Der Schutz ausländischer Rechtsgüter im System des deutschen Strafanwendungsrechts [1 ed.] 9783428532872, 9783428132874

Tine Golombek untersucht, inwieweit das deutsche Strafrecht ausländischen Rechtsgütern Schutz gewährt. Insbesondere ist

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Der Schutz ausländischer Rechtsgüter im System des deutschen Strafanwendungsrechts [1 ed.]
 9783428532872, 9783428132874

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Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 222

Der Schutz ausländischer Rechtsgüter im System des deutschen Strafanwendungsrechts Von

Tine Golombek

Duncker & Humblot · Berlin

TINE GOLOMBEK

Der Schutz ausländischer Rechtsgüter im System des deutschen Strafanwendungsrechts

Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (†) em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg

Herausgegeben von Dr. Dr. h. c. (Breslau) Friedrich-Christian Schroeder em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg

und Dr. Andreas Hoyer ord. Prof. der Rechte an der Universität Kiel

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 222

Der Schutz ausländischer Rechtsgüter im System des deutschen Strafanwendungsrechts

Von

Tine Golombek

Duncker & Humblot · Berlin

Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Professor Dr. Erich Samson, Hamburg Die Bucerius Law School – Hochschule für Rechtswissenschaft, Hamburg, hat diese Arbeit im Jahre 2009 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 978-3-428-13287-4 (Print) ISBN 978-3-428-53287-2 (E-Book) ISBN 978-3-428-83287-3 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde an der Bucerius Law School – Hochschule für Rechtswissenschaft – als Dissertation angenommen. Begutachtet wurde sie von Prof. Dr. Erich Samson und Prof. Dr. Thomas Rönnau. Datum der mündlichen Prüfung war der 24. Juni 2009. Rechtsprechung und Literatur konnten bis Ende Dezember 2009 berücksichtigt werden. Ich möchte an dieser Stelle den Menschen danken, die besonders zur Entstehung der Arbeit beigetragen haben: Prof. Dr. Erich Samson für die Anregung und für die stets hilfreichen und inspirierenden Gespräche. Prof. Dr. Thomas Rönnau für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens, insbesondere aber für die lehrreichen Jahre der Tätigkeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an seinem Lehrstuhl, die mir in guter Erinnerung bleiben werden. Ulf Schauenburg und Dr. Maria Karger danke ich für unermüdliche seelische Unterstützung und für das Korrekturlesen; Felix Dörfelt für die IPR-Kontrolle. Meinen Eltern möchte ich dafür danken, dass sie immer für mich da waren. Und nicht zuletzt gebührt mein Dank Dr. Kristian Hohn, der mich vor vielen Jahren für das Strafrecht begeistern konnte. Hamburg, im Januar 2010

Tine Golombek

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

I. Die „Schutzbereichsfrage“ und ihre Bedeutung – der Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

II. Vorfragen und Hauptfrage – Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18

B. Herkömmliche Auffassungen zum Schutz ausländischer Rechtsgüter durch das deutsche Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

I. Schutz ausländischer Individualrechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

1. Ausschließlich Individualrechtsgüter schützende Tatbestände . . . . . . . . . . . . . . . .

22

a) Einschluss ausländischer Individualrechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

b) Begründungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

2. Tatbestände mit doppeltem Schutzzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

II. Kein Schutz ausländischer Hoheitsinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

1. Ausschluss ausländischer staatlicher Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

2. Begründungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

a) Strafrecht als „innerstaatliches Ordnungsrecht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

b) Einmischung in fremde Souveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

c) Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG bzw. nicht dem Richter zu überlassende Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

III. Schutz ausländischer Kollektivrechtsgüter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

1. Abgrenzungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

2. Uneinigkeit über den Schutz ausländischer Kollektivrechtsgüter . . . . . . . . . . . . .

36

a) Zuordnung zum Bereich der hoheitlichen Interessen bzw. zum Bereich der Individualrechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

b) Einbeziehung der „allen zivilisierten Rechtsstaaten gemeinsamen Rechtswerte“ in den Schutzbereich deutscher Tatbestände und ähnliche Formeln – keine klare Position der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

c) Obermüller und Günther-Nicolay: Einbeziehung ausländischer Kollektivrechtsgüter als verbotene Analogie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

8

Inhaltsverzeichnis IV. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

1. Die Schutzbereichsfrage als im Hinblick auf Kollektivrechtsgüter ungelöstes Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

2. Eigener Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

a) Die Aufgabe des deutschen Strafrechts und die Rechtsgutsproblematik als nachrangige Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

b) Der sich durch grammatikalische und systematische Auslegung des Gesetzes ergebende Schutzbereich als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

C. Der Geltungsbereich des deutschen Strafrechts – Versuch einer Klärung des Verhältnisses der „Schutzbereichsfrage“ zu den §§ 3 – 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

I. Der tatbestandliche Schutzbereich – eine „Frage für sich“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

1. Die Fragwürdigkeit der gängigen Vorstellung (Strikte Trennung der Problemkreise) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

a) „Geltungsbereich“ und „Schutzbereich“ als Fragen der Anwendbarkeit deutscher Straftatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

b) Streit um die dogmatische Natur der §§ 3 – 7: Bedeutung erst auf der Ebene der sekundären oder bereits auf der Ebene der primären Norm? . . . . . . . . . . . .

47

aa) Die herkömmliche Auffassung: Deutsches Strafrecht als universelle Bewertungsnorm menschlichen Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

bb) Das heute vorherrschende Verständnis: Beschränkter Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

c) Einigkeit über die Zuordnung zum materiellen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

d) Exkurs: Die unzutreffende Einordnung der Voraussetzungen der §§ 3 – 7 als objektive Bedingungen der Strafbarkeit als Konsequenz der Ansicht vom beschränkten Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts . . . . . . . .

51

e) Folgen der Zuordnung der §§ 3 – 7 zum materiellen Recht für die Einordnung der Schutzbereichsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

aa) Die Zugehörigkeit auch der Schutzbereichsfrage zur primären Ebene nach der Theorie vom beschränkten Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

bb) Die Einordnungsmöglichkeiten nach der Theorie vom universellen Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die mögliche Zuordnung der Schutzbereichsfrage zur sekundären Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die mögliche Zuordnung der Schutzbereichsfrage zur (den §§ 3 – 7 vorgelagerten) primären Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53 54 54

cc) Die Theorie vom beschränkten Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts als Ausgangspunkt der folgenden Untersuchung . . . . . . . . . .

55

2. Die parallele Problematik im Internationalen Privatrecht: Die „selbstbegrenzte Sachnorm“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

Inhaltsverzeichnis

9

3. Die Schutzbereichsfrage als vom Strafanwendungsrecht zu bewältigendes Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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a) Die §§ 3 – 7 StGB: Ein auch die „Schutzbereichsfrage“ lösendes Regelungssystem? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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aa) Die Prinzipien des Strafanwendungsrechts und die den §§ 3 – 7 unmittelbar zu entnehmenden Aussagen bzgl. des Geltungsbereichs . . . . . . . . (1) Territorialitätsprinzip und aktives Personalitätsprinzip . . . . . . . . . . . . (2) Schutzprinzip und Weltrechtsprinzip: Das Rechtsgut als Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die den §§ 3 – 7 mittelbar zu entnehmende Aussage über den „Schutzbereich“ deutscher Tatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der Umkehrschluss aus § 7 Abs. 1: Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter bei Inlandstaten (§ 3) und Auslandstaten Deutscher (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Keine Gegenargumente aus den anderen Normen des Strafanwendungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Kein Gegenargument aus § 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Kein Gegenargument aus § 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Kein Gegenargument aus § 7 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 1 Var. 2 . . . . (3) Das deutsche Strafanwendungsrecht als „zweigleisiges“ System und die Vereinbarkeit dieses Systems mit dem Völkerrecht . . . . . . . (a) Kein Schutz ausländischer Rechtsgüter vor Auslandstaten von Ausländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Schutz ausländischer Rechtsgüter vor Auslandstaten von Deutschen und Inlandstaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Konsequenz „Tatbestandsspaltung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die „Schutzbereichsfrage“ im Rahmen der Theorie vom universellen Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter auch bei Beeinträchtigung durch einen Ausländer im Ausland als Konsequenz der Grundidee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die inkonsequente Relativierung der Grundidee durch das Stellen der „Schutzbereichsfrage“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Mangelnde Überzeugungskraft der Theorie vom universellen Bewertungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die argumentative Stützung der Theorie vom universellen Bewertungsanspruch durch Schmitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Theorie vom universellen Bewertungsanspruch als Verstoß gegen den Nichteinmischungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Weitere Anhaltspunkte gegen das Zutreffen der Theorie vom universellen Bewertungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Besonderer Rechtfertigungsbedarf für die Annahme der Beschränkung eines Tatbestandes auf inländische Rechtsgüter auch nach der Theorie vom universellen Bewertungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . b) Kein Konflikt mit dem Bestimmtheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60 60 61 63

63 66 67 68 69 70 70 71 75 76

76 78 79 79 80 83

85 86

10

Inhaltsverzeichnis c) Kein zwingendes Gegenargument aus einzelnen ausdrücklichen Schutzbereichserweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 aa) Der Auslandsbezug einzelner Tatbestände als Indiz gegen die These der grundsätzlichen Einbeziehung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 bb) Tatbestände mit Auslandsbezug ohne (zwingende) Bedeutung für die Ermittlung des geschützten Rechtsguts – am Beispiel des § 152 . . . . . . 87 cc) Notwenige Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter aufgrund spezieller Anwendungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 (1) § 370 Abs. 6 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 (2) IntBestG und EUBestG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 (3) § 264 Abs. 7 Nr. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 (4) §§ 326 Abs. 2 und 330d Nr. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 (5) § 38 Abs. 5 WpHG – ein Scheinkandidat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 dd) „Einbeziehung“ ausländischer Rechtsgüter mit lediglich deklaratorischem Charakter? – die Bedeutung von § 299 Abs. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 ee) Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 4. Die richtige Fragestellung: Gründe für den ausnahmsweisen Ausschluss ausländischer Rechtsgüter aus dem tatbestandlichen Schutzbereich? . . . . . . . . . . . . 108 II. Ergebnis zu C.: Die Schutzbereichsfrage als Korrektiv der gesetzgeberischen Entscheidung in den §§ 3 – 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 1. Voraussetzung für die der Schutzbereichsfrage zugedachte Korrekturfunktion: Die Tatbestände als „selbstbegrenzte Sachnormen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Exkurs: „Selbsterweiterte Sachnormen“ im deutschen StGB? . . . . . . . . . . . . . . . . 110

D. Die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter als Grundsatz und die Abweichungen vom Grundsatz durch tatbestandsimmanente Schutzbereichsbegrenzungen 112 I. Tatbestände mit Schutzbereichsbegrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 1. Tatbestände, bei denen sich die Begrenzung aus dem Wortlaut oder der (Legal-)Definition einzelner Tatbestandsmerkmale ergibt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2. Begrenzungen auf den Schutz inländischer Rechtsgüter aufgrund der akzessorischen Struktur von Tatbeständen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 a) Das ungelöste Problem der „Fremdrechtsanwendung“ im Strafrecht . . . . . . 116 b) Verwaltungsakzessorietät als besonders problematischer Bereich . . . . . . . . . 118 c) Die Fremdrechtsanwendungsproblematik im Rahmen der Schutzbereichsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die übliche Darstellung: Schutzbereich als Vorfrage der Fremdrechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Tatsächliche Bedeutung der Fremdrechtsanwendungsproblematik für Schutzbereichsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Berechtigung einer umgekehrten Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Der fehlende unmittelbare Zusammenhang zwischen Fremdrechtsanwendung und Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

120 120 121 121 122

Inhaltsverzeichnis

11

d) Die verschiedenen Theorien zur Fremdrechtsanwendung in kritischer Würdigung – geeignete Ansätze zur Bewältigung der Problematik? . . . . . . . . . . . . 124 aa) Ermittlung der heranzuziehenden Rechtsordnung mit Hilfe der Kollisionsnormen des deutschen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 bb) Der Ansatz Liebelts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die zwei Differenzierungsschritte Liebelts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die zweifelhafte Begründung für eine abweichende Behandlung „rechtsgutkonkretisierender“ Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . (3) Die unzutreffenden Folgerungen aus dem Begriff der universellen Bewertungsfunktion für den Bereich der „rechtsgutbeeinträchtigenden“ Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Differenzierung zwischen normativen Tatbestandsmerkmalen und Blankettmerkmalen als gangbarer Weg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Geringe Berücksichtigung des Unterschieds zwischen rechtlichnormativen Tatbestandsmerkmalen und Blankettmerkmalen in der bisherigen Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Der wesentliche Unterschied zwischen normativen Tatbestandsmerkmalen und Blankettmerkmalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Keine Ausfüllung von Blankettmerkmalen durch ausländisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Konkretisierung normativer Tatbestandsmerkmale durch das zuständige Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Heranziehung des zuständigen Rechts als grundsätzlich zwingende Folge der Entscheidung für den Schutz ausländischer Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Die Bestimmung der zuständigen Rechtsordnung durch Kollisionsnormen des deutschen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Übertragung der Lösung auf den Bereich der „indirekten“ Verweisungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Übertragung der Lösung auf den Bereich der Inlandsdistanzdelikte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

125 125 126

127 130

130 132 134 135

135 140 143 146

e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 aa) Mögliche Auswirkungen der Fremdrechtsanwendung im Bereich der normativen Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 bb) Blanketttechnik als Instrument des Gesetzgebers zur Einschränkung der §§ 3 – 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 3. Die Verletzung ausländischer Rechtsgüter als Prozesshindernis? . . . . . . . . . . . . . 155 II. Keine Schutzbereichsbegrenzung in anderen Fällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 1. Bedeutung teleologischer Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 2. Unzulässigkeit des Schutzes ausländischer staatlicher Interessen? . . . . . . . . . . . . 157 a) Die Unbrauchbarkeit der Formel der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 b) Kein Verstoß gegen das Einmischungsverbot durch den Schutz ausländischer Hoheitsinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

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Inhaltsverzeichnis c) Die Unzulänglichkeiten in der Argumentation Obermüllers . . . . . . . . . . . . . . . 159 d) Mangelnde Vergleichbarkeit ausländischer Hoheitsinteressen mit deutschen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 e) Ergebnis: Keine grundsätzliche Unzulässigkeit des Schutzes ausländischer Allgemeininteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 3. Teleologische Erwägungen zugunsten des Schutzes ausländischer Rechtsgüter 164 a) Die Schutzwürdigkeit ausländischer Allgemeininteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 b) Generalpräventive Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 aa) Störung des inländischen Rechtsfriedens durch Beeinträchtigung ausländischer Rechtsgüter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 bb) Problemfall Inlandsdistanzdelikt: Anwendung des deutschen Strafrechts auch bei Straflosigkeit am Erfolgsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) „Erfolgsunrecht“ trotz fehlender Strafbarkeit am Erfolgsort . . . . . . (2) Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ungeeignetheit von Schutzbereichsbeschränkungen zur Lösung der Inkongruenzproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Der Konflikt zwischen Staatensolidarität und Selbstschutz und seine Unlösbarkeit auf materieller Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Sonderproblem Distanzteilnahme: Änderungsbedürftigkeit der geltenden Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

171 172 174 174 176 180

cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 4. Die Erstreckung des Schutzbereichs auf ausländische Rechtsgüter am Beispiel einzelner Tatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 III. Die Ausnahme vom Grundsatz als Regel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 IV. Möglichkeiten zur Vermeidung von Jurisdiktionskonflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 E. Zusammenfassung der Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207

A. Einleitung I. Die „Schutzbereichsfrage“ und ihre Bedeutung – der Gegenstand der Untersuchung In Ausführungen über das Strafanwendungsrecht des StGB, das in den §§ 3 – 7, 91 enthalten ist und den Geltungsbereich des deutschen Strafrechts eingrenzt, findet sich meist ein – gesondert behandelter – Abschnitt über den „Schutzbereich“ der deutschen Straftatbestände.2 Vereinzelt befassen sich auch Festschriftenbeiträge3 und Monographien4 mit der „Schutzbereichs“-Problematik. Es geht dabei um die von den §§ 3 – 7, 9 nach einhelliger Auffassung unbeantwortet gelassene Frage, ob jemand, der bei „formaler“ Betrachtung alle Merkmale eines deutschen Straftatbestandes erfüllt hat, sich tatsächlich strafbar gemacht hat, wenn durch die Handlung nur ein „ausländisches“ Rechtsgut verletzt oder gefährdet wurde.5 Als „ausländisches Rechtsgut“ wird dabei überwiegend ein solches Gut verstanden, das nach unserer inländischen Rechtsordnung Rechtsgutsqualität besitzt, dessen Träger aber ein ausländisches Individuum, ein ausländischer Staat oder eine §§ ohne Gesetzesangabe sind solche des StGB. Vgl. etwa MüKo-Ambos, Vor §§ 3 – 7 Rn. 81 ff.; ders., Internationales Strafrecht, § 1 Rn. 28 ff.; NK-Lemke, Vor §§ 3 – 7 Rn. 26 ff.; Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 3 – 7 Rn. 13 ff.; SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 31 ff.; LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 271 ff.; dies., JuS 2001, 35, 38; Jescheck / Weigend, § 18 III 8; Oehler, Internationales Strafrecht, S. 202 ff.; 480 ff.; Satzger, Internationales Strafrecht § 6; Walter, JuS 2006, 870; Rath, JA 2007, 26, 34 f. 3 Vgl. Lüttger, FS Jescheck (1985), 121; auch v. Weber, Festgabe v. Frank Bd. 2 (1930), 269. 4 Etwa Obermüller, Der Schutz ausländischer Rechtsgüter im deutschen Strafrecht im Rahmen des Territorialitätsprinzips, 1999; Reschke, Der Schutz ausländischer Rechtsgüter durch das deutsche Strafrecht, 1962; vgl. auch (insbes. das zweite Kapitel bei) M. Vormbaum, Schutz der Rechtsgüter von EU-Staaten durch das deutsche Strafrecht, 2005. 5 Obermüller, S. 1; vgl. auch BGHSt 29, 85, 88: „. . . Verhalten, das [ . . . ] zwar der Tatbestandsbeschreibung eines deutschen Strafgesetzes entspricht, dieses aber ausschließlich dem Schutze inländischer Rechtsgüter dient“; ebenso OLG Köln StV 1982, 471; OLG Stuttgart NJW 1977, 1601, 1602; Maurach / Zipf, AT 1, § 11 Rn. 21 und Bruch, NStZ 1986, 259; ähnlich OLG Hamm JZ 1960, 576, 577; Wang, Der universale Strafanspruch des nationalen Staates – Eine Untersuchung über das Weltrechtsprinzip im Internationalen Strafrecht, 2005, S. 10. Vgl. weiterhin Gössel, FS Oehler (1985), 97, 104 ff.: Das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der „Verfügbarkeit über die soziale Realität eines Rechtsguts in Form einer formalen Rechtsstellung“ könne bei der Beeinträchtigung von Interessen ausländischer Rechtsgutsträger fehlen. 1 2

14

A. Einleitung

ausländische Gemeinschaft ist.6 „Inländisches“ Rechtsgut soll demgegenüber ein solches eines Deutschen, des deutschen Staates oder der deutschen Gesellschaft sein.7 Die Belegenheit eines Rechtsgutes ist demgegenüber für seine inländische oder ausländische Natur nicht entscheidend.8 Dieses Begriffsverständnis wird der Untersuchung zugrunde gelegt. In Ermangelung einer ausdrücklichen Regelung meint man, die Antwort auf die „Schutzbereichsfrage“ den Tatbeständen selbst durch Auslegung entnehmen zu müssen.9 Dabei lässt sich schnell feststellen, dass die meisten Tatbestände im Hinblick auf ihren so verstandenen Schutzbereich „neutral“ formuliert sind:10 Sie enthalten weder eine ausdrückliche Beschränkung auf innerstaatliche noch eine Ausdehnung auf ausländische Rechtsgüter.11 Das verwundert zwar insofern nicht, als 6 So auch Günther-Nicolay, Die Erfassung von Umweltstraftaten mit Auslandsbezug durch das deutsche Strafrecht gemäß §§ 324 ff. StGB, 2003, S. 119; Obermüller, S. 43 f., 46; Lüttger, FS Jescheck, 121; MüKo-Ambos, Vor §§ 3 – 7 Rn. 81; ders., Internationales Strafrecht § 1 Rn. 31; Reschke, S. 28 ff., 30; M. Vormbaum, S. 12 ff.; Mölders, Bestechung und Bestechlichkeit im internationalen geschäftlichen Verkehr, 2009, S. 162 f.; ebenfalls in diesem Sinne verwenden den Begriff etwa Rath, JA 2007, 26, 34 und v. Weber, Festgabe v. Frank Bd. 2, 269, 275 ff. 7 Kritisch zu dieser Terminologie Zieher, Das sog. Internationale Strafrecht nach der Reform, 1977, S. 140 m. Fn. 201: Auf die Begriffe „inländisches“ und „ausländisches“ Rechtsgut solle verzichtet werden und stattdessen von einem „durch die Rechtsordnung dieses oder jenes Staates ausgeprägten und geschützten Rechtsgut“ gesprochen werden. Auch werden Individualrechtsgüter – als vom deutschen Strafrecht ohne Rücksicht auf die Nationalität des Rechtsgutsinhabers generell geschützt angesehen – teilweise grundsätzlich als „inländische“ bezeichnet, vgl. dazu die Nachw. unten B. I. 1. a) m. Fn. 54. Geht es gerade darum, welche Rechtsgüter vom deutschen Staat geschützt werden, ist eine vorstufliche begriffliche Differenzierung allerdings unverzichtbar (übereinstimmend M. Vormbaum, S. 12 f.). 8 Ebenso Günther-Nicolay, S. 117. Die Begehung einer Auslandstat wird zwar teilweise mit einer Beeinträchtigung ausländischer Rechtsgüter gleichgesetzt oder zumindest unwillkürlich damit in Verbindung gebracht (vgl. etwa OLG Hamm JZ 1960, 576, 577; Ambos, Internationales Strafrecht § 3 Rn. 41; Schröder, JZ 1968, 241, 244 sowie ders., ZStW 61 [1942], 57, 92). Dabei wird aber verkannt, dass ein inländisches (Individual-)Rechtsgut, wenn sein Träger sich dort aufhält, durchaus auch im Ausland belegen sein kann. Ebenso kann eine Inlandstat im Inland befindliche ausländische Rechtsgüter beeinträchtigen. Aufgrund des „Auswirkungsgrundsatzes“ des § 9 („Inlandstat“ auch bei bloßer Begehung der tatbestandsmäßigen Handlung im Inland) kann sogar eine Tat, die ausschließlich im Ausland belegene ausländische Rechtsgüter beeinträchtigt, Inlandstat sein. 9 Ambos, Internationales Strafrecht § 1 Rn. 33; LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 272; Günther-Nicolay, S. 87, 142; Hoyer, JR 2002, 34, 35; Lackner / Kühl, Vor §§ 3 – 7 Rn. 9; Liebelt, GA 1994, 20, 27 f.; Lüttger, FS Jescheck, 121; Samson, StV 1992, 141, 142; Jung, JZ 1979, 325, 330 f.; Wang, S. 10; Satzger, Internationales Strafrecht § 6 Rn. 1 („Auslegung [ . . . ] danach, ob das [von einem konkreten Straftatbestand] geschützte Rechtsgut auch ausländische Rechtsgüter erfasst“). Kritisch zu Recht M. Vormbaum, S. 21, 30 ff.: Inwieweit die in diesem Bereich entwickelten Prinzipien tatsächlich eine „Auslegung“ darstellen, sei durchaus fraglich. 10 Günther-Nicolay, S. 87; M. Vormbaum, S. 20; Lüttger, FS Jescheck, 121, 131 für Straftatbestände, die „öffentliche Rechtsgüter“ schützen. 11 Natürlich gibt es Ausnahmen: So wird etwa durch die Staatsschutzdelikte der §§ 80 ff. ausdrücklich nur die Bundesrepublik Deutschland geschützt; vgl. MüKo-Ambos, Vor §§ 3 – 7

I. Die „Schutzbereichsfrage“ und ihre Bedeutung

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kein Tatbestand ausdrücklich Auskunft über das ihm zugrunde liegende Rechtsgut gibt; dieses ist durch Auslegung zu ermitteln,12 und nicht selten besteht über das Ergebnis Streit. Im Hinblick auf die hier zu erörternde Frage führt die „Neutralität“ der Tatbestände allerdings dazu, dass in vielen Bereichen vollkommene Unsicherheit darüber besteht, ob Tatbestände des deutschen Strafrechts auch ausländische Rechtsgüter erfassen. Bezeichnend hierfür ist, dass es schon keine Einigkeit darüber gibt, von welchem Standpunkt aus man sich dem Problem nähern sollte: Geht es, wie viele meinen (im Sinne eines „Einschlussprinzips“), darum, unter welchen Umständen deutsche Tatbestände ausnahmsweise auch ausländische Rechtsgüter erfassen, oder muss man hiervon grundsätzlich ausgehen13 und umgekehrt (im Sinne eines „Ausschlussprinzips“14) fragen, unter welchen Umständen ausländische Rechtsgüter vom Schutzbereich eines deutschen Straftatbestandes nicht erfasst sind?15 Weitgehend einig ist man sich noch darüber, dass zumindest Individualrechtsgüter schützende Tatbestände auch erfüllt sind, wenn der Verletzte Ausländer ist.16 Dementsprechend geht es bei der Erörterung der einzelnen Tatbestände im Hinblick auf die „Schutzbereichsfrage“ häufig darum, ob sie jeweils auch den Schutz individueller Interessen bezwecken oder nur Allgemeininteressen als Schutzgut in Betracht kommen.17 In dieser Hinsicht umstrittene Tatbestände rücken daher in besonderem Maße in das Licht der Diskussion: Mehrfach war die Rechtsprechung etwa damit befasst, ob strafbar ist, wer seine Unterhaltspflicht gegenüber seinen im Rn. 81. Der dritte Abschnitt des StGB (§§ 102 – 104a) enthält demgegenüber „Straftaten gegen ausländische Staaten“, durch die nach überwiegender Ansicht zumindest auch der ausländische Staat mit seinem Organen und Einrichtungen geschützt wird (neben dem Interesse Deutschlands an ungestörten Beziehungen zum Ausland); vgl. Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 102 bis 104a Rn. 2. Auch der in anderen Tatbeständen enthaltene „Auslandsbezug“ (vgl. etwa § 299 Abs. 3) wird häufig als Erstreckung des Anwendungsbereichs auf ausländische Rechtsgüter gedeutet, dazu näher unten C. I. 3. c) dd). 12 Vgl. etwa Enderle, Blankettstrafgesetze – Verfassungs- und strafrechtliche Probleme von Wirtschaftsstraftatbeständen, Frankfurt am Main 2000, S. 225: Der geschützte Wert lasse sich einem Tatbestand in der Regel nicht ausdrücklich entnehmen, sondern lasse sich erst durch Auslegung ermitteln. 13 So etwa Liebelt, Zum deutschen internationalen Strafrecht und seiner Bedeutung für den Einfluss außerstrafrechtlicher Rechtssätze des Auslands auf die Anwendung inländischen Strafrechts, 1978, S. 233 f.; vgl. auch ders., GA 1994, 20, 27 ff. sowie NStZ 1993, 544. 14 Begriffe von M. Vormbaum, S. 22 ff. 15 So etwa auch Hoyer, JR 2002, 34, 35 f.; RGSt 8, 53, 55 f. 16 Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 3 – 7 Rn. 15; MüKo-Ambos, Vor §§ 3 – 7 Rn. 86; ders., Internationales Strafrecht § 1 Rn. 37; LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 274; Fischer, Vor §§ 3 – 7 Rn. 8; NK-Lemke, Vor §§ 3 – 7 Rn. 29; Liebelt, GA 1994, 20, 28; Satzger, Internationales Strafrecht § 6 Rn. 1 („traditioneller Auslegungsgrundsatz“); M. Vormbaum, S. 10 f.; s. auch schon Lüttger, FS Jescheck, 121: Es bestehe „Einigkeit darüber, dass Individualrechtsgüter ohne Rücksicht darauf geschützt sind, ob sie einem inländischen oder einem ausländischen Rechtsgutträger zustehen“. 17 Vgl. beispielsweise Rath, JA 2007, 26, 34 f. Ausführlich dazu unten B. III.

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A. Einleitung

Ausland lebenden ausländischen Kindern verletzt.18 Das Ergebnis wird unter anderem davon abhängig gemacht, ob bzw. in welchem Maße der Tatbestand der Unterhaltspflichtverletzung (§ 170b a. F. bzw. § 170 n. F.) neben dem Schutz der Allgemeinheit vor ungerechtfertigter Inanspruchnahme öffentlicher Mittel auch den Schutz des Unterhaltsberechtigten vor der Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenzgrundlage bezweckt. So hält das OLG Karlsruhe letzteres für den vorrangigen Schutzzweck des § 170b (a. F.) und argumentiert, es handele sich bei der Sicherung des Lebensbedarfs um ein Individualrechtsgut, dem grundlegende Bedeutung zukomme und das „unabhängig davon, in welchem Land der rechtswidrige Erfolg eintritt“, schutzwürdig sei.19 In den anderen Entscheidungen wird der „Sozialbezug“ der Vorschrift in den Vordergrund gestellt: Es sei nicht Aufgabe des deutschen Strafrechts, die finanziellen Interessen eines anderen Staates vor Beeinträchtigungen zu bewahren, die dadurch hervorgerufen werden, dass ein Angehöriger dieses Staates seiner Unterhaltsverpflichtung nicht nachkommt und deshalb öffentliche Mittel zur Unterstützung der Unterhaltsberechtigten aufgewandt werden müssen.20 Hauptfeld der Schutzbereichsproblematik dürfte heute das Wirtschaftsstrafrecht sein. Im „Fall Siemens“ ist es dort kürzlich unter regem Medieninteresse aktuell geworden. Bestechungszahlungen an Mitarbeiter des italienischen Energieversorgers Enel gaben dem BGH u. a. Anlass, zur Anwendbarkeit des Tatbestands der „Angestelltenbestechung“ in § 299 auf Handlungen Stellung zu nehmen, die sich ausschließlich gegen den ausländischen Wettbewerb richten.21 Die besondere Bedeutung der Schutzbereichsfrage für das Wirtschaftsstrafrecht hängt dabei zum einen mit der zunehmenden internationalen Zusammenarbeit auf wirtschaftlicher Ebene zusammen, die eine zunehmende Internationalisierung auch von Wirtschaftskriminalität unvermeidbar mit sich bringt.22 Zum anderen schützen viele Tatbestände des Wirtschaftsstrafrechts nach verbreiteter Ansicht ausschließlich oder vorrangig überindividuelle Rechtsgüter,23 bezüglich deren Schutzes durch das deutsche 18 Vgl. OLG Saarbrücken NJW 1975, 506; OLG Stuttgart NJW 1977, 1601; OLG Frankfurt NJW 1978, 2460; BGHSt 29, 85 ff. = BGH JR 1980, 380 f. m. zust. Anm. Oehler, (gegen die Anwendbarkeit des § 170b a. F. in solchen Konstellationen); OLG Karlsruhe JR 1978, 379 (für die Anwendbarkeit des Tatbestandes). 19 OLG Karlsruhe JR 1978, 379, 380. Vgl. auch Kunz, NJW 1995, 1519: § 170 sei auf den Schutz eines Individualrechtsguts gerichtet und somit seien Ausländer wie Inländer Rechtsgutträger. 20 BGHSt 29, 85, 89; OLG Saarbrücken NJW 1975, 506, 508; OLG Stuttgart NJW 1977, 1601, 1602. Eine ausführliche Analyse der Entscheidungen findet sich bei Obermüller, S. 90 ff. Vgl. auch BayObLG MDR 1982, 165. 21 BGH, Urteil v. 29. 08. 2008 – 2 StR 587 / 07; vollständig wiedergegeben bei BeckRS 2008, 23926; näher dazu unten C. I. 3. c) dd). 22 Dazu Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 8 m. w. N. 23 Überwiegend wird sogar angenommen, dass ein Tatbestand nur dann zur Materie des Wirtschaftsstrafrechts gehört, wenn er zumindest auch dem Schutz überindividueller Rechtsgüter des Wirtschaftslebens dient, vgl. Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 45.

I. Die „Schutzbereichsfrage“ und ihre Bedeutung

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Strafrecht, wenn es sich um ausländische handelt, man sich so uneinig ist. Die Rechtsprechung ist auch in diesem Bereich sehr uneinheitlich. So stellt der BGH in einer Entscheidung aus dem Mai 1993 fest, dass der Schutzbereich des § 265 „nicht auf den Schutz inländischer Rechtsgüter beschränkt“ ist und sich deshalb auch nach dem deutschen Tatbestand des Versicherungsmissbrauchs strafbar machen kann, wer zur Inbrandsetzung seines bei einer schwedischen Versicherung versicherten Ferienhauses anstiftet.24 Im Juni des selben Jahres entschied das OLG Stuttgart, dass § 265b „jedenfalls nur die Funktionsfähigkeit des inländischen Kreditwesens“ schützte und eine Strafbarkeit wegen Kreditbetrugs deshalb nicht in Betracht komme, wenn der Kredit von einem schweizerischen Bankinstitut gewährt werde.25 Die gegensätzliche Behandlung26 überrascht, weil die Gerichte übereinstimmend davon ausgehen, dass die jeweils betroffenen Tatbestände in erster Linie „kollektive“ Rechtsgüter schützen:27 Der BGH verweist in der zitierten Entscheidung auf die „Vermeidung des allgemeinen sozialen Schadens, dessen Entstehung droht, wenn die entsprechende Versicherung ungerechtfertigt in Anspruch genommen wird“, als Zweck des § 265. Wenn man aber davon ausgeht, dass beide Tatbestände neben dem Vermögen des Versicherers bzw. Kreditgebers auch die „Funktionsfähigkeit der Versicherungswirtschaft“28 bzw. das „Funktionieren des Kreditwesens“29 und damit überindividuelle Rechtsgüter schützen, scheint eine unterschiedliche Behandlung nicht gerechtfertigt.30 Zumindest vordergründig leuchtet nämlich nicht ein, warum 24 BGH wistra 1993, 224, 225. Für die Neufassung des § 265 i. E. ebenso Möhrenschlager, in: Wabnitz / Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 3. Kapitel Rn. 5 m. Fn. 13 unter Verweis darauf, Rechtsgut der neu gefassten Vorschrift sei allein das Vermögen der Versicherungen und damit ein Individualrechtsgut. 25 OLG Stuttgart NStZ 1993, 545; zust. Obermüller, S. S. 212 f.; abl. Möhrenschlager, in: Wabnitz / Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 3. Kapitel Rn. 7; LKWerle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 308 f. 26 Die auch Lackner / Kühl, befürworten, vgl. § 265 Rn. 1 einerseits und § 265b Rn. 1 andererseits. 27 Schönke / Schröder-Lenckner / Perron, § 265b Rn. 3 weisen zur Begründung dieser Ansicht darauf hin, dass erst das Hinzukommen eines weiteren, überindividuellen Rechtsguts die Schaffung eines im Vorfeld des Betruges liegenden abstrakten Gefährdungstatbestandes rechtfertigt. Ob man deshalb ein solches „Rechtsgut“ in den Tatbestand hineinlesen darf, erscheint allerdings zweifelhaft; vgl. etwa Roxin, AT I § 2 Rn. 75 ff. (allgemein und speziell u. a. zu § 265 kritisch dazu, eine rechtsstaatlich problematische Vorverlagerung der Strafbarkeit durch die Berufung auf „diffuse Belange der Allgemeinheit“ zu kaschieren). 28 Statt vieler Schönke / Schröder-Cramer / Perron, § 265 Rn. 2 m. zahlr. Nachw. auch zur Gegenauffassung. 29 Statt vieler Schönke / Schröder-Lenckner / Perron, § 265b Rn. 3 m. zahlr. Nachw. auch zur Gegenauffassung. 30 So auch Schönke / Schröder-Lenckner / Perron, § 265b Rn. 3; beide Tatbestände gleich behandelnd weiterhin LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 308 f. Dass § 265 anders als § 265b auch für Auslandstaten einschlägig sein soll, wäre höchstens verständlich, wenn man davon ausginge, dass die Normen den Schutz des überindividuellen Rechtsguts unterschiedlich stark gewichten würden. In der Literatur gibt es in der Tat eine Tendenz, § 265 als reines Vermögensschutzdelikt anzusehen, während bei § 265b mit Verweis auf die Gesetzgebungsmateria-

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A. Einleitung

der deutsche Gesetzgeber zwar ein mit den Mitteln des Strafrechts durchzusetzendes Interesse an der sozialen Leistungsfähigkeit des ausländischen Versicherungswesens haben soll, nicht aber am Funktionieren des Kreditwesens im Ausland.

II. Vorfragen und Hauptfrage – Gang der Untersuchung Bevor eine nähere Auseinandersetzung mit der konkreten Fragestellung – schützt das deutsche Strafrecht auch „ausländische“ Rechtsgüter? – stattfinden kann, gilt es, einige Voraussetzungen zu klären. Es wurde schon angedeutet, dass bereits der Ansatzpunkt nicht klar ist. Es lässt sich nämlich einerseits die Frage stellen, wann und warum ausländische Rechtsgüter vom Schutzbereich deutscher Straftatbestände auszunehmen sind.31 Häufiger wird aber danach gefragt, unter welchen Voraussetzungen sie ausnahmsweise in diesen einzubeziehen sind;32 ob „Kriterien vorliegen, die einen Einschluß begründen33“. Die Grundannahme wäre im ersten Fall, dass das deutsche Strafrecht in der Regel „universellen“ Rechtsgüterschutz bietet, der aus bestimmten Gründen allerdings Einschränkungen unterliegen kann. Die meisten gehen dagegen von der These aus, das Gesetz beschränke sich in der Regel auf den Schutz inländischer Rechtsgüter.34 Welche Prämisse zutreffend ist, wird aus einer Untersuchung der §§ 3 – 735 hervorgehen. Eine nähere Analyse des Regelungsgehalts dieser Normen lien die Funktionsfähigkeit des Kreditwesens als in erster Linie geschützt angesehen wird; vgl. etwa Möhrenschlager, in: Wabnitz / Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 3. Kapitel Rn. 5 m. Fn. 13, Rn. 7 m. Fn. 22, 23, jeweils m. w. N. In den Entscheidungen des BGH und des OLG Stuttgart wird allerdings jeweils ein überindividuelles Interesse in den Vordergrund gestellt. 31 So in der Tendenz Möhrenschlager, in Wabnitz / Janovsky, Handbuch des Wirtschaftsund Steuerstrafrechts, 3. Kap. Rn. 7: Würde man bei den Tatbeständen des Kapitalanlagebetruges (§ 264a) und des Kreditbetruges (§ 265b) den Schutz überindividueller Schutzinteressen besonders hervorheben, sei es „nicht von vornherein abwegig“, eine Beschränkung auf inländische Interessen anzunehmen; vgl. auch Hoyer, JR 2002, 34, 35 f.; Klages, S. 151 f. 32 So etwa OLG Stuttgart NJW 1977, 1601, 1602; OLG Saarbrücken NJW 1975, 506, 507; MüKo-Ambos, Vor §§ 3 – 7 Rn. 81; Günther-Nicolay, S. 142; Fischer, Vor §§ 3 – 7 Rn. 4 m. w. N. zur Rspr.; Oehler, JR 1978, 381, 385; ders., FS Mezger (1954), 83, 97; Mölders, S. 163 ff. 33 Günther-Nicolay, S. 124 f. Vgl. zu den verschiedenen Ansichten auch Obermüller, S. 110, der zwischen Formeln unterscheidet, die „positiv selektierend“ erörtern, unter welchen Umständen der Schutzbereich deutscher Straftatbestände sich auch auf ausländische Rechtsgüter erstreckt, und solchen, die „negativ selektierend“ begründen, wann und warum ausländische Rechtsgüter nicht vom Schutzbereich deutscher Straftatbestände umfasst sein sollen. 34 M. Vormbaum, S. 18 f. stellt diese Auffassung zu Unrecht als einzig vertretene dar. 35 § 9 ist dabei insofern zunächst ohne Bedeutung, als er keine Anwendungsregel enthält, sondern lediglich definiert, dass inländischer Tatort i. S. d. § 3 sowohl der Ort ist, an dem der Täter gehandelt hat, als auch der Ort, an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist („Ubiquitätsprinzip“).

II. Vorfragen und Hauptfrage

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und insbesondere eine Klärung ihres Verhältnisses zur „Schutzbereichsfrage“ ist ohnehin notwendig: Den Unbefangenen mag es nämlich zunächst verwundern, dass es problematisch sein soll, ob auch ausländische Rechtsgüter von deutschen Straftatbeständen erfasst werden, und man sich im Ergebnis so uneinig ist: Immerhin existieren mit den §§ 3 – 7 ausdrückliche Regeln über den räumlichen Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts, die doch durchaus auch eine Aussage über nationale Beschränkungen oder Erweiterungen des Rechtsgüterschutzes enthalten könnten. Die „Schutzbereichsfrage“ wird allerdings zumeist als ganz unabhängig von den Regeln über den Geltungsbereich des deutschen Strafrechts bezeichnet.36 Die Rechtsprechung und einige Autoren behandeln sie als „Vorfrage37“: Vor der Anwendung der §§ 3 – 7 sei zu untersuchen, ob die Tat überhaupt in den Schutzbereich eines deutschen Straftatbestandes falle; durch Auslegung der jeweiligen Norm sei zunächst zu prüfen, ob von ihr nur inländische oder auch ausländische Rechtsgüter erfasst werden.38 Andere gehen von einer umgekehrten Prüfungs36 s. etwa Lüttger, FS Jescheck, 121, 122 f.: Die Schutzbereichsfrage sei „wesensverschieden von der Frage nach dem Geltungsbereich der nationalen Strafnormen, die das sog. Internationale Strafrecht [ . . . ] beantwortet; über die strikte Trennung beider Materien besteht [ . . . ] Einigkeit“; vgl. auch ders., a. a. O. 146, 164; weiterhin Obermüller, S. 6, 141 („Strikt zu trennen. . .“); Vogler, NJW 1977, 1866, 1867 („ganz andere Frage“); ders., Geburtstagsgabe Grützner (1970), 149, 150 („die Fragen des konkreten Rechtsgüterschutzes [stellen] keinen Gegenstand des internationalen Strafrechts [ . . . ] dar“); ebenso Möhrenschlager, in: Wabnitz / Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 3. Kapitel Rn. 1; A. Schmitz, Das aktive Personalitätsprinzip im Internationalen Strafrecht – Zugleich ein kritischer Beitrag zur Legitimation der Ausdehnung der Strafgewalt auf Auslandstaten Deutscher, 2002, S. 90; Gössel, FS Oehler, 97, 105 („. . . entscheidet das Strafanwendungsrecht [die §§ 3 – 7] darüber, ob das deutsche Strafrecht auf die Beeinträchtigung irgendwelcher Rechtsgüter angewendet wird – dagegen richtet sich die Frage nach der Tatbestandlichkeit eines Verhaltens darauf, ob überhaupt eine Rechtsgutsbeeinträchtigung vorliegt“); MüKo-Ambos, Vor §§ 3 – 7 Rn. 81; ders., Internationales Strafrecht § 1 Rn. 31; Reschke, S. 31, 39; SK3-Samson, § 3 Rn. 11; Hoyer, JR 2002, 34 („zwei Problemkreise“); M. Vormbaum, S. 1, 16 ff.; vgl. auch v. Weber, Festgabe v. Frank Bd. 2, 269, 281 („§ 4 II [a. F.] bestimmt die Strafbarkeit nicht; er setzt sie voraus“); ebenso OLG Hamm JZ 1960, 576, 577 („. . . § 3 [kann] den fehlenden Tatbestand nicht ersetzen. Die §§ 3 – 6 [ . . . ] setzen [ . . . ] eine an sich strafbare Handlung voraus“). 37 So explizit Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 3 – 7 Rn. 13; Oehler, JR 1980, 381; Dannecker / Streinz, in: Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Bd. I § 8 Rn. 47; Vogler, Geburtstagsgabe Grützner, 149 m. Fn. 1. 38 Günther-Nicolay, S. 85; Haft / Schwoerer, FS Weber (2004), 367, 368; Jung, JZ 1979, 325, 330 f.; NK-Lemke, Vor §§ 3 – 7 Rn. 27; Liebelt, S. 228, 259; Nowakowski, JZ 1971, 633, 634, Oehler JR 1978, 381, 382, Schröder, JZ 1968, 241, 244; Stoffers, JA 1994, 76; Fischer, Vor §§ 3 – 7 Rn. 4; Vogler, Geburtstagsgabe Grützner, 149 m. Fn. 1, 150, 153; M. Vormbaum, S. 16 f.; Walter, JuS 2006, 870; Wang, S. 10 f.; Weidemann, DStZ 2002, 329, 330; Mölders, S. 162, 165; Franzen / Gast / Joecks-Joecks, § 369 Rn. 33 f.; OLG Hamm JZ 1960, 576, 577; Ambos, Internationales Strafrecht § 1 Rn. 36 (in der Fallbearbeitung). OLG Düsseldorf NJW 1982, 1242 formuliert, wenn die Auslegung eines Tatbestandes ergebe, dass er nur Rechtsgüter schützen will, die dem inländischen Schutzbereich angehören, finde er auf Taten, die nicht in diesen Schutzbereich eingreifen, selbst dann keine Anwendung, „wenn im übrigen an sich ein Anknüpfungspunkt i. S. von §§ 3 ff. gegeben ist“.

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A. Einleitung

reihenfolge aus: Erst nachdem festgestellt sei, dass der Sachverhalt nach den Regeln des Internationalen Strafrechts der deutschen Strafgewalt unterliege, könne erörtert werden, ob der – danach anwendbare – Tatbestand auch erfüllt sei, weil die Tat ein von ihm geschütztes Rechtsgut verletzt.39 Dass die eine Frage von der anderen tatsächlich völlig losgelöst ist, erscheint allerdings fragwürdig. Entsprechend vorsichtiger formulieren auch andere Autoren und fassen beide Fragen unter dem Aspekt des Geltungs- oder Anwendungsbereichs des deutschen Strafrechts zusammen.40 Jedenfalls ist das Verhältnis der §§ 3 – 7 zur Schutzbereichsfrage ein Bereich, in dem noch Klärungsbedarf besteht. Nach einer entsprechenden Analyse wird eine sinnvolle Beschäftigung mit der Frage nach dem Schutz ausländischer Rechtsgüter durch das deutsche Strafrecht möglich sein. Schwerpunktmäßig wird es dabei um die in dieser Hinsicht besonders umstrittenen „überindividuellen“ Rechtsgüter gehen. Die Existenz solcher Rechtsgüter wird dabei im Sinne einer Konzeption, die neben Individualrechtsgütern solche der Allgemeinheit anerkennt41, vorausgesetzt.42 Dabei werden im Rahmen dieser Untersuchung als „Kollektivrechtsgüter“ solche bezeichnet, deren Träger die „Gesellschaft“ ist,43 also schützenswerte gesellschaftliche Institutionen. 39 Wessels / Beulke, Rn. 66; Obermüller, S. 141 f.; Samson, StV 1992, 141 f.; SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 31; ders., JR 2002, 34; Satzger, Internationales Strafrecht § 3 Rn. 9; Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung und die Bedeutung des Genuine-Link-Erfordernisses, 1992, S. 61 f.; Henrich, Das passive Personalitätsprinzip im deutschen Strafrecht, 1994, S. 11 m. Fn. 9. 40 Vgl. etwa Lackner / Kühl, Vor §§ 3 – 7 Rn. 9: „Der Geltungsbereich des deutschen Strafrechts hängt nicht nur von den §§ 3 ff., sondern vorrangig von der Auslegung der einzelnen Tatbestände ab“; OLG Köln StV 1982, 471: Eine „Einschränkung des Territorialitätsprinzips (§ 3)“ durch die Ansicht, § 123 schütze nur deutsche Rechtsgüter, sei nicht gerechtfertigt und finde im Gesetz keine Stütze; ähnlich OLG Frankfurt NJW 1965, 508 f.: § 3 (a. F.) „nicht anwendbar“, weil durch die in Frage stehende Strafvorschrift nur inländische Rechtsgüter geschützt seien; insofern erleide das Personalprinzip Einschränkungen. Auch Maurach / Zipf, AT I, § 11 Rn. 21 sprechen von einer „Einschränkung des sich aus §§ 3, 9 ergebenden Anwendungsbereichs des deutschen Strafrechts“, die eintrete, wenn ein deutsches Strafgesetz ausschließlich dem Schutze ausländischer Rechtsgüter dient; weiterhin Werle / Jeßberger, JuS 2001, 35, 38: „Zu beachten ist, dass für die Anwendbarkeit einer deutschen Strafnorm nicht nur die §§ 3 bis 7 von Bedeutung sind, sondern auch die Reichweite der Tatbestände.“ Aus der Rechtsprechung außerdem OLG Saarbrücken NJW 1975, 506: „Auch wenn der formale Anknüpfungspunkt der §§ 4 I, 3 III StGB [a. F.] gegeben ist, findet das deutsche Strafrecht dann keine Anwendung, wenn [ . . . ] die Auslegung des in Betracht kommenden Tatbestands [ . . . ] ergibt, daß durch ihn ausschließlich inländische Interessen geschützt werden sollen.“ 41 Vgl. etwa Anastasopoulou, Deliktstypen zum Schutz kollektiver Rechtsgüter, 2005, S. 43; Schönke / Schröder-Lenckner, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 10; LK-Jescheck, Vor § 13 Rn. 6; Roxin, AT I § 13 Rn. 31 ff.; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, 2002, S. 76 ff. 42 Mit der Anerkennung einer „dualistischen“ Rechtsgutskonzeption ist dies nicht zwingend verbunden, weil sich auch vor dem Hintergrund einer „monistisch-personalen“ Rechtsgutslehre Rechtsgüter der Allgemeinheit insoweit anerkennen lassen, als sie – vermittelt – auch Interessen von Personen sind und nicht „um ihrer selbst willen“ geschützt werden; vgl. NK-Hassemer / Neumann, Vor § 1 Rn. 138. 43 Begrifflich übereinstimmend Obermüller, S. 42 m. Fn. 193.

II. Vorfragen und Hauptfrage

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Sie sind von jenen Rechtsgütern abzugrenzen, die dem Bestand und dem Funktionieren des Staates dienen (sie sollen hier als „staatliche“ Rechtsgüter bezeichnet werden), wobei eine Abgrenzung nicht immer einfach ist.44 Träger beider Gruppen von Rechtsgütern ist die staatliche Gemeinschaft; sie lassen sich unter den Oberbegriff „Allgemeinrechtsgüter 45“ oder „überindividuelle Rechtsgüter“ fassen, teilweise werden sie auch als „Universalrechtsgüter46“, „Gemeinrechtsgüter47“ oder „öffentliche Rechtsgüter48“ bezeichnet. Die – wohl als herrschend zu bezeichnende – Auffassung, solche Rechtsgüter seien als ausländische durch das deutsche Strafrecht grundsätzlich nicht geschützt49, soll dann überprüft werden. Insbesondere wird dabei auch darauf einzugehen sein, ob die bisher in Schrifttum und Rechtsprechung vorgenommene Einteilung in „inländische“ und „ausländische“ Rechtsgüter in diesem Bereich nicht überholt ist. Vor dem Hintergrund zunehmender internationaler Verflechtungen und dabei insbesondere der Globalisierung der Wirtschaftsräume zeichnet sich nämlich das Bild „übernationaler“ Rechtsgüter immer deutlicher ab. Zum besseren Vorverständnis wird im folgenden Abschnitt aber zunächst dargestellt, wie Rechtsprechung und Literatur zum Schutz der verschiedenen „Rechtsgutsgruppen“ (Individual-, Kollektiv- und staatliche Rechtsgüter) durch deutsche Tatbestände generell stehen und insbesondere wie der überwiegend befürwortete Ausschluss ausländischer Allgemeinrechtsgüter aus dem Schutzbereich deutscher Straftatbestände begründet wird. 44 Und bei einem demokratischen Staatsverständnis auch gar nicht ohne Zweifel möglich: Beispielsweise Hefendehl, S. 82 beschreibt treffend, bei einem durch das Grundgesetz geprägten Staatsverständnis ließe sich das Individuum immer als der letztendliche Destinatär ausmachen und jedes Universalrechtsgut (also auch ein solches, das das Funktionieren des Staates an sich bzw. der staatlichen Tätigkeit betreffe) ließe sich auf einem hohen Abstraktionsniveau in einem personalen Sinne, d. h. personal-funktional deuten. 45 Vgl. Obermüller, S. 42 m. Fn. 193. 46 Etwa Roxin, AT I § 2 Rn. 10. 47 Etwa Walter, JuS 2006, 870. 48 Etwa Lüttger, FS Jescheck, 121 f., 152; Weidemann, DStZ 2002, 329, 332; M. Vormbaum, S. 12. 49 So das Ergebnis der Arbeit von Obermüller, S. 215; ebenso etwa MüKo-Ambos, Vor §§ 3 – 7 Rn. 86; ders., Internationales Strafrecht § 1 Rn. 34; NK-Lemke, Vor §§ 3 – 7 Rn. 29 ff.; Lüttger, FS Jescheck, 121, 177; Weidemann, DStZ 2002, 329, 332; Walter, JuS 2006, 870 („Grundregel“); Sieber, ZStW 103 (1991), 957, 964; Krapp, Distanzdelikt und Distanzteilnahme im internationalen Strafrecht, 1977, S. 76 ff. Teilweise beschränkt man sich auf die Aussage, „staatliche Interessen“ ausländischer Hoheitsträger seien durch deutsche Straftatbestände nicht geschützt; vgl. etwa Schroeder, NStZ 1993, 216, 217; Satzger, Internationales Strafrecht § 6 Rn. 1 („Rechtsgüter, die nur im verwaltungsrechtlichen oder hoheitsrechtlichen Interesse des Staates geschützt werden“); wohl auch Hoyer, JR 2002, 34, 35 f.; in dieser Hinsicht unklar Hohmann, DTZ 1996, 230, 232: Die Anwendung (bundes-)deutschen Strafrechts auf Auslandstaten sei bei Universalrechtsgütern, „insbesondere denen des Staates“, nur ausnahmsweise begründet. Näher dazu unten B. II und III. Die differenzierte Behandlung von Individualund Allgemeinrechtsgütern in diesem Bereich grundsätzlich anzweifelnd aber Forkel, Grenzüberschreitende Umweltbelastungen und deutsches Strafrecht, 1988, S. 107 ff.

B. Herkömmliche Auffassungen zum Schutz ausländischer Rechtsgüter durch das deutsche Strafrecht I. Schutz ausländischer Individualrechtsgüter 1. Ausschließlich Individualrechtsgüter schützende Tatbestände a) Einschluss ausländischer Individualrechtsgüter Es besteht weitestgehend Einigkeit darüber, dass ausländische Individualrechtsgüter vom Schutzbereich deutscher Straftatbestände ebenso erfasst sind wie die entsprechenden inländischen:50 Tatbestände, die (ausschließlich) dem Schutz individueller Rechtsgüter dienen, sollen unabhängig davon erfüllt sein, ob der Verletzte Deutscher oder Ausländer ist (und auch dann, wenn ein ausländischer Hoheitsträger in einem Individualrechtsgut verletzt ist51). In einer Entscheidung zur Unterhaltspflichtverletzung nach § 170b a. F. stellt der BGH klar, dass „allgemein in der zivilisierten Welt anerkannte elementare Rechtswerte wie Leib, Leben, Freiheit oder Ehre“ vom deutschen Strafrecht „auch bei nur ausländischer Wirkung der Tat“ geschützt werden müssten.52 In der Literatur wird dieser Aussage zugestimmt;53 teilweise wird sie auch generalisiert: Gribbohm etwa stellt fest, die Schutzbereichsfrage stelle sich nicht, „soweit es um persönliche Rechtsgüter geht“. „Inländische“ Rechtsgüter in dem Sinne, dass sie grundsätzlich durch den einschlägigen deutschen Straftatbestand geschützt werden, seien also alle Individualrechtsgüter, und zwar ohne Rücksicht auf die Nationalität des Rechtsgutsinhabers 50 So schon die Einschätzung von Lüttger, FS Jescheck, 121 und Schröder, JZ 1968, 241, 244; auch OLG Köln StV 1982, 471; Günther-Nicolay, S. 120; Liebelt, GA 1994, 20, 28. Vorsichtiger noch v. Weber, Festgabe v. Frank Bd. 2 (1930), 269, 275: Der Satz, dass ausländische private Rechtsgüter inländischen Strafschutz genießen, gelte nicht ausnahmslos, sei nicht selbstverständlich und habe sich erst in neuerer Zeit durchgesetzt. 51 BayObLG NJW 1980, 1057; Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 3 – 7 Rn. 21: Vorausgesetzt, die ausländischen Interessen seien weniger Ausfluss von Hoheitsgewalt und hätten vielmehr den Charakter von Individualrechtsgütern (wie z. B. bei Vermögensdelikten gegen ausländisches Staatseigentum). 52 BGHSt 29, 85, 88; ähnlich OLG Hamm JZ 1960, 576, 577; vgl. auch BGHSt 21, 277, 281: Leib, Leben und Eigentum als Rechtsgüter, „die als gemeinsame Rechtsgüter der zivilisierten Welt allgemeinen Schutz verdienen“. 53 Haft / Schwoerer, FS Weber, 367, 369: „. . . dürfte für elementare, durch nahezu alle Rechtsordnungen der Kulturstaaten geschützte Individualrechtsgüter wie Leben, Leib, Freiheit, Vermögen und Eigentum unstreitig sein“; LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 274; Schröder, JZ 1968, 241, 244.

I. Schutz ausländischer Individualrechtsgüter

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oder die Belegenheit seines Rechtsguts.54 Auch Ambos formuliert, Individualrechtsgüter „wie Leben, Freiheit, Vermögen und Ehre“ seien unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Rechtsgutsträgers oder der Belegenheit des Rechtsguts vom deutschen Strafrecht geschützt.55 Zwar würden diese damit noch nicht zu inländischen (Hervorhebung von der Verfasserin) Rechtsgütern. Die Unterscheidung zwischen inländischen und ausländischen Rechtsgütern sei hier aber ohne Bedeutung.56 Im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts ist in diesem Zusammenhang beispielsweise eine Entscheidung des OLG Karlsruhe zu § 283b Abs. 1 Nr. 1 interessant: Geschütztes Rechtsgut der Konkursstraftaten sei das Vermögensinteresse der Gläubiger, so dass auch Auslandsstraftaten (gemeint ist wohl: Straftaten, die die Vermögensinteressen ausländischer Gläubiger verletzen) von ihrem Schutzbereich erfasst seien.57

54 LK11-Gribbohm, Vor § 3 Rn. 162. Übereinstimmend jetzt LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 274; SK3-Samson, § 3 Rn. 12; SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 32 f.; Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 3 – 7 Rn. 15; NK-Lemke, Vor §§ 3 – 7 Rn. 29; Satzger, Internationales Strafrecht § 6 Rn. 1; A. Schmitz, S. 138 f. Einschränkend aber Haft / Schwoerer, FS Weber, 367, 369: Anders sei es bei „nicht elementaren Individualrechtsgütern, die an nationale, dem Territorialitätsprinzip folgende Regelungen anknüpfen und keine einheitliche, universal zu schützende Rechtsposition schaffen.“ 55 MüKo-Ambos, Vor §§ 3 – 7 Rn. 86 (m. zahlr. Nachw.); ebenso ders., Internationales Strafrecht § 1 Rn. 37; ähnlich Hecker, Europäisches Strafrecht § 2 Rn. 6; Jescheck / Weigend, § 18 III 8; Schlüchter, FS Oehler (1985), 307, 311 f.; Walter, JuS 2006, 870; Krapp, S. 80 (ungenau formulierend: „Verletzung im Ausland“) mit Einschränkungen BayObLG NJW 1972, 1722 („umfassender – nur durch die §§ 3 – 7 eingeschränkter – Schutz“); ähnlich Günther-Nicolay, S. 120 (unterschiedslose Schutzgewährung nur im Inland); Fischer, Vor §§ 3 – 7 Rn. 8 (Strafnormen, die Individualrechtsgüter schützen, seien „in der Regel in Inlandsfällen“ auch dann anwendbar, wenn der Verletzte Ausländer ist); ebenso Möhrenschlager, in: Wabnitz / Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 3. Kapitel Rn. 3; beschränkt auf „in der Bundesrepublik befindliche“ ausländische Individualrechtsgüter auch Oehler, JR 1980, 485; noch vorsichtiger ders., JR 1978, 381, 382: Nur „die Auslegung des Sinnes und Zweckes der Vorschrift“ könne ergeben, ob ein fremdes Individualrechtsgut im konkreten Fall tatsächlich erfasst werde. 56 Inhaltlich ist es unbedeutend, ob Individualrechtsgüter generell als „inländische“ bezeichnet werden (noch weiter Zieher, S. 140: Alle durch das deutsche StGB geschützten Rechtsgüter seien „inländisch“; kritisch zu beiden Ansätzen zu Recht Günther-Nicolay, S. 118 und 120 m. Fn. 250) oder lediglich auf die Bedeutungslosigkeit der Unterscheidung bei Individualrechtsgütern hingewiesen wird: Gemeint ist trotz divergierender Terminologie dasselbe. Der hier verwendeten Begrifflichkeit entspricht es, bei Rechtsgütern von Ausländern stets von „ausländischen“ Rechtsgütern zu sprechen, so also auch bei Individualrechtsgütern, vgl. oben A. I. 57 OLG Karlsruhe NStZ 1985, 317; zustimmend MüKo-Ambos, Vor §§ 3 – 7 Rn. 86; Möhrenschlager, in: Wabnitz / Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 3. Kapitel Rn. 10.

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B. Herkömmliche Auffassungen

b) Begründungsansätze v. Weber äußert in einem älteren Beitrag die Auffassung, der (deutsche) Staat schütze (ausländische) „private“ Interessen „nicht um ihrer selbst willen, sondern weil er an ihrer Erhaltung ein öffentliches Interesse hat58“. Dieses innerstaatliche Interesse sei auf die Vermeidung von Störungen in den Beziehungen der Staaten und damit auf Erhaltung des Friedens gerichtet. Die Friedenserhaltung sei also Motiv dafür, auch ausländische (Individual-)Rechtsgüter in den Schutzbereich deutscher Straftatbestände einzubeziehen. 59 Diese Sichtweise wird heute von niemandem mehr in dieser Form bestätigt.60 Lüttger weist darauf hin, dass sie nicht zur Lösung des Problems beitrage, weil zunächst der Tatbestand dahingehend auszulegen sei, welche Rechtsgüter er meine, während die Frage, ob die Nichtverfolgung der Tat die auswärtigen Beziehungen beeinträchtige, erst im Nachhinein als „Kontrollfrage“ ihren systematischen Platz haben könne.61 Zur Begründung der Ansicht, die Verletzung auch ausländischer Individualrechtsgüter sei „jedenfalls tatbestandsmäßig (Hervorhebung im Original) im Sinne des StGB62“, ausschließlich Individualrechtsgüter schützende Tatbestände schlössen also immer auch ausländische Rechtsgüter in ihren Schutzbereich ein, wird heute stattdessen zumeist auf das völkerrechtliche Fremdenrecht verwiesen:63 Völkergewohnheitsrechtlich müsse jeder Staat den sich auf seinem Territorium befindlichen Ausländern nämlich einen gewissen Mindestschutz gewähren.64 Unklar sei dabei zwar, wie der Inhalt des „Minimumstandards“ genau zu konkretisieren sei; Einigkeit bestehe lediglich dahingehend, dass nur die gewohnheitsrechtlich anerkannten allgemeinen Menschenrechte, also ein „Kernbestand elementarer Rechte“ als dessen Inhalt in Betracht komme.65 Bei entsprechend höherem nationalem v. Weber, Festgabe v. Frank (1930) Bd. 2, 269, 276. v. Weber, Festgabe v. Frank Bd. 2, 269, 277 ff. 60 v. Weber, selbst (Festgabe v. Frank Bd. 2, 269, 279) relativiert sie, indem er konstatiert, in vielen Fällen des Schutzes ausländischer Rechtsgüter durch das deutsche Strafrecht spiele der Gedanke der Friedensstörung gar keine oder nur eine untergeordnete Rolle. 61 Lüttger, FS Jescheck, 121, 126 ff., insbes. 129. Ebenso Obermüller, S. 182 f.: Ob das betroffene ausländische Rechtsgut mitgeschützt sei, könne nicht von der Frage abhängen, ob u. U. die guten Beziehungen zum Ausland durch die Nichtbestrafung gefährdet oder gestört würden. 62 Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 3 – 7 Rn. 15. 63 So bei Lüttger, FS Jescheck, 121, 147; MüKo-Ambos, Vor §§ 3 – 7 Rn. 86; dems., Internationales Strafrecht § 1 Rn. 37; LK11-Gribbohm, Vor § 3 Rn. 163; LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 276; Möhrenschlager, Internationalisierung des materiellen Strafrechts, in: Beiträge zum X. Kongress der Vereinten Nationen in Wien, Österreich, vom 10. bis 17. April 2000, S. 26; ders., in: Wabnitz / Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 3. Kapitel Rn. 3, 17; Vogler, NJW 1977, 1866, 1867; Reschke, S. 89 ff.; Obermüller, S. 55 f.; M. Vormbaum, S. 11; Ziegenhain, S. 62 m. Nachw. zur völkerrechtlichen Literatur; Jescheck / Weigend, § 18 III 8. Keine Begründung gibt Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 3 – 7 Rn. 15. 64 MüKo-Ambos, Vor §§ 3 – 7 Rn. 86; Ziegenhain, S. 62. 65 Obermüller, S. 55. 58 59

I. Schutz ausländischer Individualrechtsgüter

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Standard werde diese Schwelle allerdings durch das Prinzip der Inländergleichbehandlung überschritten,66 so dass im Hinblick auf die hier zu erörternde Frage der genaue Inhalt des „Mindeststandards“ ohnehin bedeutungslos sei:67 Delikte gegen sich im Inland aufhaltende Ausländer seien aufgrund des Gleichbehandlungsprinzips ebenso zu ahnden wie solche gegen deutsche Staatsangehörige.68 Warum Individualrechtsgüter immer und überall von den deutschen Straftatbeständen erfasst sein sollen, ihre Verletzung stets tatbestandsmäßig sein soll, erklärt dies allerdings noch nicht.69 Wenn Gribbohm ausführt, die Gleichstellung ausländischer mit inländischen Individualrechtsgütern gelte nach deutschem Strafrecht nur für Taten im Inland (§ 3) sowie auf deutschen Schiffen und Luftfahrzeugen (§ 4), bei Auslandstaten sei „nach § 7 Abs. 1 zu differenzieren“ 70, erkennt er, dass das völkerrechtliche Prinzip des „minimum standard of justice“ nur für Inlandstaten Bedeutung hat. Damit deutet sich aber auch schon an, dass die isolierte Betrachtung von „Schutzbereichsfrage“ einerseits und den strafanwendungsrechtlichen Regeln der §§ 3 – 7 andererseits zumindest fragwürdig ist: Das Prinzip der Inländergleichbehandlung hat nur für Inlandstaten Bedeutung, und für diese genügt dem Prinzip die „Tatbestandsmäßigkeit“ nicht. Entscheidend ist, dass der deutsche Straftatbestand Anwendung findet, und dafür müssen zumindest auch die Voraussetzungen der §§ 3 – 7 erfüllt sein. Für Auslandstaten fordert das Prinzip 66 Vgl. dazu Doehring, Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Bd. 32, S. 13. 67 Obermüller, S. 54. 68 Lüttger, FS Jescheck 121, 147; vgl. auch Obermüller, S. 54: Es sei anerkannt, dass der Aufenthaltsstaat verpflichtet sei, Ausländer gegen Angriffe auf Leben, Freiheit, Würde, Eigentum, Vermögen und Unversehrtheit zu schützen, sie als Rechtssubjekt anzuerkennen und ihnen zur Durchsetzung dieser Rechtsposition die Beschreitung des Rechtswegs zu garantieren. 69 So deutlich auch Günther-Nicolay, S. 120; Weidemann, DStZ 2002, 329, 332 m. Fn. 27; vgl. weiterhin LK11-Gribbohm, Vor § 3 Rn. 163: Dass die Gleichstellung von In- und Ausländern ein anerkannter Grundsatz des „minimum standard of justice“ sei, bedeute noch nicht, dass die einschlägigen Straftaten schon deshalb der Strafgewalt eines jeden Staates unterlägen, wo immer sie auch begangen seien. Entsprechend ist wohl auch die Beschränkung von Fischer, Vor §§ 3 – 7 Rn. 8 auf „Inlandsfälle“ (oben Fn. 55) zu verstehen. Im Grundsatz sieht das auch Obermüller, wenn er schreibt, der Aufenthaltsstaat (Hervorhebung von der Verfasserin) sei nach völkerrechtlichem Fremdenrecht verpflichtet, Ausländer zu schützen (a. a. O. S. 54) und es sei gleichgültig, ob im deutschen Inland ein Deutscher oder ein Ausländer verletzt werde; immer würden die „über § 3 anwendbaren“ deutschen Strafnormen den Täter erfassen (S. 56). Gleichwohl geht der Autor später – ohne weitere Begründung – davon aus, das GG gebiete „die absolute Gleichstellung von In- und Ausländern betreffs der ihnen zustehenden Individualrechtsgüter“ (S. 61 f.); Individualrechtsgüter würden „ohne Einschränkung oder Differenzierung nach der Nationalität [ . . . ] ihres Trägers vom deutschen Strafrecht geschützt“ (S. 64, 214). Unklar bleibt dabei, ob dies nur im Rahmen der vom Autor angedeuteten Einschränkung (Obermüller stellt zu Beginn seiner Untersuchung [S. 6 f.] klar, dass „im wesentlichen zwei Konstellationen“, nämlich der Fall von Handlung und Erfolgseintritt im Inland sowie der von Handlung im Inland mit Erfolgseintritt im Ausland, „im Mittelpunkt der Betrachtung“ stehen sollen) gelten soll. 70 LK11-Gribbohm, Vor § 3 Rn. 163.

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B. Herkömmliche Auffassungen

eine Gleichstellung ausländischer Rechtsgutsträger gar nicht, so dass nicht einleuchtend ist, warum die Verletzung ausländischer Individualrechtsgüter auch im Falle einer Auslandstat „jedenfalls tatbestandsmäßig“ sein soll, selbst wenn die Voraussetzungen der §§ 3 – 7 nicht erfüllt sind. Diese Feststellung lässt bereits die Vermutung zu, dass die „Schutzbereichsfrage“ je nachdem, nach welcher Regel der §§ 3 – 7 das deutsche Strafrecht Anwendung findet, unterschiedlich zu beantworten ist. Die Prämisse, die Schutzbereichsfrage sei ausschließlich eine solche der Auslegung der einzelnen Tatbestände und von den Regeln der §§ 3 – 7 unabhängig, wäre dann ungültig.71 Nach Ansicht Obermüllers ist zur Begründung des Einschlusses ausländischer Individualrechtsgüter in den Schutzbereich der entsprechenden deutschen Tatbestände ein Rückgriff auf Regeln des Völkergewohnheitsrechts gar nicht notwendig. Der Einschluss ergebe sich nämlich bereits aus der deutschen Verfassung selbst und aus Gründen der Verpflichtung des deutschen Gesetzgebers zum Erhalt und zur Sicherung der eigenen Rechtsordnung.72 Die „Jedermannsrechte“ des deutschen Grundgesetzes (insbes. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 und Art. 14), die auch für Ausländer gelten, enthielten nämlich für ihren jeweiligen Sachbereich bereits absolute Gleichstellungsgebote, so dass bezüglich der entsprechenden Individualrechtsgüter schon aufgrund von Verfassungsrecht die Gleichbehandlung von Inund Ausländern zwingend geboten sei.73 Zudem sei es erforderlich, dass der Staat jedweden Angriff auf Individualrechtsgüter, mindestens innerhalb seines Territoriums und unabhängig von der Nationalität seines Trägers, verfolge, um dem Strafzweck der positiven Generalprävention zu genügen. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Schutz- und Sicherungsfunktion der Rechtsordnung schwinde nämlich gleichermaßen, wenn eine Tat an einem Inländer straflos verübt werde, wie wenn sie an einem Ausländer verübt werde. Ansonsten würden die Wertvorstellungen der Bürger ausgehöhlt und die Ausländer würden gezwungenermaßen zu Selbsthilfe greifen; schon zum Erhalt und zur Sicherung der eigenen Rechtsordnung sei also die Einbeziehung ausländischer Individualrechtsgüter in den Schutzbereich der deutschen Straftatbestände zwingend geboten.74

71 Zweifelnd schon Forkel, S. 105 f.: Es bestünden Bedenken gegen einen „logischen“ Vorrang der Frage nach dem Schutzbereich, weil eine Sinn gebende Interpretation des Gesetzes den Schutzbereich gerade nicht ohne Blick auf die geltungsbereichsrechtlichen Bestimmungen ermitteln könne. 72 Obermüller, S. 60 ff. 73 Obermüller, S. 61 f.; ebenso M. Vormbaum, S. 11 f. Auf Art. 3 Abs. 1, Abs. 3 GG verweist OLG Karlsruhe JR 1978, 379, 381: Mit dem Gleichheitsgrundsatz wäre es nicht vereinbar, wenn man § 170 b (a. F.) nur wegen des ausländischen Wohnsitzes des Unterhaltsberechtigten und seiner fremden Staatsangehörigkeit für unanwendbar erklären würde; dagegen aber Oehler, JR 1978, 381, 384. 74 Obermüller, S. 62 f.

II. Kein Schutz ausländischer Hoheitsinteressen

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2. Tatbestände mit doppeltem Schutzzweck Schon für problematischer wird die Anwendbarkeit derjenigen Tatbestände befunden, die nicht ausschließlich, sondern nur neben einem Allgemeinrechtsgut ein Individualrechtsgut schützen. Soll es für die Erfüllung des Tatbestandes ausreichen, dass – außer einem ausländischen Allgemeinrechtsgut – auch ein ausländisches Individualrechtsgut geschädigt wird? Wohl überwiegend wird diese Frage bejaht: Der betreffende Tatbestand müsse nicht ausschließlich, sondern nur zusätzlich Individualrechtsgüter schützen.75 Meist wird dabei einschränkend gefordert, dass es sich insofern um einen eigenständigen Schutzzweck handelt und nicht um einen (nur tatsächlichen) Schutzreflex, denn nur im ersten Fall sei eine Verletzung individueller Interessen tatbestandsmäßig.76 Teilweise wird auch verlangt, dass der Tatbestand Individualrechtsgüter unmittelbar (mit-)schützt; die bloß mittelbare Beeinträchtigung von Individualinteressen durch die Verletzung eines ausländischen Allgemeinrechtsguts reiche dagegen für die Tatbestandserfüllung nicht aus.77 Eine noch weitergehende Einschränkung befürwortet Obermüller: Nur, wenn durch den Tatbestand neben dem Allgemeinrechtsgut ein Individualrechtsgut unmittelbar und gleichberechtigt geschützt sei, sei er auch bei Verletzung nur ausländischer Interessen erfüllt.78

II. Kein Schutz ausländischer Hoheitsinteressen 1. Ausschluss ausländischer staatlicher Rechtsgüter Ebenfalls weitgehend unstreitig ist der Bereich der Tatbestände, die dem Schutz von „staatlichen“ Rechtsgütern dienen: Sie sollen grundsätzlich keine Anwendung finden, wenn nur ein entsprechendes ausländisches Rechtsgut verletzt wird.79 Die 75 MüKo-Ambos, Vor §§ 3 – 7 Rn. 87; ders., Internationales Strafrecht § 1 Rn. 38; Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 3 – 7 Rn. 15; SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 33; BGHSt 21, 277, 280 f. (für § 1 StVO bejahend); OLG Düsseldorf NJW 1982, 1242, 1243 (für § 145d verneinend, für §§ 164 und 153 ff. – obiter dictum – bejahend); OLG Karlsruhe NJW 1985, 2905 (für § 316 bejahend); OLG Celle JR 2002, 33 f. (für § 125 bejahend); Schlüchter, FS Oehler, 307, 314 ff.; Obermüller, S. 195. 76 LK11-Gribbohm, Vor § 3 Rn. 179; LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 275; MüKo-Ambos, Vor §§ 3 – 7 Rn. 87; ders., Internationales Strafrecht § 1 Rn. 38. 77 Schlüchter, FS Oehler, 307, 316; insofern zweifelnd MüKo-Ambos, Vor §§ 3 – 7 Rn. 87 f. 78 Obermüller, S. 195 ff.; so (dies für § 125 bejahend) auch OLG Celle JR 2002, 33 f. Kritisch zur Argumentation Obermüllers, auf die sich das OLG beruft, aber zu Recht Hoyer, JR 2002, 34, 35. 79 BGHSt 22, 282, 285; 29, 85, 88 f.; BayObLG NJW 1980, 1057; OLG Düsseldorf NJW 1982, 1242 f.; OLG Köln StV 1982, 471; OLG Hamm JZ 1960, 576; SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 34; ders., JR 2002, 34, 35 f.; Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 3 – 7 Rn. 15; Jescheck / Weigend, § 18 III 8; LK11-Gribbohm, Vor § 3 Rn. 164; LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 277; Hecker, Europäisches Strafrecht § 2 Rn. 6; MüKo-Ambos, Vor §§ 3 – 7 Rn. 84; ders., Inter-

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interne Staatsgewalt könne nicht dazu berufen sein, ausländische Staatseinrichtungen und deren Belange zu schützen;80 in der Regel seien staatliche Interessen ausländischer Hoheitsträger ganz eng mit den Eigenarten der jeweiligen nationalen Rechtsordnung verbunden.81 Bei zahlreichen Tatbeständen ergebe sich schon aus dem Wortlaut, dass sie ausschließlich deutsche staatliche Interessen schützen,82 so insbesondere bei den Staatsschutzdelikten der §§ 80 ff.83 oder den an den Amtsträgerbegriff des § 11 Abs. 1 Nr. 2 gekoppelten Delikten (etwa § 113).84 Aber auch bei anderen, im Wortlaut nicht so eindeutigen Straftatbeständen, die den Schutz staatlicher Souveränität und Hoheitsgewalt oder staatlicher Verwaltungs- und Fiskalinteressen bezwecken, ist man sich einig:85 Sie seien ausschließnationales Strafrecht § 1 Rn. 34; Krapp, S. 79; NK-Lemke, Vor §§ 3 – 7 Rn. 31; Liebelt, GA 1994, 20, 28; Fischer, Vor §§ 3 – 7 Rn. 10; Satzger, Internationales Strafrecht § 6 Rn. 1 (der für hoheitliche Interessen der EG allerdings eine Ausnahme macht, vgl. a. a. O. § 8 Rn. 107 ff.); Bottke, JR 1983, 76; Oehler, Internationales Strafrecht Rn. 233, 778; ders., JR 1978, 381, 382; Schlüchter, FS Oehler, 307, 311; Schröder, JZ 1968, 241, 244 f.; Schroeder, JZ 1974, 113, 115; ders., NStZ 1993, 216, 217; Vogler, NJW 1977, 1866, 1867; ders., Geburtstagsgabe Grützner, 149, 150 f.; A. Schmitz, S. 139; in der Tendenz auch Günther-Nicolay, S. 120, 122 f. W. Nachw. bei Obermüller, S. 69 m. Fn. 4. A. A. noch RGSt 8, 53, 55 f. Zweifelnd auch Kielwein, GA 1954, 211, 215 f.: Eine „übernationale Verpflichtung“ des deutschen Staates zum Schutze nicht spezifisch deutscher, unsere eigene Souveränität berührender Rechte bestehe vielfach auch im Bereich der „politischen“ Verbrechen. Kritisch weiterhin v. Weber, Festgabe v. Frank Bd. 2, 269, 282 f.: Für die Annahme der h. M., im Bereich spezifisch staatlicher Interessen genössen ausländische Rechtsgüter keinen Schutz, spreche nicht einmal eine Vermutung (a. a. O. S. 284 hält der Autor es allerdings beim seinerzeitigen Stand der staatlichen Beziehungen dann doch für „grundsätzlich nicht gerechtfertigt, der staatlichen Ordnung anderer Staaten inländischen Strafschutz zu gewähren“). Der h. M. gegenüber in neuerer Zeit kritisch Möhrenschlager, Internationalisierung des materiellen Strafrechts, in: Beiträge zum X. Kongress der Vereinten Nationen in Wien, Österreich, vom 10. bis 17. April 2000, S. 26, 27: Die Auffassung, bei „neutral“ abgefassten Strafnormen zum Schutze von Rechtsgütern des Staates oder der Allgemeinheit sei eine Ausdehnung auf ausländische Rechtsgüter abzulehnen, gehe zu weit. So für die heutige Zeit tendenziell auch Satzger, Internationales Strafrecht § 6 Rn. 1: In einer zunehmend verwobenen und globalisierten Welt erfahre der Ansatz, ausländische öffentliche Rechtsgüter generell vom Schutzbereich deutscher Straftatbestände auszunehmen, „zunehmend Durchbrechungen“. 80 Oehler, FS Metzger, 83, 98; Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 3 – 7 Rn. 16 f.; LKWerle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 277 m. w. N. 81 Oehler, Internationales Strafrecht Rn. 233, 778 f.; ders., JR 1980, 485; MüKo-Ambos, Vor §§ 3 – 7 Rn. 84; ders., Internationales Strafrecht § 1 Rn. 34. 82 LK11-Gribbohm, Vor § 3 Rn. 166; LK-Werle / Jeßberger, Vor § Rn. 294 f. mit zahlr. Beispielen. 83 Obermüller, S. 69 f., der unterstützend die Existenz der §§ 102 ff. anführt, die sich speziell mit „Straftaten gegen ausländische Staaten“ befassen; ebenso Schröder, NJW 1968, 283. 84 Oehler, Internationales Strafrecht Rn. 778; Obermüller, S. 69 f.; Samson, StV 1992, 141, 142. Zu § 113 vgl. auch Gössel, FS Oehler, 97, 107 sowie OLG Hamm JZ 1960, 576 (m. zust. Anm. Schröder) mit Verweis auf die Definition des Merkmals „Beamter“ in § 359 a. F. Zur Beschränkung des § 107a auf Wahlen der Bundesrepublik durch § 108d Samson, StV 1992, 141, 142. Weitere Beispiele bei LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 295. 85 Obermüller, S. 69.

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lich zum Schutz inländischer Rechtsgüter berufen und fänden also keine Anwendung, wenn sich die Tathandlungen gegen Rechtsgüter ausländischer Staaten richten. In diesen Fällen ergebe sich diese Beschränkung aus dem Sinn und Zweck der jeweiligen Norm, „wie er sich dem Straftatbestand bei Anwendung der anerkannten Auslegungsmethoden entnehmen lässt86“. So ist etwa anerkannt, dass die Zollund Steuerstraftatbestände ausschließlich die deutsche, nicht aber die ausländische Finanzhoheit schützen.87 Der BGH macht eine entsprechende Einschränkung etwa für die Straftatbestände der Bildung krimineller oder terroristischer Vereinigungen (§§ 129, 129a)88 und für das Vortäuschen einer Straftat (§ 145d)89. Auch für die Strafvereitelung (§ 258) wird eine Beschränkung auf die inländische Rechtspflege angenommen.90 Der Tatbestand der Gefangenenbefreiung (§ 120) soll nur das besondere öffentliche Gewaltverhältnis schützen, in dem der Gefangene sich gegenüber deutschen Behörden befindet.91 Trotz der grundsätzlichen Beschränkung des deutschen Strafrechts auf den Schutz deutscher staatlicher Interessen sei, davon wird einheitlich und ohne Bedenken ausgegangen, der Gesetzgeber aber befugt, den Schutzbereich einzelner Tatbestände ausdrücklich auf ausländische staatliche Rechtsgüter auszudehnen.92 In 86 LK11-Gribbohm, Vor § 3 Rn. 176, der dies dann allerdings nicht näher ausführt, sondern sich auf eine Aufzählung der Delikte beschränkt, bei denen das der Fall sei; übereinstimmend jetzt LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 296 ff. 87 RGSt 14, 124, 128 ff. (zusätzlich feststellend, dass im Fall der Hinterziehung ausländischer Zölle daher auch eine Bestrafung aus § 263 nicht in Betracht komme); OLG Hamburg NJW 1964, 935, 937; BayObLG NJW 1980, 1057, LK11-Gribbohm, Vor § 3 Rn. 177; Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 3 – 7 Rn. 18; Franzen / Gast / Joecks-Joecks, § 369 AO Rn. 33; Oehler, Internationales Strafrecht Rn. 786; ders., JR 1980, 485, 486; Gössel, FS Oehler, 97, 106; Obermüller, S. 70 f. m. Fn. 14, der in systematischer Hinsicht für § 370 AO unterstützend anführt, dessen Abs. 6 beziehe den Tatbestand auch auf Abgaben der EG, was er nicht müsste, wenn er per se auch ausländische Rechtsgüter umfassen würde. 88 BGHSt 30, 328, 331; zustimmend Oehler, Internationales Strafrecht Rn. 781. Seit Einführung des § 129b (der Vereinigungen im Ausland ausdrücklich in den Anwendungsbereich der §§ 129, 129a einbezieht) durch das 34. Strafrechtsänderungsgesetz vom 30. 08. 2002 wird allerdings eine Erstreckung des Schutzbereiches dieser Vorschriften auf ausländische Rechtsgüter angenommen; vgl. dazu Altvater, NStZ 2003, 179, 183. 89 BGH NStZ 1984, 360 = JR 1983, 75 m. zust. Anm. Bottke; ebenso OLG Düsseldorf NJW 1982, 1242 f. und Oehler, Internationales Strafrecht Rn. 237, 781; LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 297; Samson, StV 1992, 141, 142; Gössel, FS Oehler, 97, 106 f. 90 BGH StV 2000, 422; LK-Werle / Jeßberger, Vor § Rn. 297; MüKo-Ambos, Vor §§ 3 – 7 Rn. 84. 91 Etwa Vogler, NJW 1977, 1866, 1867. Zahlreiche weitere Tatbestände, deren Schutzbereich ausländische Rechtsgüter nicht umfassen soll, finden sich bei LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 297 ff. und Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 3 – 7 Rn. 18. 92 Lüttger, FS Jescheck, 121, 176 f.; LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 278; NK-Lemke, Vor §§ 3 – 7 Rn. 32; Fischer, Vor §§ 3 – 7 Rn. 5; Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 3 – 7 Rn. 17, 21; Krapp, S. 79; Obermüller, S. 69 m. Fn. 4, 192 f.; Möhrenschlager, in: Wabnitz / Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 3. Kapitel Rn. 12 ff.; Schröder, JZ 1968, 241, 244 f.; OLG Hamm JZ 1960, 576; A. Schmitz, S. 139.

