektive der Kassationskomponente der Revision nach §  137 Abs.  1 VwGO. Denn die revisionsgerichtliche Klärung von Rechtsfragen, auf die schon das Berufungsgericht seine Entscheidung gestützt hat, erfolgt zwangsläufig im Wege der Urteilskontrolle, also durch die Beurteilung, ob das Vordergericht durch Beantwor­ tung der Rechtsfrage revisibles Recht verletzt hat und auf dieser Rechtsverletzung beruht. Der Überprüfbarkeit des Begründungsansatzes im Berufungsurteil, der die grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage enthält, können bestimmte Hindernisse entgegenstehen, die sowohl die Aufhebbarkeit des eventuell fehlerhaften Urteils in der Revision als auch schon die Zulassungsfähigkeit der Rechts­ sache ausschließen. So fehlt es etwa dann an der ausreichenden Klärungsfähig108  BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 1992 – 5 B 99/92 –, Buchholz 310 §  132 VwGO Nr.  309 S.  43; BVerwG, Beschluss vom 17. März 2000 – 8 B 287/99 –, BVerwGE 111, 61 (62). Kritisch hierzu Czybulka, in: Sodan/Ziekow, §  132 Rn.  64. 109  BVerwG, Beschluss vom 22. Juli 1987 – 1 B 170/86 –, NVwZ 1987, 1086; BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 2008 – 9 B 34/07 –, Buchholz 442.09 §  18 AEG Nr.  65 S.  25; Prütting, Zulassung, S.  132; Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  26. Vgl. hierzu oben §  3 I. 2. a). 110  May, Revision, IV Rn.  63; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  75; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  324; Hanack, Ausgleich, S.  112; Lässig, Fehlerhafte Rechtsmittel­ zulassung, S.  52; Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  38. Ähnlich VGH Mannheim, Beschluss vom 16. August 1999 – NC 9 S 31/99, NC 9 S 32/99, NC 9 S 33/99, NC 9 S 34/99 –, NVwZ 1999, 1357 zur Zulassungsbeschwerde nach §  146 Abs.  4 VwGO a. F.

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keit der Rechtsfrage, wenn ihre Beantwortung die Auslegung und Anwendung irrevisiblen Rechts erforderlich machen würde111. Gleiches soll gelten, wenn das Bundesverwaltungsgericht aus prozessualen Gründen an einer Stellungnahme zur Rechtsfrage gehindert wäre, etwa weil es die Revision schon wegen Unzulässigkeit von Klage oder Berufung verwerfen müsste, die geltend gemachte Grundsatzfrage aber die Begründetheit des Rechtsschutzbegehrens betrifft112. Zudem ist es dem Bundesverwaltungsgericht aufgrund der auch für den zweiten Revisionsrechtsgang eintretenden Bindungswirkung der erstmaligen Zurückverweisungsentscheidung nach §  144 Abs.  6 VwGO nicht möglich, seine darin geäußerte Rechtsauffassung zu ändern, weshalb Rechtsfragen, die zuvor im selben Verfahren in bestimmter Weise entscheiden worden sind, keiner anderweitigen Klärung mehr zugänglich sind113. Dagegen berührt es die Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage im Revisionsverfahren nicht, dass diese die Entscheidungskompetenzen eines anderen Gerichts tangiert, weil diesbezüglich eine Vorlagepflicht, etwa nach §  2 RsprEinhG, Art.  100 GG oder Art.  267 AEUV, bestehen kann. Vorlageverfahren stellen sich als unselbstständige Verfahrensabschnitte im einheitlich zu betrachtenden Rechtsmittelverfahren dar, weshalb auch eine Rechtsfrage, zu der zuvor die verbindliche Stellungnahme eines Vorlagespruchkörpers eingeholt werden muss, »im Rechtsmittelverfahren« im weitesten Sinne geklärt werden kann114. c) Abweichung von einer Entscheidung eines höheren Gerichts (Divergenz), §  132 Abs.  2 Nr.  2 VwGO Im Verwaltungsprozess ist die Revision gemäß §  132 Abs.  2 Nr.  2 VwGO auch dann zuzulassen, wenn sich feststellen lässt, dass das Berufungsurteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und das Judikat auf dieser Abweichung beruht. Die Pflicht zur Zulassung 111  BVerwG, Beschluss vom 28. August 1953 – II B 136.53 –, BVerwGE 1, 3 (4); BVerwG, Beschluss vom 24. März 1986 – 7 B 35/86 –, Buchholz 310 §  137 VwGO Nr.  132 S.  15 f.; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  329; Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  69. 112  BVerwG, Beschluss vom 30. August 1962 – III B 88.61 –, VerwRspr 15, 367 (367). Hierzu Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  76 und Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  325 jeweils m. w. N. 113  BVerwG, Urteil vom 22. Juni 1977 – VIII C 49.76 –, BVerwGE 54, 116 (123); Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  77; Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  46. 114  BVerwG, Beschluss vom 22. Oktober 1986 – 3 B 43/86 –, NJW 1988, 664; Meyer-­ Ladewig, in: Bachof/Heigl/Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (419); Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  74; Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  48, 50.

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der Divergenzrevision dient der Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung im Verwaltungsrechtsweg115 und verwirklicht damit das objektiv-rechtliche Ideal der Rechtseinheit im Bereich der Judikative sowie das rechtsstaatliche Gebot der Rechtsanwendungsgleichheit116. Darüber hinaus dient die Divergenzzulassung neben Allgemeininteressen auch den Belangen der Prozessparteien, aus deren Sicht sich die Abweichung der vordergerichtlichen Entscheidung von einer höchstrichterlichen Rechtsprechungslinie als Enttäuschung ihres in die Beständigkeit und Vorhersehbarkeit der Rechtsprechung gesetzten Vertrauens darstellt117. Da immer dann, wenn sich eine Divergenz i. S. v. §  132 Abs.  2 Nr.  2 VwGO feststellen lässt, eine der beiden miteinander in Konflikt stehenden Entscheidungen in Auslegung einer bestimmten Norm zum Beurteilungszeitpunkt denknotwendigerweise falsch sein muss118, verwirklicht die Abweichungskontrolle durch das Bundesverwaltungsgericht zugleich eine Aufsichtsfunktion der Bundesjudikative über die Ländergerichtsbarkeit in Fragen des materiellen Rechts119. Im Vergleich zur Grundsatzrevision ist die primäre Funktion der ­Divergenzrevision damit nicht die präventiv zukunftsbezogene Wahrung der Rechtseinheit durch Aufstellung abstrakter höchstrichterlicher Auslegungsgrundsätze, sondern deren repressive Absicherung durch eine Kontrolle der Einhaltung eben jener Rechtssätze durch die Untergerichte120. Mag auch jeder Richter gleich welcher Instanz bei seiner Entscheidung nur dem Gesetz unterworfen und im Übrigen sachlich frei sein (Art.  20 Abs.  3, 97 Abs.  1 GG), ohne an Präjudizien oder herrschende Ansichten gebunden zu sein121, so obliegt doch allein dem jeweils höchsten Fachgericht die Kompetenz 115  BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 1953 – I B 10.53 –, BVerwGE 1, 1 (3); BVerwG, Beschluss vom 13. August 1990 – 9 B 49/90 –, BVerwGE 85, 295 (295); Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  77. 116  Lässig, Fehlerhafte Rechtsmittelzulassung, S.  46; Maetzel, MDR 1961, 453 (453). Hanack, Ausgleich, S.  80, Traut, Zugang zur Revision, S.  45; Duske, Aufgaben, S.  67 mit Fn.  227 und Baur, ZZP 71, 161 (177) weisen darauf hin, dass die Rechtseinheit Vorbedingung der Einzelfallgerechtigkeit ist, denn nur eine Entscheidung, die gleiches Recht gleich anwende, könne auch eine inhaltlich richtige sein. 117  Baur, JZ 1953, 326 (326); Schneider, NJW 1977, 1043 (1043); Boeckh, Beschwerde im Zivilverfahren, S.  238; Günther, DVBl. 1998, 678 (680); May, Revision, VIII Rn.  131; Proske, NJW 1997, 352 (353). Ähnlich Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Bd. II, Art.  20 (Rechtsstaat) Rn.  177 zur Problematik von Rechtssprechungsänderungen. 118  Ebenso Hanack, Ausgleich, S.  110 und Schafft, Selektion, S.  51. 119  Duske, Aufgaben, S.  150; Baur, ZZP 71, 161 (177). 120  BVerwG, Beschluss vom 27. Februar 1997 – 5 B 155/96 –, Buchholz 310 §  132 Abs.  2 Ziff.  1 VwGO Nr.  15 S.  22; Paulus, ZZP 71, 188 (213); Duske, Aufgaben, S.  61; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  68, 91; Günther, DVBl. 1998, 678 (680). 121  Hanack, Ausgleich, S.  353. Insoweit ist die Rechtspflege „konstitutionell uneinheitlich“ und in Auslegung und Anwendung derselben Vorschrift auf verschiedene Sachverhalte

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zur letztverbindlichen Auslegung des im gesamten Staatsgebiet gleich geltenden Rechts122. Daher ist es den Instanzgerichten zwar von Rechts wegen erlaubt, von einer höchstrichterlichen Rechtsprechung abzuweichen, wenn sie diese für unzutreffend erachten123, zugleich verpflichtet das geltende Rechtsmittelrecht das Gericht in diesem Fall aber dazu, über die Bestimmungen der Divergenzzulassung das gegen ihre Entscheidungen statthafte Rechtsmittel zuzulassen124. Weicht das Vordergericht demgegenüber unbewusst von höhergerichtlichen ­Judikaten ab, so ermöglicht es das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde, dem iudex ad quem korrigierend in die Rechtsprechung der Untergerichte einzugreifen125. Auf die wegen Divergenz zugelassene Revision hin ist es dem Revisionsgericht dann möglich, sowohl die vordergerichtliche als auch die eigene Judikatur einer Überprüfung zu unterziehen und diese nötigenfalls zu korrigieren, aber auch im Bedarfsfalle rechtsfortbildend tätig zu werden126. Die herrschende Meinung erkennt daher in der Divergenz einen gesetzlich geregelten Spezialfall der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, weil eine entscheidungsrelevante Abweichung des iudex a quo von der Rechtsprechung des iudex ad quem stets einen im Allgemeininteresse liegenden höchstrichterlichen Klärungsbedarf aufwerfe127. Dies hat zur Konsequenz, dass im Einzelfall auch eine auf eine Abweichung gestützte Nichtzulassungsbeschwerde zur Zulassung der nicht zur strikten Gleichbehandlung verpflichtet, vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. April 1988 – 1 BvR 669/87, 1 BvR 686/87, 1 BvR 687/87 –, BVerfGE 78, 123 (126); BVerfG, Beschluss vom 03. November 1992 – 1 BvR 1243/88 –, BVerfGE 87, 273 (278); Maunz/Scholz, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 72. Ergänzungslieferung Juli 2014, Art.  3 Rn.  410. 122  Pohle, Gutachten B für den 44. DJT., S.  18; Haueisen, DVBl. 1958, 769 (775); Proske, NJW 1997, 352 (353). 123  Bittner, JZ 2013, 645 (646). 124  Neuhäuser, Zulassung der Berufung, S.  261; Hanack, Ausgleich, S.  354; May, Revi­ sion, VIII Rn.  130; Müller, NJW 1955, 1740 (1741). 125  Die Abweichungskontrolle stellt im Falle unbewusster Divergenz nach Schafft, Selektion, S.  112; Hermann, Steuerprozess, Rn.  156 und Müller, NJW 1955, 1740 (1741) ein Instrument der Sicherstellung der materiellen Richtigkeit gerichtlicher Sachentscheidungen dar, denn das Übersehen einer eigentlich einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechungslinie durch den iudex a quo trage in besonderem Maße das Potenzial einer Fehlentscheidung in sich. 126  Schafft, Selektion, S.  54; Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, §  39 Rn.  9. Ebenso Rosen­ thal, Probleme des ZPO-RG, S.  107 zur Divergenzvorlage nach §  132 Abs.  2 GVG. 127  Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. Januar 1993 – 2 BvR 1058/92, 2 BvR 1059/92 –, NVwZ 1993, 465 (466); BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 1965 – III B 10.65 –, DVBl 1965, 841 (841 f.); BVerwG, Beschluss vom 09. November 1979 – 4 N 1/78, 4 N 2/79, 4 N 3/79, 4 N 4/79 –, BVerwGE 59, 87 (93); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  373; Weyreuther, Revisionszulassung Rn.  93; Prütting, Zulassung, S.  223; Schafft, Selektion, S.  63; Pietzner/ Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  72; Rimmelspacher, in: Gottwald/ Roth, Festschrift Schumann, S.  327 (343). A. A. W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO,

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Grundsatzrevision führen kann, wenn der Vortrag des Beschwerdeführers zwar keine Divergenz im prozessualen Sinne des §  132 Abs.  2 Nr.  2 VwGO aufzeigt, sich aus diesem aber die Erfüllung der Voraussetzungen der Grundsatzzulassung nach §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO ergibt128. Gleiches gilt im umgekehrten Fall, wobei das Fehlen divergenzspezifischer Darlegungen in der Beschwerdebegründung einer Umdeutung einer Grundsatz- in eine Divergenzrüge dann nicht entgegensteht, wenn die Divergenzentscheidung dem Beschwerdeführer faktisch nicht bekannt sein konnte, etwa weil sie erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist ergangen ist129. aa) Zulassungsrelevanz der Rechtssache Im Anwendungsbereich des §  132 Abs.  2 Nr.  2 VwGO besitzt eine Rechtssache Zulassungsrelevanz, wenn das Vordergericht bei seiner Entscheidung über den Rechtsstreit in Auslegung einer Vorschrift des revisiblen Rechts einen abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, der mit einem Rechtssatz, den eines der in §  132 Abs.  2 Nr.  2 VwGO enumerierten Gerichte in Auslegung derselben Vorschrift aufgestellt hat, inhaltlich in Widerspruch steht130. (1) Aufstellung eines abstrakten Rechtssatzes durch das Vordergericht Anlass der Divergenzrevision ist eine Kollision der Rechtsauffassungen des Vordergerichts und des Divergenzgerichts in den Entscheidungsgrundlagen, nicht aber notwendigerweise auch im Entscheidungsergebnis131. Das Berufungs­ gericht setzt sich somit nur dann in zulassungsrelevanter Weise in Widerspruch zu einer Entscheidung eines Divergenzgerichts, wenn es zu einer bestimmten Auslegungsfrage eine andere Rechtsauffassung als das höhere Gericht vertritt. Unabhängig von den Umständen des Einzelfalles muss das Gericht daher auf der Ebene der Definition eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmales einer Vorschrift des revisiblen Rechts selbst einen abstrakten Rechtssatz aufgestellt h­ aben, der aus dessen Sicht nicht nur für den konkret zu entscheidenden Rechts§  132 Rn.  14; Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, §  39 Rn.  9; Günther, DVBl. 1998, 678 (680) und Schreiner, Zulassungsberufung, S.  122 f. 128  BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 1966 – VIII B 109.64 –, BVerwGE 24, 91 (91 f.); BAG, Beschluss vom 25. Oktober 1989 – 2 AZN 401/89 –, NZA 1990, 536 (536 f.); Rennert, NVwZ 1998, 665 (669). 129  BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 1986 – 8 B 7/85 –, Buchholz 310 §  132 VwGO Nr.  240 S.  24; Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  59. 130  BAG, Beschluss vom 26. Juni 2001 – 9 AZN 132/01 –, BAGE 98, 109 (110); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  379; May, Revision, IV Rn.  75. 131  May, Revision, IV Rn.  76; Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  37; Schneider, NJW 1977, 1043 (1043).

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streit, sondern auch für eine Vielzahl anderer künftiger Verfahren mit vergleich­ barem Sachverhalt Gültigkeit beanspruchen soll132. Unter einem solchen abstrakten Rechtssatz ist „die sprachliche Form zu verstehen, die sich mit der bloßen Wiedergabe des Gesetzeswortlauts nicht begnügt, sondern den Inhalt der Norm näher umschreibt, der von Rechts wegen Geltung beansprucht“133. Dieser Rechtssatz kann in der Entscheidung entweder explizit zum Ausdruck gekommen sein oder auch – ohne ausdrückliche Benennung – dieser implizit zu Grunde liegen und durch Induktion des Subsumtionsschlusses des Vordergerichts zu ermitteln sein134. Der Rechtssatz muss jedoch in der Entscheidung unzweifelhaft selbst zum Ausdruck kommen, es muss sich also nachträglich feststellen lassen können, dass das Vordergericht seine Entscheidung hierauf stützen wollte135. (2) Abweichung von einem abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung eines Divergenzgerichts Eine zulassungsrelevante Abweichung liegt in dem vom Berufungsgericht aufgestellten abstrakten Rechtssatz dann begründet, wenn dieser in Widerspruch zu einem ebenfalls abstrakten Rechtssatz steht, der vom Bundesverwaltungsgericht, dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder dem Bundesverfassungsgericht bei der Beurteilung der gleichen Rechtsfrage in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt worden ist136. Eine Gegenüber132  BVerwG, Beschluss vom 22. Juli 1987 – 1 B 170/86 –, NVwZ 1987, 1086; BVerwG, Beschluss vom 05. Oktober 1990 – 4 B 249/89 –, NVwZ-RR 1991, 118 ff. (relevanter Begründungsteil nicht mit abgedruckt, vgl. juris, Rn.  29); BSG, Beschluss vom 27. Januar 1999 – B 4 RA 131/98 B –, NZS 1999, 571 (573); Prütting, Zulassung, S.  218; Baring, NJW 1965, 2280 (2281); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  389. 133  BVerwG, Beschluss vom 07. März 2001 – 8 B 36/01 – (unveröffentlicht, juris); Ewer, in: Quaas/Zuck, Prozesse in Verwaltungssachen, §  7 Rn.  52. 134  BVerwG, Beschluss vom 15. September 2005 – 1 B 12/05 –, Buchholz 402.25 §  1 AsylVfG Nr.  316 S.  156 f.; BSG, Beschluss vom 27. Januar 1999 – B 4 RA 131/98 B –, NZS 1999, 571 (573); Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  114; Eggert, Nichtzulassungsbeschwer­ de, S.  93; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  389; Traut, Zugang zur Revision, S.  150; Neuhäuser, Zulassung der Berufung, S.  190; Schmid, DStR 1993, 1284 (1287); Maetzel, MDR 1961, 453 (454); Schneider, NJW 1977, 1043 (1043); Pietzner/Buchheister, in: Schoch/ Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  72. 135  BVerwG, Beschluss vom 22. Februar 1991 – 6 PB 8/90 –, PersR 1991, 409 (nur Leitsatz); BSG, Beschluss vom 27. Januar 1999 – B 4 RA 131/98 B –, NZS 1999, 571 (573); BAG, Beschluss vom 15. Oktober 1979 – 7 AZN 9/79 –, BAGE 32, 136 (138); Czybulka, in: Sodan/ Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  90; Ewer, in: Quaas/Zuck, Prozesse in Verwaltungssachen, §  7 Rn.  54; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  92. 136  BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 1989 – 7 B 188/88 –, NVwZ 1989, 1169 (1169); ­BVerwG, Beschluss vom 10. Juli 1995 – 9 B 18/95 –, NVwZ-RR 1997, 191 (191); Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  107, 116; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  91. Umstritten ist,

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stellung der beiden Rechtssätze muss dabei ergeben, dass sie ihrem Inhalt nach objektiv miteinander unvereinbar sind und diese daher aus Gründen der Rechtssprechungseinheit und der Rechtsanwendungsgleichheit bei Anwendung auf denselben Sachverhalt nicht gleichzeitig nebeneinander Bestand haben könnten137. Bloße Subsumtionsfehler des Berufungsgerichts bei Anwendung eines höchstrichterlichen Rechtssatzes oder das schlichte Übersehen einer bestehenden Rechtssprechungslinie stellen demgegenüber gegebenenfalls zwar Revi­ sionsgründe i. S. d. §  137 Abs.  1 VwGO, aber keine die Pflicht zur Revisions­ zulassung begründenden Divergenzen dar138. Bringt nämlich der iudex a quo zum Ausdruck, dass er der Rechtsprechung des iudex ad quem nicht prinzipiell die Gefolgschaft verweigern will, sondern diese auch im konkreten Verfahren anzuwenden beabsichtigt, so liegt keine zulassungsrelevante Divergenz, sondern lediglich ein einfacher Rechtsfehler vor, wenn er diese höchstrichterliche Rechtsprechungslinie im zu entscheidenden Fall missversteht oder übersieht und nicht deren Anwendbarkeit selbst in Frage stellt139. Nicht erforderlich ist, ob die gegenüberzustellenden Rechtssätze zwingend in Auslegung derselben Rechtsnorm aufgestellt worden sein müssen. Dies wird seitens des BVerwG bejaht. Danach genüge die bloße Identität des Wortlautes verschiedener Bestimmungen nicht, um bei abweichender Auslegung durch die Untergerichte eine Divergenzkontrolle zu veranlassen, vgl. BVerwG, Beschluss vom 07. März 1960 – VIII B 5.60 –, DVBl 1960, 364; BVerwG, Beschluss vom 10. April 1963 – VIII B 16.62 –, BVerwGE 16, 53 (56 f.); BVerwG, Beschluss vom 05. November 2001 – 9 B 50/01 –, NVwZ-RR 2002, 217 (218); Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  118; Meyer-Ladewig, in: Bachof/Heigl/Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (421); Ewer, in: Quaas/Zuck, Prozesse in Verwaltungssachen, §  7 Rn.  64; Traut, Zugang zur Revision, S.  153. A. A. BFH, Beschluss vom 03. Mai 1968 – III B 38/67 –, BFHE 93, 25 (29); May, ­ evision, IV Rn.  78; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  404 ff. sowie Czybulka, in: R Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  91 ff. m. w. N. zum Streitstand. Die Identitätsfrage betreffend die Pflicht zur Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes nach §  2 Abs.  1 RsprEinhG verneint GmS-OBG, Beschluss vom 06. Februar 1973 – GmS-OGB 1/72 –, BVerwGE 41, 363 (365). 137  May, Revision, IV Rn.  81; Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  105; Traut, Zugang zur Revision, S.  153; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  103. 138  BVerwG, Beschluss vom 31. März 1988 – 7 B 46/88 –, Buchholz 310 §  132 VwGO Nr.  260 S.  7 f.; BVerwG, Beschluss vom 05. Oktober 1990 – 4 B 249/89 –, NVwZ-RR 1991, 118 (119); BVerwG, Beschluss vom 05. Oktober 1990 – 4 B 249/89 –, NVwZ-RR 1991, 118 ff. (relevanter Begründungsteil nicht mit abgedruckt, vgl. juris, Rn.  29); BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 1995 – BVerwG 6 B 39.94 –, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr.  342 S.  55; BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – 7 B 261/97 –, NJW 1997, 3328; BAG, Beschluss vom 15. Oktober 2012 – 5 AZN 1958/12 –, NJW 2013, 413 (414); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  380; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  103 f.; Finkelnburg, in: Schmidt-­ A ­ ßmann/Sellner/Hirsch/Kemper/Lehmann-Grube, Festgabe 50 Jahre BVerwG, S.  173 (176 mit Fn.  28); Traut, Zugang zur Revision, S.  150. 139  BVerwG, Beschluss vom 07. März 2002 – 5 B 60/01 – (unveröffentlicht, juris); Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  109; Kuhla, in: Kuhla/Hüttenbrink/Endler, Der Verwal-

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dass sich das Berufungsgericht der Abweichung bewusst ist, denn das Vorliegen einer Divergenz ist allein nach objektiven Maßstäben zu bestimmen140. Aus diesem Grunde können auch solche mit dem vordergerichtlichen Judikat unvereinbaren höchstrichterlichen Entscheidungen im Rahmen der Zulassungsentscheidung nach §  132 Abs.  2 Nr.  2 VwGO zu berücksichtigen sein, die erst nach Erlass des anzugreifenden Urteils ergangen sind und die damit gleichsam eine nachträgliche Divergenz begründen141. Jedenfalls aber muss die Divergenz im Zeitpunkt der Zulassungsentscheidung tatsächlich vorliegen, die bloße Möglichkeit einer Abweichung genügt für die Zulassung der Revision nicht142. Der Kreis der von §  132 Abs.  2 Nr.  2 VwGO zu Divergenzgerichten erhobenen Spruchkörper ist abschließend. Abweichungen von Entscheidung anderer Gerichte, insbesondere anderer Oberverwaltungsgerichte und Revisionsgerichte anderer Fachgerichtsbarkeiten, können aber, soweit die Abweichungen Rechtsfragen von allgemeinem Interesse aufwerfen, eine Revisionszulassung wegen Grundsatzbedeutung rechtfertigen143. Welcher Art die angezogene Entscheidung ist, ist für die Frage nach dem Vorliegen einer Divergenz unerheblich. tungsprozess, Abschnitt F Rn.  117; Ewer, in: Quaas/Zuck, Prozesse in Verwaltungssachen, §  7 Rn.  62 f.; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  132 Rn.  14; Schmid, DStR 1993, 1284 (1287); Traut, Zugang zur Revision, S.  147. BSG, Beschluss vom 27. Januar 1999 – B 4 RA 131/98 B –, NZS 1999, 571 (573) spricht insoweit von der „Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen.“ Kritisch hierzu Hager, NJW-Sonderheft 2003, 2. Hannoveraner ZPO-­ Symposion, S.  23 (27 f.), welcher auf die praktischen Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen echten Divergenzen und bloß fehlerhaften Rechtsanwendungen hinweist. 140  BFH, Urteil vom 27. November 1969 – IV B 39/69 –, BFHE 98, 1 (1 f.); OVG Hamburg, Beschluss vom 16. November 1998 – 6 Bf 526/98.A –, NVwZ 1999, 430 (430); W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  132 Rn.  17; Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  106; Kuhla, in: Kuhla/Hüttenbrink/Endler, Der Verwaltungsprozess, Abschnitt F Rn.  119. 141  BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. Januar 1993 – 2 BvR 1058/92, 2 BvR 1059/92 –, NVwZ 1993, 465 (466); BVerwG, Beschluss vom 20. November 1972 – VII B 105.68 –, Buchholz 310 §  132 VwGO Nr.  98 S.  46; BVerwG, Beschluss vom 10. April 1992 – 9 B 142/91 –, NVwZ 1992, 890 (891); Boeckh, Beschwerde im Zivilverfahren, S.  238. A. A. Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  383; Schreiner, Zulassungsberufung, S.  122; Günther, DVBl. 1998, 678 (681). 142  BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1960 – VIII B 37.59 –, NJW 1960, 594 (595); Redeker, in: Redeker/von Oertzen, VwGO, §  132 Rn.  15; Maetzel, MDR 1961, 453 (454); Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  112; Meyer-Ladewig, in: Bachof/Heigl/Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (421); Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  92; Müller, NJW 1960, 901 (901); Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, §  39 Rn.  11; May, Revision, IV Rn.  76. 143  BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. Januar 1993 – 2 BvR 1058/92, 2 BvR 1059/92 –, NVwZ 1993, 465 (465); BVerwG, Beschluss vom 16. November 1971 – VI B 7.71 –, Buchholz 232 §  90 BBG Nr.  15 S.  25; Meyer-Ladewig, in: Bachof/Heigl/Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (420); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  382; Grave, VerwArch 64, 51 (60).

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Es kann sich dabei nicht nur um Urteile, sondern auch um Beschlüsse handeln, soweit in ihnen Rechtsfragen abschließend entschieden worden sind, was insbesondere bei die Revision zulassenden Beschlüssen regelmäßig zu verneinen sein dürfte, da diese über ihre rein prozessuale Gestaltungswirkung keinen sachlichen Entscheidungsgehalt aufweisen144. Der vom Divergenzgericht aufgestellte Rechtssatz muss dabei – über den Wortlaut des §  132 Abs.  2 Nr.  2 VwGO hinaus – für dessen Entscheidung rechtserheblich, also entscheidungsrelevant gewesen sein, während Abweichungen von höchstrichterlichen obiter dicta höchstens eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache rechtfertigen145. Zudem muss die angezogene Entscheidung des Divergenz­ gerichts noch den aktuellen Stand der Rechtsprechung wiedergeben und darf nicht bereits überholt sein146. bb) Zulassungsfähigkeit der Rechtssache: Beruhen des Urteils auf dem abweichenden abstrakten Rechtssatz Die anzufechtende Berufungsentscheidung muss darüber hinaus auf der Divergenz beruhen. Dies ist der Fall, wenn die Abweichung in der Begründung des Urteils nicht hinweggedacht werden könnte, ohne dass unter Zugrundelegung der materiellen Rechtsansicht des iudex a quo die konkrete Tenorierung anders 144 

BVerwG, Beschluss vom 28. August 1998 – 2 B 70/98 –, NVwZ 1999, 406 (406 f.); Laudemann, NJ 2000, 172 (176); Meyer-Ladewig, in: Bachof/Heigl/Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (420); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  384 f.; May, Revision, IV Rn.  73; Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  100; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  96; Schreiner, Zulassungsberufung, S.  108. 145  Denn nur dann hat das höhere Gericht eine Rechtsfrage durch Aufstellung eines Rechtssatzes „nicht nur erwogen, sondern tatsächlich auch beantwortet“, so Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  391. In diesem Sinne auch BVerwG, Beschluss vom 25. Oktober 1995 – 4 B 216/95 –, BVerwGE 99, 351 (353); Laudemann, NJ 2000, 172 (176); May, Revision, IV Rn.  80; Lässig, Fehlerhafte Rechtsmittelzulassung, S.  48; Eggert, Nichtzulassungs­ beschwer­de, S.  98 f.; Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  126; Traut, Zugang zur Revision, S.  155 f. Die Gegenansicht will jedenfalls solche obiter dicta in den Divergenzausgleich mit einbeziehen, bei denen davon ausgegangen werden muss, dass das Gericht durch die ent­ sprechenden beiläufigen Rechtsausführungen eine Rechtsfrage abschließend und endgültig geklärt wissen wollte, vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 16. November 1998 – 6 Bf 526/98.A –, NVwZ 1999, 430 (430 f.); Hanack, Ausgleich, S.  247 ff., 287 f.; Neuhäuser, Zulassung der Berufung, S.  191. 146  BVerwG, Beschluss vom 02. März 1976 – VII B 22.76 –, Buchholz 421.0 Prüfungs­ wesen Nr.  72 S.  33; BVerwG, Beschluss vom 07. März 2002 – 5 B 60/01 – (unveröffentlicht, juris); Ewer, in: Quaas/Zuck, Prozesse in Verwaltungssachen, §  7 Rn.  55; Meyer-Ladewig, in: Bachof/Heigl/Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (421); Kuhla, in: Kuhla/Hüttenbrink/Endler, Der Verwaltungsprozess, Abschnitt F Rn.  118; Müller, NJW 1960, 901 (901); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  399; Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  104.

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ausgefallen wäre147. Abweichungen in obiter dicta gefährden den Bestand der Rechtseinheit – jedenfalls so, wie sie von §  132 Abs.  2 Nr.  2 VwGO ins Auge gefasst wird – nicht und können daher auch nicht die Zulassung der Divergenzrevision gebieten148. Das Berufungsurteil beruht dann nicht auf der festgestellten Divergenz, wenn das Judikat kumulativ mehrfach begründet worden ist und sich die Abweichung nur auf einen der selbstständig tragenden Begründungsstränge erstreckt149. d) Entscheidungserheblicher Verfahrensfehler, §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO Die Zulassung der Revision wegen entscheidungserheblicher Verfahrensfehler nach §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO ermöglicht dem Bundesverwaltungsgericht, im Wege einer Prozessaufsicht über die Einhaltung des Verfahrensrechts durch die Oberverwaltungsgerichte zu wachen und auf diese Weise sicherzustellen, dass deren Sachentscheidungen innerhalb eines ordnungsgemäß durchgeführten Verfahrens zustande kommen150. Die Korrektur von Mängeln im Ablauf des gerichtlichen Verfahrens dient dabei in erster Linie den Belangen der Parteien unter dem Gesichtspunkt der Einzelfallgerechtigkeit, liegt zugleich aber auch im Allgemeininteresse an der Gewährleistung ordnungsgemäßer und damit rechtsstaatlicher Prozesse151. Im Gegensatz zu den Zulassungsgründen §  132 Abs.  2 Nr.  1 und Nr.  2 VwGO knüpft die Revisionszulassung wegen Verfahrensfehlern nach §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO nicht an den Problemgehalt der Rechtssache und dessen Breitenwirkung oder an eine im Allgemeininteresse zu verhindernde 147 

BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 1953 – I B 10.53 –, BVerwGE 1, 1 (2 f.); BVerwG, Beschluss vom 03. März 1961 – VIII CB 169.60 –, DVBl. 1961, 930; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  105; Meyer-Ladewig, in: Bachof/Heigl/Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (421); Maetzel, MDR 1961, 453 (454). 148  May, Revision, IV Rn.  80; Hanack, Ausgleich, S.  287. 149  BVerwG, Beschluss vom 03. Juli 1973 – IV B 92.73 –, Buchholz 310 §  132 VwGO Nr.  109 S.  55; Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  79; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  395; Maetzel, MDR 1961, 453 (454). Zur Beruhens­f rage bei Mehrfachbegründungen vgl. bereits oben §  3 I. 2. a) sowie ausführlich im Zusammenhang mit den Erfolgsaussichten der Revision unten §  4 IV. 2. b) bb) (2) und (3). 150  BVerwG, Beschluss vom 02. November 1995 – 9 B 710/94 –, NVwZ-RR 1996, 359 (359); Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  83. 151  Duske, Aufgaben, S.  110; Gottwald, BRAK-Mitt. 1999, 55 (60); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  431; Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  40; Jessen, NVwZ 1982, 410 (414). Vgl. auch BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 26. März 2001 – 1 BvR 383/00 –, NJW 2001, 2161 (2163) zum Arbeitsprozess, wonach das Fehlen der gesetzlichen Möglichkeit einer singulären Verfahrensfehlerzulassung ein „aus rechtsstaatlicher Sicht auf Dauer schwer hinzunehmende[r] Zustand“ sei. Hierzu BAG, Beschluss vom 26. Juni 2001 – 9 AZN 132/01 –, BAGE 98, 109 (113) und Gross, in: Bauer, Festschrift ArGe Arbeitsrecht im DAV, S.  325 (327).

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Rechtszersplitterung an, sondern stellt allein auf die unrichtige Rechtsanwendung im Einzelfall ab, ohne dass dieser die Gefahr negativer Vorbildwirkung für die Rechtsprechungstätigkeit der Untergerichte immanent sein müsste152. Hieran zeigt sich die Individualrechtsschutzfunktion der Verfahrensrevision153. Die Zulassung der Revision wegen Verfahrensmängeln kommt dabei regelmäßig nur im Wege der Nichtzulassungsbeschwerde, nicht aber bereits im Rahmen der Revisionszulassung durch den iudex a quo in dessen Urteil in Betracht, denn die Vorinstanz hat von ihr erkannte prozessuale Fehler bereits vor Erlass ihrer Sachentscheidung auszuräumen154. Da im Bereich des §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO mit der Feststellung von Verfahrensmängeln regelmäßig auch schon der Erfolg der zuzulassenden Revision feststeht, weil diese sowohl Revisionszulassungsgründe i. S. d. §  132 Abs.  2 VwGO als auch zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung führende Revisionsgründe i. S. d. §§  137 Abs.  1, 138 VwGO darstellen155, ermöglicht §  133 Abs.  6 VwGO dem Bundesverwaltungsgericht, schon im Beschwerdeverfahren das verfahrensrechtlich fehlerhaft ergangene Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Behandlung an die Vorinstanz zurückzuverweisen156. aa) Zulassungsrelevanz der Rechtssache Die Rechtssache besitzt im Anwendungsbereich des §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO Zulassungsrelevanz, wenn ein Mangel im Verfahren der angegriffenen Entscheidung prozessual ordnungsgemäß geltend gemacht wurde und die gericht­liche Überprüfung dieser Rüge ergibt, dass der Prozessrechtsverstoß tatsächlich vorliegt. (1) Geltendmachung eines Verfahrensfehlers im Berufungsverfahren Revisionszulassungsrelevante Verfahrensfehler sind Verstöße des Vordergerichts gegen solche prozessualen Vorschriften, die den äußeren Ablauf des Prozesses – also den verfahrenstechnischen „Weg zu dem Urteil und die Art und 152  Traut, Zugang zur Revision, S.  46; Schwinge, Grundlagen, S.  35; Baur, ZZP 71, 161 (166); Maetzel, MDR 1961, 453 (454). 153  So May, Revision, IV Rn.  88. 154  Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  99; Redeker, in: Redeker/von Oertzen, VwGO, §  132 Rn.  17; Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  132; Piekenbrock/Schulze, JZ 2002, 911 (914); Haueisen, DVBl. 1958, 769 (777); Müller, NJW 1960, 515 (516); Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, §  39 Rn.  12. 155  Vgl. BT-Drs. 11/7030, S.  33; Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  41. 156  Insoweit erfüllt bereits die Nichtzulassungsbeschwerde selbst eine Verfahrensaufsichtsfunktion, die ansonsten erst der Verfahrensrevision zukäme, vgl. Finkelnburg, in: Schmidt-­A ßmann/Sellner/Hirsch/Kemper/Lehmann-Grube, Festgabe 50 Jahre BVerwG, S.  173 (179).

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Weise des Urteilserlasses“157 – betreffen und die der angegriffenen Entscheidung selbst anhaften (error in procedendo)158, nicht aber Verstöße gegen solches Verfahrensrecht, welches die innere Willensbildung des Richters bei der Entscheidung zur Sache und damit deren Inhalt determiniert (error in iudicando)159. Daher stellen Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung sowie Verstöße gegen allgemeine Erfahrungssätze und Denkgesetze keine Verfahrensmängel, sondern materiell-rechtliche Fehler dar160. Demgegenüber begründen die rechtsirrige Beurteilung der Sachentscheidungsvoraussetzungen eines Rechtsbehelfs und damit die Entscheidung durch Sach- anstatt durch Prozessurteil und um­ gekehrt regelmäßig einen Verfahrensverstoß161. Die Frage, ob das Berufungsverfahren fehlerhaft abgelaufen ist, ist dabei anhand der materiell-rechtlichen Beurteilungsperspektive und Rechtsansicht des Berufungsgerichts, so wie es diese seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, zu beantworten, selbst wenn diese inhaltlich unzutreffend sein sollte162. Denn der Verfahrensrevision geht es 157  BVerwG, Beschluss vom 02. November 1995 – 9 B 710/94 –, DVBl. 1996, 108 (108); W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  132 Rn.  21. Im Rahmen dieser Arbeit soll zweck­ entsprechend auf eine Aufzählung möglicher Verfahrensfehler verzichtet werden. Hierzu sei auf die umfassende Darstellung bei Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  466 ff. sowie auf die einschlägige Kommentarliteratur verwiesen. 158  BVerwG, Beschluss vom 02. November 1995 – 9 B 710/94 –, NVwZ-RR 1996, 359 (359); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  456. Daher handelt es sich bei Rechtsverstößen im erstinstanzlichen oder sogar im verwaltungsbehördlichen Verfahren nicht um Verfahrensfehler, die die Zulassung der Revision ermöglichen, es sei denn, diese haben sich noch im Berufungsverfahren fortgesetzt, vgl. BVerwG, Beschluss vom 07. Dezember 1983 – 7 B 159/83 –, NVwZ 1984, 234 (234); BVerwG, Urteil vom 03. Juli 1992 – 8 C 72/90 –, NVwZ 1993, 62 (63); BVerwG, Beschluss vom 17. März 1994 – 3 B 12/94 –, NVwZ-RR 1995, 113 (113); BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 2000 – 6 BN 2/99 –, NVwZ-RR 2000, 339 (339); Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  142; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  105. 159  BVerwG, Beschluss vom 02. November 1995 – 9 B 710/94 –, NVwZ-RR 1996, 359 (359); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  445, 704; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  111; Neuhäuser, Zulassung der Berufung, S.  194 f.; von Wedelstädt, Der Betrieb 1991, 1899 (1902). 160  BVerwG, Urteil vom 05. Juli 1994 – 9 C 158/94 –, BVerwGE 96, 200 (208 f.); BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 1995 – 4 B 197/94 –, NVwZ-RR 1995, 310 (311); BVerwG, B ­ eschluss vom 02. November 1995 – 9 B 710/94 –, NVwZ-RR 1996, 359 (359); BVerwG, Beschluss vom 08. April 2008 – 9 B 13/08 –, NVwZ 2008, 914 (915); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  449. Differenzierend Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  47 f. 161  BVerwG, Beschluss vom 04. Juli 1968 – VIII B 110.67 –, BVerwGE 30, 111 (113); BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1970 – VIII C 84.69 –, BVerwGE 37, 43 (47); BVerwG, Beschluss vom 02. November 2011 – 3 B 54/11 –, NVwZ-RR 2012, 86 (87); Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  88; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  112. 162  BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 1996 – 11 B 150/95 –, NVwZ-RR 1996, 369 (369); BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1998 – 11 C 11/96 –, BVerwGE 106, 115 (119); Weyreuther,

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allein um die Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Verfahrens vor den Untergerichten, nicht aber auch zugleich um die Korrektur der herangezogenen materiellen Entscheidungsgrundlagen163. So kann als Verfahrensfehler nicht geltend gemacht werden, das Vordergericht habe eine aus Sicht der Parteien gebotene Sachverhaltsaufklärung oder die Gewährung rechtlichen Gehörs zu Umständen unterlassen, die nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts für dessen Beurteilung des Falles nicht entscheidungserheblich gewesen sind164. Uner­ heblich für die Verfahrensfehlerhaftigkeit des Berufungsverfahrens ist, ob dem Prozessrechtsverstoß ein Verschulden des Gerichts zugrunde liegt, denn die Verfahrenskontrolle im Rechtsmittelverfahren knüpft nicht an die Vorwerfbarkeit des Rechtsverstoßes an165. Ein Verfahrensmangel kann im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nur dann Berücksichtigung finden, wenn dieser vom Beschwerdeführer nach §  133 Abs.  3 S.  1 VwGO frist- und formgerecht geltend gemacht worden ist. Die prozessual ordnungsgemäße Darlegung eines Verfahrensmangels erfüllt im System der Revisionszulassung eine Doppelfunktion. Einerseits handelt es sich hierbei um eine formale Zulässigkeitsvoraussetzung der Nichtzulassungs­ beschwerde, andererseits ist sie zugleich materielles Tatbestandsmerkmal des Revisionszulassungsgrundes166. Eine Verfahrensfehlerkontrolle von Amts wegen ist im Beschwerdeverfahren ebenso wenig wie im Revisionsverfahren möglich, wo ebenfalls die zulässige Verfahrensrüge nach §  139 Abs.  3 S.  4 VwGO das entsprechende gerichtliche Prüfprogramm erst konstitutiv eröffnet167. Auch solche prozessualen Mängel, die im Revisionsverfahren ausnahmsweise ohne entsprechende Rüge von Amts wegen zu berücksichtigen wären, müssen im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde dem Gesetz entsprechend dargetan Revisionszulassung, Rn.  141; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  113; May, Revision, IV Rn.  91. Kritisch zu dieser Beurteilungsperspektive Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  106 f. 163  Dies wäre vielmehr erst Aufgabe und Befugnis des Berufungsgerichts im zweiten Rechtsgang, vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Juli 2000 – 8 B 154/00 –, NVwZ 2000, 1299 (1299). Ähnlich BVerwG, Beschluss vom 02. November 1995 – 9 B 710/94 –, NVwZ-RR 1996, 359 (359); BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 2000 – 6 BN 2/99 –, NVwZ-RR 2000, 339 (339 f.). 164  BVerwG, Beschluss vom 02. April 1985 – 3 B 75/82 –, Buchholz 310 §  108 VwGO Nr.  165 S.  55; BVerwG, Urteil vom 03. Juli 1992 – 8 C 72/90 –, NVwZ 1993, 62 (63); BVerwG, Beschluss vom 11. Juli 2000 – 8 B 154/00 –, NVwZ 2000, 1299 (1299); Zuck, NJW 2008, 2078 (2080). 165  BVerwG, Beschluss vom 22. April 1999 – 9 B 1037/98 –, NVwZ 1999, 1107 (1108); Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  117. 166  May, Revision, IV Rn.  93. 167  Geis/Thirmeyer, JuS 2013, 799 (800); Eichberger, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  137 Rn.  229.

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werden168. Zur i. S. d. §§  132 Abs.  2 Nr.  3, 133 Abs.  3 S.  3 VwGO ordnungsgemäßen Darlegung eines Verfahrensmangels ist es erforderlich, nicht nur die als verletzt gerügte Norm zu bezeichnen, sondern auch diejenigen Sachverhaltsumstände substantiiert darzulegen, die den Verfahrensmangel begründen sollen, sodass dem Bundesverwaltungsgericht schon durch Studium des Beschwerdeschriftsatzes eine Schlüssigkeitsprüfung des Verfahrensmangels möglich ist169. Wird geltend gemacht, das Vordergericht habe eine ausgehend von seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung gebotene Sachverhaltsaufklärung zu Unrecht unterlassen, muss zudem vorgetragen werden, welche weiteren tatsächlichen Umstände entscheidungserheblich gewesen wären und zu welchem voraussichtlichen Ergebnis die unterbliebene Tatsachenerforschung des Untergerichts geführt hätte170. Entsprechendes gilt für die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör; hier ist dazutun, warum und welche entscheidungserheblichen Gesichtspunkte durch weiteren Vortrag des Beteiligten zu Tage gefördert worden wären171. (2) Tatsächliches Vorliegen des Verfahrensfehlers Seit der Modifikation des Revisionszugangs im Zuge des 4. VwGOÄndG 1990 genügt die schlüssige Rüge eines Verfahrensfehlers nicht mehr allein, um die Zulassung der Verfahrensrevision und damit die grundsätzlich vollumfängliche Überprüfbarkeit des Berufungsurteils erwirken zu können172. Vielmehr ist schon im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde festzustellen, ob der gerügte prozessuale Mangel auch wirklich vorliegt173. Ergibt die gerichtliche 168  BVerwG, Beschluss vom 14. Januar 1966 – V B 148.65 –, Buchholz 310 §  132 VwGO Nr.  50 S.  56; May, Revision, IV Rn.  92; Haueisen, NJW 1956, 1089 (1090). 169  BVerwG, Beschluss vom 08. April 1998 – 8 B 218/97 –, NJW 1998, 2377 (2377); E ­ ggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  219 f.; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  438. 170  BVerwG, Beschluss vom 09. Juni 1970 – VI B 22.69 –, VerwRspr 22, 1002 (1003 f.); BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – 7 B 261/97 –, NJW 1997, 3328. 171  BVerwG, Beschluss vom 19. März 1991 – 9 B 56/91 –, NVwZ-RR 1991, 587 (588); Finkelnburg, in: Schmidt-Aßmann/Sellner/Hirsch/Kemper/Lehmann-Grube, Festgabe 50 Jahre BVerwG, S.  173 (176). 172  Vgl. BT-Drs. 11/7030, S.  33. 173  Wird die Revision wegen eines im Beschwerdeverfahren festgestellten Verfahrensmangels zugelassen, so präjudiziert dies das BVerwG nicht für das anschließende Revisionsverfahren. Das Gericht kann daher die Ordnungsgemäßheit des Berufungsverfahrens in der Revision durchaus anders beurteilen als noch im Zulassungsverfahren, so Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  41 unter Hinweis auf den Zulassungsbeschluss BVerwG, Beschluss vom 28. März 2006 – 1 B 91/05, 1 B 91/05 (1 C 6/06) –, NVwZ 2007, 346 (346 f.) und das anschließende Revisionsurteil BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 – 10 C 8/07 –, ­BVerwGE 129, 251 (263 f.). Auch solche Mängel, die schon im Beschwerdeverfahren fest­ gestellt wurden und zur Revisionszulassung geführt haben, müssen vom Revisionskläger

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Prüfung, dass dies nicht der Fall ist, so ist die Nichtzulassungsbeschwerde unbegründet und es kommt weder die Zulassung der Revision noch eine Kassation des Berufungsurteils im Beschwerdeverfahren nach §  133 Abs.  6 VwGO in Betracht174. Diese im Beschwerdeverfahren notwendige Rechtmäßigkeitskontrolle kann unter Umständen eine Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungs­ gericht hinsichtlich der tatsächlichen Vorgänge im Berufungsverfahren erforderlich machen, die im Wege des Freibeweisverfahrens durchzuführen ist175. Im Bereich der Verfahrensrevision wie auch der Verfahrensfehlerzulassung obliegt dem Bundesverwaltungsgericht also sowohl die Sachverhaltsaufklärung in Anbetracht des vordergerichtlichen Verfahrensablaufs als auch die Würdigung der Rechtsfrage176, ob dieser gegen prozessrechtliche Anforderungen verstößt. bb) Zulassungsfähigkeit der Rechtssache Selbst dann, wenn vom Beschwerdeführer ein Mangel im Berufungsverfahren dargelegt wurde und dieser auch vom Gericht festgestellt werden konnte, kann die Verfahrensrevision nur zugelassen werden bzw. das Berufungsurteil gemäß §  133 Abs.  6 VwGO schon im Beschwerdeverfahren aufgehoben werden, wenn die Entscheidung auch auf dem Verfahrensfehler beruht. Zudem muss der Prozessrechtsverstoß auch vom Beschwerdeführer gerügt werden können. (1) Beruhen des Urteils auf dem Verfahrensfehler Das angefochtene Urteil muss gemäß §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO auf dem festgestellten Verfahrensverstoß beruhen können. Dies ist der Fall, wenn mindestens die Möglichkeit besteht, dass das Gericht bei ordnungsgemäßer Verfahrens­ weise anhand seiner materiellen Rechtsauffassung zu einem anderen, dem Beschwerdeführer sachlich günstigeren Ergebnis gekommen wäre177. Aufgrund der Funktion der Revisionsinstanz als reine Rechtskontrollinstitution kann sich wegen §§  137 Abs.  3 S.  1, 139 Abs.  3 S.  4 VwGO in der Revisionsbegründung erneut geltend gemacht werden, um ihre Prüfung durch das Gericht zu veranlassen, vgl. BVerwG, Beschluss vom 06. Dezember 1984 – 9 C 41/84 –, NJW 1985, 1235 (1235); BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1998 – 11 C 11/96 –, BVerwGE 106, 115 (120); Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/­ Bier, VwGO, §  139 Rn.  46. 174  Zuck, NJW 2008, 2078 (2081); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  439. 175  BVerwG, Urteil vom 31. August 1964 – VIII C 350.63 –, BVerwGE 19, 231 (233); BVerwG, Beschluss vom 08. April 1998 – 8 B 218/97 –, NJW 1998, 2377 (2377); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  892 f.; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  110; Hanack, Ausgleich, S.  90. 176  Auch die Frage, ob dem Vordergericht ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, ist selbstverständlich eine Rechtsfrage, vgl. Prütting, Zulassung, S.  188. 177  BVerwG, Beschluss vom 14. August 1962 – V B 83.61 –, BVerwGE 14, 342 (346);

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diese dabei aber nicht an die Stelle des Tatrichters setzen und verfahrensfehlerhafte Tatsachenfeststellungen selbst korrigieren bzw. das Ergebnis einer verfahrensfehlerfrei nachzuholenden Sachverhaltsaufklärung selbst vorwegnehmen178. Daher kann und muss das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Beruhensprüfung nicht selbst feststellen, welches konkrete Verfahrensergebnis bei einem prozessual ordnungsgemäßen Ablauf des Berufungsverfahrens zustande gekommen wäre, sondern hat sich auf die Feststellung zu beschränken, ob ohne den Verfahrensfehler eine andere Tenorierung unter Zugrundelegung des sachlichen Rechtsstandpunktes des Vordergerichts nicht unter jedem denkbaren G ­ esichtspunkt ausgeschlossen erscheint179. Aufgrund des Erfordernisses der Kausalität des Prozessrechtsverstoßes für das Verfahrensergebnis löst nicht jede fehlerhafte oder unterbliebene Anwendung einer Verfahrensvorschrift ein Korrekturbedürfnis aus, dem durch die Zulassung der Revision Rechnung zu tragen ist. Ist ausgeschlossen, dass der Verfahrensmangel zu einem fehlerhaften Verfahrensgang vor dem Berufungs­ gericht geführt haben kann, der das Entscheidungsergebnis in der Hauptsache beeinflusst haben könnte, so bedarf es weder der Aufhebung der Entscheidung und der Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz noch einer entsprechenden Revisionszulassung zur Heilung des Rechtsverstoßes180. Die Verletzung bloßer Ordnungsvorschriften181 genügt daher für die Zulassung der Revision nach §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO ebenso wenig wie Fehler, die dem Berufungs­ gericht im Rahmen prozessualer Nebenentscheidungen, etwa über die Kosten oder die Rechtsmittelzulassung, unterlaufen sind182. Die Möglichkeit, dass das Berufungsurteil auf dem festgestellten Verfahrensverstoß beruht, ist dann ausgeschlossen, wenn das Urteil kumulativ mehrfach Meyer-Ladewig, in: Bachof/Heigl/Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (422); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  462; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  124. 178  Hamm, Revision in Strafsachen, Rn.  522; Geis/Thirmeyer, JuS 2013, 799 (802); Maetzel, MDR 1961, 453 (455). 179  BVerwG, Urteil vom 09. November 1956 – II C 175.54 –, BVerwGE 5, 12 (13); May, Revision, IV Rn. Rn.  99; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  123. 180  So BVerwG, Beschluss vom 23. März 2005 – 8 B 3/05 –, NJW 2005, 2169 (2170) zur überlangen Verfahrensdauer. 181  BVerwG, Beschluss vom 18. August 1981 – 4 B 77/81 –, Buchholz 310 §  117 VwGO Nr.  16 S.  1 f.; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  124; Pietzner/Bier, in: Schoch/ Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  97. 182  BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 1973 – III B 1.73 –, Buchholz 310 §  132 VwGO Nr.  111 S.  59 f.; Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  98. Vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 17. September 2007 – 8 B 30/07 –, NVwZ 2007, 1442 (1443 f.) zur in Ausnahme zu den §  119 Abs.  2 S.  2, 158 Abs.  1 VwGO isolierten Anfechtbarkeit einer Kostenentscheidung durch Tatbestandsberichtigungsbeschluss, der den Urteilstenor inhaltlich abändert und daher als solcher hätte gar nicht ergehen dürfen.

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begründet wurde und sich der Prozessrechtsverstoß, insbesondere die von diesem infizierte Tatsachenfeststellung, nur auf einen der Begründungsansätze erstreckt und die anderen nicht selbst mit Zulassungsrügen angegriffen werden können183. Handelt es sich bei dem Verfahrensfehler um einen absoluten Revi­ sionsgrund i. S. d. §  138 VwGO, welcher bereits im Rahmen der Revisionszulassung Anwendung findet, so bedarf es nicht mehr der ansonsten erforderlichen Kausalitätsprüfung, weil dann unwiderleglich zu vermuten ist, dass die Entscheidung auf der Verletzung von Bundesrecht beruht184. (2) Rügbarkeit des Verfahrensmangels Schließlich erfordert die Zulassungsfähigkeit einer Rechtssache zur Verfahrensrevision, dass der Beschwerdeführer den geltend gemachten Verfahrensmangel auch rügen kann. Das Rügerecht für Verstöße der Vorinstanz gegen prozessuale Anforderungen kann unter verschiedenen Gesichtspunkten ausgeschlossen sein. Zunächst setzt die Zulassung der Revision wegen eines kausalen Verfahrensfehlers in dieser Hinsicht voraus, dass der Beschwerdeführer, über das Erfordernis der allgemeinen Beschwer durch die von ihm angegriffene vordergerichtliche Tenorierung hinaus, gerade durch den Zulassungsgrund, also den Prozessrechtsverstoß, beschwert ist185. Die Korrektur des Verfahrensmangels muss ihm insoweit zum Vorteil gereichen können, als dessen Heilung durch ordnungs­ gemäße Wiederholung des Prozesses bzw. des inkriminierten Verfahrensabschnittes nach Maßgabe des materiellen Rechtsstandpunktes des Vordergerichts zu einem ihm sachlich günstigeren Ergebnis führen kann186. Verfahrensmängel, die zwar auf das Urteil durchschlagen können, die Rechtsposition des Beschwerdeführers aber nicht berühren, weil sie nur die prozessuale Stellung eines anderen Beteiligten am Rechtsstreit tangieren, können von diesem nicht gerügt 183  BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 1996 – 11 B 150/95 –, NVwZ-RR 1996, 369 (370); Maetzel, MDR 1961, 453 (455). 184  BVerwG, Beschluss vom 15. September 1995 – 4 B 173/95 –, NVwZ-RR 1996, 299 (300); Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  56; May, Revision, IV Rn.  100; Kuhla, in: Kuhla/­ Hüttenbrink/Endler, Der Verwaltungsprozess, Abschnitt F Rn.  125. 185  Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Juli 1992 – 6 B 43/92 –, DVBl. 1993, 49 (49 f.); ­BVerwG, Beschluss vom 10. März 1998 – 8 B 27/98 –, Buchholz 310 §  138 Ziff.  4 VwGO Nr.  7 S.  3; BVerwG, Beschluss vom 04. April 2000 – 7 B 190/99 –, VIZ 2000, 661 (662); BVerwG, Beschluss vom 03. November 2000 – 7 B 116/00 –, NVwZ 2001, 201 (202); Pietzner­/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  26; Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  197. 186  BVerwG, Beschluss vom 14. August 1962 – V B 83.61 –, BVerwGE 14, 342 (346 f.); Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  150; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  124; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  462.

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werden187. In diesem Unterschied zu den Zulassungsvarianten §  132 Abs.  2 Nr.  1 und Nr.  2 VwGO zeigt sich die individuelle Rechtsschutzfunktion der Verfahrensfehlerzulassung nach den §§  132 Abs.  2 Nr.  3, 133 Abs.  6 VwGO sowie die Funktion der Verfahrensrevision, den Rechtsstreit nicht in Gänze neu aufzu­ rollen, sondern primär singuläre Rechtsanwendungsfehler zu korrigieren. Nicht rügbar sind zudem Verfahrensfehler, die dem Berufungsgericht allein im Rahmen solcher dem Endurteil vorausgegangenen Entscheidungen unter­laufen sind, deren Anfechtbarkeit gemäß §  173 S.  1 VwGO i. V. m. §  557 Abs.  2 Hs.  2 ZPO durch Gesetz ausgeschlossen ist188 oder für die das Gesetz gesonderte Rechtsbehelfe vorgesehen hat189. Da derartige Entscheidungen der Nachprüfung im Revisionsverfahren entzogen wären, können diesbezügliche Mängel auch nicht zur Zulassung der Revision führen, weil andernfalls die Anordnung der Unanfechtbarkeit bzw. die Voraussetzungen des spezielleren Korrektur­verfahrens unterlaufen werden würden190. Bestimmungen zum Ausschluss der Anfechtbarkeit von Vorentscheidungen ergeben sich beispielsweise aus den §§  60 Abs.  5, 91 Abs.  3, 119 Abs.  2 S.  3, 146 Abs.  2 VwGO und im Übrigen aus §  152 Abs.  1 VwGO191. Nur wenn sich der Verfahrensmangel nicht nur auf die Vorentscheidung bezieht, sondern sich dessen Folgen auch auf die Berufungsentscheidung zur Hauptsache erstrecken, kann der Prozessrechtsverstoß mit einer Verfahrensrüge nach §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO geltend gemacht werden192. Ebenfalls nicht rügbar als Verfahrensfehler sind Unrichtigkeiten und Lücken im Berufungsurteil, welche ausschließlich in der von den Bestimmungen der §§  118 ff. VwGO vorgesehenen Art und Weise vom Vordergericht selbst zu korrigieren sind193.

187  BVerwG, Beschluss vom 10. März 1998 – 8 B 27/98 –, Buchholz 310 §  138 Ziff.  4 VwGO Nr.  7 S.  3; BVerwG, Beschluss vom 03. November 2000 – 7 B 116/00 –, NVwZ 2001, 201 (202). 188  BVerwG, Beschluss vom 11. November 1987 – 9 B 379/87 –, NVwZ 1988, 531; Redeker, in: Redeker/von Oertzen, VwGO, §  132 Rn.  16; Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  132 Rn.  51. 189  Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  144. Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Juni 1996 – 2 B 82/96 –, NVwZ-RR 1997, 194 zum Vorrang der Beschwerde gegen einen Rechtswegverweisungsbeschluss nach §  17a Abs.  2, Abs.  4 S.  3 –6 GVG. 190  Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  99. 191  BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 1997 – 8 B 255/97 –, NJW 1998, 2301 (2301); BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 1999 – 4 B 21/99 –, NVwZ-RR 2000, 260 (260); Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  52. Beispiele für dementsprechend unanfechtbare Vorentscheidungen finden sich bei Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  132 Rn.  52. 192  BVerwG, Urteil vom 17. Februar 1972 – VIII C 84.70 –, BVerwGE 39, 319 (323 f.); BVerwG, Beschluss vom 06. Oktober 1998 – 3 B 35/98 –, NVwZ 1999, 184 (185); Pietzner/ Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  100. 193  BVerwG, Beschluss vom 18. August 1981 – 4 B 77/81 –, Buchholz 310 §  117 VwGO Nr.  16 S.  1 f.; BVerwG, Beschluss vom 09. Juni 1970 – VI B 22.69 –, VerwRspr 22, 1002 (1004 f.).

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§  3 Revision und Revisionszulassung

Schließlich können auch solche Verfahrensfehler nicht mehr erfolgreich mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden, für die der Beschwerdeführer nach §  173 S.  1 VwGO i. V. m. §§  556, 295 ZPO sein Rügerecht ver­ loren hat, weil er entweder auf die Befolgung der Verfahrensvorschrift wirksam verzichtet hat oder sich trotz Kenntnis oder Kennen-Müssens des Mangels in der nächsten mündlichen Verhandlung rügelos zur Sache eingelassen hat194. Die Partei ist daher gehalten, schon vor den Berufungsgerichten selbst auf einen ordnungsgemäßen Verfahrensgang hinzuwirken, andernfalls besteht die Gefahr der Präklusion von Verfahrensrügen195. Die Geltendmachung eines prozessualen Mangels im Ausgangsverfahren zum Zwecke des Erhalts des Rügerechts setzt voraus, dass der zukünftige Beschwerdeführer bzw. sein Prozessvertreter eindeutig und unzweifelhaft zum Ausdruck bringt, dass er sich mit der Vorgehensweise des Gerichts nicht abfinden werde, während der bloße Vorbehalt weiterer Schritte ohne nähere Substantiierung hierfür nicht genügt196.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde nach §  133 VwGO als Zulassungsrechtsbehelf 1. Stellung und Funktion der Nichtzulassungsbeschwerde im Zulassungssystem Der Zugang zur Revision nach Maßgabe des Prinzips der Rechtsmittelzulassung wird von der VwGO unter Vorhaltung einer dreifachen Zulassungskompetenz verwirklicht. Über die Zulassung hat in erster Linie der iudex a quo in seinem Urteil selbst von Amts wegen zu befinden, §  132 Abs.  1 Hs.  2 Var.  1 VwGO197. Wird von diesem die freigebende Zulassungsentscheidung verwei194  BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – 7 B 261/97 –, NJW 1997, 3328; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  458; May, Revision, IV Rn.  92; von Wedelstädt, Der Betrieb 1991, 1899 (1903); 195  Finkelnburg, in: Schmidt-Aßmann/Sellner/Hirsch/Kemper/Lehmann-Grube, Fest­gabe 50 Jahre BVerwG, S.  173 (176); Schmid, DStR 1993, 1284 (1287); Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  120. 196  BVerwG, Urteil vom 31. August 1964 – VIII C 350.63 –, BVerwGE 19, 231 (235); BVerwG, Beschluss vom 09. Juni 1970 – VI B 22.69 –, VerwRspr 22, 1002 (1004). 197  BVerwG, Urteil vom 05. Mai 1955 – V C 191.54 –, BVerwGE 2, 80 (81). Lediglich für die Zulassung der Sprungrevision ist nach §  134 Abs.  1 S.  1 VwGO ein gesonderter Antrag erforderlich, wenn diese nicht bereits im Urteil des Verwaltungsgerichtes zugelassen wurde. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist in diesem Bereich nicht statthaft, da nach §  134 Abs.  2 S.  3 VwGO die Nichtzulassung der Sprungrevision unanfechtbar ist. In diesem Fall ist die in erster Instanz unterlegene Partei auf die Rechtsschutzmöglichkeiten der Berufung nach den §§  124 ff. VwGO verwiesen.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde nach §  133 VwGO als Zulassungsrechtsbehelf

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gert, so ermöglicht §  133 Abs.  1 VwGO der vorinstanzlich beschwerten Partei, mithilfe einer gesonderten Nichtzulassungsbeschwerde eine erneute Beurteilung der Zulassungsfrage zu erreichen. Im Verwaltungsprozess obliegt dabei zunächst dem iudex a quo die Befugnis zur Abhilfe der Beschwerde, §  133 Abs.  5 S.  1 VwGO i. V. m. §  148 Abs.  1 VwGO198. Hält dieser die Beschwerde für unzulässig oder unbegründet, so ist sie dem iudex ad quem vorzulegen, welcher durch Beschluss entscheidet und dadurch über den Revisionszugang selbst befinden kann, §  132 Abs.  1 Hs.  2 Var.  2 VwGO. Die zwischen iudex a quo und iudex ad quem geteilte Zulassungskompetenz hat gegenüber einer singulären Entscheidungsbefugnis des einen oder des anderen Gerichtes mehrere Vorteile, wenngleich sie die vom Prinzip der Rechtsmittelzulassung erstrebte Entlastung des Revisionsgerichts zum Teil wieder preisgibt199. Indem das Gesetz primär den Berufungsgerichten die Entscheidung über die öffentliche Interessen berührende Problematik des Revisionszugangs überantwortet, wird das Revisions­ gericht einerseits zu einem nicht unerheblichen Teil von der Befassung mit Zulassungsfragen freigehalten, was dem Gericht wiederum die Konzentration seiner Ressourcen auf dessen eigentliche Aufgaben, die sachliche Entscheidung über Rechtssachen von allgemeinem Interesse zugunsten der Rechtseinheit, ermöglicht200. Andererseits hat das Bundesverwaltungsgericht über den Beschwer­ devorbehalt des §  133 Abs.  1 VwGO die Möglichkeit, kontrollierenden und rechtsvereinheitlichenden Einfluss auf die Auslegung des Revisionszulassungsrechts und auf die Zulassungspraxis der Untergerichte auszuüben und damit zur Rechtssicherheit, Klarheit und Rechtsanwendungsgleichheit im Bereich des Revisionszugangs beizutragen 201. Zudem beugt die Möglichkeit der Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde der Immunisierung untergerichtlicher Entscheidungen gegen eine rechtmittelrichterliche Kontrolle vor und bewirkt durch die bis zu dreifache gerichtliche Befassung mit der Zulassungsfrage eine Verbesserung des Rechtsschutzes der beschwerten Parteien in Rechtsmittelzulassungsfragen wie auch letztlich hinsichtlich der Hauptsache selbst202. Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  71. So schon BT-Drs. I/1844, S.  24 und BVerfG, Beschluss vom 08. Dezember 1965 – 1 BvR 662/65 –, BVerfGE 19, 323 (328). Ebenso Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/ Bier, VwGO, §  132 Rn.  9. 200  Traut, Zugang zur Revision, S.  10; Baumgärtel, Zulassungsberufung, S.  209; Redeker, NJW 1998, 2790 (2791); Baring, NJW 1965, 2280 (2281). 201  Meyer-Ladewig, in: Bachof/Heigl/Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (418); Dethloff, ZRP 2000, 428 (429); Traut, Zugang zur Revision, S.  41; Wenzel, NJW 2002, 3353 (3357); Präsidenten der oberen Bundesgerichte, RdA 1959, 102 (103); Paulus, ZZP 71, 188 (201); Grave, VerwArch 64, 51 (71). Vgl. auch BT-Drs. I/1844, S.  24. 202  Schwinge, Grundlagen, S.  212; Baring, Gutachten A für den 44. DJT., S.  114 mit Fn.  224; Baur, ZZP 71, 161 (165); Grave, VerwArch 64, 51 (71); Arndt, in: Glanzmann/Faller, 198 

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§  3 Revision und Revisionszulassung

Das Institut der Nichtzulassungsbeschwerde stellt sich damit als Zulassungsrechtsbehelf dar, durch den zum einen sichergestellt werden soll, dass dem Bundesverwaltungsgericht zur Erfüllung seiner im Allgemeininteresse liegenden Revisionsaufgaben so viele rechtsmittelwürdige Fälle wie möglich zugeführt werden 203. Zum anderen dient sie – wenngleich diese aufgrund andersartiger Verfahrenszwecke und Prüfungsgegenstände der Revision gegenüber „kein ­minus, sondern ein aliud“ ist204 – als „Vorstufe zum Revisionsverfahren“205 auch der Aufarbeitung und Herausstellung derjenigen Rechtsfragen, auf die sich das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Entscheidung über die Rechtssache insbesondere zu konzentrieren hat und leistet damit wichtige Vorarbeit für das anschließende Rechtsmittelverfahren und daher auch für die Rechtseinheit selbst206.

2. Das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde Die verwaltungsgerichtliche Nichtzulassungsbeschwerde ist aufgrund der Abhilfekompetenz des Vordergerichts innerhalb eines Monats nach der Zustellung des vollständigen Urteils beim iudex a quo einzulegen und diesem gegenüber innerhalb einer gesonderten Frist von zwei Monaten zu begründen, §  133 Abs.  2 S.  1, Abs.  3 S.  2 VwGO207. Die Erhebung der Beschwerde hemmt nach §  133 Abs.  4 VwGO den Eintritt der Rechtskraft des angefochtenen Urteils. Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde unterliegen dem Vertretungserfordernis des §  67 Abs.  4 S.  1, S.  2 VwGO208. Dabei setzt schon die Befugnis zur Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde eine Beschwer der Partei Ehrengabe Heusinger, S.  239 (252); Möhring, NJW 1962, 1 (3 f.); Dethloff, ZRP 2000, 428 (432). Vgl. auch BT-Drs. 14/4722, S.  67 zum ZPO-RG. 203  BT-Drs. 14/4722, S.  67 zum ZPO-RG. Ähnlich Paulus, ZZP 71, 188 (203) und Duske, Aufgaben, S.  127. 204  So Baring, DVBl. 1961, 349 (353). Ähnlich BVerwG, Beschluss vom 23. Dezember 1969 – III B 68.69 –, BVerwGE 34, 351 (352); BVerwG, Beschluss vom 07. April 1997 – 2 B 147/96 –, KirchE 35, 113 (114); BFH, Beschluss vom 27. Januar 1967 – VI R 216/66 –, BFHE 88, 73; von Wedelstädt, DB 1991, 1899 (1900); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  29 und Maetzel, MDR 1961, 453 (453). 205  Vgl. BVerfG, Beschluss vom 09. Mai 1978 – 2 BvR 952/75 –, BVerfGE 48, 246 (256). Ähnlich BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 26. März 2001 – 1 BvR 383/00 –, NJW 2001, 2161 (2162). 206  Rennert, NVwZ 1998, 665 (667); Präsidenten der oberen Bundesgerichte, RdA 1959, 102 (103). 207  BVerwG, Beschluss vom 24. Juli 1997 – 9 B 552/97 –, NVwZ 1997, 1209 (1209 f.); W ­ .-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  133 Rn.  19; Kautz, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, §  133 VwGO Rn.  20; May, Revision, IV Rn.  162. 208  BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 1996 – 4 B 218/96, 4 PKH 28/96 –, NJW 1997, 1865 (1866).

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde nach §  133 VwGO als Zulassungsrechtsbehelf

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durch den Tenor der von ihr angefochtenen Entscheidung voraus, denn wer nicht in zulässiger Weise eine Revision einlegen könnte, dem ist schon die Möglichkeit des Erkämpfens einer Revisionszulassung verwehrt209. In der Beschwerdebegründung sind nach §  133 Abs.  3 S.  3 VwGO diejenigen Zulassungsgründe substantiiert darzulegen, die nach Meinung des Beschwerdeführers einschlägig sind, der Rechtssache also Zulassungsrelevanz verleihen und diese auch zulassungsfähig machen sollen 210. Hierbei muss ersichtlich sein, dass vom Prozessvertreter des Beschwerdeführers eine eigenständige Sichtung, Durchdringung und Aufarbeitung des in Rede stehenden, für die Zulassungsfrage relevanten Prozessstoffes vorgenommen wurde211. Die pauschale Bezugnahme auf früheres Vorbringen aus dem vorinstanzlichen Verfahren ohne dessen Aufarbeitung gerade hinsichtlich der Zulassungsfrage212 oder Verweise auf fremde Schrift­ sätze213 genügen dem Erfordernis einer eigenständigen Darlegung der Zulassungsgründe regelmäßig nicht. Zudem muss sich die Beschwerdebegründung durch ein Mindestmaß an Klarheit, Verständlichkeit und Übersichtlichkeit auszeichnen, das von einem vor Berufungs- und Revisionsgerichten agierenden Prozessbevollmächtigten erwartet werden kann 214. Ist die Beschwerde danach zulässig, so hat das Vordergericht darüber zu befinden, ob es ihr abhilft und die Revision nachträglich zulässt, §  133 Abs.  5 S.  1 VwGO i. V. m. §  148 Abs.  1 Hs.  1 VwGO. Andernfalls hat es diese dem Bundesverwaltungsgericht vorzulegen, welches durch Beschluss entscheidet, §  133 Abs.  5 S.  1 VwGO i. V. m. §  148 Abs.  1 Hs.  2 VwGO. Dabei überprüft das Be209 

BVerwG, Beschluss vom 10. Januar 1964 – V B 83.62 –, BVerwGE 17, 352 (352 f.); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  190 ff.; Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  25. 210  Zusammenfassend zu den Anforderungen an den Mindestinhalt der Beschwerdebegründung BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – 7 B 261/97 –, NJW 1997, 3328 m. w. N. 211  BVerwG, Beschluss vom 02. Oktober 1961 – VIII B 78.61 –, BVerwGE 13, 90 (92 f.); BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – 7 B 261/97 –, NJW 1997, 3328; BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 1989 – 4 B 140/88 –, NVwZ 1990, 459 (459 f.). Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 07. November 1994 – 2 BvR 2079/93 –, DVBl 1995, 35 (35). 212  BVerwG, Urteil vom 01. Juli 1965 – III C 105.64 –, BVerwGE 21, 286 (288); BVerwG, Beschluss vom 07. Juli 1980 – 8 B 54/80 –, Buchholz 310 §  132 VwGO Nr.  187 S.  58; Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  215. 213  BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 1989 – 4 B 140/88 –, NVwZ 1990, 459 (459 f.); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  295; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  133 Rn.  55. 214  BVerwG, Beschluss vom 12. Dezember 1972 – IV B 122.72 –, Buchholz 310 §  132 VwGO Nr.  99 S.  46 f.; BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – 7 B 261/97 –, NJW 1997, 3328; Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  80. Zu den anwaltlichen Sorgfaltspflichten bei der Begründung von Nichtzulassungsbeschwerden vgl. Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  176 ff. und passim.

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§  3 Revision und Revisionszulassung

schwerdegericht selbstständig, also ohne präjudizielle Bindung an oder eine Beschränkung auf die vom Berufungsgericht angestellten Erwägungen im Rahmen seiner Zulassungsentscheidung, ob die Rechtssache Zulassungsgründe aufwirft und demnach der Beschwerde stattzugeben ist215. Beschränkungen des gerichtlichen Prüfungsumfanges ergeben sich hierbei jedoch aus dem Zusammenhang mit den Darlegungsobliegenheiten des Beschwerdeführers aus §  133 Abs.  3 S.  3 VwGO. Das Bundesverwaltungsgericht ist als Beschwerdegericht nämlich nur dazu aufgerufen, die von der Nichtzulassungsbeschwerde formund fristgerecht ins Verfahren eingebrachten Umstände, die nach Ansicht des Beschwerdeführers Zulassungsgründe konstituieren sollen, zu überprüfen, wäh­rend andere, nicht dargelegte Gesichtspunkte, welche ansonsten Zulassungs­ gründe ergeben würden, der Beschwerde selbst dann nicht zum Erfolg verhelfen können, wenn sie ohne weiteres auf der Hand liegen 216. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ist es dem Gericht somit nicht möglich, entsprechend der vordergerichtlichen Revisionszulassung im Urteil Umstände, welche der Rechtssache Zulassungsrelevanz und Zulassungsfähigkeit verleihen, von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn sich der Beschwerdeführer auf diese nicht in prozessual ordnungsgemäßer Weise berufen hat217. Ist die Nichtzulassungsbeschwerde bereits unzulässig oder kommt das Bundesverwaltungsgericht zu dem Schluss, dass die dargelegten Umstände keine Zulassungsgründe aufwerfen, so ist die Beschwerde durch Beschluss entsprechend §  144 Abs.  1, Abs.  2 VwGO zu verwerfen bzw. zurückzuweisen und das angefochtene Berufungsurteil wird rechtskräftig, §  133 Abs.  5 S.  3 VwGO218. Ist die Beschwerde hingegen begründet, so lässt das Bundesverwaltungsgericht die 215  BVerfG, Beschluss vom 09. Mai 1978 – 2 BvR 952/75 –, BVerfGE 48, 246 (256); ­BVerwG, Beschluss vom 08. Mai 1995 – 4 NB 16/95 –, NVwZ 1996, 372 (374); Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  9b; May, Revision, IV Rn.  70. 216  BVerwG, Beschluss vom 11. September 1990 – 1 CB 6/90 –, NJW 1990, 3102 (3102 f.); BGH, Beschluss vom 08. April 2003 – XI ZR 193/02 –, NJW 2003, 2319 (2320); W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  133 Rn.  19a; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  875 ff. Vgl. auch VGH Mannheim, Beschluss vom 13. September 2012 – 9 S 2153/11 –, NVwZ-RR 2012, 948 (949) zum Darlegungserfordernis im Rahmen der Berufungszulassung. 217  Insoweit wird im Bereich der Revisionszulassung auf Beschwerde hin der sonst in den öffentlich-rechtlichen Prozessordnungen geltende Untersuchungsgrundsatz durch Elemente des Beibringungsgrundsatzes eingeschränkt, so Haueisen, NJW 1956, 1089 (1089); Laudemann, NJ 2000, 172 (177) und Seibert, NVwZ 1999, 113 (114). 218  May, Revision, IV Rn.  195; Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, §  39 Rn.  29. Zeitpunkt des Rechtskrafteintritts des Berufungsurteils ist dann derjenige der Herausgabe des Beschlusses aus dem Verfügungsbereich des Bundesverwaltungsgerichts, typischerweise an die Post, wenn also eine Rückholung des Dokuments durch den Spruchkörper nicht mehr möglich ist. Auf die Kenntnisnahme der Beteiligten kommt es hingegen nicht an, vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1994 – 6 C 2/92 –, BVerwGE 95, 64 (69 ff.) m. w. N.

III. Die Entscheidung über die Revision

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Revision nachträglich zu, wobei dann nach §  139 Abs.  2 S.  1 VwGO das Beschwerde- als Revisionsverfahren fortgesetzt wird, ohne dass es noch der Einlegung des Rechtsmittels durch den Beschwerdeführer bedürfte. Hieraus folgt zudem, dass die Revisionszulassung auf Beschwerde hin – im Gegensatz zur streitgegenstandsbezogenen Wirkung der Revisionszulassung im Urteil – ausschließlich zugunsten des Beschwerdeführers, nicht aber auch zum Vorteil aller anderen Beteiligten wirkt219. Haben diese nicht selbst erfolgreich Nichtzulassungsbeschwerde erhoben, so bleibt ihnen nur noch die Möglichkeit, sich der zugelassenen Hauptrevision des vormaligen Beschwerdeführers nach den §§  141 S.  1, 127 VwGO anzuschließen, denn die Anschlussrevision bedarf ­ihrerseits nicht selbst der Zulassung, vgl. §  127 Abs.  4 VwGO220. Wurde mit der Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht ein entscheidungserheblicher Verfahrensmangel im Berufungsverfahren i. S. d. §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO gerügt, so kann das Bundesverwaltungsgericht, anstatt die Revision zuzulassen, das angegriffene Urteil nach §  133 Abs.  6 VwGO bereits im Beschwerdeverfahren durch Beschluss aufheben und die Sache an die Vorinstanz zur erneuten Behandlung zurückverweisen. Das Berufungsgericht hat dann im zweiten Rechtsgang entsprechend §  144 Abs.  6 VwGO seiner erneuten Entscheidung die tragende rechtliche Beurteilung des Beschwerdegerichts in gleichem Umfang zugrunde zu legen, wie diese auch im Falle eines rückverweisenden Revisionsurteils nach §  144 Abs.  3 S.  1 Nr.  2 VwGO zu beachten wäre221.

III. Die Entscheidung über die Revision Lässt das Berufungsgericht die Revision in seinem Urteil zu oder wird der Nichtzulassungsbeschwerde seitens des iudex a quo abgeholfen bzw. dieser vom iudex ad quem stattgegeben, so wird durch die positive Zulassungsentscheidung der Zugang zur Revisionsinstanz konstitutiv freigegeben. Im ersteren Fall bedarf die Revision noch der frist- und formgerechten Einlegung durch die vorinstanzlich beschwerte Partei gemäß §  139 Abs.  1 VwGO, in den letzteren Fällen 219  BVerwG, Beschluss vom 03. November 2000 – 7 B 116/00 –, NVwZ 2001, 201 (202); Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  139 Rn.  13 und Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  83 f. unter Hinweis auf die im Zuge des 4. VwGOÄndG vorgenommenen Änderungen an §  139 Abs.  2 S.  1 a. E., Abs.  3 S.  1 Hs.  2 VwGO. A. A. W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  132 Rn.  30 und §  139 Rn.  1. Gleiches muss gelten, wenn der iudex a quo der Beschwerde abhilft. 220  Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  139 Rn.  13. 221  BVerwG, Beschluss vom 21. August 1997 – 8 B 151/97 –, NJW 1997, 3456; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  903.

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§  3 Revision und Revisionszulassung

wird das Beschwerde- als Revisionsverfahren des Beschwerdeführers fortgeführt, ohne dass es noch der Einlegung des Rechtsmittels durch diesen bedürfte, §  139 Abs.  2 S.  1 VwGO. Die Revision ist dann nach §  139 Abs.  3 S.  1, S.  2 VwGO innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen, die Revision zulassenden Urteils bzw. eines Monat nach Zustellung des stattgebenden Beschlusses über die Nichtzulassungsbeschwerde gegenüber dem Bundes­ verwaltungsgericht zu begründen. Für das Revisionsverfahren gelten neben den Bestimmungen der §§  132 ff. VwGO nach §  141 VwGO ergänzend die Vorschriften über die Berufung sowie über §  125 Abs.  1 VwGO die Verfahrens­ vorschriften für das erstinstanzliche Verfahren 222.

1. Die unzulässige Revision, §  144 Abs.  1 VwGO Ist die Revision bereits unzulässig, weil es ihr an den besonderen Sachentscheidungsvoraussetzungen i. S. v. §  143 VwGO oder sonstigen allgemeinen Zulässigkeitsmerkmalen mangelt223, so ist diese nach §  144 Abs.  1 VwGO durch Beschluss zu verwerfen, ohne dass dem Bundesverwaltungsgericht noch die Möglichkeit offen stünde, in eine inhaltliche Prüfung des Rechtsmittelbegehrens einzutreten 224.

2. Die unbegründete Revision, §  144 Abs.  2 VwGO Ist die Revision hingegen zulässig, so ist in Vollbesetzung über ihre Begründetheit zu entscheiden. Im Umfang der Revisionsanträge225 sowie unter Zugrundelegung der revisionsrechtlich nicht angegriffenen vorinstanzlichen Tatsachen­ feststellung ist dabei zunächst in die kassatorische Urteilskontrolle nach §  137 Abs.  1 VwGO einzutreten und zu überprüfen, ob das angefochtene Urteil auf der Verletzung revisiblen Rechts beruht. Das Bundesverwaltungsgericht ist dabei gemäß §  137 Abs.  3 S.  2 VwGO nicht an die geltend gemachten Revisionsgründe gebunden, es sei denn die Revision wird nur auf Verfahrensmängel gestützt. Nach §  137 Abs.  3 S.  1 VwGO ist dann nur über die prozessualen Rügen, die der Revisionskläger i. S. v. §  139 Abs.  3 S.  4 VwGO ordnungsgemäß erhoben Hufen, Verwaltungsprozessrecht, §  41 Rn.  12. §  143 VwGO bestimmt insoweit nur über die besonderen Sachentscheidungsvoraussetzungen der Revision, schließt es aber nicht aus, dass diese auch unter anderen Gesichtspunkten unzulässig sein kann, vgl. Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  143 Rn.  2; Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  143 Rn.  2; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  143 Rn.  1; ­Redeker, in: Redeker/von Oertzen, VwGO, §  143 Rn.  1. 224  Vgl. Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  143 Rn.  8 m. w. N. 225  Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, §  39 Rn.  48. 222  223 

III. Die Entscheidung über die Revision

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hat, zu entscheiden, wenn nicht zugleich die Voraussetzungen von §  132 Abs.  2 Nr.  1 oder 2 VwGO vorliegen. Das angefochtene Urteil verletzt das Gesetz, wenn das Gericht bei seiner Entscheidung über die Rechtssache eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig auf den festgestellten Sachverhalt angewandt hat, §  173 S.  1 VwGO i. V. m. §  546 ZPO226. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist der Schluss der Revisions­verhandlung, weshalb auch zwischenzeitliche Rechtsänderungen hierbei grundsätzlich zu berücksichtigen sind 227. Lässt sich eine solche Rechtsverletzung feststellen, so begründet dies aber erst dann einen Revisionsgrund, wenn das angegriffene Urteil auch hierauf beruht. Beurteilungsperspektive für die Kausali­täts­f rage ist dabei diejenige der Vorinstanz228. Danach beruht eine Entscheidung auf einer Ge­ setzesverletzung, wenn diese nicht hinweggedacht werden könnte, ohne dass das Gericht zu einem anderen Entscheidungsergebnis gekommen wäre229. Handelt es sich bei dem Rechtsverstoß um eine Verletzung von prozessrechtlichen Vorschriften, so genügt hierfür schon die bloße Möglichkeit, dass eine andere Tenorierung bei korrekter Handhabe des Verfahrensrechts zustande gekommen sein könnte230. Stellt der Verfahrensrechtsverstoß einen absoluten Revisionsgrund i. S. d. §  138 VwGO dar, so wird unwiderleglich vermutet, dass das Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruht231. Verletzt danach das Berufungsurteil revisibles Recht nicht oder hat die festgestellte Gesetzesverletzung dessen Entscheidungsergebnis nicht beeinflusst, so ist die Revision unbegründet und das Rechtsmittel durch Urteil nach §  144 Abs.  2 VwGO zurückzuweisen.

3. Die begründete Revision, §  144 Abs.  3 VwGO Beruht das Berufungsurteil auf einer Verletzung revisiblen Rechts, so ist die Revision nach §  144 Abs.  3 S.  1 Hs.  1 VwGO begründet und die vordergerichtliche Entscheidung vom Revisionsgericht aufzuheben (Kassation)232. Jedoch ist 226  BVerwG, Urteil vom 24. September 1992 – 3 C 64/89 –, BVerwGE 91, 77 (80); May, Revision, VI Rn.  65; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  137 Rn.  14. 227  BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1954 – V C 97.54 –, BVerwGE 1, 291 (298 f.); Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  137 Rn.  21 ff. m. w. N. 228  Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  8. 229  Suerbaum, in: Posser/Wolff, VwGO, §  137 Rn.  36; Geis/Thirmeyer, JuS 2013, 799 (802). 230  BVerwG, Beschluss vom 14. August 1962 – V B 83.61 –, BVerwGE 14, 342 (346 f.); Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  137 Rn.  43. 231  May, Revision, IV Rn.  100. 232  BFH Großer Senat, Beschluss vom 03. September 2001 – GrS 3/98 –, BFHE 196, 39 (47); Eichberger, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  138 Rn.  10.

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§  3 Revision und Revisionszulassung

das Rechtsmittel der Revision nicht nur auf die Beseitigung rechtswidriger Urteile ausgerichtet, sondern soll dem Revisionsgericht dann, wenn es festgestellt hat, dass die Vorinstanz den Rechtstreit nicht einer dem Gesetz entsprechenden Lösung zugeführt hat, selbst eine aus seiner Sicht richtige Entscheidung zur Sache ermöglichen (Reformation)233. Dabei erfolgt die Kassation der Ausgangsentscheidung unmittelbar durch die reformatorische Entscheidung über den Rechtsstreit, ohne dass es noch eines gesonderten ausdrücklichen Aufhebungsaktes bedürfte234. a) Eigene Sachentscheidung, §  144 Abs.  3 S.  1 Nr.  1 VwGO Das Bundesverwaltungsgericht kann bei begründeter Revision nach §  144 Abs.  3 S.  1 Nr.  1 VwGO selbst über die Sache entscheiden. Ist die Sache spruchreif und reichen die von der Vorinstanz festgestellten Tatsachengrundlagen für eine umfassende Beurteilung der Rechtslage aus, so ist das Revisionsgericht grundsätzlich dazu verpflichtet, den Rechtsstreit durch eine abschließende Sachentscheidung selbst zu beenden, §  173 S.  1 VwGO i. V. m. §  563 Abs.  3 ZPO235. An einer ausreichenden tatsächlichen Entscheidungsgrundlage fehlt es regelmäßig dann, wenn das Berufungsurteil wegen eines absoluten Revisionsgrundes i. S. v. §  138 VwGO aufzuheben war und der Verfahrensmangel nicht nur ausnahmsweise einzelne Sachverhaltsfeststellungen infiziert hat, sondern die gesamte Tatsachen­ grundlage unverwertbar gemacht hat236. Im Rahmen der reformatorischen Entscheidung hat das Revisionsgericht die Beurteilungsperspektive der Vorinstanz, die noch für die Kassationsprüfung nach §  137 Abs.  1 VwGO maßgeblich war, zu verlassen und allein seine eigene von ihm für richtig erachtete materielle Rechtsauffassung zugrunde zu legen 237. Hierbei stehen dem Bundesverwaltungsgericht diejenigen Entscheidungsbefugnisse zu, die auch vom Berufungsgericht auszuüben wären, wenn es nun nach Ausräumung des Rechtsfehlers zu 233  BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1954 – V C 97.54 –, BVerwGE 1, 291 (299 f.); May, Revision, I Rn.  47; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  144 Rn.  5; Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  72; Dethloff, ZRP 2000, 428 (431). 234  Bettermann, ZZP 88, 365 (369); Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  64. 235  GmS-OGB, Beschluss vom 16. März 1976 – GmS-OGB 1/75 –, BVerwGE 50, 369 (374); Saueressig, System, S.  310; Stüer, in: Erichsen/Hoppe/von Mutius, Festschrift Menger, S.  779 (780). 236  Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 1981 – 7 C 78/80 –, BVerwGE 62, 6 (10 f.) und BVerwG, Urteil vom 16. März 1994 – 11 C 48/92 –, NVwZ 1994, 1095 (1096) jeweils zur Entscheidung nach §  144 Abs.  4 VwGO. 237  May, Revision, VI Rn.  309; Eichberger/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  137 Rn.  107; Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  144 Rn.  20.

III. Die Entscheidung über die Revision

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entscheiden hätte238. Zwischenzeitliche Rechtsänderungen sind demnach zu berücksichtigen 239. Soweit die Entscheidung über die Sache nach Auffassung des Revisionsgerichts die Anwendung irrevisiblen Rechts erforderlich macht, welches vom Vordergericht nicht bereits selbst herangezogen worden ist, so sieht sich das Bundesverwaltungsgericht aus Gründen der Prozessökonomie für befugt, anstatt der ansonsten notwendigen Zurückverweisung der Sache selbst diesbezügliche Auslegungsfragen zu klären und seiner verfahrensbeendenden reformatorischen Entscheidung zugrunde zu legen 240. b) Zurückverweisung an die Vorinstanz, §  144 Abs.  3 S.  1 Nr.  2 VwGO Ist die Sache dagegen nicht spruchreif, insbesondere weil es weiterer Sachverhaltsaufklärung bedarf, so muss sich das Bundesverwaltungsgericht auf die Kassation des Berufungsurteils beschränken und hat die endgültige reformatorische Entscheidung der Vorinstanz im zweiten Rechtsgang vorzubehalten, an die der Rechtsstreit nach §  144 Abs.  3 S.  1 Nr.  2 VwGO zurückzuverweisen ist. Zurückzuverweisen ist nach §  144 Abs.  3 S.  2 VwGO auch dann, wenn der erst im Revisionsverfahren Beigeladene ein berechtigtes Interesse an einer Tat­ sacheninstanz hat241. Das Berufungsgericht hat im Falle der Zurückverweisung gemäß §  144 Abs.  6 VwGO bei der erneuten Behandlung der Sache die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts in dem Umfang zugrunde zu legen, wie diese für die Aufhebung des Urteils entscheidungserheblich war242. Erfolgte die Kassation der Entscheidung aufgrund eines kausalen Verfahrensfehlers, ist das Berufungsgericht jedoch nicht daran gehindert, seine zuvor geäußerte materielle Rechtsauffassung zu überdenken und im zweiten Rechtsgang gegebenenfalls zu korrigieren 243. Hat sich zwischenzeitlich die maßgebliche Sach- oder Rechtslage geändert, so entfällt in diesem Umfang auch die Bindungswirkung des ReNeumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  144 Rn.  40 sowie zu den Entscheidungsmodalitäten ausführlich Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  79 ff. 239  BVerwG, Urteil vom 01. Dezember 1972 – IV C 6.71 –, BVerwGE 41, 227 (230 f.); Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  78. 240  BVerwG, Urteil vom 27. Juni 1966 – I C 130.64 –, Buchholz 418.00 Ärzte Nr.  5 S.  9 f.; BVerwG, Urteil vom 22. Februar 1972 – I C 24.69 –, BVerwGE 39, 329 (332); BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1983 – 8 C 162/81 –, BVerwGE 68, 121 (124); Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  144 Rn.  44. Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  144 Rn.  19 mahnt aufgrund des „auch die Judikative durchziehende[n] föderalen Staatsstrukturprinzip[s]“ insoweit ein „behut­sa­ mes Vorgehen“ des Bundesverwaltungsgerichts an. 241  Eichberger, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  90. 242  BVerwG, Urteil vom 30. Mai 1973 – VIII C 159.72 –, BVerwGE 42, 243 (246 f.); B ­ VerwG, Urteil vom 28. November 2012 – 8 C 21/11 –, BVerwGE 145, 122 (128 f.). 243  BVerwG, Beschluss vom 11. Juli 2000 – 8 B 154/00 –, NVwZ 2000, 1299 (1299). 238 

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§  3 Revision und Revisionszulassung

visionsurteils244. Der Erweiterung des tatsächlichen Prozessstoffes nach Neueröffnung des Verfahrens steht §  144 Abs.  6 VwGO demgegenüber generell nicht entgegen 245.

4. Die Bestätigung des Berufungsurteils als im Ergebnis aus anderen Gründen richtig, §  144 Abs.  4 VwGO Das Gesetz trennt grundsätzlich funktionell und systematisch zwischen den kassatorischen und den reformatorischen Komponenten der Revisionsentscheidung. Die Kassation des Berufungsurteils, welche aufgrund der Feststellung eines nach Maßgabe der Rechtsauffassung der Vorinstanz entscheidungsrelevanten Rechtsfehlers auszusprechen ist, ist Voraussetzung dafür, dass das Revisionsgericht unter Zugrundelegung seines von ihm für richtig erachteten materiellen Rechtsstandpunktes eine erneute Sachentscheidung – die Reformationsentscheidung – treffen kann, §  144 Abs.  3 S.  1 Hs.  1 VwGO246. Beruht das Berufungsurteil auf einer Verletzung revisiblen Rechts, so ist die Revision nach dem Wortlaut der §  144 Abs.  3 S.  1 Hs.  1 VwGO begründet. Erfolg kann sie aber letztlich nur dann haben, wenn sowohl die Kassation als auch die Reformation der Berufungsentscheidung kumulativ zu einem für den Revisionskläger sachlich günstigeren Verfahrensausgang führen 247. Leidet das vorinstanzliche Judikat zwar an einem entscheidungserheblichen Rechtsfehler, der dessen Auf­ hebung rechtfertigen würde, so bedeutet dies nämlich nicht zugleich, dass das Revisionsgericht bei seiner reformatorischen Entscheidung über die Rechts­ sache nach §  144 Abs.  3 S.  1 VwGO nicht auch mit anderer Begründung zur selben Tenorierung gelangen könnte. In diesem Falle hätte aus Sicht des Revi­ sionsklägers sein Rechtsmittel nur unter kassatorischen, nicht aber auch unter reformatorischen Aspekten Erfolg, weil die instanz- und verfahrensbeendende Entscheidung des Revisionsgerichts ihn im Ergebnis nicht besser stellt als das Judikat, welches er angefochten hat248. Diese Situation einer in kassatorischer Hinsicht begründeten, aber reformato­ risch erfolglosen Revision hat §  144 Abs.  4 VwGO vor Augen und ermöglicht 244  BVerwG, Urteil vom 30. Mai 1973 – VIII C 159.72 –, BVerwGE 42, 243 (247); ­BVerwG, Urteil vom 28. November 2012 – 8 C 21/11 –, BVerwGE 145, 122 (128). 245  Stüer, in: Erichsen/Hoppe/von Mutius, Festschrift Menger, S.  779 (784). 246  Frey, in: Gärditz, VwGO, Vor §  124 VwGO Rn.  24. Zur unterschiedlichen Beurteilungsperspektive von Kassations- und Reformationsentscheidung vgl. May, Revision, VI Rn.  309. 247  BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1954 – V C 97.54 –, BVerwGE 1, 291 (299 f.); Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  29. 248  Bettermann, ZZP 88, 365 (373) zu der dem §  144 Abs.  4 VwGO entsprechenden Vorschrift des §  563 ZPO a. F., heute §  561 ZPO.

III. Die Entscheidung über die Revision

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dem Bundesverwaltungsgericht hierbei die Bestätigung und Aufrechterhaltung des Berufungsurteils249. Stellt sich das Berufungsurteil trotz durchgreifender Revisionsgründe aus anderen, erst vom Revisionsgericht gefundenen bzw. entwickelten Gründen als im Ergebnis richtig dar, so wirkt sich der vorinstanzliche Rechtsfehler retrospektiv nur auf die Begründung des Berufungsurteils, nicht aber auch auf den letztlichen Ausgang des Rechtsstreits aus250. Die Kassation des Judikates und der Erlass einer gleichlautend tenorierten reformatorischen Sachentscheidung des Revisionsgerichts nach §  144 Abs.  3 S.  1 Nr.  1 VwGO bzw. des Berufungsgerichtes im zweiten Rechtsgang im Wege des §  144 Abs.  3 S.  1 Nr.  2 VwGO wären hierbei zwar möglich, aber prozessökonomisch wenig sinnvoll, weil deren Wortlaut aus Sicht des Bundesverwaltungsgericht schon feststehen würde251. Daher durchbricht §  144 Abs.  4 VwGO die rechtslogische und gesetzessystematische Trennung von Kassations- und Reformationskomponente der Revision nach §  144 Abs.  3 VwGO und statuiert ein Kassationsverbot für den Fall der Konformität der Entscheidungsergebnisse der angegriffenen Entscheidung und der reformatorischen Sachentscheidung des Revisionsgerichts252. Das entsprechende Revisionsurteil tauscht dabei lediglich die Entscheidungsgründe aus, lässt das Berufungsurteil hinsichtlich seines Tenors aber unangetastet253. Hebt das Bundesverwaltungsgericht ein unter Verletzung revisiblen Rechts zustande gekommenes Urteil nicht auf, sondern bestätigt es dieses nach §  144 Abs.  4 VwGO, weil es sich aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig erweist, so fällt das Gericht über die Rechtssache eine echte eigenständige Sachentscheidung254. Insoweit gilt für diese Entscheidungsmodalität nichts anderes als in den Fällen des §  144 Abs.  3 VwGO, denn die Konfirmation einer Entscheidung nach Maßgabe einer reformatorischen Prüfung der Sache ist selbst eine reformato­ rische Entscheidung. Unterschiede zwischen §  144 Abs.  3 VwGO und §  144 Abs.  4 VwGO bestehen also lediglich auf Rechtsfolgenseite255. Als SachentVgl. Bettermann, ZZP 88, 365 (373). So BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 1963 – II C 166.60 –, BVerwGE 17, 16 (18). 251  BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 1963 – II C 166.60 –, BVerwGE 17, 16 (19); BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2003 – 8 C 1/02 –, NVwZ 2003, 1129 (1130); Pietzner/Bier, in: Schoch/ Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  76; Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  144 Rn.  15. 252  Rimmelspacher, ZZP 84, 41 (41, 44 f.). 253  Bettermann, ZZP 88, 365 (375); Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  144 Rn.  23; Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  30. 254  Bettermann, ZZP 88, 365 (373, 375); Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  42; Rimmelspacher, ZZP 84, 41 (61); Ruban, in: Gräber, FGO, Vor §  115 Rn.  2; Gottwald, Revisionsinstanz, S.  117; Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  144 Rn.  16. 255  Bettermann, ZZP 88, 365 (377); Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  29. 249 

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§  3 Revision und Revisionszulassung

scheidung des Revisionsgerichts setzt demnach auch die Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO voraus, dass der vorinstanzlich festgestellte Sachverhalt eine ausreichende Entscheidungsgrundlage hierfür bilden kann und revisionsrechtlich verwertbar ist, insbesondere, dass die entscheidungsrelevanten Tatsachenfeststellungen nicht selbst mit durchgreifenden Verfahrensrügen erfolgreich angegriffen worden sind256. Absolute Verfahrensfehler i. S. d. §  138 VwGO stellen regelmäßig die gesamte Entscheidungsgrundlage in Frage und verwehren daher dem Revisionsgericht eine eigene Sachentscheidung sowohl nach §  144 Abs.  3 S.  1 Nr.  1 VwGO als auch nach §  144 Abs.  4 VwGO257. Die Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO steht nicht im Ermessen des Gerichts. Weil der Revision als Rechtsmittel nicht nur die Aufdeckung und Beseitigung vorinstanzlicher Rechtsfehler, sondern auch die richtige Entscheidung des Rechtsstreits immanent ist258, ist das Bundesverwaltungsgericht im Revi­ sionsverfahren vor dem Ausspruch der Kassation des Berufungsurteils verpflichtet, von Amts wegen zu überprüfen, ob sich dieses nicht doch mit anderer rechtlicher Begründung aufrechterhalten ließe259. Dies gilt selbst dann, wenn die Revision lediglich auf Verfahrensrügen gestützt wird, denn die Beschränkung des gerichtlichen Prüfungsumfanges nach §  137 Abs.  3 S.  1 VwGO gilt nur für die Behandlung von Revisionsgründen im Rahmen der Kassationsprüfung, nicht aber auch für die auf sachlich-rechtliche Gründe zu stützende reformatorische Entscheidungskomponente der Revision, wie sie in §  144 Abs.  4 VwGO zum Ausdruck kommt260. Ein Ermessensspielraum soll nach überwiegender Meinung dem Bundesverwaltungsgericht allerdings dahingehend zukommen, dass es in Fällen, in denen die anderweitig begründbare Richtigkeit des Entscheidungsergebnisses des Berufungsurteiles auf der Hand liege, die Frage nach der Gesetzesverletzung nach §  137 Abs.  1 VwGO unbeantwortet lassen und stattdessen das Urteil unmittelbar nach §  144 Abs.  4 VwGO bestätigen dürfe261. Danach dürfe aus Gründen der Prozessökonomie der gesetzlich vorge256  BVerwG, Urteil vom 02. September 1999 – 2 C 22/98 –, BVerwGE 109, 283 (285); Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  144 Rn.  10; Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, §  39 Rn.  66. 257  BVerwG, Urteil vom 20. Februar 1981 – 7 C 78/80 –, BVerwGE 62, 6 (10 f.); BVerwG, Urteil vom 23. August 1996 – 8 C 19/95 –, BVerwGE 102, 7 (11); Maetzel, MDR 1961, 453 (455). 258  BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 1963 – II C 166.60 –, BVerwGE 17, 16 (18); Bettermann, ZZP 88, 365 (372); May, Revision, I Rn.  47; Saueressig, System, S.  112. 259  Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  7; Neumann, in: Sodan/­ Ziekow, VwGO, §  144 Rn.  26; Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  144 Rn.  17. 260  BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 1963 – II C 166.60 –, BVerwGE 17, 16 (18 f.); Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  144 Rn.  20. 261  BVerwG, Urteil vom 14. Februar 1996 – 11 C 6/95 –, BVerwGE 100, 275 (277); Bettermann, ZZP 88, 365 (382 f.); Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  80;

III. Die Entscheidung über die Revision

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zeichnete Weg der Revisionsprüfung, der Vorrang der Kassationskontrolle vor der reformatorischen Entscheidungskompetenz262 , verlassen werden, wenn dadurch das Gericht von der im Ergebnis letztlich unergiebigen Befassung mit komplexen Rechtsproblemen entlastet werden kann 263.

Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  144 Rn.  18. Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  144 Rn.  9 weist darauf hin, dass das BVerwG hierbei zu berücksichtigen habe, dass es „die ihm obliegende Aufgabe maßstabsbildender Interpretation des revisiblen Rechts nicht vernachlässigen darf“ und deshalb nur in Ausnahmefällen auf eine Stellungnahme zu Fragen der Verletzung revisiblen Rechts verzichten dürfe. 262  Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  144 Rn.  9; Frey, in: Gärditz, VwGO, Vor §  124 VwGO Rn.  24. 263  Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  144 Rn.  18; Udsching, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/­ Udsching, Beck OK Sozialrecht, §  170 SGG Rn.  3.

§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision im Rahmen ihrer Zulassung Wird das Bundesverwaltungsgericht mit einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nach §  133 VwGO befasst, so hat es als Beschwerdegericht eigenständig und unabhängig von der Entscheidung der Vorinstanz zu beurteilen, ob das Berufungsurteil Zulassungsgründe nach §  132 Abs.  2 VwGO aufwirft und deshalb die Revision nach §  132 Abs.  1 VwGO zuzulassen ist1. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen des Revisionszulassungsrechts und der Nicht­z ulassungsbeschwerde implizieren dabei zunächst, dass die Zulassung durch den iudex ad quem in gleicher Weise zu beurteilen ist wie diejenige durch den iudex a quo. So differenziert etwa §  132 Abs.  2 VwGO für den Beurteilungsmaßstab der Zulassungsfrage nicht zwischen den jeweiligen Gerichten, die über die Zulassung zu entscheiden haben. Sowohl die vom iudex a quo als auch vom iudex ad quem zugelassene Revision ist grundsätzlich Vollrevision, im Zuge derer das Berufungsurteil vom Revisionsgericht vollständig auf seine Vereinbarkeit mit revisiblem Recht i. S. d. §  137 Abs.  1 VwGO zu überprüfen ist2. Wurde die Revision zugelassen und eingelegt, ist es dem Revisionsgericht in beiden Fällen prinzipiell verwehrt, die Zulassung als Merkmal der Statthaftigkeit der Revision ein weiteres Mal in Frage zu stellen, weil das Bundesverwaltungsgericht an den konstitutiven Zulassungsausspruch gebunden ist3. Dies folgt im Falle der Zulassung durch den iudex a quo aus §  132 Abs.  3 VwGO, im Falle der Zulassung durch den iudex ad quem aus §  318 ZPO i. V. m. §  173 S.  1 VwGO4.

1  BVerwG, Beschluss vom 08. Mai 1995 – 4 NB 16/95 –, NVwZ 1996, 372 (374); May, Revision, IV Rn.  70. 2  Eichberger/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  137 Rn.  221; Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  34. 3  BVerwG, Urteil vom 25. April 1961 – VIII C 306.59 –, NJW 1961, 1737 (1738); ­BVerwG, Urteil vom 09. Oktober 1996 – 6 C 11/94 –, BVerwGE 102, 95 (98 f.); BSG Großer Senat, Beschluss vom 18. November 1980 – GS 3/79 –, BSGE 51, 23 (29 ff.). 4  May, Revision, IV Rn.  105, 136; Prütting, Zulassung, S.  254; Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  178. A. A., nach der §  132 Abs.  3 VwGO für beide Zulassungsvarianten gelte

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

Gleichwohl unterscheiden sich diese beiden Zulassungsmodalitäten. Das Berufungsgericht, welches über die Zulassung der Revision in seinem Urteil als prozessuale Nebenentscheidung zu befinden hat, muss von Amts wegen beurteilen, ob sein Urteil Zulassungsgründe aufwirft. Demgegenüber ist es der Beschwerdeführer, der im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde diejenigen Zulassungsgründe darzulegen hat, die das Oberverwaltungsgericht bei seiner Abhilfeentscheidung nach §  133 Abs.  5 S.  1 Hs.  1 i. V. m. §  148 Abs.  1 VwGO und das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Beschwerdeentscheidung nach §  133 Abs.  1, Abs.  5 Hs.  2 VwGO ausschließlich beurteilen soll und darf5. Bei der Nichtzulassungsbeschwerde besteht daher eine gesteigerte Mitwirkungs­ bedürftigkeit und Verantwortung der Parteien und ihrer Prozessvertreter, um den vorrangig im Allgemeininteresse beschränkten Zugang zur Revisions­ instanz zu eröffnen. Unterschiede bestehen auch in der personellen Wirkung der Zulassungsarten. Während die Zulassung im Berufungsurteil die Revision für alle Beteiligten gleichermaßen eröffnet und ihnen im Rahmen ihrer Beschwer die Einlegung der Revision ermöglicht6, wirkt die Zulassung auf Beschwerde hin nur zugun­ sten des jeweiligen Beschwerdeführers, dessen Nichtzulassungsbeschwerde im Erfolgsfalle als Revisionsverfahren fortgeführt wird, ohne dass es noch der Einlegung der Revision durch diesen bedarf, §  139 Abs.  2 S.  1 VwGO7. Die Nichtzulassungsbeschwerde inkorporiert auf diese Weise bereits Elemente des Anfechtungsbegehrens, welches der Revision als Rechtsmittel gegen die Hauptsacheentscheidung eigen und der Zulassung im Urteil des Oberverwaltungs­gerichtes fremd ist. Noch deutlicher wird dies durch die Befugnis des Bundesverwaltungsgerichts, bereits im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde das angegriffene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückzuverweisen, wenn die Beschwerde einen Verfahrensfehler geltend macht, auf dem die Entscheidung beruhen kann, und dieser tatsächlich vorliegt, §§  133 Abs.  6, 132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO. Die Nichtzulassungsbeschwerde übernimmt damit Auf­ gaben der ausschließlichen Verfahrensrevision und gewinnt hinausgehend über BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1994 – 4 C 13/93 –, NVwZ 1995, 698 (698); Pietzner/ Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  137. 5  BVerwG, Beschluss vom 11. September 1990 – 1 CB 6/90 –, NJW 1990, 3102 (3102); VGH Mannheim, Beschluss vom 13. September 2012 – 9 S 2153/11 –, NVwZ-RR 2012, 948 (949); W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  133 Rn.  19a; Pietzner/Bier, in: Schoch/ Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  31. Kritsch dazu Erbguth, DÖV 2009, 921 (926). 6  Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  6 4. 7  BVerwG, Beschluss vom 03. November 2000 – 7 B 116/00 –, NVwZ 2001, 201 (202). A. A. W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  132 Rn.  30.

§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

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ihre Grundfunktion, den vom iudex a quo verweigerten Revisionszugang nachträglich zu eröffnen, in dieser Hinsicht die Stellung eines kassatorischen Rechtsbehelfes gegen die vorinstanzliche Entscheidung zur Sache8. Dies zeigt, dass bereits im Gesetz eine Differenzierung zwischen den beiden Zugangsmodalitäten zur Revision angelegt ist. Die Revisionszulassung im Berufungsurteil orientiert sich maßgeblich am Bedürfnis der Allgemeinheit nach einer Stellungnahme des Bundesverwaltungsgerichts zu Fragen von generellem Interesse, wie sie in §  132 Abs.  2 VwGO vom Gesetzgeber ausgeformt und durch den konkreten Fall aufgeworfen wurden. Ob allerdings die Parteien des Rechtsstreits von dieser damit eröffneten Möglichkeit der Anrufung des Revi­ sionsgerichts Gebrauch machen, obliegt ihrer Disposition. Wurde der Rechtsstreit nämlich bereits vom Berufungsgericht aus ihrer Sicht angemessen und befriedigend gelöst, werden sie von der Möglichkeit der zugelassenen Revision keinen Gebrauch machen, mag die Entscheidung des Vordergerichts auch verfahrensfehlerhaft oder inhaltlich unzutreffend sein oder Fragen aufgeworfen haben, die ein Bedürfnis nach einer revisionsrichterlichen Klärung zeitigen9. Das Rechtsmittel wird dabei also gerade im Allgemeininteresse gewährt, aber allein aus individuellen Interessen an einer richtigen Entscheidung des Rechtsstreites in Anspruch genommen10. Anders verhält es sich bei der Revisionszulassung im Falle des §  133 Abs.  1 VwGO. Verneint die Vorinstanz ein Bedürfnis nach einer Entscheidung des Revisionsgerichts, wie es in §  132 Abs.  2 Nr.  1, Nr.  2 VwGO zum Ausdruck kommt, obliegt es dem Beschwerdeführer der Nichtzulassungsbeschwerde, das jeweils mit der Zulassungsfrage befasste Gericht davon zu überzeugen, ihm das Rechtsmittel der Revision zur Abhilfe einer durch das Berufungsurteil erfolgten Rechtsverletzung an die Hand zu geben. Die Absicht des Beschwerdeführers, von dieser Möglichkeit der Anfechtung der vordergerichtlichen Sachentscheidung Gebrauch machen zu wollen, tritt also bereits in dem Zeitpunkt offen zu Tage, in dem die Nichtzulassungsbeschwerde erhoben und damit die Zulassungs­ frage aufgeworfen wird11. In dieser Situation stellt sich die Frage der Revisionszulassung unter anderem Vorzeichen. Die Aussicht auf eine Kassation und R ­ eformation des Berufungsurteils rückt für das mit der Beschwerde befasste Gericht nun zusätzlich zur Frage nach dem Vorliegen von Zulassungsgründen in den Blickpunkt. Die Zulassung der Revision soll in dieser Situation also gerade Piekenbrock/Schulze, JZ 2002, 911 (913 f.); Finkelnburg, in: Schmidt-Aßmann/Sellner/ Hirsch/Kemper/Lehmann-Grube, Festgabe 50 Jahre BVerwG, S.  173 (179). 9  Voßkuhle, Rechtsschutz, S.  306 f. 10  Prütting, Zulassung, S.  93; Gaier, NJW-Sonderheft 2003, 2. Hannoveraner ZPO-Symposion, S.  18 (18). 11  Ähnlich Unterreitmeier, NVwZ 2013, 399 (403). 8 

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

eine Aufhebung des anzugreifenden Urteils zugunsten des jeweiligen Beschwerdeführers ermöglichen, wenn die durch §  132 Abs.  2 VwGO zum maßgeblichen Kriterium der Rechtsmittelwürdigkeit erhobenen Allgemeininteressen dies zulassen. Vor dem Hintergrund dieser Unterschiede zwischen der Revisionszulassung im Berufungsurteil und auf Nichtzulassungsbeschwerde hin stellt sich die Frage, inwieweit die Erfolgsaussichten des zuzulassenden Rechtsmittels nach Maßgabe der gesetzlichen Regelungen und deren Systematik Einfluss auf die Zulassungsentscheidung haben können. In Anbetracht der Zulassungskompetenzen des Oberverwaltungsgerichts erscheint deren Berücksichtigung auf den ersten Blick schon deshalb ausgeschlossen, weil es über die Revisionszulassung gemeinsam und in unmittelbarer Verbundenheit mit seiner Entscheidung zur S ­ ache zu befinden hat. Das Berufungsgericht kann aber nur dann eine solche Sachentscheidung treffen, wenn es von der Richtigkeit des von ihm zugrunde zu legenden Sachverhaltes, seinen eigenen rechtlichen Erwägungen und der aus ihnen resultierenden Rechtsfolge überzeugt ist12. Aus Sicht des Berufungs­ gerichts kann es daher jedenfalls rechtstheoretisch keine Wahrscheinlichkeit geben, dass seine Entscheidung vom Revisionsgericht aufgehoben wird, sodass es diese Möglichkeit als Kriterium für die Zulassungsfrage auch nicht in Ansatz bringen kann13. Demgegenüber ist die Zulassungsentscheidung im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht mit den Erlass einer Entscheidung über die Sache selbst verknüpft, letztere liegt in diesem Verfahrensstadium vielmehr bereits unabänderlich vor. Ist über die Revisionszulassung dabei nachträglich aus der Sicht des iudex ad quem zu befinden, liegt die Beurteilung der Rechtsmittelwürdigkeit des Streitfalles nach Maßgabe der Zulassungsgründe in der Hand derjenigen Instanz, die später auch über das zuzulassende Rechtsmittel selbst zu entscheiden hätte. Die Kumulation dieser beiden Beurteilungsperspektiven versetzt das Beschwerdegericht zumindest faktisch in die Lage, im Gegensatz zur Vorinstanz auch solche Aspekte bei seiner Zulassungsentscheidung in Ansatz zu bringen, die an die mögliche Fehlerhaftigkeit und damit an die Aufhebbarkeit und Ab­ änderbarkeit des angegriffenen Urteils im Rechtsmittelverfahren anknüpfen. 12 

Auch die Instanzgerichte sind verpflichtet, über aus ihrer Sicht zweifelhafte Rechtsfragen im Zuge ihrer Sachentscheidung abschließend zu befinden und können sich nicht darauf zurückziehen, das Revisionsgericht werde nötigenfalls eingreifen. Eine Revisionszulassung allein aus der Überlegung heraus, das Revisionsgericht wisse es im Zweifel besser, ist daher nicht möglich, vgl. BAG, Urteil vom 26. Mai 1955 – 2 AZR 66/53 –, BAGE 2, 26 (31). 13  Prütting, Zulassung, S.  181; Traut, Zugang zur Revision, S.  42, 10. A. A. Schafft, Selektion, S.  135 zur Zulassung wegen Grundsatzbedeutung. Ausführlich hierzu §  4 IV. 2. c) aa) (1).

I. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

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Allerdings trennt das Gesetz auch für diesen Fall klar zwischen den Kriterien, die für die Zulassung und damit die Durchführbarkeit des Rechtsmittelverfahrens einerseits und für den sachlichen Erfolg des Rechtsmittels andererseits ausschlaggebend sein sollen. Grundlage der Zulassungsentscheidung sind allein die Zulassungsgründe des §  132 Abs.  2 VwGO, während für die Revisionsentscheidung zum einen maßgeblich ist, ob das Berufungsurteil i. S. d. §§  137 Abs.  1, 144 Abs.  4 VwGO sowohl in seiner Begründung als auch in seiner Teno­ rierung rechtsfehlerhaft ist und zum anderen, wie der Rechtsstreit nach §  144 Abs.  3, Abs.  4 VwGO sachlich richtig zu entscheiden wäre. Eine Verknüpfung der Beurteilungs- und Entscheidungskompetenzen des Bundesverwaltungs­ gerichts über die Zulassung einerseits und über das Rechtsmittel andererseits sieht das Gesetz nur in §  133 Abs.  6 VwGO für den Fall der Verfahrensrevision vor. In allen anderen Konstellationen verlangt es aber dem Gericht ab, sich blind für den Ausgang des Rechtsmittelverfahrens zu stellen. Die Revisionszulassung müsste demnach unabhängig von den Erfolgsaussichten des zuzulassenden Rechtsmittels ausgesprochen werden, wenn die Rechtssache Zulassungsgründe aufwirft.

I. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Diese dem Gesetzeswortlaut entsprechende Handlungsanweisung sah die Recht­sprechung bereits frühzeitig als unökonomisch und defizitär an und begann damit, die Erfolgsaussichten der Revision in den von ihr als nur lückenhaft gesetzlich determiniert eingestuften Prüfungsauftrag der Nichtzulassungsbeschwerde zu inkorporieren.

1. Ältere Entscheidungen: Vorwegnahme der Rechtmäßigkeitskontrolle im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Unter der Geltung des BVerwGG stellte das Bundesverwaltungsgericht hierzu zunächst maßgeblich auf die Tragbarkeit der vom Berufungsgericht herangezogenen materiell-rechtlichen Erwägungen ab und machte die Revisionszulassung zusätzlich abhängig vom prognostizierten Ausgang einer entsprechenden revisionsrichterlichen Rechtmäßigkeitskontrolle14. Danach wurde eine Entschei14  Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 1954 – I B 49.53 –, BVerwGE 1, 67 (69): „§  53 BVerwGG kann verständlicherweise nicht dahin ausgelegt werden, daß das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet sei, die Revision auch dann zuzulassen, wenn bereits im Beschwerdeverfahren offenbar ist, daß die Berufungsentscheidung sich im Revisionsverfahren als im Ergebnis richtig erweisen würde. Müßte in einem solchen Falle die Revision zugelassen wer-

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

dung des Revisionsgerichts zur Rechtssache nach Maßgabe der Zulassungsgründe dann als nicht erforderlich angesehen, wenn die entscheidungstragenden Gründe des Berufungsurteils zwar zulassungsrelevante Rechtsfragen aufwarfen, diese aber vom Berufungsgericht bereits zutreffend beantwortet worden waren15. Zu diesem Zweck konnten die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils bereits im Beschwerdeverfahren einer eingehenden revisionsrichterlichen Würdigung unterzogen werden und dabei aufkommende rechtsgrundsätzliche Fragen jedenfalls dann bereits im Beschwerdeverfahren höchstrichterlich geklärt werden, wenn dies für den Beschwerdeführer zu keinem sachlich günstigeren Ergebnis führte16. Stand in jenen Fällen das Ergebnis der in Aussicht stehenden Kassationskontrolle bereits fest, könne auf die Zulassung der Revision verzichtet werden, wenn mit der Aufhebung der angegriffenen Entscheidung augenscheinlich nicht zu rechnen war. Ohne dies ausdrücklich klarzustellen, inkorporierte das Bundesverwaltungsgericht damit die Prüfung von Revisionsgründen i. S. d. §  56 Abs.  1 BVerwGG (heute §  137 Abs.  1 VwGO) und damit den kassatorischen Teil der Revisionskontrolle in die Zulassungsentscheidung. Die rechtswissenschaftliche Literatur ist dieser als „Prognose-Theorie“ bezeichneten Judikatur mehrheitlich offen entgegengetreten17. Sie wurde vom Bundesverwaltungsgericht nach kurzer Zeit explizit wieder aufgegeben18. den, so würden bei der beschwerdeführenden Partei unbegründete Hoffnungen erweckt und sie zur Durchführung eines von vornherein aussichtslosen Revisionsverfahrens veranlaßt werden, das sie mit unnötigen Kosten belastet. Auch der Grundsatz der Prozeßökonomie steht der Zulassung der Revision in einem solchen Falle entgegen.“ Hierzu Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  238 f. 15  So ausdrücklich BVerwG, Beschluss vom 07. Februar 1956 – I B 40.55 –, BVerwGE 3, 127 (127 f.). 16  BVerwG, Beschluss vom 09. November 1954 – I B 145.53 –, BVerwGE 1, 225 (226). Nicht in der amtlichen Sammlung, aber in VerwRspr 7, 865 (868) abgedruckt ist folgende Passage am Ende dieses Beschlusses: „Wegen der vorstehend behandelten grundsätzlichen Rechtsfragen ist danach eine Zulassung der Revision nicht gerechtfertigt.“ Ähnlich BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 1953 – I B 10.53 –, BVerwGE 1, 1 (3) zur Verweigerung der Divergenzzulassung trotz Erheblichkeit der Abweichung für das Entscheidungsergebnis, wenn zumindest die vom Berufungsgericht alternativ angestellten Erwägungen rechtlich nicht zu beanstanden waren und daher „[z]umindest […] das Revisionsgericht zu diesem Ergebnis gelangen [würde]“. 17  So etwa Reuß, DVBl. 1957, 293 (297) sowie ders., JR 1956, 1 (3); ders., DVBl. 1958, 233 (233 f.); Naumann, DÖV 1956, 545 (548); Bachof, JZ 1957, 374 (379). Vgl. dazu auch Sendler, DVBl. 1992, 240 (240); Prütting, Zulassung, S.  180 f.; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  239; Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  32. 18  So BVerwG, Beschluss vom 14. August 1962 – V B 83.61 –, BVerwGE 14, 342 (347), allerdings unter Hinweis darauf, dass im konkreten Fall die Zulassung wegen eines kausalen Verfahrensfehlers in Rede stand und daher im Zuge der Prüfung der Ursächlichkeit des Ver-

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2. Neuere Entscheidungen: Vorwegnahme der Reformationsprüfung im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren analog §  144 Abs.  4 VwGO Gleichwohl hat das Bundesverwaltungsgericht auch unter der Geltung der VwGO die Zulassung der Revision auf Beschwerde hin an die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels gekoppelt. Anknüpfungspunkt hierfür ist ein Analogieschluss zur revisionsrechtlichen Vorschrift des §  144 Abs.  4 VwGO, welcher sich auf ein angenommenes Regelungsdefizit in den gesetzlichen Rahmenbedingungen der Nichtzulassungsbeschwerde stützt. Diese Regelungslücke zeige sich immer dann, wenn bereits im Beschwerdeverfahren auf Grundlage des vom Berufungsgericht bindend festgestellten Sachverhalts konstatiert werden kann, dass das Berufungsurteil aus anderen als den vom Berufungsgericht als entscheidungstragend herangezogenen Gründen im Ergebnis richtig sei und dieses daher im Revisionsverfahren nach §  144 Abs.  4 VwGO aufrechterhalten werden müsste. Die Zulassung des Rechtsmittels würde in diesem Fall nur ermöglichen, im Wege der Revision rechtserhebliche Fehler in der tragenden Begründung des angegriffenen Berufungsurteils aufzudecken, ohne dass dies auch eine Abänderung des Tenors zugunsten der beschwerten Partei rechtfertigen würde19. Die Fortführung eines Verfahrens um eines Fehlers willen, der sich letztendlich nicht auf dessen Ergebnis auswirke, sei aber weder im wohlverstandenen Interesse der Parteien noch der Allgemeinheit prozessökonomisch sinnvoll und könne vom Gesetz auch nicht intendiert sein 20. In dieser Hinsicht offensichtlich erfolglosen Revisionen müsse aufgrund des Umstandes, dass auch das Revisionszulassungsrecht letztendlich auf die Gewinnung richtiger Sachentscheidungen angelegt sei, danach die Zulassung versagt bleiben, selbst wenn Zulassungsgründe i. S. d. §  132 Abs.  2 VwGO dargelegt wurden und vorliegen, die eine höchstrichterliche Entscheidung über die Rechtssache erforderlich machen würden 21. Dass das Gesetz gleichwohl für diesen Fall keine Ausnahme von der Zulassungspflicht nach §  132 Abs.  2 Hs.  1 VwGO vorsehe, erweise sich damit als systemwidrige Regelungslücke, die mittels einer analogen Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO zu fahrensmangels für die vordergerichtliche Entscheidung der sachliche Erfolg der zuzulassenden Revision ohnehin zu begutachten sei. 19  BVerwG, Beschluss vom 02. November 1990 – 5 B 100/90 –, Buchholz 310 §  43 VwGO Nr.  112 S.  27; BSG, Beschluss vom 03. März 2009 – B 1 KR 69/08 B –, NZS 2010, 119 (120). 20  BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 23. Februar 2011 – 1 BvR 500/07 –, NVwZ-RR 2011, 460 (nur Leitsatz, vgl. juris); BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 1979 – 4 CB 73/79 –, Buchholz 310 §  144 VwGO Nr.  34 S.  3 f.; BSG, Beschluss vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 69/08 B –, BeckRS 2009, 53032; Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  76. 21  Sendler, DVBl. 1992, 240 (242); Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  77; Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, §  39 Rn.  66.

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

schließen sei, welche das Beschwerdegericht dazu berechtige, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen, wenn das angegriffene Urteil zwar Zulassungsgründe aufweise, aber aus solchen Gründen jedenfalls im Ergebnis offensichtlich richtig ist, die ihrerseits selbst keine Zulassungsrelevanz aufweisen 22. Soweit ersichtlich, findet diese Rechtsprechung ihren Ausgangspunkt im Beschluss des 3. Senates des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. August 196223. Das Bundesverwaltungsgericht ließ es in diesem Fall dahingestellt, ob der Rechts­ sache, wie vom Beschwerdeführer geltend gemacht, grundsätzliche Bedeutung tatsächlich zukam und die vordergerichtliche Entscheidung auf dem gerügten Verfahrensfehler beruhte, weil die Vorinstanz zwar mit rechtlich zweifelhafter Begründung die Klage als unzulässig abgewiesen hatte, aus Sicht des Beschwerdegerichts eine Abweisung als unzulässig aber auch wegen anderer fehlender Sachentscheidungsvoraussetzungen angezeigt gewesen wäre24. In der Sache stellte das Bundesverwaltungsgericht also darauf ab, ob sich der konkrete Entscheidungsausspruch des Vordergerichts auch mit anderen, rechtlich unzweifelhaften Erwägungen aufrecht erhalten ließe, die die Vorinstanz auch als über­ obligatorische Hilfsbegründungen hätte heranziehen können, ohne dass dies Auswirkungen auf die konkrete Tenorierung der Entscheidung gehabt hätte. Ihren endgültigen Durchbruch erfuhr die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde mit dem Beschluss des 4. Senates des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Juni 197725. Das Berufungsgericht hatte in Abweichung zur höchstrichterlichen Rechtsprechung die für eine Anfechtungsklage nach §  42 Abs.  2 VwGO erforderliche Klage­ befugnis verneint. Das Bundesverwaltungsgericht sah sich aufgrund der gegen 22  BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 1979 – 4 CB 73/79 –, Buchholz 310 §  144 VwGO Nr.  34 S.  3 f.; BVerwG, Beschluss vom 21. März 1986 – 3 CB 30/84 –, Buchholz 310 §  144 Nr.  46 S.  10 f.; BVerwG, Beschluss vom 05. Oktober 1990 – 4 B 249/89 –, NVwZ-RR 1991, 118 (119); BVerwG, Beschluss vom 02. November 1990 – 5 B 100/90 –, Buchholz 310 §  43 VwGO Nr.  112 S.  27; BVerwG, Beschluss vom 26. September 2002 – 2 B 23/02 –, NVwZ-RR 2003, 246 f. (entsprechende Entscheidungsgründe nicht mit abgedruckt, vgl. juris); BVerwG, Beschluss vom 02. November 2011 – 3 B 54/11 –, NVwZ-RR 2012, 86 (87); BSG, Beschluss vom 03. März 2009 – B 1 KR 69/08 B –, NZS 2010, 119 (120). 23  BVerwG, Beschluss vom 30. August 1962 – III B 88.61 –, VerwRspr 15, 367 f. Dazu Sendler, DVBl. 1992, 240 (241). Der Grundstein für diese Rechtsprechung wurde gleichwohl bereits von BVerwG, Beschluss vom 14. August 1962 – V B 83.61 –, BVerwGE 14, 342 (347) gelegt, als hier das BVerwG bei der Frage nach der Ursächlichkeit eines Verfahrensfehlers nicht auf die materielle Rechtsansicht des Vordergerichts, sondern darauf abstellte, wie der Rechtsstreit aus seiner Sicht zu beurteilen wäre, vgl. Sendler, DVBl. 1992, 240 (241 Fn.  10). 24  BVerwG, Beschluss vom 30. August 1962 – III B 88.61 –, VerwRspr 15, 367 (367). 25  BVerwG, Beschluss vom 13. Juni 1977 – IV B 13.77 –, BVerwGE 54, 99 ff. Von Sendler, DVBl. 1992, 240 (241) wird diese Entscheidung als „Ritterschlag für die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren“ bezeichnet.

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die Nichtzulassung der Revision durch das Oberverwaltungsgericht gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers nicht veranlasst, seine diesbezügliche Rechtsprechung zu ändern. Vielmehr stellte sich aus seiner Sicht die Abweisung der Klage wegen Unzulässigkeit zwar als rechtsfehlerhaft dar, sodass eigentlich die Revision zuzulassen und im Zuge der anschließenden Revision das Berufungsurteil vorbehaltlich §  144 Abs.  4 VwGO aufzuheben und abzuändern gewesen wäre. Allerdings ergaben die revisionsrechtlich nicht angegriffenen Sachverhaltsfeststellungen des Berufungsgerichtes, dass der vom Kläger verfolgte Anspruch jedenfalls in der Sache nicht bestand und daher das Urteil vom Revisionsgericht zwar nicht als Prozess-, aber als abweisendes Sachurteil aufrechtzuerhalten gewesen wäre. Weil sich dies bereits im Beschwerdeverfahren offenbarte, sah sich das Bundesverwaltungsgericht für befugt, schon die Zu­ lassung der Revision zu verweigern 26. Damit hatte es klargestellt, dass die Verwerfung einer Nichtzulassungsbeschwerde trotz Einschlägigkeit von Zulassungsgründen analog §  144 Abs.  4 VwGO unabhängig davon möglich sei, ob der Wortlaut des Tenors der angegriffenen Entscheidung rechtlich nicht zu beanstanden ist, solange nur der sachliche Entscheidungsausspruch mit der aus seiner Sicht wahren Rechtslage übereinstimmt. Die Ansicht, §  144 Abs.  4 VwGO zeitige über seine unmittelbare Geltung im Revisionsverfahren hinaus auch Vorwirkungen in das Nichtzulassungsbeschwer­ deverfahren und berechtige zur Verweigerung der Revisionszulassung, hat sich seitdem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts etabliert27 und dürfte mittlerweile zum gefestigten Bestandteil des Revisionszulassungsrechts zu zählen sein 28. Die Revisionsgerichte der anderen Gerichtszweige, die dem Zulassungsprinzip unterliegen, haben sich im Laufe der Zeit der bundesverwaltungsgerichtlichen Judikatur angeschlossen 29. 26 

BVerwG, Beschluss vom 13. Juni 1977 – IV B 13.77 –, BVerwGE 54, 99 (100 f.). Beispielhaft seien hier etwa genannt BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 1979 – 4 CB 73/79 –, Buchholz 310 §  144 VwGO Nr.  34 S.  3 f.; BVerwG, Beschluss vom 21. März 1986 – 3 CB 30/84 –, Buchholz 310 §  144 Nr.  46 S.  10 f.; BVerwG, Beschluss vom 05. Oktober 1990 – 4 B 249/89 –, NVwZ-RR 1991, 118 (119); BVerwG, Beschluss vom 02. August 1991 – 3 B 2.91 –, Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr.  16 S.  4; BVerwG, Beschluss vom 26. September 2002 – 2 B 23/02 –, NVwZ-RR 2003, 246 f. (entsprechende Entscheidungsgründe nicht mit abgedruckt, vgl. juris); BVerwG, Beschluss vom 04. September 2008 – 9 B 2/08 –, NVwZ 2009, 253 (255); BVerwG, Beschluss vom 02. November 2011 – 3 B 54/11 –, NVwZ-RR 2012, 86 (87). 28  So in der Sache wohl auch Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  240 f. und Fromm, DVBl. 1992, 709 (709). 29  Vgl. etwa BGH, Beschluss vom 10. August 2005 – XII ZR 97/02 –, MDR 2005, 1241; BFH, Beschluss vom 10. Dezember 2003 – X B 134/02 –, BFH/NV 2004, 906 (907 f.); Beschluss vom 03. März 2009 – B 1 KR 69/08 B –, NZS 2010, 119 (120); BAG, Beschluss vom 15. Februar 2005 – 9 AZN 982/04 –, BAGE 113, 321 (325). 27 

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

Anknüpfungspunkt der Zulassungsprüfung auf Beschwerde hin ist nach d­ ieser Rechtsprechung nicht mehr allein das Berufungsurteil selbst und die Zulassungsträchtigkeit der vom Berufungsgericht entscheidungstragend heran­ gezogenen Begründung, sondern der sachliche Erfolg des Revisionsverfahrens durch eine reformatorische Entscheidung über die Rechtssache als solche30. Danach käme es also für den Zugang zur Revision nicht ausschließlich darauf an, ob i. S. d. §  132 Abs.  2 VwGO das Revisionsverfahren dazu dienen kann, das Recht fortzubilden, die Rechtseinheit zu wahren oder die Einhaltung des Verfahrensrechts durch die Unterinstanzen sicherzustellen, sondern auch und letztlich ausschlaggebend darauf, ob unter dem Gesichtspunkt der Einzelfallgerechtigkeit das Revisionsurteil der vorinstanzlich beschwerten Partei zur Verbesserung ihrer Rechtsstellung gereicht31. Der Analogieschluss zu §  144 Abs.  4 VwGO steht dabei jedenfalls im Ergebnis der ausdrücklich aufgegebenen Prognose-Theorie des Bundesverwaltungsgerichts recht nahe32. Während die ältere Prognose-Rechtsprechung die Revisionszulassung von den Aussichten auf eine Kassation des Berufungsurteils abhängig machte, sind es heutzutage fehlende Aussichten auf eine den Beschwerdeführer begünstigende reformatorische Sachentscheidung des Revisionsgerichts, die seinem Zulassungsbegehren entgegengehalten werden. Für die beschwerte Partei macht es aber nur einen geringen Unterschied, ob das angegriffene Urteil nun schon aus den ausdrücklich vom Berufungsgericht herangezogenen Gründen (§  144 Abs.  2 VwGO) oder erst aus solchen Gründen, die im Wege der reformatorischen Entscheidung „nachgeschoben“33 werden (§  144 Abs.  4 VwGO), als im Ergebnis richtig bestätigt werden würde und deshalb schon die Zulassung der Revision verweigert wird. Beide Formen der Zulassungsverweigerung stützen sich auf eine beschränkte Vorwegnahme der Revisionsprüfung im Zulassungsverfahren34. Aus 30  Ebenso Traut, Zugang zur Revision, S.  219. Im Rahmen der Ergebnisrichtigkeits­ kontrolle nach §  144 Abs.  4 VwGO „verlässt das Revisionsgericht die Ebene der Rechtmäßigkeitskontrolle und wird zu einer eigenen Sachentscheidung berufen“, so Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  29. Ob diese erst im Revisions- oder schon im Beschwerdeverfahren stattfindet, ist für diese Einstufung nicht von Bedeutung. 31  So auch Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  133 Rn.  79. 32  Sendler, DVBl. 1992, 240 (240) und Traut, Zugang zur Revision, S.  219 sehen hierin ein „Hintertürchen“ zur Wiedereinführung eben jener augegebenen Rechtsprechungslinie. Nach Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  237 bedarf die Ergebnisrichtigkeitsprüfung im Beschwerdeverfahren analog §  144 Abs.  4 VwGO im Vergleich zur sonstigen Vorwegnahme der Hauptsache im Zulassungsstadium „in der Tatsache der Ähnlichkeit keiner Erläuterung, wohl aber in der Zulässigkeit der Analogie einer Rechtfertigung.“ 33  So Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  240 Fn.  2072. 34  Ebenso Seiler, NJW 2005, 1689 (1690); Traut, Zugang zur Revision, S.  219 und wohl auch Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  13. Zweifelnd

II. Überblick über das Meinungsbild im Schrifttum

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Sicht der Parteien werden in beiden Varianten die Erfolgsaussichten der Revi­ sion zum zentralen Kriterium des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens. Darüber hinaus neigt das Bundesverwaltungsgericht auch heute noch gelegentlich dazu, im Beschwerdeverfahren höchstrichterlich noch nicht entschiedene Rechtsfragen durch eine mehr oder minder umfangreiche Analyse und Bestätigung der vordergerichtlichen Rechtsauffassung zu klären 35.

II. Überblick über das Meinungsbild im Schrifttum Die Zulassungspraxis der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Nichtzulassungsbeschwerden zurückzuweisen, wenn sich das angegriffene Urteil aus anderen, nicht zulassungsrelevanten Gründen als offensichtlich ergebnisrichtig erweist, ist im Schrifttum auf ein geteiltes Echo gestoßen.

