Der Raum der Produktion: Wirtschaftliche Cluster in der Volkswirtschaftslehre des 19. Jahrhunderts [1 ed.] 9783428518715, 9783428118717

Der Erfolg aller Industrienationen im 19. Jahrhundert war mit dem Erfolg regional konzentrierter Branchen verbunden. Die

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Der Raum der Produktion: Wirtschaftliche Cluster in der Volkswirtschaftslehre des 19. Jahrhunderts [1 ed.]
 9783428518715, 9783428118717

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Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Band 81

Der Raum der Produktion Wirtschaftliche Cluster in der Volkswirtschaftslehre des 19. Jahrhunderts

Von Christoph Scheuplein

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

CHRISTOPH SCHEUPLEIN

Der Raum der Produktion

Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte In Verbindung mit Rainer Fremdling, Carl-Ludwig Holtfrerich, Hartmut Kaelble und Herbert Matis herausgegeben von Wolfram Fischer

Band 81

Der Raum der Produktion Wirtschaftliche Cluster in der Volkswirtschaftslehre des 19. Jahrhunderts

Von Christoph Scheuplein

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Kulturwissenschaftliche Fakultät der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0588 ISBN 3-428-11871-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Danksagung Diese Arbeit konnte an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt / Oder von einem ganzen Cluster an Unterstützung und Zuspruch profitieren. Prof. Stefan Krätke (Viadrina) hat diese Arbeit intensiv betreut und mir zugleich Raum für eigene Wege gelassen. Kritische Fragen, Ermutigung oder Hinweise in verschiedenen Phasen erreichten mich von Prof. Gangolf Hübinger, Dr. Uwe Müller, Prof. Helga Schultz und Rolf Stein, ebenso von Prof. Jeff Boggs (Brock-University), Dr. Georg Dybe (Wirtschaftsministerium Brandenburg), Dr. Susanne Heeg (Universität Hamburg) und Prof. Britta Klagge (Universität Osnabrück). Prof. Jürgen Oßenbrügge (Universität Hamburg) hat das Projekt mit seinem gutachterlichen Rat begleitet. Oliver Rölker hat die Endkorrektur übernommen, Bärbel Ziegerick hat mir zahlreiche organisatorische Hilfestellungen gegeben. Ein besonderer Dank geht an Stefani Sonntag. Die Hans-Böckler-Stiftung unterstützte das Promotionsprojekt zu Beginn mit einem Stipendium und zum Abschluß mit einem großzügigen Druckkostenzuschuß. Das Zentrum für Doktoranden- und Postdoktorandenstudien an der Europa-Universität ermöglichte mir Aufenthalte in der British Library, der Goldsmith’s Library of Economic Literature an der University of London, der Marshall Library of Economics an der University of Cambridge und in der John Rylands University Library of Manchester. Dank für ihre Gastfreundschaft geht an Jennifer Lackey und Jeff Boggs sowie an Asia und John Booth. Herzlich bedanke ich mich bei Friederike Nehring. Berlin, im Mai 2005

Christoph Scheuplein

Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Einleitung: Auf der Suche nach dem verlorenen Raum

13

1. Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

2. Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

3. Vorläufige Thesen und Zielstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

4. Eingrenzung des Themas, Methoden und Aufbau der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . .

24

Kapitel 2 Freiheit der Standortwahl und Raumbindung

29

1. Die offene Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

2. Die Geographie der Industriellen Revolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

3. Raumdifferenzierung wahrnehmen: Reisen, Vergleichen, Zählen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

a) Wirtschaftswachstum und Arbeitsteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

b) Stadt und Land . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

c) Nationale Wettbewerbsvorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

4. Schlußfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

Kapitel 3 Stagnation und räumliche Homogenität

43

1. Ricardo und die Wollindustrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

2. Das räumliche Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

a) Globale Einheit und Differenzierung: von David Hume zu Robert Torrens . . . . . .

47

b) Nationale Homogenität vs. globale Heterogenität: David Ricardo . . . . . . . . . . . . . . .