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der Regel geschehe dies aufgrund oder im Zusammenhang mit einer völkerrechtlichen Verpflichtung93 und sei etwa für die Geld- und Wertzeichenfälschung (§§ 146 ff.) durch § 152 erfolgt94, für die Bestechungsdelikte durch die Ausdehnung des Amtsträgerbegriffs auf ausländische Amtsträger durch EUBestG95 sowie IntBestG96 vom 10. 09. 199897 und für bestimmte Staatsschutztatbestände (etwa §§ 93 ff., 109d ff., 113 ff.) durch Art. 7 des Vierten Strafrechtsänderungsgesetzes98 zugunsten der NATO-Vertragspartner99. Eine Erstreckung auf Rechtsgüter der EG ergibt sich für den Subventionsbetrug aus § 264 Abs. 7 Nr. 2, für Steuerhinterziehung und Steuerhehlerei aus § 370 Abs. 6 bzw. § 374 Abs. 2 AO.100 Darüber hinaus seien auf EU-Ebene „zumindest die Tatbestände, die dem finanziellen Schutz der Vermögensinteressen der EU dienen, also insbesondere die Vermögensdelikte, von den Gerichten der Mitgliedstaaten zu eben diesem Schutz anzuwenden101“. Dies ergebe sich zum einen daraus, dass jeder Mitgliedstaat verpflichtet sei, das EU-Vermögen zu schützen, zum anderen überspanne der Schutz der Vermögensinteressen der EU als „transnationales Rechtsgut“ alle Mitgliedstaaten.102

LK11-Gribbohm Vor § 3 Rn. 178; vgl. auch MüKo-Ambos, Vor §§ 3 – 7 Rn. 85; ders., Internationales Strafrecht § 1 Rn. 35 und Ziegenhain, S. 63 f. 94 Oehler, Internationales Strafrecht Rn. 238, 792; Lüttger, FS Jescheck, 121, 173 ff.; Möhrenschlager, in: Wabnitz / Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 3. Kapitel Rn. 12; LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 278 f.; vgl. auch schon v. Weber, Festgabe v. Frank Bd. 2, 269 f. (für den Tatbestand der Falschmünzerei und Münzfälschung in § 146 a. F., der die Ausdehnung auf ausländisches Geld selbst enthielt). 95 EU-Bestechungs-Gesetz (Gesetz zu dem Protokoll v. 27. 9. 1996 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften) v. 10. 9. 1998, BGBl. II, S. 2340. 96 Gesetz zu dem Übereinkommen v. 17. 12. 1997 über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr v. 10. 9. 1998, BGBl. II, S. 2327. 97 Vgl. etwa Möhrenschlager, in: Wabnitz / Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 3. Kapitel Rn. 24 und Obermüller, S. 69. 98 BGBl. I 1957, S. 597. 99 LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 279; MüKo-Ambos, Vor §§ 3 – 7 Rn. 85; für § 93 ff. auch BGHSt 32, 104, 107 ff.; weitere Beispiele bei LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 279, 284 und 287 ff.; Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 3 – 7 Rn. 21. 100 LK11-Gribbohm, Vor § 3 Rn. 178. 101 MüKo-Ambos, Vor §§ 3 – 7 Rn. 85 m. w. N. Noch weiter Satzger, Internationales Strafrecht § 8 Rn. 106: Auch bezüglich hoheitlicher Interessen der EU treffe den Richter eine Pflicht zu gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung und damit zur Anwendung im Wortlaut neutraler Tatbestände bei Beeinträchtigung solcher Interessen; vgl. dazu näher unten D. II. 3. a). 102 MüKo-Ambos, Vor §§ 3 – 7 Rn. 85. 93

II. Kein Schutz ausländischer Hoheitsinteressen

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2. Begründungsansätze a) Strafrecht als „innerstaatliches Ordnungsrecht“ Die Auffassung, dass der Schutzbereich deutscher Straftatbestände zum Schutz staatlicher Interessen – in Ermangelung einer ausdrücklichen Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter – auf solche der Bundesrepublik beschränkt sei, wird selten ausführlich begründet. In der Rechtsprechung wird wiederholt auf die Formel zurückgegriffen, das deutsche Strafrecht sei als „innerstaatliches Ordnungsrecht“ in erster Linie zum Schutz inländischer Belange und nicht dazu berufen, ausländische Staatseinrichtungen und deren Interessen zu schützen.103 Oehler betont die enge Verbindung staatlicher Interessen mit der jeweiligen nationalen Rechtsordnung und die mangelnde Vergleichbarkeit ausländischer mit deutschen staatlichen Einrichtungen:104 Beispielsweise könnten „unmöglich die deutschen Hochverratsbestimmungen [ . . . ], die Bestimmungen über Straftaten gegen Verfassungsorgane usw. auf Auslandstaten von Deutschen gegen fremde Staaten angewendet werden, weil sie Einrichtungen voraussetzen, die im fremden Staat nicht – jedenfalls nicht in vergleichbarer Weise – vorhanden sind105“. Die betreffenden Bestimmungen seien so von den deutschen Verhältnissen abhängig, dass ihre Anwendung auf die Auslandstat einen anderen Sinn und Gehalt bekäme.106 b) Einmischung in fremde Souveränität Darüber hinaus stelle die Bestrafung einer solchen Tat eine Einmischung in fremde Souveränität dar, die sich der andere Staat verbieten könne.107 Diese Sorge ist auch in der Rechtssprechung ausgedrückt worden: Nach Ansicht des BGH kann 103 BGHSt 22, 282, 285; 29, 85, 88; BGH NStZ 1984, 360; OLG Karlsruhe JR 1978, 379, 380; OLG Düsseldorf NJW 1982, 1242, 1243; zust. Haft / Schwoerer, FS Weber, 367, 368 („Grundsatz“, dass das deutsche Strafrecht nur deutsche Rechtsgüter schützt). Schröder, JZ 1968, 241, 245 erwägt demgegenüber, ob gerade die „Ordnungsfunktion, die das Strafrecht im innerstaatlichen Bereich neben dem Rechtsgüterschutz zu erfüllen“ habe, eine Begründung dafür darstellen könnte, bei Inlandstaten nicht danach zu fragen, ob das verletzte Rechtsgut „dem inländischen oder einem ausländischen Schutzbereich angehört“, verwirft diesen Gedanken aber schnell (vgl. dazu näher unten Fn. 292). Kritisch zur Argumentation der Rechtsprechung Möhrenschlager, Internationalisierung des materiellen Strafrechts, in: Beiträge zum X. Kongress der Vereinten Nationen in Wien, Österreich, vom 10. bis 17. April 2000, S. 26: Aufgabe und Funktion der innerstaatlichen Strafgewalt unterlägen im Zeichen der Internationalisierung von Verbrechen und ihrer Bekämpfung Veränderungen. 104 Oehler, Internationales Strafrecht, Rn. 233, 779. 105 Oehler, Internationales Strafrecht Rn. 779. 106 Oehler, Internationales Strafrecht Rn. 779. 107 Oehler, Internationales Strafrecht Rn. 779; Bottke, JR 1983, 76; Günther-Nicolay, S. 287 f.; vgl. auch Ziegenhain, S. 62: „Gesichtspunkt der verbotenen Einmischung in die inneren Angelegenheiten“ eines fremden Staates; ebenso Ambos, Internationales Strafrecht § 1 Rn. 34.

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B. Herkömmliche Auffassungen

es nicht Aufgabe des deutschen Strafrechts sein, ausländische Staaten gegen Angriffe auf ihre Staatsgewalt und Souveränität zu schützen, weil das „womöglich zu Eingriffen in innenpolitische Auseinandersetzungen und zur Einmischung in die inneren Angelegenheiten fremder Staaten führen kann108“. Das wird allerdings nicht von allen so beurteilt. Nowakowski etwa hält die Einbeziehung ausländischer Rechtgüter in den Schutzbereich des inländischen Rechts für weder völkerrechtlich noch staatsrechtlich verboten.109 Auch Lüttger ist der Meinung, ein völkerrechtliches Verbot, ausländische öffentliche Rechtsgüter in den tatbestandlichen Schutzbereich des inländischen Strafrechts einzubeziehen, existiere nicht.110 Es sei anzunehmen, dass der Gedanke der unzulässigen Einmischung in die fremde Souveränität dem internationalen Strafrecht (im Sinne von Strafanwendungsrecht) entsprungen sei, in dem die Entscheidung eines Staates, wie weit sein eigener Strafanspruch reichen soll, durch entgegenstehendes Völkerrecht beschränkt sei, wenn ein sinnvoller (inlandsbezogener) Anknüpfungspunkt nicht existiere.111 Es sei jedoch „nicht einsichtig, was dieses Argument im Rahmen der Diskussion verloren hat, wann und unter welchen Voraussetzungen fremde (staatliche) Rechtsgüter in den Schutzbereich deutscher Straftatbestände einbezogen sein sollen112“. Der fremde Staat werde vielmehr kaum etwas dagegen haben, dass sein eigenes Strafrecht von jenseits der Grenzen her gedeckt und unterstützt werde.113 Noch krasser formuliert Obermüller: Es liege die Annahme nahe, dass jeder Staat dankbar sei, wenn sein Bestand so auch von außen abgesichert werde. In den Augen des fremden Staates müsse eher die Nichtbestrafung eines Deutschen, der dort dessen Rechtsgüter beeinträchtigt, als Eingriff in seine Souveränität erscheinen als eine Bestrafung auf Grundlage eines entsprechend weiten Schutzbereichs der betreffenden deutschen Strafnorm.114

c) Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG bzw. nicht dem Richter zu überlassende Entscheidung Obermüller selbst zieht zur Begründung des Ausschlusses ausländischer Allgemeinrechtsgüter (und damit auch öffentlicher Rechtsgüter) aus dem Schutzbereich deutscher Straftatbestände den Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG 108 BGHSt 22, 282, 285; s. auch BGHSt 29, 85, 89: Strafrechtliche Sanktionen mit dem Ziel, die fiskalischen Belange anderer Staaten vor Beeinträchtigungen durch deren Angehörige zu bewahren, könnten als Einmischung in die inneren Angelegenheiten dieser Staaten und als Verletzung fremder Staatshoheit angesehen werden. 109 Nowakowski, JZ 1971, 633, 634. 110 Lüttger, FS Jescheck, 121, 135. 111 Lüttger, FS Jescheck, 121, 135; auch Obermüller, S. 123 f. 112 Obermüller, S. 124; auch schon Lüttger, FS Jescheck, 121, 135: Hier stehe nicht der internationale Geltungsbereich des nationalen Strafrechts, sondern der tatbestandliche Schutzbereich von Strafnormen in Rede. 113 Lüttger, FS Jescheck, 121, 135. 114 Obermüller, S. 124.

III. Schutz ausländischer Kollektivrechtsgüter?

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heran: „Neutral“ verfasste Tatbestände bezögen keine Stellung dazu, ob sie auch ausländische Allgemeinrechtsgüter miteinbezogen wissen wollten, und alle verwendeten Abgrenzungskriterien hätten bestenfalls spekulativen Charakter. Die Unterlegung mit einem nicht nachzuweisenden, strafbarkeitserweiternden Gesetzeszweck bedeute aber verbotene Analogie, so dass man ausländische Allgemeinrechtsgüter grundsätzlich als von deutschen Tatbeständen nicht geschützt ansehen müsse.115 Mit gleichem Ausgangspunkt – die Tatbestände seien diesbezüglich „neutral“ formuliert – wird teilweise auch argumentiert, ein genereller Schutz fremder Staatstätigkeit komme nicht in Betracht, weil dieser vom Vertrauen in die Integrität der fraglichen Staatstätigkeit gestützt sein müsse. Ob Einrichtungen eines fremden Staates derart beschaffen seien, dass man sie mit den Mitteln des deutschen Strafrechts schützen sollte, sei aber eine Entscheidung mit möglicherweise auch außenpolitischer Bedeutung, die nicht dem Richter überlassen werden könne.116

III. Schutz ausländischer Kollektivrechtsgüter? Während man sich über die Erstreckung des Schutzbereichs deutscher Tatbestände auf ausländische Individualrechtsgüter auf der einen Seite, seiner Nichterstreckung auf ausländische staatliche Rechtsgüter auf der anderen Seite recht einig ist,117 ist der Bereich der Kollektivrechtsgüter, also der Bereich der Tatbestände, die gesellschaftliche Institutionen schützen, noch recht ungeklärt, wie unter anderem die einführenden Rechtsprechungsbeispiele zu § 265 einerseits und § 265b andererseits (s. oben A. I.) zeigen.

1. Abgrenzungsfragen Ursache der generellen Unsicherheit in diesem Bereich wird nicht zuletzt die Tatsache sein, dass die Kategorie der „Kollektivrechtsgüter“ unscharf ist. Die AbObermüller, S. 191 f.; zu dieser Argumentation näher unten III. 2. c). Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 3 – 7 Rn. 17; Schröder, JZ 1968, 241, 244; vgl. auch schon ders., JZ 1960, 578 (eine Rechtsordnung könne die „scharfe Waffe des § 113“ nur dort einsetzen, wo sie selbst die Garantie für die Rechtsmäßigkeit der Amtsausübung übernehmen könne); SK3-Samson, § 3 Rn. 13; SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 34; Ambos, Internationales Strafrecht § 1 Rn. 34; im Hinblick auf den Schutz staatlicher Rechtspflege weiterhin LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 301; vgl. auch schon RGSt 14, 124, 128 f.: Eine prinzipielle und generelle Verpflichtung, der Zollgesetzgebung des Auslandes deutschen Strafrechtsschutz angedeihen zu lassen, könne auch deshalb nicht anerkannt werden, weil die ausländische Zollgesetzgebung vielfach den Interessen Deutschlands direkt zuwider laufen könne. 117 Anders noch v. Weber, Festgabe v. Frank Bd. 2, 269, 282 f.: Es gebe keinen „Satz“ in diesem Sinne; vielmehr sei bei staatlichen ebenso wie bei Individualrechtsgütern stets auf die Bewertung zurückzugreifen, die dem ausländischen Rechtsgut vom inländischen Staate aus zuteil wird. 115 116

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B. Herkömmliche Auffassungen

grenzung staatlicher von gesellschaftlichen Institutionen dürfte insbesondere bei einem demokratischen Staatsverständnis teilweise schwierig sein. Bisweilen wird – vielleicht aus diesem Grund – innerhalb der Gruppe der Allgemeinrechtsgüter zwischen gesellschaftlichen und staatlichen Rechtsgütern nicht unterschieden oder zumindest der Unterscheidung keine Bedeutung für die „Schutzbereichsfrage“ zugemessen. Auf der anderen Seite wird häufig auf den „Individualbezug“ kollektiver Rechtsgüter hingewiesen118 und davor gewarnt, solche zu hypostasieren, wo in Wahrheit der Gesetzgeber schlicht die Gefährdung individueller Belange schon weit im Vorfeld ihrer Verletzung unter Strafe gestellt hat.119 Auf der Basis der Vorstellung, ausländische Individualrechtsgüter würden von den deutschen Straftatbeständen stets, staatliche Interessen ausländischer Hoheitsträger andererseits grundsätzlich nicht erfasst, führen die unsicheren Verhältnisse bei der Kategorie der kollektiven Rechtsgüter notwendigerweise je nach Sichtweise zu gegensätzlichen Ergebnissen. Obermüller differenziert zunächst explizit zwischen Rechtsgütern, die dem Bestand und dem Funktionieren des Staates dienen, und solchen, die der Gesellschaft zugeordnet sind; letztere stünden im Vordergrund seiner Untersuchung.120 In die Gruppe der Rechtsgüter, „die der Bestandserhaltung und dem Funktionieren der Gesellschaft“ zu dienen bestimmt sind, ordnet Obermüller allerdings auch einige „staatliche“ Rechtsgüter ein, wie etwa die Rechtspflege – eine staatliche Funktion – als Rechtsgut der Aussagedelikte. Diese seien zwar keine Kollektivrechtsgüter „im eigentlichen Sinne“, wie etwa das Funktionieren der Versicherungswirtschaft als Rechtsgut des § 265. Die verschiedenen Gruppen von Allgemeinrechtsgütern seien aber ohnehin nicht scharf voneinander abgrenzbar und würden auch die gleichen Probleme aufwerfen, so dass sie gemeinsam behandelt werden könnten.121 Andere Autoren nehmen eine Abgrenzung staatlicher von gesellschaftlichen Rechtsgütern gar nicht vor bzw. halten sie offensichtlich für die Schutzbereichsfrage für bedeutungslos. So weist etwa Lüttger zwar darauf hin, dass man in der Gruppe der (von ihm so genannten „öffentlichen“) Allgemeinrechtsgüter zwischen Vgl. etwa Hefendehl, S. 82, s. schon oben Fn. 44. Vgl. etwa Roxin, AT I § 2 Rn. 10. 120 Obermüller, S. 42 m. Fn. 193. 121 Obermüller, S. 68 m. Fn. 2. Unklar bleibt, ob der Autor mit den „beiden“ nicht scharf voneinander abgrenzbaren Gruppen Rechtsgüter des Staates einerseits und Rechtsgüter der Gesellschaft (also Kollektivrechtsgüter „im eigentlichen Sinne“) andererseits meint, oder ob er sich auf solche Rechtsgüter, die „dem eigentlichen Staatsschutz“ zu dienen bestimmt sind einerseits und Rechtsgüter, die der Bestandserhaltung und dem Funktionieren der Gesellschaft zu dienen bestimmt sind, andererseits bezieht. Der Verweis auf Lüttger, FS Jescheck, 121, 153 m. Fn. 151, der dort auf die schwierige Abgrenzbarkeit „staatlicher“ Rechtsgüter von den „überstaatlichen Gemeinschaftswerten“ hinweist, lässt Ersteres vermuten. Allerdings meint Obermüller wohl eher Letzteres: Im Folgenden behandelt er nämlich „spezifische Rechtsgüter des Staates“ gesondert und behandelt sodann in seiner Untersuchung der „Kollektivrechtsgüter i. w. S.“ auch etwa die §§ 153 ff. 118 119

III. Schutz ausländischer Kollektivrechtsgüter?

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staatlichen Rechtsgütern und „überstaatlichen Gemeinschaftswerten“ (die er auch als „Rechtsgüter der Allgemeinheit“ bezeichnet) differenzieren könne.122 In seiner Argumentation hinsichtlich der Schutzbereichsfrage unterscheidet Lüttger allerdings nur zwischen Individualrechtsgütern einerseits und – ganz allgemein – „öffentlichen“ Rechtsgütern andererseits;123 für letztere nimmt er, wenn die entsprechenden Straftatbestände „neutral“ abgefasst sind, generell an, sie seien von deren Schutzbereich als ausländische nicht mitumfasst.124 Gribbohm erwähnt die Kategorie der kollektiven Rechtsgüter gar nicht ausdrücklich. Er trifft die grundsätzliche Feststellung, Individualrechtsgüter seien stets, staatliche Rechtsgüter dagegen nur bei besonderer gesetzgeberischer Anordnung vom Schutzbereich deutscher Tatbestände erfasst.125 Darüber hinaus befasst sich der Autor mit Tatbeständen, die außer staatlichen Interessen zugleich ein persönliches Rechtsgut schützen und differenziert hier danach, ob es sich dabei um einen eigenständigen Schutzzweck oder einen bloß tatsächlichen Schutzreflex handelt.126 Im Hinblick darauf untersucht er etwa falsche uneidliche Aussage und Meineid (§§ 153 ff.) und stellt fest, dass diese grundsätzlich nur dem Schutz der deutschen staatlichen Rechtspflege dienen und daher auf Aussagen vor ausländischen Gerichten unanwendbar sind.127 Auch die Verletzung der Unterhaltspflicht (§ 170b a. F., § 170 n. F.) diskutiert Gribbohm in diesem Zusammenhang und gelangt zu dem Ergebnis, der Schutz der deutschen Allgemeinheit vor ungerechtfertigter Inanspruchnahme könne nicht „auf die ausländische öffentliche Hand“ ausgedehnt werden.128 Im Gegensatz zu Obermüller, der die Rechtsgüter der genannten Tatbestände dem Bereich der „Kollektivrechtsgüter i. w. S.“ zuschlägt,129 scheint Gribbohm sie also als (rein) staatliche anzusehen, die als ausländische schon deshalb aus dem Schutzbereich der betreffenden Tatbestände herausfallen. Gribbohm beschäftigt sich allerdings auch mit dem Kreditbetrug (§ 265b) und der Urkundenfälschung (§ 267), Tatbeständen also, die zumindest keine staatlichen Interessen i. e. S. schützen: Mit der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs130 liegt § 267 ein kollektives Rechtsgut zugrunde; betrachtet man die „Funktionsfähigkeit des Kreditwesens“ – wie offenbar Gribbohm es tut – als von § 265b geschütztes Rechtsgut,131 geht es auch bei diesem Tatbestand nicht um ein „staatLüttger, FS Jescheck, 121, 152. Lüttger, FS Jescheck, 121, 121 f. und passim; ebenso M. Vormbaum, S. 10 ff. 124 Lüttger, FS Jescheck, 121, 176 f. 125 LK11-Gribbohm, Vor § 3 Rn. 162 ff., 176 ff. 126 LK11-Gribbohm, Vor § 3 Rn. 179 ff.; vgl. zu Tatbeständen mit „doppeltem Schutzzweck“ auch schon oben B. I. 2. 127 LK11-Gribbohm, Vor § 3 Rn. 181. 128 LK11-Gribbohm, Vor § 3 Rn. 189. 129 Obermüller, S. 71 ff., 74, 89. 130 Zum Rechtsgut des § 267 statt vieler Fischer, § 267 Rn. 1 m. w. N. 131 So auch Schönke / Schröder-Lenckner / Perron, § 265 b Rn. 3; LK-Tiedemann, § 265b Rn. 9 ff. (neben Vermögensschutz); noch weiter Lackner / Kühl, § 265b Rn. 1 („Allgemein122 123

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liches“, sondern um ein der Gesellschaft zuzuordnendes Rechtsgut. Ob der Autor die Entscheidung des OLG Stuttgart NStZ 1993, 545 (§ 265b schütze nur die Funktionsfähigkeit des inländischen Kreditwesens) (auch) schon deshalb für verfehlt hält, ausländische Kollektivrechtsgüter also als grundsätzlich von deutschen Straftatbeständen umfasst ansieht, lässt sich seinen Ausführungen132 allerdings nicht entnehmen. Seine Bemerkungen zu den Urkundentatbeständen scheinen in diese Richtung zu gehen: Soweit die Tatbestände (nur) dem Schutz der Urkundenechtheit und -unversehrtheit dienten, sei der Schutz auch von Urkunden mit Auslandsbezug uneingeschränkt zu bejahen. Gehe es zusätzlich um Wahrheitsschutz, wie bei den §§ 271 bis 273, sei allerdings zu beachten, dass „diese Vorschriften nicht nur den allgemeinen Beweisverkehr schützen, sondern auch die staatliche Autorität in der besonderen Ausprägung der Beurkundungsbefugnis öffentlicher Urkundspersonen133“. Auch Ambos differenziert nicht explizit zwischen Rechtsgütern des Staates und solchen der Gesellschaft. Er stellt der Gruppe der Individualrechtsgüter die gesamte Gruppe der „öffentlichen oder Kollektiv / Allgemeinrechtsgüter“ gegenüber und hält diese – mit Verweis auf Obermüller – für grundsätzlich nicht geschützt.134 Allein v. Weber scheint kollektive Rechtsgüter eher der Gruppe der Individualrechtsgüter zuzuschlagen: Auch, wo es sich nicht „um Rechtsgüter bestimmter Individuen, sondern um gesellschaftliche Interessen handelt“, gelte, dass sie auch als ausländische geschützt seien.135

2. Uneinigkeit über den Schutz ausländischer Kollektivrechtsgüter a) Zuordnung zum Bereich der hoheitlichen Interessen bzw. zum Bereich der Individualrechtsgüter Mit dieser Darstellung dürfte schon deutlich geworden sein, dass sich entlang der schwierigen Abgrenzungslinie häufig auch die Erklärungen für die unterschiedlichen Ansichten in Bezug auf die Einbeziehung ausländischer Kollektivrechtsgüter in den Schutzbereich deutscher Straftatbestände bewegen: Dort, wo zwischen „staatlichen“ und „gesellschaftlichen“ Rechtsgütern nicht differenziert wird, beide vielmehr – als zur Gruppe der „Allgemeinrechtsgüter“ gehörend – gemeinsam betrachinteresse an der Verhütung von Gefahren, die der Wirtschaft im ganzen [ . . . ] durch ungerechtfertigte Vergabe von Wirtschaftskrediten erwachsen können“). 132 LK11-Gribbohm, Vor § 3 Rn. 191. 133 LK11-Gribbohm, Vor § 3 Rn. 192. Die Ausführungen Gribbohms insofern vollständig übernehmend LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 274 ff., 301, 307 ff. 134 MüKo-Ambos, Vor §§ 3 – 7 Rn. 86; vgl. auch ders., Internationales Strafrecht § 1 Rn. 34. 135 v. Weber, Festgabe v. Frank Bd. 2, 269, 275 f. Einer Begründung enthält sich der Autor mit dem Hinweis, dies sei auch in der Praxis anerkannt, und einigen Rechtsprechungsnachweisen.

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tet werden, werden sie meist auch pauschal den Individualrechtsgütern gegenübergestellt. Als „Nicht-Individualrechtsgüter“ sieht man sie dann als von den deutschen Straftatbeständen nicht umfasst an.136 Eine gesonderte Begründung für den Ausschluss auch von gesellschaftlichen Rechtsgütern wird nicht gegeben; man bedient sich vielfach der Argumente, die eigentlich auf den Ausschluss staatlicher Rechtgüter zugeschnitten sind,137 beschränkt sich etwa auf die Formel der Rechtsprechung, Strafrecht sei in erster Linie „innerstaatliches Ordnungsrecht“. Das reibungslose Funktionieren ausländischer gesellschaftlicher Institutionen wird offensichtlich dem Bereich der „inneren Ordnung138“ zugeschlagen, zu deren Schutz die interne Staatsgewalt nicht berufen sei. So formuliert etwa H. Schröder, es sei im Grundsatz zutreffend, dass es sich beim Straßenverkehrsrecht lediglich um den Schutz inländischer Rechtsgüter, nämlich „die Ordnung auf den Verkehrswegen der Bundesrepublik“ handele.139 Ebenso wenig, wie „etwa dem Arzneimittelrecht, den Vorschriften über den Verkehr mit Giften oder dem Lebensmittelrecht“ (gemeint sind wohl die entsprechenden Strafbestimmungen140) eine „universelle Geltung“ beigelegt werden könne, könne angenommen werden, „daß das deutsche Verkehrsrecht als ein System von Regeln zur Ordnung des Straßenverkehrs die Aufgabe besitze, einen analogen Verkehrsvorgang zu erfassen, der sich im Ausland abgespielt hat.“ Nur, sofern eine Vorschrift jedenfalls zum Teil auch dem unmittelbaren Schutz anderer Verkehrsteilnehmer diene, also eine konkrete Gefahr für die Interessen des Einzelnen ausdrücklich voraussetze, sei sie auch auf Auslandstaten anwendbar.141 136 So Lüttger, FS Jescheck, 121, 176 f.; NK-Lemke, Vor §§ 3 – 7 Rn. 30 ff. (der für die gesamte Gruppe der hier sogen. Allgemeinrechtsgüter den Begriff „Kollektivrechtsgüter“ verwendet); MüKo-Ambos, Vor §§ 3 – 7 Rn. 86; M. Vormbaum, S. 33 (in Bezug auf außereuropäische Rechtsgüter); auch Haft / Schwoerer, FS Weber, 367, 370 für Universalrechtsgüter, die „von der jeweiligen staatlichen Ordnung abhängig sind“ (zu denen die Autoren aber etwa auch das Rechtsgut des § 265b zählen). Anders allerdings Cornils, Die Fremdrechtsanwendung im Strafrecht insbesondere bei der Auslegung rechtlich-normativer Tatbestandsmerkmale, 1978, S. 2: Der Schutzbereich des inländischen Strafrechts umfasse „alle Individualrechtsgüter der Menschen [ . . . ] sowie ausländische Gemeinschaftsgüter, sofern diese nicht der fremden Staatshoheit selbst zuzuordnen sind“. 137 Übereinstimmend Obermüller, S. 109 f., der allerdings der Meinung ist, die entsprechenden Erwägungen schlügen auch auf die Beurteilung von Fallgestaltungen durch, in deren Mittelpunkt dem Kollektivrechtsgüterschutz dienende Tatbestände stehen, so dass sie als grundlegende, für alle Allgemeinrechtsgüter geltende Erklärungsansätze gelten könnten, eine pauschale Argumentation also ihre Berechtigung habe. 138 NK-Lemke, Vor §§ 3 – 7 Rn. 31. 139 Schröder, NJW 1968, 283, 284. 140 In heutiger Fassung also etwa die §§ 51 f. LMBG und 95 f. Arzneimittelgesetz, als deren Rechtsgut häufig das Kollektivrechtsgut „Volksgesundheit“ genannt wird. – Kritisch zur Konstruktion eines solchen Rechtsguts etwa Roxin, AT I § 2 Rn. 69. 141 Schröder, NJW 1968, 283, 284 f.; Fischer, Vor §§ 3 – 7 Rn. 11 und NK-Lemke, Vor §§ 3 – 7 Rn. 35: Erstreckung deutscher Straßenverkehrsvorschriften auf Verkehrverstöße im Ausland, „soweit (auch) dem Individualschutz dienende Tatbestände (§§ 222, 229, 315 ff., 142) gegeben sind“. Nach OLG Karlsruhe NJW 1985, 2905 ist auch § 316 auf Auslandstaten anwendbar.

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B. Herkömmliche Auffassungen

Ganz gegenteilig hält etwa v. Weber gesellschaftliche Interessen offensichtlich für vergleichbar mit den Rechtsgütern bestimmter Individuen; seine Aussage, auch jene seien als ausländische von deutschen Straftatbeständen geschützt, hält er nicht einmal für begründungsbedürftig.142 Auf dieser Linie bewegt sich auch die Aussage F.-C. Schroeders zu den Urkundsdelikten: Rechtsgut dieser Delikte sei der Rechtsverkehr; dieser aber „ein staatsunabhängiger Gemeinschaftswert, so daß die Ausklammerung fremder staatlicher Interessen aus dem Rechtsgüterschutz nicht zum Zuge kommt143“.

b) Einbeziehung der „allen zivilisierten Rechtsstaaten gemeinsamen Rechtswerte“ in den Schutzbereich deutscher Tatbestände und ähnliche Formeln – keine klare Position der Rechtsprechung Insbesondere die Rechtsprechung differenziert bei der Frage, ob auch die Verletzung eines ausländischen Rechtsguts den Tatbestand einer deutschen Strafnorm erfüllt, häufig nicht danach, welcher „Gruppe“ von Rechtsgütern es zuzuordnen ist.144 Es findet sich vielmehr wiederholt die Formel, die Schutzbereichserstreckung hänge davon ab, ob es sich bei dem betreffenden Rechtsgut um einen „allen zivilisierten Staaten gemeinsamen Rechtswert“ handele145 bzw. um einen Rechtswert, der „ein gemeinsames Anliegen aller zivilisierten Staaten146“ sei.147 Vergleichbar wird insbesondere in der älteren Literatur darauf abgestellt, ob der betreffende Rechtswert „gemeinsames Kulturgut“ ist oder nur „Bestandteil einer positiven fremden Ordnung“;148 das deutsche Strafrecht schütze ausländische v. Weber, Festgabe v. Frank Bd. 2, 269, 275 f. Schroeder, NJW 1990, 1406. Die Interpretation dieser Aussage von Obermüller, S. 83 m. Fn. 72 (Schroeder meine nicht, dass es sich bei diesem Rechtsgut – im Gegensatz zu einem staatlichen Rechtsgut – um ein solches der Allgemeinheit handele, sondern lediglich, dass der Rechtsverkehr nicht mehr als Sache einer Nation betrachtet werden könne) kann ich nicht teilen. 144 Mit Ausnahme der oben unter II. schon dargestellten Äußerungen dahingehend, der Schutz von ausländischen Staaten und deren Interessen sei grundsätzlich nicht Aufgabe des deutschen Strafrechts. 145 So beispielsweise BGHSt 21, 277, 280. Kritisch zu dieser Formel etwa Günther-Nicolay, S. 122. 146 Etwa BGHSt 18, 333, 334. 147 M. Vormbaum, S. 24 f. weist zutreffend darauf hin, dass das in dieser Vorgehensweise zum Ausdruck kommende „Einschlussprinzip“ (Feststellung, wann der Schutz deutscher Tatbestände ausnahmsweise auf ausländische Rechtsgüter zu erweitern sei) im Gegensatz zum in der Literatur überwiegend verfolgten „Ausschlussprinzip“ der eigentlich konsequente Ansatz ist, wenn man mit der h. M. davon ausgeht, das deutsche Strafrecht sei grundsätzlich nur dazu berufen, inländische (Allgemein-)Rechtsgüter zu schützen. 148 Kohlrausch / Lange-Lange (43. Aufl. 1961), § 3 Anm. 2 zu Abs. 1 im Rahmen einer vom Autor geforderten restriktiven Auslegung des Begriffs der „Tat“ in § 3 Abs. 1 a. F. (der das aktive Personalitätsprinzip enthielt). 142 143

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Rechtsgüter nur, sofern es sich um „allgemeine Kulturgüter“ handele, die „inhaltlich mit den entsprechenden inländischen Rechtsgütern übereinstimmen“. 149 Ein solcher Charakter wird Kollektivrechtsgütern zwar nicht grundsätzlich abgesprochen. Reschke etwa kommt mit dieser Sichtweise sogar zu einer recht umfassenden Einbeziehung ausländischer Allgemeinrechtsgüter.150 Der BGH hat mit der Sicherheit des Straßenverkehrs ein Kollektivrechtsgut als solches bezeichnet, das „bereits seit geraumer Zeit nicht mehr als eine Angelegenheit eines einzelnen Landes betrachtet“ werde151 und auch wiederholt Gegenstand internationaler Vereinbarungen gewesen sei. § 24 (= § 21 n. F.) StVG gehöre daher nicht zu denjenigen Strafvorschriften, die nur deutsche Belange schützen.152 Nach einer Entscheidung des BGH zum Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse nach § 279 ist der Schutz des Rechtsverkehrs vor unwahren Urkunden ein „gemeinsames Anliegen der zivilisierten Staaten“, so dass kein Anhalt dafür bestehe, dass die Bestimmungen der §§ 277 bis 279 nur den Schutz innerdeutscher Belange gewährleisten sollten.153 Teilweise wird die Kategorie der „in der zivilisierten Welt allgemein anerkannten Rechtswerte“ jedoch ausschließlich mit (bestimmten) Individualrechtsgütern in Verbindung gebracht.154 Kollektivrechtsgüter werden damit – wenn auch nicht immer ausdrücklich – aus dem Schutzbereich deutscher Straftatbestände ausgenommen. Ihrer Offenheit entsprechend führt die „Formel“ der Rechtsprechung im Hinblick auf Kollektivrechtsgüter jedenfalls nicht zu einer prinzipiellen Antwort auf die Schutzbereichsfrage.

Reschke, S. 85 ff., 88 f. Etwa für die Rechtsgüter der §§ 153 ff., 170b (a. F.) und 267 ff.; Reschke, S. 194 ff.; 161 ff.; 203 ff. 151 BGHSt 8, 349, 355; ebenso BGHSt 21, 277, 281 (das unaufmerksame Überholen einer Fahrzeugkolonne in Österreich könne daher nach §§ 1 StVO, 21 StVG [a. F.] bestraft werden, a. a. O. S. 283) und OLG Karlsruhe NJW 1985, 2905 (zu § 316); anders noch BayObLG NJW 1965, 2166 und OLG Frankfurt NJW 1965, 508 (nach § 21 StVG [a. F.] sei nicht strafbar, wer in Österreich gegen österreichische Verkehrsvorschriften verstoße). 152 BGHSt 8, 349, 355. 153 BGHSt 18, 333, 334. 154 Etwa OLG Saarbrücken NJW 1975, 506, 507: Zu den allgemein schutzwürdigen Interessen, die auch als ausländische in den Schutz des deutschen Strafrechts einbezogen seien, würden „die «Individualrechtsgüter» wie Leben, Leib, Freiheit Ehre und Vermögen“ zählen. Als nicht vom deutschen Strafrecht geschützt sieht das Gericht dagegen die Rechtsgüter des § 170b a. F. an, wenn es sich bei dem Unterhaltsberechtigten um einen im Ausland lebenden ausländischen Staatsangehörigen handelt. 149 150

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B. Herkömmliche Auffassungen

c) Obermüller und Günther-Nicolay: Einbeziehung ausländischer Kollektivrechtsgüter als verbotene Analogie Obermüller kommt nach eingehender Darstellung und Würdigung der verschiedenen Ansätze zur Lösung der Schutzbereichsfrage zu dem Ergebnis, keiner könne überzeugen und das Problem der Einbeziehung ausländischer Kollektivrechtsgüter bleibe daher „vordergründig ungelöst“. Die klassischen Auslegungsmethoden würden zu keiner Antwort führen und die von Rechtsprechung und Literatur aus diesem Grund herangezogenen Abgrenzungskriterien seien schon inhaltlich nicht zutreffend bzw. nachvollziehbar; zudem ließen sie aufgrund ihrer Unbestimmtheit und Offenheit jede gewünschte Auslegung zu. Auch aus den Prinzipien des Internationalen Strafrechts lasse sich kein Hinweis für den Umgang mit der Frage der Einbeziehung ausländischer Kollektivrechtsgüter in deutsche Straftatbestände herleiten.155 Dass es eine Antwort auf die Frage nach dem „Ob und Wann“ der Einbeziehung für neutral gefasste Tatbestände „vordergründig“ nicht gebe, bedeute aber, dass ausländische Kollektivrechtsgüter vom deutschen Strafrecht grundsätzlich nicht geschützt werden.156 Die Unterlegung einzelner Tatbestände mit einem nicht nachzuweisenden, strafbarkeitserweiternden Gesetzeszweck sei nämlich verbotene Analogie und stelle damit einen Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG dar.157 Obermüller nimmt in Konsequenz dieser Sichtweise an, dass ausländische Allgemeinrechtsgüter nur in Ausnahmefällen vom Schutzbereich deutscher Tatbestände erfasst seien. Zum einen könne der Schutzbereich eines Tatbestandes durch legislatorische Entscheidung explizit auch auf den Schutz ausländischer Rechtsgüter erstreckt werden.158 Außerdem würden bei neutral verfassten Tatbeständen ausländische Kollektivrechtsgüter ausnahmsweise vom Schutzbereich der deutschen Straftatbestände mitumfasst, wenn der Tatbestand unmittelbar und gleichberechtigt auch ein Individualrechtsgut schütze159 oder aber wenn durch die Verletzung eines ausländischen Kollektivrechtsguts Obermüller, S. 191; ebenso M. Vormbaum, S. 17 f. Obermüller, S. 191 f. So (beschränkt auf außereuropäische Rechtsgüter) tendenziell auch M. Vormbaum, S. 33: Da keine Wege ersichtlich seien, ausländischen (Allgemein-) Rechtsgütern auf systematisch überzeugende Weise Schutz zu gewähren, spreche einiges dafür, den Schutz auf die vom Gesetzgeber (ausdrücklich) entschiedenen Fälle zu beschränken. 157 Obermüller, S. 192. Auch der BGH hat kürzlich im „Siemens-Fall“ die Vereinbarkeit der These, § 299 a. F. habe bereits vor der Schaffung des § 299 Abs. 3 auch den ausländischen Leistungswettbewerb geschützt (näher dazu unten C. I. 3. c) dd)), mit Art. 103 Abs. 2 GG angezweifelt (BGH, Urteil v. 29. 08. 2008 – 2 StR 587 / 07; BeckRS 2008, 23926, Rn. 56); ebenso mit ausführlicher Begründung Saliger / Gaede, HRRS 2008, 57, 63 f. 158 Obermüller, S. 192 ff. Dass dies der zu gehende Weg sei, wenn es um die Einbeziehung ausländischer Kollektivrechtsgüter gehe, sei auch Meinung des Gesetzgebers, was sich „an vielen Beispielen“ – der Autor führt etwa die Existenz der §§ 132a, 152, 184 Abs. 1 Nr. 9, 264 Abs. 7 und die Ausdehnung des Amtsträgerbegriffs durch EUBestG und IntBestG an – zeige; ähnlich schon Lüttger, FS Jescheck, 121, 158 f.; 166 f.; 168 ff.; 176 f. 159 Obermüller, S. 195. 155 156

III. Schutz ausländischer Kollektivrechtsgüter?

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gleichzeitig und unmittelbar auch ein deutsches Kollektivrechtsgut verletzt werde.160 Die Unzulässigkeit eines „globalen“ Schutzes ausländischer Kollektivrechtsgüter ergebe sich auch daraus, dass Strafrecht als „ultima ratio“ nur dem Schutz der für unsere Gesellschaft unverzichtbaren Funktionseinheiten dienen könne.161 Die Verletzung oder Gefährdung einer solchen sei nicht ersichtlich, wenn beispielsweise „ein Inländer eine ausländische Versicherung betrügt oder betrügen will“; würde man hier eine Schutzbereichserstreckung annehmen, würde man einen Schutzgegenstand – von einem „Rechtsgut“ ließe sich kaum sprechen – einbeziehen, das gar nicht geschützt werden dürfe.162 Im Ergebnis ähnlich, wenn auch ohne ausführliche Begründung, ist GüntherNicolay der Auffassung, dass außerhalb des Bereichs der individualrechtsgüterschützenden Tatbestände „eine Ausdehnung [ . . . ] die besonders zu begründende Ausnahme bilden [wird]“.163 Aus dem Umstand, dass manche Strafvorschriften ausdrücklich ausländische Rechtsgüter schützen und andere ausdrücklich nur für inländische gelten, könne zwar nicht ohne Weiteres ein Umkehrschluss gezogen werden; letztlich könnten nur die in die Auslegung einfließenden Umstände des Einzelfalles entscheiden. Als Grundsatz dienen könne dabei aber die – auf die Ausführungen Lüttgers gestützte – Erwägung164, wonach es primär Aufgabe der nationalen Strafgewalt sei, die eigenen Rechtsgüter zu schützen,165 und damit also (ausschließlich) Sache der jeweils fremden Staatsgewalt, ihre eigenen Rechtsgüter unter Strafschutz zu stellen. Nur ein solch restriktiver Ansatz, so die Autorin, bewahre „vor einem Verlassen der Grenzen der Auslegung zur unzulässigen Analogie, denn eine Ausdehnung des Schutzbereichs auf eine vom Gesetz nicht geregelte Materie wäre mangels gesetzlicher Grundlage eine nach Art. 103 Abs. 2 GG verbotene Rechtsfindung“.166 Für die Reichweite der Tatbestände des Umweltstrafrechts (§§ 324 ff.), der ihre Untersuchung gilt, folgert Günther-Nicolay daraus, dass ein strafrechtlicher Schutz grundsätzlich auf das Inland beschränkt sei. Die Eigenschaften der Umweltmedien als Rechtsgüter, die dem Staat zugeordnet seien, ließen nach den „Grundregeln“ insgesamt auf eine solche Beschränkung schließen.167 Allerdings sei das materiell einschlägige internationale Recht „hinsichtlich etwaiger Pönalisierungsgebote“ zu überprüfen, aus denen sich „Modifikationen der herkömmlichen souveränitätsgeprägten Vorstellung“ ergeben könnten.168 Vor diesem Hintergrund untersucht Günther-Nicolay das Völkerrecht und das Europa160 161 162 163 164 165 166 167 168

Obermüller, S. 195 f. Obermüller, S. 196 ff. Obermüller, S. 197. Günther-Nicolay, S. 142. Lüttger, FS Jescheck, 121, 132. Günther-Nicolay, S. 142, 152 f. Günther-Nicolay, S. 153. Günther-Nicolay, S. 158 f. Günther-Nicolay, S. 159.

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B. Herkömmliche Auffassungen

recht daraufhin, ob sie Regeln enthalten, die den Staaten den Schutz einzelner (auch jeweils ausländischer) Rechtsgüter im Bereich des Umweltschutzes aufgeben.169 Nach einer Analyse der einzelnen Tatbestände des 29. Abschnitts gelangt sie zu dem Ergebnis, dass nur in wenigen Fällen, die sämtlich auf internationale Regelungen zurückzuführen seien, die Tatbestände in ihrem Schutzauftrag über die eigenen Staatsgrenzen hinausgreifen; es handele sich dabei jedoch um eng umgrenzte Ausnahmen.170

IV. Zusammenfassung und Ausblick 1. Die Schutzbereichsfrage als im Hinblick auf Kollektivrechtsgüter ungelöstes Problem Es lässt sich also zusammenfassen: Dass ausländische Individualrechtsgüter stets, Rechtsgüter ausländischer Staaten grundsätzlich nicht vom Schutzbereich „neutral“ gefasster Tatbestände umfasst sind, gilt als relativ gesichert. In der Annahme, das Gesetz gebe in dieser Hinsicht keinen ausdrücklichen Hinweis, wird zur Begründung dieser These auf teleologische Erwägungen, häufig ganz allgemein auf den Zweck des deutschen Strafrechts, zurückgegriffen. Im Bereich der Kollektivrechtsgüter gibt es für das Schutzbereichsproblem keine einheitliche, allgemein anerkannte Lösung, die Lösungsansätze variieren und die mit ihrer Hilfe gefundenen Ergebnisse sind oft gegensätzlich.

2. Eigener Lösungsansatz a) Die Aufgabe des deutschen Strafrechts und die Rechtsgutsproblematik als nachrangige Fragen Eine Klärung der diesbezüglich noch völlig offenen Frage, ob auch ausländische Rechtsgüter von den deutschen Straftatbeständen umfasst werden, muss mit der Ermittlung des korrekten Lösungsweges beginnen. Bedenklich ist es dagegen – wie überwiegend praktiziert171 – ergebnisorientiert vorzugehen: Es kann zunächst nicht darum gehen, welche Rechtsgüter den Schutz des deutschen Strafrechts „verdient“ haben, sondern nur darum, welche ihn tatsächlich genießen.172 Deshalb leuchtet es Günther-Nicolay, S. 159 ff. Günther-Nicolay, S. 272 ff., 369. 171 (Im negativen Sinne) beispielhaft statt vieler M. Vormbaum, S. 18 f. 172 Vgl. schon Lüttger, FS Jescheck, 121, 153 f.: Welches Rechtsgut geschützt ist, bestimme sich nach dem in der lex lata verkörperten objektivierten Willen des Gesetzgebers; welches Rechtsgut Schutz verdient, sei hingegen eine kriminalpolitische Frage. s. auch Obermüller, S. 132: „Daß ein ausländisches Rechtsgut (aus welchen Erwägungen heraus auch im169 170

IV. Zusammenfassung und Ausblick

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nicht ein, wenn im Ausgang von Klärungsversuchen etwa die Feststellung steht, Strafrecht sei als „innerstaatliches Ordnungsrecht“ in erster Linie zum Schutz inländischer Belange „berufen“.173 Nicht, was das deutsche Strafrecht schützen sollte, ist zunächst zu ermitteln, sondern was es tatsächlich schützt. Im Hinblick hierauf ist das Gesetz auszulegen. Erst im Anschluss daran interessiert die Frage, was das deutsche Strafrecht schützen darf insofern, als sie im Rahmen einer verfassungskonformen Interpretation der Tatbestände Bedeutung erlangen kann, wenn man davon ausgeht, dass ein „rechtsgutsloser“ Tatbestand den Anforderungen des Grundgesetzes nicht gerecht wird.174 Wenn man, wie Obermüller, der Auffassung ist, durch die Verletzung ausländischer Allgemeininteressen werde ein „Rechtsgut“ im Sinne einer „für unsere verfassungsgemäße Gesellschaft und damit auch für die verfassungsgemäße Stellung und Freiheit des einzelnen Bürgers unverzichtbare und damit werthafte soziale Funktionseinheit“,175 nicht berührt, ist es zwar konsequent, anzunehmen, der Tatbestand würde hinsichtlich ausländischer Güter rechtsgutslos bestehen und wäre hinsichtlich seines Eingreifens bei der Verletzung eines ausländischen Gutes daher verfassungswidrig.176 Eine solche hypothetische Überlegung ist allerdings abkömmlich, wenn schon eine Auslegung des Tatbestandes ergibt, dass er ausländische Güter überhaupt nicht einbezieht. Vorrangig vor der Frage der „hypothetischen Verfassungswidrigkeit“ ist also diejenige, ob ein Tatbestand ausländische Güter einbezieht. Nur, wenn sich durch Auslegung nicht ermitteln lässt, ob der Tatbestand auch ausländische Güter meint, kann entscheidend sein, ob die Verletzung eines entsprechenden ausländischen Gutes überhaupt als Rechtsgutsverletzung im Sinne einer Beeinträchtigung des mer) schutzwürdig ist, besagt [ . . . ] noch nicht, daß es auch vom bestehenden deutschen Straftatbestand geschützt ist“; weiterhin Günther-Nicolay, S. 124. 173 Etwa LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 277; ähnlich M. Vormbaum, S. 19: Dass das deutsche Strafrecht eine besonders starke Verknüpfung mit den inländischen Rechtsgütern verbinde und es daher in erster Linie auch diesen zum Schutz gereichen solle, könne nicht angezweifelt werden. 174 So die heute wohl überwiegende Meinung im Schrifttum, vgl. etwa SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 1 ff.; NK-Hassemer / Neumann, Vor § 1 Rn. 62 ff., 110 ff.; Bottke, FS Lampe (2003), 463, 488 f.; Hefendehl, S. 48 ff., 90 und „tendenziell“ zustimmend Roxin, AT I § 2 Rn. 92. Vgl. aus der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung auch BVerfGE 21, 391, 403: Das strafrechtliche Delikt sei „seinem Wesen nach die schuldhafte Verletzung eines für alle gewährleisteten Rechtsgutes“, es erscheine als „Störung des allgemeinen Rechtsfriedens“ sowie BVerfGE 50, 161: Der Gesetzgeber sei in seiner Entscheidung, ob er ein bestimmtes Rechtsgut mit den Mitteln des Strafrechts verteidigen wolle, grundsätzlich frei. Hefendehl, S. 49 stellt allerdings zu Recht fest, dass es bei den zitierten Entscheidungen gerade nicht um die Schnittstelle von rechtsgutslosen Delikten und solchen, denen ein Rechtsgut zugrunde liegt, ging und es somit eine „Überinterpretation der verfassungsrechtlichen Judikatur“ wäre, ihr eine Bestätigung des Dogmas vom Strafrecht als Rechtsgüterschutz entnehmen zu wollen. 175 Obermüller, S. 39 (im Anschluss an die Begriffsdefinition bei SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 8). 176 Obermüller, S. 41.

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B. Herkömmliche Auffassungen

deutschen sozialen Gefüges zu qualifizieren wäre.177 Sollte das nicht der Fall sein, wäre daran zu denken, ausländische Güter im Wege verfassungskonformer Interpretation aus dem Schutzbereich auszuscheiden.

b) Der sich durch grammatikalische und systematische Auslegung des Gesetzes ergebende Schutzbereich als Ausgangspunkt Zunächst ist jedoch zu untersuchen, ob das StGB eine allgemeingültige Antwort auf die Frage gibt, ob es ausländische Rechtsgüter in den Schutzbereich seiner Normen einbezogen wissen will. Vorrangig ist dabei auf Wortlaut und Systematik des StGB einzugehen, nicht auf teleologische Aspekte.178 Nur, wenn möglicher Wortsinn und Bedeutungszusammenhang Raum für verschiedene Auslegungen lassen, ist nämlich derjenigen Auslegung der Vorzug zu geben, die der Regelungsabsicht des Gesetzgebers und dem Zweck der Normen am ehesten gerecht wird.179 Grammatikalische und systematische Auslegung haben mit anderen Worten grundsätzlich Vorrang vor teleologischen Erwägungen;180 führen sie zu einem Ergebnis, das auch zu letzteren bei einer „begleitenden Kontrolle“ nicht im Widerspruch steht, „kann man die methodischen Bemühungen abbrechen181“. Unter Hinweis auf den „neutralen“ Wortlaut der betreffenden Vorschriften und unter der Prämisse, die in den §§ 3 – 7 getroffenen Regelungen seien von der Schutzbereichsfrage völlig unabhängig, wird demgegenüber zwar zumeist direkt mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes argumentiert, um die Auffassung, ein Tatbestand schließe ausländische Rechtsgüter ein bzw. tue dies nicht, zu untermauern. Das ist jedoch voreilig. Entgegen der häufig geäußerten Ansicht, die „Schutzbereichsfrage“ sei von den Normen des „Strafanwendungsrechts“ völlig unabhängig und es ließe sich aus den Prinzipien der §§ 3 – 7 auch kein Anhaltspunkt dafür gewinnen, wann deutsche Straftatbestände ausländische Rechtsgüter in ihren Schutzbereich aufnehmen,182 177 Es ist daher zweifelhaft, wenn Obermüller dieser Frage schon im Ausgangspunkt (S. 41) entscheidende Bedeutung zumisst. 178 Keine Bedenken im Hinblick auf eine Beschränkung auf die teleologische Methode hat unter der – unzutreffenden – Prämisse, dass sich aus Wortlaut und Systematik keine klärenden Hinweise ergeben, M. Vormbaum, S. 30 f. 179 Larenz / Canaris, S. 164. 180 Bydlinski, S. 557 ff. mit dem Hinweis, dies werde in der juristischen Literatur – wenngleich praktiziert – selten ausdrücklich vertreten. Der Autor betont zudem die Notwendigkeit einer „Begleitkontrolle“ unter den Gesichtspunkten der Rechtsidee. 181 Bydlinski, S. 564. Ist der Wortlaut eindeutig, können Erwägungen im Hinblick auf den widersprechenden Sinn und Zweck des Gesetzes dabei nur noch im Rahmen einer teleologischen Reduktion von Bedeutung sein. 182 So Obermüller, S. 177; M. Vormbaum, S. 17 f.; etwas zurückhaltender Reschke, S. 46 f.: Der Schutz ausländischer Rechtsgüter lasse sich „nicht allein nach den Prinzipien des internationalen Strafrechts bestimmen“, weil diese „kein materielles Strafrecht enthalten“; es sei aber möglich, von den Grundsätzen des internationalen Strafrechts „in beschränktem Umfang auf die materielle Abgrenzung des Schutzes ausländischer Rechtsgüter zu schließen“.

IV. Zusammenfassung und Ausblick

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lässt sich diesen Normen nämlich, wie in Teil 2 (unter C.) erläutert werden wird, eine grundsätzliche Aussage zur „Schutzbereichsproblematik“ entnehmen. Die Gültigkeit dieser Aussage auch für die Tatbestände des Besonderen Teils kann nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden, wenn man, wie üblich, davon ausgeht, der Allgemeine Teil des StGB (und damit auch die §§ 3 – 7) enthalte „vor die Klammer gezogene“ Regeln, nämlich die für alle Delikte gemeinsam geltenden Bestimmungen über die Voraussetzungen und Folgen strafbaren Verhaltens.183 Demgegenüber wird in der Strafrechtswissenschaft zwar teilweise erklärt, der Allgemeine Teil sei „rechtsgutsblind“,184 so dass zweifelhaft sei, ob für die Auslegung seiner Regeln der interpretatorische Rückgriff auf Rechtsgüter legitim sei.185 Tiedemann folgert daraus, dass der Allgemeine Teil im engeren (rechtstheoretischen) Sinne, zu dem auch die Regeln über die räumliche Geltung gehören sollen, den Besonderen Teil grundsätzlich nicht beeinflusse; die Tatbestände des Besonderen Teils seien „nicht als Anwendungsfälle der Regeln des Allgemeinen Teils zu handhaben“.186 Für die Fragestellung dieser Untersuchung würde die Gültigkeit einer solchen Prämisse bedeuten, dass die §§ 3 – 7 über die Frage, welche Rechtsgüter das deutsche Strafrecht schützt, eigentlich gar nichts aussagen können. Ließe sich ihnen dennoch ein Hinweis darauf entnehmen, könnte er danach jedenfalls keine Bedeutung für die Auslegung der Tatbestände des Besonderen Teils haben, was die These, die „Schutzbereichsfrage“ sei von den §§ 3 – 7 völlig unabhängig, stützen würde. Was der Hintergrund dieser These ist und warum ihr nicht gefolgt werden kann, wird später noch deutlich werden. Zunächst soll aber näher erläutert werden, welche Aussage die §§ 3 – 7 – entgegen der Prämisse von der „Rechtsgutblindheit“ des Allgemeinen Teils – tatsächlich über die Frage nach dem Schutz ausländischer Rechtgüter durch das deutsche Strafrecht treffen.

183 Roxin, AT I § 1 Rn. 14; Schönke / Schröder-Eser, Vorbem § 1 Rn. 7 / 8; vgl. auch die Nachw. bei Tiedemann, FS Baumann (1992), 7 m. Fn. 4. 184 Tiedemann, FS Baumann, 7, 12 f. m. w. N. 185 Tiedemann, FS Baumann, 7, 12 f. 186 Tiedemann, FS Baumann, 7, 18 ff.

C. Der Geltungsbereich des deutschen Strafrechts – Versuch einer Klärung des Verhältnisses der „Schutzbereichsfrage“ zu den §§ 3 – 7 I. Der tatbestandliche Schutzbereich – eine „Frage für sich“? Überwiegend wird davon ausgegangen, den §§ 3 – 7 lasse sich keine Aussage zur Schutzbereichsproblematik entnehmen.187 Häufig stützt sich diese Annahme auf die Behauptung, das Schutzbereichsproblem sei schon keines des Geltungsbereichs deutschen Strafrechts und daher von den Regeln der §§ 3 – 7 ohnehin unabhängig, ansonsten auf die Unterstellung, die §§ 3 – 7 würden zumindest keine Lösung dafür bereithalten. Es sind allerdings bereits Zweifel aufgekommen, ob die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter in den Schutzbereich der deutschen Straftatbestände tatsächlich „eine Frage für sich188“ ist und nicht doch „nur“ eine solche des Strafanwendungsrechts. Diesen Zweifeln soll im Folgenden nachgegangen werden. 1. Die Fragwürdigkeit der gängigen Vorstellung (Strikte Trennung der Problemkreise) a) „Geltungsbereich“ und „Schutzbereich“ als Fragen der Anwendbarkeit deutscher Straftatbestände Eine nähere Begründung für die Prämisse, die §§ 3 – 7 würden keine Aussage über den Schutz ausländischer Rechtsgüter treffen, wird nur selten gegeben. Bei Ambos findet sich die Aussage, die Antwort auf die Schutzbereichsfrage ergebe sich „nicht notwendigerweise aus der Belegenheit des Tatobjekts oder der Staatsangehörigkeit des Täters oder Opfers (Rechtsgutträgers), also gerade nicht aus strafanwendungsrechtlichen Kriterien, sondern vorrangig aus der nationalen gesetzgeberischen Entscheidung, den inländischen Rechtsgüterschutz auf bestimmte ausländische Rechtsgüter [ . . . ] auszudehnen“.189 Unklar bleibt dabei insbesondere, warum das „strafanwendungsrechtliche Kriterium“ der Staatsangehörigkeit des Rechtsgutsträgers190 nichts mit der Frage des geschützten Rechtsguts zu tun haben soll. Vgl. dazu oben A. II. m. Fn. 36. So Jescheck / Weigend, § 18 III 8. 189 MüKo-Ambos, Vor §§ 3 – 7 Rn. 81. 190 Im deutschen Strafanwendungsrecht liegt dieses Prinzip als (eingeschränktes) „passives Personalitätsprinzip“ etwa § 7 Abs. 1 zugrunde; dazu näher unten 3. a) aa) (2). 187 188

I. Der tatbestandliche Schutzbereich

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Außerdem geht es bei beiden Fragen offensichtlich übereinstimmend um die Anwendbarkeit von deutschen Straftatbeständen. Zwar spricht man im Rahmen der §§ 3 – 7 von der generellen „Anwendbarkeit deutschen Strafrechts“. Dabei gibt es aber keine pauschale Antwort in dem Sinne, dass das StGB allgemein anwendbar ist, vielmehr geben die Regeln stets nur Antwort auf die Frage, ob auf einen bestimmten Sachverhalt ein bestimmter Tatbestand anwendbar ist191 (etwa § 212, weil der tödliche Schuss von deutschem Territorium abgegeben wurde, oder § 242, weil der in der Pariser Metro bestohlene Urlauber deutscher Staatsangehörigkeit ist); es geht also grundsätzlich nicht um etwas anderes als bei der Schutzbereichsfrage.

b) Streit um die dogmatische Natur der §§ 3 – 7: Bedeutung erst auf der Ebene der sekundären oder bereits auf der Ebene der primären Norm? Fragwürdig ist auch die Aussage Reschkes, die Schutzbereichsfrage könne kein Problem des Strafrechtsanwendungsrechts sein, weil nur das materielle Recht bestimme, ob die Verletzung ausländischer Güter überhaupt strafwürdig sei.192 Den §§ 3 – 7 wird heute nämlich ganz einhellig gerade auch ein materieller Gehalt zugesprochen; es ist unbestritten, dass sie „keine bloßen Strafverfolgungsvoraussetzungen darstellen, sondern strafbarkeitsbegründend wirken“.193 Dabei ist freilich die präzise dogmatische Natur der Normen bisher nicht endgültig geklärt. Insbesondere herrscht Streit darüber, ob die §§ 3 – 7 bereits auf der Ebene der „primären Norm“, die sich verhaltenslenkend an den Täter richtet, Bedeutung haben oder erst auf der Ebene der „sekundären Norm“, die den Richter zur Verhängung der Strafe ermächtigt.194 Die §§ 3 – 7 formulieren: „Das deutsche Strafrecht gilt, . . .“, und dabei bleibt offen, ob sich der Begriff der „Geltung“ auf die sekundäre Norm oder schon auf die primäre bezieht.195

191 Vgl. schon Mendelssohn Bartholdy, Das räumliche Herrschaftsgebiet des Strafgesetzes, in: Vergleichende Darstellung des Deutschen und Ausländischen Strafrechts, Allgemeiner Teil VI. Bd., 1908, S. 85, 312: „Jedes einzelne Strafgesetz hat seinen räumlichen Geltungsbereich, ein Strafgesetz-“Buch“ dagegen hat keinen“. 192 Reschke, S. 31. 193 Liebelt, S. 146; zustimmend Obermüller, S. 143 f.; vgl. auch OLG Saarbrücken NJW 1975, 506, 509: „Die §§ 3 ff. StGB bestimmen die Sachverhalte, auf die inländisches materielles Strafrecht anzuwenden ist [ . . . ]; sie sind deshalb Teil des sachlichen Rechts.“ 194 Zu diesem Streit ausführlich etwa Liebelt, S. 18 ff., 48 ff.; A. Schmitz, S. 82 ff. und Neumann, FS Müller-Dietz (2001), 589, 595 ff., 600 ff.; vgl. auch Schlüchter, FS Oehler, 307, 310 f.; zur auf Binding zurückgehenden Differenzierung zwischen Verhaltens- und Sanktionsnorm allgemein etwa Schönke / Schröder-Eser, Vorbem § 1 Rn. 1. 195 Zu den begrifflichen Wirrungen, zu denen die unterschiedlichen Deutungsmöglichkeiten geführt haben, Schroeder, GA 1968, 353 ff.

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C. Der Geltungsbereich des deutschen Strafrechts

aa) Die herkömmliche Auffassung: Deutsches Strafrecht als universelle Bewertungsnorm menschlichen Verhaltens Wohl bis in die siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts196 war die Vorstellung vorherrschend, dass das deutsche Strafrecht sich eine „universelle Bewertungsfunktion jeglichen menschlichen Verhaltens197“ zumesse und die §§ 3 – 7 lediglich „Anwendungsregeln“ in dem Sinne seien, dass sie die Frage beantworten, wann dem deutschen Strafrecht ein „ius puniendi“ bzw. dem Richter eine Sanktionsbefugnis zusteht. Kennzeichnend für diese Auffassung ist etwa das Ergebnis einer Untersuchung H. Schröders: „Der Charakter einer Straftat als schuldhaftes Unrecht ergibt sich aus der Erfüllung der gesamten objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Straftatbestände des besonderen Teils, und nicht erst aus der Geltung des deutschen Rechtes nach §§ 3 ff. Denn die Straftatbestände normieren das Unrecht [ . . . ]. Die Frage, ob der Täter nach §§ 3 ff. bestraft werden kann, ob sich das deutsche Recht ein ius puniendi zulegt, liegt außerhalb“.198 In jüngerer Zeit ist diese These von R. Schmitz wieder aufgegriffen und argumentativ gestützt worden,199 sie wird auch von Satzger vertreten200 und ist insofern noch (unausgesprochener) Bezugspunkt der herrschenden Lehre, als die „Geltung“ des deutschen Strafrechts nach den §§ 3 – 7 ganz überwiegend als (unrechtsneutrale) objektive Bedingung der Strafbarkeit qualifiziert wird.201 Die Vorstellung, dass allein die Tatbestände des Besonderen Teils das Unrecht normieren, passt auch zu dem oben schon angedeuteten Verständnis Tiedemanns zum Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem Teil des Strafrechts: Auch, wenn Tiedemann sich in seiner Abhandlung über dieses Verhältnis nicht näher mit den §§ 3 – 7 auseinandersetzt (sondern sie nur dem „Allgemeinen Teil im eigentlichen Sinn“ zuordnet), stellt er doch 196 So die Einschätzung von Liebelt, S. 53 f. („bis in die jetzige Zeit fast unwidersprochen“). 197 Liebelt, S. 102 f. Vgl. auch schon Schröder, ZStW 61 (1942), 57, 95: Geltung der deutschen Strafrechtsordnung „universell als Bewertungsnorm aller menschlichen Handlung“. 198 Schröder, ZStW 61 (1942), 57, 87; vgl. auch schon Binding, Handbuch des Strafrechts Bd. I, S. 371; weiterhin OLG Hamm JZ 1960, 576, 577 (die §§ 3 – 7 enthielten kein Strafrecht, sondern Strafrechts-Anwendungsrecht und setzten „eine an sich strafbare Handlung“ voraus); ebenso Reschke, S. 46 und für die Fälle der §§ 3, 4, 5, 6 und 7 Abs. 1 Liebelt, S. 147 f. (mit allerdings abweichender Terminologie; vgl. dazu näher unten D. I. 2. d) bb) (3): Insoweit erkenne sich das deutsche Strafrecht eine universelle Bewertungsfunktion zu und die Normen seien als reines „Strafanwendungsrecht“ anzusehen. Die Auffassung war allerdings schon früher nicht unbestritten; vgl. die Nachweise bei Schröder, ZStW 61 (1942), 57, 88 m. Fn. 59. 199 Schmitz, FS Grünwald (1999), 619, 622 f.; dazu näher unten 3. a) cc) (3) (a). 200 Satzger, Internationales Strafrecht § 5 Rn. 40: „. . . durch das Strafanwendungsrecht werden zwar die deutsche Strafgewalt und die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts umgrenzt. Was aber – losgelöst von der Frage der Strafbarkeit – als Unrecht angesehen wird, muss damit nicht notwendig einhergehen. [ . . . ] Vielmehr taugt die deutsche Rechtsordnung auch dann als Unrechtsmaßstab für die [Haupt]tat, wenn deutsches Strafrecht auf diese nicht anwendbar ist.“ 201 Neumann, FS Müller-Dietz, 589, 601; dazu näher unten d).

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ausdrücklich fest, die Tatbestände des Besonderen Teils enthielten Verhaltensnormen, und die Zurechnungsregeln des Allgemeinen Teils seien von diesen qualitativ verschieden: Eine Zurechnungsregel fordere kein Verhalten; sie setze im Gegenteil normwidriges Verhalten voraus.202 bb) Das heute vorherrschende Verständnis: Beschränkter Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts Überwiegend wird den §§ 3 – 7 heute indessen Bedeutung schon auf der Ebene der „primären Norm“ oder Verhaltensnorm zugeschrieben: Nur innerhalb der Grenzen der Vorschriften des Strafanwendungsrechts erkenne sich das deutsche Strafrecht überhaupt einen Bewertungsanspruch zu. Grundlegend erläutert etwa Zieher: „Erst die Subsumierbarkeit unter die §§ 3 ff. zieht einen Lebenssachverhalt in den Bewertungseinzugsbereich des deutschen Strafrechts und versucht die Adressaten zu bestimmen, ihr Verhalten an diesem Verhaltensappell auszurichten. Andere Sachverhalte, die nicht dem Katalog der sachlichen Geltungsbereichsregelungen unterfallen, werden vom deutschen Strafrecht eben strafrechtlich nicht gewürdigt oder eingestuft [ . . . ] . . . aus der Einsicht in die begrenzte Befriedungsfunktion des nationalen Strafrechts weist es durch die §§ 3 bis 7 StGB seinem Strafrecht einen begrenzten Bestimmungs- und Bewertungsbereich zu“.203 Letzterer Auffassung sind auch die Ausführungen Oehlers zuzuordnen, der darauf hinweist, dass man sich „von der irrigen Vorstellung frei machen [muss], daß die Tat als solche für sich schon strafbar sei, das Strafanwendungsrecht des Staates die Verfolgung nur an sich ziehe.“ Vielmehr würden die Normen des Strafanwendungsrechts einen bestehenden Tatbestand auf eine Tat erstrecken und diese dadurch tatbestandsmäßig für den verfolgenden Staat machen.204 Neumann bezeichTiedemann, FS Baumann, 7, 11. Zieher, S. 38, differenzierend allerdings ders., S. 49 ff. und ähnlich Vogler, Geburtstagsgabe Grützner, 149, 155 ff.; weiterhin MüKo-Ambos, Vor §§ 3 – 7 Rn. 3; ders., Internationales Strafrecht § 1 Rn. 9; Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 3 – 7 Rn. 1; LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 328; A. Schmitz, S. 99 f.; Henrich, S. 11 f.; Hecker, Europäisches Strafrecht § 2 Rn. 4; Wang, S. 7 f.; Klages, Meeresumweltschutz und Strafrecht – Zur Ausdehnung deutscher Strafgewalt auf den Festlandsockel, 1989, S. 151 f.; dahin tendierend auch Neumann, FS MüllerDietz, 589, 600 ff.; letzterem zustimmend Günther-Nicolay, S. 84 f., 299 f.; für die Fälle des § 7 Abs. 2 Nr. 1 und 2 auch Liebelt, S. 148 ff.; vgl. auch ders., GA 1994, 20, 34 ff.: Insoweit komme dem deutschen Strafrecht eine lediglich „lokale Bewertungsfunktion“ zu; die Vorschriften könnten daher nicht mehr als bloßes Strafanwendungsrecht, sondern müssten insoweit als „Regelungsmaterie des sachlichen Geltungsbereichs einer Strafnorm“ bezeichnet werden; differenzierend auch Jakobs, 5. Abschn. Rn. 12: Beim Prinzip stellvertretender Strafrechtspflege und teilweise auch beim Universalitätsprinzip werde eine allgemein gleiche Unrechtsdefinition präsumiert, so dass der Tatbestand „insoweit schrankenlos“ sei; die Voraussetzung für die Anwendung des deutschen Strafrechts nach den anderen Prinzipien sei dagegen jeweils unrechtsrelevant und daher Tatbestandsmerkmal; unklar Obermüller, S. 143 f. Zu weitergehenden Konsequenzen der unterschiedlichen Auffassungen ausführlich etwa Zieher, S. 38 ff. 204 Oehler, Internationales Strafrecht Rn. 123; ders., Geburtstagsgabe Grützner, 110, 116. 202 203

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C. Der Geltungsbereich des deutschen Strafrechts

net die Regeln des Internationalen Strafrechts als „vor die Klammer gezogene Bestandteile der strafrechtlichen Bewertungs- und Verhaltensnormen205“. Deutlich formuliert auch Henrich, es bestehe aus strafrechtlicher Sicht (bei der Bewertung einer Auslandstat) kein Unterschied, ob das Verhalten des Täters nicht unter einen Tatbestand des Besonderen Teils subsumiert werden könne oder ein „an sich passender“ Tatbestand nach der Prüfung der §§ 3 – 7, 9 nicht zur Anwendung gelange. Beide Male sei die Tat nach materiellem (Hervorhebung im Original) Strafrecht nicht strafbar.206

c) Einigkeit über die Zuordnung zum materiellen Recht Die Zuordnung zum materiellen Recht ist allerdings unabhängig davon, ob die §§ 3 – 7 – mit der Theorie vom beschränkten Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts – als „konstitutiver Teil der primären Strafrechtsnormen207“ angesehen werden oder ihnen – mit der Theorie vom universellen Bewertungsanspruch – erst Bedeutung für die Begrenzung der Strafgewalt zugemessen wird. Vertreter beider Auffassungen208 weisen darauf hin, dass die §§ 3 – 7 eine Aussage über die Entstehung des deutschen Strafanspruchs enthalten und nicht nur über dessen praktische Durchsetzbarkeit, so dass sie dem materiellen Recht zuzuordnen sind209 und nicht (lediglich) Strafverfolgungsvoraussetzungen enthalten.210

205 Neumann, FS Müller-Dietz, 589, 604; vgl. auch ders., StV 2000, 425, 426: Normen, die über den beanspruchten Geltungsbereich einer Strafrechtsordnung entscheiden, seien unrechtsrelevant. 206 Henrich, S. 11. 207 So ausdrücklich Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 3 – 7 Rn. 1; MüKo-Ambos, Vor §§ 3 – 7 Rn. 3; ders., Internationales Strafrecht § 1 Rn. 9; Henrich, S. 11 f.; Wang, S. 7. 208 Für die erste Auffassung etwa Zieher, S. 43 und Ambos, Internationales Strafrecht § 1 Rn. 3 f., 11; für die zweite Schröder, ZStW 61 (1942), 85 f. 209 Von einer Zugehörigkeit zum materiellen Recht ausgehend etwa auch BGHSt 20, 22, 25; 27, 5, 8; BayObLG JR 1998, 472, 473. A. A. SK-Hoyer Vor § 3 Rn. 4: Kein Teil des materiellen Strafrechts, sondern „Meta-Normen“. Liebelt, S. 49 ist der Meinung, die Konstruktion der §§ 3 ff. als bloße Strafverfolgungsvoraussetzungen sei „zu Recht einhellig verworfen worden“. 210 Freilich wird darüber hinaus heute überwiegend davon ausgegangen, dass das Fehlen der Voraussetzungen der §§ 3 – 7 auch zu einem Prozesshindernis führt und damit zur Einstellung des Verfahrens; vgl. etwa BGHSt 34, 1, 3 f.; BGH NJW 1995, 1844, 1845; NStZ 1997, 119; OLG Saarbrücken NJW 1975, 506, 509; OLG Düsseldorf wistra 1992, 352; BayObLG JR 1998, 472, 473; LK-Werle / Jeßberger, Vor §§ 3 – 7 Rn. 10; Schönke / SchröderEser Vor §§ 3 – 7 Rn. 2; NK-Lemke, Vor §§ 3 – 7 Rn. 2; anders etwa Zieher, S. 45 (Freispruch, da der Sachverhalt bereits nicht vom Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts erfasst werde) m. w. N.

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d) Exkurs: Die unzutreffende Einordnung der Voraussetzungen der §§ 3 – 7 als objektive Bedingungen der Strafbarkeit als Konsequenz der Ansicht vom beschränkten Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts Im Hinblick auf die Zuordnung zum materiellen Recht besteht zwischen den Vertretern der Theorie vom beschränkten Bewertungsanspruch und denjenigen der Theorie vom universellen Bewertungsanspruch also Einigkeit. Dagegen ist nicht nachvollziehbar, dass auch betreffend die Einordnung der §§ 3 – 7 in den Deliktsaufbau weitgehend Einigkeit besteht; diesbezüglich müssten sich die Anhänger der beiden Lager eigentlich uneinig sein: Vor dem Hintergrund des dargestellten Disputs überrascht es, wenn ganz überwiegend und auch von Vertretern der Theorie eines beschränkten Bewertungsanspruchs die Voraussetzungen der §§ 3 – 7 als objektive Bedingungen der Strafbarkeit qualifiziert werden, auf die sich der Vorsatz des Täters nicht zu beziehen brauche.211 Konsequent ist dies nämlich eigentlich nur, wenn man dem Modell von der universellen Bewertungsfunktion der deutschen Strafrechtsnormen folgt, das den §§ 3 – 7 Bedeutung nur auf der – unrechtsneutralen – Ebene der Sanktionsnorm zumisst, während schon die Erfüllung des Straftatbestandes des Besonderen Teils stets den vollen Unrechtsgehalt aufweisen soll. Eine Einordnung der Voraussetzungen der §§ 3 – 7 in die Kategorie der objektiven Strafbarkeitsbedingungen passt vor dem Hintergrund dieser Auffassung auch in die Konzeption der „vierten Deliktskategorie212“ als Zusammenfassung von Fällen, in denen außerstrafrechtliche Zwecksetzungen bei einer Abwägung den Vorrang gegenüber dem Bestrafungsbedürfnis gewinnen.213 Bei Fehlen der Voraussetzungen der strafanwendungsrechtlichen Normen ist nach der Theorie vom universellen Bewertungsanspruch nämlich nicht deshalb von Strafe abzusehen, weil die Tat nicht hinreichend „strafwürdig“ ist, sondern allein aufgrund völkerrechtlicher Vorgaben, also aus außerstrafrechtlichen, außenpolitischen Gründen.214 Geht man mit der heute h. M. von einer unrechtskonstituierenden Wirkung der Regeln des Internationalen Strafrechts aus, ist es hingegen nicht möglich, die Voraussetzungen der §§ 3 – 7 als objektive Bedingungen der Strafbarkeit zu begreifen. Zu letzteren können nämlich nur solche (materiellen) Strafbarkeitsvoraussetzungen gezählt werden, die für Unrecht und Schuld der Tat ohne Bedeutung sind.215 Für unrechts211 So MüKo-Ambos, Vor §§ 3 – 7 Rn. 3; ders., Internationales Strafrecht § 1 Rn. 9; Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 3 – 7 Rn. 61; LK11-Gribbohm, Vor § 3 Rn. 415; LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn.268; Hecker, Europäisches Strafrecht § 2 Rn. 4; Henrich, S. 156; Hilgendorf, NJW 1997, 1873, 1876; Jescheck / Weigend, § 18 V; Walter, JuS 2006, 870, 871; vgl. auch BGHSt 27, 30, 34: „Ein Irrtum über den Umfang der deutschen Gerichtsbarkeit wäre unbeachtlich“; a. A. Neumann, FS Müller-Dietz, 589, 604 sowie teilweise Jakobs, 5. Abschn. Rn. 12 f.; Oehler, Internationales Strafrecht Rn. 122 ff. und Zieher, S. 47 ff., 53 f. 212 Vgl. Roxin, AT I § 23 Rn. 1. 213 So Roxin, AT I Rn. 21 ff. m. w. N. 214 Vgl. Schmitz, FS Grünwald, 619, 622. 215 Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 124; Roxin, AT I § 23 Rn. 1 f.

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C. Der Geltungsbereich des deutschen Strafrechts

konstituierende Bedingungen ist wegen der Erfordernisse des Schuldprinzips zu verlangen, dass sich der Vorsatz des Täters auf sie bezieht.216 Wen die These vom beschränkten Bewertungsanspruch deutscher Straftatbestände überzeugt, der wird den in den §§ 3 – 7 festgelegten Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts daher die Qualität von Merkmalen des gesetzlichen Tatbestandes beimessen müssen,217 so dass bei fehlender Kenntnis der geltungsbegründenden Umstände (z. B.: Der Täter glaubt irrtümlich, bereits die Grenze zu einem Nachbarstaat überquert zu haben) von einem Tatbestandsirrtum auszugehen ist und die Bestrafung aus einem Vorsatzdelikt nicht in Betracht kommt.218 Kennt der Täter die geltungsbegründenden Umstände, nimmt aber irrtümlich an, der Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts erstrecke sich nicht auf seine Tat, ist konsequenterweise von einem nach § 17 zu behandelnden Verbotsirrtum auszugehen.219 Wertungsmäßig problematisch ist der Fall, in dem der (deutsche) Täter einer Auslandstat aufgrund der irrigen Annahme, sein Verhalten sei am Tatort nicht strafbar, von der Unanwendbarkeit des deutschen Strafrechts ausgeht. Er irrt dann zwar über einen – aufgrund des Erfordernisses der „identischen Norm“ in § 7 – geltungsbegründenden tatsächlichen Umstand, so dass auf den ersten Blick ein Tatbestandsirrtum vorzuliegen scheint. Es handelt sich allerdings um eine typische Verbotsirrtumskonstellation, so dass man dem Täter lediglich einen nach § 17 zu behandelnden Verbotsirrtum wird zugestehen können.220 216 Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 125; Geisler, GA 2000, 166, 179; vgl. auch Rönnau / Bröckers, GA 1995, 549 f.; Roxin, AT I § 23 Rn. 9. 217 So Neumann, FS Müller-Dietz, 589, 604 und teilweise Jakobs, 5. Abschn. Rn. 12; dahingehend auch schon Oehler, Internationales Strafrecht Rn. 123. Explizit a. A. A. Schmitz, S. 311: Die §§ 3 ff. dehnten den Verhaltensappell nicht aus, sondern bestimmten nur die Anwendung des deutschen Strafrechts und die Erstreckung der Strafgewalt im Einzelfall, so dass ihre Voraussetzungen nicht Gegenstand des Tatbestandes seien. Als „unechte“, strafbegründende objektive Bedingungen der Strafbarkeit soll nach Ansicht der Autorin (a. a. O. S. 316 f.) gleichwohl ihre Eingliederung in das geltende Schuldstrafrecht in dem Sinne erforderlich sein, dass der Täter, der über die Tatortstrafbarkeit oder die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts irrt, nach § 17 zu behandeln ist; so i. E. auch Hilgendorf, NJW 1997, 1873, 1876. 218 Neumann, FS Müller-Dietz, 589, 605; vgl. teilweise bereits Oehler, Geburtstagsgabe Grützner, 110, 116 f.: In den Fällen, in denen der Staat um des Selbstschutzes willen strafe (Territorialitätsprinzip, Schutzprinzip und passives Personalitätsprinzip), müsse dem Täter klar werden können, dass er mit seiner Tat in den Geltungsbereich des seine Tat erfassenden Strafrechts treten könne. 219 Jedenfalls insofern zutreffend A. Schmitz, S. 317; vgl. auch schon Niemöller, NStZ 1993, 171, 173; weiterhin Neumann, StV 2000, 425, 426, der einen Verbotsirrtum allerdings wohl nur annehmen will, wenn der Täter (zu Recht oder zu Unrecht) zusätzlich davon ausgeht, sein Verhalten sei am Tatort erlaubt. Nach h. M. ist ein Irrtum über die Anwendbarkeit der deutschen Strafrechtsordnung dagegen unbeachtlich; vgl. BGHSt 27, 30, 34; BGH StV 2000, 422, 423 (a. A. [unvermeidbarer Verbotsirrtum] allerdings das LG Frankfurt / M. in der Vorinstanz [abgedruckt in StV 2000, 423 f.]); Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 3 – 7 Rn. 61; Fischer, Vor §§ 3 – 7 Rn. 30. 220 So A. Schmitz, S. 316 f.; vgl. auch Neumann, FS Müller-Dietz, 589, 605 f.

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e) Folgen der Zuordnung der §§ 3 – 7 zum materiellen Recht für die Einordnung der Schutzbereichsfrage Wenn aber die §§ 3 – 7 mit den Straftatbeständen derart „verknüpft“ sind, dass sie die ihnen zugrundeliegenden Normen (sei es bereits die primären, sei es nur die sekundären) räumlich und personell beschränken,221 liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei den – meist getrennt formulierten – Fragen nach dem „Schutzbereich“ der Tatbestände einerseits und die in den §§ 3 – 7 geregelte „Anwendungsfrage“ andererseits eigentlich um ein einziges Problem oder zumindest Teilaspekte desselben handelt: Nämlich schlicht darum, in welchen Fällen mit Auslandsbezug ein deutscher Straftatbestand Anwendung findet.222 aa) Die Zugehörigkeit auch der Schutzbereichsfrage zur primären Ebene nach der Theorie vom beschränkten Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts Für diejenigen, die der Erfüllung der Voraussetzungen der §§ 3 – 7 unrechtskonstituierende Wirkung beimessen, geht es in beiden Fällen um die Frage nach einem Verstoß gegen Verhaltensnormen des deutschen Strafrechts. Inwieweit der Appell, der Verhaltensnorm gemäß zu handeln, bei Bezügen des Sachverhalts zum Ausland beschränkt ist, sollen dabei – „vor die Klammer gezogen“ – die §§ 3 – 7 bestimmen. Dabei ist unwahrscheinlich, dass diese Normen die (sehr relevante!) Frage nach der „Nationalität“ der einbezogenen Rechtsgüter außer Betracht gelassen haben. Zumindest sind sie zunächst daraufhin zu untersuchen, ob sie diese Frage regeln, bevor der Versuch unternommen wird, eine Antwort auf sie durch „Auslegung“ der einzelnen Tatbestände zu suchen. bb) Die Einordnungsmöglichkeiten nach der Theorie vom universellen Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts Keine so eindeutige Aussage lässt sich treffen, wenn man die Sicht der Vertreter der These von der „universellen Geltung“ der in den deutschen Straftatbeständen 221 Vgl. MüKo-Ambos, Vor §§ 3 – 7 Rn. 2 m. w. N.: Die §§ 3 – 7 stecken den materiellen Geltungsbereich des deutschen Strafrechts in persönlicher und räumlicher Hinsicht ab; ebenso NK-Lemke, Vor §§ 3 – 7 Rn. 26. 222 Vgl. im Ansatz schon Schlüchter, FS Oehler, 307, 310 f., die – ohne dies näher zu erläutern – von einer „Verknüpfung“ der Tatbestände mit dem internationalen Strafrecht ausgeht und die sich auf inländische (Allgemein-)Rechtsgüter beschränkende Anwendung eines Tatbestandes i. S. d. „Schutzbereichsfrage“ als teleologische Reduktion anhand der „materiellen Rechtfertigung des Territorialitätsprinzips“ (Selbstschutz des Staates und Aufrechterhaltung des inneren Friedens) beschreibt (a. a. O. S. 309 ff.). Ähnlich Günther-Nicolay, S. 60, 85 f.: Prinzipien der §§ 3 – 7 zwangsläufig nur offene, abstrakt gefasste Typisierungen, deren „Blindheit“ für die materiellen Sachprobleme Schutzzweckerwägungen im Rahmen der einzelnen Tatbestände erforderlich mache.

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enthaltenen Verhaltensnormen zugrunde legt. Es ergeben sich danach vielmehr zwei Interpretationsmöglichkeiten für die „Schutzbereichsfrage“: (1) Die mögliche Zuordnung der Schutzbereichsfrage zur sekundären Ebene Vom Standpunkt der Vertreter der Theorie vom universellen Geltungsanspruch des deutschen Strafrechts aus ist es denkbar, die Schutzbereichsfrage derselben Ebene zuordnen, der nach dieser Ansicht die Voraussetzungen der §§ 3 – 7 zugehören, nämlich der Sanktionsebene. Auf der Ebene der Verhaltensnorm wäre das deutsche Strafrecht dann nicht auf den Schutz bestimmter Rechtsgüter beschränkt, sondern sein Appell wäre stets auch darauf gerichtet, die Beeinträchtigung ausländischer Rechtsgüter zu unterlassen. Eine solche Deutung entspräche der Vorstellung vom „universellen Bewertungsanspruch“ deutscher Strafrechtsnormen. Der „Schutzbereichsfrage“ käme – wie den §§ 3 – 7 – erst die Funktion zu, die deutsche Strafgewalt zu begrenzen: Diejenigen Fälle von Beeinträchtigungen ausländischer Rechtsgüter auszusortieren, in denen dem deutschen Recht (trotz Verletzung seiner Verhaltensnormen) kein „ius puniendi“ zusteht, wäre Aufgabe der vorzunehmenden Schutzbereichsdeutung. Ein Beispiel: Auch der vor einem ausländischen Gericht begangene Meineid verstieße gegen die Verhaltensnorm des § 154, könnte aber – mangels „Zuständigkeit“ des deutschen Strafrichters für Beeinträchtigungen ausländischer Rechtspflege – nicht von diesem mit Strafe belegt werden. Ebenso wie im Rahmen der These vom beschränkten Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts läge dann die Vermutung nahe, dass die §§ 3 – 7 bezüglich der (in den „Sanktionsbereich“ des deutschen Strafrechts) einzubeziehenden Rechtsgüter nicht lückenhaft sind und den Tatbeständen jeweils die Regelung überlassen, sondern selbst eine solche treffen. (2) Die mögliche Zuordnung der Schutzbereichsfrage zur (den §§ 3 – 7 vorgelagerten) primären Ebene Die Anhänger der These vom universellen Bewertungsanspruch könnten die „Schutzbereichsfrage“ aber auch als solche der „primären Ebene“ begreifen. Ihr käme dann die den §§ 3 – 7 nicht „zugetraute“ Funktion zu, eine Begrenzung des Bewertungsanspruchs zu bewirken.223 Der angeblich „universelle“ Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts, der durch die §§ 3 – 7 nur hinsichtlich der Sanktionsbefugnis begrenzt wird, wäre letztlich doch nur ein (auf bestimmte Rechts223 Die Vertreter dieser These betonen nämlich, dass die von den §§ 3 – 7 angeordnete „Geltung“ des deutschen Strafrechts „etwas Zusätzliches ist, das zu dem bereits feststehenden Charakter der Tat als schuldhaft begangenes Unrecht hinzutreten muß, damit ein Strafanspruch entsteht“ (Schröder, ZStW 61 [1942], 57, 86 f.). Liebelt, S. 48, spricht von dem Ebenen-Streit als dem „Problem [ . . . ], inwieweit die §§ 3 ff. StGB einen (vollständig) erfüllten Straftatbestand nach deutschem Recht voraussetzen“.

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güter) „beschränkt universeller“. Es spricht viel dafür, dass die einhellige Auffassung, die „Schutzbereichsfrage“ sei von der Anwendungsfrage verschieden und isoliert zu behandeln, auf eine entsprechende Deutung im Rahmen der Theorie vom (grundsätzlich) universellen Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts zurückzuführen ist. So passt die mitunter anzutreffende Aussage, wenn der Schutzbereich eines Tatbestandes nicht betroffen sei, liege schon keine „Tat“ im Sinne der §§ 3 – 7 vor224 (und daher sei die Schutzbereichsfrage gesondert und erstrangig zu behandeln), in das angedeutete Schema. Die gesonderte Behandlung der Schutzbereichsfrage passt indessen nicht zu der Grundidee der Auffassung vom unbeschränkten Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts; sie erscheint als stilles Eingeständnis zugunsten der konträren These, dass das deutsche Strafrecht schon nur bestimmtes und nicht „jegliches menschliches Verhalten“ überall auf der Welt bewertet. cc) Die Theorie vom beschränkten Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts als Ausgangspunkt der folgenden Untersuchung Eine gesonderte Behandlung passt auch nicht zu dem heute im Vordringen befindlichen Verständnis der §§ 3 – 7 als unrechtskonstituierend.225 Auf der Grundlage der These von dem durch die §§ 3 – 7 bereits begrenzten Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts liegen die Regeln der §§ 3 – 7 nämlich in jedem Fall auf der „primären Ebene“ und damit auf einer Ebene mit der Frage, welche Rechtsgüter dem Bewertungsanspruch der deutschen Strafnormen unterfallen. Als wohl bereits herrschende, zumindest jedoch im Vordringen befindliche soll die letztgenannte Theorie den folgenden Überlegungen zunächst zugrunde gelegt werden.226 Da danach die §§ 3 – 7 den Bereich der Verhaltensnormen der einzelnen Straftatbestände „international“, nämlich räumlich und personell begrenzen, stellt sich damit insbesondere die Frage, ob die §§ 3 – 7 im Hinblick auf den Teilbereich „geschütztes Rechtsgut“ tatsächlich lückenhaft sind und die Antwort dem jeweiligen Tatbestand überlassen.

224

Etwa OLG Stuttgart NJW 1977, 1601, 1602; Vogler, Geburtstagsgabe Grützner, 149,

150. 225 A. A. wohl Neumann, FS Müller-Dietz, 589, 604 m. Fn. 77, der aus der Erkenntnis, dass erst die Erfüllung der Voraussetzungen der §§ 3 – 7 eine Tat tatbestandsmäßig mache, – ohne dies näher zu erläutern – folgert, „dass die Frage nach dem Schutzbereich des Tatbestands im Verhältnis zu der nach der Anwendbarkeit der Regeln des Internationalen Strafrechts logisch vorrangig“ sei. 226 Zu den sich ergebenden Abweichungen, wenn der anderen Theorie gefolgt wird, unten 3. a) cc).