1. Ablehnende Stellungnahmen Ein nicht unerheblicher Teil der rechtswissenschaftlichen Literatur steht einer gesetzesfreien, allein auf richterlicher Rechtsschöpfung beruhenden Sachprüfung im Zulassungsverfahren kritisch gegenüber. Verwiesen wird dabei zunächst auf den generellen Wesensunterschied zwischen Rechtsmittelzugangsvoraussetzungen und Rechtsmittelerfolgskriterien sowie auf die dementsprechend unterschiedliche Verfahrensgestaltung von Nichtzulassungsbeschwerde und Revision36. Mit Sendler, DVBl. 1992, 240 (242, 244) und Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  237, allerdings ohne nähere Begründung. 35  Vgl. etwa aus neuerer Zeit BVerwG, Beschluss vom 30. Mai 2013 – 4 B 3/13 –, NVwZ 2013, 1085 (1086): „Die vom Kl. als grundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfene […] Frage […] lässt sich, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte, mit dem OVG bejahen [Hervorhebung durch Verfasser].“ Vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 16. Ja­ nuar 1992 – 7 B 33/91 –, DVBl. 1992, 708 (709): „Der Kl. ist zwar einzuräumen, daß sich [die vom Vordergericht gefundene und als grundsätzlich klärungsbedürftig geltend gemachte] Auslegung nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des §  3 Abs.  3 PBefAusglV ergibt. Jedoch ergibt sie sich eindeutig aus der Zweckbestimmung der Regelung und aus dem Zusammenhang, in dem sie steht; mit dem Wortlaut der Vorschrift ist sie ohne weiteres vereinbar. Die bezeichnete Frage ist deshalb nicht erst in einem Revisionsverfahren zu klären.“ Siehe hierzu die kritischen Anmerkungen zu dieser Verfahrensweise von Fromm, DVBl. 1992, 709 f. Seine beachtlichen Gegenargumente gegen die vom BVerwG gefundene Auslegungsvariante des §  3 Abs.  3 PBefAusglV dürften zeigen, dass die Rechtsansicht des Gerichts keineswegs so „eindeutig“ sein kann, wie von diesem angenommen. Zur Klärung von Grundsatzfragen im Rahmen von Beschwerdeentscheidungen im Allgemeinen vgl. Redeker, in: Lenz, Festschrift Gelzer, S.  333 ff. 36  Hanack, Ausgleich, S.  279; May, Revision, IV Rn.  157, 187a; von Wedelstädt, Der Be-

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

den Zulassungsgründen des §  132 Abs.  2 VwGO habe der Gesetzgeber abschließend festgelegt, unter welchen Bedingungen ein Revisionsverfahren durchgeführt werden kann37. Die Erfolgsaussichten der Revision gehörten danach gerade nicht zu den für die Revisionswürdigkeit der Streitsache maßgeblichen Kriterien38. Allenfalls, wenn die Zulassungsgründe selbst einen Ausblick auf den Ablauf des Rechtsmittelverfahrens erforderten, sei eine entsprechende Prüfung zulässig und geboten39. Da jedenfalls die Zulassungsgründe nach §  132 Abs.  2 Nr.  1 und Nr.  2 VwGO ausschließlich Allgemeininteressen dienten, sei ein Abstellen auf die allein im Interesse der Parteien bestehende Frage, ob das Vordergericht jedenfalls im Ergebnis richtig entschieden hat, mit den unterschiedlichen Zielen von Nichtzulassungsbeschwerde und Revision ­unvereinbar40. Die Verknüpfung der Zulassungsentscheidung mit einer Erfolgsprognose verleite das Beschwerdegericht dazu, über das Vorliegen von Zulassungsgründen nur „mit gelockerter Augenbinde“ zu befinden41 und dadurch die den Revisionsgerichten vom Gesetzgeber zugedachten, im Interesse der Rechtseinheit liegenden Aufgaben allein aus Entlastungsgründen zu vernachlässigen42. Die Entscheidung, auch ein voraussichtlich erfolgloses Rechtsmittel einzulegen, unterliege vielmehr in erster Linie dem ­Risiko und der Disposition des jeweiligen Rechtsmittelführers, dem aufgrund des Vertretungszwanges nach §  67 Abs.  4 VwGO ohnehin rechtskundige Beratung zur Verfügung stehe, weshalb eine ­paternalistische Zulassungspraxis fehl am Platze sei43. Weiterhin wird geltend gemacht, die Nichtzulassungsbeschwerde habe nur die Aufgabe, die Durchführung der Revision zu ermöglichen, nicht jedoch, diese vorwegzunehmen oder gar zu ersetzen44. Eine Ergebnisrichtigkeitsprüfung trieb 1991, 1899 (1903); App, JA 1994, 236 (237); Ruban, in: Gräber, FGO, §  116 Rn.  56; Schuler, SGb 2003, 126 (129). 37  Fromm, DVBl. 1992, 709 (709). 38  Geis/Thirmeyer, JuS 2013, 799 (800); Traut, Zugang zur Revision, S.  218; Reuß, DVBl. 1957, 293 (297) sowie Seiler, NJW 2005, 1689 (1689) unter Vergleich mit der Annahmerevision nach §  554b ZPO a. F. 39  Hierauf verweist Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  32, 234–236, gleichwohl hält er eine analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Beschwerdeverfahren für zulässig, vgl. a. a. O. Rn.  237. 40  Ruban, in: Gräber, FGO, §  115 Rn.  32; Hanack, Ausgleich, S.  254, 280; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  133 Rn.  79. 41  Gottwald, BRAK-Mitt. 1999, S.  55 (59). 42  Redeker, in: Lenz, Festschrift Gelzer, S.  333 (336). 43  Krasney, in: Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, IX. Rn.  54; Naumann, DÖV 1956, 545 (548); Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  133 Rn.  44, 79; Traut, Zugang zur Revision, S.  220. 44  May, Revision, IV Rn.  67; Maetzel, MDR 1961, 453 (453); Friedrichs, NJW 1981, 1421 (1423).

II. Überblick über das Meinungsbild im Schrifttum

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im Rahmen der Zulassungskontrolle würde aber in unzulässiger und das gesetzgeberische Regelungskonzept konterkarierender Weise die Nichtzulassungs­ beschwerde zu einem Vorabprüfungsverfahren ausweiten45, was wiederum dem angedachten Entlastungszweck des Zulassungsprinzips selbst zuwiderlaufe46. Stellt das Gericht im Rahmen seiner Beschwerdeentscheidung auf im bisherigen Prozessverlauf noch unberücksichtigte Aspekte der Rechtssache ab, müsse es zuvor rechtliches Gehör hierzu gewähren, im Zuge dessen der Aufwand des Beschwerdeverfahrens dem der eigentlichen Revision gleich kommen47. Ohnehin könne die Revisionszulassung nicht von solchen Erkenntnissen abhängig gemacht werden, die erst im eigentlichen Revisionsverfahren selbst zu gewinnen sind, weil andernfalls die Grenzen zwischen Zulässigkeit und Begründetheit des Rechtsmittels verwischt würden48. Nur die Revision selbst biete, ins­ besondere durch die Möglichkeit einer mündlichen Verhandlung, die Gewähr dafür, dass alle in Betracht kommenden Aspekte des Falles Berücksichtigung finden und eine demnach vollumfänglich richtige Sachentscheidung getroffen werden könnte49. Da das Gesetz diese dem Bundesverwaltungsgericht ausschließlich in seiner Funktion und Besetzung als Revisionssenat vorbehalte, würde den Parteien durch eine Sachentscheidung des Beschwerdesenates unter dem Deckmantel einer Nichtzulassungsentscheidung zudem der gesetzliche Richter entzogen50.

2. Befürwortende Stellungnahmen Andere Teile des Schrifttums haben sich dagegen der Rechtsprechung der Revisionsgerichte zur Möglichkeit einer Erfolgsprognose im Zulassungsverfahren umfänglich oder zumindest einschränkend angeschlossen. Ähnlich dem Begründungsansatz des Bundesverwaltungsgerichts wird hierzu auf §  144 Abs.  4 VwGO rekurriert. Die Vorschrift entfalte danach bereits Vorwirkungen ins Be45  Kuhla, in: Kuhla/Hüttenbrink/Endler, Der Verwaltungsprozess, Abschnitt F Rn.  183; Grunsky, in: Dietrich/Gamillscheg/Wiedemann, Festschrift Hilger/Stumpf, S.  261 (265); Traut, Zugang zur Revision, S.  101. 46  Vgl. hierzu BT-Drs. 14/4722, S.  68 zum ZPO-Reformgesetz 2001: „Während derzeit Nichtannahmeentscheidungen wegen der notwendigen Prüfung einer „Erfolgsaussicht im Ergebnis“ einen größeren Aufwand erfordern, führt die Beschränkung des Prüfungsumfangs im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde zu einer geringeren Belastung.“ 47  Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  240 Fn.  2072. 48  Traut, Zugang zur Revision, S.  101; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  132 Rn.  19. 49  Reuß, DVBl. 1958, 233 (234). 50  Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  240 Fn.  2072; Reuß, DVBl. 1958, 233 (234); Naumann, DÖV 1956, 545 (548).

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schwerdeverfahren, das ebenso wie die Revision dem in dieser Norm zum Ausdruck kommenden Gedanken der Prozessökonomie unterliege und der einer Fortführung eines Verfahrens um eines letztlich für das Ergebnis irrelevanten Fehlers entgegenstehe51. Ergänzend wird darauf verwiesen, dass in den Fällen, in denen das angegriffene Urteil aus anderen als den von der Vorinstanz entscheidungserheblich herangezogenen Gründen im Ergebnis zu bestätigen sei, ohnehin nicht zu erwarten sei, dass das Revisionsgericht Rechtsfragen, die nur vom Berufungsurteil aufgeworfen wurden, in entscheidungserheblicher und d­ amit endgültiger Weise klären könnte52. Das Kriterium der Entscheidungs­ erheblichkeit der zulassungsrelevanten Rechtsfragen sei aber von zentraler ­Bedeutung für die Rechtsmittelzulassung. Scheide diese schon aus, wenn die angefochtene Entscheidung kumulativ mehrfach begründet wurde und der Zulassungsgrund nicht alle Begründungsstränge erfasst, so müsse dies auch gelten für den Fall, in dem erst das Beschwerdegericht der Entscheidung nachträglich eine selbstständig tragfähige, zulassungsgrundfreie Begründung beigeben könnte53. Unter dem Gesichtspunkt der Rechtsschutzgleichheit dürfe der unterlegenen Partei der Umstand, dass das Berufungsgericht seine Entscheidung nicht selbst auf diese Weise rechtsmittelzulassungsfest gemacht hat, jedenfalls dann nicht zum Vorteil gereichen, wenn der alternative Begründungsansatz offensichtlich sei54. Die grundsätzlich auf die materielle Rechtsansicht des Vordergerichts abstellenden Revisionszulassungsgründe berücksichtigten dies nicht hinreichend, weshalb dieses Defizit notwendigerweise durch das „Korrektiv“ einer analogen Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO auszugleichen sei55. Die Grenzen zwischen Zulassungs- und Revisionsverfahren würden dadurch jedenfalls nicht in ihren Grundfesten in Frage gestellt und dem Beschwerdeführer kein Unrecht getan, wenn sich das Beschwerdegericht dabei nur auf die Prüfung derjenigen Alternativgründe beschränke, die nach summarischer Sichtung des Streitstoffes auf der Hand lägen oder aus sonstigen Gründen offensichtlich seien

51  Sendler, DVBl. 1992, 240 (242) und passim; Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  77; Bader, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, §  133 Rn.  46; Hermann, Steuerprozess, Rn.  170, 193; Meyer-Ladewig, in: Bachof/Heigl/Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (429); Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  62; Kauz, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, §  133 VwGO Rn.  24 sowie Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  124a Rn.  125 zum Berufungszulassungsantrag. 52  Wenzel, NJW 2002, 3353 (3359). 53  Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  237. 54  Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  77. 55  So Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  78 sowie Eichberger/ Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  61.

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und zu denen die Beteiligten sich vor Zurückweisung der Beschwerde äußern könnten56. Unter dem Gesichtspunkt der Revisionszwecke sei es danach jedenfalls aber im Bereich der Verfahrensfehlerzulassung nach §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO zulässig, die Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils in Ansatz zu bringen, weil dieser Zulassungsgrund nicht Allgemein-, sondern vorrangig Individualinteressen verwirkliche und daher in diesen Fällen die Revisionszulassung auch allein unter Individualrechtsschutzaspekten verweigert werden dürfe57. Einzelne Stimmen im Schrifttum befürworten zudem sogar eine über die bisherige Handhabe des §  144 Abs.  4 VwGO im Zulassungsverfahren hinausgehende Zulassungspraxis. So solle etwa nicht nur das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen seiner Beschwerdeentscheidung, sondern sogar auch schon das Oberverwaltungsgericht bei seiner Abhilfeentscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde die Ergebnisrichtigkeit des von ihm zuvor erlassenen Berufungsurteils aus anderen Gründen berücksichtigen dürfen und dementsprechend die Revisionszulassung verweigern58. Die Prüfung der hierfür heranzuziehenden Alternativerwägungen solle dabei gerade nicht nur auf offenkundige Aspekte der Rechtssache beschränkt sein59. Andere Stimmen befürworten, die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren in das Ermessen des Bundesverwaltungsgerichts zu stellen, welches damit bei von ihm erkannter Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils allein nach Maßgabe prozessökonomischer Erwägungen im Einzelfall nach seinem Ermessen die Revision zulassen oder die Beschwerde zurückweisen können solle60. Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  133 Rn.  51; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  144 Rn.  34; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, §  160a Rn.  18 sowie Baumgärtel, Zulassungsberufung, S.  98 und Seibert, NVwZ 1999, 113 (119) zum Berufungszulassungsantrag. 57  Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  888, 890, 891; Ruban, in: Gräber, FGO, §  115 Rn.  32, 98. 58  So Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  133 Rn.  87: „Diese Erweiterung des Prüfungsumfangs bereits im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren erfolgt aus Gründen der Prozessökonomie und berechtigt OVG/BVerwG [Hervorhebung durch Verf.] zu einer an §  144 Abs 4 VwGO angelehnten Inzidentprüfung der Ergebnisrichtigkeit.“ 59  Ebenfalls Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  133 Rn.  86.1: „Die Beschränkung auf »evidente« bzw. »offenkundige« Fälle […] vernachlässigt, dass es – hinreichende Tatsachenfeststellungen unterstellt – um die Beurteilung von Rechtsfragen geht und dem Besetzungseinwand dann allenfalls über ein Einstimmigkeitserfordernis Rechnung zu tragen wäre.“ Im Folgenden jedoch wiederum einschränkend: Keine Verpflichtung, sondern nur Berechtigung des Gerichts zur „vorgelagerten Vollprüfung“ (a. a. O. Rn.  87). 60  Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  62. 56 

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

III. Rechtspraktische Auswirkungen einer Erfolgsprognose im Zulassungsverfahren Prüft das Beschwerdegericht schon im Stadium der Rechtsmittelzulassung, ob das angefochtene Urteil einer reformatorischen Entscheidung zugänglich wäre, nimmt es eine Art Minimalrevision61 vor, die im Ansatz mit der Verfahrens­ weise nach §§  132 Abs.  2 Nr.  3, 133 Abs.  6 VwGO vergleichbar ist62. In beiden Fällen wird das Berufungsurteil bereits im Wege der Nichtzulassungsbeschwerde einer beschränkten revisionsrichterlichen Kontrolle unterzogen und die Revisionsentscheidung vorweggenommen. Beiden (Nicht-)Zulassungsmodalitäten liegt vor allem der Gedanke zugrunde, dass es der Durchführung eines Rechtsmittelverfahrens dann nicht mehr bedarf, wenn dessen Ausgang bereits im Zulassungsstadium feststeht. Die Verknüpfung von Zulassungs- und Sachprüfung beruht insoweit maßgeblich auf pragmatischen Erwägungen, insbesondere solchen der Prozessökonomie und der Verfahrensbeschleunigung. Im Folgen soll daher zunächst dargestellt werden, welche rechtspraktischen Auswirkung positiver und negativer Art eine Ergebniskontrolle im Zulassungsverfahren und die hieran anknüpfende Möglichkeit zur Nichtzulassung von Revisionen gegen Urteile, die sich als im Ergebnis richtig herausstellen, mit sich bringen können. Diese sollen jeweils anschließend am Maßstab der gesetzlichen Rahmenbedingungen des Rechtsmittel- und Rechtsmittelzulassungsrechts bewertet werden.

1. Vorteilhafte Gesichtspunkte a) Prozessökonomische Verfahrensbeschleunigung und Entlastung Ziel des Revision ist die inhaltlich richtige Entscheidung über den Rechtsstreit, wenn und soweit dies von der Vorinstanz noch nicht selbst zur Befriedung der Parteien bewerkstelligt worden ist (Reformation). Die Prüfung, ob das Berufungsurteil nach §  137 Abs.  1 VwGO auf der Verletzung revisiblen Rechts beruht und deshalb aufzuheben wäre (Kassation), ist diesbezüglich nur ein Teil des revisionsrichterlichen Erkenntnisprozesses und damit lediglich Mittel zum Zweck63. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren setzt an diesem Gedanken an und überträgt ihn in das Verfahrensstadium der Revisionszulassung. Können die zur Befriedung des zu61  Vgl. Rennert, NVwZ 1998, 665 (667): Eine Ergebniskontrolle im Zulassungsverfahren entspreche dem Rechtsmittelverfahren „im Kleinen“. 62  Diesen Vergleich ziehen auch Traut, Zugang zur Revision, S.  220 und Rosenthal, Probleme des ZPO-RG, S.  42. 63  Bettermann, ZZP 88, 365 (369, 372).

III. Rechtspraktische Auswirkungen

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grunde liegenden Streitfalles notwendigen Erkenntnisse auch ohne die Durchführung einer Revision erlangt werden, insbesondere weil diese aus Sicht des zugleich über die Zulassung und das Rechtsmittel entscheidenden iudex ad quem bereits auf der Hand liegen, erschiene die Fortführung des Verfahrens um seiner selbst willen als bloßer Formalismus64. Vor dem Hintergrund, dass auch in den Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wirksamer Rechtsschutz zugleich zeitangemessener Rechtsschutz sein muss65, führt die Zurückweisung von Nichtzulassungsbeschwerden gegen ergebnisrichtige Berufungsurteile analog §  144 Abs.  4 VwGO zu einer entsprechenden Verfahrensbeschleunigung. Dies wiederum erspart den Streitparteien zusätzlichen, letztlich unergiebigen Zeit- und Kostenaufwand66 und ermöglicht dem Revisionsgericht, seine dadurch frei gewordenen Ressourcen auf Fälle zu verwenden, in denen ein Eingreifen des Gerichts im Einzel- oder Allgemeininteresse in der Sache tatsächlich geboten erscheint67. Dies sind im Grunde legitime Anliegen68. Auch die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes steht als staatliche Leistung, jedenfalls soweit sie über das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß hinausgeht, stets im Spannungsverhältnis zwischen Aufwand und Nutzen69. Der zügige Abschluss gerichtlicher Verfahren liegt zum einen im objektiven Interesse der Parteien70. Zum anderen ist die Effektivität und Angemessenheit des Rechtsschutzes vor dem Hintergrund der Rechtsschutzgarantien aus Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG und Art.  6 Abs.  1 EMRK immer auch in Abhängigkeit des dabei benötigten Zeit­

64  So BVerwG, Beschluss vom 13. Juni 1977 – IV B 13.77 –, BVerwGE 54, 99 (100 f.); Schafft, Selektion, S.  93 f. 65  Nach Brinktrine, in: Mitglieder Juristenfakultät, Festschrift 600 Jahre Universität Leipzig, S.  319 (324) handelt es sich bei dieser Prämisse um die „wichtigste Zielvorstellung“ innerhalb des Bundesverwaltungsgerichts. Der Gedanke der Verfahrensbeschleunigung rechtfertigt etwa auch die ausnahmsweise Berücksichtigung einer veränderten Sachlage im Revisionsverfahren, vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 1992 – 9 C 77/91 –, ­BVerwGE 91, 104 (106 f.). 66  Sendler, DVBl. 1992, 240 (241). 67  Schafft, Selektion, S.  94. Vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 1977 – 1 BvR 713/77 –, BVerfGE 47, 102 (104 f.) zum selben Gedankengang bei der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung. 68  BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 23. Februar 2011 – 1 BvR 500/07 –, BeckRS 2011, 49213; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 10. Oktober 2008 – 1 BvR 1421/­ 08 –, BVerfGK 14, 316 (320 f.); BVerfG, Kammerbeschluss vom 06. September 1996 – 1 BvR 1485/89 –, NJW 1997, 1693. 69  Ebenso Jessen, NVwZ 1982, 410 (412) zur Streitwertberufung. 70  Grave, VerwArch 64, 51 (55); Seiler, NJW 2005, 1689 (1691); Keller, jurisPR-SozR 18/2009 Anm.  5.

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

momentes zu beurteilen71. Die Partei, die mit einer Nichtzulassungsbeschwerde die Eröffnung der Revisionsinstanz erreichen will, beabsichtigt dies nicht um ihrer selbst willen, sondern in erster Linie, weil sie die durch das Berufungsurteil bewirkte Beschwer beseitigt wissen will72. Sie wird daher selbst schon im Stadium der Rechtsmittelzulassung die Erfolgsaussichten eines weiteren Vorgehens abwägen wollen und müssen73. Hieran auch gerichtlicherseits anzuknüpfen, erschiene dann aber als logische Konsequenz. Dennoch vermögen prozessökonomische Erwägungen allein nicht, einen gesetzlich vorgesehenen Regelungszusammenhang in Frage zu stellen, vor allem, wenn dieser die Statuierung und Verwirklichung subjektiver Rechte zum Gegenstand hat74. Prozessökonomie ist keine apriorische Begrifflichkeit, die losgelöst vom zugrunde liegenden Recht zur Maßstabsbildung jeden judikativen Handelns herangezogen werden kann, sondern zunächst nur eine subjektive Zielvorstellungen des jeweils zur Entscheidung berufenen Amtswalters von dem, was unter Abwägung der berührten Belange im jeweiligen Fall einerseits gerecht und andererseits zweckmäßig ist. Dabei ist es in erster Linie der Gesetzgeber, der dazu aufgerufen ist, durch die Ausgestaltung des Prozess- und Gerichtsverfassungsrechts für eine ökonomisch sinnvolle Verfahrensgestaltung in abstracto zu sorgen75. Nur dort, wo den Gerichten vom zugrunde liegenden ­Gesetz entsprechende Handlungs- und Entscheidungsspielräume überlassen worden sind, können diese ihre eigenen Vorstellungen von Prozessökonomie für den konkreten Fall in Ansatz bringen76. Dies kann aber nicht dadurch um­gangen werden, indem dort Regelungslücken konstruiert werden, wo eigentlich keine bestehen, um diese dann abweichend vom gesetzgeberischen Regelungskonzept nach eigenen Vorstellungen auszufüllen. Selbst wenn man dies anders sehen wollte, lässt sich dennoch nicht jede verfahrensbeschleunigende Maßnahme, die zu einer Entlastung des angerufenen Spruchkörpers führt, generell mit dem Postulat der Prozessökonomie begründen, weil auch die Prozessökonomie als gerichtliche Handlungsmaxime dem Prozessziel der Produktion richtiger Entscheidungen verpflichtet ist77. Denn dort, wo 71 

BVerfG, Beschwerdekammerbeschluss vom 01. Oktober 2012 – 1 BvR 170/06 – JW 1997, 2809 (2810); Steiner, in: Baumeister/Roth/Ruthig, Festschrift Schenke, S.  1277 (1287). 72  Hieran knüpft auch die Verfahrensfortführung nach §  139 Abs.  2 VwGO an, vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 05. Juni 1998 – 9 B 469/98 –, NVwZ 1999, 642 (643) sowie Rennert, VBlBW 1999, 283 (285) zum Berufungszulassungsantrag. 73  BT-Drs. 11/7030, S.  33. 74  Ebenso Traut, Zugang zur Revision, S.  220. 75  Pflughaupt, Prozessökonomie, S.  308; May, Revision, I. Rn.  1a. 76  Meyer, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art.  97 Rn.  22; Pflughaupt, Prozessökonomie, S.  312 f. 77  Pflughaupt, Prozessökonomie, S.  285 f.

III. Rechtspraktische Auswirkungen

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dem zügigen Verfahrensabschluss Vorrang vor dem gesetzlich vorgezeichneten Weg der Erkenntnisgewinnung beigemessen wird, geht die angestrebte Entlastung mit Abstrichen bei der Richtigkeitsgewähr der Entscheidung einher78. Dass dies in jedem Fall den Interessen der Parteien entspricht, lässt sich nur schwerlich behaupten. Denn je intensiver und gründlicher ein Rechtsstreit beurteilt und ausgetragen wurde, desto eher vermag eine gerichtliche Entscheidung das Konfliktverhältnis zwischen den daran Beteiligten zu befrieden, selbst wenn dies notwendigerweise zu Lasten der einen oder anderen Seite geschieht79. Ob den Parteien mehr an einer schneller oder eher an einer richtigen Entscheidung der Rechtssache gelegen ist, lässt sich insoweit nicht verallgemeinernd klären. Im Nachhinein ist es jedenfalls stets nur die letztlich obsiegende Partei, der mit einem beschleunigten Verfahrensabschluss gedient war80. Schließlich lässt sich eine Abkürzung des Revisionsverfahrens durch eine Erweiterung des Beschwerdeverfahrens auch nicht damit rechtspraktisch begründen, dass das Revisionsverfahren kein Selbstzweck sei und daher einer Verfahrensstraffung zugänglich sein müsse, wenn dessen Verfahrensziel bereits im Zulassungsverfahren erreicht werden kann. Dieser Gedanke würde nur dann tragen, wenn man in der Revision ausschließlich ein Instrument des Rechtsschutzes der Parteien erblicken wollte. Dass die Revision aber auch den Interessen aller am Rechtsleben Beteiligter dient, weil sie zur bundeseinheitlichen Klärung allgemeinbedeutsamer Rechtsfragen beiträgt und auf diese Weise auch erhebliche Auswirkungen auf Folgeprozesse hat, steht heutzutage außer Zweifel81. Wenn man aber unter Prozessökonomie jedenfalls im hier interessierenden Zusammenhang die beschleunigte und effiziente Erreichung der jeweiligen Verfahrensziele versteht82 , so können jedenfalls diese allgemeinwohlbezogenen ­Revisionszwecke trotz ihrer Einschlägigkeit nicht erreicht werden, wenn das Bundesverwaltungsgericht die Eröffnung der Revisionsinstanz gerade aus Gründen verweigert, die an die individuelle Rechtsschutzsituation des Beschwerdeführers anknüpfen83. Unter diesem Gesichtspunkt handelt es sich bei der analogen Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO also nicht um eine Form der Verfahrensbeschleunigung, sondern um die einseitige Verschiebung von Im Ansatz auch Schafft, Selektion, S.  148: Richtigkeitsgewähr durch Verfahren. Hufen, Verw 32, 519 (533). 80  Schreiner, Zulassungsberufung, S.  33. 81  Statt vieler vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 08. Januar 2004 – 1 BvR 864/03 –, NJW 2004, 1371 (1371); Schwinge, Grundlagen, S.  26; Prütting, Zulassung, S.  89. 82  Vgl. dazu die Nachweise bei Hofmann, ZZP 2013, 83 (86) und passim zur Verankerung des Grundsatzes der Prozessökonomie in der ZPO und dessen rechtssystematischer Einordnung. Ebenso Schumann, in: Paulus/Diederichsen/Canaris, Festschrift Larenz, S.  271 (277). 83  So in der Sache auch Müller, NJW 1955, 1740 (1744). 78 

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Rechtsmittelfunktionen, die sich in Anbetracht dessen schwerlich als prozess­ ökonomisch bezeichnen lässt, weil sie nicht den Weg zum Verfahrensziel, sondern das Verfahrensziel selbst modifiziert84. b) Verhinderung unbegründeter Hoffnungen auf den Revisionserfolg Die Inkorporation einer Erfolgsprognose in das Zulassungsverfahren wurde gelegentlich auch damit begründet, dass durch eine positive Zulassungsentscheidung auch in Fällen offensichtlich aussichtsloser Revisionen letztlich unbegründete Hoffnungen auf den Erfolg des Rechtsmittels geweckt werden könnten, die es zu verhindern gelte85. Habe gerade der iudex ad quem über die Rechtsmittelzulassung zu entscheiden, solle der Eindruck vermieden werden, dass das Gericht dem Rechtsmittel in der Hauptsache Erfolgsaussichten beimesse, was den Beschwerdeführer zu entsprechenden Dispositionen veranlassen könnte86. Zwar könnte das Bundesverwaltungsgericht in diesen Fällen auch in der Begründung des zulassenden Beschwerdebeschlusses auf seine Bedenken gegen den Revi­ sionserfolg hinweisen87, doch könnte dadurch der Anschein einer Vorfestlegung hinsichtlich des weiteren Verfahrensablauf erweckt werden, die Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richtergremiums aufkommen lassen könnten88. Hinter dieser Argumentation steht der Gedanke, dass der Staat den Parteien keine im Allgemeininteresse liegenden Rechtsmittel an die Hand geben dürfe, deren individueller Nutzen im Einzelfall von vornherein gering oder gar aus­ geschlossen ist89, sodass es angezeigt sein könnte, den Rechtsschutzsuchenden 84  Dazu Schumann, in: Paulus/Diederichsen/Canaris, Festschrift Larenz, S.  271 (279): „Prozeßökonomie [ist] niemals ein Verzicht auf die Ziele des Prozesses, sondern nur das Inbezugsetzen von Prozeßziel und Prozeßaufwand.“ Vgl. auch Brehm, in: Stein/Jonas, ZPO Bd. 1, vor §  1 Rn.  111. 85  So noch BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 1954 – I B 49.53 –, BVerwGE 1, 67 (69). Die Rechtsprechung zieht diese Argumentation heute zu Recht nicht mehr heran. 86  So BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 1954 – I B 49.53 –, BVerwGE 1, 67 (69); ­BVerwG, Beschluss vom 30. Juli 1955 – I B 25.54 –, BVerwGE 2, 190 ff. (relevanter Begründungsteil nicht mit abgedruckt, vgl. juris); BVerwG, Beschluss vom 07. Mai 1957 – I B 32.56 –, WM 1957, 1066 f. (relevanter Begründungsteil nicht mit abgedruckt, vgl. juris); Meyer-­ Ladewig, in: Bachof/Heigl/Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (418); Müller, NJW 1955, 1740 (1744). 87  Nach Meyer-Ladewig, in: Bachof/Heigl/Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (429) dürfe die Zulassung der Revision gegen ergebnisrichtige Entscheidungen unter entsprechendem Hinweis des Gerichts nur ein „Notbehelf“ gegenüber der Nichtzulassung analog §  144 Abs.  4 VwGO sein. 88  Sendler, DVBl. 1992, 240 (240). 89  Pohle, Gutachten B für den 44. DJT., S.  40 spricht von einer diesbezüglichen staatlichen „Fürsorgepflicht“.

III. Rechtspraktische Auswirkungen

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gerade in dessen eigenem Interesse auf die eine oder andere Weise von der Ein­ legung solcher letztlich unergiebiger Rechtsbehelfe abzuhalten. Bei genauerer Betrachtung erscheint diese Sichtweise jedoch zirkulär. Sollen sich nämlich aus der Zulassungsentscheidung gerade keine Rückschlüsse auf den voraussichtlichen Rechtsmittelerfolg ziehen lassen, so wäre es nicht verständlich, warum das Zulassungsgericht gerade deswegen eine entsprechende Vorabprüfung des Rechtsmittels vornehmen können soll. Wenn sich das Beschwerdegericht schon im Zulassungsstadium vorbehält, auf den sachlichen Erfolg der Revision abzustellen, könnte dies gerade dazu führen, dass im Falle der Stattgabe der Beschwerde Rückschlüsse auf die Position des Gerichts zum möglichen Verfahrensausgangs in der Hauptsache gezogen werden. Dies hätte zur Folge, dass sich dann die wegen §  139 Abs.  2 S.  1 VwGO vom Beschwerdeführer zum Revisionskläger gewordene Partei auf den Standpunkt stellen könnte, eine Aufrechterhaltung des Berufungsurteils nach §  144 Abs.  4 VwGO sei dem Revisionsgericht verwehrt, weil es die Nichtzulassungsbeschwerde nicht bereits in analoger Anwendung dieser Norm zurückgewiesen hatte. Eine solche Präjudizwirkung soll aber der Zulassungsentscheidung, auch und gerade wenn diese das Ergebnis der Berufungsentscheidung analog §  144 Abs.  4 VwGO in den Blick genommen hat90, eben nicht zukommen91. Als „bloßes“ Kriterium der Statthaftigkeit der Revision vermag deren Zulassung, die allein den Zweck hat, für eine Fortsetzung des Hauptsacheverfahrens die höhere ­Instanz zu eröffnen, schon ihrem Wesen nach nicht, Anhaltspunkte für den weiteren Verfahrensgang, geschweige denn den Rechtsmittelerfolg zu liefern92. Dies ließe sich allenfalls dann in Erwägung ziehen, wenn die Entscheidung über den Zugang zur Rechtsmittelinstanz vom Gesetz gerade von der vorgezogenen Beurteilung der Streitsache durch das Rechtsmittelgericht abhängig gemacht wird, so etwa in den Fällen von §  124 Abs.  2 Nr.  1 VwGO oder §  93a Abs.  2 lit.  b) BVerfGG93. Insoweit aber §  132 Abs.  2 Nr.  1, Nr.  2 VwGO selbst nicht daran anknüpfen, ob der Rechtsstreit vom Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend entschieden wurde, kann eine Zulassungsentscheidung, die auf diesen Zulassungsgründen beruht, auch keinen Anhaltspunkt für die letztliche RechtsSo ausdrücklich Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  133 Rn.  87. W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  132 Rn.  5; Sendler, NJW 2004, 2068 (2069). Vgl. Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  33: „Das ist die nicht nur die Parteien, sondern auch die Gerichte belastende Kehrseite der Trennung von Revisionszulassung und Revisionserfolg.“ 92  BVerwG, Beschluss vom 28. März 2006 – 6 C 13/05 –, NVwZ-RR 2006, 580 (582). 93  Zur Beurteilungsperspektive des §  124 Abs.  2 Nr.  1 VwGO vgl. Rimmelspacher, in: Gottwald/Roth, Festschrift Schumann, S.  327 (337); Gottwald, BRAK-Mitt. 1999, 55 (57); Berkemann, DVBl. 1998, 446 (454). Kritisch dazu Hufen, Verw 32, 519 (531). Zu §  93a Abs.  2 lit.  b) BVerfGG vgl. Lechner/Zuck, BVerfGG, §  93a Rn.  20. 90  91 

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

auffassung des Revisionsgerichts hinsichtlich des Verfahrensausgangs liefern. Dies gilt auch für die Revisionszulassung wegen Verfahrensfehlern nach §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO, in deren Falle die Fehlerhaftigkeit und damit Aufhebbarkeit des Berufungsurteils schon im Zulassungsstadium feststeht94. Selbst wenn nämlich die insoweit zugelassene Revision nur auf eben jene Verfahrensfehler gestützt wird und das Revisionsgericht nach §  137 Abs.  3 S.  1 VwGO auf deren Überprüfung beschränkt ist, so bedarf es vor Aufhebung des Urteils stets noch der Prüfung, ob die Entscheidung nicht doch aus materiell-rechtlichen Gründen nach §  144 Abs.  4 VwGO zu bestätigen ist95. Insoweit misst das Gesetz vor dem Hintergrund der Doppelfunktion der Revision, der Kassation einerseits und der Reformation andererseits, der Zulassungsentscheidung gerade keine Vorwirkung für die Rechtsmittelentscheidung zu. Das Gesetz erklärt in §  132 Abs.  1, Abs.  3 VwGO nur die positive Zulassungsentscheidung selbst für das Revisionsgericht für beachtlich, während die Gründe, aus denen sie ergangen ist, nach §  132 Abs.  2 Hs.  1 VwGO nur für das Zulassungsgericht von Bedeutung waren, sich aber auf das Rechtsmittelverfahren nicht auswirken96. Der vernünftigen, durchschnittlichen Prozesspartei, auf deren Sichtweise abzustellen ist und die wegen §  67 Abs.  4 S.  1, S.  2 VwGO ohnehin anwaltlich beraten ist, kann somit schwerlich unterstellt werden, entgegen dieser relativ klaren gesetzlichen Regelung des Revisionszulassungsrechts im bloßen Zulassungsausspruch eine richterliche Vorfestlegung für den weiteren Gang des Verfahrens zu erblicken97. Dass der Revision im Verwaltungsprozess ein Zulassungsverfahren vorgeschaltet ist, setzt die Parteien nicht mehr und nicht weniger Prozessrisiken als in anderen Verfahren aus. Aufgrund der gesetzlichen Trennung und unterschiedlichen Ausrichtung von Zulassungs- und Rechtsmittelerfolgsvoraussetzungen ist es diesem Zugangssystem inhärent, dass auch solche Revisionen zugelassen werden, die nicht zur Besserstellung der Rechtsposition der beschwerten Parteien führen können98. Dieses Risiko 94  Denn das von §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO geforderte tatsächliche Vorliegen des Verfahrensmangels stellt zugleich einen Revisionsgrund i. S. d. §  137 Abs.  1 VwGO dar, vgl. Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  3, 41 und W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  133 Rn.  22. 95  BVerwG, Urteil vom 21. Juni 1979 – 5 C 47/78 –, BVerwGE 58, 146 (149); BVerwG, Beschluss vom 11. Juli 2000 – 8 B 154/00 –, NVwZ 2000, 1299 (1299); BVerwG, Urteil vom 10. November 1999 – 6 C 30/98 –, BVerwGE 110, 40 (49); Jansen, NJW 1956, 1387. Dies gilt grundsätzlich nicht bei absoluten Revisionsgründen nach §  138 VwGO, vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2003 – 8 C 1/02 –, NVwZ 2003, 1129 (1130). 96  Vgl. Lässig, Fehlerhafte Rechtsmittelzulassung, S.  21 f. zur gesetzlichen Unterscheidung zwischen Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungswirkung. 97  Ebenso Gatz, jurisPR-BVerwG 24/2005 Anm.  6. 98  Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  33; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  238.

III. Rechtspraktische Auswirkungen

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muss aber der Rechtsmittelkläger selbst abschätzen dürfen99. Insoweit ist es gerade die Aufgabe des beratenden Rechtsanwaltes, den Mandanten auf die Funktion der Revisionszulassung hinzuweisen und schon vor Einlegung des Zulassungsrechtsbehelfs die Erfolgsaussichten auch in der Sache ausführlich zu überprüfen. Nach der Zulassung und Einleitung des Rechtsmittels gemäß §  139 Abs.  2 S.  1 VwGO hat er auf den Wandel der Prozesssituation hinzuweisen und gegebenenfalls auf die Rücknahme der Revision hinzuwirken, wenn sich Anhaltspunkte dafür auftun, dass diese aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben dürfte100. c) Schutz des potentiellen Rechtsmittelgegners Schließlich könnten es noch die Interessen des Rechtsmittelgegners gebieten, nach Maßgabe einer inhaltlichen Prüfung der Rechtssache im Beschwerdeverfahren die Zulassung der Revision analog §  144 Abs.  4 VwGO zu verweigern. Eine solche Zulassungspraxis würde nämlich dazu führen, dass der Eintritt der Rechtskraft eines Urteils, dessen Richtigkeit sich schon auf Nichtzulassungs­ beschwerde hin offenbart, nicht durch ein unergiebiges Revisionsverfahren, dessen Ausgang bereits feststeht, hinausgezögert werden könnte. Unter der Geltung des System der Rechtsmittelzulassung wird die Statthaftig­ keit eines Rechtsmittels nicht allein abstrakt vom Gesetz, sondern von einem konstitutiven gerichtlichen Ausspruch im Einzelfall vermittelt, §  132 Abs.  1 VwGO. Die positive Entscheidung über die Zulassung eines Rechtsmittels ist ein prozessrechtsgestaltender Hoheitsakt mit Doppelwirkung101, der die in der Vorinstanz unterlegene und beschwerte Partei begünstigt und demgegenüber die obsiegende Partei belastet, weil sie durch die Öffnung des zunächst verschlossenen Zugangs zur nächsten Instanz die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Rechts­ So beanstandete es das BVerfG beispielsweise ausdrücklich nicht, dass der BFH durch einstimmigen, nicht begründeten Beschluss nach Art.  1 Nr.  7 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (Gesetz vom 08. Juli 1975, BGBl. I S.  1861, aufgehoben durch Gesetz vom 19. April 2006, BGBl. I S.  866) eine Revision als unbegründet zurückgewiesen hatte, obwohl das Gericht diese zuvor wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache auf Beschwerde hin selbst zugelassen hatte, vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 06. September 1996 – 1 BvR 1485/89 –, NJW 1997, 1693. 99  Naumann, DÖV 1956, 545 (548). 100  Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  133 Rn.  4 4. Meyer-Ladewig, in: Bachof/Heigl/ Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (427); Traut, Zugang zur Revision, S.  220; Sendler, DVBl. 1992, 240 (240). Allgemein zu den diesbezüglichen Beratungs- und Belehrungspflichten des Rechtsanwalts Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  140 ff. 101  Lässig, Fehlerhafte Rechtsmittelzulassung, S.  69. Zur prozessrechtsgestaltenden Wirkung der Zulassungsentscheidung vgl. BVerwG, Urteil vom 25. April 1961 – VIII C 306.59 –, NJW 1961, 1737 (1738).

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

mittels und damit die Hemmung des Rechtskrafteintritts der Ausgangsentscheidung eröffnet, §§  139 Abs.  1 S.  1, 173 S.  1 VwGO i. V. m. §  705 S.  2 ZPO102. Wird gegen die Nichtzulassung der Revision erfolgreich mittels Nichtzulassungs­ beschwerde vorgegangen, wird nach §  139 Abs.  2 S.  1 VwGO automatisch das Beschwerde- als Revisionsverfahren des Beschwerdeführers fortgesetzt, ohne dass es noch der Einlegung der Revision durch diesen bedarf. Der Eintritt der Rechtskraft des mit der Revision angegriffenen Urteils ist dann ­solange gehemmt, wie nicht über das Rechtsmittel entschieden oder dieses ­z urückgenommen wurde103. Der Suspensiveffekt des Rechtsmittels tritt dabei unabhängig von dessen Zulässigkeit oder gar Erfolgsaussichten ein, sondern knüpft nur an dessen rechtzeitige Einlegung, §  173 S.  1 VwGO i. V. m. §  705 S.  2 ZPO104. Dürften die Erfolgschancen der Revision im Rahmen der Zulassungsentschei­ dung keine Rolle spielen, würden auf diesem Wege ohne weiteres Zutun des Beschwerdeführers auch solche Revisionsverfahren eingeleitet werden müssen, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zu einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung führten. Aus Sicht des Rechtsmittelgegners stellt sich dies als sachlich ungerechtfertigte Belastung dar, denn der Eintritt der Rechtskraft des Berufungsurteils, welcher bereits mit Erhebung der Nichtzu­ lassungsbeschwerde nach §  133 Abs.  4 VwGO hinausgeschoben wurde, wird nun weiter verzögert, obwohl die Entscheidung offensichtlich sachlich richtig ist. Dies könnte es gebieten, die Richtigkeit des Berufungsurteils bei der Zu­ lassungsentscheidung doch zu berücksichtigen105. Doch auch der Gedanke des Schutzes des Rechtsmittelgegners vermag eine analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren allein nicht zu rechtfertigen. Denn dies würde letzten Endes nur auf die generelle Frage hinauslaufen, ob es der zunächst obsiegenden Partei zugemutet werden kann, bis zur Rechtsmittelentscheidung auf die Rechtskraft des für sie günstigen Urteils zeitweilig verzichten zu müssen. Dies ist aber schon 102  So BVerwG, Urteil vom 23. Mai 1973 – IV C 56.71 –, BVerwGE 42, 229 (232). Ebenso Grave, VerwArch 64, 51 (71); Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  239 sowie Hanack, Ausgleich, S.  320 zur fehlerhaften Rechtsmittelzulassung. 103  GmS-OGB, Beschluss vom 24. Oktober 1983 – GmS-OGB 1/83 –, BVerwGE 68, 379 (381); Kilian, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  121 Rn.  17. 104  GmS-OGB, Beschluss vom 24. Oktober 1983 – GmS-OGB 1/83 –, BVerwGE 68, 379 (382); Stuhlfauth, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, §  121 Rn.  3. 105  So etwa BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 13. Juli 2005 – 1 BvR 1041/05 –, ­BVerfGK 6, 53 (55) zur Frage nach der Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine Nicht­ zulassungsbeschwerde unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision. Vgl. auch Rimmelspacher, in: Gottwald/Roth, Festschrift Schumann, S.  327 (331): „Schutz des Rechtsmittelbeklagten“ als mögliches „verfahrensimmanentes Motiv“ für Zugangsvoraussetzungen zum Rechtsmittelgericht.

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allein wegen des Umstandes zu bejahen, dass der Gesetzgeber überhaupt Rechtsmittel gegen richterliche Entscheidungen zur Verfügung stellt. Soweit das Gesetz nicht selbst die Erfolgsaussichten des Rechtsmittelverfahrens zur Voraussetzung seiner Einleitung erhebt, gehört die Gefahr, durch ein letztlich unergiebiges Verfahren auf die begünstigende Wirkung eines Urteils zeitweilig noch verzichten zu müssen, zum allgemeinen Prozessrisiko des Rechtsmittelbeklagten. Der Suspensiveffekt ist jedem Rechtsmittel eigen und knüpft nur an die Statthaftigkeit und fristgerechte Einlegung des Rechtsmittels an106, nicht aber an solche Umstände, die erst vom Rechtsmittelgericht im dadurch eröffneten Verfahren selbst zu beurteilen sind107. Dazu zählt die Begründetheit, aber auch, dem gleichsam vorgelagert, die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels. Der Suspensiveffekt ist eine Rechtsmittelwirkung, nicht aber eine Rechtsmittelfunktion, die um ihrer selbst willen zu berücksichtigen wäre. Die Rechtskraftwirkung und die Möglichkeiten ihrer Hemmung sind keine Selbstzwecke, sondern dienen wie sonstige prozessuale Regelungen auch der Verwirklichung und Sicherung der materiellen Rechtspositionen der Parteien108. Die Frage, ob diese Rechtspositionen vom iudex a quo zutreffend beurteilt worden sind, kann nicht von Bedeutung für den Suspensiveffekt sein, sondern nur für das Rechtsmittel selbst, dessen Durchführbarkeit diese Wirkung dient109. Dass bei der durch Nichtzulassungsbeschwerde eröffneten Revision nach §  132 Abs.  1 VwGO die Statthaftigkeit und nach §§  133 Abs.  5 S.  1, 139 Abs.  2 S.  1 VwGO die Erhebung des Rechtsmittels von einer prozessgestaltenden Entscheidung des iudex ad quem abhängt und damit vom selben Gericht – wenn auch unter anderem Vorzeichen – zweimal auf die Rechtssache geschaut wird, vermag hieran nichts zu ändern. Die in §  132 Abs.  2 VwGO statuierten materiellen Zugangsschranken zum Revisionsgericht liegen vorrangig im öffentlichen Interesse, bezwecken aber gerade nicht – wie etwa Fristenregelungen – den in der Vorinstanz vom Rechtsmittelgegner errungenen Prozesserfolg gegen eine Abänderung zu seinen Ungunsten abzusichern110. Dass nach §  133 Abs.  1 VwGO seitens des iudex ad quem im Wege eines Vorschaltverfahrens über den Rechtsmittelzugang gesondert zu befinden ist, führt nicht zu einer anderen Bewertung. 106  So GmS-OGB, Beschluss vom 24. Oktober 1983 – GmS-OGB 1/83 –, BVerwGE 68, 379 (382) zur Suspensivwirkung der Nichtzulassungsbeschwerde. 107  Ulrici, in: Vorwerk/Wolf, Beck OK ZPO, §  705 Rn.  9. 108  Grunsky, Grundlagen, S.  484 Fn.  3. 109  Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO Bd. 7, §  705 Rn.  12. 110  Prütting, Zulassung, S.  183. Ebenso Schafft, Selektion, S.  94 zur entgegengesetzten Frage, ob nämlich bei offensichtlicher Begründetheit des Rechtsmittels die Frage der Rechtsmittelwürdigkeit des Falles hintan gestellt werden können soll, wenn die Zugangsprüfung umfangreicher ausfallen würde als die eigentliche Rechtsmittelprüfung.

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

2. Nachteilhafte Gesichtspunkte a) Mehraufwand im Beschwerdeverfahren Durch das System der Rechtsmittelzulassung soll das Revisionsgericht in doppelter Weise entlastet werden111. In materiell-rechtlicher Hinsicht macht es den Zugang zur nächsten Instanz von der Rechtsmittelwürdigkeit der Streitsache abhängig, welche sich wiederum anhand der gesetzlichen Zulassungsgründe des §  132 Abs.  2 VwGO nach Maßgabe der gesetzgeberisch angedachten Auf­ gaben des Revisionsgerichts bestimmt. Auf diese Weise soll das Gericht von allen Fällen freigehalten werden, die zur Erfüllung dieser Aufgaben unergiebig sind. Insoweit soll das Zulassungsprinzip zunächst die Verteilung von Justiz­ ressourcen unter Zweckmäßigkeits- und Effektivitätsgesichtspunkten bewirken. Gegenüber anderen Rechtsmittelbeschränkungen, die ebenfalls auf eine Entlastung abzielen, zeichnet sich das Zulassungsprinzip darüber hinaus auch durch eine wesentliche formelle Komponente aus. Denn im Gegensatz etwa zu den Annahmerechtsbehelfen nach §  93a BVerfGG oder §  554b ZPO a. F. gehört dabei die Überprüfung der Rechtsmittelwürdigkeit des Falles nicht zum Prüfungsumfang des Rechtsmittels selbst, sondern ist diesem verfahrenstechnisch vorgelagert112. Über die Zulassung hat zunächst der iudex a quo gemeinsam mit seiner Sachentscheidung als prozessuale Nebenentscheidung zu befinden. Nur wenn dieser die Zulassung verweigert, muss sich der iudex ad quem überhaupt mit der Frage des Rechtsmittelzugangs befassen. Das dafür nach §  133 VwGO vorgesehene Beschwerdeverfahren ist dabei wiederum selbst durch den Gedanken der Entlastung geprägt. Indem das Beschwerdegericht sich nur mit der Prüfung der Zulassungsgründe, die vom Beschwerdeführer fristgerecht dargelegt worden sind, befassen muss113, wird vermieden, dass es in diesem Verfahrensstadium den gesamten Streitstoff vollständig durchdringen müsste und so möglicherweise unnötigen Mehraufwand tätigt, wenn sich im Zuge des Verfahrens herausstellt, dass der Fall für eine revisionsgerichtliche Entscheidung keinen 111 

Vgl. BT-Drs. I/1844, S.  24 zum BVerwGG unter Hinweis darauf, dass die Möglichkeit einer Beschwerde gegen die Nichtzulassungsentscheidung des Vordergerichts die angestrebte Entlastung zwar teilweise wieder aufhebt, aber nur auf diesem Wege eine einheitliche Handhabe des Zulassungsrechts sichergestellt werden könne. 112  Arndt, in: Glanzmann/Faller, Ehrengabe Heusinger, S.  239 (239) verweist diesbezüglich auf den Unterschied zwischen Grundsatzannahme- und Zulassungsrevision und mahnt zu sprachlicher Genauigkeit an. 113  Hüttenbrink, DVBl. 2000, 882 (883) sieht aus eben jenen Gründen die Kriterien der Konzentration, der Formalisierung und der Beschleunigung als „Kernmerkmale des [Berufungs-] Zulassungsverfahrens“. Für das Revisionsnichtzulassungsbeschwerdeverfahren muss dies in gleichem Maße gelten.

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Anlass bieten kann114. Korrespondierend dazu ist es lediglich Aufgabe des Beschwerdeführers bzw. seines Prozessvertreters, im Zulassungsverfahren durch Darlegung der Zulassungsgründe das Gericht von der Erforderlichkeit eines Rechtsmittelverfahrens zu überzeugen115. Käme es für den Erfolg einer Nichtzulassungsbeschwerde dagegen analog §  144 Abs.  4 VwGO auch darauf an, ob das anzufechtende Urteil einer reformatorischen Revisionsentscheidung zugänglich wäre, müsste dem zwangsläufig eine mehr oder weniger intensive Überprüfung der vordergerichtlichen Sachentscheidung vorausgehen116. Dies mag dadurch abgemildert werden, dass sich das Bundesverwaltungsgericht dabei nur auf solche alternativ heranziehbaren Erwägungen stützt, die aus seiner Sicht auf der Hand liegen oder sonst wie offensichtlich sind117. Dennoch müssten dies selbst wiederum Gründe sein, die ihrerseits keine Zulassungspflicht auslösen könnten, was dazu führen kann, dass das Beschwerdegericht die Berufungsentscheidung soweit rechtlich zu durchdringen hätte, bis alle zulassungsrelevanten Aspekte des Falles herausgefiltert werden können118. Auf diesem Wege würde die Nichtzulassungsbeschwerde, deren Beschleunigungswirkung ansonsten durch die Begrenzung der Zulassungs­ kontrolle auf die vom Beschwerdeführer eingereichte Begründung und die Urteilsgründe der Berufungsentscheidung bestimmt wird, zu einem Verfahren umstrukturiert, dessen sachlicher und zeitlicher Aufwand dem eines Revisionsverfahrens nahe kommen kann119. Bestünde die Funktion der Nichtzulassungsbeschwerde danach nicht allein im Auffinden von Zulassungsgründen, sondern in der sachlichen Lösung des Falles, verkehrt dies den erstrebten Entlastungs­ effekt ins Gegenteil120. Hinzu käme, dass auch der Beschwerdeführer dann ­gehalten wäre, bereits im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde sachliche R ­ ügen gegen das angegriffene Urteil zu erheben und darzutun, dass der Tenor der Entscheidung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt haltbar wäre121. Ob eine solch umfassender Vortrag überhaupt innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist des §  133 Abs.  3 S.  1 VwGO, welche im Gegensatz zur Revisions­ 114  Präsidenten der oberen Bundesgerichte, RdA 1959, 102 (103); Grussendorf, NJW 1960, 10 (12). So sah etwa auch der ZPO-Reformgesetzgeber 2001 in der Beschränkung des Streitgegenstandes der Nichtzulassungsbeschwerde auf die Zulassungsfrage eine erhebliche Entlastung gegenüber dem bisherigen Nichtannahmeverfahren vor dem BGH, dem eine Erfolgsaussichtenkontrolle immanent war, vgl. BT-Drs. 14/4722, S.  68. 115  Meyer-Ladewig, in: Bachof/Heigl/Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (424). 116  Jacobs, in: Stein/Jonas, ZPO Bd. 6, §  543 Rn.  31. 117  So Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  133 Rn.  51. 118  Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  240 Fn.  2072. 119  Redeker, in: Lenz, Festschrift Gelzer, S.  333 (337). 120  Berkemann, DVBl. 1998, 446 (457). 121  Traut, Zugang zur Revision, S.  220.

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begründungsfrist nach §  139 Abs.  3 S.  3 VwGO nicht verlängerbar ist, geleistet werden kann, erscheint zweifelhaft. Selbst wenn man aber einen Vortrag im Hinblick auf die Ergebnisrichtigkeit des Urteils nicht für erforderlich oder ge­ boten erachtet122 , müssten die Verfahrensbeteiligten zu den Erwägungen, aus denen das Bundesverwaltungsgericht die Entscheidung aufrechterhalten will, gehört werden, was in umfangreichem Schriftwechsel resultieren kann, der vom Gericht zur Kenntnis genommen und berücksichtigt werden muss123. Damit würden letztlich von allen Seiten mehr Ressourcen in das Verfahren investiert werden müssen, als es gesetzlich intendiert ist124. Der durch die Ergebnisrichtigkeitskontrolle hervorgerufene Mehraufwand im Beschwerdeverfahren ließe sich dabei nicht unter Hinweis auf ein dem Zulassungsprinzip immanentes generelles Entlastungskonzept rechtfertigen125. Denn es ist eben nicht ohne weiteres möglich, allein auf die Gesamtbilanz des Arbeitsaufwandes des Gerichts abzustellen und zusätzliche Belastungen im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde durch das Freihalten des Revisionsgerichts von letzten Endes unergiebigen Rechtsmittelverfahren zu kompensieren. Eine übergreifende Entlastungsmaxime, welche dem Rechtsanwender im Einzelfall nach seinen Vorstellungen die Modifikation verfahrensrechtlicher Rahmenbedingungen erlauben könnte, kann es nicht geben, denn dies würde die Gefahr der Beliebigkeit der Rechtsanwendung in sich tragen. Nur das Gesetz selbst kann anhand seiner Wertungen und Zielvorgaben darüber Auskunft geben, welche verfahrensbedingten Nachteile hinzunehmen sind und welche durch Kompensation an anderer Stelle überwunden werden können. Das Prinzip der Revisionszulassung, so wie es in den §§  132, 133 VwGO seinen Niederschlag gefunden hat, wie auch das Revisionsverfahren selbst sind von unterschiedlichen Entlastungsansätzen gekennzeichnet. Die auf die Fälle des §  132 Abs.  2 VwGO begrenzte Anrufbarkeit des Bundesverwaltungsgerichts dient ähnlich der Beschränkung des revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabes durch §  137 VwGO der Freihaltung des Gericht von der Befassung mit Fragen, die für die Rechtseinheit im Gesamtstaat von untergeordneter Bedeutung sind126. Mit der Auslagerung der Entscheidungskompetenz über die Zulas122  So Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  242; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  133 Rn.  80. A. A. BSG, Beschluss vom 12. Juli 1985 – 7 BAr 114/84 –, SozR 1500 §  160a Nr.  54 S.  71. 123  Redeker, in: Lenz, Festschrift Gelzer, S.  333 (337); Traut, Zugang zur Revision, S.  221. 124  Bereits Baring, Gutachten A für den 44. DJT., S.  79 wies schon darauf hin, dass das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ohnehin viel mehr Zeit in Anspruch nehmen würde, als dies geboten und zulässig wäre. 125  So aber anscheinend BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 23. Februar 2011 – 1 BvR 500/07 –, BeckRS 2011, 49213 zum Antrag auf Zulassung der Berufung. 126  Kirchhof, in: Erichsen/Hoppe/von Mutius, Festschrift Menger, S.  813 (814).

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sungsfrage in das gesonderte Zwischenverfahren nach §  133 VwGO wird vermieden, dass das Gericht in eine Sachprüfung eintreten muss, obwohl die Revisionswürdigkeit des Falles noch in der Schwebe ist127. Die entsprechende Zulassungsprüfung wird dem Gericht maßgeblich dadurch erleichtert, indem das Darlegungserfordernis des §  133 Abs.  3 S.  3 VwGO und die darauf beschränkte Kontrollkompetenz des Beschwerdegerichts an eine wesentliche Vorarbeit des Beschwerdeführers anknüpft und den Senat damit von einer eigenen umfassenden Durchdringung des Prozessstoffes befreit128. In Fällen durchgreifender Verfahrensrügen erlaubt §  133 Abs.  6 VwGO bereits im Zulassungsverfahren die Aufhebung der vordergerichtlichen Entscheidung, welches damit unter ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung Aufgaben der Verfahrenskontrolle übernehmen kann, die ansonsten nur dem Revisionsverfahren eigen sind129. Der Revision selbst liegen andere Entlastungskonzepte zugrunde. Mit §  144 Abs.  4 VwGO hat etwa der Gesetzgeber die revisionsrichterliche Kassationskompetenz unter den Vorbehalt einer reformatorischen Prüfung des Ergebnisses der Berufungsentscheidung gestellt. Dies hat seine innere Rechtfertigung in dem Gedanken, dass eine ansonsten notwendige Rückverweisung an die Vorinstanz entbehrlich ist, wenn das Berufungsurteil zwar revisibles Recht verletzt, eine andere Tenorierung aber aus anderen materiell-rechtlichen Gründen nicht in Betracht kommt130. Eine eigene verfahrensabschließende Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgericht anhand seiner eigenen für richtig erachteten Rechtsansicht hindert dabei zugleich, dass die Sache nach bloßer Aufhebung und Zurückverweisung erneut in einem eventuellen zweiten Revisionsrechtsgang die Ressourcen des Gerichts unnötigerweise binden könnte131. Der Prozessgesetzgeber hat also je nach Verfahrensstadium und zugrunde liegendem Regelungsgefüge unterschiedliche Ansätze und Rahmenbedingungen gewählt, um vom Gericht solche Revisionsverfahren so weit wie möglich fernzuhalten, deren Durchführung er aus Gründen der Entlastung und der Prozessökonomie nicht für nötig erachtete und dabei das Verhältnis von Nichtzulassungsbeschwerde und Revisionsverfahren seinen Zweckmäßigkeitsvorstellungen entsprechend austariert. Ein einheitlich-übergreifendes Entlastungs­ konzept nach Maßgabe der Prämisse, dem Revisionsgericht eine Abkürzung Lässig, NJW 1976, 269 (270); Haueisen, DVBl. 1958, 769 (778). BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 23. Juni 2000 – 1 BvR 830/00 –, NVwZ 2000, 1163 (1164); BVerwG, Urteil vom 25. April 1961 – VIII C 306.59 –, NJW 1961, 1737 (1738); Prütting, Zulassung, S.  185; Günther, DVBl. 1998, 678 (684); Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  178. 129  BT-Drs. 11/7030, S.  34; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  133 Rn.  22. 130  Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  29. 131  Bettermann, ZZP 88, 365 (372 f.). 127 

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des Verfahrens in den Fällen zu gestatten, in denen dies aus dessen Sicht praktisch möglich wäre, kann darin aber gerade nicht erblickt werden und daher auch nicht weiter in Ansatz gebracht werden, um weitergehende Verschiebungen innerhalb des gesetzlich etablierten Rechtsmittelsystems vorzunehmen. Es erscheint daher unter dem Gedanken der Prozessökonomie zumindest zweifelhaft, ob eine Entlastung des Revisionsgerichts ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung mit einer Aufblähung des Beschwerdeverfahrens erreicht werden kann und erreicht werden darf. b) Zweifelhafte Tauglichkeit des Offensichtlichkeitskriteriums als Maßstab des Rechtsmittelzugangs Unabhängig von der verfassungsrechtlichen Fragestellung, inwieweit sich die Anforderungen und Erfolgskriterien gerichtlicher Rechtsbehelfe mit hinreichen­ der Deutlichkeit unmittelbar dem Gesetz entnehmen lassen müssen132 , bedarf es schon vor dem Hintergrund der dabei bestehenden Kosten- und Haftungsrisiken von Rechtsschutzsuchendem und beratendem Prozessvertreter verlässlicher Prognosegrundlagen, wann ein Rechtsmittel mit Aussicht auf Erfolg eingelegt werden kann. Objektive Maßstäbe dafür, welchen Zweck das jeweilige Rechtsmittel verfolgt, was mit diesem erreicht werden kann und auf welche sachlichen Umstände das Gericht bei dessen Prüfung abstellen wird, machen den weiteren Prozessverlauf für die Parteien kalkulierbar und können dadurch das Rechtsmittelgericht bereits im Vorfeld von unergiebigen Verfahren entlasten133. Vor dem Hintergrund der gesetzlich angeordneten Trennung zwischen Rechtsmittelzulassung und Rechtsmittelverfahren müssen die Parteien nicht damit rechnen, dass die sachliche Prüfung des Rechtsmittels bereits im Zulassungsverfahren vorgenommen wird und dabei bereits zu solchen Problemen abschließend Stellung genommen wird, deren Klärung erst dem Rechtsmittelgericht obliegt134. Aus diesem Grund wird seitens des Bundesverwaltungsgerichts zur Zurückweisung von Nichtzulassungsbeschwerden analog §  144 Abs.  4 VwGO nur auf solche Alternativgründe zur Aufrechterhaltung des Berufungsurteils abgestellt, die offensichtlich seien, während die Prüfung solcher Gesichtspunkte im Zulassungsverfahren unzulässig sei, die nicht auf der Hand liegen oder eingehenderer Prüfung bedürften135. Dies erscheint auf den ersten 132 

Hierzu ausführlich unten §  5 III. 1. Schafft, Selektion, S.  229. 134  Vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 24. Januar 2007 – 1 BvR 382/05 –, NVwZ 2007, 805 (806); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 02. März 2006 – 2 BvR 767/02 –, NVwZ 2006, 683 (684 f.) sowie BFH, Beschluss vom 10. Dezember 2003 – X B 134/02 –, BFH/NV 2004, 906 (907 f.). 135  Die Beschränkung des Prüfungsmaßstabes auf offensichtliche Alternativgründe wird 133 

III. Rechtspraktische Auswirkungen

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Blick sachgerecht, weil auch eine vernünftige und angemessen beratene Partei im Regelfall von der Erstreitung des Revisionszugangs genauso wie von der Durchführung eines Revisionsverfahrens selbst absehen dürfte, wenn dies auch aus ihrer Sicht mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zur Verbesserung ihrer Rechtsstellung beitragen kann136. Denn auch die mit der Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde bezweckte Eröffnung der Revisionsinstanz wird von den Verfahrensbeteiligten nicht um ihrer selbst willen, sondern letztlich stets in Aussicht auf den Erfolg in der Sache angestrebt137. Aus diesem Grund erwächst den Parteien auch kein Nachteil dadurch, dass nach §  139 Abs.  2 S.  1 VwGO im Falle der Stattgabe das Beschwerde- als Revisionsverfahren fortgesetzt wird und demnach auf eine gesonderte Revisionseinlegung kraft Gesetzes verzichtet wird, denn ihre Anfechtungsabsichten kommen schon mit Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde hinreichend zum Ausdruck138. Könnte somit tatsächlich nur die offensichtliche Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils einer Revi­ sionszulassung entgegenstehen, wäre die Nichtzulassungsbeschwerde auf den ersten Blick nicht mit größeren Prognoseunsicherheiten verbunden, als dies bei der Einlegung einer von der Vorinstanz zugelassenen Revision der Fall wäre139. Insoweit ließe sich die Behauptung aufstellen, wer trotz eindeutiger Rechtslage unnötigerweise Justizressourcen in Anspruch nimmt, ist nicht schutzwürdig, wenn sein Rechtsschutzbegehren – gegebenenfalls auf verfahrenstechnisch vereinfachtem Wege – als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen wird und er sich dies als angemessene Reaktion auf eigenes Verschulden selbst zurechnen lassen müsste. Ein solcher Gedanken liegt beispielsweise §  349 Abs.  2 StPO zugrunde140. Nach dieser Vorschrift ist das Revisionsgericht im Strafprozess auf Antrag der Staatsanwaltschaft hin befugt, die Revision bereits durch Beschluss zurückzuvom BVerwG in den entsprechenden Beschlüssen zwar so nicht explizit aufgestellt, laut N ­ eumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  144 Rn.  34; Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  133 Rn.  51 und Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  888 aber so praktiziert. Dagegen ­ erlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  133 Rn.  86.1 f. für eine Berechtigung des Gerichts zur B Vollkontrolle im Beschwerdeverfahren. 136  Vgl. Schmid, DStR 1993, 1284 (1284): „Für den Rechtsmittelführer ist es letztlich gleichgültig, ob er mit einer Revision oder einer Nichtzulassungsbeschwerde erfolglos bleibt.“ 137  Neuhäuser, Zulassung der Berufung, S.  87 zum Berufungszulassungsantrag. 138  Denn unter der Geltung des Prinzips der Rechtmittelzulassung liegt bereits der Erhebung des Zulassungsrechtsbehelfs der Erklärungswert der Rechtsmitteleinlegung zugrunde, vgl. Rennert, VBlBW 1999, 283 (285) 139  Dies natürlich vor dem Hintergrund der generellen Unwägbarkeiten, die sich aus der relativen Offenheit der Zulassungstatbestände des §  132 Abs.  2 VwGO im Hinblick auf das Erfordernis ihrer Darlegung durch den Beschwerdeführer nach §  133 Abs.  3 S.  3 VwGO ergeben. Vgl. hierzu Barnert, in: Kiesow/Simon, Vorzimmer des Rechts, S.  17. 140  Vgl. Gericke, in: Hannich, KaKo StPO, §  349 Rn.  14.

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

weisen, wenn es diese einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet. Offensichtlich unbegründet ist eine Revision i. S. d. Bestimmung, wenn „für jeden Sachkundigen ohne längere Prüfung erkennbar ist, dass das Urteil in sachlich-rechtlicher Hinsicht keine Fehler aufweist und die Revisionsrügen des [Revisionsklägers] dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg verhelfen können“141. Dies wiederum ist der Fall, wenn „die zur Entscheidung berufenen Richter und andere Personen mit gleicher Sachkunde unschwer erkennen können, welche Rechtsfragen vorliegen, wie sie zu beantworten sind und daß die Revisionsrügen das Rechtsmittel nicht zu begründen vermögen; dabei kommt es nicht etwa darauf an, ob alle rechtlichen Probleme mit paratem Wissen des Beurteilers gelöst werden können, wenn nur nach kurzer Prüfung keine rechtlichen Zweifel mehr bestehen“142. Da auch diejenigen Gründe, die zur Aufrechterhaltung des Berufungsurteils analog §  144 Abs.  4 VwGO im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde gemäß §  133 Abs.  1 VwGO herangezogen werden können sollen, offensichtlich sein müssen, um schon die Zulassung der Revision verweigern zu können, lassen sich diese Kriterien auch auf die vorliegende Problematik übertragen143. Nach diesen Maßstäben müsste die angefochtene Entscheidung aus solchen Gründen im Ergebnis richtig sein, die sowohl aus Sicht des zur Entscheidung berufenen Bundesverwaltungsgerichts als auch des sachkundigen Prozessvertreters zweifelsfrei erkennbar und ohne eine umfassendere Prüfung des Prozessstoffes als eindeutig rechtlich tragfähig anzusehen wären. Unterstellt man diese Kriterien als Maßstab der Zulassungsentscheidung analog §  144 Abs.  4 VwGO, so wirft dies allerdings die Frage auf, warum eine nach §  67 Abs.  4 S.  1, S.  2 VwGO notwendigerweise anwaltlich beratene Prozesspartei überhaupt das Prozess- und Kostenrisiko aufnehmen sollte, eine Entscheidung anzugreifen, die zwar nicht aus den ihr zugrunde liegenden, wohl aber aus anderen Gründen offensichtlich richtig ist. Könnte eine solche Revision schon eindeutig keinen Erfolg haben, dürfte doch derjenige, dem die Zulassungspraxis des Bundesverwaltungsgerichts bekannt ist, schon von der Erhebung einer Nichtzulassungsbeschwerde absehen. Gleichwohl wird das Bundesverwaltungsgericht in der Praxis mit Zulassungsbegehren befasst, in denen in der Sache „von vornherein und offensichtlich nichts »dran«“144 sein soll. Gleichsam stellt sich die Frage, wieso das Vordergericht jene Gründe, die dessen Entschei141  BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 10. Oktober 2001 – 2 BvR 1620/01 –, NJW 2002, 814 (815). 142  BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 22. Juni 1984 – 2 BvR 692/84 –, EuGRZ 1984, 442 (442). 143  Das BVerwG hat die von ihm diesbezüglich angewendeten Kriterien hinsichtlich des notwendigen Maßes an Offensichtlichkeit bisher noch nicht explizit offen gelegt. 144  So Sendler, DVBl. 1992, 240 (241).

III. Rechtspraktische Auswirkungen

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dung zusätzlich selbstständig tragen könnten und angeblich auf der Hand liegen sollen, nicht selbst als eigenständige Hilfs- oder Mehrfachbegründung heran­ gezogen hat, um seine Entscheidung selbst rechtsmittelzulassungsfest zu machen145. Dies lässt sich doch nur damit erklären, dass sich die Frage, was offensichtlich sein soll, nicht nach verobjektivierbaren Kriterien beurteilen lassen kann, sondern vorrangig im Auge des Betrachters liegt. Offensichtlichkeit ist ein Maßstab, der nicht an den Beurteilungsgegenstand selbst, sondern an den jeweiligen Beurteiler und dessen Wissens- und Erkenntnishorizont anknüpft146. Es handelt sich dabei also nicht um eine Sach-, sondern um eine Bewertungs­ frage147. Was also aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts eindeutig sein mag, muss nicht zwangsläufig allen anderen Beteiligten ebenso einsichtig sein, zumal hierbei der faktische Vorsprung an Fachwissen, der den Richtern des Bundesverwaltungsgerichts durch jahrelange praktische Spezialisierung in den ihnen anvertrauten Rechtsgebieten zwangsläufig zugekommen ist, bei dieser Beurteilung der Frage bewusst oder unbewusst mit einfließen dürfte. Die Rechtsmittelzulassung danach aber davon abhängig zu machen, wie offensichtlich die Lösung eines Falles ist, hieße, dem Zulassungsgericht die Möglichkeit an die Hand zu geben, die Rechtssache bereits im Zulassungsverfahren sachlich zu entscheiden, je nachdem, ob es sich selbst aus der Durchführung des eigentlichen Rechtsmittelverfahrens noch weitere Erkenntnisse erhofft oder nicht. Damit müssen aber sowohl der weitere Verfahrensablauf als auch die vom Beschwerdeführer eigentlich erst in der Revisionsbegründung nach §  139 Abs.  3 S.  4 VwGO vorzubringenden Sachrügen schon im Zulassungsstadium antizipiert werden. Dies mag für die Handhabe des Rechtsmittelzugangs ein gang­ barer Weg sein, wenn gerade dessen Eröffnung davon abhängt, ob das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung offensichtlich fehlerhaft ist, wie dies etwa unter §  124 Abs.  1 Nr.  1 VwGO für die Zulassung der Berufung von Bedeutung sein kann148. Denn hierbei sind es allein die vom Vordergericht ausdrücklich 145  So auch Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  243 und Sendler, DVBl. 1992, 240 (243). Denn bei durch mehrere selbstständig tragfähige Erwägungen kumulativ begründeten Entscheidungen kommt eine Rechtsmittelzulassung nur dann in Betracht, wenn hinsichtlich jedes Begründungsstranges Zulassungsgründe geltend gemacht werden können und vorliegen, BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2010 – 9 B 60/10 –, BayVBl 2011, 352. Hierzu ausführlich unter §  4 IV 2. b) bb) (3). 146  Kruse, Die „offensichtlich“ unbegründete Revision, S.  28. 147  Kruse, Die „offensichtlich“ unbegründete Revision, S.  24. Vgl. auch Weyreuther, Revi­ sionszulassung, Rn.  187 zur Frage der Bindung offensichtlich gesetzeswidriger Zulassungen: Offensichtlichkeit als „Bezeichnungsblankett“. Odersky, ZRP 1991, 30 (31) sieht in ­erster Linie den Gesetzgeber dazu aufgerufen, über den Umfang einer Erfolgsaussichtenkontrolle im Rahmen des Zulassungsverfahrens zu bestimmen. 148  Vgl. hierzu BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 23. Juni 2000 – 1 BvR 830/00 –,

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

selbst als entscheidungserheblich herangezogenen Erwägungen, die Gegenstand dieser gerichtlichen Beurteilung sind und mit denen sich auch die beschwerten Parteien zur Stützung ihres Zulassungsbegehrens auseinandersetzen müssen149. Gänzlich anders liegt es aber, wenn der Rechtsmittelzugang – wie im Falle der analogen Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren – unter der Prämisse gänzlich verschlossen sein soll, dass sich das angefochtene Urteil aus Gründen, die gerade nicht in dieser selbst zum Ausdruck kommen, sondern ihr erst nachträglich vom Zulassungsgericht beizu­ geben sind, als offensichtlich richtig herausstellt. Hierzu müssten die Parteien nicht nur ohne jedwede Anhaltspunkte antizipieren, unter welchen Gesichtspunkten der iudex ad quem selbst die Rechtssache beurteilen würde und zu welchem Ergebnis er dabei aller Voraussicht nach kommen wird, sondern auch, ob diese Umstände aus Sicht des Gerichts nur eine vereinfachte oder doch eine intensivere Befassung mit dem in Rede stehenden Fall erforderlich machen würden. Auch dem erfahrenen Revisionsanwalt dürfte aber ein Einblick in eine s­ olche zulassungsrichterliche Beurteilungsperspektive des konkreten Falles schwerfallen, wenn nicht gar unmöglich sein150. Soweit also die Rechtsprechung zur Rechtfertigung einer auf einen Analogieschluss zu §  144 Abs.  4 VwGO geNVwZ 2000, 1163 (1164), wonach „[e]rnstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Gerichtsentscheidung […] immer schon dann begründet [sind], wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden.“ 149  Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  124 Rn.  99; Happ, in: Eyermann, VwGO, §  124 Rn.  11. A. A. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 – 7 AV 4/03 –, NVwZ-RR 2004, 542 (543) zur Berücksichtigung der anderweitigen Ergebnisrichtigkeit des Urteils analog §  144 Abs.  4 VwGO auch im Rahmen des §  124 Abs.  2 Nr.  1 VwGO. Zu bedenken gilt hierbei jedoch, dass die Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils zwar zum Ausschluss ernstlicher Richtigkeitszweifel i. S. d. §  124 Abs.  2 Nr.  1 VwGO führen kann, jedoch gerade nicht den Zugang zur Berufungsinstanz vollständig zu verschließen vermag, denn insoweit kann eine Berufungszulassung immer noch nach §  124 Abs.  2 Nr.  2–5 VwGO angezeigt sein. 150  Redeker, NJW 1998, 2790 (2792) merkte zur Einführung der Zulassungsberufung, speziell zu den vorrangig auf den Ausgang des Rechtsmittelverfahrens abstellenden Zulassungsgründen §  124 Abs.  2 Nr.  1, Nr.  2 VwGO, an: „Der Anwalt kann gegenwärtig nur noch achselzuckend beraten. Er kann seinen Mandanten nicht einmal mehr über den Verfahrensgang, geschweige denn über das Sachergebnis, eine halbwegs sichere Voraussage machen. Seine Mandanten sind aber die Bürger, die im Streit mit der öffentlichen Hand gerade auf die Verwaltungsgerichte vertrauen. Der Anwalt wird, wenn er sicher gehen will, mit dem Zulassungsantrag eine möglichst vollständige, die ihm obliegende Darlegungslast – der Untersuchungsgrundsatz des §  86 I VwGO soll im Zulassungsverfahren nicht gelten – berücksichtigende Berufungs- oder Beschwerdebegründung vorlegen und aus ihr dann in einem zweiten Abschnitt die einzelnen Zulassungsgründe ableiten und selbständig formulieren.“ Vgl. auch Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  179: „Nur das Bundesverwaltungsgericht selbst weiß nämlich, welches seine – „die richtige“ – Rechtsauffassung in der Streitsache ist“.

III. Rechtspraktische Auswirkungen

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stützten Zulassungspraxis darauf verweist, dass danach die Revisionszulassung ohnehin nur in den Fällen zu verweigern ist, in denen die Gründe, aus denen das Berufungsurteil aufrechtzuerhalten sei, offensichtlich seien, so führt dies gerade nicht dazu, dass die Prognoseunsicherheiten und Prozessrisiken, die durch eine derartige Erfolgsprognose im Zulassungsverfahren entstünden, minimiert werden könnten.

3. Zwischenfazit Offenbart sich schon im Stadium der Nichtzulassungsbeschwerde, dass das in Betracht kommende Revisionsverfahren trotz vorliegender Zulassungsgründe aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts insoweit keinen Erfolg haben kann, als dass das angegriffene Berufungsurteil mit anderer Begründung aufrecht zu erhalten wäre, bieten sich dem Gericht vom rechtspraktischen Standpunkt aus zwei Möglichkeiten an, auf diese Prozesslage zu reagieren. Es könnte zum einen die Revision zulassen und in der Begründung des Zulassungsbeschlusses auf seine Bedenken gegen den Erfolg des Rechtsmittels hinweisen. Zum anderen könnte es die Bestimmung des §  144 Abs.  4 VwGO analog heranziehen und die Zulassung der Revision verweigern, um hierdurch ein aller Wahrscheinlichkeit nach erfolgloses Revisionsverfahren zu unterbinden. Die vorstehende Betrachtung hat gezeigt, dass die vor allem in den Gedanken der Verfahrensbeschleunigung und Prozessökonomie liegenden rechtspraktischen Erwägungen, die eine Verknüpfung der Entscheidung über die Revisionszulassung mit den Erfolgsaussichten des Rechtsmittels in Form eines Analogieschlusses zu §  144 Abs.  4 VwGO tragen können sollen, nicht recht überzeugen können. Die damit erstrebte Verfahrensbeschleunigung lässt sich nur vordergründig und auch nur unter Preisgabe der Verfahrensziele und Verfahrensgarantien der Revision erreichen. Der Gesetzgeber hat bereits selbst mit der Ausgestaltung des Verhältnis und der Systematik von Revision und Revisionszulassung einen Ausgleich zwischen den von ihm angestrebten Revisionszielen des individuellen Rechtsschutzes einerseits und der überindividuellen Rechtsfortbildung und Rechtswahrung andererseits geschaffen und dabei seine Vorstellungen von Prozesswirtschaftlichkeit normativ umgesetzt. Für eine Berücksichtigung prozessökonomischer Erwägungen nach Maßgabe des jeweiligen Einzelfalles wäre daher nur dort Raum, wo das Gesetz selbst entsprechende Möglichkeiten zur Verfahrensgestaltung nach richterlichem Ermessen vorhält. Im Revisionszulassungssystem sind dies etwa die Möglichkeiten des Durchentscheidens im Zulassungsverfahren bei durchgreifenden Verfahrensrügen nach §  133 Abs.  6 VwGO oder des Absehens von einer Begründung des Beschwerdebeschlusses nach §  133 Abs.  5 S.  2 Hs.  2 VwGO. Das Verhältnis von Revisions-

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

zulassung und Revisionserfolg unterliegt dagegen nicht der richterlichen Gestaltungsbefugnis, sondern wird vom Gesetz klar getrennt151. Entsprechende Spielräume zur Verfahrensgestaltung können aber bei eindeutiger Rechtslage nicht im Wege richterlicher Rechtsschöpfung bewusst geschaffen werden, weil dies die Gefahr der Beliebigkeit der Rechtsanwendung in sich trägt. Demnach rechtfertigen rechtspraktische Erwägungen allein nicht, entgegen der gesetzlichen Handlungsanweisung von §  132 Abs.  1, Abs.  2 VwGO von der Zulassung solcher Revisionen abzusehen, denen Erfolgsaussichten nicht zu bescheiden sind. Diesbezügliche Bedenken kann das Bundesverwaltungsgericht allein im Rahmen der Begründung des zulassenden Beschlusses über die Nichtzulassungsbeschwerde anbringen152. Da das erfolgreiche Beschwerdeverfahren nach §  139 Abs.  2 S.  1 VwGO unmittelbar als Revisionsverfahren fortgeführt wird und demnach auf eine gesonderte Revisionseinlegung kraft Gesetzes v­ erzichtet wird, vermag dies zwar nicht, den Rechtsmittelführer von der aller Voraussicht nach für ihn unergiebigen Inanspruchnahme des dritten Instanz abzuhalten. Allerdings können entsprechende Hinweise des Gerichts den nunmehrigen Revisionskläger und seinen Prozessvertreter zu einem erneuten Überdenken der Prozesschancen und gegebenenfalls zur Rücknahme der Revision veranlassen. Selbst wenn die Partei dennoch an der Weiterverfolgung ihres Rechtsschutzbegehrens festhalten sollte, hätte dies den Vorteil, dass das Gericht hierdurch bereits klarstellen könnte, welche Gesichtspunkte des Falles seiner Ansicht nach im Revisionsverfahren von Bedeutung sein werden. Diese Aspekte können in der Revisionsbegründung vom Rechtsmittelführer aufgegriffen werden, welcher sein Vorbringen gegebenenfalls hierauf ausrichten kann, sollte ihn der Rechtsstandpunkt des Gerichts nicht überzeugen. Eine entsprechend ­fokussierte Revisionsbegründung kann dazu beitragen, das Verfahren zu konzentrieren und von der Erörterung letztlich unergiebiger Problempunkte zu entlasten. Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  33. Ebenso Müller, NJW 1955, 1740 (1744); Krasney, in: Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, IX. Rn.  54. Meyer-Ladewig, in: Bachof/Heigl/Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (429) sieht dies nur als letzten „Notbehelf“ gegenüber der Nichtzulassung der Revision analog §  144 Bas. 4 VwGO an. Bisweilen verfährt auch das BVerwG in entsprechender Weise, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 30. März 1961 – VIII CB 6.61 –, DVBl. 1961, 745 (746) und BVerwG, Beschluss vom 20. Februar 1990 – 5 B 145/89 –, Buchholz 310 §  132 VwGO Nr.  281 S.  21 f. sowie Sendler, DVBl. 1992, 240 (240). Verbindlichen Verpflichtungen des Gerichts, Bedenken gegen die Erfolgsaussichten des weiteren Verfahrens gegenüber den Beteiligten förmlich mitteilen zu müssen, wie dies etwa in §  132 Abs.  5 S.  2 Hs.  2 VwGO 1960 für die Nichtzulassungsbeschwerde vorgesehen war, steht der Gesetzgeber nunmehr allerdings grundsätzlich ablehnend gegenüber, vgl. BT-Drs. 7/444, S.  38. 151 

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IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde nach §  133 VwGO Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts liegen dem Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nach §  133 VwGO, dessen Ziel grundsätzlich nur in der Überwindung der verfahrensrechtlichen Zugangshürde des §  132 Abs.  1 VwGO besteht153, dieselben prozessökonomischen Grundgedanken zugrunde, die auch für die Revision selbst gelten. Insbesondere gelte für beide Verfahrensarten gleichermaßen, dass ein Prozess nicht um eines Fehlers willen fortgeführt werden solle, der sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht auf das Entscheidungsergebnis auswirken werde154. Im Revisionsverfahren äußert sich dies in der Befugnis und Pflicht nach §  144 Abs.  4 VwGO, die Revision auch dann zurückzuweisen, wenn das angefochtene Urteil i. S. d. §  137 Abs.  1 VwGO zwar auf einer Verletzung revisiblen Rechts beruht, sich aber aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig herausstellt. Der dieser Vorschrift innenwohnende Gedanke greife bereits in das Stadium der Rechtsmittelzulassung vor und stehe der Eröffnung der Revisionsinstanz entgegen, wenn die Begründung des angegriffenen Berufungsurteils zwar Zulassungsgründe nach §  132 Abs.  2 VwGO aufwirft, sich dessen Entscheidungsergebnis aber mit einer anderen Begründung aufrechterhalten ließe, die selbst keine Zulassungsträchtigkeit besitzt155. Da jedoch das geltende Revisionszulassungsrecht der §§  132, 133 VwGO den Ausgang des Rechtsmittelverfahrens nicht selbst in Ansatz bringt und bei strikt gesetzeskonformer Anwendung auch zur Zulassung solcher Revisionen verpflichtet, die einer reformatorischen Entscheidung des Revisionsgerichts offensichtlich nicht zugänglich sind, offenbare sich hierin eine system- und planwidrige Regelungslücke im Regelungszusammenhang von Revision und Revi­ sionszulassung. Diese sei durch eine entsprechende Heranziehung des §  144 Abs.  4 VwGO im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde zu schließen156. 153  Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  13. Die Befugnisse nach §  133 Abs.  6 VwGO sollen im Rahmen dieser grundsätzlichen Erwägungen zunächst noch außer Betracht bleiben. 154  So BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 1979 – 4 CB 73/79 –, Buchholz 310 §  144 VwGO Nr.  34 S.  3 f.; BVerwG, Beschluss vom 02. November 1990 – 5 B 100/90 –, Buchholz 310 §  43 VwGO Nr.  112 S.  27; Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  76. 155  BVerwG, Beschluss vom 02. November 1990 – 5 B 100/90 –, Buchholz 310 §  43 VwGO Nr.  112 S.  27; BVerwG, Beschluss vom 26. September 2002 – 2 B 23/02 –, NVwZ-RR 2003, 246 f. (entsprechende Entscheidungsgründe nicht mit abgedruckt, vgl. juris). 156  So etwa BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 1954 – I B 49.53 –, BVerwGE 1, 67 (69); BVerwG, Beschluss vom 30. August 1962 – III B 88.61 –, VerwRspr 15, 367 (367); BFH, Beschluss vom 10. Dezember 2003 – X B 134/02 –, BFH/NV 2004, 906 (907).

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

Diese auf Richterrecht beruhende Verknüpfung von Revisionszulassung und Revisionserfolg führt zu Funktionsverschiebungen im geltenden Rechtsmittelsystem. Sie macht eine Ergebniskontrolle und damit eine inhaltliche Sachprüfung im Zulassungsstadium erforderlich und erweitert die Funktionen der Nichtzulassungsbeschwerde zur Identifizierung eines höchstrichterlichen Entscheidungsbedarfes um die Komponente einer Rechtsmäßigkeitskontrolle. Das Beschwerdeverfahren nach §  133 VwGO rückt dadurch in die Nähe eines sachlich-rechtlichen Vorabprüfungsverfahrens, welches zwar um Elemente des Prüfungsauftrages des Revisionsverfahrens, nicht aber auch um dessen Verfahrensgarantien und Sicherungsinstrumente angereichert wird und somit auch nicht eine vergleichbare Richtigkeitsgewähr für die Entscheidungsfindung bietet. Zugleich führt dies dazu, dass der Revisionszugang nicht mehr ausschließlich im öffentlichen Interesse beschränkt wäre und auch nur aus solchen Gründen in Anspruch genommen werden könnte157, sondern dass Individualinteressen an der sachlich richtigen Entscheidung des Rechtsstreits insoweit jedenfalls mitbestimmend werden158. Könnten nämlich nur solche Revisionen das Bundesverwaltungsgericht erreichen, deren Erfolgsaussichten aus Sicht des Gerichts noch offen sind, wird revisionsgerichtlicher Rechtsschutz nicht mehr ausschließlich nur in den Fällen zur Verfügung gestellt, in denen Interessen der Allgemeinheit eine Entscheidung der Rechtssache durch das Revisionsgericht gebieten. Vielmehr würde sich dieses Verhältnis insoweit verschieben, wenn nicht sogar umkehren, als dass die Rechtsgemeinschaft nur noch dann von den rechtsvereinheitlichen Nebeneffekten höchstrichterlicher Entscheidungen profitieren könnte, soweit das individuelle Einzelfallinteresse an einer richtigen Sachentscheidung dies zulässt159. Damit stellt sich die Frage nach der beschwerdegerichtlichen Kompetenz zur analogen Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO aber nicht nur als eine solche nach der Entlastung im Einzelfall dar, sondern wirkt sich auf das Grundverhältnis von Revision und Nichtzulassungsbeschwerde sowie deren Stellung und Funktion im Instanzenzug selbst aus. Eine über den Rekurs auf das Entlastungsargument zur Bejahung der Analogievoraussetzungen hinausgehende tragfähige Begründung dieser Entscheidungskompetenz ist die sie favorisierende Rechtsprechung der Revisionsgerichte wie auch die ihr folgende rechtswissenschaftliche Literatur bisher weitestgehend schuldig geblieben160. Dass eine solche Handhabe des Zulassungsrechts Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  133 Rn.  79; Prütting, Zulassung, S.  93. Hierzu ausführlich unter §  4 IV. 3. 159  Dies billigend Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  80 unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur zivilprozessualen Annahmerevision nach §  554b ZPO a. F. 160  So behandeln etwa BFH, Beschluss vom 10. Dezember 2003 – X B 134/02 –, BFH/NV 157 

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IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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dabei vor allem diejenigen Fälle betreffen mag, in denen „von vornherein und offensichtlich nichts »dran« ist“161, vermag einer solchen Praxis dabei nicht den Charakter einer singulären Ausnahmereaktion auf eine außergewöhnliche Prozesslage zu verleihen, die eine spezifische normative Rechtfertigung entbehrlich machen würde162. Denn die Ausübung richterlicher Entscheidungsbefugnisse setzt stets das Vorhandensein einer entsprechenden Kompetenzgrundlage voraus, selbst wenn ihr Fehlen zu Wertungswidersprüchen oder Ungerechtigkeiten im Einzelfall führen kann163. Diese generelle Kompetenzfrage ist es, die sich gerade im vorliegenden Zusammenhang stellt. Dass es sich dabei aber gleichwohl nicht um eine Frage rein rechtstheoretischer oder methodischer Natur, sondern um eine solche der Rechtsmittelfunktionen, der Gesetzesbindung der richterlichen Entscheidungsfindung sowie allgemein des Verhältnisses von Rechtsanwendung und Rechtssetzung handelt, bedarf dabei nach den vorstehenden Ausführungen keiner weiteren Erläuterung. Hier besteht demnach auch in praktischer Hinsicht Klärungsbedarf. Die nachfolgende prozessrechtsdogmatische Untersuchung will dem nachgehen und klären, inwieweit die materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Bestimmungen des verwaltungsprozessualen Revisionszulassungssystems einer Inkorporation der Erfolgsaussichten der zuzulassenden Revision offen stehen. Hierzu soll das Normgefüge der §§  132, 133 VwGO im Hinblick auf dessen Funktionszusammenhänge mit dem Prüfungsauftrag der revisionsrichterlichen Rechtsmittelkontrolle hin untersucht werden, um Aufschluss darüber zu erlangen, inwieweit der Revisionserfolg schon nach geltender Rechtslage Einfluss auf die Revisionszulassung zeitigen kann. Erst daraus wird sich schließen lassen können, welche Regelungskonzeption der Gesetzgeber diesbezüglich dem normativen Rahmen des Revisionszugangs genau zugrunde gelegt hat, inwieweit 2004, 906 (907 f.); Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  237 und größtenteils auch Sendler, DVBl. 1992, 240 (240, 244) die von der Gegenauffassung angeführten Kritikpunkte nicht als Fragen der Zulässigkeit, sondern nur als solche der Anwendbarkeit des Analogieschlusses im Einzelfall und umgehen auf diese Weise die Auseinandersetzung mit der grundsätzlichen Kompetenzproblematik. 161  So Sendler, DVBl. 1992, 240 (241). 162  Vgl. Zippelius, Methodenlehre, S.  56: „Die Ausgrenzungen solcher Sonderfälle aus einem allgemeinen Grundsatz gewinnen über den Einzelfall hinaus Bedeutung und bereiten einer Differenzierung der generellen Normenordnung den Weg.“ 163  Meyer, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art.  97 Rn.  23. Dies gilt selbst im Falle der Geltendmachung von Grundrechtsverletzungen, wenn das Prozessgesetz ihre Berücksichtigung als solche allein nicht vorsieht, vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 07. Dezember 1998 – 1 BvR 831/89 –, NVwZ 1999, 290 (291). Vgl. auch BGH, Beschluss vom 26. September 1979 – VIII ZR 87/79 –, NJW 1980, 344 (344) zum Fehlen einer Beschwerdemöglichkeit gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht im Zivilprozess vor deren Einführung im Zuge des Zivilprozessreformgesetzes 2001.

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

dessen Regelungsziele erreicht werden und ob hierbei Notwendigkeit und Raum für eine Ergänzung dieses Systems durch richterliche Rechtsschöpfung besteht. Hieran anknüpfend ist dann der Frage nachzugehen, ob sich die von der Rechtsprechung befürwortete analoge Anwendbarkeit des §  144 Abs.  4 VwGO im Zulassungsverfahren nach Maßgabe ihrer Stellung und Funktion im Gefüge der Revisionsprüfung in dementsprechend systemkonformer Weise in die Strukturen der Revisionszugangskontrolle nach den §§  132, 133 VwGO einfügen und mit deren Zielvorstellungen vereinbaren lässt. Sollte sich dabei der von der Rechtsprechung gezogene Analogieschluss als nicht tragfähig herausstellen ist, so wäre zu konstatieren, dass von der gesetzlichen Handlungsanweisung, die Zulassung der Revision ausschließlich nach Maßgabe der Zulassungsgründe des §  132 Abs.  2 VwGO zu beurteilen, keine Ausnahme in den Fällen gemacht werden könnte, in denen das angefochtene Judikat schon im Stadium der Nichtzulassungsbeschwerde als im Ergebnis richtig identifiziert wird164.

164 

Die §§  132, 133 VwGO sehen unter den dort aufgeführten materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen eine Pflicht zur Zulassung der Revision vor, ohne selbst der anderweitige Ergebnisrichtigkeit des angegriffenen Judikates Bedeutung für die Zulassungsentscheidung beizumessen. Das Gesetz hält also gerade auch für den hier in Rede stehenden Fall eine eindeutige Rechtsfolge und gerichtliche Handlungsanweisung vor. Die von der Rechtsprechung angenommene Lückenhaftigkeit des Gesetzes unter prozesswirtschaftlichen Gesichtspunkten würde damit keine klassische Konstellation der Analogiebedürftigkeit eines Regelungszusammenhanges – also einen gesetzlich nicht geregelten Fall – darstellen, sondern allerhöchstens eine sog. „Wertungslücke“. Eine solche liegt vor, wenn die strikte Anwendung des Gesetzes im konkreten Fall zu einem Ergebnis führt, welches mit der gesetzgeberischen Regelungsabsicht in einem Wertungswiderspruch steht. Das Gesetz sieht insoweit keine Ausnahmevorschrift von der Grundregelung vor, die es nach Sinn und Zweck des Regelungszusammenhanges aber für eben jene Fallkonstellation eigentlich enthalten müsste, vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S.  193; Zippelius, Methodenlehre, S.  52 f.; Wank, Auslegung, S.  85. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens stellt sich dabei streng genommen als teleologische Reduktion des Revisionszulassungsrechts unter ergänzender Heranziehung einer dem Revisionsrecht funktional zugeordneten Vorschrift dar, vgl. zu dieser Konstellation Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn.  867. Aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung soll im Folgenden d­ ennoch hierbei nicht etwa von einer „teleologischen Reduktion durch Analogieschluss“, sondern schlichtweg von einer Gesetzesanalogie die Rede sein. Rechtsmethodisch ergeben sich hieraus keine Unterschiede, denn die Befugnis zur richterlichen Rechtsschöpfung zur Korrektur des Gesetzgebers gründet sich sowohl im Falle der Analogie als auch der teleologische Reduktion auf die feststellbare Systemwidrigkeit des Gesetzes und die gleichheitsund systemgerechte Fortführung der Regelungsabsichten des Gesetzgebers. Näher hierzu im Folgenden.

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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1. Rechtsmethodische Grundlagen der Analogiebildung Mit dem Analogieschluss reagiert der Rechtsanwender auf Lücken in der gesetzlichen Regelungssystematik, die sich daraus ergeben können, dass die anhand des anzuwendenden Rechts gefundene Lösung eines Rechtsproblems mit den vom Gesetzgeber durch die Etablierung und Ausdifferenzierung des jeweiligen Normenkomplexes verfolgten Regelungszielen in einem Wertungswiderspruch steht. Wird der Zweck des Gesetzes durch die Befolgung seines Norm­ anwendungsbefehls verfehlt oder gar konterkariert, kann dies dessen normativ­ immanenten Anspruch auf Vollzug im Einzelfall in Frage stellen und den Rechtsanwender unter gewissen Umständen dazu aufrufen und berechtigen, durch eine rechtschöpferische „produktive Kritik“165 an den aufgefundenen gesetzessystematischen Defiziten den normativen Rahmen zur Lösung des Rechts­ problems selbst zu schaffen. Die richterliche Ausfüllung von Gesetzeslücken findet dabei ihre Grundlage im rechtsstaatlichen Verbot der Justizverweigerung und in den Idealen der Einzelfall- und Systemgerechtigkeit, welche wiederum in ihren Grundzügen im grundgesetzlichen Gleichbehandlungsgebot des Art.  3 Abs.  1 GG verfassungsrechtlich verankert sind166. Diesen Prinzipien ist auch der Richter im Rahmen seiner spruchrichterlich-rechtsanwenden Tätigkeit über dessen Bindung an das hinter bzw. über dem positiven Gesetz stehende „Recht“ im Sinne der Art.  20 Abs.  3, 97 Abs.  1 GG verpflichtet167. Vor dem Hintergrund, dass die Praktikabilität positiv-rechtlicher Vorgaben maßgeblich von deren Konkretisierungs- und Detailierungsgrad bestimmt wird, muss das notwendigerweise abstrakte Gesetz nicht zwangsläufig für jede im Rechtsleben auftretende Fallkonstellation eine ausdrückliche und zugleich sach- und system­ gerechte Lösung vorhalten168. Die Rechtsfortbildung durch richterliche Rechtsschöpfung gehört insoweit genauso zur Aufgabe der Rechtsprechung wie die Rechtsanwendung169. Sie kann in den Grenzen der Verfassung nach Maßgabe der juristischen Auslegungs- und Rechtsfindungsmethoden nicht nur zulässig, sondern nach den Umständen des Einzelfalls und der jeweils betroffenen Regelungsmaterie sogar geboten sein, um eine sachgerechte und praktikable Rechtsanwendung überhaupt erst zu ermöglichen170. Richterliche Rechtsfortbildung So Zippelius, Methodenlehre, S.  67. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn.  889; Schmidt, VerwArch 97, 139 (141). 167  BVerfG, Beschluss vom 14. Februar 1973 – 1 BvR 112/65 –, BVerfGE 34, 269 (286 f.). 168  Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Bd. II, Art.  20 (Rechtsstaat) Rn.  102. 169  BVerfG, Beschluss vom 14. Februar 1973 – 1 BvR 112/65 –, BVerfGE 34, 269 (287, 291); BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1978 – 1 BvR 84/74 –, BVerfGE 49, 304 (318). 170  BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 1991 – 1 BvR 779/85 –, BVerfGE 84, 212 (226 f.); Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn.  822; Beaucamp, AöR 134, 83 (86) m. w. N. 165 

166 

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

anhand des zur Entscheidung stehenden Rechtsstreits gehört damit innerhalb ihrer Grenzen grundsätzlich zu den funktionsimmanenten Aufgaben und Befugnissen jedweder Rechtssprechungstätigkeit171. Der Prozessgesetzgeber hat sie vor allem den Revisionsgerichten sowie den Großen und Gemeinsamen S ­ enaten dieser Gerichte funktionell zugeordnet172. Gleichwohl gilt es zu berücksichtigen, dass eine Rechtsanwendung umso mehr die Gesetzesbindung des Richters und damit die Legitimationsgrundlagen richterlicher Machtbefugnisse in Frage stellt, je weiter sie sich von Wortlaut, Systematik und Telos des Gesetzes entfernt173. Derartige Legitimationsfragen stellen sich vor allem im Bereich richterrechtlicher Rechtsschöpfung – auch soweit diese der Schließung von systemwidrigen Gesetzeslücken dient – wie auch bei der Nichtbefolgung eines an sich eindeutigen Gesetzesbefehles. Vor diesem Hintergrund ist es der Judikative auch im Rahmen ihrer Rechtsfortbildungsbefugnisse verwehrt, sich von ihrer Funktion als Rechtsanwenderin bei der hoheitlich-verbindlichen Streitentscheidung im Einzelfall zu lösen und sich rechtsgestalterische Kompetenzen zur Verwirklichung des eigenen rechtspolitischen Willens anzumaßen, die nach der funktionell-staatsorganisatorischen Auf­ gabenverteilung in den Funktionsbereich der legislativen Gewalt fallen174. Die richterrechtliche Ausfüllung von Gesetzeslücken ist daher nur in begrenztem Umfang zulässig. Ihre rechtsmethodischen Voraussetzungen und Grenzen sind mittelbare Konsequenzen der Rückbindung judikativer Befugnisse an das sie legitimierende Parlamentsgesetz und deshalb umso strenger zu beachten, je weiter sich die richterliche Rechtsschöpfung vom Wortsinn und Zweck des Gesetzes entfernt hat175 oder dadurch Rechtspositionen des Bürgers verkürzt werden, die das Gesetz in Konkretisierung von Verfassungsrecht statuiert176.

171  BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1978 – 1 BvR 84/74 –, BVerfGE 49, 304 (318); BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 1983 – 2 BvR 485, 486/80 –, BVerfGE 65, 182 (190 f.). 172  Vgl. etwa Art.  95 Abs.  1 GG, §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO, §  11 Abs.  4 VwGO. Im Bereich des irrevisiblen Rechts wird diese Aufgabe von den Oberverwaltungsgerichten und Verwaltungsgerichtshöfen wahrgenommen, §  124 Abs.  2 Nr.  3 VwGO. 173  Proske, NJW 1997, 352 (355); Zippelius, Methodenlehre, S.  57; Beaucamp, AöR 134, 83 (94). 174  BVerfG, Beschluss vom 14. Februar 1973 – 1 BvR 112/65 – BVerfGE 34, 269 (292); BVerfG, Beschluss vom 03. November 1992 – 1 BvR 1243/88 –, BVerfGE 87, 273 (280); Meyer, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art.  92 Rn.  3; Wilke, in: Isensee/ Kirchhof, HdBStR V, §  112 Rn.  32. 175  Rosenthal, Probleme des ZPO-RG, S.  110; Zippelius, Methodenlehre, S.  53 f. 176  BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1978 – 1 BvR 84/74 –, BVerfGE 49, 304 (320); BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 –, BVerfGE 69, 315 (371 f.).

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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Die analoge Anwendung der Rechtsfolge einer Norm auf eine nicht deren Tatbestand unterfallende Fallkonstellation setzt zunächst voraus, dass die rechtliche Beurteilung des konkreten Falles eine mit den herkömmlichen Mitteln der juristischen Gesetzesauslegung nicht zu beseitigende systemwidrige Gesetzeslücke im anzuwenden Normenkomplex offenbart. Diese kann sowohl darin bestehen, dass das Gesetz nach Maßgabe der aus dem Gesamtzusammenhang der Gesetzessystematik ersichtlichen gesetzgeberischen Regelungsziele für den in Rede stehenden Fall entweder gar keine Rechtsfolge vorsieht, obwohl dies s­ ystemkonsequenter angebracht gewesen wäre oder aber auch darin, dass die Anwendung einer hierfür ausdrücklich vorgehaltenen Rechtsfolge zu Ergebnissen führt, die mit den hiermit verfolgten Regelungsabsichten in offenem Widerspruch stehen würden und dieser Fall deshalb vom Gesetzgeber, hätte er ihn erkannt, konsequenterweise durch einen Ausnahmetatbestand gesondert berücksichtigt worden wäre177. Stets maßgeblich für diese Erkenntnis sind dabei einerseits die zu ermittelnden Regelungsziele des Gesetzgebers und andererseits dessen Verpflichtung zur Gleichbehandlung gleichgelagerter Sachverhalte sowie das daraus resultierende Gebot der Systemgerechtigkeit178. Ist dagegen der Gesetzeswortlaut trotz erkennbar entgegenstehender Intention des Norm­ gebers eindeutig oder der ungeregelte Fall bewusst von der Rechtsfolge des Gesetzes ausgeschlossen worden, ist diese Gesetzeslücke nicht als systemwidrig und damit nicht als durch Richterrecht ausfüllbar anzusehen179. In diesen Fällen verbleibt dem Richter bei verfassungsrechtlichen Bedenken hieran nur die Möglichkeit, das Verfahren auszusetzen und im Wege der Richtervorlage eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art.  100 Abs.  1 GG i. V. m. §§  13 Nr.  11, 80 ff. BVerfGG einzuholen180. Im Übrigen ist er aber zur Beachtung ausdrücklicher Gesetzesbefehle, die sich eben auch aus bewusst geschaffenen normativen Differenzierungen und Aussparungen ergeben können, verpflichtet und kann nicht durch zielgerichtete Konstruktion von Gesetzeslücken innerhalb an sich abschließender Regelungen gesetzgeberische Grundentscheidungen durch eigene Zweckmäßigkeitsvorstellungen ersetzen181. Beaucamp, AöR 134, 83 (84); Larenz/Canaris, Methodenlehre, S.  193; Zippelius, ­Methodenlehre, S.  52 f. 178  Müller/Christensen, Juristische Methodik I, Rn.  371 S.  393; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn.  889. 179  Schmidt, VerwArch 97, 139 (143). Ähnlich auch BGH, Beschluss vom 26. September 1979 – VIII ZR 87/79 –, NJW 1980, 344 (344) und BAG, Beschluss vom 26. Juni 2001 – 9 AZN 132/01 –, BAGE 98, 109 (112 f.). 180  Beaucamp, AöR 134, 83 (92). 181  Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Bd. II, Art.  20 (Rechtsstaat) Rn.  103; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 7. Auflage 2013, Rn.  874; Beaucamp, AöR 134, 83 (85). 177 

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

Ergeben sich dergestalt systemwidrige Regelungslücken, die einer Kompensation durch Analogieschluss zugänglich sind, sind Tatbestand und Rechtsfolge derjenigen Norm, die im Zuge des Analogieschlusses herangezogen werden soll, mit dem die Regelungslücke aufwerfenden Sachverhalt dahingehend zu vergleichen, ob sich beiden Fällen derselbe Rechtsgedanke zugrunde legen lässt, sich also die dabei tangierten Interessenlagen so stark ähneln, dass eine Gleichbehandlung dieser Fallgruppen vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Regelungsabsichten angezeigt ist182. Ist dies der Fall, stellt sich die analoge Anwendung dieser Rechtsnorm als notwendige und konsequente Weiterführung der bereits im Gesetz angelegten Grundprämissen dar183. Demgegenüber werden die Grenzen zulässiger Analogiebildung und damit der Kompetenzbereich der Judikative grundsätzlich überschritten, wenn die Lückenausfüllung über die bloße systemkonsequente Übertragung von Rechtsfolgen hinausgeht, indem richterlicherseits eine grundlegende Umstrukturierung des jeweiligen Rechtsregimes vorgenommen wird, die die gesetzgeberischen Regelungsziele durch eigene ersetzt184. Bedarf es zur Erreichung des angenommenen Regelungszieles nicht nur einer anpassenden Veränderung des Tatbestandes einer Norm, sondern auch auf deren Rechtsfolgenseite, so stellt sich die dadurch entstandene »Regelung« nicht mehr als konsequente Umsetzung einer bereits vorgefundenen gesetzgeberischen Entscheidung, sondern als eigenständige Rechtsneuschöpfung anhand der Ziel- und Wertvorstellungen des jeweiligen Rechts­ anwenders dar und ist jedenfalls in Form der Analogie unzulässig185. Die Menger, System, S.  68; Schmidt, VerwArch 97, 139 (144); Wank, Auslegung, S.  87. Vgl. Zippelius, Methodenlehre, S.  55, 57. Schmidt, VerwArch 97, 139 (146) schlägt zur Überprüfung der Haltbarkeit einer Analogie folgendes Gedankenexperiment vor: Anzunehmen wäre, dass der ungeregelte Fall vom Gesetzgeber in der Weise normiert worden sei, wie es durch den Analogieschluss verwirklicht werden soll und stattdessen der tatsächlich geregelte Fall die Gesetzeslücke darstellen würde. Würde der Rechtsanwender dann den Analogieschluss unter denselben Prämissen in gleicher Weise auch umgekehrt ziehen, so ließe sich die Vergleichbarkeit der Interessenlagen und damit letztendlich die Tragfähigkeit des Analogieschlusses bejahen. 184  Vgl. May, Revision, I Rn.  72: „Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, den Gesetzgeber zu korrigieren.“ 185  Vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1958 – 1 BvL 149/52 –, BVerfGE 8, 28 (33 f.) und BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (299 f.) zum gesetzgeberischen Regelungsziel als Maßstab und Grenze der Rechtsfindung. Menger, System, S.  69 f. weist insoweit darauf hin, dass durch den Analogieschluss die vom Gesetzgeber bei der Verknüpfung von Tatbestand und Rechtsfolge der herangezogenen Norm vorgenommene Interessenabwägung in ihren Grundzügen auch für den ungeregelten Fall Gültigkeit beanspruchen muss und nicht durch eine völlig neue Abwägung mit bisher unberücksichtigten oder als irrelevanten angesehenen Aspekten ersetzt werden darf (a. a. O.: „»Gleichgewicht« zwischen konditionaler und Rechtsfolgenseite“). Eine Veränderung des Tatbestandes einer 182  183 

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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Berufung auf allgemeine Rechtsprinzipien und -gedanken, sei es auch auf solche mit verfassungsrechtlicher Verankerung, eröffnet nicht die Möglichkeit, gesetzlich vorgesehene Strukturen in ihrer jeweiligen normativen Ausgestaltung außer Kraft zu setzen186. Der Analogieschluss ist trotz allem kein rein logisch zu erfassender Analysevorgang, sondern gleich in mehrfacher Hinsicht eine teleologisch-wertende Vergleichserkenntnis187. Sowohl bei der Feststellung einer Gesetzeslücke, der Vergleichbarkeit der Interessenlage der entsprechend heranzuziehenden Norm als auch bei der abschließenden Wertungsfrage, ob und wie gerade diese Vorschrift auf den zur Beurteilung stehenden Fall entsprechend anzuwenden ist, hat der Richter abzuwägen, ob die beiden zu vergleichenden Fallkonstellationen keine derart gravierenden Unterschiede aufweisen, dass deren Ungleichbehandlung sachlich nicht zu rechtfertigen wäre188. Auf keiner dieser Wertungsstufen kann der Richter aufgrund seiner Stellung als rechtserkennende Streitentscheidungsinstanz über den konkreten Einzelfall dabei in Ansatz bringen, welcher rechtliche Rahmen ein bestimmtes Rechtsproblem nach seinen Vorstellungen zweckmäßiger oder befriedigender lösen würde, als derjenige vom Gesetzgeber normativ vorgegebene189. Im Rahmen der rechtsschöpferischen Komponente der Gesetzeslückenfüllung ist daher sowohl den gesetzgeberisch intendierten Zielvorstellungen Rechnung zu tragen als auch eine Rechtsfolge in den existierenden Normenzusammenhang einzufügen, die, weil dadurch gerade gesetzgeberische Inkonsequenzen korrigiert werden sollen, selbst den Gedanken der Systemgerechtigkeit folgerichtig verwirklicht190. Norm könne dabei nicht mit einer gleichzeitigen Änderung ihrer Rechtsfolge einhergehen. Schmidt, VerwArch 97, 139 (146 f.) hält dies in Ausnahmefällen für zulässig, wenn sich die zu modifizierende Rechtsfolge der entsprechend anzuwendende Norm wiederum selbst auf einen positiv-rechtlich umgesetzten Rechtsgedanken zurückführen lässt, so etwa bei der Anwendung des §  254 BGB auf den seinem Inhalt nach eigentlich unteilbaren Beseitigungs­ anspruch nach §  1004 Abs.  1 S.  1 BGB, weil §  254 BGB insoweit eine besondere Ausprägung des §  242 BGB sei. 186  So zum Recht auf ein faires Verfahren im Strafprozess BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1981 – 2 BvR 215/81 –, BVerfGE 57, 250 (275 f.); BVerfG, Urteil vom 08. Oktober 1985 – 2 BvR 1150/80, 2 BvR 1504/82 –, BVerfGE 70, 297 (307 f.); BVerfG, Beschluss vom 03. Juni 1992 – 2 BvR 1041/88, 2 BvR 78/89 –, BVerfGE 86, 288 (317 f.). 187  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn.  889, 893; Müller/Christensen, Juristische Methodik I, Rn.  371 S.  394; Zippelius, Methodenlehre, S.  53 f. 188  Zippelius, Methodenlehre, S.  55. 189  May, Revision, I. Rn.  1a, 72; Wank, Auslegung, S.  87; Traut, Zugang zur Revision, S.  219 f. 190  Vgl. Zippelius, Methodenlehre, S.  57 zum Wesen der Analogie: „Rechtsgedanken, die im Gesetz bereits angelegt sind, werden mit Hilfe des Gleichheitsgrundsatzes generalisierend zu Ende gedacht.“ Allgemein zum Gebot der Systemgerechtigkeit bei der Änderungen pro-

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

2. Systemwidrige Regelungsdefizite des Revisionszulassungsrechts in Anbetracht der Erfolgsaussichten der Revision? Im Rahmen der Bestimmungen über die zivilprozessuale Nichtzulassungsbeschwerde hat der Prozessgesetzgeber mit §  544 Abs.  2 S.  2 ZPO explizit Regelungen des Revisionsrechts für im Beschwerdeverfahren anwendbar erklärt und damit das Verhältnis von Revision und Nichtzulassungsbeschwerde ausdrücklich normativ berücksichtigt. Dass §  561 ZPO, welcher dem §  144 Abs.  4 VwGO inhaltlich entspricht, nicht zu den für entsprechend anwendbaren Vorschriften erklärt wurde, spricht als solches schon gegen eine analoge Anwendung dieser Norm im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nach der Zivilprozessordnung191. Die verwaltungsprozessuale Bestimmung des §  133 VwGO trifft keine entsprechende Aussage. Dieser Umstand allein lässt jedoch noch keine Rückschlüsse auf die Frage zu, in welchem Umfang dieses spezielle Beschwerdeverfahren revisionsverfahrensrechtlich überformt ist. Denn einerseits finden auch im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens bestimmte normative Grundsätze der Revision ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung allein aufgrund der Funktion der Nichtzulassungsbeschwerde als ein der Revision vorgelagertes und dieses vorbereitende Verfahren192 Anwendung, wie etwa die Rechtsgrundsätze der §  137 Abs.  1, Abs.  2 VwGO193, §  138 VwGO194 und §  144 Abs.  6 VwGO195. Andererseits handelt es sich bei der Nichtzulassungsbeschwerde „der zessualer Regelungen Redeker, NJW 1998, 2790 (2790). Was dabei für die gesetzgeberische Normsetzung gilt, hat in gleichem Maße auch für die richterliche Rechtsschöpfung Bedeutung. 191  Vgl. Traut, Zugang zur Revision, S.  219 f., der in diesem Zusammenhang zusätzlich darauf hinweist, dass der ZPO-Reformgesetzgeber im Rahmen der revisionsrechtlichen Bestimmungen der §§  549 Abs.  1 S.  3, 550 Abs.  1, 551 Abs.  2 S.  4 ZPO die Besonderheiten der Nichtzulassungsbeschwerde sowie über §  552a ZPO mangelnde Erfolgsaussichten der Revision bereits anderweitig in Ansatz gebracht hat. Dass dieser Umstand den Bundesgerichtshof gleichwohl nicht von einer analogen Heranziehung des §  561 ZPO im Zulassungsverfahren abhält, zeigen etwa BGH, Urteil vom 18. Juli 2003 – V ZR 187/02 –, NJW 2003, 3205 (3206) und BGH, Beschluss vom 10. August 2005 – XII ZR 97/02 –, MDR 2005, 1241. 192  So Rennert, NVwZ 1998, 665 (667); Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  29. 193  Zulassungsrelevante Rechtsfragen können allein revisibles Recht betreffen, vgl. ­BVerwG, Beschluss vom 25. Oktober 1995 – 4 B 216/95 –, BVerwGE 99, 351 (353 f.); W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  132 Rn.  11. 194  Die Beruhensfiktion absoluter Revisionsgründe greift schon in Anbetracht der Geltendmachung von Verfahrensmängeln als Zulassungsgründe ein, vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. September 1995 – 4 B 173/95 –, DVBl. 1996, 106 (107); Pietzner/Bier, in: Schoch/ Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  77. 195  Die Vorinstanz ist bei ihrer erneuten Entscheidung über die Sache in einem zweiten Rechtsgang auch dann an die vom BVerwG entscheidungstragend zugrunde gelegte Rechtsauffassung gebunden, wenn die Aufhebung und Zurückverweisung wegen durchgreifender Verfahrensmängel schon im Beschlusswege nach §  133 Abs.  6 VwGO ausgesprochen wurde,

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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Revision gegenüber nicht [um] ein minus, sondern [um] ein aliud“, weshalb nicht ohne weiteres „nach dem argumentum a maiore ad minus das, was für die Revision gilt, auch für die Beschwerde zu gelten ha[t]“ und es sich daher beim Fehlen jeglicher Inbezugnahme von Vorschriften des Revisionsverfahrensrechts in den Bestimmungen über die Nichtzulassungsbeschwerde auch nicht „nur um eine versehentliche Unterlassung des Gesetzgebers handeln“ kann196. Daher gilt es vielmehr im Folgenden zu untersuchen, ob der Gesetzgeber mit der Einführung und Ausgestaltung der Beschwerdemöglichkeit an den iudex ad quem gegen die verweigerte Zulassung der Revision durch den iudex a quo beabsichtigt hatte oder es zumindest in Kauf nehmen wollte, dass das angegriffene Urteil dabei zugleich einer beschränkten Richtigkeitskontrolle zugeführt wird und somit der Zugang zur Revisionsinstanz von den aus Sicht des Beschwerdegerichts bestehenden Erfolgsaussichten des Rechtsmittelverfahrens abhängig gemacht werden könnte. Hierzu bedarf es zunächst einer Analyse der Regelungsabsichten des historischen Gesetzgebers. Daraus wird sich schließen lassen, von welchen Grundprämissen das Beschwerdeverfahren in Anbetracht von Revisionszulassung und Revisionserfolg getragen wird und welche Funktionen ihm im Zusammenhang mit der Eröffnung der Revision und dem Rechtsschutz der Parteien zugedacht wurden. Anschließend hat sich der Blick auf die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Ausgestaltung der Revisionszulassung im Verwaltungsprozess zu richten, um feststellen zu können, ob und wie diese Ziele umgesetzt und erreicht worden sind. Dabei interessiert im vorliegenden Zusammenhang, welche Aspekte des Rechtsrahmens der Revisionszulassung auf eine Verknüpfung der Zulassungsentscheidung mit den sachlichen Erfolgsaussichten des Rechtsmittels angelegt sind oder dem entgegenstehen können. Erst hierdurch wird sich zeigen können, ob diesbezügliche Regelungslücken bestehen, die durch eine analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren auszugleichen sind. Denn die bloße faktische Möglichkeit des Richters, einzelne Rechtssachen verfahrenseffizienter und prozessökonomischer einer der materiellen Rechtslage entsprechenden Entscheidung zuführen zu können, genügt allein nicht für die Begründung von Lücken oder Wertungswidersprüchen im anzuwendenden Verfahrensrecht, die es gestatten könnten, den gesetzlich vorgezeichneten Weg der Entscheidungsfindung zu verlassen und den Verfahrensablauf nach eigenen Zweckmäßigkeitsvorstellungen zu gestalten197. vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. August 1997 – 8 B 151/97 –, NJW 1997, 3456; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  903. 196  So Baring, DVBl. 1961, 349 (353). 197  Ebenso Schumann, in: Paulus/Diederichsen/Canaris, Festschrift Larenz, S.  271

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

a) Regelungsabsichten des historischen Gesetzgebers bei Einführung der Nichtzulassungsbeschwerde Der Gesetzgeber hat die Entscheidung der Vorinstanz über die Nichtzulassung der Revision nach und nach in allen Verfahrensordnungen, die das Prinzip der Revisionszulassung verwirklichen, dem Vorbehalt der Beschwerde an das Revisionsgericht unterworfen198. Im Folgenden sollen die jeweiligen Gesetzesbegrün­ dungen dahingehend untersucht werden, ob der Gesetzgeber mit der Einführung einer Zulassungskompetenz des iudex ad quem die Möglichkeit einer Verknüpfung von Zulassungs- und Sachentscheidung hinsichtlich der Revision in Erwägung gezogen hat und damit die Erfolgsaussichten in der Sache im Sta­ dium des Rechtsmittelzugangs berücksichtigt wissen wollte. aa) Verwaltungsprozess Mit dem Erlass des Gesetzes über das Bundesverwaltungsgericht199 wurde durch §  53 Abs.  1 BVerwGG der Zugang zum Revisionsverfahren im Verwaltungsprozess vom Erfordernis der vorherigen Zulassung abhängig gemacht. Zulassungsfrei sollte nach §  54 BVerwGG nur die Verfahrensrevision sein. Das Gesetz übertrug die Zulassungskompetenz in erster Linie dem Vordergericht. Dessen Zulassungsentscheidung richtete sich gemäß §  53 Abs.  2 BVerwGG ­allein danach, ob die Klärung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu erwarten war, am Rechtsstreit Bundesbehörden beteiligt waren oder die S ­ ache von der Vorinstanz in Abweichung zu einer höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden worden war. Der sachliche Erfolg der Revision sollte dabei keine Rolle spielen. Für den Fall der Nichtzulassung der Revision sah das Gesetz in §  53 Abs.  3–5 BVerwGG die Möglichkeit der Beschwerde an das Bun(278 f.); May, Revision, I. Rn.  1a, 72 sowie VI. Rn.  78 und Traut, Zugang zur Revision, S.  219. Vgl. dazu bereits §  4 III. 1. a) und IV. 1. 198  Vgl. auch Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  1. Die Institution der Nichtzulassungsbeschwerde fand im Zuge ihrer Einführung sowohl Verfechter als auch leidenschaftliche Gegner in Wissenschaft und Praxis. Hierfür beispielhaft genannt sei etwa die auf dem 44. Deutschen Juristentag 1962 in Hannover geführte Diskussion um die Vereinheitlichung des Revisionsrechts. Die beiden diesbezüglichen arbeitsteiligen Gutachten von Baring und Pohle verhielten sich zur Frage der Anfechtbarkeit der Nichtzulassung höchst unterschiedlich. ­Pohle, welcher sich mit den ordentlichen Gerichtszweigen befasste, lehnte die Nichtzulassungsbeschwerde als unergiebige Zusatzbelastung des Revisionsgerichts entschieden ab, vgl. Pohle, Gutachten B für den 44. DJT., S.  65 ff. Baring als Gutachter für die öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten hingegen sah darin ein bewährtes „handliche[s] Rechtsinstitut“, vgl. Baring, Gutachten A für den 44. DJT., S.  79, und empfahl zur „Verstärkung des Rechtsschutzes“ dementsprechend den Ausbau der Beschwerdemöglichkeit, a. a. O. S.  86. 199  Gesetz vom 23. September 1952, BGBl. I S.  625.

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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desverwaltungsgericht vor. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte dieser Beschwerdevorbehalt vor allem dazu dienen, „eine einheitliche Handhabung der Zulassung zu erreichen“200. Eine Beschränkung der Beurteilungsgrund­ lagen des iudex ad quem auf die Zulassung solcher Revision, die auch sachlich Erfolg versprachen, war dagegen nicht intendiert201. Vielmehr spricht der allein angeführte Vereinheitlichungsgedanke dafür, dass der Gesetzgeber sich gerade durch die zu erwartenden Zulassungsentscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes eine einheitliche Maßstabsbildung für die Entscheidungspraxis der Instanzgerichte erhoffte, die wiederum im Laufe der Zeit zu einer rückläufigen Belastung des Gerichts mit Nichtzulassungsbeschwerden führen würde. Vor diesem Hintergrund schien er von einer Kongruenz der Beurteilungsgrund­ lagen von iudex a quo und iudex ad quem auszugehen. Der Rechtsvereinheitlichungsgedanke blieb auch bei der Vereinheitlichung der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit durch den Erlass der Verwaltungsgerichtsordnung202 leitendes Motiv des Nichtzulassungsbeschwerderechts203. Forderungen aus Wissenschaft und Praxis, der zwischenzeitlich etablierten Prognose-Rechtsprechung204 des Bundesverwaltungsgerichts zur Inkorporation des Sacherfolgs der Revision in dessen Zulassungsentscheidung mittels einer entsprechenden klarstellenden Regelung im Prüfungsauftrag der Nichtzulassungsbeschwerde entgegenzuwirken205, ist der Gesetzgeber dabei jedenfalls nicht normativ nachgekommen. Trotz ausdrücklicher Missbilligung dieser Zulassungspraxis sah er sich deshalb nicht dazu veranlasst, weil er davon ausging, dass das Bundesverwaltungsgericht von seiner bisherigen Rechtsprechungslinie wieder abgerückt sei und aufgrund des aus seiner Sicht eindeutigen Aussagegehaltes von Wortlaut und Systematik der neuen Zulassungsbestimmungen eine inhaltliche Beurteilung der Rechtssache im Zulassungsverfahren in Zukunft ohnehin ausgeschlossen sein dürfte206. War dem Gesetzgeber aber die Recht200 

BT-Drs. I/1844, S.  33. Vgl. BT-Drs. I/1844, S.  24. 202  Gesetz vom 21. Januar 1960, BGBl. I S.  17. 203  BT-Drs. 3/55, S.  46. 204  Vgl. hierzu oben §  4 I. 1. 205  Vgl. dazu Reuß, DVBl. 1958, 233 (233 f.) m. w. N., welcher auf eine diesbezügliche Stellungnahme des Verwaltungsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltsvereins vom 07. März 1958 samt entsprechendem Entwurfsvorschlag verweist: „Das Bundesverwaltungsgericht ist hierbei auf die Nachprüfung der Zulassungserfordernisse beschränkt.“, zitiert nach Reuß, a. a. O. S.  233. 206  Vgl. den Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages zum Entwurf der VwGO, BT-Drs. 3/1094, S.  12: „Der Rechtsausschuß war […] darauf hingewiesen worden, daß das Bundesverwaltungsgericht in einigen Fällen bei der Entscheidung von Nichtzulassungsbeschwerden im Revisionsverfahren auch sachlich über den Erfolg einer Revision entschieden 201 

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

sprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision im Rahmen ihrer Zulassung bekannt, so wäre es für ihn ein Leichtes gewesen, diese im Rahmen der Neunormierung des Verwaltungsprozessrechts durch den Erlass der VwGO ausdrücklich in Gesetzesform zu gießen, hätte er dies beabsichtigt207. Das verwaltungsgerichtliche Revisionszulassungsrecht blieb anschließend lange Zeit unangetastet. Änderungen sahen erst die Entwürfe einer einheitlichen Verwaltungsprozessordnung zur Vereinheitlichung der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten aus den Jahren 1982 und 1985208 vor. Umgesetzt wurden diese nach dem Scheitern dieser Vereinheitlichungsversuche erst durch das 4. VwGOÄndG 1990209. Das Gesetz ergänzte dabei die Bestimmungen der Nichtzulassungsbeschwerde um eine gesonderte zweimonatige Begründungsfrist. Der Gesetzgeber reagierte damit auf praktische Schwierigkeiten, die sich aus der bisherigen Koppelung der Pflichten zur Beschwerdeeinlegung und Beschwerdebegründung unter einer einheitlichen Monatsfrist ergaben. Gerade in Fällen der Hinzuziehung eines neuen Prozessvertreters nach Abschluss des Verfahrens vor den Tatsachengerichten bedurfte eine sachgemäße Beschwerdebegründung und eine umfassende Beratung des Mandanten einer aufwändigen Einarbeitung in den Prozessstoff, für die sich die bisherige Fristenregelung als zu kurz und unsachgemäß erwiesen hatte. Dabei wurde explizit auch berücksichtigt, dass sich die Rechtsprüfungs- und Beratungspflichten des Rechtsanwalts schon im Stadium des Revisionszugangs nicht nur auf den Erfolg der Nichtzulassungsbeschwerde, sondern auch auf den letztendlichen Sacherfolg erstrecken 210. Hieraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass sich auch die beschwerdegerichtliche Zulassungsprüfung auf beide Aspekte der Rechtssache beziehen könne. Der Gesetzgeber wollte insoweit ausschließlich der besonderen Beratungssituation des Rechtsanwalts und den entsprechend erhöhten Prozess- und damit verbundenen Kostenrisiken der Verfahrensbeteiligten Rechnung tragen, die durch die Auslagerung der Zugangskontrolle zur Revision in ein gesondertes Zwischenverfahren entstehen. Dass der in der Vorinstanz unterlegenen Partei von der beschwerdeweisen Gelhabe. […] Der Rechtsausschuß ist ebenfalls der Auffassung, daß weder vom Oberverwaltungsgericht noch vom Bundesverwaltungsgericht bei der Entscheidung über die Zulassung einer Berufung oder einer Revision eine Sachentscheidung angebracht ist. Der Rechtsausschuß glaubt aber, daß diese Praxis des Bundesverwaltungsgerichts wieder verlassen worden ist und daß sich deshalb eine gesetzliche Regelung erübrigt.“ 207  Treffend Hanack, Ausgleich, S.  249: „Die mittelbare Billigung einer Rechtsprechung durch den Gesetzgeber macht sie noch nicht zur Rechtsnorm.“ 208  BT-Drs. 9/1851 und BT-Drs. 10/3437. 209  Gesetz vom 17. Dezember 1990, BGBl. I S.  2809, dazu BT-Drs. 11/7030. 210  Vgl. BT-Drs. 10/3437, S.  155 und BT-Drs. 11/7030, S.  33.

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tendmachung ihres Zulassungsanspruchs vernünftigerweise abzuraten ist, wenn ein sachlicher Erfolg in der nächsten Instanz nicht in Aussicht steht, entspricht nämlich, abgesehen von der verfahrenstechnischen Trennung der Entscheidungskompetenzen über das Rechtsmittel und den Zugang zu diesem, derselben Beratungssituation wie bei zulassungsfreien Rechtsmitteln. Dass aber auch das Bundesveraltungsgericht als dasjenige Gericht, welches sowohl als Revisionsgericht über die Sache als auch als Beschwerdegericht über die Revisionszulassung zu entscheiden hat, beide Beurteilungsperspektiven im selben Verfahrensstadium einnehmen dürfte und eine dementsprechend paternalistische Zulassungspraxis bei fehlenden Erfolgsaussichten der Revision ausüben könnte, war hiermit nicht intendiert. Vielmehr zeigt sich gerade an dieser Entlastungsmaßnahme zugunsten der Rechtsanwaltschaft, dass der Gesetzgeber die Funktionsunterschiede zwischen Zulassungs- und Sachentscheidung über das Rechtsmittel ausdrücklich anerkennt211. Dem Prozessvertreter sollte hierdurch ausreichend Einarbeitungszeit in die sachlichen Probleme und Erfolgschancen des Rechtsmittels gewährt werden, bevor dieser eine Zulassungsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts anstrebt, die sich selbst nur mit der Frage eines öffentlichen Bedürfnisses nach einer Stellungnahme des Revisionsgerichts befasst, den Revisionserfolg aber gerade nicht zum Gegenstand hat bzw. präjudizieren kann. bb) Andere Verfahrensordnungen Auch die Gesetzesmaterialien zur Einführung der Nichtzulassungsbeschwerde in den anderen Gerichtsbarkeiten lassen keine gesetzgeberischen Tendenzen erkennen, den Revisionsgerichten ermöglichen zu wollen, Zulassungs- und Sach­ entscheidungen miteinander zu verknüpfen und damit die Revisionszulassung von den Erfolgsaussichten des Rechtsmittels abhängig machen zu können. Mit dem letztlich nicht realisierten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Rechts der Revision in Zivilsachen und in Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit aus dem Jahre 1973212 sollten zur Entlastung des Bundesgerichtshofes und des Bundesfinanzhofes sowohl die zivilprozessuale als auch die finanzgerichtliche Revision am Vorbild der VwGO vollständig dem Zulassungsprinzip mit Nichtzulassungsbeschwerde unterstellt und gleich211 

Vgl. BT-Drs. 11/7030, S.  33: „[…] zudem kann über eine sorgfältig begründete Beschwerde leichter und schneller entschieden werden.“ Diese Annahme ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn sich die Beschwerdeentscheidung nicht auch mit den inhaltlich-sachlichen Gesichtspunkten des Falles zu befassen hat und die dem Revisionsurteil vorbehaltene Sachentscheidung nicht vorwegzunehmen hat. 212  BT-Drs. 7/444.

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

zeitig das Revisionsrecht von ZPO, ArbGG, VwGO und FGO weitgehend vereinheitlicht werden. Die umfassende Beschwerdemöglichkeit gegen die verweigerte Revisionszulassung wurde dabei auf den Gedanken gestützt, dass nur auf diese Weise einheitliche Zulassungsbedingungen herausgebildet werden könnten und zugleich nur dadurch sichergestellt werden könne, dass die Instanz­ gerichte ihre Entscheidungen nicht gegenüber der Nachprüfbarkeit durch ein Revisionsverfahren immunisieren213. Insoweit verhindere die Nichtzulassungsbeschwerde zugleich, dass die Berufungsgerichte über das zur Erfüllung der Rechtsvereinheitlichungsaufgaben des Revisionsgerichts nötige Anschauungsmaterial ohne dessen Kontrolle und Einflussnahme disponieren könnten 214. Auch insoweit sollte also die Nichtzulassungsbeschwerde lediglich der Korrektur der fehlerhaften Zulassungsentscheidung der Vorinstanz, nicht aber auch der Überprüfung ihrer Sachentscheidung dienen. Die Finanzgerichtsordnung des Jahres 1965215 unterstellte den Revisions­ zugang im Finanzprozess zunächst einem Kombinationsmodell aus Streitwert-, freier Verfahrens- und Zulassungsrevision mitsamt Nichtzulassungsbeschwerdevorbehalt an den Bundesfinanzhof. Letzteres sollte dem Bundesfinanzhof e­ rmöglichen, auch in Verfahren mit geringem Streitwert zu Rechtsfragen von allgemeinem Interesse Stellung zu nehmen 216. Als schließlich im Zuge des 2. FGO-ÄndG 2000217 das Prinzip der Streitwertrevision auch im Finanzprozess vollständig zugunsten des Zulassungsprinzips aufgegeben wurde, gehörte es zu den gesetzgeberischen Grundprämissen, „dass maßgebliche Kriterien für die Eröffnung des Zugangs zur Revisionsinstanz stets die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache oder die Abweichung von einer höchstrichterlichen Rechtsprechung waren“ und „dass die Revision in erster Linie zur Wahrung der Rechtseinheit gegeben sei und das Interesse der Parteien demgegenüber im Kollisionsfalle zurückzutreten habe“218. Individualinteressen an einer höchstrichterlichen Entscheidung des Rechtsstreits sollten unter der Geltung des Zulassungsprinzips dagegen weder in positiver noch in negativer Hinsicht zu berücksichtigen sein 219. Gerade in Abgrenzung zur bisherigen Wertrevision sollten die Möglichkeiten des Revisionszugangs von der „Eigenbedeutung der einzelnen Rechtssache“ abgekoppelt und mit der Zulassungsrevision maßgeblich der „Wahrung der Rechtseinheit als allgemeinem Anliegen“ untergeordnet wer213 

BT-Drs. 7/444, S.  27. A. a. O. S.  21 zur angedachten zivilprozessualen Nichtzulassungsbeschwerde. 215  Gesetz vom 06. Oktober 1965, BGBl. I S.  1477. 216  BT-Drs. IV/1466, S.  57. 217  Gesetz vom 19. Dezember 2000, BGBl. I S.  1757. 218  BT-Drs. 14/4061, S.  6. 219  A. a. O. S.  6. 214 

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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den 220. Demgemäß sollte mit dem Vorhalten einer Nichtzulassungsbeschwerde sowohl die „Chancengleichheit beim einheitlich geregelten Revisionszugang“ sichergestellt werden als auch dem Bundesfinanzhof Einflussnahmemöglich­ keiten auf die Auslegung des Zulassungsrechts eingeräumt werden, um dessen Rechtsvereinheitlichungs- und Rechtsfortbildungsaufgaben effektiv wahrnehmen zu können 221. Mit diesen gesetzgeberischen Grundgedanken wäre aber eine Auslegung des Revisionszulassungsrechts nicht in systemgerechter Weise in Einklang zu bringen, die die Möglichkeit eröffnen könnte, die Zulassung der Revision trotz festgestellten, im Allgemeininteresse bestehenden höchstrichterlichen Klärungsbedarfes im Individualinteresse der Parteien allein deswegen verweigern zu dürfen, weil bereits die Vorinstanz den Rechtsstreit zumindest im Ergebnis einer sachlich richtigen Lösung zugeführt hat und die Revision daher keinen Erfolg verspricht. Dieselben Zielvorstellungen lagen auch der Etablierung des revisionszulassungsrechtlichen Beschwerdevorbehaltes in das sozial-222 und in begrenztem Umfang auch in das arbeitsgerichtliche Verfahren 223 zugrunde. Die später im Zuge des Anhörungsrügengesetzes 2004224 erfolgte Aufhebung der sachlichen Beschränkung der arbeitsgerichtlichen Nichtzulassungsbeschwerde auf Fälle grundsätzlicher Rechtsfragen mit kollektivarbeitsrechtlichem Bezug sollte „einen Gleichklang zwischen der Zulassungsrevision[sentscheidung der Berufungsgerichte] und der Nichtzulassungsbeschwerde[kompetenz des Bundes­ arbeitsgerichts], wie er in anderen Verfahrensordnungen bereits vorgesehen ist“225, herstellen. Auch hier ging der Gesetzgeber also von einer Kongruenz der Beurteilungsmaßstäbe von iudex a quo und iudex ad quem bei der Entscheidung über die Revisionszulassung aus. Dies spricht aber dafür, dass die inhaltliche Richtigkeit der Sachentscheidung des Vordergerichts gerade nicht zum Prü220 

A. a. O. S.  6. A. a. O. S.  7. 222  Eingeführt durch das Gesetz vom 30. Juli 1974, BGBl. I S.  1625. Vgl. dazu BT-Drs. 7/861, S.  10: „Mit der Einführung der Nichtzulassungsbeschwerde wird dem Rechtsuchenden nun auch in der Sozialgerichtsbarkeit erstmalig die Möglichkeit gegeben, die Zulassungsentscheidungen der Vorgerichte vom Bundessozialgericht nachprüfen zu lassen.“ 223  Eingeführt durch vom 21. Mai 1979, BGBl. I S.  545. Die Begrenzung des Beschwerdevorbehalts in Grundsatzfragen auf Rechtssachen mit kollektivarbeitsrechtlichem Bezug ­w urde damit begründet, „daß bei der Einführung einer allgemeinen Nichtzulassungs­ beschwerde das Bundesarbeitsgericht mindestens ein Drittel seiner Arbeitskraft für die E ­ ntscheidung über diese Nichtzulassungsbeschwerden aufwenden müßte. Dies vermindert die Arbeitskraft, die für die Entscheidung in der Sache zur Verfügung steht“, vgl. BT-Drs. 8/1567, S.  20. 224  Gesetz vom 09. Dezember 2004, BGBl I S.  3220. 225  BT-Drs. 15/3706, S.  20. 221 

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

fungsumfang der Nichtzulassungsbeschwerde gehören könne und die Erfolgsaussichten der Revision daher auch keinen Einfluss auf die Zulassungsentscheidung des Beschwerdegerichts haben können. cc) Insbesondere: Zivilprozess Die vorinstanzliche Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision im Zivilprozess unterliegt erst seit dem ZPO-Reformgesetz 2001226 der Anfechtungsmöglichkeit vor dem Bundesgerichtshof. Als damit jüngste Variante der Nichtzulassungsbeschwerde dürften die entsprechenden Gesetzesmaterialien den aktuellsten Stand der gesetzgeberischen Vorstellungen vom Verhältnis von Revisionszulassung und Revisionserfolg wiedergeben. Hierbei lässt sich feststellen, dass es dabei noch immer die Einflussnahmemöglichkeiten des Revisionsgerichts auf die Auswahl des zu entscheidenden Fallmaterials und die Gewährleistung gleichmäßiger Zugangschancen durch eine einheitliche Maßstabsbildung des Zulassungsrechts sind, die der Gesetzgeber als zentrale Funktionen der Nichtzulassungsbeschwerde erachtet227. Explizit wurde von der Gesetzesbegrün­ dung dabei angeführt, dass „zwischen Nichtzulassungsbeschwerde und Revi­ sionsverfahren eine klare Trennung erfolgt“228. Die verfahrensrechtliche Gestaltung des Beschwerdeverfahrens resultiere „aus der unterschiedlichen Funktion von Nichtzulassungsbeschwerde und Revisionsverfahren. Während es im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde um die Statthaftigkeit des Rechtsmittels aufgrund einer Prognose des Revisionsgerichts im Hinblick auf die Z ­ ulassungskriterien geht, wird mit der Zulassung der Revision die volle Überprüfung des Urteils im bisherigen Umfang eröffnet“229. In diesem Zusammenhang besonders zu berücksichtigen gilt überdies der Umstand, dass das ZPO-Reformgesetz 2001 das bisherige System der Annahmerevision nach §  554b ZPO a. F. aufgab und die Nichtzulassungsbeschwerde damit als einziges Instrument des Bundesgerichtshofs zur selbstständigen Zugangssteuerung etablierte. §  554b ZPO a. F. ermöglichte dem Bundesgerichtshof, die Annahme einer Revision zur Sachentscheidung abzulehnen, wenn die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung aufwies. Nach bundesverfassungsgerichtlicher Judikatur durfte diese Befugnis zur Selbststeuerung der eigenen Arbeitsbelastung nur nach Maßgabe einer vorherigen Prüfung der sachlichen Erfolgsaussichten der Revision in Erwägung gezogen werden 230. Dies 226 

Gesetz vom 27. Juli 2001, BGBl. I S.  1887. BT-Drs. 14/4722, S.  67. 228  A. a. O. S.  106. 229  A. a. O. S.  106. 230  BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (285 ff.). 227 

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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machte eine zeit- und arbeitsaufwändige Vorkontrolle der Rechtssache durch den Bundesgerichtshof erforderlich, welche in zahlreichen Fällen weder für die Rechtseinheit noch für den Rechtsschutz der Parteien einen Ertrag leisten konnte231. Mit dem Übergang von dieser vorgelagerten, sachlich-inhaltlichen Annahmeprüfung auf eine reine Zugangskontrolle durch die Nichtzulassungsbeschwerde bezweckte es der Gesetzgeber gerade, das Revisionsgericht von einem solchen Mehraufwand frei zu halten, der für die Erfüllung der im Allgemeininteresse liegenden Revisionsaufgaben unergiebig wäre232. Dem lag der Gedanke zugrunde, dass „die Beschränkung des Prüfungsumfangs im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde zu einer geringeren Belastung“ des Bundesgerichts­ hofes führe, weil sich dieser gerade nicht auf die „Erfolgsaussicht [der Revision] im Ergebnis“ erstrecke233. Diese Entlastungsfunktion der Nichtzulassungs­ beschwerde wäre aber weitgehend obsolet, wenn das angerufene Revisions­ gericht auch insoweit in eine Erfolgsaussichtenprüfung eintreten könnte oder gar müsste234. dd) Zusammenfassung und Zwischenfazit Das aus den Gesetzesmaterialien gewonnene Gesamtbild zeigt, dass der Gesetzgeber die Nichtzulassungsbeschwerde in allen Verfahrensordnungen allein als Mittel zur Korrektur der zu Unrecht versagten Zulassungsentscheidung durch den Vorderrichter vorgesehen hat, nicht aber als Instrument zur sachlichen Kontrolle der angegriffenen Entscheidung selbst. Stets geht der Gesetzgeber dabei von einem Gleichlauf der materiellen Beurteilungsgrundlagen der Zulassungskompetenzen von iudex a quo einerseits und iudex ad quem andererseits aus. Die Zulassungsentscheidung des Vordergerichts solle sich ausschließlich nach Maßgabe der jeweiligen Revisionszulassungsgründe beurteilen, die Erfolgsaussichten der Revision gehören aber nicht zu den vom Gesetz insoweit für relevant erklärten Kriterien. Vor diesem Hintergrund lassen sich keine gesetzgeberischen Regelungsabsichten erkennen, aus prozessökonomischen Gründen dem Revisionsgericht in sachlich-rechtlich einfach gelagerten Fällen zu ermöglichen, das Revisionsverfahren mittels einer Sachprüfung im Nichtzulassungs­ beschwerdeverfahren abzukürzen und gegebenenfalls die Zulassung der Revi­ sion zu verweigern. Die Erfolgsaussichten der Revision sollen vielmehr in k­ einem Zulassungsstadium eine Rolle spielen. Die Analogiefähigkeit revisions231 

Vgl. hierzu die statistischen Angaben bei BT-Drs. 14/4722, S.  65 f. BT-Drs. 14/4722, S.  68. 233  A. a. O. S.  68. Dies hebt auch May, Revision, I. Rn.  69c als besonderen Vorteil der Nichtzulassungsbeschwerde hervor. 234  So auch Traut, Zugang zur Revision, S.  218. 232 

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

verfahrensrechtlicher Bestimmungen, die den sachlichen Erfolg der Revision im Ergebnis betreffen, dürfte demnach schon mangels entsprechender legislativer Regelungsabsichten ausgeschlossen sein. ee) Auswirkungen auf den weiteren Gang der Untersuchung Die einschlägigen Gesetzesmaterialien offenbaren demnach jedenfalls keine ausdrückliche Intention des Gesetzgebers, die Erfolgsaussichten der Revision im Rahmen ihrer Zulassung in Ansatz zu bringen. Eventuelle Regelungslücken im verwaltungsprozessualen Revisionszulassungsrecht, die sich aus der normativen Trennung von Zulassungs- und Sachentscheidungskompetenzen ergeben könnten, ließen sich daher jedenfalls nicht als planwidrig ansehen. Die Regelungsabsichten des Gesetzgebers können jedoch bei der Auslegung und Anwendung einer Norm nur insoweit Berücksichtigung finden, als diese auch tatsächlich ihren Niederschlag im Wortlaut und der Systematik des Gesetzes gefunden haben und damit auch zu dessen Inhalt geworden sind235. Sofern aber die Ermittlung des Regelungsgehaltes des Gesetzes nach Maßgabe herkömmlicher juristischer Auslegungsmethoden zu einem bestimmten Ergebnis führt, vermag eine anderslautende oder gar entgegenstehende gesetzgeberische Zielvorstellung allein nicht, der Norm einen Rechtsbefehl anderen Inhalts beizugeben 236. Daher stellt sich die Frage, ob das Gesetz nicht doch selbst, unabhängig von den explizit geäußerten Zielvorstellungen des Normgebers, auf eine Verknüpfung von Elementen der Zulassungskontrolle auf der einen Seite und der inhaltlichen Sachprüfung auf der anderen Seite angelegt ist oder einer solchen jedenfalls offen steht. Sollten sich im geltenden Revisionszulassungsrecht derartige funktionelle oder systematische Überschneidung mit dem revisionsverfahrensrechtlichen Prüfungsauftrag auffinden lassen, so könnte sich unter Umständen die Ausblendung des Revisionserfolges im Stadium des Revisionszugangs unter dem Blickwinkel des Gesamtregelungskonzeptes zumindest als inkonsequent bzw. systemwidrig darstellen. Eine erweiternde Verknüpfung dieser Verfahrensstadien im Wege eines Analogieschlusses könnte sich danach vor diesem Hintergrund doch noch als systemkonsequente Weiterführung eines bereits im Gesetz angelegten Funktionszusammenhanges darstellen. An dieser Überlegung setzt die weitere Untersuchung an. Sie soll einzelne ausgewählte Aspekte des verwaltungsprozessualen Revisionszulassungsrechts unter dem Blickwinkel ihres Zusammenhangs mit der inhaltlichen Sachprüfung im Revisionsverfahren analysieren, um eine Aussage darüber treffen zu können, ob und inwieweit der voraussichtliche Ausgang des Rechtsstreits sowohl 235 

236 

BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (297 f.). BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (298).