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2. Die parallele Problematik im Internationalen Privatrecht: Die „selbstbegrenzte Sachnorm“ Zur Stützung der zunächst vielleicht gewagt anmutenden These, dass die Schutzbereichsfrage kein gesondertes, sondern ein in den Regelungsbereich der §§ 3 – 7 fallendes und dort auch geregeltes Problem betrifft, sei vorab ein vergleichender Blick in die Materie des Internationalen Privatrechts gestattet. Das IPR ist, ebenso wie das Internationale Strafrecht des StGB, „Rechtsanwendungsrecht“ und daher für die Bildung einer Parallele geeignet. Zwar wird eine Vergleichbarkeit von IPR und Strafanwendungsrecht teilweise bestritten, weil letzteres nur den Anwendungsbereich des deutschen materiellen Strafrechts einseitig festlegt und nicht zwischen mehreren Strafrechtsordnungen auswählt, also nicht eine „Kollision“ mehrerer anwendbarer Strafrechtsnormen auflöst, und daher kein (echtes) Kollisionsrecht sei.227 Zum Teil wird von „einseitigem“ Kollisionsrecht gesprochen,228 weil die Aussage, das deutsche Strafrecht sei auf einen bestimmten Fall anwendbar, stets auch die Feststellung beinhaltet, eine fremde Strafrechtsordnung werde nicht angewandt.229 Unabhängig davon ist aber entscheidend, dass es sich bei IPR und Strafanwendungsrecht gleichermaßen um Rechtsanwendungsregeln handelt. Beide müssen daher eine Methode vorweisen, nach der zu bestimmen ist, ob eine Rechtsordnung (sei es eine von mehreren in Betracht kommenden, sei es nur die eigene) zur Anwendung gelangt. Bei der Suche nach einer solchen Methode wird dabei für das IPR die Frage als grundlegend bezeichnet, ob man bei der Aufstellung von Kollisionsnormen (also Rechtsanwendungsvorschriften) vom Tatbestand oder von der Rechtsfolge ausgeht, also vom Sachverhalt oder vom anzuwendenden Gesetz.230 Vom Sachverhalt her 227 Auch wenn die Ausgestaltung auch von Internationalem Strafrecht als „echtes“, allseitiges Kollisionsrecht, durchaus möglich ist: Die „Neubürgerklausel“ des § 4 Abs. 3 in der Fassung bis zur Geltungsbereichsverordnung vom 06. 05. 1940 (dem heutigen § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 2 entsprechend) etwa ordnete die Anwendung des Tatortrechts an, sofern es milder war, so dass nicht nur die zu verhängende Strafe das nach ausländischem Recht verwirkte Maß nicht übersteigen durfte, sondern stets das ausländische Recht im ganzen zugrunde zu legen war (vgl. BGHSt 20, 22, 29 f.). Art. 6 Abs. 2 des schweizerischen StGB ordnet für bestimmte Fälle von Auslandstaten immerhin an, dass die Sanktionen insgesamt für den Täter nicht schwerer wiegen dürfen als nach dem Recht des Begehungsortes. – Für Europa tendenziell auf längere Sicht eine Lösung befürwortend, die jeweils das „sachnächste“ Strafrecht zur Anwendung bringt, etwa Satzger, Internationales Strafrecht § 3 Rn. 5. 228 So etwa Cornils, S. 76 f.; Lackner / Kühl, Vor §§ 3 – 7 Rn. 1 und Haft / Schwoerer, FS Weber, 367, 368; für die Ausgestaltung des Internationalen Strafrechts im StGB ablehnend aber Zieher, S. 33 f.; zu dem Streit auch Liebelt, Zum deutschen internationalen Strafrecht S. 31 ff. (der in der Qualifikation als „Kollisionsnormen“ eine Voraussetzung für die Möglichkeit sieht, fremdstaatliche Rechtssätze bei der Subsumtion unter die Straftatbestände zu berücksichtigen) m. zahlr. Nachw. 229 A. Schmitz, S. 76 f. spricht von „Rechtsanwendungsregeln [ . . . ], die nur insoweit einen kollisionsrechtlichen Einschlag dadurch aufweisen, dass sie für den bestimmten von ihnen erfassten Sachverhalt die Anwendbarkeit einer anderen Rechtsordnung ausschließen“. 230 Kropholler, Internationales Privatrecht § 3 I.

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könne man fragen, welche Rechtsordnung für den jeweils vorliegenden Fall maßgeblich sein soll; diese Methode herrsche im modernen Kollisionsrecht vor. Denkbar sei aber auch ein Aufbau der Kollisionsnorm vom Gesetz her, da zu jeder Norm wesensmäßig die Angabe ihrer „Destinatäre“ gehöre, für die sie erlassen ist. Damit erscheine die Bezeichnung des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs einer Norm als ihr bloßes Tatbestandsmerkmal. 231 Dementsprechend kennt die Literatur zum IPR die Kategorie der „selbstbegrenzten (oder selbstbeschränkten) Sachnorm“, in der eine zugehörige Kollisionsnorm „versteckt“ ist,232 eine „Norm mit Doppelfunktion“, die Sachnorm und zur Sachnorm gehörige Kollisionsnorm in einem Normtext vereinigt.233 Die Parallele zum Schutzbereichsproblem im Strafrecht ist eindeutig: Die §§ 3 – 7 regeln die Frage nach der anwendbaren Rechtsordnung (nach deutschem Internationalen Strafrecht in jedem Fall die deutsche) „vom Sachverhalt“ her; ist ein tatsächlicher Anknüpfungspunkt im Sinne der §§ 3 – 7 gegeben, soll deutsches Strafrecht anwendbar sein. Die Frage nach dem Schutzbereich eines bestimmten Straftatbestandes lässt sich dagegen als Frage nach dem räumlichen Anwendungsbereich „vom Gesetz her“ begreifen. Das Strafgesetz selbst kann theoretisch eine „einseitige“ Kollisionsnorm (bzw. zumindest Anwendungsnorm) beinhalten, indem es sich in bestimmten Fällen für anwendbar bzw. nicht anwendbar erklärt.234 Die Bezeichnungen, die das IPR dafür bereithält, sind unglücklich gewählt: Die Rechtsfolge – Anwendbarkeit bzw. Nichtanwendbarkeit des deutschen Strafrechts – ist stets ein „Produkt“ aus der Kombination von Sachverhalt und Gesetz. Treffender lässt es sich so beschreiben, dass die §§ 3 – 7 die generellen Regeln enthalten, über die sich die einzelnen Tatbestände – wenn man die „Schutzbereichsfrage“ in diesem Sinne anerkennt – mit in ihnen selbst enthaltenen Anwendungsregeln hinwegsetzen können. Der Gedanke, dass der Tatbestand selbst die Anwendungsnorm enthalten kann, ist der Wissenschaft des Strafanwendungsrechts nicht fremd; er wird nur meist nicht mit der „Schutzbereichsproblematik“ in Verbindung gebracht. Oehler spricht im Zusammenhang mit der Frage, wie eine Kodifikation von Strafanwendungsrecht ausgestaltet sein kann, von einer „theoretischen Anknüpfung an die einzelnen Tatbestände“.235 So sei es vorstellbar, statt generelle Prinzipien auf alle Tatbestände anzuwenden, entsprechend der Eigentümlichkeit und Eigenart des einzelnen Tatbestandes je nachdem an den Ort der Handlung, an die Staatsangehörigkeit des Täters, an das unmittelbare Interesse des Staates am verletzten Rechtsgut oder Kropholler, Internationales Privatrecht § 3 I. Kropholler, Internationales Privatrecht § 13 IV 2; vgl. auch Kegel / Schurig, Internationales Privatrecht § 6 I 5. 233 v. Bar / Mankowski, Internationales Privatrecht Bd. I § 4 Rn. 8. 234 So explizit schon Ziegenhain, S. 62 m. Fn. 47: „Rechtstechnisch lassen sich [ . . . ] die «Sachnormen» des deutschen Strafrechts, d. h. die materiellen Tatbestände des StGB, als versteckte, einseitige Kollisionsnormen qualifizieren. . .“. 235 Oehler, Internationales Strafrecht, S. 128 ff. 231 232

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an die Staatsangehörigkeit des Verletzten anzuknüpfen.236 Der Autor empfindet allerdings diese Methode, „und zwar vor allem dort, wo der jeweilige Geltungsbereich der betreffenden Bestimmung gleich mit dieser zusammen festgelegt wird“, für die Kodifikation von Strafanwendungsrecht als nicht empfehlenswert, weil sie „zu recht verwickelten und vielfältigen Strukturen“ führe.237 Auch Zieher hält es für zwar nicht undenkbar, jedoch für „höchst unpraktisch“, den Geltungsbereich jedes einzelnen Gesetzes im unmittelbaren Zusammenhang mit der tatbestandsregelnden Norm zu bestimmen.238

3. Die Schutzbereichsfrage als vom Strafanwendungsrecht zu bewältigendes Problem Die Aussage Oehlers, die Methode, den Geltungsbereich eines Tatbestandes gleich individuell mit diesem zusammen festzulegen, sei abzulehnen, verwundert. Der Autor stellt an anderer Stelle nämlich selbst die Frage nach dem „Schutzbereich“ der einzelnen Tatbestände,239 trennt sie gedanklich aber deutlich von den Regeln der §§ 3 – 7, indem er ausführt, diese Normen könnten nicht einen Tatbestand, der speziell nur ein deutsches Rechtsgut schützte, auf die Beeinträchtigung eines entsprechenden ausländischen Rechtsguts erstrecken.240 Wie alle Autoren, die die Schutzbereichsfrage als unabhängig von den Normen des Strafanwendungsrechts betrachten, geht Oehler also davon aus, die Methode, den räumlichen Anwendungsbereich einer Norm aus dieser selbst herauszulesen, beanspruche neben der Kodifikation genereller Prinzipien in den §§ 3 – 7 Gültigkeit. Das Problem der 236 Oehler, Internationales Strafrecht, S. 128 f.; ders., Geburtstagsgabe Grützner, 110, 114; ebenso Zieher, S. 59, 90 f.; beide mit Verweis auf Mendelssohn Bartholdy, der in seiner Abhandlung über „Das räumliche Herrschaftsgebiet des Strafgesetzes“, in: Vergleichende Darstellung des Deutschen und Ausländischen Strafrechts, Allgemeiner Teil, VI. Bd, S. 85, 87, 112, 312 eine solche Methode befürwortet. 237 Oehler, Internationales Strafrecht, S. 129; ders., Geburtstagsgabe Grützner, 110, 114. 238 Zieher, S. 59; vgl. auch S. 91; ebenso Wang, S. 13: „. . . in der Gesetzgebungspraxis nicht zu verwirklichen“. 239 Oehler, Internationales Strafrecht, Rn. 232 ff., 778 ff. Der Autor spricht a. a. O. Rn. 779 sogar explizit von Normen, die „in sich bereits einen beschränkten Geltungsbereich [tragen].“ Vgl. weiterhin ders., JR 1978, 381: Bei der Auslegung von Strafvorschriften sei, „soweit der Geltungsbereich des deutschen Rechts in Frage steht“, einer restriktiven Interpretation der Vorzug zu geben. 240 Auch Zieher, S. 59, 91, 130 weist darauf hin, dass einige Bestimmungen des Besonderen Teils (§§ 91, 234a) sowie einzelne Merkmale in Tatbeständen (§§ 80a, 84, 85, 86a, 100, 109) eine eigene Bestimmung ihres Geltungsbereichs vornehmen und daher als „besonderes sachliches Geltungsbereichsrecht“ zu qualifizieren seien. Auch könne ein Rechtsgut eventuell einmal „einen vagen Hinweis auf den spezifischen Geltungsbereich geben“; dies sei aber die seltene Ausnahme. Vgl. weiterhin Vogler, Geburtstagsgabe Grützner, 149, 150: „. . . Ausdehnung des Schutzbereichs durch die Tatbestandsfassung, die einen Rückgriff auf das internationale Strafrecht entbehrlich macht, weil diese Vorschriften ihre Geltungsbereichsregeln in sich selbst tragen.“

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Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts wird damit von zwei Seiten angegangen. Diese „doppelte“ Vorgehensweise dürfte zu nicht weniger „verwickelten Strukturen“ führen als die Beschränkung auf eine Methode. Darüber hinaus ist fragwürdig, ob sie überhaupt zulässig ist. Denkbar ist nämlich, dass eine der Methoden nach der gesetzgeberischen Entscheidung Vorrang vor der anderen hat und diese Entscheidung nicht dadurch ausgehöhlt werden darf, dass man zusätzlich die andere Methode heranzieht. In der Wissenschaft des Internationalen Privatrechts ist dieser Gedanke anerkannt. Im Zusammenhang mit der Behandlung „doppelfunktionaler“ Normen im Privatrecht formulieren v. Bar und Mankowski das Problem deutlich: Die Frage, ob man mit Hilfe der Auslegung einer bestimmten Sachnorm zu ungeschriebenem Kollisionsrecht für diese bestimmte Norm kommen könne, sei ein allgemeines Problem der Lückenfeststellung und Lückenfüllung im Gesetzesrecht und (für das IPR) in aller Regel zu verneinen. „Denn wenn man jede einzelne Sachnorm befragte, ob sie eine versteckte besondere Kollisionsnorm enthalte, desavouierte man die allgemeinen allseitigen Kollisionsnorm“.241 Aus der Existenz des allgemeinen IPR sei der Gegenschluss zu ziehen, dass in dessen prinzipiellem Anwendungsbereich besondere einseitige Kollisionsnormen zu Gunsten des eigenen Sachrechts grundsätzlich nur existieren, wenn sie ausdrücklich ausgeführt sind.242 Freilich würde es im Strafanwendungsrecht nicht darum gehen, den Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts zu erweitern. Die Anwendungsnormen des deutschen Strafrechts sind immer insofern „einseitig“, als nur die deutsche Strafrechtsordnung berufen wird. Die Diskussion um den „Schutzbereich“ einzelner Vorschriften kann umgekehrt nur zur Nichtanwendung des deutschen Strafrechts führen. Insofern hat das im IPR angeführte Argument, die Neigung, in Sachnormen „versteckte“ Kollisionsnormen zu entdecken, sei notwendig identisch mit dem Streben, der jeweiligen deutschen Sachvorschrift in ungerechtfertigter Weise eine „imparitätische Vorzugsstellung“ einzuräumen (weil eine Sachnorm nie eine „allseitige“, sondern stets nur eine „einseitige“ Kollisionsnorm enthalten könne),243 im Strafrecht selbstverständlich keine Geltung. Gleichwohl muss auch hier zweifelhaft sein, ob Normen mit insofern „neutralem“ Wortlaut eine Beschränkung ihres Anwendungsbereich durch Auslegung entnommen werden kann, ohne den Willen des Gesetzgebers zu untergraben: Dass er die §§ 3 – 7 geschaffen hat, legt den Schluss nahe, dass er sich definitiv für die „moderne“ Methode entschieden hat, den Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts „vom Sachverhalt her“ (also generell für alle Tatbestände) zu bestimmen. Durch „Auslegung“ einzelner Tatbestände ein anderes Ergebnis zu finden, wäre eine Missachtung dieses Willens. Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass die §§ 3 – 7 StGB die Anwendungsfrage tatsächlich umfassend und abschließend regeln. Ob dies der Fall ist, soll im Folgenden untersucht werden.

241 242 243

v. Bar / Mankowski, Internationales Privatrecht Bd. I § 4 Rn. 12 f. v. Bar / Mankowski, Internationales Privatrecht Bd. I § 4 Rn. 13. v. Bar / Mankowski, Internationales Privatrecht Bd. I § 4 Rn. 13 f.

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a) Die §§ 3 – 7 StGB: Ein auch die „Schutzbereichsfrage“ lösendes Regelungssystem? Zumindest für die Theorie vom begrenzten Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts konnte die Auffassung widerlegt werden, die Schutzbereichsproblematik sei keine des Strafanwendungsrechts. Damit steht noch aus, der Prämisse entgegenzutreten, die Normen der § 3 ff. würden diesbezüglich keine Regelung treffen. aa) Die Prinzipien des Strafanwendungsrechts und die den §§ 3 – 7 unmittelbar zu entnehmenden Aussagen bzgl. des Geltungsbereichs (1) Territorialitätsprinzip und aktives Personalitätsprinzip Die §§ 3 ff. enthalten ein komplexes, sich verschiedener Anknüpfungspunkte (zum Teil auch in Kombination) bedienendes Regelungssystem für die Anwendbarkeit deutscher Straftatbestände. Sie beziehen sich dafür zumindest auf den Tatort und die Nationalität des Täters: Nach § 3 ist deutsches Strafrecht anwendbar, wenn die Tat in Deutschland begangen wurde;244 dieses „Territorialitätsprinzip“ ist Grundlage des Internationalen Strafrechts des StGB.245 „Begangen“ wurde die Tat in Deutschland, wenn zumindest der Handlungs- oder der Erfolgsort in Deutschland liegt („Ubiquitätsprinzip“ des § 9). Das Territorialitätsprinzip wird in recht umfangreichem Maße von anderen Prinzipien durchbrochen: Nach dem „aktiven Personalitätsprinzip“ ist deutsches Strafrecht in bestimmten Fällen anwendbar, wenn der Täter (einer Auslandstat) Deutscher ist. Das Prinzip gilt heute grundsätzlich nur noch als „beschränktes“, nach der allgemeinen Regel in § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 nämlich nur, wenn die Tat auch im Ausland mit Strafe bedroht ist, d. h. dort ein Straftatbestand existiert, unter dessen Voraussetzungen die konkrete Tat (im prozessualen Sinn) gebracht werden kann.246 Teilweise wird § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 auch – abweichend – ausschließlich dem Prinzip „stellvertretender Strafrechtspflege“ zugeordnet.247 Daran ist zutreffend, 244 Und nach dem „Flaggenprinzip“ des § 4 auch für Taten, die (außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets) auf deutschen Schiffen oder in deutschen Luftfahrzeugen begangen werden. 245 Ob es (im deutschen StGB) eine „Rangfolge“ der Prinzipien mit dem Territorialitätsprinzip an der Spitze gibt, ist umstritten. Gegen eine Hierarchie der Prinzipien etwa Henrich, S. 77 f.; für eine solche etwa Ambos, Internationales Strafrecht § 4 Rn. 10 ff., beide m. w. N. Jedenfalls steht das Territorialitätsprinzip des § 3 im StGB insofern an erster Stelle, als dass keine andere Norm mehr zur Begründung der Geltung herangezogen werden muss, wenn die Tat im Inland begangen wurde. 246 Vgl. etwa BGHSt 2, 160 f. (zu § 4 a. F.); BGH StV 1997, 70 f.; Schönke / SchröderEser, § 7 Rn. 8; Satzger, Internationales Strafrecht § 5 Rn. 89; Niemöller, NStZ 1993, 171, 172 f.; jeweils m. w. N. Teilweise wird einschränkend eine Tatortnorm mit ähnlicher Schutzrichtung verlangt, vgl. etwa SK3-Samson, § 7 Rn. 2; Liebelt, S. 242; Rath, JA 2007, 26, 33; A. Schmitz, S. 274 m. w. N.

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dass der Aspekt der Solidarität mit dem Tatortstaat für Fälle, in denen der Tatort fremder Strafgewalt unterliegt (§ 7 Abs. 2 Var. 1), in der Norm jedenfalls insoweit zum Ausdruck kommt, dass der eigene Staatsbürger gegenüber dem Tatortstaat nicht straflos gestellt wird, sofern dieser die Tat ebenfalls als Unrecht bewertet248. Gleichwohl ist jedenfalls nach dem Wegfall des Verbots der Auslieferung Deutscher im Bereich der EU nach Umsetzung des „europäischen Haftbefehls“249 die Auffassung, die Norm diene allein der Überwindung des Auslieferungsverbots des Art. 16 Abs. 2 GG und sei daher eine Ausprägung des Grundsatzes stellvertretender Strafrechtspflege, nicht mehr vertretbar. § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 beruht auf dem aktiven Personalitätsprinzip, auch wenn man das einschränkende Erfordernis der Tatortstrafbarkeit als Ausprägung des Solidaritätsgedankens begreifen mag.250 Uneingeschränkte Geltung erlangt das aktive Personalitätsprinzip schließlich in den Fällen des Katalogs des § 5, die auf ihm beruhen251, weil § 5 eine Tatortstrafbarkeit nicht zur Voraussetzung für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts macht. (2) Schutzprinzip und Weltrechtsprinzip: Das Rechtsgut als Anknüpfungspunkt Zwei weitere Prinzipien des Systems, das „Schutzprinzip“ und das „Weltrechtsprinzip“, lassen schon ihrer Bezeichnung nach vermuten, dass die §§ 3 – 7 darüber hinaus Auskunft darüber geben, bei Verletzung welcher Rechtsgüter das deutsche Strafrecht Anwendung findet:252 Dem Schutzprinzip liegt der Wille zugrunde, 247 Vgl. etwa SK3-Samson, § 7 Rn. 1; Jescheck / Weigend, § 18 III 5; StratenwerthKuhlen, AT § 4 Rn. 22. Dagegen entspricht die Zuordnung dieser Norm zum aktiven Personalitätsprinzip der h. M. 248 A. Schmitz, S. 211. 249 Nachdem das BVerfG das Europäische Haftbefehlsgesetz vom 21. 07. 2004 (BGBl. I, S. 1748) für nichtig erklärt hatte (BVerfGE 113, 273, 292 = NJW 2005, 2289), sind die Vorgaben des Rahmenbeschlusses des Rates über den Europäischen Haftbefehl (ABl. EG 2002 Nr. L 190, S. 1) durch das (neue) Europäische Haftbefehlsgesetz vom 20. 07. 2006 (BGBl. I, S. 1721, in Kraft seit 02. 08. 2006), das den Vorgaben des BVerfG Rechnung tragen soll, umgesetzt worden und ist von der Ermächtigung in Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG Gebrauch gemacht worden; vgl. dazu etwa Böhm, NJW 2006, 2592. 250 So auch die h. M., vgl. statt vieler A. Schmitz, S. 208 ff., 212 m. zahlr. Nachw. 251 Die Nummern 8 b), 9, 11 a) und 15 sind allein von diesem Prinzip beherrscht, vgl. MüKo-Ambos, § 5 Rn. 2; Schönke / Schröder-Eser, § 5 Rn. 1; teilweise wird dies auch für die Nummern 12 und 13 angenommen, etwa LK-Werle / Jeßberger, § 5 Rn. 11; Schönke / Schröder-Eser, § 5 Rn. 1. 252 Unter Bezugnahme auf Schutz- und Universalitätsprinzip nennt etwa Cornils, S. 2 das verletzte Rechtsgut ausdrücklich als möglichen Anknüpfungspunkt für die Begründung des eigenen staatlichen Strafanspruchs. Vgl. auch Oehler, Geburtstagsgabe Grützner, 110, 115: Bezogenheit der Tat zum Recht des Aburteilungsstaates könne beim Tatort, bei der Angehörigkeit des Täters oder Opfers zu dem strafenden Staat oder bei dem verletzten Interesse liegen; sowie Kondring, WM 1998, 1369: „Inwieweit ein Sachverhalt, der hinsichtlich des Tatortes, des Täters oder des verletzten Rechtsgutes internationale Bezüge aufweist, dem

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bestimmte nationale Rechtsgüter in besonderem Maße zu schützen.253 Es spaltet sich auf in das „Staatsschutzprinzip“ (oder „Realprinzip“), das in einigen Fällen des Katalogs des § 5 Niederschlag gefunden hat und das deutsche Strafrecht unabhängig vom Tatort und der Nationalität des Täters für anwendbar erklärt, weil Opfer der dort genannten Delikte der deutsche Staat ist, und das „passive Personalitätsprinzip“: Ist das Opfer ein Deutscher, findet nach § 7 Abs. 1 deutsches Strafrecht auch bei einer Auslandstat und auch auf einen ausländischen Täter immer Anwendung, sofern die Tat auch im Ausland mit Strafe bedroht ist. Bei den im Katalog des § 5 aufgenommenen (individualschützenden) Delikten kommt es über Tatort und Nationalität des Täters hinaus auch auf die Tatortstrafbarkeit nicht an. Das betroffene Rechtsgut ist in den auf dem Schutzprinzip beruhenden Fällen also ein Anknüpfungspunkt für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts,254 ebenso wie ein bestimmter Tatort bzw. die Nationalität des Täters in den auf Territorialitäts- und aktivem Personalitätsprinzip beruhenden Fällen ein solcher Anknüpfungspunkt ist. In § 7 Abs. 1 ist formuliert: „Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Ausland gegen einen Deutschen begangen werden, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist [ . . . ]“. Gemeinhin wird angenommen, dass die Tat nur dann „gegen einen Deutschen“ gerichtet ist, wenn ein Deutscher gemäß § 77 Abs. 1 verletzt ist, wenn also „durch die Tat ein Rechtsgut beeinträchtigt ist [ . . . ], dessen Inhaber Deutscher ist“,255 und dieser Annahme lässt sich zustimmen.256 Der Gesetzgeber hat für Auslandstaten eines Ausländers (für Taten von Deutschen springt, wenn sie nicht gegen einen Deutschen gerichtet sind, § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 ein) also eine Einschränkung in dem Sinne gemacht, dass auf sie nur bei Verletzung eines deutschen Rechtsgutes deutsches Strafrecht anwendbar ist. deutschen Strafrecht unterliegt [ . . . ], beurteilt sich grundsätzlich nach den in den §§ 3 – 7 StGB enthaltenen Regeln. . .“ (Hervorhebungen von der Verfasserin). 253 Vgl. etwa die Aussage von Ziegenhain, S. 57 (m. w. N.): „Will ein Staat Auslandstaten von Ausländern seiner Strafgewalt unterwerfen, um inländische Rechtsgüter zu schützen, so bezieht er sich auf das Schutzprinzip“ (Hervorhebung von der Verfasserin). 254 Vgl. auch Zieher, S. 139: Wort „Rechtsgüter“ in der Überschrift des § 5 insofern zutreffend, als dadurch herausgestellt werde, dass die Abgrenzung der Geltung des deutschen Strafrechts nach Rechtsgutsaspekten oder Rechtsgutsgruppen erfolge. 255 Schönke / Schröder-Eser, § 7 Rn. 6; auch NK-Lemke, § 7 Rn. 11. Für nicht ausreichend wird überdies die Verletzung eines (inländischen) Kollektivrechtsgutes gehalten, s. MüKoAmbos, § 7 Rn. 25 und zust. Schönke / Schröder-Eser, § 7 Rn. 6; auch LK-Werle / Jeßberger, § 7 Rn. 70; Satzger, Internationales Strafrecht § 5 Rn. 83; nach BGHSt 18, 283, 284 (zu § 4 Abs. 2 Nr. 2 a. F.) muss es sich bei dem Verletzten um einen zumindest bestimmbaren Einzelnen handeln. 256 Zwar lässt der Wortlaut des § 7 Abs. 1 theoretisch eine vom verletzten Rechtsgut im Grundsatz unabhängige Interpretation zu: Als „gegen einen Deutschen begangen“ ließe sich auch jedes Delikt bezeichnen, bei dem die tatbestandsmäßige Handlung einem Deutschen gegenüber vorgenommen wird, und dies unabhängig davon, ob dabei etwa nur ein (ausländisches) Allgemeinrechtsgut Schaden nimmt. Die „rechtsgutsbezogene“ Interpretation der h. M. liegt allerdings sehr viel näher.

I. Der tatbestandliche Schutzbereich

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Das „Weltrechtsprinzip“ des § 6 bezieht sich ebenfalls nur auf ganz bestimmte Rechtsgüter und macht diese damit zum Anknüpfungspunkt für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts.257 Die Norm erstreckt dessen Geltungsbereich (wiederum unabhängig von Tatort, Recht des Tatorts und Nationalität des Täters) auf bestimmte Taten, durch die international zu schützende Rechtsgüter, „Rechtsgüter der internationalen Staatengemeinschaft 258“ verletzt werden.259 Umfasst sind also gerade auch solche Rechtsgüter, die jedenfalls nicht ausschließlich „nationaler“ Natur sind. Damit steht fest, dass das verletzte Rechtsgut – sei es ein deutsches, wie in § 7 Abs. 1, sei es ein „international geschütztes“, wie in § 6 – der notwendige Anknüpfungspunkt sein kann und damit die Voraussetzung dafür, dass der deutsche Staat sein Strafrecht auf einen Sachverhalt mit Auslandsbezug erstrecken kann.260 Von einer „Rechtsgutsblindheit“ des Allgemeinen Teils261 kann daher jedenfalls für die §§ 3 – 7 und jedenfalls in dieser Allgemeinheit keine Rede sein. bb) Die den §§ 3 – 7 mittelbar zu entnehmende Aussage über den „Schutzbereich“ deutscher Tatbestände (1) Der Umkehrschluss aus § 7 Abs. 1: Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter bei Inlandstaten (§ 3) und Auslandstaten Deutscher (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1) Der Regelung des § 7 Abs. 1 lässt sich aber darüber hinaus eine „versteckte“ Aussage zur Schutzbereichsproblematik entnehmen, also zu der Frage, ob deutsche 257 Vgl. etwa BVerfG NJW 2001, 1848, 1852 m. w. N.; s. auch Satzger, Internationales Strafrecht § 5 Rn. 74: Ein Anknüpfungspunkt folge hier „allein aus der Natur des gefährdeten oder verletzten Rechtsguts“. 258 BVerfG NJW 2001, 1848, 1852. 259 Schönke / Schröder-Eser, § 6 Rn. 1; vgl. auch Zieher, S. 173: „international schutzwürdig“ ggü. der Formulierung der Normüberschrift „international geschützt“ vorzugswürdig; kritisch MüKo-Ambos, § 6 Rn. 3 und ders., Internationales Strafrecht § 3 Rn. 99 (nicht alle der in § 6 zusammengefassten Tatbestände würden solche „internationalen Rechtsgüter“ schützen). 260 Für § 6 fordert insbesondere die Rechtsprechung bisweilen allerdings zusätzlich einen unmittelbaren Inlandsbezug, etwa den längeren Aufenthalt des Täters oder seine Ergreifung in der Bundesrepublik; vgl. etwa BGHSt 45, 64 , 66, 68; BGH NStZ 1994, 232, 233; 1999, 236; StV 1999, 240; teilweise zust. MüKo-Ambos, § 6 Rn. 4 und Möhrenschlager, in: Wabnitz / Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 3. Kapitel Rn. 46 (für Taten, zu deren Verfolgung keine völker(vertrags)-rechtliche Pflicht besteht); kritisch aber etwa Schönke / Schröder-Eser, § 6 Rn. 1 (völkerrechtlich zwingende Begründung dafür sei nicht ersichtlich); anders (jedenfalls für § 6 Nr. 9 keinen zusätzlichen Anknüpfungspunkt fordernd) jetzt auch BGH NStZ 2001, 658, 662; BGHSt 46, 292, 307; für § 6 Nr. 1 a. F. noch offen gelassen von BVerfG NJW 2001, 1848, 1853; einen Bezug zum Inland für völkerrechtliche Verbrechen ausdrücklich nicht erfordernd jetzt aber § 1 VStGB (Völkerstrafgesetzbuch v. 26. 6. 2002, BGBl. I S. 2254). 261 So etwa Tiedemann, FS Baumann, 7, 13 m. w. N.

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C. Der Geltungsbereich des deutschen Strafrechts

Straftatbestände auch auf den Schutz ausländischer Rechtsgüter abzielen: Die Vorschrift beschränkt die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts für Auslandstaten von Ausländern auf Fälle, in denen deutsche (Individual-)Rechtsgüter geschädigt werden. Es liegt der (Umkehr-)Schluss nahe, dass es bei Auslandstaten Deutscher und Inlandstaten, für die § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 bzw. § 3 eine entsprechende Begrenzung zumindest nicht explizit anordnen, auf die „Nationalität“ des verletzten Rechtsgutes nicht ankommt. Deutsches Strafrecht soll bei solchen Taten offensichtlich grundsätzlich auch bei Verletzung „nur“ eines ausländischen Rechtsgutes anwendbar sein.262 Ein solcher Schluss ließe sich zwar für Inlandstaten dann nicht ziehen, wenn der Gesetzgeber davon ausgegangen wäre, dass ausländische Rechtsgüter durch sie grundsätzlich nicht verletzt werden und deshalb deren gewollten Ausschluss vom Schutzbereich der deutschen Tatbestände gar nicht für erwähnenswert hielt. Davon ist aber vor allem deshalb nicht auszugehen, weil nach dem Ubiquitätsprinzip des § 9 auch „Inlandsdistanzdelikte“ (die sich durch eine Handlung im Inland und einen Erfolg im Ausland auszeichnen) Inlandstaten i. S. d. § 3 sind und die Verletzung eines ausländischen Rechtsgutes durch ein solches Delikt unschwer vorstellbar ist. Es ist einzugestehen, dass es logisch nicht zwingend ist, aus § 7 Abs. 1 einen derartigen Schluss zu ziehen. § 7 Abs. 1 besagt nur, dass bei Auslandstaten von Ausländern die Verletzung eines ausländischen Rechtsgutes für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts nie genügen kann. Daraus folgt logisch nicht unbedingt, dass die Verletzung eines ausländischen Rechtsguts im Falle von Inlandstaten oder Auslandstaten von Deutschen für die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts immer genügt, sondern nur, dass es Fälle geben muss, in denen sie genügt. Zugunsten des Schutzes ausländischer Allgemeinrechtsgüter ließe sich – vor dem Hintergrund einer Rechtsgutslehre, die Allgemeinrechtsgüter nicht „um ihrer selbst willen“ anerkennt, sondern letztlich auch nur bzw. nur in ihrer Funktion für den Einzelnen263 – diesenfalls immerhin argumentieren, ihr Ausschluss sei gegenüber der 262 Eine weitere Folgerung in dem Sinne, dass – weil bei Auslandstaten im Rahmen des § 7 Abs. 1 nur inländische Individualrechtsgüter geschützt sind – im Rahmen von Inlandstaten und Auslandstaten von Deutschen auch nur ausländische Individualrechtsgüter geschützt seien, lässt sich hingegen nicht ziehen: § 3 bezieht sich unterschiedslos auf ausländische und deutsche Verletzte, so dass eine Beschränkung auf Individualrechtsgüter notwendig auch für Delikte gegen inländische Rechtsgüter gelten müsste – ein fern liegender Gedanke: Dass eine Verletzung inländischer Allgemeinrechtsgüter für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts zumindest bei Inlandstaten ausreicht, folgt schon aus der Existenz (nur) Allgemeinrechtsgüter schützender Tatbestände. 263 Vgl. vom Boden einer dualistischen Rechtsgutskonzeption etwa Hefendehl, S. 60, 73, 75, 82, m. w. N., mit dem zutreffenden Hinweis, dass sich unter den gegebenen verfassungsrechtlichen Grundbedingungen kollektive Güter nicht als Selbstzweck schützen lassen, sondern sich das Individuum immer als der letztendliche Destinatär ausmachen lässt; vom Boden einer monistisch-personalen Rechtsgutskonzeption etwa NK-Hassemer / Neumann, Vor § 1 Rn. 138.

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grundsätzlichen Einbeziehung auch ausländischer Individualrechtsgüter willkürlich; jedenfalls aber sei stets ein besonderer Grund für den Ausschluss eines (ausländischen) Rechtsguts aus dem Schutzbereich des deutschen Strafrechts zu fordern. Darüber hinaus legt die Tatsache, dass die §§ 3 und 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 zur Frage des durch die Tat beeinträchtigten Rechtsguts schlicht schweigen, es sehr nahe, dass es für ihre Anwendbarkeit auf dessen inländische oder ausländische Natur gar nicht ankommt – auch, wenn dies nicht die logisch einzig mögliche Interpretation ist. Gegen eine Argumentation mit den §§ 3 – 7 im Hinblick auf die „Schutzbereichsfrage“ sperren sich naturgemäß Autoren, die der Auffassung sind, die Normen des Strafanwendungsrechts hätten mit dieser „nichts zu tun264“. So ist auch die schon früher bisweilen unbefangen und ohne Problematisierung der „Schutzbereichsfrage“ geäußerte Ansicht, aus § 3 ergebe sich ja die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts265, als zu simpel kritisiert worden,266 sofern es um die Verletzung ausländischer Rechtsgüter ging. Wir haben aber schon oben gesehen, dass die Prämisse, die Schutzbereichsproblematik sei gesondert zu behandeln, jedenfalls vor dem Hintergrund der These vom beschränkten Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts nicht zutrifft. Danach gibt es vielmehr nur die eine Frage nach der Anwendbarkeit deutscher Straftatbestände auf Taten mit Auslandsbezug, und diese hat der Gesetzgeber im Grundsatz in den §§ 3 – 7 geregelt, so dass diese Normen auch für die Beantwortung der Schutzbereichsfrage herhalten müssen. In diesem Sinne hat früher – freilich ohne detaillierte Begründung – bereits das Reichsgericht argumentiert. Im Rahmen der Beurteilung der Frage, ob der von einem Deutschen im Ausland gegen einen ausländischen Beamten gerichtete Widerstand nach § 113 strafbar ist, führt es aus, die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise eine im Ausland begangene Tat nach dem deutschen StGB bestraft werden könne, seien in § 4 Abs. 2 Nr. 1 – 3 (a. F.) „in allgemeiner Weise vorgezeichnet“.267 Weiter stellt das Reichsgericht fest: „Die hier erteilten Vorschriften 264 Vgl. etwa Lüttger, FS Jescheck, 121, 164: Ein Rekurrieren auf § 3 bei der Frage nach der Einbeziehung der ausländischen Rechtspflege in den Schutzbereich der §§ 153 ff. gehe schon deshalb fehl, „weil es hier nicht um den Geltungsbereich des nationalen Strafrechts, sondern um den tatbestandlichen Schutzbereich einer Strafnorm geht, der mit Fragen des Internationalen Strafrechts nichts zu tun hat.“ 265 So etwa Pfeiffer, FS v. Gamm (1990), 129, 131 (zu § 12 UWG a. F. = § 299 StGB aktuelle Fassung); Wagner, MDR 1964, 93, 95 (zu § 153 ff.); vgl. auch BGHSt 32, 68, 78 (zu § 148 – „Alle Angeklagten haben ihre Tatbeiträge auch im Inland geleistet“) sowie BGH NJW 1986, 1444 (Deutsches Strafrecht nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 anwendbar auf den Erwerb von Betäubungsmitteln im Ausland ohne Problematisierung des „Schutzbereichs“ des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG [Den Zielen des BtMG – Schutz der menschlichen Gesundheit sowie Sicherheit und Kontrolle des Verkehrs mit Betäubungsmitteln – entspreche es, wenn jeder unerlaubte Verkehr auch im Ausland mit Strafe bedroht werde]); vgl. weiterhin RGSt 8, 53, 54 ff. zu § 4 Abs. 2 Nr. 3 a. F. (dazu sogleich näher). 266 Vgl. OLG Hamm JZ 1960, 576 (gegen RGSt 8, 53); Lüttger, FS Jescheck, 121, 164 (s. schon oben Fn. 264); Schlüchter, FS Oehler, 307, 309 ff. 267 RGSt 8, 53, 55.

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beherrschen das gesamte Gebiet des Strafrechts, sie haben deshalb, da das Gesetz eine Unterscheidung nicht trifft, hinsichtlich aller im besonderen Teile [ . . . ] mit Strafe bedrohten [ . . . ] Strafthaten in Anwendung zu gelangen, soweit nicht aus der inneren Natur des einzelnen Delikts oder aus ausdrücklichen [ . . . ] Vorschriften etwas Abweichendes hervorgeht, namentlich also [ . . . ] unzweifelhaft erhellt, daß die konkrete Strafvorschrift nach der Absicht des Gesetzgebers nur den Schutz inländischer Rechtsgüter beziele. . .“. Aus der „Allgemeinheit der Bestimmung in § 4 Abs. 2 Nr. 3268“ zieht das Reichsgericht damit zutreffend einen Schluss für die „Schutzbereichsfrage“,269 so wie er hier aus der „Allgemeinheit“ der Bestimmungen der §§ 3 und 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 gezogen worden ist. Auch Satzger, der die Frage des Geltungsbereichs von derjenigen nach dem Schutzbereich mit der ganz herrschenden Meinung eigentlich sorgfältig trennt, erkennt – etwas inkonsequent – einen Zusammenhang der Regel des § 7 Abs. 1 mit der „Schutzbereichsproblematik“. Das Ergebnis der nach seiner Auffassung auf der „zweiten Stufe“ vorzunehmenden einzeltatbestandlichen Schutzbereichsprüfung (die für ausländische öffentliche Rechtsgüter grundsätzlich negativ ausfallen müsse) formuliert Satzger, könne „durch die §§ 3 ff. StGB bereits präjudiziert sein“. Dies gelte insbesondere für eine Anwendung deutschen Strafrechts nach § 7 Abs. 1, der eine gegen einen Deutschen gerichtete Tat und damit notwendig eine Verletzung oder Gefährdung eines „Individualrechtsguts (= inländisches Rechtsgut)“ erfordere.270 Satzger versucht also, die Auffassung, ausländische Allgemeinrechtsgüter seien aus dem Schutzbereich des deutschen Strafrechts ausgenommen, mit der Tatsache zu begründen, dass im Falle des § 7 Abs. 1 (also für die Auslandstat eines Ausländers) die Verletzung eines „inländischen“ Rechtsguts erforderlich ist. Den nahe liegenden Schluss, dass in den Fällen des § 3 und § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 (über die Satzger hinweggeht, indem er „insbesondere“ auf § 7 Abs. 1 abstellt) die Verletzung eines inländischen Rechtsgutes demgegenüber gerade nicht Voraussetzung für die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts ist, zieht der Autor indessen nicht. (2) Keine Gegenargumente aus den anderen Normen des Strafanwendungsrechts Die soeben aufgestellte These, das deutsche Strafrecht schütze im Falle von Auslandstaten Deutscher und Inlandstaten grundsätzlich auch ausländische Rechtsgüter, ist aus einer Gegenüberstellung der Regelung des § 7 Abs. 1 einerseits und den Regeln der §§ 3 und 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 andererseits entwickelt worden. Die übrigen Regeln des Strafanwendungsrechts, namentlich § 6, § 5 und § 7 Abs. 2 Nr. 2 sowie Nr. 1 Var. 2, sind dabei zunächst außer Betracht geblieben, sind also RGSt 8, 53, 56 f. Wobei es sich in seiner Argumentation auf die von einem Deutschen begangene Auslandstat beschränkt. 270 Satzger, Internationales Strafrecht § 6 Rn. 3. 268 269

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noch dahingehend zu untersuchen, ob sie mit ihrem Inhalt die These stützen können oder ihr zumindest nicht entgegenstehen. (a) Kein Gegenargument aus § 6 Die Regelung des § 6 steht der Annahme, dass bei Inlandstaten und Auslandstaten Deutscher in Ermangelung einer ausdrücklichen Beschränkung auf inländische Rechtsgüter ein Tatbestand grundsätzlich auch bei Verletzung nur ausländischer Rechtsgüter anwendbar ist, nicht entgegen. § 6 erstreckt den Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts (unabhängig von Tatort, Recht des Tatorts, Nationalität des Täters und des Opfers) explizit auf bestimmte Taten, durch die „international anerkannte“ Rechtsgüter verletzt werden. Dies allein zwingt noch nicht zu der Annahme, § 6 führe für die Katalogtaten zu einem Schutz auch ausländischer Rechtsgüter: Es ist auch denkbar, darin lediglich einen Verzicht auf die Erfordernisse der §§ 3 und 7 zu sehen, während die Verletzung eines inländischen Rechtsguts weiterhin erforderlich ist. Die Überschrift „Auslandstaten gegen international geschützte Rechtsgüter“ und die Intention der Norm, Rechtswerte zu schützen, deren Schutz sich die Völkergemeinschaft insgesamt verschrieben hat,271 sprechen allerdings eindeutig dafür, von dieser Voraussetzung für die in § 6 aufgezählten Delikte abzusehen. Der Zweck der Norm, den Schutz der entsprechenden Rechtsgüter überall auf der Welt „im Interesse der Menschheit“ zu gewährleisten,272 würde weitgehend verfehlt, wenn jeweils ein derartiger Bezug zur Bundesrepublik gefordert würde. Anders als in § 3 und § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 wird der Schutz auch ausländischer Rechtsgüter in § 6 also ausdrücklich angeordnet, so dass der Gedanke nicht fern liegt, der Gesetzgeber würde eine gewollte Erstreckung auf ausländische Rechtsgüter stets unmissverständlich in den Normen des Strafanwendungsrechts zum Ausdruck bringen, was indessen bei den §§ 3 und 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 nicht geschehen ist. Dabei bliebe aber unberücksichtigt, dass § 6 zusätzlich von dem Erfordernis eines inländischen Tatortes, der Tatortstrafbarkeit und der deutschen Staatsangehörigkeit des Täters absieht. Der Grund für die explizite Regelung zugunsten auch ausländischer Rechtsgüter in § 6 wird damit im Zusammenhang mit der Norm des § 7 verständlich: § 6 zielt darauf ab, den Schutz der entsprechenden Rechtsgüter – in Abgrenzung zu § 7 – „universell“ sicherzustellen, also anders als in § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 auch bei Begehung durch einen Ausländer im Ausland und zudem generell unabhängig von der Strafbarkeit am Tatort. Eine explizite Erstreckung des Anwendungsbereichs des deutschen Strafrechts auf die dem Weltrechtsprinzip unterstellten Taten ist nur deshalb notwendig, weil es – bei Begehung durch einen Ausländer im Ausland – an einem unmittelbaren Bezug zum Inland Werle / Jeßberger, JuS 2001, 141; Satzger, Internationales Strafrecht § 5 Rn. 74. Vgl. zur ratio des Weltrechtsprinzips etwa Ambos, Internationales Strafrecht § 3 Rn. 99: Erfassung von Verhaltensweisen, die die Staatengemeinschaft als solche angehen und die Sicherheit und den Frieden der Menschheit bedrohen. 271 272

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und damit einem entsprechenden Anknüpfungspunkt273 fehlt.274 Es lässt sich aus der ausdrücklichen Regelung in § 6 aber nicht schließen, dass der Schutz ausländischer Rechtsgüter stets explizit angeordnet werden muss; eine solche Regelung ist nur in Fällen notwendig, in denen ausnahmsweise auch Delikte vom Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts erfasst sein sollen, die von Ausländern im Ausland begangen werden und keine inländischen (Individual-)rechtsgüter schädigen. (b) Kein Gegenargument aus § 5 Auch § 5 lässt sich keine Aussage entnehmen, die der geäußerten These entgegenstünde. Laut Überschrift befasst sich diese Norm mit dem Schutz inländischer Rechtsgüter durch Auslandstaten. Der Norm lässt sich aber nicht entnehmen, dass die dort genannten Delikte ausschließlich inländische Rechtsgüter in ihren Schutzbereich einbeziehen. Vielmehr geht es auch hier nur um eine Abgrenzung zu § 7: Bei den im Katalog des § 5 genannten Delikten soll es nicht auf die Tatbegehung im Inland und bei einem Großteil der aufgenommenen Delikte auch weder auf die Nationalität des Täters noch auf eine Tatortstrafbarkeit ankommen; der Schutz der betroffenen (inländischen) Rechtsgüter wird – beruhend auf Staatsschutzprinzip und passivem Personalitätsprinzip – „universell“ für notwendig erachtet.275 Die Norm ordnet also nur an, dass die betreffenden Taten auch dann, wenn sie im Ausland von einem Ausländer begangen werden und bzw. oder sie am Tatort nicht mit Strafe bedroht sind, vom Geltungsbereich des deutschen Strafrechts erfasst sind. Behält man im Auge, dass es bei § 5 um Auslandstaten geht, liegt also sogar fast der Schluss näher, dass die betreffenden Delikte bei Auslandstaten Deutscher und Inlandstaten – wenn also die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts schon aus § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 oder § 3 folgt – auch ausländische Rechtsgüter in ihren Schutzbereich einbeziehen.276 Voraussetzung dafür ist freiVgl. zu dem Erfordernis eines sinnvollen Anknüpfungspunktes sogleich (3) (b). Statt vieler Werle / Jeßberger, JuS 2001, 141: Erstreckung der deutschen Strafgewalt auf Taten „ohne spezifischen Bezug zu inländischen Rechtsgütern oder inländischen Rechtsgutsträgern“. Freilich wird die Legitimation der Strafrechtserstreckung durch § 6 teilweise mit dem den in dessen Katalog aufgenommenen Delikten innewohnenden „internationalem Einschlag“ erklärt, der zu einer Art latenter nationaler Gefährdung führe und damit ein Selbstschutzinteresse der Bundesrepublik begründe; vgl. etwa Zieher, S. 82 f. und zu einzelnen Katalogtaten a. a. O. S. 142 ff. 275 Eine Ausnahme bilden insofern – systemwidrig – die Nummern 8 b), 9 und 15, bei denen es nur darauf ankommt, dass der Täter Deutscher ist, und die sich damit auf das aktive Personalitätsprinzip stützen lassen. Auf einer Kombination von Schutzprinzip und aktivem Personalitätsprinzip beruhen die Nummern 3 a), 5 b), 11 a), 12 und 14 a) Var. 1, bei denen es außer auf eine Schädigung inländischer Rechtsgüter auch auf die Nationalität des Täters ankommt. Vgl. hierzu MüKo-Ambos, § 5 Rn. 2. Zur Einordnung im Einzelnen (mit teilweise abweichendem Ergebnis) eingehend auch A. Schmitz, S. 184 ff. 276 Dies gilt allerdings nicht für die Nummern 1 – 5, 14 und 14 a), weil sich aus dem Wortlaut der dort aufgeführten Straftatbestände eindeutig eine Beschränkung auf den Schutz inländischer Rechtsgüter ergibt. 273 274

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lich, dass § 5 gegenüber diesen Normen nicht in dem Sinne speziell ist, dass das Fehlen seiner Voraussetzungen den Rückgriff darauf ausschließt. Für § 7 wird bisweilen ein solcher Vorrang des § 5 angenommen.277 Ein Spezialitätsverhältnis geht allerdings weder aus dem Gesetzestext hervor noch kann es vom Gesetzgeber gewollt sein: In den Fällen des § 5 wird für eine Reihe von Delikten nur zusätzlich auf das Erfordernis der Tatortstrafbarkeit verzichtet, ohne dass bei Vorliegen einer identischen Norm am ausländischen Tatort – bei Fehlen von Voraussetzungen des § 5278 – ein Eingreifen des § 7 ausgeschlossen sein soll.279 (c) Kein Gegenargument aus § 7 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 1 Var. 2 § 7 Abs. 2 Nr. 2, dem das „Prinzip stellvertretender Strafrechtspflege“ zugrunde liegt, lässt sich schließlich für die Frage, ob ausländische Rechtsgüter von deutschen Straftatbeständen mitgeschützt sind, überhaupt nichts entnehmen, es ist diesbezüglich völlig neutral.280 Zwar bewirkt die Verweisung auf § 3 Abs. 1 (letzter Halbsatz) IRG281 und damit die „Projektion der Auslandstat auf deutsche Verhältnisse“, dass im Rahmen des § 7 Abs. 2 Nr. 2 auch Rechtsgüter des „vertretenen“ Staates erfasst werden.282 Allerdings verleiht das Prinzip gar keine originäre strafrechtliche Befugnis, sondern ermöglicht nur das hilfsweise Tätigwerden für einen anderen Staat.283 Auch wenn hier also ein faktischer Schutz ausländischer Rechtsgüter zu konstatieren ist: § 7 Abs. 2 Nr. 2 ordnet nur eine „Vertretung“ des ausländischen Staates in der Strafrechtspflege an, so dass er über den originären Anwendungsbereich der deutschen Straftatbestände gar nichts aussagt.284 Jedenfalls lässt sich aus § 7 Abs. 2 Nr. 2 kein Argument dahingehend entnehmen, diese könnten ansonsten nicht den Schutz ausländischer Rechtsgüter bezwecken. Was schließlich § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 2 (die sogenannte „Neubürgerklausel“) betrifft, lässt sie sich nach zutreffender Ansicht auch auf das Prinzip stellvertretender Strafrechtspflege (und nicht, wie § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1, auf das aktive PersoOLG Düsseldorf NJW 1979, 59, 61 f. Im Falle des OLG Düsseldorf etwa war das Opfer der in der DDR begangenen politischen Verdächtigung bulgarischer Staatsangehöriger und daher nicht, wie von § 5 Nr. 6 vorausgesetzt, Deutscher. 279 So auch Schönke / Schröder-Eser, § 7 Rn. 3; LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 263; Henrich, S. 76 und A. Schmitz, S. 145. 280 Obermüller, S. 171 ff. 281 Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen v. 23. 12. 1982 in der Fassung der Bekanntmachung v. 27. 6. 1994, BGBl. I, S. 1537. 282 Nach § 3 Abs. 1 IRG ist die Auslieferung nur zulässig, „wenn die Tat auch nach deutschem Recht eine rechtswidrige Tat ist, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, oder wenn sie bei sinngemäßer Umstellung des Sachverhalts auch nach deutschem Recht eine solche Tat wäre“; vgl. auch schon Reschke, S. 44 f. 283 Zieher, S. 85; Obermüller, S. 171; Liebelt, S. 145. 284 Ähnlich Reschke, S. 44 f. 277 278

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nalitätsprinzip) stützen.285 Ein Verweis auf § 3 Abs. 1 IRG findet sich in § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 nicht, so dass sich die Einbeziehung auch ausländischer Rechtsgüter (jedenfalls solcher des vertretenen Staates) im Fall von Auslandstaten eines Neubürgers ebenso wie bei Taten nach § 3 oder § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 nur aus einem Vergleich mit § 7 Abs. 1 ergeben kann. Sie wäre vor dem Hintergrund des Zwecks der Norm, die „Vertretung“ des ausländischen Staats in der Strafrechtspflege wahrzunehmen, konsequent. Jedenfalls aber hätte die Annahme, im Falle solcher Taten seien ausländische Rechtsgüter des vertretenen Staates in den Schutzbereich des deutschen Strafrechts einzubeziehen, ebenso wie bei § 7 Abs. 2 Nr. 2 keine Aussagekraft für den „originären“ Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts, namentlich die Fälle der §§ 3 und 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1. Die Vorschriften des § 7 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 1 Var. 1, denen das Prinzip stellvertretender Strafrechtspflege zugrunde liegt, werden aus diesen Gründen im Folgenden weitgehend außer Betracht gelassen. (3) Das deutsche Strafanwendungsrecht als „zweigleisiges“ System und die Vereinbarkeit dieses Systems mit dem Völkerrecht Damit steht jedenfalls keine der anderen Regelungen des Strafanwendungsrechts der oben unter (1) entwickelten These entgegen. Das deutsche Strafanwendungsrecht erscheint nach einer Gesamtanalyse als „zweigleisiges“ System, das die Verletzung eines inländischen Rechtsguts – mangels eines anderen Bezugspunktes zum Inland – nur in Fällen von Auslandstaten von Ausländern verlangt; in Fällen von Inlandstaten und Auslandstaten Deutscher dagegen grundsätzlich auch die Verletzung eines ausländischen Rechtsguts für ausreichend erachtet.286 (a) Kein Schutz ausländischer Rechtsgüter vor Auslandstaten von Ausländern Wird durch die Auslandstat eines Ausländers nur ein ausländisches Rechtsgut verletzt, ordnet das Strafanwendungsrecht des StGB die grundsätzliche Unanwend285 So etwa auch Schönke / Schröder-Eser, § 7 Rn. 1; NK-Lemke, § 7 Rn. 2, 18; Satzger, Internationales Strafrecht § 5 Rn. 80; A. Schmitz, S. 212 ff.; Rath, JA 2007, 26, 32. 286 Wenn hier von „Zweigleisigkeit“ die Rede ist, bleiben die Fälle unberücksichtigt, in denen die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf dem Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege beruht (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 2 und Nr. 2). Dass in solchen Fällen auch ausländische Rechtsgüter geschützt werden, und zwar ungeachtet dessen, dass sie von einem Ausländer im Ausland beeinträchtigt werden, beruht auf der Tatsache, dass Deutschland hier nur stellvertretend tätig wird (vgl. dazu oben (2) (c)). Keine Berücksichtigung finden im Folgenden weiterhin die Fälle, in denen die Anwendbarkeit deutscher Straftatbestände auf das Weltrechtsprinzip gestützt wird: Auch hier ist der Schutz auch ausländischer Rechtsgüter eine Selbstverständlichkeit (vgl. dazu oben (2) (a)). Die hinter diesen Regeln stehenden Prinzipien machen einen unmittelbaren Anknüpfungspunkt mit anderen Worten ohnehin entbehrlich.

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barkeit deutscher Straftatbestände an. Anknüpfungs- oder Bezugspunkt für die Geltung deutschen Strafrechts ist bei Auslandstaten von Ausländern – in Ermangelung eines anderen Bezuges zum Inland – die von § 7 Abs. 1 geforderte Verletzung eines deutschen Individualrechtsguts. Dass deutsche Straftatbestände in solchen Fällen keine Anwendung finden, gilt für kollektiv- und individualrechtsgüterschützende Tatbestände gleichermaßen.287 Zu relativieren ist daher auch die gängige Aussage, Individualrechtsgüter seien stets und ohne Rücksicht darauf geschützt, ob sie einem inländischen oder einem ausländischen Rechtsgutträger zustehen.288 Von einem Ausländer im Ausland gegen einen Ausländer begangene Delikte mag man als „Diebstahl“, „Körperverletzung“, „Totschlag“ etc. bezeichnen und als solche missbilligen; unter die §§ 242, 223 oder 212 des deutschen StGB fallen sie deshalb noch nicht: Die Anwendbarkeit dieser Normen hängt stets auch von den Regeln der §§ 3 – 7, 9 ab.289 Die Annahme, die Verletzung ausländischer Individualrechtsgüter im Ausland durch einen Ausländer erfülle keinen deutschen Straftatbestand, ist mit dem Völkerrecht durchaus vereinbar. Das Prinzip des „minimum standard of justice“ bzw. das Prinzip der Inländergleichbehandlung fordern nämlich nur für Inlandstaten die Strafbarkeit und Verfolgbarkeit von Verletzungen ausländischer Individualrechtsgüter.290 (b) Schutz ausländischer Rechtsgüter vor Auslandstaten von Deutschen und Inlandstaten Für das „andere Gleis“, also für Auslandstaten von Deutschen und generell für Inlandstaten und damit den Hauptanwendungsbereich des deutschen Strafrechts291, 287 Schon v. Weber, Festgabe v. Frank Bd. 2, 269, 276 f. weist darauf hin, dass der Grundsatz, dass jedes staatliche Gesetz apriorisch als Zweckbestimmung eine Beziehung zum eigenen Staat voraussetze, auch für Angriffe auf private Interessen gelte, wenn ihr Träger Ausländer sei. Diese Beziehung sieht der Autor allerdings bei privaten Interessen stets in dem Interesse des Staates, Störungen in den äußeren, friedlichen Beziehungen zu anderen Staaten zu vermeiden. 288 So im Ansatz schon Günther-Nicolay, S. 120: Die Belegenheit eines Rechtsgutes sei als Unterscheidungskriterium bezüglich der Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter in den Schutzbereich deutscher Straftatbestände auch im Kontext des Individualrechtsgüterschutzes legitim. 289 Vgl. dazu auch LK11-Gribbohm, Vor § 3 Rn. 162 f. (sowie die weiteren in Fn. 69 genannten Autoren), der betont, dass die „Gleichstellung“ ausländischer Individualrechtsgüter mit inländischen (nur) für Taten im Inland gilt und bei Auslandstaten nach § 7 Abs. 1 zu differenzieren ist. Trotz dieser Feststellung geht der Autor wohl allerdings von einer Tatbestandsmäßigkeit solcher Taten aus, vgl. a. a. O. Rn. 162, 164. So jedenfalls auch Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 3 – 7 Rn. 15. 290 s. dazu schon oben B. I. 1. b). 291 § 7 Abs. 1 hat in der Praxis bisher kaum eine Rolle gespielt; vgl. Henrich, S. 118 f. und Möhrenschlager, in: Wabnitz / Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 3. Kapitel Rn. 43 m. w. N.

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muss man mit dem Gesetzgeber dagegen von einer grundsätzlichen Anwendbarkeit deutscher Straftatbestände auch bei Verletzung nur ausländischer Rechtsgüter ausgehen.292 Ganz dem Territorialitätsprinzip und dem (eingeschränkten) aktiven Personalitätsprinzip entsprechend, genügen hier als Anknüpfungspunkte in der Regel der inländische Tatort bzw. die deutsche Staatsangehörigkeit des Täters.293 In Bezug auf Inlandstaten entspricht dies der überragenden Bedeutung, die dem Territorialitätsprinzip für den legitimen Anwendungsbereich nationalstrafrechtlicher Normen generell zugemessen wird:294 Dass ein Staat sein Strafrecht auf Taten erstrecken darf, die auf seinem Hoheitsgebiet begangen werden, wird als selbstverständlich erachtet.295, 296 Dies ist auch deshalb nahe liegend, weil in gesteigertem Maße von der Bevölkerung wahrgenommen wird, was auf eigenem Territorium geschieht. Damit ist es auch in gesteigertem Maße geeignet, in das nationale Ordnungsgefüge einzugreifen.297 Die ausschließliche hoheitliche Durchsetzungsmacht auf eigenem Staatsgebiet begründet zudem auch eine besondere Verantwortlichkeit 292 In Bezug auf Inlandstaten erwägt schon Schröder, JZ 1968, 241, 245, ob sich aus der „Ordnungsfunktion, die das Strafrecht im innerstaatlichen Bereich [ . . . ] zu erfüllen“ habe, möglicherweise eine Begründung dafür ergeben könnte, hier im Gegensatz zu Auslandstaten nicht danach zu fragen, ob das verletzte Rechtgut „dem inländischen oder einem ausländischen Schutzbereich angehört“, deutet also in Bezug auf die „Schutzbereichsfrage“ eine Differenzierung an je nachdem, ob sich die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts aus § 3 oder aus § 7 ergibt. Der Autor verwirft diesen Gedanken allerdings sogleich mit dem Hinweis darauf, wenn das angegriffene Rechtsgut nicht zu den Interessen gehöre, „die zu schützen Aufgabe des deutschen Strafrechts ist“, so sei das deutsche Strafrecht „trotz § 4 I“ (a. F.) schlicht nicht anwendbar. 293 Die Aussage Wangs, S. 10, eine Tat, die keine „inländischen“ Rechtsgüter beeinträchtige, stehe „in keinerlei Beziehung zum Inland“, ist daher unzutreffend. 294 Ambos, Internationales Strafrecht § 4 Rn. 12 stellt das Territorialitätsprinzip an die Spitze der von ihm angenommenen „Hierarchie“ der Anknüpfungspunkte. 295 Günther-Nicolay, S. 59 (im Rahmen des Territorialitätsprinzips sei „eine Legitimation der Bewertungskompetenz gegenüber einem anderen Staat nicht vonnöten“); Henrich, S. 10 („der als selbstverständlich zu unterstellende Wille des Gesetzgebers, innerhalb des territorialen Hoheitsbereiches verübte Straftaten zu erfassen“); Schmitz, FS Grünwald, 619, 620; Zieher, S. 75 f. Die Diskussion um legitime Anknüpfungspunkte beschränkt sich daher auch meist darauf, zu klären, inwiefern ein Staat sein Strafrecht auch auf Auslandssachverhalte erstrecken darf; vgl. etwa BVerfG NJW 2001, 1848, 1852 (sinnvoller Anknüpfungspunkt sei bei Sachverhalten erforderlich, die sich außerhalb der deutschen Gebietshoheit vollziehen); Lagodny, ZStW 101 (1989), 987, 988 f.; Rath, JA 2007, 26, 30 und Pappas, Stellvertretende Strafrechtspflege, 1996, S. 74 f., 81 f. m. w. N., die betont, dass sich die Regelungsbefugnis eines Staates keinesfalls auf die Grenzen seiner Gebietshoheit beschränkt. 296 Zu den Problemen, die sich in diesem Zusammenhang daraus ergeben, dass nach § 9 eine Tat bereits dann als im Inland begangen gilt, wenn entweder der Handlungs- oder der Erfolgsort im Inland liegen, ohne dass es insbesondere beim Inlandsdistanzdelikt (Erfolg im Ausland) auf die Strafbarkeit am Erfolgsort ankommt, vgl. unten D. I. 2. d) cc) (4) (d) und D. II. 3. b) bb). 297 Vgl. etwa Zieher, S. 92: Staat sei „unmittelbar tangiert“, wenn auf seinem Territorium gehandelt werde; Frister, AT, 5. Kapitel Rn. 7: Berührung von Ordnungsaufgaben eines Staates als Voraussetzung für die Ausübung von Strafgewalt „unproblematisch erfüllt“, wenn sich das Verhalten auf dem eigenen Territorium abspiele.

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für dortige Begebenheiten.298 Zumindest in eingeschränkter Form (Erfordernis der Tatortstrafbarkeit) ist auch das aktive Personalitätsprinzip völkerrechtlich anerkannt.299 Um den Ausschluss ausländischer (Allgemein-)Rechtsgüter aus dem Schutzbereich der deutschen Tatbestände zu begründen, wird demgegenüber häufig darauf hingewiesen, jede andere Handhabung würde eine Einmischung in fremde Souveränität implizieren. Das lässt es fraglich erscheinen, ob der territoriale bzw. personale Bezug zu Deutschland tatsächlich ausreicht, um den Schutz ausländischer Rechtsgüter in völkerrechtlicher Hinsicht zu legitimieren. Da die Frage, ob die deutsche Strafrechtsordnung ihren Schutz auf ausländische Rechtsgüter erstreckt, sich als eine solche des Anwendungsbereichs von Strafrechtsnormen entpuppt hat, können für sie aber auch nur die für das Strafanwendungsrecht in dieser Hinsicht anerkannten Grundsätze gelten. Eine unbegrenzte Ausdehnung der staatlichen Strafgewalt und damit des Anwendungsbereichs der innerstaatlichen Strafrechtsordnung ist völkerrechtlich unzulässig; darüber besteht heute Einigkeit.300 Dabei enthält das Völkerrecht freilich keine „positiven“ Kompetenzregeln,301 insbesondere nicht in dem Sinne, dass ein Staat jeweils nur zum Schutz seiner „eigenen“ Rechtsgüter befugt ist. Seit der „Lotus-Entscheidung“ des StIGH vom 7. 9. 1927302 ist vielmehr anerkannt, dass souveränen Staaten bei der Ausdehnung ihrer Strafrechtsordnungen ein weites Ermessen zusteht, das nur durch entgegenstehendes Völkerrecht begrenzt ist, und zwar insbesondere insofern, als es einer besonderen Nähebeziehung zu dem anordnenden Staat, eines „sinnvollen Anknüpfungspunktes“ bedarf, in dessen Wahl die Staaten allerdings weitgehend frei sind.303 298 Zieher, S. 92 m. w. N.: Macht- und souveränitätsbedingt räumlich beschränkte Ordnungsfunktion, die nur in den Grenzen des Staatsgebiets mit allen hoheitlichen Zwangsmitteln durchsetzbar sei, bedeute „insoweit aber für den Staat Verpflichtung gegenüber jedermann“. 299 Roßwog, Das Problem der Vereinbarkeit des aktiven und passiven Personalgrundsatzes mit dem Völkerrecht, Bonn 1965, S. 51 ff., 66 f.; Oehler, FS Mezger, 83, 95; Günther-Nicolay, S. 70 ff.; Pappas, S. 19; jeweils m. w. N.; A. Schmitz, S. 277. Vgl. allerdings auch die beispielhafte Untersuchung der Autorin a. a. O. S. 243 ff., 260 f. (im Hinblick auf eine Völkergewohnheitsrecht begründende allgemeine Übung), die zu der Erkenntnis führt, dass das aktive Personalitätsprinzip zwar in zahlreichen ausländischen Strafrechtsordnungen Verwendung findet, häufig jedoch in noch stärker eingeschränkter Form, beispielsweise durch eine Kombination mit weiteren Anknüpfungsprinzipien. 300 Vgl. etwa MüKo-Ambos, Vor §§ 3 – 7 Rn. 17; Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 3 – 7 Rn. 3; LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 20; Oehler, Geburtstagsgabe Grützner, 110, 111. 301 MüKo-Ambos, Vor §§ 3 – 7 Rn. 21; Zieher, S. 62 ff.; LK11-Gribbohm, Vor § 3 Rn. 145; abw. jetzt tendenziell LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 25 ff., 216 m. w. N.: Geltungsbereichsregeln als völkerrechtliche Erlaubnisnormen. 302 PCIJ (Publications of the Permanent Court of International Justice) Series A – No. 10, S. 4 ff.; deutsche, nichtamtliche Übersetzung in StIGHE (Entscheidungen des Ständigen Internationalen Gerichtshofs in deutscher Übersetzung) 5, S. 71 ff. 303 In den Worten des Gerichts: „Far from laying down a general prohibition to the effect that States may not extend the application of their laws and the jurisdiction of their courts to persons, property and acts outside their territory, it [International law] leaves them in this

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Liegt ein solcher Anknüpfungspunkt vor, spricht eine Vermutung für die Völkerrechtmäßigkeit der nationalen Regelung.304 Teilweise wird darüber hinaus i. S. einer „zweiten Prüfungsstufe“ gefordert, der Strafgewaltserstreckung dürfe auch im konkreten Fall kein völkerrechtliches Verbot entgegenstehen, wobei insoweit allerdings nur die allgemeinen Grundsätze des Willkür- und des Rechtsmissbrauchsverbots in Betracht gezogen werden.305 Andere setzen das Willkürverbot bereits mit dem Erfordernis eines legitimierenden Anknüpfungspunktes gleich, nehmen einen Verstoß also nur bei Fehlen eines solchen an.306 Dafür, dass die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter grundsätzlich gegen diese Grundsätze verstoßen könnte, besteht jedenfalls kein Anhaltspunkt. Teilweise wird noch weitergehend formuliert, im Sinne eines „völkerrechtlichen Optimierungsgebots“ dürfe jeder Staat seine Strafgewalt „soweit als möglich, aber im Verhältnis zu anderen Staaten nur so weit als nötig“ ausdehnen, um deren Interessen nicht ungebührlich zu verletzen.307 Eine ungebührliche Verletzung liege dabei vor, wenn das Interesse des in seiner Souveränität verletzten Staates das Interesse des extraterritoriale Strafgewalt beanspruchenden Staates klar überwiege.308 Der Verweis auf die Beanspruchung extraterritorialer Strafgewalt führt dazu, dass diesen Überlegungen respect a wide measure of discretion which is only limited in certain cases by prohibitive rules; as regards other cases, every State remains free to adopt the principles which it regards as best and most suitable.“ (PCIJ Series A No. 10, S. 19); vgl. weiterhin etwa A. Schmitz, S. 144 f. Zu dem Erfordernis eines sinnvollen Anknüpfungspunktes etwa auch BVerfG NJW 2001, 1848, 1852 m. w. N. 304 MüKo-Ambos, Vor §§ 3 – 7 Rn. 22; LK11-Gribbohm, Vor § 3 Rn. 142; Hecker, Europäisches Strafrecht § 2 Rn. 11; Lagodny, JR 1998, 475, 476 f. 305 MüKo-Ambos, Vor §§ 3 – 7 Rn. 22; Klages, S. 18; auch Hecker, Europäisches Strafrecht § 2 Rn. 11 (beschränkt auf die Frage, ob die Ausübung extraterritorialer Strafgewalt dadurch eingeschränkt ist); vgl. auch BGHSt 44, 53, 57; weiterhin BayObLG NJW 1998, 392, 393 = JR 1998, 472, 473 (m. insofern zust. Anm. Lagodny) für von einem Ausländer im Ausland begangene Straftaten: Unter dem Blickwinkel des Nichteinmischungsgebotes bedürfe jeder Einzelfall der Prüfung, ob die Anknüpfungspunkte ausreichend seien und völkerrechtliche Hindernisse nicht bestünden. Das Rechtsmissbrauchsverbot nennen auch LK11-Gribbohm, Vor § 3 Rn. 146 (der dort darüber hinaus den Fall anführt, dass „wegen Immunität eines fremden Kriegsschiffs in deutschen Binnengewässern“ ein anerkannter Grundsatz des Völkerrechts die an sich mögliche Anwendung des deutschen Strafrechts verbietet) und NK-Lemke, Vor §§ 3 – 7 Rn. 20. Keine über das Erfordernis eines sinnvollen Anknüpfungspunktes hinausgehende Einschränkung macht etwa Martin, ZRP 1992, 19, 22: Verboten sei eine Bestrafung nur dann, wenn die Belange des Strafgewalt beanspruchenden Staates „in keinerlei Bezug mehr zu der Handlung stehen, über die er urteilen will“. 306 Kasper, MDR 1994, 545 (bzgl. der Regelungsbefugnis gegenüber Privatpersonen); zust. LK11-Gribbohm, Vor § 3 Rn. 141 sowie Satzger, Internationales Strafrecht § 4 Rn. 2. 307 Ambos, Internationales Strafrecht § 2 Rn. 9; das „Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme“ betonend auch A. Schmitz, S. 126 ff.; zu den theoretischen Grundlagen dieser Ansicht eingehend Ziegenhain, S. 36 ff. Strenger NK-Lemke, Vor §§ 3 – 7 Rn. 20: Insgesamt gesehen entspreche es den Erfordernissen nationaler Zurückhaltung, den Geltungsbereich von Strafrechtsnormen „so wenig wie gerade noch vertretbar“ auf Auslandstaten und Ausländer auszudehnen. 308 Ambos, Internationales Strafrecht § 2 Rn. 9; Ziegenhain, S. 49.

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unmittelbare Bedeutung ohnehin nur für Fälle des § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 zukommt, nicht jedoch für solche des § 3. Selbst hier wird allerdings nicht davon auszugehen sein, dass das Interesse des Tatortstaates bei Verletzung seiner eigenen Rechtsgüter oder solcher seiner Staatsbürger das Interesse Deutschlands, Straftaten Deutscher auch dann zu sanktionieren, wenn sie im Ausland begangen werden, „klar überwiegt“, zumal § 7 eine Strafbarkeit am Tatort voraussetzt und der Tatortstaat also ebenfalls ein Interesse an der Sanktionierung solcher Taten hat. (c) Konsequenz „Tatbestandsspaltung“ Ein näherer Blick auf den Regelungsgehalt der §§ 3 – 7 ergibt also, dass auch die Frage nach dem Schutz ausländischer Rechtsgüter durch diese Normen, und zwar in völkerrechtskonformer Weise, grundsätzlich beantwortet wird: Als Anknüpfungspunkt für die Geltung deutschen Strafrechts ist die Verletzung eines deutschen Rechtsguts grundsätzlich nur zu fordern, wenn es einen anderen Anknüpfungspunkt (auch „genuine link“) nicht gibt, die Tat also weder auf deutschem Territorium noch von einem Deutschen begangen wird. In anderen Fällen – also bei Begehung durch einen Deutschen oder in Deutschland – ist ein zusätzlicher Anknüpfungspunkt nicht nötig, so dass grundsätzlich auch die Verletzung eines ausländischen Rechtsguts tatbestandsmäßig und der Straftatbestand anwendbar ist. Je nach Tatort und Täter sind die Tatbestände also unterschiedlich auszulegen, umfassen bei inländischem Tatort oder deutschem Täter nämlich auch ausländische Rechtsgüter, in anderen Fällen (Auslandstat eines Ausländers) nicht. Problematisch ist diese „Tatbestandsspaltung“ aber insbesondere dann nicht, wenn man mit der ganz h. M. bei einer Auslandstat eines Ausländers, durch die ein deutsches Rechtsgut nicht verletzt wird, § 7 Abs. 1 ohnehin schon ein Prozesshindernis entnimmt. Dagegen könnte der Einwand erhoben werden, eine bloße Verfahrenseinstellung werde dem Täter nicht gerecht, wenn man auf dem Standpunkt steht, die Voraussetzungen der §§ 3 – 7 seien unrechtskonstituierend; dem Täter stehe in einem solchen Fall vielmehr ein Freispruch zu. Dies ist allerdings deshalb nicht zwingend, weil die Annahme, die Voraussetzungen der §§ 3 – 7 müssten für einen vollständigen Unrechtstatbestand erfüllt sein, nicht unbedingt die Aussage beinhaltet, bei Nichterfüllung der Voraussetzungen der §§ 3 – 7 könne der Täter kein Unrecht verwirklicht haben. Vielmehr misst sich das deutsche Strafrecht für solche Fälle schlicht keinen Bewertungsanspruch zu; der Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts ist beschränkt auf die Fälle, in denen die Voraussetzungen der §§ 3 – 7 vorliegen, also ein Bezug zum Inland besteht.309 Zu der Frage, ob der Tatbestand 309 So auch Henrich, S. 11, 156: Wenn die Prüfung der §§ 3 – 7, 9 im konkreten Fall ergebe, dass das deutsche Strafrecht nicht gelte, enthalte sich der deutsche Staat der Bewertung, ob der Täter eine Straftat begangen hat; sowie Zieher, S. 38: Sachverhalte, die nicht dem Katalog der sachlichen Geltungsbereichsregelungen unterfallen, würden vom deutschen Strafrecht eben strafrechtlich nicht gewürdigt oder eingestuft, was nicht aus Gleichgültigkeit gegenüber fremden Rechtsgütern, sondern aus der Einsicht in die begrenzte Befriedungsfunktion des nationalen Strafrechts geschehe.

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erfüllt ist – sie müsste hypothetisch verneint werden – kommt man dann also gar nicht mehr.310 Generell würde allerdings auch der Annahme, der Täter sei in einem solchen Fall freizusprechen, nichts entgegenstehen.311 Vom – begrenzten – Bewertungshorizont des deutschen Strafrechts aus hat der Täter kein Unrecht verwirklicht. cc) Die „Schutzbereichsfrage“ im Rahmen der Theorie vom universellen Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts Das unter bb) (3) zusammenfassend dargestellte Ergebnis ist auf Grundlage der Ansicht des (von den §§ 3 – 7) beschränkten Bewertungsanspruchs des deutschen Strafrechts312 gefunden worden. Damit steht noch aus, seine Gültigkeit für die Theorie vom universellen Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts zu überprüfen. (1) Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter auch bei Beeinträchtigung durch einen Ausländer im Ausland als Konsequenz der Grundidee Es ist oben schon dargelegt worden, dass sich die „Schutzbereichsfrage“ nach der Theorie vom universellen Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts als solche auf der Verhaltensnorm- oder „primären“ Ebene darstellen lässt, während den §§ 3 – 7 danach erst auf der „sekundären“ oder Sanktions-Ebene Bedeutung zukommt.313 Das bedeutet allerdings nicht, dass es denjenigen, die dem deutschen Strafrecht einen „universellen Bewertungsanspruch“ zumessen,314 nicht möglich ist, von der grundsätzlichen Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter in den „Schutzbereich“ der deutschen Straftatbestände auszugehen. Im Gegenteil: Ein wahrhaft „universeller“ Bewertungsanspruch dürfte auch vor einer Bewertung der Verletzung ausländischer Rechtsgüter grundsätzlich nicht Halt machen. Dass die Vertreter dieser Theorie von einem grundsätzlich unbeschränkten Bewertungsbereich des deutschen Strafrechts ausgehen, zeigt sich daran, dass sie die §§ 3 – 7 als Einschränkung (nur) der deutschen Strafgewalt begreifen. Sie weisen darauf hin, dass die Tatbestände des BT keinerlei „territoriale“ Einschränkung enthalten:315 310 Vgl. auch SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 31, der im Zusammenhang mit dem Problem der „richtigen Reihenfolge“ von Geltungs- und Schutzbereichsfrage darauf hinweist, dass die prozessualen Folgen mangelnder Strafrechtsgeltung (gemeint ist: Fehlen der Voraussetzungen der §§ 3 – 7) – das Bestehen eines Prozesshindernisses – diejenigen mangelnder Tatbestandsmäßigkeit – Freispruch – verdrängen. 311 Dies befürwortend Zieher, S. 45. 312 Vgl. dazu oben 1. b) bb). 313 Zu den unterschiedlichen Deutungsmöglichkeiten der „Schutzbereichsfrage“ nach der Theorie vom universellen Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts oben 1. e) bb). 314 Vgl. dazu oben 1. b) aa). 315 Vgl. schon Binding, Handbuch des Strafrechts Bd. I, S. 371: „Nennt man diese Begrenzung die Lehre vom örtlichen Geltungsgebiete der Strafgesetze, so überträgt man fälschlich

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Ihre danach grundsätzlich „weltweite“ Geltung werde durch die §§ 3 – 7 daher verengt.316 – Nach der herrschenden und hier zugrunde gelegten Auffassung legen die Normen des Strafanwendungsrechts den Bereich, für den sich das deutsche Strafrecht einen Bewertungsanspruch zuerkennt, erst fest, so dass ihre Aufgabe in der strafbegründenden „Erweiterung“ der deutschen Straftatbestände gesehen wird317 – wobei „Erweiterung“ ein nicht ganz zutreffender Ausdruck ist, weil die Tatbestände des BT nach dieser Ansicht ohne die Geltungsbereichsnormen gar keinen erweiterungsfähigen Anwendungsbereich haben.318 Die Befürworter einer verengenden Wirkung der §§ 3 – 7 müssten daher von der Geltung der Verhaltensnormen des deutschen Strafrechts immer auch bei Verletzung ausländischer Rechtsgüter ausgehen, die auch stets der deutschen Strafgewalt unterliegt, sofern nicht die §§ 3 – 7 dieser (und nur dieser) Grenzen setzen, namentlich die Tat von einem Ausländer im Ausland verübt wird. Entsprechende Ansätze, von einer Einbeziehung der Verletzung auch ausländischer Rechtsgüter in den Bewertungsbereich des deutschen Strafrechts grundsätzlich auszugehen finden sich – jedenfalls für Inlandstaten – denn auch bei H. Schröder. Im Zusammenhang mit der Erörterung der Frage, ob die inländische Teilnahme an einer im Ausland begangenen Haupttat nach dem deutschen Internationalen Strafrecht in seiner damaligen Fassung (ohne eine dem § 9 Abs. 2 S. 2 entsprechende Regelung) strafbar sei, führt H. Schröder aus: Weil das Strafrecht „innerhalb der Grenzen des deutschen Reiches neben der Rechtsschutz- auch eine Ordnungsfunktion zu erfüllen“ habe, deren Wahrung ein eigenes, schutzwürdiges Interesse des Reiches darstelle, seien „unabhängig von der Art des verletzten Rechtsgutes und dem deutschen Interesse an der Erhaltung des Gutes“ bestimmte Handlungen innerhalb des Reichsgebietes unerwünscht und verboten.319 Insofern müssten alle inländischen Handlungen mit gleichen Maßstäben gemessen werden, was „für die unmittelbare Verletzung ausländischer Rechtsgüter auch stets anerkannt“ worden sei.320 Für das Gebiet des die territoriale Grenze der inländischen Strafgerichte auf die jeder territorialen Begrenzung spottenden Strafgesetze“ (Hervorhebung von der Verfasserin). 316 Lackner / Kühl, Vor §§ 3 – 7 Rn. 1; Schmitz, FS Grünwald, 619, 622; Schröder, ZStW 61 (1942), 96; SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 4; vgl. auch Vogler, Geburtstagsgabe Grützner, 149, 154 ff.; Jakobs, 5. Abschn. Rn. 1. 317 Henrich, S. 9 ff., 12; Zieher, S. 28 ff., 38 f.; 58; Pappas, S. 72; Stratenwerth / Kuhlen, AT § 4 Rn. 1; Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 3 – 7 Rn. 1: Das Internationale Strafrecht sei „Strafanwendungsrecht in dem Sinne, daß es dem deutschen Strafrecht überhaupt erst Geltung und Anwendbarkeit verschafft.“ 318 So auch schon Neumann, FS Müller-Dietz, 589, 603: Normtheoretisch weder Ausdehnung noch Einschränkung, sondern Festlegung des Anwendungsbereichs der Tatbestände. Hinsichtlich des Regelungsgehalts lasse sich allerdings von „Ausdehnung“ sprechen, sofern man vom Territorialitätsprinzip ausgeht und die Regeln der §§ 3 – 7 über den dadurch markierten Anwendungsbereich hinausgehen. 319 Schröder, ZStW 61 (1942), 57, 91 f. 320 Schröder, ZStW 61 (1942), 57, 92. Die Begründung Schröders für diese Einschätzung – die Anerkennung des „Distanzdeliktes“ im deutschen Recht – kann freilich nicht über-

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deutschen Reiches gelte daher eine Art „beschränktes Weltrechtsprinzip“: Stehe der Täter auf deutschem Boden, werde er durch das deutsche Strafrecht für jede Rechtsgutsverletzung zur Verantwortung gezogen, die er irgendwo in der Welt verursache. Die Strafkompetenz des Staates brauche keineswegs auf der Zugehörigkeit der verletzten Rechtsgüter zum inländischen Interessenkreis zu beruhen, sondern sei „unabhängig von jedem eigenen materiellen Interesse des Reiches an der Erhaltung des Rechtsgutes durch die bloße inländische Handlung gegeben, die einmal unsere Rechtssicherheit gefährdet und für die wir uns zum anderen international verantwortlich fühlen, weil sie in Deutschland vorgenommen worden ist“.321 Wolle das deutsche Strafrecht diese Aufgabe erfüllen, setze dies voraus, dass es die ausländischen Rechtsgüter anerkenne und werte, auch wenn es die ausländische Verletzung selbst nicht strafrechtlich ahnde.322 H. Schröder betont dabei, dass das deutsche Recht ein „ius puniendi“ nur für Straftaten beanspruche, die von deutschen Tätern begangen werden (hier erweitert der Autor seine anfangs auf Inlandstaten beschränkte Argumentation) oder vom deutschen Territorium ausgehen. Als Unrecht bewertet würden zwar alle menschlichen Handlungen, die durch deutsche Straftatbestände geschützte Rechtsgüter verletzen, gleichgültig, ob es sich dabei um deutsche oder ausländische Interessen handele. Bestraft würden allerdings nur solche, die eine „besondere Beziehung zum deutschen Reich“ haben, „auch ohne daß es gerade das deutsche Interesse an der Erhaltung der verletzten Güter zu sein brauchte, das die Anordnung der Bestrafung begründet“.323 Diesen Ausführungen H. Schröders liegt, auch wenn er es nicht ausdrücklich so formuliert, die oben dargelegte These zugrunde, dass ein Anknüpfungspunkt – sei es der inländische Tatort, sei es die Staatsangehörigkeit des Täters – als Legitimation für die Anwendung des deutschen Strafrechts ausreicht. Sie gehen sogar insoweit noch über die hier angenommene grundsätzliche Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter in die deutschen Straftatbestände hinaus, als sogar die gegen ein ausländisches Rechtsgut gerichtete Auslandstat eines Ausländers als von den Bewertungsnormen des deutschen Strafrechts erfasst angesehen wird, nur ihre Bestrafung ausgeschlossen sein soll. (2) Die inkonsequente Relativierung der Grundidee durch das Stellen der „Schutzbereichsfrage“ H. Schröder schränkt diesen Grundsatz allerdings selbst insofern ein, als er argumentiert, bei einer Reihe von Strafgesetzen ergebe ihre Auslegung eine Beschränzeugen: Ein im Ausland eintretender rechtswidriger Erfolg wird zwar meistens, muss aber nicht notwendig mit einer Beeinträchtigung ausländischer Rechtsgüter einhergehen (Beispiel: Der Täter schießt nahe der Grenze von deutschem Territorium auf einen sich auf der anderen Seite der Grenze befindenden Deutschen); s. dazu schon oben Fn. 8. 321 Schröder, ZStW 61 (1942), 57, 93 m. Fn. 67. 322 Schröder, ZStW 61 (1942), 57, 94. 323 Schröder, ZStW 61 (1942), 57, 96.

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kung auf inländische Rechtsgüter. Schutzobjekt aller Delikte gegen die Staatsordnung und die Staatsautorität etwa sei nach dem Sinn der Bestimmungen nicht die Staatsautorität schlechthin, sondern lediglich die des deutschen Reiches, so dass eine gegen die Autorität eines ausländischen Staates gerichtete Tat nicht tatbestandsmäßig sein könne.324 Die „Schutzbereichsfrage“ wird von H. Schröder also dafür verwendet, die Grundidee des universellen Bewertungsanspruchs, der von den §§ 3 – 7 unangetastet bleiben soll, doch wieder zu relativieren. Rechtstechnisch ist dieser Weg gangbar, wenn man, wie H. Schröder, in den §§ 3 – 7 lediglich Beschränkungen der deutschen Strafgewalt erblickt: Die „Schutzbereichsfrage“, die bereits den Bewertungsbereich deutscher Strafnormen betrifft, kann legitimerweise gesondert behandeln, wer annimmt, dass die §§ 3 – 7 diesen Bewertungsbereich gar nicht betreffen, so dass sie diesbezüglich auch keine Regelung treffen können. Dass diese Vorgehensweise dem Ansatzpunkt der zugrunde liegenden Theorie widerspricht, scheinen ihre Vertreter dabei nicht zu bemerken oder aber schlicht hinzunehmen. (3) Mangelnde Überzeugungskraft der Theorie vom universellen Bewertungsanspruch Jedenfalls ist einzugestehen, dass (auch wenn sie dem Grundansatz dieser Lehre widerspricht) nach der Theorie von der universellen Bewertungsfunktion deutscher Strafrechtsnormen eine von den §§ 3 – 7 unabhängige Befassung mit der „Schutzbereichsfrage“ – nämlich bereits auf der tatbestandlichen Bewertungsebene – logisch durchaus möglich ist und sie von den Vertretern dieser Ansicht daher mit einer gewissen Berechtigung gesondert gestellt wird. Es lässt sich vom Standpunkt dieser Lehre aus also nicht wie oben unter Zugrundelegung der Theorie vom beschränkten Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts bzw. der unrechtskonstituierenden Wirkung der §§ 3 – 7 mit dem Regelungsgehalt dieser Normen argumentieren, der nicht durch die Stellung der Anwendungsfrage vom Tatbestand her ausgehöhlt werden dürfe. Das auf der Basis der Theorie vom beschränkten Bewertungsanspruch gefundene Zwischenergebnis soll allerdings schon deshalb nicht verworfen werden, weil die Theorie vom universellen Bewertungsanspruch bei näherer Betrachtung nicht zu überzeugen vermag. (a) Die argumentative Stützung der Theorie vom universellen Bewertungsanspruch durch Schmitz Zwar ist die Theorie jüngst von R. Schmitz wieder aufgegriffen und auf das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot gestützt worden:325 § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 2 mache die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts davon abhängig, dass der 324 325

Schröder, ZStW 61 (1942), 57, 103 f.; vgl. auch Jakobs, 5. Abschn. Rn. 1. Schmitz, FS Grünwald, 619, 621 f.

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Täter nach Begehung der Tat Deutscher geworden ist; § 7 Abs. 2 Nr. 2 davon, dass der Täter – zeitlich nach der Tat – nicht ausgeliefert wird. Die deutsche Strafnorm, nach der der Täter bestraft werden soll, müsse wegen Art. 103 Abs. 2 GG aber bereits zum Zeitpunkt der Tathandlung für den Täter gegolten haben. Dies gelte zumindest für die an den Täter gerichtete Verbotsnorm, im Prinzip aber auch für die Sanktionsnorm. Nur die in dieser enthaltene Ermächtigung an den Richter, die Strafe zu verhängen, könne als von den genannten Voraussetzungen (Erlangen der deutschen Staatsbürgerschaft, Nichtauslieferung) aufschiebend bedingt angesehen werden; die h. M. nehme insofern zutreffend an, dass das Nichtvorliegen einer der Bedingungen dieser Normen zu einem Prozesshindernis führe.326 Das deutsche Strafrecht erhebe jedoch den Anspruch, „weltweit“ (also immer auch für Auslandstaten von Ausländern) zu gelten. Die §§ 3 – 7 hätten nur die Funktion, den Geltungsbereich völkerrechtskonform zu gestalten, indem sie ihn auf die in ihnen bestimmten Fälle einschränkten.327 R. Schmitz argumentiert also, dem deutschen Strafrecht müsse eine grundsätzlich universelle Geltung beigemessen werden, um die Möglichkeit einer verfassungskonformen Interpretation der Nr. 1 Var. 2 und Nr. 2 des § 7 Abs. 2 zu gewährleisten. (b) Theorie vom universellen Bewertungsanspruch als Verstoß gegen den Nichteinmischungsgrundsatz R. Schmitz ist zuzugeben, dass die Bestrafung des Täters, der im Ausland eine Tat gegen ausländische Rechtsgüter verübt und erst danach die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt, im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG äußerst zweifelhaft erscheint, wenn man davon ausgeht, die Tat eines Ausländers im Ausland gegen ausländische Rechtsgüter sei nach deutschem Strafrecht grundsätzlich tatbestandslos. Auch ist richtig, dass die angenommene uneingeschränkte weltweite Geltung der deutschen Strafnormen keinen Verstoß gegen das völkerrechtliche Interventionsverbot darstellt, sofern den §§ 3 – 7 Verfolgungshindernisse entnommen werden: Der Bewertungsanspruch des Staates, der in der Geltungsanordnung zum Ausdruck kommt, ist, anders als die Durchsetzbarkeit der Normen,328 nicht an die Grenzen seines Hoheitsgebietes gebunden.329 Auch er unterliegt allerdings EinschränkunSchmitz, FS Grünwald, 619, 622 m. Fn. 14. Schmitz, FS Grünwald, 619, 622. 328 Vgl. hierzu etwa Rudolf, Territoriale Grenzen der staatlichen Rechtsetzung, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 11, S. 33 m. w. N.: Das Völkerrecht verbiete dem Staat die Ausübung seiner Macht auf das Gebiet eines anderen Staates, sofern nicht eine Regel bestehe, die dies erlaubt. 329 Zieher, S. 21; Holthausen, NJW 1992, 214. Vgl. allgemein zur Unterscheidung zwischen „sachverhaltsbezogenem territorialen Geltungsbereich einer inländischen Norm“ und „räumlichem Anwendungsgebiet durch staatliche Instanzen“ Rudolf, Territoriale Grenzen der staatlichen Rechtsetzung, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 11, S. 9. A. a. O. S. 17 weist Rudolf, darauf hin, dass es eine positive völkerrechtliche Regelung über die extraterritoriale Geltung staatlicher Rechtsnormen allerdings nicht gebe. 326 327

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gen insofern, als eine sinnvolle Verbindung zu dem die Geltung seiner Normen anordnenden Staat bestehen muss.330 Fehlt es daran, wird ein Verstoß gegen den völkerrechtlichen Nichteinmischungsgrundsatz331 angenommen,332 weil der Staat schon durch die Anordnung der Geltung seiner Verhaltensnormen „Verbotsgewalt“ (im ausländischen Staat) ausübt.333 Im Zeitpunkt der Tathandlung besteht bei der Auslandstat eines Ausländers gegen ausländische Rechtsgüter – möglicherweise abgesehen von den Fällen des § 6334 – aber keinerlei Verbindung zum deutschen Staat.335 Sie wird – wenn überhaupt – erst dadurch hergestellt, dass der Täter Deutscher wird oder von Deutschland nicht ausgeliefert wird.336 Würde die Hypothese 330 s. schon oben die Ausführungen zur „Lotus-Entscheidung“ (Fn. 303); weiterhin etwa Schuster, Die internationale Anwendung des Börsenrechts, 1996, S. 19 f., 38 ff.; Wang, S. 80 f.; Klages, S. 18; generell für öffentlichrechtliche Normen v. Bar / Mankowski, Internationales Privatrecht Bd. I § 4 Rn. 65. 331 Zur Differenzierung zwischen Interventions- und Einmischungsverbot Ziegenhain, S. 31 ff. m. w. N. 332 BVerfG NJW 2001, 1848, 1852 m. w. N.; BGHSt 34, 334, 336; 45, 64, 66; Hecker, Europäisches Strafrecht § 2 Rn. 12; Henrich, S. 15 ff.; Holthausen, NJW 1992, 214; Pappas, S. 77 ff.; 83; Wang, S. 79 ff. Dahingehend auch Neumann, FS Müller-Dietz, 589, 603, der darüber hinaus der Auffassung ist, einer „unbegrenzten Kompetenz-Kompetenz des über die Reichweite seines Strafanspruchs entscheidenden Staates“ stünden „rechtsstaatliche Erwägungen“ entgegen. A. A. Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, 1965, S. 346: Fremde Gebietshoheit könne nicht durch eine „Wirkung“ nichtkörperlicher Art, die bloße Fiktion sei, verletzt werden; Binding, Handbuch des Strafrechts Bd. I, S. 376; vgl. auch die w. Nachw. zu dieser Auffassung bei Wang, S. 78 f. m. Fn. 290. 333 Pappas S. 78; Schomburg / Lagodny, StV 1994, 393, 395; vgl. auch Schroeder, GA 1968, 353, 356: Es könne „kein Zweifel daran bestehen, daß über die primäre Rechtsnorm ein Hineinwirken in das Gebiet fremder Staaten erfolgt, indem dort [ . . . ] ein bestimmtes Verhalten erzwungen wird“. Ausführlich Günther-Nicolay, S. 50 ff., die daraus weitergehend Konsequenzen für die „Schutzbereichsfrage“ zieht: Der „sachliche Regelungsbereich einer Norm“ trete bei den Überlegungen zum Nichteinmischungsgebot in den Vordergrund. Es sei nämlich das Rechtsgut als solches und seine Wertigkeit, zu dessen Gunsten sich die Ausdehnung rechtfertigen lassen müsse. Wenn der Tatortstaat eher in der Lage sei, das Rechtsgut effektiv zu schützen, sei der Verzicht auf eine extraterritoriale Regelung abzuwägen, um einen Konflikt mit dem Tatortstaat zu vermeiden. Eine Jurisdiktionsausdehnung lasse sich gegenüber dem Einwand der Einmischung in fremde Angelegenheiten umso besser rechtfertigen, je unbestrittener die Schutzwürdigkeit des Rechtsgutes in der Staatenwelt sei. A. a. O S. 55 erkennt die Autorin allerdings selbst, dass der Vorwurf einer Einmischung oder des Rechtsmissbrauchs grundsätzlich nicht greift, wenn – wie im Fall von § 3 und § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 – völkerrechtlich anerkannte Anknüpfungspunkte verwendet werden. 334 Vgl. dazu oben Fn. 257. 335 Pappas, S. 138. 336 Allerdings sind nach zutreffender Auffassung sowohl § 7 Abs. 2 Nr. 2 als auch § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 2 als Fälle des Prinzips stellvertretender Strafrechtspflege anzusehen (so etwa auch Schönke / Schröder-Eser, § 7 Rn. 1; NK-Lemke, § 7 Rn. 2; Satzger, Internationales Strafrecht § 5 Rn. 80), so dass auf das Erfordernis eines legitimierenden „Anknüpfungspunktes“ ohnehin verzichtet wird. Der Grundsatz impliziert vielmehr „die Kooperation zwischen Ergreifungs- und Tatortstaat i.S. eines Modells, das eher an Rechtshilfe als an einseitige

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zutreffen, dass auch in solchen Fällen das deutsche Strafrecht gilt (während lediglich die Ausübung der Strafgewalt durch die §§ 3 – 7 beschränkt wird), würde das Strafanwendungsrecht des StGB gegen Völkerrecht verstoßen. Anderenfalls steht ein Verstoß gegen Verfassungsrecht im Raum. Bedenken im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG sind für die „Neubürgerklausel“ zwar bisweilen mit der Argumentation ausgeräumt worden, die Anknüpfung der Strafbarkeit an einen erst nach der Tat eintretenden Umstand sei unschädlich, weil bereits bei Begehung der Tat gesetzlich bestimmt sei, dass und wie der Täter bestraft werde, wenn er später Deutscher wird.337 Das ändert aber nichts daran, dass die Strafnorm zur Tatzeit für den Täter noch nicht gegolten hat.338 Gleiches gilt für die Tatsache, dass durch das Erfordernis der Tatortstrafbarkeit in § 7 sichergestellt ist, dass der Täter nach der identischen Tatortnorm des ausländischen Rechts bereits zur Tatzeit strafbar war.339 Der Täter wird nach der deutschen, nicht – was theoretisch denkbar wäre – nach der für ihn bereits zur Tatzeit geltenden ausländischen Strafnorm bestraft, und es ist anzunehmen, dass Art. 103 Abs. 2 GG das Erfordernis der gesetzlichen Bestimmung nicht auf irgendeine, sondern auf die anzuwendende Strafnorm bezieht. Faktisch wird das Problem freilich dadurch entschärft, dass für § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 2 und § 7 Abs. 2 Nr. 2 die Berücksichtigung des milderen ausländischen Strafrahmens gefordert bzw. praktiziert wird.340 Dass die Bedenken in Bezug auf Art. 103 Abs. 2 GG wohl nicht gänzlich auszuräumen sind, sollte gleichwohl nicht Anlass dazu geben, die im Vordringen befindliche These von der strafbegründenden Wirkung der §§ 3 – 7 zu verwerfen. Der Strafgewalterstreckung erinnert“ (Ambos, Internationales Strafrecht § 3 Rn. 116 f.; vgl. auch Satzger, Internationales Strafrecht § 4 Rn. 4: Erweiterung der Strafgewalt, ohne dass ein „sinnvoller Anknüpfungspunkt“ besteht, gleichwohl aber kein Verstoß gegen das Völkerrecht). 337 BGHSt 20, 22, 23 (zu § 4 Abs. 2 Nr. 1 a. F.); LK-Werle / Jeßberger, § 7 Rn. 87; dem BGH zust. auch NK-Lemke, § 7 Rn. 18; kritisch etwa Ambos, Internationales Strafrecht § 3 Rn. 48: „Einwand [ . . . ] trägt aus individualrechtlicher Sicht nur dann, wenn der Täter den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit schon in seinen Tatplan einbezogen hatte“. 338 Ebenso Rath, JA 2007, 26, 32. 339 Anders Pappas, S. 186 f., die meint, dass aufgrund der erforderlichen Tatortstrafbarkeit „auf der Ebene der Strafrechtsanwendung“ (im Gegensatz zur Ebene der Prüfung, ob der Sachverhalt der deutschen Strafgewalt untersteht) „eine strafrechtliche Rückwirkung grundsätzlich nicht vor[liegt]“. Wie hier wohl Günther-Nicolay, S. 149: Das Erfordernis der identischen Norm mildere rechtsstaatliche Bedenken, könne sie aber nicht grundsätzlich ausschließen. 340 Für § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 2 etwa BGH NJW 1994, 140, 141; KG JR 1988, 345, 346; Schönke / Schröder-Eser, § 7 Rn. 21; Lackner / Kühl, § 7 Rn. 4; NK-Lemke, § 7 Rn. 18; Satzger, Internationales Strafrecht § 5 Rn. 85; Rath, JA 2007, 26, 32 (mit dem Hinweis a. a. O. Fn. 55, dass dennoch die „formale“ Komponente des Bestimmtheitsgebots übergangen werde); für § 7 Abs. 2 Nr. 2 Liebelt, S. 145 f.; für beide Normen Stratenwerth / Kuhlen, AT § 4 Rn. 24; Jakobs, 5. Abschn. Rn. 19 (de lege ferenda) und Pappas, S. 187. In der „Neubürgerklausel“ des § 4 Abs. 3 in der Fassung bis zur Geltungsbereichsverordnung vom 06. 05. 1940 war sogar die Anwendung des Tatortrechts, sofern es milder war, angeordnet; vgl. dazu etwa BGHSt 20, 22, 29 f.; LK-Werle / Jeßberger, § 7 Rn. 24.

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Gedanke, dass der Gesetzgeber mit den einzelnen Regelungen in § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 2 und Nr. 2 verfassungsrechtlich bedenkliche341 und möglicherweise änderungsbedürftige Regelungen geschaffen hat, liegt näher als die Unterstellung, er habe ohne Rücksicht auf das völkerrechtliche Einmischungsverbot dem deutschen Strafrecht einen unbeschränkten Bewertungsanspruch zumessen wollen – eine insgesamt völkerrechtswidrige Strafanwendungsrechtskodifikation wird nicht in seinem Sinne gewesen sein. (c) Weitere Anhaltspunkte gegen das Zutreffen der Theorie vom universellen Bewertungsanspruch Gegen die Theorie vom universellen Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts spricht auch ein Gedanke, der sich geradezu aufdrängt, wenn man die Argumentation H. Schröders (also gerade eines Befürworters der Theorie) gegen die Natur der §§ 3 – 7 als bloße Prozessvoraussetzungen nachvollzieht: Bei den Bestimmungen der §§ 3 – 7 müsse es sich, so H. Schröder, um materielle Vorschriften über die Entstehung des Strafanspruchs selbst und nicht bloß um formelle Voraussetzungen ihrer Durchsetzbarkeit handeln. Anderenfalls würde sich aus der Erfüllung eines deutschen Straftatbestandes universell ein Strafanspruch ergeben, der (in den nicht von den §§ 3 – 7 erfassten Fällen) praktisch völlig bedeutungslos wäre.342 Ebenso lässt sich indessen fragen: Warum sollte sich das deutsche Strafrecht einen unbeschränkten Bewertungsanspruch zumessen, wenn doch die §§ 3 – 7 das Entstehen des Strafanspruchs auf die in ihnen genannten Fälle begrenzen und in den anderen Fällen ein Verstoß gegen die Verhaltensnorm des deutschen Strafrechts ohnehin sanktionslos bleibt? Ein weiteres Argument gegen die „Weltgeltung“ der deutschen Strafgesetze findet sich bei Zieher: Die Theorie, so Zieher, finde im Gesetz keine Stütze. H. Schröder war mit seiner Auffassung vom universellen Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts nämlich zu dem – von ihm als begrüßenswert empfundenen – Ergebnis gelangt, dass der im Inland handelnde Teilnehmer an einer Auslandstat stets nach deutschem Strafrecht strafbar sei, auch wenn für die Auslandstat das deutsche Strafrecht nach den §§ 3 – 7 nicht gilt.343 Auch über den Bereich der Normen des Internationalen Strafrechts hinaus bewerte die deutsche Strafrechtsordnung die von seinen Tatbeständen erfassten Handlungen als schuldhaft begangenes Unrecht, so dass die Akzessorietät der Teilnahme einer Bestrafung des Teilnehmers 341 Zu den außerdem bestehenden völkerrechtlichen Problemen von § 7 Abs. 2 Nr. 2 Pappas, S. 192 ff.: Keine ausreichende Bezugnahme auf den Strafverfolgungswillen der Staatengemeinschaft bzw. einzelner Staaten und damit Unvereinbarkeit mit dem Einmischungsverbot; eine völkerrechtskonforme Anwendung der Norm (durch strikte Berücksichtigung des Vorrangs der Auslieferung bzw. Fordern einer völkerrechtlich unangefochtenen Beziehung zu Deutschland) sei aber möglich; Pappas zust. Ambos, NStZ 1998, 138, 140. 342 Schröder, ZStW 61 (1942), 57, 85 f. 343 Schröder, ZStW 61 (1942), 57, 78 ff., 93.

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in solchen Fällen nicht entgegenstehe.344 Heute ordnet § 9 Abs. 2 S. 2 ausdrücklich an, dass für eine Inlandsteilnahme an einer Auslandstat das deutsche Strafrecht selbst dann gilt, wenn die Haupttat am Tatort nicht mit Strafe bedroht ist, das deutsche Strafrecht also wegen der Einschränkung des § 7 für sie nicht gilt.345 Mit den Worten Ziehers hat § 9 Abs. 2 S. 2 gerade die Funktion, die „Klippe des Akzessorietätsprinzips“ zu umschiffen, die unter Umständen entsteht, wenn für die Haupttat deutsches Strafrecht nicht anwendbar ist.346 Kurz: Wenn die These von der universellen Bewertungsfunktion des deutschen Strafrechts zutreffen würde, bedürfte es der in § 9 Abs. 2 S. 2 getroffenen Anordnung nicht, weil von einer vorsätzlich begangenen rechtswidrigen (Haupt-)Tat i. S. d. §§ 26, 27 auch bei Fehlen der Voraussetzungen der §§ 3 – 7 auszugehen wäre und die inländische Teilnahme daran schon nach §§ 3, 9 Abs. 2 S. 1 strafbar wäre.347 Mit der Schaffung des § 9 Abs. 2 S. 2 hat der Gesetzgeber daher deutlich gemacht, dass von einer über den Bereich der §§ 3 – 7 hinausgehenden Bewertungsfunktion des deutschen Strafrechts nicht auszugehen ist, die Erfüllung der Voraussetzungen dieser Normen vielmehr unrechtskonstituierend ist. Ein weniger formelles Argument für diese These liefert Neumann: Welche Verhaltensweisen „Unrecht“ seien, stellt er fest, lasse sich jedenfalls außerhalb eines Kernbereichs des Strafrechts mit universell verbindlichen Verboten nur in Relation zu einer spezifischen Rechtsordnung bestimmen.348

344 Schröder, ZStW 61 (1942), 57, 94 f. Zu entsprechenden Ergebnissen sind bereits vor Inkrafttreten des § 9 Abs. 2 n. F. auch RG JW 1936, 2655; BGHSt 4, 333, 335 und Wegner, Festgabe v. Frank Bd. 1, 98, 144 f. gekommen. 345 Vgl. etwa Gribbohm, JR 1998, 177, 178; LK-Werle / Jeßberger, § 9 Rn. 49. 346 Zieher, S. 39. Demgegenüber führt Satzger, Internationales Strafrecht § 5 Rn. 40 die Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 gerade als Argument für den „universellen Bewertungsanspruch“ des deutschen Strafrechts an: Nur, wenn man auch für nicht in den Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts fallende (Haupt-)Taten den deutschen Unrechtsmaßstab anlegen würde, ließe sich die Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 „mit dem Akzessorietätsprinzip in Einklang bringen“. Vgl. auch bereits Jung, JZ 1979, 325, 328: Die Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 verzichte nicht auf das Akzessorietätserfordernis, sondern stelle nur klar, dass die Rechtswidrigkeit der Haupttat sich nach deutschem Recht beurteile, wenn der Teilnehmer im Inland gehandelt hat. Für eine Vereinbarkeit mit dem Akzessorietätsprinzip weiterhin Rath JA 2007, 26 f. 347 Das übersieht Satzger, Internationales Strafrecht § 5 Rn. 40 in seiner Argumentation (vgl. oben Fn. 346). – Voraussetzung dafür ist freilich, dass der Tatbegriff bei § 3 auch die Teilnahme erfasst. Davon ist deshalb auszugehen, weil ansonsten die inländische Teilnahme an inländischer Haupttat nicht von der Geltung des deutschen Strafrechts erfasst wäre, da § 9 Abs. 2 S. 1 nur den Teilnahmeort festlegt, nicht die Geltung deutschen Strafrechts anordnet (das tut § 3) – ein untragbares Ergebnis. (So zutreffend Miller / Rackow, ZStW 117 [2005], 379, 381 f.; Ambos, Internationales Strafrecht § 1 Rn. 25; LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 320; auch schon LK11-Gribbohm, § 3 Rn. 6, Vor § 3 Rn. 203; ders., JR 1998, 177; a. A. [Tatbegriff bei § 3 erfasse nur die Täterschaft] aber Mitsch, Jura 1989, 193, 194; Schönke / Schröder-Eser, § 3 Rn. 4 und auch noch MüKo-Ambos, § 3 Rn. 7). 348 Neumann, StV 2000, 425, 426.

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(4) Besonderer Rechtfertigungsbedarf für die Annahme der Beschränkung eines Tatbestandes auf inländische Rechtsgüter auch nach der Theorie vom universellen Bewertungsanspruch Es spricht also einiges dafür, die Theorie vom universellen Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts zu verwerfen. Jedenfalls für die §§ 3 – 7 ist damit auch die These Tiedemanns unzutreffend, es handele sich bei den Vorschriften des Allgemeinen Teils im engeren Sinn lediglich um „Zurechnungsregeln“, die ausschließlich der Begründung von Strafe dienen und normwidriges Verhalten bereits voraussetzen.349 Im hier gesetzten Rahmen kann auf eine endgültige Entscheidung indes sogar verzichtet werden. Zumindest eine Vermutung für die Erfassung auch ausländischer Rechtsgüter durch deutsche Straftatbestände ergibt sich nämlich aus beiden Ansichten. Nach der These von der unrechtsbegründenden Funktion der §§ 3 – 7 ist schon die Geltung der Verhaltensnormen der deutschen Straftatbestände an das Eintreten der Voraussetzungen der §§ 3 – 7 gebunden, so dass sie für Auslandstaten von Ausländern, durch die ausschließlich deutsche Rechtsgüter beeinträchtigt werden, grundsätzlich nicht gelten. Dadurch kommt es zu der oben bereits angesprochenen „Tatbestandsspaltung“. Folgt man dagegen der These von der strafgewaltbegrenzenden Funktion der §§ 3 – 7, kann sich eine grundsätzliche Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter zwar nicht aus den §§ 3 – 7 ergeben, weil diese Normen die Bewertungsebene danach gar nicht betreffen. Es entspricht aber schon der dieser Theorie zugrunde liegenden Annahme, die Bewertungsfunktion der deutschen Strafnormen sei prinzipiell „universell“ und lediglich die Strafgewalt sei aufgrund völkerrechtlicher Gebote (durch die §§ 3 – 7) beschränkt. Dies trifft – anders als nach der Theorie von der beschränkten Bewertungsfunktion des deutschen Strafrechts und unter völkerrechtlichen Gesichtspunkten bereits oben bemängelt – sogar für Auslandstaten von Ausländern zu, wobei eine Verfolgbarkeit solcher Taten allerdings an das Eintreten der Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 2 bzw. Nr. 2 gebunden ist. Wenn man der Argumentation R. Schmitz’ mit dem Rückwirkungsverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG folgt, ist diese Vermutung besonders naheliegend: Schmitz betont ja, dass auch diejenigen Taten, die nicht in den Regelungsbereich von § 3, § 4, § 7 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 fallen, vom Bewertungsbereich des deutschen Strafrechts umfasst sein müssen, weil die Anordnung einer Anwendung des deutschen Strafrechts bei Eintreten der Voraussetzungen von § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 2 bzw. Nr. 2 ansonsten als Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot verfassungswidrig wäre. Die Forderung R. Schmitz’ nach der Einbeziehung in den Bewertungsbereich des deutschen Strafrechts betrifft damit nur Taten von Ausländern, weil § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 2 sowie Nr. 2 die Tat eines Ausländers voraussetzen. Sie betrifft überdies nur im Ausland begangene Taten (für Taten im Inland ist § 3 einschlägig) und nur Taten, die nicht gegen deutsche Individualrechtsgüter begangen werden (ansonsten ordnet schon § 7 Abs. 1 die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts an). Übrig bleiben also nur Auslandstaten von Aus349

Tiedemann, FS Baumann, 7, 10 f., 13; vgl. dazu oben 1. b) aa).

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ländern gegen ausländische Rechtsgüter bzw. gegen deutsche Allgemeinrechtsgüter. Wenn man annehmen würde, dass R. Schmitz Auslandstaten von Ausländern gegen ausländische Rechtsgüter nicht in den Bewertungsbereich des deutschen Strafrechts einbezogen wissen wollte, würde sich seine Forderung damit ausschließlich auf Auslandstaten von Ausländern gegen deutsche Allgemeinrechtsgüter beziehen – was denkbar ist, aber unwahrscheinlich. Die Annahme der Beschränkung eines Tatbestandes auf den Schutz inländischer Rechtsgüter bedarf also auch vor dem Hintergrund der Theorie vom universellen Bewertungsanspruch jeweils stets einer besonderen Rechtfertigung. Das auf der Grundlage der Theorie vom beschränkten Bewertungsanspruch aus der Untersuchung der §§ 3 – 7 hervorgegangene Ergebnis bedarf also auch aus dieser Sicht keiner Modifizierung.

b) Kein Konflikt mit dem Bestimmtheitsgrundsatz Ein Konflikt mit dem Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG ergibt sich aus der These der „grundsätzlichen Einbeziehung“ nicht:350 Ein Tatbestand ist nicht um so unbestimmter, je weiter er reicht, man kann ihn sogar im Gegenteil als sehr eindeutig bezeichnen, wenn er eine – bisweilen nicht einfache – Entscheidung, ob es durch die Tat zur Verletzung eines „inländischen“ oder aber nur eines „ausländischen“ Rechtsguts gekommen ist, nicht erfordert. Und dass bei Inlandstaten und Auslandstaten Deutscher grundsätzlich auch ausländische Rechtsgüter vom Schutzbereich deutscher Straftatbestände erfasst sind, ergibt sich wie dargelegt aus einer Gesamtbetrachtung des Gesetzes, die auch die §§ 3 – 7 als Teil des materiellen Strafrechts einbezieht.351 Mit der Feststellung, dass diese Normen eine Grundsatzaussage zur Schutzbereichsfrage treffen, ist sozusagen eine argumentative Beweislastumkehr verbunden: Es ist nicht danach zu fragen, ob und unter welchen Umständen ausländische Rechtsgüter bei Inlandstaten und Auslandstaten Deutscher vom Schutzbereich der deutschen Straftatbestände umfasst sind. Der Begründungsaufwand liegt vielmehr stets dort, wo behauptet wird, sie seien es (im Einzelfall) nicht. 350 Anders Obermüller, S. 191 f., der die Frage nach dem „Ob und Wann“ der Einbeziehung ausländischer Kollektivrechtsgüter für neutral gefasste Tatbestände für vom Gesetz unbeantwortet hält, was bedeute, dass diese vom deutschen Strafrecht grundsätzlich nicht geschützt werden. Die „Unterlegung einzelner Tatbestände mit einem nicht nachzuweisenden, strafbarkeitserweiternden Gesetzeszweck“ sei nämlich verbotene Analogie und stelle damit einen Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz dar. Von derselben Prämisse (die Frage nach dem Einschluss ausländischer Rechtsgüter sei vom Gesetz unbeantwortet) ausgehend bezweifelt auch Lüttger, FS Jescheck, 121, 153 ff. eine Vereinbarkeit der Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter in den Schutzbereich deutscher Straftatbestände insbesondere aus Schutzwürdigkeitserwägungen mit dem Bestimmtheitsgebot. 351 Die Zweifel Obermüllers, S. 191 f. hinsichtlich des Bestimmtheitsgrundsatzes schlagen aus diesem Grund nicht durch.

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c) Kein zwingendes Gegenargument aus einzelnen ausdrücklichen Schutzbereichserweiterungen aa) Der Auslandsbezug einzelner Tatbestände als Indiz gegen die These der grundsätzlichen Einbeziehung? Gegen diese These mag man einwenden, dass einige Straftatbestände des Besonderen Teils eine ausdrückliche „Auslandserweiterung“ enthalten. In vielen Fällen wird daraus geschlossen, dass sie damit ihren Anwendungsbereich auf ausländische Rechtsgüter erstrecken, so etwa bei § 299 Abs. 3, § 370 Abs. 6 AO oder § 38 Abs. 5 WpHG.352 Mit einiger Berechtigung ließe sich argumentieren, dass dies eigentlich nicht notwendig sein könne, wenn sich aus den §§ 3 – 7 ohnehin eine grundsätzliche Erstreckung der Schutzbereiche auf ausländische Rechtsgüter ergeben sollte. Es überrascht daher keineswegs, wenn gelegentlich behauptet wird, die vom Gesetzgeber vorgenommene „Erweiterung“ einzelner Tatbestände auf ausländische Rechtsgüter lasse erkennen, dass im Grundsatz die Einbeziehung ausländischer Kollektivrechtsgüter nicht gewollt sei.353 Die These von der grundsätzlichen Schutzbereichserstreckung ist damit aber noch nicht widerlegt. Der soeben nachvollzogene Gedanke könnte sie nur entkräften, wenn es tatsächlich zuträfe, dass einzelne Tatbestände ausdrücklich ausländische Rechtsgüter in ihren Schutzbereich einbeziehen, die nach der These von der „grundsätzlichen Einbeziehung“ ohnehin einzubeziehen wären. Bei zahlreichen Tatbeständen bestehen indes erhebliche Zweifel, ob ihr „Auslandsbezug“ tatsächlich im Sinne einer Erstreckung auf den Schutz ausländischer Rechtsgüter zu verstehen ist. Vielmehr kann der „Auslandsbezug“ einer Strafvorschrift ganz unterschiedliche Funktionen haben.

bb) Tatbestände mit Auslandsbezug ohne (zwingende) Bedeutung für die Ermittlung des geschützten Rechtsguts – am Beispiel des § 152 Bei einigen der in diesem Zusammenhang genannten Tatbestände, deren „Auslandsbezug“ eine Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter und damit einen Hinweis darauf enthalten soll, dass diese im Grundsatz vom Strafschutz des deutschen Rechts ausgenommen sein sollen, gibt der „Auslandsbezug“ überhaupt keinen zwingenden Hinweis auf das von dem Tatbestand geschützte Rechtsgut. So liegt es beispielsweise bei der von Lüttger angeführten Anordnung der Geltung der §§ 146 352 Zu diesen und weiteren Tatbeständen des Wirtschaftsstrafrechts, denen sich eine „Erstreckung“ auf ausländische Rechtsgüter entnehmen lassen soll, etwa Möhrenschlager, in: Wabnitz / Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 3. Kapitel Rn. 13 ff. 353 Vgl. etwa Lüttger, FS Jescheck, 121, 159: Die Existenz von Sondervorschriften mit Erweiterungen des tatbestandlichen Schutzbereichs würde zeigen, welchen Weg der Gesetzgeber für den zu gehenden halte, wenn es um die tatbestandliche Ausdehnung (auf ausländische Rechtsgüter) gehe. Ebenso Obermüller, S. 192 ff.

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bis 151 auf Geld, Wertzeichen und Wertpapiere eines fremden Währungsgebietes durch § 152.354 Lüttger erblickt in dieser Regelung die „Einbeziehung eines fremden Rechtsgutes“, nämlich des Interesses des jeweiligen Staates an der Sicherheit und Zuverlässigkeit seiner Wertträger.355 Das ist insofern zutreffend, als durch die Fälschung und das Inverkehrbringen von Geld, Wertzeichen und Wertpapieren eines fremden Währungsgebietes stets jedenfalls die Gefahr einer Beeinträchtigung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Geldverkehrs und das Vertrauen in diesen356 in dem entsprechenden fremden Währungsgebiet begründet wird. Eigentlicher Zweck des § 152 muss – auch wenn er faktisch diese Auswirkung hat – aber nicht unbedingt die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter sein. Die Einbeziehung der ausländischen Tatobjekte kann vielmehr den Sinn haben, Gefährdungen des inländischen Geldverkehrs durch deren Fälschung oder Inverkehrbringen zu verhindern. Durch die Fälschung etwa von Geld eines fremden Währungsgebietes kann nämlich auch der inländische Geldverkehr – in Gestalt des Sortenhandels – in Mitleidenschaft gezogen werden.357 Ebenso kann durch die Fälschung etwa von Euro-Scheinen der Geldverkehr in einem fremden Währungsgebiet beeinträchtigt werden, wenn sie dort in Verkehr gebracht werden.358 Die Regelung des § 152 ist also keineswegs Voraussetzung dafür, dass die Tatbestände des achten Abschnitts auch ausländische Rechtsgüter in ihren Schutzbereich einbeziehen. Auch ohne die Anordnung in § 152 könnte das der Fall sein, allerdings beschränkt auf Angriffe 354 Die Norm beruht auf Art. 5 des Internationalen Abkommens zur Bekämpfung der Falschmünzerei vom 20. 4. 1929, RGBl. 1933 II, S. 913. 355 Lüttger, FS Jescheck, 121, 173 ff.; als Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter begreifen die Norm etwa auch Möhrenschlager, in Wabnitz / Janovsky, Handbuch des Wirtschaftsund Steuerstrafrechts, 3. Kap. Rn. 12; Obermüller, S. 193; Schönke / Schröder-Stree / Sternberg-Lieben, § 152 Rn. 1; a. A. Schroeder, NJW 1990, 1406, 1407: Nur legislative Klarstellung. 356 Zum Rechtsgut der Geldfälschungsdelikte statt vieler BGH NJW 1996, 2802, 2804 (Sicherheit und Funktionsfähigkeit des Geldverkehrs und das Vertrauen in diesen); Lackner / Kühl, § 146 Rn. 1 und Schönke / Schröder-Stree / Sternberg-Lieben, § 146 Rn. 1 m. w. N. zur Rspr. 357 Lüttger, FS Jescheck, 121, 174; v. Weber, Festgabe v. Frank Bd. 2, 269, 279; vgl. für Wertpapiere auch Schönke / Schröder-Stree / Sternberg-Lieben, § 152 Rn. 1: § 152 gewähre ausländischen Rechtsgütern Strafrechtsschutz und berücksichtige im Übrigen, „dass ausländische Wertpapiere auch im Inlandsverkehr eine erhebliche Rolle spielen und dieser damit vor Fälschungen solcher Papiere geschützt sein muss“. Ausführlich zur stets „internationalen Angriffsrichtung“ der Fälschung von Wertträgern Zieher, S. 164. 358 Vgl. zu dem Gedanken, dass Rechtsgut und Angriffsobjekt sich in ihrer „Nationalität“ nicht decken müssen, in Bezug auf die Urkundendelikte Schroeder, NJW 1990, 1406, der dort ausführt: „. . . ist die Urkunde – wie bei allen Delikten gegen Gewährschaftsträger der Gewährschaftsträger – nicht Rechtsgut des Tatbestandes, sondern allenfalls Angriffsobjekt (nämlich bei der Verfälschung eines echten Objekts), im übrigen sogar nur Angriffsmittel (beim Gebrauchen). [ . . . ] Auf die «Nationalität» der Urkunde abzustellen ist daher ebenso sinnlos wie die Frage, ob der Stein, mit dem das Opfer erschlagen wurde, aus dem Bayerischen Wald oder aus dem Kaukasus stammt. Rechtsgut der Tatbestände ist dagegen die in der Glaubwürdigkeit von Urkunden liegende Sicherheit des Rechtsverkehrs. Auf ihn ist daher die «nationale Frage» ab- und umzustellen.“

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des ausländischen Geldverkehrs durch dortiges Inverkehrbringen von Geld, Wertpapieren oder Wertzeichen aus der Euro-Zone. Die Existenz von § 152 führt freilich dazu, dass faktisch und zumindest mittelbar auch der Geldverkehr mit ausländischen Wertträgern geschützt wird. Zu einem unmittelbaren Schutz auch des ausländischen Geldverkehrs führt darüber hinaus bei bestehender Tatortstrafbarkeit die Regelung des § 7 Abs. 2 Nr. 1, wenn die Tat im Ausland von einem Deutschen begangen wird, sowie die Regelung des § 6 Nr. 7359, nach der auch bei Begehung durch einen Ausländer im Ausland und auch bei fehlender Tatortstrafbarkeit die §§ 146, 149, 151, 152 und 152b Anwendung finden. § 152 sagt für sich genommen dagegen jedenfalls nichts darüber aus, ob der Gesetzgeber den Schutz ausländischer Rechtsgüter stets explizit anordnen muss, sondern erweitert nur den Bereich der unter Strafe gestellten Angriffe auf das Rechtsgut der Geldfälschungsdelikte, also je nach Sichtweise den inländischen oder aber auch den ausländischen Geldverkehr.

cc) Notwenige Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter aufgrund spezieller Anwendungsbeschränkungen Bei anderen Tatbeständen ist der ausdrückliche „Auslandsbezug“ dagegen tatsächlich im Sinne des Einschlusses der Beeinträchtigung ausländischer Rechtsgüter zu verstehen. Dies rechtfertigt zunächst die Vermutung, aus dem Gesetz könne sich ansonsten grundsätzlich keine Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter ergeben. Die Vermutung lässt sich indessen leicht widerlegen. Die gesonderte Anordnung der Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter ist nämlich in vielen Fällen nur deshalb notwendig, weil der Tatbestand aufgrund seiner Besonderheiten oder solchen des Gesetzes, in dem er normiert ist, grundsätzlich auf den Schutz inländischer Rechtsgüter beschränkt ist. Ein allgemeiner Rückschluss lässt sich aus einzelnen „Spezialerweiterungen“ daher nicht ziehen. Der Gedanke sei anhand einiger Beispiele erläutert: (1) § 370 Abs. 6 AO § 370 Abs. 6 AO ordnet an, dass die Abs. 1 bis 5 auch gelten, eine Steuerhinterziehung nach § 370 AO also auch dann vorliegt, wenn sich die Tat auf bestimmte Abgaben anderer europäischer Staaten bezieht. Durch die Hinterziehung ausländischer Steuern wird nur das Steueraufkommen des betroffenen Staates beeinträchtigt, so dass hier – anders als etwa im Falle des § 152 – eindeutig ausschließlich ausländische (staatliche) Rechtsgüter geschützt werden. Wenn sich die Einbeziehung der ausländischen Steueraufkommen (für Taten, die vom Inland aus oder von 359 Beruhend auf dem Internationalen Abkommen zur Bekämpfung der Falschmünzerei vom 20. 4. 1929, RGBl. 1933 II, S. 913.

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einem Deutschen begangen werden) schon aus den §§ 3 – 7 ergäbe, wäre die Regelung des § 370 Abs. 6 AO tatsächlich überflüssig. Sie ist es aber deshalb nicht, weil § 1 AO den Anwendungsbereich des Gesetzes – und damit auch der in ihm enthaltenen Strafnormen – auf durch Bundesrecht oder das Recht der europäischen Gemeinschaften geregelte Steuern begrenzt. Damit wird die Reichweite der Straftatbestände der AO grundsätzlich auf die Beeinträchtigung inländischer Rechtsgüter und Rechtsgüter der Europäischen Gemeinschaften begrenzt. § 1 AO lässt sich – mit dem hiesigen Verständnis der §§ 3 – 7 – als Beschränkung dieser Normen, als Ausnahme von der in ihnen enthaltenen Grundregel, nach der im Falle von Auslandstaten Deutscher und Inlandstaten auch ausländische Rechtsgüter geschützt werden, beschreiben. § 370 Abs. 6 AO statuiert für einen bestimmten Bereich wiederum eine Ausnahme von dieser Ausnahme, kehrt dafür also zur Grundregel der §§ 3 – 7 zurück. Die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter in den Schutzbereich des § 370 AO in dessen Abs. 6 ist also der speziellen Anwendungsbereichsbeschränkung in § 1 AO geschuldet und keineswegs Indiz dafür, dass der Gesetzgeber eine Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter in den Schutzbereich deutscher Straftatbestände stets anordnen müsste. (2) IntBestG und EUBestG Auch die Bestechungsdelikte liefern ein Beispiel dafür, dass die (Legal-)Definition einzelner Tatbestandsmerkmale – wie der Begriff der „Steuern“ in § 370 AO durch § 1 AO – zu einem Ausschluss ausländischer Rechtsgüter aus dem tatbestandlichen Schutzbereich führen kann, ohne dass daraus eine entsprechende Grundregel abzuleiten ist. Nach § 334 Abs. 1 macht sich strafbar, wer „einem Amtsträger“ einen Vorteil dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er eine bestimmte, seine Dienstpflichten verletzende Diensthandlung vorgenommen hat oder vornehme; nach § 332 Abs. 1 ist der „Amtsträger“ zu bestrafen, der einen entsprechenden Vorteil fordert, sich versprechen lässt oder annimmt. Eine Definition des Amtsträgers enthält § 11 Abs. 1 Nr. 2: Amtsträger ist nur, wer nach deutschem Recht Beamter oder Richter ist, in einem sonstigen Amtsverhältnis steht oder sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder sonstigen Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen. Als Bestochener kommt daher nur in Betracht, wer Inhaber eines inländischen Amtes ist360 bzw. deutsche öffentliche Aufgaben wahrnimmt. Mit dieser Einschränkung geht eine faktische Schutzbereichsbegrenzung einher: Durch die Bestechlichkeit deutscher Amtsträger kann nur das Vertrauen der Allgemeinheit in die Sachlichkeit von durch den deutschen Staat zu treffenden Entscheidungen erschüttert und damit die Funktionsfähigkeit des deutschen Staatsapparats beeinträchtigt werden.361 Die durch § 11 Abs. 1 Nr. 2 bewirkte EinschränSchönke / Schröder-Heine, Vorbem §§ 331 ff. Rn. 4 m. w. N.; Korte, wistra 1999, 81. Vgl. zum – im Einzelnen umstrittenen – Rechtsgut der §§ 331 ff. etwa Schönke / Schröder-Heine, § 331 Rn. 3 und Lackner / Kühl, § 331 Rn. 1; beide m. zahlr. Nachw. 360 361

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kung ist in recht weitem Umfang allerdings durch das EUBestG362 und das IntBestG363 eingeebnet worden:364 Für den Anwendungsbereich der §§ 332 und 334 wird (in Bezug auf Bestechungshandlungen für künftige Diensthandlungen) durch Art. 2 § 1 Abs. 1 EUBestG einem deutschen Amtsträger ein Amtsträger eines anderen EU-Mitgliedstaates, ein Gemeinschaftsbeamter sowie ein Mitglied der Kommission und des Rechnungshofes der Europäischen Gemeinschaften gleichgestellt. Durch Art. 2 § 1 IntBestG werden für Fälle der aktiven Bestechung (§ 334, wiederum beschränkt auf Bestechungshandlungen für künftige Diensthandlungen und zudem mit dem Ziel vorgenommen, sich einen Auftrag oder unbilligen Vorteil im geschäftlichen Verkehr zu sichern) einem deutschen Amtsträger die Amtsträger eines ausländischen Staates und zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben des ausländischen Staates beauftragte Personen sowie Amtsträger und sonstige Bedienstete und Beauftragte internationaler Organisationen gleichgestellt.365 Die Einbeziehung ausländischer Amtsträger durch EUBestG und IntBestG wird allgemein als Erweiterung des Schutzbereichs der Bestechungsdelikte, namentlich als Einbeziehung der entsprechenden ausländischen Rechtsgüter interpretiert.366 Tatsächlich ist schwer vorstellbar, dass die Bestechlichkeit ausländischer Amtsträger das Vertrauen der Allgemeinheit in die Sachlichkeit von Entscheidungen deutscher Amtsträger zu erschüttern vermag. Durch entsprechende Taten kann nur das Vertrauen in die Sachlichkeit von Entscheidungen ausländischer Hoheitsträger erschüttert und damit das Funktionieren des entsprechenden ausländischen Staatsapparats tangiert werden. EUBestG und IntBestG enthalten also tatsächlich eine Ausdehnung der Bestechungsdelikte auf ausländische Rechtsgüter. Wie im Falle des § 370 Abs. 6 AO ist dies allerdings kein Indiz für die Erforderlichkeit einer ausdrücklichen Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter auch bei anderen Tatbeständen, sondern nur eine „Korrektur“ des durch die Definition des § 11 Abs. 1 Nr. 2 eingeschränkten Anwendungsbereichs der §§ 331 ff.367 362 EU-Bestechungs-Gesetz (Gesetz zu dem Protokoll v. 27. 9. 1996 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften) v. 10. 9. 1998, BGBl. II, S. 2340. 363 Gesetz zu dem Übereinkommen v. 17. 12. 1997 über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr v. 10. 9. 1998, BGBl. II, S. 2327. 364 Zu den Änderungen allgemein etwa Korte, wistra 1999, 81. 365 In Art. 2 § 3 IntBestG sowie Art. 2 § 2 EUBestG finden sich Regelungen für Auslandstaten. Die §§ 332, 334 sollen danach für bestimmte im Ausland begangene Taten auch unabhängig vom Recht des Tatortes gelten; es wird damit – wie in den §§ 5 und 6 – das Erfordernis der Tatortstrafbarkeit nach § 7 aufgehoben. 366 Etwa Möhrenschlager, in: Wabnitz / Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 3. Kapitel Rn. 24; Obermüller, S. 194. 367 Vgl. schon Korte, wistra 1999, 81: Dass die Bestechung eines ausländischen Amtsträgers, von wenigen Ausnahmen abgesehen, bis zum Inkrafttreten von EUBestG und IntBestG nicht strafbar war, habe nicht daran gelegen, dass die Regelungen der §§ 3 ff. zu eng waren, sondern Grund für die Nichterfassung der Bestechung ausländischer Amtsträger über die §§ 331 ff. sei die Definition des Amtsträgerbegriffs in § 11 Abs. 1 Nr. 2 gewesen.

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(3) § 264 Abs. 7 Nr. 2 In § 264 StGB findet sich ebenfalls die Konstruktion einer Beschränkung auf den Schutz inländischer und nur bestimmter ausländischer Rechtsgüter durch die Definition eines Tatbestandsmerkmals. „Subvention“ im Sinne der Vorschrift soll nach § 264 Abs. 7 Nr. 1 nur eine Leistung aus öffentlichen Mitteln nach Bundesoder Landesrecht sein; nach Nr. 2 auch eine Leistung aus öffentlichen Mitteln nach dem Recht der Europäischen Gemeinschaften. Sofern aber § 264 Abs. 7 Nr. 2 als Beleg dafür angeführt wird, die Einbeziehung ausländischer (in diesem Fall: europäischer) Rechtsgüter müsse vom Gesetzgeber stets angeordnet werden,368 ist das nicht nachvollziehbar. Im Falle des § 264 hat der Gesetzgeber vielmehr durch die Festlegung des Begriffs der „Subvention“ in Abs. 7 Nr. 1 den Anwendungsbereich des Tatbestandes auf die Beeinträchtigung des deutschen öffentlichen Vermögens sowie der wirksamen staatlichen Förderung der deutschen Wirtschaft369 eingeschränkt. Die Einbeziehung auch von Subventionen nach dem Recht der Europäischen Gemeinschaften durch § 264 Abs. 7 Nr. 2 führt dazu, dass der Tatbestand auch ein nichtdeutsches öffentliches Rechtsgut, nämlich die europäische Wirtschaftsförderung (die freilich aufgrund des gemeinsamen Marktes auch deutschen Marktteilnehmern zugute kommt), schützt.370 Die gesonderte Anordnung dieses Schutzes ist allerdings keine Ausnahme von einer Beschränkung des deutschen Strafrechts im Allgemeinen, sondern nur eine Ausnahme von der grundsätzlichen Beschränkung speziell des § 264 auf den Schutz inländischer Rechtsgüter. (4) §§ 326 Abs. 2 und 330d Nr. 1 Obermüller führt zur Unterstützung der These, der Gesetzgeber müsse eine Ausdehnung auf ausländische Kollektivrechtsgüter stets explizit anordnen, weiterhin die durch das 31. Strafrechtsänderungsgesetz (= Zweites UKG)371 erfolgte Änderung des § 330d an, in der die bis dahin festgeschriebene Beschränkung des Gewässerbegriffs auf inländische Gewässer gestrichen wurde, sowie die neue Fassung des § 326 Abs. 2 dahingehend, dass auch das Verbringen von Abfall „in den, aus dem oder durch den Geltungsbereich dieses Gesetzes“ strafbar ist.372 Durch diese Obermüller, S. 193. Zu den durch § 264 geschützten Rechtsgütern etwa Schönke / Schröder-Lenckner / Perron, § 264 Rn. 4 und Lackner / Kühl, § 264 Rn. 1; beide m. zahlr. Nachw. 370 So Lüttger, FS Jescheck, 121, 176; Möhrenschlager, in: Wabnitz / Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 3. Kap. Rn. 13; Schönke / Schröder-Lenckner / Perron, § 264 Rn. 4. Zu dem Grund für die Einbeziehung europäischer Subventionen Hecker, Europäisches Strafrecht § 2 Rn. 7: § 264 Abs. 1 habe sich im Lichte des durch die „Mais-Rechtsprechung“ des EuGH konkretisierten Loyalitätsgebotes (Art. 10 EGV) auf den Schutz des EG-Finanzhaushaltes zu erstrecken. 371 Zweites Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität v. 27. 6. 1994, BGBl. I, S. 1440. 372 Obermüller, S. 193. 368 369

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Gesetzesänderungen sei faktisch eine Ausdehnung des Schutzbereichs der entsprechenden Tatbestände erfolgt.373 Das ist zutreffend: Sieht man davon ab, dass Umweltdelikte häufig Auswirkungen haben, die keineswegs national begrenzt sind, sondern zu globalen Gefahren führen, so dass schon insofern von einem zumindest faktischen Schutz auch „ausländischer“ (bzw. internationaler) Rechtsgüter auszugehen ist,374 können § 326 Abs. 2 mit der Formulierung „aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes“ und § 330d Nr. 1 mit der Definition des „Gewässers“ als „ein oberirdisches Gewässer, das Grundwasser und das Meer“ als Schutzbereichserstreckungen interpretiert werden.375 In einigen Fällen wird die Tatbegehung im Ausland zwar auch Auswirkungen auf die deutsche Umwelt haben, so dass man wie bei den Geldfälschungsdelikten argumentieren könnte, den Normen lasse sich gar kein zwingender Hinweis auf das von den Tatbeständen geschützte Rechtsgut entnehmen;376 es sind aber auch Konstellationen denkbar, in denen ausschließlich ein begrenzter Bereich im Ausland und damit ausschließlich ausländische Rechtsgüter betroffen sind. Tathandlung des § 326 Abs. 2 ist das grenzüberschreitende Verbringen von Abfällen entgegen einem Verbot oder ohne die erforderliche Genehmigung;377 Zielrichtung ist beim Ausführen oder Durchführen also das AusObermüller, S. 194. So etwa auch Dannecker / Streinz, in: Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht Bd. I § 8 Rn. 53: Die Tatsache, dass die Umwelt letztlich keine nationalen Grenzen kenne, müsse zu der Erkenntnis führen, dass das Rechtsgut Umwelt schon per se übernational zu verstehen sei und in einem universellen, den Werten des Einzelstaates vorgelagerten Interesse wurzele; die Umwelt sei ein „globaler Wert schlechthin“; ebenso schon Höpfel FS Triffterer, 425, 426 f. 375 Für § 330d Nr. 1 Schönke / Schröder-Cramer / Heine, § 330d Rn. 2; Günther-Nicolay, S. 274; für § 326 Abs. 2 dies., a. a. O. S. 345. 376 Bei einem Eintreten des tatbestandsmäßigen Erfolges im Inland wäre das deutsche Strafrecht dann über die §§ 3, 9 auch bei der im Ausland vorgenommenen Handlung (eines Ausländers oder eines Deutschen) strafbar, selbst wenn das Tatortrecht keinen entsprechenden Straftatbestand enthält. Bei abstrakten Gefährdungsdelikten kann allerdings vom Eintritt des „zum Tatbestand gehörenden Erfolges“ i. S. d. § 9 im Inland nur ausgehen, wer die Schaffung des Verletzungsrisikos als solchen anerkennt, so Martin, S. 118 ff. sowie ders., ZRP 1992, 19 f. Dagegen aber etwa Dannecker / Streinz, in: Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht Bd. I § 8 Rn. 49 (mit Art. 103 Abs. 2 GG nicht vereinbar); Hilgendorf, NJW 1997, 1873, 1875 f. sowie Satzger, NStZ 1998, 112, 115 f. und ders., Internationales Strafrecht § 5 Rn. 25 ff.: Gefährlichkeit sei kein Erfolg, sondern lediglich das regelmäßige und typische Attribut des tatbestandlichen Verhaltens, so dass Anknüpfungspunkt bei abstrakten Gefährdungsdelikten allein der Tätigkeitsort sein könne. Dabei überzeugt insbesondere der systematische Hinweis, dass die Regelung des § 5 Nr. 10 überflüssig wäre, wenn schon die Gefährdungswirkung als „Erfolg“ i. S. v. § 9 anzusehen wäre, weil die Gefährdung der Rechtspflege in den von § 5 Nr. 10 erfassten Fällen immer im Inland eintritt und die Tat deshalb schon nach den §§ 3, 9 unabhängig vom Recht des Tatortes vom Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts erfasst wäre. Vgl. zu dieser Argumentation – im Hinblick auf die von der Rechtssprechung über § 9 vorgenommene inakzeptable Erweiterung des Geltungsbereichs des § 258 – auch Neumann, StV 2000, 425, 426. 377 Die Vorschrift bezieht sich dabei insbesondere auf Verbote und Genehmigungen nach der EG-Abfallverbringungsverordnung (Verordnung [EWG] Nr. 259 / 93 des Rates vom 1. 2. 373 374

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land, so dass in diesen Fällen ausländische Rechtsgüter in den durch die Norm vermittelten Schutz einbezogen sind.378 Für diese Sichtweise sprechen für § 330d Nr. 1 weiterhin die Gesetzgebungsmaterialien. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung sollte auf die bisherige Beschränkung verzichtet werden, um in verstärktem Maße Auslandstaten zu erfassen; namentlich solche, bei denen der Taterfolg im Ausland eintrete.379 Diese Feststellung gibt allerdings nicht Anlass zu der Behauptung, ausländische Kollektivrechtsgüter seien in den Schutzbereich deutscher (Umweltstraf-)Tatbestände bei fehlender ausdrücklicher legislativer Anordnung nicht einbezogen. § 330d Nr. 1 enthält darauf überhaupt keinen Hinweis; er definiert lediglich den Begriff des „Gewässers“. Für eine Strafrechtsordnung, die (wie nach der oben aufgestellten These die deutsche) grundsätzlich auch Beeinträchtigungen ausländischer Rechtsgüter mit ihren Tatbeständen erfasst, ist es dabei selbstverständlich, dass, wenn der Begriff des Gewässers zu seinem Verständnis einer Legaldefinition bedarf, ausländische Gewässer davon nicht ausgenommen sind (und damit in den Bereich der Gewässerverunreinigung des § 324 einbezogen). Als „Erweiterung des Schutzbereichs“ des § 324 lässt sich § 330d Nr. 1 dagegen nur vor dem Hintergrund der vormals durch die engere Definition des Gewässerbegriffs (nur Gewässer „im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes“) bewirkte (ausnahmsweise) Beschränkung auf den Schutz inländischer Rechtsgüter bezeichnen. Dass § 330d für die anderen Umweltmedien keine Definition bereithält, sollte indessen nicht zu der Annahme führen, die Tatbestände etwa der Bodenverunreinigung in § 324a und der Luftverunreinigung in § 325 wollten in ihren Schutzbereich den Boden und die Luft im Ausland nicht einbeziehen.380 1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft; ABl. EG Nr. L 30, S. 1); sie ist „verordnungsakzessorisch“ ausgestaltet; vgl. Heine, FS Triffterer, 401, 416. Zu den Verboten und Genehmigungen im Einzelnen Schönke / Schröder-Lenckner / Heine, § 326 Rn. 12c, 12d. 378 Günther-Nicolay, S. 345, die allerdings darauf hinweist, dass die Norm nur Verbringungen erfasst, die in den Anwendungsbereich der §§ 3, 9 fallen, weil Deutschland – sei es als Export-, Import- oder Durchfuhrland – stets territorial berührt sein muss. 379 BT-Drucks. 12 / 192, S. 30. Noch deutlicher ist im Oppositionsentwurf (BT-Drucks. 12 / 376, S. 32 f.) formuliert: „. . . wird die stark kritisierte Beschränkung des Schutzes auf inländische Gewässer gestrichen. Eine Strafbarkeit kam danach nicht in Betracht, sofern allein ausländische Gewässer verunreinigt wurden. Diese Beschränkung ist nur schwer mit der Bedeutung des internationalen Gewässerschutzes und dem Ziel besserer Bekämpfung grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen zu vereinbaren. Verunreinigt ein Deutscher im Ausland einen Fluß, so kann er für die Tat nicht im Inland bestraft werden, da es angesichts der expliziten Beschränkung auf inländische oberirdische Gewässer und Grundwasser an der Verletzung eines geschützten Rechtsguts fehlt.“ 380 Für den Schutz der in § 330d nicht ausdrücklich genannten Umweltgüter Luft und Boden auch im Ausland auch Schönke / Schröder-Cramer / Heine, § 330d Rn. 3; Fischer, § 326 Rn. 5b; Dannecker / Streinz, in: Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht Bd. I § 8 Rn. 47; vgl. auch die Begründung zum Oppositionsentwurf eines 2. UKG (BTDrucks. 12 / 376, S. 33): Der fehlende Schutz ausländischer Gewässer sei inkonsequent, da eine derartige Einschränkung bei Luft- und Bodenverunreinigungen nicht bestehe. Eine Be-

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Bei den meisten Tatbeständen des Umweltstrafrechts ist möglicherweise gleichwohl eine faktische Beschränkung ihres unmittelbaren Schutzbereichs auf inländische Umweltrechtsgüter anzunehmen, und zwar eine dem Umstand ihrer verwaltungsakzessorischen Ausgestaltung geschuldete.381 Voraussetzung der Tatbestandserfüllung ist nämlich etwa in den §§ 324a und 325 eine Handlung „unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten“382 und nach § 330d Nr. 4 damit unter Verletzung von Pflichten, die sich aus einer (verwaltungsrechtlichen) Rechtsvorschrift, einer gerichtlichen Entscheidung, einem vollziehbaren Verwaltungsakt, einer vollziehbaren Auflage oder einem öffentlich-rechtlichen Vertrag ergeben. Es liegt nahe, hierin einen Verweis nur auf die entsprechenden deutschen Rechtsinstrumente zu erblicken.383 Wohl überwiegend wird angenommen, diese könnten als solche des Verwaltungsrechts im Ausland – und also zumindest bei Auslandstaten nach § 7 Abs. 2 – keine Rechtswirkungen entfalten, weil von einer territorialen Beschränkung des öffentlichen Rechts auf das eigene Hoheitsgebiet auszugehen sei.384 Von einer „Ersetzung“ der die betreffenden Tatbestände „ausfüllenden“ grenzung des Schutzbereichs des Umweltstrafrechts auf inländische Rechtsgüter generell ablehnend auch Forkel, S. 110 f. Zweifelnd aber Günther-Nicolay, S. 330 f. (Auslandsausdehnung könne mangels Hinweis im Wortlaut der Tatbestände der §§ 324a und 325 nicht angenommen werden). Anders für § 326 Abs. 1 Nr. 3 a. F. auch BGHSt 40, 79, 81 f.: Der Straftatbestand schütze nur inländische Rechtsgüter; Gewässer, Luft und Boden im Ausland würden von ihrem Schutzbereich nicht erfasst. Dagegen Rengier, JR 1996, 34 ff.; kritisch auch Heine, FS Triffterer, 401, 406 f. 381 So etwa auch Dannecker / Streinz, in: Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht Bd. I § 8 Rn. 18 (die Verwaltungsakzessorietät führe bei grenzüberschreitenden Umweltbeeinträchtigungen tendenziell zu einer Einschränkung des nationalen Strafrechts); für § 324a auch Schönke / Schröder-Heine, § 324a Rn. 1 m. w. N.: Der Schutzgegenstand Boden sei zwar nicht auf den räumlichen Geltungsbereich des StGB beschränkt, jedoch könnten sich infolge des Erfordernisses der „Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten“ Beschränkungen auf das Inland ergeben; weiterhin Günther-Nicolay, S. 324 ff., 330. 382 Während der Tatbestand des § 324 nur ein „unbefugtes“ Verhalten voraussetzt, was von der wohl h. M. nicht als Verweis auf verwaltungsrechtliche Vorschriften, sondern als allgemeines Deliktsmerkmal der Rechtswidrigkeit angesehen wird; statt vieler Schönke / Schröder-Cramer / Heine, Vorbem §§ 324 ff. Rn. 14 m. w. N.; Günther-Nicolay, S. 274. Eine faktischer Ausschluss des Schutzes ausländischer Umweltrechtsgüter auch im Falle von Inlandstaten (mit Auswirkungen auf das Ausland) kann sich freilich auch bei einer Vorschrift wie § 324 theoretisch dadurch ergeben, dass die tatbestandsmäßige Handlung am Erfolgsort – etwa wegen einer Genehmigung des Tatortstaates oder einer abweichenden verwaltungsrechtlichen Regelung – erlaubt ist und dies vom deutschen Richter zu berücksichtigen ist; vgl. dazu Günther-Nicolay, S. 296 f., 307 ff.; Dannecker / Streinz, in: Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht Bd. I § 8 Rn. 50 und für den umgekehrten Fall (Handlung im Ausland mit Erfolgseintritt im Inland) auch Martin, ZRP 1992, 19, 23 ff. Bei Auslandstaten würde eine Strafbarkeit in einem solchen Fall in den meisten Fällen wohl bereits am Erfordernis der Tatortstrafbarkeit scheitern. 383 Vgl. etwa Hecker, ZStW 115 (2003), 880, 892 ff.: Mit der Bezugnahme auf die Verletzung „verwaltungsrechtlicher Pflichten“ meine das deutsche Umweltstrafrecht nur den Verstoß gegen deutsche Rechtsvorschriften oder Rechtsakte. 384 Dannecker / Streinz, in: Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht Bd. I § 8 Rn. 50; BayVGH UPR 1984, 130; für das Umweltverwaltungsrecht als „h. M.“ bezeichnet

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Normen durch ausländisches Verwaltungsrecht im Falle von Auslandstaten kann aber auch nicht ohne Weiteres ausgegangen werden,385 es sei denn, sie nehmen ausdrücklich auf ausländisches bzw. supranationales Recht Bezug.386 Ob und in welchen Fällen bei in dieser Hinsicht nicht eindeutigen, ausfüllungs- oder ergänzungsbedürftigen Tatbeständen die Heranziehung ausländischer außerstrafrechtlicher Rechtsnormen möglich ist, ist vielmehr ein noch in hohem Maße ungeklärtes Problem, das unter dem Stichwort der „Fremdrechtsanwendung“ im Strafrecht diskutiert wird.387 Ohne hier diesbezüglich eine Entscheidung treffen zu wollen, kann jedenfalls festgestellt werden, dass ein Verhalten, das im Ausland ausländische Rechtsgüter der betreffenden Umweltstraftatbestände beeinträchtigt, nicht unter den jeweiligen deutschen Tatbestand fällt, wenn man davon ausgeht, ein etwaiges inländisches Verbot gelte im Ausland nicht und ein etwaiges ausländisches Verbot könne zur Ausfüllung des Tatbestandes nicht herangezogen werden: Das Merkmal der „Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten“ bleibt unerfüllt. Nur aus diesem Grund – und nicht etwa aufgrund eines stets zu unterstellenden entsprechenden Willens des Gesetzgebers – bleiben die betreffenden ausländischen Rechtsgüter zumindest gegen Auslandstaten388 vom deutschen Strafrecht dann ungeschützt. Ebenso wenig wie § 330d Nr. 1 indiziert § 326 Abs. 2 einen der Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter grundsätzlich entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers: Dass hier auch ausländische Rechtsgüter, und zwar auch faktisch, geschützt werden, ergibt sich aus der Beschreibug der tatbestandsmäßigen Handlung („. . . aus dem oder durch den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbringt“) in Verbindung mit der „verordnungsakzessorischen“ Ausgestaltung des Tatbestandes, der sich auf grenzüberschreitende Verbringungsverbote der EG-Abfallverordnung (und von Martin, ZRP 1992, 19, 22, der zwar selbst der Meinung ist, völkerrechtlich sei nur die Vornahme von Hoheitsakten im Ausland, nicht hingegen die Vornahme von Hoheitsakten im Inland mit Wirkung für das Ausland verboten, aufgrund praktischer Erwägungen aber ebenfalls eine „primäre Zuständigkeit des Handlungsstaates“ annimmt. 385 Vgl. etwa Dannecker / Streinz, in: Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht Bd. I § 8 Rn. 50 sowie Schönke / Schröder-Cramer / Heine, § 330d Rn. 19a: Ob und inwieweit die Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten auch auf ausländisches Verwaltungsrecht gestützt werden könne, sei noch nicht abschließend geklärt. Cramer / Heine a. a. O. ergänzen, dass, soweit der Geltungsanspruch ausländischer Verwaltungsakte (wie regelmäßig) auf das dortige Hoheitsgebiet beschränkt sei, soweit ein Zuwiderhandeln gegen Verwaltungsakte erforderlich sei, schwerlich Fremdrechtsanwendung betrieben werden könne. Vgl. auch Hecker, ZStW 115 (2003), 880, 892 ff. (s. schon oben Fn. 383). Tendenziell grundsätzlich anders Cornils, S. 86 ff.; 94 f., 99: Aufgrund des völkerrechtlichen Gebots der Respektierung fremdstaatlicher Rechtssouveränität sei für die Beurteilung verwaltungsrechtlichen Vorfragen u.U. das ausländische Verwaltungsrecht maßgeblich. 386 Günther-Nicolay, S. 315 f. 387 Dazu näher unten D. I. 2. 388 Dass das deutsche Umweltverwaltungsrecht für Handlungen im Inland eine Regelung treffen darf, auch wenn deren (tatbestandsmäßiger) Erfolg im Ausland eintritt, ist anzunehmen. Der Ausfüllung des betreffenden Tatbestandes mit inländischem Verwaltungsrecht steht bei Inlands(distanz)taten also wohl nichts entgegen.

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nicht [ausschließlich] auf inländisches Verwaltungsrecht) bezieht389. Allein daraus, dass § 326 Abs. 2 tatsächlich ausländische Rechtsgüter schützt, lässt sich aber nicht schließen, dass etwa die Absätze 1 und 3 der Norm den Schutz ausländischer Rechtsgüter von vornherein ausklammern. Das Nichtabliefern radioaktiver Abfälle „unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten“ in Abs. 3 bezieht sich allerdings wiederum wohl nur auf inländische Rechtsakte,390 so dass der Schutzbereich faktisch auf das Inland beschränkt bleibt.391 Dasselbe gilt für § 326 Abs. 1: Der Täter muss die Abfälle „außerhalb einer (nach inländischem Verwaltungsrecht) dafür zugelassenen Anlage oder unter wesentlicher Abweichung von einem (nach inländischem Verwaltungsrecht) vorgeschriebenen oder zugelassenen Verfahren“ beseitigen.392 Schutzbereichsbeschränkungen, die durch Besonderheiten der Tatbestände (hier: deren Verwaltungsakzessorietät) veranlasst sind, lassen den Schluss auf einen grundsätzlichen Willen des Gesetzgebers, nur inländische Rechtsgüter unter Strafschutz zu stellen, indessen nicht zu. (5) § 38 Abs. 5 WpHG – ein Scheinkandidat Auch § 38 Abs. 5 WpHG wird als Erstreckung der Schutzbereiche der in § 38 Abs. 1 und 2 WpHG enthaltenen Strafnormen gedeutet.393 § 38 Abs. 1 und 2 WpHG sind als Blankette ausgestaltet, die ein Handeln entgegen in anderen Normen des Gesetzes normierten Verboten voraussetzen. So stellt etwa § 38 Abs. 1 WpHG das Erwerben oder Veräußern von Insiderpapieren „entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1“ unter Strafe. Nach § 38 Abs. 5 WpHG steht der Verbotsvorschrift des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG allerdings „ein entsprechendes ausländisches Verbot gleich“. In der Gesetzesbegründung zu dem diese Verweisung vormals enthaltenden § 38 Abs. 2 WpHG a. F. hieß es dazu, die Vorschrift sei notwendig, „um einen Deutschen wegen einer im Ausland begangenen Insidertat strafrechtlich zu verfolgen, [ . . . ] da sich das Insiderverbot nach § 14 als verwaltungsrechtliche Norm auf das Inland beschränkt394“. Die Begrenzung des § 14 WpHG auf das Inland hat der Gesetzgeber allerdings durch den mit dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz395 389 Noch weitergehend fordert Heine, FS Triffterer, 401, 418 f. insofern eine Beachtung auch ausländischer Verwaltungsentscheidungen: Eine Fremdrechtsberücksichtigung sei in diesem Bereich aufgrund der Ratio der supranationalen Regelwerke, die Entscheidungskompetenz des Empfängerlandes zu stärken, angebracht. 390 Eine gesetzliche Ablieferungspflicht für radioaktive Abfälle enthalten etwa § 9a Abs. 2 AtomG und § 76 StrlSchVO; durch einen Verwaltungsakt kann eine solche Pflicht nach § 19 Abs. 3 AtomG begründet werden. 391 So auch Günther-Nicolay, S. 348 f. 392 Vgl. zu den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen etwa Schönke / SchröderLenckner / Heine, § 326 Rn. 12. 393 So etwa Vogel, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 38 Rn. 64 f., 67. 394 BT-Drucks. 12 / 6679, S. 57. 395 V. 28. 10. 2004, BGBl. I, S. 2630.

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eingefügten § 1 Abs. 2 WpHG aufgehoben. Die Vorschriften des 3. Abschnitts, zu denen § 14 WpHG gehört, sind danach auch auf im Ausland vorgenommene Handlungen anzuwenden, sofern sie Finanzinstrumente betreffen, die an einer inländischen Börse gehandelt werden. Als (einseitige) verwaltungsrechtliche Kollisionsnorm ordnet § 1 Abs. 2 WpHG damit die Anwendbarkeit des in § 14 WpHG enthaltenen Verbots auf bestimmte Auslandssachverhalte an.396 Anders, als mit ihrer Einführung intendiert, bedürfte es der Entsprechensklausel in § 38 Abs. 5 WpHG danach grundsätzlich nicht mehr, um die strafrechtliche Verfolgung eines Deutschen wegen einer im Ausland begangenen Insidertat sicherzustellen. Denn Fälle, die von § 1 Abs. 2 WpHG erfasst sind, können in Durchbrechung des Grundsatzes der territorialen Beschränkung öffentlich-rechtlicher Normen auch ohne Rückgriff auf die in § 38 Abs. 5 WpHG enthaltene Blankettverweisung auf ausländische Verbote strafrechtlich geahndet werden.397 Der danach noch verbleibende Sinngehalt des § 38 Abs. 5 WpHG ist strittig. Eine Schutzbereichsausdehnung des Inhalts, dass erst und allein dieser Absatz die Erfassung ausländischer Rechtsgüter vom deutschen Insiderhandelsstrafrecht ermöglicht,398 enthält er jedenfalls nicht. Schon die Definition des Insiderpapiers in § 12 WpHG führt nämlich zu einem zumindest faktischen Schutz auch ausländischer Kapitalmärkte. Voraussetzung für das Eingreifen des Verbots des § 14 WpHG ist, dass das betreffende Wertpapier am inländischen Wertpapiermarkt oder in einem Mitgliedstaat der EU oder in einem anderen EWR-Vertragsstaat zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen ist (§ 12 WpHG). Der Insiderhandel (im Inland) mit einem (auch) in einem anderen EWR-Mitgliedstaat zugelassenen Wertpapier begründet aber eine abstrakte Gefahr (in Gestalt der Kursmanipulation) auch für den entsprechenden ausländischen Kapitalmarkt. Freilich: Von der Beeinträchtigung eines „inländischen“ Rechtsguts lässt sich dann insofern und für den Fall sprechen, dass man aufgrund der engen Verknüpfung der Kapitalmärkte im EWR von einem „europäischen“ Kapitalmarkt ausgeht und in dessen Funktionsfähigkeit ein „inländisches“ Rechtsgut erblickt.399 Eine Beeinträchtigung des europäischen Kapitalmarktes ist dann allerdings stets zugleich Beeinträchtigung eines „ausländischen“ Rechtsgutes: Für die übrigen EWR-Staaten kann nichts anderes gelten als für die Bundesrepublik, so dass der europäische KapitalAssmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 1 Rn. 4. Ebenso Vogel, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 38 Rn. 65; vgl. auch Altenhain, in: Kölner Kommentar zum WpHG, 2007, § 38 Rn. 115. 398 So wohl Möhrenschlager, in: Wabnitz / Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 3. Kapitel Rn. 16, der die Frage unter der Überschrift „Ausdehnung von Wirtschaftsstraftatbeständen auf den Schutz ausländischer Rechtsgüter durch «autonome» Entscheidung des Gesetzgebers“ behandelt. 399 So offensichtlich der Gesetzgeber, der von der „Funktionsfähigkeit des europäischen Kapitalmarktes“ als dem vom Insiderrecht geschützten Rechtsgut spricht (BT-Drucks. 12 / 6679, S. 57) und an anderer Stelle ausführt, die zunehmende Öffnung der Märkte erlaube es nicht, die nationalen Finanzmärkte isoliert zu betrachten (BT-Drucks. 12 / 6679, S. 33). 396 397

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markt für sie ebenfalls als „inländisches“ (und damit aus unserer Perspektive „ausländisches“) Rechtsgut zu qualifizieren ist.400 Darüber hinaus kann der Handel mit einem Insiderpapier i. S. d. § 12 WpHG zumindest mittelbare Auswirkungen auch auf Kapitalmärkte außerhalb des EWR haben, wenn dort der Handel mit einem solchen Papier ebenfalls zugelassen ist und Kursmanipulationen sich dementsprechend übernational auswirken. Letzteres lässt allerdings nicht den Schluss zu, der Gesetzgeber habe den Schutz auch der außereuropäischen Kapitalmärkte bezweckt; ein solcher Schutz kann vielmehr unbeabsichtigte Folge sein.401 Die Beschränkung in § 12 WpHG auf im EWR zum Handel zugelassene Wertpapiere hat jedenfalls zur Konsequenz, dass durch den Insiderhandel nach § 38 WpHG immer zumindest auch der „europäische“ Kapitalmarkt (potentiell) beeinträchtigt wird, so dass schon daraus – wenn auch kein Ausschluss ausländischer Rechtsgüter, so doch – eine Begrenzung des Tatbestandes auf Taten gegeben ist, durch die auch ein „inländisches“ Rechtsgut beeinträchtigt wird. Durch die Schaffung der jetzt in § 38 Abs. 5 enthaltenen „Entsprechensklausel“ hat der Gesetzgeber demgegenüber ursprünglich sicherstellen wollen, dass auch die Gefährdung des europäischen Kapitalmarktes vom Ausland her unter den Tatbestand fällt.402 Eine „Schutzbereichsausdehnung“ i. S. d. Erfassung auch ausländischer Rechtsgüter hat er damit nicht bezweckt.403 Diese Wirkung hätte die Entsprechensklausel nur, wenn sie auch den Kreis der von § 38 Abs. 1 WpHG erfassten Wertpapiere erweitern würde über europäische Wertpapiere hinaus auf all jene, die von ausländischen Insiderhandelsverboten erfasst sind. Für eine solche 400 In diesem Sinne findet sich in den Gesetzgebungsmaterialien auch die Aussage, durch das Verbot von Insidergeschäften solle „die Funktionsfähigkeit der Wertpapiermärkte innerhalb der Europäischen Gemeinschaften und der anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum geschützt werden“ (BT-Drucks. 12 / 6679, S. 45; Hervorhebung von der Verfasserin). Zur „Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte“ als Rechtsgut des § 38 WpHG allgemein etwa Vogel, in: Assmann / Schneider, WpHG, Vor § 38 Rn. 5, § 38 Rn. 1. 401 Gegen eine solche Einbeziehungsabsicht sprechen die Gesetzgebungsmaterialien, in denen die Beschränkung auf im EWR zum Handel zugelassene Wertpapiere mit der Erwägung begründet wird, durch das Verbot von Insidergeschäften solle (nur) die Funktionsfähigkeit der Wertpapiermärkte innerhalb des EWR geschützt werden (vgl. BT-Drucks. 12 / 6679, S. 45). 402 Vgl. BT-Drucks. 12 / 6679, S. 57. 403 Anders ließe sich dies beurteilen, wenn man als Rechtsgut der Norm ausschließlich die Beachtung des in der jeweiligen Ausfüllungsnorm enthaltenen verwaltungsrechtlichen Verbotes anerkennen würde (dahingehend in der Tat Kondring, WM 1998, 1369, 1371: „Schutzgut des § 38 Abs. 1 WpHG“ sei „die Beachtung des in § 14 WpHG enthaltenen verwaltungsrechtlichen Verbotes“ und indem § 38 Abs. 2 WpHG [a. F.] auf ein „entsprechendes ausländisches Verbot“ verweise, werde dieses ebenso in den Schutzbereich des deutschen Insiderstrafrechts einbezogen). Von einer Pönalisierung bloßen „Verwaltungsungehorsams“ durch § 38 WpHG ist indessen nicht auszugehen (so weist auch Kondring, a. a. O. S. 1372 darauf hin, dass der „sachliche Anwendungsbereich“ des § 38 Abs. 1 WpHG durch die Entsprechensklausel nicht erweitert werde: Vom deutschen Insiderrecht geschütztes Rechtsgut sei nämlich „nur die Funktionsfähigkeit des europäischen Kapitalmarktes, nicht jedoch die der außereuropäischen Kapitalmärkte“).

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Auslegung spricht zwar, dass nach dem Wortsinn ein drittstaatliches Verbot, das sich nur auf im jeweiligen Drittstaat zugelassene Finanzinstrumente bezieht, einem deutschen, das sich auf im EWR zugelassene Finanzinstrumente bezieht, durchaus „entspricht“.404 Auch ist der Gedanke nicht fern liegend, dass sich mit der Schaffung des § 1 Abs. 2 WpHG der Sinngehalt der jetzt in § 35 Abs. 5 WpHG enthaltenen Entsprechungsklausel „verschoben“ hat,405 weil bereits die Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 14 WpHG eine strafrechtliche Verfolgung kapitalmarktrechtlicher Verstöße im Ausland ermöglicht. Gleichwohl ist auch nach der Schaffung des § 1 Abs. 2 WpHG wohl nicht davon auszugehen, dass § 38 Abs. 5 WpHG auch ausländische Verbote erfasst, die sich auf nicht im EWR zugelassene Finanzinstrumente beziehen:406 Die Norm erlaubt nur, das Verbot nach § 14 WpHG durch ein ausländisches zu ersetzen, nicht aber das in § 38 Abs. 1 WpHG ausdrücklich genannte und selbständig auf die Definition des § 12 WpHG verweisende Tatbestandsmerkmal des „Insiderpapiers“ durch eine ausländische Definitionsnorm zu konkretisieren.407 Dennoch ist § 35 Abs. 5 WpHG neben § 1 Abs. 2 WpHG nicht überflüssig: Sein eigenständiger Zweck kann darin bestehen, ausländische Verbote in Bezug zu nehmen, die sich zwar – wie § 14 WpHG – auf im EWR zum Handel zugelassene Wertpapiere beziehen, inhaltlich aber weiter gefasst sind als § 14 WpHG.408 Selbst von einer „faktischen“ Schutzbereichserweiterung durch § 38 Abs. 5 (oder bereits § 1 Abs. 2) WpHG ließe sich nur ausgehen, wenn der Insiderhandel mit einem in einem EWR-Staat und dem betreffenden außereuropäischen Staat zum Handel zugelassenen Wertpapier in dem außereuropäischen Staat den Kapitalmarkt dieses Staates stärker beeinträchtigen würde als der Insiderhandel mit dem entsprechenden Wertpapier in Deutschland, was aufgrund der Vernetzung der Kapitalmärkte und des dadurch sich übernational ohne weiteres anpassenden Kurses wohl nicht anzunehmen ist.409 Zusammenfassend: Wenn § 38 WpHG auf den Schutz „inländischer“ Rechtsgüter beschränkt ist, dann nur in dem Sinne, dass die Definition des Insiderpapiers Insoweit zutreffend Vogel, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 38 Rn. 67. So Vogel, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 38 Rn. 62. 406 Anders Vogel, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 38 Rn. 67. 407 Schuster, S. 475 f.; i. E. ebenso Kondring, WM 1998, 1369, 1372 und Altenhain, in: Kölner Kommentar zum WpHG, § 38 Rn. 118. 408 Vgl. auch Vogel, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 38 Rn. 65: Das Kapitalmarktstrafrecht gehe insofern weiter als das Kapitalmarktrecht. 409 Vgl. zur Internationalisierung der Kapitalmärkte etwa Schuster, S. 3: „Zunehmende Vernetzung und damit Entnationalisierung der Märkte“; ders., S. 1: „. . . sind grenzüberschreitende Transaktionen und Besitz von Wertpapieren eine Selbstverständlichkeit geworden [ . . . ]. Insbesondere zwischen den bedeutenden Kapitalmärkten der Welt werden Wertpapiere frei gehandelt, Zinsdifferenzen zur Kapitalaufnahme genutzt und Arbitragechancen unverzüglich wahrgenommen. Die «Internationalisierung der Kapitalmärkte» ist zu einem geflügelten Wort geworden.“ 404 405

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in § 12 WpHG es mit sich bringt, dass durch eine Insiderhandelstat stets zumindest auch der europäische Kapitalmarkt gefährdet wird, dessen Schutz der Gesetzgeber allein bezweckt hat. § 38 Abs. 5 WpHG kann daran nichts ändern und ist also nicht in eine Reihe zu stellen mit den Vorschriften, die eine Schutzbereichsbeschränkung (teilweise) wieder aufheben. Was die aus § 12 WpHG folgende Beschränkung betrifft, kann sie nicht Nachweis für die Unterstellung sein, der Gesetzgeber wolle grundsätzlich ausschließlich inländische Kollektivrechtsgüter in den Schutzbereich deutscher Strafrechtsnormen einbezogen wissen. Sie ist im Gegenteil Indiz dafür, dass nur die konkrete Fassung eines Tatbestandes (hier: der Verweis auf den Begriff des Insiderpapiers des § 12 WpHG) eine solche Beschränkung (ausnahmsweise) bewirken kann. dd) „Einbeziehung“ ausländischer Rechtsgüter mit lediglich deklaratorischem Charakter? – die Bedeutung von § 299 Abs. 3 Es lässt sich andererseits auch nicht leugnen, dass es Fälle gibt, in denen ein Tatbestand ausdrücklich ausländische Rechtsgüter in seinen Schutzbereich einbezieht, ohne dass nach der hier vertretenen These eine Notwendigkeit dafür bestünde, sich danach die Einbeziehung vielmehr schon aus den §§ 3 – 7 ergeben müsste. Ein Beispiel ist § 299 Abs. 3. Der Tatbestand der „Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr“ ist mit Wirkung zum 30. 8. 2002 um diesen Absatz ergänzt worden, der bestimmt, dass die Norm „auch für Handlungen im ausländischen Wettbewerb“ gilt.410 In der Literatur wird diese Formulierung in Übereinstimmung mit der Intention des Gesetzgebers411 als Schutzbereichsausdehnung interpretiert;412 nur vereinzelt wird vertreten, durch die Ergänzung sei für den Tatbestand das Universalitätsprinzip eingeführt worden.413 Da den ersten beiden 410 Das den Tatbestand ergänzende Gesetz geht nach der Gesetzesbegründung zurück auf die Gemeinsame Maßnahme des Europäischen Rates vom 22. 12. 1998 betreffend die Bestechung im privaten Sektor und auf Art. 7 und 8 des Europarats-Übereinkommens zur strafrechtlichen Bekämpfung der Korruption vom 27. 1. 1999, geht aber insofern über die entsprechenden Mindestanforderungen hinaus, als auch der Wettbewerb außerhalb der Europäischen Union einbezogen wird; vgl. BT-Drucks. 14 / 8998, S. 9 f. In Umsetzung verschiedener internationaler Übereinkommen soll § 299 jetzt erneut und grundlegend umgestaltet werden; der „Entwurf eines . . . Strafrechtsänderungsgesetzes“ (BR-Drucks. 548 / 07 v. 10. 08. 2007) liegt bereits vor und sieht u. a. vor, den bisherigen Absatz 3 in die Absätze 1 und 2 zu integrieren, indem die Worte „im Wettbewerb“ durch die „Worte „im inländischen oder ausländischen Wettbewerb“ ersetzt werden. Vgl. zu den geplanten Änderungen insgesamt Rönnau / Golombek, ZRP 2007, 193. 411 Vgl. BT-Drucks. 14 / 8998, S. 9: „. . . Abs. 3 soll klären, dass diese Vorschriften [§ 299 Abs. 1 und 2 StGB] nicht nur Handlungen im inländischen Wettbewerb erfassen, sondern den Wettbewerb generell, d. h. weltweit schützen.“ 412 Schönke / Schröder-Heine, § 299 Rn. 2; NK-Dannecker, § 299 Rn. 74; Mölders, S. 201 f.; Rönnau, in: Achenbach / Ransiek, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 2. Aufl. 2008, Kap. III Abschn. 2 Rn. 49; ders., JZ 2007, 1084, 1085; Schuster / Rübenstahl, wistra 2008, 201, 205. 413 So Haft / Schwoerer, FS Weber, 367, 381 ff.