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systemimmanent nach geltendem Recht als auch unter Zugrundelegung der ­modifizierenden Zulassungsrechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht Einfluss auf die Entscheidung über die Revisionszulassung nehmen kann. b) Fehlende Erfolgsaussichten als materielles Ausschlusskriterium der Revisionszulassung? Mit den Zulassungsgründen des §  132 Abs.  2 VwGO hat der Gesetzgeber diejenigen Kriterien festgesetzt, die über die Revisionswürdigkeit einer Rechtssache Aufschluss geben und deren Vorliegen den Zugang zur Revisionsinstanz eröffnen sollen. Im Folgenden soll daher der Frage nachgegangen werden, in welchem Umfang die Normstrukturen und Funktionen dieser Zulassungsgründe als materiell-rechtliches Herzstück des verwaltungsprozessualen Revisions­ zulassungsrechts selbst eine vorgezogene Befassung mit der Sachentscheidung und damit einen Ausblick auf den möglichen Ablauf des zuzulassenden Revi­ sionsverfahrens erforderlich machen können. Hieran anknüpfend soll analysiert werden, ob und wie sich eine gesonderte Erfolgsaussichtenprognose in Form der von der Rechtsprechung befürworteten Ergebnisrichtigkeitskontrolle analog §  144 Abs.  4 VwGO im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren mit den bestehenden Regelungsstrukturen, ihren Funktionsweisen und Zielsetzungen in Einklang bringen lässt. aa) Zulassungsrelevanz der Rechtssache und Erfolgsaussichten der Revision Ob von einer Rechtssache Zulassungsgründe i. S. d. §  132 Abs.  2 VwGO aufgeworfen werden, beurteilt sich grundsätzlich anhand einer retrospektiven Analyse der Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils und der von der Vor­ instanz bindend festgestellten Tatsachengrundlage237. So kann eine Rechtssache im Sinne des §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO nur dann grundsätzliche Bedeutung haben, wenn das Berufungsgericht eine allgemeinbedeutsame Rechtsfrage aufgeworfen und in entscheidungstragender Weise beantwortet hat238. Eine Divergenz i. S. d. §  132 Abs.  2 Nr.  2 VwGO kommt nur dann in Betracht, wenn die 237  BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 1992 – 5 B 99/92 –, Buchholz 310 §  132 VwGO Nr.  309 S.  43; BVerwG, Beschluss vom 05. September 1996 – 9 B 387/96 –, Buchholz 310 §  132 Abs.  2 Ziff.  1 VwGO Nr.  12 S.  19 f.; BVerwG, Beschluss vom 17. März 2000 – 8 B 287/99 –, BVerwGE 111, 61 (62); Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  78; Rennert, NVwZ 1998, 665 (670); Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  132 Rn.  19. 238  BVerwG, Beschluss vom 30. März 2005 – 1 B 11/05 –, NVwZ 2005, 709 (709); B ­ VerwG, Beschluss vom 22. Mai 2008 – 9 B 34/07 –, Buchholz 442.09 §  18 AEG Nr.  65 S.  24; BVerwG, Beschluss vom 05. Januar 1993 – 11 B 51/92 –, DVBl. 1993, 790 (790); BAG, Beschluss vom 15. Oktober 2012 – 5 AZN 1958/12 –, NJW 2013, 413 (414).

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

Vorinstanz in Auslegung einer revisiblen Rechtsnorm den abstrakten Rechtssatz, der mit einer höhergerichtlichen Entscheidung in Widerspruch stehen soll, selbst aufgestellt und ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat239. Ein Mangel des vordergerichtlichen Verfahrens kann ebenso nur dann zur Revisionszulassung nach §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO führen, wenn das Berufungsgericht solche prozessrechtlichen Vorgaben missachtet hat, die es unter Zugrundelegung seiner Beurteilung der materiell-rechtlichen Rechtslage notwendigerweise hätte einhalten müssen 240. Anknüpfungspunkt und zugleich Subsumtionsgegenstand der Zulassungsgründe ist daher der vorinstanzliche Rechtsstandpunkt, wie er in der beigegebenen Entscheidungsbegründung zum Ausdruck kommt. Zulassungs­ relevanz haben daher nur solche Rechtsprobleme, die bereits selbst Gegenstand des Berufungsverfahrens und Grundlage der Berufungsentscheidung waren. Rechtsfragen, die sich erst aufgrund einer anderen rechtlichen Bewertung des Falles stellen würden, können demnach die Zulassungsrelevanz der Rechts­ sache nicht begründen und somit den Zugang zur Revisionsinstanz nicht eröffnen. Dies gilt selbst für solche Rechtsfragen, die voraussichtlich im Rahmen des in Aussicht stehenden Revisionsverfahrens Bedeutung erlangen könnten 241. Denn seine materiell-rechtliche Rechtsansicht betreffend die richtige Falllösung kann das Revisionsgericht schließlich erst auf Grundlage des noch einzuleitenden und durchzuführenden Revisionsverfahrens entwickeln 242. Diese kann daher nach dem retrospektiven Betrachtungsansatz der Zulassungsgründe auch nicht Prüfungsgegenstand der diesem vorgelagerten Zugangskontrolle sein 243. Für die Frage nach der Zulassungsrelevanz der Rechtssache hat diese Erkenntnis gleich in zweierlei Hinsicht Bedeutung: Zum einen kommt es hierfür nicht darauf an, ob diejenigen vorinstanzlichen Entscheidungsgründe, die zulassungsrelevante Rechtsfragen aufwerfen, einer revisionsrichterlichen Kontrolle nach §  137 Abs.  1 VwGO standhalten könnten, also ob der rechtliche Problemgehalt des Falles vom Vordergericht aus Sicht des 239  BVerwG, Beschluss vom 05. Oktober 1990 – 4 B 249/89 –, NVwZ-RR 1991, 118 ff. (relevanter Teil der Gründe nicht mit abgedruckt, vgl. juris); BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – 7 B 261/97 –, NJW 1997, 3328; BSG, Beschluss vom 27. Januar 1999 – B 4 RA 131/98 B –, NZS 1999, 571 (573). 240  BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 1996 – 11 B 150/95 –, NVwZ-RR 1996, 369 (369); BVerwG, Beschluss vom 11. Juli 2000 – 8 B 154/00 –, NVwZ 2000, 1299 (1299). Kritisch zu dieser Beschränkung der Beurteilungsperspektive im Hinblick auf die Verfahrensfehlerkontrolle Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  106 f. 241  BVerwG, Beschluss vom 05. September 1996 – 9 B 387/96 –, Buchholz 310 §  132 Abs.  2 Ziff.  1 VwGO Nr.  12 S.  19 f. 242  Traut, Zugang zur Revision, S.  104. 243  Rennert, NVwZ 1998, 665 (667). So auch Traut, Zugang zur Revision, S.  100, allerdings unter dem Blickwinkel der Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage.

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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iudex ad quem rechtlich zutreffend beurteilt worden ist244. Ob der iudex a quo die grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage richtig beantwortet hat oder zu Recht in einem entscheidungstragenden abstrakten Rechtssatz von einer höhergerichtlichen Entscheidung abgewichen ist, ist nämlich nicht Gegenstand der Zulassungsfrage245. Die Zulassungsentscheidung dient lediglich dazu, die verfahrensrechtliche Zugangshürde zum Revisionsverfahren zu überwinden und die­ jenigen Rechtsfragen herauszustellen, deren Beantwortung im Interesse der Rechtseinheit gerade einer höchstrichterlichen Stellungnahme bedarf. Die eigentliche Lösung dieser Rechtsprobleme obliegt dagegen der Revision im Zuge der Fehlerkontrolle nach §  137 Abs.  1 VwGO selbst. Die Zulassungsgründe §  132 Abs.  2 Nr.  1 und Nr.  2 VwGO bezwecken daher ausschließlich, einen rechtlichen Klärungsbedarf im Bereich des revisiblen Rechts zu identifizieren, der durch eine Revisionsentscheidung über den konkreten Rechtsstreit befriedigt werden kann. Nur die Zulassungsprüfung nach §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO erfordert bereits den Eintritt in die revisionsverfahrensrechtliche Rechtmäßigkeitskontrolle, denn die Zulassung der Revision wegen entscheidungserheb­ licher Verfahrensmängel setzt seit den Änderungen durch das 4. VwGOÄndG nicht mehr die bloße Rüge des Rechtsverstoßes voraus, sondern auch dessen tatsächliches Vorliegen246. Korrespondierend hierzu steht dem Beschwerdegericht mit §  133 Abs.  6 VwGO die Möglichkeit offen, in diesen Fällen das angefochtene Urteil schon durch Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Die Verfahrensaufsichtsfunktion des Bundesverwaltungsgerichts kann von diesem demnach bereits im Zulassungsverfahren ausgeübt werden 247. Diese beschränkt sich jedoch auf die Sicherstellung der Einhaltung derjenigen Verfahrensanforderungen, die die Vorinstanz auf Grundlage ihres eigenen Rechtsstandpunktes zu beachten hat, erstreckt sich aber nicht auf die Überprüfung und Korrektur ihrer materielle-rechtlichen Entscheidungsgrundlagen 248. Einer sachlich-inhaltlichen Fehlerkorrektur kann das Urteil nur dadurch zugeführt werden, indem das Bundes244  BVerwG, Beschluss vom 17. März 2000 – 8 B 287/99 –, BVerwGE 111, 61 (62); Piekenbrock/Schulze, JZ 2002, 911 (913). 245  Arndt, in: Glanzmann/Faller, Ehrengabe Heusinger, S.  239 (248); Fromm, DVBl. 1992, 709 (709); Friedrichs, NJW 1981, 1421 (1423); Krasney, in: Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, IX. Rn.  50; Ruban, in: Gräber, FGO, §  115 Rn.  13. 246  W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  132 Rn.  20, §  133 Rn.  22; Schafft, Selektion, S.  44; Piekenbrock/Schulze, JZ 2002, 911 (911). 247  Ähnlich BVerwG, Beschluss vom 13. März 2002 – 3 B 19/02 –, NJW 2002, 2262 (2263) unter Betonung des Gedankens der zeitnahen Wiederbefassung der Vorinstanz mit der von ihr verfahrensfehlerhaft entschiedenen Sache. 248  BVerwG, Urteil vom 23. Januar 1984 – 6 C 143/81 –, Buchholz 310 §  108 VwGO Nr.  143 S.  34; BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1998 – 11 C 11/96 –, BVerwGE 106, 115 (119).

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

verwaltungsgericht die Revision zulässt und im Revisionsverfahren nach §  144 Abs.  3, Abs.  4 VwGO unter Zugrundelegung seiner eigenen Auffassung zur materiellen Rechtslage in der Sache entscheidet249. Ist dies nicht angebracht, genügt dem Rechtsschutzanspruch der beschwerten Partei die Aufhebung und Zurückverweisung an die Vorinstanz im Wege eines Beschlusses nach §  133 Abs.  6 VwGO250. Zum anderen scheiden Fragen der sachlich-richtigen Falllösung aus der Be­ urteilungsperspektive des Revisionsgerichts auch insoweit als Gegenstand der Zulassungskontrolle aus, als dass nur solche Rechtsfragen Zulassungsrelevanz besitzen können, mit denen sich das Vordergericht bereits selbst auseinandergesetzt hat251. Rechtsfragen, die zwar objektiv – genauer: vom Standpunkt des Revisionsgerichts aus – für die korrekte Entscheidung der Sache von Bedeutung sein können, zu denen das Vordergericht aber nicht Stellung genommen hat, scheiden unabhängig davon als Grundlage der Revisionszulassung aus, ob das Vordergericht diese wegen der rechtsfehlerhaften Beurteilung einer vorgreiflichen Frage nicht behandelt oder schlichtweg übersehen hat oder das Gericht mit einer völlig anderen Begründung zum selben Entscheidungsergebnis gelangt ist252. Damit können aber auch sowohl diejenigen Gründe, auf die das Bundes249  Wegen der Beschränkung des revisionsgerichtlichen Prüfungsumfanges bei der ausschließlichen Verfahrensrevision nach §  137 Abs.  3 S.  1 VwGO auf die Kontrolle der nach §§  139 Abs.  3 S.  4, 173 S.  1 VwGO i. V. m. §  557 Abs.  3 S.  2 ZPO form- und fristgerecht vorgebrachten und substantiiert begründeten Verfahrensrügen obliegt es dann aber grundsätzlich dem Revisionskläger, die materielle Rechtsansicht des Berufungsgerichts mit entsprechenden materiellen Revisionsrügen zu erschüttern und den Weg zu einer sachlich-rechtlichen Revision nach §  137 Abs.  3 S.  2 VwGO frei zu machen, vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1998 – 11 C 11/96 –, BVerwGE 106, 115 (120) und Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  137 Rn.  203. 250  Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  100. Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  133 Rn.  55 weist insoweit darauf hin, dass es aufgrund der durch §  133 Abs.  6 VwGO eingeräumten Entscheidungskompetenzen praktisch nicht mehr zur Zulassung ausschließlicher Verfahrensrevisionen kommt. 251  BVerwG, Beschluss vom 18. Mai 2006 – 6 B 14/06 –, BFH/NV 2007, Beilage 4, 270 (271); BVerwG, Beschluss vom 14. November 2008 – 6 B 61/08 –, Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr.  47 (relevanter Teil der Gründe nicht mit abgedruckt, vgl. juris); BVerwG, Beschluss vom 05. Oktober 2009 – 6 B 17/09 –, Buchholz 442.066 §  24 TKG Nr.  4 S.  31; Roth, in: Baumeister/Roth/Ruthig, Festschrift Schenke, S.  1107 (1107). 252  BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. August 1994 – 2 BvR 719/93 –, NVwZ 1994, Beilage 9, 65 (66); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 24. Januar 2007 – 1 BvR 382/05 –, BVerfGK 10, 208 (213 f.); BVerwG, Beschluss vom 07. Januar 1986 – 2 B 94/85 –, Buchholz 310 §  75 VwGO Nr.  11 S.  5; BVerwG, Beschluss vom 17. März 2000 – 8 B 287/99 –, BVerwGE 111, 61 (62); Uechtritz, VBlBW 2000, 65 (68); Boeckh, Beschwerde im Zivilverfahren, S.  234. A. A. anscheinend Roth, in: Baumeister/Roth/Ruthig, Festschrift Schenke, S.  1107 (1107) und Lindner, NJW 2003, 1097 (1098).

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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verwaltungsgericht im Revisionsverfahren eine abändernde Sachentscheidung nach §  144 Abs.  3 VwGO stützen würde253 als auch solche Gründe, aus denen das Gericht das angegriffene Urteil im Revisionsverfahren nach §  144 Abs.  4 VwGO als im Ergebnis richtig zu bestätigen hätte254, nicht Gegenstand der Zulassungsprüfung nach Maßgabe der Zulassungsgründe des §  132 Abs.  2 VwGO sein und auch nicht zur Zulassung der Revision führen, selbst wenn diese zu­ lassungsrelevante Rechtsfragen aufwerfen sollten. Die Geltendmachung von Rechtsproblemen, die zwar nicht für die Berufungsentscheidung erheblich waren, deren Lösung aber für die sachlich richtige Beurteilung des Falles durch das Revisionsgericht objektiv erforderlich wären, vermag insoweit eine fehlende Zulassungsrelevanz der vorinstanzlichen Entscheidungsgründe nicht zu ersetzen und einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen 255. Einer Nichtzulassungsbeschwerde, deren Zulassungsrügen sich nicht auf die Begründung des Berufungsurteils selbst beziehen, sondern auf solche Gesichtspunkte, auf die das Revisionsgericht nach Ansicht des Beschwerdeführers eine reformatorische Sachentscheidung nach §  144 Abs.  3 VwGO stützen sollte, muss daher genauso wie in den Fällen von vornherein der Erfolg versagt bleiben, in denen sich das Beschwerdevorbringen in bloßen Angriffen auf die rechtliche Tragfähigkeit der Berufungsentscheidung i. S. d. §  137 Abs.  1 VwGO erschöpft256. In beiden Konstellationen handelt es sich nach dem Gesetz um für die Revisionszulassung unerhebliche Aspekte, weil diese auf Erkenntnisse abstellen, die vom Bundesverwaltungsgericht erst auf eine zugelassene Revision hin gewonnen und berücksichtigt werden könnten. Damit können also im Rahmen der Zulassungskontrolle die Erfolgsaussichten der Revision, sowohl in kassatorischer als auch in reformatorischer Hinsicht, jedenfalls bei der Frage nach der Zulassungsrelevanz der Rechtssache, also der Ermittlung des einer höchstrichterlichen Klärung bedürftigen Problemgehaltes der Rechtssache, schon von vornherein keine Rolle spielen.

253  BVerwG, Beschluss vom 29. Juni 1992 – 3 B 102/91 –, Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr.  17 S.  6. 254  Traut, Zugang zur Revision, S.  101. 255  Ähnlich Boeckh, Beschwerde im Zivilverfahren, S.  234 und Traut, Zugang zur Revi­ sion, S.  101. Ebenso Rennert, NVwZ 1998, 665 (670) zu §  124 Abs.  2 Nr.  3 und Nr.  4 VwGO und a. a. O. S.  672 zu §  124 Abs.  2 Nr.  1 und Nr.  2 VwGO. 256  Zu Letzterem vgl. BVerwG, Beschluss vom 09. Juni 1970 – VI B 22.69 –, VerwRspr 22, 1002 (1002); BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1972 – II B 24.72 –, Buchholz 232 §  87 BBG Nr.  52 S.  70; BVerwG, Beschluss vom 07. April 1997 – 2 B 147/96 –, KirchE 35, 113 (114).

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

bb) Zulassungsfähigkeit der Rechtssache und Erfolgsaussichten der Revision Es ist damit also allein der Rechtsstandpunkt des iudex a quo, dem zulassungsrelevante Rechtsprobleme i. S. d. §  132 Abs.  2 VwGO entnommen werden können. Rechtsfragen, die sich erstmals im Rechtsmittelverfahren vor dem iudex ad quem stellen würden, können dagegen der Rechtssache keine Zulassungsrelevanz verleihen. Die Kontrollperspektive des iudex ad quem beeinflusst die Zulassungsprüfung nach Maßgabe der Zulassungsgründe jedoch insoweit, als der Problemgehalt der vordergerichtlichen Entscheidung allein die Durchführung eines Revisionsverfahrens noch nicht zu rechtfertigen vermag. Eine höchstrichterliche Entscheidung über die Rechtssache ist vielmehr nur dann angezeigt, wenn die Rechtsfragen, die dessen Anlass bilden sollen, einer Befassung im zuzulassenden Revisionsverfahren überhaupt zugänglich wären und sich dadurch auch abschließend klären lassen könnten 257. Die Zulassungsgründe des §  132 Abs.  2 VwGO verwirklichen diese notwendige Verzahnung der Rechtsmittelzulassung mit dem Kontrollgegenstand und Kontrollumfang des in Aussicht stehenden Rechtsmittelverfahrens, indem sie die konkrete Zulassungs­ fähigkeit der Rechtssache an die Frage knüpfen, ob auch das Revisionsgericht zu den zulassungsrelevanten Rechtsfragen Stellung beziehen müsste258. Insoweit können grundsätzlich bedeutsame Rechtsfragen nur zur Revisionszulassung führen, wenn sie im Revisionsverfahren auch klärungsfähig wären, während die Zulassung wegen Abweichungen und Verfahrensmängeln voraussetzt, dass die angegriffene Entscheidung auf diesen Umständen beruht und sich daher die Revisionsprüfung auch hierauf erstrecken würde. Verallgemeinernd bedeutet dies, dass die durch die Rechtssache aufgeworfenen zulassungsrelevanten Rechtsfragen auch im Revisionsverfahren entscheidungserheblich sein müssen 259. Diese in Wortlaut, Struktur und Zielrichtung der Zulassungsgründe selbst angelegte Prüfung kann aus Sicht des iudex ad quem nicht nur eine intensive Analyse der Entscheidungsgründe des Urteils in ihrer Gesamtheit, sondern auch eine vorgezogene Befassung mit dem sachlichen Streitstoff der Rechts­ sache erfordern 260, die einer Vorabkontrolle des Berufungsurteils und einer damit verbundenen Prognose des Revisionserfolgs nahe kommen kann 261. Insoweit erscheint die Beurteilung der Zulassungsfähigkeit der Rechtssache nach Prütting, Zulassung, S.  129; May, Revision, IV Rn.  63; Boeckh, Beschwerde im Zivilverfahren, S.  234. 258  Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  132 Rn.  19; Traut, Zugang zur Revision, S.  97 f.; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  133 Rn.  14. 259  BSG, Beschluss vom 12. Juli 1985 – 7 BAr 114/84 –, SozR 1500 §  160a Nr.  54 S.  71; Boeckh, Beschwerde im Zivilverfahren, S.  234. 260  Lässig, NJW 1976, 269 (270). 261  Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  32, 234. 257 

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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Maßgabe der Zulassungsgründe auf den ersten Blick als ein der analogen Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO strukturell verwandter Anknüpfungspunkt zur Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision im Rahmen ihrer Zulassung262. Ob sich allerdings die Fallgruppen, in denen Zulassungsgründe schon gar nicht tatbestandlich einschlägig sind, weil sich zulassungsrelevante Rechts­ fragen dem Revisionsgericht überhaupt nicht stellen können, und diejenigen, in denen das angefochten Urteil unabhängig von einschlägigen Zulassungsgründen im Ergebnis richtig ist, in Anbetracht ihres funktionalen Verhältnisses von Anlass und Ausgang des konkreten Revisionsverfahrens derart ähneln, dass es geboten sein könnte, sie in zulassungsrechtlicher Hinsicht durch eine ergänzende Heranziehung des §  144 Abs.  4 VwGO in der Zulassungsprüfung gleich zu behandeln 263, wird erst eine nähere Analyse der Strukturmerkmale und Funk­ tionen der Kriterien der Klärungsfähigkeit und Entscheidungserheblichkeit ­offenbaren. (1) Klärungsfähigkeit der Grundsatzfrage im Rahmen der Revisionsentscheidung, §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO (a) Klärungsfähigkeit als Wesenselement der Grundsatzrevision Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache im Sinne des §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO nur dann, wenn durch die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht nur eine klärungsbedürftige Rechtsfrage von allgemeinem Interesse aufgeworfen wird, sondern diese Rechtsfrage im zuzulassenden Revisionsverfahren auch tatsächlich geklärt werden könnte, es also bei der Entscheidung über die Revision hierauf auch rechtserheblich ankommen würde264. Das Erfordernis der Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage im zuzulassenden Revisionsverfahren lässt sich zwar dem Gesetzeswortlaut nicht unmittelbar entnehmen, resultiert aber aus der 262  Hierauf scheinen beispielsweise Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  28, 38; Kauz, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, §  133 VwGO Rn.  24 sowie Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, §  160a Rn.  18 zur Rechtfertigung einer entsprechenden Heranziehung der reformatorischen Entscheidungskompetenz des Revisions­ gerichts nach §  144 Abs.  4 VwGO im Zulassungsverfahren abzustellen. 263  So sehen Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  78 in der allein auf die subjektive Rechtsansicht der Vorinstanz abstellenden „Konstruktion der Zulassungstatbestände“ ein Regelungsdefizit des Zulassungssystems, welches aus „pragmatischen Gründen einer unverzögerten Herbeiführung des Rechtsfriedens“ mittels einer analogen Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO als „Korrektiv“ zu bereinigen sei. 264  BVerwG, Beschluss vom 13. März 1992 – 4 B 39/92 –, NVwZ 1993, 268 (269); B ­ VerwG, Beschluss vom 22. Mai 2008 – 9 B 34/07 –, Buchholz 442.09 §  18 AEG Nr.  65 S.  24; Redeker, in: Redeker/von Oertzen, VwGO, §  132 Rn.  9.

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

Streitentscheidungsfunktion der Rechtsmittelgerichte. Rechtsfragen sind auch im Rechtsmittelprozess nicht einer abstrakten Begutachtung zugänglich, sondern können nur im Rahmen der konkreten Falllösung geklärt werden 265. Sollen Revisionsentscheidungen mittels Aufstellung abstrakter Rechtssätze verlässliche Leitlinien und Orientierungshilfen für die Instanzgerichte und die Rechtsunterworfenen produzieren, so kann dies grundsätzlich nicht im Wege von obiter dicta geschehen, sondern nur anhand solcher Rechtserkenntnisse, deren Richtigkeit und Tauglichkeit sich durch ihre Anwendung auf den konkreten Fall erwiesen hat266. Knüpft das Gesetz dabei Anlass und Rechtfertigung eines Rechtsmittels an einen bestimmten, von der Rechtssache tangierten Problemgehalt, weil es sich von der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts einen Beitrag zur Rechtsfortbildung in diesem Bereich erhofft, so liegt es bereits im Wesen und Begriff dieses Rechtsbehelfs, dass sich das angerufene Gericht im Zuge des Verfahrens mit dieser rechtlichen Problematik in entscheidungserheblicher Weise befassen können muss267. Die Vorgängerregelung des §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO, der frühere §  53 Abs.  2 lit.  a) BVerwGG, sah demgemäß ausdrücklich vor, dass die Revision nur dann zuzulassen ist, wenn „die Klärung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu erwarten ist“. Mit der Umgestaltung des Wortlauts im Sinne der heute anzutreffenden Zulassungsvorschriften war keine inhaltliche Herabsetzung der Anforderungen des Zulassungsgrundes intendiert268. Dies wäre in Anbetracht seiner genannten Funktion auch schwerlich nachvollziehbar gewesen. Lässig, Fehlerhafte Rechtsmittelzulassung, S.  52; May, Revision, IV Rn.  63. Hanack, Ausgleich, S.  112 erinnert daran, dass die Stellungnahme zu Rechtsfragen ohne konkreten Fallbezug die Grenze zwischen Rechtsprechung und Legislative sowie der theoretischen Rechtswissenschaft verwischen kann. 266  Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  73; Schafft, Selektion, S.  171; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  360; Laudemann, NJ 2000, 172 (176). A. A. Hanack, Ausgleich, S.  101 f. Vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 1984 – 4 CB 29/84 –, Buchholz 407.4 §  17 FStrG Nr.  56 S.  55 zur dementsprechenden mangelnden Divergenzfähigkeit von obiter dicta. 267  Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  38. Prütting, Zulassung, S.  127 sieht zu Recht die Klärungsfähigkeit des zulassungsrelevanten Problemgehaltes als „elementarste“ Voraussetzung jeder Rechtsmittelzulassung. Ebenso VGH Mannheim, Beschluss vom 16. August 1999 – NC 9 S 31/99, NC 9 S 32/99, NC 9 S 33/99, NC 9 S 34/99 –, NVwZ 1999, 1357 zur Zulassung der Beschwerde. Nach Lindner, NJW 2003, 1097 (1097) ist das Erfordernis der Entscheidungserheblichkeit „gesichertes Tatbestandselement einer Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache“. Vgl. auch von Gierke/Seiler, NJW 2004, 1497 (1499) zum Zulassungsgrund „Fortbildung des Rechts“ nach §  543 Abs.  2 Nr.  1 Var.  1 ZPO, welcher im Vergleich zur Rechtsgrundsätzlichkeit nur an die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage für die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts, nicht aber auch für die der Ausgangsinstanz anknüpfe. 268  Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  81; Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/ 265 

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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(b) Ausschluss der Klärungsfähigkeit Das Erfordernis der Klärungsfähigkeit der Grundsatzfrage lässt sich im weitesten Sinne als Frage nach ihrer Entscheidungserheblichkeit für die angestrebte Revisionsentscheidung begreifen 269. An dieser Entscheidungserheblichkeit kann es sowohl aus abstrakten Gründen fehlen, die aus dem gesetzlich beschränkten Kontrollumfang der Revision resultieren, als auch aus solchen Gründen, die sich aus der konkreten Struktur und dem Inhalt der jeweils angegriffenen Entscheidung und damit aus dem Kontrollgegenstand der Revision ergeben 270. An der Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage mangelt es zunächst, wenn diese irrevisibles Recht betrifft271. Da das Bundesverwaltungsgericht nach §  137 Abs.  1 VwGO nur über die Auslegung revisiblen Rechts entscheiden kann, im Übrigen aber grundsätzlich an die im jeweiligen Streitfall von den Gerichten der Länder vorgenommene Auslegung des irrevisiblen Rechts gebunden ist, können diesbezügliche Rechtsfehler nicht als zulässige Revisionsgründe gerügt werden und dementsprechend auch keine vor dem Revisionsgericht klärungs­ fähigen Rechtsfragen aufwerfen 272. Die Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage ist überdies zu verneinen, wenn ihre Beantwortung Tatsachenfeststellungen voraussetzt, die von der Vorinstanz Bier, VwGO, §  132 Rn.  52. Die auf den Vorschlag des Rechtsausschusses zurückgehende Änderung diente lediglich der „Angleichung an den Wortlaut der Zivilprozeßordnung“, vgl. BT-Drs. 3/1094, S.  12. 269  BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 1976 – III B 120.74 –, Buchholz 427.3 §  249 LAG Nr.  33 S.  2 f.; BVerwG, Beschluss vom 22. Oktober 1986 – 3 B 43/86 –, NJW 1988, 664; ­Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  132 Rn.  23; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  324; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  75. 270  So auch Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  22. Die so zu verstehende abstrakte und konkrete Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage wird in der Literatur gelegentlich in Anlehnung an die Formulierung in §  53 Abs.  2 lit.  a) BVerwGG als (abstrakte) Klärungsfähigkeit und (konkrete) Klärungserwartung umschrieben, so etwa bei Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  68 ff., 75 ff. und Prütting, Zulassung, S.  127 ff., 131 ff. sowie aus neuerer Zeit Pietzner/ Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  52 f. Die Rechtsprechung selbst gebraucht den Begriff der Klärungserwartung nur zurückhaltend, etwa in BVerwG, Beschluss vom 04. Dezember 1998 – 8 B 184/98 –, NVwZ-RR 1999, 336 (336) und BVerwG, Beschluss vom 18. Januar 2011 – 7 B 19/10 –, NVwZ 2011, 812 (819). Unter dem Blickwinkel des Revisionsgerichts handelt es sich dabei aber jeweils um Aspekte einer einheitlich zu verstehenden Entscheidungserheblichkeit. Letztendlich liegen hierin nur sprachliche Differenzen ohne inhaltliche Auswirkungen. 271  BVerwG, Beschluss vom 28. August 1953 – II B 136.53 –, BVerwGE 1, 3 (4); BVerwG, Beschluss vom 25. Oktober 1995 – 4 B 216/95 –, BVerwGE 99, 351 (353); Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  39. Zu Fragen der Revisibilität ausführlich E ­ ggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  78 ff. und Kuhla, in: Kuhla/Hüttenbrink/Endler, Der Verwaltungsprozess, Abschnitt F Rn.  89 ff. 272  Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  329.

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

nicht getroffen wurden 273. Das Bundesverwaltungsgericht ist im Revisionsverfahren nach §  137 Abs.  2 VwGO an die entsprechenden Feststellungen der Vorinstanz gebunden, eine eigene Sachverhaltsaufklärung ist ihm grundsätzlich verwehrt274. Daher können Rechtsfragen in einem Revisionsverfahren keiner abschließenden Klärung zugeführt werden, wenn es für ihre Beantwortung an einer ausreichenden Tatsachengrundlage mangelt275. Dieser Einwand steht einer Revisionszulassung zur Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen dagegen dann nicht entgegen, wenn das Berufungsgericht eine weitere Sachverhaltsaufklärung nur deshalb unterlassen hat, weil es die Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers beantwortet hat und d­ eshalb von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequenterweise eine weitere Tatsachenaufklärung nicht angezeigt war276. Da sich die Frage, ob das Vorder­ gericht eine Beweisaufnahme in verfahrensfehlerhafter Weise abgelehnt hat, allein nach dessen materieller Rechtsauffassung beurteilt, könnte in diesen Fällen die Revision nicht wegen Verfahrensmängeln zugelassen werden 277. Käme dann auch eine Grundsatzzulassung nicht in Betracht, wäre die Revisionsfähigkeit von Berufungsentscheidungen partiell ausgeschlossen, obwohl sie an sich auf der Beantwortung grundsätzlich bedeutsamer Fragen des revisiblen Rechts beruhen. Können im Übrigen die im Tatsachenbereich liegenden Feststellungen der Vorinstanz nicht in zulässiger Weise mit durchgreifenden Revisionsrügen angegriffen werden, hat das Revisionsgericht diese seiner Entscheidung zugrunde zu legen 278. Rechtsfragen, die sich nur dann stellen würden, wenn von einer anderen Sachverhaltskonstellation auszugehen wäre, sind andernfalls einer Klärung im Revisionsverfahren nicht zugänglich 279. Dies gilt selbst dann, wenn sich diese Rechtsfragen unzweifelhaft nach Aufhebung des rechtswidrigen Berufungsurteils im Zuge der zuzulassenden Revision und der Zurück­ verweisung an die Vorinstanz zur weiteren Sachverhaltsaufklärung stellen 273 

BVerwG, Beschluss vom 05. September 1996 – 9 B 387/96 –, Buchholz 310 §  132 Abs.  2 Ziff.  1 VwGO Nr.  12 S.  19 f.; BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 1985 – 7 B 4/85 –, NVwZ 1985, 576 (576 f.). 274  BVerwG, Beschluss vom 08. April 2008 – 9 B 13/08 –, NVwZ 2008, 914 (915); W ­ eyreuther, Revisionszulassung, Rn.  74; Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  44. 275  BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 2008 – 9 B 34/07 –, Buchholz 442.09 §  18 AEG Nr.  65 S.  27; Prütting, Zulassung, S.  129. 276  Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  327; Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  27. 277  BVerwG, Beschluss vom 17. März 2000 – 8 B 287/99 –, BVerwGE 111, 61 (62). 278  Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  63. 279  BVerwG, Beschluss vom 29. März 1961 – III B 43.60 –, NJW 1961, 1229; BVerwG, Beschluss vom 08. April 2008 – 9 B 13/08 –, NVwZ 2008, 914 (915).

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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­ ürden 280. Denn insoweit wäre es nicht die entscheidungserhebliche Beantworw tung der grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfrage, die der konkreten Revision zum Sacherfolg verhelfen würde, sondern lediglich ein sonstiger, dieser Fragestellung vorgelagerter Rechtsfehler des Vordergerichts ohne eigene Zulassungsrelevanz, der für sich allein aber die Zulassungsfähigkeit der Rechtssache nicht zu begründen vermag. Die Klärungsfähigkeit lässt sich dagegen nicht deshalb verneinen, dass zwar die Beantwortung der Grundsatzfrage durch das Revisions­ gericht anhand des bindend festgestellten Sachverhaltes an sich möglich wäre, eine abschließende Sachentscheidung über den Rechtsstreit dagegen erst nach weiterer Sachaufklärung durch die Vorinstanz in Frage käme und daher die Revision zwingend nur zur Aufhebung und Zurückverweisung führen müsste281. Auch im Rahmen einer Rückverweisungsentscheidung nach §  144 Abs.  3 S.  1 Nr.  2 VwGO können nämlich Rechtsfragen abschließend und wegen §  144 Abs.  6 VwGO auch in für das konkrete Verfahren verbindlicher Weise entschieden werden 282. Keine Auswirkungen auf die Frage nach der Entscheidungserheblichkeit hat es deshalb, in welcher spezifischen Entscheidungsform der Rechtsstreit einer abschließenden Sachentscheidung zugeführt werden würde. Dass die Klärung der grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfrage Vorlagepflichten nach Art.  267 AEUV und Art.  100 Abs.  1, Abs.  2 GG auslösen und damit die Entscheidungsmonopole der europäischen oder der Verfassungsgerichtsbarkeit tangieren würde, weshalb ihre Beantwortung nicht unmittelbar in den Kompetenzbereich des Revisionsgerichtes fällt, steht ihrer Klärungsfähigkeit durch ein Revisionsverfahren nicht entgegen 283. Die Anrufung eines höheren Gerichts im Wege der Vorlage stellt sich als inzidenter Verfahrensschritt eines einheitlich zu betrachtenden, auf eine abschließende Sachentscheidung ausgerichteten Streitentscheidungsverfahrens dar, weshalb in diesen Fällen die Klärung von Rechtsfragen zwar nicht unmittelbar, wohl aber mittelbar »durch die zuzulassende Revision« erfolgt284. Eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung ist dabei aufgrund der Implementierung des über das unionsrechtliche Vorabentscheidungsverfahren abgesicherten Entscheidungsmonopols des Europäischen Gerichtshofes über Fragen des Europarechts in die nationalstaatliche Gerichts280  Meyer-Ladewig, in: Bachof/Heigl/Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (419); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  326. 281  Ruban, in: Gräber, FGO, §  115 Rn.  33. 282  Nach BVerwG, Beschluss vom 06. Juli 1972 – VI B 66.71 –, BayVBl 1973, 26 gilt eine Rechtsfrage sogar regelmäßig dann als durch eine zurückverweisende Revisionsentscheidung abschließend geklärt, wenn der entsprechende Begründungsteil nicht an der Bindungswirkung nach §  144 Abs.  6 VwGO teilgenommen hat. 283  Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  74; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  61. 284  Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  49.

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

verfassungs- und Gerichtsverfahrensstruktur vielmehr gerade dann angezeigt, wenn es aller Voraussicht nach im zuzulassenden Revisionsverfahren zu einem entsprechenden Vorlagebedarf kommen dürfte285. Es ist somit zunächst die gesetzliche Beschränkung des Entscheidungsmaßstabs des Revisionsverfahrens, welche die Klärungsfähigkeit von Rechtsfragen durch das Bundesverwaltungsgericht determiniert286. Darüber hinaus ist es aber auch die Struktur der Revision als eines zwar auf eine Reformation der Sachentscheidung angelegten, gleichwohl aber maßgeblich von kassatorischen Elementen geprägten Kontrollverfahrens, die dazu führt, dass das Rechtsmittelgericht nur insoweit zu durch den Rechtsstreit aufgeworfenen Fragen Stellung nehmen kann, wie dies im Zuge einer entsprechend nachvollziehenden Überprüfung der angegriffenen Entscheidung möglich und auch geboten ist. Insoweit wird die Klärungsfähigkeit der zulassungsrelevanten Rechtsfragen auch vom Kontrollgegenstand der Revision beeinflusst. Waren die zulassungsrelevanten Rechtsfragen für das angegriffene Urteil nicht entscheidungserheblich, so beruht die Entscheidung nicht auf deren Beantwortung durch das Berufungsgericht und dem Revisionsgericht wäre eine abschließende Befassung mit dem Problemkreis mangels Klärungsfähigkeit nicht möglich. Dies ist zunächst der Fall, wenn das Vordergericht die Rechtsfrage gar nicht erkannt und sich daher auch nicht mit ihr befasst hat, selbst wenn dies auf einer fehlerhaften Rechtsansicht beruhte287. Dem stehen die Fälle gleich, in denen das Berufungsgericht die Frage zwar behandelt hat, seine Entscheidung aber kumulativ auf mehrere selbstständig tragende Erwägungen gestützt hat288. Weist auch nur einer dieser Begründungsstränge keine Zulassungsrelevanz auf, so könnten die anderen zulassungsgrundbehafteten Erwägungen entfallen, ohne dass dadurch der Entscheidung die Grundlage entzogen würde289. Dann beruht diese aber auch nicht auf der Beantwortung der zulassungsträchtigen Rechtsfrage. Dies gilt selbst dann, wenn der einzige nicht zulassungsträchtige 285  BVerwG, Beschluss vom 22. Oktober 1986 – 3 B 43/86 –, NJW 1988, 664; Meyer-Ladewig, in: Bachof/Heigl/Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (419). 286  Ebenso Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  69 zur Revisibilität. 287  BVerwG, Beschluss vom 07. Januar 1986 – 2 B 94/85 –, Buchholz 310 §  75 VwGO Nr.  11 S.  5; BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 2008 – 9 B 34/07 –, Buchholz 442.09 §  18 AEG Nr.  65 S.  24; Prütting, Zulassung, S.  129; Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  26. 288  BVerwG, Beschluss vom 09. Dezember 1994 – 11 PKH 28/94 –, Buchholz 310 §  132 Abs.  2 Ziff.  1 VwGO Nr.  4 S.  4; BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 2008 – 9 B 34/07 –, Buchholz 442.09 §  18 AEG Nr.  65 S.  25. Zur Ergebniskontrolle im Rahmen der Revisionszulassung unter dem Gesichtspunkt der Mehrfachbegründung ausführlich im Anschluss unter §  4 IV. 2. b) bb) (3). 289  BVerwG, Beschluss vom 08. August 1973 – IV B 13.73 –, BayVBl. 1973, 538 (538 f.); Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  75; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  291.

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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Begründungsstrang als rechtsfehlerhaft und damit eigentlich nicht tragfähig identifiziert wurde, weil bloße einfache Rechtsfehler die Revisionszulassung nicht rechtfertigen können, selbst wenn diese in Konkurrenz zu Zulassungsgründen stehen und diese nach ihrer Aufdeckung im Revisionsverfahren ein weiteres Vordringen des Gerichts zum zulassungsrelevanten Problemkreis ermöglichen könnten 290. In diesem Umgang mit materiell-rechtlichen Fehlern des Berufungsurteils zeigt sich der Unterschied zwischen der auf eine reine Zugangskontrolle am Maßstab der Zulassungsgründe angelegten Nichtzulassungsbeschwerde und der auf eine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle ausgerichteten Revision 291. Die Zulassung der Revision ist demgegenüber in Fällen mehrfachbegründeter Entscheidungen dann angezeigt, wenn das Berufungsgericht mehrere Gründe alternativ herangezogen und die dabei tangierten Fragen ausdrücklich offen gelassen hat292. Weil dann jeder Entscheidungsgrund den Tenor nur trägt, wenn auch die anderen Gründe nicht hinweggedacht werden könnten, sind alle Begründungsteile für die Entscheidung kausal und dabei aufgeworfene Rechtsfragen für sich auch in der Revisionsinstanz entscheidungserheblich und damit klärungsfähig293. Die Klärungsfähigkeit kann dagegen ausgeschlossen sein, wenn die Rechtsfrage zwar vom materiell-rechtlichen Standpunkt des iudex a quo für dessen Entscheidung erheblich war, das Revisionsgericht aber gleichwohl zu dieser nicht Stellung nehmen könnte, weil die zulassungsrelevante Problematik einen Teil der Entscheidung betrifft, zu dem aus prozessualen Gründen im Kontrollverfahren nicht vorgedrungen werden könnte294. Wird die Rechtsfrage erst in 290 

BGH, Beschluss vom 07. Januar 2003 – X ZR 82/02 –, NJW 2003, 1125 (1126). So im Ansatz auch Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  890. Lindner, NJW 2003, 1097 (1098 f.) tritt dafür ein, im Zivilprozess bei der Frage nach der Klärungsfähigkeit der grundsätzlichen Rechtsfrage die Fehlerhaftigkeit des Berufungsurteils aus der Sicht des iudex ad quem in Ansatz zu bringen. Habe das Vordergericht die Grundsatzfrage offen gelassen oder gar nicht beantwortet, weil es rechtfehlerhaft eine logisch vorrangige Rechtsfrage verneint und deshalb aus seiner Sicht konsequent nicht in entscheidungsrelevanter Weise zur zulassungsrelevanten Problematik Stellung bezogen hat, sei die Zulassung der Revision angezeigt. Dies einerseits aus Gründen des Individualrechtsschutzes, weil die Notwendigkeit einer Fehlerkorrektur schon im Zulassungszeitpunkt feststehe und andererseits auch aus Allgemeininteressen heraus, weil der vom BGH dabei einzuschlagende Weg dieser Fehler­ korrektur zwangsläufig zu einer entscheidungserheblichen Befassung mit der Grundsatz­ frage führen müsste. 292  BVerwG, Beschluss vom 25. Mai 1993 – 4 NB 50/92 –, BauR 1994, 212 (213); Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  132 Rn.  20; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  66. 293  BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 1993 – 4 NB 3/93 –, NVwZ 1994, 269 (269 f.); May, Revision, IV Rn.  86; Neuhäuser, Zulassung der Berufung S.  215. 294  Krasney, in: Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, IX. Rn.  54; Müller, NJW 1955, 1740 (1741). 291 

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

der Begründetheit der Klage relevant, so ist diese im Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich, wenn sich im Zulassungsverfahren zeigt, dass das Begehren schon aus prozessualen Gründen keinen Erfolg haben kann, wenn etwa die Klage oder die Berufung in rechtsfehlerhafter Weise vom Vordergericht als zulässig angesehen wurden oder es an anderen, zwingenden Prozessvoraussetzungen fehlt295. In diesen Fällen wäre es dem Bundesverwaltungsgericht im Revisionsverfahren verwehrt, zu Fragen des sachlichen Rechts Stellung zu beziehen, weshalb auch eine Zulassung der Revision wegen eben jener Rechtsfragen nicht in Betracht kommt296. Auf diese Weise kann es also doch bereits im Rahmen der Revisionszulassung bei der Beurteilung der Rechtsgrundsätzlichkeit zur Berücksichtigung einfacher Rechtsfehler des Vordergerichts – und zwar zu Lasten des Beschwerdeführers – kommen, was sich aber dadurch rechtfertigt, dass es sich bei diesen Fehlern um Umstände handelt, die seitens des Gerichts in jeder Prozesslage von Amts wegen zu beachten wären, weil sie dessen Entscheidungskompetenz über und in der Sache betreffen 297. Insoweit haben also materielle und prozessuale Fehler unterschiedliche Auswirkungen auf die Zulassungsfähigkeit der Rechtssache. Dass Rechtsfehler der Berufungsentscheidung dabei nur vom iudex ad quem auf Beschwerde hin in Ansatz gebracht werden können, nicht aber im Rahmen der Zulassungsentscheidung des iudex a quo im Urteil, versteht sich von selbst298. Lässt das Vordergericht dagegen die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung einer im Rahmen der Begründetheit relevanten Rechtsfrage selbst zu, obwohl es mangels Zulässigkeit hierzu hätte gar nicht Stellung nehmen können, so kann das Revisionsgericht über diese Rechtsfrage nicht entscheiden und das Verfahren kann keinen Beitrag zur Fortbildung des Rechts leisten 299. Dieses Ergebnis ist vor dem Hintergrund, dass das Gesetz der Zulassungsentscheidung des Vorderrichters nach §  132 Abs.  3 VwGO bindende Wirkung für den iudex ad quem beimisst und daher auch eventuelle diesbezügliche Fehlentscheidungen akzeptiert, hinzunehmen300. Nicht klärungsfähig wegen eines prozessualen Hindernisses sind auch solche Rechtsfragen, die das Bundesverwaltungsgericht im konkreten Rechtsstreit be295 

BSG, Beschluss vom 25. Juni 1980 – 1 BA 23/80 –, SozR 1500 §  160 Nr.  39 S.  36; BFH, Beschluss vom 27. Januar 1982 – II B 38/81 –, BFHE 135, 156 (157); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  325; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  76 f.; Weyreuther, Revi­ sionszulassung, Rn.  74. 296  Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  890; Prütting, Zulassung, S.  128. 297  Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  45. 298  Dazu Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  77 f. 299  Traut, Zugang zur Revision S.  104; Prütting, Zulassung, S.  131 f. 300  So auch BVerwG, Urteil vom 09. Oktober 1996 – 6 C 11/94 –, BVerwGE 102, 95 (98 f.) zur vorderrichterlichen Zulassung wegen Grundsatzbedeutung trotz Irrevisibilität der Rechts­ frage.

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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reits in einem ersten Revisionsrechtsgang entschieden hat und an deren Beantwortung das Berufungsgericht nach Zurückverweisung gemäß §  144 Abs.  6 VwGO gebunden war301. Käme es in diesem Fall erneut zu einem Revisionsverfahren in einem zweiten Rechtsgang, so müsste in entsprechender Anwendung dieser Norm auch das Bundesverwaltungsgericht die von ihm zuvor gefundene Auslegung seiner neuen Entscheidung zugrunde legen und wäre an einer ab­ weichenden Stellungnahme zur Rechtsfrage daher gehindert302. Diese Selbstbindung des Revisionsgerichts entfällt nur dann, wenn zwischenzeitliche Sachoder Rechtsänderungen zu einer zu berücksichtigenden Veränderung der sachlichen Entscheidungsgrundlagen geführt haben oder sich die entsprechende höchstrichterliche Rechtsprechung im Zuge eines Parallelverfahrens zwischenzeitlich geändert hat303. (c) Prognostische Elemente der Grundsatzbedeutung Die aufgezeigten Umstände, die der Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage in e­ inem Revisionsverfahren entgegenstehen können, verdeutlichen, dass der Zugang zum Revisionsgericht im Rahmen des §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO in nicht unerheblichem Maße auch von Aspekten mitbestimmt wird, die sich im weitesten Sinne als Erfolgsvoraussetzungen des Rechtsmittelverfahrens darstellen. Insoweit greifen die materiellen Voraussetzungen der Revisionszulassung in gewissem Umfang denjenigen des Revisionserfolgs vor und sind demgemäß auch bereits im Zulassungsstadium zu berücksichtigen. Sollen nämlich mithilfe der Grundsatzrevision bisher höchstrichterlich noch nicht abschließend entschiedene oder wieder fraglich gewordene Rechtsprobleme von allgemeinem Interesse geklärt werden, so liegt es im Wesen einer hieran anknüpfenden ­Zugangskontrolle, dass diese hierzu eines gewissen Ausblick auf „Ablauf und Ertrag“304 des in Aussicht stehenden Rechtsmittels erforderlich macht. Der diesbezügliche Zulassungsgrund des §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO ist entsprechend ­seiner Funktion daher von prognostischen Elementen geprägt, die darüber Aufschluss geben sollen, ob und inwieweit eine Revisionsentscheidung über die konkrete Rechtssache zur vereinheitlichenden Rechtsfortbildung tatsächlich 301  GmS-OGB, Beschluss vom 06. Februar 1973 – GmS-OGB 1/72 –, BVerwGE 41, 363 (368). Vgl. auch Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  46 mit Fn.  152: Selbstbindung des Rechtsmittelgerichts im zweiten Rechtsgang als „ungeschriebener, durch ständigen Gerichtsbrauch anerkannter Grundsatz“. 302  BVerwG, Urteil vom 22. Juni 1977 – VIII C 49.76 –, BVerwGE 54, 116 (121 f.); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  326; Prütting, Zulassung, S.  129. 303  BVerwG, Urteil vom 26. August 1959 – VI C 313.57 –, BVerwGE 9, 117 (118); Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  77; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  144 Rn.  75 f. 304  Sendler, DVBl. 1992, 240 (243).

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

beitragen kann. Ein derart aus Sicht des Allgemeininteresses erforderlicher Ausblick auf den Gang des Revisionsverfahrens kann einer Prognose der Begründetheit und des Sacherfolgs des Rechtsmittels aus Perspektive des Partei­ interesses jedenfalls nahe kommen305. Schon die Beurteilung der Zulassungs­ relevanz der Rechtssache bedarf im Anwendungsbereich des §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO bereits in gewissem Umfang einer Antizipation des vom Revisions­ gericht im konkreten Verfahren noch zu entwickelnden Rechtsstandpunktes zur Grundsatzfrage, nämlich im Rahmen der Fragestellung, ob diese noch oder wieder einen höchstrichterlichen Klärungsbedarf aufwirft306. Lässt sie sich, obwohl eine diesbezügliche abschließende Stellungnahme des Bundesverwaltungs­ gerichts hierzu noch fehlt, etwa ohne weiteres bereits anhand des Gesetzeswortlauts oder in Fortführung einer schon vorhandenen Rechtsprechungslinie beantworten, bedarf es nicht erst der Durchführung eines Revisionsverfahrens, um der Rechtslage ihre Fraglichkeit zu nehmen307. Die Revisionszulassung kann also bereits dann zu versagen sein, wenn das Berufungsgericht zu einem Aus­ legungsergebnis gekommen ist, zu dem auch das Revisionsgericht so und nicht anders hätte gelangen müssen308. Da insoweit die Zulassungsprüfung ergeben würde, dass ein entsprechendes Revisionsverfahren aller Voraussicht nach k­ einen Beitrag zur einheitlichen Rechtsfortbildung leisten kann, weil hieran gar kein Bedarf feststellbar ist, ist dessen Zulassung zu verweigern. Eine ähnliche Funktion übernimmt das Merkmal der Klärungsfähigkeit, allerdings in Anbetracht der Frage, ob der abstrakte Klärungsbedarf der Rechtsfrage auch gerade durch das konkret in Aussicht stehende Revisionsverfahren befriedigt werden kann. Es soll gewährleisten, dass die den Anlass der konkreten Revision bildende rechtliche Problematik mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit im Zuge des künftigen Verfahrens auch einer abschließenden Lösung durch das Bundesverwaltungsgericht zugeführt wird309. Kann vor dem HinterPohle, Gutachten B für den 44. DJT., S.  51. Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  234 f.; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  241 f. 307  BVerwG, Beschluss vom 17. März 1998 – 4 B 25/98 –, NVwZ 1998, 737 (737); ­BVerwG, Beschluss vom 24. August 1999 – 4 B 72/99 –, BVerwGE 109, 268 (270); Meyer-Ladewig, in: Bachof/Heigl/Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (419); Weyreuther, Revisions­ zulassung Rn.  65; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde S.  72. 308  Sendler, DVBl. 1992, 240 (243) sowie Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/ Bier, VwGO, §  132 Rn.  37 f. unter zutreffendem Hinweis darauf, dass trotz Eindeutigkeit des Auslegungsergebnisses aus Sicht des Revisionsgerichts ein weiterer Klärungsbedarf dann bestehen dürfte, wenn die Vorinstanz gerade zum gegenteiligen Ergebnis gekommen ist. In diesen Fällen kann die Grundsatzzulassung durchaus in die Nähe einer Kontrolle einfacher materieller Rechtsfehler rücken. Kritisch dazu Fromm, DVBl. 1992, 709 (709). 309  Prütting, Zulassung, S.  132. 305 

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IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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grund der Kontrollfunktion der Revision nur eine solche Rechtsfrage die Zulassung der Revision rechtfertigen, mit der sich bereits das Berufungsurteil selbst auseinandergesetzt hat, so bestimmt sich ihre Entscheidungserheblichkeit für das Revisionsverfahren als Ausgangspunkt der Frage nach ihrer Klärungsfähigkeit danach, ob ihre Beantwortung durch den iudex a quo schon für dessen Entscheidung kausal war. Um dies feststellen zu können, ist die Struktur des vorinstanzliches Urteils eingehend auf ihre entscheidungstragenden Elemente hin zu untersuchen310. Die Analyse, ob das Vordergericht seiner Entscheidung eine bestimmte Rechtsansicht zugrunde gelegt hat, muss dabei notwendigerweise retrospektiv stattfinden, also allein vom materiell-rechtlichen Standpunkt des Berufungsgerichts aus311. Begründungsansätze, die das Berufungsgericht nicht selbst oder jedenfalls nicht in entscheidungserheblicher Weise herangezogen hat, können dem Urteil nicht nachträglich beigelegt oder unterstellt werden, selbst wenn diese zulassungsträchtig wären und an sich eine höchstrichterliche Stellungnahme gebieten könnten312. Gleichfalls entfällt die Erheblichkeit der Rechtsfrage für die angefochtene Entscheidung auch nicht deswegen, weil sich dessen Ergebnis auch mithilfe eines anderen Begründungsansatzes, der vom Vordergericht nur nicht erkannt oder bewusst nicht herangezogen worden ist, erzielen ließe313. Ergibt die Kausalitätsprüfung, dass der iudex a quo seiner Entscheidung die Beantwortung der Grundsatzfrage zugrunde gelegt hat, so kommt es für die Zulassung der Grundsatzrevision weder darauf an, ob dessen Rechtsansicht hierzu als unzutreffend oder als gerade die Beschwer des Rechtsmittelführers begründend gerügt wird314. 310  Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  26; ZPO/GVG-Ausschuss BRAK, Stellungnahme Rechtsmittelreform, S.  48. 311  Traut, Zugang zur Revision, S.  103 f.; Rennert, NVwZ 1998, 665 (670); Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  124 Rn.  153. 312  BVerwG, Beschluss vom 30. März 2005 – 1 B 11/05 –, NVwZ 2005, 709 (709); B ­ VerwG, Beschluss vom 22. Mai 2008 – 9 B 34/07 –, Buchholz 442.09 §  18 AEG Nr.  65 S.  24; Roth, in: Baumeister/Roth/Ruthig, Festschrift Schenke, S.  1107 (1107). 313  BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. August 1994 – 2 BvR 719/93 –, NVwZ 1994, Beilage 9, 65 (66); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 24. Januar 2007 – 1 BvR 382/05 –, BVerfGK 10, 208 (213 f.); Traut, Zugang zur Revision, S.  104; Ruban, in: Gräber, FGO, §  115 Rn.  32. Siehe auch Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  78 zur Beruhensfrage bei Divergenzen und Verfahrensfehlern. 314  BVerwG, Urteil vom 29. August 1975 – VII C 17.73 –, Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr.  42 S.  11; BGH, Urteil vom 26. Oktober 1953 – I ZR 114/52 –, NJW 1954, 110 (110); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  890; Neuhäuser, Zulassung der Berufung, S.  176; Ewer, in: Quaas/Zuck, Prozesse in Verwaltungssachen, §  7 Rn.  8. A. A. BAG, Beschluss vom 15. Februar 2005 – 9 AZN 982/04 –, BAGE 113, 321 (325) und BAG, Beschluss vom 15. März 2011 – 9 AZN 1232/10 –, BAGE 137, 218 (219), wonach die vom Beschwerdeführer darzulegende Entscheidungserheblichkeit im Rahmen der arbeitsgerichtlichen Nichtzulassungsbeschwerde

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

Bildet demnach die retrospektiv zu ermittelnde Entscheidungsrelevanz der Rechtsfrage für die Berufungsentscheidung den Ausgangspunkt und die Grundlage der Zulassungsfähigkeit im Anwendungsbereich des §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO, so kommt bei der Frage, ob auch dem Bundesverwaltungsgericht eine entscheidungserhebliche Stellungnahme zu dieser Problematik im Revisionsverfahren möglich wäre, das prognostische Element der Klärungsfähigkeit zum Tragen315. Je nach Fallgestaltung erfordert diese nämlich eine mehr oder minder intensive Vorwegnahme der Revisionskontrolle dahingehend, ob einer Überprüfung der vom Vordergericht zur zulassungsrelevanten Problematik vertretenen Rechtsansicht im zuzulassenden Rechtsmittelverfahren verfahrensrechtliche oder materiell-rechtliche Hindernisse entgegenstehen316, welche dazu führen würden, dass das Bundesverwaltungsgericht zur Grundsatzfrage – wenn überhaupt – nur in Form bloßer obiter dicta Stellung nehmen könnte317. Denn Rechtsaussagen des Revisionsgerichts, die von diesem nur im Zuge beiläufiger Stellungnahmen abgegeben werden, können weder eine fraglich Rechtslage endgültig klären noch kommt ihnen gegenüber den Untergerichten ein Anspruch auf Beachtung zu, der diese im Falle der Abweichung hiervon zur Rechtsmittelzulassung wegen Divergenz verpflichten würde318. Klärungsfähig und zur Zulassung der Revision führend kann die grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage daher nur sein, wenn deren Beantwortung durch das Revisionsgericht für die Rechtsmittelentscheidung – genauer: die Kassation des Berufungsurteils319 – conditio sine qua non wäre. Diese Prognose hat bereits der iudex a quo im Rahmen der Rechtsmittelzu­ lassung im Urteil vorzunehmen, welcher hierzu weder auf die Fehlerhaftigkeit seiner eigenen Sachentscheidung noch die letztendlichen Erfolgsaussichten eines hiergegen gerichteten Rechtsbehelfes abstellen kann320. Auch insoweit liegt die Geltendmachung erfordern würde, dass die landesarbeitsgerichtliche Entscheidung gerade auf der unzutreffenden Beantwortung der Grundsatzfrage beruht. Dass derjenige, der ein Urteil mit einer Grundsatzrüge angreift, implizit die Behauptung aufstellen würde, das Urteil sei gerade aus diesem Grund falsch, mag zwar regelmäßig zutreffen, ist aber nicht Voraussetzung des Zulassungsgrundes, vgl. Unterreitmeier, NVwZ 2013, 399 (403). 315  Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  79 f., 236; Rennert, NVwZ 1998, 665 (670). 316  Vgl. hierzu oben §  3 I. 2. b) bb) (2). 317  Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  197; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  345. 318  BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 1984 – 4 CB 29/84 –, Buchholz 407.4 §  17 FStrG Nr.  56 S.  55; BVerwG, Beschluss vom 25. Oktober 1995 – 4 B 216/95 –, BVerwGE 99, 351 (353); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  360, 391; Eggert, Nichtzulassungsbeschwer­ de, S.  73, 98 f.; Traut, Zugang S.  156. 319  Hierzu eingehend im folgenden Abschnitt §  4 IV. 2 b) bb) (1) (d). 320  Traut, Zugang zur Revision, S.  101. Hierzu ausführlich unter §  4 IV. 2. c) aa) (1).

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diesem begrenzten Ausblick auf die Revisionsprüfung also zunächst notwendigerweise die subjektive Beurteilungsperspektive des Vordergerichts mit ihren diesbezüglich eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten zu Grunde321. Diese faktischen Einschränkungen greifen jedoch dann nicht in gleichem Maße, wenn der iudex ad quem im Wege der Nichtzulassungsbeschwerde mit der Zulassungsfrage befasst wird. Dieser steht nämlich – auch in seiner Funktion als Beschwerdegericht – der revisionsgerichtlichen Kontrollperspektive erheblich näher als noch die Vorinstanz und kann daher genauer abschätzen, welchen Weg die Überprüfung des Urteils im Rechtsmittelverfahren aus seiner Sicht nehmen wird und welche unüberwindbaren Hindernisse seiner Entscheidung zur Sache entgegenstehen könnten322. Insbesondere hat dies zur Konsequenz, dass Rechtsfehler in der Berufungsentscheidung bei der Zulassung durch das Bundesverwaltungsgericht von diesem jedenfalls dann prinzipiell in Ansatz gebracht werden können, wenn sie sich auf dessen Sachentscheidungskompetenzen auswirken323. Über das Merkmal der Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage kann also durchaus bereits im Rahmen der Rechtsmittelzulassung nach §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO der subjektive Rechtsstandpunkt des Revisionsgerichts zur jeweiligen Falllösung Einfluss auf die Zulassungsentscheidung nehmen, weil nur dessen Antizipation darüber Aufschluss geben kann, ob und inwieweit die Rechtsfrage für die Rechtsmittelentscheidung relevant sein wird. (d) Klärungsfähigkeit und kassatorische Entscheidungskomponente Dem Institut der Grundsatzrevision nach §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO liegt danach die Prämisse zugrunde, dass das Revisionsgericht seine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe der vereinheitlichenden Rechtsfortbildung nur erfüllen kann und aus Gründen der Ressourcenschonung auch nur dann erfüllen soll, wenn die zur Beurteilung stehende Rechtssache eine höchstrichterliche Stellungnahme zu den von ihr aufgeworfenen Rechtsproblemen von allgemeiner Bedeutung unumgänglich macht. Maßgeblichstes Kriterium hierfür ist demnach die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage aus Sicht des Revisionsgerichts. Rechtsfragen, die zwar das Berufungsgericht behandeln und beantworten musste, weil aus dessen Sicht hiervon der Ausgang seiner Entscheidung abhing, die aber für das Urteil des Revisionsgerichts nicht von Bedeutung wären, rechtferMay, Revision, IV Rn.  66; Traut, Zugang zur Revision, S.  101; Ruban, in: Gräber, FGO, §  115 Rn.  56. 322  Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  78, 236. 323  Dies betrifft vor allem Fälle, in denen sich die Rechtsfrage erst im Rahmen der Begründetheit der Revision stellen würde, Klage oder Berufung aber schon als unzulässig anzusehen sind. Vgl. hierzu oben §  3 I. 2. b) bb) (2) und §  4 IV. 2 b) bb) (1) (b). 321 

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

tigen die Revisionszulassung nach §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO nicht, mögen diese auch ein noch so großes Bedürfnis an einer höchstrichterlichen Klärung aufwerfen. Die Frage, ob das von der Vorinstanz aufgeworfene abstrakte Klärungsbedürfnis der Rechtsfrage gerade durch die konkret in Aussicht stehende Revisionsentscheidung tatsächlich befriedigt werden kann, ist insoweit der Blickwinkel des Merkmals der Klärungsfähigkeit324. Bei näherer Betrachtung erweist sich der von diesem Zulassungskriterium geforderte Ausblick auf die Revision nicht nur als begrenzte Prognose des Ablauf des Revisionsverfahrens, sondern auch dessen Ausgangs, also der Erfolgsaussichten der Revision aus Sicht des Rechtsmittelführers. Um dies zu verdeutlichen, soll einmal unterstellt werden, dass es zur Ein­ legung einer vom Vordergericht nach §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO zugelassenen Revision kommt, bei der es nach oben dargestellten Grundsätzen eigentlich an der Klärungsfähigkeit der grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfrage mangeln würde. Im Zuge der revisionsgerichtlichen Kontrolle hätte das an diese Zulassung nach §  132 Abs.  3 VwGO gebundene Bundesverwaltungsgericht dann nach §  137 Abs.  1 VwGO zu prüfen, ob das Berufungsurteil auf einer Verletzung revisiblen Rechts beruht. Hat sich die Vorinstanz dabei mit der Grundsatzproblematik nicht in entscheidungserheblicher Weise, sondern nur nebenbei befasst, so könnte das Revisionsgericht sich zwar zu einer diesbezüglichen Stellungnahme veranlasst sehen, wenn es die Rechtsansicht des iudex a quo dazu nicht teilt, also für gesetzeswidrig hält. Gleichwohl wäre eine Aufhebung der Entscheidung allein aus eben jenem Grunde nicht möglich, weil diese dann nicht auf dem Rechtsfehler im Sinne des §  137 Abs.  1 VwGO beruht, denn das Vordergericht wäre selbst ohne die gegebenenfalls rechtsfehlerhafte Beantwortung der Grundsatzfrage nicht zu einem anderen sachlichen Ergebnis gelangt325. Ähnlich verhält es sich in den Fällen, in denen trotz Relevanz der Fragestellung für das angefochtene Urteil dem Revisionsgericht eine eigene Entscheidung über die Rechtsfrage aufgrund seines eingeschränkten Prüfungsmaßstabes oder der besonderen Positionierung der Rechtsfrage im zu kontrollierenden Urteil verwehrt wäre326. Dann könnte das Revisionsgericht schon gar nicht zur Frage vordringen, ob die Beantwortung der grundsätzlichen Rechtsfrage durch das Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  68; Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/ Bier, VwGO, §  132 Rn.  38. 325  Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 1953 – I B 10.53 –, BVerwGE 1, 1 (2 f.) zum Beruhen auf grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfragen und Divergenzen sowie BVerwG, B ­ eschluss vom 14. August 1962 – V B 83.61 –, BVerwGE 14, 342 (346) zum Beruhen auf Verfahrensmängeln. Siehe dazu auch Suerbaum, in: Posser/Wolff, VwGO, §  137 Rn.  36; May, Revision, VI Rn.  310; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  137 Rn.  17. 326  Vgl. hierzu oben §  3 I. 2. b) bb) (2). 324 

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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Berufungsgericht eine Gesetzesverletzung darstellt und dessen Entscheidung darauf beruht327. Insoweit wären diesbezügliche Äußerungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Grundsatzfrage im Revisionsurteil, gleichgültig ob dieses zur Zurückweisung des Rechtsmittels oder aus anderen Gründen zur Stattgabe führt, nicht entscheidungserhebliche Randbemerkungen, mithin bloße obiter dicta328. Das Kriterium der Klärungsfähigkeit der Grundsatzfrage soll eine solche für die Rechtseinheit unergiebige Befassung des Revisionsgerichts mit nicht entscheidungserheblichen Rechtsproblemen schon im Rahmen des Rechtsmittelzugangs verhindern. Hierzu nimmt es spezifisch den vordergerichtlichen Begründungsansatz in den Blick, der die Beantwortung der grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfrage enthält und fragt danach, ob dieser einer Rechtmäßigkeitskontrolle durch das Revisionsgericht nach §  137 Abs.  1 VwGO zugänglich ist, deren Ergebnis die eventuelle Aufhebung des Urteils durch eine kassatorische Revi­ sionsentscheidung selbstständig tragen könnte. Ergibt schon die Zulassungsprüfung, dass im Revisionsverfahren aus bestimmten Gründen nicht festgestellt werden könnte, ob das Berufungsurteil gerade in Anbetracht der Beurteilung der Grundsatzfrage revisibles Recht verletzt oder nicht auf dieser Rechtsverletzung beruht, so steht fest, dass das Urteil auch nicht gerade wegen einer möglichen Fehlbeurteilung dieser Rechtsfrage durch das Vordergericht aufgehoben werden könnte329. Eine Stellungnahme des Bundesverwaltungsgerichts zur Grundsatzproblematik im Revisionsurteil würde sich erübrigen, weil diese auf den Ausgang der Kassationsprüfung nach §  137 Abs.  1 VwGO und damit letztlich auch auf den Sacherfolg des Rechtsmittels keinen Einfluss hätte. Ob das Berufungsurteil an anderen Rechtsfehlern leidet, die dessen Aufhebung rechtfertigen könnten, spielt hierbei keine Rolle, wenn diese nicht selbst Zulassungsrelevanz aufweisen, denn der Tatbestand des §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO betrachtet die Entscheidungserheblichkeit der grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfrage für die Aufhebungsentscheidung isoliert von sonstigen Revisionsgründen. Revisionszulassung und Revisionserfolg sind also im Anwendungsbereich des §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO über das Merkmal der Klärungsfähigkeit der 327  Prütting, Zulassung, S.  133. Kritisch zur Verneinung der Klärungsfähigkeit durch den BGH bei vorgreiflichen Rechtsfehlern des Berufungsgerichts Barnert, in: Kiesow/Simon, Vorzimmer des Rechts, S.  25 f. und Lindner, NJW 2003, 1097 (1098). 328  Zum Nutzen von obiter dicta für den konkreten Rechtsstreit, die gerichtliche und behördliche Praxis und die materielle Rechtseinheit Ebert, DVBl. 2013, 484 (487); Bittner, JZ 2013, 645 (650, 653); Schmidt, in: Eyermann, VwGO, §  117 Rn.  12; Grunsky, in: Dietrich/ Gamillscheg/Wiedmann, Festschrift Hilger/Stumpf, S.  261 (263); Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  126; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  73; Schafft, Selektion, S.  171; Hanack, Ausgleich, S.  95 f., S.  101 f. und Traut, Zugang zur Revision, S.  156. 329  Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  62.

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Rechtsfrage in spezifischer Weise miteinander verzahnt. Die Fälle, in denen eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage nicht klärungsfähig im Sinne des §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO ist, sind stets zugleich solche Konstellationen, in denen bereits von vornherein ausgeschlossen ist, dass eine kassatorische Überprüfung des anzufechtenden Urteils gerade hinsichtlich desjenigen Urteilsgrundes, der sich auf die Beantwortung der grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfrage stützt, zur Aufhebung des Berufungsurteils zugunsten des Rechtsmittelklägers führen würde. In diesen Fällen könnte eine Revision, deren Angriffe gegen das Urteil i. S. d. §  137 Abs.  1 VwGO sich ausschließlich auf die mögliche Fehlerhaftigkeit der Entscheidung in Anbetracht der Beurteilung der Grundsatzfrage richten, keinen Erfolg haben. Gleichfalls muss aber auch unter denselben Umständen schon die Zulassung der Revision versagt werden, weil die Rechtsfrage dann nicht klärungsfähig ist. Damit beeinflussen aber durchaus die Erfolgschancen der Revision die Frage nach der Revisionszulassung, nämlich die Aussichten auf eine kassatorische Revisionsentscheidung. Dies erscheint folgerichtig, wenn man sich verdeutlicht, dass die im Allgemeininteresse liegenden Rechtsfortbildungsaufgabe des Revisionsgerichts, an die §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO anknüpft, jedenfalls vom abstrakten Standpunktes des Gesetzes aus primär im Wege der Urteilskontrolle nach §  137 Abs.  1 VwGO zu erfüllen ist330. §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO will gerade deshalb eine Revisionsentscheidung über die konkrete Sache ermöglichen, weil das Vordergericht bei seiner Beurteilung des Falles eine bisher höchstrichterlich noch ungeklärte oder wieder fraglich gewordene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung in entscheidungsrelevanter Weise beantwortet hat und gerade dessen Rechtsstandpunkt hierzu einer Kontrolle durch das Revisionsgericht unterzogen werden soll331. Hat das Revi­ sionsgericht dabei nach §  137 Abs.  1 VwGO zu überprüfen, ob das Berufungsurteil in dieser Hinsicht auf der Verletzung revisiblen Rechts beruht, so eröffnet Ähnlich Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  137 Rn.  4, 8; Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  137 Rn.  5, §  144 Rn.  9 und Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  35 mit Fn.  70. 331  Ebenso Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  312-3. Insoweit bestehen Funktionsunterschiede zwischen dem materiellen Revisionszulassungsrecht der Zulassungsgründe und dem Zulassungsverfahrensrecht. Die Vorbereitungsarbeit, die Letzteres für die anschließende Revision leistet, ist allein auf die Überwindung der Zugangsschranke zum Revisionsgericht angelegt, vgl. Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  29, 31. Ersteres dagegen zielt nicht nur darauf ab, für die Rechtseinheit unergiebige Fälle vom Revisionsgericht fernzuhalten, sondern auch darauf, den Blick der Beteiligten und des Gerichts auf die aus Sicht der Rechtseinheit wesentlichsten Fragestellungen des jeweiligen Prozessstoffes zu lenken. Den Zulassungsgründen kommt daher auch eine wichtige Konkretisierungsfunktion für das Rechtsmittelverfahren selbst zu, vgl. Präsidenten der oberen Bundesgerichte, RdA 1959, 102 (103). 330 

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dies dem Gericht die Möglichkeit, den Standpunkt des iudex a quo hierzu zu bestätigen oder – unter Verwerfung der vordergerichtlichen Rechtsauffassung – das Rechtsproblem einer gänzlich anderen Lösung zuzuführen. In beiden ­Fällen wird der Rechtslage durch eine vereinheitlichende Stellungnahme des Revisionsgerichts ihre Fraglichkeit genommen332. Durch ein derartiges Machtwort des Bundesverwaltungsgerichts zu einer Rechtsfrage, die sich gerade wegen ihrer Allgemeinbedeutung in einer unüberschaubaren Vielzahl zukünftiger Fälle stellen könnte, wird unabhängig vom tatsächlichen Ausgang der Entscheidung präventiv verhindert, dass durch eine unzutreffende oder zumindest divergierende Rechtsprechung der Instanzgerichte ein falsches Rechtsprinzip aufkommt, welches zu unzutreffenden Entscheidungsergebnissen führen kann. Das abstrakte Ziel der Grundsatzrevision aus Sicht des Allgemeininteresses ist zwar, die Klärung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aus Gründen der Rechtsprechungseinheit gerade einer vereinheitlichend-rechtsfortbildenden Stellungnahme des Revisionsgerichts zu übertragen. Der konkrete Anlass der Grundsatzrevision aus Sicht der vorinstanzlich unterlegenen Partei ist dagegen vor dem Hintergrund ihrer aufgezeigten Bezugnahme auf die Rechtskontrollfunktion der Revision, dass das Berufungsurteil gerade deshalb möglicherweise fehlerhaft ist, weil es auf der Beantwortung einer Rechtsfrage beruht, zu der noch keine abschließende höchstrichterliche Stellungnahme existiert. Bedarf die Rechtsfrage nämlich erst noch der höchstrichterlichen Klärung, so besteht jedenfalls die Möglichkeit, dass das Revisionsgericht diese anders als noch die Vorinstanz beantworten und das angegriffene Judikat gerade aus diesem Grunde aufheben wird. Diese Unklarheit der Rechtslage ist es, die dem Berufungsurteil aus der Perspektive der Parteien und des Revisionsgerichts einen abstrakten Richtigkeitszweifel verleiht, der im Wege einer kassatorischen Überprüfung des Judikates i. S. v. §  137 Abs.  1 VwGO ausgeräumt werden soll333. Ist die grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage aber in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, weil das Bundesverwaltungsgericht hieran aus materiell-rechtlichen oder verfahrensrechtlichen Gründen gehindert wäre, so ist das Berufungsurteil auch keiner entscheidungsrelevanten kassatorischen Überprüfung gerade in Anbetracht der Grundsatzfrage zugänglich. Durch ein Rechtsmittelverfahren ließe sich dann nicht nur der im Allgemeininteresse liegende höchstrichterliche Klärungsbedarf nicht befriedigen, sondern erst recht auch der aus Sicht der Parteien gegen die Entscheidung bestehende Richtigkeits332  BVerwG, Urteil vom 09. Dezember 1955 – II C 37.53 –, NJW 1956, 925; Ruban, in: Gräber, FGO, §  116 Rn.  56; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  312-3; ZPO/GVG-­ Ausschuss BRAK, Stellungnahme Rechtsmittelreform, S.  48; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  133 Rn.  79. 333  So im Ansatz schon Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  312-3.

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zweifel von vornherein nicht ausräumen. Eine Rechtsfrage kann demnach nur dann i. S. v. §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO klärungsfähig sein, wenn hinreichend gewiss ist, dass das Revisionsgericht gerade im Zuge der kassatorischen Überprüfung des angefochtenen Urteils auf kausale Gesetzesverletzungen i. S. d. §  137 Abs.  1 VwGO zu dem Begründungsansatz des Judikates, der sich auf die Beantwortung der zulassungsrelevanten Rechtsfrage stützt, vordringen könnte und das Ergebnis gerade dieser Überprüfung für die eventuelle Kassation des Berufungsurteils tragend wäre. Da andernfalls die Beantwortung der grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfrage durch das Revisionsgericht allein nicht zur Kassation des Berufungsurteils führen und damit der Revision auch nicht zum Erfolg verhelfen kann, bedarf es aus der Perspektive des §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO schon gar nicht ihrer Zulassung. Verallgemeinernd lässt sich diese Inaussichtnahme des kassatorischen Rechtsmittelerfolges in der Rechtsmittel­ zulassungskontrolle als Erfordernis hinreichender Kassationsaussichten bezeichnen. Diese von §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO geforderte Kassationsaussicht bedeutet dabei selbstverständlich nicht, dass es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch tatsächlich zur Aufhebung des Berufungsurteils kommen müsste. Da es erst die Aufgabe des Revisionsverfahrens ist, zu klären, wie die Grundsatzfrage zu beantworten ist334, kann auch erst in diesem beantwortet werden, ob der iudex a quo die zulassungsrelevanten Rechtsfragen nach Maßgabe von §  137 Abs.  1 VwGO richtig oder falsch entschieden hat und dessen Sachentscheidung gerade deswegen der Aufhebung bedarf oder nicht335. Die Kassation des Berufungsurteils muss insoweit also nicht als Ergebnis sicher feststehen. Erforderlich – aber auch ausreichend – ist hierbei lediglich, dass es zum Vorgang einer entsprechenden Rechtmäßigkeitskontrolle des zulassungsrelevanten Begründungsansatzes kommen wird, welcher zur eventuellen Aufhebung der angegriffenen Entscheidung führen kann336. Einem solchen Verständnis der Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage als Forderung nach hinreichender Kassationsaussicht steht nicht entgegen, dass das Gesetz ansonsten strikt zwischen Zulassungs- und Revisionsgründen trennt337. 334  BVerwG, Beschluss vom 02. Oktober 1961 – VIII B 78.61 –, BVerwGE 13, 90 (91); Finkelnburg, in: Schmidt-Aßmann/Sellner/Hirsch/Kemper/Lehmann-Grube, Festgabe 50 Jahre BVerwG, S.  173 (178). 335  Redeker, in: Lenz, Festschrift Gelzer, S.  333 (333); Finkelnburg, in: Schmidt-Aßmann/ Sellner/Hirsch/Kemper/Lehmann-Grube, Festgabe 50 Jahre BVerwG, S.  173 (178); Fromm, DVBl. 1992, 709 (709); von Wedelstädt, Der Betrieb 1991, 1899 (1903). 336  Hierin liegt der Unterschied zur unlängst aufgegebenen Prognose-Theorie des B ­ VerwG. 337  Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  137 Rn.  5.

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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Nach erfolgter Zulassung verlieren die Zulassungsgründe ihre Bedeutung und können den weiteren Gang des Revisionsverfahrens nicht präjudizieren338. So müssen sich die Revisionsangriffe des Rechtsmittelführers nicht mit seinem im vorgehenden Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren angebrachten Zulassungsrügen decken, denn die Aufhebung des Berufungsurteils im zugelassenen Revisionsverfahren kann auch aus anderen Gründen als denjenigen, die zur Zulassung geführt haben, erfolgen, selbst wenn diesen keine Allgemeinbedeutung zukommt339. Auch berührt eine zwischenzeitliche Änderung der die Zulassung zuvor begründenden Umstände und sogar der nachträgliche Wegfall des Zulassungsgrundes weder die Statthaftigkeit der Revision noch beeinflusst dies den Gang des Revisionsverfahrens340. Zudem soll es dem Revisionsgericht aus prozessökonomischen Gründen möglich sein, im Revisionsverfahren die Frage nach der Rechtswidrigkeit des Berufungsurteils dahingestellt zu lassen und dieses nach §  144 Abs.  4 VwGO unmittelbar als im Ergebnis richtig zu bestätigen, wenn sich die Tragfähigkeit des Entscheidungsergebnisses leichter beurteilen ließe als die Tragfähigkeit ihrer Entscheidungsgründe341. In all diesen Fällen mag es zwar letztendlich nicht zur Klärung der grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfrage kommen, weil das Revisionsgericht den diesbezüglichen vordergerichtlichen Begründungsansatz doch nicht überprüft und eine Kassationsentscheidung hierauf demzufolge auch nicht stützt. Die Einordnung der Klärungsfähigkeit als prognostische Vorprüfung der Kassationskontrolle berührt dies gleichwohl nicht, denn die Zulassungsgründe begreifen die Aussicht auf eine Befassung des Revisionsgerichts mit den zulassungsrelevanten Rechtsproblemen von vornherein nur als Chance, nicht aber als zwingende Notwendigkeit342. 338  BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1973 – V C 84.72 –, Buchholz 310 §  144 VwGO Nr.  25 S.  19 f.; Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  34; Prütting, Zulassung, S.  184; Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  15. 339  BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 1975 – II C 43.73 –, BVerwGE 49, 232 (235); B ­ VerwG, Urteil vom 26. Februar 2009 – 3 C 1/08 –, BVerwGE 133, 186 (191); Sendler, NJW 2004, 2068 (2069); Rennert, NVwZ 1998, 665 (667). 340  BVerwG, Urteil vom 25. April 1961 – VIII C 306.59 –, NJW 1961, 1737 (1738); P ­ rütting, Zulassung, S.  183 f.; Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  15; Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  9, 11. 341  So BVerwG, Urteil vom 14. Februar 1996 – 11 C 6/95 –, BVerwGE 100, 275 (277); BVerwG, Urteil vom 02. September 1999 – 2 C 22/98 –, BVerwGE 109, 283 (285); BVerwG, Beschluss vom 07. März 2002 – 5 B 60/01 – (unveröffentlicht, juris); BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – 1 C 37/07 –, BVerwGE 132, 382 (384); Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  144 Rn.  9; Bettermann, ZZP 88, 365 (382 f.); Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  144 Rn.  18; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  144 Rn.  25 sowie Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/ Bier, VwGO, §  144 Rn.  34 f. 342  Ähnlich Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  69; Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  82; Rennert, NVwZ 1998, 665 (667); Traut, Zugang zur Revision, S.  104. A. A. ohne nä-

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Anlass und Rechtfertigung des konkreten Revisionsverfahrens bildet insoweit ausschließlich die über §  132 Abs.  2 VwGO in normative Form gegossene Aussicht bzw. Erwartungshaltung des Gesetzgebers, das Revisionsgericht werde sich mit den Erwägungen, auf denen die angefochtene Entscheidung beruht und die einen höchstrichterlichen Klärungsbedarf aufwerfen, auseinandersetzen und den vordergerichtlichen Rechtsstandpunkt hierzu entweder bestätigen oder korrigieren343. Zudem dominieren nach Zulassung der Revision Individual­ interessen den weiteren Verfahrensgang und drängen das noch im Zulassungsstadium maßgebliche Allgemeininteresse zurück344, weshalb es grundsätzlich hinzunehmen ist, dass sich – im Gegensatz zur Zulassungsentscheidung – die Revisionsentscheidung auf die Behandlung derjenigen Gesichtspunkte beschränken kann, die zur Befriedung der Streitparteien zwingend erforderlich sind, während auf mögliche Erträge der konkreten Revisionsentscheidung für die Rechtseinheit jedenfalls prinzipiell nicht zwingend Rücksicht genommen werden muss345. Der Ausschluss der Klärungsfähigkeit einer Grundsatzfrage ist dagegen ein Umstand, der bereits das Allgemeininteresse an einer Revisionsentscheidung entfallen lässt, weil hierbei unumstößlich feststeht, dass das in Aussicht stehende Revisionsverfahren keinen rechtsvereinheitlichenden bzw. rechtsfortbildenden Beitrag leisten kann und demnach auch schon im Rechtsmittelzugangsstadium Berücksichtigung finden muss.

here Begründung Maetzel, MDR 1961, 453 (453). Traut, a. a. O weist darauf hin, dass die Unsicherheit, ob es im Revisionsverfahren tatsächlich zur entscheidungserheblichen Behandlung von Rechtsfragen kommt, vom Zulassungsrecht bewusst und notwendigerweise in Kauf genommen wird. In der Tat trifft diese Unwägbarkeit erst den Revisionskläger, welcher sich von der Behandlung der Rechtsfrage durch das Revisionsgericht eine Abänderung der angegriffenen Entscheidung zu seinen Gunsten erhofft, nicht aber schon den Nichtzulassungsbeschwerdeführer. Die Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage analog §  144 Abs.  4 VwGO von der Prüfung der Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils abhängig zu machen, hieße dagegen, dieses Risiko schon in das Zulassungsstadium vorzuverlagern. Ausführlich hierzu im folgenden Abschnitt. 343  Ähnlich Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  312-3. 344  Vgl. Prütting, Zulassung, S.  93. Zur Vereinbarkeit einer Erfolgsprognose im Zulassungsverfahren mit den Verfahrenszwecken der Revision ausführlich unten §  4 IV. 3. 345  Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  144 Rn.  4. Dass das BVerwG trotz allem hierbei „die ihm obliegende Aufgabe maßstabsbildender Interpretation des revisiblen Rechts nicht vernachlässigen darf“, merkt Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  144 Rn.  9 zur Frage des Absehens von einer Rechtmäßigkeitskontrolle unter unmittelbarer Bestätigung des Berufungsurteils als im Ergebnis aus anderen Gründen richtig an.

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(e) Klärungsfähigkeit und reformatorische Entscheidungskomponente Der Ausschluss der Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage im zuzulassenden Revisionsverfahren wegen fehlender Kassationsaussichten ist somit als ein für das Revisionsgericht unüberwindbares Hindernis für dessen Befassung mit der zulassungsrelevanten Rechtsfrage im Wege der Rechtmäßigkeitskontrolle nach §  137 Abs.  1 VwGO zu verstehen. Mangelnde Überprüfungsmöglichkeiten schließen insoweit zugleich auch die Erfolgsaussichten der Revision zugunsten des Rechtsmittelklägers aus, weil dessen Ziel, die Aufhebung oder zumindest Minimierung seiner Beschwer durch die vorinstanzliche Tenorierung, nur über die Kassation des angegriffenen Judikates erreicht werden kann346. Nun ist aber die Revision kein ausschließliches Kontrollrechtsmittel, sondern nach §  144 Abs.  3, Abs.  4 VwGO auch auf eine eigenständige Entscheidung des Revisionsgerichts zur Sache angelegt, und sei es auch nur im Wege einer Rückverweisung an das Vordergericht mit entsprechender Bindungswirkung nach §  144 Abs.  3 S.  1 Nr.  2, Abs.  6 VwGO347. Endgültigen Erfolg kann die Revision für den Revisionskläger nur haben, wenn das Revisionsgericht im Zuge seiner eigenständigen Befassung mit der Rechtssache selbst eine reformatorische Sachentscheidung trifft, die im Vergleich zur Vorentscheidung für ihn günstiger ausfällt und damit seine Rechtsstellung tatsächlich verbessern kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass es durch die Reformationsentscheidung des Revisionsgerichts zu einer derartig begünstigenden Abänderung der vordergerichtlichen Tenorierung kommen wird, lässt sich in Anlehnung an die bisher behandelte Kassationsaussicht als Reformationsaussicht bezeichnen. An dieser mangelt es, wenn ausgeschlossen ist, dass die Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sachlich günstiger ausfallen wird als noch diejenige des Berufungsgerichts, was wiederum der Fall wäre, wenn die Revisionsentscheidung selbst nach Kassation des angefochtenen Judikates aus anderen, erst vom Revisionsgericht entwickelten und als entscheidungserheblich herangezogenen Gründen zur selben Tenorierung wie dieses gelangen würde. Diese Situation, in der das Ergebnis der Berufungsentscheidung zwar nicht aus den vom iudex a quo als entscheidungs346  Bettermann, ZZP 88, 365 (369); Saueressig, System, S.  309; Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  64. Der Wortlaut von §  144 Abs.  3 S.  1 Hs.  1 VwGO spricht davon, dass dem BVerwG eine eigene Entscheidung über die Sache wie auch eine Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz nur dann gestattet ist, wenn „die Revision begründet“ ist. Gemeint ist hiermit, dass zuvor festgestellt werden muss, dass das angegriffene Urteil i. S. d. §  137 Abs.  1 VwGO auf der Verletzung revisiblen Rechts beruht, vgl. Redeker, in: Redeker/von Oertzen, VwGO, §  144 Rn.  5. 347  BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1954 – V C 97.54 –, BVerwGE 1, 291 (299 f.); May, Revision, I Rn.  47; Bettermann, ZZP 88, 365 (372 f.); Gilles, Ziviljustiz, S.  102; Prütting, Zulassung, S.  93; Saueressig, System, S.  245, 309; Dethloff, ZRP 2000, 428 (431).

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erheblich erkannten, aber aus anderen Gründen richtig ist, ist im Revisionsverfahren der Anwendungsfall des §  144 Abs.  4 VwGO. Das Bundesverwaltungsgericht inkorporiert im Wege eines Analogieschlusses zu §  144 Abs.  4 VwGO diese Reformationsaussichten in die Revisionszulassungskontrolle und prüft demgemäß schon im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren, ob sich das Berufungsurteil unabhängig davon als im Ergebnis aus anderen Gründen richtig herausstellt, ob dessen tragende Begründung auf der Beantwortung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung beruht, die klärungsbedürftig und im Revisionsverfahren auch klärungsfähig wäre348. Die Rechtsprechung sieht demnach also sowohl hinreichende Kassationsaussichten als auch die Wahrscheinlichkeit einer reformatorischen Abänderung der vorinstanzlichen Tenorierung als erforderlich an, um den Revisionszugang aus Gründen eines höchstrichterlichen Rechtsfortbildungsbedarfes eröffnen zu können. Betrachtet man die fehlende Reformationsaussicht in der Sache als ein materielles Ausschlusskriterium der Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO, so wäre diese als eigenständiger Aspekt der Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage zu verstehen. Im Revisionsverfahren verpflichtet nämlich §  144 Abs.  4 VwGO das Gericht zur Aufrechterhaltung des angegriffenen Urteils, wenn es zwar – isoliert betrachtet – auf der Verletzung revisiblen Rechts beruht, die Reformationsentscheidung aber zu keiner anderen Tenorierung führen würde. Das Urteil ist also nicht etwa erst im Wege einer kassatorischen Entscheidung aufzuheben und durch eine Reformationsentscheidung gleichen Tenors zu ersetzen. Vielmehr ist es nach §  144 Abs.  4 VwGO unmittelbar zu bestätigen und die Revision daher zurückzuweisen349. Die ansonsten im Gesetz vorzufindende systematische und funktionale Trennung zwischen Kassations- und Reformationsentscheidung, wie sie im Wortlaut von §  144 Abs.  3 S.  1 VwGO zum Ausdruck kommt, wird in diesen Fällen also aus prozessökonomischen Gründen durchbrochen350. In den Fällen des §  144 Abs.  4 VwGO schlägt die reformatorische Entscheidungskompetenz des Revi­ 348  Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. August 1962 – III B 88.61 –, VerwRspr 15, 367 (367 f.); BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 1979 – 4 CB 73/79 –, Buchholz 310 §  144 VwGO Nr.  34 S.  3 f.; BVerwG, Beschluss vom 23. Juni 1988 – 5 B 56/88 –, Buchholz 436.36 §  18 BAföG Nr.  1 S.  1 f.; BVerwG, Beschluss vom 22. Juli 1992 – 6 B 43/92 –, DVBl. 1993, 49 (50); BVerwG, Beschluss vom 26. September 2002 – 2 B 23/02 –, NVwZ-RR 2003, 246 f. (relevanter Begründungsteil nicht abgedruckt, vgl. juris); Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  28. 349  BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 1963 – II C 166.60 –, BVerwGE 17, 16 (18 f.); BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1980 – 3 C 2/80 –, BVerwGE 60, 154 (160); Bettermann, ZZP 88, 365 (375). 350  Vgl. W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  144 Rn.  4 und Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  28.

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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sionsgerichts auf den Umfang seiner Kassationspflichten durch und verbietet den Verfahrensschritt der Aufhebung und Ersetzung eines eigentlich rechtswidrigen Urteils, dessen Ergebnis aber mit demjenigen der Reformationsentscheidung des iudex ad quem übereinstimmt351. In dieser Konstellation liegt der Grund für die Nichtaufhebung des Berufungsurteils also letzten Endes nicht darin, dass das Revisionsgericht im Zuge der Kassationskontrolle nach §  137 Abs.  1 VwGO zu einer Rechtsfrage, deren Beantwortung das Vordergericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, zur selben Auffassung wie die Vor­ instanz gelangt ist, sondern maßgeblich darin, dass die reformatorische Entscheidung des iudex ad quem zum selben Entscheidungsergebnis, eben nur aus anderen, vom iudex a quo nicht entscheidungserheblich herangezogenen Gründen, gekommen ist. In diesen Fällen fehlt es aus Sicht des Revisionsgerichts der Rechtsfrage – im vorliegenden Zusammenhang also auch einer solchen von grundsätzlicher Bedeutung i. S. v. §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO – nur rein faktisch an der Entscheidungserheblichkeit für das Revisionsurteil, weil dann im Ergebnis eine Kassation des Berufungsurteils ausgeschlossen erscheint, die sich gerade und zuvörderst auf die von der Rechtsansicht des Revisionsgerichts abweichende Beantwortung dieser Frage durch die Ausganginstanz gründet352. Besonders deutlich wird dies dann, wenn das Bundesverwaltungsgericht gänzlich auf eine Stellungnahme zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Judikates verzichtet und dessen Entscheidungsergebnis unmittelbar nach §  144 Abs.  4 VwGO bestätigt353. Fehlende Reformationsaussichten aufgrund der Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils aus anderen Gründen würden sich bei dieser Betrachtung als besonderer Fall mangelnder Kassationsaussichten darstellen, was ihre Berücksichtigung in der Zulassungsprüfung analog §  144 Abs.  4 VwGO gebieten könnte354. Die Klärung einer grundsätzliche bedeutsamen Rechtsfrage in einem Bettermann, ZZP 88, 365 (373 f.). So ausdrücklich BSG, Beschluss vom 12. Juli 1985 – 7 BAr 114/84 –, SozR 1500 §  160a Nr.  54 S.  71. 353  Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 14. Februar 1996 – 11 C 6/95 –, BVerwGE 100, 275 (277); BVerwG, Urteil vom 02. September 1999 – 2 C 22/98 –, BVerwGE 109, 283 (285); BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – 1 C 37/07 –, BVerwGE 132, 382 (384); Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  144 Rn.  9; Bettermann, ZZP 88, 365 (382 f.); Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  144 Rn.  18; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  144 Rn.  25; Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  34 f.; Udsching, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/ Udsching, Beck OK Sozialrecht, §  170 SGG Rn.  3. 354  So explizit Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  78 zur Klärungsfähigkeit von Divergenzen und Verfahrensmängeln im Revisionsverfahren: „[D]ie Frage des Beruhens ist nicht nach der objektiven Rechtslage zu beurteilen, sondern nach der subjektiven Rechtsauffassung des iudex a quo […]. Gerade diese Konstruktion der Zulassungstatbestände ist aber aus pragmatischen Gründen einer unverzögerten Herbeiführung des Rechtsfriedens nur hinnehmbar, wenn das Prozessgesetz ein Korrektiv enthält, das ver351 

352 

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

Revisionsverfahren wäre im Ergebnis dann nur angezeigt und daher auch zulassungsrechtlich nur dann zu ermöglichen, wenn sich ihre vom Vordergericht abweichende Beantwortung durch den iudex ad quem auch tatsächlich auf den Inhalt der Revisionsentscheidung auswirken würde, mithin für deren konkreten Tenor entscheidungserheblich wäre355. Gleichwohl sind die Fallgruppen, in denen die vordergerichtliche Tenorierung keiner Abänderung zugänglich ist, in Anbetracht der Entscheidungsfunktionen und Rechtsprechungsaufgaben der Revision nicht mit denjenigen Konstellation vergleichbar, in denen das Revisionsgericht aus materiell-rechtlichen oder prozessualen Gründen an der kassatorischen Überprüfung einer im Berufungsurteil geäußerten Rechtsauffassung gehindert wäre. Der Ausschluss der Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage im Revisionsverfahren wegen mangelnden Kassationsaussichten steht gerade deswegen der Zulassung der Revision entgegen, weil es in diesen Fällen schon rechtslogisch zwingend ausgeschlossen ist, dass sich das Revisionsgericht in entscheidungserheblicher Weise mit der Rechtsfrage befassen könnte. Anknüpfungspunkt hierfür ist also der Vorgang der Kassationskontrolle, nämlich die Frage, ob es dem Revisionsgericht im Zuge der Überprüfung der vorinstanzlichen Begründung überhaupt möglich wäre, zur Grundsatzfrage Stellung zu nehmen, um diese entweder abweichend oder ebenso wie der iudex a quo zu beantworten und hierdurch rechtsvereinheitlichend und rechtsfortbildend tätig zu werden356. Fehlt es hingegen an hinreichenden Reformationsaussichten, so führt dies nur dazu, dass das Ergebnis dieser Kassationskontrolle nicht zur Aufhebung der Entscheidung führen kann, gleichgültig, in welcher Weise die grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage zu beantworten wäre. Den Befassungsmöglichkeiten des Revisionsgerichts mit der Rechtsfrage steht dies aber gerade nicht entgegen. Ist nach einer reformatorischen Überprüfung die Tenorierung des iudex a quo aus anderen Gründen im Ergebnis richtig, so wirkt sich dies nach §  144 Abs.  4 VwGO lediglich als Verbot des Ausspruchs einer kassatorischen Aufhebungsentscheidung an den iudex ad quem aus, verwehrt diesem aber gerade nicht, die der Aufhebung vorgelagerte Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Urteils zu klären. Vielmehr setzt nach der gesetzlichen, im Wortlaut des §  144 Abs.  3 Hs.  1 VwGO zum Ausdruck kommenden Grundkonzeption der Revisionsentscheidung die Aushindert, dass ein Verfahrensfehler oder eine Divergenz, die bei zutreffender Einschätzung der materiellen Rechtslage ohne Bedeutung wäre, zur Zulassung einer von vornherein aussichtslosen Revision führt […]. Dieses Korrektiv enthält §  144 Abs.  4.“ 355  So im Ansatz BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 1963 – II C 166.60 –, BVerwGE 17, 16 (18 f.); Sendler, DVBl. 1992, 240 (241); Wenzel, NJW 2002, 3353 (3359); Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  28 und wohl auch Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  65. 356  Ähnlich Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  312-3.

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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übung der reformatorischen Kompetenzen des Bundesverwaltungsgerichts gerade voraus, dass sich dieses zunächst mit der Frage nach der Rechtswidrigkeit des Berufungsurteils in seinen Gründen und im Ergebnis befasst und dieses im Falle festgestellter Fehler – und sei es auch nur im Wege eines rechtslogisch abtrennbaren Entscheidungsschrittes357 – aufgehoben hat358. Auch §  144 Abs.  4 VwGO ist Ausdruck dieser reformatorischen Kompetenz des Revisionsgerichts359, nur dass dessen Rechtsfolge nicht in einer Abänderungsbefugnis, sondern in einem Aufhebungsverbot besteht360. Die Anwendung dieser Vorschrift Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  64. Vgl. auch Bettermann, ZZP 88, 365 (369): „In Wahrheit ist die Aufhebung nur ein Extremfall der Änderung, und die reformierende Entscheidung ersetzt die reformierte. Es ist in der Sache gleich, ob man formuliert: »unter Aufhebung« oder »in Abänderung des angefochtenen Urteils«. Doch braucht das Rechtsmittelgericht weder von Abänderung noch von Aufhebung zu sprechen, sondern nur für die Beteiligten klarzustellen, daß die neue Entscheidung an die Stelle der angefochtenen tritt.“ 358  Eichberger/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  137 Rn.  8; Eichberger/ Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  73; Bettermann, ZZP 88, 365 (368). 359  Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  29. 360  Insoweit trifft die gelegentlich in der Kommentarliteratur, etwa bei Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  144 Rn.  36; Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  27, 63 und Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  144 Rn.  16 zu findende Formulierung nicht zu, die Revision sei i. S. d. §  144 Abs.  3 S.  1 Hs.  1 VwGO begründet und eröffne die reformatorische Entscheidungsbefugnis des Revisionsgerichts, wenn das Berufungsurteil i. S. v. §  137 Abs.  1 VwGO revisibles Recht verletzt, auf dieser Rechtsverletzung beruht und sich das Urteil auch nicht nach §  144 Abs.  4 VwGO aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig darstellt. Dies zeigt auch schon die systematische Differenzierung des Gesetzes zwischen den einzelnen Absätzen des §  144 VwGO. Dessen Absätze 1 bis 3 nehmen – wenngleich nicht ausdrücklich – für die Frage, wann die Revision in ihrem Sinne begründet ist, nur auf §  137 VwGO, also auf den Ausgang der Kassationskontrolle Bezug, vgl. Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  144 Rn.  12. Andernfalls hätte die Regelung des §  144 Abs.  4 VwGO konsequenterweise als ein zweiter Satz des §  144 Abs.  2 VwGO ihren Eingang ins Gesetz finden müssen, nicht aber erst nach der Statuierung der reformatorischen Entscheidungskompetenz des Revisionsgerichts in §  144 Abs.  3 VwGO angebracht werden dürfen. Den konkreten Ausgang der Reformationsentscheidung zugunsten des Revisionsklägers betrachtet der Wortlaut des Gesetzes gerade nicht als Frage der »Begründetheit der Revision«, sondern beschränkt sich lediglich darauf, mit §  144 Abs.  3 S.  1 Hs.  2 VwGO dem Revisionsgericht eine entsprechende Entscheidungsbefugnis einzuräumen. Die Reformation kann danach nicht selbst »begründet oder unbegründet« sein, sondern nur entweder zugunsten oder zuungunsten des Rechtsmittelführers ausfallen. In den Fällen des §  144 Abs.  4 VwGO, in denen die Reformationsentscheidung also zuungunsten des Revisionsklägers ausgegangen ist, ist die Revision daher auch nicht »unbegründet«, sondern „zwar begründet, aber erfolglos“ und daher zurückzuweisen, so richtigerweise Bettermann, ZZP 88, 365 (373 f.) zum Zivilprozess. Gerade die im Rahmen dieser Arbeit behandelte Problemstellung zeigt, dass es notwendig ist, zwischen der kassatorischen und der reformatorischen Revisionskomponente klar zu unterscheiden. Es ist eben nicht, wie von Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 357 

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

setzt also eine bereits erfolgte Kassationskontrolle gerade voraus, ändert aber weder etwas am Erfordernis ihrer Durchführung noch an ihrem Ergebnis, sondern nur an der danach auszusprechenden Rechtsfolge361. Daher wird durch eine Revisionsentscheidung eine grundsätzliche Rechtsfrage auch dann einer abschließenden, weil für die konkrete Revisionsentscheidung selbst entscheidungserheblichen Klärung zugeführt wird, wenn das Bundesverwaltungsgericht zu dieser zwar im Rahmen des §  137 Abs.  1 VwGO Stellung genommen hat, die Revision aber letztlich nach §  144 Abs.  4 VwGO zurückweist. Auch wenn das zurückweisende Revisionsurteil in diesen Fällen maßgeblich an den Umstand der Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils aus anderen Gründen anknüpft, so handelt es sich dennoch bei den Ausführung des Revisionsgerichts zur Frage der Rechtswidrigkeit des Urteils nicht um bloße obiter dicta362. Unter der Prämisse, dass jede reformatorische Sachentscheidung, gleichgültig ob es sich dabei um eine solche nach §  144 Abs.  3 VwGO oder nach §  144 Abs.  4 VwGO handelt, die vorherige Aufhebung des angefochtenen Urteils voraussetzt, sind nämlich in der Kausalitätskette der Urteilsbegründung einer solchen Revisionsentscheidung alle Ausführungen, die für die Kassation des Judikates entscheidungstragend waren, auch für die hieran anknüpfende Reformationsentscheidung tragend. Der Zweck des Zulassungsgrundes des §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO, über eine entsprechende Rechtsmittelzulassung dem Revisionsgericht zu ermöglichen, Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, die vom zu kontrollierenden Berufungsurteil aufgeworfen wurden, einer abschließenden Klärung zuzuführen, wird also auch in den Fällen erreicht, in denen bereits im Zulassungsstadium feststeht, dass das angegriffene Judikat aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig zu bestätigen ist und daher die Revision letztlich keinen Erfolg haben kann363. Das Gesetz nimmt es gerade wegen seiner Ausrichtung auf die Wahrung der Rechtseinheit in Kauf, dass es in Fällen eines akuten höchstrichterlichen Klärungsbedarfes auch zur Zulassung von Revisionen kommen kann, die im Ergebnis nicht zur Verbesserung der Rechtsstellung der vor­ instanzlich beschwerten Partei führen. Die Ausblendung der reformatorischen §  144 Rn.  27 behauptet, „müßig, darüber zu streiten“, welche Bedeutung dem §  144 Abs.  4 VwGO im Gefüge der Entscheidungsvarianten des Revisionsgerichts zukommt, denn es handelt sich hierbei gerade nicht nur um eine „Frage der geeigneten Begrifflichkeit.“ 361  Ebenso Krasney, in: Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, IX. Rn.  54 zum Sozialprozess. 362  Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  144 Rn.  19; Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/ Bier, VwGO, §  144 Rn.  36. 363  Ebenso Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  890; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  133 Rn.  79; Fromm, DVBl. 1992, 709 (709) und Ruban, in: Gräber, FGO, §  116 Rn.  56.

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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Erfolgsaussichten in der Rechtssache aus der Revisionszulassungskontrolle nach §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO erweist sich damit also gerade als systemgerecht. Die Inkorporation der Reformationsaussichten in die materielle Zugangsprüfung nach §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO im Wege einer analogen Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Nichtzulassungsbeschwerde lässt sich insoweit also nicht auf den Gedanken stützen, dass es in den Fällen der Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils aus anderen Gründen an der Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage mangelt. (f) Zwischenfazit Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO die Zulassung der Revision zur Klärung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann rechtfertigen kann, wenn diese Rechtsfrage auch im Revi­ sionsverfahren klärungsfähig ist. Hierzu bedarf es einerseits der retrospektiven Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage für die Berufungsentscheidung und andererseits einer Prognose des Ablaufs des zuzulassenden Revisionsverfahrens dahingehend, ob auch in diesem das Gericht in entscheidungserheblicher Weise zu der Rechtsfrage Stellung nehmen müsste. Beide Fragen der Klärungsfähigkeit sind dabei ausgehend vom materiellen Rechtsstandpunkt des iudex a quo zu beantworten, ohne dass es dabei auf dessen rechtliche Tragfähigkeit ankäme. Das prognostische Element der Klärungsfähigkeit ist dabei nicht auf den Ablauf der Revisionsverfahrens in Gänze ausgerichtet, ­sondern ausschließlich auf die Frage, ob das Revisionsgericht im Zuge seiner kassatorischen Überprüfung des Berufungsurteils nach §  137 Abs.  1 VwGO zu dem Begründungsstrang durchdringen könnte, der die Grundsatzfrage beinhaltetet und ob deren Beantwortung für eine eventuelle Aufhebung des Judikates von Entscheidungsrelevanz wäre. Da die Kassation des Berufungsurteils eine Voraussetzung des sachlichen Erfolges der Revision zugunsten des Rechtsmittelführers ist, stellt sich dieser Teil der Zulassungsprüfung nach §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO als begrenzte Erfolgsaussichtenprüfung im Zulassungsstadium dar. Fehlt es an diesen Kassationsaussichten, kann die Revision weder gerade in Anbetracht der Behandlung der grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfrage zur Aufhebung des Urteils führen und damit gerade aus diesem Grund Erfolg haben, noch kann sie bereits zugelassen werden. Anknüpfungspunkt der Zulassungsprüfung ist insoweit allein die kassatorische Funktionskomponente der Revision. Die reformatorische Entscheidungskompetenz des Revisionsgerichts spielt dagegen im Zulassungsstadium keine Rolle. Dies gilt insbesondere auch für die Entscheidungsvariante nach §  144 Abs.  4 VwGO. Der Umstand, dass sich schon im Rahmen der Zulassungsprüfung die an Sicherheit grenzende

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

Wahrscheinlichkeit offenbaren würde, dass das Berufungsurteil jedenfalls aus anderen Gründen richtig ist und daher die Revision letztlich zurückzuweisen wäre, hindert das Revisionsgericht nicht, im Zuge der Rechtsmäßigkeitskontrolle nach §  137 Abs.  1 VwGO in entscheidungserheblicher Weise Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären. Die Nichtberücksichtigung dieser Reformationsaussichten durch das geltende Zulassungsrecht hat sich insoweit als systemgerecht erwiesen, weshalb diese auch nicht mittels eines Analogieschlusses zu §  144 Abs.  4 VwGO in die Zulassungsprüfung nach §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO eingebunden werden können. (2) Entscheidungserheblichkeit von Abweichungen und Verfahrensmängeln für die Berufungsentscheidung, §  132 Abs.  2 Nr.  2, Nr.  3 VwGO Ausweislich des Wortlauts der gesetzlichen Bestimmungen kann eine Rechtssache zur Divergenzrevision nach §  132 Abs.  2 Nr.  2 VwGO und zur Verfahrensrevision nach §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO nur dann zugelassen werden, wenn die angefochtene Entscheidung auf der Abweichung oder dem Verfahrensmangel beruht. Genau wie bei der Grundsatzrevision nach §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO bildet also auch in diesen Fällen der konkrete Begründungsansatz des angefochtenen Urteils den Ausgangspunkt sowohl für die Zulassungs- als auch für die Revisionsentscheidung, denn Rechtsfragen, die für das vordergerichtliche Urteil nicht entscheidungsrelevant waren, können weder dessen Aufhebung rechtfertigen noch alleine den Anlass für die Durchführung eines entsprechenden Rechtsmittelverfahrens bilden364. Ob der materielle Rechtsstandpunkt der Vorinstanz aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts zutrifft oder nicht, spielt für die Frage des Beruhens des Urteils auf Divergenzen und Verfahrensmängeln danach ebenso wenig eine Rolle wie im Anwendungsbereich des §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO365. (a) Beruhen auf Divergenz Das Berufungsurteil beruht im Sinne des §  132 Abs.  2 Nr.  2 VwGO auf einer abweichenden Rechtsansicht, wenn diese nicht hinweggedacht werden könnte, BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 1989 – 7 B 188/88 –, DVBl. 1990, 58 (59 f.); Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  132 Rn.  19; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  97. 365  BVerwG, Beschluss vom 03. März 1961 – VIII CB 169.60 –, DVBl. 1961, 930 (nur Leitsatz); BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1998 – 11 C 11/96 –, BVerwGE 106, 115 (119); BVerwG, Beschluss vom 11. Juli 2000 – 8 B 154/00 –, NVwZ 2000, 1299 (1299); BAG, Beschluss vom 26. Juni 2001 – 9 AZN 132/01 –, BAGE 98, 109 (112); BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 2005 – 9 B 38/04 –, NVwZ 2005, 447 (449); Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  124; Traut, Zugang zur Revision, S.  109; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  105. 364 

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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ohne dass dadurch der Tenor der Entscheidung in Frage gestellt werden würde366. Erforderlich, aber auch ausreichend, ist dabei die Möglichkeit, dass die Entscheidung unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung, von der abgewichen wurde, anders ausgefallen wäre367. Die Zulassung der Revision wegen Divergenz setzt somit voraus, dass es sich bei den entsprechenden Rechtsausführungen der Vorinstanz nicht nur um bloß beiläufige Bemerkungen i. S. v. obiter d­ icta, sondern um entscheidungstragende Elemente der Berufungsentscheidung handelt368. Dies ist auch dann nicht der Fall, wenn der iudex a quo seine Entscheidung auf mehrere selbstständig tragende Erwägungen gestützt hat und die Divergenz nicht sämtliche dieser Begründungsstränge erfasst369. Zwar wird an sich durch jede von einer höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichende Rechtsauffassung der Untergerichte die Rechtseinheit potentiell gefährdet, weil sich diese möglicherweise in später zu entscheidenden Fällen als sachlich unrichtiges Rechtsprinzip fortsetzen kann370, welchem bereits im Vorfeld durch eine ablehnende Stellungnahme des Revisionsgerichts vorgebeugt werden könnte371. Anlass für ein korrigierendes Eingreifen des Revisionsgerichts in die Judikatur der Berufungsinstanzen sieht das geltende Rechtsmittelzulassungsrecht aber nur dann, wenn die Abweichung Einfluss auf das sachliche Entscheidungsergebnis der Vorinstanz gezeitigt haben kann372. 366  BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 1953 – I B 10.53 –, BVerwGE 1, 1 (2 f.); BVerwG, Beschluss vom 26. März 1974 – V B 14.72 –, Buchholz 310 §  132 VwGO Nr.  119 S.  66 f.; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  395; Maetzel, MDR 1961, 453 (454). 367  BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 1953 – I B 10.53 –, BVerwGE 1, 1 (3); BVerwG, Urteil vom 25. August 1971 – IV C 23.69 –, NJW 1972, 269 (270); BVerwG, Beschluss vom 26. März 1974 – V B 14.72 –, BVerwGE 45, 112 ff. (relevanter Entscheidungsteil nicht mit abgedruckt, vgl. juris); Redeker, in: Redeker/von Oertzen, VwGO, §  132 Rn.  15; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  97. Gleiches gilt für Verfahrensmängel, vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. August 1962 – V B 83.61 –, BVerwGE 14, 342 (346) 368  Bader, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, §  132 Rn.  23; Pietzner/­ Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  78. 369  BVerwG, Beschluss vom 20. August 1993 – 9 B 512/93 –, DVBl. 1994, 210; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  395; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  132 Rn.  14; Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  129. 370  Vgl. Hanack, Ausgleich, S.  251. May, Revision, IV Rn.  84 weist darauf hin, dass es den Entscheidungsbegründungen der Berufungsinstanzen im Gegensatz zu denen der Revisionsgerichte regelmäßig an der Vorbildwirkung für die weitere Rechtsanwendung fehlen dürfte und daher deren obiter dicta keinen Divergenzausgleich erfordern. Ob dies vor dem Hintergrund, dass gerade die Verwaltungsgerichte als Eingangsinstanzen auf eine Übereinstimmung ihrer Rechtsanwendung mit der Rechtsprechung der ihnen übergeordneten Oberverwaltungsgerichte bedacht sein werden, zutrifft, erscheint zweifelhaft. 371  Grunsky, in: Dietrich/Gamillscheg/Wiedmann, Festschrift Hilger/Stumpf, S.  261 (263); Hanack, Ausgleich, S.  254. 372  Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  123; Hanack, Ausgleich, S.  288.

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

Die Revisionszulassung wegen Abweichung bezweckt wie jedes andere Verfahren des Divergenzausgleichs die Sicherstellung einer einheitlichen Aus­ legung und Anwendung des Rechts durch die untergeordneten Gerichte373. Das Prozessrecht eröffnet das Rechtsmittel in diesen Fällen, um zu verhindern, dass ein Urteil, welches sich in seinen Entscheidungsgrundlagen in ausdrücklichem Widerspruch zu einer bereits bestehenden Rechtsprechungslinie der übergeordneten Gerichte setzt, ohne die Möglichkeit einer diesbezüglichen Stellung­ nahme des Divergenzgerichts zur Korrektur der vordergerichtlichen, aber auch gegebenenfalls der eigenen Rechtsprechungspraxis, in Rechtskraft erwachsen kann374. Vor dem Hintergrund, dass regelmäßig davon auszugehen ist, dass ohne eine Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen das Revisions­ gericht an seiner bisherigen Rechtsprechung festhalten dürfte375, trägt die Divergenz aus Sicht des Rechtsschutzsuchenden eine erhöhte Fehleranfälligkeit und damit in gewissem Umfang eine Unrichtigkeitsvermutung in sich376. Diese erstreckt sich aber nur dann auch auf die vom Vordergericht dem Rechtsstreit zugeführte Lösung und rechtfertigt eine Neubehandlung der Sache in der höheren Instanz, wenn ein Einfluss der Divergenz auf das sachliche Entscheidungsergebnis aus Sicht des iudex a quo nicht ausgeschlossen werden kann377. Ist dies zu verneinen, so könnte auch im Wege der Kassationskontrolle nach §  137 Abs.  1 VwGO mangels Kausalität der eventuellen Gesetzesverletzung die Aufhebung der Entscheidung allein aus diesem Grund nicht ausgesprochen und der Rechtsstreit einer erneuten Behandlung zugänglich gemacht werden. §  132 Abs.  2 Nr.  2 VwGO überträgt diese Erwägung in das Stadium der Revisionszulassung. Im Anwendungsbereich der Divergenzzulassung bezieht sich die der Zulassungsfähigkeit wesenseigene Prüfung der Kassationsaussichten des Rechtsmittels insoweit allein auf die retrospektiv zu beantwortende Frage, ob das Berufungsurteil, sollte sich die Abweichung im Rahmen der Kassations­ kontrolle nach §  137 Abs.  1 VwGO tatsächlich als Verletzung revisiblen Rechts herausstellen, auch auf dieser Gesetzesverletzung beruhen würde und gerade 373 

BVerwG, Beschluss vom 27. Februar 1997 – 5 B 155/96 –, Buchholz 310 §  132 Abs.  2 Ziff.  1 VwGO Nr.  15 S.  22; Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  57. 374  Ähnlich Duske, Aufgaben, S.  61; Hanack, Ausgleich, S.  364; Kummer, Nichtzulassungs­ beschwerde, Rn.  891. 375  So Schneider, NJW 1977, 1043 (1043). 376  Schafft, Selektion, S.  51, 183 f. und Hanack, Ausgleich, S.  110, 285 erinnern daran, dass beim Vorliegen einer Divergenz eine der beiden Vergleichsentscheidungen im Beurteilungszeitpunkt denklogisch objektiv falsch sein muss und im Regelfall eine Vermutung dafür spreche, dass es sich dabei um das abweichende Urteil handeln dürfte. 377  Hanack, Ausgleich, S.  253.

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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deshalb dessen Aufhebung in Betracht käme378. Dies ist für die Zulassungs­ fähigkeit der Rechtssache nach §  132 Abs.  2 Nr.  2 VwGO erforderlich, aber auch ausreichend. Auch im Rahmen dieses Zulassungstatbestandes überschneiden sich also in gewissem Umfang die Voraussetzungen der Rechtsmittelzulassung mit denjenigen des Rechtsmittelerfolges nur in Anbetracht der kassatorischen Entscheidungskomponente der Revision. Während die Klärung der Frage, ob das Berufungsurteil überhaupt von Judikaten höherer Gerichte in entscheidungsrelevanter Weise abweicht, damit allein der Zulassungsprüfung vorbehalten ist379, ist es demgegenüber keine Frage der Divergenzfeststellung, sondern ausschließlich Gegenstand der Feststellung einer kausalen Gesetzesverletzung im Rahmen der zugelassenen Revision nach §  137 Abs.  1 VwGO, ob die diesbezügliche Rechtsauffassung des Vordergerichts zu bestätigen oder zu verwerfen wäre380. Die Zulassungskontrolle nach §  132 Abs.  2 Nr.  2 VwGO hat die Aufgabe, entscheidungstragende Abweichungen zu identifizieren und sie einer Befassung durch das Bundesverwaltungsgericht in einem Revisionsverfahren zuzuführen, nicht aber, schon selbst für den angestrebten Divergenzausgleich zu sorgen. Daher ist es für §  132 Abs.  2 Nr.  2 VwGO irrelevant und demgemäß im Zulassungsstadium auch nicht zu prüfen, ob das Berufungsgericht zu Recht von der höhergerichtlichen Rechtssprechungslinie abgewichen ist und ob dessen Entscheidungsergebnis objektiv mit geltendem Recht in Einklang steht381. (b) Beruhen auf vorliegendem Verfahrensmangel Ob die Berufungsentscheidung auf einem ordnungsgemäß geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Verfahrensmangel beruht und daher nach §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO die Revision zuzulassen oder ein Durchentscheiden im Be378  Die Anforderungen an die Kassationsaussichten sind insoweit im Bereich des §  132 Abs.  2 Nr.  2 VwGO geringer als diejenigen nach §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO, weil nur die Grundsatzzulassung die prognostische Feststellung erfordert, dass die zulassungsrelevante Rechtsfrage im Revisionsverfahren auch klärungsfähig ist. Auf die Ausführungen zur Kassationsaussicht im Allgemeinen bei §  4 IV. 2. b) bb) (1) (d) sei an dieser Stelle verwiesen. 379  Die bloße Möglichkeit einer zulassungsrelevanten Abweichung genügt daher für den Revisionszugang nicht, diese muss sich anhand des vom Vordergericht festgestellten Sachverhalts unzweifelhaft der Urteilsbegründung entnehmen lassen können, vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1960 – VIII B 37.59 –, NJW 1960, 594 (595); Redeker, in: Redeker/ von Oertzen, VwGO, §  132 Rn.  15; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  132 Rn.  19; Meyer-Ladewig, in: Bachof/Heigl/Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (421). 380  BAG, Beschluss vom 26. Juni 2001 – 9 AZN 132/01 –, BAGE 98, 109 (112); Grunsky, in: Dietrich/Gamillscheg/Wiedmann, Festschrift Hilger/Stumpf, S.  261 (266); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  891; May, Revision, IV Rn.  76. 381  Hanack, Ausgleich, S.  279.

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

schwerdeverfahren nach §  133 Abs.  6 VwGO möglich ist, beurteilt sich prinzipiell nach denselben Grundsätzen wie im Rahmen von §  132 Abs.  2 Nr.  2 VwGO382. Ausgehend von der materiell-rechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts, die zum Zwecke der Zulassungsentscheidung als zutreffend zu unterstellen ist383, hat das Beschwerdegericht zu untersuchen, ob die Vorinstanz bei korrekter Hand­ habe des Verfahrensrechts zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, welches für den Beschwerdeführer sachlich günstiger ausgefallen sein müsste384. Wie sich der weitere Verfahrensablauf dabei konkret vollzogen hätte, lässt sich seitens des Bundesverwaltungsgerichts zumeist nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit prognostizieren, weil diesem die Möglichkeiten zur eigenen Tatsachenfeststellung fehlen385. Insoweit genügt für die Feststellung des Kausalzusammenhangs im Bereich der Verfahrensrevision bereits die Erkenntnis, dass ein Einfluss der Gesetzesverletzung auf die Sachentscheidung des Vordergerichts nicht ausgeschlossen werden kann, ohne dass dazu festgestellt werden müsste oder könnte, wie diese Sachentscheidung im Rahmen eines ordnungs­ gemäßen Verfahrensganges tatsächlich ausgefallen wäre386. Da sich die Frage, welchen verfahrensrechtlichen Weg das zur Entscheidung über die Sache berufene Gericht einzuschlagen hat, nach dessen materiell-rechtlichen Standpunkt beurteilt, können sich die prozessualen Anforderungen an dessen Verfahrensgang und demnach auch die Missachtung derselben nur aus dessen Perspektive bestimmen387. Dementsprechend können solche Umstände nicht als Verfahrensverstöße gerügt werden, die aus Sicht der Vorinstanz für dessen Entscheidung nicht erheblich waren. Dies gilt insbesondere für die Rüge Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  150; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  123. BVerwG, Beschluss vom 26. November 1970 – I B 87.70 –, Buchholz 310 §  132 VwGO Nr.  68 S.  14 f.; BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1998 – 11 C 11/96 –, BVerwGE 106, 115 (119); BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 1996 – 11 B 150/95 –, NVwZ-RR 1996, 369 (369); B ­ VerwG, Beschluss vom 11. Juli 2000 – 8 B 154/00 –, NVwZ 2000, 1299 (1299); BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 2005 – 9 B 38/04 –, NVwZ 2005, 447 (449); Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  124. Kritisch zu dieser Beurteilungsperspektive Czybulka, in: Sodan/ Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  107. 384  BVerwG, Beschluss vom 14. August 1962 – V B 83.61 –, BVerwGE 14, 342 (346); BVerwG, Urteil vom 29. März 1968 – IV C 27.67 –, BVerwGE 29, 261 (268); BGH, Urteil vom 18. Juli 2003 – V ZR 187/02 –, NJW 2003, 3205 (3205 f.); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  462. 385  Eichberger/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  137 Rn.  108; Krämer, in: Pfeiffer/Kummer/Scheuch, Festschrift Brandner, S.  701 (711). 386  BVerwG, Urteil vom 29. März 1968 – IV C 27.67 –, BVerwGE 29, 261 (268); BVerwG, Beschluss vom 04. September 2008 – 9 B 2/08 –, NVwZ 2009, 253 (255); Geis/Thirmeyer, JuS 2013, 799 (802); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  462; Hamm, Revision in Strafsachen, Rn.  522. 387  Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  106. 382  383 

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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mangelnder Sachverhaltsaufklärung im Sinne des §  86 Abs.  1 VwGO388. Ein Einfluss des Prozessrechtsverstoßes ist darüber hinaus bereits prinzipiell ausgeschlossen in Fällen, in denen lediglich die Verletzung einer bloßen Ordnungsvorschrift gerügt wird, die an sich in keinem inneren Zusammenhang mit der Behandlung der Sache selbst steht389. Gleiches gilt für solche Mängel, die nicht der Hauptsacheentscheidung, sondern lediglich einer vordergerichtlichen Neben­ entscheidung anhaften390. Im Übrigen gilt auch im Bereich der Verfahrens­ revision, dass das anzugreifende Urteil dann nicht auf dem Gesetzesverstoß beruht, wenn das Berufungsgericht seine Entscheidung auf mehrere selbstständig tragende Gründe gestützt hat und diese nicht sämtlich von dem Mangel erfasst werden391. Betrifft der vorinstanzliche Verfahrensfehler einen absoluten Revisionsgrund, so wird unwiderleglich vermutet, dass die Entscheidung auf diesem beruht, denn die Vermutungsregelung des §  138 VwGO gilt bereits im Rahmen der Revisionszulassung392. Die durch einen absoluten Revisionsgrund infizierten Sachverhaltsfeststellungen können keine taugliche Grundlage für eine weitere Behandlung der Sache durch das Revisionsgericht liefern, weshalb bereits ihr bloßes Vorliegen zur Aufhebung und Zurückverweisung zwingt, unabhängig davon, ob nachgewiesen werden könnte, dass sich der Verstoß tatsächlich auf die Entscheidungsfindung des Vordergerichts ausgewirkt hat393. Diese Fiktion gilt aber nur eingeschränkt im Rahmen des §  138 Nr.  3 VwGO. Erfasst ein Gehörsverstoß nicht den gesamten vordergerichtlichen Prozessstoff, sondern nur einzelne tatrichterliche Feststellungen, so muss gleichwohl gesondert dargelegt und geprüft werden, ob der Verfahrensfehler auf das sachliche Entscheidungsergebnis von Einfluss gewesen sein konnte, weil in diesen Fällen

388  BVerwG, Beschluss vom 09. August 1962 – V B 70.62 –, VerwRspr 15, 368 (368); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  463. 389  BVerwG, Beschluss vom 18. August 1981 – 4 B 77/81 –, Buchholz 310 §  117 VwGO Nr.  16 S.  2; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  124. 390  Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  98 m. w. N. 391  BVerwG, Beschluss vom 13. August 1981 – 3 B 31/81 –, Buchholz 310 §  138 Ziff.  3 VwGO Nr.  33 S.  3; BVerwG, Beschluss vom 05. September 2008 – 9 B 10/08 – (unveröffentlicht, juris); Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  125. 392  BVerwG, Beschluss vom 15. September 1995 – 4 B 173/95 –, DVBl. 1996, 106 (107); Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  56. 393  Vgl. Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  138 Rn.  1. Aus eben diesem Grund kommt im Revisionsverfahren eine Aufrechterhaltung der Entscheidung wegen Richtigkeit im Ergebnis nach §  144 Abs.  4 VwGO von vornherein nicht in Betracht, vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2003 – 8 C 1/02 –, NVwZ 2003, 1129 (1130); Suerbaum, in: Posser/Wolff, VwGO, §  138 Rn.  9; Baring, Gutachten A für den 44. DJT. S.  70; Maetzel, MDR 1961, 453 (455). A. A. Eichberger, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  138 Rn.  10 ff., 18 m. w. N. zum Streitstand.

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

nicht die gesamte Entscheidungsgrundlage durch den Verfahrensmangel in Frage gestellt wird 394. Mit der Umstrukturierung des Rechts der Revisionszulassung wegen Verfahrensfehlern im Zuge des 4. VwGOÄndG wurden die Aufgaben, die zuvor der ausschließlichen Verfahrensrevision zukamen, aus dem eigentlichen Rechts­ mittelverfahren in das Stadium des Rechtsmittelzugangs vorverlagert395. Weil ein prozessualer Mangel nach §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO die revisionsrichterliche Kontrolle nunmehr nur dann eröffnet, wenn dieser auch tatsächlich vorliegt, obliegt es bereits dem Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde aufzuklären, inwieweit das vorinstanzliche Entscheidungsergebnis durch einen prozessrechts­ widrigen Verfahrensgang beeinflusst wurde396. Verfahrensrügen, die andernfalls erst im Wege der Revisionsbegründung nach §  139 Abs.  3 S.  4 VwGO erhoben und begründet werden müssten, sind daher schon als Zulassungs- bzw. Beschwerdegründe nach §  133 Abs.  3 S.  3 VwGO geltend zu machen397. Das Ziel dieser Rügen, die Aufhebung des Berufungsurteils und die Zurückver­ weisung der Sache an die Vorinstanz, kann dementsprechend systemkonsequent nicht nur im Revisionsverfahren durch §  144 Abs.  3 S.  1 Nr.  2 VwGO, sondern bereits im Beschwerdeverfahren durch §  133 Abs.  6 VwGO erreicht werden398. Dass sich im Vergleich zu den anderen Zulassungstatbeständen im Rahmen des 394  BVerwG, Urteil vom 30. August 1962 – VIII C 49.60 –, BVerwGE 15, 24 (25 f.); ­BVerwG, Urteil vom 29. September 1994 – 3 C 28/92 –, BVerwGE 96, 368 (369, 372); B ­ VerwG, Urteil vom 25. Januar 1995 – 11 C 9/94 –, DVBl. 1995, 695 f. (relevanter Begründungsteil nicht mit abgedruckt, vgl. juris); BVerwG, Urteil vom 23. August 1996 – 8 C 19/95 –, BVerwGE 102, 7 (11); BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2003 – 8 C 1/02 –, NVwZ 2003, 1129 (1130). Dementsprechend wird in diesen Fällen des §  138 Nr.  3 VwGO auch angenommen, dass eine Zurückweisung der Revision gemäß §  144 Abs.  4 VwGO auf Grundlage der nicht vom Gehörsverstoß betroffenen Sachverhaltsfeststellungen nicht ausgeschlossen ist. Vgl. dazu neben den vorgenannten Entscheidungen auch BVerwG, Urteil vom 20. Februar 1981 – 7 C 78/80 –, BVerwGE 62, 6 (10 f.); BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2002 – 8 C 37/01 –, NVwZ 2003, 224 (225). 395  Finkelnburg, in: Schmidt-Aßmann/Sellner/Hirsch/Kemper/Lehmann-Grube, Fest­gabe 50 Jahre BVerwG, S.  173 (179); Baumgärtel, Zulassungsberufung, S.  140. 396  Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  85; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  109 f. 397  Dem Revisionskläger sind gleichwohl Verfahrensrügen nicht abgeschnitten, welche er nicht zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde vorgebracht hat. Auch eine aus sachlich-rechtlichen Gründen zugelassenen Revision kann zusätzlich oder sogar ausschließlich mit Verfahrensrügen begründet werden, vgl. Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  16. 398  Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  100. Vgl. hierzu und zu den daraus zu ziehenden verfahrensrechtlichen Schlussfolgerungen für die Frage nach der Berücksichtigungsfähigkeit der Erfolgsaussichten der Revision im Rahmen ihrer Zulassung §  4 IV. 2. c) bb) (2).

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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§  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO die Beschwer des Rechtsmittelführers aus dem geltend gemachten Zulassungsgrund ergeben muss, der gerügte Verfahrensfehler also gerade dessen prozessuale Rechtsstellung betreffen muss399, erscheint angesichts dessen nur folgerichtig. Damit entsprechen aber der Kontrollumfang und die Funktionsweise der Verfahrensbeschwerde nach §§  132 Abs.  2 Nr.  3, 133 Abs.  6 VwGO weniger einer reinen ausschließlich vorgelagerten Zugangs-, sondern mehr einer eigenständigen Kassationsprüfung. Revisions- und Revisionszulassungsgründe sind in diesem Bereich kongruent400. Wird die Revision wegen Verfahrensmängeln zugelassen, so steht regelmäßig bereits im Zeitpunkt des Rechtsmittelzugangs fest, dass das angegriffene Urteil jedenfalls nicht aus den von der Vorinstanz angeführten Erwägungen aufrechterhalten werden kann, weil es i. S. v. §  137 Abs.  1 VwGO auf einer Gesetzesverletzung beruht und es daher zu einer kassatorischen Revisionsentscheidung kommen wird401. Im Anwendungsbereich des §  132 Abs.  2 Nr.  3 399  Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Juli 1992 – 6 B 43/92 –, DVBl. 1993, 49 (49 f.); BVerwG, Beschluss vom 04. April 2000 – 7 B 190/99 –, VIZ 2000, 661 (662); BVerwG, Beschluss vom 03. November 2000 – 7 B 116/00 –, NVwZ 2001, 201 (202) sowie Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  26; Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  197. Das Rügerecht für diese Art von Fehlern unterliegt dabei dem Präklusionsvorbehalt von §  173 S.  1 VwGO i. V. m. §  295 Abs.  2 ZPO, vgl. Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, R. 458; Kuhla, in: Kuhla/Hüttenbrink/Endler, Der Verwaltungsprozess, Abschnitt F Rn.  125; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  137 Rn.  20. 400  Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  41 f. 401  Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 03. Februar 1993 – 11 B 12/92 –, NVwZ-RR 1994, 120; BVerwG, Beschluss vom 11. Juli 2000 – 8 B 154/00 –, DVBl. 2001, 308; BVerwG, Beschluss vom 02. Juni 2005 – 10 B 4/05 – (unveröffentlicht, juris); BVerwG, Beschluss vom 28. März 2006 – 1 B 91/05, 1 B 91/05 (1 C 6/06) –, NVwZ 2007, 346 (347). Aufgrund der dadurch bedingten notwendigen Doppelprüfung des Verfahrensmangels einerseits im Beschwerde-, andererseits im Revisionsverfahren kann es dazu kommen, dass die Verfahrensrüge zunächst als durchgreifend, später aber als unbegründet angesehen werden könnte. Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  41 führt hierzu etwa das den Entscheidungen BVerwG, Beschluss vom 28. März 2006 – 1 B 91/05, 1 B 91/05 (1 C 6/06) –, NVwZ 2007, 346 f. und BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 – 10 C 8/07 –, BVerwGE 129, 251 (263) zugrunde liegende Verfahren an. Dies bestätigt nur die Einsicht, dass es auch im Rahmen der Revisionszulassung wegen prozessualer Fehler eben nur die Aussicht auf eine daraus resultierende Kassation der Entscheidung ist, die den Rechtsmittelzugang vermittelt, nicht aber eine entsprechende Garantie. Wird das Urteil dagegen schon im Beschwerdeverfahren nach §  133 Abs.  6 VwGO aufgehoben, obwohl es tatsächlich nicht an dem geltend gemachten Verfahrensfehler leidet, so realisiert sich darin nur die auch sonst bestehende Gefahr richterlicher Fehleinschätzungen. Jeder Doppelprüfung ist die Möglichkeit einer späteren, besseren richterlichen Einsicht immanent, insbesondere, wenn dem Gericht im Rahmen der ersten Beurteilung nur beschränkte Erkenntnismöglichkeiten zur Verfügung stehen, vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 16. August 1999 – NC 9 S 31/99, NC 9 S 32/99, NC 9 S 33/99, NC 9 S 34/99 –, NVwZ 1999, 1357.