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C. Der Geltungsbereich des deutschen Strafrechts

Absätzen der Norm kein Hinweis auf eine Beschränkung auf den Schutz des inländischen Wettbewerbs zu entnehmen ist,414 ist nach der hier entwickelten These allerdings davon auszugehen, dass eine „Angestelltenbestechung“ bzw. -bestechlichkeit (unter den Bedingungen des § 3 bzw. § 7 Abs. 2) bereits vor Einfügung des dritten Absatzes auch dann nach § 299 strafbar war, wenn sie lediglich den ausländischen Leistungswettbewerb beeinträchtigte bzw. für diesen eine Gefahr begründete. Eine ausdrückliche „Erweiterung“ des Tatbestandes wäre demnach nicht nötig gewesen und es könnte als Indiz gegen die These von der grundsätzlichen Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter gewertet werden, dass der Gesetzgeber gleichwohl in diesem Sinne tätig geworden ist. Herrschend wird in der Tat davon ausgegangen, dass mit der Einführung des § 299 Abs. 3 eine Erweiterung des Tabestandes verbunden war und der Schutzbereich des § 299 a. F. auf den inländischen Wettbewerb beschränkt war.415 Diese Auffassung hat – anders als noch die Vorinstanz – auch der BGH im „Siemens-Prozess“ um die zwischen 1999 und 2002 (und damit zumindest auch vor Schaffung des § 299 Abs. 3) an Mitarbeiter des italienischen Energieversorgers Enel geflossenen Bestechungsgelder vertreten.416 Die Gesetzgebungsgeschichte weist aber in eine andere Richtung. Anlass der Einfügung des dritten Absatzes war nämlich die im Schrifttum lebhaft geführte Kontroverse um die Reichweite des Schutzbereichs des § 299 a. F. Dass hierüber Uneinigkeit herrschte und noch immer herrscht,417 ist verständlich vor dem Hintergrund der umstrittenen und von vielen als diffus gedeuteten Rechtsgutsstruktur der Norm. Während noch weitgehend Einigkeit darüber besteht, dass § 299 zumindest vorrangig den fairen („lauteren“) Wettbewerb schützen will,418 werden daneben 414 Wie hier MüKo-Diemer / Krick, § 299 Rn. 28; Randt, BB 2002, 2252, 2255; insoweit übereinstimmend auch Saliger / Gaede, HRRS 2008, 57, 63, 66; vgl. weiterhin die Gesetzesbegründung: BT-Drucks. 14 / 8998, S. 7 f., 9. 415 So in jüngster Zeit Rönnau, JZ 2007, 1084, 1087 ff.; Saliger / Gaede, HRRS 2008, 57, 62 ff., Schuster / Rübenstahl, wistra 2008, 201, 205, 207; Mölders, S. 184 ff.; Androulakis, S. 110, 428 (mit Ausnahme für die EU-Mitgliedstaaten). 416 BGH, Urteil v. 29. 08. 2008 – 2 StR 587 / 07, BeckRS 2008, 23926, Rn. 51 ff. Das LG Darmstadt hatte in der Vorinstanz noch dahinstehen lassen, ob § 299 Abs. 2 a. F. „weltweite Geltung“ zukam, war aber der Auffassung, dass jedenfalls der Wettbewerb innerhalb der EU bereits durch § 299 a. F. geschützt war (Urteil v. 14. 05. 2007 [Az. 712 Js 5213 / 04 – 9 KLs], S. 49 ff., 51). 417 Für Altfälle ist – wie im Siemens-Prozess – noch von Bedeutung, wie die Norm in dieser Hinsicht auszulegen war; vgl. dazu Vormbaum, FS F.C. Schroeder (2006), 649, 653 f.: § 299 StGB a. F. als milderes Gesetz, wenn mit der Einfügung des Abs. 3 eine Verschärfung der Tatbestände der Absätze 1 und 2 bewirkt worden ist. 418 BGHSt 10, 358, 367 (zur Vorgängernorm § 12 UWG a. F.); Arzt / Weber / Heinrich / Hilgendorf, BT § 49 Rn. 51; NK-Dannecker, § 299 Rn. 4; MüKo-Diemer / Krick, § 299 Rn. 2 („freier“ Wettbewerb); Haft / Schwoerer, FS Weber, 367, 372 f.; Schönke / Schröder-Heine, § 299 Rn. 2; Lackner / Kühl, § 299 Rn. 1; SK-Rudolphi, § 299 Rn. 1; LK-Tiedemann, § 299 Rn. 5; Fischer, § 299 Rn. 2; Vormbaum, FS F.C. Schroeder, 649, 652. Überzeugend präzisiert Koepsel, Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB), 2006,

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häufig die (Vermögens-)Interessen der Mitbewerber und des Geschäftsherrn als mitgeschützt angesehen,419 z. T. darüber hinaus das „allgemeine Interesse an unverfälschten Wettbewerbspreisen und ungeminderter Produktqualität420“. Der Betonung des überindividuellen Schutzgutes entspricht es, dass nach überwiegender Ansicht § 299 a. F. für Taten nicht einschlägig war, die deutsche Interessen nicht beeinträchtigten. 421 Nach § 299 a. F. wäre es danach etwa nicht strafbar gewesen, wenn ein deutscher Bauunternehmer, um einen Auftrag in Südkorea zu erlangen, dem für die Auftragsvergabe zuständigen Geschäftsführer des ausschreibenden koreanischen Unternehmens die Zahlung von 3% der Auftragssumme versprochen hätte in dem Bewusstsein, dass sich außer ihm nur koreanische Unternehmen um den Auftrag beworben haben: Durch sein Versprechen wäre nur der Leistungswettbewerb auf dem koreanischen Markt gefährdet worden.422 Teilweise S. 99 ff., 111: Leistungsprinzip als Entscheidungsmaßstab für Bevorzugungen im Wettbewerb; vgl. dazu auch schon Szebrowski, Kick-Back, 2005, S. 160: Gefährdung des marktwirtschaftlichen Leistungswettbewerbs durch Bestechlichkeit. Ähnlich jetzt auch BGH NJW 2006, 3290, 3298 („Strafwürdige Störung des Wettbewerbs sowie abstrakte Gefahr sachwidriger Entscheidungen“). Für den fairen Wettbewerb als einziges Rechtsgut der Norm weiterhin Kiesel, DStR 2000, 949, 950; LPK-Kindhäuser, § 299 Rn. 1. Anders der Gesetzgeber in den Materialien zum „Entwurf eines . . . Strafrechtsänderungsgesetzes“, durch das die Norm u. a. durch Aufnahme des „Geschäftsherrenmodells“ in den Tatbestand (dazu kritisch Rönnau / Golombek, ZRP 2007, 193, 194 f.) grundlegend modifiziert werden soll: § 299 habe bereits bisher nicht nur dem Schutz der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, sondern auch dem Schutz der Interessen des Geschäftsherren gedient (BR-Drucks. 548 / 07, S. 23). 419 MüKo-Diemer / Krick, § 299 Rn. 2; Schönke / Schröder-Heine, § 299 Rn. 2; Lackner / Kühl, § 299 Rn. 1; SK-Rudolphi § 299 Rn. 1; LK-Tiedemann § 299 Rn. 5 f.; Fischer § 299 Rn. 2; Mitsch, BT II / 2 § 3 Rn. 217; Pfeiffer, FS v. Gamm, S. 129, 130 f. (zu § 12 UWG a. F.); Walter, wistra 2001, 321, 323 f. Für Ransiek, StV 1996, 446, 453 kommen als Rechtsgüter des § 299 StGB ausschließlich Individualinteressen in Betracht; vgl. für § 299 Abs. 2 StGB auch Szebrowski, S. 177 f.: Chancengleichheit der Mitbewerber (während durch § 299 Abs. 1 nach Szebrowski, S. 167 ff. die Pflichtenbeziehung zwischen Täter und Prinzipal im vermögensrechtlichen Bereich geschützt sein soll; s. dazu aber die treffende Kritik bei Pragal, ZIS 2006, 63, 67 ff.). 420 BGH [Z] NJW 1968, 1572, 1574 – Bierexport = GRUR 1968, 587; Pfeiffer, FS v. Gamm, 129, 130 f.; einschränkend („nur mittelbar“) auch LK-Tiedemann, § 299 Rn. 7 f.; ebenso Schmidl, wistra 2006, 286, 287, 292. Noch weitergehend bisweilen die Rechtsprechung: § 299 StGB schütze nicht nur den redlichen Wettbewerb, sondern im öffentlichen Interesse solle mit der Norm „den Auswüchsen im Wettbewerb überhaupt gesteuert werden“ (etwa BGHSt 10, 358, 367; 49, 214, 229 = NJW 2004, 3129, 3133). Zu Recht kritisch zur „Vervielfachung der Rechtgüter“ bei § 299 StGB Vormbaum, FS F.C. Schroeder, 649 ff. und Koepsel, S. 65; 211 f. 421 s. die Nachweise oben Fn. 415; weiterhin Behr, FS Offerhaus (1999), 345, 355 f.; Haft / Schwoerer, FS Weber, 367, 377; Kiesel, DStR 2000, 949, 950; Lackner / Kühl, § 299 Rn. 1; Möllering, WRP 1997, 933, 936; Randt, BB 2002, 2252, 2254 f.; ders., BB 2000, 1006, 1008 f.; A. Schmitz, RIW 2003, 189, 194; LK-Tiedemann, § 299 Rn. 55 (mit Ausnahme für die EU-Mitgliedstaaten); Vormbaum, FS F.C. Schroeder, 649, 658 f.; Weidemann, DStZ 2002, 329, 332; vgl. zu § 12 UWG a. F. auch noch die Bundesregierung, BT-Drucks. 13 / 642, S. 3 f., 13 / 1020, S. 10: Die Tat müsse sich grundsätzlich auf den Wettbewerb in Deutschland beziehen. 422 Vgl. das Beispiel bei Rönnau, in: Achenbach / Ransiek, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 2. Aufl. 2008, Kap. III Abschn. 2 Rn. 46.

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wurde und wird zur Begründung dieser Auffassung ausdrücklich auf den (behaupteten) Grundsatz der Begrenzung des Strafrechtsschutzes für kollektive Rechtsgüter auf den Bereich der eigenen nationalstaatlichen Souveränität verwiesen.423 Einige Autoren berufen sich auch auf die (zivilrechtliche) Rechtsprechung des BGH, nach der es keine allgemeine Pflicht deutscher Gewerbetreibender gebe, sich bei sich ausschließlich im Ausland vollziehendem Wettbewerb an deutschem Wettbewerbsrecht auszurichten.424 Nach anderer Auffassung war § 299 allerdings bereits vor Einfügung des dritten Absatzes auf Bestechungshandlungen auch ohne Einfluss auf den inländischen Wettbewerb einschlägig.425 Der Gesetzgeber war bestrebt, in dieser Kontroverse eine Klarstellung zu treffen: In der Gesetzesbegründung zur Schaffung des § 299 Abs. 3 äußert sich die Bundesregierung dahingehend, eine „gewichtige Mindermeinung“ vertrete bereits zum geltenden Recht die Erfassung von Bestechungshandlungen auf jedem Markt der Welt.426 Durch eine ausdrückliche Ergänzung sei die Anwendung auf auslandsbezogene Bestechungshandlungen daher „zu klären“.427 Unabhängig davon, ob der Gesetzgeber überhaupt in der Lage ist, eine solche „Klarstellung“ zu treffen,428 legen diese Ausführungen nahe, dass der Gesetzgeber schon vor Schaffung des dritten Absatzes von der Einbeziehung auch des ausländischen Wettbewerbs in den Schutzbereich 423 So etwa Vormbaum, FS F.C. Schroeder, 649, 658; Weidemann, DStZ 2002, 329, 332; Rönnau, JZ 2007, 1084, 1088; Saliger / Gaede, HRRS 2008, 57, 64. 424 Vgl. BGHZ 35, 329, 331 ff.; 40, 391; GRUR 1968, 587, 589 f. – Bierexport = NJW 1968, 1572, 1574 f.; dieser Argumentation bedienen sich etwa Kiesel, DStR 2000, 949, 950; Randt, BB 2002, 2252, 2254 und Rönnau, JZ 2007, 1084, 1087; vgl. auch BGH, Urteil v. 29. 08. 2008 – 2 StR 587 / 07, BeckRS 2008, 23926, Rn. 51. Kritisch zu einer solchen Begründung aber überzeugend Walter, wistra 2001, 321, 324 und Weidemann, DStZ 2002, 329, 330 f.: Dass es keine „allgemeine Pflicht“ zur Ausrichtung an deutschem Wettbewerbsrecht gibt, bedeute nicht, dass das (spezielle) strafrechtliche Korruptionsverbot nicht auch für Beeinträchtigungen ausländischen Wettbewerbs gilt. In der „Bierexport-Entscheidung“ des BGH ging es zwar konkret um § 12 UWG a. F., allerdings nicht um die Frage, ob in dessen Schutzbereich auch der ausländische Wettbewerb einbezogen ist, sondern im Hinblick darauf, ob die Norm für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit eines Alleinvertriebsvertrages zwischen einer deutschen Brauerei und einem italienischen Vertriebsunternehmen Bedeutung hat und inwiefern bei ihrer Anwendung auf das italienische Wettbewerbsrecht Rücksicht zu nehmen ist, also um Fragen des Internationalen Privatrechts und der „Fremdrechtsanwendung“ im Strafrecht; vgl. dazu auch Weidemann, DStZ 2002, 329, 331. 425 MüKo-Diemer / Krick, § 299 Rn. 28; Walter, wistra 2001, 321, 323 f. (unter Berufung auf die Ansicht, § 299 StGB schütze [vorrangig] Individualrechtsgüter); ausschließlich mit Verweis auf § 3 StGB ohne Erörterung der „Schutzbereichsproblematik“ weiterhin Pfeiffer, FS v. Gamm, 129, 131. 426 BT-Drucks. 14 / 8998, S. 10. 427 BT-Drucks. 14 / 8998, S. 7 f.; vgl. auch a. a. O. S. 9: „. . . Abs. 3 soll klären, dass diese Vorschriften [§ 299 Abs. 1 und 2 StGB] nicht nur Handlungen im inländischen Wettbewerb erfassen, sondern den Wettbewerb generell, d. h. weltweit schützen.“ 428 Dagegen Haft / Schwoerer, FS Weber, 367, 380 f.: Aufgrund des Gewaltenteilungsprinzips obliege allein den Gerichten die Auslegung der Gesetze; kritisch auch Saliger / Gaede, HRRS 2008, 57, 62.

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des § 299 ausging und dem neuen Absatz lediglich deklaratorische Bedeutung zumaß.429 Jedenfalls aber geht aus der Gesetzesbegründung hervor, dass bei der Schaffung des § 299 Abs. 3 vom Gesetzgeber für möglich gehalten wurde, dass § 299 Abs. 3 nicht konstitutiv für die Einbeziehung des ausländischen Kollektivrechtsguts „Wettbewerb“ in den Schutzbereich des Tatbestandes ist, eine entsprechende Schutzbereichserstreckung sich vielmehr bereits aus dem Gesetz selbst ergibt. Vor diesem Hintergrund spricht die Existenz des § 299 Abs. 3 – auch wenn er nach der hier vertretenen These überflüssig ist – nicht gegen die These, dass das deutsche Strafrecht ausländische Rechtsgüter, auch wenn es sich um solche der Allgemeinheit handelt, grundsätzlich in seinen Schutzbereich einbezieht. Von einer Bedeutungslosigkeit des neuen Absatzes für die „Schutzbereichsfrage“ muss auch ausgehen, wer mit Haft und Schwoerer annimmt, dieser kläre nicht (lediglich) die Streitfrage bezüglich des „Schutzbereichs“ der Norm, sondern führe – über das erklärte Ziel des Gesetzgebers hinausgehend – für § 299 StGB das Weltrechtsprinzip ein.430 Die Auffassung, § 299 Abs. 3 sei ein Verzicht auf die einschränkenden Erfordernisse der §§ 3 – 7 StGB mit der Folge der Geltung des Universalitätsprinzips für Taten nach § 299 StGB zu entnehmen, hat sich allerdings zu Recht nicht durchsetzen können. Formuliert ist in Abs. 3 nämlich nicht „Handlungen im Ausland“, sondern „Handlungen im ausländischen Wettbewerb“. Das ist zwar unpräzise, muss sich aber keineswegs auf den Ort der Handlung beziehen, sondern kann ohne Weiteres verstanden werden als „Handlungen mit Auswirkungen auf ausländischen Wettbewerb“.431 In § 299 Abs. 3 eine Anordnung des Universalitätsprinzips zu erblicken mit der Folge, dass auch die Auslandstat eines Ausländers dem deutschen Strafrecht unterfiele (und zwar auch unabhängig von einer Strafbarkeit am Tatort), wäre zudem im Hinblick auf völkerrechtliche Vorgaben höchst problematisch. Ginge man mit der hier vertretenen Auffassung davon aus, dass auch ausländische Rechtsgüter in der Regel durch deutsche Tatbestände geschützt sind, bzw. schriebe man jedenfalls § 299 Abs. 3 eine einbeziehende Wirkung zu, würden dann nämlich auch Taten dem deutschen Strafrecht unterfallen, die keinerlei Bezug zum Inland aufweisen. Auch ist – schon weil die 429 Ebenso das LG Darmstadt, Urteil v. 14. 05. 2007, Az. 712 Js 5213 / 04 – 9 KLs, S. 52, wobei das Gericht jedenfalls von einer Erstreckung des § 299 a. F. auf den Wettberwerb innerhalb der EU ausgeht und offen lässt, ob der Norm auch bereits eine „weltweite Geltung“ zukam (a. a. O. S. 51). 430 Haft / Schwoerer, FS Weber, 367, 381 ff.: „Erweiterung des Handlungsortes“; unklar Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht BT Rn. 215 (§§ 3 ff. anwendbar, aber „streitig“, ob auch Bestechungszahlungen ohne Bezug zu Deutschland erfasst würden). Die Auffassung Hafts und Schwoerers dürfte endgültig unvertretbar werden mit der in dem „Entwurf eines . . . Strafrechtsänderungsgesetzes“ geplanten Integration des Abs. 3 in die Abs. 1 und 2 (vgl. oben Fn. 410 und schon den entsprechenden Vorschlag von Haft / Schwoerer, FS Weber, 367, 383); s. dazu Rönnau / Golombek, ZRP 2007, 193; ablehnend auch Mölders, S. 196 ff. 431 Rönnau, in: Achenbach / Ransiek, Kap. III Abschn. 2 Rn. 49. A. A. Haft / Schwoerer, FS Weber, 367, 383: Einer Korrektur des „unsinnigen Ergebnisses“ (Unterwerfung des § 299 StGB unter das Weltrechtsprinzip) stünde der „eindeutige Wortlaut des Abs. 3“ entgegen.

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Korruption in der Wirtschaft keinesfalls in allen Ländern der Welt unter Strafe steht432 – nicht davon auszugehen, dass das Delikt der Angestelltenbestechung von so übernationaler Bedeutung ist, dass es dem Weltrechtsprinzip unterstellt werden darf.433 Versteht man den neuen Absatz hingegen als Norm mit lediglich deklaratorischer Bedeutung, ist ein hinreichender Bezug zur nationalen Rechtsordnung weiterhin dadurch sichergestellt, dass ein Anknüpfungspunkt nach den §§ 3 – 7 Voraussetzung für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts ist.434

ee) Zusammenfassung und Ausblick Nach dieser – ausgewählte Beispiele untersuchenden – Darstellung dürfte deutlich geworden sein, dass „Auslandsbezüge“ in einzelnen Strafvorschriften durchaus unterschiedliche Ziele und Auswirkungen haben können. So gibt es Fälle, in denen ein Auslandsbezug weder einen zwingenden Hinweis auf das geschützte Rechtsgut gibt noch eine Ausnahme von den Prinzipien der §§ 3 – 7 statuiert, sondern lediglich den Kreis der Tatobjekte oder Angriffsmittel erweitert. Es gibt weiterhin Fälle, in denen ein Auslandsbezug zwar im Sinne einer Erstreckung des Schutzbereichs zu verstehen ist, eine entsprechende Regelung aber nur nötig ist, weil sich ansonsten aus anderen Umständen eine Beschränkung auf den Schutz inländischer Rechtsgüter ergeben würde („Ausnahme von der Ausnahme“). Einem Auslandsbezug kann auch lediglich deklaratorische Bedeutung zukommen. Das wird man – außer für § 299 Abs. 3 – etwa für die „Erweiterungen“ der §§ 120, 123 f., 125 und 132 zum Schutz der in der Bundesrepublik stationierten Truppen der nichtdeutschen NATO-Vertragsstaaten durch Art. 7 Abs. 2 des Vierten Strafrechtsänderungsgesetzes435 annehmen müssen. Bei diesen Tatbeständen ergibt sich, anders als bei den anderen Bestimmungen, für die Art. 7 dieses Gesetzes eine entsprechende Erstreckung anordnet (etwa §§ 87, 89, 90a und 94), eine Beschränkung auf Belange der Bundesrepublik nämlich nicht bereits aus dem Wortlaut. Denkbar ist schließlich, dass ein Auslandsbezug einen Verzicht auf bestimmte Erfordernisse der §§ 3 – 7 statuiert, also etwa eine Normgeltung auch für Auslandstaten von Ausländern anordnet, die nur ausländische Rechtsgüter beeinträchtigen.436 In diesem Sinne ist § 299 Abs. 3 teilweise gedeutet worden. Schuster erVgl. LK-Tiedemann, § 299 Rn. 56; Haft / Schwoerer, FS Weber, 367, 377. Haft / Schwoerer, FS Weber, 367, 382 f.; in der Tendenz auch Mölders, S. 199. Eine Verhaltensweise darf aus völkerrechtlicher Sicht nur dann dem Weltrechtsprinzip unterstellt werden, wenn sie die Staatengemeinschaft als solche angeht und die Sicherheit und den Frieden der Menschheit bedroht, vgl. etwa Ambos, Internationales Strafrecht § 3 Rn. 99. 434 Blessing, in: Müller-Gugenberger / Bieneck § 53 Rn. 57; vgl. auch Haft / Schwoerer, FS Weber, 367, 383: (Nach Ansicht der Autoren nicht zum Zuge kommende) „korrigierende Wirkung“ der §§ 3 ff. Die Zweifel Randts, BB 2002, 2252, 2256 an der Reichweite des Tatbestandes sind daher unbegründet. 435 BGBl. I 1957, S. 597; abgedruckt bei NK-Paeffgen, Vor §§ 80 – 101a Rn. 22. 436 Was im Hinblick auf die Vorgaben des Völkerrechts grundsätzlich problematisch ist. 432 433

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wägt eine entsprechende Auslegung auch für § 38 Abs. 2 WpHG a. F. (entsprechend § 38 Abs. 5 WpHG n. F.): Man könne die Norm als eine die Vorschriften der §§ 3 ff. überspielende Kollisionsnorm verstehen, was dazu führen würde, dass u. a. auch der ausländische Insider, der im Ausland an einen anderen Ausländer ein nur in einem anderen EWR-Staat börsengängiges Wertpapier veräußert, nach deutschem Strafrecht bestraft werden könne.437 Diese Auslegungsmöglichkeit begegnet nach der Auffassung des Autors allerdings völkerrechtlichen Bedenken, weil in dem beschriebenen Fall (außer der Zugehörigkeit der Bundesrepublik zum EWR) kein Bezugspunkt zum Inland bestehe.438 Geht man wie oben angedeutet davon aus, dass aufgrund der engen Vernetzung der nationalen Kapitalmärkte im EWR der „europäische“ Kapitalmarkt schon als „inländisches“ Rechtsgut zu qualifizieren ist, liegt ein Anknüpfungspunkt für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts indessen auch in diesen Fällen vor, und die völkerrechtlichen Bedenken wären ausgeräumt.439 Gleichwohl liefert § 38 Abs. 5 WpHG keinen Anhaltspunkt für einen Willen des Gesetzgebers, für den Insiderhandel das Weltrechtsprinzip einzuführen. Jedenfalls vermag keine der untersuchten Normen mit ihrem jeweils eine spezifische Funktion erfüllenden „Auslandsbezug“ die oben unter a) bb) (1) entwickelte These zu widerlegen, dass die §§ 3 – 7 für Inlandstaten und Auslandstaten von Deutschen eine „versteckte“ Aussage zugunsten der grundsätzlichen Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auch bei Verletzung nur ausländischer Rechtsgüter enthalten. Was sich nebenbei herausgestellt hat, ist, dass die besondere Ausgestaltung eines Tatbestandes oder die Definition einzelner Tatbestandsmerkmale zu einer (faktischen oder auch bezweckten) Begrenzung auf den Schutz deutscher Rechtsgüter führen kann, die dann unter Umständen vom Gesetzgeber durch einen „Auslandsbezug“ wieder aufgehoben wird. Einige Tatbestände, die schon durch ihren Wortlaut in ihrem Schutzbereich eindeutig auf inländische Rechtsgüter beschränkt sind, werden unten unter D. I. 1. noch angesprochen; es werden unter D. I. 2. weiterhin Tatbestände untersucht, für die aufgrund ihrer auf außerstrafrechtliche Normen verweisenden Struktur teilweise eine Beschränkung auf den Schutz inländischer Rechtsgüter angenommen wird. Danach bleibt noch untersuchungswürdig, ob darüber hinaus im Einzelfall auch Gründe, die nicht dem Wortlaut einer Norm zu entnehmen sind oder ihrer Verweisungsstruktur geschuldet sind, eine entsprechende Einschränkung angezeigt sein lassen können; es wird darauf unter D. II. näher eingegangen.

Schuster, S. 476. Schuster, S. 476 f., der die angedeutete Auslegungsmöglichkeit daher i. E. verwirft. 439 Schuster, S. 477 beurteilt die gegenwärtige Lage anders und deutet nur einen Wandel in der Zukunft an: Die Sachlage könne sich ändern (und Deutschland dann „zur Regelung berufen“ sein), „wenn sich tatsächlich ein integrierter europäischer Kapitalmarkt gebildet haben wird“. 437 438

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4. Die richtige Fragestellung: Gründe für den ausnahmsweisen Ausschluss ausländischer Rechtsgüter aus dem tatbestandlichen Schutzbereich? Obgleich die §§ 3 – 7 – unabhängig von der zugrunde gelegten Ansicht bezüglich der Rechtsnatur dieser Normen – eine generelle Antwort auf die Rechtsgutsfrage bereithalten, kann es schon deshalb nicht generell unzulässig sein, sie darüber hinaus „vom Gesetz her“ zu stellen, also einzeltatbestandliche Untersuchungen vorzunehmen, weil dem Wortlaut einiger Tatbestände eindeutig eine Beschränkung auf nationale Rechtsgüter entnommen werden kann. Bei neutraler Fassung eines Tatbestandes wird man für Inlandstaten und Auslandstaten Deutscher zwar grundsätzlich von einer gesetzgeberischen Entscheidung zugunsten des Schutzes auch ausländischer Rechtsgüter ausgehen können.440 Die Aussage, dass eine Ausdehnung „die besonders zu begründende Ausnahme bilden [wird]“,441 hat sich als unzutreffend herausgestellt. Dies schließt jedoch nicht aus, dass möglicherweise auch teleologische Erwägungen im Einzelfall eine Begrenzung auf inländische Rechtsgüter angezeigt sein lassen können.

II. Ergebnis zu C.: Die Schutzbereichsfrage als Korrektiv der gesetzgeberischen Entscheidung in den §§ 3 – 7 Dass auch die „Schutzbereichsfrage“ nichts anderes als den Anwendungsbereich deutscher Straftatbestände zum Gegenstand hat, ist schon oben unter I. 1. und 2. deutlich geworden. Darüber hinaus steht mittlerweile fest, dass die Frage, ob deutsche Straftatbestände auch ausländische Rechtsgüter schützen, nicht isoliert durch Auslegung der Tatbestände beantwortet werden kann. Die Grundregel diesbezüglich ist in den §§ 3 – 7 enthalten. Der „Schutzbereichsfrage“ (i. S. e. Auslegung der einzelnen Tatbestände) kann damit innerhalb des Strafanwendungsrechts allein die Funktion zukommen, die von den §§ 3 – 7, 9 angeordnete und teilweise als zu weit gehend empfundene Erstreckung des deutschen Strafrechts auf ausländische Rechtsgüter (bei Auslandstaten von Deutschen und Inlandstaten) einzuschränken. Eine so verstandene „Schutzbereichsfrage“ kann ausschließlich als mögliches Korrektiv der grundlegenden gesetzgeberischen Entscheidung in 440 A. A. Lüttger, FS Jescheck, 121, 158 f., 166 f., 168 ff., 176 f., der umgekehrt davon ausgeht, für den Einschluss ausländischer Kollektivrechtsgüter bedürfe es jeweils einer ausdrücklichen gesetzgeberischen Entscheidung. Zu seiner Argumentation, bei einigen Tatbeständen mit ausdrücklichem „Auslandsbezug“ sei ein Einbeziehungswille des Gesetzgebers eindeutig erkennbar, so dass im Umkehrschluss eine Einbeziehung bei „neutral“ gefassten Tatbeständen nicht dem legislatorischen Willen entspräche, soeben. Wie Lüttger für „staatliche“ Rechtsgüter etwa auch LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 278 (wie schon LK11-Gribbohm, Vor § 3 Rn. 165): Der Gesetzgeber könne einen auf ausländische staatliche Interessen „an sich unanwendbaren Straftatbestand“ entsprechend erweitern. 441 Günther-Nicolay, S. 142; vgl. auch die w. Nachw. oben Fn. 32.

II. Ergebnis zu C.

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den §§ 3 – 7 zugunsten des Schutzes ausländischer Rechtsgüter im Falle solcher Taten dienen.442 1. Voraussetzung für die der Schutzbereichsfrage zugedachte Korrekturfunktion: Die Tatbestände als „selbstbegrenzte Sachnormen“ Voraussetzung dafür, dass das Argument des (eingeschränkten) „tatbestandlichen Schutzbereichs“ in Einzelfällen für eine „Korrektur“ der §§ 3 – 7 herangezogen werden darf, ohne dass der Wille des Gesetzgebers missachtet wird, ist allerdings, dass man den entsprechenden Tatbeständen auch eindeutig eine ausnahmslose Beschränkung auf den Schutz deutscher Rechtsgüter entnehmen kann. Mit den Worten des IPR müssen sie als „selbstbegrenzte Sachnormen“443 zu qualifizieren sein, die – ungeachtet der den generellen Kollisionsnormen der §§ 3 – 7 zu entnehmenden Regelung zugunsten des grundsätzlich „universellen“ Rechtsgüterschutzes im Falle von Inlandstaten und Auslandstaten von Inländern – ihren Anwendungsbereich eigenständig auch für solche Taten auf inländische Rechtsgüter beschränken. Das deutsche Strafanwendungsrecht wäre dann – ebenso wie das IPR – als „zweipolig“ zu bezeichnen.444 So wie im Kernbereich des IPR die Fragestellung „vom Sachverhalt her“ nach dem anwendbaren Recht geht,445 beantworten im Internationalen Strafrecht des StGB die §§ 3 – 7 die Frage nach der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts „vom Sachverhalt her“. Im IPR bildet der Bereich der sogenannten „Eingriffsnormen“ eine Ausnahme: Hier wird vom (einzelnen) Gesetz her nach dessen Anwendungsbereich gefragt.446 Als „Eingriffsnormen“ werden dabei solche bezeichnet, die unbedingt gelten wollen und deshalb „international zwingend“ sind (vgl. Art. 34 EGBGB)447 (man könnte sie – in Anlehnung an den Begriff der „selbstbegrenzten Sachnorm“ – auch „selbsterweiterte“ Sachnormen nennen). Genau umgekehrt würde es sich im Strafanwendungsrecht mit den Straftatbeständen verhalten, die gegebenenfalls eine durch Auslegung er442 In Sinne eines Korrektivs verwendet die Frage etwa OLG Frankfurt NJW 1965, 508 f.: Der durch § 3 (a. F.) verkörperte Personalgrundsatz erleide Einschränkungen insoweit, als die Auslegung eines Tatbestandes ergeben könne, dass durch ihn nur inländische Rechtsgüter geschützt werden sollen; ähnlich OLG Köln StV 1982, 471: Eine „Einschränkung des Territorialitätsprinzips (§ 3)“ durch die Ansicht, § 123 schütze nur deutsche Rechtsgüter, sei nicht gerechtfertigt und finde im Gesetz keine Stütze; weiterhin Maurach / Zipf, § 11 Rn. 21: „Einschränkung des sich aus §§ 3, 9 ergebenden Anwendungsbereichs des deutschen Strafrechts“, die eintrete, wenn ein deutsches Strafgesetz ausschließlich dem Schutze ausländischer Rechtsgüter diene. 443 Vgl. schon Vogler, Geburtstagsgabe Grützner, 149, 152: Beschränkung des räumlichen Geltungsbereichs durch „normimmanente Selbstbegrenzung“. 444 Für das IPR Kropholler, Internationales Privatrecht § 3 II 4. 445 Kropholler, Internationales Privatrecht § 3 II 4. 446 Kropholler, Internationales Privatrecht § 3 II 4. 447 Kropholler, Internationales Privatrecht § 3 II 1, 2.

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C. Der Geltungsbereich des deutschen Strafrechts

mittelbare Beschränkung auf inländische Rechtsgüter enthalten: Auch sie würden ihren Anwendungsbereich in dieser Hinsicht selbst bestimmen, wobei sie aber mit der Forderung, in bestimmten Fällen nicht angewendet zu werden, das Gegenteil eines unbedingten Anwendungswillens zum Ausdruck bringen würden.

2. Exkurs: „Selbsterweiterte Sachnormen“ im deutschen StGB? Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass auch „selbsterweiterte“ Sachnormen oder jedenfalls spezielle Anwendungsnormen, die für einzelne Straftatbestände (und damit „vom Gesetz her“) anordnen, dass bestimmte Einschränkungen der §§ 3 – 7 für sie nicht gelten, im Strafrecht denkbar und etwa im Nebenstrafrecht üblich sind. Insofern lassen sich beispielsweise § 35 AWG (Außenwirtschaftsgesetz) und § 21 KWKG (Kriegswaffenkontrollgesetz) anführen, die für Auslandstaten von Deutschen für Taten nach § 34 AWG bzw. §§ 19 ff. KWKG einen Verzicht auf das sonst nach § 7 Abs. 2 bestehende Erfordernis der Tatortstrafbarkeit statuieren, was Anlass zu der Diskussion gibt, ob das aktive Personalitätsprinzip auch als „unbeschränktes“ völkerrechtskonform verwendet werden kann448 oder die Nichtberücksichtung der Tatortrechtsordnung bei Auslandstaten nur gerechtfertigt ist, falls zusätzlich ein weiteres Prinzip des Internationalen Strafrechts legitimierend eingreift.449 In Bezug auf die Einbeziehung auch ausländischer Rechtsgüter sind solche selbsterweiterten Tatbestände aufgrund des dargestellten „zweigleisigen“ Systems dagegen nur im Bereich der durch Ausländer begangenen Auslandstaten vorstellbar. So kann man sich theoretisch einen Tatbestand vorstellen, der sich hinwegsetzt über die von § 7 Abs. 1 angeordnete grundsätzliche Unanwendbarkeit deutschen Strafrechts, wenn durch eine solche Tat nur ein ausländisches Rechtsgut geschädigt wird. Der Straftatbestand müsste sich dafür gewissermaßen für „universal“ anwendbar erklären. Da ein sinnvoller unmittelbarer Anknüpfungspunkt, der eine Erstreckung des Anwendungsbereichs des deutschen Strafrechts auf ihn rechtfertigen könnte, in einem solchen Fall fehlen würde, wäre ein derartiger Tatbestand im Hinblick auf seine Völkerrechtskonformität unweigerlich Zweifeln ausgesetzt: Das Absehen von einem unmittelbaren Bezug zur nationalen Rechtsordnung ist nach den Vorgaben des Völkerrechts nur für Delikte möglich, deren Bekämpfung anerkanntermaßen von übernationalem Interesse ist und die daher unter das Welt448 Dagegen Pottmeyer, NStZ 1992, 57, 62: Die Erstreckungen seien wegen Verstoßes gegen Art. 25 GG verfassungswidrig, weil sie das völkerrechtliche Interventionsverbot missachteten. A. A. Holthausen, NJW 1992, 214, 215 f.: Die Staatsangehörigkeit des Normadressaten werde als ausreichende Verknüpfung zu dem normierten Auslandstatbestand angesehen und der Verzicht auf das Erfordernis der Tatortstrafbarkeit in § 21 AWG sei daher kein Verstoß gegen allgemeine Regeln des Völkerrechts i. S. d. Art. 25 GG. 449 Dies für § 21 KWKG und § 35 AWG annehmend A. Schmitz, S. 219 ff., 224 ff.: Auch das Staatsschutzprinzip liege der Strafgewalterstreckung hier zugrunde.

II. Ergebnis zu C.

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rechtsprinzip gestellt werden können.450 Abgesehen von den stets bestehenden völkerrechtlichen Zweifeln lässt sich aber auch der Existenz von § 1 VStGB451 und § 6 eine gewisse Vermutung gegen die Existenz solcher in dieser Weise selbsterweiterter Tatbestände im Strafrecht entnehmen: § 1 VStGB ordnet für alle im VStGB bezeichneten Verbrechen dessen Geltung auch dann an, „wenn die Tat im Ausland begangen wurde und keinen Bezug zum Inland aufweist“. § 6 zählt unter der Überschrift „Auslandstaten gegen international geschützte Rechtsgüter“ bestimmte Delikte auf, bei denen es für die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts weder auf die Nationalität des Täters noch auf den Tatort (und auch nicht auf die Tatortstrafbarkeit) ankommen soll; schon der Überschrift lässt sich darüber hinaus entnehmen, dass es auch nicht um den Schutz (ausschließlich) inländischer Rechtsgüter gehen soll, so dass auch § 6 generell auf das Bestehen eines unmittelbaren Inlandsbezuges verzichtet. Die gesonderte Normierung im VStGB sowie die katalogartige Nennung von Delikten, bei denen das „Weltrechtsprinzip“ die Anwendung des deutschen Strafrechts trotz fehlenden (unmittelbaren) Inlandsbezugs452 legitimiert bzw. zumindest legitimieren soll453 in § 6 sprechen dafür, dass es sich insofern um abschließende Regelungen handelt.

450 Haft / Schwoerer, FS Weber, 367, 381 ff., die in dem im Jahre 2002 eingeführten § 299 Abs. 3 eine „Erweiterung des Handlungsortes“ und damit einen Verzicht auf die einschränkenden Erfordernisse des § 7 erblicken, folgern denn auch, der Gesetzgeber habe § 299 unberechtigterweise (weil das Rechtsgut der Angestelltenbestechung kein in allen Kulturnationen strafrechtlich geschütztes sei) „dem Weltrechtsprinzip unterworfen“ (dazu schon oben I. 3. c) dd), anstatt schlicht festzustellen, dass nach der von ihnen als zwingend erachteten Auslegung des dritten Absatzes § 299 auch in Fällen anwendbar ist, in denen ein Anknüpfungspunkt fehlt, und § 299 Abs. 3 in dieser Hinsicht daher völkerrechtswidrig ist. 451 Völkerstrafgesetzbuch v. 26. 6. 2002, BGBl. I S. 2254. 452 Sofern als (neben der „Solidarität der Staaten“ zusätzlicher) Legitimationsgrund des Weltrechtsprinzip die latente nationale Eigengefährdung genannt wird, die es als „abstraktes Gefährdungsschutzprinzip“ in eine gewisse Nähe zum Schutzprinzip rückt (so etwa Zieher, S. 82 f. m. w. N. sowie Liebelt, GA 1994, 20, 35), mag freilich von einer Art „mittelbarem“ Inlandsbezug auszugehen sein. 453 Zu der Auffassung, die in § 6 aufgeführten Tatbestände würden keinesfalls alle dem (im Titel zum Ausdruck gebrachten) Anspruch gerecht, internationale Rechtsgüter zu schützen und die Norm sei daher zu weit geraten, etwa Ambos, Internationales Strafrecht § 3 Rn. 99 m. w. N.

D. Die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter als Grundsatz und die Abweichungen vom Grundsatz durch tatbestandsimmanente Schutzbereichsbegrenzungen Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass man eine Beschränkung deutscher Straftatbestände auf den Schutz ausländischer Rechtsgüter im Falle von Inlandstaten und Auslandstaten von Deutschen im Regelfall nicht annehmen kann. Es mag aber im Einzelfall Gründe gegen die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter geben. Teilweise lässt sich schlicht dem Gesetzeswortlaut, etwa der Umschreibung der tatbestandsmäßigen Handlung454 oder des Tatobjekts, eine entsprechende Begrenzung entnehmen oder folgt sie aus tatbestandlichen Besonderheiten, etwa der Verwaltungsakzessorietät. Einige Tatbestände, bei denen der Gesetzgeber aufgrund solcher Beschränkungen ausländische Rechtsgüter explizit einbeziehen musste, sind schon oben unter C. I. 3. c) cc) angesprochen worden. Einige weitere solchermaßen begrenzte Tatbestände werden nachfolgend (unter I.) dargestellt. Unter II. soll untersucht werden, inwieweit auch bei „neutral“ gefassten Tatbeständen im Einzelfall Gründe gegen die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter in den Schutzbereich des deutschen Strafrechts sprechen können. Die Untersuchung wird zu dem Ergebnis gelangen, dass es dafür keine überzeugenden Gründe gibt und Abweichungen vom Grundsatz daher insofern nicht angezeigt sind.

I. Tatbestände mit Schutzbereichsbegrenzung 1. Tatbestände, bei denen sich die Begrenzung aus dem Wortlaut oder der (Legal-)Definition einzelner Tatbestandsmerkmale ergibt Insbesondere bei den „Staatsschutzdelikten“ des ersten und zweiten Abschnitts des Besonderen Teils ergibt sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut, dass sie ausschließlich deutsche (staatliche) Rechtsgüter schützen.455 Beispielsweise ist § 80 zu entnehmen, dass sich der Vorbereitung eines Angriffskrieges nur schuldig macht, wer: „. . . die Gefahr eines Krieges für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, . . .“; nach § 81 (Hochverrat gegen den Bund) macht sich nur strafbar, wer Ambos, Internationales Strafrecht § 1 Rn. 33. Eine Erstreckung auf Rechtsgüter auch nichtdeutscher NATO-Vertragsstaaten ergibt sich freilich für einige dieser Delikte – z. B. §§ 90a (Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole) und 94 (Landesverrat) – für Inlandstaten aus Art. 7 des Vierten Strafrechtsänderungsgesetzes (BGBl. 1957, S. 597, abgedruckt bei NK-Paeffgen, Vor §§ 80 bis 101a Rn. 22). 454 455

I. Tatbestände mit Schutzbereichsbegrenzung

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„es unternimmt, [ . . . ] den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder die auf dem Grundgesetz [ . . . ] beruhende verfassungsmäßige Ordnung zu ändern, . . .“); auch die § 84 ff. beziehen sich auf den „Bestand der Bundesrepublik Deutschland“, die „Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland“, „Verfassungsgrundsätze“ oder deutsche Verfassungsorgane, so dass sie nur Gefährdungen der inneren Sicherheit der Bundesrepublik (und der Länder) erfassen.456 In anderen Fällen ergibt sich die Schutzbereichsbegrenzung aus der Verwendung des Wortes „Amtsträger“ in Verbindung mit der Definition desselben in § 11 Abs. 1 Nr. 2 als jemand, der nach deutschem Recht Beamter oder Richter ist (§ 11 Abs. 1 Nr. 2a)), in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht (Nr. 2b)) oder zumindest dazu bestellt ist, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen (Nr. 2c)). „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ nach § 113 ist daher etwa nur der Widerstand gegen deutsche Vollstreckungsbeamte; Straftaten im Amt (§§ 331 ff.) kann grundsätzlich nur ein deutscher Amtsträger begehen. Zwar drücken die entsprechenden Tatbestände nicht ausdrücklich aus, dass durch sie nur deutsche Rechtsgüter geschützt werden, sie beschränken sich nur zum Teil auf deutsche Amtsträger als Opfer, zum Teil auf solche als Täter. Dies hat allerdings eine tatsächliche Limitierung des Schutzbereichs auf nationale Rechtsgüter zur Folge: Wird gegen einen deutschen Amtsträger Widerstand geübt, schädigt das nur die deutsche staatliche Vollstreckungstätigkeit;457 begeht ein deutscher Richter eine Rechtsbeugung nach § 339, nimmt nur die innerstaatliche Rechtspflege Schaden.458 Auch die Steuerstraftatbestände schützen nicht das Steueraufkommen aller Staaten;459 eine Begrenzung ergibt sich hier aus § 1 AO, der klarstellt, dass die AO nur für Steuern des Bundes und der EG gilt.460 Damit steht fest, dass als Tatobjekt etwa von § 370 AO Steuern ausländischer Staaten (mit Ausnahme der EG-Mitgliedstaaten, vgl. auch § 370 Abs. 6) nicht in Betracht kommen, womit eine Aus456 Schönke / Schröder-Stree / Sternberg-Lieben, Vorbem §§ 80 ff. Rn. 3 f. Weitere Beispiele bei LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 295 sowie bereits LK11-Gribbohm, Vor § 3 Rn. 166. Entgegen dessen Aussage a. a. O. Rn. 167 wird die Auffassung von der eingeschränkten Reichweite dieser Tatbestände aber nicht „zusätzlich dadurch bestätigt, daß ein Teil von ihnen in § 5 unter der Überschrift «Straftaten gegen inländische Rechtsgüter» aufgeführt wird. . .“. Die Aufnahme dieser Straftatbestände in den Katalog des § 5 dient nur dazu, ihre Anwendbarkeit ohne Rücksicht auf die für Auslandstaten sonst engeren Erfordernisse des § 7 (z. B. die Verletzung eines [inländischen] Individualrechtsgutes in § 7 Abs. 1, die deutsche Staatsangehörigkeit des Täters in § 7 Abs. 2 Nr. 1 und das Erfordernis der Tatortstrafbarkeit in beiden Absätzen) sicherzustellen. 457 Sowie den vollstreckenden Amtsträger; zu diesem doppelten Schutzzweck Schönke / Schröder- Eser, § 113 Rn. 2 m. w. N. 458 Innerstaatliche Rechtspflege als Rechtsgut des § 339: BGHSt 40, 272, 275. 459 Für eine Beschränkung auf das inländische Steueraufkommen auch OLG Hamburg NJW 1964, 935, 937; BayObLG NJW 1980, 1057; RGSt 14, 124, 128 ff. 460 Vgl. schon die Argumentation in RGSt 14, 124, 128: Die Strafnormen des Vereinszollgesetzes bezögen sich auf Ein- oder Ausgangsabgaben i. S. d. §§ 3, 5 Vereinszollgesetz und danach seien „Ein- und Ausgangsabgaben“ nur die Ein- und Ausgangszölle, welche der deutsche Vereinszolltarif normiere.

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D. Die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter

grenzung der entsprechenden ausländischen Rechtsgüter einhergeht: Eine Hinterziehung deutscher Steuern oder solcher der EG kann die Steueraufkommen anderer Staaten nicht gefährden. Dabei ist im Auge zu behalten, dass mit einer Begrenzung auf ein inländisches Tatobjekt nicht zwangsläufig eine Begrenzung auf den Schutz inländischer Rechtsgüter einhergeht, wenn dies auch etwa bei der Steuerhinterziehung der Fall ist. Wenn Rechtsgut und Tat- bzw. Handlungsobjekt formal und inhaltlich auseinanderfallen,461 wie etwa bei der Urkundenfälschung, kann die tatbestandsmäßige Handlung an einem inländischen Tatobjekt unter Umständen nämlich auch ein ausländisches Rechtsgut beeinträchtigen. Um beim Beispiel der Urkundenfälschung zu bleiben: Fälscht jemand einen deutschen Reisepass (Tatobjekt) und reist unter dessen Vorlage in einen ausländischen Staat ein, beeinträchtigt das den Beweisverkehr (Rechtsgut) in jenem Staat; der inländische Beweisverkehr bleibt unberührt. Würden die §§ 267 ff. eine Beschränkung auf deutsche Urkunden enthalten, wäre damit also nicht automatisch eine Beschränkung auf den Schutz des inländischen Beweisverkehrs verbunden. Ebensowenig folgt in solchen Fällen des Auseinanderfallens von Tatobjekt und Rechtsgut aus der Einbeziehung ausländischer Tatobjekte in deutsche Straftatbestände ohne weiteres eine Ausdehnung auf den Schutz ausländischer Rechtsgüter.462 Das eine ist vom anderen grundsätzlich unabhängig.

2. Begrenzungen auf den Schutz inländischer Rechtsgüter aufgrund der akzessorischen Struktur von Tatbeständen? Es dürfte deutlich geworden sein, dass die Definition einzelner Merkmale eines Tatbestandes – sei es durch einschränkende Beschreibung durch den Tatbestand selbst, sei es durch eine Legaldefinition an anderer Stelle des Gesetzes – zu einer (jedenfalls faktischen) Begrenzung auf den Schutz inländischer Rechtsgüter führen kann. Das Phänomen der Schutzgutbeschränkung durch die einschränkende Beschreibung eines Tatbestandsmerkmals an anderer Stelle des Gesetzes führt zu der Überlegung, ob nicht auch in anderen Fällen eine „Verweisungstechnik“ des Gesetzgebers den Grundsatz der Schutzbereichserstreckung auf ausländische Rechtsgüter auszuhebeln vermag. Eine ganze Reihe von Straftatbeständen bedürfen nämlich zu ihrer „Vollständigkeit“ oder zumindest der inhaltlichen Konkretisierung einzelner Tatbestandsmerkmale der Ausfüllung durch außerstrafrechtliche Normen. Sie sind „zivilrechtsakzessorisch“ oder „verwaltungsrechtsakzessorisch“ ausgestaltet,463 wobei die betreffenden Tatbestandsmerkmale ihre „Ausfüllungsnor461 s. zu dieser nicht ungewöhnlichen Konstellation etwa Roxin, AT I § 2 Rn. 65; vgl. auch Anastasopoulou, S. 57 f. 462 Dazu schon oben C. I. 3. c) bb) zu § 152; vgl. für § 267 etwa auch Möhrenschlager, in: Wabnitz / Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 3. Kapitel Rn. 8. 463 Zahlreiche Beispiele für entsprechende Tatbestandsmerkmale finden sich bei Liebelt, S. 154 ff.

I. Tatbestände mit Schutzbereichsbegrenzung

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men“ entweder explizit bezeichnen oder ihre rechtlich-normative Natur die Heranziehung von Normen anderer Rechtsgebiete erfordert. Als verweisendes Merkmal kommt dabei ein Blankettmerkmal oder ein normatives Tatbestandsmerkmal i. e. S. in Betracht;464 der Tatbestand kann einzelne Rechtsbegriffe oder ganze Vorschriften aus anderen Rechtsgebieten übernehmen.465 Bei Sachverhalten mit Auslandsbezug stellt sich dabei die Frage, ob die außerstrafrechtlichen „Ausfüllungsnormen“ dem ausländischen Recht entnommen werden dürfen oder sogar müssen. In Fällen, in denen die in Bezug genommene (deutsche) Norm im Tatbestand explizit bezeichnet ist – beispielsweise bei der Insolvenzverschleppung nach § 84 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG – kommt die Heranziehung von ausländischem Recht schon deshalb nicht in Betracht, weil eine solche Vorgehensweise einen eindeutigen Verstoß gegen das Analogieverbot darstellen würde.466, 467 Schwieriger ist die Beurteilung, wenn ein Straftatbestand nicht ausdrücklich auf eine bestimmte Norm verweist, sondern außerstrafrechtliche Normen nur zur Ausfüllung rechtlich vorgeprägter Tatbestandsmerkmale herangezogen werden müssen. Kann dann auch ausländisches Recht diese Aufgabe erfüllen, und wenn ja, in welchen Fällen? Und wenn eine Heranziehung ausländischen Rechts nicht in Betracht kommt, führt dies dann unter Umständen dazu, dass wegen des Auslandsbezuges auch deutsches Recht nicht zur Konkretisierung des betreffenden Tatbestandsmerkmals herangezogen werden kann, so dass der Tatbestand letztlich unanwendbar ist? Im Hinblick auf die Schutzbereichsproblematik schließt sich die Frage an, ob die Ergebnisse dieser Erwägungen Einfluss auf den Schutz ausländischer Rechtsgüter durch das deutsche Strafrecht haben. Ist die Möglichkeit einer Heranziehung ausländischen Rechts vielleicht Voraussetzung dafür, dass ausländische Rechtsgüter auch den Schutz akzessorisch ausgestalteter Straftatbestände genießen? Diese Fragen bedürfen der Klärung. Dabei lässt sich eine Feststellung bereits an dieser Stelle treffen: Vorausgesetzt, zur Ausfüllung eines bestimmten akzessorisch ausgestalteten Tatbestandes dürfen ausländische Normen nicht herangezogen werden und weiter vorausgesetzt, die ausfüllenden Normen des deutschen Rechts sind in ihrer Anwendung territorial auf das Gebiet der Bundesrepublik beschränkt: Dann ist der Tatbestand jedenfalls auf 464 Zur Abgrenzung von normativem Tatbestandsmerkmal und Blankettmerkmal näher unten d) cc) (2). 465 Cornils, S. 10. 466 Der Gesetzgeber kann in solchen Fällen freilich in einer „Entsprechensklausel“ potentielle ausländische Ausfüllungsnormen der in Bezug genommenen inländischen gleichstellen; vgl. dazu etwa § 38 Abs. 5 WpHG und zu diesem näher oben C. I. 3. c) cc) (5). 467 Eine „Schutzlücke“ für Scheinauslandsgesellschaften (wenn auch keine generelle Beschränkung auf den Schutz inländischer Rechtsgüter, weil deutsche Gläubiger davon ebenso betroffen sind wie ausländische) ergibt sich im Fall der Insolvenzverschleppung außerdem dadurch, dass § 64 Abs. 1 GmbHG eine Pflicht für den „Geschäftsführer“ statuiert, eine Anwendung dieser Vorschrift etwa auf den „director“ einer englischen Limited also wohl ebenfalls unzulässige Analogie wäre; vgl. dazu etwa Rönnau, ZGR 2005, 832, 839 m. w. N.

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D. Die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter

reine Auslandsfälle nicht anwendbar. Verhält es sich außerdem so, dass das Schutzgut des Tatbestandes „territorial gebunden“ ist, als ausländisches also nur durch eine Auslandstat, als inländisches nur durch eine Inlandstat beeinträchtigt werden kann, dann führt die akzessorische Struktur des betreffenden Tatbestandes zu einem zumindest faktischen Ausschluss ausländischer Rechtsgüter aus dem Schutzbereich des Tatbestandes. Als Beispiele für solche Tatbestände sind oben unter C. I. 3. c) cc) (4) etwa schon die verwaltungsakzessorisch ausgestalteten Tatbestände des Umweltstrafrechts erörtert worden.468

a) Das ungelöste Problem der „Fremdrechtsanwendung“ im Strafrecht Ob und in welchen Fällen bei Sachverhalten mit Auslandsberührung eine Heranziehung fremdstaatlicher außerstrafrechtlicher Rechtssätze in Betracht kommt, wenn es um die Ausfüllung akzessorisch ausgestalteter Straftatbestände, die Konkretisierung der Sorgfaltspflicht im Fahrlässigkeitsbereich oder der Voraussetzungen der Garantenstellung im Rahmen der Unterlassungsdelikte sowie um den Ausschluss der Rechtswidrigkeit469 geht, ist in Wissenschaft und Rechtsprechung noch in hohem Maße unaufgeklärt. Der Problemkreis wird unter dem Stichwort „Fremdrechtsanwendung“ erörtert. Meist wird die Diskussion auf reine Auslandstaten i. S. d. § 7 beschränkt.470 Von Bedeutung für die vorliegende Untersuchung dürfte insbesondere sein, inwieweit und in welchen Fällen rechtlich vorgeprägte Tatbestandsmerkmale deutscher, nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 anwendbarer Straftatbestände durch ausländische Normen „ausgefüllt“ werden dürfen bzw. müssen.471 Ob ausländisches oder inländisches Recht diese Aufgabe zu erfüllen hat, ist für das Ergebnis der Subsumtion zwar nur von Bedeutung, sofern die ausländischen „Ausfüllungsnormen“ inhaltlich von den entsprechenden deutschen abweichen, 468 Von einem generellen Ausschluss ausländischer Rechtsgüter aus dem Schutzbereich verwaltungsakzessorisch ausgestalteter Tatbestände geht etwa Möhrenschlager, Internationalisierung des materiellen Strafrechts, in: Beiträge zum X. Kongress der Vereinten Nationen in Wien, Österreich, vom 10. bis 17. April 2000, S. 26, 27 aus. 469 Die Erscheinungsformen strafrechtlicher Abhängigkeit unterteilend in „ausdrücklich verweisende Akzessorietät“, „stillschweigend verweisende Akzessorietät“ und „indirekte Akzessorietät“ Cornils, S. 10 ff., 16 ff. Insbesondere zwischen „außerstrafrechtlichen Merkmalen auf der Ebene des Tatbestandes“ und solchen „auf der Ebene der Rechtswidrigkeit“ unterscheidend Liebelt, S. 154 ff. 470 Krapp, S. 81 untersucht dagegen eine mögliche Fremdrechtsberücksichtigung (nur) für den Bereich des Inlandsdistanzdelikts (Inlandshandlung mit Erfolg im Ausland); auch Jescheck / Weigend, AT § 18 I 1 ziehen eine Fremdrechtsberücksichtigung in diesem Bereich in Betracht; ebenso Nowakowski, JZ 1971, 633, 634 m. Fn. 7 und 8. Martin, S. 319 ff. sowie Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 3 – 7 Rn. 24 diskutieren eine Fremdrechtsberücksichtigung für Auslandshandlungen mit Erfolg im Inland (konkret: Grenzüberschreitende Umweltbeeinträchtigungen). Sich auf alle drei Fälle beziehend Forkel, S. 112 ff. 471 Unter d) cc) (4) (d) wird darüber hinaus eine mögliche Übertragung der für den Bereich der Auslandstaten befürworteten Grundsätze auf Inlandsdistanzdelikte erörtert.

I. Tatbestände mit Schutzbereichsbegrenzung

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also in „Inkongruenzfällen“.472 Gelangt man zu dem Ergebnis, dass ausländische Normen nicht herangezogen werden dürfen, ist aber auch vorstellbar, dass wegen des Auslandsbezuges diese „Lücke“ nicht durch die entsprechenden inländischen Normen ausgefüllt werden darf. Dann wäre der Tatbestand unanwendbar, selbst wenn die außerstrafrechtlichen in- und ausländischen Normen inhaltlich identisch sind, also in „Kongruenzfällen“. Im Zusammenhang mit der Frage der Fremdrechtsanwendung im Bereich akzessorisch ausgestalteter Tatbestände begegnet man in Rechtsprechung und Schrifttum wiederholt einigen – sich teilweise widersprechenden – Thesen, die Ausgangspunkt der Erörterung der Problematik sein sollen: Aufgrund des eindeutigen Wortlautes der §§ 3 – 7, 9 („Das deutsche Strafrecht gilt . . .“) besteht Einigkeit darüber, dass ausländisches Strafrecht von deutschen Gerichten nicht anzuwenden ist. Die Berücksichtigung ausländischer außerstrafrechtlicher Normen wird dagegen häufig für unproblematisch erachtet.473 Unter Berufung auf einen materiellen Strafrechtsbegriff, der auch sämtliche den materiellen Rechtszustand bestimmenden strafrechtsexternen Ausfüllungs- und Ergänzungsvorschriften erfasst, zweifeln andere die Zulässigkeit der Beantwortung von Inzidentfragen mithilfe des ausländischen Rechts dagegen an.474 Relativ verbreitet ist die Ansicht, es bestimme sich nach inländischem Kollisionsrecht, also nach den Normen des IPR bzw. den Grundsätzen des Internationalen Verwaltungsrechts, welche Rechtsordnung zur Beurteilung außerstrafrechtlicher Inzidentfragen heranzuziehen sei.475 Daraus könne sich dann auch ein Anwendungsbefehl für fremdstaatliche Rechtsnormen ergeben.476 Zu diesem Begriff Forkel, S. 7 f., 113. Vgl. etwa Liebelt, S. 193; Krapp, S. 109. Gribbohm (in: LK11 § 7 Rn. 14) ist der Auffassung, die außerstrafrechtlichen Rechtsverhältnisse am ausländischen Tatort gehörten zu den Tatumständen und damit zum wirklichen Sachverhalt, der Gegenstand der strafrechtlichen Beurteilung sein müsse; übereinstimmend jetzt LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 332, 337. 474 Vgl. etwa Cornils, S. 70 und Forkel, S. 115 f. 475 So etwa Cornils, S. 71 f., 98 f.; RGSt 33, 256, 257 f.; BGHR StGB § 74 Abs. 2 Nr. 1 – Eigentümer 1 (bzgl. der Einziehungsvoraussetzung Tätereigentum) m. zust. Anm. Langkeit, WiB 1995, 524; OLG Hamm MDR 1982, 1040; OLG Schleswig NJW 1989, 3105 f.; LG Hamburg NStZ 1990, 280, 281 m. Anm. Liebelt, NStZ 1993, 544; weiterhin Walter, JuS 2006, 870; davon – jedenfalls für normative Tatbestandsmerkmale – ausgehend auch Rönnau, ZGR 2005, 832, 847 ff.; 853 ff.; vgl. auch schon Neumeyer, ZStW 23 (1903), 436, 445 und die w. Nachw. zum älteren Schrifttum bei Liebelt, GA 1994, 20, 23 m. Fn. 22. In Bezug auf Merkmale, bei denen es um die Frage gehe, „welche Art von Interessen der Tatbestand als Rechtsgut meint“, ebenso Nowakowski, JZ 1971, 633, 634; einschränkend weiterhin Liebelt, GA 1994, 20, 28 ff., 37; vgl. auch ders., NStZ 1993, 544 f.: Das gelte nur für Merkmale, die die Beeinträchtigung des Rechtsguts umschreiben (während es für „rechtsgutkonkretisierende Merkmale“ stets darauf ankomme, unter welcher Rechtsordnung das Gut begründet worden sei) und nicht für die über § 7 Abs. 2 gewonnenen Strafansprüche (in diesem Bereich seien die rechtsgutbeeinträchtigenden Merkmale mit Normen des ausländischen Tatortrechts auszufüllen). Unentschlossen Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 3 – 7 Rn. 22 f.: Frage richte 472 473

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D. Die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter

Die „Kollisionslösung“ soll auch darüber hinweghelfen, dass die Heranziehung ausländischen Rechts prinzipiell unzulässig erscheint, wenn man einen materiellen Strafrechtsbegriff zugrunde legt, nach dem das Strafgesetz das Handlungsverbot bzw -gebot in seiner Gesamtheit und unabhängig von seiner regelungstechnischen Ausgestaltung erfasst: Der Verweis auf Normen des (deutschen) Zivil- und Verwaltungsrechts, so wird argumentiert, sei stets nur im Zusammenhang mit den dazugehörigen Kollisionsregeln zu sehen. Mit anderen Worten: Auch die Anwendung von IPR und Internationalem Öffentlichen Recht – die in der Folge zu einer Heranziehung ausländischer Gesetze führen kann – sei, wie von den §§ 3 – 7 verlangt, Anwendung deutschen Strafrechts.477 Die Ausfüllung eines Blankettstrafgesetzes durch ausländisches Recht wird – falls es an einer ausdrücklichen Bezugnahme fehlt – häufig nicht für möglich gehalten.478 Die Rechtsprechung hat teilweise eine Anwendung des Tatbestandes auf Auslandssachverhalte gleichwohl dadurch erreicht, dass zu seiner Ausfüllung trotz des ausländischen Tatortes deutsches Recht herangezogen wurde.479

b) Verwaltungsakzessorietät als besonders problematischer Bereich Im deutschen Recht ist das IPR im EGBGB und in zahlreichen Staatsverträgen umfangreich kodifiziert,480 so dass, wenn man der „Kollisionslösung“ folgt, die sich bei Auslandsachverhalten „nach den jeweiligen Regeln des ausländischen Rechts bzw. nach IPR“; übereinstimmend NK-Lemke, Vor §§ 3 – 7 Rn. 36. Die Kollisionslösung abl. LKWerle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 337: Methodisch dem Strafrecht fremd. Die außerstrafrechtlichen Rechtsverhältnisse am Tatort seien ohnehin als Tatumstände der strafrechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen. 476 Rönnau, ZGR 2005, 832, 849 f., 855 ff. hält im Ergebnis allerdings jedenfalls die Ausfüllung von Blankettmerkmalen (und vor dem Hintergrund „fließender Übergänge“ wohl auch die Konkretisierung normativer Tatbestandsmerkmale) durch ausländisches Recht für unvereinbar mit dem Parlamentsvorbehalt aus Art. 20 Abs. 3 GG und dem Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG. 477 Cornils, S. 71 f. 478 So BGHSt 21, 277, 279 für die Ausfüllung des § 21 StVG (a. F.) und OLG Karlsruhe NStZ 1985, 317 für die Frage des Bestehens einer Buchführungspflicht im Rahmen des § 283b Abs. 1 Nr 1. Zu den Stellungnahmen zu dieser Frage im Schrifttum unten d) cc) (1). 479 BGHSt 21, 277, 279: Strafbarkeit nach § 1 StVO i. V. m. § 21 StVG (a. F.) durch Verursachen eines Verkehrsunfalls in Österreich (anders noch OLG Frankfurt NJW 1965, 508: Der Geltungsbereich der StVO sei auf das Inland beschränkt und ein Verstoß gegen Straßenverkehrsbestimmungen in Österreich könne daher nicht nach § 21 StVG i. V. m. Bestimmungen der StVO bestraft werden); OLG Karlsruhe NStZ 1985, 317 zieht die §§ 6 Abs. 1, 38 Abs. 1 HGB und 91 AktG auch zur Begründung einer Buchführungspflicht des Direktors einer schweizerischen Aktiengesellschaft in Basel heran. Kritisch zum Festhalten an der vom BGH (im Jahre 1967) vertretenen Auffassung Liebelt, NStZ 1989, 182: Die Entscheidung sei unter Geltung der alten Rechtslage ergangen, die von einer universellen Bewertungsfunktion des deutschen Strafrechts ausging. 480 Vgl. Kropholler, Internationales Privatrecht § 1 III.

I. Tatbestände mit Schutzbereichsbegrenzung

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Ermittlung der heranzuziehenden Rechtsordnung im Falle von zivilrechtsakzessorischen Merkmalen meist nicht schwer fallen dürfte. Zu welchen Ergebnissen die Anwendung der „Grundsätze des Internationalen Verwaltungsrechts“ im Rahmen der Fremdrechtsanwendung im Strafrecht führt, ist dagegen nicht so eindeutig. Soweit das Internationale Verwaltungsrecht gesetzlich normiert ist, enthält es nämlich – anders als das größtenteils „allseitig“ ausgestaltete IPR – fast ausschließlich „einseitige“, nur die deutsche Rechtsordnung berufende Kollisionsnormen; der Gesetzgeber beschränkt sich (ebenso wie im Internationalen Strafrecht) darauf, den Geltungsbereich der deutschen Vorschriften festzulegen.481 Größtenteils gibt es im Bereich des Öffentlichen Rechts gar keine geschriebenen Kollisionsnormen, auch insofern ist aber der Grundsatz anerkannt, dass sich der Geltungsbereich öffentlich-rechtlicher Normen auf das eigene Hoheitsgebiet beschränkt.482 Daraus wird teilweise geschlossen, eine Anwendung ausländischen Verwaltungsrechts komme auch im Strafrecht im Rahmen der Beurteilung von Sachverhalten mit Auslandsbezug nicht in Betracht.483 Eine solche Sichtweise würde vielfach – wie oben unter C. I. 3. c) cc) (4) für einige Tatbestände des Umweltstrafrechts erörtert oder im Bereich des Straßenverkehrsstrafrechts – jedenfalls für Auslandstaten zu einem faktischen Ausschluss ausländischer Rechtsgüter aus dem Schutzbereich des betreffenden Tatbestandes führen. Von einigen Autoren wird aber auch gegenteilig argumentiert, aus dem völkerrechtlichen Gebot der Respektierung fremdstaatlicher Rechtssouveränität folge eine Verpflichtung, bei verwaltungsrechtlichen Inzidentfragen, die den Hoheitsbereich eines fremden Staates berühren, dessen Verwaltungsvorschriften heranzuzieCornils, S. 86 f.; v. Bar / Mankowski, Internationales Privatrecht Bd. I § 4 Rn. 53, 57 ff. Vgl. etwa BGH NJW 1975, 1220, 1222: „Das öffentliche Kollisionsrecht wird vom Grundsatz der Territorialität beherrscht“; Möhrenschlager, Internationalisierung des materiellen Strafrechts, in: Beiträge zum X. Kongress der Vereinten Nationen in Wien, Österreich, vom 10. bis 17. April 2000, S. 26, 27: „Verwaltungsrechtliche Regelungen [gelten] generell nur für das Bundesgebiet.“ Ein „Territorialitätsprinzip“ mit der Folge, dass sich die Wirkung der nationalen Regelung auf das Inland beschränkt, wird im Bereich des Zivilrechts etwa auch für das Urheberrecht angenommen; ein Staat erkenne jeweils nur die nach seiner Rechtsordnung gewährten Schutzrechte an (vgl. BGH NJW 2004, 1674 f.; SternbergLieben, NJW 1985, 2121, 2124; Weber, FS Stree / Wessels [1993], 613, 622; jeweils m. w. N.). Daraus wird gefolgert, dass aufgrund der streng urheberrechtsakzessorisch ausgestalteten Straftatbestände des UrhG (§§ 106 – 108a UrhG) auch der Strafschutz auf inländische Verletzungshandlungen beschränkt ist (BGH NJW 2004, 1674, 1675; SternbergLieben, NJW 1985, 2121, 2124 f.; Weber, FS Stree / Wessels, 613, 621 ff.). Eine noch weitergehende Einschränkung für ausländische Rechtsinhaber (und damit für die Verletzung ausländischer Individualrechtsgüter) soll, ebenfalls aufgrund der Zivilrechtsakzessorietät der urheberrechtlichen Straftatbestände, daraus folgen, dass Ausländer den verwertungsrechtlichen Schutz des deutschen Urhebergesetzes gemäß § 121 UrhG nur unter bestimmten Voraussetzungen genießen; vgl. Weber, FS Stree / Wessels, 613, 620 ff. und dazu näher unten e). 483 Vgl. dazu etwa die Nachw. oben Fn. 383 ff., 394 zum Umweltstrafrecht und zu § 14 WpHG; für das Verkehrsstrafrecht etwa OLG Frankfurt NJW 1965, 508, 509: Keine Ausfüllung des § 21 StVG (a.F.) durch Normen der österreichischen Straßenverkehrsordnung. 481 482

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D. Die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter

hen.484 Der Satz von der „Unanwendbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts485“ gelte insofern nicht, weil es sich bei der Heranziehung ausländischer Normen im Rahmen des Strafrechts nicht um eine „Hauptfrage“, sondern bloß um eine Inzidentfrage (auch „Vorfrage“ genannt) handele. Bei einer solchen gehe es nicht – wie bei der Anwendung einer öffentlich-rechtlichen Norm in der Hauptfrage – um die Regelung einer bestimmten Beziehung zwischen Staat und Einzelnem und damit nicht um die Ausübung staatlicher Macht, sondern lediglich um die rechtliche Ermittlung eines bestehenden Rechtsverhältnisses und damit nicht um die Vollziehung eines Staatswillens, sondern um reine juristische Subsumtionstätigkeit. Insofern sei die „Anwendung“ fremdstaatlicher öffentlich-rechtlicher Normen unproblematisch.486 Über den Umfang der Anwendung ausländischen Verwaltungsrechts entscheide allerdings allein der deutsche Gesetzgeber, indem er selbst bestimme, ob und inwieweit er seine Strafgewalt überhaupt auf Sachverhalte mit Auslandsberührung erstrecken wolle, wobei er diese Entscheidung „für jeden einzelnen Tatbestand gesondert und unter Berücksichtigung des jeweils geschützten Rechtsgutes“ treffe.487 c) Die Fremdrechtsanwendungsproblematik im Rahmen der Schutzbereichsfrage aa) Die übliche Darstellung: Schutzbereich als Vorfrage der Fremdrechtsanwendung Mit der Aussage, der Gesetzgeber entscheide über den Umfang der Anwendung ausländischen Verwaltungsrechts, indem er zunächst unter Berücksichtigung auch des Rechtsguts bestimme, ob er seine Strafgewalt auf einen Sachverhalt mit Auslandsbezug erstrecken wolle, ist schon angedeutet, auf welchem Wege die Schutzbereichsproblematik in die Diskussion um die Fremdrechtsanwendung im Strafrecht Eingang gefunden hat: Ihr wird Bedeutung für die Beantwortung der Frage zugemessen, ob ausländische Normen der Ausfüllung deutscher Straftatbestände dienen dürfen.488 Mit anderen Worten: Es wird zunächst versucht, das von einer 484 Cornils, S. 94 f.; Liebelt, GA 1994, 20, 29; Heine, FS Triffterer (1996), 401, 419; vgl. auch Nowakowski, JZ 1971, 633, 635. Martin, S. 306 ff. hält die Heranziehung ausländischen Verwaltungsrechts zumindest für möglich, wenn auch nicht in jedem Fall notwendig. 485 Vgl. etwa Kegel / Schurig, Internationales Privatrecht § 23 I 1. 486 Zum Ganzen Cornils, S. 88 ff.; für öffentlich-rechtliche Vorfragen im Rahmen des (Internationalen) Privatrechts so auch v. Bar / Mankowski, Internationales Privatrecht Bd. I § 4 Rn. 69 f.; vgl. auch Kegel / Schurig, Internationales Privatrecht § 23 I 4 (ausländisches öffentliches Recht, dass nicht angewandt wird, könne gleichwohl wichtig werden als Tatsache im Rahmen des anwendbaren Privatrechts, d. h. als Auslandssachverhalt). 487 Cornils, S. 95; vgl. auch schon Nowakowski, JZ 1971, 633, 634. 488 Walter, JuS 2006, 870 lässt offen, in welcher Beziehung die Frage der Fremdrechtsanwendung zur Schutzbereichsproblematik steht: Er bezeichnet erstere als „ein schwieriges den Schutzbereich betreffendes Problem“. Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 3 – 7 Rn. 22

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Norm geschützte Rechtsgut zu ermitteln, und etwa aus der Feststellung, die Norm wolle nur inländische Rechtsgüter schützen, wird dann geschlossen, es könnten nur inländische außerstrafrechtliche Rechtssätze zu ihrer Konkretisierung herangezogen werden. Entsprechend formuliert etwa Heine, bei der Frage, ob § 326 Abs. 2 auch auf fremdes Verwaltungsrecht Bezug nehme, sei vorab der Schutzbereich des § 326 Abs. 2 abzustecken: „Würde er nur das inländische Abfallregime schützen, wäre die Antwort klar: Tatbestandsvoraussetzung wäre der Verstoß gegen ein inländisches Genehmigungserfordernis“.489 Ein paralleler Gedanke findet sich bei Nowakowski: Ob eine ausländische Stelle „zur Abnahme von Eiden oder eidesstattlichen Versicherungen“ berechtigt sei, müsste, wenn die §§ 153 ff. auch ausländische Rechtsgüter schützen sollten, nach dem Tatortrecht beurteilt werden.490 Allgemeiner formuliert Cornils: Verwende ein Tatbestand verwaltungsrechtlichakzessorische Begriffe, die nicht ohne weiteres erkennen ließen, ob sie durch inoder ausländische Rechtssätze auszufüllen seien, sei eine am speziellen Geltungsbereich der betreffenden Strafnorm orientierte Auslegung geboten – den „Umfang der Fremdrechtsanwendung“ bestimme hier „der deutsche Gesetzgeber selbst durch die Begrenzung des tatbestandlichen Schutzbereichs“.491 Auch Liebelt, der rechtsgutkonkretisierende Tatbestandsmerkmale492 außerstrafrechtlicher Prägung grundsätzlich direkt mit Normen der Rechtsordnung ausfüllen möchte, unter der das entsprechende Gut begründet worden ist, sieht insofern eine „Schranke“ in der „strafrechtsautonomen Auslegung des einzelnen Tatbestandes“. Staatliche Interessen ausländischer Hoheitsträger seien nämlich nicht vom Schutzbereich der Straftatbestände erfasst und bei Verletzung von Individualrechtsgütern habe eine Auslegung der jeweiligen Strafnorm zu entscheiden, ob auch unter einer fremden Rechtsordnung begründete Güter in den Schutzbereich des deutschen Strafgesetzes fallen.493 bb) Tatsächliche Bedeutung der Fremdrechtsanwendungsproblematik für Schutzbereichsfragen (1) Die Berechtigung einer umgekehrten Perspektive Der Ansatz, vom geschützten Rechtsgut darauf zu schließen, ob der betreffende Straftatbestand auch ausländische Rechtsnormen in Bezug nimmt, ist gegenüber der hier aufgestellten These diametral. Diese lautete im Gegenteil, dass sich aus stellt gar keinen Zusammenhang her: Die Heranziehung von ausländischem Tatortrecht sei „eine wiederum andere Frage“ und (ebenso wie die Schutzbereichsfrage) „der Anwendung der §§ 3 ff. prinzipiell vorgelagert“. 489 Heine, FS Triffterer, 401, 418. 490 Nowakowski, JZ 1971, 633, 634. 491 Cornils, S. 95 ff. 492 Zu diesem Begriff unten d) bb) (1). 493 Liebelt, GA 1994, 20, 30.

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einem Verbot der Fremdrechtsanwendung im Einzelfall möglicherweise eine Begrenzung des Tatbestandes auf den Schutz inländischer Rechtsgüter ergeben kann.494 An diesem Blickwinkel soll auch festgehalten werden. Zwar ist die Methode, den Tatbestand mit Blick auf das geschützte Rechtsgut teleologisch auszulegen, anerkannt. Gleichwohl kann die Frage, ob ein deutscher Straftatbestand auch ausländische Rechtgüter zu schützen beabsichtigt, zur Lösung der Frage, ob auch fremdes Recht deutsche Straftatbestände auszufüllen vermag, nichts beitragen. Aus der Perspektive der hier aufgestellten Prämisse, deutsche Straftatbestände bezweckten grundsätzlich auch den Schutz ausländischer Rechtsgüter, wäre eine solche Vorgehensweise schon deshalb sinnlos, weil sie stets zu dem Ergebnis führen würde, Fremdrecht könne herangezogen werden. Vom Boden der herkömmlichen Auffassung zur Schutzbereichsproblematik macht die Herangehensweise ebenfalls wenig Sinn. Bei der Frage, ob ausländische Rechtsgüter von deutschen Straftatbeständen erfasst sind, unterscheidet sie ohne einleuchtende Begründung zwischen Individual- und Allgemeinrechtsgütern. Übertrüge man diese „Lösung“ auf die Frage der Fremdrechtsanwendung, würde diese derselben Willkür unterliegen. Das wird beispielhaft an der Behandlung verwaltungsrechtsakzessorischer Tatbestände deutlich: Die These einiger Autoren, der Grundsatz der Respektierung fremder Hoheitsgewalt verlange die Berücksichtigung ausländischen Verwaltungsrechts,495 würde durch die Feststellung, staatliche Interessen fremder Hoheitsträger seien vom Schutzbereich deutscher Tatbestände nicht erfasst und insofern sei die Heranziehung ausländischer Rechtssätze nicht möglich, vollständig ausgehöhlt. (2) Der fehlende unmittelbare Zusammenhang zwischen Fremdrechtsanwendung und Schutzbereich Dass der Ansatz abzulehnen ist, vom geschützten Rechtsgut darauf zu schließen, ob auch ausländische Normen der Ausfüllung des Tatbestandes dienen können, hat noch einen anderen Grund: Zwischen Rechtsgutsschutz und anwendbarer außerstrafrechtlicher Rechtsordnung besteht keineswegs in allen Fällen ein zwingender Zusammenhang. Zunächst betreffen schon nicht alle außerstrafrechtlichen Inzidentfragen überhaupt das Rechtgut. Etwa bei den Fragen, wie (d. h.: durch welche 494 Im Ansatz wie hier Sternberg-Lieben, NJW 1985, 2121, 2124: Die Auslegung einer Strafvorschrift könne ergeben, dass sich ihr Schutzbereich ausschließlich auf die Sicherung inländischer Rechtsgüter erstreckt, was für die §§ 106, 108 UrhG aufgrund ihrer Anknüpfung an den zivilrechtlichen Urheber- und Leistungsschutz und das dort geltende Territorialitätsprinzip anzunehmen sei. Vgl. auch Weber, FS Stree / Wessels, 613, 618 ff.: Der fehlende „Schutzzweck“ könne bei den §§ 106 ff. UrhG zwar nicht gegen ihre Anwendung auf Sachverhalte mit Auslandsberührung ins Feld geführt werden, da diese Strafvorschriften Individualrechtsgüter schützten und für solche der Grundsatz anerkannt sei, dass sie auch geschützt seien, wenn sie einem ausländischen Rechtsgutträger zustehen. Einschränkungen würden sich insofern aber aus der strikten Zivilrechtsakzessorietät der urheberstrafrechtlichen Tatbestände ergeben. 495 Vgl. dazu oben b).

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Rechtsordnung) bei den Fahrlässigkeitsdelikten der Sorgfaltsmaßstab zu konkretisieren ist oder aus welcher Rechtsordnung sich im Rahmen eines Unterlassungsdelikts eine Garantenpflicht ergeben kann, geht es vielmehr um die mögliche Angriffsweise. Aber auch bei „verweisenden“ Tatbestandsmerkmalen, die im weitesten Sinne die Ausgestaltung des Rechtsguts betreffen („fremd“, „Vermögen“, „Ehe“, „zur Abnahme von Eiden zuständige Stelle“ u. s. w.), hätte ein „Verbot“ der Fremdrechtsanwendung nicht unbedingt zur Folge, dass ausländische Rechtsgüter schutzlos gestellt werden. Die inländische außerstrafrechtliche Rechtsordnung könnte ja theoretisch weiterhin die Aufgabe erfüllen, das Tatbestandsmerkmal auszufüllen und das Rechtsgut zu definieren. Nur, wenn es bei einem Verbot der Fremdrechtsanwendung gleichzeitig wegen des Auslandsbezuges des Sachverhaltes ausgeschlossen wäre, die deutsche Rechtsordnung zur Konkretisierung von Tatbestandsmerkmalen heranzuziehen, und der Tatbestand daher unanwendbar wäre, käme es zu einem faktischen Ausschluss ausländischer Rechtsgüter aus dem Schutzbereich des Tatbestandes bei Vorliegen eines entsprechenden Auslandsbezuges. Außerdem wäre ein Gebot, die ausländische Rechtsordnung zur Konkretisierung von Tatbestandsmerkmalen heranzuziehen, keineswegs Garantie dafür, dass ausländische Rechtsgüter in dem von der deutschen Strafnorm bezweckten Umfang Schutz genießen. Zur Veranschaulichung ein Beispiel: Angenommen, ein Deutscher verschafft sich in einem ausländischen Staat durch Täuschung eines anderen eine geldwerte Position. Zur Konkretisierung des Vermögensbegriffes wäre die Rechtsordnung des ausländischen Staates heranzuziehen, die die betroffene Position nicht dem privaten Vermögen zuordnet. Dann würde die Fremdrechtsanwendung gerade dazu führen, dass das Interesse des Opfers an der Erhaltung seiner geldwerten Position (das aus Sicht der deutschen Rechtsordnung „Rechtsgut“ ist) keinen Schutz durch das deutsche Strafrecht erfährt. Es bleibt festzuhalten: Die Vorstellung, eine Heranziehung fremden außerstrafrechtlichen Rechts für die Beantwortung von Inzidentfragen habe stets den Schutz ausländischer Rechtsgüter zur Folge, ist ebenso unzutreffend wie der Gedanke, ein Verbot der Fremdrechtsanwendung führe zwingend zu einem Ausschluss ausländischer Rechtsgüter aus dem Schutzbereich des betreffenden Tatbestandes. Das schließt nicht aus, dass die Möglichkeit, ausländische Normen zur Konkretisierung von Tatbestandsmerkmalen heranzuziehen, im Einzelfall Voraussetzung dafür sein kann, dass ein ausländisches Rechtsgut auch tatsächlich von dem deutschen Tatbestand geschützt wird. Die „faktische“ Reichweite des Schutzbereichs eines akzessorisch ausgestalteten Tatbestandes kann davon abhängen, inwiefern einerseits inländische Ausfüllungs- und Ergänzungsnormen auch bei der Beurteilung von Sachverhalten mit Auslandsbezug heranzuziehen sind und inwiefern andererseits in solchen Fällen die Heranziehung ausländischer gleichgerichteter Normen möglich ist. Das Problem der „Fremdrechtsanwendung“ – und, korrespondierend, das der Reichweite der Anwendung eigenen (Zivil- und Verwaltungs-) Rechts – ist also auch für die Schutzbereichsproblematik bedeutsam, genauer bei

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der Frage, ob ein Tatbestand ausnahmsweise in seinem Schutzbereich auf inländische Rechtsgüter beschränkt sein kann. Eine kurze kritische Auseinandersetzung mit den vertretenen Lösungsansätzen zur Fremdrechtsanwendung und die Skizzierung eines gangbaren Lösungsweges sollen daher nicht unterbleiben, auch wenn das Problem im Rahmen dieser Untersuchung keiner abschließenden Lösung zugeführt werden kann.

d) Die verschiedenen Theorien zur Fremdrechtsanwendung in kritischer Würdigung – geeignete Ansätze zur Bewältigung der Problematik? aa) Ermittlung der heranzuziehenden Rechtsordnung mit Hilfe der Kollisionsnormen des deutschen Rechts Zur Ermittlung der maßgeblichen Rechtsordnung deutsches Kollisionsrecht heranzuziehen, scheint auf den ersten Blick eine recht „elegante“ Lösung zu sein. Sie ist insofern effektiv, als kollisionsrechtliche Normen stets eine bestimmte Rechtsordnung berufen, so dass die herausgearbeiteten Einzelfragen – wie weit gehen einerseits inländische Ausfüllungsnormen in ihrer territorialen Reichweite und wie weitgehend sind andererseits ausländische heranzuziehen? – stets zugunsten der einen oder anderen Rechtsordnung gemeinsam beantwortet werden und sich insofern keine Normenkonflikte ergeben können. Es erscheint zunächst auch einleuchtend, für Normen aus Gebieten, die ihre eigenen Kollisionsregeln haben, eben diese heranzuziehen, auch wenn sie im Rahmen der Subsumtion unter einen strafrechtlichen Tatbestand Bedeutung erlangen.496 Andererseits hat der Ansatz Schwächen. So behauptet Cornils, der Verweis auf Normen des (deutschen) Zivil- und Verwaltungsrechts sei stets nur im Zusammenhang mit den dazugehörigen Kollisionsregeln zu sehen.497 Wenn man berücksichtigt, dass die betreffenden Strafrechtsnormen nie auf ein gesamtes Rechtsgebiet verweisen, sondern stets nur einen bestimmten Ausschnitt oder sogar nur bestimmte Normen aus einem solchen Gebiet in Bezug nehmen, ist diese Sichtweise nicht zwingend. Ob man dem Gesetzgeber aufgrund der Formulierung entsprechender Verweise den Willen unterstellen kann, dadurch auch das gesamte Kollisionsrecht eines Rechtsgebiets – bzw. zumindest die für die betreffenden Normen geltenden Kollisionsregeln – mit unmittelbarer Wirkung für die Reichweite der Straftatbestände in Bezug zu nehmen, lässt sich bezweifeln. Dies gilt insbesondere, weil es aufgrund der unterschiedlichen rechtspolitischen Interessen, die die Ausgestaltung von IPR und Internationalem 496 Liebelt, GA 1994, 20, 22 f. ist der Auffassung, im Bereich zivilrechtlicher Inzidentfragen dränge sich „eine Anwendung der Kollisionsnormen des deutschen internationalen Privatrechts geradezu auf“; eine Heranziehung der Kollisionsnormen des IPR sei der „prima facie gleichsam zwingend anmutende Lösungsansatz“. 497 Cornils, S. 71 f.

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öffentlichen Recht einerseits und (Internationalem) Strafrecht andererseits prägen, problematisch sein könnte, die Regeln der erstgenannten Rechtsbereiche „unbesehen“ auch im Bereich des Strafrechts Wirkung entfalten zu lassen.498 Dass die Entscheidung über die anzuwendenden Rechtsnormen mithilfe des jeweiligen Kollisionsrechts in jedem Fall – und insbesondere unterschiedslos für die Konkretisierung normativer Tatbestandsmerkmale als auch für die Ausfüllung von Blanketttatbeständen – zu einer Anwendung ausländischen Rechts führen kann, ist zudem verfassungsrechtlich, namentlich im Hinblick auf Bestimmtheitsgrundsatz und Parlamentsvorbehalt, äußerst bedenklich. bb) Der Ansatz Liebelts (1) Die zwei Differenzierungsschritte Liebelts Auch der Ansatz Liebelts kann nicht uneingeschränkt überzeugen. Seine Differenzierung zwischen „rechtsgutkonkretisierenden“ Merkmalen und solchen, die die Beeinträchtigung des Rechtsguts umschreiben, hat zunächst etwas für sich, scheint sie doch angemessener als eine jeden Unterschied einebnende „Pauschallösung“. Für rechtsgutkonkretisierende Merkmale (beispielsweise die „Fremdheit“ der Sache in den §§ 242, 246; die Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen in § 266 Abs. 1 oder die formelle Gültigkeit der ersten Ehe in § 172) hält Liebelt stets die Rechtsordnung für maßgeblich, unter der das betreffende Gut begründet wurde. Dies sei „notwendige Folge der Tatsache [ . . . ], daß das deutsche Strafrecht grundsätzlich auch ausländische Rechtsgüter schützen will“, und gelte „unabhängig davon, ob eine Inlands- oder Auslandstat in Rede steht“.499 Bei „rechtsgutbeeinträchtigenden“ Merkmalen (etwa der Rechtswidrigkeit der Zueignung in den §§ 242, 246 bzw. der Vermögensverschiebung in § 263 Abs. 1 sowie der formellen Gültigkeit der zweiten Ehe in § 172)500 differenziert Liebelt weiter, und zwar danach, aus welcher Norm sich jeweils die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf den betreffenden Sachverhalt ergibt. Wenn der Anknüpfungspunkt durch den Selbstschutz des Staates legitimiert sei (was bei den Prinzipien der Fall sei, die den §§ 3 bis 7 Abs. 1 zugrunde liegen), bestehe der Unwertgehalt der zugrunde liegenden Tat in einem Verstoß gegen die inländische Rechtsordnung, weil die Bewertungsfunktion des deutschen Strafrechts insoweit „universell“ sei. Das strafrechtliche Unrecht werde in diesen Fällen durch die inländische Rechtsordnung spezifiziert, so dass auch außerstrafrechtliche Inzidentfragen mit Hilfe der inländischen Normen (einschließlich der Kollisionsnormen) beantwortet werden müssten.501 Bei einer Anknüpfung nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 oder § 7 Abs. 2 Nr. 2 sei LegitimaVgl. schon Liebelt, S. 208 ff., 212. Liebelt, S. 233 f.; vgl. auch ders., NStZ 1993, 544 sowie GA 1994, 20, 27 ff. 500 Liebelt, GA 1994, 20, 27. 501 Liebelt, GA 1994, 20, 34 f.; näher ders., S. 235 ff. (ohne dort allerdings schon ausdrücklich auf die Kollisionsnormen des deutschen Rechts abzustellen). 498 499

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tionsgrundlage dagegen die Solidarität der Staaten; die Bestrafung des Täters beruhe hier auf einer Störung fremden Rechtsfriedens, auf einem Verstoß gegen die am Tatort geltende Rechtsordnung. Das deutsche Strafrecht sei insofern nur „lokale“, auf das Inland beschränkte Bewertungsnorm und für die Spezifizierung des Unrechts sei die ausländische Rechtsordnung maßgeblich, so dass auch Tatbestandsmerkmale außerstrafrechtlicher Prägung mit den Vorschriften des jeweiligen Tatortrechtes (einschließlich der durch das dort geltende Kollisionsrecht berufenen Sachnormen) auszufüllen seien.502 (2) Die zweifelhafte Begründung für eine abweichende Behandlung „rechtsgutkonkretisierender“ Tatbestandsmerkmale Die Begründung, die Liebelt für seine zunächst plausibel scheinende Unterscheidung zwischen „rechtsgutkonkretisierenden“ und „rechtsgutbeeinträchtigenden“ Merkmalen anführt, weckt allerdings Zweifel. Der Autor hält die Differenzierung für berechtigt, weil über die rechtsgutsbezogenen Schutzbereichsgrenzen der einzelnen Straftatbestände „autonom durch Auslegung der Strafnormen“ entschieden werde, während die tatbestandlich umschriebene Beeinträchtigung der gegebenenfalls geschützten ausländischen Rechtsgüter mit der „Geltung“ des inländischen Strafrechts verbundene Probleme aufwerfe503 und daher „nicht ohne Berücksichtigung der §§ 3 ff. StGB entschieden werden“ könne.504 Da bei zutreffender Beurteilung die „Schutzbereichsfrage“ eine im Rahmen der §§ 3 – 7 anzusiedelnde und ebenfalls die „Geltung“ des deutschen Strafrechts betreffende ist, verliert die von Liebelt vorgenommene Differenzierung ihre Berechtigung. Darüber hinaus ist die Aussage Liebelts, bei rechtsgutkonkretisierenden Merkmalen sei zwangsläufig stets die Rechtsordnung maßgeblich, unter der das betreffende Gut begründet wurde, auch im Ergebnis zunächst fragwürdig, wenn man davon ausgeht, das deutsche Strafrecht schütze grundsätzlich auch ausländische Rechtsgüter. Überwiegend wird der Begriff des „ausländischen Rechtsgutes“ nämlich im Sinne eines solchen Gutes verstanden, dessen Träger zwar ein ausländisches Individuum oder ein ausländisches Kollektiv ist, das nach unserer inländischen Rechtsordnung aber Rechtsgutsqualität besitzt.505 Davon ausgehend liegt es auf den ersten Blick nahe, anzunehmen, es sei stets die inländische Rechtsordnung, die für die „Rechtsgutsqualität“ maßgeblich sei. Mit anderen Worten: Das deutsche Strafrecht schütze zwar ausländische Rechtsgüter, aber nur in dem Umfang, in dem es auch vergleich502 Liebelt, GA 1994, 20, 35 f.; näher ders., S. 237 f. (wiederum noch ohne ausdrücklichen Hinweis auf die Kollisionsnormen des Tatortrechts). 503 Liebelt, GA 1994, 20, 27. 504 Liebelt, S. 235 f. 505 So auch Günther-Nicolay, S. 119; Obermüller, S. 43 f., 46; Lüttger, FS Jescheck, 121; MüKo-Ambos, Vor §§ 3 – 7 Rn. 81; ders., Internationales Strafrecht § 1 Rn. 31; Reschke, S. 28 ff., 30; v. Weber, Festgabe v. Frank Bd. 2, 269, 275 ff.; vgl. zur uneinheitlichen Terminologie schon oben A. I. m. Fn. 7 und B. I. 1. a) m. Fn. 56.

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bare inländische schützt, so dass für die „Begrenzungen“ des Rechtsgutes deutsches Zivil- und Öffentliches Recht den Beurteilungsmaßstab bilde. (3) Die unzutreffenden Folgerungen aus dem Begriff der universellen Bewertungsfunktion für den Bereich der „rechtsgutbeeinträchtigenden“ Merkmale Auch die Unterscheidung innerhalb der „rechtsgutbeeinträchtigenden“ Merkmale je nach Anknüpfungspunkt überzeugt nicht. Sie beruht auf einem Verständnis Liebelts vom Begriff der „universellen Bewertungsfunktion“ des deutschen Strafrechts, das in zu starkem Maße von der Betrachtung der historischen Entwicklung der §§ 3 ff. geprägt ist.506 Liebelt entfaltet den Begriff der „universellen Bewertungsfunktion“ ausgehend von der Tatsache, dass die Einführung des (uneingeschränkten) aktiven Personalitätsprinzips als Grundprinzip des Strafanwendungsrechts im Nationalsozialismus durch die Geltungsbereichsverordnung von 1940507 die „Bindung des Täters an die Norm“ gewährleisten sollte, also die Bindung des Deutschen an die deutsche Rechtsordnung, wo immer er sich befand.508 Damit sei aber zwingend verbunden, dass die Umschreibung des strafrechtlichen Unrechts allein Aufgabe des deutschen Rechts sei; den Rechtssätzen des ausländischen Tatortes, ob strafrechtlicher oder außerstrafrechtlicher Prägung, könne höchstens eine „Kontrollaufgabe“ zukommen.509 Diese Voraussetzung sei in der Geltungsbereichsverordnung vollständig verwirklicht gewesen.510 Durch das Dritte Strafrechtsänderungsgesetz habe sich an der bloßen Kontrollaufgabe des Prinzips der identischen Norm nichts geändert; das deutsche Strafrecht habe auch nach 1953 „universelle Bewertungsnorm jedes menschlichen Verhaltens“ bleiben sollen.511 Liebelt macht damit die Funktion, die dem Erfordernis der identischen Tatortnorm vom Gesetzgeber jeweils zugedacht ist, zur Voraussetzung dafür, ob auch im Falle von Auslandstaten dem deutschen Strafrecht ein „universeller Bewertungsanspruch“ zukommt. Anders gewendet: Er geht grundsätzlich von einem „universellen Bewertungsanspruch“ aus und lässt eine andere Interpretation nur zu, sofern das Erfordernis der identischen Norm Ausdruck dafür sei, dass sich das deutsche Strafrecht nur eine „stellvertretende“ Position zumesse. Für das geltende Internationale Strafrecht sieht Liebelt diese Voraussetzung in allen drei Bezeichnend dafür etwa die zusammenfassenden Ausführungen bei Liebelt, S. 150 f. Vom 06. 05. 1940, RGBl. I, S. 754 f. 508 Liebelt, S. 54 ff. Vgl. zur Entwicklung des Strafanwendungsrechts in der Zeit des Nationalsozialismus allgemein etwa A. Schmitz, S. 165 ff. 509 Liebelt, S. 51 f.; 60 f. 510 Und zwar indem das aktive Personalitätsprinzip nur durch eine „negative Strafwürdigkeitsklausel“ begrenzt war und in den Fällen, in denen die Geltung des deutschen Strafrechts von einer identischen Tatortnorm abhängig gemacht wurde, dies allein der Erleichterung des gerichtlichen Schuldnachweises diente; vgl. ausführlich Liebelt, S. 61 ff., 79 f. 511 Liebelt, S. 82 ff., 86. 506 507

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Regelungen des § 7 Abs. 2 verwirklicht:512, 513 Insofern folge die Bewertung als strafrechtliches Unrecht aus einem Verstoß gegen die ausländische Rechtsordnung; allein dieser komme daher ein Bewertungsanspruch zu und auch außerstrafrechtliche Inzidentfragen seien nach ihr zu beurteilen.514 Dem eingeschränkten aktiven Personalitätsprinzip und dem Grundsatz der stellvertretenden Strafrechtspflege komme insoweit „die Aufgabe zu, den inländischen Strafbestimmungen jeweils die Normen der am ausländischen Tatort bestehenden Rechtsordnung zu unterlegen“.515 Liebelts Terminologie weicht damit von der üblicherweise verwendeten ab, nach der auch die heutige Ausgestaltung der §§ 3 – 7 die Annahme, der Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts sei generell „universell“, ebenso zulässt wie die Annahme, er sei generell „beschränkt“. Wenn von dem universellen Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts hier die Rede war, dann in dem Sinne, dass es sich unabhängig von den Voraussetzungen der §§ 3 – 7 als Unrechtsmaßstab sieht und jedes Verhalten, dass unter einen Deliktstatbestand des Besonderen Teils subsumiert werden kann, für „Unrecht“ erachtet. Einzig die Möglichkeit einer Sanktionierung durch deutsche Gerichte hinge demnach von den Voraussetzungen der §§ 3 – 7 ab. Eine solche Sichtweise wurde abgelehnt: Mit dem Völkerrecht ist es allein vereinbar, dem deutschen Strafrecht einen „beschränkten“ Bewertungsanspruch zuzuerkennen in dem Sinne, dass das Vorliegen einer der Voraussetzungen der §§ 3 – 7 für das Unrecht der Tat mitkonstituierend ist, nur für den Fall also, dass ein Bezug zur deutschen Rechtsordnung besteht, das deutsche Strafrecht sich mit seinen Verhaltensnormen an den einzelnen wendet. Dies widerspricht auch der Vorstellung Liebelts nicht. Wenn er gleichwohl für die §§ 3, 4, 5, 6 und 7 Abs. 1 von einem weiterhin „universellen“ Bewertungsanspruch spricht, dann will er damit nur ausdrücken, dass das deutsche Recht insofern „auf allen Ebenen“ zur Konkretisierung des Unrechts berufen sei. Die §§ 3 – 7 wirkten insofern „selbst unrechtsbegründend, indem sie im Zuge der §§ 5, 6 und 7 Abs. 1 das deutsche und bei den §§ 7 Abs. 2 Nr. 1 und 2 das ausländische Recht zur Konkretisierung des 512 Liebelt, S. 123 ff., zusammenfassend a. a. O. S. 146 ff., 192 ff. und ders., GA 1994, 20, 35 f. Bei § 7 Abs. 2 Nr. 1 sei der Strafanspruch zwar originär begründet, enthalte jedoch insofern ein Element des stellvertretenden Strafrechts, als der Unrechtsgehalt der Tat dem ausländischen Recht entnommen werden müsse (Liebelt, S. 134 ff., 140; vgl. zu dieser Unstimmigkeit auch schon Nowakowski, JZ 1971, 633, 638). 513 In § 7 Abs. 1 komme dem Erfordernis der identischen Norm dagegen weiterhin nur eine korrektivierende, auf Gerechtigkeitserwägungen gründende Aufgabe zu; der Täter solle aber aufgrund einer Verletzung der inländischen Rechtsordnung bestraft werden (vgl. Liebelt, S. 114 ff.). 514 Liebelt spricht davon, dem deutschen Strafrecht komme insoweit nur eine „lokale Bewertungsfunktion“ zu (Liebelt, S. 142, 146). Das ist zumindest missverständlich: Nach der Interpretation Liebelts misst sich das deutsche Strafrecht für die Fälle des § 7 Abs. 2 gar keinen Bewertungsanspruch zu, weil der Bewertungsanspruch grundsätzlich (lokal) auf das Inland beschränkt ist. 515 Liebelt, S. 215 f.

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Unrechts berufen“.516 Für Liebelt ist der „beschränkte Bewertungsanspruch“ (im Falle des § 7 Abs. 2) also Voraussetzung dafür, dass zur Konkretisierung von Tatbestandsmerkmalen außerstrafrechtliche Rechtsnormen des Tatortrechts herangezogen werden können; der „universelle Bewertungsanspruch“ (in den anderen Fällen) führt nach seiner Auffassung notwendig dazu, dass nur deutsche Normen konkretisierungs- bzw. ausfüllungsfähig sind. Damit geht Liebelt in einer Weise mit den Begriffen um, die wohl in allererster Linie an der Fragestellung seiner Untersuchung orientiert ist. Sein Schluss ist aber weder in die eine noch in die andere Richtung zwingend. Jedenfalls ausgehend von dem Standpunkt, der Bewertungsanspruch sei in jedem Fall ein nur „beschränkter“ schon deshalb, weil er durch die Voraussetzungen der §§ 3 – 7 beschränkt ist, lässt sich daraus für die Frage, inwiefern das (außerstrafrechtliche) Tatortrecht für die Beurteilung der Tat Bedeutung erlangen kann, nichts herleiten. Es ist danach einerseits nicht zwingend, in den Fällen des § 7 Abs. 2 das Recht des Tatortes für außerstrafrechtliche Inzidentfragen heranzuziehen. Selbst, wenn – wovon Liebelt ausgeht – alle drei Regelungen auf dem Gedanken der Solidarität der Staaten beruhen: § 7 Abs. 2 ordnet die Anwendung des deutschen Strafrechts an, so dass das Verhalten, um nach deutschem Recht bestraft werden zu können, jedenfalls auch dem Tatbestand eines deutschen Strafgesetzes unterfallen muss, und insofern misst sich auch das deutsche Strafrecht einen „Bewertungsanspruch“ zu.517 Andererseits folgt aus dem Fehlen des Erfordernisses einer identischen Norm in den §§ 5 und 6 bzw. dem nach Liebelt ausschließlich auf Gerechtigkeitserwägungen beruhenden Erfordernis einer identischen Norm in § 7 Abs. 1 nicht, dass ausländisches Recht in diesen Fällen unter keinen Umständen zur Konkretisierung und Ausfüllung von Tatbestandsmerkmalen außerstrafrechtlicher Prägung herangezogen werden darf:518 Der „universelle“ Bewertungsanspruch kann insofern auf die anzuwendenden Straftatbestände beschränkt sein.

Liebelt, S. 193. Zwar weist Liebelt, S. 215 f. darauf hin, dass eine begriffliche Trennung von Straftatbestand und Verhaltensnorm es ermögliche, den Strafbestimmungen (in den Fällen des § 7 Abs. 2) „jeweils die Normen der am ausländischen Tatort bestehenden Rechtsordnung zu unterlegen“. Eine vollständig von den deutschen (!) Straftatbeständen unabhängige Konstruktion der Verhaltensnormen des deutschen Strafrechts ist aber selbstverständlich nicht möglich. 518 Das gesteht auch Liebelt, S. 260 jedenfalls insofern ein, als er eine Ausnahme für „ortsgebundene Vorschriften“ macht: Der Sachverhalt sei zwar „in jeder Hinsicht so zu behandeln, als habe er sich im Inland abgespielt“ – „ortsgebundene“ Vorschriften, wie etwa die Verkehrsregeln, seien allerdings „dem ausländischen Rechtskreis zu entnehmen“. 516 517

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cc) Differenzierung zwischen normativen Tatbestandsmerkmalen und Blankettmerkmalen als gangbarer Weg (1) Geringe Berücksichtigung des Unterschieds zwischen rechtlich-normativen Tatbestandsmerkmalen und Blankettmerkmalen in der bisherigen Diskussion Bei der Diskussion um die „Fremdrechtsanwendung“ ist möglicherweise bisher der Unterscheidung zwischen rechtlich-normativen Tatbestandsmerkmalen i. e. S. und Blankettmerkmalen zu wenig Beachtung geschenkt worden. Sich bei der Anwendung eines deutschen Straftatbestandes der Normen einer ausländischen Rechtsordnung zu bedienen, dürfte nämlich insbesondere verfassungsrechtliche Probleme aufwerfen. Dass die beiden Typen rechtlich vorgeprägter Tatbestandsmerkmale gerade auch aus verfassungsrechtlicher Perspektive nicht „in einen Topf geworfen“ werden können, ist indes weitgehend anerkannt. Demgegenüber spricht etwa Liebelt ganz allgemein von „außerstrafrechtlichen Inzidentfragen519“ und differenziert dabei nicht zwischen konkretisierungsbedürftigen normativen Tatbestandsmerkmalen und ausfüllungsbedürftigen Blankettmerkmalen.520 Cornils weist zwar darauf hin, dass es Fälle der „ausdrücklich verweisenden“ Akzessorietät in Form der Blankettgesetzgebung gebe und solche der „stillschweigend verweisenden“ Akzessorietät, in denen der Tatbestand zwar hinsichtlich der Strafbestimmung „vollständig“ sei, sich aber einzelner ausfüllungsbedürftiger Begriffe bediene.521 Die Autorin misst der Unterscheidung allerdings nur insofern Bedeutung zu, als sie sich in ihrer Untersuchung „auf den Bereich der stillschweigend verweisenden Akzessorietät durch rechtlich-normative Tatbestandsmerkmale konzentrieren“ will, weil dies „die häufigste Form der strafrechtlichen Bezugnahme auf andere Rechtsgebiete“ darstelle.522 Bei der Entwicklung ihrer Lösung differenziert sie nicht mehr und formuliert auch das Ergebnis entsprechend vorsichtig dahingehend, das deutsche Strafrecht lasse die Heranziehung ausländischer Liebelt, GA 1994, 20. Dass er der Unterscheidung keinerlei Bedeutung zumisst, wird auch aus seinen Ausführungen zu § 283 b Abs. 1 Nr. 1 in einer Anmerkung zur Entscheidung des OLG Karlsruhe NStZ 1985, 317 (Liebelt, NStZ 1989, 182) deutlich: Es sei schon zu kritisieren, dass das Gericht in der Norm ein „sog. unechtes Blankettstrafgesetz“ sehe, da mehr dafür spreche, die Verpflichtung zur Führung von Handelsbüchern als normatives Tatbestandsmerkmal aufzufassen. Diesem Punkt solle „indes [ . . . ] nicht weiter nachgegangen werden“. 521 Cornils, S. 11. Die Autorin bildet darüber hinaus die Kategorie der „indirekten“ Akzessorietät, in die sie alle anderen Fälle einordnet, in denen zivil- oder verwaltungsrechtliche Vorschriften für die Prüfung von Verbrechensmerkmalen maßgebend sind. Dabei nennt sie die Voraussetzungen der Garantenpflicht im Rahmen der Unterlassungsdelikte, die Konkretisierung der objektiven Sorgfaltspflicht im Fahrlässigkeitsbereich und den Ausschluss der Rechtswidrigkeit, a. a. O. S. 12. 522 Cornils, S. 72. 519 520

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zivil- und verwaltungsrechtlicher Vorschriften (mittels einer Berufung durch deutsches Kollisionsrecht) „zumindest im Bereich der stillschweigend verweisenden Akzessorietät“ zu.523 Erst in ihrer Schlussbemerkung greift Cornils erneut die unterschiedlichen Formen strafrechtlicher Akzessorietät ausdrücklich auf und stellt für das von ihr so genannte Gebiet der „ausdrücklich verweisenden Akzessorietät durch Blankettgesetze“ fest, hier entscheide „der Umfang des Schutzbereichs zugleich darüber, ob die Ergänzungsnorm im Einzelfall einer ausländischen Rechtsordnung zu entnehmen ist“.524 Im Ansatz differenziert auch Ambos zwischen Blankettmerkmalen und anderen (nicht näher spezifizierten) Verweisungen auf außerstrafrechtliche Rechtsverhältnisse, ohne für die unterschiedliche Behandlung allerdings eine Begründung zu liefern. Während bei Blankettmerkmalen die ausfüllenden Normen „grundsätzlich nicht“ dem ausländischen Recht entnommen werden dürften, könne dies anders sein, wenn die Norm auf außerstrafrechtliche Rechtsverhältnisse verweise, die zu den Tatumständen gehören. Zur Klärung der sich daraus ergebenden ziviloder verwaltungsrechtlichen Inzidentfragen könne das Tatortrecht von Bedeutung sein.525 Noch deutlicher bekennen sich Werle und Jeßberger: Das Vorliegen eines normativen Tatbestandsmerkmals könne von einer nach ausländischem Recht zu beurteilenden Rechtsfrage abhängen; aus der (von den §§ 3 – 7 angeordneten) Geltung des deutschen Strafrechts folge allerdings, dass zur Ausfüllung eines Blankettstrafgesetzes allein inländische Rechtsnormen heranzuziehen seien.526 Ebenso weist Walter ausdrücklich darauf hin, dass der Verweis auf „vorstrafrechtliche“ Normen in zwei Formen möglich sei, nämlich durch ein Blankett oder durch ein normatives Tatbestandsmerkmal.527 Während er für normative Tatbestandsmerkmale der Lösung Cornils zugeneigt ist, gesteht Walter für Blankettmerkmale ein, dass hier „auf den ersten Blick“ eine Ausfüllung durch ausländische Rechtsnormen nicht in Betracht komme.528 Dies lasse sich aber dadurch umgehen, dass man Blankett und Ausfüllungsnorm zusammenlese und „so tue“, als stehe die (deutsche) Ausfüllungsnorm wörtlich statt des Blankettmerkmals in dem Straftatbestand. Danach habe man es „allenfalls noch mit normativen Tatbestandsmerkmalen zu tun“, für die man dann wieder auf fremdes Recht zurückgreifen dürfe.529 Cornils, S. 98. Cornils, S. 122. 525 MüKo-Ambos, § 7 Rn. 8. 526 LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 333 f. 527 Walter, JuS 2006, 870. 528 Walter, JuS 2006, 870. 529 Walter, JuS 2006, 870. Der Verweis Walters auf OLG Karlsruhe NStZ 1985, 317 bezieht sich auf die Behauptung des Gerichts, die Auslegung des (dem § 91 AktG entnommenen) Tatbestandsmerkmals „Vorstand einer Aktiengesellschaft“ hänge „von außerstrafrechtlichen Vorfragen ab, zu deren Beantwortung nach allgemeiner Meinung, der sich der Senat anschließt, das Recht des Tatorts heranzuziehen ist“, so dass grundsätzlich auch ein (anders benanntes) Organ einer ausländischen Aktiengesellschaft, das die Aufgaben des Vorstands 523 524

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Im Gegensatz dazu steht auch Rönnau der Ausfüllung von Blankettmerkmalen durch ausländische Vorschriften im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 3 GG generell skeptisch gegenüber,530 während nach seiner Ansicht die Heranziehung ausländischen Rechts zur Ausfüllung normativer Tatbestandsmerkmale grundsätzlich keine Probleme bereitet, weil hier nur der „Regelungseffekt“ der außerstrafrechtlichen Normen in das Strafrecht übernommen werde.531 Die vorgenommene Differenzierung wird allerdings weitgehend zurückgenommen, wenn Rönnau (jedenfalls für den von ihm behandelten Bereich der §§ 283, 283b und 266) resümierend formuliert, auch, wer einen Tatbestand als „geschlossen“ und nur normative Tatbestandsmerkmale verwendend qualifiziere, müsse – jedenfalls sofern über die Einstufung als Blankettstraftatbestand ernsthaft gestritten werde – die Fragen nach ausreichender Bestimmtheit und parlamentarischer Legitimation beantworten, wenn er eine Heranziehung ausländischer Normen in Betracht ziehe. Denn „vor dem Hintergrund fließender Übergänge“ wolle es „nicht recht einleuchten, dass allein durch ihre Charakterisierung als Straftatbestände mit normativen Tatbestandsmerkmalen die aufgezeigten rechtsstaatlichen Defizite sollen vermieden werden können, obwohl die Strafbarkeit wesentlich durch ausländisches Recht vorstrukturiert ist“.532 (2) Der wesentliche Unterschied zwischen normativen Tatbestandsmerkmalen und Blankettmerkmalen Der Verschiedenheit von rechtlich-normativen Tatbestandsmerkmalen und Blankettmerkmalen wird mit einer undifferenzierten Behandlung beider Typen von Tatbestandsmerkmalen hinsichtlich der Frage, in welchen Fällen sie durch ausländisches Recht auszufüllen sind, nicht hinreichend Rechnung getragen. Die Abgrenzung der beiden Gruppen voneinander ist zwar nicht immer einfach,533 der einer deutschen Aktiengesellschaft hat, als Täter des § 283b Abs. 1 Nr. 1 in Betracht komme. Auch wenn es sich bei dem Begriff „Vorstand einer Aktiengesellschaft“ – was nahe liegt – um ein normatives Tatbestandsmerkmal handelt, sind die Ausführungen des Gerichts insofern zweifelhaft, als Normadressat des § 91 AktG schlicht der Vorstand einer Aktiengesellschaft (i. S. d. deutschen AktG) ist und die Ersetzung dieses Begriffs durch das entsprechende Organ einer ausländischen Aktiengesellschaft über den Wortlaut hinausginge. An anderer Stelle stellt das Gericht zudem ausdrücklich fest, dass die Ausfüllung eines Blankettstrafgesetzes durch ausländisches Recht nicht in Betracht komme, weil Blankettgesetz und ausfüllende Norm „erst in ihrem Zusammenwirken die Strafvorschrift bilden“, so dass man, wenn man zur Blankettausfüllung ausländische Normen heranzöge, Tatbestandsmerkmale unmittelbar dem ausländischen Gesetz entnehmen würde. Die Entscheidung lässt sich daher nicht zur Unterstützung der These anführen, auch bei Blankettmerkmalen komme eine Ausfüllung durch ausländisches Recht in Betracht. 530 Rönnau, ZGR 2005, 832, 848 ff., 853 ff., vgl. dazu noch unten (3) m. Fn. 540. 531 Rönnau, ZGR 2005, 832, 847 f. 532 Rönnau, ZGR 2005, 832, 857. 533 Vgl. zu den verschiedenen Abgrenzungsversuchen in Literatur und Rechtssprechung Enderle, S. 90 ff.

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Unterschied ist indessen bedeutsam und dürfte es auch für die Frage sein, inwiefern eine Bezugnahme ausländischer außerstrafrechtlicher Rechtssätze im Rahmen der Subsumtion unter den Straftatbestand in Betracht kommt. Strafgesetze mit Blankettmerkmalen zeichnen sich – nach einem materialen Verständnis – nämlich dadurch aus, dass sie „unvollständig“ sind und schon für die Bildung einer (vollständigen) Verhaltensnorm (auch: „Bestimmungsnorm“) einer Ausfüllung durch weitere Normen bedürfen, während sich Tatbeständen mit normativen Tatbestandsmerkmalen der Verhaltensappell auch ohne Hinzuziehung der konkretisierenden Normen entnehmen lässt.534 Bei rechtsnormativen Tatbestandsmerkmalen werden durch die in Bezug genommenen Vorschriften nämlich nur die Voraussetzungen der „Extension“ des Tatbestandsmerkmals bestimmt, während bei Blanketttatbeständen durch die blankettausfüllenden Normen bereits die „Intension“ des Tatbestandsmerkmals mitbestimmt wird.535 Die Verhaltensnorm, an der sich der Einzelne orientieren soll, ergibt sich bei Blankettgesetzen mit anderen Worten nur aus einer Zusammenschau von Blanketttatbestand und Ausfüllungsnorm;536 bei rechtsnormativen Tatbestandsmerkmalen haben die in Bezug genommenen Vorschriften dagegen nur Bedeutung für die Menge der Sachverhalte, auf die der Normappell zutrifft. In anderen Bereichen des Strafrechts ist es durchaus üblich, diesem wesentlichen Unterschied durch die Formulierung divergierender Regeln für Blankettmerkmale einerseits und normative Tatbestandsmerkmale andererseits Rechnung zu tragen. So ist weitgehend anerkannt, dass bei Blankettstrafgesetzen die Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG auch an die ausfüllende Regelung zu stellen sind,537 während bei einem normativen Tatbestandsmerkmal nur dieses selbst Art. 103 Abs. 2 GG 534 Vgl. etwa Schmitz, Jura 2003, 593, 599 f.; Bachmann, Vorsatz und Rechtsirrtum im Allgemeinen Strafrecht und im Steuerstrafrecht, 1993, S. 32; NK-Puppe, § 16 Rn. 20 ff.; dies., GA 1990, 145, 162 ff.; Enderle, S. 225 (Blankettstraftatbestände aufgrund eines „Mangels in der Verhaltensbeschreibung“ ohne die Ausfüllungsnorm „sinnlos“). Auch BVerfGE 78, 205, 213: Tatbestände mit normativen Tatbestandsmerkmalen umschreiben im Gegensatz zu Blankettstrafgesetzen das mit Strafe bedrohte Verhalten vollständig und ohne Bezugnahme auf andere Normen; sie bedürfen nur der Auslegung anhand der Gesetze, auf die sie abstellen. 535 Der Begriff der „Extension“ bezeichnet die Summe der möglichen Umstände, die das Tatbestandsmerkmal ausfüllen können. Die „Intension“ eines Tatbestandsmerkmals ist dagegen seine Bedeutung und beinhaltet die Summe der Eigenschaften, die ein Umstand aufweisen muss, um mit dem Begriff bezeichnet werden zu können (vgl. Schmitz, Jura 2003, 593, 596 m. Fn. 57). Die dem Strafgesetz zugrunde liegende Verhaltensnorm, also das an den Täter gerichtete Verbot bzw. Gebot, ist immer intensional formuliert und nie extensional. Aufgabe der Bestimmungsnorm ist es nämlich, dem Täter den Sinn des Strafgesetzes nahe zu bringen, und nicht die Anzahl der Sachverhalte, die unter den Tatbestand fallen. Die Extension ist lediglich für den Richter interessant, der prüfen muss, ob das konkrete Täterverhalten unter den Tatbestand fällt (vgl. Bachmann, S. 119). 536 Schmitz, Jura 2003, 593, 599; Bachmann, S. 34. 537 BVerfG 23, 265, 270; Roxin, AT I § 5 Rn. 40; Enderle, S. 351, 354; Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 201.

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genügen muss; die merkmalumschreibenden Normen prüft das BVerfG lediglich am Maßstab des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebots.538 Die Übernahme außerstrafrechtlicher Analogien soll hier zulässig sein: Wo das Strafrecht sich nur „an Begriffsbildungen anderer Rechtsgebiete anschließt“, und zwar durch die Verwendung normativer Tatbestandsmerkmale, verhalte es sich „in vollem Umfang akzessorisch“, schütze also beispielsweise auch das praeter legem entwickelte Sicherungseigentum.539 Im Bereich der Fremdrechtsanwendung ist der Verschiedenheit der beiden Arten von verweisenden Tatbestandsmerkmalen nicht weniger Beachtung zu schenken. (3) Keine Ausfüllung von Blankettmerkmalen durch ausländisches Recht Bei Blanketttatbeständen kann es schon im Hinblick auf den Parlamentsvorbehalt aus Art. 103 Abs. 2 bzw. 20 Abs. 3 GG nicht zulässig sein, das Blankettmerkmal durch ausländisches (Tatort-)Recht auszufüllen,540 zumal die Verweisung sinnvollerweise nur eine „dynamische“ sein könnte, also eine solche, die auf die jeweils gültige Fassung der ausländischen Gesetze Bezug nimmt. Schon der dynamische Verweis auf landesrechtliche Vorschriften oder EG-Verordnungen begegnet als „versteckte Verlagerung von Gesetzgebungsbefugnissen“541 unter rechtsstaatlichen und demokratischen Gesichtspunkten grundlegenden Bedenken,542 die sich bei einem stillschweigenden Verweis auf Rechtsnormen eines fremden staatlichen Gesetzgebers noch erheblich verstärken müssten.543 Insbesondere (und selbst für den Fall, dass die Verweisungen als „statische“ verstanden würden, die auf die aus538 BVerfG 78, 205, 213. Zur diesbezüglichen Rechtsprechung des BVerfG ausführlich Enderle, S. 113 ff.; zusammenfassend a. a. O. S. 228. 539 Roxin, AT I § 5 Rn. 40; ebenso etwa Enderle, S. 153; Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 234; Schönke / Schröder-Eser, § 1 Rn. 33; BGH NStZ 1988, 30 m. zust. Anm. Seibert. 540 So für die in § 283 Abs. 1 Nr. 5 – 7 sowie § 283 b Abs. 1 Nr. 1 – 3 enthaltenen Verweise auf handelsrechtliche Pflichten bzw. das Handelsrecht zutreffend Rönnau, ZGR 2005, 832, 848: Es fehle hier jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass der Geltungsanspruch ausländischer Handelsgesetze auf inländischem Rechtssetzungswillen beruhe (so für § 283b Abs. 1 Nr. 1 auch schon OLG Karlsruhe NStZ 1985, 317). Bedenken gegen eine Ausfüllung durch ausländisches Recht im Hinblick auf Parlamentsvorbehalt und Bestimmtheitsgrundsatz äußert Rönnau (a. a. O. S. 853 ff.) auch bezüglich des Merkmals der Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht im von ihm als Vorschrift mit „blankettartigem Charakter“ bezeichneten § 266. 541 BVerfGE 47, 285, 312. 542 Vgl. für den Verweis auf Landesrecht etwa BVerfGE 47, 285, 312 ff.; für den Verweis auf EG-Verordnungen Enderle, S. 200. 543 Zumal die „in Bezug genommenen“ ausländischen Vorschriften, anders als die im Bundesgesetzblatt oder im Amtsblatt der EG veröffentlichten, dem Normadressaten nicht ohne Weiteres zugänglich sind, das Bundesverfassungsgericht eine durch „ordnungsgemäße Veröffentlichung“ ermöglichte Zugänglichkeit aber im Hinblick auf das Bestimmtheitserfordernis voraussetzt; vgl. etwa BVerfGE 47, 285, 311 m. w. N.

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ländischen Gesetze in der zum Zeitpunkt des Erlasses der deutschen Strafnorm jeweils geltenden Fassung Bezug nehmen) würde das deutsche Strafgesetz durch die Heranziehung der jeweiligen ausländischen Normen mit einer Vielzahl unterschiedlicher Verhaltensnormen unterlegt, deren genaue Ausgestaltung jeweils dem fremden Gesetzgeber überlassen wäre.544 Der Schutz ausländischer Rechtsgüter durch das deutsche Strafrecht kann aber nicht dazu führen, dass sich der Normappell „vervielfältigt“ und an die jeweiligen Ge- und Verbote in fremden Rechtsordnungen anpasst. Die Entscheidung, welches Verhalten dem Normadressaten abzuverlangen ist, muss in der Hand des deutschen Gesetzgebers liegen.545 Insofern, also in Bezug auf Blankettgesetze, ist der Ansicht, eine Fremdrechtsanwendung komme nicht in Betracht,546 also uneingeschränkt zuzustimmen. (4) Konkretisierung normativer Tatbestandsmerkmale durch das zuständige Recht (a) Heranziehung des zuständigen Rechts als grundsätzlich zwingende Folge der Entscheidung für den Schutz ausländischer Rechtsgüter Anders ist grundsätzlich die Konkretisierung normativer Tatbestandsmerkmale durch ausländisches Recht zu beurteilen: Wenn die ausländische verwaltungs- oder zivilrechtliche Norm in einem solchen Fall von der deutschen abweicht, ändert das nichts daran, dass der zu beurteilende Sachverhalt der Verhaltensnorm des deutschen Strafgesetzes zuwiderläuft.547, 548 Ein einfaches Beispiel: Kennt ein 544 Vgl. schon Forkel, S. 120, allerdings zu Unrecht nicht auf die Ausfüllung von Blankettmerkmalen beschränkt: Die Heranziehung außerstrafrechtlicher ausländischer Rechtssätze führe dazu, dass das inländische Recht den Anspruch auf eigenständige Verhaltenssteuerung aufgebe. 545 Vgl. LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 334: Nur inländische Rechtsnormen vervollständigten „ – gleichsam als dessen Teil – den Straftatbestand, um dessen Anwendung es geht.“ Weiterhin Forkel, S. 120: Fragwürdig, ob mit dem deutschen Strafrecht ausländische Ge- und Verbote durchgesetzt werden sollten. 546 Aus der Rspr. BGHSt 21, 277, 279 und OLG Frankfurt NJW 1965, 508, 509 (keine Ausfüllung des § 21 StVG a. F. durch österreichische Verkehrsvorschriften); AG Lörrach NStZ 1989, 182 und OLG Karlsruhe NStZ 1985, 317 (keine Ausfüllung des § 283 b Abs. 1 Nr. 1 durch Vorschriften des schweizerischen Obligationenrechts). Eine andere Frage ist, ob auch bei Auslandstaten die Ausfüllung des deutschen Blankettgesetzes durch deutsche Ausfüllungsnormen in Betracht kommt, so dass im Ergebnis der Straftatbestand trotz Unzulässigkeit einer Fremdrechtsanwendung erfüllt ist (bejahend BGHSt 21, 277, 279; OLG Karlsruhe NStZ 1989, 317; wohl auch LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 334: Zur Ausfüllung eines Blankettstrafgesetzes seien nur inländische Rechtsnormen heranzuziehen). 547 Eine andere Bewertung ergibt sich u. U. auf der Grundlage des sehr weiten Verständnisses des Begriffs des normativen Tatbestandsmerkmals Enderles: Wenn man die Blanketteigenschaft eines Tatbestandes schon dann verneint, wenn das tatbestandsmäßige Verhalten in irgendeiner Weise inhaltlich näher bestimmt ist (und nicht lediglich als „Zuwiderhandlung“ beschrieben wird) und als normative Tatbestandsmerkmale auch solche bezeichnet, die „als Verweisungen etwa auf Maßstäbe zur Beurteilung eines ansonsten sozialadäquaten Verhaltens [ . . . ] eine im Hinblick auf die vollständige Unrechtsvertypung entscheidende Rolle

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Rechtssystem das Abstraktionsprinzip nicht und geht das Eigentum an einer Sache daher schon mit Abschluss des Kaufvertrages über,549 ist die Sache für den Verkäufer schon nach der schuldrechtlichen Einigung „fremd“. Es wäre eigenartig, wenn nach einem solchen Vorgang der Verkäufer, der die Sache noch vor der Übergabe beiseite schafft, nur deshalb nicht nach § 246 bestraft werden könnte, weil das deutsche Zivilrecht über die schuldrechtliche Einigung hinausgehende Voraussetzungen für den Eigentumsübergang aufstellt. Dem Verbot des Unterschlagungstatbestandes (Verkürzt: „Eigne dir keine fremde Sache rechtswidrig zu!“) würde der Verkäufer in diesem Fall nämlich ebenso zuwiderhandeln wie derjenige, der in einem – nach deutschem Zivilrecht zu beurteilenden – Fall die bereits durch Übergabesurrogat und sachenrechtliche Einigung übereignete Sache unterschlägt. Der Inhalt des Eigentumsrechts wird durch die unterschiedlichen Entstehungsvoraussetzungen nicht berührt. Beide Täter verletzen fremdes Eigentum, wenn auch das Eigentum auf unterschiedliche Weise auf den Käufer übergegangen ist.550 Würde man rechtlich-normative Tatbestandsmerkmale stets mit Normen des deutschen Rechts ausfüllen, würde für unter einer ausländischen Rechtsordnung entstandene Rechtsgüter oftmals eine Schutzlücke bestehen,551 weil der Verweis normativer Tatbestandsmerkmale auf außerstrafrechtliche Normen häufig gerade dazu dient, die interpretatorische Herstellung des geschützten Rechtsgutes zu ermöglichen.552 Dem Willen des Gesetzgebers, ausländische Rechtsgüter prinzipiell in den Schutzbereich deutscher Straftatbestände einzubeziehen, stünde es entgegen, diese interpretatorische Herstellung für unter einer ausländischen Rechtsordnung begründete Rechtsgüter mit einem Verweis auf die Unanwendbarkeit übernehmen“ (Enderle, S. 235), ist ihre Ausfüllung durch ausländisches Recht keinesfalls unproblematisch. Enderle gesteht (a. a. O.) denn auch ein, dass die so verstandenen normativen Tatbestandsmerkmale „in ihrer Bedeutung den Blankettverweisungen (angenähert)“ sind, was nicht ohne Einfluss auf ihre Behandlung bleiben könne – Enderle selbst fordert eine „kritische Revision der sehr niedrigen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Verwendung normativer Tatbestandsmerkmale“. 548 A. A. – unzutreffend – Forkel, S. 120: Durchsetzung ausländischer Normen mit dem deutschen Strafrecht. 549 Nachw. für solche Regelungen im französischen, italienischen, englischen und nordamerikanischen Recht etwa bei Liebelt, S. 169 f. 550 In diesem Sinne schon Nowakowski, JZ 191, 633, 634 (allerdings zu Unrecht Blankettverweisungen nicht ausnehmend): Dass die Berücksichtigung des ausländischen Rechts den sachverhaltsmäßigen Anwendungsbereich der Strafdrohung erweitern könne, sei unbedenklich: „Entscheidend ist, daß der Lebensbereich nach seinem sozialen Sinngehalt der durch die Strafdrohung gemeinte ist.“ 551 Ähnlich bereits Krapp, S. 102 (für den Fall eines Inlandsdistanzdelikts): Dass die Konkretisierung des ausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffs durch das ausländische Recht zu erfolgen habe, gelte auch, wenn das betreffende Rechtsgut im Ausland in größerem Umfang als vom deutschen Recht in Deutschland geschützt werde, denn nur so werde das Strafrecht seiner Aufgabe des Rechtsgüterschutzes gerecht. 552 Vgl. Enderle, S. 234.

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der „rechtsgutbegründenden“ (ausländischen) Normen zu verhindern.553, 554 Im Normalfall ließe sich der auf diese Weise bewirkte Ausschluss dieser Rechtsgüter aus dem Schutzbereich des deutschen Strafrechts auch nicht überzeugend begründen: Ein der Verhaltensnorm des Straftatbestandes widersprechendes Verhalten nicht unter den Schutz des deutschen Strafrechts zu stellen, nur weil etwa die ausländische Zivilrechtsordnung etwas anders konstruiert ist, wäre schlicht willkürlich. Die Möglichkeit und Notwendigkeit der Heranziehung ausländischen Rechts zur Konkretisierung normativer Tatbestandsmerkmale in Auslandsfällen hat allerdings eine Grenze. Sie liegt dort, wo die Berücksichtigung der ausländischen außerstrafrechtlichen Rechtssätze dazu führen würde, dass ein Interesse geschützt wird, das nicht dem Rechtsgut entspricht, dessen Schutz die deutsche Strafnorm bezweckt. Zwar stehen grundsätzlich auch ausländische Rechtsgüter unter dem Schutz des deutschen Strafrechts. Ausländisches „Rechtsgut“ ist aber nur ein solches, das nach unserer inländischen Rechtsordnung als Rechtsgut einzustufen ist, das also qualitativ dem Interesse entspricht, das durch die Strafdrohung geschützt werden soll.555 Ein Beispiel: Angenommen, in einem fiktiven ausländischen Staat wird bereits abstrakten Gewinnmöglichkeiten im wirtschaftlichen Verkehr ein Wert beigemessen, so dass sie dem „Vermögen“ zugeordnet werden. Bringt der „Täter“ in diesem ausländischen Staat jemanden durch Täuschung um eine solche Gewinnaussicht, ist er nicht nach § 263 zu bestrafen. Denn § 263 schützt Expektanzen nur, wenn sie so „verdichtet“ sind, dass bereits vor der Verfügung eine Sachlage vorliegt, die mit Wahrscheinlichkeit einen Vermögenszuwachs erwarten lässt.556 Würde man in diesem Fall die Konkretisierung des Begriffs „Vermögen“ dem ausländischen Recht überlassen, würde das dazu führen, dass ein Gut in den Schutzbereich einbezogen würde, das der Betrugstatbestand gar nicht zu schützen beabsichtigt.557 Dasselbe muss beispielsweise im Bereich des § 299 gelten: Lässt sich der „Täter“ im Ausland durch eine schlichte Essenseinladung zur Vergabe eines Auftrags an den einladenden Interessenten bewegen, macht er sich nicht nach § 299 Abs. 1 strafbar, selbst wenn im Ausland aufgrund noch strengerer Korrup553 Insofern ist im Ergebnis Liebelt zuzustimmen, wenn er die Ausfüllung der „rechtsgutkonkretisierenden“ Merkmale dem ausländischen Recht überlassen will (vgl. dazu oben bb) (1)). 554 Fordert man für die Anwendung fremden Rechts durch inländische Gerichte einen „Anwendungsbefehl“ des inländischen Rechtsanwendungsrechts (so etwa Rudolf, Territoriale Grenzen staatlicher Rechtsetzung, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 11, S. 37), kann dieser also auch darin gesehen werden, dass die §§ 3 – 7 für Auslandstaten von Deutschen und Inlandstaten implizit einen grundsätzlichen Schutz auch ausländischer Rechtsgüter anordnen. 555 s. schon oben A. I. 556 Schönke / Schröder-Cramer / Perron, § 263 Rn. 87 f. m. w. N. 557 Insofern ist Liebelt im Ergebnis nicht zuzustimmen, wenn er die Ausfüllung der „rechtsgutkonkretisierenden“ Merkmale dem ausländischen Recht überlassen will (vgl. dazu oben bb) (1)).

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tionsbekämpfungsvorgaben auch einer solchen – sozial völlig üblichen – Einladung „Vorteils“-Charakter beigemessen wird.558 „Vorteil“ ist nach den insofern maßgeblichen inländischen Vorstellungen nur eine Zuwendung, die typischerweise geeignet ist, Entscheidungen im geschäftlichen Verkehr zu beeinflussen, weil von einer strafwürdigen Gefährdung des Leistungswettbewerbs erst ab dieser Schwelle auszugehen ist.559 Eine gelegentliche Essenseinladung ist im geschäftlichen Verkehr üblich und angemessen und typischerweise für sich genommen nicht geeignet, den Eingeladenen zu Bevorzugungen im Wettbewerb zu veranlassen.560 Die „Täter“ verstoßen in beiden Fällen nicht gegen die den Tatbeständen zugrunde liegenden Verhaltensnormen, weil „Rechtsgüter“ von ihnen nicht beeinträchtigt werden. Man muss die Tatbestände insofern für unanwendbar erklären. Statt des fremden Rechts das deutsche Recht zur Konkretisierung heranzuziehen, würde in einem solchen Fall naturgemäß ohnehin zu keinem anderen Ergebnis führen: Die von dem Täter – wenn überhaupt – beeinträchtigten Positionen wäre ja gerade keine, die inhaltlich dem Kreis des jeweils geschützten Rechtsgutes zuzuordnen sind. Insofern handelt es sich eigentlich nicht um eine Frage, die nur oder gerade den Schutz ausländischer Rechtsgüter durch einen deutschen Straftatbestand betrifft. Die beeinträchtigten Interessen werden schlicht von dem betreffenden Tatbestand generell nicht geschützt. Es ist also eine Differenzierung vorzunehmen: Normative Tatbestandsmerkmale sind grundsätzlich und insbesondere dann mithilfe des „zuständigen“ (u. U. ausländischen) Rechts zu konkretisieren, wenn sie die Frage betreffen, unter welchen Umständen ein Rechtsgut zur Entstehung gelangt und existiert. Das gilt etwa für das Merkmal „fremd“ im Diebstahlstatbestand, oder für die Frage, welche Stelle „zur Abnahme von Eiden befugt“ ist i. S. v. § 154: Wird eine Stelle vom ausländischen Recht für zur Abnahme von Eiden befugt eingestuft, hat eine vor ihr gemachte Aussage erhöhten Beweiswert, so dass durch eine Falschaussage die – von § 154 geschützte – Rechtspflege in besonderem Maße beeinträchtigt wird,561 unabhängig davon, ob auch nach deutschem Recht die entsprechende Stelle zur Abnahme von Eiden befugt wäre. Mit anderen Worten: Führt die Heranziehung des zuständigen Rechts nur dazu, dass mehr oder andere Sachverhalte in den Anwendungsbereich der Norm fallen, als es nach der deutschen außerstrafrechtlichen Rechtsordnung der Fall wäre, ist aber ein von der Norm geschütztes (ausländisches) Rechtsgut beeinträchtigt, ist die „Fremdrechtsanwendung“ für den lückenlosen Schutz auch ausländischer Rechtsgüter notwendig. Würde die Heranziehung des Fremdrechts dazu führen, dass ein Gut ganz anderen Inhalts als das dem Tat558 Gegen die Konkretisierung des Vorteilsbegriffs durch Heranziehung der ausländischen Sitten und Gebräuche i. E. auch Rönnau, in: Achenbach / Ransiek, Kap. III Abschn. 2 Rn. 22. 559 Statt vieler Rönnau, in: Achenbach / Ransiek, Kap. III Abschn. 2 Rn. 20 m. w. N. 560 Statt vieler Rönnau, in: Achenbach / Ransiek, Kap. III Abschn. 2 Rn. 20 m. w. N. 561 Zweifelnd bezüglich der Annahme, die Beeidigung verschaffe der Aussage generell einen erhöhten Beweiswert, so dass die gegenüber § 153 drastisch erhöhte Strafe legitimierbar sei, allerdings NK-Vormbaum, § 154 Rn. 23 ff.

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bestand zugrunde liegende Rechtsgut geschützt würde, ist eine „Fremdrechtsanwendung“ dagegen ausgeschlossen.562 Terminologisch ließe sich etwa zwischen „voraussetzungsbezogenen“ und „inhaltsbezogenen“ rechtsgutskonkretisierenden Tatbestandsmerkmalen differenzieren. Die Heranziehung in Bezug genommener fremdstaatlicher Normen führt nicht stets dazu, dass sich – wie oben in dem „Unterschlagungsbeispiel“ oder bei einer größeren Anzahl zur Abnahme von Eiden befugter Stellen nach dem ausländischen Recht – die Summe der von der deutschen Strafnorm erfassten Sachverhalte gegenüber der Heranziehung der entsprechenden deutschen außerstrafrechtlichen Normen erhöht.563 Sie kann auch dazu führen, dass weniger Sachverhalte unter das Verbot der Strafnorm fallen, als es bei der Heranziehung inländischer Bezugsnormen der Fall wäre. Unterschlagungsbeispiel und Meineidbeispiel kann man sich auch genau spiegelbildlich vorstellen: Nach der ausländischen Zivilrechtsordnung kann der Eigentumsübergang an noch weitere Voraussetzungen gebunden sein bzw. es kann eine Stelle, die es nach deutschem Recht wäre, nach der ausländischen Rechtsordnung nicht zur Abnahme von Eiden befugt sein. In solchen Fällen ist schon deshalb zwingend das zuständige ausländische Recht zur Anwendung berufen, weil es zu einer Rechtsgutsbeeinträchtigung, die die deutschen Strafnormen verhindern wollen, gar nicht kommt. Der Täter „unterschlägt“ eine Sache nicht, die nicht Eigentum eines anderen ist, auch wenn sie es bei Maßgeblichkeit der deutschen Zivilrechtsordnung wäre.564 Er schwört falsch vor einer Stelle, die zur Abnahme von Eiden nicht befugt ist, so dass seiner Aussage kein in dem Maße erhöhter Beweiswert zukommt, dass die Rechtspflege in einer Weise beeinträchtigt wäre, die die Strafdrohung des § 154 für seine Tat rechtfertigen könnte. Dagegen kann die Heranziehung der zuständigen ausländischen Normen auch bewirken, dass ein Sachverhalt nicht erfasst wird, bei dem ein Gut beeinträchtigt wird, das die deutsche Rechtsordnung als „Rechtsgut“ qualifiziert und grundsätzlich schützen will. Gedacht ist an Fälle, in denen das rechtsgutskonkretisierende normative Tatbestandsmerkmal inhaltsbezogen ist und die ausländische Rechtsordnung ein bestimmtes Interesse, das inhaltlich dem Kreis des nach der deutschen 562 In diesem Sinne schon Nowakowski, JZ 1971, 633, 634: „Der «Wesensgehalt» der Rechtsgüter wird vom inländischen Recht bestimmt. [ . . . ] Eine andere Frage ist es aber, ob und in welchem Bereich diese Interessen am Tatort beeinträchtigt werden können. [ . . . ] Wenn es von positivrechtlichen Bestimmungen abhängt, ob die von der Strafdrohung geschützten Interessen rechtens überhaupt bestehen, muß jenes Recht herangezogen werden, das im Einzelfall darüber entscheidet.“ 563 Von einer „Strafbarkeitserweiterung“ zu sprechen, wäre hier ungenau, weil die Erfassung zusätzlicher Sachverhalte (etwa, wie in dem Unterschlagungsbeispiel, aufgrund eines früheren Eigentumsübergangs) nicht zu einer Weiterung der Verbotsnorm führt. Zutreffend daher Nowakowski, JZ 1971, 633, 634: „Die Berücksichtigung des ausländischen Rechts kann den sachverhaltsmäßigen Anwendungsbereich der Strafdrohung erweitern“ (Hervorhebung von der Verfasserin). 564 Übereinstimmend LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 332 m. w. N.

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Norm geschützten Rechtsgutes zuzuordnen ist, nicht als solches anerkennt. „Betrügt“ der Täter etwa jemanden um eine nach inländischen Maßstäben wirtschaftlich wertvolle Position, die nach der ausländischen Rechtsordnung aber nicht dem (privaten) Vermögen zugeordnet wird, sei es weil ihr ein nennenswerter wirtschaftlicher Wert nicht zugemessen wird, sei es aus ideologischen Gründen oder Ähnlichem, ist § 263 – ungeachtet der Entscheidung des Gesetzgebers, auch das Vermögen eines Ausländers unter den Schutz der Norm zu stellen – nicht erfüllt. Zwar wird eine Position beeinträchtigt, die nach den inländischen Vorstellungen den Wert eines „Rechtsgutes“ hat. Insofern ist allerdings der sachnäheren ausländischen Rechtsordnung gegenüber der deutschen der Vorrang einzuräumen und führt gerade die „Fremdrechtsanwendung“ dazu, dass ein ausländisches Rechtsgut schutzlos bleibt. Handelt der (deutsche) „Täter“ im Ausland, wird in einem solchen Fall seine Bestrafung nach deutschem Strafrecht wegen des Erfordernisses einer „identischen Norm“ in § 7 Abs. 2 in vielen Fällen freilich schon daran scheitern, dass sein Verhalten am Tatort straflos ist. Damit hat die hier von der Fremdrechtsanwendung tatsächlich bewirkte Strafbarkeitseinschränkung eine eigenständige Bedeutung nur für Fälle, in denen das Verhalten – unter einem anderen Aspekt als dem des Vermögensschutzes565 – am Tatort strafbar ist. Die Existenz einer „identischen Norm“ und die Anerkennung eines anderen als strafschutzwürdig eingestuften Rechtsgutes durch das ausländische Recht können nicht darüber hinweg helfen, dass § 263 unanwendbar bleibt, weil die ausländische Rechtsordnung das beeinträchtigte Interesse nicht als Vermögensposition einstuft. (b) Die Bestimmung der zuständigen Rechtsordnung durch Kollisionsnormen des deutschen Rechts Noch unbeantwortet ist die Frage, welches die für die durch normative Tatbestandsmerkmale in Bezug genommenen Normen „zuständige“ Rechtsordnung im Einzelfall ist. Insofern liegt es tatsächlich trotz der oben geäußerten Bedenken nahe, das deutsche (zivil- und verwaltungsrechtliche) Kollisionsrecht entscheiden zu lassen, das ja umfassende Regeln dafür bereithält, wo der „Sitz“ eines Rechtsverhältnisses zu verorten ist, zu welcher Rechtsordnung es die „engste Verbindung“ aufweist. Im IPR selbst ist die Methode der „Sonderanknüpfung“ anerkannt: Inzidentfragen (auch Vorfragen oder Teilfragen genannt), also solche, die sich innerhalb eines internationalprivatrechtlich zu beurteilenden Rechtsverhältnisses auf ein selbständiges Rechtsverhältnis mit eigenen Bedingungsmerkmalen beziehen, werden autonom, also nach ihren eigenen Kollisionsregeln, angeknüpft.566 Ent565 Erfasst die Strafrechtsordnung des Tatortes den Sachverhalt unter dem Aspekt der Verletzung eines anderen (nur „ähnlichen“) Rechtsguts, hindert das Erfordernis einer „identischen Norm“ eine Bestrafung des Täters nach deutschem Strafrecht dann nicht. 566 Vgl. dazu Cornils, S. 78 ff. m. N. Ein Beispiel: Geht es um einen Schadensersatzanspruch aus einem Verkehrsunfall, gilt für die „Hauptfrage“ das nach den Regeln des Internationalen Deliktsrechts, den Art. 40 ff. EGBGB, berufene Recht (also grundsätzlich nach Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB das Recht des Handlungsortes), während für die Vorfrage, ob der

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sprechend lässt sich auch im Rahmen einer internationalstrafrechtlichen „Hauptfrage“ (nach der Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts) eine zivilrechtliche „Vorfrage“ eigenständig, nämlich nach der im Einzelfall maßgeblichen Regel des IPR, anknüpfen.567 Art. 3 Abs. 1 EGBGB, der den Anwendungsbereich der IPRNormen regelt, enthält keine Beschränkung auf „ausschließlich zivilrechtliche“ Sachverhalte,568 sondern spricht neutral von „Sachverhalten mit einer Verbindung zum Recht eines ausländischen Staates“. Die Geltung der IPR-Normen auch für Inzidentfragen im Rahmen der Subsumtion unter Straftatbestände verhindert überdies stets zu vermeidende widersprüchliche Beurteilungen desselben Sachverhalts durch Zivilrecht einerseits und Strafrecht andererseits.569 Die „Kollisionslösung“ wird – entsprechend dem den Regeln des IPR zugrunde liegenden Prinzip der „engsten Verbindung“ – in vielen Fällen zur Anwendbarkeit der ausländischen Rechtsordnung führen, weil bei im Ausland verübten Straftaten eine solche Verbindung zumeist mit der Rechtsordnung des ausländischen Staates bestehen wird. Im Einzelnen kommt es freilich darauf an, welche Regelung die jeweils anzuwendende Norm des IPR – etwa Art. 43 EGBGB für Rechte an einer Sache oder die Art. 27 ff. EGBGB für vertragliche Schuldverhältnisse – trifft und auch darauf, ob es sich bei der Verweisung um eine „Sachnormverweisung“ oder aber um eine „Gesamtverweisung“ handelt.570 Letztere schließt das fremde Kollisionsrecht ein, so dass es u. U. zu einer Weiterverweisung an noch eine andere oder eine Rückverweisung an die deutsche Zivilrechtsordnung kommen kann („Renvoi“; vgl. den in Art. 4 Abs. 1 EGBGB normierten Grundsatz der Gesamtverweisung und die abweichende Regelung etwa in Art. 35 Abs. 1 EGBGB für vertragliche Schuldverhältnisse571). Im Ergebnis dürfte für rechtsnormative Tatbestandsmerkmale grundsätzlich auch der Ansicht zuzustimmen sein, im Bereich der verwaltungsrechtlichen Inzidentfragen sei stets die Rechtsordnung des Tatortes für deren Konkretisierung maßgeblich. Im Unterschied zu einer Ausfüllung von Blankettmerkmalen durch Tatortnormen ist das unproblematisch. Während blankettausfüllende Normen die „Hauptfrage“ betreffen, indem sie einen Teil der Verhaltensnorm bilden, so dass ausländische Rechtsnormen zur Blankettausfüllung heranzuziehen tatsächlich hieße, fremdes öffentliches Recht anzuwenden und damit fremde Staatsgewalt auszuüben, berührt im Bereich der normativen Tatbestandsmerkmale die HeranzieGeschädigte Eigentümer des beschädigten Autos ist, nach Art. 43 Abs. 1 EGBGB die „lex rei sitae“, das Recht des Belegenheitsortes (d. h. der Belegenheit zum Zeitpunkt des Eigentumsübergangs), maßgeblich ist. 567 Vgl. Cornils, S. 84 f. 568 Langkeit, WiB 1995, 524, 525. 569 Langkeit, WiB 1995, 524, 525. 570 Vgl. zu den Begriffen Kropholler, Internationales Privatrecht § 24 I 2. 571 Zum Grundsatz und den zahlreichen Ausnahmen Kropholler, Internationales Privatrecht § 24 II.

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D. Die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter

hung ausländischer öffentlich-rechtlicher Normen nämlich nur eine Vorfrage. Sie ist, wie Cornils zutreffend erläutert hat, nicht Regelung von Rechtsverhältnissen, sondern nur Berücksichtigung bestehender Rechtsverhältnisse.572 Das Recht am Tatort (sofern er – wie wohl in den meisten Fällen – mit dem Entstehungsort übereinstimmt) für maßgeblich zu erachten, entspricht damit gerade dem kollisionsrechtlichen Grundsatz der Territorialität im öffentlichen Recht und ist zudem Voraussetzung für den „lückenlosen“ Schutz ausländischer Rechtsgüter durch das deutsche Strafrecht.573 Folge einer solchen Sichtweise ist, dass beispielsweise die Frage, welche Positionen „öffentliches Amt“ i. S. d. § 132 (Amtsanmaßung) sind, dem ausländischen öffentlichen Recht zu überlassen wäre, das selbstverständlich „öffentliche Ämter“ in weiterem oder aber engerem Umfang kennen kann als das deutsche Recht. Auch hier gilt jedoch: Sofern die Heranziehung der ausländischen Rechtsordnung dazu führen würde, dass ein Interesse geschützt wird, dessen Schutz die Strafnorm gar nicht bezweckt, ist von der „Fremdrechtsanwendung“ abzusehen und der Tatbestand schlicht unanwendbar. Gerade im Bereich des öffentlichen Rechts (grundsätzlich aber selbstverständlich auch bei der Berücksichtigung einer ausländischen Zivilrechtsordnung) drängt sich zweifellos die Frage auf, wie damit umzugehen ist, wenn in ausländischen Staaten bestehende Rechtsverhältnisse mit den Wertungen unseres Grundgesetzes schlicht unvereinbar sind. Hier muss generell gelten: Sofern man über die Anwendung von (zivilrechtlichem oder öffentlich-rechtlichem) Kollisionsrecht zu einer Konkretisierung von Tatbestandsmerkmalen durch ausländische Rechtsnormen gelangt, sind die Grundsätze des „ordre public“ (vgl. Art. 6 EGBGB) zu beachten:574 Widerspricht eine Regelung im fremden (eigentlich anzuwendenden) Recht der Werteordnung unserer Verfassung, ist sie nicht zu berücksichtigen, und zwar auch nicht im Rahmen der Ausfüllung von rechtsgutskonkretisierenden normativen Tatbestandsmerkmalen, die „voraussetzungsbezogen“ sind. Auch, wenn das Verhalten der Verbotsnorm des StGB dann eigentlich widerspricht, ist in solchen Fällen ausnahmsweise der betreffende Sachverhalt davon auszunehmen und wird das im Ausland entstandene „Rechtsgut“575 – das wir, etwa aufgrund seiner gegen unseren 572 Vgl. für zivilrechtliche Inzidentfragen auch Rönnau, ZGR 2005, 832, 847: Hier werde nur der „Regelungseffekt“ der außerstrafrechtlichen Norm in das Strafrecht übernommen. 573 Vgl. dazu auch Rudolf, Territoriale Grenzen der staatlichen Rechtsetzung, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 11, S. 11: Auch im öffentlichen Recht könne eine fremde Rechtsordnung für inländische Sachverhalte Bedeutung haben; die innerstaatliche Wirkung folge dabei aber nicht aus dem Geltungsanspruch der ausländischen Normen, sondern aus der Anerkennung durch den Staat , auf dessen Gebiet die Wirkung eintritt. 574 Ebenso Liebelt, S. 237 m. Fn. 39 m. w. N.; Schönke / Schröder-Eser Vorbem §§ 3 – 7 Rn. 23; vgl. auch Krapp, S. 102 f. 575 Es wird sich dabei in den meisten Fällen um das Rechtsgut eines ausländischen Trägers und damit um ein „ausländisches“ Rechtsgut handeln. Das im Ausland entstandene Rechtsgut kann aber auch „inländisch“ sein, nämlich wenn es durch einen kollisionsrechtlich (aufgrund eines entsprechenden Bezugspunktes zum Ausland) nach ausländischem Recht zu beurteilenden Sachverhalt für einen deutschen Träger entstanden ist.

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„ordre public“ verstoßenden Entstehung, in der Hand seines Trägers nicht anerkennen können – ausnahmsweise vom deutschen Strafrecht nicht geschützt. (c) Übertragung der Lösung auf den Bereich der „indirekten“ Verweisungen? Die Frage, wie der von Cornils so genannte Bereich der „indirekten Akzessorietät“, also alle weiteren Fälle, in denen zivil- oder verwaltungsrechtliche Vorschriften für die Prüfung von Verbrechensmerkmalen maßgebend sind, zu behandeln ist, ist bisher unbeantwortet geblieben. Eine eingehende Auseinandersetzung mit den damit verbundenen und teilweise noch völlig ungeklärten Problemen würde im Rahmen dieser Untersuchung zu weit gehen, auch, weil ein direkter Zusammenhang mit der hier behandelten Frage des Schutzes ausländischer Rechtsgüter im Rahmen des deutschen Strafanwendungsrechts nicht besteht. Denn bei der Bestimmung der Garantenpflicht im Rahmen der Unterlassungsdelikte und bei der Konkretisierung der objektiven Sorgfaltspflicht im Fahrlässigkeitsbereich durch außerstrafrechtliche Normen geht es jeweils nicht um Fragen des geschützten Rechtsgutes, sondern um solche der Angriffsweise. Was den Ausschluss der Rechtswidrigkeit durch ausländische außerstrafrechtliche bzw. systemneutrale576 Rechtfertigungsgründe betrifft, stellt sich deren Berücksichtigung im Falle des Auslandsdelikts nach wohl einhelliger Auffassung generell ohnehin nicht als Problem dar: Das Erfordernis der Strafbarkeit am Tatort des § 7 ist nach ganz h. M. grundsätzlich nicht erfüllt, wenn die Tat nach der Rechtsordnung des Tatortes durch einen Rechtfertigungsgrund gedeckt ist.577 Außerdem berührt auch eine mögliche Rechtfertigung durch Tatortrecht im Einzelfall nicht prinzipiell die Frage, ob ausländische Rechtsgüter unter den Schutz der deutschen Rechtsordnung gestellt sind:578 Anders als bei normativen Tatbestandsmerkmalen, die häufig die Konkretisierung des Rechtsgutes zum Gegenstand haben, hätte eine Fremdrechtsanwendung bzw. deren Unzulässigkeit in den Fällen der „indirekten Akzessorietät“ keinen unmittelbaren Einfluss auf den Kreis der geschützten Positionen. Es sei hier gleichwohl die Anmerkung gestattet, dass tendenziell einiges dafür spricht, die „Kollisionslösung“ Cornils’ für den Bereich der normativen Tatbestandsmerkmale auch auf die Konkretisierung des Sorgfaltsmaßstabs im Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte und die Voraussetzungen der Garantenpflicht im Unterlassungsbereich zu übertragen. Zwar lässt sich nicht abstreiten, dass diese Merkmale den Fahrlässigkeits- bzw. Unterlassungsdelikten ihr wesentliches Gepräge geben. Dennoch lassen sie sich zumindest technisch ebenfalls als „Vorfragen“ im Rahmen der strafrechtlichen Hauptfrage (Anwendung deutschen Strafrechts) einZu diesem Begriff Liebelt, S. 176 ff. und Nowakowski, JZ 1971, 633, 636. Dazu statt vieler LK-Werle / Jeßberger, § 7 Rn. 37 ff. 578 Liebelt, S. 235 ordnet die Normen, welche ein Verhalten sozialadäquat erscheinen lassen oder eine Garantenpflicht begründen, sowie die Rechtfertigungsgründe konsequenterweise den „rechtsgutsbeeinträchtigenden“ Merkmalen zu. 576 577

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ordnen. Die Heranziehung der IPR-Normen würde hier zu recht unterschiedlichen Ergebnissen führen. Während sich eine Garantenpflicht aus zahlreichen Rechtsverhältnissen ergeben kann und dementsprechend die Regeln etwa des Internationalen Familien-, Schuld- und Sachenrechts entscheidend sein könnten, wird man – sofern zwischen Täter und Opfer keine besondere rechtliche Beziehung besteht – für die Frage der Fahrlässigkeit wohl auf die Regeln des Internationalen Deliktsrechts zurückgreifen müssen.579 Cornils selbst enthält sich bezüglich der indirekten Verweisungen einer Entscheidung, indem sie im letzten Absatz ihrer Untersuchung feststellt, für den Bereich der indirekten Akzessorietät lasse sich eine Grundregel nicht aufstellen; es bedürfe hier jeweils einer gesonderten Prüfung anhand des konkreten Sachverhalts, um Möglichkeit und Grenzen der Fremdrechtsanwendung im Einzelfall zu bestimmen.580 Für die Anwendung der Kollisionslösung auch in diesen Fällen lässt sich indessen anführen, dass sie eine im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz wünschenswerte Klarheit schafft, der eine „Einzelfalllösung“ entbehrt. Jedenfalls im Bereich von Auslandstaten ist auch nicht einsichtig, warum sich der „Täter“ eines Fahrlässigkeits- oder Unterlassungsdelikts prinzipiell an den insofern in Deutschland geltenden (zivil- oder öffentlich-rechtlichen) Maßstäben auszurichten haben soll.581 Allein die Tatsache, dass auf seine Handlung deutsches Strafrecht anwendbar ist, kann eine so weitreichende – und die Tatortrechtsordnung auch im außerstrafrechtlichen Bereich – „überlagernde“ Folge sinnvollerweise nicht nach sich ziehen.582 Dementsprechend ist die Heranziehung der Rechtsordnung des Tatortes für die Konkretisierung der Sorgfaltspflicht im Rahmen der Fahrlässigkeitsdelikte in Rechtsprechung und Schrifttum mehrfach befürwortet worden, beispielsweise in einem Urteil des BayObLG aus dem Jahr 1972.583 Gegenstand der Entscheidung war eine von einem Deutschen in Österreich im Straßenverkehr begangene fahrlässige Körperverletzung. Das Gericht stellt zunächst fest, dass der deutsche Strafrichter bei der Beurteilung eines solchen Falles nur materielles deutsches Strafrecht zur Anwendung bringen könne. Dies gelte sowohl für den objektiven Tatbestand als auch für die Frage der Fahrlässigkeit; maßgeblich für die Annahme eines Verkehrsverstoßes (und damit, ist zu ergänzen, für die Konkretisie579 Es ist seit 1999 in den Art. 40 ff. EGBGB kodifiziert; vorher galten die von Rechtsprechung und Wissenschaft entwickelten Grundsätze mit der Anknüpfung an das Tatortrechrecht als Ausgangspunkt; vgl. zum Ganzen etwa Kropholler, Internationales Privatrecht § 53 IV. 580 Cornils, S. 122. 581 Für den Fahrlässigkeitsbereich (im Hinblick auf die Berücksichtigung des Rechts des Erfolgsortes beim Inlandsdistanzdelikt) nachdrücklich Krapp, S. 103 ff., 108: Die soziale Nützlichkeit oder Üblichkeit einer an sich gefährdenden Handlung könne nur nach den örtlichen Umständen und dort herrschenden Anschauungen beurteilt werden. 582 Vgl. auch LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 333: Trotz Geltung des deutschen Strafrechts könnten ausländische Normen für die Bestimmung der Sorgfaltspflicht bei Fahrlässigkeitsdelikten oder der Garantenpflicht bei Unterlassungsdelikten maßgeblich sein. 583 BayObLG NJW 1972, 1722; für den Bereich der Verkehrsstraftaten zustimmend Fischer, Vor §§ 3 – 7 Rn. 11.

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rung des Sorgfaltsmaßstabes) seien jedoch die örtlichen Verkehrsvorschriften.584 In der Literatur finden sich entsprechende Forderungen etwa bei Nowakowski585, Eser586, Krapp587 und Lemke588. Das BayObLG begründet seine Entscheidung auch unter Hinweis auf die deutschen Kollisionsnormen des Internationalen Privatrechts im Bereich der unerlaubten Handlungen, nach denen grundsätzlich die verkehrsrechtlichen Verhaltensnormen des Handlungsortes maßgebend seien.589 Das Gericht hätte noch einen Schritt weiter gehen und den Weg zur Berücksichtigung der fremden Rechtsordnung über eine Anwendung des deutschen Internationalen Deliktsrechts nehmen können. Der Gedanke, dass es auch im Strafrecht Anerkennung finden sollte, wenn das deutsche Kollisionsrecht in solchen Fällen die Wertung trifft, dass die engere Beziehung zur Rechtsordnung des Tatortes besteht, lag eigentlich nahe. Auch in Fällen „indirekter Akzessorietät“ kann eine Fremdrechtsanwendung ebenso zu einer „Strafbarkeitseinschränkung“ wie auch zu einer „Strafbarkeitserweiterung“590 führen, je nachdem, ob die Standards am Tatort gegenüber den deutschen milder oder strenger sind. Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich des zweiten Falles lassen sich indessen wohl auch hier ausräumen. Denn anders als im Fall eines Blanketttatbestandes sind etwa die Tatbestände der Fahrlässigkeitsdelikte aus sich heraus verständlich: Das Gebot, darauf zu achten, andere nicht durch unvorsichtiges Verhalten zu verletzen, ergibt sich unmittelbar aus § 229. Stellt eine ausländische Rechtsordnung höhere Anforderungen an die Vorsicht, etwa aufgrund abweichender örtlicher Gegebenheiten, und lässt der Täter diese Anforderungen außer Acht, verstößt er gleichwohl gegen die Verhaltensnorm des deutschen Strafgesetzes, wenn dabei ein anderer zu Schaden kommt.591 Insofern wird man, auch wenn nach der Kollisionslösung die fremde Rechtsordnung für die Bestimmung der Sorgfaltsanforderungen maßgeblich sein sollte, den Parlamentsvorbehalt für gewahrt halten können. Zugegebenermaßen handelt es sich dabei allerdings um eine Gratwanderung, weil die Strafbarkeit durch das ausländische Recht in einem solchen Fall durchaus maßgeblich mitbestimmt würde.592 BayObLG NJW 1972, 1722. Nowakowski, JZ 1971, 633, 635. 586 Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 3 – 7 Rn. 23. 587 Krapp, S. 103 ff. (für das Inlandsdistanzdelikt). 588 NK-Lemke, Vor §§ 3 – 7 Rn. 35. 589 BayObLG NJW 1972, 1722, 1723 m. w. N. zum IPR. 590 Die Begriffe sind ungenau: Es gilt das oben Fn. 563 Gesagte entsprechend. 591 A. A. Forkel, S. 125 f.: Die Fremdrechtsanwendung gebe den Verhaltensbefehl des deutschen Rechts hier auf und übernehme den des Fremdrechts. Zentraler Punkt der Handlungsanweisung beim Fahrlässigkeitsdelikt sei nämlich der Sorgfaltsmaßstab, da es kein allgemeines Verbot risikobehafteter Tätigkeiten gebe. 592 Es spricht daher in diesem Zusammenhang auch einiges für die Ansicht Rönnaus, im Zweifel von einer Fremdrechtsanwendung abzusehen, weil die Strafbarkeit anderenfalls durch 584 585

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(d) Übertragung der Lösung auf den Bereich der Inlandsdistanzdelikte? Die Diskussion um die „Fremdrechtsanwendung“ ist zumeist auf den Bereich von reinen Auslandstaten beschränkt.593 In strafbarkeitseinschränkender Hinsicht „konkurriert“ sie dort mit dem Erfordernis einer „identischen Norm“ des § 7: Wenn sich aus der Anwendung des fremden Rechts ergibt, dass ein (normatives) Tatbestandsmerkmal der deutschen Strafnorm nicht erfüllt ist, wird in vielen Fällen das Verhalten des Täters nach der ausländischen Rechtsordnung straflos sein. Die Bestrafung des Täters scheitert dann gleich an zwei Hürden. Anders liegt es, wenn vom Inland aus gehandelt wird und nur der Erfolg im Ausland eintritt: Das „Inlandsdistanzdelikt“ ist nach §§ 3, 9 auch unabhängig von der Strafbarkeit am Erfolgsort nach deutschem Strafrecht strafbar. Dass eine dem Erfordernis der identischen Norm in § 7 entsprechende Einschränkung hier fehlt, wird vielfach kritisiert, insbesondere und mit guten Gründen für die „Distanzteilnahme“ nach § 9 Abs. 2 S. 2.594 Grundgedanke dabei ist, dass die Bestrafung des Täters fragwürdig erscheint, wenn der Erfolg seiner Handlung nur im Ausland eintritt, dort aber nicht als strafrechtliches Unrecht bewertet wird, so dass bei einer Handlung im Ausland sowohl nach deutschem (wegen des Erfordernisses der Tatortstrafbarkeit in § 7) als auch nach ausländischem Strafrecht eine Bestrafung des Täters ausgeschlossen wäre. Nicht nur, wenn man diese Kritik für berechtigt hält, führt eine Beschäftigung mit der Problematik der Fremdrechtsanwendung zu der Überlegung, auch in Fällen von Inlandsdistanzdelikt und Distanzteilnahme für die Konkretisierung normativer Tatbestandsmerkmale, den Sorgfaltsmaßstab beim Fahrlässigkeits- und die Garantenpflicht beim Unterlassungsdelikt das jeweils „zuständige“ Recht – und u. U. als „sachnäheres“ das Recht des Erfolgsortes – heranzuziehen. Insofern käme zwar der ausländischen Strafrechtsordnung, anders als bei einer Auslandstat nach § 7, noch keine Bedeutung zu. Immerhin wäre aber unter Umständen das ausländische Zivil- und Öffentliche Recht auch in diesen Fällen für die bezeichneten außerstrafrechtlichen Inzidentfragen und damit etwa für die Entstehungsvoraussetzungen eines Rechtsgutes maßgeblich. Der Gedanke, durch die Berücksichtigung ausländischen Zivil- oder Verwaltungsrechts könne die strenge Regel der §§ 3, 9, nach der es beim Inlandsdistanzdelikt auf die Strafbarkeit am Erfolgsort nicht ankommt, eine angemessene Einschränkung erfahren, findet sich – freilich ohne den „Umweg“ über die inländischen Kollisionsnormen – schon bei Krapp:595 Die Autorin stellt die These auf, ausländisches Recht „wesentlich vorstrukturiert“ würde. Vgl. dazu Rönnau ZGR 2005, 832, 857 und schon oben unter (1). 593 Zu den Ausnahmen s. oben Fn. 470. 594 Zu den Forderungen nach einem Erfordernis der „Erfolgsortstrafbarkeit“ für Inlandsdistanzdelikt und Distanzteilnahme näher unten II. 3. b). 595 Vgl. außerdem Jakobs, 5. Abschn. Rn. 22: Die Zugehörigkeit des angegriffenen Guts, das erlaubte Risiko, die Garantenstellung bei den unechten Unterlassungsdelikten u. a. m. sei nach dem jeweils ausländischen Recht zu beurteilen, um die bei der wörtlichen Anwendung des § 9 teilweise unbefriedigenden Ergebnisse zu vermeiden.

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dass sich die Straflosigkeit in solchen Fällen daraus ergeben könne, dass die Tat nach ausländischem Zivil- oder Verwaltungsrecht anders beurteilt werde als nach entsprechendem deutschen Recht. Da § 3 die Anwendung lediglich des deutschen Strafrechts anordne, bestehe die Möglichkeit, für die Ausfüllung normativer Tatbestandsmerkmale596 und anderer Begriffe des Tatbestandes, wie Fahrlässigkeit und soziale Adäquanz, das Recht des Erfolgsortes heranzuziehen.597 Für die Konkretisierung normativer Tatbestandsmerkmale durch das Recht des Erfolgsortes führt Krapp u. a. an, dass nur so der – vom deutschen Strafrecht bezweckte – Schutz auch ausländischer (Individual-)Rechtsgüter hinreichend gewährleistet werden könne.598 Ohne den Weg über die Kollisionsnormen des deutschen internationalen Zivilund Verwaltungsrechts wäre – unter Zugrundelegung eines materiellen Strafrechtsbegriffs – eine Heranziehung der Normen des ausländischen Erfolgsortes zur Beantwortung strafrechtlicher Inzidentfragen im Bereich des Inlandsdistanzdelikts zwar nicht weniger problematisch als die Berücksichtigung fremden Rechts beim reinen Auslandsdelikt. Denn die §§ 3, 9 ordnen, ebenso wie § 7, die Anwendung deutschen Strafrechts an. Die „Kollisionslösung“, also die Annahme, die „verweisenden“ Tatbestandsmerkmale bezögen immer auch das den Ausfüllungsnormen zugehörige Kollisionsrecht mit ein, bietet hier freilich auch denselben Ausweg. Dem steht für den Fall der Distanzteilnahme auch nicht die Formulierung des § 9 Abs. 2 S. 2, das deutsche Strafrecht gelte in solchen Fällen, „auch wenn die Tat nach dem Recht des Tatortes nicht mit Strafe bedroht ist“ (Hervorhebung von der Verfasserin), entgegen. Dies ließe sich zwar unter Umständen dahingehend interpretieren, kein Rechtssatz des Tatortes, dessen Anwendung im Ergebnis zur Straflosigkeit des im Ausland handelnden Täters führen würde, sei geeignet, die Strafbarkeit des Teilnehmers nach deutschem Strafrecht auszuschließen. Gemeinhin und zutreffend wird dieser letzte Halbsatz des § 9 Abs. 2 S. 2 dagegen so verstanden, dass nur – und anders als nach § 7 für die Haupttat – das vollständige Fehlen eines entsprechenden Straftatbestandes am ausländischen Tatort die Bestrafung des Teilnehmers nach deutschem Strafrecht nicht hindert. Eine andere Frage ist, ob das inländische Kollisionsrecht in diesen Fällen ebenso häufig wie bei reinen Auslandsdelikten die Anwendung des fremden Rechts anordnen würde. Dies ist differenziert zu beurteilen. Sofern es um die hier eigentlich interessierenden Fälle geht, in denen die Wahl der zur Konkretisierung normativer Tatbestandsmerkmale herangezogenen Rechtsordnung unmittelbar Einfluss darauf hätte, welche Positionen dem geschützten Rechtsgut zugehörig sind, wird vom inländischen IPR oftmals das ausländische Erfolgsortrecht zur Entscheidung berufen sein. In der Regel wird der Erfolg, wenn er im Ausland eintritt, nämlich ein 596 Die Autorin unterscheidet allerdings zu Unrecht nicht zwischen Blankettmerkmalen und normativen Tatbestandsmerkmalen im hier verstandenen (engeren) Sinne. 597 Krapp, S. 81 f.; 109; zusammenfassend S. 140 f. 598 Krapp, S. 101 ff., 87 f. (am Beispiel des Tatbestandes der Jagdwilderei).

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D. Die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter

ausländisches Rechtsgut tangieren, also ein solches, dessen Träger ein Ausländer oder eine ausländische Gemeinschaft ist. Entstehungsgrund und Grenzen dieses Rechtsgutes werden sich dann in den meisten Fällen nach der ausländischen Rechtsordnung bestimmen – nämlich nach dem ausländischen Schuldrecht, der „lex rei sitae“, dem ausländischen Familienrecht etc. Schwieriger wäre zu beurteilen, nach welchem Recht sich die Konkretisierung des Sorgfaltsmaßstabs im Rahmen der Fahrlässigkeitsdelikte bestimmen sollte. Es ist oben unter (c) angedeutet worden, dass es hier meist auf die Regeln des Internationalen Deliktsrechts ankommen wird. Auch diesem Rechtsbereich ist allerdings die bei Distanzdelikten entscheidende Frage, was genau unter dem „Begehungsort“ zu verstehen ist, nicht fremd. Der Gesetzgeber hatte insofern – ebenso wie im Strafrecht – eine „Verlegenheitslösung“ gewählt und ein (auch bereits vor der Kodifizierung des Internationalen Deliktsrechts vorherrschendes) „reduziertes Ubiquitätsprinzip“ normiert. Danach war bis zum Inkrafttreten der „Rom II-Verordnung599“ am 11. 01. 2009 gemäß Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB grundsätzlich das Recht des Handlungsortes maßgebend. Nach S. 2 dieser – für Altfälle noch bedeutsamen und in bestimmten Fällen (vgl. Art. 1 Abs. 2 lit. f und g Rom II-VO) auch jetzt noch anwendbaren – Norm kann der Verletzte allerdings innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens stattdessen die Anwendung des Erfolgsortrechts verlangen.600 In dieser Form lässt sich die Regelung selbstverständlich nicht in das Strafrecht übertragen, denn ein nachträgliches Wahlrecht des Geschädigten ließe sich weder mit den Erfordernissen an die Bestimmtheit von Strafnormen und die Vorhersehbarkeit staatlichen Strafens in Einklang bringen noch wäre es überhaupt im Strafprozess, in dem Täter und Opfer nicht die Rolle von Prozessparteien haben, realisierbar. Würde man aus diesem Grund im Rahmen des Internationalen Strafrechts ausschließlich die allgemeine Regel des Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB anwenden, wäre für die Konkretisierung des Sorgfaltsmaßstabs beim fahrlässigen Inlandsdistanzdelikt stets die Rechtsordnung des Handlungsortes und also die deutsche Rechtsordnung maßgeblich. Eine Fremdrechtsanwendung wäre also in diesen Fällen ausgeschlossen. Die isolierte Anwendung des Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB stellt sich allerdings weder als die einzig mögliche strafrechtsgerechte Abwandlung der Regeln des Internationalen Deliktsrechts dar, noch wäre sie mit dem diesen Regeln zugrunde liegenden Rechtsgedanken besonders gut vereinbar. Das durch 599 Verordnung (EG) Nr. 864 / 2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. 07. 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ABl. EU Nr. L 199 v. 31. 07. 2007, S. 40); zu den damit verbundenen Änderungen gegenüber dem geltenden Recht umfassend Junker, NJW 2007, 3675. 600 Weiterhin muss nach Art. 40 Abs. 2 EGBGB das Recht des Tatortes gegenüber dem Recht eines etwaigen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts von Schädiger und Verletztem zurücktreten. Nach der Ausweichklausel des Art. 41 EGBGB darf von den deliktischen Regelanknüpfungen schließlich abgewichen werden, wenn mit dem Recht eines anderen Staates ausnahmsweise eine wesentlich engere Verbindung besteht; nach Art. 42 EGBGB dürfen die Parteien das maßgebende Recht nachträglich wählen. Vgl. zu den Regeln des Internationalen Deliktsrechts etwa Kropholler, Internationales Privatrecht § 53 IV.

I. Tatbestände mit Schutzbereichsbegrenzung

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Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB eingeräumte Wahlrecht soll offenkundig den Geschädigten begünstigen; Erfolgsortrecht soll zur Anwendung kommen (können), wenn dies für das Opfer günstigere Folgen hat. Die Übertragung dieses Gedankens auf den Bereich des fahrlässigen Inlandsdistanzdelikts im Strafrecht müsste zur Folge haben, dass das Erfolgsortrecht nur in den Fällen zur Konkretisierung des Sorgfaltsmaßstabs heranzuziehen wäre, in denen seine Anforderungen strenger sind als die des deutschen Rechts. Dem eingangs erwähnten Bestreben, die Regelung der §§ 3, 9, nach denen eine „identische Norm“ am ausländischen Erfolgs- bzw. Handlungsort nicht Voraussetzung für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts ist, für das Inlandsdistanzdelikt gewissermaßen abzumildern, würde die beschriebene Vorgehensweise allerdings nicht entgegenkommen. Statt zu einer Annäherung an das Erfordernis einer „identischen Norm“ würde sie nur dazu führen, dass der Täter eines Inlandsdistanzdelikts in Inkongruenzfällen mit strengeren ausländischen Ausfüllungsnormen einer noch härteren Beurteilung unterläge, und zwar sogar unabhängig davon, ob sein Verhalten am Erfolgsort überhaupt strafbar (und nicht etwa bloß bußgeldbewährt) ist. Dem Erfordernis einer „identischen Norm“ würde man sich demgegenüber annähern, wenn man umgekehrt die Sorgfaltsmaßstäbe am Erfolgsort nur berücksichtigen würde, wenn sie laxer sind als die deutschen. Fehlt es nämlich aus diesem Grund nach den ausländischen Maßstäben an einem Sorgfaltsverstoß, wird das Verhalten am Erfolgsort auch kaum mit Strafe bedroht sein, weil – außer in rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht entsprechenden Systemen – eine vollkommen verschuldensunabhängige strafrechtliche Haftung kaum denkbar ist. Misst man dem Erfolgsortrecht eine gegenüber dem Recht des Handlungsortes gesteigerte Bedeutung zu, wäre es allein konsequent, stets das erstere zur Entscheidung der Inzidentfrage nach dem Sorgfaltsmaßstab heranzuziehen. Eine solche Möglichkeit bietet das Internationale Deliktsrecht des EGBGB nicht; die „Kollisionslösung“ kann hier keine Abhilfe schaffen.601 Etwas anderes könnte für die Regelungen der am 11. 01. 2009 in Kraft getretenen Rom II-Verordnung gelten. Die Rom II-VO ist in allen Mitgliedstaaten unmittelbar verbindlich und enthält allgemeine Kollisionsregeln für die Anknüpfung deliktischer Ansprüche, welche die Regelungen der Art. 40 ff. EGBGB in weiten Teilen abgelöst haben.602 Grundsätzlich ist nach Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO auf Schuldverhältnisse aus unerlaubter 601 Die Regelung des Art. 40 EGBEB ist allerdings im internationalprivatrechtlichen Schrifttum Kritik ausgesetzt: Kropholler, Internationales Privatrecht § 53 IV 2 a) etwa hält den Ansatz für überzeugender, grundsätzlich (und sofern er für den Schädiger vorhersehbar ist) auf den Erfolgsort abzustellen, weil „im modernen Haftungsrecht der Rechtsgüterschutz gegenüber dem Handlungsunrecht im Vordergrund“ stehe (unter Hinweis darauf, dass etwa der Schweizer Gesetzgeber diesen Ansatz gewählt habe). 602 Nach Art. 1 Abs. 1 S. 1 und Art. 3 Rom II-VO ist die Verordnung anwendbar, wenn der Sachverhalt eine Verbindung zum Recht irgendeines ausländischen Staates (nicht notwendig eines Mitgliedstaates der EU) hat. Sie hat damit nicht nur innerhalb Europas Geltung, sondern universalen Charakter (so genanntes „loi uniforme“); vgl. Junker, NJW 2007, 3675, 3677.