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

VwGO setzt die Zulassungsfähigkeit der Rechtssache daher ein quantitativ höheres Maß an Kassationsaussichten voraus, die sich wegen des Erfordernisses des tatsächlichen Vorliegens des Verfahrensmangels und seiner Entscheidungserheblichkeit auch auf den Ausgang der Kassationskontrolle erstrecken. Sind diese gegeben, kann aber das Berufungsurteil schon unmittelbar nach §  133 Abs.  6 VwGO im Beschwerdeverfahren aufgehoben werden und die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen werden. Die Zulassung der Revision kann in diesen Fällen r­ egelmäßig nur noch dann angezeigt sein, wenn der Fall auch materielle Rechtsfragen aufwirft, deren Klärung i. S. v. §  132 Abs.  2 Nr.  1, Nr.  2 VwGO erforderlich ist402 oder das Urteil nach §  144 Abs.  4 VwGO aus materiell-rechtlichen Gründen im Ergebnis bestätigt werden soll, wenn die nicht vom Verfahrensmangel infizierten Tatsachenfeststellungen jeweils hierzu ausreichen403. Dies bedeutet gleichwohl nicht, dass die Aussichten auf eine reformatorische Sachentscheidung im Bereich der Verfahrensfehlerzulassung damit doch Einfluss auf die Zulassung der Revision hätten. Fehlt es nämlich trotz identifizierter Verfahrensfehlerhaftigkeit des Berufungsurteils an einem reformatorischen Entscheidungsbedarf, so führt dies lediglich dazu, dass ausschließlich eine Aufhebung des Urteils im Beschwerdeverfahren gemäß §  133 Abs.  6 VwGO als prozessökonomische Verfahrensweise in Betracht kommt. Die entscheidungstragenden Rechtsausführungen des iudex ad quem in diesem zurückverweisenden Beschluss entfalten ebenso wie diejenigen in einem Revisionsurteil nach §  144 Abs.  3 S.  1 Nr.  2 VwGO Bindungswirkung gemäß §  144 Abs.  6 VwGO für die erneute Sachbehandlung durch den iudex a quo im zweiten Rechtsgang404. 402  Wird der genaue „Umfang der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache“ nämlich nicht allein durch den Verfahrensmangel bestimmt, sondern hängt dieser auch von der Beantwortung einer klärungsfähigen, grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage i. S. d. §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO ab, so kann „ausnahmsweise“ auch bei identifizierter Verfahrensfehlerhaftigkeit des Berufungsurteils die Zulassung der Revision anstatt einer Aufhebung und Zurückverweisung durch Beschluss nach §  133 Abs.  6 VwGO angezeigt sein, so BVerwG, Beschluss vom 28. März 2006 – 1 B 91/05, 1 B 91/05 (1 C 6/06) –, NVwZ 2007, 346 (347). 403  Da es in diesen Fällen dann auch zu einer materiell-rechtlichen Revisionsprüfung unter Zugrundelegung des diesbezüglichen Rechtsstandpunktes des Revisionsgerichts kommt, deren Ausgang eben nicht durch das Ergebnis der Kassationskontrolle nach §  137 Abs.  1 VwGO präjudiziert wird, ist nach erfolgter Zulassung der endgültige Rechtsmittelerfolg wieder offen. Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2003 – 8 C 1/02 –, NVwZ 2003, 1129 (1130) zu Gehörsverstößen betreffend einzelne tatrichterliche Sachverhaltsfeststellungen: „Denn ein solcher Mangel ist im Revisionsverfahren heilbar und führt deshalb zwar zur Zulassung der Revision nach §  132 Absatz II Nr.  3 VwGO, nicht aber auch ohne weiteres zu ihrem Erfolg, es sei denn, es handele sich um eine reine Verfahrensrevision“. Ebenso Pietzner/ Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  86, 88. 404  BVerwG, Beschluss vom 21. August 1997 – 8 B 151/97 –, NJW 1997, 3456; BVerwG,

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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Der beschwerten Partei wird in diesen Fällen also die von ihr begehrte Auf­ hebungsentscheidung nicht verweigert, sondern gerade gewährt, allerdings eben in Beschlussform405. Formal kommt es dabei also zwar nicht zur Revi­ sionszulassung, wohl aber zu einer echten Rechtsmittelentscheidung, nur eben ohne vorangegangene ausdrückliche Zulassung. Ob über die durchgeführte Verfahrensfehlerkontrolle hinaus noch ein Bedürfnis nach einer reformatorischen Entscheidung des Revisionsgerichts in der Sache selbst besteht, kann insoweit nur ein ermessenleitender Gesichtspunkt für die rein verfahrensrecht­ liche Entscheidung sein, ob das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht schon im Beschwerdestadium durch einen Beschluss nach §  133 Abs.  6 VwGO zu beenden ist oder hierzu doch erst noch durch Zulassung der Revision ins eigentliche Rechtsmittelverfahren selbst einzutreten ist 406. Die Frage des Ob des Rechtsmittelzugangs wird also auch im Bereich des §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO nicht durch die reformatorischen Erfolgsaussichten der Revision determiniert. (c) Reformationsaussichten als systemnotwendiges Korrelat zur retrospektiven Entscheidungserheblichkeit? Die Zulassungsfähigkeit der Rechtssache bestimmt sich somit im Anwendungsbereich von §  132 Abs.  2 Nr.  2 und Nr.  3 VwGO ausschließlich im Wege einer retrospektiven Auseinandersetzung mit der Begründungsstruktur des angegriffenen Urteils unter Zugrundelegung des materielle Rechtsstandpunktes der Vorinstanz. Kriterium der Zulassungsfähigkeit ist insoweit allein das Erfordernis des Beruhens der Entscheidung auf der zulassungsrelevanten Rechtsfrage. Im Vergleich zum Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache mangelt es der Divergenz- und Verfahrensfehlerzulassung daher an einem der Klärungsfähigkeit vergleichbaren Element der prognostischen Vorkontrolle des Verfahrensablaufs der Revision407. Eine über die retrospektive Kausalitätsprüfung hinausgehende Antizipation der Revisionskontrolle oder gar der Beschluss vom 11. Juli 2000 – 8 B 154/00 –, DVBl. 2001, 308; Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  133 Rn.  57. 405  So auch Piekenbrock/Schulze, JZ 2002, 911 (913); Meyer-Ladewig, in: Bachof/Heigl/ Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (428). 406  Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 03. Februar 1993 – 11 B 12/92 –, NVwZ-RR 1994, 120. Ähnlich Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  86, 88. 407  Treffend Rennert, NVwZ 1998, 665 (670) zur Berufungszulassung: „Nur die »grundsätzliche Bedeutung« der aufgeworfenen Frage kann verneint werden, wenn mit ihrer Klärung nicht zu rechnen ist – diese »Klärungserwartung« stellt das einzige prognostische Element bei diesen »klassischen« Zulassungsgründen dar.“ Ebenso Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  80; Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  78 sowie Eichberger/ Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  61.

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

Rechtsauffassung des iudex ad quem zur Lösung der Rechtssache ist ausgehend vom Wortlaut des Gesetz daher weder erforderlich noch zulässig408. Ob also die Revision tatsächlich zu einer entscheidungserheblichen Befassung des Revi­ sionsgerichts mit dem zulassungsträchtigen Begründungsstrang des Berufungsurteils und damit zur Klärung der zulassungsrelevanten Rechtsfrage führt, ist damit keine Frage der Revisionszulassung409. Die Gefahr, dass eine Rechtsfrage, die zwar nach §  132 Abs.  2 Nr.  2, Nr.  3 VwGO zur Revisionszulassung geführt hat, weil ihre höchstrichterliche Klärung im Allgemeininteresse liegt, sich im anschließenden Rechtsmittelverfahren doch als nicht entscheidungserheblich herausstellt, überträgt das Gesetz somit der Revision selbst 410. Insoweit ist die Risikoverteilung zwischen Individual- und Allgemeininteressen im Bereich

408  Etwas anderes gilt im vorliegenden Zusammenhang auch nicht für die Verfahrens­ beschwerde nach §§  133 Abs.  1, 132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO, deren Erfolg im Regelfall nicht zur Revisionszulassung, sondern unmittelbar zur Aufhebung und Zurückverweisung im Beschwerdeverfahren nach §  133 Abs.  6 VwGO führt. Um feststellen zu können, ob der vorin­ stanzliche Verfahrensablauf i. S. v. §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO fehlerhaft gewesen ist, bedarf es selbstverständlich einer Überprüfung des vorinstanzlichen Verfahrens am Maßstab der Rechtsauffassung des BVerwG zum relevanten Verfahrensrecht. Vorgang und Ergebnis dieser Prüfung entsprechen also einer echten, vollumfänglichen Kassationskontrolle i. S. v. §  137 Abs.  1 VwGO, nur eben schon im Zulassungsverfahren. Dies folgt aber gerade nicht aus dem Merkmal des Beruhen-Könnens, sondern allein aus dem Umstand, dass das Gesetz eben das tatsächliche Vorliegen des Mangels, nicht nur dessen schlüssige Rüge voraussetzt, vgl. oben §  4 IV. 2. b) bb) (2) (b). Auch im Rahmen der Beruhensprüfung in der zugelassenen Revision nach §  137 Abs.  1 VwGO beurteilen sich die Auswirkungen eines Verfahrensfehlers der Vorinstanz auf dessen Entscheidung schließlich rein retrospektiv unter Zugrundelegung dessen materieller Rechtsansicht, vgl. BVerwG, Urteil vom 29. März 1968 – IV C 27.67 –, BVerwGE 29, 261 (268). Die Inbezugnahme der Kontrollperspektive des ­iudex ad quem liegt also hier ausschließlich auf der Seite der Zulassungsrelevanz der Rechtssache, nicht aber auf Seiten ihrer Zulassungsfähigkeit. 409  A. A. Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  94 und Prütting, Zulassung, S.  224 zur Divergenzzulassung. Die von ihnen angeführten Fälle, in denen ihrer Ansicht nach die Divergenzrevision mangels Klärungsfähigkeit nicht zugelassen wurde, betreffen allesamt Konstellationen, in denen Abweichungen von Entscheidungen, die irrevisibles Recht betrafen, geltend gemacht wurden, sich die Divergenz erst nach weiterer Sachverhaltsaufklärung feststellen ließe oder die angezogene höhere Entscheidung als zwischenzeitlich überholt angesehen wurde. Dies sind aber nicht erst Fragen der Klärungsfähigkeit einer Divergenz, also der Zulassungsfähigkeit der Rechtssache, sondern schon solche nach dem tatsächlichen Vorliegen einer den Zulassungstatbestand des §  132 Abs.  2 Nr.  2 VwGO überhaupt eröffnenden zulassungsrelevanten Abweichung. Es handelt sich auch hierbei also um eine der Klärungsfähigkeit gerade vorgelagerte Frage. 410  So im Ergebnis auch Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  891 zum Divergenzausgleich sowie Krasney, in: Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, IX. Rn.  54 zur Verfahrenskontrolle.

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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der Divergenz- und Verfahrensfehlerzulassung im Vergleich zur Grundsatz­ zulassung eine andere. In dieser rein retrospektiven Ausrichtung der Zulassungsgründe §  132 Abs.  2 Nr.  2 und Nr.  3 VwGO auf die Frage nach der Entscheidungserheblichkeit der Divergenz und des Verfahrensmangels für die Berufungsentscheidung sehen die Befürworter einer Erfolgsprognose im Zulassungsverfahren eine systemwidrige Ungleichbehandlung gegenüber der in gewissem Umfang prognostisch geprägten Grundsatzzulassung nach §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO, die durch eine analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zu korrigieren sei411. Denn in den Fällen, in denen die Revision wegen anderweitiger Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils keinen Erfolg haben könnte, würde sich eine entscheidungserhebliche Gesetzesverletzung durch das Vordergericht nicht auf den Ausgang des Rechtsstreits auswirken, weshalb dann auch eine Divergenz von vornherein nicht entscheidungserheblich und damit ausgleichsfähig412 und ein vordergerichtlicher Verfahrensfehler nicht korrekturbedürftig sei413. Um ein danach für die Wahrung der Rechtseinheit augenscheinlich unergiebiges Revisionsverfahren unterbinden zu können, soll über den „Umweg“414 einer analogen Heranziehung des §  144 Abs.  4 VwGO der materielle Rechtsstandpunkt des iudex ad quem hinsichtlich der korrekten Falllösung als Kriterium der Entscheidungserheblichkeit im Revisionsverfahren in die Tatbestände der Zulassungsgründe §  132 Abs.  2 Nr.  2 und Nr.  3 VwGO hineingelesen werden können415. So etwa Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  78; Eichberger/ Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  61; Sendler, DVBl. 1992, 240 (241 f.). 412  So BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 1953 – I B 10.53 –, BVerwGE 1, 1 (3); BVerwG, Beschluss vom 13. Juni 1977 – IV B 13.77 –, BVerwGE 54, 99 (101); BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 1981 – 8 B 67/80 – (unveröffentlicht, juris); BSG, Beschluss vom 12. Juli 1985 – 7 BAr 114/84 –, SozR 1500 §  160a Nr.  54 S.  70 ff. Ebenso Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  132 Rn.  42; Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  38; Ewer, in: Quaas/Zuck, Prozesse in Verwaltungssachen, §  7 Rn.  66; Müller, in: Festschrift Herschel, S.  159 (176); Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  97; Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  80. A. A. W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  132 Rn.  19; Ruban, in: Gräber, FGO, §  115 Rn.  32, 61, §  116 Rn.  56. 413  So BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 1979 – 4 CB 73/79 –, Buchholz 310 §  144 VwGO Nr.  34 S.  3 f.; BVerwG, Beschluss vom 07. März 2002 – 5 B 60/01 – (unveröffentlicht, juris); BGH, Urteil vom 18. Juli 2003 – V ZR 187/02 –, NJW 2003, 3205 (3206); Hermann, Steuerprozess, Rn.  193; Ruban, in: Gräber, FGO, §  115 Rn.  98. 414  So ausdrücklich Sendler, DVBl. 1992, 240 (242). 415  Vor allem im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit wird die Berücksichtigungs­ fähigkeit der Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils bei der Rechtsmittelzulassung vornehmlich als Frage nach der maßgeblichen Beurteilungsperspektive für die Entscheidungs­ erheblichkeit der zulassungsrelevanten Rechtsfrage diskutiert, vgl. etwa Traut, Zugang zur 411 

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

Dies vermag nicht zu überzeugen. Zwar trifft es zu, dass eine über die allen Zulassungsgründe gemeinsame416 retrospektive Kausalitätsprüfung der zulassungsrelevanten Rechtsfrage hinausgehende Prognose des Ablaufs der Revision über das Kriterium der Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage nur im Rahmen der Grundsatzzulassung nach §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO angezeigt ist, nicht aber auch im Rahmen von §  132 Abs.  2 Nr.  2 und Nr.  3 VwGO. Diese bezieht sich aber, wie bereits gezeigt 417, allein auf die Aussichten auf eine Überprüfung des zulassungsrelevanten Begründungsstranges des Berufungsurteils und deren Erheblichkeit für eine eventuelle Kassationsentscheidung des Revisionsgerichts i. S. v. §§  137 Abs.  1, 144 Abs.  3 S.  1 Hs.  1 VwGO. Dagegen erstreckt sich diese gerade nicht auf die Frage, ob der Revision auch in reformatorischer Hinsicht Erfolg zu bescheiden ist, und zwar weder auf Grundlage des geltenden Rechts noch im Wege eines Analogieschlusses zu §  144 Abs.  4 VwGO418. Die Reformationsfähigkeit des vordergerichtlichen Entscheidungstenors ist gerade kein Umstand, der bei der Revisionszulassung zur Klärung grundsätzlich bedeutsamer Rechtsfragen eine Rolle spielt. Dann kann aber die Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils nach Maßgabe einer reformatorischen Sachprüfung des iudex ad quem analog §  144 Abs.  4 VwGO auch nicht gerade deswegen bei der Divergenz- und Verfahrensfehlerzulassung zu berücksichtigen sein, um einen Gleichklang der Zulassungsgründe herzustellen, den das Gesetz ansonsten selbst vermissen lassen würde. Sowohl §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO auf der einen Seite als auch §  132 Abs.  2 Nr.  2 und Nr.  3 VwGO auf der anderen Seite zielen auf die Beantwortung der zulassungsrelevanten Rechtsfragen im Wege einer kassatorischen Überprüfung des Berufungsurteils durch das Revisionsgericht nach §  137 Abs.  1 VwGO ab. Der Unterschied, den die nur im Rahmen der Klärungsfähigkeit der grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfrage vorzunehmende Prognose des Ablaufs dieser Kassationsprüfung ausmacht, wirkt sich ausschließlich auf das jeweils erforderliche Maß der Klärungserwartung der Rechtsfrage im Revi­ sionsverfahren aus und ist damit rein quantitativer Art. Bei §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO muss die Zugänglichkeit des vordergerichtlichen Begründungsansatzes für eine Überprüfung nach §  137 Abs.  1 VwGO und dessen voraussichtliche Erheblichkeit für die Entscheidung über die eventuelle Aufhebung des Urteils mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen. Bei §  132 Abs.  2 Nr.  2, Nr.  3 VwGO reicht es dagegen schon aus, dass dies jedenfalls nicht auszuRevision, S.  98 ff.; Lindner, NJW 2003, 1097 ff. und Grunsky, in: Dietrich/Gamillscheg/ Wied­mann, Festschrift Hilger/Stumpf, S.  261 (passim) jeweils m. w. N. 416  Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  132 Rn.  42. 417  Siehe oben §  4 IV. 2. b) bb) (1) (d). 418  Siehe oben §  4 IV. 2. b) bb) (1) (e).

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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schließen ist419. Letztere ließen sich also zur Herstellung eines Gleichlaufs der Zulassungsgründe allenfalls um ein Prognoseelement erweitern, welches der Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage i. S. v. §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO selbst nahekommt, das also gerade auf die Kassationsaussichten des Rechtsmittels abstellt, um die Gewähr dafür zu erhöhen, dass im Allgemeininteresse ein höchstrichterlicher Klärungsbedarf durch das Bundesverwaltungsgericht auch tatsächlich befriedigt werden kann. Die Inkorporation einer reformatorischen Ergebnisrichtigkeitsprüfung in die Zulassungstatbestände könnte sich stattdessen nur auf den Selbstzweck stützen lassen, zugunsten einer Entlastung des Bundesverwaltungsgerichts solche Rechtssachen von der Revisionsinstanz fernzuhalten, die allein unter dem Gesichtspunkt des Parteiinteresses keiner Korrektur bedürfen420. In beiden Fällen handelt es sich aber in gleichem Maße um rechtspolitische Entscheidungen über die Ausgestaltung des Revisionszugangs und die Gewichtung von Allgemein- und Individualinteressen, die als solche einem Parlamentsgesetz vorbehalten sind, nicht aber von der Judikative selbst im Zuge richterlicher Rechtsschöpfung umgesetzt werden können421. Überdies wurde bereits dargelegt, dass das Bundesverwaltungsgericht auch dann Rechtsfragen in entscheidungserheblicher Weise beantwortet und damit den von §  132 Abs.  2 VwGO in den Blick genommenen höchstrichterlichen Klärungsbedarf befriedigt, wenn es die Revision mangels Gesetzesverletzung nach §  144 Abs.  2 VwGO zurückweist oder anknüpfend an diese eine eigene reformatorische Entscheidung über die Sache nach §  144 Abs.  3, Abs.  4 VwGO trifft422. Dies gilt nicht nur für die Klärung grundsätzlich bedeutsamer Rechtsfragen, So auch Traut, Zugang zur Revision, S.  155 zu §  543 Abs.  2 S.  1 Nr.  2 Var.  2 ZPO. Rennert, NVwZ 1998, 665 (666 f.) weist darauf hin, dass die gesetzlichen Zugangsschranken zum Revisionsgericht gerade einem „revisionsimmanenten Zweck“ dienen, indem sie sicherstellen, dass sich dieses „auf die spezifische Aufgabe der Revision konzentrieren [kann] und hierzu von allem anderen entlastet [wird].“ Demgegenüber verfolge die Zulassungsberufung „nicht rechtsmittelimmanente, sondern externe Zwecke; sie soll die Berufungsgerichte nicht in den Stand setzen, sich auf die eigentliche Aufgabe der Berufung und der Beschwerde zu konzentrieren, sondern soll entweder den Rechtsschutz zeitlich verkürzen, um Investitionshemmnisse für die Wirtschaft zu beseitigen, oder aber die Oberverwaltungsgerichte allein aus fiskalischen Gründen von Verfahren entlasten, die als »nicht berufungswürdig« angesehen werden.“ Weist die Rechtssache Zulassungsgründe i. S. v. §  132 Abs.  2 VwGO auf, so steht aber fest, dass sie dem gesetzgeberisch angedachten Aufgabenbereich des Revisionsgerichts unterfällt. Die Revisionszulassung in diesen Fällen dennoch aus Gründen mangelnder Erfolgsaussichten zu verweigern, hieße, auf revisionsexterne Motive zurückzugreifen. 421  Ebenso Finkelnburg, in: Schmidt-Aßmann/Sellner/Hirsch/Kemper/Lehmann-Grube, Festgabe 50 Jahre BVerwG, S.  173 (179), welcher eine Erfolgsprognose im Zulassungsverfahren gerade befürwortet. 422  Vgl. oben §  4 IV. 2. b) bb) (1) (e). 419 

420 

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

sondern auch für den Divergenzausgleich und die Verfahrensaufsicht423. Die Lösung derjenigen Rechtsprobleme, die über §  132 Abs.  2 VwGO zur Zulassung der Revision im Allgemeininteresse geführt haben, kann und soll grundsätzlich nur im Wege der Urteilskontrolle nach §  137 Abs.  1 VwGO erfolgen424, während die reformatorische Entscheidungskompetenz des Bundesverwaltungsgerichts vorrangig der richtigen Sachentscheidung zugunsten der Parteiinteressen verpflichtet ist425. Beide Revisionsfunktionen sind zwar über §  144 Abs.  3 S.  1 Hs.  1 VwGO systematisch miteinander verknüpft, funktionell aber in gesonderte Verfahrensstadien mit in sich geschlossen Prüfungsschritten getrennt426. Insoweit trifft es gerade nicht zu, dass es sich bei entscheidungserheblichen Divergenzen und Verfahrensmängeln in einem Berufungsurteil, dass wegen seiner Richtigkeit im Ergebnis nach §  144 Abs.  4 VwGO aufrechterhalten werden müsste, um Fehler handeln würde, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Auswirkungen auf das Ergebnis des Verfahrens hätten, wie dies von der Gegenansicht behauptet wird427. Dass rechtliche Aspekte des Falles, die noch in der Kassationskontrolle nach §  137 Abs.  1 VwGO eine Krasney, in: Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, IX. Rn.  54; Ruban, in: Gräber, FGO, §  115 Rn.  32, §  116 Rn.  56. Hierauf stützt sich auch Eichberger, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  138 Rn.  18 zur Begründung seiner Ansicht, das Vorliegen absoluter Revisionsgründe i. S. v. §  138 VwGO stehe einer reformatorischen Entscheidung des Revisionsgerichts jedenfalls nicht kategorisch entgegen, obwohl auch er a. a. O. §  144 Rn.  61 über eine Analogie zu §  144 Abs.  4 VwGO im Zulassungsverfahren festgestellten Divergenzen und Verfahrensfehlern die Klärungserwartung im Revisionsverfahren abspricht. 424  Ähnlich Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  137 Rn.  4, 8; Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  137 Rn.  5, §  144 Rn.  9 und Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  35. 425  So wohl auch BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (290) und Bettermann, ZZP 88, 365 (372 f.). 426  So ist es dem Bundesverwaltungsgericht beispielsweise möglich, im Rahmen seiner reformatorischen Sachentscheidung nach §  144 Abs.  3 S.  1 Nr.  1, Abs.  4 VwGO auch irrevisibles Recht anzuwenden, wenn das Berufungsgericht dieses noch nicht selbst herangezogen und ausgelegt hat, §  173 S.  1 VwGO i. V. m. §§  560, 563 Abs.  4 ZPO. Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 1963 – I C 71.61 –, BVerwGE 17, 322 (324 f.); BVerwG, Urteil vom 27. Juni 1966 – I C 130.64 –, Buchholz 418.00 Ärzte Nr.  5 S.  9 f.; BVerwG, Urteil vom 22. Februar 1972 – I C 24.69 –, BVerwGE 39, 329 (332); BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1983 – 8 C 162/81 –, BVerwGE 68, 121 (124); Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  41; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  144 Rn.  44. Dass irrevisibles Recht dagegen nicht Maßstab der Urteilskontrolle sein kann, ergibt sich unmittelbar aus §  137 Abs.  1 VwGO. 427  So beispielsweise BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 23. Februar 2011 – 1 BvR 500/07 –, NVwZ-RR 2011, 460 (nur Leitsatz, vgl. juris); BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 1979 – 4 CB 73/79 –, Buchholz 310 §  144 VwGO Nr.  34 S.  3 f.; BSG, Beschluss vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 69/08 B –, BeckRS 2009, 53032; BSG, Beschluss vom 423 

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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Rolle gespielt haben, nicht zwingend auch entscheidungsleitend für die reformatorische Entscheidung des iudex ad quem nach §  144 Abs.  3, Abs.  4 VwGO sein müssen428, ist rechtslogische Folge der Doppelfunktion der Revision als einerseits kassatorisches und andererseits reformatorisches Rechtsmittel429 und gerade keine Besonderheit des Falles der Ergebnisrichtigkeit i. S. v. §  144 Abs.  4 VwGO. Andernfalls müsste ja auch sonst jeder Rechtsfehler im Berufungs­ urteil, der als Revisionsgrund zu dessen Aufhebung geführt hat, als letzten ­Endes irrelevant betrachtet werden, wenn das Revisionsgericht seine eigene Entscheidung zur Sache430 nach §  144 Abs.  3 VwGO auf rechtliche Gesichtspunkte stützt, die das Berufungsgericht nicht selbst in Erwägung gezogen hat. Diese Sichtweise würde der gesetzlich verankerten Aufsichtsfunktion der Revision nicht gerecht. Anlass der Divergenz- und Verfahrensrevision ist die Unrichtigkeitsvermutung, die einem Berufungsurteil zukommt, welches den Rechtsstreit unter Abweichung von einer gefestigten höherinstanzlichen Rechtsprechungslinie oder unter Missachtung verfahrensrechtlicher Anforderungen entschieden hat. Diese soll durch eine Rechtmäßigkeitskontrolle des jeweils hiervon erfassten entscheidungstragenden Begründungsstranges des Urteils durch den iudex ad quem entweder ausgeräumt oder bestätigt werden. Zugleich sollen hierdurch höchstrichterliche Richtlinien für die Auslegung und Anwendung des materiellen und des Verfahrensrechts durch die Untergerichte aufgestellt werden, um bereits präventiv zu verhindern, dass es in künftigen Verfahrenskonstellationen mit demselben rechtlichen Problemgehalt erneut zu Entscheidungen kommt, denen ein solcher Richtigkeitszweifel beizumessen ist. Natürlich muss sich diese Unrichtigkeitsvermutung nicht allein auf die Begründung des angefochtenen Urteils, sondern auch auf dessen Entscheidungsergebnis beziehen, denn Rechtsfehler in nur beiläufigen Urteilsanmerkungen tangieren die Rechtseinheit regelmäßig nur peripher431. Insoweit ließe sich behaupten, dass sich Zweifel an der Richtigkeit des Entscheidungsergebnisses nicht nur durch eine Begründungskontrolle nach 03. März 2009 – B 1 KR 69/08 B –, NZS 2010, 119 (120); Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/­ Bier, VwGO, §  133 Rn.  76. 428  Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1973 – V C 84.72 –, Buchholz 310 §  144 VwGO Nr.  25 S.  19 f. 429  Ebenso Hanack, Ausgleich, S.  254. 430  Es sei an dieser Stelle nochmals daran erinnert, dass auch eine Revisionsentscheidung nach §  144 Abs.  4 VwGO eine echte reformatorische Sachentscheidung des Revisions­gerichts darstellt, vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 1994 – 11 C 48/92 –, NVwZ 1994, 1095 (1096); BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1995 – 11 C 9/94 –, DVBl. 1995, 695 f. (relevanter Begründungsteil nicht mit abgedruckt, vgl. juris); Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  42; Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  144 Rn.  16. 431  May, Revision, IV Rn.  76. Zweifelnd Hanack, Ausgleich, S.  253.

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

§  137 Abs.  1 VwGO, sondern auch durch eine isolierte Ergebniskontrolle nach §  144 Abs.  4 VwGO entkräften ließen und nur dann, wenn beide Prognosen nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führten, Anlass für ein kontrollierendes und gegebenenfalls korrigierendes Eingreifen des iudex ad quem lieferten. Auf eine solche Verknüpfung von retrospektiver Begründung und prospektiver ­Begründbarkeit des Entscheidungsergebnisses in Anbetracht der Frage des Re­ visionszugangs hat der Gesetzgeber aber bewusst verzichtet. Er hat mit §  132 Abs.  2 Nr.  2 und Nr.  3 VwGO gerade die Aufsichtsfunktion der Revision432 zum alleinigen Anknüpfungspunkt der Zugangskontrolle erhoben, um die Einheitlichkeit der instanzgerichtlichen Rechtsprechung im Bereich des materiellen und prozessualen Rechts sicherzustellen433. Die Ausrichtung der Zugangs­ kontrolle auf den im Allgemeininteresse liegenden Erkenntnisgewinn durch höchstrichterliche Judikate führt systemnotwendigerweise zur weitestgehenden Zurückdrängung der Individualinteressen am Ausgang des Rechtsstreits. Dies bedeutet zum einen, dass unter der Geltung des §  132 Abs.  2 VwGO die Rechtswidrigkeit bzw. Unrichtigkeit einer Entscheidung allein keinen Anlass für ein Kontrollverfahren bilden kann, wenn dies nicht gerade aus zulassungsrelevanten Rechtsproblemen resultiert 434. Zum anderen bedingt dies aber auch, dass ein Kontrollbedürfnis im Allgemeininteresse selbst dann ein Revisionsverfahren erfordern kann, wenn schon von vornherein feststeht, dass die Behandlung der zulassungsrelevanten Rechtsprobleme durch den iudex ad quem dazu führen wird, dass die angegriffene Entscheidung als rechtmäßig oder zumindest im Ergebnis richtig anzusehen sein wird und das Rechtsmittelverfahren daher nur zuungunsten der vorinstanzlich unterlegenen Partei ausgehen kann435. Ein die Rechtsprechungseinheit oder die Gesetzesbindung der Judikative tangierender Kontrollbedarf der untergerichtlichen Rechtsprechung wird genau genommen stets schon dann ausgelöst, wenn sich diese in Widerspruch zur 432 

Vgl. BT-Drs. 7/444, S.  18: „Die Überwachungsfunktion [der Revisionsgerichte] bleibt auch bei Einführung der ausschließlichen Grundsatzrevision im wesentlichen erhalten. Sie ist zwar nicht als eine Hauptaufgabe der Revision, immerhin aber doch als eine erwünschte Folgewirkung der instanzmäßigen Überordnung des Revisionsgerichts anzusehen.“ 433  Ähnlich BVerwG, Beschluss vom 27. Februar 1997 – 5 B 155/96 –, Buchholz 310 §  132 Abs.  2 Ziff.  1 VwGO Nr.  15 S.  22 und Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  68, 91 zur Divergenzrevision und Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  99 zur Verfahrensrevision. Gleichwohl können auch die Divergenz- und die Verfahrensrevision dem Bundesverwaltungsgericht Anlass und Gelegenheit bieten, seine Rechtsprechung auf dem Gebiet des materiellen oder des Prozessrechts fortzuentwickeln, vgl. Kummer, Nichtzulassungsbeschwer­ de, Rn.  431; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  132 Rn.  14; Schafft, Selektion, S.  54; Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, §  39 Rn.  9 und Jessen, NVwZ 1982, 410 (414). 434  BVerwG, Beschluss vom 16. Mai 1988 – 7 B 221/87 –, NJW 1988, 2400 (2401). 435  Hanack, Ausgleich, S.  284 f.; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  133 Rn.  79.

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Rechtsprechung höhergeordneter Gerichte gesetzt oder verfahrensrechtliche Anforderungen an die Entscheidungsfindung missachtet hat436. Beide Umstände betreffen schon im Ansatz nicht das vordergerichtliche Entscheidungsergebnis, sondern unmittelbar nur die Rechtsanwendung, die zu diesem geführt hat437. Zur Begrenzung eines hieran anknüpfenden Revisionszuganges musste der Gesetzgeber aus Entlastungsgründen für diese Fallkonstellationen ein einschränkendes Kriterium vorsehen, welches verhindert, dass jede mögliche Unvereinbarkeit einer untergerichtlichen Rechtsauslegung bzw. -anwendung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung automatisch den Revisionszugang eröffnen könnte. Dies ist das Merkmal der Entscheidungserheblichkeit der Divergenz und des Verfahrensfehlers für das angegriffene Urteil unter Zugrundelegung des materiellen Rechtsstandpunktes der Vorinstanz438. Über §  132 Abs.  2 Nr.  2 und Nr.  3 VwGO hat der Gesetzgeber ausdrücklich klargestellt, dass er ein aufsichtliches Einschreiten des Bundesverwaltungsgerichts zur Erziehung der Untergerichte in materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Rechtsfragen erst – aber auch immer schon dann – für erforderlich erachtet, wenn gerade diese Umstände die Richtigkeit der jeweiligen Entscheidungsergebnisses beeinflusst haben könnten. Dass das Gericht dabei trotz entscheidungserheblicher Divergenzen oder Verfahrensverstößen zu einer Tenorierung gelangt ist, welche aus anderen Gründen, die es nur nicht gesehen oder entscheidungstragend herangezogen hat, objektiv richtig ist und welche daher vom Revisionsgericht nach §  144 Abs.  4 VwGO aufrechtzuerhalten wäre, stellt deren Entscheidungserheblichkeit dagegen nicht in Frage439. Die von der vordergerichtlichen Begründung losgelöst zu betrachtende Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils ist vielmehr sowohl aus Sicht der Parteien als auch der an einer Klärung der Divergenz- oder Verfahrensfrage interessierten Allgemeinheit ein bloßer Zufall und stellt den durch das angefochtene Urteil aufgeworfenen höchstrichterlichen Klärungs­ bedarf nicht in Frage. Das Bundesverwaltungsgericht muss in diesen Fällen durch ein entsprechendes Judikat zum jeweiligen Begründungsansatz der Vorinstanz Stellung nehmen können, gleichgültig, ob dies zu dessen Verwerfung oder Bestätigung führt 440. Zum einen muss eine Fortsetzung dieser eventuell als Ge­setzesverstoß zu identifizierenden Rechtsanwendung in künftigen Verfahren So auch Hanack, Ausgleich, S.  253 zur Divergenz. May, Revision, IV Rn.  76. 438  Ebenso BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 1984 – 4 CB 29/84 –, Buchholz 407.4 §  17 FStrG Nr.  56 S.  55 zur Divergenz. 439  Hanack, Ausgleich, S.  284; Ruban, in: Gräber, FGO, §  115 Rn.  32, 98; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  243. 440  Ebenso Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  891 zur Divergenz, anderer Auffassung aber zum Verfahrensmangel, vgl. a. a. O. Rn.  887 ff. 436  437 

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

bereits präventiv unterbunden werden können. Zum anderen darf auf die Einhaltung des Verfahrens- wie auch des materiellen Rechts aus Sicht des Ausgangsgerichts nicht nur deshalb verzichtet, aus der Sicht der Kontrollinstanz nicht allein deswegen mit „gelockerter Augenbinde“441 hinweggesehen werden, weil die Vorinstanz von ihrem Standpunkt aus zufällig das materiell richtige Ergebnis getroffen hat 442. (d) Zwischenfazit Die Anknüpfung der Zulassungstatbestände von §  132 Abs.  2 Nr.  2 und Nr.  3 VwGO allein an die Entscheidungserheblichkeit der zulassungsrelevanten Rechtsfragen für das angefochtene Urteil selbst stellt sich insoweit als systemgerecht dar. Somit lässt sich eine Ergebnisrichtigkeitsprüfung im Zulassungsstadium analog §  144 Abs.  4 VwGO auch nicht als systemnotwendiges Korrelat zur retrospektiven Beruhensprüfung von Divergenzen und Verfahrensmängeln rechtfertigen. (3) Revisionszulassung und Mehrfachbegründungen (a) Zulassungssituation bei kumulativ mehrfach begründeten Urteilen Die Zulassungsfähigkeit der Rechtssache wird im Rahmen aller Zulassungsgründe des §  132 Abs.  2 VwGO im Ausgangspunkt dadurch vermittelt, dass das angegriffene Urteil auf der Entscheidung einer zulassungsrelevanten Rechtsfrage beruht, der jeweils zulassungsträchtige Begründungsstrang also nicht hinweggedacht werden könnte, ohne dass die konkrete Tenorierung anders ausgefallen wäre443. Dies hat zur Konsequenz, dass die Zulassung der Revision immer dann ausgeschlossen ist, wenn die Vorinstanz ihre Entscheidung auf mehrere selbstständig tragende Erwägungen gestützt, also kumulativ mehrfach begründet hat und nicht jeder Begründungsstrang Zulassungsrelevanz aufweist 444. In diesen Fällen würde eine revisionsgerichtliche Verwerfung der zuSo Gottwald, BRAK-Mitt. 1999, 55 (59). So auch Jessen, NVwZ 1982, 410 (414) und Duske, Aufgaben, S.  105 zur Prozessaufsicht sowie Schafft, Selektion, S.  148; May, Revision, IV Rn.  76 und Hanack, Ausgleich, S.  111 zum materiellen Divergenzausgleich. 443  Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  132 Rn.  19; Ewer, in: Quaas/Zuck, Prozesse in Verwaltungssachen, §  7 Rn.  81. 444  BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 1996 – 11 B 150/95 –, NVwZ-RR 1996, 369 (370); BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – 7 B 261/97 –, NJW 1997, 3328; Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  53. Siehe dazu bereits oben §  3 I. 2. a). Unerheblich ist dabei, ob die Mehrfachbegründung aus Sicht der Ausgangsinstanz nur „hilfsweise“ bzw. „nachrangig“ angebracht wurde. Von dieser rein subjektiv geprägten Einordnung eines Be441 

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IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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lassungsträchtigen Begründungsansätze allein die Kassation des Urteils nach §  137 Abs.  1 VwGO nicht tragen können445. Anders liegt es, wenn die Mehrfachbegründung eine alternative ist, das Berufungsgericht also die abschließende Beurteilung jedes Ansatzes offen gelassen hat, weil aus seiner Sicht die ausgesprochene Tenorierung entweder aus dem einen oder dem anderen Grund gerechtfertigt wäre. Hier trägt keine der Erwägungen selbstständig, sondern alle nur gemeinsam, weshalb ein Zulassungsgrund in einem Begründungsstrang ausreicht, um im Falle seiner Verwerfung die Tragfähigkeit der Entscheidung in Gänze in Frage zu stellen446. Die Möglichkeit einer Kassationskontrolle des Berufungsurteils wird unter der Geltung des Prinzips der Revisionszulassung nach §  132 Abs.  1 VwGO somit letztlich auch dadurch mitbestimmt, wie intensiv sich das entscheidende Gericht mit dem Prozessstoff befasst hat und dabei in Betracht kommende alternative Falllösungsansätze erkannt, behandelt und entscheidungstragend herangezogen hat. Kumulative Mehrfachbegründungen begünstigen damit die obsiegende Partei, weil sie die Möglichkeit der Anrufbarkeit der Rechtsmittelinstanz und damit die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Infragestellung ihres Prozesserfolgs minimieren. (b) Zulassungssituation bei ergebnisrichtigen Urteilen Ausgehend von der bisherigen Überlegung, dass sich die Zulassungsfähigkeit der Rechtssache prinzipiell allein anhand der vom iudex a quo herangezogenen Entscheidungsbegründung bestimmt, wäre die Zulassung der Revision selbst dann angezeigt, wenn zwar die Ausgangsentscheidung nur auf der Behandlung zulassungsrelevanter Rechtsfragen beruht, die Entscheidung aber auch offensichtlich auf andere Erwägungen gestützt werden könnte, die ihrerseits selbstständig tragfähig wären und dabei keine zulassungsrelevanten Rechtsprobleme aufwerfen würden. Denn auf einer Alternativerwägung, die das Gericht nicht in die Begründung seiner Entscheidung inkorporiert hat, kann diese denknotwendigerweise nicht beruhen und der Zulassungsfähigkeit der Rechtssache damit selbst dann nicht entgegenstehen, wenn diese aus Sicht eines Dritten offensichtgründungsansatzes kann weder die Tragfähigkeit noch die Rechtsmittelfestigkeit eines Urteils abhängen, vgl. hierzu Traut, Zugang zur Revision, S.  108. Die Revisionszulassung kann trotz kumulativer Mehrfachbegründung dennoch in Frage kommen, wenn die jeweiligen Begründungsstränge unterschiedliche Auswirkungen auf die Rechtskraftwirkung des Urteils zeitigen, vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. April 2003 – 7 B 141/02 –, NJW 2003, 2255 (2256). 445  BVerwG, Beschluss vom 03. Juli 1973 – IV B 92.73 –, Buchholz 310 §  132 VwGO Nr.  109 S.  55; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  291; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  124 Rn.  153. 446  BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 1993 – 4 NB 3/93 –, NVwZ 1994, 269 (269 f.); Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  131; Traut, Zugang zur Revision, S.  107.

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

lich einschlägig gewesen wäre447. Die Revision müsste dann zwar zugelassen werden, sie kann aber gleichwohl nicht zur Aufhebung des Urteils wegen kausaler Rechtsverletzungen i. S. d. §  137 Abs.  1 VwGO, sondern nur zur Zurückweisung wegen Ergebnisrichtigkeit aus Alternativgründen nach §  144 Abs.  4 VwGO führen. Dass der iudex a quo eine offensichtlich einschlägige Alternativ­ erwägung nicht gesehen oder nicht entscheidungstragend herangezogen hat, hätte somit zur Folge, dass der unterlegenen Partei die Revisionsmöglichkeit, unabhängig von deren Erfolgsaussichten, erhalten bliebe bzw. erst eröffnet würde. Aus ihrer Sicht dürfte sich der Umstand, dass das Vordergericht darauf verzichtet hat, seine Entscheidung durch eine Mehrfachbegründung rechtsmittelrechtlich abzusichern, obwohl dies objektiv möglich gewesen wäre, damit als »glückliche Fügung« darstellen. Aus Sicht des Rechtsmittelgegners, dessen Prozessgewinn hierdurch mittels eines offenkundig sachlich unergiebigen Rechtsmittelverfahrens hinausgezögert werden würde, handelt es sich dabei allerdings wohl eher um eine rein zufällige, sachlich ungerechtfertigte Belastung, die aus einer bloßen Nachlässigkeit des iudex a quo resultiert. Unter dem Gesichtspunkt der Rechtsmittelgleichheit könnte in dieser zulassungsrechtlichen Ungleichbehandlung solcher Urteile, die von der Vorinstanz selbst durch eine kumulative Mehrfachbegründung rechtsmittelfest gemacht worden sind und solcher Judikate, die trotz offenkundig bestehender Möglichkeit einer solchen zusätzlichen Abstützung der Entscheidung nicht gegen eine Rechtsmittelkontrolle abgesichert wurden, ein systemwidriges Regelungsdefizit im System der Rechtsmittelzulassung zu erblicken sein. Hiervon ausgehend könnte es angezeigt sein, dem mit der Zulassungsfrage befasstem iudex ad quem zu ermöglichen, dem angefochtenen Urteil nachträglich eine vom iudex a quo nicht herangezogene, aber offensichtliche einschlägige Hilfsbegründung beizugeben und die rechtsmittelzulassungsrechtliche Absicherung des Urteils auf diese Weise nachzuholen, wenn dies vom Vordergericht offenkundig versäumt worden ist, um die scheinbare Zufälligkeit der Eröffnung der nächsten Instanz in diesen Fällen zu kompensieren448. Den rechtlichen Anknüpfungspunkt hierfür könnte wiederum die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde bilden, welche unter diesem Blickwinkel weniger als Korrektiv des abstrakten Zulassungsmaßstabs, sondern mehr als Korrektur der konkreten Zulassungsgrundlage des jeweiligen Falles anzusehen wäre. Denn dem Zulassungsgericht würde auf diese Weise gestattet, allein zum Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  78. So explizit Sendler, DVBl. 1992, 240 (243); Hermann, Steuerprozess, Rn.  193; W ­ eyreuther, Revisionszulassung, Rn.  237; Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  77 f. und im Ansatz auch BSG, Beschluss vom 12. Juli 1985 – 7 BAr 114/84 –, SozR 1500 §  160a Nr.  54 S.  71 f. 447 

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IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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Zwecke der Zulassungsentscheidung zu fingieren, dass das angegriffene Urteil nicht nur auf die vom iudex a quo herangezogenen zulassungsträchtigen Gründe, sondern kumulativ auch auf eine nicht zulassungsträchtige Hilfsbegründung gestützt wurde, indem es diesen Begründungsansatz selbst entwickelt und der Entscheidung nachträglich unterstellt bzw. dieser „nachgeschoben“ wird449. Der Vergleich mit der Zulassungssituation kumulativ mehrfach begründeter Entscheidungen ohne vollumfängliche Zulassungsrelevanz erscheint als eines der plausibelsten und durchschlagendsten Argumente für eine analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren. In der Tat ist es auf den ersten Blick nicht sonderlich einleuchtend, warum der iudex a quo allein durch zusätzliche Heranziehung einer selbstständig tragfähigen Hilfsbegründung die Revisionszulassung mangels Klärungserwartung der zulassungsrelevanten Rechtsfrage, auf die sich seine Hauptbegründung stützt, von vornherein ausschließen können sollte, während dem iudex ad quem die zulassungsrechtliche Berücksichtigung selbst solcher alternativer Entscheidungs­ erwägungen verwehrt sein soll, die auf der Hand liegen. In beiden Konstellationen steht schon im Zulassungsstadium fest, dass allein die von der vorinstanz­ lichen Rechtsauffassung abweichende Beantwortung der zulassungsrelevanten Rechtsfrage durch das Revisionsgericht nicht zur Aufhebung der Vorentscheidung führen kann, sondern das Revisionsurteil nur auf Zurückweisung des Rechtsmittels lauten kann. Beides sind demnach im Grunde Fallgruppen fehlender Erfolgsaussichten der Revision im Zulassungsstadium. (c) §  144 Abs.  4 VwGO analog als »Fiktion« kumulativer Mehrfachbegründungen? Dennoch stehen einer zulassungsrechtlichen Gleichbehandlung dieser Fälle mehrere Hindernisse entgegen. Zunächst gilt es zu bedenken, dass es alleinige Aufgabe und Kompetenz des jeweils streitentscheidenden Gerichts ist, seine Entscheidung in dem Umfang zu begründen, wie dies aus seiner Sicht nach §  108 Abs.  1 S.  2 VwGO erforderlich ist450. Lässt sich die von ihm als richtig angesehene Falllösung aus seiner Sicht auf eine bestimmte rechtliche Begründung stützen, so ist der iudex a quo nicht gehalten, andere Begründungsalternativen heranzuziehen, selbst wenn diese einschlägig und ebenfalls tragfähig sind451. Tut er dies dennoch und begründet er seine Entscheidung kumulativ bzw. hilfsweise, so bezweckt er damit einerseits, die Richtigkeitsgewähr seines So Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  240 Fn.  2072. Dawin, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  108 Rn.  118. 451  Hierzu BVerwG, Beschluss vom 01. September 1997 – 8 B 144/97 –, NVwZ-RR 1998, 514 (515); Schmidt, in: Eyermann, VwGO, §  117 Rn.  12. 449  450 

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

Judikates zu steigern sowie gleichzeitig dessen Überzeugungskraft gegenüber den Streitbeteiligten und damit dessen Befriedungsfunktion zu erhöhen452. Andererseits will das Vordergericht durch eine Mehrfachbegründung sein Urteil gerade vor dem Hintergrund der vorgenannten Auswirkungen mehrerer tragender Begründungsstränge auf die Rechtsmittelzulassung unter Geltung des §  132 Abs.  2 VwGO rechtsmittelfest machen453. Damit wäre es aber schwerlich vereinbar, wenn der Vorinstanz diese fakultative Mehrarbeit vom Rechtsmittelgericht im Rahmen seiner Zulassungsentscheidung abgenommen werden würde. Die Begründung einer gerichtlichen Entscheidung obliegt dem Gericht nicht nur als Befugnis, sondern auch als Verantwortung, die unmittelbar rückgebunden ist an die Pflicht des Gericht, sein Urteil nur nach Maßgabe der eigenen Überzeugung und anhand des Gesetzes zu fällen, Art.  20 Abs.  3, 97 Abs.  1 GG, §  108 Abs.  1 S.  1 VwGO454. Ist aber das Rechtsmittelgericht darin frei, das zu kontrollierende Judikat nicht »beim Wort« nehmen zu müssen, sondern diesem auch Erwägungen unterstellen zu können, die so gar nicht in Betracht gezogen wurden, nur um dessen Überprüfung unterbinden zu können, so vermindert dies die aus Sicht der Untergerichte bestehende Gefahr einer Kontrolle ihrer Entscheidungspraxis und kann daher zu einer nachlässigeren Handhabe des Rechts insgesamt führen. Letztlich beeinträchtigt dies auch die Autorität des Rechts­ mittelgerichts im Subordinationsverhältnis des Instanzenzuges. Wird dem Vordergericht im Rahmen des §  144 Abs.  4 VwGO analog unterstellt, es habe auch die vom Beschwerdegericht aufgefundene Alternativbegründung heranziehen können, so liefert dies allein noch keinen Anhaltspunkt darüber, wie dieser Begründungsstrang vom Berufungsgericht in seine Entscheidung selbst eingebaut worden wäre. Denn der iudex a quo hätte diesen nicht nur hilfsweise, sondern genauso gut in einem Alternativverhältnis zu seiner tatsächlich herangezogenen Begründung verwenden können und damit beide Rechtsfragen im Ergebnis offen lassen können. In diesem Fall wäre aber die Zulassung der Revision gerade nicht ausgeschlossen455. Über eine analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO wird demnach auch in die Kompetenzen des Berufungsgerichts dergestalt eingegriffen, als dass die alternative Begründung nicht nur als Entscheidungsgrundlage fingiert wird, sondern diese auch in die Struktur der angegriffenen Berufungsentscheidung in ganz spezifischer Weise inkorporiert wird, ohne dass Hierzu Lücke, Begründungszwang, S.  72 f. Von Gierke/Seiler, JZ 2003, 403 (406). 454  Vgl. BVerwG, Urteil vom 05. Juli 1994 – 9 C 158/94 –, BVerwGE 96, 200 (209); H ­ öfling/Rixen, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  108 Rn.  9; Stuhlfauth, in: Bader/Funke-Kaiser/ Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, §  108 Rn.  15 f. 455  BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 1993 – 4 NB 3/93 –, NVwZ 1994, 269 (269 f.); ­Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  131; Traut, Zugang zur Revision, S.  107. 452  453 

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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dieses Judikat in seiner ursprünglichen Gestalt erhalten bliebe456. Entscheidet das Vordergericht in rechtsgrundsätzlicher oder divergierender Weise und zieht es darüber hinaus eine nicht zulassungsrelevante Begründung hilfsweise heran, so legt es „die Karten auf den Tisch“457, indem es deutlich macht, dass der Rechtsstreit zwingend der von ihm gefundenen ­Lösung zugeführt werden könnte und müsste, auch ohne gerade aus seiner Sicht einen höchstrichterlichen Entscheidungsbedarf im Interesse der Rechtseinheit aufzuwerfen. In diesen Fällen ist zwar der abstrakte Aufgabenkreis des Revi­sionsgerichts berührt, die Rechtseinheit nach Ansicht des Gesetzgebers aber noch nicht konkret bedroht, weil das Berufungsgericht die Entscheidungsautorität des Bundesverwaltungsgerichts in Rechtsfragen von allgemeinem Interesse nicht in kontrollbedürftiger Weise in Frage stellt, wenn es diese zwar selbst beantwortet, seine Entscheidung hierauf aber nicht maßgeblich stützt458. Anders verhält es sich aber, wenn die Hilfserwägungen erst vom Bundesverwaltungs­gericht nachgeschoben werden, weil dann das Vordergericht von seinem Standpunkt aus den Fall nur dadurch einer Lösung zuführen konnte, indem es eine bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung in Frage stellte oder eine bisher fehlende Revisionsjudikatur selbst antizipierte. Dabei handelt es sich aber gerade um solche Fälle, die nach dem Zweck von §  132 Abs.  2 Nr.  1, Nr.  2 VwGO gerade einer revisionsrichterlichen Kontrolle bedürfen, weil sie die Entscheidungsautorität des Bundesverwaltungsgerichts und damit die Rechtseinheit in entscheidungstragender Weise tangieren. Die Prüfung der Zulassungsgründe des §  132 Abs.  2 VwGO ist, wie oben gezeigt, ebenso wie die Kassationsprüfung nach §  137 Abs.  1 VwGO eine nachvollziehende Kontrolle, nicht aber auf eine originäre Sachentscheidung des Zulassungsgerichts angelegt. Sie erfordert ein „Nach-denken“ der Begründungsstruktur der vordergerichtlichen Entscheidung, nicht aber ein eigenständiges „Neu-lösen“ des Rechtsstreits459. Dies kann erst aufgrund der Reformationskompetenz des Revisionsgerichts, die erst nach Zulassung der Revision und grundsätzlich auch erst nach Kassation der angegriffenen Entscheidung aktualisiert wird, geschehen. Hätte aber das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde auch zu untersuchen, ob die Vorentscheidung aus anderen Gründen aufrecht zu erhalten wäre, so müsste es diese Kontroll­ 456  457 

Ähnlich auch Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  240 Fn.  2072. So Grunsky, in: Dietrich/Gamillscheg/Wiedmann, Festschrift Hilger/Stumpf, S.  261

(264). 458  Dies räumt auch Hanack, Ausgleich, S.  285 ein, der im Übrigen dafür eintritt, dass „alle diejenigen Rechtsansichten »vereinheitlicht« werden müssen, die für die Rechtssprechungseinheit von Belang sind“, was wiederum „alle höchstrichterlichen Interpretationen und Regeln, die für die Rechtspraxis richtungsweisend wirken“, sein sollen, vgl. a. a. O. S.  251. 459  Traut, Zugang zur Revision, S.  104.

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

ebene verlassen und eine eigene Falllösung unter Ausblendung der vorinstanzlichen Entscheidungsgründe erarbeiten. Dies sind aber Elemente, die der einer eigenständigen Sachentscheidung entsprechen460. Denn die vom Bundesverwaltungsgericht angedachte Falllösung muss, um die Zulassung der Revision verhindern zu können, nicht nur selbstständig tragfähig, sondern auch rechtlich haltbar sein. Gründe, die vom Vordergericht zwar entscheidungstragend, aber unter Verletzung revisiblen Rechts herangezogen worden sind, schließen – bei fehlender Zulassungsrelevanz – als kumulative Mehrfachbegründung grundsätzlich die Revisionszulassung aus, ohne dass deren potentielle Rechtsfehlerhaftigkeit für die Zulassungsfrage in Ansatz gebracht werden dürfte461. Eine vollumfassende Rechtmäßigkeitsprüfung findet im Zulassungsverfahren nicht statt, diese ist vielmehr der zugelassenen Revision vorbehalten. Dagegen kann sich das Bundesverwaltungsgericht, will es seine Nichtzulassungsentscheidung analog §  144 Abs.  4 VwGO auf die Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils stützen, nicht darauf beschränken, eine anderweitige, nicht zulassungsträchtige Begründung aufzufinden, deren Richtigkeit in gleicher Weise offen bleiben könnte, sondern müsste dazu eine Falllösung entwickeln, deren rechtliche Haltbarkeit aus seiner Sicht außer Zweifel stehen muss. Dadurch würde aber durch die Hintertür des §  144 Abs.  4 VwGO die Zulassungsprüfung zu einem Rechtsfindungs-, also einem Sachentscheidungsverfahren umfunktioniert 462. In der Revision rechtfertigt sich der bloße Austausch der Urteilsgründe unter Bestätigung des Tenors nach §  144 Abs.  4 VwGO gerade dadurch, dass ihr zuvor eine umfassende rechtliche Prüfung des Berufungsurteils und der Sache selbst vorausgeht463. Das Revisionsgericht macht sich im Zuge dieser Sachentscheidung464 die angefochtene Entscheidung unter bloßer Reformation ihrer Gründe zu eigen465. Das Berufungsurteil erwächst dann gerade in der Gestalt in Rechts460  Im Ergebnis ebenso Meyer-Ladewig, in: Bachof/Heigl/Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (428); Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  62; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  240 Fn.  2072; Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, §  39 Rn.  28; Lindner, NJW 2003, 1097 (1098) und Seiler, NJW 2005, 1689 (1690). 461  BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 1996 – 11 B 150/95 –, NVwZ-RR 1996, 369 (369); Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  124 Rn.  153. Dagegen Lindner, NJW 2003, 1097 (1098) für die Berücksichtigungsfähigkeit einfacher Rechtsfehler des Vordergerichts im Rahmen der weiteren selbstständig tragfähigen Begründungsansätze durch das Zulassungsgericht. 462  Ebenso Seiler, NJW 2005, 1689 (1690); Grunsky, in: Dietrich/Gamillscheg/Wiedmann, Festschrift Hilger/Stumpf, S.  261 (265); Lindner, NJW 2003, 1097 (1098). 463  Krasney, in: Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, IX. Rn.  54 zu §  170 Abs.  1 S.  2 SGG. 464  Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  144 Rn.  16; Ruban, in: Gräber, FGO, Vor §  115 Rn.  2. 465  Bettermann, ZZP 88, 365 (375); Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  29; Gottwald, Revisionsinstanz, S.  117.

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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kraft, die ihm durch das Revisionsurteil beigegeben wurde. Der Austausch der Gründe kann rechtlich gleichgültig sein, aber auch Auswirkungen auf die rechtlichen Verpflichtungen der Parteien aus dem Urteil haben, wie dies etwa bei Verbescheidungsurteilen der Fall sein kann466. Die analoge Anwendung von §  144 Abs.  4 VwGO im Zulassungsverfahren kann dies jedoch nicht bewirken, denn sie führt über die Nichtzulassung der Revision dazu, dass ein die Begründung des angegriffenen Judikates abänderndes Revisionsurteil gar nicht erst ergehen kann467. Die Berufungsentscheidung erwächst dann in genau der Form in Rechtskraft, die ihr vom Vordergericht beigegeben wurde, ohne dass das Revi­ sionsgericht dessen gegebenenfalls rechtswidrige Begründung in rechtserheb­ licher Weise korrigiert hat. Die Zulassungsentscheidung ist nämlich auch dann, wenn sie analog §  144 Abs.  4 VwGO auf die Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils gestützt wird, zwar inhaltlich eine Entscheidung »über die Sache«, aber nicht im engeren prozessualen Sinne eine Entscheidung »zur Sache«468. Ihr kann, von Beschlüssen nach §  133 Abs.  6 VwGO einmal abgesehen, nicht die gleiche Wirkung zukommen wie einem Revisionsurteil, selbst wenn sie sich analog §  144 Abs.  4 VwGO auf dieselben Umstände stützt wie ein entsprechende Hauptsacheentscheidung. Aufgrund dieser funktionalen Unterschiede muss das, was für die Revision gilt, keineswegs auch in gleichem Maße schon für das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde Gültigkeit beanspruchen469. Hinzu kommt, dass eine kumulative Mehrfachbegründung der vordergerichtlichen Entscheidung der Zulassungsfähigkeit der Rechtssache nur dann ent­ gegensteht, wenn die anderen Urteilsgründe nicht auch selbst Zulassungsründe i. S. v. §  132 Abs.  2 VwGO aufwerfen470. Der Beschwerdeführer muss daher in der Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde gemäß §  133 Abs.  3 S.  3 VwGO in diesen Fällen die Zulassungsträchtigkeit aller tragenden Begründungsansätze darlegen471. Demnach hat er sein Zulassungsvorbringen anhand 466 

Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2013 – 5 C 8/12 –, BVerwGE 147, 216 (219 f.); ­ VerwG, Urteil vom 03. Dezember 1981 – 7 C 30/80, 7 C 31/80 –, NJW 1983, 407 (408); B Bettermann, ZZP 88, 365 (374). 467  Ebenso Lindner, NJW 2003, 1097 (1098) zum Zivilprozess. 468  Ähnlich Barnert, in: Kiesow/Simon, Vorzimmer des Rechts, S.  13 (17). 469  So im Allgemeinen auch Proske, NJW 1997, 352 (353); Piekenbrock/Schulze, JZ 2002, 911 (912); Müller, in: Festschrift Herschel, S.  159 (165). 470  BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 1996 – 11 B 150/95 –, NVwZ-RR 1996, 369 (370); BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – 7 B 261/97 –, NJW 1997, 3328; BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2010 – 9 B 60/10 –, BayVBl. 2011, 352; Kuhla, in: Kuhla/Hüttenbrink/Endler Der Verwaltungsprozess, Abschnitt F Rn.  174; Kummer, Nichtzulassungs­ beschwerde, Rn.  291; von Wedelstädt, Der Betrieb 1991, 1899 (1899); Wenzel, NJW 2002, 3353 (3358). 471  BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 1996 – 11 B 150/95 –, NVwZ-RR 1996, 369 (370);

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

der Begründungsstruktur der angegriffenen Entscheidung auszurichten. Fingiert das Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren analog §  144 Abs.  4 VwGO, dass das Berufungsurteil nicht nur auf die vom Vordergericht tatsächlich angebrachten Gründe, sondern auch noch auf andere Begründungsansätze gestützt ist, so sollen diese dementsprechend der Revisionszulassung nur entgegenstehen können, wenn sie ihrerseits nicht zulassungsträchtig sind472. Da sich das Bundesverwaltungsgericht vorbehält, im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu überprüfen, ob sich das Berufungsurteil aus anderen, nicht zulassungsträchtigen Gründen im Ergebnis richtig herausstellt, wird der jeweilige Beschwerdeführer nicht als verpflichtet angesehen, zur Erfüllung seiner Begründungsobliegenheit nach §  133 Abs.  3 S.  3 VwGO Darlegungen zum Ausschluss anderweitiger Ergebnisrichtigkeit zu erbringen473. Dennoch dürfte sich dieser rein faktisch genötigt sehen, hierbei auch Stellung dazu zu nehmen, dass sich die Vorentscheidung nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig darstellt bzw. dass zwar anderweitige Gründe diese Entscheidung tragen könnten, diese aber keine Zulassungsrelevanz besitzen, will er eine Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde analog §  144 Abs.  4 VwGO vorab verhindern474. Dies verlangt der Partei aber einen erheblichen Begründungsaufwand ab, der selbst über das zur Begründung einer Revision nach §  139 Abs.  3 S.  4 VwGO erforderliche Maß hinausgehen kann, denn sie müsste hierzu auch rechtliche Aspekte des Falles in den Blick nehmen und in zulassungserheblicher Weise durchdringen, die im bisherigen Verfahrensverlauf noch keine Rolle gespielt haben und nicht einmal von der Vorinstanz erkannt worden sind. Von ihm kann aber kein umfassenderer Blick auf die Rechtslage verlangt werden, als dies vom Berufungsgericht – wohlgemerkt einem richterlichen Kollegialorgan – geleistet worden ist und Umstände, die von diesem nicht erkannt und herangezogen worden sind, als für die Zulassungsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts relevant antizipieren475.

BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – 7 B 261/97 –, NJW 1997, 3328; BVerwG, Beschluss vom 11. April 2003 – 7 B 141/02 –, NJW 2003, 2255 (2256). 472  BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 2007 – 1 BvR 382/05 –, BVerfGK 10, 208 (213 f.); BVerwG, Beschluss vom 24. Oktober 1979 – 8 B 82/79 –, Buchholz 310 §  132 Nr.  178 (nur Leitsatz, vgl. juris); Sendler, DVBl. 1992, 240 (242). 473  Vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 02. März 2006 – 2 BvR 767/02 –, NVwZ 2006, 683 (684); Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  241 ff.; Czybulka, in: Sodan/ Ziekow, VwGO, §  133 Rn.  80. A. A. BSG, Beschluss vom 12. Juli 1985 – 7 BAr 114/84 –, SozR 1500 §  160a Nr.  54 S.  71. Hierzu ausführlich unten §  4 IV. 2. c) bb) (1). 474  So auch Piekenbrock, AnwBl 2004, 329 (332); Barnert, in: Kiesow/Simon, Vorzimmer des Rechts, S.  13 (17) und Traut, Zugang zur Revision, S.  220 f. 475  Quaas, NVwZ 1998, 701 (703); Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  243.

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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Rechtserheblich fixiert und damit hinreichend verlässliche und praktikable Grundlage für die Frage, welche Rechtsfragen im Revisionsverfahren relevant sein werden und damit dessen Zulassung daher tragen könnten, können allein die tatsächlichen angebrachten Entscheidungsgründe des Berufungsurteils sein476. Hierauf richtet zum einen die beschwerte Partei ihr Zulassungsvor­ bringen in der Nichtzulassungsbeschwerde aus477, welcher grundsätzlich durch sein Beschwerdevorbringen den Prüfungsumfang der Zulassungskontrolle bestimmt478. Zum anderen kann auch der iudex a quo im Rahmen seiner Zu­ lassungsentscheidung einen Ausblick auf bisher unberücksichtigte Aspekte des Falles denknotwendigerweise nicht nehmen, ansonsten hätte er diese ja schon in seiner Sachentscheidung berücksichtigt und selbst als kumulative Mehrfach­ begründung zur rechtsmittelrechtlichen Absicherung seines Urteils anbringen können479. Lässt dieser aber allein auf Grundlage der von ihm selbst angeführten Entscheidungsgründe die Revision zu, so wird den Parteien in diesem Fall das Rechtsmittel unabhängig davon eröffnet, ob das Gericht auch mittels einer anderen, nicht zulassungsträchtigen Begründung zum selben Entscheidungs­ ergebnis hätte kommen können und ob die Revision auch im Übrigen Aussicht auf Erfolg hat. §  132 Abs.  3 VwGO misst dieser freigebenden Zulassungsentscheidung selbst dann bindende Wirkung für das Revisionsgericht zu, wenn aus dessen Sicht offenkundig ist, dass es im Revisionsverfahren gar nicht zur Klärung derjenigen Rechtsfragen kommen wird, deretwegen das Vordergericht die Zulassung ausgesprochen hat 480.

476  So auch BVerwG, Urteil vom 29. März 1968 – IV C 27.67 –, BVerwGE 29, 261 (268) zur Kausalität zwischen Verfahrensfehler und Sachentscheidung, die nicht durch nachträglich angestellte Erwägungen des iudex a quo im Nichtabhilfebeschluss in Frage gestellt werden könne. Ähnlich Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  132 Rn.  19. Die Angabe der urteilstragenden Erwägungen in der Entscheidungsbegründung nach §§  108 Abs.  1 S.  2, 117 Abs.  2 Nr.  5 VwGO hat neben ihrer Informationsfunktion eben gerade den Zweck, eine Kassationskontrolle durch das Rechtsmittelgericht anhand der Entscheidungsstruktur des Urteils zu ermöglichen, vgl. Höfling/Rixen, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  108 Rn.  170. 477  Ebenso Sendler, DVBl. 1992, 240 (243) und Geis/Thirmeyer, JuS 2013, 799 (800). 478  BVerwG, Beschluss vom 30. Januar 1985 – 9 B 10679/83 –, Buchholz 310 §  132 VwGO Nr.  229 S.  17 f.; BVerwG, Beschluss vom 11. September 1990 – 1 CB 6/90 –, NJW 1990, 3102; BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 1995 – 1 B 132/94 –, NVwZ 1995, 1134 (1134); W.-R. ­Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  133 Rn.  19a; Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  238; Traut, Zugang zur Revision S.  216; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  270, 875; Wenzel, NJW 2002, 3353 (3359). 479  Hierzu ausführlich unten §  4 IV. 2. c) aa) (1). 480  BVerwG, Urteil vom 25. April 1961 – VIII C 306.59 –, NJW 1961, 1737 (1737 f.); B ­ VerwG, Urteil vom 09. Oktober 1996 – 6 C 11/94 –, BVerwGE 102, 95 (98 f.); Prütting, Zulassung, S.  258; Lässig, Fehlerhafte Rechtsmittelzulassung, S.  76.

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

(d) Zwischenfazit Die Zulassungssituationen bei Entscheidungen, die in nicht zulassungsrelevanter Weise vom iudex a quo selbst kumulativ mehrfach begründet worden sind und bei solchen Judikaten, denen vom iudex ad quem erst nachträglich eine nicht zulassungsträchtige Alternativbegründung beigegeben werden könnte, erweisen sich damit bei näherer Betrachtung nicht als derart gleichgelagert, dass sie über einen Analogieschluss zu §  144 Abs.  4 VwGO revisionszulassungsrechtlich gleichbehandelt werden müssten. Auch unter diesem Blickwinkel erweist sich die Zulassungspraxis des Bundesverwaltungsgerichts also als nicht haltbar. Das Gebot der Rechtsmittelgleichheit steht diesem Ergebnis nicht – wie von einigen Vertretern der Gegenauffassung behauptet 481 – entgegen. Vielmehr sähe sich eine an die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren anknüpfende Zulassungspraxis selbst dem Vorwurf der Ungleichbehandlung ausgesetzt482. Sie fußt nämlich auf der Prämisse, dass zum Zwecke der Revisionszulassung die rechtliche Haltbarkeit des angefochtenen Urteils schon im Zulassungsstadium in den Blick genommen werden dürfte. Die Zulassung der Revision könne danach zulasten des Beschwerdeführers versagt werden, wenn das angegriffene Judikat aus nicht selbst zulassungsträchtigen Gründen im Ergebnis richtig ist, die erst vom iudex ad quem zu entwickeln wären. Dann müsste aber konsequenterweise auch die Zulassung der Revision in all jenen Fällen zugunsten des Beschwerdeführers ausgesprochen werden, in denen zwar die vom iudex a quo tragend herangezogene Entscheidungsbegründung keine Zulassungsgründe offenbart, aber diejenigen Gründe, aus denen der iudex ad quem das Urteil in der Revision nach §  144 Abs.  4 VwGO im Ergebnis bestätigen würde, zulassungsrelevante Rechtsfragen aufwerfen483. Gleichsam wäre nicht einzusehen, warum das Beschwerdegericht, wenn es schon analog §  144 Abs.  4 VwGO eine Rechtskontrolle des vorder­ gerichtlichen Entscheidungsergebnisses vornimmt, nicht auch die rechtliche Tragfähigkeit der vordergerichtlichen Entscheidungsgründe bei seiner Zu­ lassungsentscheidung in Ansatz bringen können soll. Würde sich nämlich schon im Zulassungsstadium zeigen, dass ein kumulativ mehrfach begründetes Be­ rufungsurteil in all seinen nicht zulassungsrelevanten Begründungssträngen revisibles Recht verletzt, so käme es für die Revisionsentscheidung letztlich 481  Sendler, DVBl. 1992, 240 (243); Hermann, Steuerprozess, Rn.  193; Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  237; Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  77. 482  Vgl. zum verfassungsrechtlichen Gebot der Rechtsmittelgleichheit ausführlich unten §  5 IV. 483  So auch von Seiler, NJW 2005, 1689 (1691), welcher sich aus diesem Grunde für die Anerkennung der Erfolgsaussichten der Revision als ungeschriebenen, selbstständigen Zulassungsgrund im Bereich der zivilprozessualen Revision ausspricht.

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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doch auf die Behandlung der vom Vordergericht aufgeworfenen zulassungs­ relevanten Rechtsfrage an, weshalb dann auch unter dem Blickwinkel des Gebotes der Rechtsmittelgleichheit die Revision zugelassen werden müsste484. Dies wird vom Bundesverwaltungsgericht aber ersichtlich nicht praktiziert485. (4) Revisionszulassung und Zulassungsermessen (a) Revisionszulassung als grundsätzlich gebundene Entscheidung Das Gesetz bestimmt in §  132 Abs.  2 VwGO abschließend, aus welchen Gründen die verwaltungsprozessuale Revision zuzulassen ist 486. Dieser Katalog kann durch richterliche Rechtsschöpfung weder erweitert noch beschränkt werden487. Selbst die Geltendmachung eines Verfassungsverstoßes durch die Vor­ instanz kann nicht zur Revisionszulassung führen, wenn dieser nicht zugleich einen enumerierten Zulassungsgrund darstellt488. Nur im Rahmen und in den Grenzen einer methoden- und sachgerechten Auslegung des Zulassungsrechts können eigene judikative Wertungen Einfluss auf den Tatbestand des Rechtsmittelzugangs nehmen, wenn das Gesetz einen entsprechenden Spielraum für Dies fordert Lindner, NJW 2003, 1097 (1098 f.). Dagegen Boeckh, Beschwerde im ­Zivilverfahren, S.  234 mit Fn.  1075. 485  Ist zweifelhaft ob die vordergerichtliche Mehrfachbegründung aus Sicht des iudex a quo eine kumulative oder eine alternative sein soll, so wird mehrheitlich dafür eingetreten, zugunsten des Beschwerdeführers Letzteres anzunehmen und die Revision zuzulassen, weil Zweifel an der subjektive Einordnung eines Begründungsstranges durch das Vordergericht allein die Rechtsmittelfähigkeit eines Urteils nicht ausschließen können dürfen, vgl. Pietzner/­ Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  80a; Traut, Zugang zur Revision, S.  108; von Gierke/Seiler, JZ 2003, 403 (406). Dann kann aber konsequenterweise auch nicht zulasten des Beschwerdeführers die Revisionszulassung analog §  144 Abs.  4 VwGO von der ebenso unsicheren Prognose abhängig gemacht werden, ob das BVerwG schon im Zulassungsstadium die angefochtene Entscheidung durch Nachschieben anderer Gründe nachträglich absichern wird. 486  BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. November 1992 – 1 BvR 974/92 –, NVwZ 1993, 358; Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  2; Redeker, in: Redeker/von Oertzen, VwGO, §  132 Rn.  4; Möhring, NJW 1949, 1 (3). 487  Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  6 4; Ruban, in: Gräber, FGO, §  115 Rn.  11. 488  BVerfG, Kammerbeschluss vom 07. Dezember 1998 – 1 BvR 831/89 –, NVwZ 1999, 290 (291) und BVerwG, Beschluss vom 28. März 2002 – 5 B 87/01 – (unveröffentlicht, juris) zum Fehlen eines Zulassungsgrundes zur individuellen Abhilfe bei Grundrechtsverletzungen; BVerwG, Beschluss vom 23. März 2005 – 8 B 3/05 –, NJW 2005, 2169 (2170) zur Rüge überlanger Verfahrensdauer; BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 26. März 2001 – 1 BvR 383/00 –, NJW 2001, 2161 (2163) und BAG, Beschluss vom 26. Juni 2001 – 9 AZN 132/01 –, BAGE 98, 109 (113) zum Fehlen einer ausschließlichen Verfahrensfehlerzulassung. Vgl. auch BGH, Beschluss vom 26. September 1979 – VIII ZR 87/79 –, NJW 1980, 344 (344 f.) zum Fehlen einer Zulassungskompetenz des iudex a quo. 484 

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

die Rechtsanwendung im Einzelfall lässt, wie dies etwa beim unbestimmten Rechtsbegriff der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache der Fall ist 489. Im Übrigen ist die Zulassungsentscheidung nach Maßgabe des §  132 Abs.  2 VwGO auf Rechtsfolgenseite eine gebundene, ein Zulassungsermessen kommt prinzipiell weder dem iudex a quo noch dem iudex ad quem zu490. Vielmehr hat die durch die vorinstanzliche Entscheidung beschwerte Partei, soweit sie im konkreten Fall im Wege einer zulässigen Nichtzulassungsbeschwerde mit Erfolg Zulassungsgründe gelten machen kann, einen einfachgesetzlichen Anspruch auf Zugang zur nächsten Instanz und damit auf Zulassung der Revision, welcher unabhängig von der verfassungsrechtlichen Frage eines subjektiven Rechts auf einen Instanzenzug besteht491. Ein Zulassungsermessen besteht demgegenüber nur ausnahmsweise, nämlich im Rahmen des §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO. Der iudex ad quem kann nach Feststellung des Vorliegens entscheidungserheblicher Verfahrensfehler entweder die Revision zulassen oder das Berufungsurteil nach §  133 Abs.  6 VwGO schon unmittelbar im Beschwerdeverfahren aufheben und die Sache an den iudex a quo zurückverweisen492. Doch auch hierbei handelt es sich genau genommen nicht um eine Befugnis des Beschwerdegerichts, die Zulassung trotz einschlägigen Zulassungsgrundes zu verweigern, sondern um eine vom Gesetz ermöglichte Verknüpfung von freigebender Zulassungs- und stattgebender Sachentscheidung in einem Akt493. Da die Kassationsbefugnis nach §  133 Abs.  6 VwGO nur dem Bundesverwaltungsgericht, nicht aber auch dem iudex a quo im Ab­

Hierzu Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  43, 59. Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  60; May, Revision, IV Rn.  70; Lässig, Fehlerhafte Rechtsmittelzulassung, S.  36. 491  Das Prozessrecht kann über „bloße ordnungsrechtliche, technische Prozeßführungs­ regeln“ hinaus auch subjektive Rechtspositionen gewähren, „die in ihrer Schutzwürdigkeit materiell-rechtlichen Gewährleistungen vergleichbar sind“, so BVerfG, Beschluss vom 07. Juli 1992 – 2 BvR 1631/90, 2 BvR 1728/90 –, BVerfGE 87, 48 (63 f.). Hierzu gehört auch der einfach-gesetzliche Anspruch auf Zugang zur nächsten Instanz, vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. Januar 1993 – 2 BvR 1058/92, 2 BvR 1059/92 –, NVwZ 1993, 465 (466): „Darüber hinaus […] hatte sich […] die aus Art.  19 Abs.  4 GG in Verbindung mit den einschlägigen Zulassungsvorschriften herleitbare Rechtsposition der Beschwerdeführer zu einem Zulassungsanspruch verstärkt“. Ebenso Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  133 Rn.  5: „Die Nichtzulassungsbeschwerde dient der Verwirklichung des Rechts auf Zulassung der Revi­sion (Hervorhebungen durch Verfasser).“ 492  Ewer, in: Quaas/Zuck, Prozesse in Verwaltungssachen, §  7 Rn.  108; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  898; May, Revision, IV Rn.  197. 493  May, Revision, IV Rn.  159 sowie Piekenbrock/Schulze, JZ 2002, 911 (913) und Traut, Zugang zur Revision, S.  220 zu §  544 Abs.  7 ZPO sowie Schuler, SGb 2003, 126 (129) zu §  160a Abs.  5 SGG. 489 

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IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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hilfeverfahren nach §§  133 Abs.  5 S.  1 Hs.  1, 148 VwGO zusteht494, stellt sich dabei die Frage, wie dieser zu verfahren hat, wenn er nachträglich selbst erkennt, dass ihm ein entscheidungserheblicher Verfahrensfehler unterlaufen ist. Gibt das Vordergericht in diesem Fall nämlich der Beschwerde statt, eröffnet es zwar dem Beschwerdeführer den Revisionszugang, nimmt dem Bundesverwaltungsgericht aber die prozessökonomisch sinnvolle Möglichkeit, das Urteil im abgekürzten Verfahren nach §  133 Abs.  6 VwGO aufzuheben. In diesen Fällen wird daher zu Recht befürwortet, dem Berufungsgericht die Möglichkeit der Nichtabhilfe trotz Zulassungsfähigkeit der Rechtssache aufgrund prozessualer Mängel zuzubilligen und mit der sich daran anschließenden Vorlage der Beschwerde an den iudex ad quem gemäß §§  133 Abs.  5 S.  1 Hs.  2, 148 Abs.  1 Hs.  2 VwGO die Anregung zu verbinden, nach §  133 Abs.  6 VwGO zu verfahren495. Insoweit besteht also im Bereich der Revisionszulassung wegen Verfahrensmängel ein eng begrenztes (Nicht-) Zulassungsermessen. Im Übrigen aber ist dem geltenden Revisionszulassungsrecht die Eröffnung des Rechtsmittelzugangs nach Maßgabe richterlichen Ermessens, auch vor dem Hintergrund einer insoweit kritischen bundesverfassungsgerichtlichen Judikatur496, fremd497. Die Vorabprüfung der Erfolgsaussichten der Revision im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde analog §  144 Abs.  4 VwGO kann demgegenüber im Einzelfall zu einem Entscheidungsspielraum des Bundesverwaltungsgerichts führen, der einem Zulassungsermessen jedenfalls faktisch nahe kommen kann. Ob nämlich vom iudex ad quem im konkreten Beschwerdeverfahren überhaupt ein Ausblick auf die Reformationsmöglichkeiten in der Sache genommen wird und ob er bejahendenfalls die heranzuziehenden Alternativgründe als »offensichtlich genug« beurteilt, um ihretwegen auf eine Revisionszulassung verzichten zu können498, entzieht sich mangels entsprechender eindeutiger gesetzlicher Aussagen der Verallgemeinerung und bestimmt sich vielmehr von Fall zu Fall499. Andererseits ist es aus denselben Gründen nicht ausgeschlossen, Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  99. Redeker, in: Redeker/von Oertzen, VwGO, §  132 Rn.  17; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  99. Ablehnend Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  42 und Pietzner/ Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  84, 143. 496  Vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (285 ff.). Zur Frage der Übertragbarkeit dieser zur Annahmerevision nach §  554b ZPO a. F. ergangenen Rechtsprechung auf die Zulassungsrevision vgl. Ruban, in: Gräber, FGO, §  115 Rn.  13. Dies soll an dieser Stelle noch nicht vertieft behandelt werden. Auf die verfassungsrechtliche Untersuchung der Problematik in §  5 sei verwiesen. 497  Ebenso Schafft, Selektion, S.  87 f. 498  Vgl. zur Problematik des Offensichtlichkeitsmaßstabs oben §  4 III. 2. b). 499  Vgl. hierzu Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  133 Rn.  87: „BVerwG/OVG sind im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren aber nicht zu einer vorgelagerten Vollprüfung aller 494  495 

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

dass das Bundesverwaltungsgericht trotz offensichtlicher Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils die Revision dann zulässt, wenn aus seiner Sicht die Rechtssache einen dringenden Klärungsbedarf an grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfragen aufwirft, der auch durch eine letztlich zurückweisende Revisionsentscheidung befriedigt werden könnte. Faktisch führt damit die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zur Inkorporation von Ermessenselementen in die Zulassungskontrolle. (b) Durchführung der Rechtmäßigkeitskontrolle im Revisionsverfahren nach Ermessen des Revisionsgerichts Um dem Bundesverwaltungsgericht aber abweichend von der gesetzlichen Grund­konstruktion eines strikten Zulassungsanspruchs über den Umweg einer analogen Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO eine Auswahlbefugnis dahingehend zugestehen zu können, welche Fälle es einerseits erst in der Revision und andererseits schon in der Nichtzulassungsbeschwerde sachlich abarbeiten kann, bedürfte es mindestens sachlich zwingender Gründe, die sich aus dem System der Revision selbst ableiten lassen können. Diese könnten sich im vorliegenden Zusammenhang aus einem Vergleich mit der Befugnis des Bundesverwaltungsgerichts zur Gestaltung des Kontroll- und Verfahrensablaufs der Revisionsprüfung ergeben. Im Revisionsverfahren soll nämlich das Bundesverwaltungsgericht nicht verpflichtet sein, in jedem Fall zur Frage der Gesetzesverletzung im Sinne des §  137 Abs.  1 VwGO und damit auch zu den Rechtsfragen, die zu dessen Zulassung geführt haben, Stellung nehmen zu müssen, sondern dies nach pflichtgemäßem Ermessen dahingestellt lassen können, wenn die angegriffene Entscheidung ohnehin nach §  144 Abs.  4 VwGO zu bestätigen wäre500. nach §  144 Abs.  4 VwGO heranzuziehenden Aspekte verpflichtet; anderes kommt nur in Betracht, wenn sich die Ergebnisrichtigkeit als offenkundig aufdrängt.“ Auch insoweit unterscheidet sich die Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Revisionsverfahren von derjenigen im Beschwerdeverfahren. Das Bundesverwaltungsgericht ist als Revisionsgericht nämlich bei Spruchreife zu einer reformatorischen Entscheidung nach §  144 Abs.  3 S.  1 Nr.  1, Abs.  4 VwGO verpflichtet und dabei auch nicht auf die Heranziehung solcher Erwägungen beschränkt, die auf der Hand liegen, vgl. Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  29, 43; Bettermann, ZZP 88, 365 (373); Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, §  39 Rn.  65. 500  Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Februar 1996 – 11 C 6/95 –, BVerwGE 100, 275 (277); BVerwG, Urteil vom 02. September 1999 – 2 C 22/98 –, BVerwGE 109, 283 (285); BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – 1 C 37/07 –, BVerwGE 132, 382 (384); Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  144 Rn.  9; Bettermann, ZZP 88, 365 (382 f.); Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  144 Rn.  18; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  144 Rn.  25; Eichberger/Bier, in: Schoch/ Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  34 f. Ob diese Verfahrensweise vor dem Hintergrund der im Wortlaut von §  144 Abs.  3 S.  1 Hs.  1 VwGO zum Ausdruck kommenden systematischen

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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Die Zulassungsgründe des §  132 Abs.  2 VwGO sind, wie bereits gezeigt501, funktionell verknüpft mit der im Rahmen des Revisionsverfahren vorzunehmenden Prüfung, ob das angefochtene Urteil nach §  137 Abs.  1 VwGO auf der Verletzung revisiblen Rechts beruht. Sie stellen in der Zulassungskontrolle gewissermaßen ein inhaltlich beschränktes Äquivalent zur Kassationskontrolle innerhalb der Sachprüfung im Rechtsmittelverfahren dar, indem sie einen Ausblick darauf nehmen, ob das Revisionsgericht im Rahmen der Rechtskontrolle des Berufungsurteils Rechtsfragen von allgemeinem Interesse in hierfür entscheidungserheblicher Weise klären kann. Kann aber das Bundesverwaltungsgericht selbst in der zugelassenen Revision Rechtsfragen, die gerade in der Begründung des Berufungsurteils aufgeworfen wurden und auf die das Vordergericht seine Sachentscheidung gestützt hat, nach den Umständen des Einzelfalles dahingestellt lassen und unmittelbar eine reformatorische Sachentscheidung nach §  144 Abs.  4 VwGO aussprechen, so könnte es auch angezeigt sein, diesen Entscheidungsspielraum schon in das Zulassungsstadium vorzuverlagern502. Könne im Einzelfall die Prüfung der Rechtswidrigkeit des angegriffenen Judikates dahinstehen, wenn dieses jedenfalls im Ergebnis richtig ist, so müsste auch schon auf eine Prüfung der auf Ersteres bezogenen Zulassungsgründe in diesen Fällen verzichtet werden können. (c) Verzicht auf Zulassungsprüfung bei erkannter Ergebnisrichtigkeit? Einer derartigen Vorverlagerung revisionsrichterlicher Verfahrensgestaltungsbefugnisse in das Zulassungsverfahren steht jedoch entgegen, dass die kassatorischen und reformatorischen Elemente der Revisionsentscheidung und deren Verhältnis zueinander maßgeblich durch die gesetzliche Ausgestaltung des in­ stitutionellen und verfahrensrechtlichen Rahmens des Revisionsverfahrens selbst, nämlich durch dessen Erkenntnismöglichkeiten und Verfahrensgaran­ tien, determiniert werden. Den Parteien verbleiben im Rahmen der Revisionsverhandlung ausreichende Möglichkeiten, auf den Gang des Verfahrens Einfluss und funktionellen Verknüpfung der Kassations- und Reformationsbefugnisse des Revisionsgerichts tatsächlich prozessual zulässig ist, ist für diese Untersuchung letzten Endes nicht von Belang und soll daher dahingestellt bleiben. 501  Vgl. oben §  4 IV. 2. b) bb) (1) und (2). 502  Auf diesen Ansatz stützen sich Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  62. Die Ermessensausübung des Bundesverwaltungsgerichts, ob es in Fällen erkannter Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils die Revision zulässt oder nicht, solle sich ihrer Ansicht nach daran orientieren, „ob im konkreten Fall der Gedanke der Prozessökonomie überwiegt, oder hinter den Gesichtspunkt zurücktreten muss, dass die reformatorische Sachentscheidung eigentlich dem Senat in voller Besetzung im Revisionsverfahren vorbehalten ist.“

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

zu nehmen und somit nicht nur zur sachgerechten Beilegung des Rechtsstreits, sondern auch auf die rechtsfortbildende Tätigkeit des Bundesverwaltungsgerichts einzuwirken. Die Möglichkeit des Vorziehens der Reformationsentscheidung nach §  144 Abs.  4 VwGO unter Verzicht auf eine Kassationskontrolle nach §  137 Abs.  1 VwGO rechtfertigt sich dabei im Revisionsverfahren dadurch, dass den Parteien im Regelfall weit mehr an einem korrekten, aber auch zügigen Abschluss des Verfahrens durch eine Entscheidung zur Sache, aber nur relativ wenig an den im Wege der Kassation zu erfüllenden Revisionsaufgaben des §  132 Abs.  2 VwGO gelegen ist503. Da in der durch Zulassung eröffneten Revisionsinstanz eben das Individualinteresse dominiert504, kann eine entsprechende Vorgehensweise des Gerichts im Einzelfall zulässig sein, wenn dies „zur unverzögerten Herbeiführung des Rechtsfriedens“505 im wohlverstandene In­ teresse der Parteien geboten ist und das Allgemeininteresse an der richtungsweisenden Wirkung rechtsvereinheitlichender Stellungnahmen des Bundesverwaltungsgerichts dem nicht entgegensteht506. Allein die Möglichkeit einer solchen Vorgehensweise des Gerichts schließt es aber eben nicht pauschal von vornherein aus, dass Rechtsfragen, deretwegen die Revision zugelassen wurde, auch im Zuge einer Überprüfung des Berufungsurteils geklärt werden könnten. Vielmehr stellt sie sich – sofern man sie überhaupt anerkennen wollte – lediglich als Reaktion auf die Besonderheiten der konkret zu beurteilenden Fallgestaltung dar, die sich gerade aus den im Zuge der Sachprüfung im Revisionsverfahren gewonnen Erkenntnissen ergeben können und die auf einer Abwägung zwischen den durch eine Entscheidung der Rechtsache tangierten Allgemein- und Parteibedürfnissen beruht507. Der Umstand allein, dass das Revisionsgerichts nach pflichtgemäßem Ermessen die Gesetzesverletzung dahingestellt lassen und unmittelbar eine Reformation der Entscheidungsgründe auszusprechen kann, schließt es gerade nicht schon im Vorhinein pauschal aus, dass Rechts­ fragen durch ein Revisionsurteil geklärt werden könnten. Vielmehr wird das Gericht hierdurch lediglich in die Lage versetzt, prozessökonomisch angemes503  Hanack, Ausgleich, S.  83; Kroitzsch, AnwBl. 1999, 8 (9); Eichberger/Bier, in: Schoch/ Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  34. 504  Prütting, Zulassung, S.  93. 505  Sendler, DVBl. 1992, 240 (241) unter Bezugnahme auf die 9. Auflage des VwGO-Kommentares von Eyermann/Fröhler, §  132 Rn.  25. 506  So auch Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  144 Rn.  9: Der Verzicht auf eine Prüfung der Rechtmäßigkeit des Berufungsurteils „muss aber ansonsten die Ausnahme bleiben, da das BVerwG die ihm obliegende Aufgabe maßstabsbildender Interpretation des revisiblen Rechts nicht vernachlässigen darf.“ Ebenso Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  35 mit Fn.  70. 507  Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  35 mit Fn.  70; Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  144 Rn.  9.

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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sen auf die Besonderheiten der konkreten Fallgestaltung zu reagieren, die sich durch die Durchführung des Revisionsverfahrens offenbaren. Dem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren stehen dagegen aufgrund seiner Ausgestaltung als bloßes Vorkontrollverfahren nicht dieselben Erkenntnismöglichkeiten wie der Revision zur Verfügung, welche zudem durch verfahrensrechtliche Absicherungen, wie etwa dem Anspruch der Parteien auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach §  10 Abs.  3 Hs.  1 VwGO, eine weitaus höhere Richtigkeitsgewähr für eine korrekte, alle relevanten Aspekte des Falles berücksichtigende sachliche Entscheidung über den Rechtsstreit bieten kann508. Die notwendigen Erkenntnisse für die Abwägungsentscheidung, ob auf eine Befassung mit den vom Berufungsurteil aufgeworfenen Rechtsfragen unter un­ mittelbarer Bestätigung seines Entscheidungsergebnisses tatsächlich verzichtet werden kann, können vom Gericht regelmäßig erst anhand einer umfassenden Begutachtung aller vom jeweiligen Fall berührten Problemfelder und den möglichen rechtspraktischen Auswirkungen einer höchstrichterlichen Stellungnahme hierzu gewonnen werden. Hierzu ist das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren aber weder vorgesehen noch kann es dies praktisch leisten. Zudem ist das Verfahren nach §  133 VwGO ohnehin nahezu ausschließlich von öffentlichen Interessen determiniert, ohne dass dabei den jeweiligen individuellen Interessen am Ausgang des Rechtsstreits Bedeutung zukäme509. Zeigt sich im Zuge der Zulassungskontrolle, dass die Rechtssache vom Vordergericht in einer Art und Weise entschieden worden ist, die einen von §  132 Abs.  2 VwGO näher umschriebenen höchstrichterlichen Klärungsbedarf aufwirft und vom Revi­sions­ gericht in entscheidungserheblicher Weise überprüft werden kann, so ist das für die Eröffnung der Revisionsinstanz allein erforderliche Allgemeininteresse ­unwiderlegbar festgestellt. Dieses kann aber nicht ohne gesetzliche Grundlage allein anhand richterlicher Zweckmäßigkeitserwägungen dadurch hintangestellt werden, dass aufgrund der Umstände des jeweiligen Einzelfalles das Bedürfnis der vorinstanzlich beschwerten Partei an der Durchführung des Rechtsmittelverfahrens nur als gering einzustufen ist. Ob das Berufungsurteil in seiner tragenden Begründung oder jedenfalls im Ergebnis an Rechtsfehlern leidet, hat zwar für die zugelassene und eingelegte Revision Bedeutung, liegt aber außerhalb der von §  132 Abs.  2 VwGO aufgeworfenen Fragestellungen und damit Krasney, in: Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, IX. Rn.  54; Schwinge, Grundlagen, S.  236; Grunsky, Grundlagen, S.  458; Ruban, in: Gräber, FGO, §  115 Rn.  32, §  116 Rn.  56; Grunsky, in: Dietrich/Gamillscheg/Wiedmann, Festschrift Hilger/Stumpf, S.  261 (265). So auch BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990 – 2 BvR 94/88 –, BVerfGE 81, 347 (357 ff.) zur Erfolgsaussichtenprognose im Prozesskostenhilfeverfahren. 509  Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  133 Rn.  79; Prütting, Zulassung, S.  180 ff. 508 

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

auch außerhalb des Streitgegenstandes der Nichtzulassungsbeschwerde510. Dass dann aber gleichwohl über die Zulassungsfrage nicht zu entscheiden sein soll, wenn die Ergebnisrichtigkeit des Urteils schon im Beschwerdeverfahren beurteilt werden könnte, würde angesichts des Umstandes, dass, wie bereits aufgezeigt511, die Reformationsaussichten der Revision in keinem inneren Zusammenhang mit den Zulassungsgründen stehen, einen Systembruch darstellen. Wenn einfache Rechtsanwendungsfehler des Berufungsurteils im Zulassungsverfahren ohne Bedeutung sein sollen512 , kann dem Beschwerdegericht auch keine Wahlmöglichkeit verbleiben, entweder auf die erwiesene Richtigkeit des angegriffenen Urteils oder aber auf die Zulassungsfähigkeit der Rechtssache abzustellen. Denn dies hätte zur Folge, dass die Grundsatz- und Divergenzrevision nur noch in den Fällen zwingend zugelassen werden müsste, in denen das Berufungsurteil einer Ergebniskorrektur im Individualinteresse bedürfte, im Übrigen aber dem Bundesverwaltungsgericht die Freiheit eingeräumt wäre, Rechtssachen mit zwar rechtsgrundsätzlichem Klärungs-, aber fehlendem individuellem Korrekturbedarf von sich fernzuhalten. Dies käme einer Wiedereinführung der unlängst aufgegeben Annahmerevision nach §  554b ZPO a. F. unter umgekehrten Vorzeichen nahe und hätte dieselben verfassungsrechtlichen Bedenken gegen sich, die auch einer solchen Auswahlbefugnis des Rechtsmittel­ gerichts ohne ausdrücklich normierte Auswahlkriterien für den Rechtsmittelzugang entgegenstehen513. Überdies unterminiert ein Zulassungsermessen die Funktion und Zielrichtung des §  132 Abs.  2 VwGO wie auch des Zulassungsprinzips des §  132 Abs.  1 VwGO insgesamt514, indem erst eine Verknüpfung von Zulassungs- und Revisionsgründen den Anspruch der unterlegenen Partei auf Rechtsmittelzugang begründen könnte515. Diese grundlegende Umgestaltung der Rechtsmittelsystematik muss aber der expliziten Normierung vorbehalten bleiben, wie dies etwa mit §  133 Abs.  6 VwGO im Anwendungsbereich des §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO geschehen ist516. Diese Abkürzung des Revisionsverfahrens unter Verzicht auf deren Zulassung hat zum Hintergrund, dass dem Beschwerdeführer in diesen Fallkonstellationen selbst nur an der Aufhebung Traut, Zugang zur Revision, S.  220. Dies räumen auch BVerwG, Beschluss vom 08. Mai 1995 – 4 NB 16/95 –, NVwZ 1996, 372 (374); Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  237 und Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  13 ein. 511  Vgl. oben §  4 IV. 2. b) bb) (1) (e) und (2) (c). 512  Vgl. Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  13, 34; ­Krasney, in: Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, IX. Rn.  54. 513  Hierzu BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (292 ff.). 514  Ähnlich Gottwald, BRAK-Mitt. 1999, 55 (59). 515  Ebenso Reuß, DVBl. 1957, 293 (297). 516  So auch Finkelnburg, in: Schmidt-Aßmann/Sellner/Hirsch/Kemper/Lehmann-Grube, Festgabe 50 Jahre BVerwG, S.  173 (178 f.). 510 

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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des Berufungsurteils gelegen ist517. Dies ist im Rahmen der materiell-rechtlichen Revisionszulassung aber gerade nicht der Fall. Auch in diesen Bereichen dem Bundesverwaltungsgericht durch eine analoge Heranziehung des §  144 Abs.  4 VwGO ein Zulassungsermessen einzuräumen, ist daher nicht gerecht­ fertigt oder gar angezeigt. cc) Zusammenfassung und Zwischenfazit Die vorstehende Untersuchung hat ergeben, dass schon das geltende materielle Revisionszulassungsrecht davon geprägt ist, in spezifischer Weise einen Ausblick auf die Erfolgsaussichten des zuzulassenden Revisionsverfahrens zu nehmen und diesen in die Beurteilung der Frage nach der Revisionszulassung einzubinden. Es konnte gezeigt werden, dass den Revisionszulassungsgründen des §  132 Abs.  2 VwGO in ihren durch die Rechtsprechung und Rechtswissenschaft entwickelten Ausformungen ein übergreifendes Prinzip, nämlich der Blick auf die Kassationsaussichten in der Sache, zugrunde liegt, welches die Zugangskontrolle zum Revisionsgericht mit der revisionsgerichtlichen Rechtsmittel­ kontrolle selbst verzahnt. Diejenigen Merkmale der Zulassungsgründe, welche sich unter die Begrifflichkeit der Zulassungsrelevanz der Rechtssache fassen lassen – also die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, die Divergenz und der Verfahrensmangel –, geben darüber Aufschluss, ob der zur Beurteilung s­ tehende Rechtsstreit überhaupt rechtliche Probleme aufwirft, die abstrakt in den gesetzlich dem Bundesverwaltungsgericht zugeordneten Aufgabenbereich fallen. Demgegenüber bestimmen erst die Kriterien der Zulassungsfähigkeit der Rechtssache, also die Tatbestandsmerkmale der Zulassungsgründe, die auf die Entscheidungserheblichkeit der zulassungsrelevanten Rechtsprobleme abstellen, darüber, ob der in Rede stehende Fall auch tatsächlich zur höchstrichter­ lichen Beantwortung dieser Rechtsfragen beitragen kann und daher einer auch die Parteiinteressen verwirklichenden Sachentscheidung des Revisionsgerichts zugänglich zu machen ist. Ausschlaggebend dafür ist, ob im Zeitpunkt der Zulassungsentscheidung die Aussicht darauf besteht, dass sich das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der kassatorischen Überprüfung des Berufungsurteils nach §  137 Abs.  1 VwGO mit dem jeweils zulassungsrelevanten Begründungsstrang der angefochtenen Entscheidung befassen müsste und gerade diese Stellungnahme des Revisionsgerichts zur Rechtsauffassung des Vordergerichts für die eventuelle Aufhebung des Urteils entscheidungserheblich wäre. Die erforderliche Kassationsaussicht fehlt hingegen, wenn im Zeitpunkt der Zulassungsentscheidung feststeht, dass allein die Behandlung der zulassungsrelevanten 517  Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  133 Rn.  100; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  900; Traut, Zugang zur Revision, S.  71 mit Fn.  226.

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

Rechtsfrage durch das Bundesverwaltungsgericht der Revision nicht zum Erfolg verhelfen kann. Ohne Bedeutung ist hierbei aus Sicht der Zulassungsgründe, ob die Berufungsentscheidung gleichwohl deshalb nicht durch ein Revisions­ urteil aufzuheben wäre, weil es entweder im zulassungsträchtigen Begründungsteil tatsächlich nicht auf der Verletzung revisiblen Rechts i. S. v. §  137 Abs.  1 VwGO beruht oder weil sich die Entscheidung nach einer reformato­ rischen Sachprüfung des iudex ad quem gemäß §  144 Abs.  4 VwGO als im Ergebnis richtig herausstellt. Das Gesetz geht dabei grundsätzlich davon aus, dass die gesetzlichen Revisionsaufgaben der vereinheitlichenden Rechtsfortbildung, der Rechtswahrung und der Verfahrensaufsicht im Zuge der Kassationskomponente der Revision, also im Wege der Überprüfung des angefochtenen Urteils vom Bundesverwaltungsgericht wahrgenommen werden. Nur im Rahmen der Rechtskontrolle nach §  137 VwGO ist es dem Revisionsgericht möglich, die vordergerichtliche Rechtsansicht nachzuvollziehen und sich ihr anzuschließen oder diese zu verwerfen518. Konsequenterweise knüpft das Gesetz den Maßstab für die Entscheidung über den Zugang zur Revisionsinstanz daher auch allein an diese Revisionsfunktion. Maßgeblich für die Revisionszulassung unter der Geltung des §  132 Abs.  2 VwGO sind insoweit ausschließlich die Befassungsmöglichkeiten des Revisionsgerichts mit der von der Vorinstanz geäußerten und ihrer Entscheidung tragend zugrunde gelegten Rechtsauffassung zu den zu­ lassungsrelevanten Rechtsfragen. Dagegen hat sich die reformatorische Funktion des Revisionsverfahrens, also die Entscheidung des Revisionsgerichts über die Sache selbst unter Zugrunde­ legung der eigenen materieller Rechtsansicht, als für die Frage der Revisions­ zulassung irrelevant herausgestellt. Die reformatorischen Entscheidungsbefugnisse des Revisionsgerichts nach §  144 Abs.  3, Abs.  4 VwGO bestehen allein im Interesse der Parteien und werden von den materiellen Revisionszugangsbestimmungen der Zulassungsgründe, die in erster Linie auf das Interesse der Allgemeinheit an einer rechtvereinheitlichenden höchstrichterlichen Stellungnahme abstellen, vollständig ausgeblendet. Aus der Betrachtungsperspektive des Revisionszulassungsrechts ist die Revision als ausschließliches Kontrollrechtsmittel zu behandeln, dessen reformatorische Funktionen erst nach erfolgter Zulassung und Einlegung der Revision aktiviert werden. Die Aussichten auf eine reformatorische Abänderung der vorinstanzlichen Tenorierung durch das Revisionsgericht, also die Reformationsaussichten in der Sache, will das Gesetz systemkonsequenterweise bei der Entscheidung über die Revisionszulassung unberücksichtigt wissen. Vor dem Hintergrund der vorgenannten verschiedenartigen Interessenlagen, die der Gesetzgeber den unterschiedlichen Stadien der 518 

So auch Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  312-3.

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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Revision – dem Zugangsstadium einerseits, dem Sachprüfungsstadium andererseits – beigemessen hat, ist dies auch folgerichtig. Dem iudex a quo, welchem nach der gesetzlichen Grundkonzeption die Entscheidung über die Revisions­ zulassung primär übertragen ist, ist im Regelfall ohnehin keine verlässliche Prognose darüber möglich, ob und wie der iudex ad quem nach Maßgabe seiner Rechtsauffassung in der Sache selbst entscheiden würde, sollte dieser das anzufechtende Urteil aufheben. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Nichtzulassungsbeschwer­ deverfahren widerspricht diesen Regelungszusammenhängen sowohl in systematischer als auch in funktioneller Hinsicht, indem sie die Zulassung der Revision unter Verkennung des Anknüpfungspunktes der Zulassungsentscheidung von den Reformationsaussichten in der Sache abhängig macht. Eine solche Erfolgsprognose im Stadium des Rechtsmittelzugangs koppelt die Zulassungs­ kontrolle von ihrem gesetzlich angedachten Bezugspunkt, der Begründung des angefochten Berufungsurteils, ab. Die eigentlich erst im Revisionsverfahren zu entwickelnde materielle Rechtsansicht des Revisionsgerichts betreffend die richtige Falllösung wird hierdurch zum korrigierenden, wenn nicht sogar letztlich allein maßgeblich Maßstab der Zulassungsentscheidung des iudex ad quem erhoben. Andere Gründe als solche prozessökonomischer Art, die eine solche Zulassungspraxis zur Abkürzung des Rechtsmittelverfahrens tragen könnten, konnten nicht identifiziert werden. Allein die Berufung auf den Gedanken der Prozessökonomie vermag allerdings nicht, die Umgehung ausdrücklicher und in sich stimmiger Handlungsanweisungen des Gesetzes zu rechtfertigen. Das materielle Revisionszulassungsrecht der Zulassungsgründe weist keine systemwidrigen Regelungsdefizite im Hinblick auf die Berücksichtigungsfähigkeit der Erfolgsaussichten der Revision im Rahmen ihrer Zulassung auf, die eine derartige richterrechtliche Korrektur des Gesetzgebers mithilfe eines Analogieschluss zur revisionsverfahrensrechtlichen Vorschrift des §  144 Abs.  4 VwGO gebieten könnten. c) Verfahrensfragen einer Ergebnisrichtigkeitskontrolle im Rahmen der Entscheidung über die Zulassung der Revision Es konnte gezeigt werden, dass die Aussichten auf eine reformatorische Sachentscheidung des Revisionsgerichts über die Rechtsache – gleichgültig ob diese zugunsten oder zulasten des Revisionsklägers ausfallen würde – nicht als materielle Beurteilungsgrundlage für die Entscheidung über die Zulassung der Revision herhalten können. Weder stellen die Revisionszulassungsgründe des §  132 Abs.  2 VwGO hierauf selbst ab noch lässt sich der reformatorische Revisions­ erfolg über einen Analogieschluss zur revisionsverfahrensrechtlichen Vorschrift

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

des §  144 Abs.  4 VwGO in die Zulassungskontrolle integrieren. Ob das angefochtene Berufungsurteil aus anderen als den von der Vorinstanz entscheidungstragend herangezogenen Gründen im Ergebnis richtig ist, ist für die Zulassungsfrage demnach irrelevant und erst im Wege der zugelassenen Revision zu beantworten. Im folgenden Abschnitt soll der Frage nachgegangen werden, ob sich dieses zum materiellen Revisionszulassungsrecht gefundene Ergebnis durch einen Blick auf die verfahrensrechtliche Ausgestaltung der Entscheidungsbefugnisse von iudex a quo und iudex ad quem über die Zulassung der Revision bestätigen lassen kann. Da auch im Bereich der Revisionszulassung das Verfahrensrecht gerade auf die Verwirklichung des jeweils zugrunde liegenden materiellen Rechts ausgerichtet sein muss, wird eine Analyse der gesetzlichen Rahmenbedingungen des Zulassungsverfahrens weiteren Aufschluss darüber geben können, von welchen inhaltlichen Beurteilungsmaßstäben der Gesetzgeber die Revisionszulassung abhängig gemacht wissen will519. Dabei wird sich insbesondere die Frage stellen, ob eine reformatorische Sachprüfung durch den iudex ad quem im Zulassungsstadium analog §  144 Abs.  4 VwGO, wenngleich diese nicht als materielles Ausschlusskriterium der Revisionszulassung herhalten kann, zumindest ein gesondertes Merkmal der Nichtzulassungsbeschwerde nach §  133 VwGO darstellen kann520. Mit der Zulassungskompetenz des Berufungsgerichts nach §  132 Abs.  1 Hs.  2 Var.  1 VwGO unter dem Vorbehalt der Beschwerdemöglichkeit an das Bundesverwaltungsgericht gemäß §§  132 Abs.  1 Hs.  2 Var.  2, 133 Abs.  1 VwGO verwirklicht die Verwaltungsgerichtsordnung ein „zweispurige[s]“ Revisionszulassungssystem521, welches mit der Abhilfebefugnis der Vorinstanz nach §  133 Abs.  5 S.  1 Hs.  1 i. V. m. §  148 Abs.  1 Hs.  1 VwGO522 eine insgesamt dreimalige Prüfung der Zulassungsfrage ermöglicht. Die jeweiligen Zulassungsverfahrensstadien unterscheiden sich dabei in ihrer gesetzlichen Ausgestaltung insbesondere in ihren Entscheidungswirkungen, ihrem Verhältnis zur instanzabschließenden Sachentscheidung, der funktionalen Stellung der Verfahrensbeteiligten sowie in der jeweils in zeitlicher Hinsicht zu berücksichtigenden Sach- und Rechtslage523.

Diese Prämisse legt auch Rennert, NVwZ 1998, 665 (668) seiner Untersuchung der Kriterien für die Zulassung der Berufung zugrunde. 520  Ebenso Traut, Zugang zur Revision, S.  116 zur zivilprozessualen Revisionszulassung. 521  Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  5. 522  May, Revision, IV Rn.  112. 523  Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  230 f. 519 

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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aa) Die Entscheidung des iudex a quo über die Zulassung der Revision (1) Die Zulassungsentscheidung im Urteil Über die Zulassung der Revision entscheidet zunächst das Berufungsgericht im Urteil selbst. Der Gesetzgeber sieht demnach primär die Berufungsgerichte dazu aufgerufen, über die Auswahl und Zuführung des notwendigen Fallmaterials an das Bundesverwaltungsgericht zu befinden524. Die Zulassungsentscheidung ergeht dabei im Wege einer prozessualen Nebenentscheidung unter Beteiligung aller auch an der Hauptsacheentscheidung mitwirkenden Richter von Amts wegen, ohne dass es eines dahingehenden Antrags oder entsprechender inhaltlicher Darlegungen eines Verfahrensbeteiligten bedürfte525. Aus dem Umstand, dass seitens des iudex a quo Sach- und Zulassungsentscheidung formal und zeitlich zusammenfallend zu treffen sind, folgt, dass dieser bei dessen Beurteilung der Zulassungsfrage stets von der umfassenden Richtigkeit seiner Sachentscheidung auszugehen hat526. Eventuell bestehende Zweifel an der Tragfähigkeit seiner Erwägungen und seines von ihm gefundenen Entscheidungsergebnisses kann der iudex a quo nicht in die Zulassungsfrage hineintragen, sondern muss diese bereits im Zuge seiner Sachentscheidung auszuräumen527. Denn eine verfahrensbeendende Sachentscheidung kann nur dann ergehen, wenn das Verfahren zu einer aus Sicht des Gerichts eindeutigen Lösung der von der Rechtssache aufgeworfenen rechtlichen Problematik geführt hat. Dies versteht sich von selbst528, wird aber auch durch einen Blick in das Recht der Berufungszulassung bestätigt. Im Umkehrschluss zu §  124a Abs.  1 S.  1 VwGO ist es nämlich dem Verwaltungsgericht verwehrt, die Berufung wegen ernstlicher Richtigkeitszweifel an seiner Entscheidung, wegen besonderer Schwierigkeiten der Rechtssache oder wegen durchgreifender Verfahrensmängel nach §  124 Abs.  2 Nr.  1, Nr.  2 und Nr.  5 VwGO selbst zuzulassen. Aus diesen Gründen kann die Berufungsinstanz nur vom iudex ad quem durch Beschluss nach §  124a Abs.  5 S.  1, S.  2 VwGO eröffnet werden. Diese Berufungszulassungsgründe knüpfen nämlich gerade an den Umstand an, dass aus Sicht des Zulassungsgerichts hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Judikat der Vorins524  BT-Drs. I/1844, S.  24. Ebenso Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  9; Traut, Zugang zu Revision, S.  41; Neumann, in: Dietrich/Gamillscheg/Wiedmann, Festschrift Hilger/Stumpf, S.  513 (526); Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  186; Happ, BayVBl. 1999, 577 (579). 525  BVerwG, Urteil vom 05. Mai 1955 – V C 191.54 –, BVerwGE 2, 80 (81); BVerwG, Beschluss vom 01. Oktober 1965 – VII P 11.64 –, BVerwGE 22, 86 (89); Müller, NJW 1955, 1740 (1740) sowie Schreiner, Zulassungsberufung, S.  30. 526  Piekenbrock/Schulze, JZ 2002, 911 (913); Lindner, NJW 2003, 1097 (1098). 527  Traut, Zugang zur Revision, S.  42. Zweifelnd Schafft, Selektion, S.  135. 528  Ebenso Traut, Zugang zur Revision, S.  116.

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

tanz an Mängeln leidet und deshalb unter Aufhebung der Vorentscheidung eine erneute umfängliche Behandlung der Sache in einer weiteren Instanz angezeigt ist529. Wäre es dem Vordergericht gestattet, den Rechtsstreit einer aus seiner Sicht nur vorläufigen Lösung zuzuführen und eine endgültig Entscheidung über die Sache der Rechtsmittelinstanz vorzubehalten, so müsste diesem auch eine Berufungszulassung nach §  124 Abs.  2 Nr.  1, Nr.  2 VwGO gestattet sein530. Dies ist aber gerade nicht der Fall. Es liegt vielmehr in der Natur einer Rechtsmittelzulassungskompetenz des iudex a quo, dass diesem die Befugnis zur Eröffnung des Rechtsmittels zusteht, obwohl er den Rechtsstreit schon rechtlich korrekt und sachangemessen gelöst zu haben glaubt. Dass im Recht der Revisionszulassung etwas anderes gelten könne, ist nicht ersichtlich. Entscheidet der iudex a quo im Urteil über die Revisionszulassung nach §  132 Abs.  2 Nr.  1, Nr.  2 VwGO, so kann dieser demgemäß die hypothetische Möglichkeit der Rechtswidrigkeit seiner Entscheidung nicht in Ansatz bringen. Vor dem Hintergrund des gesetzlichen Vorrangs der Zulassungskompetenz des Vorderrichters entspricht dies der Erkenntnis, dass sich die für die Beurteilung der Zulassungsfähigkeit der Rechtssache im Rahmen aller Zulassungsgründe des §  132 Abs.  2 VwGO erforderliche Kassationsaussicht nicht danach richtet, ob die zulassungsrelevante Urteilsbegründung des iudex a quo auch tatsächlich in der Revisionsinstanz verworfen werden würde und dessen Urteil gerade deshalb aufgehoben werden müsste. Vielmehr richtet sich diese nur danach, ob sich das Rechtsmittelgericht im Wege der Urteilskontrolle nach §  137 Abs.  1 VwGO zu den zulassungsrelevanten Rechtsfragen in entscheidungserheblicher Weise äußern können müsste und das Ergebnis dieser Befassung für eine eventuelle Aufhebungsentscheidung tragend wäre531. Die Revisionszulassung durch die Berufungsgerichte bezweckt daher in erster Linie, dem Bundesverwaltungsgericht das für die höchstrichterliche Rechtsfortbildung notwendige Anschauungsmaterial aufzubereiten und zuzuführen, ohne dass dabei auch zu berücksichtigen wäre, dass der unterlegenen Partei in der dadurch eröffneten Revisionsinstanz weitergehender Rechtsschutz zu Teil werden kann. Da das Berufungsgericht von der Richtigkeit seiner Auffassung zu den zulassungsrelevanten Rechts­ fragen überzeugt ist, dient aus seiner Sicht die Zulassung der Grundsatz- und Divergenzrevision allein dem Zweck, seine diesbezügliche Rechtsansicht vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt zu sehen und damit allein den im öffentli529  BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 – 7 AV 4/03 –, NVwZ-RR 2004, 542 (543); Rimmelspacher, in: Gottwald/Roth, Festschrift Schumann, S.  327 (336 f.); Schreiner, Zulassungsberufung, S.  22, 26; Seibert, DVBl. 1997, 932 (932). 530  So auch Schreiner, Zulassungsberufung, S.  24 f. 531  Vgl. oben §  4 IV. 2. b) bb) (1) (d) sowie (2) (a) und (b).

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chen Interesse liegenden Revisionszwecken zur Wahrung der Rechtseinheit532. Unter dem Gesichtspunkt der Unabhängigkeit einer solchen Zulassung im Urteil vom Rechtsschutzauftrag der Revision ist es daher folgerichtig, dass diese im Gegensatz zur Zulassung auf Nichtzulassungsbeschwerde hin die dritte In­ stanz für alle Beteiligten eröffnet, also streitgegenstandsbezogen wirkt533 und das Rechtsmittel noch der fristgerechten Einlegung durch die beschwerte Partei bedarf, bevor dessen Suspensiv- und Devolutiveffekt hinsichtlich des Streit­ gegenstandes ausgelöst wird, §  139 Abs.  1 S.  1 VwGO534. Kann der iudex a quo somit schon die Aufhebung seines Urteils bei der Frage der Revisionszulassung nicht in Erwägung ziehen, so gilt dies erst recht für die hieran anknüpfende, dem grundsätzlich nachgelagerte Frage, ob es im Rechtsmittelverfahren auch zu einer Abänderung der von ihm ausgesprochenen Teno­ rierung kommen wird. Zum einen beurteilt sich dies ohnehin ausschließlich nach der Rechtsansicht des iudex ad quem, die die Vorinstanz nicht kennen bzw. sicher prognostizieren kann535. Zwar kann dem Vordergericht der Standpunkt des Bundesverwaltungsgerichts zu einzelnen abstrakten Rechtsfragen bekannt sein, wie dies etwa beim bewussten Abweichen von einer etablierten höchstrichterlichen Rechtsprechung der Fall ist, welche die Zulassungspflicht nach §  132 Abs.  2 Nr.  2 VwGO auslöst, doch wie das Revisionsgericht über die konkrete Rechtssache mit ihren jeweiligen Besonderheiten entscheiden würde, entzieht sich der Einschätzung des Vordergerichts536. Zum anderen hat der Rechtsstreit aus Sicht der Vorinstanz mit deren Sachentscheidung eine aus ihrer Sicht richtige und auch endgültige Lösung gefunden, die über die Rechtsmittelzu­ lassung allein aus Gründen der Rechtseinheit nur noch vom Revisionsgericht bestätigt werden müsste. Das Berufungsgericht unterstellt zur Beurteilung der Zulassungsfrage, dass seine Sachentscheidung sowohl in den sie tragenden Gründen als auch im Ergebnis umfassend richtig und rechtmäßig ist. Demnach kann es aus seiner Sicht auch keine anderen selbstständig tragfähigen Alternativgründe zur Abstützung der von ihm ausgesprochenen Tenorierung geben, die das Revisionsgericht zur Bestätigung des Urteils nach §  144 Abs.  4 VwGO heranziehen würde. Hätte er diese und ihre eigenständige Tragfähigkeit erkannt, so hätte er sie bereits selbst als kumulative Mehrfachbegründung in sein Urteil Ebenso Piekenbrock/Schulze, JZ 2002, 911 (913). Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  17; Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  64; Traut, Zugang zur Revision, S.  222. Vgl. dazu auch BVerwG, Beschluss vom 03. November 2000 – 7 B 116/00 –, NVwZ 2001, 201 (202). 534  Vgl. Schreiner, Zulassungsberufung, S.  30. 535  Prütting, Zulassung, S.  181; Traut, Zugang zur Revision, S.  100 f.; May, Revision, VI Rn.  309. 536  Traut, Zugang zur Revision, S.  101. 532  533 

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einfließen lassen können und dieses damit regulär rechtsmittelfest machen können. Für seine Zulassungsentscheidung allein kann er sie jedoch nicht isoliert heranziehen537. Vom subjektiven Standpunkt des iudex a quo kann es also im Revisionsverfahren weder zur Aufhebung seines Urteils wegen entscheidungserheblicher Verstöße gegen revisibles Recht i. S. v. §  137 Abs.  1 VwGO noch zu einer hieran anknüpfenden reformatorischen Sachentscheidung des iudex ad quem – gleichgültig, ob diese nach §  144 Abs.  3 S.  1 Nr.  1 VwGO abändernd oder nach §  144 Abs.  4 VwGO bestätigend ausfallen würde – kommen. Damit stellt sich jede vom Vordergericht im Urteil ausgesprochene Freigabe des Revisionszugangs systemkonsequenterweise als Rechtsmittelzulassung dar, bei der es aus Sicht des zulassenden Gerichts an den Erfolgsaussichten der Revision im Ergebnis gerade mangelt. Soll aber die sekundäre Revisionszulassungskompetenz des iudex ad quem vorrangig der nachträglichen Korrektur in Fällen dienen, in denen der iudex a quo die Zulassungsfrage zunächst falsch beurteilt hat538, so ließe es sich hiermit schwerlich vereinbaren, dass im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde ein anderer, inhaltlich engerer Zulassungsmaßstab als für die primäre Zugangskontrolle gelten solle. (2) Die Zulassungsentscheidung im Abhilfeverfahren Nur im Verwaltungsprozess steht dem iudex a quo daneben auch die Kompetenz zu, der Nichtzulassungsbeschwerde abzuhelfen, wenn er zuvor die Revisionszulassung im Urteil verweigert hat539. Erst wenn dieser die Abhilfe verweigert und die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt hat, wird das Zulassungsverfahren beim iudex ad quem anhängig und dessen Zulassungskompetenz gemäß §§  133 Abs.  5 S.  1, 148 Abs.  1 Hs.  2 VwGO eröffnet540. Dabei ist das Berufungsgericht nicht befugt, die Beschwerde mit verfahrensbeendender Wirkung zu verwerfen oder zurückzuweisen, sondern hat nur die Möglichkeit, ihr entweder abzuhelfen, soweit es die Beschwerde für zulässig und begründet erachtet, oder anderenfalls die Sache dem Bundesverwaltungsgericht vorzulegen541. Das Vordergericht entscheidet in dieser Zulassungsvariante ebenso wie So auch Piekenbrock/Schulze, JZ 2002, 911 (913). Vgl. BT-Drs. 7/861, S.  10 zum SGGÄndG 1974 sowie Happ, BayVBl. 1999, 577 (579); Neumann, in: Dietrich/Gamillscheg/Wiedmann, Festschrift Hilger/Stumpf, S.  513 (526); Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  133 Rn.  7; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  133 Rn.  19a. 539  Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  864. 540  Geis/Thirmeyer, JuS 2013, 799 (800); Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  133 Rn.  81. 541  BVerwG, Beschluss vom 23. November 1962 – IV B 124.62 –, NJW 1963, 554; ­Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  227. 537 

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später das Beschwerdegericht über die Revisionszulassung nachträglich, also losgelöst von der ihr zugrunde liegenden Sachentscheidung. Die Abhilfeprüfung ist demnach nicht wie zuvor nur eine Beurteilung einer rein verfahrensrechtlichen Nebenfrage als Annex zur Hauptsache542 , sondern die Verbescheidung eines gesonderten Antrages auf Erlass einer ergänzenden prozessualen Nebenentscheidung543. Die Abhilfeentscheidung richtet sich dabei im Grunde nach denselben verfahrensrechtlichen Grundsätzen, wie sie auch für die Revi­ sionszulassung durch das Bundesverwaltungsgericht gelten544. Das Berufungsgericht kann demnach der Beschwerde nur dann abhelfen, wenn diese alle erforderlichen Sachentscheidungsvoraussetzungen erfüllt und auch begründet ist, insbesondere der ordnungsgemäß dargelegte Zulassungsgrund vom Gericht fest­gestellt worden ist545. In Anbetracht des Umstandes, dass die Zulassungskontrolle im Abhilfeverfahren formal und inhaltlich nicht mehr mit der vom iudex a quo zu erlassenden Sachentscheidung verknüpft ist, erscheint es zumindest auf den ersten Blick zweifelhaft, ob jener auch in diesem Fall als Zulassungsgericht gehalten ist, zur Beurteilung der Zulassungsfrage von der umfassenden Richtigkeit seiner vorangegangenen Sachentscheidung auszugehen. Hat er nämlich über die Nichtzulassungsbeschwerde zu befinden und erkennt er dabei nachträglich Rechtsfehler in seinem Urteil oder stößt er auf zusätzliche Begründungsmöglichkeiten zur Abstützung der von ihm ausgesprochenen Tenorierung, so ist es ihm verwehrt, seine Hauptsacheentscheidung im Abhilfeverfahren inhaltlich zu korrigieren oder gar abzuändern546. Daher erschiene es hierbei jedenfalls perspektivisch nicht ausgeschlossen, dass er derartige Umstände bei seiner zweiten Befassung mit der Zulassungsfrage berücksichtigen und diese auf eine Inzidentkontrolle seines Berufungsurteils stützen könnte547. Schreiner, Zulassungsberufung, S.  30. Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  29. 544  Im Detail sollen die verfahrensrechtlichen Besonderheiten der Nichtzulassungsbe­ schwer­de erst im nachfolgenden Abschnitt im Zusammenhang mit der Frage nach der Zulassungskompetenz des iudex ad quem behandelt werden. 545  Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  225; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  867 und Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  133 Rn.  47. Die gegenteilige Rechtsprechung BVerwG, Urteil vom 08. November 1962 – II C 198.60 –, BeckRS 1962, 31323800, nach der das Darlegungserfordernis allein der Entlastung des BVerwG diene, eine Beschränkung des Prüfungsumfanges des Vordergerichts im Abhilfeverfahren daher nicht bewirken könne und dem iudex a quo deshalb eine vollumfängliche Neubeurteilung der Zulassungsfrage obliege, wurde – soweit ersichtlich – nicht weiter aufrechterhalten. 546  BVerwG, Urteil vom 29. März 1968 – IV C 27.67 –, BVerwGE 29, 261 (268); Redeker, in: Redeker/von Oertzen, VwGO, §  133 Rn.  12a. 547  Dies befürwortet allem Anschein nach Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  133 Rn.  87: „Diese Erweiterung des Prüfungsumfangs bereits im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren 542  543 

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

Eine analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Abhilfeverfahren vor dem Berufungsgericht nach den §§  133 Abs.  5 S.  1 Hs.  1, 148 Abs.  1 Hs.  2 VwGO kommt gleichwohl nicht in Betracht. §  144 Abs.  4 VwGO ist sowohl in seiner unmittelbaren Anwendung im Revisionsverfahren wie auch in seiner analogen Anwendung im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren gerade Ausfluss des rechtsmittelrechtlichen Prinzips der Fremdkontrolle durch ein höhergeordnetes Gericht. Im Zuge dieser Entscheidung wird die aus Sicht des Kontrollgerichts fremde Tenorierung des angefochtenen Urteils mit dem Ergebnis der vom eigenen materiellen Rechtsstandpunkt aus richtigerweise zu treffenden Entscheidung über die Sache verglichen 548 und übereinstimmendenfalls die Revision – oder eben auch schon die Nichtzulassungsbeschwerde – zurückgewiesen. Das Berufungsgericht entscheidet aber nicht selbst über die Revision und kann daher den Rechtsstandpunkt des Bundesverwaltungsgerichts nur zu abstrakten Rechtsfragen, nicht aber zur konkreten Falllösung kennen bzw. antizipieren549. Für eine analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Abhilfeverfahren würde es damit am Bezugspunkt für diese vergleichende Betrachtung fehlen. Außerdem dient das Abhilfeverfahren neben der Entlastung des Bundesverwaltungsgerichts vor allem der Selbstkorrektur der Berufungsgerichte in Fragen der Revisionszulassung, nicht aber auch ihrer Sachentscheidungen durch eine Wiedereröffnung des Hauptsacheverfahrens über den Umweg einer Inzidentkontrolle in der Nichtzulassungsbeschwerde. Dem Berufungsgericht steht es im Abhilfeverfahren nicht zu, sein Urteil durch neue oder zuvor nicht entscheidungserheblich berücksichtigte Erwägungen nachträglich zu ergänzen, um dieses damit rechtsmittelzulassungsfest zu machen. Grundlage der Abhilfeentscheidung kann nur das sein, was sich bereits selbst aus dem Urteil und seiner Begründung ergibt, nicht aber solche Erkenntnisse, die erst im nachgelagerten erfolgt aus Gründen der Prozessökonomie und berechtigt OVG/BVerwG zu einer an §  144 Abs.  4 VwGO angelehnten Inzidentprüfung der Ergebnisrichtigkeit“ (Hervorhebung durch Verfasser). Soweit ersichtlich findet eine derartige Ausweitung der revisionsgerichtlichen Befugnisse auch auf das Beschwerdeabhilfeverfahren bei den übrigen Befürwortern einer analogen Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO in der Nichtzulassungsbeschwerde keine weiteren Fürsprecher. Vgl. hierzu etwa Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  237 mit Fn.  7, welcher in den aus einer Analogie des §  144 Abs.  4 VwGO ergebenden Entscheidungskompetenzen des Beschwerdegerichts gerade eine Ausnahme zur ansonsten bestehenden „Übereinstimmung der Befugnisse beider Instanzen“ in Anbetracht der Zulassungsfrage erkennt. 548  May, Revision, VI Rn.  315. 549  Den Instanzgerichten ist es aufgrund des Gebotes der Rechtsschutzgleichheit verwehrt, die erst noch zu entwickelnde Rechtsansicht eines anderen Gerichts zu prognostizieren und diese zur Grundlage der eigenen, verfahrensabschließenden Sachentscheidung zu machen, so BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 13. Juli 2005 – 1 BvR 1041/05 –, BVerfGK 6, 53 (55 f.) zur Erfolgsaussichtenprognose des iudex a quo bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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Zwischenverfahren gewonnen oder darin eingebracht wurden550. Die allein anhand der Rechtsauffassung des Revisionsgerichts zu beurteilenden Reforma­ tionsaussichten gehören aber logischerweise nicht zu den Umständen, die sich bereits aus der Vorentscheidung selbst ergeben könnten. Somit kann die Zulassung der Revision vom iudex a quo auch im Abhilfe­ verfahren nicht analog §  144 Abs.  4 VwGO mit der Begründung verweigert werden, seine Sachentscheidung stelle sich ungeachtet einschlägiger Zulassungs­ gründe als jedenfalls im Ergebnis richtig dar, weshalb ein Revisionsverfahren von vornherein keinen Erfolg haben könne. bb) Die Entscheidung des iudex ad quem über die Zulassung der Revision Wird die Revision vom Berufungsgericht auch nicht im Wege der Abhilfe zugelassen, so wird mit Ergehen der Nichtabhilfeentscheidung die Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht anhängig und, soweit die Beschwerdebegründungsfrist des §  133 Abs.  3 S.  1 VwGO bereits abgelaufen ist551, damit dessen Zulassungskompetenz im konkreten Fall eröffnet552. Gilt zwar der materielle Zulassungsmaßstab des §  132 Abs.  2 VwGO in gleichem Umfang für den iudex ad quem wie schon für den iudex a quo553, so unterscheidet sich doch die verfahrensrechtliche Ausgestaltung des Revisionszulassungsverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht nach §  133 VwGO samt dessen Entscheidungskompetenzen und Entscheidungswirkungen erheblich von der vom Berufungs550  So ausdrücklich BVerwG, Urteil vom 29. März 1968 – IV C 27.67 –, BVerwGE 29, 261 (268). Ebenso W.-R. Schenke, in: W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  132 Rn.  23 und Redeker, in: Redeker/von Oertzen, VwGO, §  133 Rn.  12a. 551  Denn solange die Beschwerdebegründungsfrist noch läuft, ist das OVG weiterhin zur Abhilfe befugt, selbst wenn es schon verfrüht über die Nichtabhilfe entschieden und die Sache dem BVerwG vorgelegt hat, vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Juli 1997 – 9 B 552/97 –, BayVBl. 1998, 187. Ebenso BVerwG, Beschluss vom 07. September 2005 – 4 B 49/05 –, BVerwGE 124, 201 (203) mit diesbezüglicher Anm. von Gatz, jurisPR-BVerwG 24/2005 Anm.  6, wonach trotz verfrühter Nichtabhilfeentscheidung das BVerwG zum Gericht der Hauptsache i. S. d. §  80 Abs.  7 VwGO wird. Andererseits wird das BVerwG bereits mit Einlegung der Beschwerde beim Berufungsgericht zuständig für den Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach §  167 Abs.  1 S.  1 VwGO i. V. m. §§  719 Abs.  2, 544 Abs.  5 S.  2 ZPO, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Juni 1998 – 6 AV 2/98 –, NVwZ 1998, 1177; BVerwG, Beschluss vom 19. April 1968 – VII B 32.68 –, BVerwGE 29, 290 (290). 552  Auf den Eingang der Beschwerde und der Verfahrensakten beim Beschwerdegericht kommt es dagegen hierfür nicht an, vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 1962 – V B 76/61 –, NJW 1962, 1692; OVG Münster, Beschluss vom 25. Februar 1966 – II D 6/66 –, NJW 1966, 1770; VGH München, Beschluss vom 30. September 1980 – 22 AE 80 A.1256 –, BayVBl. 1981, 23; Rennert, VBlBW. 1999, 283 (285); May, Revision, IV Rn.  159. 553  BVerwG, Beschluss vom 08. März 1961 – VIII B 183.60 –, BVerwGE 12, 107 (109); Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  65; Traut, Zugang zur Revision, S.  101 f.

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

gericht von Amts wegen zu beurteilenden prozessualen Nebenfrage der Rechtsmitteleröffnung. Das Verfahren ist dabei maßgeblich geprägt von der Obliegenheit des Beschwerdeführers, die seiner Ansicht nach in der Rechtssache einschlägigen Zulassungsgründe gemäß §  133 Abs.  3 S.  3 VwGO vortragen und substantiieren zu müssen und damit zugleich das gerichtliche Prüfprogramm und den Zulassungsmaßstab grundsätzlich abschließend vorzugeben. Galt es also zuvor seitens des iudex a quo, die Erforderlichkeit einer höchstrichterlichen Entscheidung des Rechtsstreits in eigener Verantwortung und allein im Hinblick auf öffentliche Belange zu beurteilen, ist es nunmehr an den Prozess­ parteien, aufzuzeigen, dass an der Korrektur der vordergerichtlichen Entscheidung zu ihren Gunsten auch solche in §  132 Abs.  2 VwGO näher konkretisierten Allgemeininteressen bestehen. Die Zulassungsgründe des §  132 Abs.  2 VwGO werden somit durch das Erfordernis ihrer Darlegung mit dem Ziel der Erweiterung der prozessualen Stellung des Verfahrensbeteiligten zu Beschwerdegründen554. Hinzu kommt, dass bereits die zulässige Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde die ansonsten erst für die zugelassene Revision selbst erforderliche Beschwer in der Hauptsache voraussetzt555. Individual- und Allgemeininteressen an einer Revisionsentscheidung sind demnach in dem gesetzlich bestimmten Umfang in diesem Zulassungsstadium kumulativ erforderlich, um den Zugang zur Revision zu eröffnen. Zugleich verwirklicht die Nichtzulassungsbeschwerde als vorgelagerter, an sich nur auf die Zulassung der Revision ausgerichteter Rechtsbehelf bereits selbst in gewissem Umfang Aspekte der Anfechtungsfunktion des Revisionsrechtsmittels in Anbetracht der Hauptsache. So wird einerseits das erfolgreiche Beschwerdeverfahren nach §  139 Abs.  2 S.  1 VwGO als Revisionsverfahren des Beschwerdeführers fortgeführt, ohne dass es nach einer derartigen Zulassung noch der Betätigung des Willens zur Einleitung des Rechtsmittelverfahrens durch eine entsprechende Prozesshandlung bedarf. Dieser kommt vielmehr schon durch Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde zum Ausdruck bzw. wird gesetzlich fingiert556. Die Zulassung der Revision auf Beschwerde hin Maetzel, MDR 1961, 453 (453). BVerwG, Beschluss vom 10. Januar 1964 – V B 83.62 –, BVerwGE 17, 352 (352 f.); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  190; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  58. Die insoweit notwendige Beschwer muss sich dagegen nicht zwingend gerade aus den zulassungsträchtigen Entscheidungsteilen ergeben, ausreichend ist vielmehr eine Beschwer allein durch die konkrete Tenorierung, vgl. Ewer, in: Quaas/Zuck, Prozesse in Verwaltungssachen, §  7 Rn.  8; Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  26. Etwas anderes gilt nur bei der Rüge von Verfahrensmängeln, weil sich hierbei Zulassungs- und Revisionsgrund decken, vgl. BVerwG, Beschluss vom 04. April 2000 – 7 B 190/99 –, VIZ 2000, 661 (662); Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  197. 556  Unterreitmeier, NVwZ 2013, 399 (403). 554  555 

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wirkt demgemäß nur zugunsten des jeweiligen Beschwerdeführers, den andern Beteiligten verbleibt dann, soweit sie nicht selbst mit Erfolg Nichtzulassungs­ beschwerde erhoben haben, nur noch die Anschlussrevision557. Andererseits ist das Bundesverwaltungsgerichts schon im Beschwerdeverfahren befugt, das Berufungsurteil durch Beschluss nach §  133 Abs.  6 VwGO aufzuheben, wenn sich eine zulässige Verfahrensrüge im Sinne des §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO als begründet erweist und daher eine Revisionsentscheidung ohnehin nur die Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz zum Inhalt haben könnte. Das Bundesverwaltungsgericht steht dabei im Rahmen seiner Zulassungsentscheidung im Vergleich zum Berufungsgericht dem angegriffenen Urteil neutral gegenüber. Es ist daher jedenfalls perspektivisch nicht genötigt, dessen umfassende Richtigkeit für die Frage der Revisionszulassung zu unterstellen, wenn das materielle Prozessrecht ihm dies nicht vorgeben würde558. Ob der Revision schon im Zulassungsstadium keine Aussicht auf Erfolg beschieden werden kann und daher gegebenenfalls der Rechtsmittelzugang unterbunden werden könnte, ist für den iudex ad quem damit keine Frage der Beurteilungsperspektive, sondern ausschließlich des Beurteilungsmaßstabes bzw. der ihm zur Verfügung stehenden Entscheidungskompetenzen. Insoweit das Bundesverwaltungsgericht – wenngleich nach §  10 Abs.  3 Hs.  2 VwGO in anderer Besetzung als Beschwerdegericht – auch über das Rechtsmittel selbst zu entscheiden hätte, dessen Zulassung von ihm zu beurteilen ist, lassen sich diejenigen Gesichtspunkte, die speziell gegen eine Vorabprüfung der Erfolgsaussichten der Revision durch den iudex a quo ins Feld geführt werden können, nicht unbesehen auf die Beschwerdeentscheidung des iudex ad quem übertragen559. Vor dem Hintergrund, dass über die Nichtzulassungsbeschwerde bereits in gewissem Umfang individualrechtschutzbezogene, revisionsähnliche Elemente in das Zulassungsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht inkorporiert werden, ließe sich eine Vorabprüfung des Revisionserfolges durch das Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren gegebenenfalls mit funktionellen Erwägungen rechtfertigen. Doch setzt auch dies eine dem Gericht durch Gesetz eingeräumte Entscheidungskompetenz voraus, die in einem auf den Rechtsgedanken des §  144 Abs.  4 557 

So BVerwG, Beschluss vom 03. November 2011 – 7 B 116/00 –, NVwZ 2001, 201 (202) sowie Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  139 Rn.  32 f. unter Hinweis auf die andersartige gesetzliche Ausgestaltung des §  116 Abs.  7 S.  2 Hs.  2 FGO. Kritisch dazu W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  132 Rn.  30 sowie Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  64 und §  139 Rn.  13, allerdings unter Hinweis darauf, dass dieser „Systembruch“ nur vom Gesetzgeber selbst korrigiert werden könnte. 558  Siehe oben §  4 IV. 2. b). 559  Ebenso Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  237 mit Fn.  7.

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

VwGO gestützten Analogieschluss nur dann erblickt werden kann, wenn die verfahrensrechtlichen Bestimmungen der Nichtzulassungsbeschwerde einer entsprechenden Norminterpretation offen stehen. Anliegen der nachfolgenden Untersuchung ist es daher insbesondere zu klären, inwieweit der »rechtssystematische Unterschied« zwischen Sach- und Zulassungsprüfung, der von der Rechtsprechung stets dann besonders betont wird, wenn im Nichtzulassungs­ beschwerdeverfahren lediglich sachliche Angriffe gegen die Vorentscheidung in Form von Revisionsrügen vorgebracht werden560, einer Inkorporation revi­ sionsverfahrensrechtlicher Prüfungskompetenzen in die Strukturen des §  133 VwGO offen oder vielmehr entgegensteht. (1) Darlegungspflicht und beschwerdegerichtlicher Zulassungsmaßstab (a) Beschränkte Zulassungsprüfung allein anhand der ordnungsgemäß dargelegten Zulassungsgründe Der Gesetzgeber hat das Revisionszulassungsverfahren vor dem iudex ad quem als von den Parteien einzuleitendes und zu betreibendes Beschwerdeverfahren ausgestaltet. Zu den wesentlichen Besonderheiten dieses Verfahrens gehört die prozessuale Obliegenheit des Beschwerdeführers, diejenigen Zulassungsgründe, die der Rechtssache zur Zulassung verhelfen sollen, vorbringen und substantiieren zu müssen, vgl. §  133 Abs.  3 S.  3 VwGO. Dieses Darlegungserfordernis dient primär der Entlastung des Bundesverwaltungsgerichts im Revisionszulassungsverfahren561. Da die Beurteilung der Zulassungsfrage oftmals eine mehr oder minder intensive Befassung mit dem Streitstoff erfordert, um die zulassungsrelevanten Aspekte des Falles herausfiltern zu können, soll auf diese Weise dem Gericht, welches erstmals mit dem Rechtsstreit konfrontiert wird, erspart bleiben, sich einer zeit- und arbeitsintensiven Eigenanalyse der gesamten Sache widmen zu müssen, welche an sich allein noch keinen Ertrag für die Rechtseinheit liefern kann562. In diesem Zulassungsstadium obliegt es daher der 560  So etwa BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1972 – II B 24.72 –, Buchholz 232 §  87 BBG Nr.  52 S.  70; BVerwG, Beschluss vom 20. Januar 1978 – 6 B 2/78 –, Buchholz 310 §  132 VwGO Nr.  162 S.  42; BVerwG, Beschluss vom 07. April 1997 – 2 B 147/96 –, KirchE 35, 113 (114). Ebenso BVerwG, Beschluss vom 18. September 1969 – VIII B 200.67 –, BVerwGE 34, 40 (41 f.) sowie BAG, Beschluss vom 26. Juni 2001 – 9 AZN 132/01 –, BAGE 98, 109 (112); BFH, Beschluss vom 27. Januar 1967 – VI R 216/66 –, BFHE 88, 73 (74 f.); BGH, Urteil vom 18. Juli 2003 – V ZR 187/02 –, NJW 2003, 3205 (3206); BayVerfGH, Entscheidung vom 07. Oktober 2011 – Vf. 32-VI-10 –, NVwZ-RR 2012, 50 (50); Proske, NJW 1997, 352 (353); Müller, in: Festschrift Herschel, S.  159 (165). 561  BVerwG, Urteil vom 08. November 1962 – II C 198.60 –, BeckRS 1962, 31323800; Prütting, Zulassung, S.  185; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  178. 562  Hermann, Steuerprozess, Rn.  136.

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Verantwortung des Beschwerdeführers, die von der Sache aufgeworfenen Probleme zu sichten und aufzuarbeiten, um das Verfahren auf die zulassungswürdigen Rechtsfragen des Falles zu konzentrieren und allein diese zur Beurteilung durch das Gericht zu stellen563. Ausschließlich die entsprechenden Darlegungen des Beschwerdeführers sollen gemeinsam mit der Entscheidungsbegründung des angegriffenen Urteils die Grundlage der Zulassungsprüfung bilden können564. Dementsprechend streng werden die formalen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Beschwerdebegründung durch das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen des verfassungsrechtlich noch zulässigen Maßes gehandhabt565. Im Einzelnen hat der Beschwerdeführer nicht nur pauschal die Einschlägigkeit von Zulassungsgründen zu behaupten, sondern diese anhand der Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils näher zu erläutern und dabei all diejenigen Gesichtspunkte vorzubringen und eingehend zu substantiieren, die aus seiner Sicht für die Revisionszulassung relevant sein können, um dem Bundesverwaltungsgericht eine dementsprechende Prüfung anhand von §  132 Abs.  2 VwGO ohne weiteren eigenen Ermittlungsaufwand zu ermöglichen566. Auf die korrekte 563  BT-Drs. 14/4722, S.  105 zum ZPO-RG; BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 30. Juni 2005 – 1 BvR 2615/04 –, BVerfGK 5, 369 (374); Neuhäuser, Zulassung der Berufung, S.  64; Boeckh, Beschwerde im Zivilverfahren, S.  236. 564  Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  178; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  270; Laudemann, NJ 2000, 172 (177). Erbguth, DÖV 2009, 921 (926) spricht in Anbetracht der Substantiierungslasten und des dementsprechend beschränkten Prüfungsmaßstabes im Bereich der Zulassungsberufung und der ehemaligen Zulassungsbeschwerde in Eilverfahren von einer „schleichende[n] zivilprozessuale[n] Transformation des Verwaltungsprozesses“. 565  Die verfassungsrechtlichen Gebote des effektiven Rechtsschutzes, der Rechtsschutzgleichheit und des gesetzlichen Richters verbieten es, den Zugang zu einem gesetzlich vorgesehenen Rechtsmittel in unverhältnismäßiger, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise durch überspannte formale Anforderungen an das Rechtsschutzbegehren zu erschweren, vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. August 1994 – 2 BvR 719/93 –, NVwZ 1994, Beilage 9, 65 (66); BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. August 1995 – 1 BvR 568/93 –, NZA-RR 1996, 26 (27); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 30. Juni 2005 – 1 BvR 2615/04 –, BVerfGK 5, 369 (373); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 24. Januar 2007 – 1 BvR 382/05 –, BVerfGK 10, 208 (213); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 10. September 2009 – 1 BvR 814/09 –, NJW 2009, 3642 (3642); BVerfG, B ­ eschluss vom 08. Dezember 2009 – 2 BvR 758/07 –, BVerfGE 125, 104 (137); BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 24. August 2010 – 1 BvR 2309/09 –, BVerfGK 17, 508 (510 ff.); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 22. August 2011 – 1 BvR 1764/09 –, NVwZ-­ RR 2011, 963 (964). 566  BT-Drs. 14/4722, S.  105 f. zum ZPO-RG; BVerwG, Beschluss vom 02. Oktober 1961 – VIII B 78.61 –, BVerwGE 13, 90 (91 f.); BVerwG, Beschluss vom 09. März 1993 – 3 B 105/92 –, NJW 1993, 2825 (2825); BAG, Beschluss vom 15. Oktober 2012 – 5 AZN 1958/12 –, NJW 2013, 413 (413 f.); Rennert, NVwZ 1998, 665 (667); Maetzel, MDR 1961, 453 (456).

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rechtliche Einordnung der zulassungsbegründenden Umstände unter die jeweiligen Katalogtatbestände des §  132 Abs.  2 VwGO durch die Beschwerdebegründung kommt es dagegen nicht an, denn die Subsumtion unter das Gesetz obliegt, wie auch sonst, allein der Befugnis und Verantwortung des erkennenden Gerichts567. Korrespondierend mit dem Darlegungserfordernis des §  133 Abs.  3 S.  3 VwGO und seiner Entlastungsfunktion ist das Bundesverwaltungsgericht in seiner Funktion als Beschwerdegericht auf die Überprüfung der Zulassungsträchtigkeit der vom Beschwerdeführer form- und fristgerecht dargelegten Umstände beschränkt568. Zu einer umfassenden Zulassungskontrolle von Amts wegen ist das Gericht weder verpflichtet noch befugt. §  137 Abs.  3 S.  2 VwGO ist mangels Inbezugnahme durch §  133 VwGO im Verfahren über die Nichtzulassungs­ beschwerde nicht anwendbar569. Dementsprechend kann die Revision beschwerdeweise nur wegen solcher Gründe zugelassen werden, auf die sich der Beschwerdeführer prozessual ordnungsgemäß berufen hat570. Andere Zulassungsgründe als die vom Beschwerdeführer ordnungsgemäß dargelegten können der Beschwerde selbst dann nicht zum Erfolg verhelfen, wenn sie offensichtlich einschlägig wären oder sich ein sonstiges dringendes Bedürfnis der Allgemein567  BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 30. Juni 2005 – 1 BvR 2615/04 –, BVerfGK 5, 369 (374); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 10. September 2009 – 1 BvR 814/09 –, NJW 2009, 3642 (3643); BVerfG, Beschluss vom 08. Dezember 2009 – 2 BvR 758/07 –, BVerfGE 125, 104 (138 f.); Ruban, in: Gräber, FGO, §  116 Rn.  55; Fischer, jurisPR-SteuerR 40/2012 Anm.  4; Wenzel, NJW 2002, 3353 (3359). Auch die von einem Rechtsanwalt verfasste Zulassungsbegründung ist einer sachgerechten und rechtsschutzorientierten Auslegung zugänglich, vgl. BVerfG, Beschluss vom 08. Dezember 2009 – 2 BvR 758/07 –, BVerfGE 125, 104 (137 f.); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 21. Januar 2009 – 1 BvR 2524/06 –, BVerfGK 15, 37 (47); BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 24. August 2010 – 1 BvR 2309/09 –, BVerfGK 17, 508 (511); BVerfG, Stattgebender Kammer­ beschluss vom 22. August 2011 – 1 BvR 1764/09 –, BayVBl 2012, 157 (157); Weyreuther, Revisions­z ulassung, Rn.  240; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  880, 883; Seibert, DVBl. 1997, 932 (939). 568  BVerwG, Beschluss vom 30. Januar 1985 – 9 B 10679/83 –, Buchholz 310 §  132 VwGO Nr.  229 S.  17 f.; BVerwG, Beschluss vom 11. September 1990 – 1 CB 6/90 –, NJW 1990, 3102 (3102); BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 1995 – 1 B 132/94 –, NVwZ 1995, 1134 (1134); W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  133 Rn.  19a; Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  238; Traut, Zugang zur Revision S.  216; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  270, 875; Wenzel, NJW 2002, 3353 (3359). 569  Eichberger, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  137 Rn.  218 und Wenzel, NJW 2002, 3353 (3359) zum Zivilprozess. 570  BVerwG, Beschluss vom 31. August 1988 – 3 B 13/88 –, Buchholz 427.6 §  3 BFG Nr.  26 (entsprechende Entscheidungsgründe nicht mit abgedruckt, vgl. juris); W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  133 Rn.  19a; Nasall, NJW 2003, 1345 (1349); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  875.

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heit an einer höchstrichterlichen Entscheidung über die Rechtssache offenbart571. Ausnahmen von der Bindung des Bundesverwaltungsgerichts an die Beschwerdebegründung sind nur in Fällen nachträglich eingetretener Diver­ genzen anerkannt, in denen eine zunächst ordnungsgemäß als grundsätzlich bedeutsam geltend gemachte Rechtsfrage zwischenzeitlich in einem Parallelverfahren geklärt wurde und ihr damit nachträglich die Klärungsbedürftigkeit genommen wurde. Aus verfassungsrechtlichen Gründen der Rechtsschutzgleichheit, die es verbieten, dem Beschwerdeführer die zunächst sicher bestehende Rechtsposition auf Zulassung der Revision aufgrund des bloßen Zufalls einer zeitlich früher ergehenden Entscheidung zu nehmen, ist in diesen Fällen eine Grundsatzrüge in eine Divergenzrüge umzudeuten. Auf entsprechende abweichungsspezifische Darlegungen kann in diesen Fällen jedenfalls dann verzichtet werden, wenn die Vorinstanz in Beantwortung der Rechtsfrage zu einem anderen Ergebnis als das Bundesverwaltungsgericht im Parallelverfahren gekommen ist572. Im Übrigen aber haben die Darlegungen in der Beschwerdebegründung konstitutive Wirkung für den gerichtlichen Zulassungsmaßstab, eine inhaltliche Prüfung nicht oder nicht ordnungsgemäß geltend gemachter Zulassungsgründe durch das Gericht ist daher ebenso wenig möglich wie ein Nachschieben von Zulassungsrügen nach Fristablauf durch den Beschwerdeführer573. (b) Ergebnisrichtigkeitsprüfung als Zulassungskontrolle von Amts wegen? Während sich demnach diejenigen Gesichtspunkte, die der Nichtzulassungsbeschwerde zum Erfolg verhelfen, entsprechend der Gesetzessystematik und dem ihr zugrunde liegenden Entlastungsgedanken allein aus dem form- und frist­ gerechten Vorbringen des Beschwerdeführers ergeben können, hält sich das Bundesverwaltungsgericht demgegenüber gleichwohl für befugt, über die ana571  BVerwG, Beschluss vom 30. Januar 1985 – 9 B 10679/83 –, Buchholz 310 §  132 VwGO Nr.  229 S.  17 f.; BGH, Beschluss vom 18. September 2003 – IX ZB 40/03 –, NJW 2004, 71 (71 f.); Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  50; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  364; Ruban, in: Gräber, FGO, §  116 Rn.  55; Boeckh, Beschwerde im Zivilverfahren, S.  235; a. A. BFH, Beschluss vom 09. Mai 1988 – IV B 35/87 –, BFHE 153, 378 (380); Maetzel, MDR 1961, 453 (456) und VGH Mannheim, Beschluss vom 13. September 2012 – 9 S 2153/11 –, NVwZ-RR 2012, 948 (949) zum Antrag auf Berufungszulassung. 572  BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 23. Juni 2000 – 1 BvR 830/00 –, NVwZ 2000, 1163 (1165); BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 1986 – 8 B 7/85 –, Buchholz 310 §  132 VwGO Nr.  240 S.  24; Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  242, 244; Traut, Zugang zur Revision, S.  217. A. A. Günther, DVBl. 1998, 678 (680). Näher hierzu Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  876 ff. 573  VGH München, Beschluss vom 14. Januar 2013 – 10 ZB 12.2102 –, BayVBl 2013, 450 (451); Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  54; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  227; Neuhäuser, Zulassung der Berufung, S.  66.

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

loge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO solche Umstände, die einer Revisions­ zulassung entgegenstehen sollen, auch von Amts wegen zu berücksichtigen. Soweit der vorinstanzlich festgestellte Sachverhalt die Grundlage einer solchen Kontrolle bilden kann, soll das Gericht im Beschwerdeverfahren die Ergebnisrichtigkeit des Urteils eigenständig selbst im Hinblick auf solche Alternativgründe hin prüfen dürfen, die weder von den Streitparteien vorgebracht noch in den Entscheidungsgründen des iudex a quo in Betracht gezogen wurden574. ­Insoweit wären Darlegungslast und Prüfungsgegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde inkongruent. Dem Beschwerdeführer, dem im Rahmen seiner Beschwerdebegründung generell Angriffe gegen das Berufungsurteil und die darin zum Ausdruck kommende materielle Rechtsansicht des Vordergerichts verwehrt sind575, muss dies widersprüchlich vorkommen. Einerseits unterliegt er strengen formalen Anforderungen an die von ihm geforderte Geltendmachung allgemeinwohlorientierter Zulassungsrügen, die sich nicht allein darin erschöpfen dürfen, den Blick des Gerichts auf bestimmte zulassungsrelevante Aspekte des Falles zu lenken. Vielmehr muss er diese dabei derart aufbereiten, dass das Bundesverwaltungsgericht die durch die komplexen Tatbestandsmerkmale des §  132 Abs.  2 VwGO determinierte Zulassungsfrage bereits durch Studium seines Schriftsatzes und des angefochtenen Urteils beantworten können soll. Das Scheitern an diesen formalen Hürden erscheint für ihn umso weniger nachvollziehbar, als diese Aufgabe mit seinem eigentlichen Anliegen, der Weiterverfolgung seines individuellen Rechtsschutzbegehrens in der nächsten Instanz, oftmals in einem aus seiner Sicht nur losen inneren Zusammenhang stehen dürfte576. Andererseits behält sich aber das Beschwerdegericht zugleich vor, analog §  144 Abs.  4 VwGO ausschließlich zu seinen Lasten eine inhaltliche Vollprüfung seines Rechtsschutzbegehrens und der vom Vordergericht diesbezüglich 574  So etwa BVerwG, Beschluss vom 04. September 2008 – 9 B 2/08 –, NVwZ 2009, 253 (255). Gleichwohl kann es auch vorkommen, dass die Alternativerwägungen, die zur Zurückweisung der Beschwerde führen, auch von den Parteien, etwa vom Beschwerdegegner im Rahmen seines Erwiderungsschriftsatzes, in das Verfahren eingebracht werden, so etwa im Fall von BVerwG, Beschluss vom 07. März 2002 – 5 B 60/01 – (unveröffentlicht, juris). Hat der Beschwerdeführer den Vortrag des Gegners ausdrücklich bestritten, so bedürfe es zur Wahrung des rechtlichen Gehörs nach dieser Entscheidung keines vorherigen Hinweises des Bundesverwaltungsgerichts, dass es die Beschwerde gerade wegen der Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils zurückzuweisen beabsichtigt, weil im vorgehenden Schriftsatzwechsel schon die diesbezügliche Stellungnahmen der Parteien zu sehen seien sollen. 575  Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Januar 1978 – 6 B 2/78 –, Buchholz 310 §  132 VwGO Nr.  162 S.  42; BVerwG, Beschluss vom 02. September 1997 – 3 C 32/97 –, Buchholz 310 §  132 Abs.  1 VwGO Nr.  2 S.  1 f. (entsprechende Gründe nicht mit abgedruckt, vgl. juris). 576  Nach Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  4 4 ist das Erfordernis der Geltendmachung von Allgemeininteressen im Zulassungsverfahren durch den eigentlich um Individualrechtsschutz in der Revision Suchenden ohnehin für diesen „kontraintuitiv.“

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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ausgesprochenen Tenorierung vorzunehmen, gegenüber derer ihm aber selbst entsprechendes Vorbringen verwehrt sein soll und welches als solches auch nicht allein zur Revisionszulassung führen könnte. Dann dürfte es ihm schwerlich einleuchten, warum er überhaupt von Gesetzes wegen zur substantiierten Begründung der Notwendigkeit einer Revisionszulassung in seinem konkreten Fall und damit zu umfangreicher Vorarbeit verpflichtet sein soll, die letztlich für die Entscheidung des Gerichts nicht von Bedeutung ist577. Mit dem Konzept einer Straffung des Beschwerdeverfahrens durch eine gesetzliche Begrenzung seines Streitgegenstandes ist dies ebenso wenig vereinbar. Dies lässt sich mit dem 10. Senat des Bundesfinanzhofs auch nicht damit begründen, dass die Beschränkungen des gerichtlichen Prüfungsumfanges auf die Darlegungen des Beschwerdeführers nur hinsichtlich der Zulassungsgründe selbst gelten würden, nicht aber auch für den „übrigen Streitstoff“ der Nichtzulassungs­ beschwerde, also auch die Erfolgsaussichten der Revision578. Denn ob es im Beschwerdeverfahren neben der vorzunehmenden Prüfung der Einschlägigkeit der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Zulassungsgründe noch einen solchen „übrigen Streitstoff“ überhaupt geben kann, ist vorliegend ja gerade fraglich. Die Erweiterung der gerichtlichen Prüfungskompetenzen über den Wortlaut des Gesetzes hinaus bedarf aber einer rechtsdogmatisch tragfähigen Begründung, welche auch der Bundesfinanzhof bisher nicht geliefert hat. Er vermag insoweit seine Auffassung nur aus sich selbst heraus zu begründen. Ganz im Gegenteil lässt sich nicht einsehen, warum in einem Verfahren, welches vom Gesetzgeber aus Gründen der Entlastung des Gerichts maßgeblich durch Aspekte des Beibringungsgrundsatzes ausgeformt worden ist579, diejenigen Umstände, die entscheidend für den Verfahrenserfolg sein sollen, nicht originär von den Parteien eingeführt werden dürfen, aber vom Gericht selbstständig berücksichtigt werden können sollten. Dass dem Beschwerdeführer vor Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde analog §  144 Abs.  4 VwGO Gelegenheit gegeben wird, sich nachträglich zu den vom Gericht entwickelten Alternativerwägungen zur Abstützung des Berufungsurteils zu äußern und ihm entsprechendes Gegenvorbringen ermöglicht wird580, führt zu keiner anderen Bewertung. Dadurch mag zwar einem verfassungswidrigen Entzug rechtlichen Ebenso Baumgärtel, Zulassungsberufung, S.  98 und Rennert, NVwZ 1998, 665 (671). So BFH, Beschluss vom 10. Dezember 2003 – X B 134/02 –, BFH/NV 2004, 906 (907). 579  Laudemann, NJ 2000, 172 (177); Haueisen, NJW 1956, 1089 (1089); Seibert, NVwZ 1999, 113 (114). 580  So BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 – 7 AV 4/03 –, NVwZ-RR 2004, 542 (543); BFH, Beschluss vom 10. Dezember 2003 – X B 134/02 –, BFH/NV 2004, 906 (908); Pietzner/ Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  79; Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  133 Rn.  86; Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  50. 577  578 

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

Gehörs i. S. v. Art.  103 Abs.  1 GG vorgebeugt werden können581, der einfach­ gesetzlichen Systematik des Beschwerdeverfahrensrechts und der für dieses Verfahrensstadium vorgesehenen Aufgabenverteilung zwischen Parteien und Gericht entspricht dies gleichwohl nicht. In der Prozesssituation des §  144 Abs.  4 VwGO, in der das Gericht bereits eine aus seiner Sicht nicht zu beanstande Lösung des Falles entwickelt zu haben meint, dürfte ohnehin eine effektive Einflussnahme der Prozessparteien auf den Inhalt der Entscheidung und damit den Verfahrensausgang regelmäßig ausgeschlossen sein 582. Der Beschwerdevorbehalt in Fragen der Revisionszulassung nach §  133 Abs.  1 VwGO soll der vorinstanzlich unterlegenen Partei die Möglichkeit eröffnen, dem iudex ad quem ihre Einwände gegen die vom iudex a quo bereits von Amts wegen beurteilte Zulassungsentscheidung vorzutragen und diese gegebenenfalls korrigieren zu lassen. Zugleich soll dabei aber so weit wie möglich jeder hierfür unergiebige Mehraufwand des Beschwerdegerichts unterbunden werden. Dann ist aber die Beschränkung der Zulassungskontrolle auf die vom Beschwerdeführer eingebrachten und von ihm näher erläuterten Aspekte der Zulassungsbedürftigkeit des konkreten Falles logische Folge dieser Grundgedanken583. Die Pflicht des Bundesverwaltungsgerichts zur objektiven Rechtsdurchsetzung wird erst nach Zulassung der Revision aktiviert und äußert sich in dessen umfassenden Prüfungs- und Entscheidungsbefugnissen nach §§  137 Abs.  3 S.  2, 144 Abs.  3 und Abs.  4 VwGO, welche nur durch das Verbot der ­reformatio in peius begrenzt werden584. Korrespondierend hiermit ist der Rechtsmittelkläger zwar zur Erhebung und Begründung von Revisionsrügen nach §  139 Abs.  3 S.  4 VwGO verpflichtet, gleichwohl entfalten diese keine Bindungswirkung für das Gericht, sondern dienen in erster Linie dazu, zu dessen Entlastung und Arbeitserleichterung den Prozessstoff und die wesentlichsten Probleme des Falles für eine zügige Behandlung aufzubereiten 585. Das dem vorgelagerte Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zeichnet sich dagegen durch seine ihm nach §  133 Abs.  3 S.  3 VwGO inhärente konstitutive Wirkung der Rechtsbehelfsbegründung für das gerichtliche Prüfprogramm und damit durch 581 

Vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 02. März 2006 – 2 BvR 767/02 –, BVerfGK 7, 350 (354 f.); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 24. Januar 2007 – 1 BvR 382/05 –, BVerfGK 10, 208 (213 f.). Ausführlich hierzu unten §  5 V. 582  So Finkelnburg, in: Schmidt-Aßmann/Sellner/Hirsch/Kemper/Lehmann-Grube, Festgabe 50 Jahre BVerwG, S.  173 (180) zur Anfrage des BVerwG an die Beteiligten, auf eine mündliche Revisionsverhandlung zu verzichten. 583  Ähnlich Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  238 f.; Prütting, Zulassung, S.  185; Traut, Zugang zur Revision, S.  216 f. 584  BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1986 – 1 C 16/85 –, Buchholz 402.25 §  11 AsylVfG Nr.  2 S.  8; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  141 Rn.  5; May, Revision, VI Rn.  414. 585  So Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  139 Rn.  34.

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eine Kongruenz von Darlegungspflicht und Zulassungsmaßstab aus, was jed­ wede Prüfung nicht prozessual ordnungsgemäß vorgetragener Aspekte ausschließt586. Dies muss erst recht für solche Gesichtspunkte gelten, welchen vom Gesetz in diesem Verfahrensstadium ohnehin keine rechtlich relevante Bedeutung beigemessen wird. Hat sich der Beschwerdeführer in seiner Beschwerdebegründung zur Darlegung der von ihm für einschlägig erachteten Zulassungsgründe retrospektiv mit der entscheidungstragenden Urteilsbegründung des Berufungsurteils auseinanderzusetzen, so gilt demnach dasselbe auch für die Zulassungsprüfung des Beschwerdegerichts587. Die Einführung neuer, bisher unberücksichtigter Umstände und Erwägungen in das Verfahren wie auch eine Prognose des weiteren Verfahrensablaufs sind, soweit dies nicht zur Darlegung und Prüfung eines Zulassungsgrundes, wie etwa hinsichtlich der Klärungsfähigkeit einer grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfrage i. S. v. §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO erforderlich ist588, in diesem Verfahrensstadium nicht möglich589. Wenn schon solche Aspekte des Falles, die die Zulassungsentscheidung eigentlich positiv beeinflussen könnten, nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, soweit sie nicht ordnungsgemäß vorgetragen wurden590, so muss dies konsequenterweise auch für solche Gesichtspunkte gelten, die zur Aufrechterhaltung des Berufungsurteils analog §  144 Abs.  4 VwGO heranzuziehen wären, um die Revisionszulassung im konkreten Fall zu verhindern. (c) Darlegungspflicht analog §  144 Abs.  4 VwGO? Wollte man dem Bundesverwaltungsgericht dennoch eine Ergebnisrichtigkeitskontrolle im Zulassungsverfahren ermöglichen, so wäre dies zur Erhaltung der gesetzlich angeordneten Kongruenz der Darlegungsobliegenheit der Parteien und des gerichtlichen Prüfungsumfanges aus vorgenannten Gründen nur zulässig, wenn vom Beschwerdeführer hierzu entsprechender Vortrag geleistet worden ist. Jener wird im Regelfall selbstverständlich nicht freiwillig solche Umstände ins Verfahren einbringen, die für ihn die Zulassungsfrage nur nachteilig beeinflussen könnten. Eine sachliche Kontrollbefugnis analog §  144 Abs.  4 586  So auch Rennert, NVwZ 1998, 665 (668) zum Antrag auf Zulassung der Berufung, welcher sich dabei explizit auf §  124 Abs.  2 Nr.  1 und Nr.  2 VwGO in Abgrenzung zu §  124 Abs.  2 Nr.  3 –4 VwGO bezieht. Dieselben Erwägungen greifen aber auch für die Frage nach der analogen Anwendbarkeit des §  144 Abs.  4 VwGO im Rahmen der Nichtzulassungs­ beschwerde. 587  Vgl. Rennert, NVwZ 1998, 665 (668). 588  Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  32. 589  Rennert, NVwZ 1998, 665 (671). 590  So Günther, DVBl. 1998, 678 (680).

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

VwGO im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ließe sich daher nur dann verfahrensrechtlich konsequent begründen, wenn man den Beschwerdeführer für verpflichtet ansehen würde, zur Begründung seiner Beschwerde nach §  133 Abs.  3 S.  3 VwGO nicht nur Zulassungsgründe darlegen zu müssen, sondern auch darzutun, dass sich das Berufungsurteil nicht aus anderen Gründen als offensichtlich im Ergebnis richtig herausstellen könnte. Eine solche Vortrags­ obliegenheit ist bisher – soweit ersichtlich – nur vom 7. Senat des Bundessozialgerichts gefordert worden, wonach es an der für die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde erforderlichen formgerechten Bezeichnung einer Divergenz und einer Grundsatzfrage mangelt, „wenn trotz naheliegender rechtlicher Gestaltung die schlüssige Darlegung fehlt, daß die Entscheidung des LSG nicht mit einer anderen als der vom LSG angeführten rechtlichen Begründung bestätigt werden kann, die [Grundsatz- oder] Divergenzfrage mithin auch für das BSG entscheidungserheblich ist“591. Den Beschwerdeführer zu verpflichten, schon im Zuge des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde mittels substantiierter Rügen das Entscheidungsergebnis des angefochtenen Urteils angreifen zu müssen, würde jedoch nicht nur rechtssystematische Bedenken aufwerfen, sondern auch an die Grenzen des in diesen Verfahrensstadium Leist- und Zumutbaren stoßen. Um nämlich überhaupt schlüssig vortragen zu können, dass das angegriffene Urteil aus naheliegenden anderen Gründen isoliert im Ergebnis nicht richtig sein kann, müsste logischerweise vorgehend zunächst dargetan werden, dass es im Ergebnis schon überhaupt falsch ist, was sich wiederum nach der vom iudex a quo beigegebenen Entscheidungsbegründung anhand dessen Tatsachenfeststellungen richtet. Auch hierauf müsste sich demnach die Vortragspflicht des Beschwerdeführers erstrecken. Dies hätte aber zur Folge, dass dem Rechtsmittel591  So der amtliche Leitsatz von BSG, Beschluss vom 12. Juli 1985 – 7 BAr 114/84 –, SozR 1500 §  160a Nr.  54 S.  71. In den Entscheidungsgründen heißt es dazu: „Auch wenn die Frage der Begründetheit des Klageanspruchs unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs vom LSG nicht erörtert worden ist, handelt es sich hier nach den feststehenden tatsächlichen Vorgängen um eine naheliegende rechtliche Gestaltung, zumal angesichts der zahlreichen Entscheidungen des BSG zu diesem Rechtsinstitut (vgl zB das Urteil des Senats vom 15. Mai 1985 – 7 RAr 103/83 – mwN). Die Beklagte hätte deshalb darlegen müssen, warum weder aus diesem Rechtsgrunde noch aus einer rechtlichen Würdigung der festgestellten Arbeitslosmeldung des Klägers vom 4. Juli 1978 auf eine wirksame rechtzeitige Antragstellung geschlossen werden dürfte. Nur in diesem Falle würde es nämlich entscheidungserheblich darauf ankommen, ob für eine erst zum 2. Oktober 1978 wirksame Antragstellung eine bloße Arbeitslosmeldung am 4. Juli 1978 genügen konnte oder nicht.“ Diese Entscheidung ist überwiegend auf Kritik gestoßen und auch in der Rechtsprechung des BSG vereinzelt geblieben. Die anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes haben sich ihr auch nicht angeschlossen. Vgl. dazu Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  133 Rn.  80 sowie Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  242 m. w. N.

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führer schon zur Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde aufgegeben wäre, eine sowohl auf §  144 Abs.  3, Abs.  4 VwGO als auch auf §  137 Abs.  1 VwGO ausgerichtete Revisionsbegründung im Sinne des §  139 Abs.  3 S.  4 VwGO anzufertigen592. Eine Pflicht zur Erhebung und Substantiierung von Revisionsrügen sieht das Gesetz in §  139 Abs.  3 S.  1 VwGO aber erst nach Zu­ lassung der Revision vor, also erst dann, wenn feststeht, dass es zu einer rechtsmittelrichterlichen Kontrolle des Berufungsurteils auch tatsächlich kommen wird, die zur Aufhebung des angegriffenen Judikates und gegebenenfalls Neuentscheidung der Rechtssache zugunsten der beschwerten Parteien führen könnte593. Zudem wäre der Beschwerdeführer im Zuge einer entsprechenden Vortragsverpflichtung gehalten, selbst das Gericht auf solche Gesichtspunkte hinzuweisen, die im Revisionsverfahren eine Aufrechterhaltung des Urteils rechtfertigen könnten594. Mit seinem sachlichen Anliegen, über die Revisionszulassung die Durchführung eines Rechtsmittelverfahrens zu erreichen, welches ja gerade zu einer Abänderung der vorinstanzlichen Tenorierung zu seinen Gunsten führen soll, wäre dies schwerlich zu vereinbaren und aus dessen Sicht auch widersprüchlich595. Selbst zur Begründung ihrer Revision wäre die vor­ instanzlich unterlegene Partei schließlich nur verpflichtet aufzuzeigen, dass das angefochtene Judikat in seiner konkreten Entscheidungsstruktur an einem rechtlichen Mangel leidet, welcher die Entscheidung zu ihrem Nachteil beeinflusst haben kann, nicht aber gehalten darzulegen, dass darüber hinaus andere rechtliche Aspekte diese Beschwer als gerechtfertigt erscheinen lassen könnten596. Dass im Beschwerdeverfahren die Mitwirkungspflichten der Parteien umfangreicher ausfallen sollen als in der zuzulassenden Revision, ist nicht einsichtig. Hinzu kommt, dass im Gegensatz zur Revisionsbegründungfrist gemäß §  139 Abs.  3 S.  3 VwGO die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht auf Antrag hin vom Gericht verlängert werden kann. Es handelt sich hierbei nämlich um eine gesetzliche Frist i. S. v. §  57 Abs.  2 VwGO i. V. m. §  224 Abs.  2 S.  2 ZPO, für die es an einer gesetzlich eingeräumten Verlängerungsmöglichkeit fehlt597. Das Gesetz sieht eine flexiblere Handhabe der jeweiligen 592  Ähnlich Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  241 f.; Redeker, in: Lenz, Festschrift Gelzer, S.  333 (336 f.) und Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  133 Rn.  80. 593  So auch BVerfG, Beschluss vom 08. Dezember 2009 – 2 BvR 758/07 –, BVerfGE 125, 104 (139 f.) zum Verfahren der Berufungszulassung. 594  Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  133 Rn.  80; Piekenbrock, AnwBl 2004, 329 (332). 595  Piekenbrock, AnwBl 2004, 329 (332). 596  Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  133 Rn.  80. 597  BVerwG, Beschluss vom 28. März 2001 – 8 B 52/01 –, NVwZ 2001, 799 (799 f.); W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  133 Rn.  12; Ewer, in: Quaas/Zuck, Prozesse in Ver-

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prozessualen Pflichten durch eine Verlängerungsmöglichkeit gesetzlicher Fristen nur dort vor, wo es davon ausgeht, dass deren Erfüllung im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände oder des Umfangs und der Komplexität der Sache nicht immer innerhalb des gesetzlichen für den Regelfall vorgesehenen Zeitrahmens möglich ist598. Dass der Gesetzgeber für die Beschwerdebegründungsfrist keinen Verlängerungsvorbehalt für notwendig erachtet hat, zeigt gerade, dass er die zeitliche Mehrbelastung des Beschwerdeführers, die die Aufbereitung sachlicher Rügen schon im Stadium der Revisionszulassung mit sich bringen würde, nicht berücksichtigt hat, weil er eben einen solchen Vortrag nicht für erforderlich ansah599. Vielmehr ist die kurz bemessene Beschwerdebegründungsfrist ohne Verlängerungsvorbehalt gerade deshalb noch zumutbar, weil sie sich ausschließlich auf die Durchdringung der zulassungsrelevanten Aspekte des Falles bezieht, die Aufarbeitung der sachlichen Problematik des Rechtsstreits aber der Revisionsbegründung vorbehält600. Würden beide prozessualen Pflichten im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren kumulieren, so würde der mit der Bearbeitung der Beschwerde beauftragte Prozessvertreter oftmals an die Grenzen seiner zeitlichen Leistungsfähigkeit stoßen, jedenfalls aber kann dies zu einer Verminderung der Qualität seiner Ausführungen führen601. Dies liegt aber weder im Interesse des Mandanten602 noch des Gerichts, welches über eine sorgfältig begründete Beschwerde zügiger entscheiden kann603. Überdies ist die Rechtsprechung selbst stets bedacht, darauf hinzuweisen, dass für sachliche Rügen gegen die Richtigkeit des Berufungsurteils in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde kein Raum ist, weil diese an sich allein nicht zu einer positiven Zulassungsentscheidung führen könnten604 und im waltungssachen, §  7 Rn.  31; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  183; Baring, DVBl. 1961, 349 (353). 598  So im Ansatz auch BVerwG, Beschluss vom 18. Mai 1971 – II WDB 8.71 –, BVerwGE 43, 237 (239). 599  So BT-Drs. 14/4722, S.  68. Vgl. dazu auch Meyer-Ladewig, in: Bachof/Heigl/Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (424). 600  BVerfG, Beschluss vom 08. Dezember 2009 – 2 BvR 758/07 –, BVerfGE 125, 104 (139); Rennert, NVwZ 1998, 665 (669). 601  Geis/Thirmeyer, JuS 2013, 517 (518); Daniels, Vortrag PVR S.  18 f.; Rennert, NVwZ 1998, 665 (671); Seibert, NVwZ 1999, 113 (114); Traut, Zugang zur Revision, S.  220. Barnert, in: Kiesow/Simon, Vorzimmer des Rechts, S.  17 weist auf das erhebliche Haftungsrisiko hin, dass die Unklarheiten über den Umfang der Darlegungspflicht mit sich bringen. 602  Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  18. 603  Vgl. BT-Drs. 11/7030, S.  33. 604  So z. B. BVerwG, Beschluss vom 20. Januar 1978 – 6 B 2/78 –, Buchholz 310 §  132 VwGO Nr.  162 S.  42; BVerwG, Beschluss vom 05. Oktober 1990 – 4 B 249/89 –, NVwZ-RR 1991, 118 (119); BVerwG, Urteil vom 07. April 1997 – 2 B 147/96 –, KirchE 35, 113 (114); BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – 7 B 261/97 –, NJW 1997, 3328; BVerwG, Be-

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Einzelfall sogar die Klarheit des Beschwerdeschriftsatzes beeinträchtigen können, was gegebenenfalls als Formmangel der Begründung der Zulässigkeit der Beschwerde entgegengehalten wird605. Dann wäre es aber kaum systemkonsequent, vom Beschwerdeführer inhaltliche Darlegungen zum gegenteiligen Fall einzufordern, in dem die Zulassung der Revision aus sachlich-rechtlichen Gründen unabhängig von der Einschlägigkeit von Zulassungsgründen verweigert werden soll. Eine Vortragspflicht analog §  144 Abs.  4 VwGO hätte zudem die merkwürdige Konsequenz, dass dem Beschwerdeführer ein umfassenderer Begründungsaufwand aufgegeben wäre, als noch dem Vordergericht. Letzteres ist schließlich bei Abfassung seines Urteils lediglich verpflichtet, eine einzige tragfähige Entscheidungsgrundlage für sein Judikat an- und auszuführen und anschließend diese auf ihre Zulassungsrelevanz i. S. v. §  132 Abs.  2 VwGO hin zu untersuchen606. Müsste der Beschwerdeführer dagegen zur Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils vortragen, wäre er dazu verpflichtet, dessen Entscheidungsergebnis nicht nur auf sämtliche in Betracht kommende tragfähige Alternativbegründungen hin zu untersuchen und dies in seiner Begründung entsprechend ausführlich darzustellen, sondern auch zur Zulassungsrelevanz dieser Begründungsansätze Stellung zu nehmen, weil nur zulassungsirrelevante Alternativgründe die Nichtzulassung der Revision tragen können sollen607. Die Verteilung des Arbeitsaufwandes zwischen den Parteien und den jeweils mit der Sache befassten Gerichten würde in ein erhebliches Missverhältnis rücken. Der Gedanke der Verfahrensstraffung, der dem vom eigentlichen Rechtsmittel entkoppelten Zulassungsverfahren zugrunde liegt und sich im Wesentlichen durch die Aspekte der Konzentration, Entlastung und Beschleunigung auszeichnet608, greift aber nicht nur zugunsten der Gerichte, sondern soll auch und gerade die Verfahrensparteien entlasten, weil auch ihnen eine inhaltliche Befassung mit der Streitsache dabei vorerst erspart bleiben soll. Werden aber das Beschwerdeverfahren im Allgemeinen und die Vortragspflicht des Beschwerdeführers im Besonderen von der Fokussierung auf die von der Vorinstanz herangezogenen schluss vom 02. September 1997 – 3 C 32/97 –, Buchholz 310 §  132 Abs.  1 VwGO Nr.  2 S.  1 f. (entsprechende Entscheidungsgründe nicht mit abgedruckt, vgl. juris); sowie BGH, Urteil vom 18. Juli 2003 – V ZR 187/02 –, NJW 2003, 3205 (3206). 605  Vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 23. November 1995 – 9 B 362/95 –, NJW 1996, 1554; BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – 7 B 261/97 –, NJW 1997, 3328; Geis/­ Thirmeyer, JuS 2013, 799 (800). Auch Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  241 und Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  216 raten aus diesem Grunde von entsprechenden Ausführungen ab. 606  Vgl. zum Umfang der Begründungspflicht Schmidt, in: Eyermann, VwGO, §  117 Rn.  12. 607  Sendler, DVBl. 1992, 240 (242); Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  133 Rn.  51. 608  Rennert, NVwZ 1998, 665 (668) zum Antrag auf Zulassung der Berufung.

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

Entscheidungsgründe gelöst und diese auch auf die künftige Sachentscheidung des Revisionsgerichts ausgerichtet, geht dieser Straffungseffekt verloren609. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass die zusätzliche Mehrbelastung des Beschwerdeführers deshalb gering sei, weil nur solche Alternativgründe zum Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde zu machen sind, die offensichtlich seien und daher auch den Parteien offenkundig einsichtig sein müssten610. Denn was aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts offensichtlich ist, muss sich noch lange nicht allen anderen Beteiligten ebenso aufdrängen können611. Hat schon die Vorinstanz die anderen einschlägigen Entscheidungsgründe nicht erkannt und seinem Urteil als Mehrfachbegründung zugrunde gelegt, so lässt sich schwerlich seitens des Beschwerdegerichts anführen, dass diese gleichwohl auf der Hand liegen würden612. Dass der Beschwerdeführer dennoch diese Alternativgründe selbstständig herausarbeiten und sich in seiner Beschwerdebegründung dazu äußern soll, würde bedeuten, dass von ihm erwartet wird, in An­ betracht der richtigen Falllösung klüger zu sein, als das zuvor mit der Sache befasste richterliche Kollegialorgan613. Auch der Umstand, dass die in der zweiten Instanz unterlegene Partei überhaupt Nichtzulassungsbeschwerde erhebt, obwohl sich das Berufungsurteil als richtig herausstellt und deshalb die Revi­ sion aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben wird, dürfte zeigen, dass die in Rede stehende Alternativbegründung wohl kaum derart auf der Hand liegen kann, dass sie jedem Prozessbeteiligten ohne Weiteres einleuchten würde. Von den Fällen unzureichender anwaltlicher Beratung einmal abgesehen, dürfte nämlich jede vernünftige Partei, deren Erfolgschancen in der Revision offensichtlich gering sind, bereits von der Einleitung des Zulassungsverfahrens ab­ sehen, auch wenn beide Verfahrensstadien unterschiedliche Zielrichtungen verfolgen614. Auf Gesichtspunkte, die hingegen vor Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht erkennbar sind, weil sie im bisherigen Verfahrensverlauf gerade noch keine Rolle gespielt haben, kann sich aber schwerlich eine Vortragspflicht erstrecken615. Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  240 Fn.  2072; Rennert, NVwZ 1998, 665 (668). So aber BFH, Beschluss vom 10. Dezember 2003 – X B 134/02 –, BFH/NV 2004, 906 (908); Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  133 Rn.  51; Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  79. 611  Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  179. Zur zweifelhaften Tauglichkeit des Offen­ sichtlichkeitsmaßstabs als Kriterium der Rechtsmittelzulassung vgl. bereits §  4 III. 2. b). 612  Ebenso Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  243. Vgl. hierzu §  4 IV. 2. b) bb) (3). 613  Quaas, NVwZ 1998, 701 (703) zur Berufungszulassung. 614  So auch BT-Drs. 11/7030, S.  33. 615  So auch ausdrücklich BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. August 1994 – 2 BvR 719/93 –, NVwZ 1994, Beilage 9, 65 (66) und BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 24. Januar 2007 – 1 BvR 382/05 –, BVerfGK 10, 208 (213 f.). 609  610 

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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Zudem gilt es zu bedenken, dass es nicht Aufgabe des Beschwerdeführers sein kann, dem Gericht diejenige Falllösung zu liefern, die jenes im Zuge des zuzulassenden Rechtsmittelverfahrens erst selbst noch zu entwickeln hätte616. Die Mitwirkungsverantwortung, die den Parteien im Zulassungsverfahren zukommt, kann sich nur darin erschöpfen, diejenige Vorarbeit zu leisten, die gerade für die Überwindung der gesetzlich normierten Zugangsschranke erforderlich ist, nicht aber dem Gericht zu ermöglichen, bereits im Zulassungsverfahren inhaltlich über die Sache entscheiden zu können617. Die Entlastung der Rechtsmittelgerichte, die mit dem Prinzip der Rechtsmittelzulassung verbunden sein soll, erstreckt sich ausschließlich auf die Aussonderung rechtsmittelunwürdiger Fälle nach bestimmten materiell-rechtlichen Kriterien in einem speziell hierfür vorgesehenen, ausgelagerten Verfahrensschritt618. Dieser Entlastungsgedanke kann aber nicht contra legem dahingehend ausgedehnt werden, die rechtsmittelrichterliche Kontrollfunktion bereits in das Zulassungsverfahren vorzuverlagern und dabei durch strenge Begründungspflichten in diesem Verfahrens­ stadium die Verantwortung für die richtige Falllösung den Prozessparteien a­ ufzubürden619. Daher dürfen an das Zulassungsvorbringen nicht dieselben Anforderungen gestellt werden, wie an die eigentliche Rechtsmittelbegründung620. Nur soweit das Gesetz selbst bestimmt, dass Kriterien der Begründetheit eines Rechtsmittels schon im Rahmen seiner Zulässigkeit Relevanz besitzen sollen, ist eine diesbezügliche gerichtliche Prüfung möglich und auch ein dementsprechender Vortrag des Rechtsmittelführers einforderbar621. Die verfassungsrecht616 

BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 23. Juni 2000 – 1 BvR 830/00 –, NVwZ 2000, 1163 (1164); BVerfG, Beschluss vom 08. Dezember 2009 – 2 BvR 758/07 –, BVerfGE 125, 104 (139) und Gaier, NVwZ 2011, 385 (389) zur Zulassung der Berufung. 617  BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 02. März 2006 – 2 BvR 767/02 –, ­BVerfGK 7, 350 (355); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 21. Januar 2009 – 1 BvR 2524/06 –, BVerfGK 15, 37 (47); BVerfG, Beschluss vom 08. Dezember 2009 – 2 BvR 758/07 –, BVerfGE 125, 104 (139 f.); Friedrichs, NJW 1981, 1421 (1423). 618  Ebenso Meyer-Ladewig, in: Erichsen/Hoppe/von Mutius, Festschrift Menger, S.  833 (844). 619  BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 23. Juni 2000 – 1 BvR 830/00 –, NVwZ 2000, 1163 (1164). Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO §  124a Rn.  125 halten zwar im Berufungszulassungsverfahren eine Ergebnisrichtigkeitskontrolle v. A. w. für zulässig, verneinen aber aus genannten Gründen eine entsprechende Vortragspflicht, a. a. O. Rn.  108. 620  BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 02. März 2006 – 2 BvR 767/02 –, BVerfGK 7, 350 (354); Gaier, NVwZ 2011, 385 (389). 621  Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 1994 – 1 BvR 1022/88 –, BVerfGE 91, 93 (117) zur sozialgerichtlichen und BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. August 1995 – 1 BvR 568/93 –, NZA-RR 1996, 26 (26 f.) zur arbeitsgerichtlichen Revisionszulassung. Das BSG und BAG entscheiden gemäß §  160a Abs.  4 S.  1 SGG i. V. m. §  169 S.  3 SGG bzw. §  72a Abs.  5 S.  2, S.  3 ArbGG über die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde ohne Hinzuziehung der ehren-

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

lichen Gebote des effektiven Rechtsschutzes, der Rechtsschutzgleichheit und der Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns gebieten es insoweit, die vom Gesetzgeber vorgesehene Ausgestaltung der jeweiligen Prozessstadien sowie die ihnen zugedachten Funktionen zu respektieren. Darf daher das Rechtsmittelverfahren nicht schon im Zulassungsverfahren vorweggenommen werden, so können die Verfahrensbeteiligten auch nicht zu denjenigen Verfahrenshandlungen verpflichtet sein, die funktionell erst im Stadium des Rechtsmittels selbst vorzunehmen sind622. (d) Zwischenfazit Von dem Beschwerdeführer einer Nichtzulassungsbeschwerde kann daher weder verlangt werden, im Rahmen seiner Beschwerdebegründung neben der Darlegung von Zulassungsgründen auch zur Sache selbst vorzutragen, noch darf eine Beschwerde ohne entsprechende Darlegungen als unzulässig verworfen werden623. Aufgrund der gesetzlich angeordneten Kongruenz zwischen den prozessual ordnungsgemäßen Darlegungen des Beschwerdeführers und dem dadurch konstituierten beschwerdegerichtlichem Prüfungs- bzw. Zulassungs­ maßstab ist es dann aber konsequenterweise auch nicht möglich, die sachliche amtlichen Richter, weshalb die Abgrenzung zwischen Zulässigkeits- und Begründetheits­ fragen die Verfahrensgarantie des gesetzlichen Richters nach Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG berührt. Im Bereich der verwaltungsgerichtlichen Nichtzulassungsbeschwerde wirkt sich diese Abgrenzung zwar nicht unmittelbar auf die Besetzung des Gerichts aus, für die Frage der eigentlich funktionell zur Revision zu zählenden Ergebnisrichtigkeitskontrolle hat dies aber im Hinblick auf §  10 Abs.  3 VwGO eine ähnliche Bedeutung. Hierzu ausführlich unten §  5 II. 622  So auch BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 – 7 AV 4/03 –, NVwZ-RR 2004, 542 (543); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 02. März 2006 – 2 BvR 767/02 –, ­BVerfGK 7, 350 (354 f.) und BVerfG, Beschluss vom 08. Dezember 2009 – 2 BvR 758/07 –, BVerfGE 125, 104 (139 f.) zur Berufungszulassung. 623  Ebenso Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  243. Dem steht nicht entgegen, dass sich der Beschwerdeführer in der Praxis gleichwohl „genötigt“ sehen dürfte, einen solchen Vortrag zu erbringen, um nicht auf die „Erfolgschance [der Nichtzulassungsbeschwerde zu] verzichten“, so Rennert, NVwZ 1998, 665 (671). Kornblum, ZZP 122, 327 (335, 337) hält es dementsprechend aufgrund von §§  139 Abs.  2 S.  1, 173 S.  1 VwGO i. V. m. §  551 Abs.  3 S.  2 ZPO für möglich, schon mit der Beschwerdebegründung eine Revisionsbegründung i. S. v. §  139 Abs.  4 S.  1, S.  4VwGO wirksam einzureichen. Das Bundesverwaltungsgericht verlangt hingegen einen gesonderten Schriftsatz zur Begründung des Rechtsmittels nach dessen Zulassung, vgl. BVerwG, Urteil vom 07. Januar 2008 – 1 C 27/06 –, NJW 2008, 1014 f. mit Anmerkung Beck, jurisPR-BVerwG 11/2008 Anm.  2. Gleichwohl kann in der Revisions­ begründung zulässigerweise auf die Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz verwiesen werden, wenn dieser bereits sachlich-rechtliche Revisionsrügen enthalten hat, vgl. BVerwG, Urteil vom 01. Juli 1965 – III C 105.64 –, BVerwGE 21, 286 (288); BVerwG, Urteil vom 30. Juni 1998 – 9 C 6/98 –, BVerwGE 107, 117 (122) und BSG, Urteil vom 24. August 1976 – 8 RU 152/75 –, SozR 1500 §  164 Nr.  3 S.  3 f.

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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Richtigkeit des Berufungsurteils im Rahmen einer analogen Anwendung von §  144 Abs.  4 VwGO von Amts wegen zu berücksichtigen und bejahendenfalls die Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurückzuweisen. (2) Sachentscheidungskompetenzen im Beschwerdeverfahren Weist das Bundesverwaltungsgericht die Nichtzulassungsbeschwerde analog §  144 Abs.  4 VwGO deshalb zurück, weil sich das angefochtene Berufungs­ urteil aus anderen Gründen im Ergebnis richtig herausstellt, so entscheidet es bei näherer Betrachtung nicht allein über die Zulassungsfrage, sondern zugleich auch über die Rechtssache selbst. Denn die Feststellung der Ergebnisrichtigkeit aufgrund einer reformatorischen Sachprüfung entspricht einer der Kassationskontrolle nach §  137 Abs.  1 VwGO nachgelagerten reformatorischen Entscheidung i. S. v. §  144 Abs.  3 S.  1 Nr.  1, Abs.  4 VwGO innerhalb des revisions­ gerichtlichen Prüfprogramms. Der Tenor der auf festgestellten Rechtsfehlern beruhenden vordergerichtlichen Entscheidung ist dabei mit dem Ergebnis einer eigenständigen Falllösung unter Zugrundelegung des materiellen Rechtstandpunktes des iudex ad quem zu vergleichen624. Fallen diese nicht auseinander, so ist das Urteil aufrechtzuerhalten und das Rechtsmittel zurückzuweisen. Die Bestätigung des Judikates aus anderen Gründen ist dabei – auch wenn die Re­vision letztlich zurückgewiesen wird – eine eigenständige reformatorische Sachentscheidung des Revisionsgerichts, die zwar nicht dessen Tenorierung, wohl aber dessen Begründung reformiert625. Selbiges spricht das Bundesverwaltungsgericht unter entsprechender Heranziehung des §  144 Abs.  4 VwGO schon im Beschwerdeverfahren aus, wenn die aufgefundenen Alternativerwägungen hinreichend gewiss und selbst frei von Zulassungsrelevanz sind. Das Berufungsurteil wird in diesen Fällen nach §  133 Abs.  5 S.  2 VwGO nicht etwa deshalb der Rechtskraft zugeführt, weil es keine zulassungsträchtigen Rechtsprobleme aufwirft und daher schon wegen des durch §  132 Abs.  2 VwGO eingeschränkten Aufgabenbereiches des Revisionsgerichts einer Revisionskontrolle gar nicht fähig wäre. Vielmehr wird diese Kontrolle schon im Zulassungsstadium ausgeübt. Das Urteil wird hierdurch am Maßstab der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts zur sachlich-richtigen Falllösung jedenfalls im Ergebnis überprüft und eine endgültige Entscheidung über die Rechtssache herbeigeführt. Damit liegt aber in einer auf §  144 Abs.  4 VwGO gestützten BeschwerdeentMay, Revision, VI Rn.  309, 315. BVerwG, Urteil vom 16. März 1994 – 11 C 48/92 –, NVwZ 1994, 1095 (1096); BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1995 – 11 C 9/94 –, DVBl. 1995, 695 f. (relevanter Begründungsteil nicht mit abgedruckt, vgl. juris); Bettermann, ZZP 88, 365 (373 f.); Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  144 Rn.  16. 624  625 

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

scheidung eine verdeckte Sachentscheidung unter dem Deckmantel der Nichtzulassung der Revision626. Die Befugnis zur Sachprüfung und zur verfahrensbeendenden Entscheidung über den Rechtsstreit setzt aber eine dem Gericht durch Gesetz eingeräumte Sachentscheidungskompetenz voraus627. Die Bestimmungen des §  133 VwGO über das Verfahren der Nichtzulassungs­beschwerde sind primär auf eine bloße Zulassungskontrolle ausgelegt. Eine reformatorische Entscheidung zur Sache selbst ermöglichen sie dem Beschwerdegericht auf den ersten Blick nicht. Ob der Rekurs auf einen Analogieschluss zu §  144 Abs.  4 VwGO allein ausreicht, um das Beschwerdegericht zu einer Verfahrensbeendigung nach Maßgabe seines materiellen Rechtsstandpunktes zu ermächtigen, erscheint zweifelhaft. (a) Die Anhängigkeit der Hauptsache während des Beschwerdeverfahrens Die Möglichkeit, inhaltlich über den Rechtsstreit zu entscheiden, setzt zunächst voraus, dass die Rechtssache auch beim jeweiligen Gericht überhaupt anhängig ist. Entscheidet das Bundesverwaltungsgericht analog §  144 Abs.  4 VwGO schon im Zulassungsverfahren inhaltlich zur Sache, so müsste ihm demgemäß die Hauptsache auch schon mit der Nichtzulassungsbeschwerde angefallen sein. Ob der Beschwerde nach §  133 Abs.  1 VwGO ein ebensolcher Devolutiveffekt in Anbetracht der Hauptsache zukommt oder ob diese bis zum Ergehen einer beschwerdegerichtlichen Zulassungsentscheidung beim iudex a quo anhängig bleibt, ist umstritten. Von der Beantwortung dieser Frage hängt überdies zum einen die Einstufung der Nichtzulassungsbeschwerde als Rechtsmittel in Anbetracht der Hauptsache ab. Zum anderen tangiert dies Fragen nach der Zuständigkeit für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes, für die Verfahrenseinstel­ lung in Fällen der Rücknahme und der Erledigung des Hauptsacheverfahrens sowie für weitere prozessuale Nebenentscheidungen wie etwa die vorläufige Vollstreckbarkeitserklärung628. Im Gegensatz zur ausdrücklichen Anordnung eines Suspensiveffektes der Nichtzulassungsbeschwerde durch §  133 Abs.  4 VwGO trifft das Gesetz zur Frage des Devolutiveffektes der Beschwerde keine eindeutige Aussage629. Zum Teil wird – ausgehend von der Prämisse, dass aufgrund eines ZulassungsrechtsWie hier Meyer-Ladewig, in: Bachof/Heigl/Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (428); Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  62; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  240 mit Fn.  2072; Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, §  39 Rn.  28 und Seiler, NJW 2005, 1689 (1690). 627  Meyer, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art.  97 Rn.  23. 628  Rennert, VBlBW. 1999, 283 (284). 629  Ebenso Traut, Zugang zur Revision, S.  206 und Schreiner, Zulassungsberufung, S.  31 zum Antrag auf Zulassung der Berufung. 626 

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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behelfes das angerufene Gericht nur über die Zulassungsfrage zu entscheiden hat630 – angenommen, dass mangels anderweitiger gesetzlicher Regelung nur der Zulassungsrechtsstreit in die jeweils höhere Instanz gelangt, während die Hauptsache weiterhin beim Vordergericht anhängig bleibt, bis über die Zulassung positiv entschieden wurde631. Dagegen vertritt die wohl herrschende Meinung, dass mit Anhängigkeit des Zulassungsrechtsstreits beim iudex ad quem auch die Hauptsache bei diesem anfällt. Im Verwaltungsprozess ist dies der Zeitpunkt, in dem das Vordergericht nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist des §  133 Abs.  3 S.  1 VwGO über die Nichtabhilfe der Nichtzulassungs­ beschwerde nach §§  133 Abs.  5 S.  1, 148 Abs.  1 VwGO entschieden hat632. Der Devolutiveffekt der Nichtzulassungsbeschwerde sei dabei durch die Nichtab­ hilfeentscheidung des iudex a quo gehemmt bzw. aufschiebend bedingt633. Indem nach §  139 Abs.  2 S.  1 VwGO das erfolgreiche Beschwerde- als Revisionsverfahren des Beschwerdeführers fortgeführt wird, ohne dass es noch der Einlegung der Revision durch diesen bedarf, gehe das Gesetz von einer Verknüpfung von Zulassungs- und Rechtsmittelbegehren aus, die eine Devolution der Hauptsache gemeinsam mit dem Zulassungsrechtsstreit voraussetze634. Gleiches gelte für die Möglichkeit des Bundesverwaltungsgerichts, bei durchgreifenden Verfahrensrügen i. S. v. §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO das angefochtene Urteil nach §  133 Abs.  6 VwGO schon im Beschwerdeverfahren aufzuheben, denn diese Kassationskompetenz im Zulassungsstadium ließe sich nur dann ausüben, wenn die Rechtssache schon beim iudex ad quem anhängig ist635. 630 

So ausdrücklich BVerwG, Beschluss vom 18. September 1969 – VIII B 200.67 –, BVerwGE 34, 40 (41) und BVerwG, Beschluss vom 08. Mai 1995 – 4 NB 16/95 –, NVwZ 1996, 372 (374). 631  BAG, Beschluss vom 01. April 1980 – 4 AZN 77/80 –, BAGE 33, 79 (81); Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  133 Rn.  7; Traut, Zugang zur Revision, S.  101; Neumann, in: Dietrich/­ Gamillscheg/Wiedmann, Festschrift Hilger/Stumpf, S.  513 (518) sowie Schreiner, Zulassungsberufung, S.  31 zum Antrag auf Zulassung der Berufung. 632  BVerwG, Beschluss vom 02. Juli 1982 – 1 CB 14/82 –, Buchholz 310 §  60 VwGO Nr.  125 S.  14; BVerwG, Beschluss vom 24. Juli 1997 – 9 B 552/97 –, BayVBl 1998, 187; BVerwG, Beschluss vom 07. September 2005 – 4 B 49/05 –, BVerwGE 124, 201 (203); Hufen, Verwaltungsprozessrecht, §  41 Rn.  12. In Ausnahmefällen kann auch eine verfrühte Nicht­ abhilfeentscheidung des OVG vor Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist die Zuständigkeit des BVerwG begründen, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 07. September 2005 – 4 B 49/05 –, BVerwGE 124, 201 (203 f.). 633  Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, §  133 Rn.  16 f.; W.-R. Schenke, in: Kopp/ Schenke, VwGO, Vorb. §  124 Rn.  1; Rennert, VBlBW. 1999, 283 (285). 634  BVerwG, Beschluss vom 05. Juni 1998 – 9 B 469/98 –, NVwZ 1999, 642 (643); Rennert, VBlBW. 1999, 283 (285) und Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  124a Rn.  223 jeweils zum Antrag auf Zulassung der Berufung. 635  May, Revision, IV Rn.  159.

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

Mit der herrschenden Meinung ist davon auszugehen, dass die Hauptsache schon mit der Nichtzulassungsbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht devolviert. Im Vergleich zu Vorlageverfahren wie etwa nach §  11 VwGO, nach den Bestimmungen des RsprEinhG oder nach Art.  100 GG, bei denen nur die Entscheidungskompetenz über eine bestimmte Rechtsfrage bei dem höheren Gericht anfällt636, kann im Rahmen von Rechtsmitteln die Rechtssache nur in Gänze bzw. bei teilbaren Streitgegenstand ein entsprechend abtrennbarer Teil637 an das Rechtsmittelgericht devolvieren, nicht aber nur einzelne Zuständigkeiten638. Dies betrifft bei zulassungsbedürftigen Rechtsmitteln auch die Zulassungsfrage bzw. den Zulassungsrechtsstreit, der sich insoweit zum Hauptsacheverfahren akzessorisch verhält639. Die Mindermeinung geht von der unzutreffenden Grundannahme aus, dass sich die Entscheidungskompetenzen des Gerichts mit dem Umfang der bei ihr angefallenen Sache decken müssten und daher ein Zulassungsrechtsbehelf, der lediglich die Befugnis des iudex ad quem zur Rechtsmittelzulassung eröffnet, nicht die Devolution der Hauptsache bedingen könne. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall: Nicht die gerichtlichen Entscheidungskompetenzen bestimmen darüber, inwieweit der Rechtsstreit beim Gericht anhängig ist, sondern der Umfang der Anhängigkeit bestimmt über die Reichweite der spruchrichterlichen Befugnisse. Eine Rechtssache kann in vollem Umfang bei einem Gericht anhängig sein, ohne dass diesem zugleich auch eine vollumfängliche Entscheidungszuständigkeit hierüber zukommen müsste640. Derartige Beschränkungen können sich aus dem Gesetz selbst ergeben, wie etwa der Ausschluss eigener Tatsachenfeststellungen durch das Revisionsgericht nach §  137 Abs.  2 VwGO, oder auch durch Disposition der Parteien entstehen, etwa durch Rechtsmittelrücknahme oder übereinstimmende Erledigungserklärung641. Dies gilt nicht für Rechtsmittel in der Hauptsache, sondern auch für Zulassungsrechtsbehelfe, die zwar zur Devolution der Rechtssache in Gänze an den iudex ad quem führen, diesem aber grundsätzlich nur die Befugnis zur Entscheidung über die Rechtsmittelzulassung eröffnen. Damit erstreckt sich der Devolutiveffekt der Nichtzulassungsbeschwerde nicht nur auf die Zulassungsfrage, sondern auch auf die Hauptsache. Er tritt 636 

Vgl. §  11 Abs.  7 VwGO, §  15 Abs.  1 S.  1 RsprEinhG, §  81 BVerfGG. Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 12. Juli 2013 – 6 PB 9/13 –, NVwZ 2013, 1427 (1428) zur verbleibenden Anhängigkeit eines vorinstanzlich nicht beschiedenen Hilfsantrages beim Vordergericht, wenn der mit der Nichtzulassungsbeschwerde beim BVerwG angefallene Hauptantrag von den Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist. 638  Ebenso Saueressig, System, S.  305 f. 639  Rennert, VBlBW. 1999, 283 (285). 640  Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  124a Rn.  223 zum Antrag auf Zulassung der Berufung. 641  Saueressig, System, S.  305 f. 637 

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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einheitlich erst nach Ergehen der Nichtabhilfeentscheidung durch das Vordergericht und nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist ein. Eine Sachentscheidung des Beschwerdegerichts analog §  144 Abs.  4 VwGO wäre unter dem Gesichtspunkt der Anhängigkeit der Hauptsache daher jedenfalls prinzipiell möglich. Dies allein liefert aber noch keinen Aufschluss darüber, ob eine solche Vorgehensweise auch ansonsten prozessual zulässig wäre. Ob das Zulassungsgericht auch in der Hauptsache entscheiden kann, ist insoweit keine Frage des Devolutiveffektes allein, sondern derjenigen nach den in diesem Verfahrensstadi­ um durch das Gesetz eröffneten bzw. begrenzten Entscheidungskompetenzen. (b) Sachentscheidungskompetenzen nach §  133 Abs.  6 VwGO Im Zulassungsverfahren ist grundsätzlich allein über die Zulassungsfrage zu entscheiden, nicht aber auch abschließend zur Sache selbst Stellung zu nehmen642. Etwas anderes gilt jedoch speziell für den Fall durchgreifender Verfahrensrügen. Der Gesetzgeber des 4. VwGOÄndG hat durch die Einführung des Erfordernisses des tatsächlichen Vorliegens des Verfahrensmangels in §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO ein Kriterium, welches an sich erst für den sachlichen Erfolg der Revision i. S. v. §  137 Abs.  1 VwGO von Bedeutung ist643, zur Voraussetzung ihrer Zulassung erhoben644. Entscheidungserhebliche Verfahrensfehler sind insoweit nunmehr sowohl Revisions- als auch Zulassungsgründe645, weshalb die Zulassungskontrolle im Bereich prozessualer Mängel zugleich auch eine Kontrolle der vorinstanzlichen Sachentscheidung darstellt646. Korrespondierend dazu hat der Gesetzgeber zur Abkürzung des Rechtsmittelverfahrens in §  133 Abs.  6 VwGO dem Bundesverwaltungsgericht die Möglichkeit eingeräumt, das angefochtene Urteil schon im Beschwerdeverfahren durch Beschluss aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen, wenn sich die vom Beschwerdeführer erhobene Verfahrensrüge als zulässig und durchgreifend erwiesen hat. Mit dieser gesetzlich vorgesehenen Befugnis zur Sachentscheidung im Beschwerdeverfahren soll das Gericht der Prozesssituation begegnen 642 

BVerwG, Beschluss vom 18. September 1969 – VIII B 200.67 –, BVerwGE 34, 40 (41); BVerwG, Beschluss vom 08. Mai 1995 – 4 NB 16/95 –, NVwZ 1996, 372 (374); BAG, Beschluss vom 26. Juni 2001 – 9 AZN 132/01 –, BAGE 98, 109 (112); Weyreuther, Revisions­ zulassung, Rn.  237; Seiler, NJW 2005, 1689 (1690); Piekenbrock/Schulze, JZ 2002, 911 (912); Barnert, in: Kiesow/Simon, Vorzimmer des Rechts, S.  13 (17); Kummer, Nichtzulassungs­ beschwerde, Rn.  818; Ewer, in: Quaas/Zuck, Prozesse in Verwaltungssachen, §  7 Rn.  1. So auch BT-Drs. 3/1094, S.  12. 643  Bettermann, NJW 1956, 1387 (1389). 644  Ähnlich Piekenbrock/Schulze, JZ 2002, 911 (913). 645  Kraft, in: Eyermann, §  132 Rn.  41. 646  Schafft, Selektion, S.  4 4.

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

können, in der das Ergebnis der zuzulassenden Revision schon im Zulassungszeitpunkt feststeht und die Durchführung des eigentlichen Rechtsmittelverfahrens keinen darüber hinausgehenden Erkenntnisgewinn versprechen würde647. §  133 Abs.  6 VwGO stellt sich insoweit als explizit zulässige Berücksichtigung des Sacherfolgs der Revision in der Nichtzulassungsbeschwerde dar. Hätte die Revision deshalb Aussicht auf Erfolg, weil der gerügte Verfahrensfehler festgestellt werden konnte, so ist nicht erst die Zulassung der Revision auszusprechen, sondern schon im Beschwerdeverfahren unmittelbar über die Sache zu entscheiden648. Die mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachte Verfahrensrüge i. S. v. §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO i. V. m. §  133 Abs.  1, Abs.  6 VwGO entspricht damit weniger einer vorgelagerten Prüfung der Rechtssache auf ihre Rechtsmittelwürdigkeit hin, sondern eher einem eigenständigen Kassationsrechtsbehelf in Anbetracht der Hauptsache649. Mit §  133 Abs.  6 VwGO hat der Gesetzgeber die Aufgaben des Revisionsgericht zur Verfahrensaufsicht über die Untergerichte in das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vorverlagert, weshalb heutzutage die Zulassung einer Vollrevision allein wegen Verfahrensmängeln eher die Ausnahme darstellt650. Ergibt die Prüfung der ordnungsgemäßen Verfahrensrüge im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde, dass das angegriffene Urteil tatsächlich an einem Verfahrensmangel leidet, welcher sich auf das Entscheidungsergebnis ausgewirkt haben kann, so kann das Bundesverwaltungsgericht nach pflichtgemäßem Ermessen auf die Zulassung der Revision verzichten und stattdessen schon im Beschlusswege die Kassation des Berufungsurteils aussprechen651. Dies ist unabhängig davon möglich, ob neben den Verfahrensrügen auch materielle Zulassungsrügen im Sinne der §  132 Abs.  2 Nr.  1 und Nr.  2 VwGO erhoben worden sind652. Gleiches solle gelten, wenn sich die Beschwerde zwar nicht unmittelbar auf §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO stützt, sondern die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache oder ein Abweichung von einer Entscheidung eines Divergenzgerichts geltend macht, es sich bei diesen zulassungsrelevanten Rechtsfragen aber 647  Vgl. BT-Drs. 11/7030, S.  34; Traut, Zugang zur Revision, S.  224; Piekenbrock/Schulze, JZ 2002, 911 (913) und Schuler, SGb 2003, 126 (129). 648  Schuler, SGb 2003, 126 (129); Traut, Zugang zur Revision, S.  71 mit Fn.  226, S.  220. 649  Ähnlich Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  100; Schafft, Selektion, S.  4 4 und Piekenbrock/Schulze, JZ 2002, 911 (913 f.). 650  Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  133 Rn.  55; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  100. 651  Ewer, in: Quaas/Zuck, Prozesse in Verwaltungssachen, §  7 Rn.  108. 652  BVerwG, Beschluss vom 03. Februar 1993 – 11 B 12/92 –, NVwZ-RR 1994, 120; Ewer, in: Quaas/Zuck, Prozesse in Verwaltungssachen, §  7 Rn.  109; Kuhla, in: Kuhla/Hüttenbrink/ Endler, Der Verwaltungsprozess, Abschnitt F Rn.  184; Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  133 Rn.  56; Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  86.

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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ausschließlich um Fragen des von der Vorinstanz zu beachtenden Prozessrechts handelt653. Darüber hinaus sieht sich das Bundesverwaltungsgericht für befugt, über §  133 Abs.  6 VwGO in bestimmten Fällen auch eine Sachentscheidung im Beschwerdeverfahren zu treffen, die über die bloße Aufhebung des Berufungsurteils hinausgeht, wenn die Sache aus Sicht des Gerichts spruchreif ist. So soll die Abweisung der Klage oder der Berufung schon durch Beschluss ausgesprochen werden können, wenn die Korrektur des vorliegenden Verfahrensfehlers sowohl im Revisionsverfahren als auch durch das Berufungsgericht im zweiten Rechtsgang selbst zwingend zur Abweisung führen müsste654. Hat die Vorinstanz in verfahrensfehlerhafter Weise die Zulässigkeit des Rechtsbehelfes bejaht, so könne demgemäß schon mittels Beschwerdebeschluss in erweiternder Anwendung des §  133 Abs.  6 VwGO ein entsprechendes Sachurteil in Korrektur des prozessualen Mangels in ein Prozessurteil umgewandelt werden655. Sogar die inhaltliche Abänderung eines Verpflichtungs- in ein Bescheidungsurteil656, eines klageabweisenden Urteils in ein Vorbehaltsurteil657 sowie die reine Kassation eines Berufungsurteils, welches als solches nicht hätte ergehen dürfen658, sollen auf diese Weise möglich sein, wenn dieses Verfahrensergebnis vom Standpunkt des Bundesverwaltungsgerichtes zwingend sei659. Im Grunde handelt es sich auch in diesen Fällen um eine Form der reformatorischen Ergebniskontrolle, in der die vom Beschwerdegericht geprüfte und bejahte Richtigkeit des Berufungsurteils die Entscheidung im Zulassungsverfahren beeinflussen kann660. Im Vergleich zur Beschwerdeentscheidung analog §  144 Abs.  4 VwGO wird durch diese Verfahrensweise jedoch das fehlerhafte Berufungsurteil im Beschlusswege tatsächlich korrigiert, denn hierbei wird die positive Zulassungsentscheidung und die stattgebende bzw. abändernde Sachentscheidung in einem Akt zusammengefasst. Verweigert das Bundesverwaltungsgericht dem653  BVerwG, Beschluss vom 03. September 2010 – 6 B 30/10 – (unveröffentlicht, juris). A. A. Traut, Zugang zur Revision, S.  224; Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  86 und Ruban, in: Gräber, FGO, §  116 Rn.  65 unter Hinweis darauf, dass es nicht Sinn der Aufhebungskompetenz im Beschlusswege sein könne, Rechtsfragen von allgemeiner Bedeutung schon im Beschwerdeverfahren zu klären. 654  BVerwG, Beschluss vom 02. April 1996 – 7 B 48/96 –, Buchholz 310 §  133 (nF.) VwGO Nr.  22 S.  8 f.; BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 1999 – 7 B 281/98 –, BayVBl. 1999, 768 (769); BVerwG, Beschluss vom 02. November 2011 – 3 B 54/11 –, NVwZ-RR 2012, 86 (87); Ewer, in: Quaas/Zuck, Prozesse in Verwaltungssachen, §  7 Rn.  112; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  901 f. 655  BVerwG, Beschluss vom 02. November 2011 – 3 B 54/11 –, NVwZ-RR 2012, 86 (87). 656  BVerwG, Beschluss vom 26. März 2004 – 1 B 79/03 –, NVwZ 2004, 1008 (1009). 657  BVerwG, Beschluss vom 07. Oktober 1998 – 3 B 68/97 –, NJW 1999, 160 (161). 658  BVerwG, Beschluss vom 02. Juni 1999 – 4 B 30/99 –, NVwZ-RR 1999, 694 (695). 659  Kritisch hierzu Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  88. 660  Ebenso Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  133 Rn.  60.

242

§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

gegenüber die Zulassung der Revision analog §  144 Abs.  4 VwGO, so wird von vornherein die Möglichkeit unterbunden, durch eine Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts Fehler im angegriffenen Urteil auszuräumen. Ungeachtet dessen wendet das Bundesverwaltungsgericht im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde §  144 Abs.  4 VwGO auch und gerade im Bereich der Revisionszulassung wegen Verfahrensfehlern analog an. Danach solle sowohl die Zulassung der Revision als auch die unmittelbare Aufhebung des Berufungsurteils nach §  133 Abs.  6 VwGO dann nicht in Betracht kommen, wenn sich die angefochtene Entscheidung trotz entscheidungserheblicher Einflussnahme eines Prozessrechtsverstoß i. S. v. §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO jedenfalls im Ergebnis als richtig herausstellt661. Dies bedarf in Anbetracht der Funktionen des §  133 Abs.  6 VwGO der näheren Untersuchung. (c) Kassatorische Beschwerdeentscheidung und kassatorisches Revisionsurteil §  133 Abs.  6 VwGO zeigt, dass der Gesetzgeber durchaus davon ausgeht, dass das Beschwerdegericht auch Aufgaben der Revisionsinstanz übernehmen kann662. Die Entscheidungsbefugnis aus §  133 Abs.  6 VwGO verwirklicht in Anbetracht der Verfahrensfehlerkontrolle durch das Bundesverwaltungsgericht schon im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren die Kassationskomponente der Revision663. Während einerseits aufgrund der Kongruenz von Zulassungs- und Revisionsgründen im Bereich prozessualer Mängel die Überprüfung der Zulassungsträchtigkeit der Rechtssache am Maßstab von §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO einer inhaltlich beschränkten Rechtmäßigkeitskontrolle i. S. v. §  137 Abs.  1, Abs.  3 S.  1 VwGO entspricht664, stehen dem Gericht andererseits zugleich schon im Beschwerdeverfahren mit §  133 Abs.  6 VwGO diejenigen Befugnisse zur Verfügung, die es nach §  144 Abs.  3 S.  1 Nr.  2, Abs.  6 VwGO ansonsten erst nach Revisionszulassung innehätte665. Nun ist das Bundesverwaltungsgericht 661 

Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 01. Februar 1979 – 7 B 2/79 –, NJW 1979, 2163; BVerwG, Beschluss vom 21. März 1986 – 3 CB 30/84 –, Buchholz 310 §  144 Nr.  46 S.  10 f.; BVerwG, Beschluss vom 21. August 1997 – 8 B 151/97 –, NJW 1997, 3456; BVerwG, Beschluss vom 02. November 2011 – 3 B 54/11 –, NVwZ-RR 2012, 86 (87) sowie BSG, Beschluss vom 03. März 2009 – B 1 KR 69/08 B –, NZS 2010, 119 (120). Bejahend auch Hermann, Steuerprozess, Rn.  193; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  887. 662  So explizit BSG, Anfragebeschluss vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 69/08 B –, BeckRS 2009, 53032 zu §  160a Abs.  5 SGG mit zustimmender Anmerkung Keller, jurisPR­SozR 18/2009 Anm.  5. 663  Redeker, in: Lenz, Festschrift Gelzer, S.  333 (333); Finkelnburg, in: Schmidt-Aßmann/ Sellner/Hirsch/Kemper/Lehmann-Grube, Festgabe 50 Jahre BVerwG, S.  173 (179). 664  Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  133 Rn.  41; Piekenbrock/Schulze, JZ 2002, 911 (913); Meyer-Ladewig, in: Bachof/Heigl/Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (428). 665  BVerwG, Beschluss vom 20. Oktober 2000 – 7 B 58/00 –, NVwZ 2001, 202 (202);

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

243

aber im Revisionsverfahren, auch soweit es sich dabei um eine ausschließliche Verfahrensrevision handeln sollte666, verpflichtet zu überprüfen, ob sich das angefochtene Urteil trotz entscheidungsrelevanter Gesetzesverletzung i. S. v. §  137 Abs.  1 VwGO aus anderen Gründen als im Ergebnis materiell-rechtlich richtig darstellt667. Ist dies zu bejahen, so ist die Revision nach §  144 Abs.  4 VwGO zurückzuweisen. Erst wenn diese Konfirmationskontrolle den Tenor nicht zu bestätigen vermag, ist es dem Revisionsgericht überhaupt möglich, das fehlerhafte Berufungsurteil aufzuheben und dieses durch eine reformatorische Entscheidung entweder nach §  144 Abs.  3 S.  1 Nr.  1 VwGO selbst zu ersetzen oder dies bei fehlender Spruchreife nach §  144 Abs.  3 S.  1 Nr.  2, Abs.  6 VwGO durch Zurückverweisung mit entsprechenden Handlungsanweisungen an die Vorinstanz zu delegieren668. Dem Bundesverwaltungsgericht ist es aufgrund der reformatorischen Funktion der Revision verwehrt, nach seinem Ermessen die Ergebnisrichtigkeit des angegriffenen Judikats dahingestellt zu lassen, wenn es zuvor dessen Rechtswidrigkeit i. S. v. §  137 Abs.  1 VwGO festgestellt hat669. §  144 Abs.  4 VwGO zeigt, dass das Gesetz die Aufrechterhaltung des Berufungs­ urteils gegenüber seiner Aufhebung auch dann vorzieht, wenn es an einem rechtlichen Mangel leidet, solange dessen Ergebnis mit der materiellen Rechtslage in Einklang steht670. Vor dem Hintergrund, dass über §  133 Abs.  6 VwGO in einem abgekürzten Verfahren eine Kassationsentscheidung des Beschwerdegerichts getroffen werden kann, die funktionell diejenige des Revisionsgerichts ersetzen können soll, stellt sich die Frage, ob sich aufgrund der gleichartigen Funktion dieser Entscheidungsarten nicht auch die ihnen zugrunde zu legenden gerichtlichen Prüfungsmaßstäbe decken müssten. Schließlich darf der Beschwerdeführer einer W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  133 Rn.  22; Traut, Zugang zur Revision, S.  71 mit Fn.  226. 666  BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 1963 – II C 166.60 –, BVerwGE 17, 16 (18); Neumann, in: Sodan/Ziekow, §  144 Rn.  29 f.; Geis/Thirmeyer, JuS 2013, 799 (802). 667  BVerwG, Urteil vom 21. Juni 1979 – 5 C 47/78 –, BVerwGE 58, 146 (149); May, Revision, VI Rn.  451. 668  Hat der Verfahrensmangel sämtliche vordergerichtlichen Tatsachenfeststellungen unbrauchbar gemacht, was insbesondere bei absoluten Revisionsgründen i. S. d. §  138 VwGO regelmäßig angenommen werden muss, so stellt der Gesetzesverstoß die gesamte Entscheidungsgrundlage in Frage, sodass dem BVerwG eine eigene reformatorische Entscheidung wie auch eine reformatorische Ergebniskontrolle verwehrt ist, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1995 – 11 C 9/94 –, DVBl. 1995, 695 f. (relevanter Begründungsteil nicht mit abgedruckt, vgl. juris); BVerwG, Urteil vom 23. August 1996 – 8 C 19/95 –, BVerwGE 102, 7 (11); Neumann, in: Sodan/Ziekow, §  144 Rn.  31 ff. Dann ist zwingend an die Vorinstanz zurückzuverweisen, vgl. BVerwG, Urteil vom 15. September 2008 – 1 C 12/08 –, NVwZ 2009, 59. 669  Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  29. 670  Bettermann, ZZP 88, 365 (377).

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

Nichtzulassungsbeschwerde über §  133 Abs.  6 VwGO nicht mehr erlangen können als das, was ihm im Wege einer entsprechenden Revisionsentscheidung zugesprochen werden könnte671. Kann aber die Aufhebung des Berufungsurteils und die Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz nach §  144 Abs.  3 S.  1 Nr.  2 VwGO nur ausgesprochen werden, wenn die Ergebnisrichtigkeitskontrolle nach §  144 Abs.  4 VwGO den Tenor der Entscheidung nicht zu bestätigen vermochte, so liegt der Gedanke nahe, dass selbiges auch für eine solche auf §  133 Abs.  6 VwGO gestützte Entscheidung zu gelten habe. §  133 Abs.  6 VwGO selbst trifft keine Aussage darüber, ob das Durchentscheiden im Zulassungsstadium von einer vorherigen Ergebnisrichtigkeitskontrolle abhängig zu machen ist. Hierin könnte ein systemwidriges Versehen des Änderungsgesetzgebers zu erblicken sein, welches durch eine analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO korrigiert werden könnte, um zu verhindern, dass es zur Aufhebung verfahrensfehlerhafter Urteile im Beschwerdeverfahren kommt, die im Ergebnis mit der materiellen Rechtslage in Einklang stehen. Wäre dies der Fall, so könnte schon im Beschlusswege nach §  133 Abs.  6 VwGO die Aufrechterhaltung des Berufungsurteils aus anderen Gründen nach Maßgabe einer reformatorischen Sachprüfung durch das Beschwerdegericht ausgesprochen werden, anstatt hierzu zunächst die Revision zulassen zu müssen. Insoweit könnte also §  133 Abs.  6 VwGO die Grundlage einer auch reformatorischen Sachentscheidungskompetenz des Bundesverwaltungsgerichts im Verfahren über die Nichtzulassungs­ beschwerde bilden. (d) Kassatorische Beschwerdeentscheidung und reformatorische Ergebniskontrolle Hierfür lässt sich zunächst die bereits aufgezeigte Funktion einer Entscheidung nach §  133 Abs.  6 VwGO anführen, die derjenigen einer Revisionsentscheidung nach §  144 Abs.  3 S.  1 Nr.  2 VwGO entsprechen und diese ersetzen können soll. Ist unzweifelhaft im Rahmen der Verfahrensrevision die materielle Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils nach §  144 Abs.  4 VwGO zu berücksichtigen, dann müsste dies eigentlich auch für eine funktional gleichwertige Entscheidung im Beschwerdeverfahren gelten672. Ansonsten würde sich nämlich die Aufhebbarkeit des Berufungsurteils danach bestimmen, in welchem Verfahrensstadium diese auszusprechen wäre. Im Beschwerdeverfahren wäre ein ver671  Auf diesem Gedanken stützt sich auch BVerwG, Beschluss vom 07. Oktober 1998 – 3 B 68/97 –, NJW 1999, 160 (161). 672  So BVerwG, Beschluss vom 21. August 1997 – 8 B 151/97 –, NJW 1997, 3456; BVerwG, Beschluss vom 02. November 2011 – 3 B 54/11 –, NVwZ-RR 2012, 86 (87) und BSG, Beschluss vom 03. März 2009 – B 1 KR 69/08 B –, NZS 2010, 119 (120).

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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fahrensfehlerhaftes Urteil bereits dann aufzuheben, wenn unter ausschließlicher Zugrundelegung der materiellen Rechtsansicht der Vorinstanz ein Einfluss des Gesetzesverstoßes auf die Entscheidung nicht ausgeschlossen werden kann673. Im Revisionsverfahren wäre dies dagegen nur dann möglich, wenn die Reformationsprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht nicht auf anderem materiell-rechtlichen Wege zur Bestätigung des Entscheidungsergebnisses führen würde674. Dass das Bundesverwaltungsgericht dann aber erst die Revision zulassen müsste, um seinen Rechtsstandpunkt zur richtigen Lösung des Falles anbringen und einer Aufhebungsentscheidung entgegenstellen zu können, scheint prozessökonomisch wenig sinnvoll675. Da das Gericht aufgrund der Prüfung des Vorliegens und der Kausalität des Verfahrensmangels im Rahmen des §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO ohnehin in begrenztem Umfang in eine Sachprüfung eintreten muss676, erschiene eine darüber hinausgehende materielle Ergebniskontrolle dabei auch als nicht übermäßige Zusatzbelastung677. Zudem sind auch die obersten Gerichtshöfe des Bundes als reine Rechtskontrollinstanzen verpflichtet, im Interesse der Parteien vorrangig den Rechtsstreit durch eine eigene Sachentscheidung selbst einem zügigen Verfahrensabschluss zuzuführen, soweit ihnen verfahrensrechtlich diese Möglichkeit offen steht. Die Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz hat, wenn dem Gericht eine abschließende Beurteilung möglich ist, daher die Ausnahme zu bleiben678. Diese Prämisse müsste an sich auch dann Gültigkeit beanspruchen, wenn dem iudex ad quem mit einer Entscheidungskompetenz wie §  133 Abs.  6 VwGO schon im Zulassungsstadium die Möglichkeit an die Hand gegeben ist, den iudex a quo zu einer erneuten Befassung mit der Sache zu verpflichten. Auch hier müsste demgemäß, wenn schon nicht im Rahmen einer zugelassenen Revision, so doch im Wege eines Beschlusses nach §  133 Abs.  6 VwGO, eine abschließende Sachentscheidung anhand des materiellen Rechtsstandpunktes des Bundesverwaltungsgerichts zulässig sein, anstatt den Verfahrensbeteiligten einen zweiten Berufungsrechtsgang zur Korrektur eines Fehlers zuzumuten, welcher für den Ausgang des Rechtsstreits letztlich bedeutungslos wäre679. Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  133 Rn.  104. Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  27. 675  Vgl. BVerwG, Beschluss vom 07. Oktober 1998 – 3 B 68/97 –, NJW 1999, 160 (161); BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 1999 – 7 B 281/98 –, BayVBl. 1999, 768 (769). 676  So Bettermann, NJW 1954, 1305 (1307). 677  Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  887 f. 678  GmS-OGB, Beschluss vom 16. März 1976 – GmS-OGB 1/75 –, BVerwGE 50, 369 (374); May, Revision, IV Rn.  197; Geis/Thirmeyer, JuS 2013, 799 (802). Kritisch zur Entscheidungskompetenz nach §  133 Abs.  6 VwGO im Allgemeinen Schmidt, NVwZ 1993, 754 ff. 679  So im Ansatz Schmidt, NVwZ 1993, 754 (756). 673  674 

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

Gleichwohl kann bei der Entscheidung über die Aufhebung des Berufungs­ urteils und der Zurückverweisung an die Vorinstanz im Beschwerdeverfahren nach §  133 Abs.  6 VwGO die Ergebnisrichtigkeit des angegriffenen Judikats analog §  144 Abs.  4 VwGO keine Berücksichtigung finden. Denn mit §  133 Abs.  6 VwGO hat der Gesetzgeber nur die Kassationskomponente der Revision in das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vorverlagert, aber bewusst die materiell-rechtliche Reformationsprüfung der Revision selbst vorbehalten, die erst nach Zulassung des Rechtsmittels zum Tragen kommt. §  133 Abs.  6 VwGO dient in erster Linie der Entlastung des Bundesverwaltungsgerichts durch eine vorgezogene, gleichwohl aber nur eingeschränkte Sachprüfungs- und Sachentscheidungskompetenz680. Diese Entlastungsfunktion zugunsten des Revisionsgerichts würde aber dann relativiert werden, wenn diesem schon als Beschwerdegericht die Pflicht auferlegt wäre, sich mit den von der Rechtssache aufgeworfenen materiell-rechtlichen Fragen befassen zu müssen681. Wollte man einen gänzlichen Gleichklang mit der Revisionsentscheidung über die Verfahrensrevision erreichen, so müsste man das Bundesverwaltungsgericht für verpflichtet ansehen, in allen Fällen, in denen es aufgrund eines kausalen Verfahrensfehlers schon durch Beschluss an den iudex a quo zurückverweisen will, ebenso wie in der Revision eine vollumfängliche Ergebniskontrolle vorzunehmen. Dadurch würde das Beschwerdeverfahren wiederum gänzlich von einem Zulassungs- zu einem umfassenden Rechtskontrollverfahren umgestalten werden. Dass sich das Gericht nämlich diejenigen Beschwerden nach eigenem Ermessen heraussuchen dürfte, in denen es zur Verfahrensabkürzung eine Ergebniskontrolle vornehmen möchte, in anderen Fällen diese aber der Revision vorbehalten dürfte, wäre mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Rechtsmittelgleichheit schwerlich in Einklang zu bringen und würde dem Rechtsbehelf seine Vorhersehbarkeit nehmen682. Die Entscheidungskompetenz nach §  133 Abs.  6 VwGO bezweckt primär eine zeitnahe Wiederbefassung der Vorinstanz mit der Rechtssache, um den vom Beschwerdegericht aufgezeigten prozessualen Mangel durch eine ordnungsgemäße Wiederholung des Verfahrens eigenständig zu heilen683. Dagegen ist es nicht Aufgabe dieser Entscheidungsbefugnis wie auch der Nichtzulassungsbeschwerde im Allgemeinen684, die materielle Rechtsansicht der Vorinstanz einer Kontrolle durch den iudex ad quem zu unterziehen, sondern 680  681 

BT-Drs. 11/7030, S.  34. Rennert, NVwZ 1998, 665 (668); Schafft, Selektion, S.  93; Traut, Zugang zur Revision,

S.  43. 682  Hierzu ausführlich unten §  5 IV. 683  BVerwG, Beschluss vom 13. März 2002 – 3 B 19/02 –, NJW 2002, 2262 (2263). 684  Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  312-3 zu Verfahrensfehlern von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung.

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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nur, die Einhaltung derjenigen verfahrensrechtlichen Anforderungen sicherzustellen, die der iudex a quo nach Maßgabe seiner eigenen materiell-rechtlichen Rechtsauffassung zu beachten hätte685. Aus dem Erfolg einer Verfahrensrüge und der Rückverweisung nach §  133 Abs.  6 VwGO lassen sich demgemäß auch noch keine Rückschlüsse darauf ziehen, ob sich das Bundesverwaltungsgericht die vom Vordergericht gefundene Lösung des Rechtsstreits auch selbst zu eigen gemacht hat oder dies jedenfalls in einem künftigen Revisionsverfahren tun würde686. Daher ist es dem iudex a quo auch nicht verwehrt, trotz der Bindungswirkung nach §  144 Abs.  6 VwGO, die auch von einem Beschluss nach §  133 Abs.  6 VwGO ausgeht687, seine eigene vorherige, von ihm zwischenzeitlich als fehlerhaft erkannte materiell-rechtliche Auffassung zu ändern, wenn er hierfür Anlass sieht688. Dann obliegt in den Fällen der Zurückverweisung im Beschwerdeverfahren wegen kausaler Verfahrensfehler aber auch diesem allein die Befugnis zur materiellen Reformation seiner Vorentscheidung. Wie auch in den Fällen des §  144 Abs.  3 S.  1 Nr.  2 VwGO soll durch die Kompetenz des Rechtsmittelgerichts zur Zurückweisung der Sache an die Vorinstanz nach §  133 Abs.  6 VwGO der Rechtsstreit nicht endgültig beendet, sondern seine weitere – und zwar korrekte – Behandlung sichergestellt werden689. Mit der Einführung des §  133 Abs.  6 VwGO hat der Gesetzgeber gerade nicht bezweckt, die Prüfungskompetenzen des Beschwerdegerichts inhaltlich umzugestalten, sondern nur, dessen Entscheidungsbefugnisse in Anbetracht der Umstrukturierung des §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO auszubauen690. §  133 Abs.  6 VwGO ist systemkonsequente Folge des Umstands, dass sich im Bereich der Revisionszulassung wegen Verfahrensfehlern aufgrund des Erfordernisses des Vorliegens des Mangels der Ausgang der Rechtmäßigkeitsprüfung nach §  137 Abs.  1 VwGO schon im Zulassungsstadium offenbart. Der Gesetzgeber hat daher die zwangläufig ins Zulassungsverfahren vorgezogene kassatorische Prüfungskomponente der Revision aus prozessökonomischen Gründen um eine ausschließlich kassatorische Entscheidungskomponente des Beschwerdegerichts ergänzt. Die Entscheidungsbefugnis nach dieser Vorschrift knüpft an den schon im Zuge der Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  133 Rn.  60. BVerwG, Beschluss vom 11. Juli 2000 – 8 B 154/00 –, DVBl. 2001, 308. 687  BVerwG, Beschluss vom 21. August 1997 – 8 B 151/97 –, NJW 1997, 3456; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  903. 688  BVerwG, Beschluss vom 21. März 1986 – 3 CB 30/84 –, Buchholz 310 §  144 Nr.  46 S.  10 f.; BVerwG, Beschluss vom 11. Juli 2000 – 8 B 154/00 –, DVBl. 2001, 308; Ewer, in: Quaas/Zuck, Prozesse in Verwaltungssachen, §  7 Rn.  208. 689  Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  87. 690  Vgl. BT-Drs. 11/7030, S.  34. Ebenso Schuler, SGb 2003, 126 (129): §  133 Abs.  6 VwGO sei lediglich eine „Erweiterung der funktionalen Kompetenzen des Beschwerdegerichts um Zuständigkeiten des Revisionsgerichts“. 685 

686 

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

Zulassungskontrolle nach §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO geleisteten Prüfungs- und Begründungsaufwand des Beschwerdegerichts an, will dem Gericht aber eine weitere inhaltliche Prüfung der Rechtssache – sowohl in einem Revisionsverfahren als auch in der Nichtzulassungsbeschwerde – gerade ersparen. Die analoge Heranziehung des §  144 Abs.  4 VwGO im Rahmen dieser Aufhebungsentscheidung würde demgegenüber zu einer Erweiterung des materiell-rechtlichen Prüfprogrammes des Gerichts führen, welche gerade nicht logisch zwingende Folge der Kongruenz von Zulassungs- und Revisionsgründen im Bereich prozessualer Mängel wäre und in keinem inneren Zusammenhang mit der Subsumtion des §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO steht. Mit dem intendierten Straffungseffekt für den Rechtsschutz gegen Verfahrensfehler der zweiten Instanz wäre dies nicht zu vereinbaren. Hätte der Gesetzgeber des 4. VwGOÄndG eine solche grundlegende Umgestaltung des beschwerdegerichtlichen Kontrollrahmens intendiert, so hätte dies im Gesetz oder jedenfalls in den Gesetzesmaterialien deutlich zum Ausdruck kommen müssen. Dies ist aber nicht der Fall. Dass für die Aufhebung des Berufungsurteils wegen durchgreifender Verfahrensrügen im Beschwerdeverfahren einerseits und im Revisionsverfahren andererseits unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe gelten, hat demnach seinen Grund in den unterschiedlichen Funktionen und Strukturen der Verfahrensarten. Sieht das Bundesverwaltungsgericht trotz kausaler Verfahrensmängel im Berufungsurteil Anlass, dieses aufgrund materiell-rechtlicher Gesichtspunkte zu korrigieren oder zu bestätigen, so hat es die Revision zuzulassen und unter den verfahrensrechtlichen Absicherungen des Revisionsverfahrens hierüber zu entscheiden691. (e) Zwischenfazit Lässt sich damit einerseits eine kassatorische Beschwerdeentscheidung nach §  133 Abs.  6 VwGO nicht mit der Begründung verweigern, der Tenor des angefochtenen Urteil sei nach Maßgabe einer reformatorischen Prüfung der Rechtssache richtig, so kann andererseits auch nicht durch eine zurückweisende Sachentscheidung im Beschwerdeverfahren das Urteil analog §  144 Abs.  4 VwGO im Ergebnis bestätigt werden. Die Sachentscheidungsbefugnis nach §  133 Abs.  6 VwGO hat insoweit singulären Ausnahmecharakter für den Bereich durchgreifender Verfahrensmängel im Berufungsurteil, ermöglicht dem Im Ergebnis ebenso May, Revision, IV Rn.  197; Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  133 Rn.  60 und Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  88. Ruban, in: Gräber, FGO, §  115 Rn.  32 steht einer verfahrensbeendenden reformatorischen Sachentscheidung im Beschwerdeverfahren ebenfalls kritisch gegenüber, hält eine Ergebnisrichtigkeitskontrolle aber jedenfalls bei geltend gemachten Verfahrensfehlern für zumindest „vertretbar“, a. a. O. Rn.  98. 691 

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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Gericht aber nicht, eine reformatorische Entscheidung zur Sache selbst auszusprechen. Eine systemwidrige Regelungslücke im Recht des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens ist hierin nicht zu erblicken. Dem Bundesverwaltungsgericht fehlt es daher, auch wenn die Hauptsache schon mit der Nichtzulassungsbeschwerde bei ihm anhängig geworden ist, an einer hinreichenden Kompetenzgrundlage, um im Beschwerdeverfahren durch eine reformatorische Sachentscheidung analog §  144 Abs.  4 VwGO das angefochtene Urteil im Ergebnis bestätigen und damit aufrechterhalten zu können. (3) Schriftlichkeit des Beschwerdeverfahrens Revision und Nichtzulassungsbeschwerde unterscheiden sich nicht nur in Funktion, Zielrichtung und Prüfungsumfang, sondern auch hinsichtlich der verfahrenstechnischen Art ihrer Durchführung. Der Gesetzgeber hat den Beteiligten in der Revisionsinstanz einen Anspruch eingeräumt, über die sachliche Begründetheit des Rechtsmittels gemäß §§  144 Abs.  1, 141 S.  1 VwGO i. V. m. §§  125 Abs.  1 S.  1, 107, 101 Abs.  1 VwGO i. V. m. §  10 Abs.  3 Hs.  1 VwGO mit dem Revisionssenat in der Besetzung von fünf Richtern mündlich zu verhandeln. Ein Verzicht des Gerichts hierauf setzt das Einverständnis der Beteiligten voraus692. Dagegen wird über die Nichtzulassungsbeschwerde nach §§  133 Abs.  5 S.  1, 10 Abs.  3 Hs.  2 VwGO durch Beschluss in der Besetzung von drei Richtern entschieden, weshalb gemäß §  101 Abs.  3 VwGO eine mündliche Verhandlung nur dann stattfindet, wenn das Gericht dies aufgrund der besonderen Umstände des Falles für geboten erachtet, etwa wenn die Entscheidung über einen Verfahrensmangel i. S. v. §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO eine Beweisaufnahme erfordert693. Angesichts des Umstandes, dass im Beschwerdeverfahren nur über die Zulassungsfrage, vorbehaltlich des §  133 Abs.  6 VwGO aber nicht über die Sache selbst zu entscheiden ist, hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, zum Zwecke der Verfahrensstraffung und Beschleunigung auf die verfahrensrechtliche Absicherung und erhöhte Richtigkeitsgewähr, die einer Entscheidung innewohnt, der eine mündliche Verhandlung vorausging694, zu verzichten. Diese verfahrensrechtliche Differenzierung zeigt zugleich, dass der Gesetzgeber jedenfalls im Regelfall eine mündliche Verhandlung dann dem Grunde nach für erforderlich hält, soweit das Gericht abschließend über Sachfragen zu entschei692  Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  7; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  605. 693  Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  71; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  910. 694  Grunsky, Grundlagen, S.  458; Müller, NJW 1955, 1740 (1744). Vgl. auch BT-Drs. I-1844, S.  31: „die mündliche Verhandlung, das Kernstück des ganzen Verfahrens“. Ebenso BSG, Beschluss vom 16. November 2000 – B 4 RA 122/99 B –, SGb 2003, 120 (123).

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

den hat. Insoweit misst er dem mündlichen Verfahren besondere Bedeutung zu695, wenngleich diese im Verwaltungsprozess aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes und der Pflicht zur umfassenden Berücksichtigung allen schriftsätzlichen Vorbringens etwa im Vergleich zum Zivilprozess nicht das maßgeblichste verfahrensrechtliche Instrument der Richtigkeitsgewähr darstellt696. Die mündliche Verhandlung dient neben der umfassenden Ermittlung des Sach- und Streitstandes durch das Gericht der Verwirklichung des Rechts der Beteiligten auf rechtliches Gehör nach Art.  103 Abs.  1 GG697. Ein verfassungsrechtlich determinierter Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung besteht gleichwohl nicht, denn dem Gehörsrecht als Ausfluss prozessualer Rechtsschutzgarantien wird auch im schriftlichen Verfahren grundsätzlich Genüge getan698. Überprüft das Bundesverwaltungsgericht im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde zum Zwecke der Beurteilung der Zulassungsfrage analog §  144 Abs.  4 VwGO auch die Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils, so trifft es dabei, wie bereits angemerkt, nicht nur eine Entscheidung über die Revi­ sionszulassung, sondern zugleich auch über die Sache selbst699. Da das Gesetz diese Aufgabe aber dem Rechtsmittelverfahren selbst und damit auch grundsätzlich der Erörterung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vorbehält, führt die partielle Vorwegnahme der Revisionsprüfung im hierfür nicht vorgesehenen Beschwerdeverfahren zur Vereitelung des korrespondierenden Anspruchs der Beteiligten auf eine mündliche Verfahrensgestaltung aus §  101 Abs.  1 VwGO bzw. jedenfalls auf Ausübung ihres Wahlrechts nach §  101 Abs.  2 VwGO700. Übt das Bundesverwaltungsgericht die reformatorische Ergebnisrichtigkeitskontrolle schon im Zulassungsverfahren aus, so obliegt es nach §  101 Abs.  3 VwGO allein der Entschließung des Gerichts nach Zweckmäßigkeits­ gesichtspunkten, in welcher Verfahrensweise über die Sache entschieden wird. Den Parteien steht in diesem Fall keine Rechtsposition zu, um auf die Verfahrensgestaltung Einfluss zu nehmen. Mag auch in der Praxis häufig auf eine mündliche Revisionsverhandlung verzichtet werden, so liegt doch in der Berechtigung der Parteien, nach §  101 Abs.  2 VwGO über die Verfahrensgestaltung mitbestimmen zu dürfen, ein wesentliches Instrument zur Sicherung und Krämer, in: Pfeiffer/Kummer/Scheuch, Festschrift Brandner, S.  701 (712). BVerwG, Beschluss vom 30. März 1961 – VIII CB 6.61 –, DVBl. 1961, 745 (745). 697  Pfab, JURA 2010, 10 (11); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  607. 698  BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 1960 – 2 BvR 37/60 –, BVerfGE 11, 232 (234); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  605. 699  Vgl. oben §  4 IV. 2. c) bb) (2). 700  Reuß, DVBl. 1957, 293 (297); ders., DVBl. 1958, 233 (234); Redeker, in: Lenz, Festschrift Gelzer, S.  333 (334, 336); Ruban, in: Gräber, FGO, §  115 Rn.  32. 695 

696 

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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Verwirklichung ihrer prozessualen Rechte. Die mündliche Verhandlung im Hauptsacheverfahren bietet insoweit nämlich weitaus effizientere Möglichkeiten, den eigenen Rechtsstandpunkt zu verdeutlichen701 und den Spruchkörper, auch und gerade wenn dieser bereits zu einer gegenteiligen Rechtsansicht ­gekommen ist, hiervon zu überzeugen702. Fragen, die dem Vollsenat in der mündlichen Verhandlung angetragen werden, können möglicherweise unter anderen Gesichtspunkten beleuchtet werden, als im schriftlichen Verfahren vor dem Dreiergremium des Beschwerdesenates. Dadurch wird sichergestellt, dass wich­tige Aspekte des Falles nicht unberücksichtigt bleiben703. Durch eine mündliche Verhandlung wird dabei nicht nur auf verfahrenstechnischem Wege sichergestellt, dass das Gericht unter Einbeziehung aller relevanten Aspekte des Falles zu einer möglichst richtigen Entscheidung findet704, sondern auch die Parteien in die vor allem der Rechtseinheit verpflichtete Rechtssprechungstätigkeit der Revisionsgerichte mit eingebunden705. Sie sichert damit nicht nur die Praxistauglichkeit des jeweiligen Judikates, sondern zeitigt darüber hinaus auch in besonderem Maße akzeptanzstiftende Wirkung für die Entscheidung des Gerichts bei den Parteien. Dem lässt sich nicht pauschal entgegenhalten, dass die sachliche Fallentscheidung im Beschwerdeverfahren analog §  144 Abs.  4 VwGO keiner verfahrensrechtlichen Absicherung durch einen Anspruch auf mündliche Verhandlung bedürfe, weil das Beschwerdegericht hierzu nur offensichtliche und nicht zulassungsträchtige Alternativgründe heranziehe und deshalb nur in Betracht käme, wenn der Verfahrensausgang nach Ansicht des Gerichts definitiv feststünde706. Das Gesetz sieht nämlich, soweit es die Behandlung offensichtlich aussichts­ loser Rechtsmittel in einem abgekürzten Verfahren ausdrücklich gestattet, gerade selbst verfahrensrechtliche Sicherungsinstrumente vor, um zu verhindern, 701  BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990 – 2 BvR 94/88 –, BVerfGE 81, 347 (359) zur Erfolgsaussichtenprognose im Rahmen der Gewährung von Prozesskostenhilfe; BVerfG, Beschluss vom 08. Dezember 2009 – 2 BvR 758/07 –, BVerfGE 125, 104 (139) zur Zulassung der Berufung. Ebenso Möhring, NJW 1962, 1 (4) und Arndt, NJW 1962, 1660 (1661). 702  Vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990 – 2 BvR 94/88 –, BVerfGE 81, 347 (359) zur Prozesskostenhilfe: „Die vertiefte Erörterung im Hauptsacheverfahren wird nicht selten Anlaß bieten, die Rechtsmeinung, die das Gericht sich zunächst bildet, zu überdenken.“ Ebenso Reuß, DVBl. 1958, 233 (234). 703  Ruban, in: Gräber, FGO, §  116 Rn.  56; Möhring, NJW 1962, 1 (4); Fromm, DVBl. 1992, 709 (709). So auch Hamm/Krehl, NJW 2014, 903 (905) zur Beratungspraxis beim Einstimmigkeitserfordernis für die Zurückweisung der strafprozessualen Revision durch Beschluss nach §  349 Abs.  2 StPO. 704  Grunsky, Grundlagen, S.  458. 705  Gilles, Ziviljustiz, S.  199; Pfeiffer, NJW 1999, 2617 (2620). 706  In diese Richtung bspw. BFH, Beschluss vom 10. Dezember 2003 – X B 134/02 –, BFH/NV 2004, 906 (908) und Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  133 Rn.  51.

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

dass die vom Gericht gefundene Falllösung vorschnell als offensichtlich richtig dargestellt und auf diese Weise die besonderen Verfahrensgarantien einer Haupt­verhandlung umgegangen werden können707. So bedarf es etwa für die Zurückweisung einer vom Vordergericht zugelassenen Revision durch Beschluss im Zivilprozess nach §  552a ZPO einer einstimmigen Entscheidung des Revisionsgerichtes und der vorherigen Einräumung einer Stellungnahmemöglichkeit der Parteien zu den vom Gericht herangezogenen Gründen708. Ähnliches gilt nach §  349 Abs.  2, Abs.  3 StPO für die Zurückweisung einer strafprozessualen Revision im Beschlusswege709. Für die vereinfachte Zurückweisung der Berufung verlangen §  130a S.  1 VwGO und §  522 Abs.  2 S.  1 ZPO zusätzlich zum Erfordernis der Einstimmigkeit, dass in Anbetracht der Umstände des Einzelfalles eine mündliche Berufungsverhandlung nicht geboten sein darf. Gerade die Ausgestaltung dieser Vorschriften belegt, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass auch in Fällen, in denen das Gericht das Rechtsmittel einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet, eine mündliche Verhandlung über die Sache erforderlich sein kann710. Dies zeigt, dass es für die vereinfachte Er­ ledigung von Rechtsmitteln – und um nichts anderes handelt es sich bei der analogen Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Verfahren über die Nicht­ zulassungsbeschwerde – einer gesetzlich fixierten verfahrensrechtlichen Ab­ sicherung bedarf, die der Gefahr von Beliebigkeit in der Entscheidungspraxis des Gerichts vorbeugt711. Dem könnte im vorliegenden Problemzusammenhang 707  Auf die Notwendigkeit verfahrensrechtlicher Sicherungsinstrumente für ein wie auch immer ausgestaltetes inhaltliches Vorabprüfungsverfahren – wie etwa ein Einstimmigkeitserfordernis – wies schon Schwinge, Grundlagen, S.  236 hin. 708  Diese Möglichkeit der Zurückweisung aussichtsloser Revisionen durch Beschluss ist ausweislich des Gesetzeswortlauts nur dann gegeben, wenn auch eine nochmalige Prüfung durch den iudex ad quem ergeben hat, dass Zulassungsgründe i. S. v. §  543 Abs.  2 S.  1 ZPO nicht einschlägig sind. Der Gesetzgeber sieht damit die Freihaltung des Revisionsgerichts von letztlich erfolglosen Verfahren augenscheinlich nur dann als gerechtfertigt an, wenn die Revisionsentscheidung trotz negativen Ausgangs für den Rechtsmittelführer keinen Nutzen für die Rechtseinheit haben kann, vgl. Jacobs, in: Stein/Jonas, ZPO Bd. 6, §  552a Rn.  2; Ball, in: Musielak/Voit, ZPO, §  552a Rn.  1. 709  Vgl. zur rechtspraktischen Seite des Einstimmigkeitserfordernisses Hamm/Krehl, NJW 2014, 903 ff. 710  Vgl. BT-Drs. 11/7030, S.  31 zu §  130a VwGO sowie BT-Drs. 17/6406, S.  9 und BT-Drs. 17/5334, S.  7 zu §  522 Abs.  2 S.  1 Nr.  4 ZPO, welcher an §  130a VwGO angelehnt ist. Hierzu Meller-Hannich, NJW 2011, 3393 (3395); Althammer, in: Stein/Jonas, ZPO Bd. 6, §  522 Rn.  57. Nach BT-Drs. 17/5334, S.  7 könne eine mündliche Verhandlung auch und insbesondere dann i. S. d. Vorschrift geboten sein, wenn das Urteil „zwar im Ergebnis richtig, aber unzutreffend begründet ist.“ Die Parallelen zu §  144 Abs.  4 VwGO sind insoweit nicht zu übersehen. 711  Ebenso Hamm/Krehl, NJW 2014, 903 (905); Schwinge, Grundlagen, S.  236.

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

253

etwa mittels einer Pflicht des Bundesverwaltungsgerichts genügt werden, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, wenn es beabsichtigt, die Nichtzulassungsbeschwerde analog §  144 Abs.  4 VwGO zurückzuweisen. Dass dadurch aber wiederum der dem Beschwerdeverfahren insgesamt zugrunde liegende Entlastungs- und Straffungsgedanke konterkariert werden würde, liegt auf der Hand712. Das Fehlen eines Anspruchs der Beteiligten auf mündliche Verhandlung im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zeigt damit, dass eine Vorverlagerung der revisionsrichterlichen Sachprüfung in das Zulassungsstadium über eine analoge Anwendung von §  144 Abs.  4 VwGO mit der gesetzlichen angedachten Systematik von Revisionszulassung und Revisionsentscheidung nicht in Einklang zu bringen ist. cc) Zusammenfassung und Zwischenfazit Es konnte gezeigt werden, dass auch die verfahrensrechtlichen Bestimmungen über die Zulassung der verwaltungsgerichtlichen Revision einer Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels analog §  144 Abs.  4 VwGO entgegenstehen. Während es dem iudex a quo schon perspektivisch nicht möglich ist, die Reformationsaussichten der zuzulassenden Revision in den Blick zu nehmen und seiner Zulassungsentscheidung zugrunde zu legen, ist es die verfahrens­ rechtliche Ausgestaltung der Nichtzulassungsbeschwerde nach §  133 VwGO, die das Bundesverwaltungsgericht als iudex ad quem im Zulassungsverfahren auf eine rein retrospektive Analyse der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils am Maßstab von §  132 Abs.  2 VwGO beschränkt713. Dies wird insbesondere deutlich an der Ausrichtung der vom Beschwerdeführer im Rahmen des §  133 Abs.  3 S.  3 VwGO zu erbringende Begründungsleistung und der damit einhergehenden Beschränkung des gerichtlichen Prüfungsmaßstabes auf eine Auseinandersetzung mit den vom Vordergericht herangezogenen Urteilsgründen sowie an den eingeschränkten Sachentscheidungsbefugnissen des Beschwerdegerichts im Rahmen von §  133 Abs.  6 VwGO. Diese gesetzlichen Rahmenbedingungen zeigen, dass das Gesetz trotz innerprozessualer Verknüpfung von Zulassungs- und Revisionsverfahren714 von einer grundsätzlichen Trennung von Zulassungs- und Sachentscheidungskompetenzen des iudex ad quem ausgeht. So im Ergebnis auch Traut, Zugang zur Revision, S.  218 f. Rennert, NVwZ 1998, 665 (667, 670). 714  So BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 1975 – 2 BvR 630/73 –, BVerfGE 40, 272 (275) zum Exklusivitätsverhältnis von zum damaligen Zeitpunkt noch statthafter zulassungsfreier Streitwertrevision und Nichtzulassungsbeschwerde nach der FGO. 712  713 

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist ein funktional auf die Zulassung der Revision ausgerichteter Rechtsbehelf, weshalb auf diesen die allgemeinen Grundsätze des Rechtsmittelrechts sowie dem Grunde nach auch das Rechtsregime des Revisionsrechts Anwendung zu finden haben, soweit das Gesetz keine ausdrücklich abweichenden Vorgaben enthält715. Dies gilt jedoch, wie aufgezeigt, nicht für diejenigen revisionsrechtlichen Bestimmungen, die gerade den Charakter der Revision als reformatorisches Rechtsmittel kennzeichnen716. §  144 Abs.  4 VwGO als im inneren Zusammenhang mit §  144 Abs.  3 VwGO stehende reformatorische Kompetenz des Revisionsgerichts717 setzt funktional an das Ergebnis der vorgehenden Kassationsprüfung der angefochtenen Entscheidung im Sinne der §§  144 Abs.  3 S.  1 Hs.  1, 137 Abs.  1 VwGO an. Diese kann und soll im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde aber nicht geleistet werden718. Die vom Beschwerdegericht vorzunehmende Prüfung der Zulassungsfähigkeit der Rechtssache i. S. v. §  132 Abs.  2 VwGO bezieht sich nämlich nicht auf den Ausgang, sondern nur auf den in Aussicht stehenden Vorgang der Kassationskontrolle719. Das Ergebnis einer abschließenden reformatorischen Beurteilung der Rechtssache steht hiermit nicht in Zusammenhang und kann nicht dazu herangezogen werden, um über die (Nicht-)Zulassung der Revision zu befinden. Das Rechtsregime des Revisionszulassungsverfahrens hat den Rahmen dafür zu bilden, dem Gericht eine zügige Entscheidung über das »Ob« des Rechtsmittelzugang auf Grundlage der vordergerichtlichen Entscheidungsgründe zu erVgl. Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  29, 191 f. So ausdrücklich auch BVerwG, Beschluss vom 18. September 1969 – VIII B 200.67 –, BVerwGE 34, 40 (41 f.) zur Fortführung des Beschwerdeverfahrens trotz einseitiger Erledigungserklärung und BVerwG, Beschluss vom 20. Oktober 2000 – 7 B 58/00 –, NVwZ 2001, 202 (202) zur Nachholung einer unterbliebenen notwendigen Beiladung im Beschwerdeverfahren. Ähnlich Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  829 und Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  31. Vgl. auch Baring, DVBl. 1961, 349 (353): „Es wäre unzulässig, zu folgern, daß nach dem argumentum a maiore ad minus das, was für die Revision gilt, auch für die Beschwerde zu gelten habe, daß es sich hier also nur um eine versehentliche Unterlassung des Gesetzgebers handeln könne. Die Beschwerde ist der Revision gegenüber nicht ein minus, sondern ein aliud.“ Explizit für eine flexiblere Handhabe des Zulassungsverfahrensrechts nach Maßgabe von prozessökonomischen Erwägungen sprechen sich BVerwG, Beschluss vom 07. Oktober 1998 – 3 B 68/97 –, NJW 1999, 160 (161) und BGH, Urteil vom 16. November 1953 – III ZR 158/52 –, NJW 1954, 150 (151) aus. Happ, BayVBl. 1999, 577 (582) fordert demgegenüber im Bereich der Berufungszulassung zugunsten der Parteien eine Auslegung der Bestimmungen über den Rechtsmittelzugang, die im Zweifel eine Entscheidung über die Sache ermöglichen, anstatt diese zu verhindern. 717  Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  29. 718  Krasney, in: Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, IX. Rn.  54; Traut, Zugang zur Revision, S.  220. 719  Vgl. hierzu die Untersuchung zum materiellen Revisionszulassungsrecht oben §  4 IV. 2. b). 715  716 

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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möglichen, nicht aber, das Rechtsmittelverfahren inhaltlich vorwegzunehmen720 und dem iudex ad quem unter dem Deckmantel einer Nichtzulassungsentscheidung eine eigene Entscheidung zur Sache – und sei es auch »nur« durch einen Austausch der Begründung – zu gestatten721. Selbst wenn man Revision und Revisionszulassung in einem einheitlichen Kontext des Rechtsschutzes in und der einheitlichen Rechtsfortbildung durch die dritte Instanz begreifen möchte722 , so zwingt dies noch lange nicht dazu, die gesetzgeberischen Anliegen, die diesem Gesamtsystem zugrunde liegen, auf jede einzelne Teilregelungen und jedes separate Verfahrensstadium zu erstrecken. Denn dem Gesetzgeber ist es unbenommen, auch in eng miteinander verknüpften und aufeinander bezogenen Regelungszusammenhängen den einzelnen Teilregelungen unterschiedliche und sogar gegenläufige Zweckerwägungen anheimzustellen und entsprechend zu verwirklichen723. Die hierbei vorgefundene, normativ verfestigte Interessenabwägung des Normgebers kann der Rechtsanwender nicht durch eine eigene ersetzen und seine Vorstellungen von Zweckmäßigkeit und Prozessökonomie zum Maßstab einer Norminterpretation oder Normergänzung machen, wo das Gesetz hierfür keinen Spielraum belässt. Mit dem Rekurs auf die einem Regelungskomplex angeblich immanenten Zweckvorstellungen ließe sich andernfalls dessen Ausgestaltung je nach den Erfordernissen des Einzelfalles modifizieren und würde die Rechtsanwendung der Beliebigkeit preisgeben. Dies gilt es aber besonders im Bereich prozessrechtlicher System, insbesondere im ansonsten streng formalisierten Rechtsmittelrecht, gerade zu vermeiden.

3. Nichtzulassung der Revision mangels Erfolgsaussichten und Verfahrenszwecke der Revision Bei der Erörterung revisionsrechtlicher Fragestellungen dürfen auch die Zwecke der Revision als Rechtsinstitut nicht aus den Augen verloren werden. Denn die Zweckvorstellungen, die der Gesetzgeber diesem Rechtsmittel zugrunde legt, sind einerseits Ausgangspunkt der von ihm vorgenommenen Ausgestaltung des Revisionsrechts unter dem Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit724 und des-

720 

BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 02. März 2006 – 2 BvR 767/02 –, NVwZ 2006, 683 (684). 721  Rennert, NVwZ 1998, 665 (670); Traut, Zugang zur Revision, S.  104 f. 722  In diese Richtung Rosenthal, Probleme des ZPO-RG, S.  38, 44 und Unterreitmeier, NVwZ 2013, 399 (403). 723  So zutreffend Traut, Zugang zur Revision, S.  52 und Gottwald, Revisionsinstanz, S.  83. 724  So ausdrücklich BT-Drs. 14722, S.  66 zum ZPO-Reformgesetz 2001. Vgl. auch Wlotzke, in: Mayer-Maly/Richardi/Schambeck/Zöllner, Festschrift Müller, S.  647 (653).

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

halb auch Ziel und Maßstab der Auslegung eben jener Bestimmungen725. Andererseits werden durch die Interpretation des Prozessrechts im Zuge der konkreten Rechtsanwendung die Verfahrenszwecke eines prozessualen Instrumentes selbst mitbestimmt und näher austariert726. Einzelne Teilregelungen eines Prozesssystems müssen daher nicht völlig losgelöst, sondern stets auch in Wechselwirkung mit dessen Gesamtfunktion als Bezugspunkt betrachtet werden. Für das Recht des Revisionszugangs gilt dies in besonderem Maße, denn bei der Frage nach den Möglichkeiten der Inanspruchnahme höherinstanzlicher Rechtsschutzressourcen kumulieren verschiedenste, zum Teil gegenläufige Interessenlagen an der Produktion höchstrichterlicher Entscheidungen727. Deshalb soll im Folgenden die zuvor prozessrechtsdogmatisch untersuchte Fragestellung der Anwendbarkeit des §  144 Abs.  4 VwGO im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde schließlich noch einer Analyse anhand der Verfahrenszwecke der Revision unterzogen werden. Hierbei gilt es jedoch zu bedenken, dass Zweckerwägungen allein noch keine Lösungen für spezifische Rechtsanwendungsprobleme liefern können728. Zudem kann eine reine Zweckbetrachtung dazu verleiten, die Beurteilung einer Rechtsfrage durch die rechtspolitische Haltung des Norminterpreten beeinflussen zu lassen und ein de lege ferenda erwünschtes Auslegungsergebnis vorschnell aus sich selbst heraus zu begründen, ohne zugleich eine rechtsdogmatisch tragfähige Untermauerung de lege lata dafür zu liefern. Letzten Endes vermag der Rekurs auf die Zwecke eines Instituts daher nur ein zuvor auf rechtsmethodischem Wege gefundenes Ergebnis zu untermauern oder in Frage zu stellen, nicht aber, dessen dogmatische Herleitung zu ersetzen. a) Die Zwecke der Revision und ihre Verankerung im geltenden Recht Der Zweck der Revision lässt sich nicht apriorisch und unabhängig von den Besonderheiten der einzelnen Prozessordnungen einheitlich bestimmen, sondern resultiert aus der jeweils vom Gesetzgeber gewählten konkreten Ausgestaltung des Prozessrechts anhand seiner Zweckmäßigkeitsvorstellungen729. Welche Ziele er mit der Einrichtung von Rechtsmittelinstanzen als solchen und Gottwald, Revisionsinstanz, S.  81. Traut, Zugang zur Revision, S.  51. 727  So BVerfG, Beschluss vom 09. August 1978 – 2 BvR 831/76 –, BVerfGE 49, 148 (160); Prütting, Zulassung, S.  85. 728  Ebenso Günther, DVBl. 1998, 678 (678); Prütting, Zulassung, S.  71. 729  BVerfG, Beschluss vom 09. August 1978 – 2 BvR 831/76 –, BVerfGE 49, 148 (160); BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 08. Januar 2004 – 1 BvR 864/03 –, NJW 2004, 1371 (1371); BVerwG, Beschluss vom 09. Oktober 1970 – III B 73.70 –, VerwRspr 22, 629 (630); Prütting, Zulassung, S.  88; Fuchs, JZ 2013, 990 (993); Krämer, in: Pfeiffer/Kummer/Scheuch, 725 

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IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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mit den jeweiligen Verfahrensstadien des Rechtsmittelverfahrens im Einzelnen verfolgt, bleibt grundsätzlich allein seinem rechtspolitischen Beurteilungsspielraum überlassen730. Insbesondere die Ausgestaltung des Rechtsmittelzugangs und die Einrichtung von Rechtsmittelbeschränkungen können je nachdem, welche Zielvorstellungen mit der Etablierung eines Rechtsmittelsystems verbunden sind, unterschiedlich restriktiv oder extensiv ausfallen731. Neben den allgemeinen Verfahrenszwecken jedes prozessualen Systems – der korrekten Streitentscheidung der Rechtssache unter Wahrung der prozessualen Rechte der Streitbeteiligten732 – kommen der Revisionsinstanz zusätzlich spezifische Aufgaben zu, die gerade aus ihrer Stellung als zur letztinstanzlichen Entscheidung berufene Institution innerhalb des jeweiligen Rechtsweges resultieren733. Nach heute nahezu einhelliger Auffassung verfolgt die Revision in ihrer derzeitigen gesetzlichen Ausformung als Zulassungsrevision eine doppelte Zweckrichtung: Zum einen dient sie der Verwirklichung individueller Interessen durch die Korrektur fehlerhafter Urteile und gegebenenfalls durch die Neuentscheidung der Streitsache zugunsten der vorinstanzlich beschwerten Parteien. Zum andern verwirklicht sie Allgemeininteressen an der Erhaltung der Rechtseinheit im jeweiligen Rechtsweg durch Instrumentalisierung des jeweiligen Verfahrens als Mittel der vereinheitlichenden Rechtsfortbildung und zur Sicherstellung der Rechtsanwendungsgleichheit im Bereich des materiellen wie auch des Verfahrensrechts734. Meinungsdifferenzen zum Zweck der Revision betreffen heutzutage lediglich noch die Gewichtung dieser Zielvorstellungen untereinander im Rahmen der jeweiligen Verfahrensabschnitte der Revision sowie ihre Bedeutung für einzelne Auslegungsfragen735. Die Revision steht demnach insoweit im Individualinteresse, als sie ungeachtet ihrer Zulassungsbedürftigkeit und ihres eingeschränkten Prüfungsumfangs ein echtes Rechtsmittel in der Hand der Parteien bildet, welches von diesen zur Festschrift Brandner, S.  701 (703); Wenzel, NJW 2002, 3353 (3354, 3356); Jagusch, NJW 1963, 1 (2); Purps, NJ 2003, 397 (398); Schreiner, Zulassungsberufung, S.  20. 730  BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 08. Januar 2004 – 1 BvR 864/03 –, NJW 2004, 1371 (1371); Prütting, Zulassung, S.  93; Traut, Zugang zur Revision, S.52; Piekenbrock/ Schulze, JZ 2002, 911 (919); Gottwald, Revisionsinstanz, S.  83. 731  Prütting, Zulassung, S.  88, 92; Pohle, Gutachten B für den 44. DJT., S.  40; Kirchhof, in: Erichsen/Hoppe/von Mutius, Festschrift Menger, S.  813 (814); Duske, Aufgaben, S.  69. 732  BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (291). 733  Prütting, Zulassung, S.  86; Linnenbaum, Probleme §  546 Abs.  1 Satz  2 ZPO, S.  17 f. 734  BT-Drs. 14722, S.  66; BVerfG, Beschluss vom 09. August 1978 – 2 BvR 831/76 –, BVerfGE 49, 148 (160); BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 08. Januar 2004 – 1 BvR 864/­ 03 –, NJW 2004, 1371 (1371); Blanke, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Vorb. §  124 Rn.  18; Dethloff, ZRP 2000, 428 (428); Purps, NJ 2003, 397 (398); Piekenbrock/Schulze, JZ 2002, 911 (919). 735  Vgl. Traut, Zugang zur Revision, S.  53, 55 m. w. N. zum Meinungsstand.

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

Abhilfe ihrer individuellen Beschwer durch die vorinstanzliche Entscheidung betrieben wird736. Die Rechtsschutzfunktion der Revision zeigt sich beispielsweise anhand der Antrags- und Beschwerabhängigkeit des Verfahrens737, der Dispositionsbefugnis der Beteiligten über das Rechtsmittel738, der Kostentragungspflicht der unterlegenen Parteien739 oder auch am Verbot der reformatio in peius740. Allgemeininteressen verwirklicht die Revision, indem sie im Zuge des konkreten Verfahrens dazu beiträgt, Rechtsfragen von Bedeutung über den jeweiligen Einzelfall hinaus mit der Autorität eines höchsten Gerichtes zu klären und die einheitliche Anwendung des materiellen und des Prozessrechts durch die unteren Instanzen sicherzustellen. Kennzeichnend hierfür ist unter anderem die Konzentration der funktionellen Zuständigkeit für das Rechtsmittel der Revision bei einem Zentralgericht des Bundes741, ihre Zulassungsbedürftigkeit742 und die am Allgemeinwohl orientierten Voraussetzungen für die Zulassung743 sowie ihre inhaltliche Begrenzung auf eine reine Rechtskontrolle744. Generell dient sie der Produktion wohlerwogener, sorgfältig begründeter und mit der ­Autorität eines höchsten Fachgerichtes erstellter Leitentscheidung zur Klärung der Rechtslage, um Rechtsstreitigkeiten schon im Vorfeld zu verhindern bzw. den Untergerichten eine verlässliche Richtschnur für deren Entscheidungs­ praxis zu liefern745. Damit leistet sie auch präventiv einen Beitrag zur Sicher­ stellung des Rechtsfriedens und der Rechtseinheit. Flankiert wird die Autorität revisions­gerichtlicher Entscheidungen neben ihrer inhaltlichen und formalen 736  May, Revision, I Rn.  71. Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 08. September 1972 – IV C 17.71 –, BVerwGE 40, 323 (327): „Auf [das Normenkontrollverfahren nach §  47 VwGO 1960] jedoch brauchen sich die Klägerinnen – von allen Zweifeln im einzelnen ganz abgesehen – allein deshalb nicht verweisen zu lassen, weil der Rechtsschutz durch Normenkontrolle in seiner verfahrensmäßigen Ausgestaltung hinter den sonstigen Rechtsschutzformen zurückbleibt. Das kommt unter anderem in der fehlenden Eröffnung des Revisionsrechtszuges zum Ausdruck.“ 737  Prütting, Zulassung, S.  89. 738  Traut, Zugang zur Revision, S.  60. 739  BVerfG, Beschluss vom 09. August 1978 – 2 BvR 831/76 –, BVerfGE 49, 148 (160). 740  BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (288 f.); May, Revision, VI Rn.  418. 741  BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (288 f.); R ­ uban, in: Gräber, FGO, §  115 Rn.  2. 742  May, Revision, I Rn.  41 f. 743  BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 08. Januar 2004 – 1 BvR 864/03 –, NJW 2004, 1371 (1371); Traut, Zugang zur Revision, S.  59. 744  BVerfG, Beschluss vom 09. August 1978 – 2 BvR 831/76 –, BVerfGE 49, 148 (160); Kirchhof, in: Erichsen/Hoppe/von Mutius, Festschrift Menger, S.  813 (814); Duske, Aufgaben, S.  81; Reuß, DÖV 1959, 10 (11); Ruban, in: Gräber, FGO, §  115 Rn.  2. 745  BAG, Beschluss vom 05. Dezember 1979 – 4 AZN 41/79 –, BAGE 32, 203 (206); Fuchs, JZ 2013, 990 (994).

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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Überzeugungskraft durch die gesetzliche Verpflichtung der Untergerichte, trotz Unabhängigkeit in ihrer Entscheidungsfindung bei entscheidungstragenden A ­ bweichungen von höhergerichtlichen Rechtsprechungslinien das statthafte Rechtsmittel gegen ihre Urteile zuzulassen und damit dem Revisionsgericht schon allein aus diesem Grund Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu ermöglichen, vgl. §§  124 Abs.  2 Nr.  4, 132 Abs.  2 Nr.  2 VwGO746. Als allgemein anerkannt dürfte gelten, dass diese Revisionszwecke und In­ teressenlagen in den jeweiligen Stadien der Revision, dem Revisionszugang einerseits und dem eigentlichen Revisionsverfahren andererseits, vom Gesetzgeber jeweils mit unterschiedlicher Präferenz und Gewichtung verankert worden sind747. So ist es vor allem das Allgemeininteresse an einem Schutz der Rechtsmittelgerichte vor Überlastung durch die Befassung mit Fällen, die für die Rechtseinheit letztlich unergiebig wären, welches den Grund und die innere Rechtfertigung dafür bildet, den Zugang zu den höheren Instanzen durch besondere rechtsmittelrechtliche Statthaftigkeitsvoraussetzungen zu begrenzen748. Unter der Geltung des Zulassungsprinzips ist aus Gründen der Gleichheit des Rechtsmittelzugangs jener zunächst abstrakt verschlossen749, aber im konkreten Einzelfall am Maßstab von materiellen Kriterien zu eröffnen, die ihrerseits Interessen der Rechtsgemeinschaft widerspiegeln, nämlich die gesamtstaatlichen Interessen an der Zentralisierung der Rechtsfortbildung bei einem obersten Gerichtshof des Bundes und der Sicherstellung der Einheitlichkeit der instanzgerichtlichen Rechtsanwendung durch eine oberste Aufsichtsinstanz750. Das Interesse der Parteien an der Korrektur gegebenenfalls fehlerhafter Urteile bleibt für sich allein betrachtet im Rahmen des Revisionszugangs ohne Relevanz, soweit nicht die vorgenannten Allgemeininteressen ein entsprechendes Eingreifen des Revisionsgerichts gebieten751. Der Gesetzgeber hat den revisionsgerichtlichen Individualrechtsschutz nur für diejenigen Fälle vorgesehenen, welche rechtliche Probleme aufwerfen, deren Bedeutung über das jeweilige Verfahren hinaus geht und die daher gerade einer Entscheidung durch ein höchstes Fachgericht bedürfen752. ZPO/GVG-Ausschuss BRAK, Stellungnahme Rechtsmittelreform, S.  42. Vgl. etwa Traut, Zugang zur Revision, S.  61; Wlotzke, in: Mayer-Maly/Richardi/ Schambeck/Zöllner, Festschrift Müller, S.  647 (653). Zweifelnd Rosenthal, Probleme des ZPO-­RG, S.  44. Vor allem die Untersuchungen zur Zulassungsrevision von Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  2 ff., und von Prütting, Zulassung, S.  84 ff., 92 ff. haben hierzu wichtige Vorarbeit geleistet. 748  Duske, Aufgaben S.  69; Barnert, in: Kiesow/Simon, Vorzimmer des Rechts, S.  13 (15). 749  Wenzel, NJW 2002, 3353 (3353). 750  Barnert, in: Kiesow/Simon, Vorzimmer des Rechts, S.  13 (15). 751  Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  4 4; Ball, in: Heinrich, Festschrift M ­ usielak, S.  27 (28); Prütting, Zulassung, S.  90, 180. 752  Schwinge, Grundlagen, S.  28; Dethloff, ZRP 2000, 428 (431); Wenzel, NJW 2002, 3353 746  747 

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

Verfahrensrechtlich wird der grundsätzliche Ausschluss von Parteiinteressen im Rechtmittelzugangsstadium systemkonsequent dadurch umgesetzt, dass im Rahmen des Zulassungsprinzips über die Eröffnung der nächsten Instanz in einem nach §  132 Abs.  1 VwGO dem eigentlichen Rechtsmittel aus- bzw. vorgelagerten Verfahrensschritt zu entscheiden ist, nämlich entweder schon durch den iudex a quo im anzufechtenden Urteil oder nötigenfalls durch den iudex ad quem in einem gesonderten Zwischenverfahren753. Das Zulassungsverfahren stellt sich prinzipiell als „Vor-Rechtsmittelphase“754 dar, welches – von der Klärung der Frage des Bestehens eines Zulassungsanspruchs755 einmal abgesehen – im Gegensatz zum Rechtsmittel selbst nicht der Verwirklichung individueller Rechte dient bzw. dienen müsste. Dem steht nicht entgegen, dass auch das Zulassungsverfahren von den Parteien maßgeblich deshalb betrieben wird, weil sie die vordergerichtliche Entscheidung für rechtswidrig und sich entsprechend für beschwert erachten und daher regelmäßig geltend machen dürften, das Vordergericht habe die zulassungsrelevanten Rechtsfragen zu ihren Ungunsten falsch entschieden756. Das System der Zulassungsrevision, jedenfalls unter dem Blick(3354); Ball, in: Heinrich, Festschrift Musielak, S.  27 (27); Geis/Thirmeyer, JuS 2013, 799 (800); Schreiner, Zulassungsberufung, S.  21. 753  Hierin liegt ein ganz wesentlicher Unterschied zur Annahmerevision nach §  554b ZPO a. F., vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. November 1992 – 1 BvR 974/92 –, NVwZ 1993, 358. Die Annahmerevision inkorporierte durch ein Ablehnungsermessen des Gerichts die Entscheidung über die Durchführbarkeit der Revision anhand von Allgemeininteressen in das Revisionsverfahren selbst, vgl. Ball, in: Heinrich, Festschrift Musielak, S.  27 (48 f.). Da aber im eigentlichen Rechtsmittelverfahren auch und gerade die Interessen der Streitbeteiligten zu berücksichtigen sind, stellte sich diese Regelung als system- und gleichheitswidrig dar, vgl. Gaier, NJW-Sonderheft 2. Hannoveraner ZPO-Symposion 2003, S.  18 (19). Das BVerfG hat dementsprechend folgerichtig diese gesetzlich eröffnete Form der richterlichen Rechtsmittelbeschränkung nach Rechtsmitteleröffnung nur insoweit verfassungsrechtlich noch gebilligt, als deren Anwendung die Berücksichtigung der Parteiinteressen durch eine vorherige Prüfung der Erfolgsaussichten der Revision voraussetzte, vgl. BVerfG, Beschluss vom 09. August 1978 – 2 BvR 831/76 –, BVerfGE 49, 148 (155 ff.); BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (280 ff.). Vgl. hierzu Pfeiffer, NJW 1999, 2617 (2619); Piekenbrock/Schulze, JZ 2002, 911 (918). 754  So Schafft, Selektion, S.  47. Barnert, in: Kiesow/Simon, Vorzimmer des Rechts, S.  13 (17) spricht vom „Vorzimmer des Rechts“. 755  Auch der formell-rechtliche Anspruch auf Zulassung des Rechtsmittels bei Einschlägigkeit der entsprechenden Zulassungsgründe ist selbstverständlich eine rechtlich geschützte Position, dessen Verwirklichung das Zulassungsverfahren im konkreten Einzelfall bezweckt, vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 25. Juli 2005 – 1 BvR 2419/03, 1 BvR 2420/03 –, BVerfGK 6, 79 (81): Eine „[i]m Zeitpunkt ihrer Einlegung aussichtsreiche Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision“ begründet eine „verfahrensrechtliche Position“ auf „volle Überprüfung des Berufungsurteils auf Rechtsfehler“. 756  Neuhäuser, Zulassung der Berufung, S.  87; Gilles, Ziviljustiz, S.  85 f.; Duske, Aufgaben, S.  91 f.

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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winkel der Nichtzulassungsbeschwerde, ist gerade auf die eigennützige Inbeschlagnahme der durch §  132 Abs.  2 VwGO näher umschriebenen Allgemein­ interessen durch die Parteien angelegt und angewiesen, denn die Aufgaben der Rechtsfortbildung und der Wahrung der Rechtseinheit können vom Revisionsgericht ohnehin nur im Wege des Parteibetriebs erfüllt werden757. Schließlich betreibt der Rechtsmittelführer das Revisionsverfahren nicht aus altruistischen Motiven, um einen Beitrag zur allgemeinen Rechtseinheit zu leisten, sondern um über die Klärung einer auch im Allgemeininteresse liegenden Rechtsfrage gerade eine richtige Entscheidung des Rechtstreits zu seinen Gunsten zu er­langen758. Ist der Revisionszugang jedoch erst einmal eröffnet, so dreht sich das Verhält­ nis der Revisionszwecke zueinander um. Die Parteiinteressen an der Urteils­ korrektur durch das Revisionsgericht treten in den Vordergrund759, während die Interessen der Allgemeinheit an der Produktion höchstrichterlicher Leitsätze dann nur noch von untergeordneter Bedeutung sind760. Selbst wenn ein dringendes Klärungsbedürfnis an der Beantwortung der von der Rechtssache aufgeworfenen Fragen besteht, bleibt es beispielsweise den Beteiligten unbenommen, das Rechtsmittel nach §  140 VwGO zurückzunehmen oder das Verfahren auf andere Weise als durch streitige Entscheidung zu beenden761. Zudem kann der Rechtsstreit vom Gericht auch unter anderen Gesichtspunkten entschieden werden, als denjenigen, die zur Zulassung der Revision geführt haben und an deren Klärung kein sonderliches Interesse der Allgemeinheit bestehen müsste, solange dies nur zu einer im Ergebnis korrekten, die Parteien befriedigenden Entscheidung über die Sache führt762. Ungeachtet dieses Primats der Rechtsschutzfunktion im Rechtsmittelverfahren hat der Gesetzgeber auch die Erfüllung im 757  Traut, Zugang zur Revision, S.  217; Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  80. 758  Schwinge, Grundlagen, S.  48. 759  BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 25. Juli 2005 – 1 BvR 2419/03, 1 BvR 2420/03 –, BVerfGK 6, 79 (81); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 21. März 2012 – 1 BvR 2365/11 –, NJW 2012, 1715 (1715); Ruban, in: Gräber, FGO, §  115 Rn.  2; May, Revision, I Rn.  71; Baur, ZZP 71, 161 (176). 760  Paulus, ZZP 71, 188 (196). 761  Mit Wirkung zum 01. Januar 2014 wurden durch die Änderungen von §§  555 Abs.  3, 565 S.  2 ZPO die Befugnisse der Parteien der zivilprozessualen Revision zur nichtstreitigen Verfahrensbeendigung eingeschränkt, um dem BGH trotz Wegfalls des individuellen Interesses an einer Sachentscheidung die Möglichkeit zur Klärung allgemeinbedeutsamer Rechtsfragen offen zu halten. Der Gesetzgeber hat insoweit das Verhältnis der Revisionszwecke in diesem Bereich zum Teil neu bestimmt, vgl. die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses BT-Drs. 17/13948, S.  2, 35 f. Hierzu Fuchs, JZ 2013, 990 ff. 762  BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1973 – V C 84.72 –, Buchholz 310 §  144 VwGO Nr.  25 S.  19 f.; BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 1975 – II C 43.73 –, BVerwGE 49, 232 (235); Pietzner/­Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  14 f.