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D. Die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter

Handlung – unabhängig vom Ort der Handlung – das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Erfolg der unerlaubten Handlung eintritt.603 Was die Frage des Sorgfaltsmaßstabs betrifft, wird die Erfolgsortregel allerdings möglicherweise durch Art. 17 Rom II-VO ausgehöhlt: Unabhängig von dem nach Art. 4 – 14 Rom II-VO anzuwendenden Recht sind danach bei der Beurteilung des Verhaltens der Person, deren Haftung geltend gemacht wird, die Sicherheits- und Verhaltensregeln am Ort des haftungsbegründenden Ereignisses, „soweit angemessen“, als Tatsachenelement zu „berücksichtigen“ – eine Regel, die in Bezug auf die Bestimmung des Fahrlässigkeitsmaßstabs wohl wieder das Recht des Handlungsortes zur Anwendung bringen würde. Der zentrale Punkt ist offensichtlich: Ob in materieller Hinsicht etwas dafür spricht, das Erfolgsortrecht zur Beantwortung von Inzidentfragen zum Zuge kommen zu lassen, hängt entscheidend davon ab, welche Bedeutung man dem tatbestandsmäßigen Erfolg gegenüber dem Handlungsunrecht im Tatbestand zumisst.604 Die diesbezüglich getroffene Wertung ist auch ausschlaggebend für die Berechtigung der Forderung, die Erfolgsortstrafbarkeit zur gesetzlichen Voraussetzung der Strafbarkeit des Inlandsdistanztäters zu machen. Zu dieser Frage wird später unter II. 3. b) bb) noch Stellung bezogen werden. Überwiegend wird der Erfolgsunwert neben dem Handlungsunrecht als gleichberechtigter Bestandteil des vollen Unrechts angesehen.605 Die angeführten Begründungen für diese Ansicht zielen in erster Linie auf die bei eingetretenem Erfolg größere Erschütterung des Wertebewusstseins in der Bevölkerung.606 Davon ausgehend bietet es sich an, auch beim Inlandsdistanzdelikt jedenfalls für die Konkretisierung normativer Tatbestandsmerkmale über die Kollisionslösung dem ausländischen Erfolgsortrecht zu einer breiten Anwendung zu verhelfen. Was die Konkretisierung des Sorgfaltsmaßstabs beim Fahrlässigkeitsdelikt betrifft, kann möglicherweise der neue Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO in diesem Sinne Abhilfe schaffen.

603 Junker, NJW 2007, 3575, 3678. Art. 5 – 9 Rom II-VO enthalten Spezialnormen für bestimmte Deliktstypen. Im Hinblick auf das Strafrecht dürfte dabei insbesondere Art. 5 Rom II-VO (Produkthaftung) von Bedeutung sein; vgl. zu der komplizierten dreistufigen „Anknüpfungsleiter“ dieser Norm Junker, NJW 2007, 3675, 3678 f. 604 Vgl. Krapp, S. 133: Berücksichtigung nur des äußeren Anscheins der inkriminierten Handlung oder auch des Erfolges. Sofern die Autorin letzteren mit der Rechtsgutsverletzung gleichsetzt, ist das ungenau: Erfolg i. S. d. § 9 ist der (formelle) tatbestandsmäßige Erfolg und dieser ist nicht zwingend identisch mit der (materiellen) Rechtsgutsverletzung. 605 Statt vieler Roxin, AT I § 10 Rn. 93 ff. 606 Vgl. etwa Roxin, AT I § 10 Rn. 100. Kritisch zu dem Ansatz, die Bedeutung des Erfolgsunwertes von sozialpsychologischen Notwendigkeiten abzuleiten, Samson, FS Grünwald, 585, 588 f., der a. a. O. S. 595 ff. ein anderes Begründungsmodell liefert.

I. Tatbestände mit Schutzbereichsbegrenzung

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e) Ergebnis aa) Mögliche Auswirkungen der Fremdrechtsanwendung im Bereich der normativen Tatbestandsmerkmale Im Bereich der auf außerstrafrechtliche Rechtsverhältnisse verweisenden normativen Tatbestandsmerkmale hat die hier befürwortete „kollisionsrechtliche“ Lösung sehr unterschiedliche Auswirkungen auf den faktischen Schutz ausländischer Rechtsgüter durch das deutsche Strafrecht. Einen unmittelbaren Einfluss auf das Prinzip, dass auch ausländische Rechtsgüter durch das deutsche Strafrecht geschützt sind, hat sie – unabhängig davon, ob inländisches oder ausländisches Recht zur Anwendung berufen wird – nicht. Insbesondere ist die Möglichkeit einer Heranziehung ausländischen Rechts nicht ausnahmslos Voraussetzung dafür, dass ausländische Rechtsgüter auch den Schutz akzessorisch ausgestalteter Straftatbestände genießen. Für einen „lückenlosen“ Schutz ausländischer Rechtsgüter ist die Möglichkeit, das ausländische Recht über die Kollisionsnormen zur Anwendung gelangen zu lassen, allerdings unabdingbar, wenn es die Entstehungsvoraussetzungen und Grenzen eines Rechtsguts betrifft und dabei von den deutschen Bezugsnormen abweicht. Im Einzelfall kann die Fremdrechtsanwendung dann dazu führen, dass ein Sachverhalt von der Strafnorm erfasst wird, der nicht erfasst würde, wenn die in Bezug genommenen Normen dem deutschen Zivil- oder Öffentlichen Recht zu entnehmen wären. Dies führt nicht zu einem „stärkeren“ Schutz der im Ausland entstandenen Rechtsgüter oder zu einem Schutz inhaltlich abweichender Interessen, es sind nur andere und unter Umständen mehr Sachverhalte von der Strafrechtsnorm erfasst, als erfasst wären, wenn für die „Rechtsgutsgrenzen“ die deutsche Rechtsordnung maßgeblich wäre. Umgekehrt kann die fremde Rechtsordnung den Kreis der Positionen, die dem Bereich des Rechtsgutes der deutschen Strafrechtsnorm zuzuordnen sind, enger ziehen. Dann werden weniger Sachverhalte erfasst, als es bei Anwendung der deutschen Zivil- oder Verwaltungsrechtsordnung der Fall wäre. Die damit verbundene (nicht tatsächliche) „Strafbarkeitseinschränkung“ ist dann allerdings darin begründet, dass nach der insofern maßgeblichen ausländischen Rechtsordnung ein schützenswertes Rechtsgut gar nicht zur Entstehung gelangt ist. Die Ausführungen gelten entsprechend für die durch die Kollisionsnormen angeordnete Anwendung deutscher außerstrafrechtlicher Rechtssätze.607 Jedoch ist zu beachten, dass für die Einstufung als „Rechtsgut“ grundsätzlich die inländischen Vorstellungen maßgeblich bleiben müssen. Daher ist Vorsicht geboten, wenn die Bezug nehmenden normativen Tatbestandsmerkmale – statt 607 Beispielsweise die Verdrängung des Tatortrechtes durch das Recht des Staates des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts durch die Regel des Art. 40 Abs. 2 EGBGB im Internationalen Deliktsrecht. Sie kann etwa dazu führen, dass auf die im Ausland von einem Deutschen mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland begangene Straftat gegen einen in Deutschland lebenden Ausländer, der seinen Urlaub im Heimatland verbringt, bei der Beurteilung außerstrafrechtlicher Inzidentfragen deutsches Recht zum Zuge kommt.

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D. Die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter

Existenzvoraussetzungen und Grenzen – den Inhalt bzw. „Wesensgehalt“ des Rechtsgutes betreffen: Würde durch die Heranziehung der ausländischen Normen ein Gut dem Schutz des Tatbestandes unterstellt, dessen Schutz er gar nicht bezweckt, kommt eine Fremdrechtsanwendung nicht in Betracht. Mit einer Unterscheidung zwischen inländischen und ausländischen Rechtsgütern hat das freilich wenig zu tun: Interessen, denen der Straftatbestand nicht zu dienen bestimmt ist, schützt er ganz unabhängig davon, ob ihr Träger In- oder Ausländer ist, nicht.608 Wenn – umgekehrt – nach den ausländischen Normen eine Position nicht dem Bereich des Rechtsgutes zugeordnet wird, muss dies auch dann maßgeblich sein, wenn das beeinträchtigte Interesse bei Anwendung der inländischen Regeln unter den Schutz der Strafnorm fallen würde. Denn insofern ist dem ausländischen Recht als dem bei einer Auslandstat „sachnäheren“ ein Wertungsvorrang einzuräumen. Abgesehen von den Fällen, in denen eine Fremdrechtsanwendung zur Einbeziehung eines von dem Straftatbestand gar nicht geschützten Rechtsgutes führen würde, kann auch der „ordre public“-Grundsatz ausnahmsweise eine Fremdrechtsberücksichtigung verbieten. Ist etwa ein spezieller Entstehungsgrund eines Rechtsgutes nicht mit unseren Verfassungsgrundsätzen vereinbar, können wir die Entstehung des Rechtsgutes nicht anerkennen und dürfen es nicht dem Schutz unseres Strafrechts unterstellen. Dies kann zu einer faktischen Ausnahme eines Teilbereichs im Ausland begründeter (und damit – wenn auch keinesfalls zwingend – praktisch meist ausländischer) Rechtsgüter aus dem Schutzbereich eines deutschen Straftatbestandes führen. Die Anwendung der entsprechenden deutschen außerstrafrechtlichen Rechtssätze könnte in einem solchen Fall keine Abhilfe schaffen: Ein mit unseren Verfassungsgrundsätzen unvereinbarer Entstehungsgrund existiert in der deutschen Rechtsordnung naturgemäß nicht bzw. dürfte zumindest ebenso wenig Anwendung finden wie die entsprechende Regel in der ausländischen Rechtsordnung. Die dargestellten Folgen der Fremd- (bzw. Eigen-)rechtsanwendung ergeben sich ganz unabhängig davon, ob es sich um ausländische Individual- oder Allgemeinrechtsgüter handelt (und zumindest im Bereich der Individualrechtsgüter auch unabhängig davon, ob es sich um in- oder ausländische Rechtsgüter handelt). Wie oben erörtert, könnte die Anwendung der „Kollisionslösung“, sofern sie das Recht des Erfolgsortes zur Anwendung bringt, in gewissem Maße über das Fehlen eines Erfordernisses der „Erfolgsortstrafbarkeit“ beim Inlandsdistanzdelikt nach §§ 3, 9 hinweghelfen – eine Problematik, die ebenfalls nicht auf den Bereich der Allgemeinrechtsgüter schützenden Tatbestände beschränkt ist. Für die Frage des Schutzes ausländischer Rechtsgüter durch das deutsche Strafrecht hat sie demgegenüber keine allgemeine Bedeutung.

608 Für einen Inländer, der im Ausland Träger eines entsprechenden Interesses ist, gilt die Einschränkung selbstverständlich ebenso.

I. Tatbestände mit Schutzbereichsbegrenzung

153

bb) Blanketttechnik als Instrument des Gesetzgebers zur Einschränkung der §§ 3 – 7 Die Blanketttechnik hat sich dagegen als ein Mittel des Gesetzgebers erwiesen, von bestimmten Vorgaben der §§ 3 – 7 durch Formulierung engerer Voraussetzungen für einzelne Tatbestände abzuweichen. Häufiger, als dass dadurch ausländische Rechtsgüter – abweichend vom Grundsatz der §§ 3 – 7 – vom Schutzbereich des Tatbestandes ausgenommen werden, wird durch die Abfassung eines Strafgesetzes als Blankett dabei die Anwendbarkeit des § 7 ausgeschlossen, die Anwendbarkeit des Tatbestandes also auf Inlandstaten beschränkt. Eine solche Konsequenz ist oben unter C. I. 3. c) cc) (5) schon der Verweisung des § 38 WpHG auf den vor Schaffung des § 1 Abs. 2 WpHG nur im Inland geltenden § 14 WpHG attestiert worden (die freilich durch die „Entsprechensklausel“ in § 38 Abs. 2 a. F. wieder ausgehebelt wurde). Im Bereich des Insiderstrafrechts führte und führt zusätzlich die „mehrstufige“ Verweisungstechnik mit der Definition des „Insiderpapiers“ in § 12 WpHG zu einer Beschränkung auf Fälle, in denen zumindest auch der europäische Kapitalmarkt beeinträchtigt wird, also zu einer Schutzgutbeschränkung. Ähnlich verhält es sich bei den Straftatbeständen des Urheberrechts: Aus der Blankettstruktur etwa des § 106 Abs. 1 UrhG, der u. a. die unerlaubte Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von „Werken“ unter Strafe stellt und damit nur im Zusammenhang mit dem den Begriff des „Werkes“ definierenden § 2 UrhG und den in den §§ 45 ff. UrhG normierten Schranken des Urheberrechts für den Adressaten verständlich wird609 (so dass die Ausfüllung mit ausländischen Normen unzulässig sein muss, weil sie zur Bildung einer abweichenden Verhaltensnorm führen würde), folgt, dass der Straftatbestand räumlich nicht weiter reichen kann als diese Ausfüllungsnormen. Da für das Urheberrecht angenommen wird, die Wirkung der nationalen Regelung sei aufgrund der Geltung eines strengen Territorialitätsprinzips auf das Inland beschränkt, ist § 106 Abs. 1 auf Auslandstaten daher nicht anwendbar.610 Ein genereller Ausschluss gerade ausländischer Rechtsgüter aus dem Schutzbereich dieses Tatbestandes ist damit zwar nicht verbunden: Das Urheberstrafrecht schützt mit dem „geistigen Eigentum“ ein Individualrechtsgut,611 für dessen „Nationalität“ es auf die Staatsangehörigkeit seines Trägers ankommt. Von der durch die Blankettstruktur bewirkten Beschränkung auf Inlandstaten sind also theoretisch Deutsche und Angehörige anderer Staaten gleichermaßen betroffen (auch wenn praktisch durch Auslandstaten selbstverständ609 Vgl. etwa BGH NJW 2004, 1647 (Strafvorschriften in § 108 UrhG seien Blanketttatbestände, die streng urheberrechtsakzessorisch ausgestaltet seien). A. A. Enderle, S. 247 f.: § 106 Abs. 1 UrhG enthalte eine hinreichende Beschreibung des bewehrten Verhaltens („vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergibt“); die Verweisung auf die „anderen als die gesetzlich zugelassenen Fälle“ sei normatives Tatbestandsmerkmal. 610 Im Ergebnis zutreffend gehen Weber, FS Stree / Wessels, 613, 622 und Sternberg-Lieben, NJW 1985, 2121, 2124 daher davon aus, dass die Anwendbarkeit von § 7 für das Urheberstrafrecht damit ausgeschlossen ist; ebenso BGH NJW 2004, 1674, 1675. 611 Weber, FS Stree / Wessels, 613, 619.

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D. Die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter

lich häufiger die Rechte eines Ausländers verletzt sein dürften): Gegen Taten außerhalb Deutschlands wird ihr geistiges Eigentum vom deutschen Urheberstrafrecht nicht geschützt. Dass der Schutz von Ausländern im Bereich des Urheberstrafrechts auch für Inlandstaten eingeschränkt ist (und damit der Grundsatz, dass ausländische Rechtsgüter im Falle von Inlandstaten ebenso geschützt sind wie ausländische, für diesen Bereich eine Modifizierung erfährt), ist vielmehr der Tatsache geschuldet, dass ausländische Staatsangehörige den Werkschutz des Urheberrechts nur unter den Voraussetzungen des § 121 UrhG genießen und dies für die Blankettausfüllung ebenso zu berücksichtigen ist.612 Das Territorialitätsprinzip des § 3 ist also insofern durch § 121 UrhG eingeschränkt, als allein die Tatsache eines inländischen Tatortes als Anknüpfungspunkt für die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts ausnahmsweise bei den §§ 106 ff. UrhG nicht genügen soll.613 Manchmal führt auch schon die durch die Blankettstruktur vorgegebene Unanwendbarkeit eines Tatbestandes auf Auslandstaten mittelbar zu einer Beschränkung auf den Schutz inländischer Rechtsgüter, und zwar wenn die Rechtsgüter „räumlich gebunden“ sind. Wie oben unter C. I. 3. c) cc) (4) bereits festgestellt, ist dies aufgrund ihrer verwaltungsakzessorischen Ausgestaltung bei einigen Tatbeständen des Umweltstrafrechts der Fall: Das Merkmal „unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten“ macht die betreffenden Tatbestände zu Strafblanketten614 und führt dazu, dass jedenfalls, wenn im Ausland sowohl gehandelt wird als auch der tatbestandliche Erfolg dort eintritt, die Tatbestände nicht anwendbar sind. Die ausländischen Umweltgüter bleiben insoweit ungeschützt.615 Die Untersuchung des so genannten Problems der „Fremdrechtsanwendung“ hat damit ergeben, dass in Einzelfällen die Inbezugnahme außerstrafrechtlicher Normen durch Straftatbestände zu von den Regeln der §§ 3 – 7 abweichenden (engeren) Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts führen kann. Ein umfassendes „Verbot der Fremdrechtsanwendung“ für zivil- oder verwaltungsakzessorisch ausgestaltete Straftatbestände, das für diesen Bereich entgegen den Grundsätzen der §§ 3 – 7 zu einem generellen Ausschluss ausländischer Rechtsgüter führen könnte, konnte dagegen nicht festgestellt werden.

612 Vgl. auch Weber, FS Stree / Wessels, 613, 621: „Ein über die §§ 120 ff. UrhG hinausreichender Strafrechtsschutz ausländischer Rechtsinhaber verbietet sich auch wegen der streng urheberrechtsakzessorischen Ausgestaltung der §§ 106 ff. UrhG.“ 613 Vgl. auch Weber, FS Stree / Wessels, 613, 621: Es sei nicht möglich, den Anwendungsbereich der Strafvorschriften des Urheberrechts losgelöst vom Urheberrecht uneingeschränkt nach dem Territorialitätsprinzip des § 3 zu bestimmen. 614 A. A. Enderle, S. 264 f. 615 Die Verwaltungsakzessorietät der Umweltstraftatbestände kann andererseits im Bereich der EG auch wieder zu einer Aufhebung dieser Einschränkung führen, indem eine (dort mögliche) Rechtsvereinheitlichung auf dem Gebiet des Umweltverwaltungsrechts mittelbar auch die strafrechtliche Verantwortlichkeit beeinflusst (Dannecker / Streinz, in: Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht Bd. I § 8 Rn. 59; vgl. auch schon Sieber, ZStW 103 [1991], 957, 976).

II. Keine Schutzbereichsbegrenzung in anderen Fällen

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3. Die Verletzung ausländischer Rechtsgüter als Prozesshindernis? Die Nichterfüllung der Voraussetzungen der §§ 3 – 7 – für diese Untersuchung dabei von besonderer Relevanz der Fall, dass durch die Auslandstat eines Ausländers ein deutsches Individualrechtsgut nicht beeinträchtigt wird – führt nach ganz h. M. zu einer Verfahrenseinstellung. Eine „Tatbestandsspaltung“, die sich anderenfalls aus der Überlegung ergäbe, dass das deutsche Strafrecht im Falle von Auslandstaten eines Ausländers keine ausländischen Rechtsgüter schützt (ansonsten aber schon), wird so vermieden. Es ist allerdings auch deutlich geworden, dass die Annahme eines Prozesshindernisses nicht zwingend ist, es vielmehr vom Boden der Theorie vom beschränkten Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts aus ebenso konsequent wäre, bei Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 einen Freispruch zu fordern.616 Auf diese Weise könnten Friktionen vermieden werden, die ansonsten unvermeidbar mit der These verbunden wären, dass die Voraussetzungen der §§ 3 – 7 und die „Schutzbereichsfrage“ dasselbe Problem (Anwendbarkeit deutscher Straftatbestände bei Sachverhalten mit Auslandsbezug) betreffen. Folgt nämlich die Unanwendbarkeit eines deutschen Straftatbestandes aus seiner Blankettstruktur oder daraus, dass er in seinem Wortlaut unzweifelhaft auf die Verletzung inländischer Rechtsgüter beschränkt ist, liegt die Annahme, bei Taten gegen entsprechende ausländische Rechtsgüter liege lediglich ein Prozesshindernis vor, relativ fern. In solchen Fällen ist schlicht der Tatbestand nicht erfüllt. Wenn sich – bei neutralem Wortlaut eines Tatbestandes – die Unanwendbarkeit des deutschen Strafrechts „nur“ aus der Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 ergibt, lässt sich zwar noch annehmen, der Gesetzgeber messe sich für diese Fälle eben keinen Bewertungsanspruch zu (so dass das Verfahren einzustellen ist). In Fällen, in denen der Tatbestand eine explizite Beschränkung enthält, liegt dagegen die Annahme näher, er bewerte die Verletzung ausländischer Rechtsgüter eben nicht als Unrecht (und nicht gar nicht). Es ist daher zwar nicht ausgeschlossen, in dem einen Fall ein Prozesshindernis anzunehmen, in dem anderen dagegen zu einem Freispruch zu gelangen. Konsequenter wäre es demgegenüber, einen Freispruch in beiden Fällen zu fordern.

II. Keine Schutzbereichsbegrenzung in anderen Fällen 1. Bedeutung teleologischer Überlegungen Bisher sind solche Tatbestände untersucht worden, deren eindeutiger Wortlaut bereits zu einer Begrenzung auf den Schutz inländischer Rechtsgüter führt, und solche, bei denen der Gesetzgeber durch die Verwendung von Blankettmerkmalen eine entsprechende Einschränkung (oder eine andere über die Voraussetzungen der §§ 3 – 7 hinausgehende Einschränkung der Anwendbarkeit eines Straftatbestandes) 616

Vgl. dazu oben C. I. 3. bb) (3) (c).

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D. Die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter

erreicht hat. In diesen Fällen gilt die ermittelte Grundregel – Schutz auch ausländischer Rechtsgüter im Falle von Auslandstaten Deutscher und Inlandstaten – nicht. Damit bleibt noch zu ermitteln, ob die gesetzgeberische Grundentscheidung zu Gunsten des Schutzes auch ausländischer Rechtsgüter auch in Fällen, in denen weder ein entgegenstehender expliziter Wortlaut noch die Blankettstruktur eines Strafgesetzes sie zurücknehmen, ausnahmsweise einer Korrektur bedarf. Dass eine solche teilweise angebracht ist, lassen die zahlreichen Stimmen in Rechtsprechung und Schrifttum mutmaßen, die eine „Ausdehnung“ deutscher Straftatbestände auf den Schutz ausländischer Allgemeinrechtsgüter mit unterschiedlichen Begründungen für verfehlt halten. Dabei dürfte mittlerweile klar geworden sein, dass es zwar nicht um eine abzulehnende „Ausdehnung“ auf ausländische Rechtsgüter geht, sondern umgekehrt darum, die entsprechenden Tatbestände einschränkend zu interpretieren.617 Aus diesem Blickwinkel müssen die Argumente, die gegen die „Ausdehnung“ der Tatbestände angeführt werden, neu beleuchtet werden. Unser Ausgangsproblem bestand in der „neutralen“ Formulierung der meisten Tatbestände, die nicht erkennen lässt, ob auch ausländische Rechtsgüter von ihnen erfasst werden. Wir haben aber gesehen, dass die Tatbestände im Hinblick auf diese Frage nicht isoliert betrachtet werden können, weil der Gesetzgeber in den §§ 3 – 7 diesbezüglich allgemein gültige Regelungen getroffen hat. In einer „Zusammenschau“ mit diesen Regeln erschließt sich der Inhalt der einzelnen für sich jeweils „neutralen“ Straftatbestände. Die systematische Auslegung des Gesetzes, namentlich eine Analyse der §§ 3 – 7 und dort ein Umkehrschluss aus § 7 Abs. 1, hat also ergeben, dass das StGB für ausländische Rechtsgüter grundsätzlich ebenso gilt wie für inländische. Die Gleichstellung ausländischer mit inländischen Rechtsgütern im Strafrecht gerät auch grundsätzlich nicht in Konflikt mit dem Völkerrecht: Für die Anordnung der „räumlichen“ Geltung des eigenen Strafrechts ist zwar (seit der „Lotus-Entscheidung“ des StIGH anerkannte) Voraussetzung, dass eine sinnvolle Beziehung, ein „genuine link“ des zu beurteilenden Sachverhalts mit dem strafenden Staat besteht.618 Ein solcher ist bei Auslandstaten Deutscher und bei Inlandstaten619 aber ohnehin gegeben: Staatsangehörigkeit des Täters und inländischer Tatort sind für nationale Strafanwendungsrechtskodifikationen völkerrechtlich anerkannte Anknüpfungspunkte. Systematische Plausibilität und völkerrechtliche Zulässigkeit machen teleologische Erwägungen allerdings nicht überflüssig. Zwar dürfte ein eindeutiger Be617 Wobei trotz des „neutralen“ Wortlauts der Vorschriften wohl auf das Mittel der teleologischen Reduktion zurückgegriffen werden müsste, weil der Wortlaut der Vorschriften zwar für sich genommen auch eine entsprechend restriktive Auslegung zulassen würde, die Zusammenschau mit § 7 Abs. 1 aber im Gegenteil eine weite (auch ausländische Rechtsgüter einbeziehende) Deutung nahe legt. 618 Zahlr. Nachw. dazu auch zur völkerrechtlichen Literatur etwa bei Henrich, S. 17 m. Fn. 36. 619 Zur Annahme der h. M., bei Auslandstaten von Ausländern, die kein deutsches Rechtsgut verletzen, bestehe nach § 7 Abs. 1 bereits ein Prozesshindernis, bereits oben C. I. 3. a) bb) (3) (c).

II. Keine Schutzbereichsbegrenzung in anderen Fällen

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deutungszusammenhang vor solchen grundsätzlich Vorrang620 haben, insbesondere wenn sie so allgemeiner und nebelhafter Natur sind wie etwa der Verweis auf die Funktion des Strafrechts als „innerstaatliches Ordnungsrecht“. Von einem vollkommen eindeutigen Bedeutungszusammenhang ist allerdings wohl deshalb nicht auszugehen, weil einzelne Straftatbestimmungen schon aufgrund ihres Wortlauts oder ihrer (Verweisungs-)Struktur eine Beschränkung auf inländische Rechtsgüter enthalten, ihren Schutzbereich also (mit einer „integrierten“ Anwendungsnorm) gewissermaßen eigenständig bestimmen. Von einer abschließenden Regelung der Schutzbereichsfrage durch die §§ 3 – 7 kann daher keine Rede sein. Teleologische Erwägungen spielen zudem selbstverständlich eine Rolle, wo die von der Verfassung gesetzten Grenzen überschritten würden, wenn allein der – relativ – eindeutige Bedeutungszusammenhang als maßgeblich erachtet würde. Im Folgenden sollen die teleologischen Argumente, die in der Diskussion um die „Schutzbereichsfrage“ bisher eine Rolle gespielt haben, kritisch überprüft werden. Dabei wird es zunächst (unter 2.) um solche Argumente gehen, die gegen die „Ausdehnung“ des Schutzbereichs einzelner Tatbestände auf ausländische Allgemeinrechtsgüter angeführt werden. Sie könnten im Einzelfall eine (verfassungskonforme) restriktive Interpretation der Tatbestände erforderlich machen. Danach (unter 3.) werden auch die Argumente untersucht, die für die Einbeziehung einzelner ausländischer (insbesondere Individual-)Rechtsgüter in den „Schutzbereich“ deutscher Straftatbestände angeführt werden. Haben sie Bestand, können sie das bisherige Ergebnis der Untersuchung stützen. Darüber hinaus werden dort weitere Erwägungen angestellt werden, die die These, dass das deutsche Strafrecht auch „ausländische“ Rechtsgüter, und zwar auch solche der Allgemeinheit, mitumfasst, untermauern.

2. Unzulässigkeit des Schutzes ausländischer staatlicher Interessen? a) Die Unbrauchbarkeit der Formel der Rechtsprechung Die in der Rechtsprechung wiederholt gebrauchte Formel, das deutsche Strafrecht sei als „innerstaatliches Ordnungsrecht“ in erster Linie zum Schutz inländischer Belange und nicht dazu berufen, ausländische Staatseinrichtungen und deren Interessen zu schützen,621 ist schon der Kritik von anderen ausgesetzt gewesen.622 Möhrenschlager bemerkt überdies zutreffend, dass Aufgabe und Funktion der innerstaatlichen Strafgewalt im Zeichen der Internationalisierung von Vers. schon oben B. IV. BGHSt 22, 282, 285; 29, 85, 88; OLG Düsseldorf NJW 1982, 1242, 1243; BGH NStZ 1984, 360. 622 Vgl. etwa Lüttger, FS Jescheck, 121, 134 f. und ebenso Obermüller, S. 119: „Apodiktische Aussage“, die keinen Beweiswert für sich in Anspruch nehmen könne. 620 621

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D. Die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter

brechen und ihrer Bekämpfung Veränderungen unterliegen.623 Ohnehin ist es Aufgabe des Gesetzgebers, nicht des Normanwenders, den Aufgabenbereich des Strafrechts näher abzustecken.624 Sicherlich ist er dabei verfassungsrechtlichen Beschränkungen unterworfen.625 Dass sein Ermessensspielraum dadurch auf die Schaffung „innerstaatlichen Ordnungsrechts“ begrenzt ist, ist indessen kaum anzunehmen. Wenn die Auslegung des Gesetzes ergibt, dass ein Tatbestand – mangels sich aus Wortlaut und Systematik ergebender Beschränkung auf inländische Interessen – ausländische „staatliche“ Interessen ebenso berücksichtigt, kann eine dem Gesetzgeber von der Rechtsprechung „untergeschobene“ entsprechende Grenzlinie für sich allein jedenfalls noch kein Abweichen von dieser Interpretation veranlassen. b) Kein Verstoß gegen das Einmischungsverbot durch den Schutz ausländischer Hoheitsinteressen Die These, die Bestrafung einer Tat, die lediglich fremde hoheitliche Interessen beeinträchtigt, stelle eine verbotene Einmischung in die inneren Angelegenheiten fremder Staaten dar,626 ist ebenfalls bereits von anderen mit meist zutreffender Begründung in Frage gestellt627 und hier widerlegt worden: Eine Tat unterfällt auch nach der These von der grundsätzlichen Schutzbereichserstreckung nur dann dem Anwendungsbereich des deutschen Strafgesetzbuches, wenn ein hinreichender Bezug zur Bundesrepublik durch einen völkerrechtlich anerkannten Anknüpfungspunkt gegeben ist. Für Taten, die nur ausländische Hoheitsinteressen beeinträchtigen, heißt das: Nur dann, wenn sie vom Inland aus oder von einem Deutschen begangen werden. Eine Tat unter Strafe zu stellen, die durch einen dieser Umstände einen Bezug zur Bundesrepublik aufweist, ist kein Verstoß gegen das Einmischungsverbot.

623 Möhrenschlager, Internationalisierung des materiellen Strafrechts, in: Beiträge zum X. Kongress der Vereinten Nationen in Wien, Österreich, vom 10. bis 17. April 2000, S. 26. 624 Vgl. etwa BVerfGE 90, 145, 173. 625 Vgl. auch insofern BVerfGE 90, 145, 173: Strafvorschriften müssten materiell im Einklang mit den Bestimmungen der Verfassung stehen und den ungeschriebenen Verfassungsgrundsätzen sowie Grundentscheidungen des Grundgesetzes entsprechen. 626 Vgl. BGHSt 22, 282, 285; BGHSt 29, 85, 89; Oehler, Internationales Strafrecht Rn. 779; Günther-Nicolay, S. 287 f.; Ziegenhain, S. 62; Ambos, Internationales Strafrecht § 1 Rn. 34. 627 Vgl. dazu schon oben B. II. 2. b). Die Aussage Lüttgers (FS Jescheck, 121, 135) und Obermüllers (S. 123 f.), der Gedanke der unzulässigen Einmischung sei „dem internationalen Strafrecht entsprungen“ und habe im Rahmen der Diskussion, wann und unter welchen Voraussetzungen fremde (staatliche) Rechtsgüter in den Schutzbereich deutscher Straftatbestände einbezogen sein sollen, nichts verloren, geht allerdings fehl, wenn man wie hier davon ausgeht, die „Schutzbereichsfrage“ sei eine solche des Strafanwendungsrechts.

II. Keine Schutzbereichsbegrenzung in anderen Fällen

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c) Die Unzulänglichkeiten in der Argumentation Obermüllers Der Ansatz Obermüllers, der in der „Einbeziehung“ ausländischer staatlicher und kollektiver Rechtsgüter eine Unterlegung einzelner Tatbestände mit einem nicht nachzuweisenden, strafbarkeitserweiternden Gesetzeszweck erblickt und damit eine verbotene Analogie und also einen Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG,628 steht und fällt mit der Prämisse des Autors, die „klassischen“ Auslegungsmethoden hielten diesbezüglich keine Lösung bereit und auch aus den Prinzipien des Internationalen Strafrechts lasse sich kein Hinweis für den Umgang mit der Frage der Einbeziehung ausländischer Kollektivrechtsgüter in deutsche Straftatbestände herleiten.629 Die Prämisse hat sich als unrichtig erwiesen, dasselbe gilt damit für die aus ihr gezogene Folgerung. Fundierter erscheint auf den ersten Blick die Überlegung, mit der Obermüller sein Ergebnis meint stützen zu können: Strafrecht könne als „ultima ratio“ und als Rechtsgüterschutzrecht ausschließlich dem Schutz der für unsere Gesellschaft unverzichtbaren Funktionseinheiten dienen.630 Der Bestand ausländischer Allgemeininteressen sei nicht von unverzichtbarem Wert für unsere Gesellschaft, so dass man sie als „Rechtsgüter“ kaum bezeichnen könne und sie jedenfalls nicht Schutzgegenstand deutscher Strafrechtsnormen sein könnten.631 In eine ähnliche Richtung weisen die Ausführungen Ziehers, das Strafrecht diene, wie andere Rechtsmaterien auch, der Schaffung und Aufrechterhaltung eines geregelten Zusammenlebens im Staate. Als Schutz- und Friedensrecht bestimme sich sein Aufgabenbereich nach dem Schutzbedürfnis der vom Staat umschlossenen Gesamtheit.632 Als Rechtsgüterschutzrecht erscheine die Anwendung des Strafrechts nur insoweit legitim, als die Verhinderung gewisser Angriffe für den Bestand und das Funktionieren der sozialen Ordnung des Einzelstaates unerlässlich sei, als ein Verbrechen sich gerade für den Einzelstaat als eine „dysfunktionale soziale Erscheinung“ äußere.633 Auf der Grundlage der Annahme, von Verfassungs wegen müsse ein Straftatbestand stets dem unmittelbaren Rechtsgüterschutz zu dienen bestimmt sein, ist es 628 Obermüller, S. 192; ähnlich Günther-Nicolay, S. 153; im Zusammenhang mit § 299 a. F. zweifelnd auch BGH, Urteil v. 29. 08. 2008 – 2 StR 587 / 07; BeckRS 2008, 23926, Rn. 56 und Saliger / Gaede, HRRS 2008, 57, 63 f.; näher zu diesem Ansatz oben B. II. 2. c). 629 Obermüller, S. 191. 630 Obermüller, S. 196 ff. 631 Obermüller, S. 197. 632 Zieher, S. 35. 633 Zieher, S. 36. Aus den weiteren Ausführungen des Autors, es sei daher „schon prima facie nicht einzusehen, weshalb das deutsche Strafrecht als nationale Rechtsmaterie grundsätzlich jeden Diebstahl oder jede Körperverletzung von oder durch Ausländer an Ausländern im Ausland seiner Bewertung unterziehen können sollte“, wird allerdings deutlich, dass sich Ziehers – insofern berechtigte – Zweifel auf Taten ohne Bezugspunkt zur Bundesrepublik beschränken.

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D. Die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter

selbstverständlich zutreffend, dass ein Tatbestand hinsichtlich seines Eingreifens auch im Falle einer Beeinträchtigung von Interessen, die nicht „Rechtsgüter“ sind, verfassungswidrig wäre.634 Es ist allerdings nicht ausgemacht, dass ausländische Allgemeininteressen grundsätzlich nicht die Qualität eines „Rechtsguts“ haben können. Ob der unbeeinträchtigte Bestand eines solchen Interesses ein „für unsere verfassungsgemäße Gesellschaft und damit auch für die verfassungsgemäße Stellung und Freiheit des einzelnen Bürgers unverzichtbare und damit werthafte soziale Funktionseinheit“635 ist, muss der Gesetzgeber beurteilen, dem insofern ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt wird:636 Einen aus der Verfassung ableitbaren, „dem (Straf-)Gesetzgeber vorgelagerten und verbindlichen Rechtsgutsbegriff“ gibt es nicht.637 Vor dem Hintergrund zunehmender internationaler Verflechtungen erscheint es nicht ausgeschlossen, dass auch ausländischen Allgemeinrechtsgütern eine entsprechende Stellung zukommen kann und eine Entscheidung des Gesetzgebers zugunsten ihres Schutzes daher jedenfalls auf den ersten Blick nicht willkürlich. Hauptgrund dafür, dass Obermüllers Argumentation nicht zu überzeugen vermag, ist indes ein anderer: Der Autor geht wie selbstverständlich davon aus, dass der Schutzbereich eines Tatbestandes, der ausschließlich Allgemeinrechtsgüter schützt, also – so die These – grundsätzlich nur inländische, durch explizite legislatorische Entscheidung auf den Schutz ausländischer Interessen ausgedehnt werden könne.638 Dies sei eine der Konstellationen, in denen auch ausländische Allgemeinrechtsgüter ausnahmsweise den Schutz des deutschen Strafrechts genießen könnten.639 Wenn aber – wovon Obermüller ausgeht – ausländische Allgemeinrechtsgüter niemals Rechtsgüter i. S. v. für unsere Gesellschaft unverzichtbaren Funktionseinheiten sein können, dann können sie zu solchen auch nicht allein durch eine Entscheidung des Gesetzgebers werden. Die These, dass ein Tatbestand hinsichtlich seines Eingreifens auch bei der Verletzung eines solchen Gutes „rechtsgutslos“ bestehe und damit verfassungswidrig sei, müsste daher auch Vgl. Obermüller, S. 41. Obermüller, S. 39 (im Anschluss an die Begriffsdefinition bei SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 8). 636 Vgl. etwa NK-Hassemer / Neumann, Vor § 1 Rn. 85 ff., 112, 141; BVerfGE 50, 142, 161 f.: Der Gesetzgeber sei zwar gehalten, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend ungleich zu behandeln; hierbei verbleibe ihm aber ein weiter Gestaltungsspielraum. Bei der Entscheidung, ob er ein bestimmtes Rechtsgut, dessen Schutz ihm wesentlich erscheine, mit den Mitteln des Strafrechts verteidigen wolle, sei er grundsätzlich frei. – Ebenso BVerfGE 71, 108, 115 f.; 92, 1, 13 (die ergänzen: „Den Gerichten ist es verwehrt, seine Entscheidung zu korrigieren“); vgl. auch BVerfGE 90, 145, 173: Entscheidung des Gesetzgebers könne nicht daraufhin überprüft werden, ob er die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden habe. 637 Hefendehl, S. 94. 638 Obermüller, S. 192 ff.; allgemeine Meinung, vgl. dazu die Nachw. oben Fn. 92. 639 Zu allen von dem Autor angenommenen Ausnahmefällen zusammenfassend Obermüller, S. 214 f. 634 635

II. Keine Schutzbereichsbegrenzung in anderen Fällen

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für Tatbestände gelten, in denen der Gesetzgeber seinen Wunsch, auch ausländische Allgemeinrechtsgüter einzubeziehen, unzweideutig zum Ausdruck gebracht hat, also etwa für § 299 (durch die Schaffung des Abs. 3) oder die §§ 331 ff. (durch die Erweiterung des Amtsträgerbegriffs durch EUBestG und IntBestG). Oder, aus umgekehrter Perspektive: Die Tatsache, dass der Gesetzgeber einzelne ausländische Allgemeininteressen offenkundig nicht vom Schutzbereich ausgenommen wissen wollte, ihre Einbeziehung sich vielmehr schon aus der Umschreibung der tatbestandsmäßigen Handlung ergibt, könnte Beleg dafür sein, dass die Rechtsgutsqualität ausländischen Allgemeinrechtsgütern nicht von vornherein abzusprechen ist. Diese Annahme liegt auch deshalb näher, weil eine Befugnis des Gesetzgebers, den Schutzbereich von Tatbeständen auf ausländische Allgemeinrechtsgüter zu erstrecken, von niemandem ernsthaft als verfassungswidrig in Zweifel gezogen wird.640 Obermüller zieht aber weder den einen noch den anderen Schluss.

d) Mangelnde Vergleichbarkeit ausländischer Hoheitsinteressen mit deutschen? Es verbleiben damit die Stimmen, die mit Blick auf die mangelnde Vergleichbarkeit ausländischer mit deutschen Hoheitsinteressen daran zweifeln, ob eine Schutzbereichserstreckung in diesem Bereich ohne weiteres angenommen werden kann. So betont etwa Oehler die enge Verbindung staatlicher Interessen mit der jeweiligen nationalen Rechtsordnung und die mangelnde Vergleichbarkeit ausländischer mit deutschen staatlichen Einrichtungen.641 Für die Beispiele, die Oehler anführt, mag das einleuchten, weil etwa die deutschen Hochverratsbestimmungen und die Bestimmungen über Straftaten gegen Verfassungsorgane möglicherweise tatsächlich Einrichtungen voraussetzen, die nicht in jedem ausländischen Staat – jedenfalls nicht in vergleichbarer Weise – vorhanden sind, so dass ihre Anwendung auf die Auslandstat „einen anderen Sinn und Gehalt bekäme“.642 Gerade in den von Oehler genannten Tatbeständen hat der Gesetzgeber allerdings auch durch entsprechende Formulierungen zum Ausdruck gebracht, dass ihre Anwendung auf die Beeinträchtigung deutscher Interessen beschränkt sein soll;643 sie sind schon durch ihren Wortlaut „selbstbegrenzte Sachnormen“ und die Frage, ob sie auch bei der Beeinträchtigung (den deutschen mehr oder weniger) entsprechender ausländischer Einrichtungen anzuwenden seien, wird zu Recht von niemandem gestellt: Ihre Bejahung wäre verbotene Analogie. Die explizite Beschränkung dieser Tatbestände könnte allenfalls einen der Erstreckung auf ausländische Hoheitsinteressen grundsätzlich entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers indizieren. Selbst davon ist 640 Mit dieser Feststellung meldet auch Forkel, S. 109 f. Zweifel an der grundsätzlichen „Schutzunwürdigkeit“ ausländischer überindividueller Rechtsgüter an. 641 Oehler, Internationales Strafrecht, Rn. 233, 779. 642 Oehler, Internationales Strafrecht Rn. 779. 643 Vgl. dazu oben unter I.

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D. Die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter

angesichts der ausdrücklichen „Aufhebung“ entsprechender tatbestandsimmanenter Beschränkungen durch gesetzgeberische Anordnung an anderer Stelle – hier können wiederum IntBestG und EUBestG als Beispiele dienen – indes nicht auszugehen. In diesen Zusammenhang gehört weiterhin die Überlegung, ein genereller Schutz fremder Staatstätigkeit komme nicht in Betracht, weil dieser vom Vertrauen in die Integrität der fraglichen Staatstätigkeit gestützt sein müsse, die Entscheidung über die Schutzwürdigkeit von Einrichtungen eines fremden Staates aber – auch wegen ihrer möglichen außenpolitischen Bedeutung – nicht dem Richter überlassen werden könne.644 Dem ist zweierlei entgegenzuhalten. Erstens liegt die Entscheidung über die Einbeziehung ausländischer „staatlicher“ Rechtsgüter in erster Linie nicht beim Richter, sondern beim Gesetzgeber, der sich teilweise explizit dagegen, teilweise explizit – und nach der hier entwickelten These auch sonst grundsätzlich – dafür entschieden hat. Dem Richter ist damit nur die Entscheidung überlassen, ob im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände die Anwendung eines Tatbestandes auf eine ausländische Hoheitsinteressen beeinträchtigende Tat mit Grundsätzen unserer Verfassung in Konflikt geraten würde, also unserem „ordre public“ widersprechen, und daher – mit dem Mittel der teleologischen Reduktion – abzulehnen ist.645 Eine solche Entscheidung hat unter Umständen tatsächlich außenpolitische Bedeutung. Aber – zweitens – Entscheidungen mit potentieller außenpolitischer Tragweite werden dem Strafrichter, insbesondere im Bereich des Internationalen Strafrechts, auch sonst zugemutet. Den (in diesem Fall: internationalen) „ordre public“ hat der Richter etwa auch bei der Frage zu berücksichtigen, ob ein ausländischer Straffreistellungsgrund eine Strafdrohung am Tatort als Erfordernis des § 7 entfallen lässt,646 und ihm ist in diesem Zusammenhang auch die Entscheidung überlassen, inwiefern prozessuale Verfolgungshindernisse des Tatortrechts für das Erfordernis der Tatortstrafbarkeit in § 7 Abs. 2 Bedeutung haben können.647

644 So Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 3 – 7 Rn. 17; Schröder, JZ 1968, 241; 244; Schlüchter, FS Oehler, 307, 311; SK3-Samson, § 3 Rn. 13; SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 34; Ambos, Internationales Strafrecht § 1 Rn. 34. 645 Dagegen, dem Richter in diesem Bereich eine Entscheidung nach dem ordre public zu überlassen, allerdings Schröder, JZ 1968, 241, 244. 646 Vgl. dazu etwa BGHSt 42, 275, 279; Satzger, Internationales Strafrecht § 5 Rn. 90 ff. sowie Werle / Jeßberger, JuS 2001, 141, 143. 647 Zu dieser Frage etwa Ambos, Internationales Strafrecht § 3 Rn. 53; Henrich, S. 97 ff.; Schönke / Schröder-Eser, § 7 Rn. 11; Rath, JA 2007, 26, 34 sowie Lackner / Kühl, § 7 Rn. 2; jeweils m. w. N.

II. Keine Schutzbereichsbegrenzung in anderen Fällen

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e) Ergebnis: Keine grundsätzliche Unzulässigkeit des Schutzes ausländischer Allgemeininteressen Keine der Erwägungen, mit denen in der Schutzbereichsdiskussion eine Erstreckung auf ausländische staatliche Interessen abgelehnt wird, konnte überzeugen. Das heißt nicht, dass in Bezug auf bestimmte hoheitliche Interessen ausländischer Staaten ein Schutz durch das deutsche Strafrecht unangemessen erscheinen kann oder sogar möglicherweise mit unserer Verfassung in Konflikt geraten könnte. Der Gesetzgeber hat in solchen Fällen aber die Möglichkeit, durch die Fassung des Tatbestandes eine Beschränkung auf den deutschen Staat zu erreichen, und hat von dieser Möglichkeit auch in mehreren Tatbeständen Gebrauch gemacht. In anderen Fällen steht der Anwendung eines Tatbestandes, auch wenn durch die Tat lediglich ausländische Hoheitsinteressen beeinträchtigt werden, nichts entgegen. Dementsprechend sind Tatbestände, die etwa dem Schutz der Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder der Rechtspflege dienen, auch unabhängig davon, ob (und in welchem Maße) sie zusätzlich Individualrechtsgüter schützen, entgegen der allgemeinen Meinung anwendbar, wenn nur die Verwaltung oder die Rechtspflege eines ausländischen Staates beeinträchtigt wird. Was den Schutz ausländischer Kollektivrechtsgüter (im Sinne von Interessen der ausländischen „Gesellschaft“, die nicht unmittelbar dem Staat zuzuordnen sind) betrifft, muss dies erst recht gelten. Ist der Bestand eines kollektiven Gutes, wie etwa einer funktionierenden Wirtschaft in einem Staat mit freiheitlicher Marktordnung, vom staatlichen Gefüge weitgehend unabhängig, geht eine Argumentation, die sich auf ein Verbot der Einmischung in fremde Souveränität stützt, von vornherein fehl. Dem fremden Staat wird unter Umständen ebenfalls etwas am Erhalt solcher kollektiven Güter liegen, ebenso wie er ein Interesse am Erhalt der Individualrechtsgüter seiner Staatsbürger hat. In diesem Fall wird er eine entsprechende Ausdehnung deutscher Straftatbestände in der Tat eher als Unterstützung denn als „Einmischung“ verstehen.648 Stehen in dem fremden Staat die betreffenden Kollektivinteressen nicht unter strafrechtlichem Schutz, stellt sich das Problem, ob, sofern die Tat im Ausland verübt wird ( 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1) oder jedenfalls der Erfolg im Ausland eintritt (§ 3 i. V. m. § 9 Abs. 1, 2. Halbsatz), das Strafrecht am Tat- bzw. Erfolgsort zu berücksichtigen ist. Für Auslandstaten ist das nach geltendem Recht mit dem Erfordernis einer „identischen Norm“ der Fall, so dass Konflikte ohnehin vermeiden werden. Für Inlandsdistanztaten gibt es ein entsprechendes Erfordernis nicht (§ 9 statuiert kein Erfordernis der „Erfolgsortstrafbarkeit“). Von der ganz h. M. wird dies allerdings für völkerrechtlich unbedenklich erachtet,649 ein Verstoß gegen das Einmischungsverbot also nicht angenommen,650 und Ähnlich schon Lüttger, FS Jescheck, 121, 135 und Obermüller, S. 124. Zu der – nicht unproblematischen – Regelung des Inlandsdistanzdelikts näher sogleich unter 3. b) bb). 650 Vgl. Forkel, S. 26 f., 71; Zieher, S. 65 f. (auch für das reine Auslandsdelikt, eine also nur de lege ferenda interessierende Frage). 648 649

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D. Die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter

das muss für Individual- und Allgemeinrechtsgüter gleichermaßen gelten. Selbstverständlich ist zu bedenken, dass die Zuordnung eines Allgemeininteresses zum gesellschaftlichen oder zum staatlichen Bereich je nach staatlichem System unterschiedlich ausfallen kann und zumindest unter dem Gesichtspunkt der Einmischung in fremde Souveränität die Zuordnung im Rahmen des fremden staatlichen Systems, wenn sie von derjenigen in unserem System abweicht, maßgeblich sein muss. Für das Ergebnis spielt dieser Gedanke aber deshalb keine Rolle, weil auch der Einbeziehung (vom Standpunkt des fremden Staates aus) „staatlicher“ Rechtsgüter, sofern die zu beurteilende Tat in Form von Tatort oder Täter einen Bezug zu Deutschland aufweist, in völkerrechtlicher Hinsicht grundsätzlich nichts entgegensteht.

3. Teleologische Erwägungen zugunsten des Schutzes ausländischer Rechtsgüter a) Die Schutzwürdigkeit ausländischer Allgemeininteressen Es ist schon angedeutet worden, dass die These, ausländischen Allgemeininteressen könne grundsätzlich keine Rechtsgutsqualität zukommen, in einer zunehmend vernetzten und „globalisierten“ Welt angreifbar erscheint. Sie ist zunächst mit der Erwägung beiseite geschoben worden, es sei Sache des Gesetzgebers, zu entscheiden, ob der unbeeinträchtigte Bestand eines solchen Interesses ein „für unsere verfassungsgemäße Gesellschaft und damit auch für die verfassungsgemäße Stellung und Freiheit des einzelnen Bürgers unverzichtbare und damit werthafte soziale Funktionseinheit“ sei, und diesem stehe insofern ein weiter Ermessensspielraum zu. Der Gesetzgeber dürfte diesen Spielraum allerdings nicht willkürlich ausgenutzt haben, indem er sich grundsätzlich zu dem Schutz auch ausländischer Allgemeinrechtsgüter bekannt hat. Die Vermutung, dass der Schutz ausländischer Allgemeininteressen keineswegs als „willkürlich“ bezeichnet werden kann, wird durch – wenn auch bisher erst zaghafte – jüngere Äußerungen in der Strafrechtswissenschaft gestützt. So ist Möhrenschlager in einem Beitrag zur „Internationalisierung des materiellen Strafrechts“ der Ansicht, das eingrenzende Verständnis des Schutzbereichs nationaler Straftatbestände in Bezug auf ausländische öffentliche Rechtsgüter werde insbesondere aus der Aufgabe und Funktion der innerstaatlichen Strafgewalt hergeleitet, die aber „im Zeichen der Internationalisierung von Verbrechen und ihrer Bekämpfung auch Veränderungen unterliegen“.651 „Wachsende Solidarität in der Verbrechensbekämpfung“, führt Möhrenschlager 651 Möhrenschlager, Internationalisierung des materiellen Strafrechts, in: Beiträge zum X. Kongress der Vereinten Nationen in Wien, Österreich, vom 10. bis 17. April 2000, S. 26. Vgl. insofern schon Zieher, S. 36: „Jede Norm ist abhängig von den Wertvorstellungen des sie schaffenden Gesetzgebers. Diese orientieren sich am Schutzbedürfnis, den konkreten Interessen und Wertvorstellungen einer bestimmten Gemeinschaft in einer konkreten historischen Situation.“

II. Keine Schutzbereichsbegrenzung in anderen Fällen

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weiter aus, könne und solle daher „auch hier zu mehr Bereitschaft führen, verstärkt den Schutz nichtdeutscher öffentlicher Rechtsgüter in das nationale Strafrecht mit einzubeziehen, sei es im Wege entsprechender richterlicher Auslegung, sei es durch Ergänzungen aufgrund eigener Entscheidungen des Gesetzgebers oder auf der Grundlage von internationalen Vereinbarungen“.652 Nach hier vertretener Ansicht653 ist freilich eine entsprechende Auslegung schon aufgrund der Systematik der §§ 3 – 7 angezeigt. Möhrenschlagers Ausführungen können sie in teleologischer Hinsicht festigen. Auch Satzger beobachtet, dass der „traditionelle Auslegungsgrundsatz“, nach dem ausländische öffentliche Rechtsgüter „auch dann nicht von den deutschen Straftatbeständen erfasst [werden], wenn die Voraussetzungen der §§ 3 ff. StGB erfüllt sind, [ . . . ] in einer zunehmend verwobenen und globalisierten Welt [ . . . ] zunehmend Durchbrechungen [erfährt]“.654 Ausdrücklich erörtert Satzger in diesem Zusammenhang zwar ausschließlich die aus der Loyalitätspflicht aus Art. 10 EGV abgeleitete Pflicht der nationalen Gerichte, Straftatbestände „gemeinschaftsrechtskonform“ auszulegen.655 Im Zusammenhang mit der Schutzbereichsfrage führe diese nämlich dazu, dass auch die öffentlichen Rechtsgüter der EG – die als nicht-inländische nach „klassischer“ Auslegung außerhalb des Schutzbereichs deutscher Straftatbestände lägen – durch extensive Auslegung im Wortlaut „neutraler“ Strafvorschriften in deren Schutzbereich einzubeziehen seien. Über die Individualrechtsgüter der EG (Vermögen, Eigentum etc.) hinaus, die schon nach traditionellen Auslegungsgrundsätzen in den Schutzbereich deutscher Straftatbestände fielen, seien nämlich auch „gerade hoheitliche Interessen [ . . . ] für den Bestand und die Funktion der Gemeinschaft größtenteils elementar“ und verdienten daher „besonderen Schutz“.656 652 Möhrenschlager, Internationalisierung des materiellen Strafrechts, in: Beiträge zum X. Kongress der Vereinten Nationen in Wien, Österreich, vom 10. bis 17. April 2000, S. 26. 653 Der Möhrenschlager, Internationalisierung des materiellen Strafrechts, in: Beiträge zum X. Kongress der Vereinten Nationen in Wien, Österreich, vom 10. bis 17. April 2000, S. 26, 27 nicht folgt, der er allerdings im Ergebnis auch nicht abgeneigt scheint. Er formuliert namentlich: „Die Auffassung, bei «neutral» abgefassten Strafnormen zum Schutze öffentlicher Rechtsgüter (des Staates oder auch der Allgemeinheit) sei eine Ausdehnung abzulehnen, geht mir allerdings zu weit; genauso ließe sich – in Anlehnung an einige frühere Entscheidungen des Reichsgerichts – die gegenteilige Auffassung vertreten.“ 654 Satzger, Internationales Strafrecht § 6 Rn. 1. 655 Satzger, Internationales Strafrecht § 8 Rn. 101 ff. Die Ansicht, aus dem Grundsatz der Gemeinschaftstreue ergebe sich eine Pflicht zur gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung im Sinne der Gleichbehandlung von Beeinträchtigungen nationaler und supranationaler Interessen geht zurück auf das Urteil des EuGH im „griechischen Mais-Fall“, EuGHE 1989, 2965; dazu etwa Dannecker / Streinz, in: Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht Bd. I § 8 Rn. 65. 656 Satzger, Internationales Strafrecht § 8 Rn. 108 ff. Entsprechend seien etwa unter den Begriff des „öffentlichen Amtes“ i. S. d. § 132 (Amtsanmaßung) auch Ämter der EG zu fassen und so die Autorität der gemeinschaftlichen Hoheitsgewalt in den Schutzbereich des Tatbestandes einzubeziehen; ebenso müsse es etwa für die Bejahung des Tatbestandsmerkmals

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D. Die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter

Das Instrument der „gemeinschaftskonformen Auslegung“ ist freilich auf den Bereich der EG beschränkt, so dass die Argumentation Satzgers für Allgemeininteressen ausländischer (jedenfalls nichteuropäischer) Staaten keine Gültigkeit hat. Sie zeigt aber exemplarisch, dass auch der unbeeinträchtigte Bestand „übernationaler“ Funktionseinheiten für die deutsche Gesellschaft von Bedeutung sein kann. Für den Bereich einer supranationalen Gemeinschaft wie der EG ist dies aufgrund entsprechender formaler Einrichtungen – Übertragung von Hoheitsgewalt in bestimmten Bereichen etwa und ein gemeinsamer Markt – auch äußerlich erkennbar. Jedenfalls für Kollektivinteressen, die nicht (jedenfalls nicht in so hohem Maße wie „öffentliche“ Interessen) von staatlicher Organisation abhängig sind, gilt der Gedanke grundsätzlich aber auch über supranationale Einrichtungen hinaus „weltweit“. Insbesondere der Wirtschaftsverkehr ist nicht auf nationale Märkte beschränkt. Der Handel mit Waren, Wertpapieren und Dienstleistungen ist in vielen Bereichen ein globaler, und dementsprechend haben Beeinträchtigungen von Wirtschaftszweigen potentiell auch globale Auswirkungen.657 Der wirtschaftliche Wettbewerb ist nicht national beschränkt. Ausländische Kreditunternehmen vergeben Kredite beispielsweise auch an deutsche Kunden; ausländische Versicherungen werben mit Lebensversicherungen auch um deutsche Verbraucher.658 Beeinträchtigungen des ausländischen „Kreditwesens“ oder solche des „Versicherungswesens“659 im Ausland wirken sich daher zwangsläufig auch auf den deutschen Kunden aus; genau genommen lässt sich von einem nationalen Kredit- oder Versicherungswesen in solchen Fällen gar nicht mehr sprechen. Ob beispielsweise durch korruptives Ver„dienstliche Verwahrung“ in § 133 Abs. 1 (Verwahrungsbruch) genügen, wenn sich die Verwahrung auf gemeinschaftsrechtliche Hoheitsgewalt zurückführen lasse. Weniger entschlossen etwa Dannecker / Streinz, in: Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht Bd. I § 8 Rn. 66 m. w. N. zu den unterschiedlichen Auffassungen: Inwieweit die Rspr. des EuGH im „griechischen Mais-Fall“ eine über die finanziellen und justitiellen Interessen der EG hinausgehende Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur strafrechtlichen Schutzassimilation begründe, sei bisher nicht ausgelotet. 657 Ähnlich für den Bereich der Umwelt zutreffend Dannecker / Streinz, in: Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht Bd. I § 8 Rn. 52 f.: Grenzüberschreitende Umweltbeeinträchtigungen führten zu länderübergreifenden Risiken; das Rechtsgut Umwelt sei schon per se übernational und als „globaler Wert schlechthin“ zu verstehen, weil die Umwelt keine nationalen Grenzen kenne. So – und ausdrücklich nicht auf konkret grenzüberschreitende Umweltbeeinträchtigungen beschränkt – auch schon Höpfel, FS Triffterer (1996), 425, 426 f.: Wenn man die Stellung und Werthöhe des Rechtsguts Umwelt von einer globalen Vernetzung her definiere, könne dieser Aspekt allgemein Geltung beanspruchen. 658 Schätzungen zufolge hatten beispielsweise bereits im Mai 2006 rund 800.000 Deutsche eine Lebensversicherung bei einem britischen Versicherungsunternehmen abgeschlossen; vgl. Spiegel Online v. 30. 05. 2006 (http: // www.spiegel.de / wirtschaft / 0,1518,418517,00.html). 659 Ob derart formulierte Allgemeininteressen überhaupt als von den §§ 265b und 265 geschützte Rechtsgüter in Betracht kommen, ist allerdings zweifelhaft. Wenn man – was näher liegt – lediglich „vorverlagerten“ Vermögensschutz als Zweck der beiden Tatbestände anerkennt (vgl. dazu schon oben Fn. 27), folgt auch nach h. M. die Einbeziehung auch ausländischer Interessen schon aus deren Individualcharakter.

II. Keine Schutzbereichsbegrenzung in anderen Fällen

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halten eines ausländischen Unternehmens bei der Auftragsvergabe nur der „ausländische“ oder auch der „deutsche“ Leistungswettbewerb unmittelbar beeinträchtigt wird,660 ist allein davon abhängig, ob sich nur ausländische oder auch deutsche Unternehmen an der Ausschreibung beteiligen und etwa geforderte Bestechungsgelder zahlen. Genau genommen wird in einem solchen Fall gar nicht der „ausländische“ oder der „inländische“ Leistungswettbewerb gefährdet, sondern schlicht der übernationale. Selbst, wenn in einem bestimmten Bereich gar kein internationaler Handel getrieben wird und der Markt tatsächlich auf nationale Hersteller und Abnehmer beschränkt ist, der Leistungswettbewerb also unmittelbar nur im Ausland beeinträchtigt wird, kann das darüber hinaus aber negative Wirkungen auch auf die deutsche Wirtschaft haben: Korruptive Strukturen können sich insgesamt etwa auf das Preisniveau auch für andere Güter aus dem betroffenen Staat (mit denen über die staatlichen Grenzen hinaus Handel betrieben wird) auswirken, und das bekommen auch deutsche Abnehmer zu spüren. Wenn der Gesetzgeber deshalb die Entscheidung trifft, auch den Leistungswettbewerb im Ausland strafrechtlichem Schutz zu unterstellen – was er mit der Schaffung des § 299 Abs. 3 explizit zum Ausdruck gebracht hat – kann dies daher kaum als „willkürlich“ bezeichnet werden. Selbstverständlich ist kaum „berechenbar“, wie und in welchem Maße Beeinträchtigungen ausländischen Wettbewerbs (mittelbare) Auswirkungen auch auf den deutschen Markt haben. Aber gerade aus diesem Grund wird dem deutschen Gesetzgeber ja ein weitreichendes Ermessen zugestanden. Insofern wird man ihm gestatten müssen, zumindest potentiell übernationale Rechtsgüter dem Schutz deutscher Straftatbestände zu unterstellen. Sofern aus den §§ 3 – 7 die Einbeziehung nicht (ausschließlich) inländischer Kollektivrechtsgüter in den Schutzbereich deutscher Straftatbestände folgt, ist dies also selbst vor dem Hintergrund der Auffassung, Strafrecht dürfe als „ultima ratio“ nur für die deutsche Gesellschaft wesentliche Funktionseinheiten schützen, grundsätzlich nicht zu beanstanden: Gesellschaftliche Institutionen insbesondere des Wirtschaftslebens sind in ihrer Wirkung nicht auf den nationalen Bereich beschränkt. Bei solchen Interessen mit potentiell übernationalem Charakter liegt daher sogar der Gedanke nicht fern, bei ihrer Verletzung sei stets ein hinreichender Bezug zum Inland auszumachen, so dass ihre Beeinträchtigung auch als Auslandstat eines Ausländers dem deutschen Strafrecht unterstellt werden könnte, ohne das darin ein Verstoß gegen Grundsätze des Völkerrechts zu sehen wäre. Der Annahme, bei der Verletzung potentiell übernationaler Kollektivrechtsgüter sei das deutsche Strafrecht stets auch auf Auslandstaten eines Ausländers anzuwenden, steht aber die eindeutige Regelung des Gesetzes entgegen: Nach der Grundregel des § 7 Abs. 1 ist deutsches Strafrecht auf Auslandstaten eines Ausländers nur anwendbar, wenn deutsche Individualrechtsgüter verletzt sind, der Gesetzgeber fordert damit einen „qualifizierten“ Bezug zum Inland; die Beeinträchtigung von Allgemeinrechts660 Zum Rechtsgut des § 299 (Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr) oben C. I. 3. c) dd).

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D. Die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter

gütern soll grundsätzlich nicht genügen (und kann es erst recht nicht, wenn sie nicht ausschließlich inländischer, sondern nur „übernationaler“ Natur sind). Ausnahmen gelten nur für die in die Kataloge der §§ 5 und 6 aufgenommenen Delikte, wobei für die Aufnahme die Natur eines einem Tatbestand zugrunde liegenden Rechtsguts als potentiell übernational allerdings nicht genügen kann, sondern stets die besonderen Voraussetzungen der hinter den §§ 5 und 6 stehenden Prinzipien erfüllt sein müssen. Damit bleibt es auch für potentiell übernationale Rechtsgüter bei dem Grundsatz: Geschützt werden sie vom deutschen Strafrecht nur gegen Inlandstaten und gegen Auslandstaten Deutscher. Anders als Kollektivrechtsgüter können staatliche Rechtsgüter – abgesehen von entsprechenden internationalen oder supranationalen Einrichtungen – keinen „potentiell übernationalen“ Charakter haben. Die Interessen ausländischer Hoheitsträger und die Wirkung staatlicher Institutionen sind grundsätzlich auf den nationalstaatlichen Bereich beschränkt. Dass ihr Funktionieren wesentliche Bedeutung gerade für die deutsche Gesellschaft haben soll, lässt sich kaum behaupten. Aus dieser Perspektive muss die Erstreckung deutscher Straftatbestände auch auf ausländische öffentliche Interessen daher höchst problematisch erscheinen. Allerdings sind im dritten Abschnitt des StGB „Straftaten gegen ausländische Staaten“ normiert, durch die – nach überwiegender Ansicht neben dem Interesse der Bundesrepublik an ungestörten Beziehungen zu den ausländischen Staaten – diese selbst, ihre Organe und Einrichtungen geschützt werden.661 Darüber hinaus hat der Gesetzgeber in einigen Fällen, in denen – entgegen der Grundregel der §§ 3 – 7 – die Verletzung ausländischer Rechtsgüter aufgrund tatbestandlicher Besonderheiten aus dem Anwendungsbereich eines deutschen Strafgesetzes herausfällt, diese Beschränkung auch für staatliche Rechtsgüter explizit aufgehoben: So genießen ausländische NATO-Vertragsstaaten und ihre in der Bundesrepublik stationierten Truppen gemäß Art. 7 des Vierten Strafrechtsänderungsgesetzes662 in bestimmtem Umfang den Schutz verschiedener Staatsschutz-Strafbestimmungen, die durch ihren Wortlaut zunächst auf den Schutz der Bundesrepublik beschränkt sind. Ausländische Hoheitsinteressen werden damit in den Schutzbereich der entsprechenden Vorschriften einbezogen. Seit 1999 ist mit dem IntBestG etwa auch die Bestechung ausländischer Amtsträger (die nicht unter den Begriff des Amtsträgers des § 11 Abs. 1 Nr. 2 fallen) nach § 334 strafbar.663 Damit wird die Funktionsfähigkeit ausländischer Verwaltungsapparate unter deutschen Strafschutz gestellt. Unabhängig davon, ob – wie etwa im Fall des IntBestG – der Gesetzgeber damit völkerrechtlichen Verpflichtungen nachkommt, müsste, wer den Schutz wesentlicher Funktionseinheiten des deutschen sozialen Gefüges für eine Voraussetzung der Existenzberechtigung eines Tatbestandes hält, diese Erstreckungen als verfas661 Lackner / Kühl, Vor §§ 102 – 104a Rn. 1; Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 102 – 104a Rn. 2, beide m. w. N. 662 Vom 11. 06. 1957, BGBl. I, S. 597, abgedruckt bei NK-Paeffgen, Vor §§ 80 – 101a Rn. 22. 663 Näher dazu oben C. I. 3. c) cc) (2).

II. Keine Schutzbereichsbegrenzung in anderen Fällen

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sungswidrig bezeichnen. Hingegen liegt es näher, die Aufhebung entsprechender Beschränkungen als Indiz dafür zu interpretieren, dass auch die Aufgabe und Funktion der innerstaatlichen Strafgewalt „im Zeichen der Internationalisierung von Verbrechen und ihrer Bekämpfung [ . . . ] Veränderungen unterliegen“664 und unterliegen müssen und auch die Entscheidung des Gesetzgebers, ausländische staatliche Interessen grundsätzlich in den Schutzbereich des deutschen Strafrechts einzubeziehen, daher nicht als willkürlich bezeichnet werden kann.

b) Generalpräventive Erwägungen aa) Störung des inländischen Rechtsfriedens durch Beeinträchtigung ausländischer Rechtsgüter? Teilweise wird zur Begründung des Einschlusses ausländischer Rechtsgüter in deutsche Straftatbestände auf generalpräventive Erwägungen zurückgegriffen, indem etwa argumentiert wird, eine Nichtbestrafung sei in Fällen der Beeinträchtigung ausländischer Interessen geeignet, den inländischen Rechtsfrieden zu stören.665 Umgekehrt kommt das OLG Saarbrücken auch unter Berücksichtigung des generalpräventiven Zwecks von Strafnormen für § 170b zu dem Ergebnis, dieser sei nicht anwendbar, wenn ein im Inland lebender Ausländer seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber im Ausland lebenden nichtdeutschen Unterhaltsberechtigten nicht nachkommt:666 Zwar könnten inländische Interessen durch die Inlandstat eines Ausländers auch ohne Verletzung inländischer Rechtsgüter beeinträchtigt sein, wenn durch die Tat der inländische Rechtsfriede gestört sei. Denn mit der Anwendung deutschen Strafrechts solle auch das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung des inneren Friedens sowie der Sicherheit im eigenen Staatsgebiet befriedigt und dem generalpräventiven Zweck der in Betracht kommenden Strafnorm gedient werden. Eine Unterlassung im Inland, deren Wirkung allein im Ausland eintritt, trete im Inland als ein zur Störung des Rechtsfriedens geeignetes Geschehen jedoch überhaupt nicht in Erscheinung; infolgedessen schmälere die 664 Möhrenschlager, Internationalisierung des materiellen Strafrechts, in: Beiträge zum X. Kongress der Vereinten Nationen in Wien, Österreich, vom 10. bis 17. April 2000, S. 26. 665 Vgl. OLG Karlsruhe JR 1978, 379, 381: Wenn ein nach ausländischem Recht Unterhaltsverpflichteter, der dieser Verpflichtung gegenüber seinen im Ausland lebenden Kindern nicht nachkommt, nicht nach § 170b (a. F.) bestraft werde, werde eine Störung des Rechtsfriedens schon dadurch hervorgerufen, dass er gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten, dessen Angehörige im Inland leben, begünstigt werde; ähnlich Kunz, NJW 1980, 1201, 1203. Tendenziell auch BGHSt 22, 282, 283, 285 f.: Zweck des § 140 sei es, die öffentliche Sicherheit zu schützen, und es sei „nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen, daß auch die Billigung von Untaten, die im Ausland von Ausländern begangen sind und keine Inlandsbeziehungen aufweisen, den deutschen Rechtsfrieden (abstrakt) gefährden kann und daher von der Strafdrohung erfasst werden muß“; der Tatbestand war allerdings nach Ansicht des Senats schon aus anderen Gründen nicht erfüllt, so dass die Frage offen gelassen wurde. 666 OLG Saarbrücken NJW 1975, 506, 508.

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D. Die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter

Nichtverfolgung eines solchen Verhaltens auch nicht die von der Existenz des §170b StGB ausgehende generalpräventive Wirkung.667 Für anders gelagerte Sachverhalte (Wohnort der Angehörigen in der Bundesrepublik) schließt das Gericht eine Anwendbarkeit des §170b auch bei Verletzung nur ausländischer Interessen aufgrund einer „Störung des inländischen Rechtsfriedens“ aber nicht ausdrücklich aus, sondern lässt die Frage auf sich beruhen.668 Obermüller bemerkt dazu kritisch, die Argumentation des OLG Saarbrücken gehe davon aus, der generalpräventive Zweck einer Strafnorm könne auch dann beeinträchtigt sein, wenn das geschützte Rechtsgut des betreffenden Straftatbestandes gar nicht verletzt worden ist, der Straftatbestand also nicht verwirklicht wurde. Soweit aber das durch den Straftatbestand zu schützende Rechtsgut nicht verletzt sei, sei auch der generalpräventive Zweck der Norm nicht beeinträchtigt, die Strafandrohung habe ihre wertstabilisierende Aufgabe offensichtlich erfüllt. Wenn sich aus anderen Erwägungen heraus der Einschluss ausländischer Rechtsgüter in den Schutzbereich deutscher Straftatbestände nicht nachweisen lasse, so könnten generalpräventive Erwägungen dieses Manko nicht ersetzen.669 Wenn der Straftatbestand selbst nicht zuverlässig darüber Auskunft gebe, ob er auch ausländische Interessen einbezogen wissen wolle, würde nämlich lediglich die Angst vor künftigen Beeinträchtigungen des (allein) geschützten inländischen Rechtsguts die Grundlage für eine Bestrafung bilden, ein verfassungsrechtlich kaum zu haltendes Ergebnis.670 Von den beiden Prämissen Obermüllers ausgehend (ein Straftatbestand, der kein Rechtsgut schütze, sei verfassungswidrig, und den §§ 3 – 7 lasse sich keine Aussage zur „Schutzbereichsfrage“ entnehmen), ist diese Argumentation zutreffend. Vor dem Hintergrund der Auffassung, der Gesetzgeber habe sich durch die Fassung der §§ 3 – 7 zu einer Einbeziehung auch ausländischer Rechtsgüter für Fälle der §§ 3 und 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 bekannt und eine solche Entscheidung bewege sich innerhalb seines verfassungsmäßigen Ermessensspielraums, kann sie dagegen keinen Bestand haben. Zu der hier vorgebrachten Argumentation mit dem Standpunkt, ein Bezugspunkt („genuine link“) zur Bundesrepublik genüge, um den Schutz auch ausländischer Rechtsgüter mit dem Völkerrecht in Einklang zu bringen, passen die generalpräventiven Erwägungen vielmehr sehr gut: Taten, die auf deutschem Territorium begangen werden oder von einem deutschen Staatsangehörigen, sind gerade aufgrund ihres – territorialen bzw. personalen – Bezuges zur Bundesrepublik geeignet, das Rechtsbewusstsein der Bevölkerung zu erschüttern, wenn sie gegen Rechtsgüter gerichtet sind, die den deutschen Rechtsgütern, die strafrechtlichem Schutz unterstehen, entsprechen.671 Für Individualrechtsgüter, 667 OLG Saarbrücken NJW 1975, 506, 508; beiden Aussagen zust. OLG Stuttgart NJW 1977, 1601, 1602. 668 OLG Saarbrücken NJW 1975, 506, 508. 669 Obermüller, S. 187 f. 670 Obermüller, S. 188. 671 Vgl. auch SK3-Samson, § 9 Rn. 5: Die Berücksichtigung des Tätigkeitsortes in § 9 sei notwendig, weil die generalpräventive Wirkung des Strafrechts Einbußen erlitte, wenn das

II. Keine Schutzbereichsbegrenzung in anderen Fällen

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deren Einbeziehung in den Schutzbereich deutscher Straftatbestände er voraussetzt, sieht denn auch Obermüller dies nicht anders. Um dem Strafzweck der Generalprävention zu genügen, sei es notwendig, dass der Staat „jedweden Angriff auf Individualrechtsgüter, mindestens innerhalb seines Territoriums und unabhängig von der Nationalität seines Trägers“, verfolge.672 Das Vertrauen der Bevölkerung in die Schutz- und Sicherungsfunktion des Rechts schwinde nämlich nicht weniger, wenn Leben, Leib, Eigentum oder Vermögen eines Ausländers verletzt würden, als wenn die Verletzung entsprechende inländische Rechtsgüter betreffe.673 Zum Erhalt und zur Sicherung der eigenen Rechtsordnung sei daher die Einbeziehung der ausländischen Individualrechtsgüter in den Schutzbereich der deutschen Straftatbestände „zwingend geboten“.674 Dasselbe gilt – entgegen der Auffassung Obermüllers – auch für Rechtsgüter der Allgemeinheit. Ein qualitativer Unterschied zwischen Individual- und Überindividualrechtsgütern, der in diesem Zusammenhang eine abweichende Bewertung der Verletzung letzterer rechtfertigen könnte, ist nicht auszumachen.675

bb) Problemfall Inlandsdistanzdelikt: Anwendung des deutschen Strafrechts auch bei Straflosigkeit am Erfolgsort Ob das Vertrauen der Bevölkerung in die Schutz- und Sicherungsfunktion des Rechts auch dann Schaden nimmt, wenn durch die Tat ein im Ausland befindliches ausländisches Rechtsgut beeinträchtigt wird, dessen Beeinträchtigung dort nicht mit Strafe bedroht ist, ist fragwürdig.676 Die These, der Strafzweck der Generalprävention erfordere die Einbeziehung auch ausländischer Rechtsgüter in den Schutzbereich des deutschen Strafrechts, scheint damit zumindest für diese Fallkonstellation angreifbar. Damit ist jedoch weniger die Schutzbereichserstreckung insgesamt in Frage gestellt als vielmehr das Thema „identische Norm“ berührt, genauer: die Frage des Erfordernisses einer Voraussetzung der Tat- bzw. Erfolgsortstrafbarkeit beim Auslandsdelikt bzw. beim Inlandsdistanzdelikt. Für den Fall einer Auslandstat löst das geltende Strafanwendungsrecht den Konflikt in befriedigender Weise, deutsche Strafrecht auf Handlungen im Inland nicht anwendbar wäre, deren Erfolg zwar „nur“ im Ausland eintrete, die aber sonst den Inlandstaten in jeder Hinsicht glichen. Die Erhaltung des Wertebewusstseins müsse versagen, wenn der Staat nicht schon den bloßen Akt tabuisieren würde. 672 Obermüller, S. 62 f. 673 Ähnlich schon Vogler, Geburtstagsgabe Grützner, 149, 156 sowie Oehler, JR 1978, 381, 382. 674 Obermüller, S. 63. 675 Ähnlich schon Forkel, S. 107 ff.: Die – wenig bedeutsame und häufig zufällige – Differenzierung zwischen individual- und überindividualrechtsgüterschützenden Tatbeständen könne eine unterschiedliche Behandlung bei der Bestimmung des Schutzbereichs in materieller Hinsicht nicht tragen. 676 Obermüller, S. 188 und schon 160 f.

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D. Die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter

indem es in § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 und damit für den Regelfall einer Auslandstat eines Deutschen die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts von einer Strafbarkeit am Tatort abhängig macht. Für den Fall einer Inlandstat und damit auch einer Inlandsdistanztat ist die Strafbarkeit am (ausländischen) Erfolgsort dagegen keine Voraussetzung für die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts.677 Dies führt dazu, dass auch in „Inkongruenzfällen“, wenn also die Rechtsordnung des Erfolgsortes den tatbestandlichen Erfolg nicht als strafwürdiges Unrecht bewertet, das deutsche Strafrecht anwendbar ist. Dieses Ergebnis wird häufig als sehr unbefriedigend empfunden.678 (1) „Erfolgsunrecht“ trotz fehlender Strafbarkeit am Erfolgsort An der Regelung des § 9 wird teilweise bemängelt, dass sie auf diese Weise auch in Fällen isolierten Handlungsunrechts zur Strafbarkeit führe.679 Das ist jedoch nicht zutreffend. Ein „Erfolg“ i. S. d. § 9 ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm („der zum Tatbestand gehörende Erfolg“) zunächst der tatbestandsmäßige Erfolg,680 der noch nicht einmal eine Rechtsgutsverletzung sein muss, sondern sich – je nach Formulierung des Tatbestandes – auch in einer konkreten Rechtsgutsgefährdung erschöpfen kann.681 Die Frage der Tatbestandserfüllung kann sich bei Anwendung eines deutschen Straftatbestandes aber allein nach dem deutschen Tatbestand richten: Er ist nur – aber immer schon dann – erfüllt, wenn ein von ihm geschütztes Rechtsgut auf die im Tatbestand beschriebene Weise verletzt oder ge677 Entsprechendes gilt für die Auslandsdistanztat, also die Handlung im Ausland mit Erfolg im Inland: Eine Strafbarkeit am ausländischen Handlungsort ist nach den §§ 3, 9 nicht Voraussetzung für die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts. Diese Regelung wird hier nicht problematisiert, weil das Auslandsdistanzdelikt nur in seltenen Fällen ausländische Rechtsgüter beeinträchtigen wird und der praktische Bezug zu der Hauptfragestellung der Untersuchung daher gering ist. Hinzu kommt, dass eine Strafverfolgung im Inland in einem solchen Fall seltene Ausnahme sein wird, weil in Inkongruenzfällen das Ausland den Täter nicht ausliefern wird: Das Auslieferungsrecht ist vom Grundsatz beiderseitiger Strafbarkeit beherrscht (wenngleich dieser Grundsatz innerhalb Europas nach dem „Europäischen Haftbefehl“ Einschränkungen erfahren hat; vgl. dazu LK-Werle / Jeßberger, Vor § 3 Rn. 362 m. N.) Zur geringen Praxisrelevanz auch Forkel, S. 78 f. 678 Vgl. etwa Krapp, S. 134 ff. (mit einem Vorschlag für die Formulierung eines entsprechend geänderten § 9); SK3-Samson, § 9 Rn. 15; Jakobs, 5. Abschn. Rn. 22 (bei Straffreiheit am Erfolgsort aus „plausiblen Gründen“); Obermüller, S. 148 ff.; Günther-Nicolay, S. 384 ff., 392 f. 679 Vgl. etwa Krapp, S. 133, 158; Jung, JZ 1979, 325, 329; noch weitergehend Obermüller, S. 155 ff., 158: Kein Erfolgsunwert und damit mangels spezifischen Bezugspunktes schon kein Handlungsunwert. 680 Statt vieler MüKo-Ambos, § 9 Rn. 16; Hilgendorf, NJW 1997, 1873, 1874 f. 681 Zu der verfehlten Gleichsetzung von Erfolg und Rechtsgutsverletzung in der Diskussion um die Relevanz des tatbestandsmäßigen Erfolges für das Unrecht der Tat allgemein Samson, FS Grünwald, 585, 588 ff. Bei abstrakten Gefährdungsdelikten existiert nach herrschender und zutreffender Ansicht schon kein Erfolgsort i. S. d. § 9; vgl. dazu schon oben Fn. 376.

II. Keine Schutzbereichsbegrenzung in anderen Fällen

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fährdet wird. Wie das ausländische Strafrecht den eingetretenen Erfolg bewertet, ist für das Vorliegen eines „Erfolgsunwertes“ unerheblich.682 Ob das beeinträchtigte Gut „Rechtsgut“ ist, bestimmt das deutsche Recht, unabhängig von der Bewertung des Auslandes, normativ.683 Gleichwohl ist Forkel der Ansicht, die gesetzlich angeordnete „überterritoriale“ Geltung des deutschen Strafrechts auch in den Inkongruenzfällen lasse sich mit dem herrschenden Modell eines ontologischen Rechtsgüterschutzstrafrechts nicht vereinbaren, weil überterritorialer Rechtsgüterschutz „faktisch unmöglich“ sei.684 Zwar sehe sich der potentielle Täter eines Inlandsdistanzdelikts – anders als derjenige eines Auslands- oder Auslandsdistanzdelikts, dem der das Auslieferungsrecht beherrschende Grundsatz beiderseitiger Strafbarkeit zugute komme – grundsätzlich auch in Inkongruenzfällen einer Strafverfolgung im Inland ausgesetzt. Verhaltenssteuernde Wirkung durch faktische Durchsetzbarkeit sei daher im Inland gegeben. Allerdings könne das deutsche Strafrecht damit nur vermeiden, dass bestimmte Erfolge im Ausland vom Inland aus verursacht werden, während es die Herbeiführung solcher Erfolge im Ausland generell nicht zu verhindern vermöge.685 Ungeachtet dieser – zutreffenden – Feststellung ist entgegen der Ansicht Forkels die Erfassung von Inkongruenzfällen auch innerhalb des Modells eines Rechtsgüterschutzstrafrechts indes nicht zu beanstanden. Voraussetzung für die Legitimation staatlichen Strafens ist danach zwar, dass jeder Straftatbestand ein Rechtsgut schützt und die Strafe notwendiges Mittel der präventiven Schutzaufgabe ist.686 Dagegen lässt sich auch aus dieser Sicht kaum behaupten, dass Strafandrohung und Strafe bei Beeinträchtigung eines Rechtsguts im Einzelfall nur dann legitimierbar sind, wenn das Rechtsgut generell lückenlos geschützt ist. Ebenso, wie der Gesetzgeber den Schutz nach seinem Dafürhalten grundsätzlich unproblematisch etwa auf spezielle Angriffsweisen oder eine bestimmte Schwere der Beeinträchtigung beschränken kann, muss es ihm auch möglich sein, eine Rechtsgutsverletzung nur bei einem qualifizierten Inlandsbezug als „Unrecht“ und strafbedürftig zu werten. Anders formuliert: Dass der 682 Anders wohl Krapp, S. 133: Wenn man über den Anschein der inkriminierten Handlung hinaus auch den Erfolg und damit die Rechtsgutsverletzung berücksichtigen wolle, werde man deren Wertung durch die ausländische Rechtsordnung nicht außer Acht lassen können. Ähnlich Obermüller, S. 157, 159 f.: An einem Erfolgsunwert und damit an einer Rechtsgutsverletzung fehle es vollständig, wenn am Ort der Auswirkung das Verhalten straflos sei. Diese Feststellung ist mir unverständlich vor dem Hintergrund der auch von Obermüller (S. 43 ff., 46 f.) geteilten Auffassung, als „ausländisches Rechtsgut“ sei nicht ein solches zu verstehen, das vom jeweiligen Ausland als schutzwürdig anerkannt sei, sondern ein solches, das nach der inländischen Rechtsordnung Rechtsgutsqualität besitze, dessen Träger aber Ausländer sei. 683 Forkel, S. 97. Der Autor stellt a. a. O. auch zutreffend fest, dass die Auffassung Krapps (vgl. Fn. 682), bei fehlender Strafbarkeit am Erfolgsort sei von einer Rechtsgutsverletzung nicht auszugehen, auf einem streng ontologischen Verständnis des Rechtsgutsbegriffs beruht, das nicht zu überzeugen vermag. 684 Forkel, S. 95 f. 685 Forkel, S. 84 f. 686 BGHSt 24, 40, 42 f.; s. auch die Nachweise oben Fn. 174.

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D. Die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter

deutsche Strafgesetzgeber nicht vermeiden kann und will, dass bestimmte Rechtsgutsbeeinträchtigungen im Ausland (durch Auslandstaten) herbeigeführt werden, er also die ausländische Werteordnung nicht beeinflussen kann, ändert nichts daran, dass er durch die Pönalisierung des Inlandsdistanzdelikts unabhängig von der Strafbarkeit am Erfolgsort erreichen kann, dass die Beeinträchtigung der von ihm als Rechtsgüter gewerteten Interessen jedenfalls vom Inland aus ausbleibt.687 Auch in Inkongruenzfällen fehlt es beim Inlandsdistanzdelikt weder am tatbestandlichen Erfolg noch an einer Rechtsgutsverletzung, so dass mit dieser Begründung die Forderung nach der Einführung einer „Erfolgsortstrafbarkeit“ nicht verständlich ist. (2) Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers Woran es dagegen fehlen könnte, wenn das zu dem Erfolg führende Verhalten am Erfolgsort nicht strafbewehrt ist, ist der sozialpsychologische Befund einer „Erschütterung des Wertebewusstseins“. Innere Rechtfertigung für die geforderte Straflosigkeit dieser Fälle wäre also nicht das fehlende Erfolgsunrecht, sondern nur die fehlende Notwendigkeit einer Bestrafung aus generalpräventiver Sicht. Ob aus Gründen der Generalprävention eine Strafbewährung tatsächlich nicht notwendig ist, lässt sich empirisch kaum feststellen und sicherlich so oder so beurteilen. Denn immerhin handelt der Täter in Deutschland und es wird durch seine Tat ein Rechtsgut beeinträchtigt, dessen Wert jedenfalls der deutsche Gesetzgeber so hoch einstuft, dass er es strafrechtlichem Schutz unterstellt. Es erscheint daher nicht ausgeschlossen, dass in einem solchen Fall das Wertebewusstsein der deutschen Bevölkerung selbst dann tangiert wird, wenn am Erfolgsort ein strafrechtlicher Schutz dem betroffenen Rechtsgut nicht zuteil wird.688 Eine Bestrafung des Täters wäre dann aus generalpräventiver Sicht nicht unzweckmäßig. Insofern handelt es sich um eine kriminalpolitische Entscheidung, die der Gesetzgeber, bei oberflächlicher Betrachtung keineswegs willkürlich, zulasten des Distanztäters getroffen hat. (3) Ungeeignetheit von Schutzbereichsbeschränkungen zur Lösung der Inkongruenzproblematik Problematisch ist die von einer Strafbarkeit am Erfolgsort unabhängige Strafbarkeit des Distanzdelikts auf der Basis dieser Untersuchung aus anderen Gründen. Die Strafbarkeitserstreckung lässt sich bei einer Straflosigkeit am Erfolgsort nämlich nicht mit der „wachsenden Solidarität in der Verbrechensbekämpfung“ 687 Mir unverständlich daher Forkel, S. 84 ff. Dass „überterritorialer“ Rechtsgüterschutz nicht in dem Sinne möglich ist, dass die ausländische Sozialordnung beeinflusst wird, widerspricht nicht dem Gedanken eines Rechtsgüterschutzstrafrechts: Möglich bleibt die Beeinflussung der inländischen Sozialordnung in der Weise, dass zumindest vom Inland aus begangene Rechtsgutsverletzungen unterbunden werden und die Rechtsgüter im Ausland so einen „Teilschutz“ erfahren. 688 Vgl. SK3-Samson, § 9 Rn. 5 (oben Fn. 671).