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

Allgemeininteresse liegender Revisionsaufgaben in die rechtsmittelrichterliche Kontrolle integriert, was sich an der gesetzlich vorgesehene Grundstruktur des Revisionsverfahrens zeigt. Im Rahmen der Kassationsprüfung nach §  137 Abs.  1 VwGO hat das Revisionsgericht zunächst über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Urteils und damit über die Beschwer des Rechtsmittelführers zu befinden und bei dieser Gelegenheit – so die Grundidee – zu denjenigen allgemein bedeutsamen Rechtsfragen Stellung zu nehmen, die für die Zulassung der Revision anhand von §  132 Abs.  2 VwGO von Relevanz waren763. Insoweit verwirklicht die kassatorische Entscheidungskomponente der Revision sowohl ­Partei- als auch Allgemeininteressen764. Hat das Revisionsgericht im Anschluss eine eigene reformatorische Sachentscheidung i. S. v. §  144 Abs.  3, Abs.  4 VwGO zu treffen, so liegt dagegen diese Komponente der Revision allein im Interesse der Streitbeteiligten an einer richtigen Entscheidung über die Sache765. Ob auch das Revisionsgericht im Rahmen seiner eigenständigen Analyse des Falles zu grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfragen, welche nicht bereits Gegenstand der Vorentscheidung waren, Stellung bezieht, hängt allein von den rechtlichen Besonderheiten des jeweiligen Falles ab und entzieht sich der vorausplanbaren Kalkulierbarkeit. Die Klärung bisher ungelöster Rechtsprobleme im Rahmen einer der Kassation nachgelagerten Reformationsentscheidung stellt daher einen bloßen Reflex des Rechtsschutzverfahrens und aus der Perspektive der dem Revisionsgericht gesetzlich übertragenen Aufgaben lediglich einen »glücklichen Zufall« dar766. Während die Kassationskomponente der Revision auf die Rechtmäßigkeit der Fallentscheidung angelegt ist, bezieht sich die Reforma­ tionskomponente maßgeblich auf deren Richtigkeit. Nur im Falle des §  144 Abs.  4 VwGO kumulieren beide Funktionen, indem die Vorschrift die Auf­ hebung eines im Begründungsteil rechtswidriges Urteils verbietet, wenn es aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist767. 763 

Zur Bedeutung der Revisionszulassungsgründe für die Kassationsprüfung vgl. oben §  4 IV. 2. b) bb) (1) und (2). 764  BAG, Beschluss vom 25. Oktober 1989 – 2 AZN 401/89 –, NZA 1990, 536 (536 f.). 765  BVerfG, Beschluss vom 09. August 1978 – 2 BvR 831/76 –, BVerfGE 49, 148 (160); BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (295); Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  4; Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht §  39 Rn.  26; Bettermann, ZZP 88, 365 (372). 766  Vgl. Pfab, JURA 2010, 10 (13): „Rechtsfortbildung nur erwünschte Nebenfolge“. Dass die den Bedarf der Allgemeinheit an einer Revisionsentscheidung des konkreten Falles prognostizierende Zulassungsentscheidung nach Maßgabe von §  132 Abs.  2 VwGO nicht an die Reformationsaussichten in der Rechtssache anknüpft, wurde bereits dargelegt, vgl. §  4 IV. 2. b) aa). 767  Bettermann, ZZP 88, 365 (371); Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  144 Rn.  23; Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  27 f.

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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Der Zeitpunkt, in dem positiv über die Revisionszulassung entschieden wird, ist somit der gesetzlich angedachte Wendepunkt in der Gewichtung des Verhältnisses der von der Revision zu berücksichtigenden Interessenlagen. Das Zulassungsstadium ist geprägt von der Dominanz der öffentlichen Revisionszwecke, während das eigentliche Rechtsmittelverfahren primär der Verwirklichung der Parteiinteressen dient. Vor dem Hintergrund, dass durch die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde die eigentlich dem Rechtsmittel vorbehaltene Reformationsprüfung in der Sache durch eine Verquickung von Zulassungs- und Sachentscheidung schon im Rechtsmittelzugangsstadium vorweggenommen wird, stellt sich die Frage, ob diese Vorgehensweise mit den Zwecken der Revision und ihrer gesetzlich vorgesehenen Aufteilung und Gewichtung zwischen Zulassungs- und Rechtsmittelverfahren in Einklang steht. b) Nichtzulassung der Revision analog §  144 Abs.  4 VwGO und Parteiinteressen an der korrekten Entscheidung des Rechtsstreits Wird die Revision analog §  144 Abs.  4 VwGO allein deshalb nicht zugelassen, weil sich die angefochtene Entscheidung aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig herausgestellt hat, so wird dadurch ein Rechtsmittelverfahren verhindert, dessen Ausgang aus Sicht des Gerichts im Zulassungszeitpunkt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nur zuungunsten des potentiellen Rechtsmittelführers ausgehen könnte, weil dessen Beschwer durch das anzufechtende Urteil als gerechtfertigt erscheint768. Die Rechtsschutzfunktion der Revision wird damit in Anbetracht ihrer reformatorischen Komponente in gewissem Umfang schon im Zulassungsverfahren ausgeübt769. Dieser Rechtsschutz ist gleichwohl nicht ausgerichtet auf die Sicherstellung der korrekten Rechtsfindung durch die Vorinstanz, denn eine solche Rechtmäßigkeitskontrolle könnte nur im Zuge einer Kassationsprüfung nach §  137 Abs.  1 VwGO stattfinden. Stattdessen betrifft diese Sachprüfung im Zulassungsverfahren allein die Richtigkeit der Sachentscheidung und damit denjenigen Aspekt, der auch ungeachtet ihrer Aufsichts- und Kontrollfunktion letztliches Ziel jeder Revi­ sionsentscheidung ist, vgl. §  144 Abs.  3, Abs.  4 VwGO. Vom verobjektivierten Standpunkt eines vernünftigen, die Vor- und Nachteile eines Rechtsmittel­ verfahrens und die damit erzielbaren Erfolge abwägenden Rechtsmittelführers erscheint dies auf den ersten Blick sachangemessen. Denn ihm kann es letzten Endes gleichgültig sein, ob er mit der Revision oder schon mit der NichtzulasKraft, in: Eyermann, VwGO, §  144 Rn.  9 erkennt hierin die innere Rechtfertigung der Befugnis zur Zurückweisung der Revision nach §  144 Abs.  4 VwGO. 769  Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht §  39 Rn.  26. 768 

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

sungsbeschwerde erfolglos bleibt, weil eine Abänderung der vorinstanzlichen Tenorierung ausgeschlossen ist770. Anderes wäre dann anzunehmen, wenn sich ein Austausch der Entscheidungsgründe durch ein reformatorisches Revisionsurteil auf die Bestimmung des inhaltlichen Umfanges der Rechtskraft des Urteils auswirken würde, wie dies etwa bei Verbescheidungsurteilen771 oder der Umwandlung eines fehlerhaften Sach- in ein Prozessurteil der Fall ist772. Insoweit schützt eine paternalistische Zulassungspraxis des Bundesverwaltungsgerichts, wenngleich contra legem, potentielle Revisionskläger vor dem letztlich unergiebigen Zeit- und Kostenaufwand eines aussichtslosen Revisionsverfahren, indem sie im ansonsten von Allgemeininteressen geprägten Revisionszulassungssystem der VwGO Parteiinteressen berücksichtigt. Ob die analoge Heranziehung des §  144 Abs.  4 VwGO aber tatsächlich geeignet ist, eine Angleichung der im Zulassungsstadium maßgeblichen Interessenlage an diejenige im Revisionsverfahren zu erreichen und ob dies vor allem mit den gesetzgeberischen Zweckvorstellungen vereinbar ist, bedarf einer eingehenderen Betrachtung. Die Rechtsprechung erkennt in §  144 Abs.  4 VwGO einen übergreifenden prozessökonomischen Rechtsgedanken, der eine Berücksichtigung des wohlverstandenen Parteiinteresses am Ausgang des Verfahrens sowohl im Rechtsmittel- als auch schon im Zulassungsverfahren gebieten solle. Der Vorschrift solle die Prämisse zugrunde liegen, dass ein Verfahren nicht um eines Fehlers willen fortgeführt werden solle, der sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht auf den Verfahrensausgang auswirken wird773. Dieser Bedeutungsgehalt lässt sich der Norm und ihrer systematischen Stellung im Gefüge der Entscheidungsbefugnisse des Revisionsgerichts aber nicht entnehmen. In seiner unmittelbaren Funktion im Revisionsverfahren hat §  144 Abs.  4 VwGO in Anbetracht der reformatorischen Entscheidungsbefugnisse des Revisionsgerichts nämlich an sich keine eigenständige Bedeutung774. Im Verhältnis zur Sachentscheidungsbefugnis nach §  144 Abs.  3 S.  1 Nr.  1 VwGO hat §  144 So Schmid, DStR 1993, 1284 (1284). BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2013 – 5 C 8/12 –, BVerwGE 147, 216 (219 f.); BVerwG, Urteil vom 03. Dezember 1981 – 7 C 30/80, 7 C 31/80 –, NJW 1983, 407 (408); Bettermann, ZZP 88, 365 (374); Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  45. 772  BVerwG, Beschluss vom 02. November 2011 – 3 B 54/11 –, NVwZ-RR 2012, 86 (87); Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  144 Rn.  28. 773  So explizit BVerwG, Beschluss vom 02. November 1990 – 5 B 100/90 –, Buchholz 310 §  43 VwGO Nr.  112 S.  27; BSG, Beschluss vom 03. März 2009 – B 1 KR 69/08 B –, NZS 2010, 119 (120) wie auch Sendler, DVBl. 1992, 240 (241); Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  76 sowie Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  28. 774  So auch Bettermann, ZZP 88, 365 (377). Vgl. hierzu bereits §  3 III. 4. 770  771 

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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Abs.  4 VwGO nur die Aufgabe, bei Spruchreife eine auf Zurückweisung lautende Rechtsmittelentscheidung auch in den Fällen zu ermöglichen, in denen zuvor festgestellt wurde, dass das angefochtene Urteil auf einer Gesetzesverletzung i. S. v. §  137 Abs.  1 VwGO beruht und die Revision daher an sich i. S. v. §  144 Abs.  3 S.  1 Hs.  1 VwGO „begründet“ ist775. Selbst ohne die Befugnis aus §  144 Abs.  4 VwGO könnte das Bundesverwaltungsgericht nämlich nach Kassation des rechtswidrigen Berufungsurteils im Rahmen einer Reformationsentscheidung über die Sache nach §  144 Abs.  3 S.  1 Nr.  1 VwGO zur selben Tenorierung gelangen wie die Vorinstanz, nur eben mit anderer Begründung776. Der Revisionskläger wäre dann zwar mit seinem Rechtsmittel erfolgreich, hätte aber durch die stattgebende Entscheidung des höheren Gerichts nicht mehr erlangt, als ihm bereits durch die Vorentscheidung zugesprochen bzw. verweigert wurde, weil es insoweit nicht zu einer inhaltlichen Abänderung der angegriffenen Tenorierung gekommen ist777. Vor dem Hintergrund der reformatorischen Funktion der Revision erschiene es aber in diesen Fällen als unangemessen, das Rechtsmittel insgesamt als erfolgreich ansehen und ein Revisionsurteil mit einer Tenorierung erlassen zu müssen, die derjenigen des fehlerhaften Berufungsurteils inhaltlich entspricht778. §  144 Abs.  4 VwGO setzt hieran an und ermöglicht stattdessen, in Fällen an sich begründeter Revisionen die Zurückweisung des Rechtsmittels auszusprechen. §  144 Abs.  4 VwGO dient demnach im System der revisionsrichterlichen Entscheidungsbefugnisse allein den Parteiinteressen an der Verfahrensgerechtigkeit, nicht aber der Prozessökonomie. Eine in Aussicht stehende »Verfahrensfortführung« zur bloßen Korrektur eines Fehlers, der sich auf das Entscheidungsergebnis nicht auswirkt, den es – wie gelegentlich behauptet779 – durch die Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO zu verhindern gelte, steht insoweit gar nicht in Rede. Ist die Sache dagegen nicht spruchreif, weil es etwa an anderweitig erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen mangelt oder die vordergerichtlichen Tatsachenfeststellungen durch Verfahrensfehler in Gänze unverwertbar geworden sind, kommt eine reformatorische Entscheidung des Revisionsgericht ohnehin weder nach §  144 Abs.  3 S.  1 Nr.  1 VwGO noch nach §  144 Abs.  4 VwGO in Betracht780. In diesen Fällen muss zur Klärung der Frage, ob 775 

BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 1963 – II C 166.60 –, BVerwGE 17, 16 (18 f.). Bettermann, ZZP 88, 365 (377). 777  Dies übersieht Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  144 Rn.  24, nach dessen Ansicht erst §  144 Abs.  4 VwGO das BVerwG ermächtigt, „durchentscheiden“ zu können „und zwar […] zu dessen Lasten [des Revisionsklägers, Anm. des Verfassers].“ 778  Bettermann, ZZP 88, 365 (377). 779  So etwa BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 1979 – 4 CB 73/79 –, Buchholz 310 §  144 VwGO Nr.  34 S.  4; BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2003 – 8 C 1/02 –, NVwZ 2003, 1129 (1130); Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  28. 780  BVerwG, Urteil vom 16. November 1999 – 9 C 4/99 –, BVerwGE 110, 74 (76); 776 

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

sich der vordergerichtliche Rechtsfehler tatsächlich auf den letztlichen Ausgang des Verfahrens auswirkt, zwingend an die Vorinstanz zurückverwiesen werden, welche dann unter Bindung an die tragende Rechtsauffassung des Revisionsgerichts zur reformatorischen Entscheidung über die Sache berufen ist, §  144 Abs.  3 S.  1 Nr.  2, Abs.  6 VwGO781. Soweit man dennoch dem §  144 Abs.  4 VwGO im Revisionsverfahren eine prozessökonomische Komponente abgewinnen möchte, so kann diese allerhöchstens noch darin erblickt werden, dass die Vorschrift die Notwendigkeit ausschließt, ergebnisunerhebliche Fehler im Berufungsurteil in einem zweiten Rechtsgang gesondert ausräumen zu müssen, welcher sich ansonsten bei einer Revisionsentscheidung nach §  144 Abs.  3 S.  1 Nr.  2 VwGO anschließen müsste. Durch die Zurückweisung der Revision unter gleichzeitigem Austausch der Urteilsbegründung nach §  144 Abs.  4 VwGO wird diese Fehlerausräumung bereits im Revisionsurteil vom iudex ad quem selbst geleistet. Dieser hält dabei den vordergerichtlichen Tenor als ein für ihn fremdes Judikat explizit aufrecht, macht sich aber gleichsam die Entscheidung auch zu eigen, indem er ihr in rechtserheblicher Weise eine andere, aus seiner Sicht rechtsfehlerfreie und sachlich richtige Entscheidungsgrundlage beigibt. Nach Zurückweisung der Revi­ sion erwächst zwar der Tenor des fehlerhaften Berufungsurteils in Rechtskraft, aus den Entscheidungsgründen des Revisionsurteils ergibt sich jedoch die Korrektur des Rechtsfehlers des Vordergerichts durch das Bundesverwaltungs­ gericht782. Insbesondere bei entscheidungserheblichen Verfahrensfehlern in der Berufungsinstanz wird hierdurch vermieden, dass über eine Zurückverweisung der Sache ein zweiter Berufungsrechtsgang eingeleitet wird, nur um die Fehlerhaftigkeit des Urteils in seiner tragenden Begründung gerade von dem Gericht korrigieren zu lassen, das die Entscheidung gefällt hat, obwohl dieses im Anschluss seinen vorherigen Entscheidungsausspruch dem Inhalt nach schlichtweg wiederholen müsste783. Die rechtserhebliche Fehlerkorrektur erfolgt inso­ ichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  37, 70; W.-R. Schenke, in: E Kopp/Schenke, VwGO, §  144 Rn.  7. 781  BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2003 – 8 C 1/02 –, NVwZ 2003, 1129 (1130); Bettermann, ZZP 88, 365 (378); Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  144 Rn.  10; Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  38. 782  Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  144 Rn.  30. 783  BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 1963 – II C 166.60 –, BVerwGE 17, 16 (18 f.); B ­ VerwG, Urteil vom 21. Juni 1979 – 5 C 47/78 –, BVerwGE 58, 146 (149). Bezeichnenderweise betraf die Entscheidung BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 1963 – II C 166.60 –, BVerwGE 17, 16 ff., in welcher die »prozessökonomische« Funktion des §  144 Abs.  4 VwGO erstmals besonders hervorgehoben wurde, gerade einen Fall einer ausschließlichen Verfahrensrevision, die an sich zur Zurückverweisung an die Vorinstanz hätte führen können. Das Gericht führte aus, dass §  144 Abs.  4 VwGO „im Hinblick auf den Grundsatz der Prozeßwirtschaftlich-

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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weit schon durch das – wenngleich auch die Revision zurückweisende – Revi­ sionsurteil784. Berufungs- und Revisionsurteil bilden in diesem Fall unter dem Blickwinkel einer einerseits richtigen und andererseits rechtmäßig zustande gekommenen Beendigung des Rechtsstreits sozusagen eine Einheit785. Dem Rechtsmittelkläger kommt dadurch letzten Endes ein sich aus zwei Entscheidungen zusammensetzendes Judikat zuteil, welches ihn zwar beschwert, diese Beschwer aber in jeder Hinsicht rechtsfehlerfrei bewirkt, nämlich sowohl in seinem Tenor als auch in seinen tragenden Gründen786. Der Erlass dieses Gesamtjudikates ist es, auf den das Gesetz das Parteiinteresse im Revisionsverfahren zur Verwirklichung und Sicherstellung der Rechtmäßigkeit der Rechtsprechung ausrichtet. Wenn man also überhaupt davon ausgehen will, dass §  144 Abs.  4 VwGO aus prozessökonomischen Gründen die »Fortführung« eines im Ergebnis unnötigen Verfahrens unterbinden will, dann kann es sich hierbei allerhöchstens nur um den weiteren Rechtsgang handeln, der sich an ein entsprechendes erstes Revisionsurteil anschließen würde, wenn die Ergebnisrichtigkeit der fehlerhaften Berufungsentscheidung aus materiellen Gründen andernfalls nicht schon vom Revisionsgericht selbst berücksichtigt werden könnte. Wenn die Gegenauffassung demnach zur Begründung der analogen Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde darauf abstellt, dass hierdurch dem Parteiinteresse an der Beendigung des Rechtsstreits in gleicher Weise gedient werden könnte, wie durch ein entsprechendes Revisionsurteil, so geht diese Argumentation fehl. Die Verweigerung der Revisionszulassung aufgrund fehlender Reformationsaussichten hat zur Konsequenz, dass es ohne eine freigebende Zulassungsentscheidung überhaupt nicht zu einem Revisionsurteil kommen kann, durch das unter Richtigstellung der fehlerhaft begründeten vordergerichtlichen Sachentscheidung eine weitere, im Ergebnis letztlich unergiebige Befassung der Justiz mit der Rechtssache entkeit und auch im Interesse des Revisionsklägers aus Kostenersparnisgründen eine Entscheidung verbietet, mit der einer auf Verfahrensrügen gestützten Revision durch Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das vorinstanzliche Gericht stattgegeben wird, obwohl dieses bei zutreffender Anwendung des sachlichen Rechts seine frühere Entscheidung im Ergebnis wiederholen und diese schließlich im Falle einer weiteren – nunmehr auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten – Revision doch von dem Revi­ sionsgericht bestätigt werden müßte“, a. a. O. S.  19. 784  Absolute Revisionsgründe i. S. d. §  138 VwGO entziehen dem angegriffenen Urteil dagegen regelmäßig die gesamte Entscheidungsgrundlage und verhindern damit eine Fehlerkorrektur durch das Bundesverwaltungsgericht im Wege einer reformatorischen Entscheidung, weshalb dann zwingend zurückzuverweisen ist, vgl. BVerwG, Urteil vom 23. August 1996 – 8 C 19/95 –, BVerwGE 102, 7 (11). 785  In diesem Sinne auch Bettermann, ZZP 88, 365 (374 f.). 786  Bettermann, ZZP 88, 365 (382).

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

behrlich gemacht würde. Dieses zu fällende Urteil wird aber gerade durch eine umfassende Entscheidungskompetenz des Gerichts selbst zum Entlastungs­ instrument erhoben. Dass die Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO sowohl im Revisions- als auch im Beschwerdeverfahren von demselben Rechtsgedanken getragen sein soll, kann daher schwerlich behauptet werden. Das Parteiinteresse an der Beendigung des Rechtsstreits, welches die Gegenmeinung auch in das Beschwerdeverfahren inkorporieren will und wie es im Revisionsverfahren unter anderem von §  144 Abs.  4 VwGO verwirklicht wird, zielt eben auf den Erlass eines entsprechenden Revisionsurteils ab und gerade nicht auf dessen Verhinderung im Wege einer Nichtzulassungsentscheidung. Vielmehr steht dem Rechtsmittelführer, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen der Revisionszulassung vorliegen, ein Anspruch auf eine Revisionsentscheidung über die Sache i. S. v. §  144 Abs.  1 bis 4 VwGO und demzufolge auch auf einen dies ermöglichenden positiven Zulassungsausspruch zu. Ob er von diesem Recht auf eine Sachbescheidung durch Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde mit der Folge der Verfahrensfortführung nach §  139 Abs.  2 S.  1 VwGO Gebrauch machen will oder hierauf verzichtet bzw. im Falle erkannt niedriger Erfolgschancen der Revision nach Zulassung das Rechtsmittel zurücknimmt, überlässt das Gesetz allein seiner eigenen Verantwortung und der seines ihn beratenden Prozess­ vertreters. Die Interessenlagen im Nichtzulassungsbeschwerde- und Revisionsverfahren stehen sich daher in Anbetracht des Regelungszwecks des §  144 Abs.  4 VwGO keineswegs so nahe, dass die Norm gleichermaßen schon im Zulassungsstadium Anwendung finden müsste und damit schon über den Zugang zum Rechtsmittel Aufschluss geben könnte. Vielmehr liegt in ihrer analogen Anwendung nicht nur die bloße Übertragung eines Rechtsgedankens auf eine ähnlich ge­ lagerte Fallgruppe, sondern die rechtsschöpferische Etablierung einer neuen Regelungssystematik, die Parteiinteressen, welche der Gesetzgeber im Zulassungsverfahren eigentlich gerade nicht berücksichtigt wissen wollte, eine herausgehobene Stellung einräumt. c) Nichtzulassung der Revision analog §  144 Abs.  4 VwGO und Allgemeininteressen an der Wahrung der Rechtseinheit Dem gesetzlichen Grundkonzept der Revisionszulassung nach §§  132, 133 VwGO liegt aus Gründen der Freihaltung des Bundesverwaltungsgerichts von für die Rechtseinheit unergiebigen Rechtsachen der Gedanke zugrunde, dass individueller Rechtsschutz in der dritten Instanz nur in den Fällen zur Ver­ fügung stehen soll, in denen auch ein in §  132 Abs.  2 VwGO näher definiertes Allgemeininteresse an einer Entscheidung des Revisionsgerichts über die

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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Rechts­sache besteht787. Die Zugangsmöglichkeiten zur Revision orientieren sich an den im Allgemeininteresse liegenden Rechtsprechungsaufgaben des Revi­ sionsgerichts. Im Rahmen von §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO ist dies die präventive Sicherung der Rechtsprechungseinheit durch eine Zentralisierung der Letztentscheidungsbefugnisse über die Fortbildung des Bundesrechts bei einem höchsten Spruchkörper des Bundes788. Der repressiven Wahrung der Rechtseinheit dient die durch §  132 Abs.  2 Nr.  2 VwGO statuierte Abweichungskontrolle für Konfliktfälle mit höchstrichterlichen Judikaten789. §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO schließlich instrumentalisiert die Verfahrensaufsichtsfunktion des Revisions­ gerichts über die Untergerichte und sichert so sowohl abstrakt die Rechtsanwendungsgleichheit im Bereich des Prozessrechts als auch die prozessualen Rechtspositionen der Parteien im konkreten Verfahren790. Das Interesse an einer Korrektur der vordergerichtlichen Sachentscheidung zugunsten der beschwerten Partei spielt dagegen für die Frage des Zugangs zur Revision keine Rolle. Selbst die offensichtliche Fehlerhaftigkeit eines Urteils vermag allein das Rechtsmittel nicht zu eröffnen, mag sich die anzufechtende Entscheidung auch als noch so belastend für die beschwerte Parte darstellen791. Gleiches gilt aber auch für den umgekehrten Fall: Die vorgenannten Allgemeininteressen an einer höchstrichterlichen Stellungnahme zu den jeweils im Verfahren aufgeworfenen Rechts­ fragen können eine Entscheidung des Revisionsgerichts selbst dann gebieten, wenn die Erfolgschancen des Rechtsmittelführers gering sind, weil die Rechts-

Geis/Thirmeyer, JuS 2013, 799 (800); Lässig, Fehlerhafte Rechtsmittelzulassung, S.  75. 788  BVerwG, Beschluss vom 30. März 2005 – 1 B 11/05 –, NVwZ 2005, 709 (709 f.); Baur, ZZP 71, 161 (177); May, Revision, IV Rn.  51; Rosenthal, Probleme des ZPO-RG, S.  109; Geis/ Thirmeyer, JuS 2013, 799 (800); Wenzel, NJW 2002, 3353 (3354); Rimmelspacher, in: Gottwald/Roth, Festschrift Schumann, S.  327 (342); Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  68. 789  BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 1953 – I B 10.53 –, BVerwGE 1, 1 (3); BVerwG, Beschluss vom 27. Februar 1997 – 5 B 155/96 –, Buchholz 310 §  132 Abs.  2 Ziff.  1 VwGO Nr.  15 S.  22; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  68; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  373; Günther, DVBl. 1998, 678 (680). 790  BVerwG, Beschluss vom 02. November 1995 – 9 B 710/94 –, NVwZ-RR 1996, 359 (359); Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  98; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  431; Duske, Aufgaben, S.  110; Gottwald, BRAK-Mitt. 1999, 55 (60); Jessen, NVwZ 1982, 410 (414). Die frühere Ansicht des BVerwG, Beschluss vom 08. März 1961 – VIII B 183.60 –, BVerwGE 12, 107 (108), die Verfahrensaufsicht sei neben der Fehlerkontrolle im Einzelfall kein Instrument zur Sicherung der Rechtseinheit, entsprang der früher notwendigen Abgrenzung von zulassungspflichtiger und zulassungsfreier Verfahrensrevi­sion und wird heute unter der umfassenden Geltung des Zulassungsprinzips ersichtlich nicht mehr vertreten. 791  Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  133 Rn.  79. 787 

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

sache bereits von der Vorinstanz rechtlich korrekt oder zumindest im Ergebnis richtig zu seinen Lasten entschieden worden ist792. Diese prinzipielle Interessengewichtung wird aber dann neu austariert und auf den Primat von Individualinteressen ausgerichtet, wenn in die Entscheidung über den Rechtsmittelzugang auch die Erfolgsaussichten des Verfahrens mit einbezogen werden, wie dies im Falle der analogen Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde der Fall ist793. Hat sich der Blick des Gerichts nämlich nicht mehr ausschließlich auf die verobjektivierten Bedürfnisse der Rechtsgemeinschaft, sondern kumulativ auch auf die individuelle Prozesssituation der Parteien zu richten, so erhält die gesetzliche Beschränkung des Rechtsmittelzugangs ein gänzlich anderes, von der gesetz­ lichen Ausgangslage abweichendes funktionales Gepräge794. Das subjektive ­Interesse am Ausgang des Rechtsstreits wird dadurch nicht nur zum bloßen Transportmedium des Allgemeininteresses795, sondern zum maßgeblichsten Kriterium des Rechtsmittelzugangs. Denn die Revisionszulassung könnte unter der Geltung dieses Zulassungsmaßstabes stets mit der Begründung verweigert werden, dass das Rechtsmittel ohnehin keinen Erfolg haben könnte, ohne dass es dabei noch darauf ankommen würde, ob die Rechtssache Fragen aufwirft, deren Beantwortung durch das Revisionsgericht der Rechtseinheit dienlich sein könnte. Bei konsequenter Handhabe dieser Zulassungspraxis müsste nur in den Fällen, in denen erwiesenermaßen der Prozessausgang noch offen ist, überhaupt noch vom Gericht ermittelt werden, ob in der Rechtssache Zulassungsgründe i. S. v. §  132 Abs.  2 VwGO einschlägig wären. Die subjektive Rechtsschutzfunktion der Revision, die ihr ansonsten erst nach erfolgter Zulassung zukommt, würde auf diesem Wege deren objektive Rechtseinheitsfunktion, die der Gesetzgeber zum Grund für sowohl die Beschränkung als auch die Eröffnung des Revisionszugangs genommen hat, als im Zulassungsstadium dominierendes Kriterium zurückdrängen, wenn nicht sogar ablösen. Die Revisionszulassung analog §  144 Abs.  4 VwGO von der vom Rechtsstandpunkt des Bundesverwaltungsgerichts zu beurteilenden Frage der Richtigkeit des Entscheidungsergebnisses des Berufungsurteils abhängig zu machen, hieße, die kassatorische Komponente der Revisionsprüfung und ihre Bedeutung für die Erfüllung der dem Revisionsgericht vom Gesetzgeber aufgetragenen So auch Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  13. Siehe hierzu den vorgehenden Abschnitt. 794  So auch Pfeiffer, NJW 1999, 2617 (2619) zur Einbeziehung der Erfolgsaussichtenprüfung in die Ablehnungsbefugnis des BGH i. R. d. Annahmerevision nach §  554b ZPO a. F., welche durch die Plenarentscheidung des BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 ff. notwendig geworden war. 795  So Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  80. 792 

793 

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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Rechtsprechungsaufgaben zu vernachlässigen796. Indem die Zulassungsgründe des §  132 Abs.  2 VwGO zur Ermittlung eines im Allgemeininteresse bestehenden höchstrichterlichen Entscheidungsbedarfes an die von der Vorinstanz gewählte Entscheidungsbegründung anknüpfen, zielen sie darauf ab, den so von den Berufungsgerichten aufgeworfenen und aufbereiteten Problemgehalt der Rechtssache gerade durch eine revisionsrichterliche Überprüfung dieser Entscheidungsgründe vom Bundesverwaltungsgericht klären zu lassen. Besonders deutlich wird dies im Bereich der Rechtsfortbildung, wie sie von §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO in Aussicht genommen wird. Werden in einem Berufungsverfahren bisher ungeklärte Rechtsfragen entscheidungserheblich, so obliegt es zunächst dem Berufungsgericht, zu diesen Stellung zu beziehen. Die Zulassung der Revision ermöglicht in diesen Fällen dem Bundesverwaltungsgericht, sich im Zuge der Überprüfung, ob die Entscheidung nach §  137 Abs.  1 VwGO auf der Verletzung revisiblen Rechts beruht, mit der vom Vordergericht zu der Rechtsfrage vertretenen Rechtsansicht auseinanderzusetzen und diese zu bestätigen oder in anderer Weise zu beantworten. Gleiches gilt in Fällen entscheidungserheblicher Divergenzen nach §  132 Abs.  2 Nr.  2 VwGO. Auch hier lässt sich eine Abweichung der Vorinstanz in der von ihr gewählten Urteilsbegründung nur durch eine Rechtmäßigkeitskontrolle ausräumen. Diese kann entweder dazu führen, dass die Auffassung des Berufungsgerichts zur jeweiligen Rechtsfrage vom Bundesverwaltungsgericht verworfen und ausgetauscht wird, dass sich das Revisionsgericht in Aufgabe der eigenen, bisher vertretenen Rechtsprechungslinie dem Vordergericht anschließt, wenn es dessen Standpunkt für überzeugend erachtet oder aber, dass es die Rechtsfrage gänzlich neu beurteilt. Der Gesetzgeber hat die Revision daher vor allem deshalb nicht allein als rein reformatorisches, sondern im Kern zunächst kassatorisches Rechtsmittel ausgestaltet, weil das Revisionsgericht gerade im Wege der Rechtsprechungsaufsicht über die Untergerichte in materiellen und formellen Fragen höchstrichterliche 796  Vgl. Schwinge, Grundlagen, S.  229 zum Difformitätsprinzip als Revisionszugangskriterium: „Formelle Gleichheit (Gleichheit im Tenor) ist nicht immer mit materieller Identität (Gleichheit der Gründe) verbunden; Entscheidungen, die sich in der Urteilsformel decken, können auf ganz verschiedenen inneren Gründen beruhen. Läßt man bei formeller Gleichheit die Revision ausgeschlossen sein, kommt man in Gefahr, der Hauptaufgabe der Revisions­ gerichte, Erhaltung der Rechtseinheit, entgegenzuwirken.“ Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren stellt sich in gewisser Weise als besondere Spielart des Difformitätsprinzips dar. Denn sie macht die Zulassung der Revision von der Feststellung eines Inhaltsunterschieds zwischen dem Tenor der angefochtenen Entscheidung und dem Tenor derjenigen reformatorischen Sachentscheidung, die das Bundesverwaltungsgericht anhand seiner eigentlich erst noch im Revisionsverfahren zu ent­ wickelnden Rechtsansicht zur konkreten Falllösung erlassen würde, abhängig.

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§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

Leitsätze produzieren kann, deren Wirkung und Tragweite über den Einzelfall hinaus geht. Die Kassationsfunktion der Revision verwirklicht damit den objektiv-rechtlichen Rechtsschutzauftrag der Revision797. Die sachlich richtige Entscheidung des Rechtsstreits zugunsten der Parteien durch eine reformatorische Entscheidung des Revisionsgerichts resultiert aus der Funktion der Revision als echtes Streitentscheidungsverfahren und ist insoweit nur erwünschtes Nebenprodukt der Befassung des Revisionsgerichts mit den ihm vom iudex a quo zugeführten Rechtsproblemen798. Ob diese abändernd oder bestätigend ausfallen würde, ist aus Sicht des Allgemeininteresses, wie es von §  132 Abs.  2 VwGO zum Maßstab des Revisionszugangs erhoben worden ist, gleichgültig. Dass das Revisionszulassungsrecht daher nur die kassatorische Komponente der Revi­ sion in den Blick nimmt, um einen höchstrichterlichen Klärungsbedarf zugunsten der Rechtseinheitsinteressen der Rechtsgemeinschaft zu ermitteln, die reformatorische Komponente aber ausblendet, erweist sich insoweit als system­ gerecht. Denn im Zulassungsstadium lässt sich prinzipiell nicht prognostizieren, welche Rechtsfragen für die erst noch im weiteren Verlauf des Rechtsmittelverfahrens zu entwickelnde eigenen Rechtsauffassung des Rechtsmittelgerichts zur richtigen Falllösung eine Rolle spielen werden und ob an deren Klärung ein Allgemeininteresse bestehen kann799. Wird dagegen die Revisionszulassung vom Bundesverwaltungsgericht analog §  144 Abs.  4 VwGO maßgeblich davon abhängig gemacht, wie die Rechtssache nach dessen eigener Rechtsauffassung richtig zu entscheiden wäre, während der anzufechtenden Entscheidung hierfür nur in ihrem Ergebnis, nicht aber auch in ihrer tragenden Begründung Bedeutung zukommen soll, so untergräbt es damit nicht nur seine Rechtsfortbildungs- und Rechtswahrungsaufgaben. Auch der hiervon unabhängig bestehenden Aufgabe des Bundesverwaltungs­ gerichts als Kontrollinstanz, im Rahmen seiner prozessualen Möglichkeiten und Befugnisse über die korrekte Anwendung des materiellen und formellen Rechts durch die Untergerichte zu wachen, soweit der Zugang zur Revision dem 797  Vgl. Bettermann, ZZP 88, 365 (403) sowie a. a. O S.  402: „Ausschließlich am Schutz des objektiven Rechts sind die Anfechtungsgründe orientiert: Verletzung des Gesetzes, nicht Verletzung der Rechte des Revisionsklägers.“ 798  Nach Bettermann, ZZP 88, 365 (369) ist die „Primärfunktion der Revision die Rechtmäßigkeitskontrolle des angefochtenen Urteils und seines Verfahrens […], erst in zweiter Linie die Neuentscheidung des Rechtsstreits.“ 799  Hierzu ausführlich oben §  4 IV. 2. b) aa), bb) (1) (e) und (2) (c). Selbst wenn man de lege ferenda Rechtsmittelzugangsschranken hauptsächlich als Kontrollfilter dafür einrichten wollte, um „möglichst viele falsche und möglichst wenig richtige Ausgangsentscheidungen“ der Kontrollinstanz zuzuführen, könnten die reformatorischen Erfolgsaussichten des Rechtsmittels im Ergebnis daher keinen geeigneten Anknüpfungspunkt für eine praktikable Zugangsregelung bilden, so Schafft, Selektion, S.  133, 134.

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

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Gesetz entsprechend eröffnet ist, wird hierdurch nicht genügt. Haben die Berufungsgerichte mit einem kontrollierenden Eingreifen des Revisionsgerichts nur unter der Prämisse zu rechnen, dass die von ihnen produzierten Entscheidungen nur einer Plausibilitätskontrolle am Maßstab ihrer Ergebnisse standhalten müssten, so trägt dies nicht zur Sicherstellung der Güte ihrer Rechtsprechung bei. Jedenfalls längerfristig kann sich die Qualität einer Rechtsprechung nicht danach bemessen, ob sie im Einzelfall mehr oder minder zufällig zu einer korrekten Tenorierung geführt hat. Wichtig hierfür ist, ob die dogmatischen Grund­ lagen ihrer konkreten Rechtsfindung auch sicherstellen, dass das Gericht in jedem anderen gleich gelagerten Fall ebenfalls zu einem richtigen Ergebnis gelangen kann800. Jedenfalls in den Fällen, in denen ihre Entscheidungserwägungen Allgemeininteressen an der Erhaltung der Rechtseinheit tangieren, wird dies nur dadurch sichergestellt, dass die Gerichte zweiter Instanz mit einer überprüfenden Kontrolle ihrer Rechtsfindung durch das Bundesverwaltungsgericht rechnen müssen. Hieran knüpft auch das geltende Recht der Revisionszulassung an, indem es die Überprüfung der vordergerichtlichen Rechtsauffassung durch das Revisionsgericht zum zentralen Instrument der Wahrung der Rechtseinheit erhebt, die Aussicht auf eine abändernde reformatorische Entscheidung des Rechtsstreits dabei aber ausblendet. Deren Einbeziehung durch die Hintertür einer analogen Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unterläuft damit aber die gesetzlich vorgesehene Vorrangstellung des Allgemeininteresses im Zulassungsstadium, indem es sowohl die Wahrung der Rechtseinheit als Revisionsziel als auch die Aufsichtsfunktion des Revisionsgericht vom individuellen Interesse des Rechtsmittelführers an einer ihn begünstigenden Sachentscheidung abhängig macht. Dem wird von der Gegenmeinung nicht widersprochen. Schließlich werde „das Interesse der Allgemeinheit an Rechtsvereinheitlichung und Rechtsfort­ bildung im Revisionsverfahren nicht vorrangig und ungebrochen, sondern nur über das Medium eines subjektivrechtlichen Rechtsmittels verfolgt […], in dessen Bezugsmitte die rechtlich richtige Einzelfallentscheidung steht“, weshalb sowohl weder das Individualinteresse an materieller Richtigkeit allein die Zulassung rechtfertige, noch „[u]mgekehrt“ ausschließlich das abstrakte Interesse an Rechtsfortbildung und Rechtseinheit eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern könne, wenn dies nicht auch im konkreten Fall letztlich zu einer 800  Esser, JZ 1962, 513 (516). Vgl. auch Hanack, Ausgleich, S.  111 zur Irrelevanz der Übereinstimmung des Entscheidungsergebnisses für die Frage nach der Erforderlichkeit eines Divergenzausgleichs: „[D]ie Rechtsanwendung [kann nicht] allein von der Hoffnung abhängig [zu] machen [sein], das richterliche Judiz werde im Ergebnis schon das Richtige treffen.“

274

§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

prozessualen Besserstellung des Rechtsmittelführers führen würde801. Unter diesem Blickwinkel würden sich die Aussichten auf eine reformatorische Entscheidung des Revisionsgerichts, wie sie durch eine analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO in die Beschwerdeentscheidung inkorporiert werden, als eine Art kumulativ erforderliches Sachbescheidungsinteresse des potentiellen Revisionsklägers wie auch der Allgemeinheit an der Durchführung eines Revisionsverfahrens darstellen, welches zur Einschlägigkeit von Zulassungsgründen i. S. v. §  132 Abs.  2 VwGO hinzutreten müsste, um die Zulassung der Revision im konkreten Fall tragen zu können. Richtig daran ist, dass die Wahrung der Rechtseinheit wie jeder andere Prozesszweck auch nicht alleiniger Anlass eines Rechtsmittelverfahrens sein kann, sondern einerseits das individuelle Rechtsschutzbegehren stets als Trägermedium voraussetzt und andererseits letzten Endes immer die richtige Einzelfallentscheidung Ziel jeden spruchrichterlichen Handelns ist. Welche Anforderungen an die Qualität eben jenes individuellen Rechtsschutzbegehrens zu stellen sind, um ein derartiges Vehikel des Allgemeininteresses bilden zu können und damit eine entsprechende Sachbefassungspflicht des jeweiligen Gerichts auszulösen, kann sich aber nicht nach den jeweiligen Zweckmäßigkeitsvorstellungen des Rechtsanwenders bemessen, sondern ergibt sich aus Gründen der Gleichheit und Vorhersehbarkeit nur normativ aus den gesetzlichen Vorgaben über den Rechtsmittelzugang selbst802. Der Gesetzgeber hat mit den Zulassungsgründen des §  132 Abs.  2 VwGO die Kriterien aufgestellt, nach denen seiner Auffassung nach eine Revisionsentscheidung im Allgemeininteresse erforderlich, aber auch zu ermöglichen sein soll. Dass darüber hinaus das Rechtsschutzgesuch der vorinstanzlich unterlegenen Partei auch bestimmte individuelle Merkmale aufweisen müsste, die es aus der Gruppe der von der Revision auszuschließenden Verfahren heraushebt, um sich für den Zugang zur dritten Instanz zu qualifizieren, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Insbesondere dafür, dass die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels Relevanz für dessen Durchführbarkeit besitzen sollen, bietet das Gesetz keinerlei Anhaltspunkt. §  144 Abs.  4 VwGO lässt sich dafür schon allein deshalb nicht fruchtbar machen, weil die Norm im systematischen und funktionalen Zusammenhang mit dem Prüfungs- und Entscheidungsgefüge der zuge­ lassen Revision steht803, eine gesetzliche Verweisung in den Bestimmung der 801  So Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  80. Ähnlich BFH, Beschluss vom 10. Dezember 2003 – X B 134/02 –, BFH/NV 2004, 906 (907) und Esser, JZ 1962, 513 (517) sowie Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, §  39 Rn.  26. 802  BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, BVerfGE 107, 395 (416 f.); Degenhart, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR V, §  114 Rn.  32; Piekenbrock/Schulze, JZ 2002, 911 (919); May, Revision, IV Rn.  68a. 803  Ebenso Traut, Zugang zur Revision, S.  220 zum Zivil- und Krasney, in: Krasney/­

IV. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO

275

Revisionszulassung hierauf aber fehlt, obwohl dies gesetzestechnisch ohne weiteres möglich gewesen wäre, wenn der Normgeber dies beabsichtigt hätte. Als auch für den Zugang zur dritten Instanz notwendige, aber auch ausreichende qualitative Anforderung an das individuelle Rechtschutzbegehren, um i. S. v. §  132 Abs.  2 VwGO als Trägermedium des Allgemeininteressen herhalten zu können, gilt daher mangels anderslautender Regelung nicht mehr und nicht weniger als das, was auch sonst für den subjektiven Rechtsschutz gegen spruchrichterliche Entscheidungen ausschlaggebend ist. Dies ist das Erfordernis der Beschwer durch die anzugreifende vordergerichtliche Tenorierung804, welches aber weder in der Rechtswidrigkeit noch in der Unrichtigkeit des Judikates, sondern nur in der hiervon ausgehenden subjektiven Belastung der ganz oder teilweise unterlegenen Prozesspartei wurzelt805. Ob das Rechtsmittel letzten Endes zur Abhilfe dieser Beschwer führt, ist aus Sicht des Allgemeininteresses aber für die Zulassungsfrage unerheblich. Auch eine – aus Sicht des Rechtsmittelführers – im Ergebnis erfolglose Revision kann einen Beitrag zur Rechtseinheit leisten806. Es ist eben nicht der subjektive Rechtsmittelerfolg, sondern das hierauf abzielende Rechtsmittelverfahren als solches, welches das Trägermedium des Allgemeininteresses in der Revision bildet. Eine Revisionszulassungspraxis, die sich demgegenüber maßgeblich am reformatorischen Erfolg des jeweiligen Rechtsmittels orientiert, mag zwar die Parteien vor einem für sie unergiebigem Rechtsmittelverfahren bewahren, kann aber die im Allgemeininteresse bestehenden Revisionsaufgaben der einheitlichen Rechtsfortbildung, der Wahrung der Rechtseinheit und auch der Verfahrensaufsicht nicht verwirklichen. d) Zwischenfazit Die Analyse der Auswirkungen einer reformatorischen Ergebniskontrolle im Zulassungsverfahren auf die Umsetzung der gesetzlich intendierten Revisionszwecke konnte die aus der vorgehenden rechtsdogmatischen Untersuchung gewonnen Erkenntnisse bestätigen. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, IX. Rn.  54 zum Sozialprozess. A. A. Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  77: Der Rechtsgedanke des §  144 Abs.  4 VwGO beanspruche „gleichsam kraft Vorwirkung […] Geltung für das auf die Zulassung der Revision zielende Beschwerdeverfahren“. 804  Baur, ZZP 71, 161 (175). Vgl. auch Krebs, in: Erichsen/Hoppe/von Mutius, Festschrift Menger, S.  191 (193 f.): Objektive Rechtskontrolle als bloße „– erwünschte – Nebenfolge“ des subjektiven Rechtsschutzverfahrens, wobei die Rechtsverletzung „nicht nur Anstoß, sondern Anlaß und Legitimation des Verfahrens“ ist. 805  May, Revision, IV Rn.  30. 806  Kroitzsch, AnwBl. 1999, 8 (8); Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  133 Rn.  79; R ­ uban, in: Gräber, FGO, §  115 Rn.  32; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  890.

276

§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

VwGO im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde inkorporiert in systemwidriger Weise verobjektivierte Parteiinteressen am Ausgang des Rechtsstreits in das System des von Allgemeininteressen dominierten Revisionszugangs. Die normative Zuweisung der Verfahrenszwecke der Revision auf deren unterschiedliche Verfahrensstadien wird auf diese Weise zulasten des Rechtseinheitsinteresses neu gestaltet. Zur Anerkennung, Umsetzung und Austarierung von Rechtsmittelzwecken ist aber allein der parlamentarischen Gesetz­ geber berufen. Das – als solches durchaus anerkennenswerte807 – Eigeninteresse der obersten Gerichtshöfe des Bundes an weitergehender Entlastung kann es für sich allein nicht rechtfertigen, durch richterliche Rechtsschöpfung modifizierend oder korrigierend in das gesetzlich begründete und dadurch legitimierte Statthaftigkeitsgefüge des Rechtsmittelsystems der Prozessordnungen einzugreifen808.

V. Fazit zur prozessrechtlichen Untersuchung Die vorstehende Untersuchung ging der Fragestellung nach, ob und in welchem Umfang die Erfolgsaussichten der Revision bei der Entscheidung über ihre Zulassung Berücksichtigung finden können. Den Ausgangs- und Anknüpfungspunkt hierfür bildete die Frage, ob zu diesem Zweck die revisionsverfahrensrechtliche Vorschrift des §  144 Abs.  4 VwGO im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde nach §  133 VwGO analog angewandt werden kann, wie dies in der Zulassungsrechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts befürwortet und praktiziert wird. Hierzu wurden das materielle und das formelle Revisionszulassungsrecht der §§  132, 133 VwGO dahingehend untersucht, inwieweit der Zulassungsentscheidung bereits kraft Gesetzes ein Ausblick auf das zuzulassende Revisionsverfahren und dessen möglichen Ausgang immanent ist und in welcher Weise dies zulassungsverfahrensrechtlich vom Gesetzgeber umgesetzt worden ist. Die hierdurch gewonnenen Erkenntnisse wurden im Hinblick auf die Frage, ob das geltende Recht systemwidrige Regelungslücken in Anbetracht der Berücksichtigungsfähigkeit des Revisionserfolges im Zulassungsstadium aufweist, am Maßstab der Funktions- und Wirkungszusammenhänge von Zugangs- und Rechtsmittelentscheidung und den ihnen hierbei vom Gesetzgeber beigegebenen Zweckvorstellungen gemessen und auf ihre Systemkonformität und Sachgerechtigkeit hin analysiert. Hieran anknüpfend wurde untersucht, in807 

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (299). Ebenso May, Revision, IV Rn.  68a sowie Günther, DVBl. 1998, 678 (685) zur Zulassung der Berufung. 808 

V. Fazit zur prozessrechtlichen Untersuchung

277

wieweit eine analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren sich in die bestehende Regelungssystematik und ihr Funktionsverhältnis zum Rechtsmittelverfahren einbinden ließe und ob hiermit die vom Gesetzgeber mit der Installierung des Systems der Zulassungsrevision in Aussicht genommen Regelungsziele umgesetzt werden könnten. Dabei hat sich gezeigt, dass das Gesetz dem Erfolg der Revision durchaus, aber eben nur in begrenztem Umfang, Bedeutung für die Zulassungsentscheidung beimisst. Sowohl das materielle Revisionszulassungsrecht der Zulassungs­ gründe nach §  132 Abs.  2 VwGO als auch das des Zulassungsverfahrensrecht nach §§  132 Abs.  1, 133 VwGO sind zum Zwecke der Freigabe des zunächst verschlossenen Rechtsmittelzugangs am Maßstab des Allgemeininteresses an einer Revisionsentscheidung über den konkreten Fall darauf angelegt, schon im Zulassungsstadium einen vorgezogenen Ausblick auf die kassatorische Komponente des Revisionsverfahrens i. S. v. §  137 Abs.  1 VwGO zu nehmen. Nur wenn sich feststellen lässt, dass dem Bundesverwaltungsgericht im Zuge der Rechtmäßigkeitskontrolle die Überprüfung der zulassungsträchtigen Begründungsstränge des angegriffenen Urteils möglich wäre und der Ausgang gerade dieser spezifischen Prüfung für die mögliche Aufhebungsentscheidung erheblich wäre, kann die zulassungsrelevante Rechtsfrage vom Revisionsgericht abschließend geklärt werden. Dann ist die Revision zuzulassen. Hätte die Revision dagegen deshalb keine Aussicht auf Erfolg, weil sich die Kassation des angefochtenen Judikates definitiv jedenfalls nicht gerade auf die eventuelle Verwerfung des zulassungsträchtigen Begründungsstranges stützen lassen könnte, so kann auch schon die Revision nicht zugelassen werden. Für die Zulassungsentscheidung, deren Aufgabe in der Ermittlung eines abstrakten höchstrichterlichen Entscheidungsbedarfes und der Feststellung der Möglichkeiten seiner Befriedigung durch eine Revisionsentscheidung im konkreten Verfahren besteht, spielt es dagegen keine Rolle, zu welchem Auslegungs- und hieran anknüpfend auch zu welchem letztendlichen Entscheidungsergebnis das Revisionsgericht hierbei nach Zulassung kommen würde. Es kommt hierfür nicht darauf an, ob das Gericht in dem vordergerichtlichen Begründungsansatz, der die zulassungsrelevante Rechtsfrage aufgeworfen hat, tatsächlich eine Verletzung revisiblen Rechts erblicken und das Judikat aus diesem Grund aufheben wird, denn sowohl die Aufgaben der inhaltlichen Rechtskontrolle als auch der vereinheitlichenden Rechtsfortbildung und Rechtwahrung sind der Revision selbst vorbehalten. Gleichfalls ist es für die Zulassungsentscheidung unerheblich, zu welchem Ergebnis das Revisionsgericht im Rahmen seiner an die vorherige Kassation des Berufungsurteils anknüpfenden Reformationsentscheidung über die Rechtssache selbst gelangen würde, also ob diese nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgericht von der sachlich richtigen Lösung

278

§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

des Falles nach §  144 Abs.  3 VwGO zu einer Abänderung oder nach §  144 Abs.  4 VwGO zur Bestätigung des vorinstanzlichen Tenors führen würde. Die reformatorische Komponente der Revision wird vom Revisionszulassungsrecht vollständig ausgeblendet. Aus dessen Sicht handelt es sich bei dem Rechtsmittel um ein solches rein kassatorischer Art. Die Perspektive des Revisionszulassungsrechts ist insoweit eine rein retro­ spektive, indem es ausschließlich auf die Analyse der Urteilsbegründung des iudex a quo und, ausgehend von dessen materiellem Rechtsstandpunkt, deren Erheblichkeit für das Entscheidungsergebnis des anzufechtenden Urteils abstellt. Dies spiegelt sich auch in den verfahrensrechtlichen Rahmenbedingungen für die Zulassungsentscheidung wider. Insbesondere die Obliegenheit der vorinstanzlich beschwerten Partei, zur Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde nach §  133 Abs.  3 S.  3 VwGO die von ihr für einschlägig erachteten Zulassungsgründe darlegen und substantiieren zu müssen, kann sinnvollerweise nur an solche rechtlichen Aspekte des Falles anknüpfen, die bereits Gegenstand der Vorentscheidung waren. Rechtsfragen und deren Entscheidungsrelevanz, die sich zwar dem Revisionsgericht im Rahmen seiner reformatorischen Entscheidung stellen würden, die aber bisher noch nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen sind, kann der Beschwerdeführer nicht antizipieren und daher auch nicht in zulassungsrelevanter Weise durchdringen und dem Gericht antragen. Aus Entlastungsgründen korrespondiert hiermit der gerichtliche Prüfungsumfang und Zulassungsmaßstab im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren. Das Bundes­ verwaltungsgericht ist als Beschwerdegericht nur dazu aufgerufen, das retrospek­ tiv ausgerichtete Zulassungsvorbringen auf die Einschlägigkeit von Zulassungsgründen in der Entscheidung des Berufungsgerichts hin zu untersuchen und bejahendenfalls die Revision zuzulassen. Die Einbringung neuer rechtlicher Gesichtspunkte zur Begründung der Zulassungsfähigkeit der Rechtssache von Amts wegen ist dem Beschwerdegericht ebenso verwehrt wie eine abschließende Entscheidung über die Sache selbst nach Maßgabe einer reformatorischen Prüfung der Rechtssache. Sachentscheidungskompetenzen bestehen dagegen im Beschwerdeverfahren nur im begrenzten Umfang und Anwendungsbereich des §  133 Abs.  6 VwGO. Die Vorschrift gestattet nur die Aufhebung des angefochtenen Urteils unter Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz bei durchgreifenden Verfahrensrügen, nicht aber auch eine das Verfahren in Gänze beendende materiell-rechtliche Sachentscheidung zulasten des Beschwerdeführers. Dass das geltende Revisionszulassungsrecht daher die der Revision wesenseigene Entscheidungskomponente der Reformation der Rechtssache völlig unberücksichtigt lässt und stattdessen allein auf die kassatorischen Prüfungskomponenten der Revision abstellt, stellt sich damit zwar im weitesten Sinne als Regelungslücke dar. Diese ist aber weder plan- noch systemwidrig, sondern

V. Fazit zur prozessrechtlichen Untersuchung

279

entspricht dem Primat des Allgemeininteresses im Stadium des Revisions­ zugangs unter Ausblendung der Parteiinteressen. Der Gesetzgeber hat mit dem System der Rechtsmittelzulassung unter der Geltung der §§  132, 133 VwGO den Revisionszugang bewusst einem Regelungskonzept unterstellt, dass die Ermittlung eines höchstrichterlichen Entscheidungsbedarfes im Allgemeininteresse anhand der vordergerichtlichen Urteilsbegründung an eine hinreichend verlässliche Untersuchungs- und Prognosegrundlage knüpft. Der hierbei festgestellte Entscheidungsbedarf kann und soll dementsprechend primär durch die Kontrolle des jeweiligen Urteils durch das Revisionsgericht befriedigt werden. Die reformatorische Entscheidung über die Rechtssache selbst dient dagegen ausschließlich den individuellen Belangen der Parteien an einer sachlich richtigen Beendigung des Rechtsstreits809. Wenn aber Parteiinteressen bei der Revisionszulassung zugunsten des Allgemeininteresses an der Wahrung der Rechtseinheit durch Produktion höchstrichterlicher Leitsätze gerade in den Hintergrund treten sollen, darf und muss die Zulassungskontrolle die reformatorische Revisionsfunktion und damit den letztlichen Ausgang des Revisionsverfahrens aus Sicht der Beteiligten ausblenden. Dies gilt nicht nur für die Fälle, in denen das Revisionsgericht nach §  144 Abs.  3 S.  1 Nr.  1 VwGO eine Sachentscheidung über den Rechtsstreit treffen wird, welche den Tenor der angefochtenen Entscheidung reformiert und für die Fälle, in denen das Gericht die Rechtssache nach §  144 Abs.  3 S.  1 Nr.  2 VwGO mangels Spruchreife zur Reformation an die Vorinstanz zurückverweisen müsste. Vielmehr beansprucht dies auch dann Gültigkeit, wenn das angegriffene Urteil aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist und daher nach §  144 Abs.  4 VwGO unter Austausch der Entscheidungsgründe zu bestätigen wäre. Auch dies ist eine reformatorische Sachentscheidung im Parteiinteresse, der eine umfassende Rechtsprüfung der Sache selbst ausgehend vom Rechtsstandpunkt des iudex ad quem zugrunde liegt. Dass die Rechtsfolge des §  144 Abs.  4 VwGO gleichwohl in einem Kassationsverbot, mithin in der Pflicht zur Zurückweisung der Revision, besteht und nicht etwa im Erlass einer zur vordergerichtlichen Tenorierung inhaltsgleichen Sachentscheidung des Revisionsgerichts, hat seine Rechtfertigung allein im Gedanken der Verfahrensgerechtigkeit, macht diese Vorschrift damit aber nicht zu einem Aspekt der Kassationskontrolle selbst. Denn sie knüpft tatbestandlich an die vom Revisionsgericht eigenständig zu entwickelnde Rechtsansicht betreffend die richtige Falllösung an, welche mit dem Vorgang und Ausgang der revisionsrichterlichen Kontrolle, ob das angefochtene Urteil auf der Verletzung revisiblen Rechts beruht, gerade nicht in Zusammenhang steht. Dass ein Urteil in der Revisionsinstanz dann nicht aufzuheben ist, wenn es zwar an sich rechts809 

Traut, Zugang zur Revision, S.  220.

280

§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

widrig ist, das Revisionsgericht aber anhand seiner eigenständigen Sachprüfung zur selben Tenorierung gelangt, ist insoweit allein dem Gedanken der Zweckmäßigkeit geschuldet, nicht aber zwingende Folge der Systematik der Kassa­ tionskontrolle. Die Zulassungsprüfung am Maßstab des §  132 Abs.  2 VwGO, die diese Kassationskontrolle in den Blick nimmt, kann und muss diesen mög­ lichen Verfahrensausgang nicht berücksichtigen und muss in diesen Fällen das mögliche reformatorische Entscheidungsergebnis ausblenden. Damit konnte aber sowohl nachgewiesen werden, dass das geltende Revi­ sionszulassungsrecht in Anbetracht der Erfolgsaussichten der Revision keine ausfüllungsbedürftigen Regelungslücken aufweist als auch, dass der von der Rechtsprechung hierzu herangezogene Analogieschluss zu §  144 Abs.  4 VwGO sowohl in seinen Grundlagen als auch in seiner Rechtsfolge nicht mit der Zielrichtung, Funktionsweise und Systematik der §§  132, 133 VwGO zu vereinbaren ist. Während der Ausblick auf die kassatorischen Erfolgsaussichten der Revision systemimmanentes Wesensmerkmal der Zulassungsgründe des §  132 Abs.  2 VwGO ist und sich auch im Zulassungsverfahrensrecht widerspiegelt, liegen die reformatorischen Erfolgsaussichten der Revision in der Sache „außerhalb des Streitgegenstandes der Nichtzulassungsbeschwerde“810 und können auch nicht künstlich im Wege richterlicher Rechtsfortbildung in das Revisionszulassungssystem inkorporiert werden, ohne dessen normative Grundstruktur und Funktionsweise selbst in Frage zu stellen. Im Stadium des Revisions­ zugangs würde andernfalls das ansonsten vom Gesetzgeber als dominierend erachtete Allgemeininteresse an der Produktion rechtsvereinheitlichender höchstrichterlicher Stellungnahmen, das gerade durch den Vorgang einer Revisionsprüfung zu befriedigen ist, zugunsten der Parteiinteressen, die primär allein am Ausgang des Verfahrens bestehen, preisgegeben. §  144 Abs.  4 VwGO knüpft prinzipiell an die erst im Revisionsverfahren zu treffende Feststellung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Judikates an811. Kann und soll dieser Frage aber im Zulassungsverfahren noch gar nicht nachgegangen werden, sondern nur die Erforderlichkeit einer dahingehenden revisionsgerichtlichen Überprüfung prognostiziert werden, so greift der Regelungszweck des §  144 Abs.  4 VwGO überhaupt noch nicht ein. Das Gesetz hält in den Fällen von §  132 Abs.  2 Nr.  1 und Nr.  2 VwGO eine Revisionsentscheidung nicht wegen der Aussicht auf eine letztendliche Aufhebung des Berufungsurteils im Ergebnis für erforderlich, sondern weil es sich gerade von der Durchführung des Revisionsverfahrens an sich und der dabei vom Bundesverwaltungsgerichts zu leistenden Aus810  Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  13. In diesem Sinne auch Redeker, in: Lenz, Festschrift Gelzer, S.  333 (333). 811  Krasney, in: Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, IX. Rn.  54.

V. Fazit zur prozessrechtlichen Untersuchung

281

einandersetzung mit der von der Vorinstanz vorgenommenen Norminterpreta­ tion einen rechtsschöpferischen oder jedenfalls klarstellenden Beitrag zugunsten der Rechtsgemeinschaft in ihrer Gesamtheit erhofft812. Zudem würde die Nichtzulassungsbeschwerde durch die Inkorporation von Sachprüfungs- und Sach­ entscheidungskompetenzen analog §  144 Abs.  4 VwGO systemwidrig zu einem sachlich-inhaltlichen Vorprüfungsverfahren umfunktioniert, welches es ermög­ lichen könnte, in vereinfachter Weise ohne Bindung an die Verfahrensgarantien der Revision über die Hauptsache befinden und diese nötigenfalls abschlägig bescheiden zu können813. Dies würde dem gesetzlichen Statthaftigkeitssystem der verwaltungsprozessualen Rechtsmittel widersprechen, welches Nichtzulassungsbeschwerde und Revision trotz ihres wechselseitig-funktionalen Bezuges814 klar voneinander trennt. Nur weil die Nichtzulassungsbeschwerde funk­ tional auf die Durchführung der Revision ausgerichtet ist, muss nicht jeder der Revision zugrunde liegende Rechtsgedanke und schon gar nicht jede revisionsverfahrensrechtliche Rechtsvorschrift schon im Zulassungsverfahren Anwendung finden können815. Dass im Rahmen des Prinzips der Rechtsmittelzulassung in einem verfahrenstechnisch ausgelagerten Entscheidungsschritt gesondert über die Zugangsbefugnis zum Rechtsmittelgericht zu befinden ist, darf und kann keinen Anlass dafür bieten, das Rechtsmittel schon im Zulassungsverfahren vorwegzunehmen. Ein modifizierendes oder korrigierendes Eingreifen in die gesetzlichen Bestimmungen über den Instanzenzug nach Maßgabe der eigenen Zweckmäßigkeitsvorstellungen im jeweiligen Fall ist der Judikative nicht gestattet816. Insoweit stellt sich die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde nicht als konsequente Weiterführung eines bereits im Gesetz angelegten Grundkonzeptes dar, sondern als selbst­ständig-­rechtsschöpferische Maßnahme der Eigenentlastung. Das Bundesverwaltungsgericht läuft mit einer solchen Verfahrenspraxis Gefahr, sich selbst nicht nur der eigenen Legitimationsgrundlagen817, sondern auch seines Autoritätsanspruchs gegenüber dem Rechtsunterworfenen zu entledigen. Denn die Autorität eines Gerichts gründet sich gerade auf seine Neutralität818, welche Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  312-3. Rimmelspacher, in: Gottwald/Roth, Festschrift Schumann, S.  327 (337). 814  BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 1975 – 2 BvR 630/73 –, BVerfGE 40, 272 (275). 815  Vgl. Baring, DVBl. 1961, 349 (353): „Die [Nichtzulassungsb]eschwerde ist der Revi­ sion gegenüber nicht ein minus, sondern ein aliud.“ Ähnlich Kummer, Nichtzulassungs­ beschwerde, Rn.  829 zur Frage der Nachholbarkeit einer notwendigen Beiladung im Beschwerdeverfahren. 816  Ebenso May, Revision, IV Rn.  68a. 817  So Reuß, DVBl. 1957, 293 (297). 818  Zippelius, Methodenlehre, S.  54; Günther, DVBl. 1998, 678 (685). 812  813 

282

§  4 Die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Revision

wiederum maßgeblich geprägt und abgesichert wird durch dessen strikte Gesetzesbindung in Fragen des eigenen Verfahrens. Wenn eine gesetzliche Regelung den praktischen Bedürfnissen nicht entspricht, ist es Sache des Gesetzgebers, nach Maßgabe einer das Für und Wider abwägenden Wertentscheidung normativ Abhilfe zu schaffen, wenn er dies für erforderlich hält. Dies suspendiert aber nicht den Geltungsanspruch der Norm und gestattet es dem Richter daher auch nicht, hierbei nach eigenen Zweckmäßigkeitsvorstellungen dem Gesetzgeber vorzugreifen.

§  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Es konnte gezeigt werden, dass die Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Verfahren über die verwaltungsgerichtliche Nichtzulassungsbeschwerde weder im geltenden Revisionszulassungsrecht eine Stütze findet noch in dogmatisch haltbarer Weise durch Analogieschluss in das Beschwerdeverfahren inkorpo­ riert werden kann. Die Nichtzulassung der Revision mangels reformatorischer Erfolgsaussichten aufgrund der vom Beschwerdegericht geprüften und bejahten anderweitigen Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils verstößt daher gegen das Gesetz und ist somit prozessual unzulässig. Anknüpfend an dieses Ergebnis der vorstehenden prozessrechtlichen Untersuchung und die in diesem Zusammenhang gewonnenen Erkenntnisse über die Struktur des verwaltungsgerichtlichen Revisionszulassungsrechts soll im nachfolgenden Abschnitt der Frage nachgegangen werden, ob die als rechtswidrig identifizierte Zulassungspraxis des Bundesverwaltungsgerichts zugleich einen Verstoß gegen die justiziellen Gewährleistungen des Grundgesetzes nach sich ziehen kann. Während nämlich der Gesetzgeber bei der Einrichtung und Ausgestaltung des Rechtsmittelzuges weitgehende Entscheidungsfreiheiten genießt1, werden die Handlungsspielräume der Rechtsprechung aufgrund ihrer Gesetzesbindung nach Art.  20 Abs.  3 GG durch das einfachgesetzliche Prozessrecht beschränkt2. Die Bestimmungen der Prozessordnungen über die Gerichtsverfassung und das gerichtliche Verfahren stellen sich dabei zum Teil selbst als Ausprägungen und Konkretisierungen verfassungsrechtlicher Vorgaben dar bzw. sind durch grundgesetzliche Garan­ tien aufgeladen oder an diese rückgebunden. Insoweit sind „Prozessrecht und Verfassungsrecht […] in vielfältiger Weise miteinander verschränkt und ver­ woben“3. Aufgrund der umfangreichen justiziellen Verfahrensgarantien des Grund­gesetzes lässt sich daher vom „Prozessrecht [als] konkretisiertes VerfasRosenthal, Probleme des ZPO-RG, S.  328; Voßkuhle, Rechtsschutz, S.  28. Ebenso Gaier, NVwZ 2011, 385 (386) und Neuhäuser, Zulassung der Berufung, S.  72. 3  So Bethge, NJW 1991, 2391 (2392) und Baumgärtel, Zulassungsberufung, S.  165. 1  2 

284 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision sungsrecht“4 sprechen. Dies bedeutet aber nicht, dass jedes prozessrechtswid­ rige richterliche Handeln automatisch mit der Bundesverfassung in Konflikt stehen muss. Dies ist vielmehr nur dann der Fall, wenn das in Rede stehende Prozessgesetz gerade Ausdruck des spezifischen Gewährleistungsgehalts einer Verfassungsgarantie ist, diese auf einfach-rechtlicher Ebene umsetzt oder für ihre Ausübung oder Wirksamkeit Voraussetzung ist. Das Bundesverfassungsgericht hat bisher – vor allem in Entscheidungen zur Zulassungsberufung – die Praxis der Rechtsmittelgerichte, auch ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung die Zulassung eines Rechtsmittels mangels Erfolgsaussichten verweigern zu dürfen, mit gewissen Einschränkungen jedenfalls dem Grunde nach für verfassungsrechtlich zulässig erachtet5. Dagegen sehen kritische Stimmen in der rechtswissenschaftlichen Literatur in einer solchen Vorgehensweise die Grenze zum Verfassungsbruch generell oder nach Maßgabe des jeweiligen Einzelfalles als überschritten an, wenngleich eine vertiefte Auseinandersetzung mit den hierbei aufgeworfenen verfassungsrecht­ lichen Fragen noch nicht geleistet worden ist. Dies soll daher Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung sein. Zu diesem Zweck gilt es, zunächst diejenigen verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an die Auslegung und richterliche Anwendung der einfachgesetzlichen Bestimmungen über den Rechtsmittelzugang nach Maßgabe des Zulassungsprinzips zu stellen sind, darzustellen und anschließend die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde als Verknüpfung von Zulassungs- und Sachentscheidung hieran zu messen.

I. Die Rechtsweggarantie gegen Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt, Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG 1. Grundsätzliches zum Gewährleistungsgehalt Die grundrechtliche Gewährleistung des Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG statuiert ein subjektiv-öffentliches Recht auf Zugang zur gerichtlichen Überprüfung potenziell rechtsverletzenden Hoheitshandelns und verlangt in materieller Hinsicht die Effektivität der entsprechenden gerichtlichen Kontroll- und Abhilfeinstrumentarien6. Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG stellt damit als einzige Teilgewährleistung So zum Zivilprozess Isermann, Jurisprudencija 2008, 64 (65). Vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 2007 – 1 BvR 382/05 –, BVerfGK 10, 208 (213 f.) und BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 23. Februar 2011 – 1 BvR 500/07 –, BeckRS 2011, 49213. 6  BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 24. August 2010 – 1 BvR 2309/09 –, BVerfGK 17, 4  5 

I. Die Rechtsweggarantie gegen Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt 285

des Art.  19 GG ein echtes eigenständiges Grundrecht7 und unter den Grundrechten eines der wenigen expliziten Leistungsgrundrechte dar8. Das Grund­ gesetz hat für den Bereich des Rechtsschutzes gegen die öffentliche Gewalt die allgemeine rechtsstaatliche, aus dem Gewaltmonopol des Staates und dem grundsätzlichen Selbsthilfeverbot des Bürgers folgende Garantie9 der Bereitstellung gerichtlicher Verfahren zur Abhilfe bei Rechtsverletzungen „sektoral präzisiert“ und zugleich subjektiv-rechtlich abgesichert10. Die Gewährleistungen des Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG gehen damit, soweit Rechtsverletzungen durch Hoheitsträger in Rede stehen, der allgemeinen staatlichen Justizgewährspflicht und dem korrespondierenden Justizgewährsanspruch des Bürgers vor11. Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG monopolisiert die Letztentscheidungskompetenz über die Durchführbarkeit von Eingriffen in die Rechte des Bürgers am Maßstab des Rechts bei der Judikative12. Diese Verfassungsbestimmung wird daher in der rechtswissenschaftlichen Literatur einerseits als „objektive Wertentscheidung“ der Verfassung mit „formender Kraft für die grundgesetzspezifische Struktur des Rechtsstaats“13 und andererseits als „schlagkräftiges Instrument“ des Grundrechtsträgers zur Verteidigung seiner materiellen Rechte und daher „Sinnbild für die Neugestaltung des Staat-Bürger-Verhältnisses nach 1949“14 angesehen, welche „dem Gewölbe des Rechtsstaats den Schlußstein einfügt“15 und damit den bundesdeutschen Rechtsstaat zum „Richterstaat oder Rechtswegstaat“16 macht. Der Rechtsschutzanspruch richtet sich in seiner Leistungsdimension zunächst gegen den Gesetzgeber, welcher einen entsprechenden Rechtsweg im 508 (510); BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 – 1 BvR 857/07 –, BVerfGE 129, 1 (20); Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Bd. III, Art.  19 IV Rn.  80; Baumgärtel, Zulassungsberufung, S.  189. Kritisch zu Herleitung und Funktion des Effektivitätsgebots Haag, Effektiver Rechtsschutz, S.  36, 42, 65 und passim. 7  Krebs, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art.  19 Rn.  2. 8  Haag, Effektiver Rechtsschutz, S.  24. 9  BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (292); Menger, System, S.  55. 10  Papier, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR VIII, §  176 Rn.  6. 11  BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 22. August 2011 – 1 BvR 1764/09 –, NVwZ-RR 2011, 963 (964); BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, BVerfGE 107, 395 (403); BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 – 1 BvR 830/00 –, NVwZ 2000, 1163 (1164); BVerfG, Beschluss vom 11. Februar 1987 – 1 BvR 475/85 –, BVerfGE 74, 228 (234); Papier, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR VIII, §  176 Rn.  5. 12  Schenke, in: Baumeister/Roth/Ruthig, Festschrift Schenke, S.  305 (307). 13  Papier, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR VIII, §  177 Rn.  5. 14  Schenke, in: Baumeister/Roth/Ruthig, Festschrift Schenke, S.  305 (307). 15  Thoma, in: Dreier, Thoma Abhandlungen, Über die Grundrechte, S.  468 (468). 16  Bettermann, AöR 96 (1971), 528 (528).

286 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision Sinne der Vorschrift dadurch bereits zu stellen hat, indem er zu diesem Zweck eine Gerichtsbarkeit errichtet und unterhält sowie korrespondierende Prozessordnungen vorzuhalten hat, unter deren Geltung Rechtsschutz gegen hoheitliche Rechtsverletzung effektiv verwirklicht werden kann17. Der von Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG geforderte Rechtsweg muss dabei nicht zwingend durch eine organisatorisch verselbstständigte Verwaltungsgerichtsbarkeit gewährleistet werden18, sondern erfordert lediglich in funktioneller Hinsicht eine wirksame Kontrolle der Verwaltung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, also eine materielle Verwaltungsgerichtsbarkeit19. Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG ist dabei einerseits ein schrankenlos gewährleistetes und andererseits zugleich normgeprägtes Grundrecht, welches dabei durch den Gesetzgeber zwar nicht hinsichtlich des »Ob« des Rechtsschutzes eingeengt, aber betreffend des »Wie« des Rechtsschutzes seinem Inhalt nach ausgestaltet und konkretisiert werden kann 20. Grundrechtsschranken können sich daher nur aus der Verfassung selbst, also entweder explizit21 oder als verfassungsimmanente Schranken aufgrund kollidierenden Verfassungsrechts22 ergeben. Die Vorschrift fordert dabei nicht das stets beste oder optimale, sondern lediglich ein ausreichend wirksames Maß an Rechtsschutz23. Zu gewährleisten ist im Mindestmaß die einmalige richterliche Vollkontrolle des Hoheitshandelns unter tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten 24 sowie eine gerichtliche Entscheidung, die im Falle der Feststellung einer Rechtsverletzung des Bürgers zu deren wirksamen Abhilfe geeignet ist25. Ausfluss des 17  BVerfG, Beschluss vom 20. April 1982 – 2 BvL 26/81 –, BVerfGE 60, 253 (267 ff., 296 ff.); Haag, Effektiver Rechtsschutz, S.  24. 18  BVerfG, Beschluss vom 27. Juli 1971 – 2 BvR 443/70 –, BVerfGE 31, 364 (368). 19  A. A. Baumgärtel, Zulassungsberufung, S.  165, welcher in Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG eine „mittelbare institutionelle Garantie der Verwaltungsgerichtsbarkeit“ enthalten sieht. Vgl. zum Streitstand Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  40 Rn.  6 ff. m. w. N. 20  Hufen, Verw 32, 519 (523 f.); Papier, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR VIII, §  177 Rn.  11; Schenke, JZ 2005, 116 (119). 21  So etwa Art.  10 Abs.  2 S.  2 , Art.  16a Abs.  2 S.  3, Abs.  4, Art.  4 4 Abs.  4 S.  1, Art.  41 Abs.  1 GG, vgl. Sachs, in: Sachs, Grundgesetz, Art.  19 Rn.  151 ff. 22  Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Bd. I, Art.  19 IV Rn.  140; Lorenz, in: Erichsen/Hoppe/von Mutius, Festschrift Menger, S.  143 (147). 23  BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 10. September 2009 – 1 BvR 814/09 –, NJW 2009, 3642 (3644); Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Bd. III, Art.  19 IV Rn.  106; Lorenz, in: Erichsen/Hoppe/von Mutius, Festschrift Menger, S.  143 (152). 24  BVerfG, Beschluss vom 20. April 1982 – 2 BvL 26/81 –, BVerfGE 60, 253 (297); Ule, DVBl. 1959, 537 (538). 25  BVerfG, Beschluss vom 19. Juni 1973 – 1 BvL 39/69, 1 BvL 14/72 –, BVerfGE 35, 263 (274); BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 1973 – 1 BvR 23/73, 1 BvR 155/73 –, BVerfGE 35, 382 (401); BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 1975 – 2 BvR 630/73 –, BVerfGE 40, 272 (275); BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 1975 – 2 BvR 854/75 –, BVerfGE 41, 23 (26); BVerfG, Beschluss vom 11. Februar 1976 – 2 BvR 652/75 –, BVerfGE 41, 323 (326); BVerfG, Be-

I. Die Rechtsweggarantie gegen Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt 287

Effektivitätsgebotes ist darüber hinaus auch die Zeitangemessenheit des Rechtsschutzes durch eine entsprechende gerichtliche Verfahrensgestaltung26. Im Übrigen ist das Effektivitätsgebot kein eigenständiges materielles Rechtsprinzip, sondern im Wesentlichen ein Sammelbegriff für verschiedene Aspekte, die nach überkommenem Verständnis ohnehin zum Mindestgehalt gerichtlichen Rechtsschutzes zu zählen sind 27. Bei der Ausgestaltung des Rechtsweges durch den Gesetzgeber hat dieser dafür Sorge zu tragen, dass die Gerichte effektiven Rechtsschutz gewährleisten können 28. Hierbei hat er unterschiedliche verfassungsrechtliche Vorgaben, Wertentscheidungen und Funktionszusammen­hänge sowie die materiellen Rechtspositionen der potenziellen Verfahrensbeteiligten zu berücksichtigen und in ein angemessenes Verhältnis zueinander zu setzen 29. Im Übrigen steht ihm ein erheblicher Gestaltungsspielraum zu, insbesondere ist er nicht zur Vorsehung ganz bestimmter Verfahrens- und Entscheidungsarten verpflichtet30. Er kann dabei die Anrufung der Gerichtsbarkeit von bestimmten formalen oder materiellen Voraussetzungen und Hürden abhängig machen31, darf dabei aber keine unverhältnismäßigen, mit der Rechtsschutzfunktion jeden gerichtlichen Verfahrens in keinem inneren Zusammenhang mehr stehenden und somit sachlich nicht gerechtfertigten Zugangshindernisse aufstellen32.

schluss vom 07. April 1976 – 2 BvR 847/75 –, BVerfGE 42, 128 (130); BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 1977 – 2 BvR 42/76 –, BVerfGE 46, 166 (178); BVerfG, Beschluss vom 07. Oktober 2003 – 1 BvR 10/99 –, BVerfGE 108, 341 (347). Ebenso Schenke, JZ 2005, 116 (123) zur Beseitigung von Gehörsverstößen. Nach BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 – 1 BvR 857/07 –, BVerfGE 129, 1 (21 f.) schließt die Garantie der richterlichen Vollkontrolle Ermessens-, Gestaltungs- und Beurteilungsspielräume der Verwaltung nicht per se aus. 26  Steiner, in: Baumeister/Roth/Ruthig, Festschrift Schenke, S.  1277 (1286 f.); Papier, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR VIII, §  176 Rn.  21 ff. Vgl. auch BVerfG, Beschwerdekammer­ beschluss vom 01. Oktober 2012 – 1 BvR 170/06 – Vz 1/12 –, NVwZ 2013, 789 (790) zur Zeitangemessenheit des Rechtsschutzes vor dem Hintergrund des Art.  6 Abs.  1 EMRK. 27  Ebenso Lorenz, in: Erichsen/Hoppe/von Mutius, Festschrift Menger, S.  143 (152). 28  BVerfG, Beschluss vom 20. April 1982 – 2 BvL 26/81 –, BVerfGE 60, 253 (268 f.); Lorenz, in: Erichsen/Hoppe/von Mutius, Festschrift Menger, S.  143 (145). 29  BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 – 1 BvR 830/00 –, NVwZ 2000, 1163 (1164); Piekenbrock/Schulze, JZ 2002, 911 (918); Gaier, NVwZ 2011, 385 (386). 30  BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 27. Dezember 2002 – 1 BvR 1710/02 – (unveröffentlicht, juris); Papier, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR VIII, §  177 Rn.  58. 31  BVerfG, Beschluss vom 12. Januar 1960 – 1 BvL 17/59 –, BVerfGE 10, 264 (267 f.); Papier, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR VIII, §  177 Rn.  58, 60; Grunsky, Grundlagen, S.  318. 32  BVerfG, Beschluss vom 12. Januar 1960 – 1 BvL 17/59 –, BVerfGE 10, 264 (268); L ­ orenz, in: Erichsen/Hoppe/von Mutius, Festschrift Menger, S.  143 (146 f.).

288 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision

2. Anspruch auf Rechtsschutz gegen den Richterspruch? Die verfassungsrechtliche Rechtsschutzgarantie des Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG umfasst in erster Linie einen Anspruch auf gerichtliche Überprüfung von Rechtsverletzungen des Bürgers durch Akte der Verwaltung. Aus historischer Perspektive sollte sie vor allem der „»Selbstherrlichkeit« der vollziehenden Gewalt im Verhältnis zum Bürger“ dadurch entgegenwirken, dass sämtliche rechtsbeeinträchtigenden Maßnahmen der Verwaltung der tatsächlichen und rechtlichen Nachprüfung durch eine neutrale, unabhängige Streitentscheidungsinstanz unterzogen werden können33. Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG bezweckt damit den Ausgleich der typischen Situation der Unterlegenheit des Bürgers gegenüber der mit eigener Rechtsdurchsetzungsmacht ausgestatteten Administrative34 und ist damit das rechtsstaatlich notwendige Korrelat der hoheitlichen Zwangsbefugnisse der Verwaltung zur Durchsetzung primär staatlicher Eigeninteressen35. Ob darüber hinaus auch die Rechtsprechung unter den Begriff der „öffentliche[n] Gewalt“ im Sinne des Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG fällt und dem Bürger daher auch ein Rechtsschutzanspruch gegenüber rechtswidrigen Richtersprüchen zusteht, ist seit langem umstritten. Es handelt sich dabei um die Glaubensfrage der verfassungsrechtlichen Rechtsmitteldogmatik. Hierzu haben sich im Wesentlichen zwei Gegenpositionen herausgebildet. Die derzeit wohl herrschende Meinung, welche vom Bundesverfassungsgericht36 angeführt wird und auch im 33 

BVerfG, Beschluss vom 12. Januar 1960 – 1 BvL 17/59 –, BVerfGE 10, 264 (267). Grunsky, Grundlagen, S.  8. 35  Ähnlich Menger, System, S.  55; Pache/Knauff, BayVBl. 2004, 385 (387); Degenhart, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR V, §  115 Rn.  6. 36  BVerfG, Beschluss vom 16. Juli 2013 – 1 BvR 3057/11 –, NJW 2013, 3506 (3508); BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2012 – 1 BvL 18/11 –, NJW 2013, 1418 (1422); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 23. Februar 2011 – 1 BvR 500/07 –, BeckRS 2011, 49213; BVerfG, Beschluss vom 08. Dezember 2009 – 2 BvR 758/07 –, BVerfGE 125, 104 (136); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 10. September 2009 – 1 BvR 814/09 –, NJW 2009, 3642 (3642); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 21. Januar 2009 – 1 BvR 2524/06 –, BVerfGK 15, 37 (46); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 30. Juni 2005 – 1 BvR 2615/04 –, BVerfGK 5, 369 (373); BVerfG, Stattgebender Kammer­ beschluss vom 26. April 2005 – 1 BvR 1924/04 –, NJW 2005, 1931 (1932); BVerfG, Nicht­ annahmebeschluss vom 09. März 2004 – 1 BvR 2262/03 –, NJW 2004, 1729 (1730); BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 08. Januar 2004 – 1 BvR 864/03 –, NJW 2004, 1371 (1371); BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, BVerfGE 107, 395 (402); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 27. Dezember 2002 – 1 BvR 1710/02 – (unveröffentlicht, juris); BVerfG, Beschluss vom 05. Dezember 2001 – 2 BvR 527/99, 2 BvR 1337/00, 2 BvR 1777/00 –, BVerfGE 104, 220 (231); BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Januar 2000 – 2 BvR 2125/97 –, DVBl. 2000, 407 (408); BVerfG, Kammerbeschluss vom 07. Dezember 1998 – 1 BvR 831/89 –, NVwZ 1999, 290 (291); BVerfG, Beschluss vom 30. April 1997 – 2 BvR 817/90, 2 BvR 728/92, 2 BvR 802/95, 2 BvR 1065/95 –, BVerfGE 96, 27 (39); BVerfG, 34 

I. Die Rechtsweggarantie gegen Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt 289

rechtswissenschaftlichen Schrifttum37 eine Vielzahl von Anhängern gefunden hat, fasst Akte der Rechtsprechung nicht unter den Anwendungsbereich des Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG und schließt damit ein verfassungsunmittelbares subjektives Recht auf eine Kontrolle richterliche Entscheidungen im Wege eines Instanzenzuges aus. Eine nicht unerhebliche Gegenströmung innerhalb der Rechtswissenschaft38 sieht demgegenüber sowohl ein Bedürfnis nach als auch in Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG eine Grundlage für eine Verankerung einer Rechtsschutzgarantie gegen richterliche Rechtsverletzungen im Grundgesetz und hält daher den Gesetzgeber grundsätzlich zur Vorhaltung von Rechtsmittelzügen für verpflichtet. Je nachdem, ob man die „Tatbestandslösung“ der herrschenden Meinung oder die „Schrankenlösung“ der Gegenauffassung favorisiert, müsste man gesetzliche Rechtsmittelbeschränkung entweder schon nicht als dem Tatbestand des Rechtsschutzanspruchs unterfallend ansehen oder aber diese an Kammerbeschluss vom 07. November 1994 – 2 BvR 2079/93 –, DVBl. 1995, 35 (35); BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. August 1994 – 2 BvR 719/93 –, NVwZ 1994, Beilage 9, 65 (66); BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. Januar 1993 – 2 BvR 1058/92, 2 BvR 1059/92 –, NVwZ 1993, 465 (465); BVerfG, Beschluss vom 07. Juli 1992 – 2 BvR 1631/90, 2 BvR 1728/90 –, BVerfGE 87, 48 (61); BVerfG, Kammerbeschluss vom 18. Dezember 1991 – 1 BvR 1411/91 –, SozR 3-1500 §  160a Nr.  7 S.  14; BVerfG, Beschluss vom 12. Juli 1983 – 1 BvR 1470/82 –, BVerfGE 65, 76 (90); BVerfG, Beschluss vom 20. April 1982 – 2 BvL 26/81 –, BVerfGE 60, 253 (268); BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (291); BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 1975 – 2 BvR 630/73 –, BVerfGE 40, 272 (274); BVerfG, Beschluss vom 05. Februar 1963 – 2 BvR 21/60 –, BVerfGE 15, 275 (280); BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 1960 – 2 BvR 37/60 –, BVerfGE 11, 232 (233); BVerfG, Beschluss vom 10. Juni 1958 – 2 BvF 1/56 –, BVerfGE 8, 174 (177). 37  Sachs, in: Sachs, Grundgesetz, Art.  19 Rn.  120; Blanke, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Vorb. §  124 Rn.  27; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art.  19 Abs.  4 Rn.  99; ders., in: Isensee/Kirchhof, HdBStR II, §  26 Rn.  72; Schwachheim, in: Umbach/­ Clemens, Grundgesetz Kommentar/Handbuch, Art.  19 IV Rn.  160; Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Vorb. §  124 Rn.  4; Papier, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR VIII, §  177 Rn.  43, 58; May, Revision, I Rn.  37; Schenke, JZ 2005, 116 (117); Ule, DVBl. 1959, 537 (538); Gaier, NVwZ 2011, 385 (386); Dehner, NVwZ 2009, 369 (372); Neuhäuser, Zulassung der Berufung, S.  72; Baring, Gutachten A für den 44. DJT., S.  89; Pohle, Gutachten B für den 44. DJT., S.  42; Traut, Zugang zur Revision, S.  77; Baumgärtel, Zulassungsberufung, S.  190; Rosenthal, Probleme des ZPO-RG, S.  330; Schafft, Selektion, S.  207. 38  Hierbei vor allem Voßkuhle, Rechtsschutz, S.  255 ff. und passim; ders., NJW 1995, 1377 (1382 ff.); ders., NJW 2003, 2193 (2196 ff.) sowie Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grund­gesetz Kommentar Bd. I, Art.  19 IV Rn.  49; Krebs, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art.  19 Rn.  58, 63, 69; Huber, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar Grundgesetz, Art.  19 Rn.  442; Brandner, in: Pfeiffer/Kummer/Scheuch, Festschrift Brandner, S.  683 (698); Gilles, JZ 1985, 253 (260); Schreiner, Zulassungsberufung, S.  67; Lorenz, Verwaltungsprozeß­ recht, §  37 Rn.  1 f. und ders., in: Erichsen/Hoppe/von Mutius, Festschrift Menger, S.  143 (154) und im Ansatz auch schon Pohle, Gutachten B für den 44. DJT., S.  42. Einschränkend Uhle, in: Merten/Papier, HGR V, §  129 Rn.  13, 17.

290 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision dessen verfassungs­immanenten Schranken messen39. Insoweit hat die Beantwortung der Streitfrage insbesondere darauf Einfluss, ob entsprechende gesetzliche Regelungen am strengeren Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes oder nur anhand des auch sonst vom Gesetzgeber zu beachtenden Gebotes der Sachgerechtigkeit und des Willkürverbotes40 zu beurteilen sind und wem daher letzten Endes die auch rechtspolitisch determinierte Letztentscheidungskompetenz hinsichtlich grundsätzlicher Systementscheidung im bundesdeutschen Rechtsmittelgefüge zuzubilligen ist – dem Bundesverfassungsgericht oder dem parlamentarischen Gesetzgeber41. Der Gegenstand der vorliegenden Untersuchung liefert weder Anlass noch Grund, sich dieser grundlegenden und zugleich komplexen Fragestellung in aller Ausführlichkeit zu widmen. Die nachfolgende Darstellung dieser Problematik soll sich daher auf einige wenige Grundaus­ sagen konzentrieren, die die insoweit relevantesten Argumente der jeweiligen Positionen wiedergeben und die den Kern des Streitstandes im Wesentlichen erfassen dürften. Die herrschende Meinung stützt die von ihr befürwortete Exemtion spruchrichterlicher Rechtsverletzungen aus dem am Begriff der „öffentliche[n] Gewalt“ ansetzenden Anwendungsbereich des Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG vor allem auf systematische, historische und teleologische Erwägungen. Der Richter sei von der Verfassung gerade als dasjenige zuständige Kontrollorgan vorgesehen, welches die Einhaltung der Gesetzmäßigkeit staatlichen Eingriffshandelns zu kontrollieren hat42 und zu diesem Zweck vom Grundgesetz als Instanz der neutralen Streitentscheidung vorgesehen wurde43. Da aber ein und dieselbe Rechtsnorm den Richter nicht zum Kontrolleur und gleichzeitig zum Kontrollobjekt machen könne, könne die richterliche Rechtsverletzung nicht unter den Tatbestand der Rechtsweggarantie fallen44. Würde man demgegenüber grundsätzlich jeden Richterspruch von der verfassungsrechtlichen Rechtsweggarantie mit umfasst sehen, würde dies jedenfalls in der Theorie zu einer unendlichen Kette von subjektiv-verfassungsrechtlich abgesicherten Überprüfungsmöglichkeiten und Hierzu und zu dieser Terminologie vgl. Schafft, Selektion, S.  188. BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 1995 – 1 BvR 166/93 –, BVerfGE 93, 99 (111). In diesem Sinne auch Schenke, JZ 2005, 116 (120) zum nachträglichen Abbau eines zuvor eingerichteten Rechtsmittelweges. 41  So bereits Schafft, Selektion, S.  191 f. und Traut, Zugang zur Revision, S.  78. 42  Enders, in: Epping/Hillgruber, Grundgesetz, Art.  19 Rn.  57. 43  Sachs, in: Sachs, Grundgesetz, Art.  19 Rn.  120a. 44  BVerfG, Beschluss vom 05. Februar 1963 – 2 BvR 21/60 –, BVerfGE 15, 275 (280). Diese Argumentationslinie geht zurück auf Günter Dürig in der Erstkommentierung des Verfassungskommentares Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art.  19 Abs.  4 Rn.  17: „Art.  19 Abs.  4 gewährt Schutz durch den Richter, nicht gegen den Richter.“ 39 

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Rechtsmittelverfahren führen45 und einen Rechtsschutzanspruch ad infinitum statuieren46. Die von Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG bezweckte Kontrolle hoheitlichen Eingriffshandelns werde vielmehr bereits durch die einmalige Entscheidung des Rechtsstreits bewirkt 47, welche wiederum durch die justizverfassungsrechtlichen Garantien der Art.  97, 101 Abs.  1 S.  2, 103 Abs.  1 GG, die die Gewähr für eine unabhängige und weitestgehend richtige richterliche Entscheidung bieten48, präventiv abgesichert werde. Solange das Gericht den Streitgegenstand unter Einhaltung der grundgesetzlichen Verfahrensgarantien in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht voll überprüfen kann und das Verfahrensrecht eine dem Rechtsschutzbegehren in Umfang und Wirkung angemessene Entscheidung des Gerichts ermögliche, sei dem Rechtsschutzanspruch des Bürgers in vollem Umfang genüge getan49. Das verbleibende Restrisiko50, durch die Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung zu Unrecht belastet zu werden, sei dabei bereits in der grundgesetzlichen Wertentscheidung zugunsten der Konzentration von Letztentscheidungskompetenzen beim Richter angelegt und werde daher von der Verfassung aus Gründen des Rechtsfriedens hingenommen51. Überdies habe es unanfechtbare gerichtliche Entscheidungen schon immer gegeben und der Verfassungsgeber habe nicht beabsichtigt, diese nunmehr für unzulässig zu erklären52. Wie jedes andere Leistungsgrundrecht auch gewährleiste die Rechtsweggarantie kein Optimum, sondern nur ein notwendiges und hinreichend effek­ tives Mindestmaß an vorzuhaltender staatlicher Leistung53, nämlich nur die einmalige gerichtliche Vollkontrolle54. Die Einrichtung von darüber hinausgehenden verfahrensrechtlichen Instrumenten wie Rechtsmittelzügen durch den 45  Schenke, JZ 2005, 116 (117) mit dem Hinweis darauf, dass auch Art.  95 Abs.  1 GG von einem Ende des Rechtsweges ausgeht. 46  BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, BVerfGE 107, 395 (401 f.). 47  Bettermann, AöR 96, 528 (537); Sachs, in: Sachs, Grundgesetz, Art.  19 Rn.  120. 48  BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, BVerfGE 107, 395 (402 f.); Schwachheim, in: Umbach/Clemens, Grundgesetz Kommentar/Handbuch, Art.  19 IV Rn.  160; Schenke, JZ 2005, 116 (119). 49  BVerfG, Beschluss vom 20. April 1982 – 2 BvL 26/81 –, BVerfGE 60, 253 (297); G ­ runsky, Grundlagen, S.  484; Gaier, NVwZ 2011, 385 (386); Frey, in: Gärditz, VwGO Kommentar, Vor §  124 Rn.  60. 50  Dazu gehöre auch das Risiko einer Grundrechtsverletzung durch eine letztinstanz­liche und damit unanfechtbare Hauptsacheentscheidung, so Prütting, Zulassung, S.  190. 51  BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, BVerfGE 107, 395 (402). 52  BVerfG, Beschluss vom 21. Oktober 1954 – 1 BvL 9/51, 1 BvL 2/53 –, BVerfGE 4, 74 (95); Ule, DVBl. 1959, 537 (538); Schenke, JZ 2005, 116 (117). 53  BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 10. September 2009 – 1 BvR 814/09 –, NJW 2009, 3642 (3644); Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Bd. I, Art.  19 IV Rn.  79. 54  Bettermann, AöR 96 (1971), 528 (550).

292 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision Gesetzgeber sei allein eine rechtspolitische Frage und stehe unter dem Vorbehalt des Möglichen55. Die Gegenmeinung erkennt den maßgeblichen Anknüpfungspunkt der Rechtsweggarantie des Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG nicht im Begriff der „öffentliche[n] Gewalt“, sondern in der potentiellen Verletzung materieller Rechte des Bürgers. Eben diese – und nicht etwa die Form des Staatshandelns – sei es, welche ein verfassungsrechtliches Kontrollbedürfnis aufwerfe56. Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG gehe daher von einem umfassenden rechtsstaatlichen Kontrollkonzept jeglicher hoheitlicher Machtausübung gegenüber dem Bürger aus57. Diese Kontrolle werde vom Grundgesetz auf Basis der Gewaltenteilung gegenüber der Administrative auf die Verwaltungs- und gegenüber der Legislative auf die Verfassungsgerichtsbarkeit übertragen. Aufgrund der institutionell und verfahrensrechtlich abgesicherten Unabhängigkeit der Judikative könne es hingegen in Fällen eines rechtsstaatlich determinierten Kontrollbedürfnisses58 gegenüber richterlichem Eingriffshandeln nicht zu einer Fremdkontrolle durch andere Staatsgewalten kommen, weshalb die Gerichtsbarkeit bereits inhärent auf ein System der Eigenkontrolle angelegt sei59. Das Bedürfnis nach einer Kontrolle des Richters durch den Richter werde dabei durch die ausschließliche Gesetzesbindung und deren dabei gleichzeitig bestehende Unabhängigkeit nicht etwa ausgeschlossen, sondern gerade indiziert, weil jeder rechtlichen Bindung die Möglichkeit eines Rechtsverstoßes gerade immanent sei60. Dieses Prinzip der Eigenkontrolle der Judikative sei dabei keineswegs allein auf eine autoritäre Fehlerkontrolle der Rechtsmittelgerichte über die Eingangsinstanzen beschränkt, sondern vielmehr ein System der wechselseitigen Kontrolle von Tatsachen- und Rechtsinstanz, welches seine Grundlage im Anspruch des Bürgers auf die Gewährleistung eines „neutralen Verfahrens“ durch die Gerichtsbarkeit 55  Traut, Zugang zur Revision, S.  77; Gaier, NVwZ 2011, 385 (386); Ule, DVBl. 1959, 537 (538). 56  Krebs, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art.  19 Rn.  58; Lorenz, in: Erichsen/Hoppe/von Mutius, Festschrift Menger, S.  143 (154); Voßkuhle, NJW 2003, 2193 (2196). 57  Voßkuhle, NJW 1995, 1377 (1382); Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, §  37 Rn.  1 unter Hinweis auf Art.  95 Abs.  1 GG. 58  Dies seien insbesondere die Bereiche, in denen das Gericht weniger als Kontrolleur fremden Handelns, sondern selbst als Rechtsanwender auftritt, was nach Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art.  19 Abs.  4 Rn.  99 ff. vor allem die Richtervorbehalte, die freiwillige Gerichtsbarkeit und die Handhabung des eigenen Gerichtsverfahrensrechts durch die Judikative betrifft. 59  Gilles, JZ 1985, 253 (260). 60  Brandner, in: Pfeiffer/Kummer/Scheuch, Festschrift Brandner, S.  683 (692, 694); Schreiner, Zulassungsberufung, S.  66.

I. Die Rechtsweggarantie gegen Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt 293

finde61. Diese wechselseitige Kontrolle wiederum zeige sich in den unterschiedlichen Letztentscheidungskompetenzen der jeweiligen Gerichte, wie sie etwa im geltenden Revisionsrecht des §  137 Abs.  1, Abs.  2 VwGO zum Ausdruck kommen: Während der Richterspruch der Tatsacheninstanz in Bezug auf die Rechtslage nur vorbehaltlich besserer Rechtserkenntnis durch das Rechtsmittelgericht bestehen bleiben könne, ist Letzteres demgegenüber grundsätzlich nicht befugt, sich über die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz hinwegzusetzen, weshalb es seine Rechtserkenntnis gerade am durch die Unterinstanz verbindlich ermittelten Sachverhalt zu gewinnen hat62. Indem auf diese Weise die Ausübung richterlicher Gewalt bei der Entscheidung eines Rechtsstreits zwischen mehreren Spruchkörpern einerseits kompetenziell verteilt, andererseits wechselseitig miteinander verknüpft sei, untergliedere sich der Gesamtanspruch auf ein neutrales Verfahren in der Regel in einen primären Gerichtszugangs- und Justizgewährsanspruch und in einen sekundären Kontrollanspruch auf eine Rechtskontrolle der Vorinstanz durch das Rechtsmittelgericht63. Danach würde Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG neben dem Anspruch auf Zugang zur Eingangs- als Tatsacheninstanz im Regelfall auch einen grundrechtlich gestützten Anspruch auf eine Revisions- als Rechtsinstanz beinhalten64. Der gänzliche Ausschluss von Rechtsmitteln wie auch die qualitative und quantitative Beschränkung des Rechtsmittelzugangs könne demnach nur zum Schutz anderer Rechtsgüter von Verfassungsrang und unter Beachtung der Gleichbehandlungs- und Verhältnismäßigkeitsgrundsätze vor dem Grundgesetz Bestand haben. Der Ausschluss rechtmittelrichterlicher Kontrolle erfordere dabei insbesondere organisatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen, die die Qualität der richterlichen Entscheidungsfindung in erster Instanz sowohl in Anbetracht der tatsächlichen Wahrheits- wie auch der materiellen Rechtsfindung sicherstellen können65. Die derzeit geltende verwaltungsprozessuale Rechtslage dürfte sowohl der Tatbestandslösung der herrschenden Meinung als auch der teilweise favorisierten Schrankenlösung entsprechen. So ist der Zugang zur Berufung trotz aller Dazu Voßkuhle, Rechtsschutz, S.  94 ff., 255 ff.; ders., NJW 1995, 1377 (1379). Voßkuhle, Rechtsschutz, S.  301; ders., NJW 1995, 1377 (1383). 63  Voßkuhle, Rechtsschutz, S.  310 f. 64  Voßkuhle, Rechtsschutz, S.  326 f.; ders., NJW 1995, 1377 (1383). 65  Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Bd. I, Art.  19 IV Rn.  94; Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, §  37 Rn.  2; ders., in: Erichsen/Hoppe/von Mutius, Festschrift Menger, S.  143 (154); Brandner, in: Pfeiffer/Kummer/Scheuch, Festschrift Brandner, S.  683 (699); Gilles, JZ 1985, 253 (260); Krebs, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art.  19 Rn.  63, 69. Nach Hufen, Verw 32, 519 (542) könnten allein fiskalische Gründe den partiellen oder vollständigen Ausschluss von Rechtsmitteln nicht tragen, denn das rechtsstaatliche Rechtsschutzgebot stehe nicht unter einem „Budgetvorbehalt“. Ausführlich dazu Voßkuhle, Rechtsschutz, S.  311 ff. und passim. 61 

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294 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision Kritik am 6. VwGOÄndG aus jüngerer Zeit66 jedenfalls auch auf eine Fehlerkontrolle der Ausgangsentscheidung angelegt und verwirklicht damit neben den Interessen der Allgemeinheit an einer einheitlichen Fortbildung des Rechts vor allem eine Rechtsschutzfunktion, die auch dem Kontrollanliegen der Schrankenlösung entsprechen dürfte67. Im Übrigen gewährleistet die Verfassung effektiven Rechtsschutz in Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG nicht abschließend, sondern nur spezifisch gegenüber der davon umfassten öffentlichen Gewalt68. Weil die Verwaltung kraft ihrer gesetzlichen Befugnisse unmittelbar eingreifend tätig werden kann, befindet sich der Bürger ihr gegenüber in der Situation einer Verfahrensunterworfenheit, der die Gefahr der Verletzung materieller Grundrechts­ positionen immanent ist69. Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG begegnet dieser Gefahr, indem es dem so »unterlegenem« Bürger ein Recht auf Anrufung einer neutralen Streitentscheidungsinstanz gewährt, die mit ihren speziellen Verfahrensgarantien eine besondere Gewähr für eine tatsächlich wirksame Kontrolle der in Rede stehenden Maßnahmen bieten kann70. Diese Art von Gefährdungslage besteht aber bei spruchrichterlichem Handeln jedenfalls nicht in dieser Form. Denn die Gerichte selbst handeln, soweit sie spruchrichterlich, also streitentscheidend, tätig werden, als unabhängige Kontrollorgane fremden Eingriffshandelns, nicht aber selbst eingreifendend71. Die Unabhängigkeit der Gerichte unter ausschließlicher Bindung an Recht und Gesetz gewährleistet grundsätzlich eine Entscheidungsfindung, die nicht an originär staatlichen Eigeninteressen ausgerichtet ist, sondern eine Streitentscheidung unter größtmöglicher Richtigkeitsgewähr und Neutralität bietet72. Diese richterliche Entscheidungsfindung ist dabei determi66  Statt vieler vgl. Erbguth, DÖV 2009, 921 ff.; Uechtritz, VBlBW. 2000, 65 ff.; Berkemann, DVBl. 1998, 446 ff.; Redeker, NJW 1998, 2790 ff. 67  Voßkuhle, Rechtsschutz, S.  314. Vgl. BVerfG, Beschluss vom 08. Dezember 2009 – 2 BvR 758/07 –, BVerfGE 125, 104 (139): „Der vom Gesetzgeber für Fragen von grundsätzlicher Bedeutung vorgesehene Rechtsschutz im Berufungsverfahren […]“. Siehe hierzu auch BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 24. Januar 2007 – 1 BvR 382/05 –, BVerfGK 10, 208 (214); BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 23. Juni 2000 – 1 BvR 830/00 –, NVwZ 2000, 1163 (1164); Happ, in: Eyermann, VwGO, §  124 Rn.  9. May, Revision, IV Rn.  400 und Traut, Zugang zur Revision, S.  78 f. folgern aus der Existenz der Berufungsinstanz, das damit der Forderung nach grundsätzlicher Mehrinstanzlichkeit genügt sein dürfte. 68  BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, BVerfGE 107, 395 (401). 69  Degenhart, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR V, §  115 Rn.  6. 70  BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, BVerfGE 107, 395 (402 f.) 71  So auch Pache/Knauff, BayVBl. 2004, 385 (387). Schenke, JZ 2005, 116 (121) weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass der Richter im Vergleich zur Verwaltungsbehörde stets nur das normative Interesse i. S. e. Kontrollinteresses anhand des Gesetzes verfolgt, ihm aber gerade nicht die Gestaltung der Rechtslage nach eigenen Zweckmäßigkeitsvorstellung als eine Art Vertreter öffentlicher Interessen aufgetragen ist. 72  Papier, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR VIII, §  177 Rn.  43.

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niert durch die Bindung an die justiziellen Grundrechte und objektiv-rechtlichen Verfassungsvorgaben, die bereits im Vorfeld dafür Sorge tragen sollen, dass dem Gericht verfassungsrechtlich nicht hinnehmbare Rechtsfehler gar nicht erst unterlaufen73. Insbesondere steht den Prozessbeteiligten aufgrund ihres Gehörsanspruches aus Art.  103 Abs.  1 GG bereits auf Grundlage der Verfassung die Möglichkeit zu, auf die Entscheidungsfindung des Gerichts schon im Vorfeld Einfluss zu nehmen, während die Verwaltung jedenfalls dem Grunde nach befugt ist, zunächst einseitig verbindlich Rechtsfolgen zu setzen, welche erst nachträglich der Kontrolle unterliegen74. Wie die anderen Justizgrundrechte auch dient der Anspruch auf rechtliches Gehör dazu, ein rechtsstaatliches Gerichtsverfahren und dadurch die inhaltliche Richtigkeit der gerichtlichen Entscheidung im Vorhinein sicherzustellen und auf diese Weise ­Gesetzesverstößen der Judikative vorzubeugen75. Durch diese besonderen justizverfassungsrechtlichen Absicherungen der Rechtsstellung des Bürgers vor Gericht zeigt sich, dass das Grundgesetz in Bezug auf die Judikative nicht wie gegenüber der Administrative auf repressive, sondern jedenfalls im verfassungsrechtlich garantierten Mindestmaß auf präventive Kontrolle und Absicherung bereits durch die angerufene staatliche Stelle selbst ausgerichtet ist und ein Bedürfnis nach einer Inhaltskontrolle der richterlichen Entscheidung insoweit jedenfalls grundsätzlich nicht kennt76. Nur wenn gerade diese Sicherungsinstrumente versagen, entfällt das Vertrauen, dass das Grundgesetz in die Richtigkeitsgewähr des gerichtlichen Verfahrens setzt und daher aus Gründen der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens auch eventuelle Fehlurteile in Kauf nimmt77. Dabei handelt es sich um einen Fall hoheitlicher Rechtsverletzungen, der zwar nicht unter den Gewährleistungsgehalt des Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG fällt, gleichwohl aber aus rechtsstaatlichen Gründen der richterlichen Kontrolle und gegebenenfalls Korrektur ­bedarf. Insoweit sind es die aus Art.  20 Abs.  3 GG folgende allgemeine Justiz­gewährspflicht und der korrespondierende Justizgewährsanspruch der Prozess­partei, welche außerhalb des Anwendungsbereiches des Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG dem primären Anspruch auf Gewährleistung eines prozessual ordnungsgemäßen Verfahrens einen sekun­ dären Kontrollanspruch zur Seite stellen und eine fachgerichtliche Abhilfe dieser Rechtsverletzung erforderlich machen78. Können nämlich die Justizgrundrechte denknotwendigerweise nur durch den Richter selbst garantiert und damit auch 73 

BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, BVerfGE 107, 395 (402 f.). Degenhart, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR V, §  115 Rn.  6. 75  Bruns, Prozeßgrundrechte, S.  2 f. 76  BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, BVerfGE 107, 395 (402 f.). 77  Ähnlich Pache/Knauff, BayVBl. 2004, 385 (387). 78  BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, BVerfGE 107, 395 (401 ff., 74 

296 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision nur von diesem beeinträchtigt werden, bliebe ihre Verletzung ansonsten ohne verfassungsrechtlich abgesicherte Sanktionierung und würde deren Geltungs­ anspruch und Wirkkraft unterminieren. Insoweit kann es einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf fachgerichtlichen Rechtsschutz gegenüber dem Richterspruch nur in Anbetracht der Verletzung von Justizgrundrechten, nicht aber im Hinblick auf dessen inhaltliche Rechtmäßigkeit und Richtigkeit geben79. Das Bundesverfassungsgericht hat dies in seinem Plenarbeschluss vom 30. April 2003 für den Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art.  103 Abs.  1 GG klargestellt80, ohne aber zugleich ein generelles Recht auf die Einrichtung von Instanzenzügen zu statuieren81. Denn ob diese fachgerichtliche Abhilfe im Wege eines Rechtsmittels an die höhere Instanz oder aber im Wege eines Rechtsbehelfes an die Ausgangsinstanz zu geschehen hat, ist verfassungsrechtlich nicht determiniert und der justizpolitischen Entscheidung des Prozessgesetzgebers über­ lassen. Das Grundgesetz vertraut es nämlich schon dem iudex a quo selbst an, für die ordnungsgemäße Handhabe des Prozessrechts sowohl primär im Haupt­ sacheverfahren als auch sekundär im Wege einer Selbstkorrektur Sorge zu tragen, weil dieser als neutrale und sachlich unabhängige Streitentscheidungsinstanz über fremde Rechte82 nicht eigene Interessen, sondern ausschließlich das objektive Interesse an der Wahrung der Rechtsordnung verfolgt. Die Justizgrundrechte setzen insoweit einen bereits anderweitig eröffneten Zugang zum Gericht voraus, statuieren diesen hingegen aber nicht selbst83. Somit kann die spruchrichterliche Tätigkeit nicht als eine solche Form der Ausübung öffentlicher Gewalt angesehen werden, gegen die nach Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG der Rechtsweg offen steht.

3. Der vom Gesetzgeber vorgehaltene Rechtsmittelweg als „Rechtsweg“ i. S. d. Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG Die Einrichtung repressiver Kontrollmechanismen gegen richterliche Rechtsverletzungen ist dem einfachen Gesetzgeber dadurch natürlich nicht verwehrt84. Erachtet er eine inhaltliche Kontrolle gerichtlicher Entscheidung für notwendig 407); BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 08. Januar 2004 – 1 BvR 864/03 –, NJW 2004, 1371 (1371). 79  BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 08. Januar 2004 – 1 BvR 864/03 –, NJW 2004, 1371 (1371). 80  BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, BVerfGE 107, 395 ff. 81  Ebenso Papier, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR VIII, §  177 Rn.  43. 82  Grunsky, Grundlagen, S.  226 f. sieht hierin die Grundlage des Gehörsanspruchs. 83  BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, BVerfGE 107, 395 (408 f.); Uhle, in: Merten/Papier, HGR V, §  129 Rn.  5. 84  Vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 09. März 2004 – 1 BvR 2262/03 –, NJW

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oder bezweckt er, durch die Anrufbarkeit der obersten Zentralinstanzen i. S. v. Art.  95 Abs.  1 GG eine einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen, so steht es ihm gleichwohl frei, Rechtsmittelzüge vorzuhalten. Sieht das einfache Gesetzesrecht über die verfassungsrechtliche Mindestgarantie einer einmaligen gerichtlichen Vollkontrolle des Verwaltungshandelns hinaus die Möglichkeit der Inanspruchnahme weiterer Instanzen vor, so stellt sich die Anrufung der Rechtsmittelinstanz als Weiterverfolgung des ursprünglichen Rechtsschutzbegehrens des Bürgers dar, wobei der Rechtsschutzzweck dabei auch durch andere Rechtsmittelzwecke, etwa die Wahrung der Rechtseinheit, flankiert und ergänzt werden kann85. Der hierfür vom Gesetzgeber einfachgesetzlich vorgehaltene Rechtsmittelweg wächst dann dem Garantiegehalt des Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG zu und stellt sich in diesem Falle als „Rechtsweg“ im Sinne der Norm dar, sodass auch in den Verfahren vor den höheren Instanzen innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens und Umfangs effektiver Rechtsschutz durch eine wirksame richterliche Kontrolle zu gewährleisten ist86. Insoweit zeitigt Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG in Anbetracht des Instanzenzuges zwar keine originäre Leistungs-, wohl aber eine sekundäre Teilhabedimension87. Deshalb richtet sich die verfassungsrechtliche Rechtsschutzgarantie auch an die Judikative, die bei der Auslegung und Anwendung des einschlägigen Prozessrechts die Rechtsschutzfunktion des gerichtlichen Verfahrens zu beachten und zu verwirklichen hat, soweit das Gesetz dies ermöglicht88. Einen zwar nicht unmittelbar verfassungsrechtlich garantierten, gleichwohl aber grundrechtlich geschützten Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz in mehreren Instanzen kann sich somit nur, aber 2004, 1729 (1730); BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, BVerfGE 107, 395 (407 f.); Bettermann, AöR 96, 528 (537) sowie Hager, NJW-Sonderheft 2003, 2. Hannoveraner ZPO-Symposion, S.  23 (24) zum Zivilprozess. 85  Ebenso Prütting, Zulassung, S.  86; Paulus, ZZP 71, 188 (196). 86  BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2012 – 1 BvL 18/11 –, NJW 2013, 1418 (1422); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 23. Februar 2011 – 1 BvR 500/07 –, BeckRS 2011, 49213; BVerfG, Beschluss vom 05. Dezember 2001 – 2 BvR 527/99, 2 BvR 1337/00, 2 BvR 1777/00 –, BVerfGE 104, 220 (232); BVerfG, Kammerbeschluss vom 07. Dezember 1998 – 1 BvR 831/89 –, NVwZ 1999, 290 (291); BVerfG, Beschluss vom 30. April 1997 – 2 BvR 817/90, 2 BvR 728/92, 2 BvR 802/95, 2 BvR 1065/95 –, BVerfGE 96, 27 (39); BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 1975 – 2 BvR 630/73 –, BVerfGE 40, 272 (274 f.); BVerwG, Beschluss vom 28. März 2006 – 6 C 13/05 –, NVwZ-RR 2006, 580 (582); Blanke, in: Sodan/ Ziekow, VwGO, Vorb. §  124 Rn.  29; Sachs, in: Sachs, Grundgesetz, Art.  20 Rn.  164; Ibler, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, Art.  19 IV Rn.  46; Gaier, NVwZ 2011, 385 (386); Schenke, JZ 2005, 116 (120); Proske, NJW 1997, 352 (352). 87  Brandner, in: Pfeiffer/Kummer/Scheuch, Festschrift Brandner, S.  683 (687). 88  BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 27. Dezember 2002 – 1 BvR 1710/02 – (unveröffentlicht, juris); Schmidt-Aßmann, Verw 44, 105 (115); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  543.

298 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision auch immer dann aus dem einfachen Gesetzesrecht ergeben, wenn dieses ein solches Rechtsmittel vorhält und im konkreten Fall die Voraussetzungen seiner Inanspruchnahme erfüllt sind89. Diese Gesetzesabhängigkeit des Rechtsschutzanspruchs in höheren Instanzen hat zur Folge, dass Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG weder der inhaltlichen Begrenzung des rechtsmittelrichterlichen Kontrollumfangs90 noch der quantitativen und qualitativen Beschränkung des Rechtsmittelzugangs entgegensteht91. Rechtsmittelzugangsbeschränkungen, die den Zweck und die Funktion des Rechtsmittelverfahrens wesentlich mitbestimmen92 , müssen daher nicht selbst am Parteiinteresse an weitergehendem Rechtsschutz ausgerichtet sein, sondern können auch Allgemeininteressen verwirklichen93. Es ist somit weder der Gesetzgeber gleichsam in abstracto auf normativer Ebene noch die Judikative im Einzelfall verpflichtet, den Rechtsmittelzugang allein unter Rechtsschutzgesichtspunkten zu eröffnen. Stellt das Gesetz hierfür auf andere Kriterien ab, so kann die alleinige Geltendmachung einer Rechtsverletzung durch das angegriffene Urteil nicht dazu zwingen, die formalen und materiellen gesetzlichen Anforderungen an den Rechtsmittelzugang außer Betracht zu lassen und allein aufgrund eventueller Erfolgschancen die höhere Instanz freizugeben94.

89  BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 08. Januar 2004 – 1 BvR 864/03 –, NJW 2004, 1371 (1371); Gaier, NVwZ 2011, 385 (386); Blanke, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Vorb. §  124 Rn.  29. 90  BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 08. Januar 2004 – 1 BvR 864/03 –, NJW 2004, 1371 (1371); BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, BVerfGE 107, 395 (401); BVerwG, Beschluss vom 28. März 2006 – 6 C 13/05 –, NVwZ-RR 2006, 580 (582); Traut, Zugang zur Revision, S.  69; Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR II, §  26 Rn.  72; Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Vorb. §  124 Rn.  4. 91  BVerfG, Beschluss vom 12. Januar 1960 – 1 BvL 17/59 –, BVerfGE 10, 264 (268); BVerfG, Beschluss vom 20. April 1982 – 2 BvL 26/81 –, BVerfGE 60, 253 (268); BVerfG, Kammerbeschluss vom 07. Dezember 1998 – 1 BvR 831/89 –, NVwZ 1999, 290 (291). 92  Schreiner, Zulassungsberufung, S.  21; Dethloff, ZRP 2000, 428 (429); Günther, DVBl. 1998, 678 (678). Hierzu kritisch Saueressig, System, S.  310. 93  BVerfG, Beschluss vom 08. Dezember 1965 – 1 BvR 662/65 –, BVerfGE 19, 323 (327); BVerfG, Kammerbeschluss vom 18. Dezember 1991 – 1 BvR 1411/91 –, SozR 3-1500 §  160a Nr.  7 S.  14; BVerfG, Kammerbeschluss vom 07. Dezember 1998 – 1 BvR 831/89 –, NVwZ 1999, 290 (291); BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 – 1 BvR 830/00 –, NVwZ 2000, 1163 (1164); BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 08. Januar 2004 – 1 BvR 864/03 –, NJW 2004, 1371 (1372); BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 09. März 2004 – 1 BvR 2262/03 –, NJW 2004, 1729 (1730); Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  12; Gaier, NVwZ 2011, 385 (387). 94  BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. November 1992 – 1 BvR 974/92 –, NVwZ 1993, 358; BVerwG, Beschluss vom 16. Mai 1988 – 7 B 221/87 –, NJW 1988, 2400 (2401); May, Revision, I Rn.  37.

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Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Plenarbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1980 zur zivilprozessualen Annahmerevision nach §  554b ZPO a. F.95. Unter der Geltung dieser Vorschrift durfte der Bundesgerichtshof nach eigenem Ermessen die Annahme einer Revision in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, bei der die Werthöhe der Beschwer die Wertgrenze nicht überstieg, ablehnen, wenn die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hatte. Das Bundesverfassungsgericht hatte diese Form der Selbststeuerung der eigenen Arbeitsbelastung des Revisionsgerichts für unvereinbar mit den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Rechtsmittelklarheit und Rechtsmittel­gleich­ heit96 erachtet und die Vorschrift des §  554b ZPO a. F. nur insoweit für verfassungsrechtlich haltbar erklärt, soweit der Ablehnung der Revision eine summarische Erfolgsaussichtenprüfung des Rechtsmittels vorausging97. Hieraus lässt sich jedoch nicht folgern, dass der Rechtsmittelzugang aus verfassungsrechtlichen Gründen generell unter den Vorbehalt zu bejahender Erfolgsaussichten zu stellen ist. Denn der Plenarbeschluss betraf allein die normative Ausgestaltung der Revision als Annahmerechtsmittel, genauer gesagt den gesetzlich eingeräumten und dabei nicht weiter determinierten Ermessensspielraum des Revi­ sionsgerichts bezüglich der Ablehnung der Annahme der Revision, welcher es dem Bundesgerichtshof potenziell ermöglichte, solche Umstände der Entscheidung zugrunde zu legen, die in keinem inneren Zusammenhang mit dem konkreten Rechtsmittelverfahren selbst standen98. Aus dem Funktionszusammenhang zwischen dem bereits eröffneten Rechtsmittel und der erst im Nachhinein ansetzenden Ablehnungsbefugnis nach §  554b ZPO a. F. schloss das Bundesverfassungsgericht, dass für diese Art der nachträglichen Verweigerung einer Sachentscheidung keine anderen sachlichen Gründe als solche unzureichenden Parteiinteresses, mithin fehlende Erfolgsaussichten, in Betracht kommen könnten99. Die derzeit geltende Gestaltung des Rechtsmittelzugangs in der Form der Rechtsmittelzulassung beruht dagegen insoweit auf einem anderen Konzept, als es die Entscheidung über die Durchführbarkeit des Rechtsmittelverfahrens diesem vorlagert und das gerichtliche Entscheidungsprogramm hierfür bereits auf normativer Ebene so weitgehend determiniert, dass die Möglichkeit der Einflussnahme sachfremder Erwägungen ausgeschlossen ist100. Eine Übertragung der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu §  554b ZPO ist insoweit nicht möglich und die vom Bundesverfassungsgericht aus verfassungsrechtli95 

BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 ff. Vgl. hierzu ausführlich unter §  5 III. und IV. 97  BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (285 ff.). 98  BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (287, 293). 99  BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (294 f.). 100  Gaier, NJW-Sonderheft 2003, 2. Hannoveraner ZPO-Symposion, S.  18 (19).

96 

300 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision chen Gründen angemahnte Erfolgsaussichtenprüfung daher nicht auch unter der Geltung des Zulassungsprinzips erforderlich101. Der Plenarbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1980 könnte daher auch nicht als Grundlage für die Annahme herhalten, der Zugang zur Revision sei aus verfassungsrechtlichen Gründen nur dann zu eröffnen, wenn dem Rechtsmittel auch Erfolgsaussichten beizumessen seien. Eine entsprechende Vorabprüfung der Revision im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde im Wege einer analogen Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO ist insoweit jedenfalls nicht verfassungsrechtlich geboten.

4. Verbot unzumutbarer, sachlich nicht gerechtfertigter Zugangserschwerungen zur nächsten Instanz Ist der einfach-gesetzlich vorgesehene Rechtsmittelweg daher der von Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG verfassungsrechtlich geschützte Rechtsweg, so gebietet dies, die Effektivität des Rechtsschutzes nicht nur in Anbetracht der erstmaligen Anrufung der Gerichte, sondern auch in allen weiteren Instanzen sicherzustellen102. Dies umfasst nicht nur das gerichtliche Verfahren an sich, sondern auch schon den Zugang zum Rechtsmittelgericht. Daher untersagt es Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG unter anderem, „den Zugang zur jeweils nächsten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren“103. Dies gilt zunächst für den Gesetzgeber, welcher den Rechtsmittelzugang nicht durch Aufstellung sachwidriger oder faktisch unerfüllbarer Zugangshindernisse blo101  Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. November 1992 – 1 BvR 974/92 –, NVwZ 1993, 358. Im Ergebnis ebenso Prütting, Zulassung, S.  276; Ball, in: Heinrich, Festschrift Musielak, S.  27 (48 f.); Dethloff, ZRP 2000, 428 (432); Ruban, in: Gräber, FGO, §  115 Rn.  13; Traut, Zugang zur Revision, S.  76. 102  BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 1975 – 2 BvR 630/73 –, BVerfGE 40, 272 (274 f.); BVerwG, Beschluss vom 28. März 2006 – 6 C 13/05 –, NVwZ-RR 2006, 580 (582). 103  BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1978 – 2 BvR 1055/76 –, BVerfGE 49, 329 (341). Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung, Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG garantiere zwar keinen Rechtmittelweg, verlange aber im Falle seiner Einrichtung dessen Rechtsschutzeffizienz, ist auf erhebliche Kritik in der Literatur gestoßen. Vorgeworfen wird dieser Ansicht vor allem, dass sie dazu führe, dass ein „beschwerliches“ Rechtsmittel verfassungswidrig, dessen gänzlicher Ausschluss aber verfassungsgemäß sein könne,so beispielsweise Gilles, Ziviljustiz, S.  121 sowie ders., JZ 1985, 253 (260) und Voßkuhle, NJW 1995, 1377 (1381). Haag, Effektiver Rechtsschutz, S.  59 sieht hierin „eine Art Logik, die wohl nur dem Bundesverfassungsgericht selbst verständlich ist“ und einen „kühne[n] und nicht zu erklärende[n] argumentative[n] Trick“. Bedenkt man aber dabei, dass die Rechtsschutzgarantie in ihrer Funktion einerseits als leistungs- und andererseits als Teilhaberecht unterschiedliche strenge Vorgaben liefern kann, so gehen diese Einwände ins Leere, so auch Brandner, in: Pfeiffer/Kummer/ Scheuch, Festschrift Brandner, S.  683 (687).

I. Die Rechtsweggarantie gegen Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt 301

ckieren darf104. Gleiches gilt aber auch für die Auslegung und Anwendung der Bestimmungen über den Rechtsmittelzugang durch den Fachrichter selbst. Auch soweit diese maßgeblich auf das Allgemeininteresse an einer Entscheidung der Rechtssache abstellen, dürfen die gesetzlichen Voraussetzungen des Gerichtszugangs weder durch unverhältnismäßig hohe formale Anforderungen an die Geltendmachung von Rechtsschutzbegehren noch durch die Statuierung unsachlicher materieller Kriterien derart überspannt werden105, dass das gesetzliche vorgesehen Rechtsmittel Gefahr liefe, seine ihm angedachte Funktion nicht effektiv erfüllen zu können und damit letztlich „leerlaufen“ würde106. Dies gilt nicht nur für Rechtsmittel in der Hauptsache, sondern auch für einzelne Teilrechtswege sowie für Rechtsbehelfe wie den Antrag auf Zulassung der Berufung nach §  124a Abs.  4 –6 VwGO oder die Nichtzulassungsbeschwerde nach §  133 VwGO, mit denen die Eröffnung des Hauptsacherechtsmittels erst separat erstritten werden kann107. Insoweit kann also auch eine an sich verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Verfahrensvorschrift in ihrer abstrakten Auslegung oder ihrer Anwendung im Einzelfall selbstständig die Rechtsschutz­ garantie verletzen108. Keine Frage des Rechtsschutzanspruches, sondern eine solche des sachlichen Rechts ist es demgegenüber, wenn das zugrunde zulegen104  Vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 12. September 2005 – 2 BvR 277/05 –, BVerfGK 6, 206 (209 f.), wonach Kostenregelungen nicht dazu führen dürfen, dass Rechtsschutz praktisch nur noch anhand der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gewährt wird. 105  BVerfG, Beschluss vom 04. Mai 2004 – 1 BvR 1892/03 –, BVerfGE 110, 339 (342) zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. 106  BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 28. Juni 2012 – 1 BvR 2952/08 –, BVerfGK 19, 467 (473); BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2005 – 2 BvR 656/99, 2 BvR 657/99, 2 BvR 683/99 –, BVerfGE 112, 185 (215); BVerfG, Beschluss vom 05. Dezember 2001 – 2 BvR 527/99, 2 BvR 1337/00, 2 BvR 1777/00 –, BVerfGE 104, 220 (232); BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Januar 2000 – 2 BvR 2125/97 –, DVBl. 2000, 407 (408); BVerfG, Beschluss vom 17. März 1988 – 2 BvR 233/84 –, BVerfGE 78, 88 (99); BVerfG, Beschluss vom 30. April 1997 – 2 BvR 817/90, 2 BvR 728/92, 2 BvR 802/95, 2 BvR 1065/95 –, BVerfGE 96, 27 (39); VGH Mannheim, Beschluss vom 03. Mai 2011 – 10 S 354/11 –, NVwZ-RR 2011, 751 (751). 107  Vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 30. Juni 2005 – 1 BvR 2615/04 –, BVerfGK 5, 369 (373); BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 23. Juni 2000 – 1 BvR 830/00 –, NVwZ 2000, 1163 (1164) sowie BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. August 1994 – 2 BvR 719/93 –, NVwZ 1994, Beilage 9, 65 (66) zur Zulassung der Berufung. 108  BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 22. August 2011 – 1 BvR 1764/09 –, NVwZ-RR 2011, 963 (964); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 10. September 2009 – 1 BvR 814/09 –, NJW 2009, 3642 (3642); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 19. Juli 2007 – 1 BvR 650/03 –, BVerfGK 11, 420 (432 f.); BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. Januar 1993 – 2 BvR 1058/92, 2 BvR 1059/92 –, NVwZ 1993, 465 (465); BVerfG, Beschluss vom 11. Februar 1987 – 1 BvR 475/85 –, BVerfGE 74, 228 (234); BVerfG, Be-

302 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision de materielle Recht von den Gerichten falsch ausgelegt und angewandt wird und dabei durch die unrichtige Negierung der in Streit stehenden Rechte auch zwangsläufig die effektive gerichtliche Durchsetzung derselben beeinträchtigt wird109. Im Rahmen des Rechtsmittelzugangs nach Maßgabe des Zulassungsprinzips betrifft das Verbot, den Zugang zu Gericht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren, sowohl das formelle als auch das materielle Rechtsmittelzulassungsrecht. Die Darlegungsobliegenheiten des Rechtsmittelführers dürfen demnach nicht derartigen Anforderungen unterworfen werden, welche „auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können“110. Insbesondere darf dem Rechtsmittelführer dabei keine derart intensive und umfangreiche Begründung abverlangt werden, die das Gericht im Falle der Zulassung des Rechtsmittels und Entscheidung über die Sache erst selbst zu entwickeln hätte111. Darüber hinaus wirkt Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG auch auf die Auslegung der Rechtsmittelzulassungsgründe selbst ein, indem diese ihrer Funktion, allein über das »Ob« des Rechtsschutzes in der höheren Instanz Aufschluss zu geben, nicht beraubt werden dürfen112. Die verfassungsrechtliche Rechtsschutzgarantie ist in dieser Hinschluss vom 20. Dezember 1979 – 1 BvR 385/77 –, BVerfGE 53, 30 (61); Gaier, NVwZ 2011, 385 (386). 109  BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 1998 – 1 BvR 661/94 –, BVerfGE 97, 298 (315 f.); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  542. 110  BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 24. August 2010 – 1 BvR 2309/09 –, BVerfGK 17, 508 (510 f.); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 22. August 2011 – 1 BvR 1764/09 –, NVwZ-RR 2011, 963 (964); BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 – 1 BvR 830/00 –, NVwZ 2000, 1163 (1164); BVerfG, Kammerbeschluss vom 07. November 1994 – 2 BvR 2079/93 –, DVBl. 1995, 35 (35). Kritisch hierzu Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  46: Die konstant hohe Zahl erfolgloser Nichtzulassungsbeschwerden zeige, dass „das Vertrauen in den rechtsprechenden Charakter der höchsten Gerichte größer ist als das Verständnis seiner rigorosen Zulassungsfilter. Damit muss die Frage, ob die Beschreitung der Revisionsstrecke nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr verständlich zu machenden Weise erschwert wird, als offen bezeichnet werden.“ 111  BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 – 1 BvR 830/00 –, NVwZ 2000, 1163 (1164); BVerfG, Beschluss vom 08. Dezember 2009 – 2 BvR 758/07 –, BVerfGE 125, 104 (139). 112  BVerfG, Beschluss vom 16. Juli 2013 – 1 BvR 3057/11 –, NJW 2013, 3506 (3508); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 22. August 2011 – 1 BvR 1764/09 –, NVwZ-­ RR 2011, 963 (964); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 23. Februar 2011 – 1 BvR 500/07 –, BeckRS 2011, 49213; BVerfG, Beschluss vom 08. Dezember 2009 – 2 BvR 758/07 –, BVerfGE 125, 104 (139 f.); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 10. September 2009 – 1 BvR 814/09 –, NJW 2009, 3642 (3642); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 21. Januar 2009 – 1 BvR 2524/06 –, BVerfGK 15, 37 (47, 52); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 24. Januar 2007 – 1 BvR 382/05 –, BVerfGK 10, 208 (214); BVerfG,

I. Die Rechtsweggarantie gegen Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt 303

sicht jedenfalls dann verletzt, wenn trotz einschlägiger Zulassungsgründe die Rechtsmittelzulassung verweigert wird, obwohl es hierfür an sachlichen Gründen mangelt113. Vor diesem Hintergrund lässt sich die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde nicht als unzumutbares, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigendes Hindernis des Revisionszugangs ansehen. Aus der Perspektive des Rechtsschutzanspruchs des in der Berufungsinstanz ganz oder teilweise unterlegenen Beschwerdeführers betrachtet, macht es für diesen nämlich regelmäßig keinen Unterschied, ob er erst mit seiner Revision oder schon mit einer entsprechenden Nichtzulassungsbeschwerde nicht durchzudringen vermag, wenn das Bundesverwaltungsgericht ohnehin das Berufungsurteil aus anderen als den vorinstanzlich herangezogenen Gründen im Ergebnis bestätigen würde114. Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG zielt auf die Verwirklichung des materiellen Rechts im Zuges eines neutralen Verfahrens vor einem unabhängigen Gericht. Aus welchen inhaltlichen Gründen dieses materielle Recht aber im Einzelfall zu bejahen oder zu verneinen ist, ist keine Frage der Rechtsweggarantie. Insoweit begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, ein in seiner Begründung rechtswidriges Urteil unter Austausch der Urteilsgründe aufrechtzuerhalten und ein entsprechendes Rechtsmittel der beschwerten Prozesspartei zurückzuweisen115. Dies gilt zunächst für die reformierend-konfirmierende Revisionsentscheidung nach §  144 Abs.  4 VwGO. Steht aber dieses Entscheidungsergebnis schon im Stadium der Rechtsmittelzulassung fest, so wird dem verfassungsrechtlichen Rechtsschutzanspruch der Partei auf Anrufung der nächsten Instanz und auf deren Entscheidung über die Sache Stattgebender Kammerbeschluss vom 30. Juni 2005 – 1 BvR 2615/04 –, BVerfGK 5, 369 (373 f.); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 27. Dezember 2002 – 1 BvR 1710/02 – (unveröffentlicht, juris); BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 – 1 BvR 830/00 –, NVwZ 2000, 1163 (1164); BVerfG, Kammerbeschluss vom 07. November 1994 – 2 BvR 2079/93 –, DVBl. 1995, 35 (35); BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. August 1994 – 2 BvR 719/93 –, NVwZ 1994, Beilage 9, 65 (66); BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. Januar 1993 – 2 BvR 1058/92, 2 BvR 1059/92 –, NVwZ 1993, 465 (465); BVerfG, Beschluss vom 08. Oktober 1991 – 1 BvR 1324/90 –, BVerfGE 84, 366 (369); BVerfG, Beschluss vom 02. Dezember 1987 – 1 BvR 1291/85 –, BVerfGE 77, 275 (284); BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1978 – 2 BvR 1055/76 –, BVerfGE 49, 329 (341); BSG, Beschluss vom 16. November 2000 – B 4 RA 122/99 B –, SGb 2003, 120 (125); Gaier, NVwZ 2011, 385 (386). 113  BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 19. Juli 2007 – 1 BvR 650/03 –, ­BVerfGK 11, 420 (432 f.); BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. Januar 1993 – 2 BvR 1058/92, 2 BvR 1059/92 –, NVwZ 1993, 465 (465). 114  Schmid, DStR 1993, 1284 (1284). 115  Ähnlich Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Bd. I, Art.  19 IV Rn.  96 unter Hervorhebung des Gedankens des Rechtsschutzbedürfnisses als Sachbescheidungs­ interesse.

304 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision bereits dadurch Genüge getan, wenn diese unter analoger Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO bereits im Zulassungsverfahren eine dementsprechende Sachentscheidung trifft116. Aus der Perspektive des Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG – und nur hierum geht es an dieser Stelle – wird der beschwerten Partei der Zugang zu einer Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts damit nicht gänzlich verweigert, sondern eben » in anderer Form« gewährt. Insoweit stellt die offensichtliche materielle Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils in diesem Kontext einen sachlichen Grund dar, den Zugang zum Verfahren über die Revision zu verweigern117. Von einer unzumutbaren – sprich: durch den Rechtsmittelführer praktisch unerfüllbaren – Zugangshürde kann insoweit auch keine Rede sein, weil sich diese Form der Erfolgsprognose allein auf das gerichtliche Prüfprogramm und die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde erstreckt, von den Parteien selbst jedoch keinen weiteren formalen Aufwand erfordert. Die Zumutbarkeitsgrenze ist aber dann tangiert und zugleich überschritten, wenn das Gericht vom Beschwerdeführer über die Darlegung von Zulassungsgründen nach §  133 Abs.  3 S.  3 VwGO hinaus verlangt, darzutun, dass sich das angefochtene Urteil auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis richtig darstellen kann. Denn dies hätte zum einen die Notwendigkeit einer vollumfänglichen Begutachtung der Rechtssache auch unter all jenen denkbaren Gesichtspunkten, die bisher nicht Verfahrensgegenstand waren, zur Folge, was innerhalb der knapp bemessenen Beschwerdebegründungsfrist des §  133 Abs.  3 S.  1 VwGO regelmäßig nicht zu leisten ist, und zum anderen wäre seitens des Beschwerdeführers dem Gericht bereits die Entscheidungsbegründung zu liefern, dies es im Rahmen der reformatorischen Prüfung der Rechtssache im Revi­ sionsverfahren eigentlich selbst zu entwickeln hätte118. 116 

In diese Richtung auch BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 23. Februar 2011 – 1 BvR 500/07 –, BeckRS 2011, 49213. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 24. Januar 2007 – 1 BvR 382/05 –, BVerfGK 10, 208 (213 f.) mahnt diesbezüglich an, dass ein Austausch der Begründung bereits im Zulassungsverfahren voraussetzt, dass die neuen Gründe auf der Hand liegen müssen. 117  Auch unter Geltung der Annahmerevision nach §  554b ZPO a. F. stellten fehlende Erfolgsaussichten einen sachlichen Grund zur Verweigerung des Revisionszugangs dar, so explizit BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (281), wenngleich diese Rechtsprechung aufgrund der unterschiedlichen gesetzlichen Konstruktion von Zulassungs- und Annahmerevision nicht unbesehen auf das Prinzip der Rechtsmittelzulassung ohne Ermessenspielraum übertragen werden kann, vgl. oben §  5 I. 3. 118  BVerfG, Beschluss vom 08. Dezember 2009 – 2 BvR 758/07 –, BVerfGE 125, 104 (139); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 02. März 2006 – 2 BvR 767/02 –, NVwZ 2006, 683 (684); Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  124a Rn.  125. So auch BVerfG, Beschluss vom 09. Mai 1978 – 2 BvR 952/75 –, BVerfGE 48, 246 (263); BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 1994 – 1 BvR 1022/88 –, BVerfGE 91, 93 (117) sowie BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. August 1995 – 1 BvR 568/93 –, NZA-RR 1996, 26 (27)

I. Die Rechtsweggarantie gegen Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt 305

Die Inkorporation einer Ergebnisrichtigkeitsprüfung in das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde analog §  144 Abs.  4 VwGO stellt sich daher jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Verbotes unzumutbarer, sachlich nicht zu rechtfertigender Rechtsmittelzugangshürden als mit Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG vereinbar dar, soweit das Darlegungserfordernis des §  133 Abs.  3 S.  3 VwGO hierauf nicht ausgedehnt wird.

5. Anspruch auf Einhaltung der gesetzlich vorgesehenen Grundstruktur des Rechtsmittelsystems Über das soeben erörterte Verbot unzumutbarer Zugangshürden zum Rechtsmittelgericht hinaus folgt aus dem Umstand, dass es sich bei dem vom einfachen Gesetzgeber geschaffen Instanzenweg um den von Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG im Einzelfall grundrechtlich geschützten Rechtsweg handelt, ein weiteres verfassungsrechtliches Gebot, welches bei der Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen über den Rechtsmittelzugang durch den Richter zu beachten ist: Die Prozessparteien haben einen Anspruch darauf, dass über ihr Rechtschutzbegehren jedenfalls grundsätzlich in der verfahrenstechnischen Art und Weise entschieden wird, wie dies vom Prozessgesetzgeber vorgesehen w ­ orden ist119. Eröffnet das Gesetz ein Rechtsmittel und sind die gesetzlichen Voraussetzungen seiner Inanspruchnahme im Einzelfall erfüllt, so können die Verfahrensbeteiligten grundrechtlich beanspruchen, dass das Gericht bei der Behandlung der Sache diejenigen verfahrensrechtlichen Grundstrukturen des jeweiligen Rechtsmittelverfahrens einhält, die das konkrete Rechtsmittel kennzeichnen und die dem Schutz der Parteien dienen120. Die normative Ausgangsunter dem Blickwinkel des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG. Insoweit ist die Entscheidung des BSG, Beschluss vom 12. Juli 1985 – 7 BAr 114/84 –, SozR 1500 §  160a Nr.  54 S.  72 kritisch zu betrachten, weil sie dem Nichtzulassungsbeschwerdeführer – in diesem Fall allerdings wohlgemerkt einem Hoheitsträger – eben jenen Vorwurf unzureichender Darlegungen machte. Dass die Erstreckung des Darlegungserfordernisses auf den Ausschluss anderweitiger Ergebnisrichtigkeit schon aus prozessrechtlichen Gründen unzulässig wäre, wurde oben bereits ausführlich dargestellt, vgl. §  4 IV. 2. c) bb) (1) (c). 119  In diese Richtung auch Enders, in: Epping/Hillgruber, Grundgesetz, Art.  19 Rn.  71: „Da die von Art 19 Abs 4 GG tatbestandlich vorausgesetzte Rechtsverletzung den rechtswidrigen Eingriff meint […], schützt Art 19 Abs 4 GG insoweit zunächst vor gesetzeswidrigem, dh zuständigkeits- und verfahrenswidrigem Verhalten der Gerichte.“ 120  Vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Juli 2013 – 1 BvR 3057/11 –, NJW 2013, 3506 (3508 f.); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 15. Februar 2011 – 1 BvR 980/10 –, NVwZ-RR 2011, 460 (461); BVerfG, Beschluss vom 08. Dezember 2009 – 2 BvR 758/07 –, BVerfGE 125, 104 (139 f.); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 24. Januar 2007 – 1 BvR 382/05 –, BVerfGK 10, 208 (213 f.); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 21. Januar 2009 – 1 BvR 2524/06 –, BVerfGK 15, 37 (47); BVerfG, Stattgebender Kammer-

306 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision grundlage der anwendbaren Rechtsmittelstruktur darf daher durch den Richter nicht in einer solchen Weise ausgelegt oder gar modifiziert werden, dass sie eine zu der jeweiligen gesetzgeberischen Systementscheidung im Widerspruch stehende Verfahrensweise ermöglichen könnte. Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG garantiert eben nicht nur dem bloßen Inhalt nach eine Entscheidung eines Gerichts, welche den geltend gemachten Rechten zur effektiven Durchsetzung verhelfen kann, sondern eben gerade das Offenstehen eines bestimmten Rechtsweges gegen die eventuelle Rechtsverletzung. Unter diesem »Rechtsweg« ist die Behandlung der konkreten Rechtssache im dafür gesetzlich vorgesehenen – gegebenenfalls auch mehrinstanzlichen – gerichtlichen Verfahren zu verstehen, die zu eben jener Entscheidung über die Rechtssache führen soll121. Dann ist das entscheidende Gericht aber auch verfassungsrechtlich gehalten, den Rechtsstreit auf demjenigen verfahrensrechtlichen Wege zu beurteilen, den das Gesetz ihm vorgibt. Denn dem um Rechtsschutz Suchenden soll durch die jeweiligen Prozessordnungen der Weg gewiesen werden, auf welchem er die Durchsetzung der von ihm beanspruchten Rechte erreichen können soll122. Insoweit muss das Prozessrecht eine verlässliche Kalkulationsgrundlage für die Prognose eines Erfolges in der Sache wie auch für das dazu erforderliche gerichtliche Vorgehen des sich in seinen Rechten verletzt sehenden Bürgers bilden können123. Daher ist es den Gerichten nicht gestattet, nach Maßgabe der Besonderheiten des konkreten Einbeschluss vom 02. März 2006 – 2 BvR 767/02 –, NVwZ 2006, 683 (684 f.); VGH Mannheim, Beschluss vom 03. Mai 2011 – 10 S 354/11 –, NVwZ-RR 2011, 751 (752). Vgl. auch zum Rechtsschutz bei Maßnahmen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, BVerfG, Kammerbeschluss vom 07. September 1994 – 2 BvR 2093/93 –, NJW 1995, 2024 (2025) sowie BVerfG, Beschluss vom 03. Juni 1992 – 2 BvR 1041/88, 2 BvR 78/89 –, BVerfGE 86, 288 (318): „die Verfahrensgestaltung […] ha[t] sich tunlichst im Rahmen der vom Gesetzgeber gewählten Grundstruktur des Verfahrens zu halten“. Ähnlich auch Ibler, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, Art.  19 IV Rn.  46 sowie BSG, Beschluss vom 16. November 2000 – B 4 RA 122/99 B –, SGb 2003, 120 (123 ff.), wobei das Gericht hierzu maßgeblich auf Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG abstellt. 121  Ähnlich Enders, in: Epping/Hillgruber, Grundgesetz, Art.  19 Rn.  71; Jarass, in: Jarass/­ Pieroth, Grundgesetz Kommentar, Art.  19 Rn.  49, 52. 122  Vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 22. Mai 2012 – 2 BvR 820/11 –, NVwZ 2012, 1390 (1391): „Indem das OVG die Rechtsfrage gleichwohl bereits im Prozesskostenhilfeverfahren zum Nachteil des Bf. beantwortet hat, hat es diesem den chancengleichen Zugang zum gesetzlich vorgesehenen Weg der Klärung (vgl. §§  124 II Nr. 3, 132 II Nr. 1 VwGO) verwehrt“ (Hervorhebung durch Verfasser). Ebenso BVerfG, Beschluss vom 09. August 1978 – 2 BvR 831/76 –, BVerfGE 49, 148 (164) und BVerfG, Beschluss vom 07. Juli 1992 – 2 BvR 1631/90, 2 BvR 1728/90 –, BVerfGE 87, 48 (65). 123  Vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 02. März 2006 – 2 BvR 767/02 –, NVwZ 2006, 683 (684): „Der Rechtsmittelführer muss sich jedenfalls darauf verlassen können, dass das OVG nicht ohne vorherigen Hinweis auf Umstände abstellt, zu denen er nicht verpflichtet ist, von sich aus vorzutragen.“ und „Der Beschwerdeführer durfte davon ausge-

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zelfalles allein anhand der von ihnen jeweils für prozessökonomisch sinnvoll erachteten Zweckmäßigkeitsvorstellungen solche gesetzliche Verfahrensstrukturen zu umgehen oder zu durchbrechen, die vom Gesetzgeber gerade in Abwägung verschiedener betroffener Rechtspositionen und Interessenlagen bewusst vorgesehen wurden124. Dies betrifft jedenfalls diejenigen Verfahrensstrukturen, die sich als gesetzgeberische Systementscheidungen darstellen und das Wesen und den Charakter des jeweiligen Rechtsmittels prägen oder die dem Schutz der prozessualen Rechte der Beteiligten dienen125. Nicht jeder einfache Verfahrensfehler kann automatisch einen Verstoß gegen die Rechtsschutzgarantie des Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG indizieren, dies würde dem Verhältnis von Verfassungsund Fachrecht nicht gerecht126. Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG gewährleistet damit nicht nur, dass gerichtlicherseits über das Rechtsschutzgesuch des Bürgers eine inhaltliche Entscheidung zur Sache getroffen wird, die der Rechtsverletzung effektiv abhelfen kann, sondern auch, dass hierüber grundsätzlich in der gesetzlich vorgesehen verfahrensrechtlichen Art und Weise entschieden wird127. Für den Rechtsmittelzugang nach Maßgabe des Zulassungsprinzips bedeutet dies, dass es dem iudex ad quem grundsätzlich verwehrt ist, bereits im bei ihm anhängigen Zulassungsverfahren das eigentliche Rechtsmittelverfahren vorwegzunehmen128. Denn das dem Rechtsmittel vorgeschaltete Zulassungsverfahren hat allein die Funktion, über das „ Ob“ des Rechtsschutzes in der höheren Instanz verbindlich Auskunft zu geben, grundsätzlich aber nicht, diesen Rechtsschutz bereits selbst zu leisten129. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Gesetz hen, dass das Zulassungsverfahren nicht die Aufgabe hat, das Berufungsverfahren vorwegzunehmen“ (Hervorhebungen jeweils durch Verfasser). 124  Vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 21. Januar 2009 – 1 BvR 2524/06 –, BVerfGK 15, 37 (52). 125  So in der Sache auch BVerfG, Beschluss vom 08. Dezember 2009 – 2 BvR 758/07 –, BVerfGE 125, 104 (139 f.). Ähnliches vertritt das BVerfG auch zur Verfahrensgarantie des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG, vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1990 – 2 BvL 12/88, 2 BvL 13/88, 2 BvR 1436/87 –, BVerfGE 82, 159 (194); BVerfG, Kammerbeschluss vom 08. Mai 1991 – 2 BvR 1380/90 –, NJW 1991, 2893 (2893); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 10. Juni 2005 – 1 BvR 2790/04 –, BVerfGK 5, 316 (321 f.). 126  Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juni 1964 – 1 BvR 37/63 –, BVerfGE 18, 85 (92 f.). 127  Ebenso BSG, Beschluss vom 16. November 2000 – B 4 RA 122/99 B –, SGb 2003, 120 (123). 128  BVerfG, Beschluss vom 16. Juli 2013 – 1 BvR 3057/11 –, NJW 2013, 3506 (3509); BVerfG, Beschluss vom 08. Dezember 2009 – 2 BvR 758/07 –, BVerfGE 125, 104 (139 f.); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 21. Januar 2009 – 1 BvR 2524/06 –, BVerfGK 15, 37 (47); VGH Mannheim, Beschluss vom 03. Mai 2011 – 10 S 354/11 –, NVwZ-RR 2011, 751 (752). Ebenso BSG, Beschluss vom 16. November 2000 – B 4 RA 122/99 B –, SGb 2003, 120 (125), allerdings unter dem Blickwinkel des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG. 129  BSG, Beschluss vom 16. November 2000 – B 4 RA 122/99 B –, SGb 2003, 120 (125)

308 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision dem Zulassungsgericht eine entsprechende Sachprüfungs- und Sachentscheidungskompetenz einräumt, wie dies etwa bei gerügten und vorliegenden kausalen Verfahrensmängeln im Berufungsurteil mit §  133 Abs.  6 VwGO der Fall ist. Unter diesem Aspekt der Rechtsschutzgarantie des Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG ist es dem Zulassungsgericht verwehrt, den Parteien Obliegenheiten, insbesondere Darlegungs- und Begründungspflichten, aufzuerlegen, die diese eigentlich erst im Rechtsmittelverfahren treffen130. Weiterhin darf es die Rechtssache nicht losgelöst von der gesetzlichen Begrenzung des Streitgegenstandes des Zulassungsverfahrens schon vorab einer solch umfassenden Prüfung unterziehen, die an sich nur dem Rechtsmittelgericht unter entsprechender Absicherung durch die Verfahrensgarantien des Rechtsmittelverfahrens obliegt131. Denn das Zulassungsverfahren ist vom Gesetzgeber gerade deshalb als im Vergleich zum Rechtsmittel gestrafftes und gekürztes Verfahren ausgestaltet worden, weil in ihm nur über die Zulassungsfrage, nicht aber schon über die Sache zu entscheiden ist, weshalb dieses im Hinblick auf die in der höheren Instanz angestrebte Richtigkeitsgewähr auch nur begrenzt leistungsfähig ist. An den eingeschränkten Kapazitäten dieses Verfahrens hat sich demnach auch die Intensität der richterlichen Prüfung zu orientieren132. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Ausprägung des Gewährleistungsgehalts des Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG vor allem in Entscheidungen zur Zulassung der Berufung mehrfach besonders hervorgehoben133. Dass für die Zulassung der unter Hinweis auf die vor dem Hintergrund des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG zu beachtende funktionelle Zuständigkeitsverteilung zwischen Beschwerde- und Revisionsgericht. 130  BVerfG, Beschluss vom 08. Dezember 2009 – 2 BvR 758/07 –, BVerfGE 125, 104 (139); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 02. März 2006 – 2 BvR 767/02 –, NVwZ 2006, 683 (684). 131  BVerfG, Beschluss vom 16. Juli 2013 – 1 BvR 3057/11 –, NJW 2013, 3506 (3509); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 15. Februar 2011 – 1 BvR 980/10 –, NVwZ-RR 2011, 460 (461); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 21. Januar 2009 – 1 BvR 2524/06 –, BVerfGK 15, 37 (47); BVerfG, Beschluss vom 08. Dezember 2009 – 2 BvR 758/07 –, BVerfGE 125, 104 (140); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 02. März 2006 – 2 BvR 767/02 –, NVwZ 2006, 683 (684 f.). 132  BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 23. Februar 2011 – 1 BvR 500/07 –, BeckRS 2011, 49213; BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 24. Januar 2007 – 1 BvR 382/05 –, BVerfGK 10, 208 (214); VGH Mannheim, Beschluss vom 03. Mai 2011 – 10 S 354/11 –, NVwZ-RR 2011, 751 (752). 133  Vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Juli 2013 – 1 BvR 3057/11 –, NJW 2013, 3506 (3509); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 23. Februar 2011 – 1 BvR 500/07 –, BeckRS 2011, 49213; BVerfG, Beschluss vom 08. Dezember 2009 – 2 BvR 758/07 –, BVerfGE 125, 104 (139 f.); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 21. Januar 2009 – 1 BvR 2524/06 –, BVerfGK 15, 37 (46 ff.); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 24. Januar 2007 – 1 BvR 382/05 –, BVerfGK 10, 208 (213 f.); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 02. März 2006 – 2 BvR 767/02 –, NVwZ 2006, 683 ff.

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Revision etwas anderes gelten könne, ist insoweit nicht ersichtlich und ließe sich insbesondere auch nicht allein mit den Unterschieden zwischen Tatsachen- und Rechtskontrollinstanz begründen134. Auch aus dem Umstand, dass im Rahmen der Entscheidung über die Zulassung der Berufung nach §  124 Abs.  2 Nr.  1, Nr.  2 VwGO im Gegensatz zur Zulassung der Revision bereits im Rechtsmittelzugangsstadium Parteiinteressen an weitergehendem Rechtsschutz eine Rolle spielen können135, lässt sich nichts anderes herleiten. Denn auch in den Fällen von §§  124 Abs.  2 Nr.  3, Nr.  4, 132 Abs.  2 Nr.  1, Nr.  2 VwGO, in denen der Rechtsmittelzugang maßgeblich von Allgemeininteressen bestimmt wird, wird in dem einmal zugelassenem Rechtsmittelverfahren in gleicher Weise wie in den anderen Fällen Rechtsschutz in der höheren Instanz gewährt, nur handelt es sich dabei eben um einen „vom Gesetzgeber für Fragen von grundsätzlicher Bedeutung vorgesehenen Rechtsschutz“136. Solange nämlich das eigentliche Rechtsmittel selbst mit einer Rechtsschutzfunktion ausgestattet ist, kommt es für den aus dem einfachen Recht folgenden und verfassungsrechtlich von Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG geschützten Anspruch auf Zugang zur Rechtsmittelinstanz nicht darauf an, nach welchen inhaltlichen Kriterien die gesetzliche Zugangshürde ausgestaltet ist. Erfüllt das Rechtsschutzbegehren der Partei dessen formelle und materielle Voraussetzungen, so gebieten es sowohl das einfache wie auch das Verfassungsrecht, die Anrufung des höheren Gerichts in der konkreten Rechtssache zu ermöglichen. Dies gilt für die Berufung und die Revision gleichermaßen. Wenn das Bundesverfassungsgericht einen Anspruch auf Einhaltung der grundlegenden Verfahrensstrukturen des Rechtsmittelrechts anerkennt, müsste es daher eigentlich konsequenterweise die Vorwegnahme des Rechtsmittel- im Zulassungsverfahren analog §  144 Abs.  4 VwGO als mit Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG unvereinbar einstufen. Gleichwohl hält es aufgrund „der Entlastungsfunktion Rennert, NVwZ 1998, 665 (672) lehnt die analoge Anwendbarkeit des §  144 Abs.  4 VwGO im Berufungszulassungsverfahren gerade deshalb ab, weil im Vergleich zur Revi­ sion, in der der zu beurteilende Sachverhalt bereits durch die bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts fixiert wurde, in der Berufungsinstanz neuer Tatsachenvortrag nach §  128 S.  2 VwGO nicht ausgeschlossen ist und den Parteien diese Möglichkeit durch einen verfahrensabschließenden Austausch der Entscheidungsgründe bereits im Zulassungsverfahren nicht abgeschnitten werden dürfe. Hierbei handelt es sich jedoch allein um ein zusätzliches Argument gegen eine separate reformatorische Ergebniskontrolle im Berufungszulassungsverfahren, nicht aber um einen Ansatzpunkt gerade zur Rechtfertigung einer solchen im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren. 135  Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  124 Rn.  23. 136  So BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 24. Januar 2007 – 1 BvR 382/05 –, BVerfGK 10, 208 (214) und BVerfG, Beschluss vom 08. Dezember 2009 – 2 BvR 758/07 –, BVerfGE 125, 104 (139). 134 

310 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision des Zulassungsverfahrens“137 eine eigentlich dem Rechtsmittel selbst vorbehaltene reformatorische Ergebnisprüfung bereits im Zulassungsstadium und bejahendenfalls eine entsprechende Verweigerung der Rechtsmittelzulassung dann für zulässig, wenn sich diese Prüfung noch im Rahmen der Leistungskapazitäten und -grenzen des Zulassungsrechtsbehelfs hält138. Die Rechtsmittelzulassung dürfe danach trotz einschlägiger Zulassungsgründe unter Austausch der Entscheidungsgründe analog §  144 Abs.  4 VwGO verweigert werden, wenn die vom iudex ad quem herangezogenen Alternativgründe einerseits offensichtlich und andererseits nicht selbst durch Zulassungsgründe gedeckt sind, weil der Gesetzgeber die Entscheidung derjenigen Sachen, in denen dies nicht der Fall sei, allein dem Rechtsmittelverfahren selbst vorbehalten habe139. Diese Relativierung der, wie gezeigt, in gewissem Umfang subjektiv beanspruchbaren G ­ esetzesbindung der Judikative überzeugt nicht. Sie wird insbesondere dem Verhältnis von Rechtsmittelverfahrens- und Rechtmittelzulassungsrecht nicht gerecht. Das Gericht geht nämlich fehl bei der Beurteilung der Frage, welche Verfahrensgrundsätze des Rechtsmittelrechts unter der Geltung des Zulassungsprinzips zu den verfahrensrechtlichen Grundstrukturen zu zählen sind, auf deren Beachtung aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht verzichtet werden darf. Wenn es nämlich einfordert, dass die Rechtsmittelzulassung wegen Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils nur aus solchen Alternativgründen verweigert werden darf, die einerseits nicht selbst zulassungsträchtig und andererseits offensichtlich sind, müsste nach seiner Deutung dem Rechtsmittelverfahren selbst nur die Entscheidung solcher Fälle vorbehalten sein, für deren Ausgang es auf die Beantwortung grundsätzlich bedeutsamer Rechtsfragen ankäme oder deren Lösung sich erst nach intensiverer Begutachtung offenbart. 137  So BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 23. Februar 2011 – 1 BvR 500/07 –, BeckRS 2011, 49213. 138  BVerfG, Beschluss vom 16. Juli 2013 – 1 BvR 3057/11 –, NJW 2013, 3506 (3509); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 23. Februar 2011 – 1 BvR 500/07 –, BeckRS 2011, 49213; BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 24. Januar 2007 – 1 BvR 382/05 –, BVerfGK 10, 208 (214); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 02. März 2006 – 2 BvR 767/02 –, NVwZ 2006, 683 (684 f.). 139  BVerfG, Beschluss vom 16. Juli 2013 – 1 BvR 3057/11 –, NJW 2013, 3506 (3509); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 23. Februar 2011 – 1 BvR 500/07 –, BeckRS 2011, 49213; BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 15. Februar 2011 – 1 BvR 980/10 –, NVwZ-RR 2011, 460 (461); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 21. Januar 2009 – 1 BvR 2524/06 –, BVerfGK 15, 37 (47, 52); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 24. Januar 2007 – 1 BvR 382/05 –, BVerfGK 10, 208 (213 f.); So auch, wenngleich zwar nicht ausdrücklich, wohl aber in der Sache BVerfG, Beschluss vom 08. Dezember 2009 – 2 BvR 758/07 –, BVerfGE 125, 104 (140) und BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 02. März 2006 – 2 BvR 767/02 –, NVwZ 2006, 683 (684 f.).

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In allen andern Fällen jedoch dürfe danach die Rechtssache auch bereits vom Zulassungsgericht abschließend entschieden werden, ohne dass Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG dem entgegenstehe. Das System der Rechtsmittelzulassung weist den Rechtsmittelgerichten aber gerade nicht die Aufgabe zu, ausschließlich über Rechtssachen von allgemeinem Interesse zu befinden. Das Allgemeininteresse ist nur maßgeblich für die Zulassungsentscheidung selbst. Ist bei Vorliegen der gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen das Rechtsmittel durch den vorgehenden Zulassungsausspruch für statthaft erklärt, so hat das Rechtsmittelgericht über die Rechtssache an sich zu befinden, ohne dass es noch darauf ankäme, ob diese konkrete Entscheidung tatsächlich der Rechtsgemeinschaft in ihrer Gesamtheit von Nutzen sein könnte. Die Rechtsmittelentscheidung wird weder dadurch unzulässig, dass sich der Zulassungsausspruch im Nachhinein als inhaltlich fehlerhaft erweist, weil Zulassungsgründe in Wahrheit nie einschlägig waren140 noch dadurch, dass zunächst vorliegende Zulassungsgründe nachträglich weggefallen sind141. Insoweit gehört es zu den Grundprinzipien des Rechtsmittelzulassungsrechts, dass die Zulassungsgründe allein im Zulassungsstadium und auch nur für die Statthaftigkeit des Rechtsmittels von Bedeutung sind. Aufgabe des iudex ad quem als Zulassungsgericht ist es dabei, die Zulassungsträchtigkeit der Rechtssache abschließend zu beurteilen und bejahendenfalls den Rechtsmittelzugang freizugeben. Demgegenüber entscheidet das Gericht in seiner Funktion als Rechtsmittelgericht in vollem Umfang über die Rechtssache als solche, ohne dass es dabei noch auf die Zulassungsträchtigkeit der Rechtssache und die an einer Rechtsmittelentscheidung bestehenden Allgemeininteressen ankäme. Das Revisionsgericht ist demnach das für die Entscheidung über die Revision zuständige Gericht, nicht aber ausschließlich das für die Entscheidung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung zuständige Gericht. Wenn sich das Bundesverfassungsgericht zur Begründung einer ausnahmsweisen Zulässigkeit der Vorwegnahme der Rechtsmittelprüfung im Zulassungsverfahren analog §  144 Abs.  4 VwGO darüber hinaus maßgeblich auf Entlastungserwägungen stützt, so vermag auch dies nicht zu überzeugen. Der Gesetzgeber hat den Rechtsmittelgerichten aus Entlastungsgründen nur in ganz bestimmten Fallkonstellationen und in begrenztem Umfang die Möglichkeit eingeräumt, Rechtssachen, in denen Zulassungsgründe einschlägig sind und über die deshalb eigentlich – vermittelt durch einen freigebenden Zulassungsausspruch – im Rechtsmittelverfahren selbst zu befinden wäre, schon im Zulassungsstadium abschließend entscheiden zu können. Im Bereich des verwal140 

BVerwG, Urteil vom 09. Oktober 1996 – 6 C 11/94 –, BVerwGE 102, 95 (98 f.). BVerwG, Urteil vom 25. April 1961 – VIII C 306.59 –, NJW 1961, 1737 (1738); P ­ rütting, Zulassung, S.  183 f.; Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  15. 141 

312 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision tungsprozessualen Revisionszulassungsrechts ist dies ausschließlich die Befugnis des Beschwerdegerichts nach §  133 Abs.  6 VwGO, in Fällen durchgreifender Verfahrensrügen das angefochtene Urteil schon im Beschwerdeverfahren aufzuheben und damit dem Rechtsmittelbegehren schon im Zulassungsstadium inhaltlich abzuhelfen. In allen anderen Fällen, also denjenigen, in denen das Zulassungsgericht anhand der Urteilsbegründung des Vordergerichts das Vorliegen von Zulassungsgründen bejaht, sieht das Gesetz ausschließlich die Entscheidungskompetenz des Rechtsmittelgerichts eröffnet und daher die Zulassung des Rechtsmittels für zwingend erforderlich an. Die Entlastung der Rechtsmittelgerichte mag zwar ein verfassungslegitimes Anliegen sein142 , ist aber nicht zugleich selbst ein eigenständiges Verfassungsprinzip und berechtigt die Judikative daher auch nicht, eindeutige gesetzliche Regelungen in ihrem Sinne umzugestalten und damit unmittelbar den einfachgesetzlich vorgeprägten Rechtsweg wie auch mittelbar den Rechtsschutzanspruch der Parteien zu verkürzen143. Entsprechende Entlastungsmaßnahmen obliegen allein der Abwägung und normativen Ausgestaltung durch den parlamentarischen Gesetzgeber, nicht aber einer richterlichen Verfahrensgestaltungskompetenz nach Maßgabe des jeweiligen Einzelfalles144. Dass der Rechtsmittelzugang unter dem Prinzip der Rechtsmittelzulassung kraft Gesetzes der Vorabkontrolle in einem Zwischenverfahren vor dem iudex ad quem unterliegt, statuiert nicht zugleich auch dessen Befugnis, in „einfach gelagerten Fällen“145 die rechtsmittelrichterliche Prüfung schon im Zulassungsverfahren vorwegzunehmen, wo dies gesetzlich nicht vorgesehen ist146. Insoweit stellt sich die Auffassung des Bundesverfassungsgericht, eine Ergebniskontrolle sei im Zulassungsstadium jedenfalls betreffend solcher Alternativgründe zulässig, welche offensichtlich und nicht selbst zulassungsrelevant sind, als nicht haltbar dar. Damit verstößt die Nichtzulassung der Revision aufgrund der vom iudex ad quem im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren analog §  144 Abs.  4 VwGO geprüften anderweitigen Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils gegen den 142  BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 23. Februar 2011 – 1 BvR 500/07 –, BeckRS 2011, 49213; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 10. Oktober 2008 – 1 BvR 1421/08 –, BVerfGK 14, 316 (320 f.); BVerfG, Kammerbeschluss vom 06. September 1996 – 1 BvR 1485/89 –, NJW 1997, 1693. 143  Insoweit handelt es sich nämlich um eine Frage der Reichweite des „Ob des gerichtlichen Rechtsschutzes“ in höheren Instanzen, dessen Gewährung und Einschränkung einem Gesetzesvorbehalt unterliegen, vgl. Schenke, JZ 2005, 116 (119). 144  BVerfG, Beschluss vom 09. August 1978 – 2 BvR 831/76 –, BVerfGE 49, 148 (166). 145  In der Diktion von Sendler, DVBl. 1992, 240 (241) Fälle, „in denen von vornherein und offensichtlich nichts »dran« ist“. 146  Im Ergebnis ebenso BSG, Beschluss vom 16. November 2000 – B 4 RA 122/99 B –, SGb 2003, 120 (125 f.), allerdings unter Heranziehung des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG.

II. Das Verbot des Entzugs des gesetzlichen Richters, Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG

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Rechtsschutzanspruch der Parteien aus Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG, weil diese Verfahrenspraxis in systemwidriger Weise die Revisionsentscheidung bereits im Zulassungsverfahren vorwegnimmt. Ein derartiger Verfassungsverstoß ist dabei unabhängig davon zu konstatieren, ob es sich bei den vom Beschwerde­ gericht herangezogenen Alternativerwägungen um solche handelt, die offensichtlich und ihrerseits nicht zulassungsträchtig sind.

6. Zwischenergebnis Es konnte somit nachgewiesen werden, dass sich die Inkorporation der reformatorischen Erfolgsaussichten der Revision in die Zulassungskontrolle auf Nichtzulassungsbeschwerde hin als Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Rechtsweganspruch aus Art.  19 Abs.  4 S.  1 GG darstellt. Es handelt sich bei dieser Zulassungspraxis zwar nicht um eine unzumutbare, sachlich nicht gerechtfertigte Erschwerung des Revisionszugangs, jedoch um eine systemwidrige und zugleich verfassungsrechtlich unzulässige Vorwegnahme des Rechtsmittel- im Zulassungsverfahren und daher um eine Verkürzung des grundrechtlichen Rechtsschutzanspruchs der Prozessparteien.

II. Das Verbot des Entzugs des gesetzlichen Richters, Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG 1. Grundsätzliches zum Gewährleistungsgehalt Gemäß Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG darf niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Das Grundgesetz fordert damit, dass die Entscheidung einer Rechtssache im konkreten Einzelfall nur durch denjenigen Richter erfolgen darf, der hierzu im Vorhinein abstrakt-generell vorgesehen ist147. Indem es die Verfassung verbietet, die richterliche Zuständigkeit ad hoc zu bestimmen, soll gewährleistet werden, dass sachfremde äußere Einflüsse die richterliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit bei der Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten nicht beeinträchtigen können148. Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG ist damit die zentrale organisationsrechtliche Vorgabe des Grundgesetzes für die Rechtsstaatlichkeit

147  Morgenthaler, in: Epping/Hillgruber, Grundgesetz, Art.  101 Rn.  11; Kunig, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art.  101 Rn.  1. 148  BVerfG, Beschluss vom 08. April 1997 – 1 PBvU 1/95 –, BVerfGE 95, 322 (327); Proske, NJW 1997, 352 (354); Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Bd. III, Art.  101 Rn.  14.

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des gerichtlichen Verfahrens149, die sich darüber hinaus nicht nur als objektiv-rechtliches Verfassungsprinzip, sondern zugleich auch als subjektives Leistungs- und Abwehrrecht der Prozessparteien in der Form eines Prozessgrundrechts verwirklicht150. Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG gewährleistet dabei nicht selbst eine richterliche Entscheidungszuständigkeit, sondern setzt entsprechende Bestimmungen des Gesetzgebers, eben einen auf Gesetz beruhenden Richter, voraus151. Die Verfahrensgarantie des gesetzlichen Richters ist damit auf die Ausgestaltung durch den Gesetzgeber angewiesen, welcher diese nach Maßgabe der inhaltlich-justiziellen Anforderungen des Grundgesetzes an den rechtsstaat­ lichen und unabhängigen Richter vorzunehmen hat152. Insoweit hat der Gesetzgeber, um seinen Verpflichtungen aus Art.  19 Abs.  4 GG und dem Gebot der Justizgewähr zur Ermöglichung des Rechtsschutzes durch staatliche Gerichtsbarkeit nachzukommen153, für jeden in Betracht kommenden Einzelfall abstrakt-­ generell im Voraus einen gesetzlichen Richter mittels einer Gerichtsverfassung und entsprechenden Verfahrensordnungen bereitzustellen154. Dabei gebietet es das Erfordernis der größtmöglichen Vorherbestimmtheit der Richterzuständigkeit im Einzelfall, dass die hierfür relevanten Vorschriften ein solches Maß an inhaltlicher Klarheit und Bestimmtheit aufweisen, dass sich aus ihnen der im Einzelfall sachlich, örtlich und funktionell zuständige Richter weitestgehend selbst ergibt und damit die Gefahr äußerer Einflussnahmen auf die konkrete 149  Degenhart, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR V, §  114 Rn.  7; Gerharz, Einzelrichter, S.  61. 150  BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1990 – 2 BvL 12/88, 2 BvL 13/88, 2 BvR 1436/87 –, BVerfGE 82, 159 (194); Classen, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar Grundgesetz, Art.  101 Abs.  1 Rn.  5; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz Kommentar, 101 Rn.  8; Schulze-­Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Bd. III, Art.  101 Rn.  16 f. Als rein justizielle Gewährleistung berechtigt Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG nicht nur natürliche und juristische Personen des Privatrechts, sondern jeden, der vor Gericht parteifähig sein kann, also auch juristische Personen des öffentlichen Rechts, vgl. BVerfG, Beschluss vom 08. Juli 1982 – 2 BvR 1187/80 –, BVerfGE 61, 82 (104 f.); BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 1957 – 1 BvR 134/56 –, BVerfGE 6, 45 (49); BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1954 – 1 BvR 537/53 –, BVerfGE 3, 359 (363); BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 1984 – 4 B 191/83 –, BVerwGE 69, 30 (33); Kunig, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art.  101 Rn.  11. 151  BVerfG, Beschluss vom 10. Juni 1953 – 1 BvF 1/53 –, BVerfGE 2, 307 (319 f.); Papier, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR VIII, §  176 Rn.  2. 152  BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 11. März 2013 – 1 BvR 2853/11 –, NJW 2013, 1665 (nur red. Leitsätze, vgl. juris); BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 24. Februar 2009 – 1 BvR 165/09 –, NVwZ 2009, 581 (582); BVerfG, Beschluss vom 08. Februar 1967 – 2 BvR 235/64 –, BVerfGE 21, 139 (145 f.); Degenhart, in: Sachs, Grundgesetz, Art.  101 Rn.  9. 153  BSG, Beschluss vom 16. November 2000 – B 4 RA 122/99 B –, SGb 2003, 120 (123); Krämer, FamRZ 1980, 971 (974). 154  BVerfG, Beschluss vom 08. April 1997 – 1 PBvU 1/95 –, BVerfGE 95, 322 (328).

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Entscheidungszuständigkeit so weit wie möglich ausgeschlossen wird155. Jedenfalls die „fundamentalen Zuständigkeitsregeln“ müssen dabei vom parlamentarischen Gesetzgeber selbst aufgestellt werden, im Übrigen sind die personellen Zuständigkeitsverteilungen im Einzelfall auf ihre Konkretisierung durch die Geschäftsverteilungspläne der Gerichte angewiesen156. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe im Rahmen richterlicher Zuständigkeitsbestimmungen ist dabei auch vor dem Hintergrund der Verfahrensgarantie des gesetzlichen Richters nicht grundsätzlich ausgeschlossen157. Denn auch bei der Klärung von Zuständigkeitsfragen handelt es sich um Rechtsanwendung, die nach Maßgabe der üblichen juristischen Auslegungsmethoden vorzunehmen ist und sich dabei dem Grunde nach nicht von der Auslegung sonstigen Rechts unterscheidet158. Gleichwohl ist der Gesetzgeber gehalten, unbestimmte Rechtsbegriffe in diesem Zusammenhang nur zu verwenden, wenn sachliche Gründe und die Funktionszusammenhänge mit dem jeweiligen prozessualen Institut dies erfordern159.

2. Verfassungsrechtlich relevanter Richterentzug durch den Richterspruch nur bei justizieller Willkür Art.  101 Abs.  1 S.  2 G dient in seiner ursprünglichen Funktion zunächst vorrangig der Verhinderung von Eingriffen der Exekutive in die Gerichtsorganisation und damit der politischen Einflussnahme auf die Judikative160. Heutzutage liegt der Schwerpunkt der abwehrrechtlichen Dimension des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG darin, sachfremden Einflüssen auf die Rechtsprechungstätigkeit durch die Justiz selbst vorzubeugen161. Dies betrifft nicht etwa nur die Selbstorganisation des Gerichts, etwa im Wege der Aufstellung von Geschäftsverteilungsplänen und 155 

BVerfG, Beschluss vom 08. April 1997 – 1 PBvU 1/95 –, BVerfGE 95, 322 (329); ­Classen, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar Grundgesetz, Art.  101 Abs.  1 Rn.  16. 156  BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 1965 – 2 BvR 40/60 –, BVerfGE 19, 52 (60). 157  BVerfG, Beschluss vom 08. April 1997 – 1 PBvU 1/95 –, BVerfGE 95, 322 (330); Ball, in: Heinrich, Festschrift Musielak, S.  48. 158  BVerfG, Beschluss vom 08. April 1997 – 1 PBvU 1/95 –, BVerfGE 95, 322 (331 f.). 159  Bettermann, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte III/2, S.  523 (571); Kunig, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art.  101 Rn.  26; Maunz, in: Maunz/ Dürig, GG Kommentar, Art.  101 Rn.  27. 160  Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Bd. III, Art.  101 Rn.  1. 161  BVerfG, Beschluss vom 03. Dezember 1975 – 2 BvL 7/74 –, BVerfGE 40, 356 (360); Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Bd. III, Art.  101 Rn.  37; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art.  101 Rn.  1; Hänlein, in: Umbach/Clemens, Grundgesetz Kommentar/Handbuch, Art.  101 Rn.  30; Classen, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar Grundgesetz, Art.  101 Abs.  1 Rn.  1. Zum Bedeutungswandel des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG im Hinblick auf dessen personellen Gehalt vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 08. April 1997 – 1 PBvU 1/95 –, BVerfGE 95, 322 (333 ff.)

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sonstigen die Person des mitwirkenden Richters betreffenden Maßnahmen der Justizverwaltung162 , sondern auch und gerade die spruchrichterliche Tätigkeit selbst163. Auch durch den Richterspruch kann der gesetzliche Richter entzogen werden164. Nimmt das zuständige Gericht die ihm normativ übertragenen Rechtssprechungsaufgaben und prozessualen Pflichten zu Unrecht nicht wahr165 oder nimmt es umgekehrt Rechtssprechungsbefugnisse für sich in Anspruch, die kraft Gesetz nicht diesem, sondern einem anderen Spruchkörper zustehen166, so tangiert dies insoweit die Schutzfunktion des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG, als den Parteien des Rechtsstreits auf diese Weise die Entscheidung über die Rechtssache durch dasjenige Gericht verwehrt wird, welches gesetzlich hierfür vorgesehen ist. Vor dem Hintergrund der Normgeprägtheit des Gewährleistungsgehaltes des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG kann gleichwohl nicht jede unzutreffende Rechtsanwendung, welche sich auf die gesetzliche Kompetenzverteilung innerhalb der Fachgerichtsbarkeit auswirken kann, zugleich auch einen Verfassungsverstoß bedeuten167. Durch einen bloßen „error in procedendo“ kann der gesetzliche Richter nicht in verfassungsrechtlich relevanter Weise entzogen werden168. Dies würde dem Verhältnis von Fach- und Verfassungsrecht nicht gerecht169, zumal das Bundesverfassungsgericht andernfalls dazu aufgerufen wäre, in vollem Umfang über die Einhaltung des einfachen Prozessrechts durch die Fachgerichte zu wachen, was mit der ihm von der Verfassung zugedachten Funktion, über die Auslegung, Anwendung und Fortbildung des Verfassungsrechts sowie den Schutz der Grundrechte zu wachen, unvereinbar wäre170.

Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Bd. III, Art.  101 Rn.  50, 57. Kunig, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art.  101 Rn.  3 164  BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1954 – 1 BvR 537/53 –, BVerfGE 3, 359 (364); Kunig, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art.  101 Rn.  33; Gerharz, Einzelrichter, S.  87. 165  BVerfG, Beschluss vom 10. Juni 1997 – 2 BvR 1516/96 –, BVerfGE 96, 68 (77); Kunig, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art.  101 Rn.  21. 166  BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 10. Juni 2005 – 1 BvR 2790/04 –, BVerfGK 5, 316 (321 ff.); BVerfG, Kammerbeschluss vom 08. Mai 1991 – 2 BvR 1380/90 –, NJW 1991, 2893 (2893); Hänlein, in: Umbach/Clemens, Grundgesetz Kommentar/Handbuch, Art.  101 Rn.  84; Uhl, Abgrenzung, S.  107. 167  Degenhart, in: Sachs, Grundgesetz, Art.  101 Rn.  17. 168  BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1954 – 1 BvR 537/53 –, BVerfGE 3, 359 (364). Vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 03. November 1992 – 1 BvR 1243/88 –, BVerfGE 87, 273 (279). 169  BVerfG, Beschluss vom 10. Juni 1964 – 1 BvR 37/63 –, BVerfGE 18, 85 (92 f.). 170  Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit nicht die Funktion einer verfahrensaufsichtlichen „Superrevisions-Instanz“, vgl. BVerfG, Urteil vom 15. Januar 1958 – 1 BvR 400/51 –, BVerfGE 7, 198 (207) sowie BVerfG, Beschluss vom 03. November 1992 – 1 BvR 137/92 –, BVerfGE 87, 282 (284 f.); Gerharz, Einzelrichter, S.  90. 162 

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Verfassungsrechtliche Relevanz171 hat ein spruchrichterlicher Rechtsfehler, welcher zum Entzug des gesetzlichen Richters führt, erst dann, wenn er von besonderer Qualität, nämlich willkürlich ist172. Denn richterliche Willkür ist keine Rechtsanwendung im Rahmen der verfahrensrechtlichen und funktionellen Aufgaben der Judikative mehr, sondern die Inkorporation außerrechtlicher Entscheidungskriterien in die ansonsten rechtliche gebundene judikative Tätigkeit173. Willkürlich in diesem Sinne ist eine Rechtsanwendung, die sich so weit von Wortlaut, Systematik und Telos der zugrunde liegenden Rechtsnorm und dem darin zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers entfernt hat, dass sie unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar und sachlich nicht mehr nachvollziehbar ist und demnach der Schluss nahe liegt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht174. Gleiches gilt im Falle einer zuständigkeitsrelevanten richterlichen Entscheidung unter Anmaßung einer dem Gericht im jeweiligen Verfahrensstadium nicht zustehenden Entscheidungskompetenz175, welche sich so weit von der zugrunde liegenden gesetzlichen Regelung entfernt hat, dass diese Rechtsanwendung als offensichtlich unhaltbar und sachlich nicht mehr zu rechtfertigen anzusehen ist, weil das Gericht dabei „Bedeutung und Tragweite von Art.  101 Abs.  1 Satz  2 GG grundlegend verkannt hat“176. Dies ist erst dann der Fall, wenn die Rechtslage vom Gericht in gravierender Weise ver171  Zur Abgrenzung des Richterentzugs durch Willkür einerseits und bloßen einfachen Rechtsanwendungsfehler andererseits in diesem Sinne auch Maunz, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art.  101 Rn.  50. 172  BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1990 – 2 BvL 12/88, 2 BvL 13/88, 2 BvR 1436/87 –, BVerfGE 82, 159 (194); Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Bd. III, Art.  101 Rn.  60. Kritisch zur Beschränkung der verfassungsgerichtlichen Kontrolle auf den Willkürmaßstab Proske, NJW 1997, 352 (354); Schreiner, Zulassungsberufung, S.  69 und Classen, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar Grundgesetz, Art.  101 Abs.  1 Rn.  29 ff. sowie Kunig, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art.  101 Rn.  33 f. 173  Vgl. BayVerfGH, Beschluss vom 26. Juni 2013 – Vf. 35-VI-12 –, BayVBl 2013, 688 (690) zu den daraus resultierenden Prüfungsbefugnissen der Landesverfassungsgerichtsbarkeit im Hinblick auf bundesrechtlich geregelte Verfahren. 174  BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2005 – 2 BvR 656/99, 2 BvR 657/99, 2 BvR 683/99 –, BVerfGE 112, 185 (215); BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1993 – 1 BvR 208/93 –, BVerfGE 89, 1 (13 f.). 175  BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1954 – 1 BvR 537/53 –, BVerfGE 3, 359 (364 f.); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 10. Juni 2005 – 1 BvR 2790/04 –, BVerfGK 5, 316 (321 f., 324); Uhl, Abgrenzung, S.  107. 176  BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1990 – 1 BvR 984/87 –, BVerfGE 82, 286 (299) sowie BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 1970 – 2 BvR 48/70 –, BVerfGE 29, 45 (49); BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1990 – 2 BvL 12/88, 2 BvL 13/88, 2 BvR 1436/87 –, BVerfGE 82, 159 (194); BVerfG, Kammerbeschluss vom 08. Mai 1991 – 2 BvR 1380/90 –, NJW 1991, 2893 (2893); BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. August 1995 – 1 BvR 568/93 –, NZA-RR 1996, 26 (26); Degenhart, in: Sachs, Grundgesetz, Art.  101 Rn.  17; Morgenthaler, in: Epping/Hill-

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kannt wird, nicht aber, wenn sich die Rechtsansicht des Gerichts noch im Rahmen des rechtlichen Vertretbaren und jedenfalls im Grunde Nachvollziehbaren bewegt177. Ein Verstoß gegen Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG liegt damit nur in solchen fehlerhaften Gesetzesanwendungen, die „bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und offensichtlich unhaltbar“ sind178. Auf eine subjektive Komponente wie etwa Vorsatz kommt es hierfür nicht an, denn Willkür bemisst sich allein nach objektiven Kriterien179. Richterliche Willkür stellt sich insoweit als objektive Unbegründbarkeit einer Entscheidung allein am Maßstab des Rechts dar180. Die Verfassungsgrundsätze des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG gelten auch für den einfach-gesetzlich vorgehaltenen Instanzenzug181 und damit für den Zugang zum Rechtsmittelgericht, also für die Aufstellung, Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Vorschriften über Rechtsmittel182. Auch diese müssen demgemäß einen hinreichenden Bestimmtheitsgrad vorweisen, um potentiellen sachfremden Einflüssen auf die Entscheidungskompetenz des jeweiligen Richters und damit mittelbar auf den Inhalt der anzustrebenden Entscheidung vorzubeugen183. Sieht das Gesetz dementsprechend ein Rechtsmittel vor und sind die Kriterien seiner Inanspruchnahme und dessen Sachentscheidungsvoraussetzungen im konkreten Fall erfüllt, ist im Falle seiner Anrufung das jeweilige höhere Gericht der zur Entscheidung berufene gesetzliche Richter184. Insoweit kann einem Rechtsmittelführer nach den oben dargelegten Maßstäben der gesetzliche Richter auch dadurch entzogen werden, indem das über den Rechtsmittel­z ugang entscheidende Gericht den entsprechenden Vorschriften eine Auslegung zugrunde legt, durch die in willkürlicher Weise eine Entscheidung über das gruber, Grundgesetz, Art.  101 Rn.  25; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art.  101 Rn.  51. 177  BVerfG, Beschluss vom 03. November 1992 – 1 BvR 1243/88 –, BVerfGE 87, 273 (279). 178  BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 1970 – 2 BvR 618/68 –, BVerfGE 29, 198 (207); BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 1967 – 2 BvR 489/66 –, BVerfGE 22, 254 (266). 179  BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2005 – 2 BvR 656/99, 2 BvR 657/99, 2 BvR 683/99 –, BVerfGE 112, 185 (215 f.); BVerfG, Beschluss vom 15. März 1989 – 1 BvR 1428/88 –, BVerfGE 80, 48 (51); Kunig, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art.  101 Rn.  21. 180  Ähnlich BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1990 – 2 BvL 12/88, 2 BvL 13/88, 2 BvR 1436/87 –, BVerfGE 82, 159 (195 f.); Schneider, NJW 1977, 1043 (1044). 181  Kunig, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art.  101 Rn.  28; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art.  101 Rn.  19. 182  Classen, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar Grundgesetz, Art.  101 Abs.  1 Rn.  44; Bettermann, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte III/2, S.  523 (570); Maunz, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art.  101 Rn.  34. 183  Bettermann, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte III/2, S.  523 (571). 184  Proske, NJW 1997, 352 (353); Krämer, FamRZ 1980, 971 (972).

II. Das Verbot des Entzugs des gesetzlichen Richters, Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG

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Rechtsmittelbegehren zu Unrecht vereitelt wird. Unter der Geltung des Prinzips der Rechtsmittelzulassung, welches die Statthaftigkeit eines Rechtsmittels von einer vorgehenden freigebenden Zugangsentscheidung am Maßstab gesetzlich enumerierter Kriterien abhängig macht, kann somit den Parteien prinzipiell auch durch die fehlerhafte Nichtzulassung des Rechtsmittels der gesetzliche Richter – nämlich der funktionell zuständige Rechtsmittelrichter – entzogen werden185. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob den Parteien des Rechtsstreits in verfassungsrechtlich relevanter Weise der gesetzliche Richter entzogen wird, wenn das Bundesverwaltungsgericht im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde in prozessrechtlich unzulässiger Weise analog §  144 Abs.  4 VwGO die Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils überprüft und bejahendenfalls unter Austausch der Entscheidungsgründe die Revision nicht zulässt. Hierbei offenbaren sich zwei Konfliktfelder. Zum einen könnte nämlich die ablehnende Zulassungsentscheidung analog §  144 Abs.  4 VwGO dem Beschwerdeführer der Zugang zum Revisionsgericht in willkürlicher Weise verwehren, wenn sie aus sachwidrigen Gründen getroffen wird. Zum anderen könnte ein verfassungsrechtlich relevanter Richterentzug auch darin begründet liegen, dass das Beschwerdegericht anstelle des Revisionsgerichts über die Richtigkeit des Berufungsurteils abschließend entscheidet und damit Befugnisse ausübt, die dem Gericht in diesem Verfahrensstadium noch gar nicht zustehen. Bei näherer Betrachtung wird der Gewährleistungsgehalt des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG damit durch die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Nichtzu­ lassungsbeschwerdeverfahren in doppelter Weise tangiert, nämlich einerseits durch das Vorenthalten einer Sachentscheidung des eigentlich gesetzlich zuständigen Revisionsrichters und andererseits durch eine Sachentscheidung des hierfür gesetzlich unzuständigen Beschwerderichters.

185  BVerfG, Beschluss vom 15. Mai 1984 – 1 BvR 967/83 –, BVerfGE 67, 90 (95); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 07. Januar 2004 – 1 BvR 31/01 –, BVerfGK 2, 202 (204); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 21. März 2012 – 1 BvR 2365/11 –, NJW 2012, 1715 (1715); Hänlein, in: Umbach/Clemens, Grundgesetz Kommentar/Handbuch, Art.  101 Rn.  86; Degenhart, in: Sachs, Grundgesetz, Art.  101 Rn.  18; Müller-Terpitz, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Kommentar GG, Art.  101 Rn.  20. Selbiges gilt für die willkürliche Missachtung von Vorlagepflichten, vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Mai 1965 – 2 BvR 259/63 –, BVerfGE 19, 38 (42 f.); BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1990 – 2 BvL 12/88, 2 BvL 13/88, 2 BvR 1436/87 –, BVerfGE 82, 159 (192 ff.); BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 08. Januar 2004 – 1 BvR 864/03 –, NJW 2004, 1371 (1372 f.).

320 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision

3. Erfolgsaussichten der Revision als willkürliches Zulassungskriterium? Im Rahmen der prozessrechtsdogmatischen Untersuchung wurde gezeigt, dass die Zulassung der Revision nicht in prozessual zulässiger Weise aus Gründen der Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Berufungsurteils verweigert werden kann186. Es handelt sich demnach bei dieser Zulassungspraxis insoweit um eine einfach-rechtlich fehlerhafte richterliche Zuständigkeitsbestimmung, als hiermit der beschwerten Partei der Zugang zur Revisionsinstanz in rechtswidriger Weise verwehrt wird. Der Garantiegehalt des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG wird hierdurch insoweit berührt, als den Parteien derjenige Richter, welcher aufgrund der Erfüllung aller für die Zulassung der Rechtssache nach dem Gesetz erforderlichen Voraussetzungen eigentlich für die Entscheidung des Rechtsstreits im Wege der Revision zuständig ist, vorenthalten wird. Das Revisionsgericht wird nämlich nicht erst durch die positive Zulassungsentscheidung zum gesetzlichen Richter für die Entscheidung des konkreten Rechtsstreits, sondern schon allein dadurch, dass die Rechtssache materiell-rechtlich zulassungsrelevant und zulassungsfähig ist, weil sie Zulassungsgründe i. S. d. §  132 Abs.  2 VwGO aufwirft187. Die Zulassungsentscheidung durch den iudex a quo bzw. den iudex ad quem hat insoweit nur die Aufgabe, dies zu überprüfen und bejahendenfalls das formale Zugangsrecht der Parteien zur Revisionsinstanz prozessual konstitutiv zu begründen188. Kann somit durch die zu Unrecht verweigerte Rechtsmittelzulassung den Parteien der gesetzliche Richter entzogen werden, so hat dies gleichwohl nur dann verfassungsrechtliche Relevanz und führt zu einem Verstoß gegen Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG, wenn sich diese Entscheidung als willkürlich herausstellt, wenn sie also letztlich auf sachfremden Erwägungen beruhte. 186 

Vgl. oben §  4. Proske, NJW 1997, 352 (353) und Krämer, FamRZ 1980, 971 (972) weisen darauf hin, dass dies in den Fällen der Missachtung von Vorlagepflichten ebenso anerkannt ist und andernfalls das BVerfG schon denklogisch einen Richterentzug durch eine fehlerhaft verweigerte Rechtsmittelzulassung gar nicht feststellen könnte. Vgl. hierzu etwa BVerfG, Beschluss vom 15. Mai 1984 – 1 BvR 967/83 –, BVerfGE 67, 90 (95); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 07. Januar 2004 – 1 BvR 31/01 –, BVerfGK 2, 202 (204); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 21. März 2012 – 1 BvR 2365/11 –, NJW 2012, 1715 (1715). Nach BVerfG, Entscheidung vom 08. Dezember 1965 – 1 BvR 662/65 –, BVerfGE 19, 323 (328) könne der iudex a quo den Parteien den gesetzlichen Richter durch eine fehlerhafte Nicht­ zulassungsentscheidung jedoch nur dann entziehen, wenn das Gesetz eine Nichtzulassungsbeschwerde vorhält. 188  Vgl. Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  13: „Die Revisionszulassung zielt allein auf die Aufhebung einer verfahrensrechtlichen Zugangsschranke zur Revisionsinstanz.“ Ähnlich Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  17; Prütting, Zulassung, S.  9; Lässig, Fehlerhafte Rechtsmittelzulassung, S.  22 f., 100. 187 

II. Das Verbot des Entzugs des gesetzlichen Richters, Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG

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Stellt das Bundesverwaltungsgericht die Zulassung der Revision analog unter den Vorbehalt reformatorischer Erfolgsaussichten, so mag sich dies zwar als prozessual fehlerhaft darstellen, weil es für die Zulassungsentscheidung unter Geltung des Rechtsregimes der §§  132, 133 VwGO hierauf erwiesenermaßen nicht ankommt. Als willkürlich lässt sich das Abstellen auf die anderweitige Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils gleichwohl nicht ansehen. Denn das Kriterium der reformatorischen Erfolgsaussichten der Revision steht im inneren Zusammenhang mit der Rechtssache selbst und findet seinen Anknüpfungspunkt in der Individualschutzfunktion des Rechtsmittels189, wie sie etwa in §  144 Abs.  3, Abs.  4 VwGO zum Ausdruck kommt. Eine richterliche Entscheidung, die auf Umstände abstellt, die nach dem Gesetz hierfür eigentlich nicht entscheidungserheblich sein sollen, kann nur dann als willkürlich angesehen werden, wenn diese Gesichtspunkte mit dem einschlägigen Normenkomplex selbst und der von ihm geregelten Rechtsmaterie nicht in Zusammenhang stehen190. Ein Willkürvorwurf im Sinne einer Einflussnahme sachfremder Erwägungen lässt sich aber dann nicht begründen, wenn sich die maßgeblichen Entscheidungserwägungen jedenfalls auf einen Anknüpfungspunkt im Gesetz stützen lassen191. Der Rekurs auf die reformatorischen Entscheidungsbefugnisse des Bundesverwaltungsgerichts nach §  144 Abs.  3, Abs.  4 VwGO, die diesem zwar nicht als Beschwerdegericht, wohl aber als Revisionsgericht zustehen, dürfte insoweit keine derart sachfremde Erwägung darstellen, welche nach Maßgabe des Willkürmaßstabs einen judikativen Verstoß gegen Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG begründet. Als willkürlich lässt sich eine Zulassungsentscheidung analog §  144 Abs.  4 VwGO selbst dann nicht ansehen, wenn diese Form der Abarbeitung einer vornherein aussichtslosen Revision in einem abgekürzten Verfahren vom Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall allein zum Zwecke der eigenen Entlastung praktiziert werden würde. Ist Willkür nämlich als das gänzliche Fehlen sachgerechter, aus dem jeweiligen Normgefüge folgender Gründe zu verstehen, so genügt schon eine einzige tragfähige Entscheidungserwägung, um den Richterspruch als jedenfalls willkürfrei anerkennen zu müssen. Wenn die Rechtssache aus Sicht des iudex ad quem vom Vordergericht zumindest im Er189  Aus diesem Grunde hatte das BVerfG angemahnt, die Ablehungsbefugnis des BGH unter der Geltung der Annahmerevision nach §  554b ZPO a. F. gerade auf mangelnde Erfolgsaussichten zu stützen, vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (281). 190  Vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1990 – 2 BvL 12/88, 2 BvL 13/88, 2 BvR 1436/87 –, BVerfGE 82, 159 (195, 197) zur Missachtung von Vorlagepflichten. 191  BVerfG, Beschluss vom 09. Mai 1978 – 2 BvR 952/75 –, BVerfGE 48, 246 (257 f.) sowie Maunz, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art.  101 Rn.  51 unter Berufung auf Henkel, Richter, S.  91.

322 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision gebnis inhaltlich richtig entschieden worden ist, kann demnach auch dann von einer willkürlichen Zulassungsverweigerung keine Rede sein, wenn der Entschluss des Gerichts, das Revision- im Zulassungsverfahren analog §  144 Abs.  4 VwGO vorwegzunehmen, auch von anderen, gegebenenfalls sogar sachfremden Erwägungen mitgetragen werden würde. Weist das Bundesverwaltungsgericht die Nichtzulassungsbeschwerde analog §  144 Abs.  4 VwGO zurück, so hat es dabei allerdings diesen Beschluss dahingehend zu begründen, dass sich die Nichtzulassungsentscheidung trotz einschlägiger Zulassungsgründe gerade auf die Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils stützte und welche rechtlichen Gesichtspunkte hierfür konkret maß­ gebend waren. Diese Begründungspflicht besteht dann unabhängig von §  133 Abs.  5 S.  2 Hs.  2 VwGO192 und ungeachtet des Umstandes, dass Entscheidungen, die mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angefochten werden können, jedenfalls kraft Verfassung grundsätzlich keiner Begründung bedürfen193. Denn nach neuerer bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung muss die Nichtzulassung eines Rechtsmittels jedenfalls dann nachvollziehbar begründet werden, wenn die freigebende Zulassung nahe gelegen hätte, ihre Versagung aber auf andere Gesichtspunkte als die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen gestützt wird194. Dadurch soll es dem Bundesverfassungsgericht ermöglicht werden, die Nichtzulassungsentscheidung einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle dahingehend zuzuführen, ob das Fachgericht hierdurch den Rechtsmittelzugang aufgrund sachwidriger Erwägungen verwehrt und dabei das gesetzlich vorgesehene Rechtsmittel ineffektiv gemacht hat bzw. für den Rechtsmittelführer hat leerlaufen lassen195. Dieses eine verfassungsrechtliche Begründungs192  Der Entlastungsgedanke, der nach BT-Drs. 11/7030, S.  34 hinter der Möglichkeit des Absehens von einer Begründung steht, muss hierbei aus verfassungsrechtlichen Gründen zurücktreten. Ebenso Möller, jurisPR-WettbR 5/2012 Anm.  1 zur unanfechtbaren zivilprozessualen Revisionszulassung durch das Berufungsgericht. 193  BVerfG, Beschluss vom 28. Februar 1979 – 2 BvR 84/79 –, BVerfGE 50, 287 (289 f.); BVerfG, Beschluss vom 14. November 1989 – 1 BvR 956/89 –, BVerfGE 81, 97 (106); BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 08. Januar 2004 – 1 BvR 864/03 –, NJW 2004, 1371 (1372); BFH, Beschluss vom 05. Juni 2013 – XI B 116/12 –, BFH/NV 2013, 1640 (1642 f.). 194  Vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 21. März 2012 – 1 BvR 2365/11 –, NJW 2012, 1715 (1715). Für die Frage nach einer Begründungspflicht der Nichtzulassungsentscheidung im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung sind auch BVerfG, Beschluss vom 14. November 1989 – 1 BvR 956/89 –, BVerfGE 81, 97 (106); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 07. Januar 2004 – 1 BvR 31/01 –, BVerfGK 2, 202 (204 ff.). 195  So BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 21. März 2012 – 1 BvR 2365/11 –, NJW 2012, 1715 (1715) zur unanfechtbaren zivilprozessualen Nichtzulassung der Revision durch den iudex a quo. Nach BFH, Beschluss vom 05. Juni 2013 – XI B 116/12 –, BFH/NV 2013, 1640 (1642 f.) sei der iudex a quo demgegenüber aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht dazu gehalten, seine Nichtzulassungsentscheidung zu begründen, wenn das Gesetz eine

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pflicht auslösende Kontrollbedürfnis der Zulassungsentscheidung folgt hierbei zudem daraus, dass dabei vom insoweit klaren Gesetzwortlaut abgewichen wurde196 und die Klärung allgemeinbedeutsamer Rechtsfragen durch das Revisionsgericht aus Gründen vereitelt wird, die mit dem Allgemeininteresse selbst in keinem Zusammenhang stehen197. Somit wird den Parteien unter dem Blickwinkel der Zugangsverweigerung zur Revisionsinstanz der gesetzliche Richter nicht in verfassungsrechtlich relevanter Weise dadurch entzogen, dass die Revisionszulassung von den reforma­ torischen Erfolgsaussichten des Rechtsmittels abhängig gemacht wird. Die Nicht­ zulassungsentscheidung muss hierbei aber entsprechend begründet werden.

4. Verfassungsrechtlich relevanter Zuständigkeitsverstoß durch Sachentscheidung des Beschwerdesenates? Damit liegt zwar für sich betrachtet in der Verweigerung des Revisionszugangs aufgrund fehlender Erfolgsaussichten der Revision analog §  144 Abs.  4 VwGO kein verfassungswidriger Richterentzug i. S. d. Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG begründet. Gleichwohl könnte aber ein derartiger Verfassungsverstoß darin zu erblicken sein, dass im Rahmen einer Beschwerdeentscheidung analog §  144 Abs.  4 VwGO der Beschwerdesenat des Bundesverwaltungsgerichts eine abschließende Sachentscheidung trifft, die eigentlich dem Revisionssenat vorbehalten ist. Denn dem Beschwerdesenat obliegt nach §  133 Abs.  5 S.  1 VwGO vorbehaltlich der Befugnisse aus §  133 Abs.  6 VwGO nur die Entscheidung über die Zulassungsfrage, während die Beurteilung der Sache selbst in kassatorischer und reformatorischer Hinsicht nach den §§  137, 144 VwGO funktionell dem Revi­ sionssenat vorbehalten ist. Die analoge Heranziehung des §  144 Abs.  4 VwGO im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ermöglicht dem Bundesverwaltungs­ Nichtzulassungsbeschwerde vorhält. Entscheidet dagegen der iudex ad quem im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren über die Revisionszulassung, so befindet dieser endgültig und fachgerichtlich unanfechtbar über den Revisionszugang, weshalb diese Entscheidung auch nach vorgenannten Grundsätzen einer Begründung bedarf, wenn diese auf Gesichtspunkte gestützt wird, die im bisherigen Verfahrensverlauf noch keine Rolle gespielt hatten. Erfolgt die Zulassungskontrolle durch den iudex ad quem nämlich nicht allein durch Nachvollziehung der vordergerichtlichen Zulassungsentscheidung, sondern ist diese eine eigenständige, so kann sie auch selbstständig unter Verstoß gegen Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG ausgeübt werden und ein entsprechendes verfassungsrechtliches Kontrollbedürfnis aufwerfen. 196  BVerfG, Urteil vom 05. November 1985 – 2 BvR 1434/83 –, BVerfGE 71, 122 (136); BVerfG, Beschluss vom 14. November 1989 – 1 BvR 956/89 –, BVerfGE 81, 97 (106); BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 08. Januar 2004 – 1 BvR 864/03 –, NJW 2004, 1371 (1372). 197  BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 07. Januar 2004 – 1 BvR 31/01 –, BVerfGK 2, 202 (206).

324 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision gericht zugleich, in verminderter Besetzung zur Sache zu entscheiden198. Unabhängig vom Nachweis der Einflussnahme sachfremder Erwägungen im Einzelfall199 kann nämlich den Parteien der gesetzliche Richter auch dadurch in verfassungsrechtlich relevanter Weise entzogen werden, indem sich das angerufene Gericht unter grobem Verstoß gegen die gesetzliche Zuständigkeitsordnung eine Entscheidungskompetenz anmaßt, die ihm im jeweiligen Verfahrensstadium unter keinen denkbaren Gesichtspunkten zustehen kann 200. Die Verfahrensgarantie des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG äußert sich insoweit auch als Verbot an die Judikative, von bestehenden gesetzlichen Zuständigkeits- und Kompetenz­ vorschriften in sachlich unvertretbarer Weise abzuweichen 201. Hiergegen wird verstoßen, wenn sich die angemaßte Zuständigkeit soweit von der gesetzlichen Regelung und den darin zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Grundvorstellungen entfernt hat, dass sie sich nicht mehr als bloße Erweiterung oder Fortführung des normativen Grundkonzeptes, sondern als eine eigenständige richterliche Neuschöpfung von Befugnissen darstellt. Eine solchermaßen angemaßte Entscheidungskompetenz, die „die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung eindeutig und grundlegend verfehlt“202 , ist sachlich nicht mehr nachvollziehbar und damit unhaltbar, weswegen sie den Parteien einen ungesetzlichen Richter aufdrängt und ihnen daher den gesetzlichen Richter i. S. d. Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG vorenthält203. Denn die Verfahrensgarantie des gesetzlichen Richters als Gebot der normativen Vorherbestimmtheit der gerichtlichen Zuständigkeiten 198  Hierauf abstellend und einen diesbezüglichen Richterentzug bejahend Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  240 mit Fn.  2072; Reuß, DVBl. 1957, 293 (297); Bachof, JZ 1957, 374 (379) und Naumann, DÖV 1956, 545 (548). 199  Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. März 1964 – 2 BvR 42/63, 2 BvR 83/63, 2 BvR 89/63 –, BVerfGE 17, 294 (301); BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1990 – 1 BvR 984/87 –, BVerfGE 82, 286 (299); BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. August 1995 – 1 BvR 568/93 –, NZA-RR 1996, 26 (26); Maunz, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art.  101 Rn.  27. Nach BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 10. Juni 2005 – 1 BvR 2790/04 –, BVerfGK 5, 316 (321 f.) sei ein Verstoß gegen Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG durch eine Kompetenzanmaßung zwar nur im Falle von richterlicher Willkür anzunehmen, dies sei aber schon immer dann der Fall, wenn das Gericht für seine vom Gesetz abweichende Befugnis keine ausreichende Begründung geliefert habe. 200  Vgl. BVerfG, Urteil vom 16. Januar 1957 – 1 BvR 134/56 –, BVerfGE 6, 45 (53); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 10. Juni 2005 – 1 BvR 2790/04 –, BVerfGK 5, 316 (324). 201  BVerfG, Beschluss vom 03. Dezember 1975 – 2 BvL 7/74 –, BVerfGE 40, 356 (361); BVerfG, Beschluss vom 08. April 1997 – 1 PBvU 1/95 –, BVerfGE 95, 322 (327); Maunz, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art.  101 Rn.  14. 202  BVerfG, Kammerbeschluss vom 08. Mai 1991 – 2 BvR 1380/90 –, NJW 1991, 2893 (2894). Ähnlich Maunz, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art.  101 Rn.  50 unter Berufung auf Henkel, Richter, S.  91. 203  BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1990 – 1 BvR 984/87 –, BVerfGE 82, 286 (299);

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erstreckt sich nicht nur auf die sachliche, örtliche und personelle Zuständigkeit des Gerichts204, sondern auch auf dessen funktionelle Zuständigkeit, also darauf, welche Entscheidungskompetenzen dem mit der Sache befassten Spruchkörper des Gerichts im jeweiligen Verfahrensstadium zustehen 205. Die Missachtung der funktionellen Zuständigkeit des Gerichts kann dabei jedenfalls dann einen verfassungsrechtlich relevanten Verstoß gegen Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG bedeuten, wenn sich diese auch auf die Be- und Zusammensetzung des Gerichts bei der Entscheidung des konkreten Falles, also auf die personelle Zuständigkeit der zu beteiligenden Richter, auswirkt. Denn die Nichtmitwirkung eines kraft Gesetzes und Geschäftsverteilungsplanes zuständigen und daher eigentlich an einer Entscheidung zu beteiligenden Richters stellt stets einen verfassungswidrigen Richterentzug dar206. Der zuständige Senat des Bundesverwaltungsgerichts entscheidet in unterschiedlicher Besetzung als Beschwerde- und als Revisionssenat über die Begründetheit der Revision gemäß den §§  144 Abs.  2, 141 S.  1, 125 Abs.  1 S.  1, 101 Abs.  1, 10 Abs.  3 Hs.  1 VwGO in der Besetzung von fünf, über die Nichtzulassungsbeschwerde nach den §§  133 Abs.  5 S.  1, 141 S.  1, 125 Abs.  1 S.  1, 101 Abs.  3, 10 Abs.  3 VwGO in der Besetzung von drei Richtern. Da somit die „Identität der Richterbank“ für die Entscheidungen über die Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde in derselben Sache „weder rechtlich noch faktisch“ sichergestellt ist207, tangiert auch die Frage, ob das Bundesverwaltungsgericht bereits im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens abschließend über die Rechtssache inhaltlich entscheiden darf, den Gewährleistungsgehalt BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 10. Juni 2005 – 1 BvR 2790/04 –, BVerfGK 5, 316 (321); Degenhart, in: Sachs, Grundgesetz, Art.  101 Rn.  17. 204  Grundlegend dazu BVerfG, Beschluss vom 08. April 1997 – 1 PBvU 1/95 –, BVerfGE 95, 322 (327 ff.). 205  BVerfG, Beschluss vom 03. Dezember 1975 – 2 BvL 7/74 –, BVerfGE 40, 356 (361); BSG, Beschluss vom 16. November 2000 – B 4 RA 122/99 B –, SGb 2003, 120 (125); Degenhart, in: Sachs, Grundgesetz, Art.  101 Rn.  5; Kunig, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-­ Kommentar, Art.  101 Rn.  16; Bettermann, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte III/2, S.  523 (570); Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Bd. III, Art.  101 Rn.  31; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art.  101 Rn.  11, 13. So auch R ­ ieble/­Vielmeier, JZ 2011, 923 (927) zur mit §  93c Abs.  1 S.  1 BVerfGG unvereinbaren Klärung bisher unbeantworteter verfassungsrechtlicher Fragestellungen durch das BVerfG im Wege einer Kammer- statt einer Senatsentscheidung. 206  Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Bd. III, Art.  101 Rn.  57 und ­Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz Kommentar, Art.  101 Rn.  19 unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 09. Mai 1978 – 2 BvR 952/75 –, BVerfGE 48, 246 (263) sowie BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 1994 – 1 BvR 1022/88 –, BVerfGE 91, 93 (117). 207  So BSG, Beschluss vom 16. November 2000 – B 4 RA 122/99 B –, SGb 2003, 120 (125) zur sozialgerichtlichen Revisionszulassung durch den iudex ad quem.

326 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG. Damit stellt sich unter dem Blickwinkel der Verfahrensgarantie des gesetzlichen Richters die zentrale Frage, inwieweit sich die bereits als prozessrechtwidrig identifizierte reformatorisch-konfirmierende Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts als Beschwerdegericht analog §  144 Abs.  4 VwGO von den im Gesetz verankerten Grundgedanken des Revisionszulassungsrechts entfernt hat und daher mit Bedeutung und Tragweite des Art.  101 Abs.  1 Satz  2 GG noch in Einklang steht. a) Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG und die Begründung gerichtlicher Entscheidungszuständigkeiten durch richterliche Rechtsschöpfung Diesbezügliche Bedenken gegen die Befugnis des Bundesverwaltungsgerichts, als Beschwerdegericht über die inhaltliche Richtigkeit des Berufungsurteils befinden zu dürfen, bestehen vorliegend schon allein aus dem Grunde, dass sich diese Sachentscheidungskompetenz nicht auf eine vom Gesetzgeber normativ vorgesehene Grundlage stützen lässt. Sie beruht vielmehr auf einem Analogieschluss, also letztlich auf richterlicher Rechtsschöpfung. Eine solche Rechtsanwendung geht aber über den methodischen Vorgang der reinen Gesetzes­ auslegung hinaus und führt zur Erweiterung bzw. Modifikation des zugrunde liegenden Normengefüges aufgrund einer originären Entschließung der Judikative. Dies tangiert schon an sich den Schutzzweck des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG, der darin besteht, aus Gründen der Vorhersehbarkeit des staatlichen Handelns die fundamentalen Bestimmungen über gerichtliche Zuständigkeiten und Kompetenzen der abstrakt-generellen Bestimmungen durch den Gesetzgeber vorzubehalten208. Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG garantiert die Entscheidungszuständigkeit des gesetzlichen, nicht des „gerichtsbestimmten Richters“209. Zwar ließe sich einwenden, dass prinzipiell auch durch eine auf Analogieschluss beruhende richterliche Entscheidungskompetenz dem Schutzanliegen des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG genügt werden könnte, solange die richterrechtlich geschaffene Befugnis in ihren Voraussetzungen und Rechtsfolgen hinreichend klar determiniert ist und ihre Anwendbarkeit vor dem Hintergrund des Gleichheitssatzes in allen 208  Maunz, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art.  101 Rn.  50 unter Berufung auf Henkel, Richter, S.  91. Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Bd. II, Art.  20 (Rechtsstaat) Rn.  103 m. w. N. weist darauf hin, dass das BVerfG, etwa in BVerfG, Beschluss vom 02. März 1993 – 1 BvR 1213/85 –, BVerfGE 88, 103 (116), die Grenzen der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit richterlicher Rechtsschöpfungen heutzutage strenger handhabt als noch in früheren Entscheidungen wie etwa BVerfG, Beschluss vom 14. Februar 1973 – 1 BvR 112/65 –, BVerfGE 34, 269 (291), wonach es hierfür noch maßgeblich allein auf deren methodische Vertretbarkeit ankam. 209  So Proske, NJW 1997, 352 (353). Ähnlich Bettermann, in: Bettermann/Nipperdey/ Scheuner, Die Grundrechte III/2, S.  523 (570) und Piekenbrock/Schulze, JZ 2002, 911 (919).

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gleichgelagerten Fällen sichergestellt ist210. Unter der Geltung der justizverfassungsrechtlichen Garantien des Grundgesetzes darf aber der gesetzliche Richter nur dann durch Analogieschluss bestimmt werden, wenn sich bei der Anwendung des Prozessgesetzes tatsächlich eine systemwidrige Regelungslücke in Anbetracht der gesetzlich vorgesehenen Zuständigkeitsordnung offenbart hat. Dies ist aber nur der Fall, wenn entweder nach dem Gesetz gar keine sonstige richterliche Entscheidungszuständigkeit vorgesehen ist oder aber ein Richter für zuständig erklärt worden ist, dessen Mitwirkung an der Entscheidung des Falles nach dem eindeutigen Grundanliegen des Regelungszusammenhangs erkennbar sachwidrig wäre. Eine Zuständigkeitsbestimmung aufgrund richterlicher Rechtsschöpfung kann unter diesen Umständen ausnahmsweise zulässig und angezeigt sein, um einen Systembruch in der Zuständigkeitsordnung auszu­ räumen, der eindeutig auf einem Versehen des Gesetzgebers beruht und von diesem, hätte er ihn selbst erkannt, normativ ausgeräumt worden wäre211. Ergibt der Normbefehl dagegen eine eindeutige Zuständigkeitsverteilung, die nicht dem Vorwurf der Sachwidrigkeit ausgesetzt ist, kann mittels richterlicher Rechtsschöpfung nicht eine hiervon abweichende Zuständigkeitsanordnung begründet werden, selbst wenn diese nach den individuellen Zweckmäßigkeits­ vorstellungen des normanwendenden Richters eine prozessökonomischere Verfahrensweise ermöglichen könnte212. Welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen und Grenzen die richterliche Rechtsschöpfung im zuständigkeitsrelevanten Bereich aufgrund der Gewährleistungsfunktion des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG unterliegt, hat das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss vom 09. Mai 1978213 klargestellt. Danach setzt die richterrechtliche Konstruktion eines Analogieschlusses, welcher sich auf die Entscheidungszuständigkeit des Gerichts und dessen Besetzung auswirkt, zu210  Ähnlich BVerfG, Beschluss vom 08. April 1997 – 1 PBvU 1/95 –, BVerfGE 95, 322 (330 ff.) zur Handhabe unbestimmter Rechtsbegriffe bei der Auslegung von Zuständigkeitsvorschriften. So in der Sache auch Gerharz, Einzelrichter, S.  241. 211  BVerfG, Beschluss vom 09. Mai 1978 – 2 BvR 952/75 –, BVerfGE 48, 246 (262) 212  BSG, Beschluss vom 16. November 2000 – B 4 RA 122/99 B –, SGb 2003, 120 (125 f.). 213  BVerfG, Beschluss vom 09. Mai 1978 – 2 BvR 952/75 –, BVerfGE 48, 246 (253 ff.) zur Frage der eigentlich nach dem Wortlaut des §  160a Abs.  4 S.  2 GG a. F. bestehenden Mitwirkungspflicht der ehrenamtlichen Richter des BSG an der Entscheidung über die Verwerfung von Nichtzulassungsbeschwerden. Da die ehrenamtlichen Richter schon an der Verwerfung der Revision gemäß §  169 S.  3 SGG nicht zu beteiligen waren, stellte sich diese Rechtsfolge als offensichtlich systemwidriges gesetzgeberisches Versehen dar. Das BVerfG sah es daher als gerechtfertigt an, dass sich das BSG für befugt erachtete, über die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde analog §  169 S.  3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu entscheiden. Der Gesetzgeber hat diesen Systembruch anschließend mit §  160a Abs.  4 S.  1 SGG n. F. selbst korrigiert.

328 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision nächst voraus, dass die strikte Anwendung des Gesetzes im konkreten Fall zu einem systemwidersprüchlichen Ergebnis in der Zuständigkeitsfrage führt214. Ob dies der Fall ist, ist durch Inbezugsetzung des jeweiligen Auslegungsergebnisses mit Ziel und Funktion des zugrunde liegenden Gesamtregelungskomplexes zu ermitteln 215. Darüber hinaus muss zu konstatieren sein, dass der Gesetzgeber diesen danach festgestellten Regelungswiderspruch, so er ihn denn erkannt hätte, gerade im Sinne der Rechtsfolge des angedachten Analogieschlusses durch eine entsprechende Bestimmung selbst ausgeräumt hätte216. Hierzu muss sich aus dem anwendbaren Regelungszusammenhang ein eindeutiger gesetzgeberischer Regelungswille ableiten lassen, welcher bereits im Wortlaut der Bestimmungen seinen Niederschlag gefunden hat und daher für die Verteilung der gerichtlichen Entscheidungskompetenzen und die jeweiligen Mitwirkungspflichten der in Betracht kommenden Richter ausschlaggebend zu sein hat217. Dieser hat für die Konstruktion eines Analogieschlusses maßgeblich zu sein, weil sich auch die richterliche Rechtsschöpfung als konsequente und sachlogische Weiterführung des gesetzgeberischen Gesamtkonzepts und bestehenden normativen Grundgerüsts darzustellen hat218. Letztendlich darf sich die rich­ terliche Rechtsschöpfung nicht selbst in Widerspruch zum vom Gesetzgeber verfolgten Regelungskonzept setzen, indem contra legem eine im Gesetz zum Ausdruck kommende eindeutige Regelungsabsicht – und sei es auch nur in einem einzigen, aber wesentlichen Punkt – verfehlt oder verfälscht und damit in unzulässiger Weise seitens der Judikative in den Kompetenzbereich der Legislative eingegriffen werden würde219. Denn wie sonst auch ist es den Gerichten auf dem Gebiete des Prozessrechts verwehrt, ihren „Willen an die Stelle des Willens des Gesetzgebers“ zu setzen 220. Sie sind darauf beschränkt, „den vom Gesetz­geber verfolgten Sinn mit Hilfe anerkannter Auslegungsregeln aus dem Gesamtgefüge“ des prozessrechtlichen Normgefüges zu erschließen und diesen konsequent und sachrichtig zur Entscheidung des anhängigen Streitfalles umzusetzen 221. Eine Zuständigkeitsbestimmung anhand einer richterlichen Rechtsschöpfung, die diesen Anforderungen nicht genügt, steht in Widerspruch zu Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG, ohne dass es hierfür noch darauf ankäme, ob diese 214 

BVerfG, a. a. O. S.  257. BVerfG, a. a. O. S.  256. 216  BVerfG, a. a. O. S.  262. 217  BVerfG, a. a. O. S.  255 f., 258. 218  BVerfG, a. a. O. S.  258. 219  BVerfG, a. a. O. S.  262. Ebenso BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (299). 220  BVerfG, a. a. O. S.  262. 221  BVerfG, a. a. O. S.  262. 215 

II. Das Verbot des Entzugs des gesetzlichen Richters, Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG

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Entscheidung im konkreten Einzelfall selbst von sachwidrigen Erwägungen getragen wurde oder aus sonstigen Gründen auf Willkür beruht222. Denn schon allein der Umstand, dass hierdurch eine vom Gesetzgeber weder explizit vorgesehene noch intendierte oder zumindest gebilligte Zuständigkeitsordnung geschaffen wird, negiert dessen Regelungshoheit, beeinträchtigt die Vorhersehbarkeit der gerichtlichen Kompetenzverteilung und begründet die abstrakte Gefahr potentieller Manipulation der gerichtlichen Entscheidungstätigkeit von außen und von innen 223. Bei Anlegung dieser Maßstäbe stellt sich der vom Bundesverwaltungsgericht zur Erweiterung seiner Prüfungs- und Entscheidungskompetenzen im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren gezogene Analogieschluss zu §  144 Abs.  4 VwGO nicht mehr als i. S. v. Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG zulässige richterliche Rechtsfortbildung dar. Das Bundesverwaltungsgericht würde in seiner Funk­ tion und Besetzung als Beschwerdegericht hierdurch Befugnisse ausüben können, die das Gesetz diesem ausdrücklich nur als Revisionsgericht zuschreibt. Der Analogieschluss, der der Ergebnisrichtigkeitskontrolle im Beschwerdeverfahren als rechtliche Grundlage dienen soll, wurde im Zuge der prozessrechtsdogmatischen Untersuchung in dieser Arbeit wiederlegt224. Weder ließ sich dabei eine Regelungsabsicht des Gesetzgebers feststellen, die Revisionszulassung unter den Vorbehalt der reformatorischen Erfolgsaussichten in der Sache zu stellen, noch haben sich in der Systematik des Revisionszulassungsrechts der VwGO dahingehende Regelungsdefizite oder zumindest Anknüpfungspunkte für eine entsprechende Gesetzesanwendung ergeben. Ganz im Gegenteil konnte gezeigt werden, dass das geltende Revisionszulassungsrecht vielmehr allein von einem Ausblick auf die kassatorischen Elemente der Revisionsprüfung geprägt ist, indem es an die von der Vorinstanz entscheidungstragend herangezogenen 222  Insoweit kann hier nichts anderes gelten als für die Anwendung einer gesetzlichen Regelung, die mit Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG nicht in Einklang steht, vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 08. April 1997 – 1 PBvU 1/95 –, BVerfGE 95, 322 (328 f., 329 f.); Maunz, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art.  101 Rn.  14. Soll nämlich die richterliche Rechtsschöpfung einen Ersatz für ein legislatives Regelungsdefizit bilden, so muss sie sich diese auch selbst den inhaltlichen Maßgaben unterwerfen, die das Grundgesetz an die gesetzgeberisch-normative Gestaltung des einfachen Rechts stellt. 223  Ebenso Maunz, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art.  101 Rn.  50 unter Berufung auf Henkel, Richter, S.  91 mit Blick auf Art.  3 Abs.  1 GG. Danach komme es für den Verstoß gegen Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG nicht darauf an, ob die durch die richterliche Rechtsschöpfung begründete Rechtsfolge in Zuständigkeitsfragen selbst mit dem Gleichheitsgrundsatz und dem Willkürverbot in Einklang stehe. Vielmehr genüge es hierfür schon, dass diejenige Gleichbehandlung, die der Gesetzgeber mittels seines expliziten Normanwendungsbefehles verwirklicht sehen wollte, vom Gericht im Einzelfall nicht umgesetzt wurde. 224  Vgl. oben §  4.

330 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision Begründungsansätze und deren Überprüfbarkeit am Maßstab des §  137 Abs.  1 VwGO anknüpft. Dementsprechend ist im Revisionszulassungsverfahren auch nur nach Maßgabe der kassatorischen Erfolgsaussichten des Rechtsmittels allein über die Zulassung, also über die Frage, ob die Revision zu eröffnen ist oder nicht, zu befinden. Dagegen ist das Zulassungsgericht nicht befugt, schon in reformatorischer Hinsicht über die Sache selbst zu entscheiden, gleichgültig, ob sich dies auch »nur« auf die Fälle der Konfirmation des Tenors der Berufungsentscheidung nach §  144 Abs.  4 VwGO bezieht. Das Bundesverwaltungsgericht in seiner Funktion als Zulassungsgericht für berechtigt anzusehen, nach Maßgabe seiner materiellen Rechtsansicht von der sachlich richtigen Falllösung schon im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren analog §  144 Abs.  4 VwGO inhaltlich über die Sache selbst entscheiden zu dürfen, würde daher selbst einen Bruch mit der Gesetzessystematik, ihrer Funktionsweise und Zielrichtung bedingen. Insoweit stellt diese judikative Rechtsschöpfung das System der Revisionszulassung auf eine vom Anliegen des Gesetzgebers und der von ihm verwirklichten Regelungskonzeption abweichende Ausgangsgrundlage. Dies ist mit dem Schutzzweck des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG, aus Gründen der Sicherung der Objektivität der Rechtsprechung und der Vorhersehbarkeit richterlicher Entscheidungszuständigkeiten die Bestimmung der fundamentalen Zuständigkeitsgrundsätze der normativen Regelung durch den Gesetzgeber zu überlassen, unvereinbar. Das Bundesverwaltungsgericht ist demnach nicht befugt, auf eine zulässige und nach den gesetzlich vorgesehenen Kriterien auch begründete Nichtzulassungsbeschwerde die Revisionszulassung wegen Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils zu verweigern und analog §  144 Abs.  4 VwGO dessen Aufrechterhaltung schon im Beschwerdeverfahren auszusprechen. Macht der Beschwerdeführer prozessual ordnungsgemäß Zulassungsgründe i. S. v. §  132 Abs.  2 VwGO geltend und ergibt die gerichtliche Prüfung, dass diese tatsächlich einschlägig sind, so ist das Bundesverwaltungsgericht ausschließlich in seiner Funktion als Revisionsgericht gesetzlicher Richter zur Entscheidung der Rechtssache. Dies gilt daher auch für solche Revisionen, denen von vornherein keine Erfolgsaussichten beschieden werden könnten, weil sich das Berufungsurteil als im Ergebnis richtig herausgestellt haben sollte. Es obliegt dabei allein der eigenen Entscheidung und dem Prozessrisiko des Rechtsmittelführers sowie der Beratungspflicht seines Prozessvertreters, ob das Rechtsschutzbegehren in dritter Instanz trotz unzureichender Erfolgschancen weiterverfolgt wird225. ­Dagegen ist das Bundesverwaltungsgericht als Beschwerdegericht nicht der gesetzlich zuständige Richter zur abschließenden Entscheidung über das Rechts225 

Ebenso Naumann, DÖV 1956, 545 (548).

II. Das Verbot des Entzugs des gesetzlichen Richters, Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG

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mittel selbst. Ausnahmen hiervon bedürfen einer expliziten gesetzlichen Grundlage, wie dies etwa mit §  133 Abs.  6 VwGO für den Fall durchgreifender Verfahrensrügen vorgesehen ist226. Das Gesetz hält insoweit eine ausdrück­liche Zuständigkeitsanordnung für Revisionen ohne Erfolgsaussichten vor, die durch den von der Rechtsprechung befürworteten Analogieschluss der revisionsverfahrensrechtlichen Vorschrift des §  144 Abs.  4 VwGO sachwidrig umgangen werden würde. Stützt ein Gericht seine Befugnis zur Entscheidung nicht auf eine gesetzlich vorgesehene, sondern auf eine von ihm selbst richterrechtlich geschaffene Kompetenzgrundlage, so ist es bereits das Fehlen ihrer normativen Verankerung, die der Rechtsanwendung die Vorhersehbarkeit nimmt und die abstrakte Gefahr sachwidriger Einflussnahmen im Einzelfall begründet. Hat dies Auswirkungen auf die gerichtliche Zuständigkeitsverteilung, weil hierdurch einem anderen Spruchkörper eine Entscheidungskompetenz vorenthalten wird, so liegt hierin schon auf abstrakter Ebene ein Verstoß gegen Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG. Hierfür ist es unerheblich, ob sich gleichwohl aufgrund rechtspraktischer Erfahrungen belegen ließe, dass es bisher tatsächlich nicht zu einer willkürlichen Entscheidungspraxis auf Grundlage dieser richterrechtlich geschaffenen Kompetenzgrundlage gekommen ist und es daher als eher fernliegend erschiene, dass mit einer willkürlichen Verfahrensweise in Zukunft ernsthaft zu rechnen wäre. Allein das an sich berechtigte Vertrauen in die Sachlichkeit der Rechtsprechung macht eine aus verfassungsrechtlichen Gründen erforderliche, hinreichend präzise gesetzliche Entscheidungsgrundlage nicht entbehrlich 227. Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG fordert gerade, dass richterliche Entscheidungsspielräume zur Bestimmung der jeweiligen Zuständigkeit schon per se soweit wie möglich vermieden werden, ohne dass es hierfür von Bedeutung wäre, ob diese aus sachgerechten oder sachwidrigen Erwägungen ausgenutzt werden würden 228. Die Verfahrensgarantie des gesetzlichen Richters gebietet, durch die weitestmögliche, gerade auf Gesetz beruhende Zuständigkeitsordnung jeden vermeidbaren Auslegungsspielraum und damit Zweifel über die gerichtliche Zuständigkeit auszuschließen, unabhängig davon, ob die Sachlichkeit, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit der hiervon tangierten Richter im Übrigen über jeden Zweifel erhaben ist229. Vgl. Schuler, SGb 2003, 126 (129) zu §  160a Abs.  5 SGG, welcher inhaltlich §  133 Abs.  6 VwGO entspricht: „Erweiterung der funktionalen Zuständigkeit des Beschwerdegerichts“. 227  Classen, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar Grundgesetz, Art.  101 Abs.  1 Rn.  18. 228  Classen, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar Grundgesetz, Art.  101 Abs.  1 Rn.  19. 229  Morgenthaler, in: Epping/Hillgruber, Grundgesetz, Art.  101 Rn.  11; Maunz, in: Maunz/­ Dürig, GG Kommentar, Art.  101 Rn.  35. 226 

332 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision Jede zuständigkeitsrelevante Vorgabe, die einer abstrakt-generellen Regelung durch den Gesetzgeber zugänglich ist, muss vor dem Hintergrund des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG auch ausschließlich gerade durch diesen in eben jener Weise festgelegt werden 230. Nur soweit dies aus praktischen Gründen unmöglich ist – dies betrifft vor allem Fragen der personellen Zuständigkeit, welche der Regelung durch Geschäftsverteilungspläne der Gerichte vorbehalten sind 231 – oder eine gesetzliche Zuständigkeitsanordnung für die Entscheidung des konkreten Falles gänzlich fehlt, ist die Judikative aufgrund des Justizverweigerungsverbotes232 dazu befugt und aufgerufen, über die Entscheidungszuständigkeit im Einzelfall selbst zu bestimmen. Dies ist aber in Anbetracht der jeweiligen Entscheidungsbefugnisse des Bundesverwaltungsgerichts in seiner Funktion als Beschwerdegericht einerseits und als Revisionsgericht andererseits nicht der Fall. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde verstößt insoweit gegen Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG. Ein derartiger Verfassungsverstoß ließe sich demgegenüber nicht allein dadurch vermeiden, indem die auf einen Analogieschluss zu §  144 Abs.  4 VwGO gestützte Beschwerdeentscheidung unter einen außergesetzlichen Vorbehalt eines Einstimmigkeitserfordernisses bei der Beschlussfassung gestellt werden würde233. Denn die Verfahrensgarantie des gesetzlichen Richters in ihrer abwehrrechtlichen Dimension steht als solche nicht unter einem Schrankenvorbehalt234. Der Richterentzug durch die Judikative ist demzufolge weder einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung noch der Kompensation durch andere prozessuale Instrumente, die der verfahrensrechtlichen Absicherung der sachlichen Richtigkeit der Fallentscheidung dienen, zugänglich235.

Maunz, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art.  101 Rn.  25, 35. BVerfG, Beschluss vom 08. April 1997 – 1 PBvU 1/95 –, BVerfGE 95, 322 (328). 232  Hierzu BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1954 – 1 BvR 537/53 –, BVerfGE 3, 359 (364); Schulze-Fielitz, in; Dreier, Grundgesetz Kommentar Bd. III, Art.  101 Rn.  58 und Bernsdorff, in: Umbach/Clemens, Grundgesetz Kommentar/Handbuch, Art.  97 Rn.  13. 233  So aber Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  133 Rn.  86.1. 234  Schulze-Fielitz, in; Dreier, Grundgesetz Kommentar Bd. III, Art.  101 Rn.  6 4. 235  Kingreen/Poscher, Grundrechte Staatsrecht II, Rn.  1199; Classen, in: von Mangoldt/ Klein/Starck, Kommentar Grundgesetz, Art.  101 Abs.  1 Rn.  27. Vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 08. April 1997 – 1 PBvU 1/95 –, BVerfGE 95, 322 (330) zur Unrelativierbarkeit eines Richterentzugs aufgrund unzureichender Bestimmtheit einer zuständigkeitsrelevanten gesetzlichen Vorschrift. 230  231 

II. Das Verbot des Entzugs des gesetzlichen Richters, Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG

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b) Die Verteilung der funktionellen Zuständigkeiten des Bundesverwaltungsgerichts zwischen Beschwerde- und Revisionssenat Unabhängig vom Fehlen einer hinreichenden Kompetenzgrundlage des Bundesverwaltungsgerichts, schon im Zulassungsverfahren über die Sache inhaltlich und abschließend befinden zu können, könnte dem Beschwerdeführer der gesetzliche Richter durch eine derartige Sachentscheidung des Beschwerdesenates auch im Hinblick darauf entzogen werden, dass hierdurch den Kompetenzen des Revisionssenates und der dort zu beteiligenden Richter vorgegriffen wird. Soweit dadurch Letzterem die Ausübung von Befugnissen vorenthalten werden würde, die nach der gesetzlichen Grundordnung des Revisionsrechts ausschließlich diesem zustehen kann, müssten dahingehende Sachentscheidungen des Beschwerdesenates als eine Verfahrensweise angesehen werden, die sich so weit vom Vorbehalt der Gesetzlichkeit richterlicher Zuständigkeiten entfernt hat, dass hiermit „die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung eindeutig und grundlegend verfehlt“ wird236. Ein derartig schwerwiegender Zuständigkeitsverstoß des Beschwerdesenates zu Lasten des Revisionssenates könnte vor Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG keinen Bestand mehr haben 237. Der Vierte Senat des Bundessozialgerichts hat sich in einem die Revision gegen ein unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ergangenes Urteil des Landessozialgerichts Essen zulassenden Beschluss vom 16. November 2000 ausführlich mit den Fragen nach der funktionellen Zuständigkeitsverteilung zwischen Beschwerde- und Revisionssenat und der analogen Anwendbarkeit des dem §  144 Abs.  4 VwGO im Sozialprozess entsprechenden §  170 Abs.  1 S.  2 SGG im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren befasst238. Das Gericht hatte sich dabei in seiner Funktion als mit der Sache befasstes Beschwerdegericht aus prozessrechtlichen Gründen außer Stande gesehen, bereits im Zulassungsverfahren über die materiell-rechtliche Richtigkeit des Berufungsurteils befinden zu können, obschon diese aufgrund der Umstände des konkreten Falles nahe gelegen hatte. Der Beschwerdesenat des Bundessozialgerichts ging dabei davon aus, dass er andernfalls durch eine derartige Handhabe des Revi­ sionszulassungsrechts seinen Sachentscheidungsbefugnissen in seiner Funktion 236  BVerfG, Kammerbeschluss vom 08. Mai 1991 – 2 BvR 1380/90 –, NJW 1991, 2893 (2894). 237  Vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1954 – 1 BvR 537/53 –, BVerfGE 3, 359 (364); BVerfG, Urteil vom 16. Januar 1957 – 1 BvR 134/56 –, BVerfGE 6, 45 (53); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 10. Juni 2005 – 1 BvR 2790/04 –, BVerfGK 5, 316 (324). Ähnlich Maunz, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art.  101 Rn.  50 unter Berufung auf Henkel, Richter, S.  91. 238  BSG, Beschluss vom 16. November 2000 – B 4 RA 122/99 B –, SGb 2003, 120 ff. mit Anmerkung Schuler, SGb 2003, 126 ff.

334 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision und Zusammensetzung als Revisionssenat vorgreifen und damit dem Beschwerdeführer den gesetzlichen Richter entziehen würde239. Das Bundessozialgericht stützte sich hierbei maßgeblich auf die Erwägung, dass es im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren als Beschwerdegericht nur dazu aufgerufen sei, über die Revisionszulassung befinden, aber nicht funktional dafür zuständig sei, auch verfahrensabschließend über die Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils zu entscheiden 240. Diese Befugnis stehe dem Bundessozialgericht ausschließlich in seiner Funktion als Revisionsgericht in entsprechender Besetzung zu. Ein Zugriff des Beschwerdesenates auf die Sache würde vor dem Hintergrund der gesetzlich angeordneten Beschränkung des Gegenstandes des Zulassungsverfahrens den Befugnissen des Revisionssenates vorgreifen und dem Beschwerdeführer damit den funktionell zuständigen Richter vorenthalten. In den Bereichen, in denen das gerichtliche Verfahren auch in dritter Instanz dem Schutz von Grundrechten diene, was in den öffentlich-rechtlichen Gerichtszweigen regelmäßig der Fall ist, stehe es dem Gericht nicht zu, seine Kompetenzen durch richterliche Rechtsschöpfung diametral den gesetzlichen Wertungen eigenhändig zu erweitern. Dies gelte jedenfalls dann, wenn auf diesem Wege einem anderen, eigentlich kraft Gesetzes zuständigen Spruchkörper Entscheidungsbefugnisse vorenthalten werden würden 241. Eine inhaltliche Überprüfung des Berufungsurteils bereits durch den Beschwerdesenat sei weder von den gesetzlichen Grundlagen des Revisionszulassungsrechts gedeckt noch aufgrund einer verfassungsrechtlich tragfähigen richterrechtlichen Modifikation des Nichtzulassungsbeschwerderechts zulässig. Eine derartig eigenständig angemaßte Entscheidungsbefugnis des Beschwerdegerichts könne mangels ausdrücklicher parlamentsgesetzlicher Absicherung nicht mehr gewähr239 

Laut BSG, Beschluss vom 03. März 2009 – B 1 KR 69/08 B –, NZS 2010, 119 (120) hält der 4. Senat des BSG nach der Anfrage des 1. Senates in BSG, Beschluss vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 69/08 B –, BeckRS 2009, 53032 an seiner noch in diesem Beschluss vertretenen Rechtsauffassung zur Unzulässigkeit einer Ergebnisrichtigkeitskontrolle im Zulassungsverfahren nicht mehr fest. Gleichwohl zeigt diese Entscheidung, dass auch innerhalb der obersten Gerichtshöfe des Bundes Zweifel hinsichtlich der Zulässigkeit der Abkürzbarkeit des Revisions- im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren bestehen. Die Entscheidung lohnt daher dennoch eines näheren Blickes. In ähnlicher Weise zur Verteilung der funktionellen Zuständigkeiten zwischen Beschwerde- und Revisionssenat – allerdings in der umgekehrten Konstellation der Frage nach der Berücksichtigungsfähigkeit von einfachen Rechtsfehlern im Zulassungsverfahren – hatten sich der 4. Senat des BSG bereits in BSG, Beschluss vom 27. Januar 1999 – B 4 RA 131/98 B –, NZS 1999, 571 (572) sowie der 9. Senat des BAG in BAG, Beschluss vom 26. Juni 2001 – 9 AZN 132/01 –, BAGE 98, 109 (112) geäußert. 240  BSG, Beschluss vom 16. November 2000 – B 4 RA 122/99 B –, SGb 2003, 120 (123). 241  BSG, a. a. O. S.  123. Ähnlich BSG, Beschluss vom 27. Januar 1999 – B 4 RA 131/98 B –, NZS 1999, 571 (572) und BAG, Beschluss vom 26. Juni 2001 – 9 AZN 132/01 –, BAGE 98, 109 (112).

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leisten, dass willkürliche Entscheidungen und Unsicherheiten in Anbetracht der Zuständigkeitsordnung so weit wie möglich vermieden werden und verstoße daher gegen Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG242. Der Gesetzgeber habe nämlich die funktionellen Zuständigkeiten des Bundessozialgerichts als Beschwerde- und als Revisionsgericht bewusst dem Funktionszusammenhang und der Stufung von Zulassungs- und Rechtsmittelverfahren untergeordnet, weshalb eine Entscheidung zur Sache selbst allein dem Revisionssenat vorbehalten sein könne. Eine systemwidrige Regelungslücke in dieser Zuständigkeitsabgrenzung sei danach nicht erkennbar. Da zudem nicht sichergestellt sei, dass diejenigen Richter, denen im Revisionssenat die Entscheidung über das Rechtsmittel obliegen würde, auch in gleicher Besetzung im Beschwerdesenat zu entscheiden hätten, würde durch eine analoge Anwendung des §  170 Abs.  1 S.  2 SGG eine abschließende Sachentscheidung durch ein Richtergremium getroffen, welches das Gesetz gerade nicht für personell zuständig erklärt habe243. Rein subjektiv geprägte Erwägungen wie die Berufung auf Gründe der Prozessökonomie, der Verfahrensbeschleunigung und Verfahrenskonzentration könnten die Umgehung eindeutiger verfahrensrechtlicher Bestimmungen allein nicht rechtfertigen, sondern könnten allenfalls in der Art und in dem Umfang Berücksichtigung finden, wie das anwendbare Prozessrecht diese selbst aufgreife und allgemeinverbindlich vorgebe244. Dem ist vollumfänglich zuzustimmen. Dass die von der Rechtsprechung angenommene Befugnis, schon im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren über die materielle Richtigkeit des Berufungsurteils und damit in der Sache selbst entscheiden zu können, nicht zu einer Kompetenzverschiebung zwischen verschiedenen Gerichten als organisatorische Einheiten, sondern nur zu einer Funk­ tionsverschiebung innerhalb ein und desselben Gerichts führen würde, ist hierbei vor dem Hintergrund des Gewährleistungsgehaltes von Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG unerheblich. Der durch diese Verfassungsnorm statuierte Gesetzesvorbehalt für die Begründung richterlicher Zuständigkeiten erstreckt sich nämlich nicht nur auf die Abgrenzung der Entscheidungskompetenzen zwischen den einzelnen Gerichten untereinander. Der Bestimmung durch Gesetz vorbehalten ist auch die Frage nach den funktionellen Befugnissen des Gerichts, wenn über die Rechtssache in funktionell verschiedenen, gesetzlich voneinander getrennten Verfahrensstadien mit unterschiedlichen Besetzungsvorgaben zu entscheiden ist245. Ist in diesen gesonderten Verfahrensabschnitten – wie im Falle der Revisionszulassung durch den iudex ad quem – nicht nur über unterschiedliche 242 

BSG, a. a. O. S.  124. BSG, a. a. O. S.  125. 244  BSG, a. a. O. S.  126. 245  In diese Richtung auch Maunz, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art.  101 Rn.  55; 243 

336 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision Aspekte des Falles, sondern auch in unterschiedlicher personeller Besetzung zu entscheiden, so steht Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG einer beliebigen Verschiebung von Entscheidungsbefugnissen ohne gesetzliche Grundlage allein nach Maßgabe richterlicher Zweckmäßigkeitsvorstellungen entgegen. Daher ist auch für die Konstituierung gerichtlicher Entscheidungszuständigkeiten in erster Linie der Gesetzgeber aufgerufen, durch möglichst klare und eindeutige normative Vorgaben jegliche Ungewissheiten und Unklarheiten auszuschließen, die die abstrak­ te Gefahr sachfremder Einflussnahmen auf die Auswahl der Person des zur Entscheidung berufenen Richters ausschließen. Das Gesetz weist explizit und bewusst den drei Richtern des Beschwerdesenates des Bundesverwaltungsgerichts allein die Entscheidungskompetenz über die Zulassungsfrage zu, behält aber die Befugnis zur Sachentscheidung den fünf Richtern des Revisionssenates vor. Es verstößt daher gegen Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG, contra legem die eigentliche Sachprüfung in die Zulassungskontrolle zu integrieren, um schon in verminderter Besetzung über die Rechtssache abschließend entscheiden zu können. Weist das Gesetz einem Richtergremium in einem spezifischen Verfahrensstadium eine ganz bestimmte Aufgabe zu, die sich in den jeweiligen Beschränkungen des gerichtlichen Prüfungsumfanges widerspiegelt, so entzieht das Gericht den Parteien ihren gesetzlichen Richter, wenn dieses dabei zu Unrecht Funktionen wahrnimmt, die funktionell einem anderen Verfahrensschritt und damit einem personell anderen Spruchkörper vorbehalten sind 246. Die Gegenauffassung, welche eine Sachentscheidung im Beschwerdeverfahren analog §  144 Abs.  4 VwGO für prozessual zulässig erachtet, erkennt hierin konsequenterweise weder eine rechtswidrige Kompetenzübertretung des Beschwerdegerichts noch einen Verstoß gegen Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG. Die Entscheidungsbefugnisse des Revisionsgerichts und damit auch der Anspruch der Parteien auf eine Entscheidung der Rechtssache durch den gesetzlich hierfür vorgesehenen Richter sollen aber auch nach Meinung der Vertreter der Gegenansicht dann in verfassungsrechtlich relevanter Weise verletzt sein, wenn die vom Beschwerdegericht zur Verweigerung der Revisionszulassung analog §  144 Abs.  4 VwGO herangezogenen Alternativgründe nicht hinreichend offensichtSchulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Bd. III, Art.  101 Rn.  60; Hänlein, in: Umbach/Clemens, Grundgesetz Kommentar/Handbuch, Art.  101 Rn.  22. 246  Zur wegen Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG notwendigen Abgrenzung von Zulässigkeits- und Begründetheitsfragen im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren, welche nach den §  72a Abs.  5 S.  2, S.  3 ArbGG und §  160a Abs.  4 S.  1 SGG Auswirkungen auf den Umfang der Mitwirkungspflicht der ehrenamtlichen Richter und damit auf die Besetzung des BAG und BSG bei der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde hat, vgl. BVerfG, Beschluss vom 09. Mai 1978 – 2 BvR 952/75 –, BVerfGE 48, 246 (263); BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 1994 – 1 BvR 1022/88 –, BVerfGE 91, 93 (117); BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. August 1995 – 1 BvR 568/93 –, NZA-RR 1996, 26 (27).

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lich oder selbst von Zulassungsrelevanz sind 247. In diesen Fällen sei die Entscheidung der Rechtssache allein dem Revisionsgericht vorbehalten. Um allerdings überhaupt diesen Schluss ziehen zu können, müsste die Gegenansicht konsequenterweise implizit die Prämisse zugrunde legen, dass sich die Entscheidungskompetenzen des Revisionssenates im Kern darauf beschränken würden, über Rechtsprobleme von allgemeiner Bedeutung, wie sie in den Zulassungsgründen des §  132 Abs.  2 VwGO zum Ausdruck kommen, abschließend befinden zu dürfen 248 und Rechtssachen zu entscheiden, die einer vertieften Erörterung bedürfen 249. Nur dann könnte nämlich in Abgrenzung hierzu die Behauptung aufgestellt werden, dass einfach gelagerte Fälle auch außerhalb des Revisionsverfahrens, also schon im Zulassungsstadium, sachlich abgehandelt werden könnten. Dass aber der Gesetzgeber mit der Etablierung des Prinzips der Revisionszulassung Fälle minderer Erörterungsbedürftigkeit gerade nicht aus dem funktionellen Zuständigkeitsbereich des Revisionsgerichts ausklammern und in den Kompetenzbereich des Beschwerdegerichts verlagern wollte, wurde bereits an anderer Stelle dargelegt250. Das Revisionsgericht ist eben nicht ausschließlich zuständig für die Entscheidung bedeutsamer oder schwierig zu beurteilender Rechtsfragen, sondern für die Entscheidung über das Rechtsmittel der Revision als solches, also darüber, ob das Urteil des Berufungsgerichts i. S. v. §  137 VwGO auf der Verletzung revisiblen Rechts beruht und wie gegebenenfalls nach §  144 Abs.  3, Abs.  4 VwGO über die Rechtssache richtigerweise zu entscheiden ist251. Denn die Revision hat mit einem Vorlageverfahren, in dessen Rahmen nur die Entscheidungsbefugnis über einzelne Rechtsfragen an das höhere Gericht devolviert, nichts gemein. Die Rechtssache ist vielmehr im Rahmen des gesetzlich begrenzten gerichtlichen Prüfungsumfanges und der Rechts247  So etwa BFH, Beschluss vom 10. Dezember 2003 – X B 134/02 –, BFH/NV 2004, 906 (908); Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  888; Sendler, DVBl. 1992, 240 S.  242; Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  79. 248  So in der Sache BFH, Beschluss vom 10. Dezember 2003 – X B 134/02 –, BFH/NV 2004, 906 (908); Sendler, DVBl. 1992, 240 (242 f.); Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  79. 249  Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  888 sieht die Möglichkeit der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde wegen Ergebnisrichtigkeit im Bereich der Verfahrensfehlerzulassung nur dann für gegeben an, wenn sich die Richtigkeit des Berufungsurteils „im Wege einer summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten wie bei einer Entscheidung über einen Prozesskostenhilfeantrag“ ergibt. Dass aber eine verfahrensbeendende Sachentscheidung allein nach Maßgabe einer nur summarischen Prüfung von Rechtsfragen ergehen können soll, erscheint zweifelhaft. Ähnlich Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  133 Rn.  86.1. 250  Vgl. oben. §  5 I. 5. 251  Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  24.

338 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision mittelanträge der Parteien auch vom Revisionsgericht in dem vollen Umfang, wie sie beim Gericht anhängig ist, zu entscheiden 252. Die Rechtsmittelwürdigkeit des Falles ist unter der Geltung des Prinzips der Rechtsmittelzulassung nur ausschlaggebend für den Erlass der freigebenden Zulassungsentscheidung, beschränkt aber nicht den gesetzlichen Prüfungsauftrag des Rechtsmittelverfahrens selbst253. Das Allgemeininteresse an der Entscheidung von Rechtsfragen durch das Rechtsmittelgericht wie auch die Schwierigkeit des Falles an sich können nach §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO und §  124 Abs.  2 Nr.  2 VwGO der Maßstab für die Rechtsmittelzulassungsentscheidung und damit Grund und Anlass für die Durchführung eines Rechtsmittelverfahrens sein. Dies bedeutet aber nicht zugleich im Umkehrschluss, dass Fälle, deren letztendliche Lösung gerade keines größeren Erörterungs- und Begründungsaufwandes bedarf, in einem abgekürzten Rechtsmittelverfahren, nämlich schon im Zulassungsstadium abschließend entschieden werden dürften. Schließlich besagt das Gesetz auch an keiner Stelle, dass es alleinige Aufgabe des Revisionsgerichts sei, das Bundesrecht fortzubilden oder die einheitliche Rechtsanwendung auf diesem Rechts­ gebiet sicherzustellen. Denn jedes Gericht ist im Rahmen seiner Rechtssprechungstätigkeit dazu befugt und verpflichtet, das Recht durch die Entscheidung von Fragen grundsätzlicher Bedeutung fortzubilden und mit dem Ziel der Rechtsprechungseinheit unvereinbare Fehlinterpretationen des Rechts im Voraus zu vermeiden254. Dabei steht aber stets die richtige Entscheidung der Rechtssache im Vordergrund, die Fortbildung des Rechts durch Schaffung von Präjudizien ist auch im Rahmen von echten Rechtsmittelverfahren nur ein erwünschtes Nebenprodukt der Judikatur255. Dann lässt sich aber auch nicht mit dem Argument einer angeblich begrenzten Entscheidungskompetenz des Revisionsgerichts dessen Aufgabe der sachlichen Rechtsfindung in den Fällen, in denen diese nicht eröffnet sein soll, in das der Revision vorgehende Zulassungsverfahren vor dem iudex ad quem auslagern. Insoweit erweist sich die Annahme der Gegenauffassung, dem Revisionsgericht sei nur die Entscheidung solcher Fälle vorbehalten, in denen die Bestätigung des Berufungsurteils aus anderen Gründen nach §  144 Abs.  4 VwGO die Beantwortung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung oder eine intensivere Befassung mit der Rechtssache erforderlich mache, während andere Fälle schon im Beschwerdeverfahren sachlich entCzybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  41. Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  15 f.; Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  137 Rn.  5; Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  132 Rn.  10. 254  Baur, ZZP 71, 161 (177); May, Revision, VI Rn.  221; Piekenbrock/Schulze, JZ 2002, 911 (913). 255  Pfab, JURA 2010, 10 (13); Pohle, Gutachten B für den 44. DJT. S.  46; Wenzel, NJW 2002, 3353 (3354). 252  253 

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schieden werden dürften, als unzutreffend und mit Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG unvereinbar. Gesetzliches Grundkonzept der Revisionszulassung nach den §§  132, 133 VwGO ist also, dass im Zulassungsstadium allein über die Eröffnung der Revisionsinstanz zu entscheiden ist. Die Möglichkeit, schon im Zulassungsverfahren über das Rechtsmittel zu entscheiden, wenn die Zulassungsfrage im Zweifel schwieriger zu beantworten wäre als die Sachfrage256, erkennt das Gesetz dagegen nicht an und steht dem auch nicht offen. Das Zulassungsgericht ist bei seiner konstitutiven Entscheidung über die Eröffnung des Revisionszugangs dazu aufgerufen, festzustellen, ob die Vorinstanz in entscheidungserheblicher Weise eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung i. S. v. §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO behandelt hat oder von der Entscheidung eines Divergenzgerichts i. S. v. §  132 Abs.  2 Nr.  2 VwGO abgewichen ist, nicht aber auch dazu, über diese zulassungsrelevante Rechtsfrage schon selbst abschließend zu befinden 257. Ebenso wenig ist es dem mit der Zulassungsproblematik befassten iudex ad quem aufgrund seiner in diesem Verfahrensstadium begrenzten Prüfungs- und Entscheidungsbefugnisse möglich, die Zulassungsfrage dahingestellt zu lassen und unmittelbar über die Rechtssache zu entscheiden. §  133 Abs.  6 VwGO stellt hierzu nur eine scheinbare Ausnahme dar. Die Vorschrift ermöglicht nämlich die Zusammenfassung einer positiven Zulassungs- und einer stattgebenden Sachentscheidung in einem Akt258, macht aber weder eine vorgehende Zulassungsprüfung am Maßstab des §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO entbehrlich noch ermöglicht sie eine reformatorische Entscheidung zur Rechtssache selbst259. Dass das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren eine solche Sachentscheidungsbefugnis des Beschwerdegerichts vorhält, findet seine Berechtigung allein darin, dass die fest­ gestellte Verfahrensfehlerhaftigkeit des Berufungsurteils sowohl einen 256  Schafft, Selektion, S.  93 f. hält in diesen Fällen eine Abkürzung des Rechtsmittelverfahrens de lege ferenda für rechtspolitisch sinnvoll. 257  Ebenso Maetzel, MDR 1961, 453 (454); May, Revision, IV Rn.  176 und V Rn.  135; Finkelnburg, in: Schmidt-Aßmann/Sellner/Hirsch/Kemper/Lehmann-Grube, Festgabe 50 Jahre BVerwG, S.  173 (178 f.); Krasney, in: Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, IX. Rn.  54; Fromm, DVBl. 1992, 709 (709); Traut, Zugang zur Revision, S.  217; Neuhäuser, Zulassung der Berufung, S.  177; Sendler, DVBl. 1992, 240 (242); N ­ aumann, DÖV 1956, 545 (548); Ruban, in: Gräber, FGO, §  116 Rn.  56; Redeker, in: Lenz, Festschrift Gelzer, S.  333 (336 f.) und passim sowie Krämer, in: Pfeiffer/Kummer/Scheuch, Festschrift Brandner, S.  701 (706) zur Annahmerevision. Ähnlich auch die Äußerungen des Rechtsausschusses des Bundestages in BT-Drs. 3/1094, S.  12. 258  Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  900 f.; May, Revision, VII Rn.  2. Ebenso Traut, Zugang zur Revision, S.  71 mit Fn.  226 und S.  224 zu §  544 Abs.  7 ZPO sowie Schuler, SGb 2003, 126 (129) zu §  160a Abs.  5 SGG. 259  Vgl. oben §  4 IV. 2. c) bb) (2) (b).

340 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision Zulassungsgrund i. S. d. §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO darstellt, der die Revision selbstständig zu eröffnen vermag, als auch einen Revisionsgrund i. S. d. §  137 Abs.  1 Nr.  1 VwGO begründet, welcher für sich allein schon die Aufhebung des Urteils und die Rückverweisung an die Vorinstanz nach §  144 Abs.  3 S.  1 Nr.  2 VwGO rechtfertigen kann 260. Mit §  133 Abs.  6 VwGO hat der Gesetzgeber aus prozessökonomischen Gründen also die Konsequenz daraus gezogen, dass im Bereich von Verfahrensfehlern mit der Bejahung des Revisionszulassungsgrundes im Regelfall zugleich auch schon der Ausgang des Revisionsverfahrens zugunsten des Beschwerdeführers – die Kassation des Berufungsurteils – feststeht und es daher aus diesem Grund der Durchführung der Revision nicht mehr bedarf261. Eine Kassationsentscheidung nach §  133 Abs.  6 VwGO fußt dabei aber ausschließlich auf der Feststellung der verfahrensrechtlichen Rechtwidrigkeit der Vorentscheidung, nicht aber auf einer Beurteilung ihrer inhaltlichen Unrichtigkeit durch den iudex ad quem 262. §  133 Abs.  6 VwGO zeigt damit zwar, dass das Beschwerdegericht durchaus Aufgaben des Revisionsgerichts übernehmen kann 263, zugleich aber auch, dass der Gesetzgeber zur „Erweiterung der funk­ tionalen Kompetenzen des Beschwerdegerichts um Zuständigkeiten des Revi­ sionsgerichts“264 eine ausdrückliche normative Regelung für erforderlich erachtet. Dann muss aber letzten Endes konstatiert werden, dass sich die vom Bundesverwaltungsgericht angenommene Befugnis, analog §  144 Abs.  4 VwGO schon im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren abschließend über die Richtigkeit des Berufungsurteils befinden zu können, so weit von der gesetzlichen Regelungssystematik des Revisions- und Revisionszulassungsrechts entfernt hat, dass diese nicht mehr als von den gesetzgeberischen Grundgedanken getragen angesehen werden könnte. Die Anerkennung einer derartigen Sachentscheidungskompetenz im Zulassungsstadium würde sich nicht mehr als bloße konsequente Weiterführung eines bereits im Gesetz selbst angelegten Rechtsgedankens, sondern als Etablierung eines gänzlich neuen, eigenständigen Rechtsprinzips Piekenbrock/Schulze, JZ 2002, 911 (913). Vgl. BT-Drs. 11/7030, S.  34. 262  So BVerwG, Beschluss vom 11. Juli 2000 – 8 B 154/00 –, NVwZ 2000, 1299 (1299). Vgl. oben §  4 IV. 2. c) bb) (2) (d). 263  Finkelnburg, in: Schmidt-Aßmann/Sellner/Hirsch/Kemper/Lehmann-Grube, Festgabe 50 Jahre BVerwG, S.  173 (179). Der 1. Senat des BSG sieht gerade in der dem §  133 Abs.  6 VwGO im Sozialprozess entsprechenden Vorschrift des §  160a Abs.  5 SGG den Anknüpfungspunkt und die Berechtigung für eine richterrechtliche Erweiterung der funktionalen Zuständigkeiten des Beschwerdegerichts um Kompetenzen des Revisionsgerichts durch eine analoge Heranziehung dessen reformatorischer Entscheidungsbefugnisse nach §  170 Abs.  1 S.  2 SGG, vgl. BSG, Beschluss vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 69/08 –, BeckRS 2009, 53032. 264  Schuler, SGb 2003, 126 (129) zu §  160a Abs.  5 SGG. 260  261 

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durch richterrechtliche Modifikation darstellen. Zu einer solch grundlegenden Änderung der Rechtslage ist aber nicht die Judikative nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalles, sondern allein der parlamentarische Gesetzgeber aufgerufen. All diejenigen Rechtssätze, die einer abstrakt-generellen Regelung zugänglich sind, müssen im Bereich gerichtlicher Zuständigkeiten und Entscheidungskompetenzen wegen der grundgesetzlichen Verfahrensgarantie des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG durch Gesetz aufgestellt werden 265. Das Vorgreifen eines Gerichts auf Entscheidungsbefugnisse, die das Gesetz funktionell einem anderen Spruchkörper in einem anderen Verfahrensstadium zuordnet, stellt sich als verfassungsrechtlich unzulässige Abweichung von einer gesetzlich ausdrücklich bestimmten richterlichen Zuständigkeit und damit als verfassungswidriger Entzug des gesetzlichen Richters zulasten der Parteien dar.

5. Zwischenergebnis Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde tangiert den Schutzbereich des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG unter zwei verschiedenen Blickwinkeln. Zum einen wird durch die Nichtzulassung der Revision mangels reformatorischer Erfolgsaussichten verhindert, dass die in der Berufungsinstanz unterlegene Partei Zugang zu einer Revisionsentscheidung erhält, auf die sie nach geltender Rechtslage aber einen Anspruch hat. Dieser Richterentzug begründet gleichwohl keinen Verfassungsverstoß i. S. v. Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG, denn das Abstellen auf den sachlichen Erfolg der Revision stellt sich regelmäßig nicht als willkürlich dar. Allerdings bedingt die Entscheidung des iudex ad quem, die Revision trotz Einschlägigkeit von Zulassungsgründen i. S. v. §  132 Abs.  2 VwGO nicht zuzulassen, wenn sich das angefochtene Urteil aus anderen Gründen im Ergebnis richtig erweist, zum anderen zugleich zwangsläufig, dass der Beschwerdesenat des Bundesverwaltungsgerichts eine abschließende reformatorische Sachentscheidung unter Zugrundelegung der von ihm antizipierten materiellen Rechtsansicht des Revisionssenates trifft, die nach der eindeutigen gesetzlichen Kompetenzverteilung ausschließlich Letzterem zusteht. §  133 VwGO ermöglicht dem iudex ad quem aber in seiner Funktion als Revisionszulassungsgericht und Besetzung als Beschwerdesenat nur über die Zulassungsfrage, nicht aber schon in reformatorischer Hinsicht inhaltlich zur Sache zu entscheiden. Über Ausnahmen hierzu kann nur der Gesetzgeber selbst bestimmen. Dem nach dem Gesetz eigentlich funktionell und personell zuständigen Spruchkörper werden somit Prüfungs- und Entscheidungsbe265  Ebenso BVerfG, Beschluss vom 08. April 1997 – 1 PBvU 1/95 –, BVerfGE 95, 322 (329 f.); Maunz, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art.  101 Rn.  25, 35.

342 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision fugnisse vorenthalten, indem diese contra legem von einem hierfür unzuständigen Richtergremium ausgeübt werden. Ein Analogieschluss zu §  144 Abs.  4 VwGO kommt als Grundlage für eine Entscheidung des Beschwerdegerichts zur Sache nicht in Betracht, denn dies würde zu einer Verschiebung funktioneller Kompetenzen zwischen Revisions- und Beschwerdesenat führen, die als solche vor dem Hintergrund des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedürfte, nicht aber allein aufgrund richterrecht­licher Rechtsschöpfung zulässig wäre. Eine Revisionszulassungspraxis, welche gleichwohl die aus der materiell-rechtlichen Perspektive des Revisionsgerichts zu bestimmende Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils zum Ausschlusskriterium des Zulassungs­ anspruchs erhebt, würde sich so weit von der gesetzlichen Ausgangslage und den in ihr zum Ausdruck kommenden Regelungszielen des Gesetzgebers entfernen, dass sie dem Bedeutungsgehalt und der Tragweite des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG nicht mehr gerecht wird. Somit steht die justizverfassungsrechtliche Verfahrensgarantie des gesetzlichen Richters einer analogen Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren entgegen.

III. Das Gebot der Rechtsmittelklarheit, Art.  20 Abs.  3 GG 1. Grundsätzliches zum Gewährleistungsgehalt Auch wenn es dem Gesetzgeber grundsätzlich freisteht, nach seinen Zweckmäßigkeitsvorstellungen unter Abwägung der dabei betroffenen Interessen Rechtsmittelzüge einzurichten 266, ergeben sich aus dem Rechtsstaatsprinzip, welches in Art.  20 Abs.  3 GG zum Ausdruck kommt267, einzelne Gebote für deren gesetzliche Ausgestaltung268 und für die Auslegung sowie Handhabe dieser Be266  BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (291); BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, BVerfGE 107, 395 (402); Uhle, in: Merten/ Papier, HGR V, §  129 Rn.  1. 267  Das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes ist gleichwohl nicht in einer zentralen Verfassungsnorm verankert, sondern konstituiert sich aus einer Fülle von einzelnen Rechtssätzen sowie ungeschrieben, konkretisierungsbedürftigen Rechtsprinzipien der Verfassung. Es wird von den Art.  20 Abs.  3, 28 Abs.  1 GG lediglich normativ in Bezug genommen, so auch BVerfG, Urteil vom 01. Juli 1953 – 1 BvL 23/51 –, BVerfGE 2, 380 (403); BVerfG, Beschluss vom 24. Juli 1957 – 1 BvL 23/52 –, BVerfGE 7, 89 (92 f.); BVerfG, Beschluss vom 09. August 1978 – 2 BvR 831/76 –, BVerfGE 49, 148 (164); BVerfG, Beschluss vom 25. Juli 1979 – 2 BvR 878/74 –, BVerfGE 52, 131 (143); Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR II, §  26 Rn.  3. 268  BVerfG, Beschluss vom 11. Februar 1987 – 1 BvR 475/85 –, BVerfGE 74, 228 (234); BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (292); Degenhart, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR V, §  114 Rn.  32.

III. Das Gebot der Rechtsmittelklarheit, Art.  20 Abs.  3 GG

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stimmungen durch die Judikative269. Das Rechtsstaatsprinzip ist dabei zunächst nur eine objektiv-rechtliche staatliche Handlungsmaxime, die gleichwohl in Verbindung mit den vom jeweiligen hoheitlichen Handeln betroffenen materiellen Grundrechten des Bürgers zu konkreten subjektiven Abwehr- oder Schutzrechten erstarken kann und dessen Durchsetzung in begrenztem Maße nötigenfalls auch mittels der Verfassungsbeschwerde erreicht werden kann 270. Zu den durch das Rechtsstaatsprinzip determinierten verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gestaltung und Auslegung der Regelungen betreffend den Zugang zu gesetzlich vorgesehenen Rechtsmitteln gehört das Gebot der Rechtsmittelklarheit als spezielle Ausprägung des allgemeinen, aus dem rechtsstaatlichen Prinzip der Rechtssicherheit folgenden Bestimmtheitsgebotes271. Wie auch sonst wird der Geltungs- und Beachtungsanspruch der Rechtsordnung in Abgrenzung zur individuellen Freiheit des Einzelnen maßgeblich durch deren „Verläßlichkeit“272 geprägt, welche sich wiederum nach dem Maße ihrer inhaltlichen Klarheit und Bestimmtheit bemisst273. Dies gilt in besonderer Weise für das Recht des gerichtlichen Verfahrens, welchem für die Durchsetzung und Verwirklichung materieller Rechte eine spezifische „freiheitsgewährleistende Funktion für den Einzelnen wie für das Gemeinwesen“274 zukommt. Die Bestimmungen über den Zugang zu gesetzlich vorgesehenen Rechts­ mitteln geben darüber Aufschluss, ob und inwieweit eine gerichtliche Entscheidung angefochten und damit das ursprüngliche Rechtsschutzbegehren in höherer Instanz weiter verfolgt werden kann oder ob der Rechtsstreit, so wie er vom Vordergericht entschieden worden ist, sein Ende gefunden hat. Das Recht des Rechtsmittelzugangs bestimmt damit über die zeitlichen und inhaltlichen Grenzen der Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen und tangiert damit in besonderer Weise das rechtsstaatliche Grundanliegen der Rechtssicherheit im Bereich 269 

BVerfG, Beschluss vom 09. August 1978 – 2 BvR 831/76 –, BVerfGE 49, 148 (165 f.). BVerfG, Beschluss vom 02. März 1993 – 1 BvR 249/92 –, BVerfGE 88, 118 (123); BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 1992 – 1 BvL 1/89 –, BVerfGE 85, 337 (345); Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Kommentar GG, Art.  20 Rn.  56; Pache/Knauff, BayVBl. 2004, 385 (386). 271  BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, BVerfGE 107, 395 (416 f.); BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (293); BVerwG, Beschluss vom 03. Mai 2011 – 6 KSt 1/11, 6 KSt 1/11 (6 C 2/10) –, NVwZ-RR 2011, 709 (709); Lässig, Fehlerhafte Rechtsmittelzulassung, S.  79; Gaier, NVwZ 2011, 385 (387). 272  BVerfG, Beschluss vom 20. April 1982 – 2 BvL 26/81 –, BVerfGE 60, 253 (268). 273  Treffend Finkelnburg, in: Schmidt-Aßmann/Sellner/Hirsch/Kemper/Lehmann-­G rube, Festgabe 50 Jahre BVerwG, S.  173 (179): „Zu den Essentialen des Rechtsstaates gehört auch die Normierung der Wege, auf denen er sich bewegt.“ 274  So BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (293); Degenhart, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR V, §  114 Rn.  32. 270 

344 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision des Verfahrensrechts275. Dies gebietet es, Prognoseunsicherheiten hinsichtlich der Anfechtbarkeit gerichtlicher Entscheidungen bereits im Vorhinein so weit wie möglich auszuschließen, zum einen, um die zahlreichen individuellen Risiken und Lasten, die mit der Rechtsmitteleinlegung verbunden sind, gering zu halten276, zum anderen, um die Judikative schon im Vorfeld von unzulässigen Rechtsschutzbegehren zu entlasten 277. Daher müssen die Regelungen über den Rechtsmittelzugang „dem Rechtsuchenden in klarer Abgrenzung den Weg zur Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen […] weisen“ und es zugleich verhindern, „ihn mit einem unübersehbaren »Annahmerisiko« und seinen Kostenfolgen zu belasten“278. Dem Rechtsunterworfenem muss grundsätzlich schon allein durch Studie des Gesetzes – nötigenfalls unter Hinzuziehung anwaltlicher Beratung – die Prüfung möglich sein, ob und unter welchen Voraussetzungen höherinstanzlicher Rechtsschutz im Einzelfall eingeholt werden kann 279. Dieses Gebot der Rechtsmittelklarheit verpflichtet einerseits den Gesetzgeber, den Rechtsmittelzugang selbst abschließend so bestimmt wie möglich auszugestalten 280 und den entsprechenden Normen ein möglichst hohes Maß an Klarheit, Verständlichkeit und innerer Logik beizugeben 281, sodass sich die wesentlichsten Kriterien des Zugangs zur nächsten Instanz aus dem Gesetz selbst entnehmen lassen können 282. Andererseits untersagt das Gebot der Rechtsmittelklar275 

BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, BVerfGE 107, 395 (408). BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (293). 277  Schafft, Selektion, S.  229. 278  So BVerfG, Beschluss vom 09. August 1978 – 2 BvR 831/76 –, BVerfGE 49, 148 (164). Ähnlich BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, BVerfGE 107, 395 (416); BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (293); Pietzner/ Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  132 Rn.  11; Gaier, NVwZ 2011, 385 (387). 279  BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 10. Juni 2005 – 1 BvR 2790/04 –, BVerfGK 5, 316 (322 f.); Pohle, Gutachten B für den 44. DJT., S.  40; Lässig, Fehlerhafte Rechtsmittelzulassung, S.  79. 280  BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, BVerfGE 107, 395 (408); BVerfG, Beschluss vom 09. August 1978 – 2 BvR 831/76 –, BVerfGE 49, 148 (156); Rosen­ thal, Probleme des ZPO-RG, S.  333. Dies schließt gleichwohl die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe – wie etwa die »grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache« – nicht aus, ­solange diese selbst hinreichend konkretisierungsfähig sind, vgl. BVerfG, Beschluss vom 09. März 2004 – 1 BvR 2262/03 –, NJW 2004, 1729 (1730); BVerfG, Beschluss vom 08. Januar 2004 – 1 BvR 864/03 –, NJW 2004, 1371 (1372); BVerfG, Beschluss vom 09. August 1978 – 2 BvR 831/76 –, BVerfGE 49, 148 (156); Dethloff, ZRP 2000, 428 (432). Kritisch zur Grundsatzbedeutung als Zugangskriterium zum Rechtsmittelgericht Barnert, in: Kiesow/Simon, Vorzimmer des Rechts, S.  13 (28 f.) und passim. 281  BVerfG, Beschluss vom 11. Februar 1987 – 1 BvR 475/85 –, BVerfGE 74, 228 (234); Breitkreuz, SGb 2008, 506 (507); W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, Vorb. §  124 Rn.  3b. 282  BVerfG, Beschluss vom 09. August 1978 – 2 BvR 831/76 –, BVerfGE 49, 148 (164); Meyer-Ladewig, in: Bachof/Heigl/Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S.  417 (418); Büttner/­ 276 

III. Das Gebot der Rechtsmittelklarheit, Art.  20 Abs.  3 GG

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heit der Gerichtsbarkeit, diese Regelungen durch Richterrecht nach Maßgabe des jeweiligen Einzelfalles in einer Weise auszulegen, zu erschweren oder gar zu modifizieren, welche mit den grundlegenden gesetzlichen – und daher für den Rechtsschutzsuchenden prinzipiell im Vorhinein eindeutig erkennbaren – Anforderungen an die Beschreitbarkeit des Rechtsmittelweges nicht mehr zu vereinbaren sind 283. Mit den Gebot der Rechtsmittelklarheit und den Prinzipien der materiellen Rechtskraft unvereinbar ist es zudem, den Parteien des Rechtsstreits gerichtliche Rechtsbehelfe gegen ansonsten unabänderliche Entscheidungen einzuräumen, die nicht selbst in der geschriebenen Rechtsordnung verankert sind und deren Voraussetzungen daher weder klar erkennbar sind noch eine dem Gebot der Rechtsanwendungsgleichheit entsprechende Handhabe durch die Gerichte ermöglichen284. Das Gebot der Rechtsmittelklarheit steht in engem sachlichen Zusammenhang mit der Verfahrensgarantie des gesetzlichen Richters. Sowohl das Rechtsstaatsprinzip als auch Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG fordern eine größtmögliche Bestimmtheit der den Rechtsmittelweg regelnden Normen. Die Anforderungen dieser Verfassungsgebote überschneiden sich daher in weiten Bereichen. Nichtsdestotrotz haben beide Garantien unterschiedliche Zielrichtungen bzw. Schutzzwecke: Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG verlangt ein hinreichendes Maß an Bestimmtheit der entsprechenden Regelungen, um soweit wie möglich vorher­ sehbar zu machen, welcher Richter im konkreten Einzelfall sachlich, örtlich, instanziell und personell zur Entscheidung berufen ist285. Die Norm bezweckt damit, äußeren sachwidrigen Einflussnahmen auf die Auswahl des zuständigen Amtswalters vorzubeugen und auf diesem Wege jeden Anschein der Parteilichkeit und politischen Abhängigkeit der Justiz auszuschließen 286. Indem nur der gesetzlich bestimmte Richter in der Sache entscheiden darf, soll die materielle Richtigkeit seiner Entscheidung und das Vertrauen des Rechtsunterworfenen darin sichergestellt werden 287. Dem Gebot der Rechtsmittelklarheit geht es demTretter, NJW 2009, 1905 (1907); Voßkuhle, Rechtsschutz, S.  330; Lässig, Fehlerhafte Rechtsmittelzulassung, S.  79. 283  Ebenso Rosenthal, Probleme des ZPO-RG, S.  152 f. sowie Piekenbrock/Schulze, JZ 2002, 911 (919), allerdings unter dem Blickwinkel des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG. 284  BVerfG, Beschluss vom 25. November 2008 – 1 BvR 848/07 –, BVerfGE 122, 190 (200); BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, BVerfGE 107, 395 (416 f.); BVerwG, Beschluss vom 03. Mai 2011 – 6 KSt 1/11, 6 KSt 1/11 (6 C 2/10) –, NVwZ-RR 2011, 709 (709 f.); Pache/Knauff, BayVBl. 2004, 385 (386); Ruban, in: Gräber, FGO, Vor §  115 Rn.  30. 285  Degenhart, in: Sachs, Grundgesetz, Art.  101 Rn.  5. 286  BVerfG, Beschluss vom 08. April 1997 – 1 PBvU 1/95 –, BVerfGE 95, 322 (325); Degenhart, in: Sachs, Grundgesetz, Art.  101 Rn.  5. 287  BVerfG, Urteil vom 20. März 1956 – 1 BvR 479/55 –, BVerfGE 4, 412 (416).

346 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision gegenüber weniger um Fragen nach Entscheidungskompetenzen und der inhaltlichen Richtigkeit des richterlichen Handelns, sondern darum, bereits im Vorfeld das Rechtsmittel kalkulierbar zu machen und auf diesem Wege sowohl den Bürger vor den Zeit- und Kostenrisiken als auch die Rechtsmittelgerichte vor einer unergiebigen Mehrbelastung durch unzulässige Rechtsmittel zu schützen 288. Damit bezweckt dieses Verfassungsgebot neben der Optimierung des Rechtsschutzes selbst289 auch die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege. Je wertungsoffener und ausfüllungsbedürftiger die gesetzlichen Kriterien zur Eröffnung des Rechtsmittelzugangs vom Gesetzgeber ausgestaltet werden, desto größer ist die Gefahr der unergiebigen Anrufung der Rechtsmittelgerichte in der letztlich unbegründeten Hoffnung der Rechtsmittelkläger, das Gericht werde über deren Begehren sachlich entscheiden. Gesetzliche Rechtsmittelzugangs­ beschränkungen, deren Ziel gerade in der Entlastung der Rechtsmittelgerichte durch Aussonderung rechtsmittelunwürdiger Fälle bestehen soll, sollten daher in Wortlaut und Gesamtsystematik ein Optimum an Klarheit und Verständlichkeit aufweisen, um Auslegungszweifel und Prognoseunsicherheiten möglichst gering zu halten und so ihren gesetzgeberisch angedachten Zweck am effektiv­ sten erfüllen zu können 290.

2. Erfolgsaussichten der Revision als außergesetzliches Zulassungskriterium Unter dem Blickwinkel des Gebotes der Rechtsmittelklarheit wirft die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren insoweit verfassungsrechtliche Bedenken auf, als hierdurch die reformatorischen Erfolgsaussichten der Revision zum unmittelbaren Kriterium ihrer Zulassung erhoben werden, was die Möglichkeiten des Revisionszugang im Vergleich zur gesetzlichen Ausgangslage allein auf Grundlage richterlicher Rechtsschöpfung einschränkt. Für die Beantwortung der Frage, unter welchen Zugangsvoraussetzungen das Revisionsgericht angerufen werden kann, genügt dann aber nicht mehr der Blick ins Gesetz, sondern nötigt in jedem Einzelfall den beratenden Prozessvertreter zu Nachforschungen zur Zulassungsrechtsprechung des jeweils zuständigen Senates. Hierbei wäre dann stets vorab zu untersuchen, ob sich dieser generell zur Zulassungsverweigerung bei Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils analog §  144 Abs.  4 VwGO für befugt ansieht und welchen 288  Vgl. Traut, Zugang zur Revision, S.  77: „[D]ie Gewährleistung der Rechtsmittelklarheit sichert dem Bürger nur inhaltliche Klarheit über Rechtsmittel und Rechtsmittelvoraussetzungen, nicht aber dieses Rechtsmittel selbst.“ 289  BVerfG, Beschluss vom 20. April 1982 – 2 BvL 26/81 –, BVerfGE 60, 253 (297 f.). 290  So Schafft, Selektion, S.  229.