II. Keine Schutzbereichsbegrenzung in anderen Fällen

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begründen, weil der Staat, in dem der Erfolg eingetreten ist, offensichtlich kein Bedürfnis für ein Einschreiten mit den Mitteln des Kriminalstrafrechts sieht. Während im Fall reiner Auslandstaten auf die abweichende Einschätzung des fremden Staates Rücksicht genommen wird, geht der deutsche Gesetzgeber bei Inlandsdistanztaten diesbezüglich „rücksichtslos“ vor.689 Freilich lassen sich Bedenken im Hinblick auf das Völkerrecht durch den Hinweis auf den Anknüpfungspunkt des inländischen Handlungsortes ausräumen und lässt sich der – im Internationalen Strafrecht ebenfalls anerkannte – Gedanke des Selbstschutzes des Staates gegenüber dem Aspekt der Solidarität der Staaten hervorheben. Wenn allerdings durch die Distanztat, was meist der Fall sein wird, „nur“ ausländische Rechtsgüter betroffen sind, scheint die Tat mit dem Ort der Handlung nur noch eine sehr lose, möglicherweise zufällige Verbindung zu haben. Dieser Eindruck mag auch Beweggrund für die allgegenwärtige Forderung sein, ausländische Allgemeinrechtsgüter aus dem „Schutzbereich“ deutscher Tatbestände auszunehmen.690 Zur Lösung des eigentlichen Problems ist eine solche Vorgehensweise aber ungeeignet, weil sie am falschen Punkt ansetzt.691 Denn sie zielt nicht (nur) darauf, „Inkongruenzfälle“ aus dem Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts herauszunehmen. Vielmehr wäre bei einer generellen Schutzbereichsbeschränkung das deutsche Strafrecht auch in solchen Fällen unanwendbar, in denen die Verletzung des ausländischen Rechtsguts auch von dem Staat, in dem der Erfolg eintritt, für strafwürdig erachtet wird, Fälle also, in denen ein Verzicht auf die Strafverfolgung aus Gründen der Rücksichtnahme nicht erforderlich wäre. Eine Tat, bei der durch eine Inlandshandlung, deren (tatbestandsmäßiger) Erfolg im Ausland eintritt, deutsche Rechtsgüter tangiert werden,692 wäre dagegen auch bei Straflosigkeit des Erfolges im entsprechenden Ausland strafbar, obwohl allein Solidaritätsgesichtspunkte eine Strafverfolgung hier nicht rechtfertigen können. Kurz: Die zwischenstaatliche Rücksichtnahme erfordert nicht eine generelle Schutzlosstellung ausländischer Rechtsgüter. Eine solche „Lösung“ würde zu weit gehen, weil sie, wofür kein Grund ersichtlich ist, auch die Kongruenzfälle ausnehmen würde.693 Auf der anderen Seite würde sie den Gedanken der Solidarität mit dem fremden Staat nicht vollständig verwirklichen, weil die Beeinträchtigung inländischer Rechtsgüter ganz unabhängig von der Wertung des Staates, in dem der Erfolg eintritt, strafbar wäre. 689 Vgl. auch Jung, JZ 1979, 325, 328: Im Rahmen der Regelung des Tatortes in § 9 sei von der Solidarität der Staaten untereinander und der Achtung der Souveränität des anderen Staates nicht mehr viel übrig geblieben. 690 Vgl. etwa Jung, JZ 1979, 325, 330 f.: Die Regelung des § 9 gehe nicht so weit, wie man auf den ersten Blick glauben könnte, u. a. weil speziell fremdstaatliche Rechtsgüter bereits aus dem Schutzbereich der Tatbestände herausfallen würden; ähnlich Günther-Nicolay, S. 389. 691 Vgl. auch Forkel, S. 111 f., 176 f. (für den Bereich des Umweltstrafrechts): Kein geeigneter Lösungsansatz für Inkongruenzfälle mit ihrer Legitimationsproblematik. 692 Beispiel: Ein Brief mit beleidigendem Inhalt wird vom Täter aus Deutschland an einen im Ausland lebenden Deutschen gesendet. 693 So (für den Bereich des Umweltstrafrechts) auch Forkel, S. 111, 177.

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D. Die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter

(4) Der Konflikt zwischen Staatensolidarität und Selbstschutz und seine Unlösbarkeit auf materieller Ebene Im Prinzip erfordern völkerrechtliche Gesichtspunkte auch nicht, eine Erfolgsortstrafbarkeit zur Voraussetzung für die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf das Inlandsdistanzdelikt zu machen. Denn ein „genuine link“ besteht dabei in Form des Handlungsortes.694 Allerdings lässt sich in Bezug auf Inlandsdistanztaten, die ausländische Rechtsgüter beeinträchtigen, deren Schutz in Inkongruenzfällen nicht auf die oben angeführte wachsende Solidarität in der Verbrechensbekämpfung stützen. Misst man allein dem Handlungsort als Bezugspunkt kein hinreichendes Gewicht bei, ist daher nur eine Korrektur über ein Erfordernis der Erfolgsortstrafbarkeit für Inlandsdistanztaten denkbar. Ob eine entsprechende Regelung sinnvoll wäre695 oder aber unter generalpräventiven Gesichtspunkten unabhängig von der Beurteilung im erfolgsbetroffenen Ausland schon die bloße Vornahme der Handlung im Inland eine Bestrafung notwendig macht, ist eine schwierige Wertungsfrage. Die Einführung eines mit der Regelung in § 7 vergleichbaren Erfordernisses einer „identischen Norm“ für das Inlandsdistanzdelikt würde jedenfalls dazu führen, dass in allen Inkongruenzfällen das deutsche Strafrecht nicht anwendbar ist, also unabhängig davon, ob durch die Tat ausländische oder inländische, Allgemein- oder Individualrechtsgüter beeinträchtigt werden. Insoweit würde diese Lösung sehr viel weiter gehen als die auf abstrakte Schutzbereichserwägungen gestützte Herausnahme lediglich ausländischer Allgemeinrechtsgüter aus dem Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts. Im Ergebnis würde sie die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts wohl über Gebühr einschränken. Denn man wird im Allgemeinen davon ausgehen können, dass das Vertrauen in den Bestand der Rechtsordnung schon dann Schaden nimmt, wenn der Täter vom Inland aus handelt und der Erfolg seiner Handlung von der deutschen Rechtsordnung missbilligt wird.696 Im Einzelnen wird es darauf ankommen, aus welchen Gründen die Tat am Erfolgsort nicht unter Strafe gestellt ist. Wenn die Tat am ausländischen Erfolgsort aus „plausiblen“ Gründen straffrei ist, kann es ausnahmsweise ungerecht erscheinen, den möglicherweise nur zufällig vom Inland aus handelnden Täter gleichwohl zu bestrafen. Jedenfalls Gründen, die sich mit universell anerkannten Rechtsgrundsätzen nicht in Einklang bringen lassen, lässt sich die Plausibilität indessen wohl absprechen. Das ist auch aus generalpräventiver Sicht einleuchtend: Eine Erschütterung des Vertrauens in den Bestand der Rechtsordnung ließe sich kaum leugnen, 694 Vgl. etwa LK-Werle / Jeßberger, m. w. N.: Völkerrechtlich sei unstrittig, dass es für die Ausübung von Strafgewalt auf Grundlage des Territorialitätsprinzips ausreiche, wenn Handlungs- oder Erfolgsort im Inland liege. 695 So Krapp, S. 134 ff.; Obermüller, S. 151 ff.; 164 f.; Günther-Nicolay, S. 384 ff., 392 f. 696 Vgl. SK3-Samson, § 9 Rn. 5 (oben Fn. 671); weiterhin Jung, JZ 1979, 325, 329, der eine mögliche Rechtfertigung der Regelung des Inlandsdistanzdelikts in § 9 allerdings zu einseitig ausschließlich auf Gründe der Generalprävention stützt, weil er annimmt, eine Verletzung von Rechtsgütern sei in Inkongruenzfällen nicht anzunehmen.

II. Keine Schutzbereichsbegrenzung in anderen Fällen

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wenn etwa auf die Bestrafung eines von Deutschland aus handelnden Attentäters verzichtet wird, der mittels einer Briefbombe einen in einem totalitären ausländischen Staat lebenden Regimekritiker tötet, der als solcher den Schutz der Strafrechtsordnung jenes Staates nicht genießt. Freilich „löst“ die h. M. solche Fälle auch im Rahmen des § 7, also bei reinen Auslandstaten, für die eine Tatortstrafbarkeit Voraussetzung der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts ist, indem Rechtfertigungsgründe des Tatortrechts, die mit dem internationalen ordre public nicht vereinbar, insbesondere menschenrechtswidrig sind, keine Berücksichtigung finden sollen.697 Alle anderen Straffreistellungsgründe und damit auch solche, die nur gegen den nationalen ordre public (insbesondere unsere Verfassungswerte) verstoßen, können im Rahmen des § 7 dagegen keine Berücksichtigung finden und könnten es entsprechend auch bei einem Erfordernis der Erfolgsortstrafbarkeit in einem geänderten § 9 nicht. Denn einen Straffreistellungsgrund am Tat- bzw. Erfolgsort unberücksichtigt zu lassen, weil er mit unseren Verfassungsgrundsätzen nicht vereinbar ist, bedeutet bzw. würde bedeuten, die Voraussetzung einer „identischen Norm“ entgegen dem Wortlaut wegfallen zu lassen und damit eine nach Art. 103 Abs. 2 GG unzulässige teleologische Reduktion zulasten des Täters.698 Dies gilt insbesondere, wenn wie hier den Voraussetzungen der §§ 3 – 7 eine unrechtsbegründende Funktion zugeschrieben wird.699 Hier entstünde nun allerdings ein Problem. Die Grenze der „Plausibilität“ eines Straffreistellungsgrundes dürfte, wenn man insoweit das Empfinden der inländischen Bevölkerung zugrunde legt, nämlich parallel zu seiner Unvereinbarkeit mit den Werten des Grundgesetzes verlaufen und nicht erst bei einem Verstoß gegen den internationalen ordre public anzunehmen sein – immerhin handelt der Täter in Deutschland. Das bedeutet: Wenn man für das Inlandsdistanzdelikt ein Erfordernis der Erfolgsortstrafbarkeit einführen würde, würden mehr Fälle aus dem Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts herausfallen, als unter Gesichtpunkten der Generalprävention vertretbar. Die Behandlung des Inlandsdistanzdelikts ist schwierig, weil in seinem Fall die Durchsetzung des Unrechtsverständnisses des deutschen Strafgesetzgebers in Inkongruenzfällen nur auf Kosten der zwischenstaatlichen Solidarität erreicht werden kann. Die geltende Regelung geht möglicherweise insofern zu weit, als sie ein 697 Vgl. etwa BGHSt 42, 275, 279 f.; LK-Werle / Jeßberger, § 7 Rn. 38; Satzger, Internationales Strafrecht § 5 Rn. 90 ff., 96; MüKo-Ambos, § 7 Rn. 15 und Rath, JA 2007, 26, 34; alle m. w. N. 698 Vgl. Satzger, Internationales Strafrecht § 5 Rn. 92 ff.; Rath, JA 2007, 26, 34; ähnlich auch LK-Werle / Jeßberger, § 7 Rn. 40. Darüber hinausgehend hält Jakobs, AT 5. Abschn. Rn. 18, 29 wegen des Grundsatzes der Gesetzesbindung die Berücksichtigung auch von Straffreistellungsgründen, die gegen allgemein anerkannte Rechtsgrundsätze verstoßen, für unabdingbar; dies ablehnend BGHSt 42, 275, 279 f. 699 Die Anerkennung eines internationalen ordre public ist im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG auch nicht unproblematisch. Nach Ansicht des BVerfG (EuGRZ 1996, 538, 549) steht diese Vorschrift einer Bestrafung des Täters aber aufgrund des mit dem Menschenrechtsverstoß verbundenen Wegfalls der Vertrauensgrundlage nicht entgegen.

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D. Die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter

fehlendes Strafbedürfnis des Erfolgsortstaates überhaupt nicht berücksichtigt. Eine Regelung, die eine dem Erfordernis der „identischen Norm“ in § 7 vergleichbare Voraussetzung der Erfolgsortstrafbarkeit einführen würde, würde umgekehrt wohl dem Gedanken des Selbstschutzes zu wenig Raum geben.700 Es bietet sich nur ein Mittelweg an.701 Dabei springt im Rahmen dieser Untersuchung ein denkbares Modell besonders ins Auge: Es ließe sich danach differenzieren, ob durch die Inlandsdistanztat inländische Rechtsgüter oder aber ausländische Rechtsgüter beeinträchtigt werden. Für den ersten Fall könnte es bei der Regel des geltenden § 9 bleiben, während für den zweiten Fall de lege ferenda eine Erfolgsortstrafbarkeit als Voraussetzung für die Anwendung des deutschen Strafrechts zu fordern wäre.702 Dieser Kompromiss bietet sich deshalb an, weil bei der Beeinträchtigung „nur“ ausländischer Rechtsgüter auf den ersten Blick ausschließlich der Handlungsort einen Bezug zum deutschen Staat herstellt, eine Verbindung, die sich als eher lose bezeichnen lässt. Jedenfalls ließe sich in diesen Fällen der Schutz ausländischer Rechtsgüter nicht mehr auf die oben angeführte „wachsende Solidarität in der Verbrechensbekämpfung“ stützen. Konsequenterweise müssten ausländische Allgemein- und Individualrechtsgüter dabei gleich behandelt werden, das deutsche Strafrecht sich also auch dann für unanwendbar erklären, wenn ein Ausländer durch ein Inlandsdistanzdelikt in einem Individualrechtsgut beeinträchtigt wird, das am Erfolgsort nicht strafrechtlich geschützt ist. Weil zwischen Allgemein- und Individualrechtsgütern nur ein gradueller und kein qualitativer Unterschied besteht, wäre nämlich nicht einsichtig, warum allein der individuelle Charakter eines ausländischen Rechtsguts einen stärkeren Bezug zu Deutschland herstellen können sollte. Dass demgegenüber unter Gesichtspunkten des Selbstschutzes die Strafbarkeit an dem Ort, an dem der tatbestandsmäßige Erfolg eintritt, im Falle einer Beeinträchtigung inländischer Rechtsgüter keine Berücksichtigung finden kann, ist auch unmittelbar einleuchtend: Man stelle sich beispielsweise vor, dass ein Arzt unbefugt von Deutschland aus Daten seiner deutschen Patienten an einen Freund im Ausland faxt und damit den Tatbestand des § 203 erfüllt. Der tatbestandsmäßiÜbereinstimmend die Einschätzung von Jung, JZ 1979, 325, 331. Vgl. dazu auch die Darstellung verschiedener denkbarer und im Schrifttum befürworteter Modelle bei Jung, JZ 1979, 325, 331 f. 702 Dabei wäre selbstverständlich die Wertung der §§ 5 und 6 zu berücksichtigen, nach der für die in diesen Normen geregelten Fälle das deutsche Strafrecht im Falle von Auslandstaten auch unabhängig von einer Strafbarkeit am Tatort anwendbar ist; denn für Inlandsdistanztaten – mit einem noch stärkeren Bezug zu Deutschland – muss dasselbe gelten. Eine Ergänzung der §§ 5 und 6 („. . . folgende Taten, die im Ausland begangen werden oder deren tatbestandsmäßiger Erfolg im Ausland eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte“) könnte diesen Zweck erfüllen. Gegenüber dem Vorschlag von Krapp, S. 145, an eine fiktive „Erfolgsstrafbarkeitsklausel“ des § 9 einen Halbsatz anzuhängen, nach dem die §§ 5 und 6 „entsprechend anzuwenden“ sind, wäre eine solche Regelung klarer und unmissverständlicher. Der Wertung des § 7, nach der in den Fällen dieser Norm das deutsche Strafrecht auch dann anwendbar ist, wenn der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt, könnte demgegenüber gut mit einer Bezugnahme in einer fiktiven Erfolgsortstrafbarkeitsklausel Rechnung getragen werden („Unterliegt der Erfolgsort keiner Strafgewalt, ist § 7 entsprechend anzuwenden“). 700 701

II. Keine Schutzbereichsbegrenzung in anderen Fällen

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ge Erfolg („Offenbaren“) ist dann im Ausland eingetreten. Unabhängig von der Strafbarkeit einer entsprechenden Geheimnisoffenbarung im „erfolgsbetroffenen“ Ausland wäre in diesem Fall, in dem die Rechtsgüter der deutschen Patienten beeinträchtigt werden, bei Nichtbestrafung des Täters von einer Erschütterung in den Bestand der Legalordnung durchaus auszugehen. Im Ergebnis ist die skizzierte „Mittellösung“, die den Schutz ausländischer Rechtsgüter durch das deutsche Strafrecht für Inlandsdistanzdelikte in Inkongruenzfällen zurücknehmen würde, jedoch jedenfalls nicht zwingend geboten. Es fällt in solchen Fällen zwar das zugunsten des Schutzes ausländischer Rechtsgüter angeführte Argument der wachsenden Solidarität in der Verbrechensbekämpfung weg. Geht man davon aus, dass der Schutz ausländischer Allgemeinrechtsgüter, insbesondere der potentiell „übernationalen“, aufgrund möglicher Rückwirkungen auf das Inland gerade auch im Sinne eines Rechtsgüterschutzstrafrechtes ist, findet die Erstreckung des Anwendungsbereichs des deutschen Strafrechts auf solche Fälle aber eine hinreichende Legitimation bereits im Aspekt des Selbstschutzes des Staates. Darüber hinaus dürfte gerade bei Kollektivrechtsgütern eine saubere Trennung „ausländischer“ von „inländischen“ Rechtsgütern aufgrund der immer geringeren Bedeutung nationaler Grenzen insbesondere im Wirtschaftsverkehr schon praktisch vielfach gar nicht mehr möglich sein. Was Individualrechtsgüter betrifft, geht die geltende Regelung ohnehin mit der herrschenden Auffassung konform, nach der solche (im Rahmen der Regeln der §§ 3 – 7) ganz unabhängig von der Nationalität ihres Trägers den Schutz des deutschen Strafrechts genießen sollen. Insofern lässt sich der Verzicht des Gesetzgebers auf ein Erfordernis der „Erfolgsortstrafbarkeit“ in § 9 zwar nicht mit dem Grundsatz der Solidarität der Staaten in Einklang bringen; er lässt sich hingegen mit einer Solidarität mit den Opfern erklären: Ihnen wird jedenfalls gegen Angriffe auf ihre Rechtsgüter von Deutschland aus Schutz gewährt. Schließlich und insbesondere rechtfertigt sich die Regelung mit dem Zweck der Stärkung des Vertrauens in die inländische Legalordnung. Handelt der Täter vom Inland aus, wird man nämlich davon ausgehen können, dass durch seine Nichtbestrafung die Geltung der inländischen Normen generell in Frage gestellt wird, selbst wenn durch die Tat „nur“ ausländische Rechtsgüter beeinträchtigt werden, deren Beeinträchtigung am Erfolgsort nicht als strafrechtliches Unrecht gewertet wird; es geht um die „Tabuisierung“ der Handlung.703 Denkbar ist eine prozessuale Lösung. Für Auslands- und Auslandsdistanzdelikte sowie die Distanzteilnahme ist ein Absehen von Strafverfolgung bereits nach Vgl. schon SK3-Samson, § 9 Rn. 5 (oben Fn. 671). Auf der Basis eines „funktionalen Strafrechtssystems“, nach dem Legitimation des Strafrechts die Erhaltung der Norm als Orientierungsmuster für sozialen Kontakt ist, hält daher auch Forkel, S. 139 f. die geltende Regelung für verfassungsgemäß: Die (von dem Autor angenommene) faktische Unmöglichkeit der Erfolgsverhinderung im Ausland verliere aus dieser Sicht ihre Bedeutung, da für die Frage des Inlandskonflikts (allein) die Inlandshandlung maßgeblich sei. Allerdings plädiert Forkel, S. 151 ff., 183 f. – auf Grundlage seiner Sichtweise konsequent – für eine analoge Anwendung der Versuchsvorschriften auf Inlandsdistanzdelikte. 703

180

D. Die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter

§ 153c Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 3 StPO möglich. Die Einführung einer entsprechenden Regelung auch für das Inlandsdistanzdelikt könnte eine flexible Handhabung der Fälle gewährleisten, in denen die Tat am ausländischen Erfolgsort aus „plausiblen“ Gründen straffrei ist. Eine Ausnahmeregelung auf Strafverfolgungsebene dürfte gegenüber einer Änderung des materiellen Rechts auch zu der praktischen Bedeutung der problematischen Fälle in einem angemessenen Verhältnis stehen. Denn in Deutschland strafbares Verhalten dürfte – wenn auch u. U. unter einem anderen Aspekt – in ausländischen Staaten in den meisten Fällen ebenfalls mit Strafe bedroht sein, so dass die kongruente Wertung eine Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auch unter Solidaritätsgesichtspunkten zu rechtfertigen vermag. (5) Sonderproblem Distanzteilnahme: Änderungsbedürftigkeit der geltenden Regelung Unberücksichtigt ist bisher die Distanzteilnahme geblieben. Für sie gelten andere Erwägungen. Im Ergebnis ist die geltende Regelung dringend änderungsbedürftig.704 Nach § 9 Abs. 2 S. 2 ist, wenn der Teilnehmer an einer Auslandstat im Inland gehandelt hat, auf die Teilnahme das deutsche Strafrecht auch dann anwendbar, wenn die Haupttat nach dem Recht des Tatortes nicht mit Strafe bedroht ist.705 Darin liegt eine Durchbrechung des Grundsatzes der Akzessorietät der Teilnahme,706 weil die Auslands(haupt-)tat keine vorsätzlich begangene rechtswidrige (Haupt-)Tat i. S. d. §§ 26, 27 ist: Nach § 7 ist wegen fehlender Tatortstrafbarkeit das deutsche Strafrecht auf sie nicht anwendbar; sie wird vom deutschen Strafgesetzgeber nicht als „Unrecht“ bewertet.707 Mit dem Strafgrund der Teilnahme, der Sanktionierung der Förderung fremden Unrechts, ist § 9 Abs. 2 S. 2 nicht vereinbar. Die Inlandsteilnahme wird durch die Anordnung dieser Norm, wohl ausschließlich aus generalpräventiven Erwägungen, in nicht nachzuvollziehender und unrechtsgelöster Weise verselbständigt. Die vom Gesetzgeber getroffene Wahl eines nur prozessualen „Auswegs“ über das Opportunitätsprinzips des § 153c Abs. 1 Nr. 1 StPO ist in diesem Fall daher verfehlt.

704 A. A. Satzger, Internationales Strafrecht § 5 Rn. 42 und zust. Rath, JA 2007, 26 f.; i. E. wohl auch LK-Werle / Jeßberger, § 9 Rn. 53: Bedenken gegen die Gültigkeit der Norm bestünden auch unter völkerrechtlichen Gesichtspunkten nicht, denn es gehe „– auf der Grundlage des unangefochtenen Territorialitätsprinzips – um die Strafbarkeit von Inlandstaten, eben einer im Inland begangenen Teilnahme“. 705 Kritisch zur geltenden Regelung etwa auch LK-Werle / Jeßberger, § 9 Rn. 52 f.: Gesetzgeber „teilweise über das Ziel hinausgeschossen“. 706 LK-Werle / Jeßberger, § 9 Rn. 49 sprechen davon, dass § 9 Abs. 2 S. 2 die (limitierte) Akzessorietät der Teilnahme „löst“. 707 s. dazu – und zur Gegenauffassung – schon oben C. I. 3. a) cc) (3) (c) m. Fn. 345 f.

II. Keine Schutzbereichsbegrenzung in anderen Fällen

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cc) Ergebnis Die Regelung im geltenden Recht, das ein Erfordernis der „identischen Norm“ für das Inlandsdistanzdelikt nicht kennt, ist – das dürfte hinreichend deutlich geworden sein – keineswegs unproblematisch. Im Ergebnis ist sie aber völkerrechtsgemäß und bewegt sich innerhalb des Ermessensspielraums des Gesetzgebers, dem es überlassen ist, die Bestrafungsnotwendigkeit aus generalpräventiver Sicht einzuschätzen. Eine Ausnahme gilt für die Distanzteilnahme: Die geltende Regelung ist aus strafrechtsdogmatischen Gründen änderungsbedürftig. Die These, der Strafzweck der Generalprävention erfordere die Einbeziehung auch ausländischer Rechtsgüter in den Schutzbereich des deutschen Strafrechts, hat vor diesem Hintergrund generelle Gültigkeit. Die Berechtigung der grundsätzlichen Schutzbereichserstreckung ist damit auch bei Berücksichtigung der Regelung des § 9 nicht in Frage gestellt. Abgesehen davon wäre ein Erfordernis der „identischen Norm“ für den Bereich des Inlandsdistanzdelikts kein Äquivalent für Schutzbereichsbeschränkungen. 708 Denn es würde Allgemein- und Individualrechtsgüter sowie aus- und inländische Rechtsgüter theoretisch gleichermaßen betreffen. Wenngleich die Forderung nach einer „identischen Norm“ im Hinblick auf die Solidarität der Staaten ihre Berechtigung haben mag, würde sie dem Gedanken des Selbstschutzes des Staates und dem Gedanken der Solidarität mit den durch eine Inlandshandlung betroffenen Opfern daher nicht angemessen Rechnung tragen. Umgekehrt wären Abstriche beim Schutz ausländischer Rechtsgüter kein gleichwertiger Ersatz für das Fehlen eines Erfordernisses der Erfolgsortstrafbarkeit im geltenden Recht. Das eigentliche Problem der geltenden Regelung – die „Rücksichtslosigkeit“ gegenüber der von dem ausländischen Staat getroffenen Wertung – würde durch sie nicht vollständig gelöst. Denn zum einen würde die abweichende Wertung des ausländischen Staates jedenfalls weiterhin unberücksichtigt bleiben, wenn (was nicht häufig passieren dürfte, aber durchaus denkbar ist) durch das Inlandsdistanzdelikt inländische Rechtsgüter betroffen sind. Außerdem fordert niemand ernsthaft, auch für ausländische Individualrechtsgüter den Schutz durch das deutsche Strafrecht zurückzunehmen, so dass auch insofern die Einschätzung des ausländischen Staates, der ein – durch einen deutschen Straftatbestand geschütztes – Rechtsgut nicht für schützenswert erachtet, ungewürdigt bliebe. Nur der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass der Argumentation des OLG Saarbrücken (vgl. oben aa)) nicht zuzustimmen ist, sofern es ausführt, eine Unterlassung im Inland, deren Wirkung allein im Ausland eintritt, trete im Inland als ein zur Störung des Rechtsfriedens geeignetes Geschehen überhaupt nicht in Erscheinung, so dass die Nichtverfolgung eines solchen Verhaltens auch nicht 708 Verfehlt daher Obermüller, S. 149, der meint, ausgerechnet hier sei – „bei sonst grundsätzlich zu beachtender strikter Trennung von internationalem Geltungsbereich und sachlichem Schutzbereich“ – ausnahmsweise „i. S. einer befriedigenden Lösung [ . . . ] eine ganzheitliche Betrachtung angebracht“.

182

D. Die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter

die von der Existenz des § 170b StGB ausgehende generalpräventive Wirkung schmälere.709 Auch der Erfolg einer Begehung tritt bei einem Inlandsdistanzdelikt nur im Ausland in Erscheinung. Die Handlung im Inland muss darüber hinaus nicht notwendig stärker in Erscheinung treten als eine Unterlassung, sondern kann sich beispielsweise darin erschöpfen, dass der Täter einen in seinem Kämmerlein geschriebenen, an einen im Ausland lebenden Ausländer adressierten und versiegelten Brief (etwa beleidigenden Inhalts) in den Briefkasten wirft. In den Fällen des § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 wird schließlich ganz auf einen Erfolg ebenso wie ein Verhalten im Inland verzichtet, so dass hier nach dem Verständnis des OLG Saarbrücken ebenfalls kein „zur Störung des Rechtsfriedens geeignetes Geschehen“ im Inland in Erscheinung tritt, und zwar selbst dann nicht, wenn ein Individualrechtsgut beeinträchtigt wird. Dass deutsches Strafrecht Anwendung findet, wenn ein Deutscher im Ausland ausländische Individualrechtsgüter verletzt (deren Verletzung auch am Tatort mit Strafe bedroht ist), bestreitet aber niemand. Wenn auch generalpräventive Erwägungen allein nicht genügen können, um die Einbeziehung ausländischer (Allgemein-)Rechtsgüter in den Schutzbereich deutscher Straftatbestände zu begründen, ist ihnen für das hier bereits auf anderem Wege gefundene Ergebnis immerhin eine unterstützende Rolle zuzusprechen. Sie konnten im Hinblick auf dieses Ergebnis eine „Kontrollfunktion“ erfüllen, und die Kontrolle ist positiv ausgefallen.

4. Die Erstreckung des Schutzbereichs auf ausländische Rechtsgüter am Beispiel einzelner Tatbestände Als Ergebnis der Untersuchung ist festzuhalten, dass deutsche Straftatbestände, sofern der Täter im Inland handelt oder der Erfolg im Inland eintritt oder der Täter deutscher Staatsangehöriger ist, grundsätzlich auch dann Anwendung finden, wenn „nur“ ein ausländisches bzw. ein supra- oder übernationales Rechtsgut durch die Tat beeinträchtigt wurde. Für Individualrechtsgüter schützende Tatbestände ist dies ohnehin anerkannt. Es gilt aber darüber hinaus für Tatbestände, die (nur) Allgemeinrechtsgüter schützen. Das betrifft – um nur einige Beispiele zu nennen – etwa die §§ 120 (Gefangenenbefreiung), 124 (Schwerer Hausfriedensbruch), 125 (Landfriedensbruch), 126 (Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten), 127 (Bildung bewaffneter Gruppen), 129 und 129a (Bildung krimineller bzw. terroristischer Vereinigungen), 132 (Amtsanmaßung), 145d (Vortäuschen einer Straftat), 153 (Falsche uneidliche Aussage) und 154 (Meineid). Für die §§ 264a (Kapitalanlagebetrug), 265 (Versicherungsmissbrauch), 265b (Kreditbetrug) und 298 („Submissionsbetrug“) gilt dies selbst für den Fall, dass man als durch diese Normen geschützt nur kollektive Rechtsgüter ansieht. Es betrifft auch 709

OLG Saarbrücken NJW 1975, 506, 508.

IV. Möglichkeiten zur Vermeidung von Jurisdiktionskonflikten

183

§§ 267 (Urkundenfälschung), 304 (Gemeinschädliche Sachbeschädigung) und 324 (Gewässerverunreinigung). § 299 (Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr) war bereits vor der Einfügung des dritten Absatzes im Jahre 2002 auch bei Beeinträchtigungen des Wettbewerbs nur in einem ausländischen Staat anwendbar. Für den Bereich der EG sei darauf hingewiesen, dass eine ausdrückliche Anordnung des Gesetzgebers oder eine mit dem Ziel der Einbeziehung auch der Rechtsgüter der EG vorgenommene „gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung“ nicht notwendig ist, um den Schutz auch von hoheitlichen Rechtsgütern der EG zu gewährleisten. Dass sie in den Schutzbereich des deutschen Strafrechts einbezogen sind, ergibt sich bereits aus den §§ 3 – 7.

III. Die Ausnahme vom Grundsatz als Regel? Unter I. sind einige Tatbestände dargestellt worden, die auf den Schutz inländischer Rechtsgüter beschränkt sind, weil sich dies entweder schon aus ihrem Wortlaut bzw. der Legaldefinition einzelner Tatbestandsmerkmale ergibt oder aber in ihrer Blankettstruktur begründet ist. Dabei mag der Eindruck entstanden sein, die Nichteinbeziehung ausländischer Allgemeinrechtsgüter aufgrund spezieller Anwendungsbeschränkungen sei eher die Regel denn die Ausnahme. Für Tatbestände, die dem Schutz staatlicher Rechtsgüter dienen, mag das sogar zutreffen. Als „Grundsatz“ lässt sich die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter gleichwohl deshalb begreifen, weil die §§ 3 – 7 im Allgemeinen Teil diese Regelung treffen und sie deshalb für alle Straftatbestände mit „neutralem“ Wortlaut gilt, sofern sich also aus ihrer speziellen Struktur nichts Abweichendes ergibt. Für Individualrechtsgüter schützende Straftatbestände ist sie darüber hinaus auch quantitativ eindeutig die Regel, ebenso wohl für Tatbestände, die kollektive Rechtsgüter („Rechtsgüter der Gesellschaft“) schützen.

IV. Möglichkeiten zur Vermeidung von Jurisdiktionskonflikten Die Forderung, ausländische (Allgemein-)Rechtsgüter aus dem Schutzbereich deutscher Tatbestände herauszunehmen, wird häufig mit dem Verbot der Einmischung in die Souveränität fremder Staaten in Verbindung gebracht. Dass ein Verstoß gegen das völkerrechtliche Einmischungsverbot nicht vorliegt, wenn Deutschland seine Strafgewalt auf einen Sachverhalt erstreckt, der einen sinnvollen Anknüpfungspunkt zum Inland aufweist, ist dargelegt worden. Wenn in der Diskussion um die Erstreckung deutscher Tatbestände auf den Schutz ausländischer Rechtsgüter gleichwohl auf eine zu vermeidende Einmischung hingewiesen wird, dürfte dahinter der Gedanke stehen, dass Jurisdiktionskonflikte wenn möglich zu vermeiden sind. Jeder Staat sei selbst am besten in der Lage, seine Rechtsgüter

184

D. Die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter

und die seiner Staatsbürger zu schützen.710 Die Forderung nach einem insgesamt restriktiven Strafanwendungsrecht711 im Hinblick auf die Vermeidung von Jurisdiktionskonflikten ist vertraut; die Kritik wird meist im Zusammenhang mit einer Beurteilung der recht weitgehenden Ausnahmen vom Territorialitätsprinzip im geltenden deutschen Strafanwendungsrecht laut. Der „nicht gerade bescheidene Geltungsbereich“ des deutschen Strafrechts wird insgesamt völkerrechtlich allerdings noch nicht als bedenklich eingestuft712 – eine Aussage, der auch hinsichtlich des Schutzes ausländischer Rechtsgüter im System des deutschen Strafanwendungsrechts nach der hier durchgeführten Analyse nur zugestimmt werden kann. Selbstverständlich kann der Schutz ausländischer Rechtsgüter durch das deutsche Strafrecht zu Jurisdiktionskonflikten und damit zur Gefahr mehrfacher Strafverfolgung führen. Dies ist allerdings schon logische Folge davon, dass das Strafanwendungsrecht Deutschlands und der meisten anderen Staaten nicht auf eine Kollisionslösung (im Sinne der Anwendung des jeweils „sachnächsten“ Strafrechts) bedacht ist, sondern stets nur das eigene sachliche Recht zur Anwendung bringt.713 Zur Vermeidung von Doppelbestrafungen714 ist dabei indessen nicht zwingend die Restriktion des Geltungsbereichs des eigenen Strafrechts nötig. Abhilfe kann schon durch den Abschluss völkerrechtlicher Verträge geschaffen werden.715 So ist für den europäischen Bereich ein Verbot der Doppelbestrafung in Art. 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ)716 normiert;717 das (noch nicht in Kraft getretene) EG-Ne-bis-in-idem-Übereinkommen718 hat den Grundsatz auf weitere Mitgliedstaaten ausgeweitet. Die deutsche Rechtsordnung ermöglicht die Berücksichtigung der ausländischen Strafverfolgung darüber hinaus bei der Strafzumessung, indem § 51 Abs. 3 die Anrechnung der im Ausland bereits vollstreckten Strafe anordnet. Prozessual kommt für Auslands- und Auslandsdistanzdelikte sowie die Distanzteilnahme überdies nach § 153c Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 3 StPO das Absehen von der Strafverfolgung in Betracht. Eine Tat, die ausländische (insbesondere staatliche) Rechtsgüter beeinträchtigt, wird praktisch häufig (wenn auch keinesfalls zwingend) eine Auslandstat sein, so dass § 153c Abs. 1 StPO auch viele Fälle von Beeinträchtigungen ausländischer Rechtsgüter betreffen wird. 710 Vgl. auch Günther-Nicolay, S. 287 f.: Es sei nicht davon auszugehen, dass ein Staat den Selbstschutz einem anderen Staat anvertraue, wenn hierzu keine Veranlassung bestehe. 711 Vgl. insofern etwa Ambos Internationales Strafrecht § 2 Rn. 8 m. w. N.: Grundsatz der Mäßigung und Beschränkung bei der Ausübung extraterritorialer Strafgewalt. 712 NK-Lemke, Vor §§ 3 – 7 Rn. 20. 713 Satzger, Internationales Strafrecht § 3 Rn. 5 f. 714 Das in Art. 103 Abs. 2 GG verankerte Verbot der Doppelbestrafung gilt nur im innerstaatlichen Bereich, vgl. Fischer, § 51 Rn. 16 m. zahlr. Nachw. 715 Vgl. etwa Satzger, Internationales Strafrecht § 3 Rn. 6. 716 BGBl. II 1993, S. 1010. 717 Vgl. dazu etwa Satzger, Internationales Strafrecht § 9 Rn. 55 ff. sowie A. Schmitz, S. 296 ff. 718 Übereinkommen v. 25. 05. 1987 zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über das Verbot der doppelten Strafverfolgung, von Deutschland ratifiziert durch Gesetz v. 07. 09. 1998, BGBl. II, S. 2226.

E. Zusammenfassung der Ergebnisse der Untersuchung Ausgangspunkt der Untersuchung war die Frage, ob ausländische Rechtsgüter aus dem „Schutzbereich“ bestimmter Tatbestände des deutschen StGB generell ausgenommen sind, die betreffenden Tatbestände also nur bei einer Beeinträchtigung inländischer Rechtsgüter erfüllt sind. Die Einordnung als „ausländisches“ oder „inländisches“ Rechtsgut ist dabei nach der Staatsangehörigkeit bzw. Staatszugehörigkeit seines Trägers vorgenommen worden.719 Bei der Diskussion um die Schutzbereichsfrage herrscht Einigkeit dahingehend, dass das Strafanwendungsrecht in den §§ 3 – 7 keine Aussage darüber trifft, ob deutsche Straftatbestände auch ausländische Rechtsgüter schützen. Häufig wird davon ausgegangen, diese Problematik sei schon keine des Anwendungsbereichs des deutschen Strafrechts. Teilweise wird die Ausnahme ausländischer Rechtsgüter aus dem Schutzbereich einzelner Tatbestände zwar als Einschränkung des Anwendungsbereichs – und damit immerhin als Frage des Strafanwendungsrechts – angesehen, indessen ohne dass eine Lösung über die Regeln der §§ 3 – 7 in Betracht gezogen wird: Die Frage, ob auch ausländische Rechtsgüter in den Schutzbereich eines konkreten Straftatbestandes einzubeziehen seien, sei allein eine Frage seiner Auslegung.720 Davon ausgehend sind im ersten Teil der Untersuchung zunächst die Tendenzen in Schrifttum und Rechtsprechung in Bezug auf die Einbeziehung von ausländischen Rechtsgütern in den bzw. Ausnahme aus dem Schutzbereich deutscher Straftatbestände dargestellt worden. Dabei besteht Einigkeit darüber, dass Beeinträchtigungen ausländischer Individualrechtsgüter stets (bzw. zumindest bei einer Beeinträchtigung im Inland) von den deutschen Straftatbeständen erfasst werden.721 Begründet wird dies zumeist mit den Grundsätzen des völkerrechtlichen Fremdenrechts, teilweise mit den Grundsätzen unserer Verfassung.722 Auch Tatbestände, die neben einem Allgemeinrechtsgut ein Individualrechtsgut schützen, sollen bei der Verletzung nur ausländischer Rechtsgüter erfüllt sein, wobei an den Stellenwert, dem der Schutz des Individualrechtsguts innerhalb des Tatbestandes zukommen muss, unterschiedliche Anforderungen gestellt werden.723 Eine Einbeziehung ausländischer staatlicher oder „hoheitlicher“ Rechtsgüter in den Schutzbereich 719 720 721 722 723

Vgl. A. I. Vgl. A. II und C. I. Vgl. B. I. 1. a). Vgl. B. I. 1. b). Vgl. B. I. 2.

186

E. Zusammenfassung

deutscher Straftatbestände wird demgegenüber ganz überwiegend abgelehnt, und zwar unabhängig davon, ob sich eine entsprechende Einschränkung aus dem – auf deutsche Institutionen – begrenzten Wortlaut ergibt oder der Wortlaut insofern „neutral“ ist.724 Zur Begründung wird etwa angeführt, das deutsche Strafrecht sei als „innerstaatliches Ordnungsrecht“ nicht zum Schutz von ausländischen Staaten und deren Belangen berufen, eine Erstreckung des Schutzbereichs auf solche Interessen sei eine völkerrechtlich unzulässige Einmischung in fremde Souveränität oder die Entscheidung über die Schutzwürdigkeit ausländischer staatlicher Einrichtungen habe außenpolitische Bedeutung und könne daher nicht dem Richter überlassen werden.725 Im Bereich der Kollektivrechtsgüter i. e. S. (gesellschaftliche Institutionen) herrscht große Unsicherheit und Unstimmigkeit darüber, ob sie auch als ausländische in den Schutzbereich deutscher Straftatbestände fallen.726 Gegen die Erfassung solcher Rechtsgüter werden häufig dieselben Argumente angeführt, auf die auch der Ausschluss staatlicher Rechtsgüter aus dem Schutzbereich deutscher Tatbestände gestützt wird. Teilweise wird auch argumentiert, gegen die Einbeziehung ausländischer überindividueller Rechtsgüter spreche generell, dass das Gesetz bei neutralem Wortlaut der Vorschriften diesbezüglich keinen Hinweis gebe und sichere Abgrenzungskriterien nicht auszumachen seien. Die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter sei daher insofern verbotene Analogie und stelle einen Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG dar.727 Im Hinblick sowohl auf staatliche als auch auf kollektive Rechtsgüter i. e. S. ist man sich indes im Übrigen einig, dass sie durch explizite legislatorische Entscheidung in den Schutzbereich deutscher Straftatbestände einbezogen werden können.728 Im zweiten Teil der Untersuchung wurde der Frage nachgegangen, ob die §§ 3 – 7 die „Schutzbereichsfrage“ tatsächlich unbeantwortet lassen. Dabei konnte zunächst festgestellt werden, dass die Frage danach, ob im Einzelfall nur inländische oder auch ausländische Rechtsgüter von deutschen Straftatbeständen geschützt werden, ebenso eine solche nach der „Anwendbarkeit“ deutscher Straftatbestände ist wie die Frage, ob die Voraussetzungen der §§ 3 – 7 erfüllt sind.729 Welchen genauen Platz die Frage nach dem Schutzbereich im System des Strafanwendungsrechts hat, hängt allerdings davon ab, wie man die §§ 3 – 7 dogmatisch einordnet. Herkömmlich wird davon ausgegangen, das deutsche Strafrecht messe sich einen „universellen Bewertungsanspruch“ zu und bewerte jede unter einen deutschen Straftatbestand fallende Handlung als Unrecht, gleichgültig, wo und von 724 725 726 727 728 729

Vgl. B. II. 1. Vgl. B. II. 2. Vgl. B. III 1. und 2. Vgl. B. II. 2. c) und III. 2. c). Vgl. B. II. 1. (letzter Absatz). Vgl. C. I. 1. a).

E. Zusammenfassung

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wem sie begangen werde. Die §§ 3 – 7 hätten lediglich die Funktion, die Sanktionsbefugnis des deutschen Richters zu begrenzen, ihnen käme Bedeutung erst auf der „sekundären“ Ebene zu.730 Die „Schutzbereichsfrage“ lässt sich danach zwanglos als eine solche der „primären“ Ebene verstehen, also als bereits die den Tatbeständen zugrunde liegende Verhaltensnorm einschränkend. Von diesem Standpunkt aus ist die Auffassung, die Schutzbereichsfrage sei keine des Strafanwendungsrechts, sondern ganz unabhängig von den §§ 3 – 7 zu beantworten, also nachvollziehbar.731 Überwiegend wird den Voraussetzungen der §§ 3 – 7 heute allerdings schon eine Funktion auf der Ebene der primären Norm zugeschrieben; erst die Erfüllung einer Norm des Strafanwendungsrechts soll – gemeinsam mit der Erfüllung des Tatbestandes – unrechtskonstituierend sein. Weil sich das deutsche Strafrecht nach dieser Auffassung einen Unrechtsbewertungsanspruch nur für den Bereich zumisst, in dem einer der Anknüpfungspunkte der §§ 3 – 7 vorliegt, wird sie auch Lehre vom „beschränkten Bewertungsanspruch“ des deutschen Strafrechts genannt.732 Vom Standpunkt dieser Lehre aus liegen sowohl die „Schutzbereichsfrage“ als auch die Frage, ob die Voraussetzungen der §§ 3 – 7 erfüllt sind, auf der „primären“ Ebene. Bei beiden geht es darum, festzustellen, ob der zu beurteilende Sachverhalt den Verhaltensnormen des deutschen Strafrechts zuwiderläuft, ob es von diesem als „Unrecht“ bewertet wird. Eine strikte Trennbarkeit beider Fragen erscheint danach höchst fragwürdig. Vielmehr ist es von diesem Ansatz ausgehend naheliegend, dass die §§ 3 – 7, die bestimmen, in welchen Fällen mit Auslandsbezug das deutsche Strafrecht sich noch einen Bewertungsanspruch zumisst, auch die Frage regeln, inwieweit davon bei der Verletzung nur ausländischer Rechtsgüter auszugehen ist.733 Als heute wohl herrschende wurde die Theorie vom beschränkten Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts der nachfolgenden Untersuchung zunächst zugrunde gelegt. Danach war es naheliegend, dass die §§ 3 – 7 als „vor die Klammer gezogene“ Regeln eine Aussage auch bezüglich der Frage enthalten, ob die deutschen Straftatbestände grundsätzlich auch bei Beeinträchtigungen nur ausländischer Rechtsgüter anwendbar sind und sich Ausnahmen davon nur aufgrund besonderer tatbestandsimmanenter Beschränkungen ergeben können. Diese Vermutung wurde auch auf einen Vergleich mit dem Internationalen Privatrecht gestützt, in dem aus der Existenz der allgemeinen Kollisionsnormen geschlossen wird, dass in deren prinzipiellem Anwendungsbereich besondere einseitige Kollisionsnormen (zu Gunsten des eigenen Sachrechts) grundsätzlich nur existieren, wenn sie ausdrücklich ausgeführt sind. Ebenso könnte es sich im Strafanwendungsrecht als Umgehung des gesetzgeberischen Willens darstellen, durch „Auslegung“ neutral formulierter Tatbestände zu einer Unanwendbarkeit auf die Beeinträchtigung ausländischer Rechtsgüter 730 731 732 733

Vgl. C. I. 1. b) aa). Vgl. C. I. 1. e) bb) (2). Vgl. C. I. 1. b) bb). Vgl. C. I. 1. e) aa).

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E. Zusammenfassung

zu gelangen, wenn die §§ 3 – 7 eine gegenteilige Regelung treffen.734 Ob dies der Fall ist, wurde sodann untersucht. Dabei konnte zunächst festgestellt werden, dass die §§ 3 – 7 das von der Tat betroffene Rechtsgut nicht grundsätzlich unberücksichtigt lassen: In den Fällen des Weltrechtsprinzips (§ 6) ist es als „internationales“, in den Fällen des Staatsschutzprinzips (bestimmte Fälle des § 5) und des passiven Personalitätsprinzips (§ 7 Abs. 1 und bestimmte Fälle des § 5) als inländisches ein Anknüpfungspunkt für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts.735 Aus der Tatsache, dass § 7 Abs. 1 – der sich auf Auslandstaten von Ausländern bezieht und damit in Ermangelung eines anderen Anknüpfungspunktes zum Inland – die Verletzung eines inländischen Individualrechtsguts zur Voraussetzung für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts macht, wurde sodann ein Gegenschluss gezogen: Mangels einer entsprechenden Einschränkung in den §§ 3 (Inlandstat) und 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 (Auslandstat eines Deutschen) ist in diesen Fällen die Verletzung eines inländischen Rechtsgutes nicht Voraussetzung für die Anwendbarkeit deutscher Straftatbestände und damit grundsätzlich auch die Verletzung nur ausländischer Rechtsgüter tatbestandsmäßig.736 Weitere Erwägungen konnten diese zunächst sehr formal erscheinende These untermauern. Eine Erweiterung des Blickwinkels auf die anderen Normen des Strafanwendungsrechts ergab, dass eine Beschränkung auf den Schutz inländischer Rechtsgüter stets nur dann vorgenommen wird, wenn ein sonstiger Anknüpfungspunkt nicht vorliegt. So führt § 5 Delikte auf, bei denen unabhängig von Tatort, Staatsangehörigkeit des Täters und Strafbarkeit am Tatort, wenn ein Bezug zum Inland insofern also nicht besteht, die Verletzung inländischer Rechtsgüter dem deutschen Strafrecht unterfallen soll. Damit ist aber nicht ausgeschlossen, dass die betreffenden Delikte etwa bei der Erfüllung der Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 (also bei Bestehen eines sonstigen Bezuges zum Inland) auch dann dem deutschen Strafrecht unterstehen, wenn sie sich gegen ausländische Rechtsgüter richten.737 Dass § 6 – anders als §§ 3 und 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 – eine explizite Regelung zugunsten des Schutzes „internationaler“ (und damit auch ausländischer) Rechtsgüter trifft, konnte die aus dem Gegenschluss aus § 7 Abs. 1 gewonnene These zumindest nicht entkräften: Bei Taten nach § 6 ist ebenfalls weder ein inländischer Tatort noch die deutsche Staatsangehörigkeit des Täters erforderlich, so dass es an einem unmittelbaren Anknüpfungspunkt zum Inland fehlt und der Schutz auch ausländischer Rechtsgüter daher keine Selbstverständlichkeit ist, es vielmehr einer ausdrücklichen Regelung bedarf.738 Bei den auf dem Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege beruhenden Fällen des § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 und Nr. 2 gebietet der Stellvertretungsgedanke eine sinngemäße Umstellung des 734 735 736 737 738

Vgl. C. I. 2. und 3. Vgl. C. I. 3. a) aa) (2). Vgl. C. I. 3. a) bb) (1). Vgl. C. I. 3. a) bb) (2) (b). Vgl. C. I. 3. a) bb) (2) (a).

E. Zusammenfassung

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Sachverhalts auf deutsche Verhältnisse.739 Dementsprechend werden hier faktisch auch die (ausländischen) Rechtsgüter des vertretenen Staates geschützt, obgleich es an einem unmittelbaren Anknüpfungspunkt zu Deutschland fehlt. Dies spricht zumindest nicht dagegen, bei Vorliegen eines solchen Anknüpfungspunktes (inländischer Tatort oder deutsche Staatsangehörigkeit des Täters) von einer Schutzbereichserstreckung auch auf ausländische Rechtsgüter auszugehen. Letztlich hat es für diese Fälle indessen gar keine Aussagekraft, weil § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 2 sowie Nr. 2 – anders als §§ 3 und 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 – nicht den „originären“ Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts betreffen und die dort geltenden Regeln daher nicht auf Fälle von Inlandstaten und Auslandstaten Deutscher übertragbar sind.740 Das System des deutschen Strafanwendungsrechts kann (wenn man die Fälle des Weltrechtsprinzips und des Prinzips der stellvertretenden Strafrechtspflege außer Betracht lässt) damit als „zweigleisig“ beschrieben werden. Eine Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter in den Schutzbereich des deutschen Strafrechts ist in allen Fällen, in denen mit dem inländischen Tatort oder der deutschen Staatsangehörigkeit des Täters ein Anknüpfungspunkt zum Inland vorliegt, grundsätzlich anzunehmen. Liegt ein solcher Anknüpfungspunkt nicht vor, ist nach § 7 Abs. 1 die Verletzung eines inländischen Individualrechtsguts (oder nach § 5 die Verletzung eines bestimmten anderen inländischen Rechtsguts) Voraussetzung für die Anwendbarkeit eines deutschen Straftatbestandes; ausländische Rechtsgüter sind nicht erfasst. Beide Annahmen entsprechen den Vorgaben des Völkerrechts: Dass im Falle von Auslandstaten eines Ausländers ausländische Rechtsgüter – gleichgültig, ob es sich um Allgemein- oder um Individualrechtsgüter handelt – nicht in den Schutzbereich des deutschen Strafrechts einbezogen sind, ist kein Verstoß gegen das Prinzip der Inländergleichbehandlung, weil dieses eine Verfolgung von Straftaten gegen Ausländer nur für Inlandstaten erfordert.741 Dass im Falle von Inlandstaten sowie Auslandstaten Deutscher ausländische (Individualund Allgemein-)Rechtsgüter 742 in den Schutzbereich deutscher Straftatbestände grundsätzlich einbezogen sind, ist auf der anderen Seite kein Verstoß gegen das völkerrechtliche Einmischungsverbot. Das Völkerrecht erachtet es für selbstverständlich, dass ein Staat sein Strafrecht auf alle Taten erstrecken darf, die auf seinem Hoheitsgebiet begangen werden („Territorialitätsprinzip“); ebenfalls völkerrechtlich anerkannt743 ist die Erstreckung des nationalen Strafrechts auf alle von 739 In § 7 Abs. 2 Nr. 2 wird dies durch die Verweisung auf § 3 Abs. 1 (letzter HS) IRG erreicht. 740 Vgl. C. I. 3. a) bb) (2) (c). 741 Vgl. C. I. 3. a) bb) (3) (a) und auch schon B. I. 1. b). 742 §§ 3 und 7 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 differenzieren nicht zwischen verschiedenen Gruppen von Rechtsgütern. 743 Jedenfalls, wenn – wie im deutschen Strafanwendungsrecht in § 7 Abs. 2 – eine Einschränkung dergestalt gemacht wird, dass die Tat auch am Tatort mit Strafe bedroht sein muss.

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einem Staatsbürger des anordnenden Staates begangenen Taten („aktives Personalitätsprinzip“). Ein Erfordernis eines zusätzlichen Anknüpfungspunktes in dem Sinne, dass die in Frage stehende Tat ein inländisches Rechtsgut beeinträchtigen muss, lässt sich dem Völkerrecht demgegenüber nicht entnehmen. Darüber hinaus gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Schutz ausländischer Rechtsgüter einen Verstoß gegen das – z. T. als zusätzlicher Maßstab herangezogene – Rechtsmissbrauchsverbot darstellt. Allein die Tatsache, dass ein Staat eher als ein fremder Staat in der Lage ist, seine eigenen Rechtsgüter zu schützen, und einen solchen Schutz auch anordnet, mag zu konkurrierenden Strafansprüchen und damit zu Jurisdiktionskonflikten führen. Solche sind allerdings ohnehin konsequente Folge davon, dass die Staaten ihr Strafanwendungsrecht grundsätzlich autonom und zumeist einseitig auf die Anwendung der eigenen Strafrechtsordnung bedacht regeln. Jurisdiktionskonflikte können hier nur durch den Abschluss völkerrechtlicher Verträge aufgelöst werden. Für den Fall einer Auslandstat, einer inländischen Teilnahme an einer Auslandstat und einer Auslandsdistanztat erlaubt § 153c Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 StPO den deutschen Strafverfolgungsorganen darüber hinaus ein Absehen von der Verfolgung. § 51 Abs. 3 ordnet zudem die Berücksichtigung einer im Ausland bereits vollstreckten Strafe bei der Strafzumessung an.744 Die dargestellte „Zweigleisigkeit“ des Systems führt zu einer „Tatbestandsspaltung“, weil von einer Erfüllung der (neutral formulierten) Tatbestände ausgegangen werden muss, wenn die gegen ein ausländisches Rechtsgut gerichtete Tat von einem Deutschen oder im Inland begangen wird, sie dagegen unerfüllt bleiben, wenn es sich um die Auslandstat eines Ausländers handelt. Geht man mit der ganz h. M. davon aus, die Nichterfüllung der Voraussetzungen der §§ 3 – 7 führe bereits zu einem Prozesshindernis, ist dies von vornherein unproblematisch: Ist die Auslandstat eines Ausländers lediglich gegen ausländische Rechtsgüter gerichtet, ist das Verfahren mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 einzustellen, die Frage nach der Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens stellt sich gar nicht mehr.745 Wird demgegenüber – was vor dem Hintergrund der Theorie vom beschränkten Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts zumindest möglich ist und der Vermeidung von Friktionen dienen könnte746 – auch bei Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 ein Freispruch gefordert, muss man sich mit dieser „Tatbestandsspaltung“ abfinden. Die soeben dargelegte These war auf der Grundlage der Theorie vom beschränkten Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts entwickelt worden. Daher wurde nachfolgend untersucht, ob sie auch vom Standpunkt der Theorie vom universellen Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts aus Gültigkeit beanspruchen kann. Da die §§ 3 – 7 nach dieser Theorie nur die „sekundäre“ Ebene (die Sanktionsbefugnis des deutschen Strafrichters) betreffen, können sie über die Frage, ob 744 745 746

Vgl. D. IV. Vgl. C. I. 3. a) bb) (3) (c). Vgl. C. I. 3. a) bb) (3) (c) sowie D. I. 3.

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die Verletzung eines ausländischen Rechtsguts einen Verhaltensnormverstoß darstellt und also als „Unrecht“ zu bewerten ist, keine Aussage treffen. Die „Schutzbereichsfrage“ als eine solche allein der Auslegung der einzelnen Tatbestände zu betrachten, erscheint danach konsequent. Der Gegenschluss aus § 7 Abs. 1 kann aus diesem Blickwinkel nicht zugunsten des Schutzes ausländischer Rechtsgüter durch deutsche Straftatbestände angeführt werden. Der Grundidee der Theorie, die deutschen Straftatbestände stellten „universelle Bewertungsnormen menschlichen Verhaltens“ dar, entspricht es allerdings, von einer „Bewertungskompetenz“ der deutschen Straftatbestände auch bei der Verletzung nur ausländischer Rechtsgüter auszugehen. Die Annahme, ein Straftatbestand sei grundsätzlich auf den Schutz inländischer Rechtsgüter beschränkt, bedarf also auch (und erst recht) nach der Theorie vom universellen Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts stets einer besonderen Rechtfertigung. Gibt es für eine solche Beschränkung keinen besonderen Grund, ist danach von der Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter in den Bewertungsbereich deutscher Straftatbestände auszugehen, und zwar auch bei der Verletzung durch einen Ausländer im Ausland (nur die Ausübung der Strafgewalt wäre in einem solchen Fall aufgrund der Regel des § 7 Abs. 1 ausgeschlossen).747 Gerade die letzte Feststellung erweist sich indessen als Hauptschwachpunkt der Theorie vom universellen Bewertungsanspruch: Würde ihre Annahme zutreffen, würde sich das deutsche Strafrecht also tatsächlich einen uneingeschränkten Bewertungsanspruch zumessen und die Geltung seiner Normen auch für Fälle anordnen, in denen keinerlei Bezug zur Bundesrepublik besteht, wäre das ein eindeutiger Verstoß gegen das völkerrechtliche Einmischungsverbot. Ein solcher kann vom deutschen Gesetzgeber bei der Schaffung des Strafanwendungsrechts nicht gewollt gewesen sein.748 Anschließend ist festgestellt worden, dass die Erstreckung des Schutzbereichs „neutral“ formulierter deutscher Straftatbestände auf den Schutz ausländischer Rechtsgüter auch keinen Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 102 Abs. 2 GG darstellt. Vor dem Hintergrund der hier entwickelten These hat sich der Gesetzgeber in den §§ 3 – 7 grundsätzlich für den Schutz ausländischer Rechtsgüter im Falle von Inlandstaten und Auslandstaten eines Deutschen entschieden, so dass vielmehr ihr Ausschluss aus dem Schutzbereich eines bestimmten Tatbestandes stets einer besonderen Begründung bedarf.749 Gegen die These, das deutsche Strafrecht beziehe in seinen Schutz grundsätzlich auch ausländische Rechtsgüter ein, wird teilweise die Existenz von Tatbeständen angeführt, die eine ausdrückliche Erstreckung auf den Schutz ausländischer Rechtsgüter enthalten. Ein gehäuftes Vorkommen solcher Tatbestände hätte die These, ausländische Rechtsgüter seien ohnehin vom Schutzbereich deutscher TatVgl. C. I. 3. a) cc) (1) und (4). Vgl. C. I. 3. a) cc) (3) (b); s. auch die weiteren Argumente gegen das Zutreffen dieser Theorie dort unter (c). 749 Vgl. C. I. 3. b). 747 748

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bestände erfasst, tatsächlich in Frage stellen können. Die Aussage, zahlreiche Tatbestände enthielten eine eindeutige Schutzbereichserstreckung, bedurfte aus diesem Grund einer Überprüfung.750 Dabei konnte ermittelt werden, dass „Auslandsbezügen“ in Straftatbeständen ganz unterschiedliche Funktionen zukommen. Sie können zum einen eine Erfassung ausländischer Angriffsmittel oder Tatobjekte beinhalten, ohne dass sich daraus notwendig die Einbeziehung auch ausländischer Rechtsgüter in den Schutzbereich des betreffenden Tatbestandes ergibt; vielmehr kann damit allein ein umfassenderer Schutz für inländische Rechtsgüter bezweckt sein.751 Auslandsbezüge können dazu dienen, die sich aus besonderen Gründen ergebenden Beschränkungen des Anwendungsbereichs eines Tatbestandes (und unter anderem auch die von der Grundregel abweichende tatbestandsimmanente Beschränkung auf den Schutz inländischer Rechtsgüter752) ganz oder teilweise wieder aufzuheben.753 Denkbar ist schließlich, dass ein Auslandsbezug einen Verzicht auf die Voraussetzungen der §§ 3 – 7 statuiert, die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter also auch für den Fall einer durch einen Ausländer begangenen Auslandstat anordnet. Dabei ist in völkerrechtlicher Hinsicht allerdings zu beachten, dass eine solche Anordnung stets nur legitim wäre, wenn sie sich auf das Weltrechtsprinzip stützen ließe.754 Vereinzelt gibt es auch Fälle, in denen der Gesetzgeber die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter in den Schutzbereich eines deutschen Straftatbestandes explizit angeordnet hat, obgleich nach der hier entwickelten These eine Erstreckung auf den Schutz ausländischer Rechtsgüter ohnehin anzunehmen wäre. Etwa im Fall des § 299 Abs. 3 ist diese Regelung allerdings ausschließlich einem besonderen Klarstellungsinteresse des Gesetzgebers geschuldet, so dass ihr lediglich deklaratorische Bedeutung zugemessen werden kann.755 Aus vereinzelten Fällen expliziter Schutzbereichsregeln lässt sich daher nicht der Schluss ziehen, von einer Schutzbereichserstreckung könne bei neutralem Wortlaut nicht ausgegangen werden. „Auslandsbezüge“ mit anderen Funktionen erlauben diesen Schluss erst recht nicht.756 An dieser Stelle konnte als Zwischenergebnis Folgendes festgehalten werden: Innerhalb des Systems des Strafanwendungsrechts kann der „Schutzbereichsfrage“ allein die Funktion zukommen, die von den §§ 3 – 7 angeordnete und teilweise als zu weit gehend empfundene Erstreckung des deutschen Strafrechts auf ausländische Rechtsgüter (bei Auslandstaten von Deutschen und Inlandstaten) einzuschränken. Damit der in den §§ 3 – 7 zum Ausdruck gekommene gesetzgeberische Wille nicht untergraben wird, darf die Schutzbereichsdeutung allerdings nur dann zu 750 751 752 753 754 755 756

Vgl. C. 3. c). Vgl. C. 3. c) bb). Vgl. zu solchen tatbestandsimmanenten Beschränkungen umfassend D. I. Vgl. die Beispiele unter C. I. 3. c) cc). Vgl. die Erwägungen unter C. I. 3. c) dd) (letzter Absatz) sowie ee). Vgl. C. I. 3. c) dd). Vgl. C. I. 3. c) ee).

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einem abweichenden Ergebnis – kein Schutz ausländischer Rechtsgüter – gelangen, wenn sich den betreffenden Tatbeständen zweifelsfrei eine Beschränkung entnehmen lässt.757 Im dritten Teil der Arbeit wurde untersucht, in welchen Fällen Tatbestände eine Beschränkung auf den Schutz inländischer Rechtsgüter enthalten und damit ausnahmsweise die Beeinträchtigung ausländischer Rechtsgüter nicht tatbestandsmäßig, der deutsche Straftatbestand also nicht anwendbar ist. Ohne Weiteres ist dies anzunehmen, wenn sich die Beschränkung auf den Schutz inländischer Rechtsgüter schon aus dem Wortlaut einer Norm oder aus der Legaldefinition einzelner Tatbestandsmerkmale ergibt. Insbesondere im Bereich der staatliche Rechtsgüter schützenden Strafnormen ist das recht häufig der Fall.758 Der Ausschluss ausländischer Rechtsgüter aus dem Schutzbereich eines deutschen Tatbestandes kann sich darüber hinaus unter Umständen aus seiner akzessorischen, auf außerstrafrechtliche Normen verweisenden Struktur ergeben.759 In Fällen mit Auslandsbezug stellt sich für solche Tatbestände nämlich generell die Frage, inwiefern gleichwohl die deutschen außerstrafrechtlichen Normen zur Ausfüllung der betreffenden Tatbestandsmerkmale herangezogen werden dürfen und inwiefern die Heranziehung der entsprechenden ausländischen außerstrafrechtlichen Normen erlaubt oder sogar geboten ist; das Problem wird herkömmlich als Problem der „Fremdrechtsanwendung“ im Strafrecht behandelt.760 Dabei ist die Arbeit – ohne dass eine abschließende Auseinandersetzung mit dem Problem stattfinden konnte – zu dem Ergebnis gelangt, dass insofern zwischen den verschiedenen Arten verweisender Tatbestandsmerkmale 761 zu differenzieren ist: Werden außerstrafrechtliche Rechtsnormen durch normative Tatbestandsmerkmale in Bezug genommen, muss die Entscheidung, welcher Rechtsordnung die konkretisierenden Normen zu entnehmen sind, in der Regel dem (deutschen) einschlägigen Kollisionsrecht (also dem IPR oder den Grundsätzen des Internationalen Öffentlichen Rechts) überlassen sein. Das wird bei Auslandstaten im Ergebnis häufig auf die Heranziehung fremdstaatlicher (außerstrafrechtlicher) Normen hinauslaufen. Angesichts der grundsätzlichen Entscheidung des deutschen Gesetzgebers zugunsten des Schutzes auch ausländischer Rechtsgüter ist dies zur Vermeidung von Schutzlücken auch sinnvoll, weil der Verweis normativer Tatbestandsmerkmale auf außerstrafrechtliche Normen häufig gerade dazu dient, die interpretatorische Herstellung des geschützten Rechtsgutes zu ermöglichen. Eine Grenze findet die Berücksichtigung ausländischer außerstrafrechtlicher Normen – und daVgl. C. I. 4. und II. 1. Vgl. D. I. 1. 759 Dazu umfassend D. I. 2. 760 Vgl. zur Problematik der Fremdrechtsanwendung allgemein sowie ihrem Verhältnis zur Schutzbereichsproblematik D. I. 2. a), b) und c); zu den dazu vertretenen Lösungsansätzen d) aa), bb) und cc). 761 Zu den verschiedenen Arten verweisender Tatbestandsmerkmale D. I. 2. d) cc) (2). 757 758

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mit einhergehend der Schutz ausländischer Interessen – allerdings, wenn die Anwendung des ausländischen Rechts dazu führen würde, dass Interessen geschützt werden, deren Schutz der Tatbestand gar nicht bezweckt. Für die Einstufung eines Interesses als „Rechtsgut“ muss insofern die deutsche Rechtsordnung maßgeblich bleiben. Außerdem können die Grundsätze des „ordre public“ eine Fremdrechtsanwendung verbieten, wenn ein inhaltlich mit dem Schutzgut der Norm übereinstimmendes Rechtsgut zwar besteht, seine Existenz – etwa aufgrund eines gegen unsere Verfassungswerte verstoßenden Entstehungstatbestandes – aber für das deutsche Strafrecht inakzeptabel ist.762 Die Heranziehung fremdstaatlicher Normen führt nicht stets zu einem gegenüber der Anwendbarkeit der deutschen Rechtsordnung erweiterten Schutz. Vielmehr kann gerade die Fremdrechtsanwendung dazu führen, dass weniger Sachverhalte unter das Verbot der Strafnorm fallen, als es bei der Heranziehung inländischer Bezugsnormen der Fall wäre. Sie kann sogar dazu führen, dass ein Interesse, dass von der deutschen Rechtsordnung als „Rechtsgut“ eingestuft wird, nicht geschützt wird. Insofern ist der sachnäheren ausländischen Rechtsordnung gegenüber der deutschen der Vorrang einzuräumen. Ganz anders ist die Frage der „Fremdrechtsanwendung“ zu beurteilen, wenn es sich bei dem verweisenden Tatbestandsmerkmal um ein Blankettmerkmal handelt. Die Heranziehung ausländischer Normen ist zur Ausfüllung eines Blankettstrafgesetzes schon aus verfassungsrechtlichen Gründen ausgeschlossen, zudem würde sie zu einer „Vervielfältigung“ des Normappells führen. Die Ausgestaltung der Verhaltensnorm muss aber dem deutschen Gesetzgeber überlassen bleiben.763 Die Blanketttechnik hat sich insofern als ein Mittel des Gesetzgebers erwiesen, von bestimmten Vorgaben der §§ 3 – 7 durch Formulierung engerer Voraussetzungen für einzelne Tatbestände abzuweichen. Häufig führt sie zu einer Unanwendbarkeit des betreffenden Tatbestandes auf Auslandssachverhalte. Sind die von der Norm geschützten Rechtsgüter „räumlich gebunden“, geht damit eine Beschränkung auf den Schutz inländischer Rechtsgüter einher.764 Der so genannte Bereich der „indirekten Akzessorietät“ – namentlich die Bestimmung der Garantenpflicht im Rahmen der Unterlassungsdelikte und die Konkretisierung der objektiven Sorgfaltspflicht im Fahrlässigkeitsbereich durch außerstrafrechtliche Normen – konnte nur gestreift werden.765 In der Tendenz wurde auch hier die Anwendung der „Kollisionslösung“ befürwortet, die – je nach der Regelung, die das einschlägige Kollisionsrecht trifft – zur Heranziehung der inländischen, aber auch der ausländischen Konkretisierungsnormen führen kann. Schließlich ist – ebenfalls nur in Grundzügen – noch erörtert worden, ob die im Bereich der Auslandsdelikte vorzugswürdige Kollisionslösung auch auf den Be762 763 764 765

Vgl. D. I. 2. d) cc) (4). Vgl. D. I. 2. d) cc) (3). Vgl. D. I. 2. e). Vgl. D. I. 2. d) cc) (4) (c).

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reich des Inlandsdistanzdelikts übertragbar ist, ob also bei Erfolgseintritt im Ausland für die Konkretisierung normativer Tatbestandsmerkmale sowie die Frage des Bestehens einer Garantenpflicht und die Konkretisierung des Sorgfaltsmaßstabs die ausländische Rechtsordnung maßgeblich sein sollte.766 Misst man dem Erfolgsunwert neben dem Handlungsunrecht eine gesteigerte Bedeutung zu, bietet es sich an, auch beim Inlandsdistanzdelikt jedenfalls für die Konkretisierung normativer Tatbestandsmerkmale über die Kollisionslösung dem ausländischen Erfolgsortrecht zu einer breiten Anwendung zu verhelfen. Nach diesen Feststellungen blieb die Frage zu untersuchen, ob es „materielle“ Gründe dafür gibt, einen Ausschluss ausländischer Allgemeinrechtsgüter aus deutschen Tatbeständen auch bei „neutraler“ Formulierung von Tatbeständen anzunehmen, wenn sich also die Beschränkung auf den Schutz inländischer Rechtsgüter weder aus dem Wortlaut einer Norm ergibt noch sich auf ihre Blankettstruktur zurückführen lässt. Die für eine solche Beschränkung vielfach angeführten Gründe wurden auf ihre Nachvollziehbarkeit überprüft, sofern ihnen nicht bereits im Laufe der Untersuchung entgegengetreten wurde. Was die Formel der Rechtsprechung betrifft, das deutsche Strafrecht sei als „innerstaatliches Ordnungsrecht“ in erster Linie auf den Schutz inländischer Interessen beschränkt, wurde insbesondere angezweifelt, dass der Ermessensspielraum des Gesetzgebers tatsächlich so begrenzt ist.767 Ebenfalls auf den begrenzten Spielraum des Gesetzgebers zielt das Argument, der Bestand ausländischer Allgemeininteressen sei nicht von unverzichtbarem Wert für unsere Gesellschaft und die betreffenden Interessen seien daher keine „Rechtsgüter“, so dass sie als Schutzgegenstand deutscher Strafrechtsnormen nicht in Betracht kämen. Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass dem Gesetzgeber bei der Beurteilung, ob ein Interesse eine für unsere Gesellschaft wichtige Funktionseinheit darstellt, ein weiter Beurteilungsspielraum eingeräumt wird. Die Bezeichnung der Ausnutzung dieses Spielraums auch zugunsten „ausländischer“ Rechtsgüter als willkürlich erscheint insbesondere in Anbetracht der zunehmenden Globalisierung und Herausbildung „übernationaler“ Rechtsgüter zweifelhaft.768 Gegen die These, ausländische Allgemeininteressen könnten generell keine mit den Mitteln des deutschen Strafrechts zu schützenden „Rechtsgüter“ darstellen, spricht außerdem, dass dem Gesetzgeber die explizite Einbeziehung ausländischer – sogar hoheitlicher – Interessen einhellig ohne Bedenken zugestanden wird.769 Was die Unsicherheit bezüglich der Vergleichbarkeit bestimmter ausländischer Einrichtungen mit deutschen angeht, kann immerhin darauf verwiesen werden, dass es dem Gesetzgeber grundsätzlich freisteht, ausländische (Allgemein-)Rechtsgüter aus dem Schutzbereich deutscher Tatbestände durch entsprechende Formulierungen auszunehmen und er in vielen Fällen von dieser Möglichkeit auch Ge766 767 768 769

Vgl. D. I. 2. d) cc) (4) (d). Vgl. D. II. 2. a). Vgl. D. II. 2. c) und ausführlich 3. a). Vgl. D. II. 2. c) (letzter Absatz).

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brauch gemacht hat.770 Auch die Bedenken, die teilweise dahingehend geäußert werden, eine Entscheidung über die Schutzwürdigkeit von Einrichtungen eines fremden Staates dem Richter zu überlassen, konnten ausgeräumt werden.771 Im Ergebnis konnte keines der gegen die Einbeziehung ausländischer überindividueller Rechtsgüter in den Schutzbereich deutscher Straftatbestände üblicherweise vorgebrachten Argumente überzeugen. Teleologische Erwägungen konnten das durch die systematische Auslegung des Gesetzes – namentlich die Berücksichtigung der allgemeinen Regeln der §§ 3 – 7 – gewonnene Ergebnis also nicht entkräften. Im Gegenteil haben weitere Erwägungen die Einbeziehung ausländischer (auch Allgemein-)Rechtsgüter in den Schutzbereich des deutschen Strafrechts als zweckmäßig erscheinen lassen und konnten die bis dahin eher formal begründete These bekräftigen. Zugunsten der Einbeziehung ausländischer Kollektivrechtsgüter insbesondere im Bereich des Wirtschaftslebens sind dafür die in diesem Bereich in besonderem Maße zunehmenden internationalen Verflechtungen in den Blick zu nehmen. Sie führen dazu, dass Beeinträchtigungen solcher Güter nicht mehr auf nationale Bereiche beschränkt sind, sondern sich über Staatsgrenzen hinaus negativ auswirken können. In vielen Bereichen wird man sogar bereits von der Existenz „übernationaler“ Rechtsgüter ausgehen können. Die Befugnis, solchen (potentiell) übernationalen Rechtsgütern den Schutz des deutschen Strafrechts zukommen zu lassen, kann dem Gesetzgeber nicht abgesprochen werden.772 Nach der hier entwickelten These hat er sie durch die Formulierung der §§ 3 – 7 bereits ausgeübt. Für ausländische Hoheitsinteressen gilt diese Erwägung nicht in demselben Maße, da sie meist auf den jeweiligen nationalen Bereich beschränkt sein werden. Eine Ausnahme gilt dabei für die Einrichtungen supranationaler Organisationen, denen die Bundesrepublik angehört.773 Zugunsten der Einbeziehung ausländischer staatlicher Rechtsgüter in den Schutzbereich deutscher Straftatbestände lässt sich insofern nur anführen, dass der Gesetzgeber in einigen Fällen tatbestandsimmanente Beschränkungen auf den Schutz inländischer Rechtsgüter gerade aufgehoben hat774 – ein Indiz dafür, dass auch die Aufgabe und Funktion der innerstaatlichen Strafgewalt „im Zeichen der Internationalisierung von Verbrechen und ihrer Bekämpfung [ . . . ] Veränderungen unterliegen“.775 Vgl. D. II. 2. d) (erster Absatz). Vgl. D. II. 2. d) (letzter Absatz). 772 Vgl. D. II. 3. a). 773 Beispielsweise die Einbeziehung hoheitlicher Interessen der EG in den Schutzbereich deutscher Straftatbestände liegt daher schon deshalb nahe, weil das Funktionieren der entsprechenden Einrichtungen auch Rückwirkungen auf die Mitgliedstaaten hat. Für eine Schutzbereichserstreckung bedarf es hier – sofern Inlandstaten oder Auslandstaten eines Deutschen in Rede stehen – keiner expliziten Regelung oder eines Rückgriffs auf das Instrument der „gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung“, weil auch der Schutz supranationaler Rechtsgüter sich insofern auf die §§ 3 – 7 stützen lässt. 774 Vgl. D. II. 3. a) (letzter Absatz). 770 771

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Schließlich lässt sich die Zweckmäßigkeit einer Einbeziehung (auch überindividueller) ausländischer Rechtsgüter, sofern sie im Inland oder durch einen Deutschen beeinträchtigt werden, auch durch generalpräventive Erwägungen abstützen. Taten mit einem so gearteten territorialen bzw. personalen Bezug zur Bundesrepublik dürften generell geeignet sein, das Rechtsbewusstsein der Bevölkerung zu erschüttern.776 Zweifelhaft erscheint das für Fälle von Auslandstaten und Inlandsdistanzdelikten (mit Erfolgseintritt im Ausland), in denen die Tat am Tat- bzw. Erfolgsort nicht unter Strafe gestellt ist. Für Auslandstaten ergibt sich daraus kein Problem, weil § 7 ohnehin eine Strafbarkeit am Tatort fordert. Allerdings ist in diesem Zusammenhang die Befassung mit der Frage notwendig geworden, ob auch für Inlandsdistanzdelikte das Vorliegen einer „identischen Norm“ zur Voraussetzung der Strafbarkeit gemacht werden sollte.777 Im Ergebnis wurde sie verneint. Im Hinblick auf den Strafzweck der Generalprävention kommt es maßgeblich auf den inländischen Handlungsort an, wenn die Tat gegen Interessen gerichtet ist, welche die deutsche Rechtsordnung als Rechtsgüter qualifiziert. Auch würde die Einführung eines Erfordernisses der Erfolgsortstrafbarkeit zu weit gehen, weil davon unterschiedslos Allgemein- und Individualrechtsgüter, aus- und inländische Rechtsgüter erfasst würden. Mit dem Gedanken der Solidarität mit den durch eine Inlandshandlung betroffenen Opfern und dem Aspekt des Selbstschutzes des Staates wäre dies nicht vereinbar. Die geltende Regelung lässt sich daher auch insofern rechtfertigen, als sie auf Kosten der zwischenstaatlichen Solidarität geht.778 Wünschenswert wäre allerdings eine Erweiterung des § 153c StPO dahingehend, dass auch bei Inlandsdistanzdelikten im Einzelfall ein Absehen von der Strafverfolgung möglich ist. Für die Distanzteilnahme ist die – bestehende – prozessuale Lösung dagegen nicht ausreichend. Die Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 ist vielmehr aus strafrechtsdogmatischen Gründen dringend änderungsbedürftig.779

775 Möhrenschlager, Internationalisierung des materiellen Strafrechts, in: Beiträge zum X. Kongress der Vereinten Nationen in Wien, Österreich, vom 10. bis 17. April 2000, S. 26. 776 Vgl. D. II. 3. b) aa). 777 Vgl. D. II. 3. b) bb) und cc). 778 Vgl. D. II. 3. b) bb) (4). 779 Vgl. D. II. 3. b) bb) (5).

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Sachwortverzeichnis Abfallbeseitigung 92 ff., 96 f., 121 Abstraktionsprinzip 136 Akzessorietät, indirekte 143 ff. Akzessorietätsprinzip 83 f., 180 Allgemeinrechtsgut s. Rechtsgut, überindividuelles Amtsanmaßung 142 Amtsträger 28, 30, 90, 113 Analogie 33, 40 f., 159, 161 Angestelltenbestechung s. Bestechung im geschäftlichen Verkehr Anknüpfungspunkt 62, 71 ff., 75, 78, 110 Ausfüllungsnorm 115 f., 120, 123 Auslandsdistanzdelikt 172 f. Auslandstat 70 ff., 85 f., 107 Auslegung – gemeinschaftskonforme 166 – grammatikalische 44 – systematische 44, 158 – teleologische 44, 108, 165 Auslieferungsverbot 61 Ausschlussprinzip 15,18 Außenwirtschaftsgesetz 110 Bedingung der Strafbarkeit, objektive s. Strafbarkeitsbedingung, objektive Begehungsort 148 Bestechlichkeit 30, 90 Bestechung 30, 90 – im geschäftlichen Verkehr 16, 87, 101, 137, 166 f., 183 Bestimmtheitsgrundsatz 32 f., 40, 133, 159 Bestimmungsnorm s. Verhaltensnorm Betrug 125, 137, 140 Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers 160, 174 Beweislastumkehr 86 Bewertungsanspruch 155 – beschränkter 49, 85 f., 128 – universeller 48, 76 ff., 85 f., 127 ff.

Bildung krimineller Vereinigungen 29, 182 Bildung terroristischer Vereinigungen 29, 182 Blankettmerkmal 130 ff., 141 Blankettstrafgesetz 118 Distanzteilnahme 84, 146 f., 180 Doppelbestrafung, Verbot der 184 EG-Ne-bis-in-idem-Übereinkommen 184 Eingriffsnorm 109 Einmischungsverbot, völkerrechtliches s. Nichteinmischungsgrundsatz, völkerrechtlicher Einschlussprinzip 15, 18 Erfolgsortstrafbarkeit 163, 171, 176 Erfolgsunrecht 150 Ermessensspielraum des Gesetzgebers s. Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers EUBestG 30, 90, 161 f. Extension 133 Fahrlässigkeit 143 Fahrlässigkeitsdelikt 143 Fiskalinteressen, ausländische 28 f. Fremdenrecht, völkerrechtliches 24 Fremdrechtsanwendung 96, 116 ff., 154 Garantenpflicht 143 Gefangenenbefreiung 29, 182 Geld- und Wertzeichenfälschung 87, 93 Geltungsanspruch s. Bewertungsanspruch Geltungsbereichsverordnung 127 Gemeinschaftstreue, Grundsatz der 165 Generalprävention 26, 169, 174, 181 genuine link 156, 170, 176, 183 Gewässerverunreinigung 94, 183 Haftbefehl, europäischer 61 Handlungsunrecht 150 Hauptfrage 120, 143

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Sachwortverzeichnis

Individualrechtsgut 22, 27, 34, 40, 71, 122, 157, 167, 171, 178 Inkongruenz 117, 149, 172 f. Inländergleichbehandlung, Prinzip der 25, 71 Inlandsdistanzdelikt 146 f., 163, 171 Inlandstat 70 ff., 107 Insiderhandel 87, 97, 153 Insolvenzverschleppung 115 IntBestG 30, 90, 161 f., 168 Intension 133 Internationales Privatrecht 109, 117 f., 140 Internationales Strafrecht, Prinzipien des 40, 44 f., 60 ff. Interventionsverbot, völkerrechtliches 80 Inzidentfrage 117, 120, 140, 143 IPR s. Internationales Privatrecht IRG 69 f.

Öffentliches Recht, Internationales 117 f., 119 Opportunitätsprinzip 180, 184 Optimierungsgebot, völkerrechtliches 74 Ordnungsrecht, innerstaatliches 31, 37, 157 ordre public 142, 152, 162, 177 – internationaler 177

Jurisdiktionskonflikt 183

Realprinzip s. Staatsschutzprinzip Rechtfertigungsgrund, ausländischer 143 Rechtsanwendungsrecht 56 Rechtsbeugung 113 Rechtsgut – ausländisches 13, 23, 70 ff., 86, 93, 96, 98, 108, 122, 136, 142, 151, 157, 178 f. – hoheitliches s. staatliches – inländisches 14, 22, 86, 98, 107, 178 f. – internationales s. übernationales – kollektives s. Kollektivrechtsgut – staatliches 21, 27, 168 – überindividuelles 20 f. – übernationales 21, 93, 167 Rechtsgutsbegriff 43, 159 f. Rechtsgutsblindheit 45 Rechtsmissbrauchsverbot 74 Rechtspflege 29 Reduktion, teleologische 162, 177 Rom-II-Verordnung 149 Rückwirkungsverbot 79, 85

Kollektivrechtsgut 20, 33, 40, 87, 94, 122, 163, 168, 178 f., 182 Kollisionslösung 117 f., 124, 143 f., 147 Kollisionsnorm – allseitige 119 – einseitige 119 Kollisionsrecht 56, 140, 147 Kongruenz 117, 175 Körperverletzung, fahrlässige 144 f. Korruption s. Bestechung Kreditbetrug 17, 35, 182 Kriegswaffenkontrollgesetz 110 Kulturgut, allgemeines 38 f. Lotus-Entscheidung 73, 156, 170 Loyalitätspflicht, europarechtliche s. Gemeinschaftstreue, Grundsatz der Meineid 35, 138, 139, 182 Menschenrechte 24 Minimumstandard 25, 71 Neubürgerklausel 69, 82 Nichteinmischungsgrundsatz, völkerrechtlicher 81 ff., 158, 163, 183 Norm – primäre s. Verhaltensnorm – sekundäre s. Sanktionsnorm

Parlamentsvorbehalt 134 Personalitätsprinzip – aktives 60, 69 f. – beschränktes 60 – passives 62 – uneingeschränktes 110, 127 Privatrecht, Internationales s. Internationales Privatrecht Prozesshindernis 75, 80, 155

Sachnorm, selbstbegrenzte 56, 161 Sanktionsnorm 47, 80 Schengener Durchführungsübereinkommen 184 Schutzbereichserweiterung 87 Schutzbereichsfrage 13, 19, 26, 46, 66, 78 f., 102, 105, 108, 115, 122, 126 Schutzprinzip 61

Sachwortverzeichnis Schutzreflex 27 Siemens-Prozess 102 Solidarität 164, 175, 179 Sonderanknüpfung 140 Souveränität, staatliche 28, 31 f., 119 Staatseinrichtungen, ausländische 28, 31 Staatsschutzdelikte 28, 112 f. Staatsschutzprinzip 62 Steuerhinterziehung 29 f., 87, 89, 113 Strafbarkeitsbedingung, objektive 48, 51 Strafgewalt, extraterritoriale 74 Strafrechtsbegriff, materieller 117 f., 147 Strafrechtspflege, stellvertretende 60 f., 69, 127 f. Strafvereitelung 29 Strafzumessung 184 Straßenverkehrsstrafrecht 37, 39, 118 f. Submissionsbetrug 182 Subventionsbetrug 30, 92 Tatbestandsirrtum 52 Tatbestandsmerkmal – normatives 130 ff., 141 – rechtsgutbeeinträchtigendes 121, 125 – rechtsgutkonkretisierendes 125 Tatbestandsspaltung 85, 155 Tatortstrafbarkeit, Prinzip der 60, 67 f., 82, 140, 162 f., 172, 176 Territorialitätsprinzip 60 – im Internationalen Öffentlichen Recht 119 – im Urheberrecht 153 Ubiquitätsprinzip 60 – im Internationalen Deliktsrecht 148 UKG, Zweites 92 Umkehrschluss 63 f. Umweltstrafrecht 92, 154

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Universalitätsprinzip s. Weltrechtsprinzip Universalrechtsgut s. Rechtsgut, überindividuelles Unterhaltspflichtverletzung 15, 35, 169 Unterlassungsdelikt 143, 169 Unterschlagung 125, 136, 139 Urheberstrafrecht 119, 153 Urkundenfälschung 35, 38, 114, 183 Verbotsirrtum 52 Verbotsnorm s. Verhaltensnorm Verfahrenshindernis s. Prozesshindernis Verfassungsrecht 26 Verfassungswidrigkeit 43, 82 Verhaltensnorm 47, 80 f., 83, 133 Vermögensinteressen der EU 30 Versicherungsmissbrauch 17, 182 Verwaltungsakzessorietät 95, 112, 114 Verwaltungsrecht, Internationales s. Öffentliches Recht, Internationales Verweisung – dynamische 134 – statische 134 Viertes Strafrechtsänderungsgesetz 30 Völkergewohnheitsrecht 24, 26 Völkerstrafgesetzbuch 111 Vorfrage s. Inzidentfrage Vortäuschen einer Straftat 29 Weltrechtsprinzip 61 ff., 66, 101, 105, 111 Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte 113 Willkürverbot 74 Wirtschaftsstrafrecht 16, 23 Wirtschaftsverkehr, internationaler 166 Wortlaut 44, 158 Zivilrechtsakzessorietät 114, 119