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Maßstab dieser dabei an die hinreichende Offensichtlichkeit der hierzu heranzuziehenden Alternativgründe zur Entscheidungsabstützung anlegt. Ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage, die die Frage nach einer Anwendungspflicht einer Ergebnisrichtigkeitskontrolle im Zulassungsverfahren sowie deren Kriterien und Maßstäbe verbindlich vorgibt, ist eine gleichheitskonforme Rechts­ anwendung und die Vorhersehbarkeit des richterlichen Handelns in jedem Einzelfall eben nicht sichergestellt. Der Revisionszugang wäre nicht mehr allein anhand des Gesetzes prognostizierbar, weil dieses dann nicht einmal über die abstrakt-generellen Zugangsvoraussetzungen zum Rechtsmittelgericht abschlie­ ßend selbst Aufschluss geben könnte. Mit dem Anliegen der Rechtsmittelklarheit steht dies nicht in Einklang291. Zwar steht dieses Verfassungsgebot Analogieschlüssen auch im Bereich des Prozessrechts nicht generell entgegen 292. Dies kann aber nur dort möglich sein, wo weder die Interessen noch die Rechte der Verfahrensbeteiligten hierdurch verkürzt werden würden. Die materiell-rechtliche Zugangsbefugnis zum Rechtsmittelgericht ist aber eine echte Rechtsposi­ tion der beschwerten Partei293. Unter der Geltung des Zulassungsprinzips obliegt dem Zulassungsgericht allein die Feststellung ihrer Voraussetzungen im jeweiligen Fall und der konstitutiven Freigabe des Rechtsmittelzugangs. Dagegen steht es ihm nicht zu, über die Verfahrensrechte der Parteien eigenhändig zu disponieren und diese einzuschränken. Sowohl die Eröffnung als auch die Beschränkung der Zugangsmöglichkeiten zur Rechtsmittelinstanz unterliegen aber der alleinigen Regelungskompetenz des parlamentarischen Gesetzgebers, nicht aber der Einschränkbarkeit durch Richterrecht nach Maßgabe des Einzelfalles294. Selbst aus Sicht des entscheidenden Gerichts offenkundige System­ brüche oder Versehen des Gesetzgebers können im Bereich dieser Regelungsmaterie nicht seitens der Judikative korrigiert werden, sondern sind von der Legis­lative selbst auszuräumen 295. Finkelnburg, in: Schmidt-Aßmann/Sellner/Hirsch/Kemper/Lehmann-Grube, Festgabe 50 Jahre BVerwG, S.  173 (179) hält eine Erweiterung der funktionellen Kompetenzen des Beschwerdegerichts um solche des Revisionsgericht zur Entscheidung über die Sache selbst grundsätzlich für begrüßenswert, fordert hierfür aber eine ausdrückliche gesetzliche Regelung zur Rechtfertigung einer solchen Verfahrensweise: „Der Gesetzgeber möge, das ist mein Petitum, einen längs [sic!] praeter legem gebahnten Pfad legislativ ausbauen, damit man im Gesetz findet, was derzeit nur der Kundige weiß und der Nichtkundige dem Beschluss, der seine Beschwerde zurückweist, mit Erstaunen entnehmen muss.“ 292  So W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  132 Rn.  30. 293  Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. Januar 1993 – 2 BvR 1058/92, 2 BvR 1059/92 –, NVwZ 1993, 465 (466); Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  133 Rn.  5. 294  Lässig, Fehlerhafte Rechtsmittelzulassung, S.  80. 295  So auch Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  132 Rn.  6 4 und §  139 Rn.  13 zur seit dem 4. VwGOÄndG laut BVerwG, Beschluss vom 03. November 2000 – 7 B 116/00 –, NVwZ 291 

348 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision Sind Entscheidungsbefugnisse, die das Gericht in einem bestimmten Verfahrensstadium auszuüben beabsichtigt, nicht normativ verankert, so bleibt es darüber hinaus völlig offen und damit allein der Entschließung des Gerichts überlassen, in welcher verfahrenstechnischen Art und Weise und unter Hinzuziehung welcher verfahrensrechtlichen Sicherungsinstrumente dies zulässig sein soll. So hat der Gesetzgeber etwa mit den §  130a VwGO, §§  522 Abs.  2, 552a ZPO und §  349 Abs.  2 StPO Möglichkeiten zur verfahrensrechtlich vereinfachten Erledigung erfolgloser Rechtsmittel geschaffen, diese aber unter anderem jeweils unter den Vorbehalt eines Einstimmigkeitserfordernisses zur Beschlussfassung gestellt sowie dem Gericht vorgehende Hinweis- und nachträgliche Begründungspflichten auferlegt. Welche Verfahrensmodalitäten aber für die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zu gelten haben, bleibt unklar, jedenfalls aber unkalkulierbar296. Insoweit steht das rechtsstaatliche Gebot der Rechtsmittelklarheit der Heranziehung des §  144 Abs.  4 VwGO bei der Entscheidung über die Revisionszulassung durch den iudex ad quem entgegen, weil es hierfür an einer ausdrücklichen gesetzlichen Befugnisnorm mangelt, die das richterliche Vorgehen legitimieren und prognostizierbar machen könnte.

IV. Das Gebot der Rechtsmittelgleichheit, Art.  20 Abs.  3 i. V. m. Art.  3 Abs.  1 GG 1. Grundsätzliches zum Gewährleistungsgehalt Das Gebot der Rechtsmittelgleichheit ist Ausprägung des Anliegens der Rechtsschutzgleichheit, welche wiederum im Rechtsstaatsprinzip und dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art.  3 Abs.  1 GG verfassungsrechtlich verankert ist297 und im Bereich des Rechtsschutzes gegen die öffentliche Gewalt auch in Art.  19 2001, 201 (202) nur noch für den Beschwerdeführer wirkenden Revisionszulassung auf Beschwerde. A. A. W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  132 Rn.  30 für eine analoge Anwendung des §  139 Abs.  1 S.  1, Abs.  3 S.  1 VwGO zugunsten des Beschwerdegegners. Schon eine diesbezügliche Gesetzeslücke verneint Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  139 Rn.  32. 296  Odersky, ZRP 1991, 30 (31) weist darauf hin, dass eine Ergebniskontrolle im Zulassungsverfahren vom Gesetzgeber sowohl als umfassende Prüfungspflicht als auch als bloße summarische Offensichtlichkeitsprüfung vorgesehen werden könnte. Ohne eine entsprechende Normierung bleibt aber der Umfang der Kontrollbefugnisse des Beschwerdegerichts vom jeweiligen Einzelfall abhängig. 297  BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990 – 2 BvR 94/88 –, BVerfGE 81, 347 (356 f.); BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 13. Juli 2005 – 1 BvR 1041/05 –, BVerfGK 6, 53 (54).

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Abs.  4 S.  1 GG zum Ausdruck kommt298. Vor dem Hintergrund der Funktionen der grundgesetzlichen Justizgewährleistungen, die Überprüfung und gegebenenfalls Abhilfe potentieller Rechtsverletzungen zu ermöglichen, muss jedem in eigenen Rechten betroffenen Bürger in gleicher Weise der Zugang zur gerichtlichen Kontrolle offenstehen, ohne dass dieses Zugangsrecht Differenzierungen in Anbetracht der betroffenen Person zugänglich wäre299. Das Gebot der Rechtsschutzgleichheit ist damit die formell-rechtliche Seite des allgemeinen Gleichheitssatzes, denn „die ursprüngliche Dimension des Gleichheitssatzes bedeutet Gleichheit vor dem Richter, Gleichheit im Verfahren“300. Es verpflichtet den Gesetzgeber dabei vor allem zur Angleichung der Rechtsschutzmöglichkeiten finanziell Unbemittelter an diejenigen einer die Prozessrisiken in vernünftiger Weise abwägenden bemittelten Partei, was maßgeblich durch das I­ nstitut der Prozesskostenhilfe nach den §§  114 ff. ZPO i. V. m. §  166 VwGO s­ ichergestellt wird301. Das Gebot der Rechtsschutzgleichheit erschöpft sich jedoch nicht in der Gewährleistung eines gleichheitsgemäßen ersten Zugangs zum Richter. Sieht der Gesetzgeber die Möglichkeit der Überprüfung von Urteilen im Rahmen eines Instanzenzuges vor, so hat er auch in diesem Fall bei der Ausgestaltung von Rechtsmitteln die Vorgaben des Gleichheitssatzes zu beachten302. Die Rechtsschutzgleichheit setzt sich damit in höheren Instanzen als Gebot der Rechtsmittelgleichheit fort303. Keine Frage des Gebotes der Rechtsmittelgleichheit ist demgegenüber das aus Gründen der Rechtsanwendungsgleichheit im Gesamtstaat anzustrebende objektive Ideal der Rechtseinheit304. Es betrifft nämlich nicht die Fragen des Zugangs zu höheren gerichtlichen Instanzen, sondern nur einen der möglichen 298  Osterloh/Nußberger, in: Sachs, Grundgesetz, Art.  3 Rn.  204. In diesem Sinne BVerfG, Beschluss vom 11. Februar 1987 – 1 BvR 475/85 –, BVerfGE 74, 228 (234). 299  BVerfG, Beschluss vom 11. Februar 1987 – 1 BvR 475/85 –, BVerfGE 74, 228 (234). Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar Grundgesetz, Art.  3 Rn.  221 spricht in diesem Zusammenhang von „Anrufungsgleichheit“. 300  Degenhart, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR V, §  115 Rn.  20. 301  BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990 – 2 BvR 94/88 –, BVerfGE 81, 347 (356 f.); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 22. Mai 2012 – 2 BvR 820/11 –, NVwZ 2012, 1390 (1390); Osterloh/Nußberger, in: Sachs, Grundgesetz, Art.  3 Rn.  204. Vgl. auch BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 12. September 2005 – 2 BvR 277/05 –, BVerfGK 6, 206 (209): „Rechtsschutz vor staatlichen Gerichten [darf nicht] vornehmlich nach Maßgabe wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit eröffnet [werden].“ 302  BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (292); BVerfG, Beschluss vom 12. Juli 1983 – 1 BvR 1470/82 –, BVerfGE 65, 76 (91); Weyreuther, Revisionszulassung, Rn.  22 f. 303  In diesem Sinne auch BVerfG, Beschluss vom 12. Juli 1983 – 1 BvR 1470/82 –, BVerfGE 65, 76 (90). 304  Traut, Zugang zur Revision, S.  54; Baur, ZZP 71, 161 (176).

350 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision Gründe, warum die Anrufbarkeit dieser Instanzen vom Gesetzgeber überhaupt vorgesehen werden kann. Vorbehaltlich der sich aus Art.  95 Abs.  1 GG ergebenden Verpflichtungen ist die einheitliche Auslegung des materiellen Rechts Anliegen und Ziel jeglicher Rechtsprechungstätigkeit, ohne dass jeder Fall uneinheitlicher Rechtsanwendung die Anrufung von Zentralinstanzen rechtfertigen müsste305. Ein subjektives Recht des Bürgers auf einheitliche Rechtsanwendung korrespondiert damit nicht, sondern nur ein Anspruch auf willkürfreie Gesetzesauslegung306. Aufgrund ihrer sachlichen Unabhängigkeit nach Art.  97 Abs.  1 GG ist die Rechtsprechung „konstitutionell uneinheitlich“, der jeweils zur Entscheidung berufene Richter ist also weder an herrschende Meinungen noch an Präjudizien höherer Gerichte gebunden und kann seinen Entscheidungen die eigene Rechtsauffassung zugrunde legen, ohne dass dies an sich schon einen Gleichheitsverstoß bedeuten würde307. Der Gesetzgeber genießt bei der organisatorischen und verfahrensmäßigen Einrichtung von Rechtsmitteln weitgehende Gestaltungsfreiheit. Er muss nicht gegen jede richterliche Entscheidung Rechtsmittel vorsehen308, kann diese inhaltlich auf die Kontrolle bestimmter Fehler beschränken309, den Zugang zum Rechtsmittelgericht nur nach Maßgabe bestimmter inhaltlicher Kriterien gewähren310 sowie diesen von der Einhaltung besonderer formeller Voraussetzungen abhängig machen311, solange dadurch nicht die gerichtliche Geltend­machung materieller Rechte in unverhältnismäßiger Weise erschwert oder aus sachfremden Gründen ausgeschlossen wird 312. Dem allem steht das Gebot der Rechts­mittel­ gleichheit nicht entgegen, denn es verlangt gerade nicht, dass jedem Bürger in jeder Situation gleicher Zugang zur nächsten Instanz gewährt wird, sondern Hanack, Ausgleich, S.  124. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 – 1 BvR 830/00 –, NVwZ 2000, 1163 (1165). 307  BVerfG, Beschluss vom 26. April 1988 – 1 BvR 669/87, 1 BvR 686/87, 1 BvR 687/87 –, BVerfGE 78, 123 (126); BVerfG, Beschluss vom 03. November 1992 – 1 BvR 1243/88 –, BVerfGE 87, 273 (278 f.); Maunz/Scholz, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 72. Ergänzungslieferung Juli 2014, Art.  3 Rn.  410; Heusch, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Kommentar GG, Art.  97 Rn.  29. 308  BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (291). 309  BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 08. Januar 2004 – 1 BvR 864/03 –, NJW 2004, 1371 (1371). 310  BVerfG, Kammerbeschluss vom 18. Dezember 1991 – 1 BvR 1411/91 –, SozR 3-1500 §  160a Nr.  7 S.  14; BVerfG, Kammerbeschluss vom 07. Dezember 1998 – 1 BvR 831/89 –, NVwZ 1999, 290 (291); BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 08. Januar 2004 – 1 BvR 864/03 –, BVerfGK 2, 213 (219); BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 10. Oktober 2008 – 1 BvR 1421/08 –, BVerfGK 14, 316 (320). 311  BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 08. Januar 2004 – 1 BvR 864/03 –, NJW 2004, 1371 (1372). 312  Traut, Zugang zur Revision, S.  79. 305 

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nur, dass dieser Zugang gleichheitskonform ausgestaltet wird 313. Dies bedeutet nichts anderes, als dass der Gesetzgeber im Rahmen der von ihm vorgesehenen Beschränkungen, Hürden und Zugangshindernisse im Rechtsmittelweg nach sachlichen Kriterien gleiche Fälle gleich und ungleiche Fälle verschieden behandeln muss314. Aus Sicht der Beteiligten dient jedes Rechtsmittel auch und vorrangig ihrem individuellen Rechtsschutz315. Um ihnen gegenüber rechtfertigen zu können, warum in ihrem konkreten Fall im Vergleich zu anderen Konstellationen ein weiteres Rechtsmittel nicht zur Verfügung gestellt wird, bedarf es nicht mehr, aber auch nicht weniger als sachlicher Differenzierungskriterien 316. Daher ist der Prozessgesetzgeber zum Beispiel nicht daran gehindert, die Rechtsmittelzüge der verschiedenen Verfahrensordnungen unterschiedlich auszugestalten317 und auch innerhalb der verschiedenen Gerichtsbarkeiten Differenzierungen je nach betroffener Sachmaterie vorzunehmen318, selbst wenn einheitliche Verfahrensbestimmungen zweckmäßiger sein mögen319. Weil es sich bei diesen Ungleichbehandlungen regelmäßig um Differenzierungen zwischen Sachverhalten und nicht anhand von personellen Merkmalen handelt, ist der Gesetzgeber insoweit nicht an die strengeren Maßstäbe des Verhältnismäßigkeitsprinzips gebunden, sondern muss lediglich sachgerechte Gründe von entsprechendem Gewicht für diese Ungleichbehandlungen anführen können320. Daher kann er im Rahmen typisierender Betrachtungen den Rechtsmittelzugang etwa aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung, des kosteneffizienten Einsatzes von Justiz­ ressourcen und der vereinfachten Erledigung substanzloser Rechtsmittel einschränken, soweit die Richtigkeitsgewähr der gerichtlichen Entscheidung in erster Instanz durch entsprechende verfahrensrechtliche Absicherungen sichergestellt wird321. Das rechtsstaatliche Gebot der Rechtsmittelgleichheit als Anspruch auf gleichmäßige Teilhabe an der staatlichen Leistung des höherinstanzlichen Rechtsschutzes betrifft dabei allerdings nur den Zugang zu den vom GeDegenhart, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR V, §  114 Rn.  32. Schenke, JZ 2005, 116 (120). 315  BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (291). 316  BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 1995 – 1 BvR 166/93 –, BVerfGE 93, 99 (111). 317  Traut, Zugang zur Revision, S.  80; Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  65. 318  BVerfG, Beschluss vom 10. Juni 1958 – 2 BvF 1/56 –, BVerfGE 8, 174 (183); BVerfG, Beschluss vom 12. Juli 1983 – 1 BvR 1470/82 –, BVerfGE 65, 76 (91 ff.); BVerwG, Urteil vom 09. Juli 2008 – 9 A 14/07 –, BVerwGE 131, 274 (280 f.). 319  BVerwG, Beschluss vom 09. Oktober 1970 – III B 73.70 –, VerwRspr 22, 629 (630). 320  BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 1995 – 1 BvR 166/93 –, BVerfGE 93, 99 (111); BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 10. Oktober 2008 – 1 BvR 1421/08 –, BVerfGK 14, 316 (320). 321  BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 10. Oktober 2008 – 1 BvR 1421/08 –, BVerfGK 14, 316 (320 f.). 313  314 

352 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision setzgeber vorgehaltenen Rechtsmitteln, garantiert aber nicht zugleich – also unabhängig vom zugrunde zu legenden materiellen und formellen Recht – gleiche Erfolgschancen in diesen Verfahren322. Das Recht auf gleichmäßigen Rechtsmittelzugang gewährleistet dabei vor allem, dass der Gesetzgeber die Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen ein Rechtsmittelverfahren eröffnet sein soll, selbst und im Vorhinein abstrakt bestimmt und diese Entscheidung nicht auf die nachgelagerte Ebene der Rechtsanwendung delegiert. Es überschneidet sich damit zum Teil in seinem Gewährleistungsgehalt mit dem Gebot der Rechtsmittelklarheit323. So hatte das Bundesverfassungsgericht einen Verstoß gegen das Gebot der Rechtsmittelgleichheit wegen der Etablierung eines unüberschaubaren Annahmerisikos gerade in der gesetzlichen Ausgestaltung der Annahmerevision nach §  554b ZPO a. F. erblickt, welche dem Bundesgerichtshof in vermögensrechtlichen Streitigkeiten unterhalb eines bestimmten Streitwertes die Ablehnung der zunächst eröffneten Revision nach eigenem Ermessen ermöglichte, ohne dass das Gesetz selbst die Maßstäbe für diese Entscheidungsfindung vorzeichnete324. Die Regelung sollte nach dem Willen des Gesetzgebers dem Gericht eine größere Flexibilität bei der Auswahl der von ihm zu entscheidenden Fälle und auf diese Weise eine Selbststeuerung ermöglichen325. Diese Bestimmung machte also den Rechtsschutz in der Revisionsinstanz von dem aus Sicht des Rechtsmittelführers zufälligen und damit sachwidrigen Umstand der Arbeitsbelastung des angerufenen Senats abhängig und konnte daher einen willkürfreien und berechenbaren Revisionszugang nicht gewährleisten326. Hierin sah das Bundesverfassungsgericht einen Gleichheitsverstoß in Anbetracht des Rechtsmittelzugangs, der nur über eine vorgehende Erfolgsaussichtenkontrolle kompensiert werden konnte327. Dem Gebot der Rechtsmittelgleichheit genügt der Gesetzgeber hingegen, wenn er zur Entlastung der Rechtsmittelgerichte den Rechtsmittelzugang durch entsprechend klare Bestimmungen, die nicht zwingend frei von unbestimmten Rechtsbegriffen und sonstigen Auslegungsspielräumen sein müssen, selbst beDegenhart, in: Sachs, Grundgesetz, Art.  103 Rn.  49. BVerfG, Beschluss vom 09. August 1978 – 2 BvR 831/76 –, BVerfGE 49, 148 (165); BVerfG, Beschluss vom 11. Februar 1987 – 1 BvR 475/85 –, BVerfGE 74, 228 (234). 324  BVerfG, Beschluss vom 09. August 1978 – 2 BvR 831/76 –, BVerfGE 49, 148 (164 f.); BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 1979 – 2 BvR 1148/76 –, BVerfGE 50, 115 (121 f.); BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (293 ff.). 325  BT-Drs. 7/3596, S.  4. 326  BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (293). 327  BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (293). Vgl. zur Annahmerevision nach §  554b ZPO a. F., den bundesverfassungsgerichtlichen Maßgaben für ihre Anwendung und die Bedeutung dieser Entscheidung für die Zulassungsrevision bereits oben §  5 I. 3. 322  323 

IV. Das Gebot der Rechtsmittelgleichheit, Art.  20 Abs.  3 i. V. m. Art.  3 Abs.  1 GG 353

schränkt, weil er auf diesem Wege die Frage nach dem »Ob« des Rechtsmittels abstrakt-generell im Vorhinein selbst bestimmt und gerade nicht der Auswahl des Gerichts nach zufälligen Gesichtspunkten überlässt328.

2. Revisionszulassung nach Maßgabe ihrer Erfolgsaussichten als verfahrensrechtliche Ungleichbehandlung Strengeren Anforderungen des Gleichheitssatzes als der Gesetzgeber unterliegt demgegenüber die Judikative. Als Rechtsanwenderin muss sie sich aus Gründen der Vorhersehbarkeit ihres Verhaltens und der prozessualen Gleichbehandlung der Parteien im Rahmen der gesetzlich vorgesehen Bestimmungen halten und kann sich nicht über die vom Gesetzgeber getroffenen, normativ verankerten Wertentscheidungen hinwegsetzen 329. Bei der Anwendung des Rechtsmittelrechts im konkreten Einzelfall hat sie dabei vor allem die dem jeweiligen prozessualen Institut angedachten Funktionen zu berücksichtigen und darf die ihr eröffneten Auslegungsspielräume nicht in sachfremder oder gar willkürlicher Weise ausnutzen, um den Rechtsschutz in der Rechtsmittelinstanz unverhältnismäßig zu erschweren oder zu verhindern oder sogar eigene Gerechtigkeitsvorstellungen zum Maßstab der Rechtsanwendung zu machen330. Rechtsmittel­ gleichheit bedeutet insoweit eine gleichheitsgerechte Anwendung des einfachen Prozessrechts331. Das führt insbesondere dazu, dass die Gerichte sich nicht über die ihnen durch das einfache Recht gezogenen verfahrensrechtlichen Bindungen hinwegsetzen können, um auf diese Weise eine Verfahrensabkürzung in aus ihrer Sicht einfachen oder eindeutigen Einzelfällen zu erreichen, die so vom Gesetzgeber nicht vorgesehen ist332. Denn der Gleichheitssatz verlangt vom Rechtsmittelrichter, den Prozessbeteiligten ausschließlich den gesetzlich vorgesehenen Weg zur Klärung der im Rechtsstreit aufgetretenen Fragen zur Verfügung zu stellen333. Das Gebot der Rechtsmittelgleichheit verpflichtet den Rich328  Wie hier Schafft, Selektion, S.  206; Prütting, Zulassung, S.  273; Breitkreuz, SGb 2008, 506 (507). Vgl. auch Ule, DVBl. 1959, 537 (545) und Bethge, NJW 1991, 2391 (2397), welche einer Verkürzung des Rechtsmittelweges allein aus Entlastungserwägungen kritisch gegenüberstehen. 329  Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar Grundgesetz, Art.  3 Rn.  281; Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  580 330  Voßkuhle, Rechtsschutz, S.  229. 331  BVerfG, Beschluss vom 09. August 1978 – 2 BvR 831/76 –, BVerfGE 49, 148 (165). Ähnlich Lässig, Fehlerhafte Rechtsmittelzulassung, S.  80. 332  BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (295 f.); BVerfG, Urteil vom 04. April 1984 – 1 BvR 276/83 –, BVerfGE 66, 331 (336). In diesem Sinne auch Voßkuhle, Rechtsschutz, S.  108 und Berkemann, DVBl. 1998, 446 (459). 333  Vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990 – 2 BvR 94/88 –, BVerfGE 81, 347 (357 ff.)

354 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision ter dazu, in allen von ihm zu entscheidenden Fällen die Zugangsvoraussetzungen des Rechtsmittels einheitlich auszulegen und anzuwenden und auf diesem Wege den Rechtsschutz auch im konkreten Einzelfall kalkulierbar zu machen334. Jedem Rechtsschutzsuchenden, dessen Begehren die gesetzlichen Zugangsvoraussetzungen erfüllt, muss die gleiche Chance auf die Anrufbarkeit der Rechtsmittelinstanz eingeräumt werden335. Divergierende Kriterien für den Rechtsmittelzugang in Anwendung derselben Norm oder desselben Normenkom­plexes können demnach nur Bestand haben, wenn das Gesetz dem Richter entsprechende Entscheidungsfreiräume belässt und dieser sachliche Gründe für seine Entscheidung anführen kann. Dies gilt nicht nur für die Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen über den Rechtsmittelzugang durch den Richter im Einzelfall, sondern auch dann, wenn dieser im Zuge von Rechtsfortbildung und richterlicher Rechtsschöpfung auf dem Gebiete des Prozessrechts faktisch selbst rechtssetzend tätig wird. Wie auch bei der legislativen Rechts­ setzung kann auch eine Gesetzesergänzung durch den Richter, die sich als sachwidrig oder als Bruch mit dem bisherigen Normensystem darstellt, einen Gleich­heitsverstoß indizieren336. Vor diesem Hintergrund stellt sich die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde als Ungleichbehandlung potentieller Revisionskläger dar. Denn auf diese Weise werden Fallgruppen, die nach dem Gesetz eigentlich gleich zu behandeln sind, nämlich Rechtssachen, die Zulassungsgründe i. S. v. §  132 Abs.  2 VwGO aufwerfen und deshalb eigentlich eine Zulassungspflicht auslösen, anhand des gesetzesfremden Kriteriums der reformatorischen Erfolgsaussichten der Revision nach Maßgabe der Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils unterschiedlichen Rechtsfolgen in Anbetracht des Revisionszugangs unterworfen. Zwar hat diese Zulassungspraxis im Ergebnis keine Auswirkungen auf den Ausgang des Rechtsstreits und damit auf und BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 22. Mai 2012 – 2 BvR 820/11 –, NVwZ 2012, 1390 (1391) zur abschließenden Klärung schwieriger, bisher noch ungeklärter Rechtsfragen zu Lasten des Antragstellers im versagenden PKH-Beschluss sowie BVerfG, Statt­ gebender Kammerbeschluss vom 29. Mai 2007 – 1 BvR 624/03 –, BVerfGK 11, 235 (238, 240) zur rechtsfehlerhaften Wahl der zum damaligen Zeitpunkt noch unanfechtbaren zivilprozessualen Berufungszurückweisung durch Beschluss. 334  Redeker, NJW 1998, 2790 (2791). 335  BVerfG, Beschluss vom 25. Juli 1979 – 2 BvR 878/74 –, BVerfGE 52, 131 (144). So auch BT-Drs. 14/4722, S.  67 zum ZPO-Reformgesetz 2001. Nach Dethloff, ZRP 2000, 428 (431) sind dies unter der Geltung des Zulassungsprinzips die „gleichen – schlechten – Chancen“ auf Revisionszugang (Hervorhebung durch Verfasser). 336  Zum Zusammenhang zwischen normativen Systembrüchen und Art.  3 Abs.  1 GG im Bereich des Rechtsmittelzugangs vgl. Schenke, JZ 2005, 116 (120) und Bethge, NJW 1991, 2391 (2398).

IV. Das Gebot der Rechtsmittelgleichheit, Art.  20 Abs.  3 i. V. m. Art.  3 Abs.  1 GG 355

die Durchsetzung der in Rede stehenden materiellen Rechte der Parteien, denn ihnen dürfte es im Regelfall hierfür gleichgültig sein, ob sie schon mit der Nichtzulassungsbeschwerde oder erst mit der Revision sachlich keinen Erfolg haben werden 337. In beiden Fällen erlässt das Bundesverwaltungsgericht eine Sachentscheidung, die den Rechtsstreit einer im Ergebnis mit der materiellen Rechtslage in Einklang stehenden Lösung zuführt338. Jedoch wird nur in letzterem Falle diese Sachentscheidung auf dem gesetzlich vorgegebenem Wege erlassen, nämlich im Rahmen eines zugelassenen Revisionsverfahrens. Weist das Bundesverwaltungsgericht dagegen die Nichtzulassungsbeschwerde analog §  144 Abs.  4 VwGO zurück, so entscheidet es über die Rechtssache in einer Weise und Form, die das Gesetz gerade nicht ermöglicht. Insoweit gewährleistet das Bundesverwaltungsgericht zwar eine gleichmäßige Kontrolle berufungs­gerichtlicher Entscheidung am Maßstab seiner materiellen Rechtsauffassung, nicht aber auch gleichen Zugang zum Rechtsmittel der Revision nach den hierfür gesetzlich vorgesehenen Merkmalen. Es differenziert hierbei in verfahrensrechtlicher Hinsicht zwischen Sachverhalten, die das Gesetz gleich behandelt wissen will, indem es zur Entscheidung über die Frage, welche Form des höherinstanzlichen Rechtsschutzes – Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde – es der vorinstanzlich beschwerten Partei zukommen lassen will, auf ein außergesetzliches Kriterium abstellt. Die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren bewirkt somit eine Ungleichbehandlung im Verfahren, die einem Teil der potentiellen Revisionskläger den gesetzlich vorgezeichneten Weg zur Klärung der von der Rechtssache aufgeworfenen Rechtsfragen vorenthält339. Vor dem Gebot der Rechtsmittelgleichheit könnte diese prozessuale Ungleich­ behandlung von nach dem Gesetz eigentlich gleich zu behandelnden SachverSchmid, DStR 1993, 1284 (1284). Grunsky, Grundlagen, S.  458 meint, dass der sachliche Unterschied zwischen Urteil und Beschluss nur formaler Natur sei, nur dass das Urteil zumeist eine höhere Richtigkeitsgewähr für sich habe, weil dieses in der Regel aufgrund einer mündlichen Verhandlung erging. 339  Vgl. zum Gedanken der Rechtsanwendungsgleichheit im Verfahrensrecht BVerfG, B ­ eschluss vom 25. Juli 1979 – 2 BvR 878/74 –, BVerfGE 52, 131 (144): „Im Bereich des g­ erichtsförmigen Rechtsschutzes gebietet der Gleichheitssatz des Art 3 Abs.  1 GG, daß für jedermann die »gleiche Anrufungschance bestehen« muß (vgl Dürig, in: Maunz-DürigHerzog-­Scholz, Grundgesetz, Art 3 Abs.  1 Rndr 46). […] Dieser Grundgedanke hat nicht nur für den Zugang zum Gericht, sondern auch für die Ausgestaltung und Anwendung der Verfahrensgrundsätze zu gelten.“ Vgl. auch BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 22. Mai 2012 – 2 BvR 820/11 –, NVwZ 2012, 1390 (1391): „Indem das OVG die Rechtsfrage gleichwohl bereits im Prozesskostenhilfeverfahren zum Nachteil des Bf. beantwortet hat, hat es diesem den chancengleichen Zugang zum gesetzlich vorgesehenen Weg der Klärung (vgl. §§  124 II Nr. 3, 132 II Nr. 1 VwGO) verwehrt. Damit hat das Gericht den Zweck der Prozesskostenhilfe und das mit ihr verfolgte Ziel der Rechtsschutzgleichheit deutlich verfehlt.“ 337 

338 

356 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision halten nur dann Bestand haben, wenn sie sich auf sachgerechte Differenzierungskriterien stützen lassen könnte340.

3. »Offensichtliche« Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils als sachgerechtes Differenzierungskriterium? Der durch den Analogieschluss zu §  144 Abs.  4 VwGO bewirkten unterschiedlichen Behandlung von Zulassungsbegehren gegen Berufungsurteile, die sich als im Ergebnis richtig herausstellen würden, gegenüber solchen, bei denen eine derartige Prognose nicht ohne Weiteres getroffen werden könnte, liegt die Prämisse zugrunde, dass es in ersteren Fällen deshalb nicht erst eines gesonderten Revi­ sionsverfahrens bedürfe, weil die Rechtslage derart eindeutig sei, dass diese bereits unter erleichterten Verfahrensbedingungen im Zulassungsverfahren richtig beurteilt und einer verfahrensbeendenden Sachentscheidung zugrunde gelegt werden könnte341. Maßgebliches Differenzierungskriterium soll somit die Offensichtlichkeit der fehlenden Erfolgsaussichten der Revision – genauer: der selbstständig tragfähigen Alternativgründe i. S. d. §  144 Abs.  4 VwGO – sein342. Denn wenn die Gründe, aus denen das Gericht das Rechtsmittel letztlich zurückweisen würde, bereits vor dessen Eröffnung auf der Hand lägen, bedürfe es nicht erst der Durchführung eines ressourcen- und zeitaufwändigen Haupt­sacheverfahrens, um den Rechtsstreit zur Befriedung der Parteien zu beenden. Damit hängt die Beantwortung der Frage, welchen verfahrenstechnischen Weg das Bundes­ verwaltungsgericht zum Erlass einer reformatorischen Sachentscheidung einschlagen wird, vom Maße der Erkennbarkeit der sachlich-richtigen Falllösung ab, welche sich wiederum letztlich aus der Sicht des Gerichts bestimmt. 340  Vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 10. Oktober 2008 – 1 BvR 1421/08 –, BVerfGK 14, 316 (320) zur legislativen Typisierung von und Differenzierung nach Fallgruppen im Bereich des Rechtsmittelzugangs. 341  So etwa BVerwG, Beschluss vom 16. Januar 1992 – 7 B 33/91 –, DVBl. 1992, 708 (709); BVerwG, Beschluss vom 17. März 1998 – 4 B 25/98 –, NVwZ 1998, 737 (737); BSG, Beschluss vom 12. Juli 1985 – 7 BAr 114/84 –, SozR 1500 §  160a Nr.  54 S.  71 f. sowie BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 – 7 AV 4/03 –, DVBl. 2004, 838 (839) zur Zulassung der Berufung nach §  124 Abs.  2 Nr.  1 VwGO. 342  Vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 24. Januar 2007 – 1 BvR 382/05 –, NVwZ 2007, 805 (806); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 02. März 2006 – 2 BvR 767/02 –, NVwZ 2006, 683 (684 f.); VGH Mannheim, Beschluss vom 03. Mai 2011 – 10 S 354/11 –, NVwZ-RR 2011, 751 (752); Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  144 Rn.  34; Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  133 Rn.  51; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, SGG, §  160a Rn.  18a. A. A. scheinbar Berlit, in: Posser/Wolff, VwGO, §  133 Rn.  86.1 f. für eine Berechtigung des Gerichts zur vorgelagerten Vollprüfung der materiellen Rechtslage im Zulassungsstadium.

IV. Das Gebot der Rechtsmittelgleichheit, Art.  20 Abs.  3 i. V. m. Art.  3 Abs.  1 GG 357

Dass aber die Offensichtlichkeit einer Rechtserkenntnis, welche zwar für die spätere Entscheidung des Rechtsmittelgerichts relevant sein dürfte, aber im bisherigen Verfahrensverlauf noch keine Rolle gespielt hat, ohnehin mehr ein subjektiver Entscheidungsmaßstab als ein verobjektivierbares Entscheidungskriterium darstellt und deshalb nicht geeignet ist, über den Zugang zu einem Rechtsmittel in kalkulierbarer und gleichheitskonformer Weise Aufschluss zu geben, wurde bereits an anderer Stelle näher dargelegt343. Zur Vermeidung von Wiederholungen sollen diese Ausführungen hier in Bezug genommen werden. Den Rechtsmittelzugang von einem nicht näher definierten Maß an Erkennbarkeit der Tragfähigkeit der angegriffenen Entscheidung abhängig zu machen, hieße, dem Rechtsmittelgericht zu gestatten, nach eigenen Maßstäben im Einzelfall diejenigen Rechtssachen auswählen zu dürfen, denen es eine umfassendere Behandlung zukommen lassen möchte. Dies mag dort zulässig sein, wo das Gesetz die rechtliche Schwierigkeit der Rechtssache selbst zu einem der Kriterien erhebt, die den Rechtsmittelzugang eröffnen können sollen, wie etwa im Bereich der Berufungszulassung nach §  124 Abs.  2 Nr.  2 VwGO344. Anders liegt es aber, wenn dem Gericht ermöglicht werden soll, den Rechtsmittelzugang allein nach Maßgabe dessen zu verschließen, wie intensiv aus seiner Sicht die Ausein­ andersetzung mit der Sache ausfallen müsste, obwohl das Gesetz dem Arbeitsund Begründungsaufwand des Rechtsmittelgerichts – so im Rahmen von §  132 Abs.  2 VwGO345 – gar keine Bedeutung hierfür beimisst346. 343 

Vgl. oben §  4 III. 2. b) und in diesem Zusammenhang auch §  4 IV. 2. b) bb) (3) und (4). BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2002 – 7 AV 1/02 –, NVwZ-RR 2002, 894; Rennert, NVwZ 1998, 665 (670 f.). 345  So kann beispielsweise der für den Divergenzausgleich i. S. d. §  132 Abs.  2 Nr.  2 VwGO erforderliche Arbeitsaufwand des Bundesverwaltungsgerichts in denjenigen Fällen relativ gering ausfallen, in denen sich das Gericht der abweichenden vordergerichtlichen Rechtsauffassung anschließt. Hat das Vordergericht seine Entscheidung sorgfältig in intensiver Auseinandersetzung mit der bisherigen höchstrichterlichen Rechtssprechungslinie begründet, so kann es unter Umständen nur weniger wiedergebender und bestätigender Worte des Bundesverwaltungsgerichts bedürfen, wenn es diese Ansicht für überzeugend erachtet und zur Änderung seiner Rechtsprechung willens ist. Dass es aber auch in diesen Fällen trotz – sozusagen nachträglich festgestellter – »offensichtlicher Richtigkeit« des vordergerichtlichen Rechtsstandpunktes eines Divergenzausgleichs durch eine dementsprechende Revi­ sionszulassung bedarf, kann nicht ernsthaft bezweifelt werden. Ansatzpunkt der Divergenzzulassung nach §  132 Abs.  2 Nr.  2 VwGO ist nämlich allein die Tatsache des Widerspruchs in den Rechtsauffassungen zur selben Rechtsfrage an sich, nicht aber die Tragfähigkeit der einen oder der anderen Ansicht. 346  Der Unterschied zwischen beiden Fallkonstellationen liegt im Folgenden: Im ersten Fall wird den Beteiligten ein Rechtsmittel, das ihnen aufgrund der Zugangshürde des Zulassungserfordernisses noch nicht zusteht, ausschließlich wegen des gesteigerten Kontrollbedarfes der Ausgangsentscheidung gewährt, während im zweiten Fall den Beteiligten ein Rechtsmittel, dass ihnen nach dem Gesetz eigentlich durch Ausspruch der Zulassung zuge344 

358 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision Die Vorwegnahme der Revision im Zulassungsverfahren analog §  144 Abs.  4 VwGO stützt sich maßgeblich auf den Gedanken, dass sich der Zeit- und Ressourcenaufwand eines nach dem Gesetz eigentlich durchzuführenden Revi­ sionsverfahrens dann nicht lohne, wenn dessen letztendlicher Ausgang bereits vorab feststehen würde, weil die Rechtslage offensichtlich ist347. Die dadurch ersparten bzw. freigewordenen Kapazitäten könnten dann auf die Entscheidung derjenige Fälle verwendet werden, die einer eingehenderen Begutachtung bedürften. Welche Verfahrensweise statthaft bzw. zulässig sein soll, steht aber auch in aus Sicht des Gerichts einfach gelagerten Fällen nicht zu dessen Disposition, wenn das Gesetz in derartigen Konstellationen keine Abkürzung des Rechtsmittelverfahrens nach eigenem Ermessen durch entsprechende Verfahrenserleichterungen ermöglicht. Eine verfahrenstechnische Selbststeuerung des Rechtsmittelgerichts nach Maßgabe der eigenen Arbeitsbelastung, die diesem durch eine Koppelung des Rechtsmittelzugangs an ein nicht näher definiertes Maß an Erkennbarkeit der sachlich-richtigen Falllösung aus dessen Sicht ermöglicht werden würde, ist mit den rechtsstaatlichen Geboten der Rechtsmittelklarheit und Rechtsmittelgleichheit nicht in Einklang zu bringen348. Die Arbeitsbelastung des Gerichts steht mit der zu beurteilenden Rechtssache selbst in keinem Zusammenhang und stellt sich für den Rechtsmittelführer als von ihm unbeeinflussbares, zufälliges und damit letztlich willkürliches Zugangskriterium dar349. Der Gesetzgeber darf die materiellen und formellen Zugangskriterien zum Rechtsmittelgericht in ihren Voraussetzungen oder ihren Rechtsfolgen nicht so vage formulieren, dass diesem eine individuelle Zugangssteuerung je nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalles unter dem Gesichtspunkt der eigenen Arbeitsbelastung ermöglicht würde350. Gleiches muss nicht nur für die Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen über den Rechtssprochen werden müsste, allein wegen fehlendem Kontrollbedarfes der Ausgangsentscheidung abgesprochen wird. 347  So in der Sache BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 1954 – I B 49.53 –, BVerwGE 1, 67 (69); BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 1979 – 4 CB 73/79 –, Buchholz 310 §  144 VwGO Nr.  34 S.  3 f.; BVerwG, Beschluss vom 02. November 1990 – 5 B 100/90 –, Buchholz 310 §  43 VwGO Nr.  112 S.  27; BFH, Beschluss vom 10. Dezember 2003 – X B 134/02 – BFH/ NV 2004, 906 (907); BSG, Beschluss vom 03. März 2009 – B 1 KR 69/08 B –, NZS 2010, 119 (120). 348  So BVerfG, Beschluss vom 09. August 1978 – 2 BvR 831/76 –, BVerfGE 49, 148 (164) und BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (293) zur zivilprozessualen Annahmerevision nach §  554b ZPO a. F. Vgl. hierzu Hager, NJW-Sonderheft 2003, 2. Hannoveraner ZPO-Symposion, S.  23 (25 f.); Lässig, NJW 1976, 269 (271). 349  BVerfG, Beschluss vom 09. August 1978 – 2 BvR 831/76 –, BVerfGE 49, 148 (164); BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (293); Degenhart, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR V, §  114 Rn.  32. 350  Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, §  39 Rn.  2.

IV. Das Gebot der Rechtsmittelgleichheit, Art.  20 Abs.  3 i. V. m. Art.  3 Abs.  1 GG 359

mittelzugang durch die Judikative, sondern erst recht auch für die Modifikation eines rechtsmittelzugangsrelevanten Normgefüges durch richterliche Rechtsschöpfung gelten351. Die Arbeitsbelastung der Judikative kann zwar vom Gesetzgeber abstrakt-generell bei der Ausgestaltung des Rechtsmittelzugangs berücksichtigt werden, nicht jedoch vom betroffenen Richter selbst im Rahmen des konkreten Rechtsmittelverfahrens nach Maßgabe des jeweiligen Einzel­ falles352. Die Möglichkeit einer verfahrenstechnischen Selbststeuerung des Revisionsgerichts bürdet dem potentiellen Revisionskläger das nicht hinnehmbare Risiko auf, dass seine Zugangschancen zum Revisionsverfahren mitsamt dessen Erkenntnismöglichkeiten und prozessualen Sicherungsinstrumenten durch die für ihn unkalkulierbare Arbeitsbelastung des Gerichts beeinflusst werden könnten353. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass der Gesetzgeber auch in Anbetracht anderer Befugnisse zur vereinfachten Erledigung unergiebiger Rechtsmittel an deren offensichtliche Unbegründetheit anknüpft, wie dies etwa bei §  522 Abs.  2 S.  1 Nr.  1 ZPO und §  349 Abs.  2 StPO der Fall ist. Denn diese Verfahrensvarianten betreffen nicht schon den Rechtsmittelzugang, sondern stellen sich als echte rechtsmittelrichterliche Begründetheitsprüfungen dar354, deren Ausnutzung durch das Gericht zunächst die Eröffnung und damit auch die Zulassung des Rechtsmittelhauptverfahrens voraussetzen355. Erst der ordnungsgemäße Eintritt in die Sachprüfung nach Bejahung der Sachentscheidungskriterien gestattet dem Gericht in diesen Fällen überhaupt, zu prüfen, ob eine verfahrenstechnisch vereinfachte Erledigung des Rechtsmittels in Betracht kommt356. Zudem wird hierbei die gerichtliche Einschätzung der Rechtslage als offensichtlich durch 351  Zur Möglichkeit einer Ergebnisrichtigkeitskontrolle im Berufungszulassungsverfahren hat BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 02. März 2006 – 2 BvR 767/02 –, NVwZ 2006, 683 (684) ausgeführt, dass sich der „Rechtsmittelführer […] jedenfalls darauf verlassen können [muss], dass das OVG nicht ohne vorherigen Hinweis auf Umstände abstellt, zu denen er nicht verpflichtet ist, von sich aus vorzutragen“; er „durfte davon ausgehen, dass das Zulassungsverfahren nicht die Aufgabe hat, das Berufungsverfahren vorwegzunehmen“. 352  BVerfG, Beschluss vom 09. August 1978 – 2 BvR 831/76 –, BVerfGE 49, 148 (166); Prütting, Zulassung, S.  273; Sendler, DVBl. 1992, 240 (248). 353  Ebenso BSG, Beschluss vom 16. November 2000 – B 4 RA 122/99 B –, SGb 2003, 120 (123). 354  Vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 13. Dezember 2012 – Vf. 73-VI-11 –, BayVBl. 2013, 510 (511) zu §  522 Abs.  2 ZPO und Gericke, in: Hannich, KaKo StPO, §  349 Rn.  14. 355  Althammer, in: Stein/Jonas, ZPO Bd. 6, §  522 Rn.  48; Rimmelspacher, in: Krüger/Rauscher, MüKo ZPO Bd. 2, §  522 Rn.  1, §  552a Rn.  1 f. 356  Ball, in: Musielak/Voit, ZPO, §  522 Rn.  20. Gleiches gilt auch für die vereinfachte Berufungszurückweisung durch Beschluss nach §  130a VwGO, vgl. Roth, in: Posser/Wolff, VwGO, §  130a Rn.  3.

360 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision zwingende verfahrensrechtliche Sicherungsinstrumente wie etwa das Erfordernis der Einstimmigkeit und der vorherigen Stellungnahmemöglichkeit der Parteien flankiert357. Demgegenüber soll mithilfe der analogen Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren schon vor Eintritt in die sachliche Rechtsmittelkontrolle Aufschluss darüber gegeben werden, auf welchem verfahrenstechnischem Wege diese erst erfolgen solle, also ob es einer Begründetheitsprüfung im Zuge eines Revisionsverfahrens überhaupt bedürfe, ohne dass die hierfür erforderliche Feststellung der materiellen Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils als offensichtlich – mangels gesetzlicher Verankerung – in vergleichbarer Weise präventiv auf formell-rechtlicher Ebene abgesichert werden müsste. Der Gesetzgeber sieht aber ansonsten, wie gezeigt, Möglich­ keiten zur Abkürzung offensichtlich unbegründeter Rechtsmittel erst nach Eröffnung des Rechtsmittelverfahrens und nur unter besonderen verfahrenstechnischen Rahmenbedingungen zur präventiven Sicherstellung der Richtigkeit dieser Entscheidungen vor. Die Offensichtlichkeit der Rechtslage hat der Gesetzgeber im Übrigen nirgends als Ausschlusskriterium für die Zulässigkeit oder gar Statthaftigkeit eines Rechtsmittels statuiert. Dass dies aber gerade unter der Geltung des Prinzips der Rechtsmittelzulassung im Zulassungsverfahren vor dem iudex ad quem anders sein solle und diesem verfahrensbeende Sach­ entscheidungsbefugnisse nach Maßgabe einer sachlichen Vorabkontrolle der Rechtssache zustehen sollen, ohne dass das Gesetz hierzu eine eindeutige Aussage trifft, erscheint nicht einsichtig.

4. Zwischenergebnis Somit stellt die offensichtliche Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils kein dem Gebot der Rechtsmittelgleichheit genügendes sachliches Differenzierungskriterium dar, welches es rechtfertigen könnte, der gesetzlich angeordneten Revisionszulassungspflicht im Falle einschlägiger Zulassungsgründe nach §  132 357  Gericke, in: Hannich, KaKo StPO, §  349 Rn.  14; Wiedner, in: Graf, Beck OK StPO, §  349 Rn.  15. Zur besonderen, die vereinfachte Entscheidungsfindung in spezifischer Weise legitimierenden Funktion des Einstimmigkeitserfordernisses vgl. BVerfG, Nichtannahme­ beschluss vom 10. Oktober 2008 – 1 BvR 1421/08 –, BVerfGK 14, 316 (319). Althammer, in: Stein/Jonas, ZPO Bd. 6, §  522 Rn.  51 weist darauf hin, dass die zusätzlichen Anforderungen des §  522 Abs.  2 ZPO an die Berufungszurückweisung durch Beschluss dazu führen können, dass auf diese Entscheidungsvariante unter Umständen selbst dann nicht zurückgegriffen werden kann, wenn das Gericht zuvor die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussichten i. S. d. §  114 S.  1 ZPO abgelehnt hat. Zu den sich bei den Voraussetzungen der Zurückweisung der strafprozessualen Revision durch Beschluss nach §  349 Abs.  2 StPO stellenden Fragen des Offensichtlichkeitsmaßstabes und des Einstimmigkeits­ erfordernisses vgl. Hamm/Krehl, NJW 2014, 903 ff.

V. Der Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht, Art.  103 Abs.  1 GG

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Abs.  2 VwGO nur nach Lage des jeweiligen Einzelfalles Folge zu leisten358. Damit verstößt aber die analoge Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde insoweit gegen das Gebot der Rechtsmittelgleichheit, als hierdurch bestimmten Rechtssachen gegenüber Fällen, die nach den normativen Zulassungskriterien gleichgelagert und entsprechend gleich zu behandeln sind, der Zugang zum gesetzlich vorgesehenen Weg der Klärung der Rechtslage in ungesetzlicher und sachlich nicht gerechtfertigter Weise verwehrt wird.

V. Der Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht, Art.  103 Abs.  1 GG 1. Grundsätzliches zum Gewährleistungsgehalt Der Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht aus Art.  103 Abs.  1 GG gewährt den Prozessbeteiligten als justizielles Grundrecht ein Mindestmaß an Äußerungsmöglichkeiten vor Gericht und statuiert zugleich eine entsprechende Berücksichtigungspflicht des Richters359. Als auch von Art.  6 Abs.  1 S.  1 EMRK 360 und Art.  47 Abs.  2 S.  1 GrCh361 garantierte verfahrensrechtliche Rechtsposition stellt sie das „prozessual[e] Urrecht“362 , das grundlegende „dynamische[e] Strukturprinzip der Rechtspflege“363 oder auch die „magna carta des gerichtlichen Verfahrens“364 dar und ist „geradezu konstituierend“ für die Rechtsstaatlichkeit justiziellen Handelns365. Der Gehörsanspruch hat zum einen Bezüge zur Menschenwürdegarantie des Art.  1 Abs.  1 GG366, indem er sicherstellt, dass die 358 

So auch BSG, Beschluss vom 16. November 2000 – B 4 RA 122/99 B –, SGb 2003, 120 (123, 125). 359  Rieble/Vielmeier, JZ 2011, 923 (924). 360  Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. 1952 II S.  686. 361  Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 12. Dezember 2007, BGBl. 2008 II S.  1165. 362  So BVerfG, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 09. Juli 1980 – 2 BvR 701/80 –, BVerfGE 55, 1 (6); BVerfG, Beschluss vom 18. Juni 1985 – 2 BvR 414/84 –, BVerfGE 70, 180 (188); BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, BVerfGE 107, 395 (408); BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 14. Mai 2007 – 1 BvR 730/07 –, BVerfGK 11, 203 (206); Zierlein, in: Umbach/Clemens, Grundgesetz Kommentar/Handbuch, Art.  103 Rn.  29. 363  So Arndt, NJW 1962, 1660 (1661). 364  So Ule, DVBl. 1959, 537 (541). 365  So Rimmelspacher, in: Gottwald/Roth, Festschrift Schumann, S.  327 (340). 366  Berkemann, DVBl. 1998, 446 (448); Zierlein, in: Umbach/Clemens, Grundgesetz Kommentar/Handbuch, Art.  103 Rn.  29; Grunsky, Grundlagen, S.  226 f.

362 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision einzelne Prozesspartei nicht zum bloßen Objekt richterlicher Machtausübung verkommt, sondern als Verfahrenssubjekt Einfluss auf eine Entscheidung nehmen kann, die ihren Rechtskreis berührt367. Zum anderen ist er Ausprägung des allgemeinen Gebotes der Rechtsstaatlichkeit und der Verfahrensfairness, indem er auf die Verhinderung von Überraschungsentscheidungen und widersprüchlichem Verhalten des Richters abzielt368 und diesen unter Rechtfertigungsdruck setzt369. Zugleich bezweckt Art.  103 Abs.  1 GG auch in Verfahren, die dem Amtsermittlungsgrundsatz unterliegen370, sicherzustellen, dass die gerichtliche Entscheidung auf eine ausreichend ermittelte und hinreichend sichere Tatsachengrundlage gestützt wird, womit er auch der präventiven Verhinderung von entscheidungserheblichen Verfahrensfehlern dient, die ihre Ursache gerade in der Nichtberücksichtigung von Parteivorbringen haben371. Der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art.  103 Abs.  1 GG betrifft damit grundsätzlich372 nicht den Zugang zu Gericht, sondern das einmal eröffnete gerichtliche Verfahren373 und entfaltet seine Wirkung damit nur auf einen zulässigen Rechtsbehelf hin374. Er statuiert das Recht der Parteien, sich zum entschei367  BVerfG, Beschluss vom 16. November 1972 – 2 BvR 280/72 –, BVerfGE 34, 157 (159); BVerfG, Beschluss vom 11. Februar 1987 – 1 BvR 475/85 –, BVerfGE 74, 228 (233); BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. Oktober 1994 – 2 BvR 126/94 –, DVBl. 1995, 34 (34); BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, BVerfGE 107, 395 (409). 368  BVerfG, Beschluss vom 07. Oktober 2003 – 1 BvR 10/99 –, BVerfGE 108, 341 (345); Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Bd. II, Art.  20 (Rechtsstaat) Rn.  216; Roellecke, in: Umbach/Clemens, Grundgesetz Kommentar/Handbuch, Art.  20 Rn.  117; May, Revision, VI Rn.  139; Grunsky, Grundlagen, S.  232 f. 369  Voßkuhle, Rechtsschutz, S.  292. 370  Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  685. 371  BVerfG, Beschluss vom 01. August 1984 – 1 BvR 1387/83 –, SozR1500 §  62 SGG Nr.  16 S.  14; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 14. Mai 2007 – 1 BvR 730/07 –, BVerfGK 11, 203 (206); Bruns, Prozeßgrundrechte, S.  2 f. 372  Das BVerfG hat in seiner Plenarentscheidung zum fachgerichtlichen Rechtsschutz bei entscheidungserheblichen Gehörsverstößen aus dem allgemeinen Justizgewährsanspruch ein Recht auf die Überprüfung von unter Verletzung des Art.  103 Abs.  1 GG zustande gekommenen Justizakten im Fachrechtsweg abgeleitet. Ob dies durch ein Rechtsmittel an den iudex ad quem oder einen Rechtsbehelf an den iudex a quo zu geschehen hat, hat das Gericht der Entscheidung des Gesetzgebers überlassen, vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, BVerfGE 107, 395 (411 ff.). Insoweit hat Art.  103 Abs.  1 GG auf Sekundärebene nunmehr doch in gewissem Umfang auch Einfluss auf den Zugang zu Gericht. Vgl. hierzu die Entscheidungsbesprechung von Pache/Knauff, BayVBl. 2004, 385 ff. 373  BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, BVerfGE 107, 395 (409); Uhle, in: Merten/Papier, HGR V, §  129 Rn.  5; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Bd. III, Art.  103 Rn.  84; Schmahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Kommentar GG, Art.  103 Rn.  2, 10. 374  BVerwG, Beschluss vom 02. August 1995 – 9 B 303/95 –, DVBl. 1996, 105.

V. Der Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht, Art.  103 Abs.  1 GG

363

dungsrelevanten Sachverhalt wie auch zu den entscheidungserheblichen rechtlichen375 Gesichtspunkten zu äußern und setzt sich in der Pflicht des Gerichts, diese Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, fort376. Dies gilt in jedem Prozessstadium und in jeder Instanz unabhängig davon, ob das einfache Prozessgesetz selbst eine entsprechende Verfahrensvorgabe enthält377. Dem verfassungsrechtlichen Gehörsanspruch wird dabei auch durch die Äußerungsmöglichkeiten in schriftlichen Verfahren genügt378, weshalb eine mündliche Verhandlung nur dann beansprucht werden kann, wenn diese vom einfachen Recht zwingend vorgesehen ist379. Demgegenüber untersagt es Art.  103 Abs.  1 GG nicht, Parteivorbringen aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt zu lassen380 und zwingt das Gericht erst recht nicht dazu, sich der Rechtsauffassung der Partei anzuschließen381. Auch eine allgemeine Aufklärungspflicht hinsichtlich derjenigen Gesichtspunkte, die das Gericht für wesentlich erachtet, ist mit dem Gehörsanspruch nicht verbunden382. Weil aber die gerichtliche Entscheidung nur auf solche Umstände gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten383, müssen die entscheidungsrelevanten Aspekte des Falles ihnen auch bekannt oder jedenfalls bei Anwendung der für eine Prozesspartei in der jeweiligen konkreten Prozesssituation erforderlichen Sorgfalt in zumutbarer Weise erkennbar sein. Daher bedarf es insbesondere in rein schriftlichen Verfahren jedenfalls dann eines entsprechenden richterlichen Hinweises, wenn dem Judikat solche Umstände zugrunde gelegt werden sollen, mit denen „auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Pro375  BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. Oktober 1994 – 2 BvR 126/94 –, DVBl. 1995, 34 (34 f.). 376  BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 1973 – 2 BvR 574/71 –, BVerfGE 36, 92 (97); Lenz, NJW 2013, 2551 (2553). 377  Kummer, Nichtzulassungsbeschwerde, Rn.  675, 677; Kunig, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art.  103 Rn.  6, 8; Schmahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/­ Henneke, Kommentar GG, Art.  103 Rn.  17. 378  BVerfG, Beschluss vom 25. Mai 1956 – 1 BvR 53/54 –, BVerfGE 5, 9 (11); BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 1960 – 2 BvR 37/60 –, BVerfGE 11, 232 (234). 379  BVerwG, Beschluss vom 02. August 1995 – 9 B 303/95 –, DVBl. 1996, 105; Kunig, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art.  103 Rn.  13. Vgl. dazu auch Pfab, JURA 2010, 10 (11). 380  BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 – 1 BvR 670/91 –, BVerfGE 105, 279 (311); Lenz, NJW 2013, 2551 (2553). 381  BGH, Beschluss vom 19. Mai 2008 – VII ZR 159/07 –, ZfBR 2008, 668. 382  BVerfG, Beschluss vom 18. Dezember 1991 – 1 BvR 1411/91 –, SozR 3-1500 §  160a Nr.  7 S.  13. 383  BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. Oktober 1994 – 2 BvR 126/94 –, DVBl. 1995, 34 (34 f.).

364 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision zessverlauf nicht zu rechnen brauchte“384. Setzt die Äußerungsmöglichkeit nämlich die zumutbare Erkennbarkeit aller entscheidungserheblichen Gesichtspunkte voraus, so käme eine Unterbindung dieser Kenntnisnahmemöglichkeit durch richterliche Untätigkeit einem Gehörsentzug gleich und würde daher Art.  103 Abs.  1 GG verletzen385.

2. Austausch der Entscheidungsgründe im Zulassungsverfahren und Anspruch auf rechtliches Gehör Das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde nach §  133 Abs.  5 S.  1 VwGO ist gemäß §  101 Abs.  3 VwGO grundsätzlich ein schriftliches mit einem auf die vom Beschwerdeführer nach §  133 Abs.  3 S.  3 VwGO prozessual ordnungsgemäß dargelegten Zulassungsrügen beschränkten Streit- und Prüfungsgegenstand. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, analog §  144 Abs.  4 VwGO die Revision mangels reformatorischer Erfolgsaussichten nicht zuzulassen und stattdessen das Berufungsurteil unter Austausch der Entscheidungsgründe im Ergebnis zu bestätigen, bezieht solche rechtlichen Gesichtspunkte des Falles in die Beschwerdeentscheidung mit ein, die dem Darlegungserfordernis des §  133 Abs.  3 S.  3 VwGO nicht unterfallen und regelmäßig auch nicht auf andere Weise von den Parteien in das Verfahren eingebracht wurden, sondern allein auf einer internen gerichtlichen Rechtsfindung beruhen386. Dies tangiert den Gewährleistungsgehalt des Art.  103 Abs.  1 GG und eröffnet daher einen Anspruch der Verfahrensbeteiligten, gegenüber dem Gericht zu den von diesem entwickelten und herangezogenen Alternativerwägungen vor Ergehen der Entscheidung Stellung zu nehmen387. Die Zulassungspraxis des Bundesverwaltungsgerichts, im Rahmen seiner Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde überhaupt auf die materielle Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils abzustellen und bejahendenfalls die Zulassung der Revision zu verweigern, dürfte sich jedenfalls nicht im Generellen als unzulässige Überraschungsentscheidung darstellen, nur weil sie im 384 

Vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 15. Februar 2011 – 1 BvR 980/10 –, NVwZ-RR 2011, 460 (461); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 02. März 2006 – 2 BvR 767/02 –, NVwZ 2006, 683 (684); BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. Oktober 1994 – 2 BvR 126/94 –, DVBl. 1995, 34 (35). 385  BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. Oktober 1994 – 2 BvR 126/94 –, DVBl. 1995, 34 (35). 386  Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  240 Fn.  2072. 387  BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 15. Februar 2011 – 1 BvR 980/10 –, NVwZ-RR 2011, 460 (461); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 02. März 2006 – 2 BvR 767/02 –, NVwZ 2006, 683 (684); BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 – 7 AV 4/03 –, DVBl. 2004, 838 (839).

V. Der Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht, Art.  103 Abs.  1 GG

365

Gesetz keine Stütze findet388. Denn diese Verfahrensweise dürfte aufgrund ihrer langjährigen Übung mittlerweile zum gefestigten Stand der Handhabe des Revisionszulassungsrechts zu zählen sein, dementsprechend müssen auch die Parteien damit rechnen, dass es schon im Zulassungsverfahren zu einer materiellen Ergebniskontrolle kommen wird 389. Dem Prozessvertreter obliegt es insoweit gegenüber seinem Mandanten, im Rahmen seiner Beratungstätigkeit in Bezug auf die Erfolgsaussichten von Nichtzulassungsbeschwerde und Revi­ sion390 auf die Möglichkeit einer entsprechenden Vorgehensweise des Gerichts hinzuweisen391. Der Gehörsanspruch in seiner Ausprägung als Verbot der Überraschungsentscheidung bezieht sich auf die Kenntnisnahme- und Äußerungsmöglichkeiten im konkreten Einzelverfahren, kann aber einer gleichsam abstrakt-generell Geltung beanspruchenden Verfahrensweise nicht entgegenstehen392 , selbst wenn diese auf einem einfach-rechtlich unzutreffenden Fundament beruht. Art.  103 Abs.  1 GG bestimmt nämlich lediglich, wie verfahrensrechtlich mit den entscheidungsrelevanten Aspekten des Falles umzugehen ist, nicht aber selbst, welche Gesichtspunkte für das konkrete Verfahren entscheidungsrelevant zu sein haben. Die Norm betrifft insoweit nur den korrekten Verfahrensablauf, nicht aber auch die am Maßstab des sachlich anzuwenden Rechts gemessene Richtigkeit des Verfahrensergebnisses393. Dagegen ist das Bundesverwaltungsgericht unzweifelhaft dazu verpflichtet, den Parteien vor Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde analog §  144 Abs.  4 VwGO rechtliches Gehör zu denjenigen konkret vom Gericht als selbstständig entscheidungstragend entwickelten Alternativgründen zu gewähren, die die Aufrechterhaltung des Berufungsurteils nach Ansicht des Gerichts tragen sollen, unabhängig davon, wie „offensichtlich“ diese Gründe auch im Einzelfall sein mögen. Denn diese waren weder Gegenstand der Darlegungen des Beschwerdeführers zur Begründung der Beschwerde, noch haben sie im bisherigen Verfahrensverlauf eine Rolle gespielt, sodass dementsprechende Stellungnah388  So aber anscheinend Bachof, JZ 1957, 374 (379); Reuß, DVBl. 1958, 233 (234) und Daniels, Vortrag PVR, S.  19. 389  Ähnlich Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  240 f. und Fromm, DVBl. 1992, 709 (709) 390  Die Rechtsprüfungs- und Beratungspflicht des Rechtsanwaltes in der vorprozessualen Phase hat sich insoweit auf beide Gesichtspunkte zu erstrecken, vgl. auch BT-Drs. 11/7030, S.  33. 391  Anders wohl Eggert, Nichtzulassungsbeschwerde, S.  6 4, 140 ff. 392  Insoweit ist Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO §  133 Rn.  79 zuzustimmen. 393  BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 14. Mai 2007 – 1 BvR 730/07 –, BVerfGK 11, 203 (206); BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, BVerfGE 107, 395 (409 f.); Schmahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Kommentar GG, Art.  103 Rn.  10.

366 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision men der Parteien hierzu noch eingeholt werden müssen394. Die neuen Gründen i. S. v. §  144 Abs.  4 VwGO konnten die Beteiligten im Regelfall weder voraussehen noch waren sie bei Anwendung der ihnen zumutbaren Sorgfalt erkennbar395. Andernfalls hätte das Vordergericht diese alternativ entscheidungstragenden Gründe ja in seine Entscheidung mit einfließen lassen können, um diese selbst rechtsmittelfest zu machen und eine Revisionszulassungspflicht damit schon nach allgemeinen Maßstäben auszuschließen396. In diesen Fällen hätte der sachgerecht beratene Beschwerdeführer dann von der Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde abgesehen397. Daher ist es für eine dem Art.  103 Abs.  1 GG genügende Einräumung einer Stellungnahmemöglichkeit erforderlich, im Falle der beabsichtigten analogen Anwendung von §  144 Abs.  4 VwGO gerichtlicherseits über die insoweit anzulegende Rechtsauffassung für die Lösung des Falles vor Entscheidungserlass von Amts wegen und ausdrücklich Auskunft zu geben und die Beteiligten zur entsprechenden Stellungnahme aufzufordern398. Dies ist allgemein anerkannt und wird auch dementsprechend praktiziert399. Eines solchen vorherigen Hinweises und einer Stellungnahme der Parteien bedarf es nur dann nicht, wenn die Alternativerwägungen, auf die das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung stützt, vom Beschwerdeführer oder dem Gegner selbst ins Verfahren eingebracht worden sind und sich auch die andere Partei im Schriftsatzwechsel hierzu geäußert hat, weil die Beteiligten dann „nicht dadurch überrascht werden [können], dass der Senat diese Rechtsfrage aufgreift und dem Erfolg ihrer Nichtzulassungsbeschwerde entgegen hält“400. Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO §  133 Rn.  79. Ruban, in: Gräber, FGO, §  116 Rn.  56; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  144 Rn.  34. 396  Vgl. dazu oben §  3 I. 2. a) und §  4 IV. 2. b) bb) (3). 397  Schmid, DStR 1993, 1284 (1284); Neuhäuser, Zulassung der Berufung, S.  87. 398  BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. Oktober 1994 – 2 BvR 126/94 –, DVBl. 1995, 34 (35); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 02. März 2006 – 2 BvR 767/02 –, NVwZ 2006, 683 (684); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 24. Januar 2007 – 1 BvR 382/05 –, BVerfGK 10, 208 (213 f.); BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 15. Februar 2011 – 1 BvR 980/10 –, NVwZ-RR 2011, 460 (461). Zum Zwecke der Verhinderung von Überraschungsentscheidungen wurde eine allgemeine Hinweispflicht betreffend diejenigen Gesichtspunkte, die dem Erfolg der Nichtzulassungsbeschwerde entgegenzuhalten sind, zwar erwogen, fand aber aus Gründen der Entlastung und Straffung des Beschwerdeverfahrens nicht den Weg ins Gesetz, vgl. den Bericht des Rechtsausschusses BT-Drs. 3/1094, S.  13. 399  Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 – 7 AV 4/03 –, DVBl. 2004, 838 (839); BFH, Beschluss vom 10. Dezember 2003 – X B 134/02 –, BFH/NV 2004, 906 (908); Krasney, in: Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, IX. Rn.  54; Ruban, in: Gräber, FGO, §  116 Rn.  56; Kraft, in: Eyermann, VwGO, §  133 Rn.  51; Neumann, in: Sodan/ Ziekow, VwGO, §  144 Rn.  34; Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, §  133 Rn.  79. 400  BVerwG, Beschluss vom 07. März 2002 – 5 B 60/01 – (unveröffentlicht, juris). 394  395 

VI. Die Instituts- und Funktionsgarantie der obersten Gerichthöfe des Bundes

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Damit bleibt festzuhalten, dass Art.  103 Abs.  1 GG der Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde analog §  144 Abs.  4 VwGO nicht entgegensteht, soweit das Beschwerdegericht zuvor auf die herangezogenen Alternativerwägungen hinweist, den Parteien die Möglichkeit zur diesbezüglichen Äußerung gibt, deren Stellungnahmen zur Kenntnis nimmt und diese auch berücksichtigt.

VI. Die Instituts- und Funktionsgarantie der obersten Gerichthöfe des Bundes, Art.  95 Abs.  1 GG 1. Grundsätzliches zum Gewährleistungsgehalt Art.  95 Abs.  1 GG verpflichtet den Bund zur Errichtung und Unterhaltung von obersten Gerichtshöfen für die einzelnen Fachgerichtsbarkeiten401. Anliegen dieser staatsorganisationsrechtlichen Verpflichtung402 ist die Sicherstellung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung im gesamten Bundesgebiet durch die Institutionalisierung von Zentralentscheidungsinstanzen und damit letztlich auch die Verwirklichung der allgemeinen rechtsstaatlichen Forderungen nach Rechtsanwendungsgleichheit und materieller Gerechtigkeit, wie sie in Art.  3 Abs.  1 GG zum Ausdruck kommen403. Die Vorschrift fordert dabei weder objektiv-rechtlich das Vorhalten von Instanzenzügen noch lässt sich aus ihr ein subjektiv-rechtlicher Anspruch auf eine weitere gerichtliche Kontrollinstanz im jeweiligen Einzelfall ableiten404. Gleichwohl geht das Grundgesetz in Art.  95 Abs.  1 GG mit der Benennung der Gerichte als „oberste“ Gerichtshöfe für den Regelfall von einer mehrinstanz­lichen Verfahrensgestaltung aus, weil dies schon begrifflich in justizorganisatorischer Hinsicht einen Unterbau an vorentscheidenden Spruchkörpern voraussetzt, ohne die Mehrinstanzlichkeit aber zugleich als unabänderlichen status quo verfassungsrechtlich festschreiben zu wollen405. Jedenfalls aber soll das Verfahren vor den obersten Gerichtshöfen des Bundes nach dem Grundkonzept der JustizSchulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Bd. III, Art.  95 Rn.  13. Heusch, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Kommentar GG, Art.  95 Rn.  3. 403  BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (291). 404  BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (291); BVerfG, Urteil vom 04. Juli 1995 – 1 BvF 2/86, 1 BvF 1/87, 1 BvF 2/87, 1 BvF 3/87, 1 BvF 4/87, 1 BvR 1421/86 –, BVerfGE 92, 365 (410); Heusch, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke, Kommentar GG, Art.  95 Rn.  6. A. A. Frey, in: Gärditz, VwGO, Vor 124 Rn.  63. Zum Streitstand hinsichtlich der Frage, ob und inwieweit Instanzenzüge von Art.  95 Abs.  1 GG objektiv-verfassungsrechtlich determiniert sind, vgl. Voßkuhle, in: von Mangoldt/Klein/ Starck, Kommentar Grundgesetz, Art.  95 Abs.  1 Rn.  27 m. w. N. 405  A. A. wohl Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  8. 401 

402 

368 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision verfassung den Abschluss des jeweiligen fachgerichtlichen Rechtsweges bilden406. Aus diesem Grund sollen die obersten Gerichtshöfe des Bundes im Wesentlichen die Funktion von letztinstanzlichen Rechtsmittelgerichten als Rechtskontroll- bzw. Revisionsinstanzen übernehmen407, wenngleich Art.  95 Abs.  1 GG zur konkreten Zuständigkeit der Gerichte, ihrer Verfahrensgestaltung und der Art des Zugangs zu ihnen keine Vorgaben liefert408. Der Zuweisung erstinstanzlicher Zuständigkeiten für bestimmte Sachgebiete an die obersten Gerichtshöfe des Bundes kraft Gesetzes steht die Norm daher nicht ent­ gegen409, soweit hierfür sachliche Gründe sprechen und die effektive Erfüllung der Kernaufgaben der genannten Gerichte – die Revisionstätigkeit – durch Abzweigung von Ressourcen und Kapazitäten für die Eingangszuständigkeiten nicht faktisch erschwert oder unterbunden werden würde410. Ebenso wenig steht Art.  95 Abs.  1 GG gesetzlichen Zugangsschranken zu den Verfahren vor den obersten Gerichtshöfen des Bundes entgegen, um aus Gründen der Entlastung das von ihnen zu entscheidende Fallmaterial in qualitativer oder quantitativer Hinsicht zu begrenzen, solange diese nicht so restriktiv ausgestaltet werden, dass sie die höchstrichterliche Rechtssprechungstätigkeit der Gerichte faktisch „aushungern“ könnten411. Art.  95 Abs.  1 GG umfasst damit in formeller Hinsicht neben der Instituts- auch in gewissem Umfang eine Funktionsgarantie, die es untersagt, den obersten Gerichtshöfen des Bundes den verfassungsrechtlich vorgefundenen Kernbereich an Sachaufgaben zu entziehen412. Daneben hat Art.  95 Abs.  1 GG auch einen begrenzten materiellen Gehalt 413, der in Zusammenschau mit Art.  95 Abs.  3 GG und Art.  99 Hs.  2 GG deutlich Schenke, JZ 2005, 116 (117); Degenhart, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR V, §  114 Rn.  14. BVerfG, Beschluss vom 10. Juni 1958 – 2 BvF 1/56 –, BVerfGE 8, 174 (177); BVerfG, Urteil vom 04. Juli 1995 – 1 BvF 2/86, 1 BvF 1/87, 1 BvF 2/87, 1 BvF 3/87, 1 BvF 4/87, 1 BvR 1421/86 –, BVerfGE 92, 365 (410); Heusch, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Kommentar GG, Art.  95 Rn.  5; Degenhart, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR V, §  114 Rn.  29; Hense, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR VI, §  137 Rn.  15; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Bd. III, Art.  95 Rn.  19; Meyer, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar Art.  95 Rn.  7. 408  BVerfG, Beschluss vom 10. Juni 1958 – 2 BvF 1/56 –, BVerfGE 8, 174 (176 f.); Voß­ kuhle, Rechtsschutz, S.  212 f. 409  BVerfG, Beschluss vom 10. Juni 1958 – 2 BvF 1/56 –, BVerfGE 8, 174 (177). 410  BVerwG, Urteil vom 09. Juli 2008 – 9 A 14/07 –, BVerwGE 131, 274 (280 f.); enger Frey, in: Gärditz, VwGO, Vor 124 Rn.  64. 411  Stern, Staatsrecht Bd. II, §  33 S.  390; Heusch, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Kommentar GG, Art.  95 Rn.  6. 412  Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Bd. III, Art.  95 Rn.  18; Hense, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR VI, §  137 Rn.  18; Stüer/Hermanns, DÖV 2001, 505 (508). 413  Ebenso Degenhart, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR V, §  114 Rn.  15; Voßkuhle, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar Grundgesetz, Art.  95 Abs.  1 Rn.  22; Czybulka, in: Sodan/­ 406  407 

VI. Die Instituts- und Funktionsgarantie der obersten Gerichthöfe des Bundes

369

wird: Die Rechtsprechungstätigkeit der obersten Gerichtshöfe des Bundes soll durch die Zentralisierung letztinstanzlicher Auslegungskompetenzen sowohl beim Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes als auch im Rahmen ihrer originär rechtsmittelrichterlichen Spruchtätigkeit zuvörderst der Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung – letzten Endes also der Rechtseinheit 414 – dienen. Der Bund hat daher durch die Bereitstellung aus­ reichender Sach- und Personalmittel sowie durch entsprechende normative Vorgaben bei der Ausgestaltung des Verfahrens vor sowie des Zugangs zu den obersten Gerichtshöfen des Bundes darauf hin zu wirken, dass diesen im Rahmen ihrer spruchrichterlichen Tätigkeit die Möglichkeit offen steht, auf die einheitliche Anwendung des Bundesrechts durch die untergeordneten Länder­gerichte einzuwirken415. Weder darf der Kerngehalt der Rechtseinheitsaufgabe der obersten Gerichtshöfe des Bundes diesen durch eine zu restriktive einfachgesetzliche Verfahrensgestaltung unmittelbar oder mittelbar entzogen werden416 noch können die Gerichte sich dieser verfassungsrechtlich determinierten Aufgabe417 durch eine entsprechend einschränkende Handhabe des Verfahrensrechts selbst vollständig entledigen418. Die als Einheitlichkeit der Rechtsprechung der Ländergerichte auf dem Gebiete des Bundesrechts verstandene Rechtseinheit wird sowohl dadurch gefährdet bzw. gestört, indem die Unter­gerichte von einer bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechungslinie in entscheidungserheblicher Weise abweichen als auch dadurch, dass es aufgrund des Fehlens einer höchstrichterlichen Stellungnahme zu bestimmten Rechtsfragen potentiell zu einer diesbezüglich divergierenden Judikatur der Untergerichte kommen kann. Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  9. Einschränkend Breitkreuz, SGb 2008, 506 (507): Jedenfalls „kein eigenständiger Gehalt“ bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung judikativer Einzelentscheidungen. 414  Stern, Staatsrecht Bd. II, §  33 S.  388 f.; Meyer, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar Art.  95 Rn.  7; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Bd. III, Art.  95 Rn.  18; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  9; Heusch, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Kommentar GG, Art.  95 Rn.  1. 415  Vgl. auch Breitkreuz, SGb 2008, 506 (507): „[Die in Art.  95 Abs.  1 GG] normierte und rein objektive institutionelle Garantie oberster Gerichtshöfe des Bundes […] erstreckt sich […] darauf, dass die Gerichtshöfe ihre Funktion als Garanten der Rechtseinheit effektiv erfüllen können.“ Ebenso Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Bd. III, Art.  95 Rn.  18, 20; Heusch, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Kommentar GG, Art.  95 Rn.  9. 416  Hense, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR VI, §  137 Rn.  18; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  9; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Bd. III, Art.  95 Rn.  20; Heusch, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Kommentar GG, Art.  95 Rn.  9. 417  Degenhart, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR V, §  114 Rn.  15; Heusch, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Kommentar GG, Art.  95 Rn.  10, 13. Ähnlich auch Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, §  39 Rn.  1. 418  Ebenso Bettermann, AöR 96, 528 (554). A. A. wohl Breitkreuz, SGb 2008, 506 (507).

370 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision Das geltende Rechtsmittelrecht nach Maßgabe des Zulassungsprinzips reagiert sowohl präventiv auf drohende als auch repressiv auf bereits eingetretene Störungen der Rechtseinheit durch untergerichtliche Judikate mit einer Pflicht zur Rechtsmittelzulassung, welche wiederum zur Zentralisierung der Letztentscheidungskompetenz über die Auslegung des Bundesrechts beim Revisionsgericht führt. Der präventiven Wahrung der Rechtseinheit dient die Zulassungspflicht im Falle der entscheidungstragenden Beantwortung bisher höchstrichterlich ungeklärter, allgemeinbedeutsamer Rechtsfragen nach §  132 Abs.  2 Nr.  1 VwGO, der repressiven Sicherung der Rechtseinheit demgegenüber die Zulassungspflicht im Falle der entscheidungsrelevanten Abweichung von einer Entscheidung eines Höchstgerichts nach §  132 Abs.  2 Nr.  2 VwGO. Auch die – naturgemäß für das Vordergericht regelmäßig irrelevante – Revisionszulassungspflicht zur Korrektur ergebnisrelevanter Verfahrensfehler nach §  132 Abs.  2 Nr.  3 VwGO bezweckt jedenfalls auch die Sicherstellung einheitlicher Rechtsanwendung auf dem Gebiet des vorrangig bundesrechtlich geprägten Prozessrechts419.

2. Nichtzulassung der Revision mangels reformatorischer Erfolgsaussichten und Rechtseinheitsaufgabe der Revisionsgerichte Wird die Zulassung der Revision analog §  144 Abs.  4 VwGO deswegen verweigert, weil die Rechtssache zwar Zulassungsgründe aufwirft, sich das angefochtene Urteil aber als im Ergebnis richtig erweist, so tangiert dies die Rechtseinheitsaufgaben des Bundesverwaltungsgerichts, wie sie diesem vom Gesetzgeber durch §  132 Abs.  2 VwGO zugewiesen worden sind. Ein Revisionsverfahren wird auf diesem Wege im Vorhinein unterbunden, obwohl das Gesetz eine Entscheidung des Revisionsgerichts über die Sache aus Gründen der einheitlichen Rechtsfortbildung oder der Rechtswahrung auf dem Gebiet des materiellen oder formellen Rechts gerade für erforderlich erachtet. Eine derart rechtsvereinheitlichende Stellungnahme des Revisionsgerichts zu höchstrichterlich klärungsbedürftigen Fragen des Bundesrechts wird dabei allein aus Gründen der reformatorischen Ergebnisrichtigkeit des angegriffenen Judikates unterbunden, obwohl dieser Umstand selbst nicht in einem inneren Zusammenhang mit der Wahrung der Rechtseinheit steht. Denn die reformatorische bzw. reformatorisch konfirmierende Revisionsentscheidung nach §  144 Abs.  3 und Abs.  4 VwGO ist allein dem Individualinteresse an der materiell richtigen Falllösung verpflichtet und jedenfalls prinzipiell nicht auf die Aufstellung abstrakter Rechtssätze als Orien-

419 

Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §  132 Rn.  99.

VI. Die Instituts- und Funktionsgarantie der obersten Gerichthöfe des Bundes

371

tierungshilfe für die Untergerichte und die Rechtsunterworfenen angelegt420. Die Gefährdung der Rechtseinheit, wie sie von §  132 Abs.  2 VwGO zum Anlass einer Revisionsentscheidung erhoben wird, wird dadurch bedingt, dass sich das vordergerichtliche Urteil in Auslegung einer revisiblen Norm auf einen vom Gericht selbst aufgestellten abstrakten Rechtssatz stützt, der so noch nicht in der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorzufinden ist oder sich in Widerspruch zu einer bereits bestehenden Rechtssprechungslinie setzt 421. Allein der vom vorinstanzlichen Judikat in seiner konkreten Begründungsstruktur aufgeworfene rechtliche Problemgehalt der Sache bildet insoweit den Grund und Anlass zur Einholung einer höchstrichterlichen Stellungnahme zu den hierdurch aufgeworfenen Fragen im Interesse der Rechtseinheit durch eine Revisionsentscheidung sowie gegebenenfalls zur Korrektur des Urteils durch die Revisionsinstanz. Die rechtsvereinheitlichenden Rechtsprechungsaufgaben, die der Gesetzgeber dem Revisionsgericht anvertraut hat, sind im System der Zulassungsrevision von diesem also primär im Wege der kassatorischen Urteilskontrolle i. S. v. §  137 Abs.  1 VwGO wahrzunehmen. Wird im Zuge der analogen Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Revisionszulassungsstadium dem allein im Parteiinteresse liegenden Kriterium der Ergebnisrichtigkeit des Berufungsurteils der Vorrang gegenüber den das Allgemeininteresse an der Erhaltung der Rechtseinheit verwirklichenden Zulassungsgründen nach §  132 Abs.  2 VwGO eingeräumt, so widerspricht dies demnach nicht nur den vom einfachen Gesetzgeber angedachten Verfahrenszwecken der Revision422 , sondern mittelbar auch dem in Art.  95 Abs.  1 GG zum Ausdruck kommenden konstitutionellen Vorverständnis der Aufgaben eines obersten Gerichtshofes des Bundes423. Gleichwohl gilt es zu bedenken, dass Art.  95 Abs.  1 GG als rein objektiv-rechtliche Instituts- und Funktionsgarantie nur auf die Erfüllbarkeit der Aufgabe der Wahrung der Rechtseinheit als solche angelegt ist, nicht aber zu einer Gestaltung des Verfahrens vor den obersten Gerichtshöfen des Bundes nötigt, 420  Auf die unterschiedlichen Funktionen der kassatorischen und der reformatorischen Revisionskomponente wurde bereits ausführlich eingegangen, vgl. oben §  4 IV. 3. a). 421  Vgl. BSG, Beschluss vom 27. Januar 1999 – B 4 RA 131/98 B –, NZS 1999, 571 (573); Kuhla, in: Kuhla/Hüttenbrink/Endler, Der Verwaltungsprozess, Abschnitt F Rn.  117; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, §  132 Rn.  14; Baring, NJW 1965, 2280 (2281); Neuhäuser, Zulassung der Berufung, S.  190; Traut, Zugang zur Revision, S.  147 und Schneider, NJW 1977, 1043 (1043) zum Vorliegen einer Divergenz i. S. v. §  132 Abs.  2 Nr.  2 VwGO. 422  Vgl. oben §  4 IV. 3. 423  Heusch, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Kommentar GG, Art.  95 Rn.  6 sieht das Grundanliegen des Art.  95 Abs.  1 GG darin, eine divergierende Auslegung des Bundesrechts durch die Gerichte der Länder so weit wie möglich und wie nötig zu verhindern, weshalb eine „zu weitgehende Abkoppelung der landesgerichtlichen Gerichtsbarkeit von den obersten Gerichtshöfen“ mit Art.  95 Abs.  1 GG nicht zu vereinbaren wäre.

372 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision die zwingend sicherstellen müsste, dass auch tatsächlich jede die Rechtseinheit berührende Streitsache zu einer höchstrichterlichen Entscheidung geführt wird424. Schon die jedenfalls verfassungstradierte Funktion dieser Gerichte als Rechtsmittelgerichte425 selbst gewährleistet nicht deren Anrufung in allen allgemeinbedeutsamen Rechtsfragen, weil diese Verfahren stets an die individuelle Beschwer der Streitbeteiligten anknüpfen und deren Dispositionsbefugnis unterliegen426. Ernst zu nehmenden staatsorganisatorischen und staatsfunktionellen Bedenken unterliegt dies aber nicht. Art.  95 Abs.  1 GG verlangt auf verfassungsrechtlicher Ebene nur, dass die normative Gestaltung des Zugangs zu und des Verfahrens vor den obersten Gerichtshöfen des Bundes als System generell eine der Wahrung der Rechtseinheit verpflichtete höchstrichterliche Rechtssprechungstätigkeit gewährleisten kann427. Die Wahrung der Rechtseinheit auf dem Gebiete des Bundesrechts als Rechtsprechungsaufgabe der letzten Instanz darf neben der Gewährleistung individueller materieller Gerechtigkeit nur eben nicht völlig vernachlässigt oder gar verhindert werden. Davon kann aber nicht die Rede sein, wenn in bestimmten Einzelfällen offensichtlicher Ergebnisrichtigkeit des vordergerichtlichen Judikates der Rechtseinheitsgedanke hintangestellt wird, um einen zügigen Verfahrensabschluss im Interesse der Parteien zu ermöglichen. Die Rechtseinheit ist auch im Gefüge des Grundgesetzes nur ein erstrebenswertes Ideal, nicht aber ein absolutes, unumstößliches Leitmotiv jedweder Verfahrensgestaltung428. Andernfalls müsste jede Form qualitativer oder quantitativer Rechtsmittelzugangsbeschränkungen mit dem Grundgesetz in Konflikt geraten, weil die Rechtseinheit im weitesten Sinne ja schon immer dann beeinträchtigt wird, wenn „gleiches Recht ungleich gesprochen wird“429 und dann auch jeder einfache Rechtsanwendungsfehler rechtseinheits- und damit kraft Verfassung rechtsmittelzugangsrelevant wäre. Dies kann nicht Anliegen des Art.  95 Abs.  1 GG sein. Insoweit lässt sich in der analogen Anwendung des §  144 Abs.  4 VwGO im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde kein Verstoß gegen Art.  95 Abs.  1 GG erblicken. Ebenso Breitkreuz, SGb 2008, 506 (507); Stüer/Hermanns, DÖV 2001, 505 (508); Heusch, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Kommentar GG, Art.  95 Rn.  6. Ähnlich Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Bd. III, Art.  95 Rn.  20. 425  Kritisch hierzu Voßkuhle, Rechtsschutz, S.  214. 426  Hanack, Ausgleich, S.  75. 427  Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar Bd. III, Art.  95 Rn.  20; Heusch, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Kommentar GG, Art.  95 Rn.  6; Meyer, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar Art.  95 Rn.  7; Breitkreuz, SGb 2008, 506 (507). 428  Traut, Zugang zur Revision, S.  54; Baur, ZZP 71, 161 (176). In diese Richtung auch Prütting, Zulassung, S.  91. 429  BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (291). 424 

VII. Fazit zur verfassungsrechtlichen Untersuchung

373

VII. Fazit zur verfassungsrechtlichen Untersuchung Die vorstehende verfassungsrechtliche Untersuchung hat ergeben, dass die Praxis des Bundesverwaltungsgerichts, im Verfahren über die Nichtzulassungs­ beschwerde die Bestimmung des §  144 Abs.  4 VwGO analog anzuwenden, nicht nur prozessrechtswidrig, sondern zudem auch verfassungsrechtlich unhaltbar ist. Dabei konnte nachgewiesen werden, dass die Nichtzulassung der Revision mangels reformatorischer Erfolgsaussichten auf Grundlage einer vom Beschwerdesenat des Gerichts durchgeführten inhaltlichen Prüfung der Rechts­ sache wie auch der Erlass einer dementsprechenden Sachentscheidung zur Beendigung des Beschwerdeverfahrens und damit auch des Rechtsstreits in Gänze gleich in mehrfacher Hinsicht mit justiziellen Garantien des Grundgesetzes nicht in Einklang steht. Die insoweit wesentlichste Ursache hierfür liegt darin begründet, dass es für eine Verknüpfung der Entscheidung über die Revisionszulassung mit einer Prognose des voraussichtlichen Revisionserfolges an einer ausdrücklichen normativen Verankerung fehlt. Anliegen des Prozessrechts ist es eben nicht allein, den Parteien überhaupt eine inhaltlich richtige Entscheidung des Gerichts zur Sache zukommen zu lassen, sondern auch und gerade, diejenigen Verfahrensstrukturen und -anforderungen vorhersehbar und kalkulierbar zu machen, die den formalen Weg zu einer solchen Sachentscheidung vorzeichnen. Es dient auch dazu, durch die Festlegung verbindlicher Verfahrensvorgaben die Beteiligten vor richterlicher Willkür und prozessualer Ver­ objektivierung zu schützen. Das Verfahrensrecht hat insoweit eben doch auch einen gewissen materiellen Eigenwert, der nicht zur Disposition desjenigen stehen kann, der durch den jeweiligen Normbefehl gerade in der Ausübung seiner Machtbefugnisse beschränkt werden soll, nämlich dem Richter430. Einer Revisionszulassungspraxis, die dennoch analog §  144 Abs.  4 VwGO die reformatorischen Erfolgsaussichten in der Sache als zu überwindende Zugangshürde zum Revisionsverfahren statuiert, fehlt es deshalb nicht nur an der rechtsstaatlich erforderlichen Vorherbestimmtheit und damit auch Vorhersehbarkeit richterlichen Handelns, sondern auch an dessen legislativer Legitimierung. Demgegenüber wäre es jedenfalls aus verfassungsrechtlicher Perspektive nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber durch eine entsprechende Ände430  Ähnlich BVerfG, Beschluss vom 03. November 1992 – 1 BvR 1243/88 –, BVerfGE 87, 273 (280). Anders aber BGH, Urteil vom 16. November 1953 – III ZR 158/52 –, NJW 1954, 150 (151): „Die den Prozeß regelnden Vorschriften sind nicht um ihrer selbst willen gegeben, sondern sind Zweckmäßigkeitsnormen, gerichtet auf eine sachliche Entscheidung des Rechtsstreits im Wege eines zweckmäßigen und raschen Verfahrens; gerade im Prozeßrecht ist daher, wenn es darum geht, den Grundsatz der Prozeßökonomie zum Siege zu verhelfen, die sinngemäße Anwendung einer Vorschrift zulässig.“

374 §  5 Verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial einer Vorwegnahme der Revision rung der §§  132, 133 VwGO431 dem Bundesverwaltungsgericht im Nichtzu­ lassungsbeschwerdeverfahren die Befugnis einräumen würde, schon im Zu­ lassungsstadium in eine inhaltliche Prüfung der Rechtssache einzutreten und gegebenenfalls die Zulassung der Revision mangels Erfolgsaussichten unter Erlass einer entsprechenden materiellen Sachentscheidung zu verweigern.

431  In Betracht hierfür käme etwa eine normative Gestaltung, wie sie im Rahmen des Problemaufrisses dieser Untersuchung unter §  1 I. dargestellt wurde.

§  6 Gesamtfazit und Schlussbetrachtungen Die vorstehende Untersuchung hat ergeben, dass es dem Bundesverwaltungsgericht sowohl aus prozessrechtlichen als auch aus verfassungsrechtlichen Gründen verwehrt ist, im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde nach §  133 VwGO zu überprüfen, ob sich das Berufungsurteil im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig herausstellt, verneinendenfalls die Zulassung der Revision zu verweigern und damit schon im Beschwerdeverfahren inhaltlich über die Sache zu entscheiden. Die von der Rechtsprechung und den ihr folgenden Vertretern der Rechtswissenschaft befürwortete Inkorporation der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels in die richterliche Zugangskontrolle durch den iudex ad quem mag als Instrument der Entlastung der Rechtsmittelgerichte rechtspolitisch wünschenswert sein, mit geltendem Recht ist sie indes nicht vereinbar. Planwidrige Regelungslücken im System der verwaltungsgerichtlichen Revi­sionszulassung, die durch eine analoge Anwendung der Vorschrift des §  144 Abs.  4 VwGO im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zu schließen wären, konnten nicht ausgemacht werden. Die Ausblendung der Erfolgsaussichten der Revision aus dem geltenden System des Revisionszugangs im Verwaltungs­prozess hat sich als bewusste Systementscheidung des Gesetzgebers erwiesen, nicht aber als ein legislatives Versehen, welches dem übrigen Grundkonzept der Revisionszulassung widersprechen würde und daher der Korrektur durch richterliche Rechtsschöpfung zugänglich wäre. Der Richter ist als Rechtsanwender nicht berechtigt, von ihm rechtspolitisch missbilligte Ergebnisse, die aus der strikten Anwendung eines in sich schlüssigen Normenkomplexes resultieren, dadurch zu umgehen, indem er gesetzgeberische Systementscheidungen als Gesetzeslücken interpretiert, um das jeweilige Normgefüge durch eigene Rechtschöpfung seinen Vorstellungen anpassen zu können. Dies gilt in besonderem Maße auch für die von den Prozessordnungen vorgehaltenen Statthaftigkeitssysteme von Rechtsmitteln, welche nicht allein unter Berufung auf die situationsabhängigen und letztlich subjektiv determinierten Begriffe der Verfahrensbeschleunigung und der Prozessökonomie den scheinbaren Bedürfnissen des Einzelfalles angepasst werden können1. Die Au1  Ebenso BSG, Beschluss vom 16. November 2000 – B 4 RA 122/99 B –, SGb 2003, 120 (126) und May, Revision, IV Rn.  68a.

376

§  6 Gesamtfazit und Schlussbetrachtungen

torität des Richters und seiner verbindlichen Entscheidungen über fremde Rechtspositionen folgt gerade aus seiner Neutralität gegenüber den Parteien 2 , welche wiederum einerseits konstituiert und andererseits abgesichert wird durch dessen strikte Gesetzesbindung. Dies gilt nicht nur für dasjenige anzuwendende materielle Recht, welches für den Inhalt seiner Entscheidung von Bedeutung ist, sondern auch und gerade für diejenigen Normen, die über den verfahrensrechtlichen Weg zu deren Erlass bestimmen und damit die richterlichen Kompetenzen und Machtbefugnisse selbst lenken und begrenzen. Es ist diese verfahrensrechtliche Gebundenheit, die im gewaltengeteilten Rechtsstaat die Judikative als diejenige neutrale Streitentscheidungsinstanz ausweist, auf deren unvoreingenommene Inanspruchnahme sich der Bürger im Falle des Rechtskonfliktes, auch und insbesondere mit anderen hoheitlichen Einrichtungen und Entscheidungsträgern, allein verlassen muss und verlassen können soll. Der strikte Geltungsanspruch des Verfahrensrechts hat damit, vermittelt durch die Rechtsschutzgarantien des Grundgesetzes, „freiheitsgewährleistende Funktion“3 für die Sicherung und Verwirklichung materieller Rechte im Zuge richterlichen Rechtsschutzes. Für eine Gesetzesergänzung durch richterliche Rechtsschöpfung ist demnach auch im Bereich des Verfahrensrechts nur dort Raum, wo das geschriebene Recht tatsächlich feststellbare Regelungslücken aufweist, die dessen innerer Systematik und den gesetzgeberischen Zielvorstellungen widersprechen. Soweit verfahrensrechtliche Regelungen zudem über gerichtliche Entscheidungskompetenzen bestimmen, tangiert die Frage nach ihrer Beachtung im Einzelfall den Gewährleistungsgehalt des Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG. Die Verfahrensgarantie des gesetzlichen Richters i. S. d. Gebotes der normativen Vorherbestimmtheit judikative Zuständigkeiten setzt der Zulässigkeit richterlicher Rechtsschöpfung in Kompetenzfragen enge Grenzen und verbietet eine dies­ bezügliche Rechtsanwendung, die den Bereich methodengerechter Auslegung verlässt und implizit zur Aufstellung eigenständiger, von der gesetzgeberischen Intention nicht mehr gedeckter Rechtsgrundsätze durch den Richter führt 4. „[D]arf im Wege der Auslegung einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht ein entgegengesetzter Sinn verliehen, der normative Gehalt der aus­ zulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt, das gesetzgeberische Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden“5, so ist der Rechtsprechung So Zippelius, Methodenlehre, S.  54. BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (293); Degen­ hart, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR V, §  114 Rn.  32. 4  Maunz, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, Art.  101 Rn.  50 unter Berufung auf Henkel, Richter, S.  91. 5  So BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277 (299) zu den Grenzen, die selbst der verfassungskonformen Auslegung gesetzt sind. 2  3 

§  6 Gesamtfazit und Schlussbetrachtungen

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auch die richterrechtliche Modifikation oder Ergänzung eines in sich geschlossen Regelungskomplexes verwehrt, in dem sich gesetzgeberische Zielvorstellun­ gen in konkreten normativen Handlungsanweisungen niedergeschlagen haben. Handhabt ein Gericht das von ihm anzuwendende Verfahrensrecht in einer Art und Weise, die nicht die normativ verankerten gesetzgeberischen, sondern die eigenen Vorstellungen von einem prozessökonomisch sinnvollen Verfahren zur Grundlage seiner Entscheidungsfindung macht und dabei unter Verkürzung der Rechtsstellung der Parteien dem Gedanken der Verfahrensbeschleunigung den Vorrang gegenüber seiner Gesetzesbindung einräumt, so stellt es selbst die eigenen Legitimationsgrundlagen in Frage6. Über das Ob und Wie von Maßnahmen zur Entlastung der Rechtsmittelgerichte und damit zur Verteilung von Justizressourcen hat allein der Gesetzgeber zu bestimmen. Nicht nur bedürfen die hierbei tangierten verschieden Interessenpositionen der legislativen Abwägung und des gerechten Ausgleichs untereinander7. Vor dem Hintergrund der allgemeinen Formstrenge des gerichtlichen Verfahrens als Ausfluss des Gebotes der Rechtssicherheit bietet nur die ausdrückliche normative Verankerung prozessualer Grundsätze, Handlungsabläufe und Entscheidungsvoraussetzungen Gewähr dafür, dass das Prozessrecht als Grundlage der sachlich richtigen Entscheidungsfindung von allen Beteiligten „wie selbstverständlich gehandhabt werden kann“8 und richterliches Handeln samt seiner Voraussetzungen und Konsequenzen für die Parteien prognostizierbar bleibt. Dass der Gesetzgeber die Entlastungsbedürfnisse der Rechtsmittelgerichte anerkennt und diesen auch, soweit er es für erforderlich und angemessen erachtet, nachkommt, zeigt sich etwa an den Entscheidungsbefugnissen nach §  552a ZPO, §  349 StPO und §  130a VwGO9, die das Gericht zur vereinfachten Erledigung eindeutig sachlich unergiebiger Rechtsmittel in einem verkürzten Verfahren berechtigen. Der Umstand, dass dem Bundesverwaltungsgericht bisher keine derartige Möglichkeit zur Abkürzung aussichtsloser Revisionsverfahren eingeräumt worden ist, beÄhnlich Reuß, DVBl. 1957, 293 (297). Treffend Happ, BayVBl. 1999, 577 (578): „Verfahrensbeschleunigung erweist sich vielmehr – nicht nur verfassungsrechtlich betrachtet – als ein Abwägungsproblem.“ 8  Redeker, DVBl. 1992, 212 (216) zur Zulassungsberufung. 9  Der Gesetzgeber hat durch §  141 S.  2 VwGO ausdrücklich darauf verzichtet, die Möglichkeit der Beschlusszurückweisung nach §  130a VwGO als „Instrument […], um eindeutig aussichtslose Berufungen rasch und ohne unangemessenen Verfahrensaufwand zu erledigen [und d]ie ersparte Arbeitskapazität […] nutzbringend für die Entscheidung schwierigerer Streitsachen“ zu verwenden (BT-Drs. 11/7030, S.  31 f.), auch dem Revisionsgericht zur Verfügung zu stellen, vgl. BT-Drs. 11/7030, S.  35. Nach Dawin/Buchheister, in: Schoch/Schneider/­ Bier, VwGO, §  141 Rn.  13 lasse sich eine derartig vereinfachte Sachentscheidungsbefugnis nach dieser Vorschrift „nicht mit der Hauptfunktion des Revisionsgerichts vereinbaren, mit seinen Entscheidungen die Rechtseinheit zu fördern und das Recht fortzuentwickeln.“ 6  7 

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rechtigt dieses aber nicht dazu, selbst im Wege richterlicher Rechtsschöpfung in die rechtlichen Rahmenbedingungen des von ihm zu beachtenden Verfahrensrechts einzugreifen und allein unter Berufung auf den Gedanken der Prozessökonomie eigene Entlastungskonzepte zum verbindlichen Handlungs- und Entscheidungsmaßstab zu erklären. So ist es insbesondere auch nicht möglich, unter Aufgabe der gesetzlich angedachten Trennung von Zulassungs- und Rechtsmittelverfahren die Nichtzulassungsbeschwerde nach §  133 VwGO dazu zu verwenden, unter dem Deckmantel einer Nichtzulassungsentscheidung abschließend inhaltlich über die Rechtssache zu befinden. Die Nichtzulassungs­ beschwerde ist keine »kleine Revision«, sondern ein hiervon separiertes Zwischenverfahren mit anderem Streitgegenstand und anderer Zielsetzung. Anderes gilt nur dann, wenn das Gesetz diesem Zulassungsrechtsbehelf explizit Funktionen der Sachprüfung zuweist, wie dies mit §  133 Abs.  6 VwGO für die ansonsten der Revision vorbehaltene Kassationsentscheidung wegen durchgreifender Verfahrensrügen geschehen ist10. Das System der Zulassungsrevision der VwGO hat sich im Wesentlichen als angemessener Kompromiss zwischen dem Bestreben nach einer Entlastung der Revisionsgerichte und den Bedürfnissen nach höchstrichterlichem Rechtsschutz bewährt. Über die Zulassungsgründe nach §  132 Abs.  2 VwGO hat der Gesetzgeber die Aufgaben und Funktionen, die er der revisionsrichterlichen Rechtsprechungstätigkeit des Bundesverwaltungsgerichts beimisst, in die Voraussetzungen des Zugangs zum Gericht eingebunden und damit die Revisionsmöglichkeiten auf diejenigen Rechtssachen beschränkt, deren Entscheidung einen Beitrag zur Förderung und Erhaltung der Rechtseinheit im Allgemeininteresse liefern kann. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde nach §  133 VwGO wird das Bundesverwaltungsgericht in die Lage versetzt, korrigierend in die Zulassungspraxis der Berufungsgerichte eingreifen zu können, wenn die zuvörderst ihnen obliegende Aufgabe der Handhabe des Revisionszugangsfilters im Einzelfall nicht befriedigend erfüllt wird. Die Möglichkeit der Anrufung des iudex ad quem in Zulassungsfragen über den Beschwerdevorbehalt des §  133 Abs.  1 VwGO geht dagegen nicht mit einer inhaltlichen Veränderung des Zulassungsmaßstabes einher. Allein der Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht später auch über das Rechtsmittel in der Hauptsache zu entscheiden hat, hat nicht 10  So auch Finkelnburg, in: Schmidt-Aßmann/Sellner/Hirsch/Kemper/Lehmann-­G rube, Festgabe 50 Jahre BVerwG, S.  173 (179) unter grundsätzlicher Befürwortung der Übertragung von Revisionsaufgaben an das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren, allerdings unter dem Vorbehalt einer gesetzgeberischen Billigung der Verfahrenspraxis des BVerwG im Wege einer entsprechenden Änderung des §  133 VwGO, „damit man im Gesetz findet, was derzeit nur der Kundige weiß und der Nichtkundige dem Beschluss, der seine Beschwerde zurückweist, mit Erstaunen entnehmen muss.“

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zur Konsequenz, dass diesem bei seiner Zulassungsentscheidung die sachlich-rechtliche Prüfungsperspektive der Revisionsentscheidung offen steht und daher ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage unter Zusammenlegung beider Verfahrensstadien die Erfolgsaussichten des Rechtsmittel hierbei Berücksichtigung finden könnten. Der letztendliche Rechtsmittelerfolg zugunsten der vorinstanzlich beschwerten Partei i. S. e. Abänderung der vordergerichtlichen Tenorierung steht nämlich in keinem inneren Zusammenhang mit der Rechtseinheitsfunktion höchstrichterlicher Rechtsprechung, die als Ausdruck des Allgemeininteresses den Revisionszugang maßgeblich determiniert. Denn auch im Zuge der Bestätigung des Berufungsurteils, sei es in dessen Entscheidungsgründen, sei es jedenfalls aus anderen Gründen nur in dessen Ergebnis, können durch ein Revisionsurteil abstrakte höchstrichterliche Rechtssätze aufgestellt oder gegen Abweichungen abgesichert werden und damit das revisible Recht fortgebildet und die Rechtsprechungseinheit gewahrt werden. Wird aber die Zulassung der Revision unter den Vorbehalt ihrer Erfolgsaussichten gestellt, so würde der Zugang zum Rechtsmittelverfahren primär an dessen voraussichtlichem Ausgang festgemacht, ohne dass es – entgegen der gesetzgeberischen I­ ntention – hierfür noch auf diejenigen richterlichen Erkenntnisse ankäme, die auf dem Weg zu diesem Entscheidungsergebnis gewonnen werden könnten. Die Zugangshürden zum Rechtsmittelgericht sollen jedoch die Erfüllung der Auf­ gaben, die der Gesetzgeber diesem beimisst, gerade fördern, nicht aber unterbinden11. Auch heute noch dürfte die Entlastung der Revisionsgerichte zu den wesentlichsten praktischen Herausforderungen der bundesdeutschen Justizpolitik zu zählen sein. Zur Lösung dieses Problems darf jedoch nicht auf inadäquate oder gar unzulässige Mittel zurückgegriffen werden.

11 

Ähnlich Happ, BayVBl. 1999, 577 (578) zur Zulassungsberufung.

Schrifttumsverzeichnis Adickes, Franz: Grundlinien durchgreifender Justizreform. Betrachtungen und Vorschläge unter Verwertung englisch-schottischer Rechtsgedanken, Berlin 1906, zitiert: Adickes, Grundlinien App, Michael: Überblick über die Nichtzulassungsbeschwerde in der allgemeinen und besonderen Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: JA 1994, 236–239 Arndt, Adolf: Zulassung durch den judex a quo?, in: NJW 1949, 256 ders.: Umwelt und Recht – Zur Problematik der Grundsatzrevision aus verfassungsrechtlicher Sicht, in: NJW 1962, 1660–1664 Arndt, Herbert: Gedanken zur Zulassungsrevision, in: Glanzmann, Roderich/Faller, Hans Joachim (Hrsg.), Ehrengabe für Bruno Heusinger, München 1968, S.  239–255, zitiert: Arndt, in: Glanzmann/Faller, Ehrengabe Heusinger Bachof, Otto: Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, in: JZ 1957, 374–380 Bader, Johann: Zulassungsberufung und Zulassungsbeschwerde nach der 6. VwGO-Novelle – Folgerungen für die anwaltliche Praxis, in: NJW 1998, 409–415 ders./Funke-Kaiser, Michael/Stuhlfauth, Thomas/von Albedyll, Jörg: Verwaltungsgerichtsordnung Kommentar, 6. Auflage, Heidelberg 2014, zitiert: Bearbeiter, in: Bader/Funke-­ Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO Ball, Wolfgang: Die Zulassung der Revision wegen offensichtlicher Unrichtigkeit des Berufungsurteils und wegen Verletzung von Verfahrensgrundrechten, in: Heinrich, Christian (Hrsg.), Festschrift für Hans-Joachim Musielak, München 2004, S.  27–50, zitiert: Ball, in: Heinrich, Festschrift Musielak Baring, Martin: Die Nichtzulassungsbeschwerde im Verwaltungsstreitverfahren, in: NJW 1965, 2280–2282 ders.: Empfiehlt es sich, die Revision (Rechtsbeschwerde) zu den oberen Bundesgerichten (außer in Strafsachen) einzuschränken und ihre Zulässigkeit in den einzelnen Gerichtsbarkeiten einheitlich zu regeln? Gutachten für den 44. Deutschen Juristentag, Band I 3. Teil Heft A, Tübingen 1962, zitiert: Baring, Gutachten A für den 44. DJT. Barnert, Elena: Vom Zufall bei der Suche nach Recht – Die Revisionszulassung durch den BGH nach der ZPO-Reform, in: Kiesow, Rainer Maria/Simon, Dieter (Hrsg.): Vorzimmer des Rechts, Frankfurt am Main 2006, S.  13–35, zitiert: Barnert, in: Kiesow/Simon, Vorzimmer des Rechts Baumgärtel, Matthias: Die Zulassungsberufung in der VwGO – Im Spannungsfeld zwischen Beschleunigung und Gewährung effektiven Rechtsschutzes, Rostock 2004, zitiert: Baumgärtel, Zulassungsberufung Baur, Fritz: Der Gedanke der „Einheitlichkeit der Rechtsprechung“ im geltenden Prozeßrecht, in: JZ 1953, 326–329 ders.: Die dritte Instanz im künftigen Zivilprozeß, in: ZZP 71, 161–187 Beaucamp, Guy: Zum Analogieverbot im öffentlichen Recht, in: AöR 134, 83–105

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Beck, Ilse-Sabine: Notwendigkeit einer Berufungsbegründung nach Berufungszulassung – Entscheidungsanmerkung zu BVerwG, Urteil vom 07. Januar 2008 – 1 C 27/06 –, in: ­jurisPR-BVerwG 11/2008 Anm.  2 Berkemann, Jörg: Verwaltungsprozeßrecht auf „neuen Wegen“?, in: DVBl. 1998, 446–461 Bethge, Herbert: Die verfassungsrechtliche Problematik einer Zulassungsberufung im Zivilprozeß – Einige kritische Anmerkungen zum Entwurf eines Rechtspflege-Entlastungs­ gesetzes, in: NJW 1991, 2391–2399 Bettermann, Karl August: Die Revision wegen wesentlicher Verfahrensmängel insbesondere nach dem BVerwGG, in: NJW 1954, 1305–1310 ders.: Die Grenzen der Wirksamkeit des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere als Revisionsgericht, in: DVBl. 1956, 11–15 ders.: Die Rechtsweggarantie des Art.  19 Abs.  4 GG in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: AöR 96, 528–567 ders.: Die Unabhängigkeit der Gerichte und der gesetzliche Richter, in: Bettermann, Karl August/Nipperdey, Hans Carl/Scheuner, Ulrich (Hrsg.), Die Grundrechte – Handbuch der Theorie und Praxis der Grundrechte, Band III/2, 2. Auflage, Berlin 1972, S.  523–642, z­ itiert: Bettermann, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte III/2 ders.: Anfechtung und Kassation – Vom rechten Verständnis der Rechtsbehelfe unserer Zivil­prozeßordnung, in: ZZP 88, 365–438 Bittner, Claudia: Höchstrichterliche Ankündigungsrechtsprechung – Rechtsfortbildung ins Ungewisse?, in: JZ 2013, 645–653 Boeckh, Walter: Beschwerde und Rechtsbeschwerde im Zivilverfahren, Frankfurt am Main 2007, zitiert: Boeckh, Beschwerde im Zivilverfahren Brandner, Thilo: Instanzenzug und Verfassungsrecht, Zur Verfassungsmäßigkeit von Rechtsmittelbeschränkungen, in: Pfeiffer, Gerd/Kummer, Joachim/Scheuch, Silke (Hrsg.), Festschrift für Hans Erich Brandner, Köln 1996, S.  683–700, zitiert: Brandner, in: Pfeiffer/ Kummer/Scheuch, Festschrift Brandner Breitkreuz, Tilman: Die Nichtzulassungsbeschwerden vor dem BVerfG, in: SGb 2008, 506– 512 Brinktrine, Ralf: Wie arbeitet das Bundesverwaltungsgericht? Ein Überblick zu der Struktur und der Arbeitsweise des höchsten deutschen Verwaltungsgerichts, in: Mitglieder der ­Juristenfakultät (Hrsg.), Festschrift der Juristenfakultät zum 600jährigen Bestehen der Universität Leipzig, Berlin 2009, S.  319–331, zitiert: Brinktrine, in: Mitglieder Juristen­ fakultät, Festschrift 600 Jahre Universität Leipzig Bruns, Anja: Prozeßgrundrechte im System des Grundgesetzes, Münster 2002, zitiert: ­Bruns, Prozeßgrundrechte Büttner, Hermann/Tretter, Norbert: Irrungen und Wirrungen – Die beschränkte Zulassung von Revisionen in Zivilsachen, in: NJW 2009, 1905–1911 Creifelds, Carl/Weber, Klaus: Rechtswörterbuch, 22. Auflage, München 2017, zitiert: Creifelds/­ Weber, Rechtswörterbuch Daniels, Wolfgang: Nichtzulassungsbeschwerde – Hürde zu mehr Gerechtigkeit? Vortrag Fachtagung Personalvertretungsrecht 2012, abrufbar unter: http://www.boeckler.de/pdf/ v_2012_09_11_daniels_1.pdf, zuletzt abgerufen am 22. März 2015, veröffentlicht in: PersR 2013 S.  6 –13, zitiert: Daniels, Vortrag PVR Danckelmann, Bernhard: Zulassung durch den judex a quo?, in: NJW 1949, 256 Degenhart, Christoph: Gerichtsorganisation, in: Isensee, Josef/Kirchhof, Paul (Hrsg.), Hand­ buch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band V: Rechtsquellen, Organisa-

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Lechner, Hans/Zuck, Rüdiger: Bundesverfassungsgerichtsgesetz Kommentar, 7. Auflage, München 2015, zitiert: Lechner/Zuck, BVerfGG Lenz, Sebastian: Die verfassungsrechtliche Perspektive der Präklusionsvorschriften, in: NJW 2013, 2551–2557 Lindner, Richard: Die Entscheidungserheblichkeit der Grundsatzfrage beim Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, in: NJW 2003, 1097–1099 Linnenbaum, Bernhard: Probleme der Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§  546 Abs.  1 Satz  2 ZPO), Bochum 1986, zitiert: Linnenbaum, Probleme §  546 Abs.  1 Satz  2 ZPO Lorenz, Dieter: Die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art.  19 Abs.  4 GG für das Verwaltungsprozeßrecht, in: Erichsen, Hans-Uwe/Hoppe, Werner/von Mutius, Albert (Hrsg.), Festschrift für Christian-Friedrich Menger, Köln 1985, S.  143–159, zitiert: Lorenz, in: ­Erichsen/Hoppe/von Mutius, Festschrift Menger ders.: Verwaltungsprozeßrecht, Berlin 2000, zitiert: Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht Lücke, Jörg: Begründungszwang und Verfassung – Zur Begründungspflicht der Gerichte, Behörden und Parlamente, Tübingen 1987, zitiert: Lücke, Begründungszwang Maetzel, Wolf Bogumil: Offene Fragen zum Revisionszulassungsverfahren nach der Verwaltungsgerichtsordnung, in: MDR 1961, 453–457 von Mangoldt, Hermann/Klein, Friedrich/Starck, Christian: Kommentar zum Grundgesetz, 6. Auflage, München 2010, zitiert: Bearbeiter, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar Grundgesetz Maunz, Theodor/Dürig, Günter: Grundgesetz Kommentar, 79. Ergänzungslieferung, München 2016, zitiert: Bearbeiter, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar May, Artur: Die Revision in den zivil- und verwaltungsgerichtlichen Verfahren (ZPO, ArbGG, VwGO, SGG, FGO): Eine systematische Darstellung unter besonderer Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, 2. Auflage Köln 1997, zitiert: May, Revision Meller-Hannich, Caroline: Die Neufassung des §  522 ZPO – Unbestimmte Rechtsbegriffe, Ermessen und ein neuartiges Rechtsmittel, in: NJW 2011, 3393- 3397 Menger, Christian-Friedrich: System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes – Eine verwaltungsrechtliche und prozeßvergleichende Studie, Tübingen 1954, zitiert: Menger, System ders.: Zur Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland, in: DÖV 1963, 726–729 von Mettenheim, Christoph: Kant, die Moral und die Reform der Revision, in: NJW 2004, 1511–1514 Meyer-Ladewig, Jens: Revisionszulassung, Rechtssicherheit und Vertrauensschutz, in: Bachof, Otto/Heigl, Ludwig/Redeker, Konrad (Hrsg.), Festgabe 25 Jahre Bundesverwaltungsgericht, München 1978, S.  417–431, zitiert: Meyer-Ladewig, in: Bachof/Heigl/Redeker, Festgabe 25 Jahre BVerwG ders.: Die Vereinheitlichung der öffentlich-rechtlichen Prozeßordnungen, in: Erichsen, HansUwe/Hoppe, Werner/von Mutius, Albert (Hrsg.), Festschrift für Christian-Friedrich ­Menger, Köln 1985, S.  833–846, zitiert: Meyer-Ladewig, in: Erichsen/Hoppe/von Mutius, Festschrift Menger ders./Keller, Wolfgang/Leitherer, Stephan/Schmidt, Benjamin: Sozialgerichtsgesetz Kommen­ tar, 12. Auflage, München 2017, zitiert: Bearbeiter, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/­ Schmidt, SGG Möhring, Philipp: Das Oberste Bundesgericht in Zivil- und Strafsachen – ein Revisions­ gericht! in: NJW 1949, 1–4

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ders.: Vorschläge zur Reform des Revisionsrechts, in: NJW 1962, 1–5 Möller, Mirko: Nichtzulassung der Revision trotz Vorliegens einer klärungsfähigen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage – Entscheidungsanmerkung zu BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 21. März 2012 – 1 BvR 2365/11 –, in: jurisPR-WettbR 5/2012 Anm.  1 Müller, Friedrich/Christensen, Ralph: Juristische Methodik, Band I, 11. Auflage, Berlin 2013, zitiert: Müller/Christensen, Juristische Methodik I Müller, Gerhard: Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache – Ein Beitrag zum Rechtsmittelwesen des Arbeitsgerichtsverfahrens, in: Festschrift für Wilhelm Herschel, Stuttgart 1955, S.  159–179, zitiert: Müller, in: Festschrift Herschel Müller, Hanswerner: Die Revisionszulassung im Verwaltungsstreitverfahren, in: NJW 1955, 1740–1744 ders.: Die Nichtzulassungsbeschwerde im künftigen Verwaltungsstreitverfahren, in: NJW 1960, 515–517 von Münch, Ingo/Kunig, Philip: Grundgesetz-Kommentar, 6. Auflage, München 2012, zitiert: Bearbeiter, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar Musielak, Hans-Joachim/Voit, Wolfgang: Zivilprozessordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz Kommentar, 13. Auflage, München 2016, zitiert: Bearbeiter, in: Musielak/Voit, ZPO Nasall, Wendt: Irrwege. Wege. – Die Rechtsmittelzulassung durch den BGH, in: NJW 2003, 1345–1350 Naumann, Richard: Zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, in: DÖV 1956, 545–549 Neuhäuser, Gert Armin: Die Zulassung der Berufung im Verwaltungsprozess unter den Einwirkungen des Verfassungs- und des Unionsrechts, Berlin 2012, zitiert: Neuhäuser, Zulassung der Berufung Neumann, Dirk: Erfahrungen mit der Nichtzulassungsbeschwerde, in Dietrich, Thomas/­ Gamillscheg, Franz/Wiedemann, Herbert (Hrsg.), Festschrift für Marie Luise Hilger und Hermann Stumpf, München 1983, S.  513–527, zitiert: Neumann, in: Dietrich/Gamillscheg/ Wiedmann, Festschrift Hilger/Stumpf Odersky, Walter: „Die Revision muß der Rechtseinheit und der Rechtsfortbildung dienen“ – Aber: Kein Richter wird ein offensichtlich falsches Urteil passieren lassen – ZRP-Rechtsgespräch mit Professor Dr. Walter Odersky, in: ZRP 1991, 30–31 Pache, Eckhard/Knauff, Matthias: Zum grundrechtsgleichen Anspruch auf Rechtsschutz gegen den Richter, in: BayVBl. 2004, 385–388 Papier, Hans-Jürgen: Justizgewähranspruch, in: Isensee, Josef/Kirchhof, Paul (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band VIII: Grundrechte: Wirtschaft, Verfahren, Gleichheit, 3. Auflage, Heidelberg 2010, zitiert: Papier, in: Isensee/ Kirchhof, HdBStR VIII, §  176 ders.: Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt, in: Isensee, Josef/Kirchhof, Paul (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band VIII: Grundrechte: Wirtschaft, Verfahren, Gleichheit, 3. Auflage, Heidelberg 2010, zitiert: Papier, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR VIII, §  177 Paulus, Gotthard: Die Beschränkung der Revisionszulässigkeit, in: ZZP 71, 188–222 Pfab, Alexander: Besondere Urteilsarten im Verwaltungsprozess, in: JURA 2010, 10–14 Pfeiffer, Gerd: Der BGH – nur ein Gericht für das Grundsätzliche?, in: NJW 1999, 2617–2622 Pflughaupt, Matthias: Prozessökonomie – verfassungsrechtliche Anatomie und Belastbarkeit eines gern bemühten Arguments, Tübingen 2011, zitiert: Pflughaupt, Prozessökonomie

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Piekenbrock, Andreas: Der Zugang zum BGH als Verfassungsproblem: Eine unendliche Geschichte?, in: AnwBl 2004, 329–333 ders./Schulze, Götz: Die Zulassung der Revision nach dem ZPO-Reformgesetz, in: JZ 2002, 911–922 Pohle, Rudolf: Empfiehlt es sich, die Revision (Rechtsbeschwerde) zu den oberen Bundes­ gerichten (außer in Strafsachen) einzuschränken und ihre Zulässigkeit in den einzelnen Gerichtsbarkeiten einheitlich zu regeln? Gutachten für den 44. Deutschen Juristentag, Band I 3. Teil Heft B, Tübingen 1962, zitiert: Pohle, Gutachten B für den 44. DJT. Posser, Herbert/Wolff, Heinrich Amadeus: Beck‘scher Online-Kommentar VwGO, Stand: 01.07.2017, 42. Edition, München 2017, zitiert: Bearbeiter, in: Posser/Wolff, VwGO Präsidenten der oberen Bundesgerichte (Nipperdey, Weinkauff, Heßdörfer, Schneider, Werner): Vereinheitlichung des Revisionsverfahrens, Denkschrift der Präsidenten der oberen Bundesgerichte, in: RdA 1959, 102–104 Proske, Stefan: Außerordentliche Rechtsmittel gegen die fehlerhafte Nichtzulassung der ­Revision, in: NJW 1997, 352–360 Prütting, Hanns: Die Zulassung der Revision, Berlin 1977, zitiert: Prütting, Zulassung Purps, Thorsten: Das Spannungsverhältnis von Verfassungsrecht und Revisionsrecht nach dem Zivilprozessreformgesetz, in: NJ 2003, 397–401 Quaas, Michael: Das 6. VwGO-Änderungsgesetz aus anwaltlicher Sicht, in: NVwZ 1998, 701–707 ders./Zuck, Rüdiger: Prozesse in Verwaltungssachen, 2. Auflage, Baden-Baden 2011, zitiert: Bearbeiter, in: Quaas/Zuck, Prozesse in Verwaltungssachen Redeker, Konrad: Revisionsurteile im Gewand von Zulassungsbeschlüssen – Zum schleichenden Bedeutungswandel der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts über Zulassungsbeschwerden, in: Lenz, Wolfgang (Hrsg.), Festschrift für Konrad Gelzer, Düsseldorf 1991, S.  333–338, zitiert: Redeker, in: Lenz, Festschrift Gelzer ders.: Werden die Prozessordnungen zum ministeriellen Experimentierfeld? Zum verwaltungsgerichtlichen Teil des Entwurfs eines Justizentlastungsgesetzes, in: DVBl. 1992, 212–­216 ders.: Wenn der Rechtsweg „verschlankt“ werden soll, in: NJW 1998, 2790–2792 ders./von Oertzen, Hans-Joachim: Verwaltungsgerichtsordnung Kommentar, 16. Auflage, Stuttgart 2014, zitiert: Bearbeiter, in: Redeker/von Oertzen, VwGO Renner, Günter/Bergmann, Jan/Dienelt, Klaus: Ausländerrecht: Aufenthaltsgesetz, Freizügigkeitsgesetz/EU und ARB 1/80 (Auszug), Grundrechtecharta und Artikel 16a GG, Asylgesetz – Kommentar, 11. Auflage, München 2016, zitiert: Bearbeiter, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht Rennert, Klaus: Die maßgebliche Perspektive bei der Zulassung von Berufung und Beschwerde im Verwaltungsprozeß – Zugleich ein Beitrag zur Systematik der Zulassungsgründe, in: NVwZ 1998, 665–673 ders.: Suspensiv- und Devolutiveffekt bei zulassungsbedürftigen Rechtsmitteln, in: VBlBW. 1999, 283–288 Reuß, Hermann: Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht, in: JR 1956, 1–3 ders.: Revision und Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesverwaltungsgericht, in: DVBl. 1957, 293–297 ders.: Zum verwaltungsgerichtlichen Revisionszulassungs- und Revisionsverfahren – Gedanken und Anregungen zum Entwurf einer bundeseinheitlichen Verwaltungsgerichtsordnung, in: DVBl. 1958, 233–236

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ders.: Zur Neuordnung des Revisionsrechts, insbesondere im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, in: DÖV 1959, 10–16 Rieble, Volker/Vielmeier, Stephan: Riskante Anhörungsrüge, in: JZ 2011, 923–930 Rimmelspacher, Bruno: Zur Systematik der Revisionsgründe im Zivilprozess, in: ZZP 84, 41–73 ders.: Zugangsvoraussetzungen zum Rechtsmittelgericht, in: Gottwald, Peter/Roth, Herbert (Hrsg.), Festschrift für Ekkehard Schumann, Tübingen 2001, S.  327–353, zitiert: Rimmelspacher, in: Gottwald/Roth, Festschrift Schumann Rolfs, Christian/Giesen, Richard/Kreikebohm, Ralf/Udsching, Peter: Beck‘scher Online-­ Kommentar Sozialrecht, Stand: 01.12.2014, Edition: 36, München 2014, zitiert: Bearbeiter, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck OK Sozialrecht Rosenthal, Axel: Probleme im zivilprozessualen Revisionszulassungsrecht nach Inkrafttreten des ZPO-RG vom 01.01.2002, Berlin 2007, zitiert: Rosenthal, Probleme des ZPO-RG Roth, Wolfgang: Grundsatzrevision bei ausgelaufenem Unionsrecht, in: Baumeister, Peter/ Roth, Wolfgang/Ruthig, Josef (Hrsg.), Festschrift für Wolf-Rüdiger Schenke, Berlin 2011, S.  1107–1123, zitiert: Roth, in: Baumeister/Roth/Ruthig, Festschrift Schenke Rüthers, Bernd/Fischer, Christian/Birk, Axel: Rechtstheorie mit Juristischer Methodenlehre, 8. Auflage, München 2015, zitiert: Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie Sachs, Michael: Grundgesetz Kommentar, 7. Auflage, München 2014, zitiert: Bearbeiter, in: Sachs, Grundgesetz Saueressig, Christian: Das System der Rechtsmittel nach dem Zivilprozessreformgesetz, Köln 2008, zitiert: Saueressig, System Schafft, Thomas: Selektion von Rechtsmittelverfahren durch gesetzliche Zugangsbeschränkungen, Tübingen 2005, zitiert: Schafft, Selektion Scheerbarth, Walter: Das Schicksal der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Nationalso­ zialismus, in: DÖV 1963, 729–732 Schenke, Ralf Peter: Die Garantie eines wirksamen Rechtsschutzes in Art.  47 Abs.  1 Grundrechtecharta, in: Baumeister, Peter/Roth, Wolfgang/Ruthig, Josef (Hrsg.), Festschrift für Wolf-Rüdiger Schenke, Berlin 2011, S.  305–327, zitiert: Schenke, in: Baumeister/Roth/ Ruthig, Festschrift Schenke Schenke, Wolf-Rüdiger: Verfassungsrechtliche Garantie eines Rechtsschutzes gegen Rechtsprechungsakte?, in: JZ 2005, 116–126 ders.: Außerordentliche Rechtsbehelfe im Verwaltungsprozessrecht nach Erlass des Anhörungsrügengesetzes, in: NVwZ 2005, 729–739 ders.: Verwaltungsgerichtsordnung Kommentar, 23. Auflage, München 2017, zitiert: Bearbeiter, in: Kopp/Schenke, VwGO Schmid, Manfred: Die Nichtzulassungsbeschwerde – häufige Fehler und ihre Vermeidung, in: DStR 1993, 1284–1289 Schmidt, Jörg: Zu den Risiken einer revisionsgerichtlichen Entscheidung nach §  133 V [sic] VwGO, in : NVwZ 1993, 754–756 Schmidt, Thorsten Ingo: Die Analogie im Verwaltungsrecht, in: VerwArch 97, 139–164 Schmidt-Aßmann, Eberhardt: Der Rechtsstaat, in: Isensee, Josef/Kirchhof, Paul (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band II: Verfassungsstaat, 3. Auflage, Heidelberg 2004, zitiert: Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR II, §  26 ders.: Kohärenz und Konsistenz des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, in: Die Verwaltung 44, 105–123

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Schmidt-Bleibtreu, Bruno/Hofmann, Hans/Henneke, Hans-Günter: Kommentar zum Grundgesetz, 13. Auflage, Köln 2014, zitiert: Bearbeiter, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/­ Henneke, Kommentar GG Schneider, Egon: Verfassungsbeschwerde bei Nichtzulassung trotz Abweichung, in: NJW 1977, 1043–1044 Schoch, Friedrich/Schneider, Jens-Peter/Bier, Wolfgang: Verwaltungsgerichtsordnung Lose­ blattkommentar, 32. Ergänzungslieferung, München 2016, zitiert: Bearbeiter, in: Schoch/­ Schneider/Bier, VwGO Schreiner, Thomas: Die Zulassungsberufung in Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), Zivil­prozessordnung (ZPO) und Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG): Ein Beitrag zur allgemeinen Verfahrenslehre, Hamburg 2010, zitiert: Schreiner, Zulassungsberufung Schuler, Rolf: Verletzung des rechtlichen Gehörs durch übergangenen Antrag auf Terminsverlegung, Entscheidungsanmerkungen zum Beschluss des BSG vom 16.11.2000, – B 4 RA 122/99 B –, in: SGb 2003, 126–129 Schumann, Ekkehard, Die Prozessökonomie als rechtsethisches Prinzip, in: Paulus, Gotthard/­ Diederichsen, Uwe/Canaris, Claus-Wilhelm (Hrsg.), Festschrift für Karl Larenz, München 1973, S.  271–287, zitiert: Schumann, in: Paulus/Diederichsen/Canaris, Festschrift Larenz Schwarz, Paul: Das Bundesverwaltungsgericht, 2. Auflage, Köln 2002, zitiert: Schwarz, Bundesverwaltungsgericht Schwinge, Erich: Grundlagen des Revisionsrechts, 2. Auflage, Bonn 1960, zitiert: Schwinge, Grundlagen Seibert, Max-Jürgen: Die Zulassung der Berufung, in: DVBl. 1997, 932–941 ders.: Das Verfahren auf Zulassung der Berufung – Erfahrungen mit der 6. VwGO-Novelle, in: NVwZ 1999, 113–120 Seiler, Frank: Die Erfolgsaussichten der Revision als Zulassungskriterium, in: NJW 2005, 1689–1691 Sendler, Horst: »Kleine« Revisionsurteile?, in: DVBl. 1992, 240–248 ders.: Kant und die Reform der zivilprozessualen Revision, in: NJW 2004, 2068–2070 Sodan, Helge/Ziekow, Jan: Verwaltungsgerichtsordnung Großkommentar, 4. Auflage, Baden­Baden 2014, zitiert: Bearbeiter, in: Sodan/Ziekow, VwGO Stein, Friedrich/Jonas, Martin: Kommentar zur Zivilprozessordnung, Band  1, 23. Auflage, Tübingen 2014, zitiert: Bearbeiter, in: Stein/Jonas, ZPO Bd. 1 dies.: Kommentar zur Zivilprozessordnung, Band  6, 22. Auflage, Tübingen 2013, zitiert: B ­ earbeiter, in: Stein/Jonas, ZPO Bd. 6 dies: Kommentar zur Zivilprozessordnung, Band  7, 22. Auflage, Tübingen 2002, zitiert: B ­ earbeiter, in: Stein/Jonas, ZPO Bd. 7 Steiner, Udo: Zum Stand des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes in Deutschland, in: Baumeister, Peter/Roth, Wolfgang/Ruthig, Josef (Hrsg.), Festschrift für Wolf-Rüdiger Schenke, Berlin 2011, S.  1277–1290, zitiert: Steiner, in: Baumeister/Roth/Ruthig, Festschrift Schenke Stern, Klaus: Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band II: Staatsorgane, Staatsfunktionen, Finanz- und Haushaltsverfassung, Notstandsverfassung, München 1980, zitiert: Stern, Staatsrecht Bd. II Stüer, Bernhard: Zurückverweisung und Bescheidungsverpflichtung im Verwaltungsprozeß, in: Erichsen, Hans-Uwe/Hoppe, Werner/von Mutius, Albert (Hrsg.), Festschrift für Christian-­Friedrich Menger, Köln 1985, S.  779–795, zitiert: Stüer, in: Erichsen/Hoppe/von Mutius, Festschrift Menger

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ders./Hermanns, David: Der verfassungsrechtliche Rahmen einer Vereinheitlichung der öffentlich-rechtlichen Fachgerichtsbarkeiten, in: DÖV 2001, 505–511 Thoma, Richard: Über die Grundrechte im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (1951), in: Dreier, Horst (Hrsg.), Rechtsstaat – Demokratie – Grundrechte – Richard T ­ homa: Ausgewählte Abhandlungen aus fünf Jahrzehnten, Tübingen 2008, S.  468–482, zitiert: Thoma, in: Dreier, Thoma Abhandlungen, Über die Grundrechte Traut, Ludger: Der Zugang zur Revision in Zivilsachen, Köln 2006, zitiert: Traut, Zugang zur Revision Uechtritz, Michael: Die Konkretisierung des neuen Rechtsmittelrechts durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: VBlBW. 2000, 65–71 Uhl, Matthias: Die Abgrenzung der Rechtsprechungsbefugnisse von Tatsachengerichten und Revisionsgerichten, Stuttgart 2010, zitiert: Uhl, Abgrenzung Uhle, Arnd: Rechtsstaatliche Prozeßgrundrechte und –grundsätze, in: Merten, Detlef/Papier, Hans-Jürgen (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Band V Grundrechte in Deutschland – Einzelgrundrechte II, Heidelberg 2013, zitiert: Uhle, in: Merten/Papier, HGR V, §  129 Ule, Carl Hermann: Verfassungsrecht und Verwaltungsprozeßrecht, in: DVBl. 1959, 537–545 ders.: Die geschichtliche Entwicklung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes in der Nachkriegszeit, in: Erichsen, Hans-Uwe/Hoppe, Werner/von Mutius, Albert (Hrsg.), Festschrift für Christian-Friedrich Menger, Köln 1985, S.  81–103, zitiert: Ule, in: Erichsen/ Hoppe/von Mutius, Festschrift Menger Umbach, Dieter C./Clemens, Thomas: Grundgesetz – Mitarbeiterkommentar und Handbuch, Heidelberg 2002, zitiert: Bearbeiter, in: Umbach/Clemens, Grundgesetz Kommentar/ Handbuch Unterreitmeier, Johannes: Zulassung und Einlegung von Rechtsmitteln – Anwaltsfalle?, in: NVwZ 2013, 399–404 Vorwerk, Volkert/Wolf, Christian: Beck‘scher Online-Kommentar ZPO, 25. Edition, Stand: 15.06.2017, München 2017, zitiert: Bearbeiter, in: Vorwerk/Wolf, Beck OK ZPO Voßkuhle, Andreas: Rechtsschutz gegen den Richter – Zur Integration der Dritten Gewalt in das verfassungsrechtliche Kontrollsystem vor dem Hintergrund des Art.  19 Abs.  4 GG, München 1993, zitiert: Voßkuhle, Rechtsschutz ders.: Erosionserscheinungen des zivilprozessualen Rechtsmittelsystems, in: NJW 1995, 1377–1384 ders.: Bruch mit einem Dogma: Die Verfassung garantiert Rechtsschutz gegen den Richter, in: NJW 2003, 2193–2200 Wank, Rolf: Die Auslegung von Gesetzen, 6. Auflage, München 2015, zitiert: Wank, Auslegung von Wedelstädt, Alexander: Die Tücken der Nichtzulassungsbeschwerde, in: Der Betrieb 1991, 1899–1904 Wenzel, Joachim: Das neue zivilprozessuale Revisionszulassungsrecht in der Bewährung, in: NJW 2002, 3353–3359 Weyreuther, Felix: Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, München 1971, zitiert: Weyreuther, Revisionszulassung Wilke, Dieter: Die rechtsprechende Gewalt, in: Isensee, Josef/Kirchhof, Paul (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band V: Rechtsquellen, Organisation, Finanzen, 3. Auflage, Heidelberg 2007, zitiert: Wilke, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR V, §  112

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Wlotzke, Otfried: Zur Neuordnung des Revisionszuganges im arbeitsgerichtlichen Verfahren, in: Mayer-Maly, Theo/Richardi, Reinhard/Schambeck, Herbert/Zöllner, Wolfgang (Hrsg.), Festschrift für Gerhard Müller, Berlin 1981, S.  647–664, zitiert: Wlotzke, in: Mayer­-Maly/Richardi/Schambeck/Zöllner, Festschrift Müller Zippelius, Reinhold: Juristische Methodenlehre, 11. Auflage, München 2012, zitiert: Zippelius, Methodenlehre ZPO/GVG-Ausschuss der Bundesrechtsanwaltskammer: Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer zum Bericht zur Rechtsmittelreform in Zivilsachen, Oktober 1999, abrufbar unter: http://www.gesmat.bundesgerichtshof.de/gesetzesmaterialien/15_wp/Zivilprozess reformgesetz/stellung_brak_okt_99.pdf, zuletzt abgerufen am 19. September 2017, zitiert: ZPO/GVG-Ausschuss BRAK, Stellungnahme Rechtsmittelreform Zuck, Rüdiger: Nichtzulassungsbeschwerde und rechtliches Gehör, in: NJW 2008, 2078– 2081

Sachregister Abhilfe 69, 214 Abweichung 53 ff. Allgemeininteressen 7, 35 f., 205, 258 f., 261 f., 269 Analogiebildung 121 ff., 326 ff., 376 Annahmerevision 206, 260, 299 f. Anschlussrevision 71, 218 f. Beruhen/Kausalität 56, 62 ff., 170 ff., 173 Beurteilungsperspektive 11, 212 f., 219 – prognostische 140 f., 142, 182 f. – retrospektive 138 ff., 172 f., 174 ff., 179 ff., 193 f., 212, 227, 278 Darlegungserfordernis 60 f., 69, 195 f., 220 ff., 227 ff., 302 Devolutiveffekt 236 ff. Divergenz 49 ff., 172 Durchentscheiden 176 f. Entlastung (der Rechtsmittelgerichte) 31 f., 108 ff., 233, 377 Entscheidungsrelevanz 47 f., 167 f., 183 f., 187 Erfolgsaussichten 151 ff., 277 f., 346 ff. – kassatorische 155 ff., 177 f., 212 – reformatorische 163 ff., 178 f., 213 Ergebnisrichtigkeit 76 ff.,189 ff., 242 f. Ermessen 78, 199 ff. Fehlerhaftigkeit (des Urteils) 138 f. Gehörsgewährung 365 f. Gesetzesverletzung 73, 230 f. gesetzlicher Richter 313 ff. grundsätzliche Bedeutung 40 ff. Individualinteressen 7, 58, 118, 204, 257 f., 261, 263 ff.

Instanzenzug 296 f. Kassation 73, 76 f., 155 ff., 177, 184, 242 ff., 271 f. Kassationsverbot 77 Klärungsbedarf 45 ff. Klärungsfähigkeit 48 f., 143 ff. Konfirmation 77, 164 f., 279 Kontrollfunktion 272 f. Mehrfachbegründungen 38 f., 188 f. mündliche Verhandlung 205, 249 ff. Nichtzulassungsbeschwerde 7, 66 ff., 83 ff., 217 ff. Offensichtlichkeit 112 ff., 232, 357 Prognose-Theorie 85 f. Prozessökonomie 96 ff., 117, 266 ff., 358 ff. Rechtseinheit 29, 50 f., 349 f., 368 ff. Rechtsfrage 42 f. Rechtsmittelbeschränkungen 29 f., 31 ff., 298, 351 Rechtsmittelweg 305 ff. Rechtssatz 52 f., 171 Rechtssicherheit 343 f. Rechtsstaatsprinzip 342 f. Reformation 74, 76 f., 163 ff., 244 ff., 264 f. Regelungslücke 123, 278 f. Revisionsaufgaben 29 f., 256 ff., 270 f., 337 f., 367 f. Richtigkeitszweifel 211 Sachentscheidung 74 f., 77, 193 ff., 235, 239 ff., 246 ff., 323 f., 335 ff., 339 Suspensiveffekt 105 Systemgerechtigkeit 121, 124 f., 327 ff.

396 Teilzulassung 39 Überraschungsentscheidung 364 f. Ungleichbehandlung 354 f. Verfahrensfehler 57 ff., 239 ff. Vorlageverfahren 147 Willkürverbot 317 f., 321 f.

Sachregister Zugangserschwerungen 305 ff., 350 Zulassungsfähigkeit 37 f., 47 ff., 56 ff., 62, 142 ff. Zulassungskompetenz 8, 339 Zulassungsmaßstab 211, 222 f., 223 ff. Zulassungsprinzip 31 ff. Zulassungsrelevanz 36 f., 41 f, 52 f., 58 f., 137 ff. Zurückverweisung 75 f., 239 ff. Zuständigkeitsbestimmung 314 f., 324 f.