50

c) Testfall London-Spitalsfield . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

3. Schlußfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

8

Inhaltsverzeichnis Kapitel 4 Disproportionen und Disparitäten

58

1. „A Home Tour through the Manufacturing Districts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

2. Die Perspektive der Technik: Charles Babbage und Andrew Ure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

3. Die Perspektive der Peripherie: die US-amerikanische Erfahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

4. Die vielfache Relativierung des räumlichen Gleichgewichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

a) Die unternehmerische Standortwahl: Jean-Baptiste Say . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

b) Statistik und Geographie: J. Ramsay McCulloch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

c) Gesellschaftlicher Fortschritt in Zeit und Raum: John S. Mill . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

5. Schlußfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

Kapitel 5 Territorialisierung als Strategie: die Deutsche Historische Schule

79

1. „Der alles monopolisierende Insulaner“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

2. Nationenbildung und Wirtschaftstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

Exkurs: Der disziplinäre Einfluß der Geographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

3. Raumwirtschaft als Forschungsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

a) Nationales Produktionssystem und Standortmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

b) Wilhelm Roscher und das regionale Produktionssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

4. Schlußfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

Kapitel 6 Die Geographie der Arbeit

96

1. „Cottonopolis“ und die „europäische Arbeiterkarte“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

2. Die Orte der Wissensträger: Thomas Hodgskin und Thomas Edmonds . . . . . . . . . . . . . .

97

3. Der variable Raum: Karl Marx und Friedrich Engels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

a) Kapitalismus als soziales System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

b) Das Regime der Differenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 c) Die gesellschaftliche Kombination der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 4. Schlußfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

Inhaltsverzeichnis

9

Kapitel 7 Differenzierung und Integration

113

1. Die Evolution des Evolutionsdenkens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 2. Raumorientierungen in der Menschheitsgeschichte: Herbert Spencer . . . . . . . . . . . . . . . . 116 3. Der Faktor Organisation: William E. Hearn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 4. Vom Historismus zum Sozial-Evolutionismus: Albert E. F. Schäffle . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 5. Spezialisierung als Effizienzmaßstab? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 6. Schlußfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Kapitel 8 Spätklassik – Phänomenologie der Ungleichmäßigkeit

135

1. „Waves, Pulses, and Cycles“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 2. Die Kontinuität des räumlichen Wandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 3. Die regionale Lohndifferenzierung: William Thornton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 4. Wachstum und Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 a) Das Gesetz des Fortschritts: Henry George . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 b) Die Ertragsgesetze: Henry Sidgwick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 5. Schlußfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 Kapitel 9 Soziale Evolution, räumliche Dynamik: Alfred Marshall

148

1. Auf der Suche nach „Industrial Leadership“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 2. Die Entwicklung der Marshallschen Clustertheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 3. Cluster als Kategorie der Preistheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 a) Steigende Erträge innerhalb einer Wettbewerbsökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 b) Strukturwandel: Vom „factory system“ zum Frühfordismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 4. Die soziale Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 a) Die (Dys-)Funktionalität sozialer Bindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 b) Orte der Innovation: Kreativität und Routine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 5. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

10

Inhaltsverzeichnis

6. Zeitgenössische Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 7. Schlußfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177

Kapitel 10 Märkte und Transport

179

1. Raumüberwindung als Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 2. Standortvorteile versus Transportkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 3. Marktgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

Kapitel 11 Empirische Studien und Wirtschaftsgeschichte

192

1. Empirie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 a) Großbritannien: Ingenieurswissenschaften und Sozialforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 b) Deutschland: Wettbewerb der Betriebssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 2. Wirtschaftsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 a) Historismus, Raum und die Entstehung der britischen Wirtschaftsgeschichte . . . . 201 b) Historisches und Systematisches bei Alfred Marshall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 3. Schlußfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

Kapitel 12 Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

207

1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 2. Steigende Erträge als Schlüsselkategorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 3. Der systemische Charakter: Interaktion und Innovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 4. Selbstregulierung vs. Interventionismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 5. Raumvorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 6. Der wiedergefundene Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218

Inhaltsverzeichnis

11

Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Namenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273

Abkürzungen Zeitschriften AJES CR GG EG EHR EJ FR HPE JbNS JEH JHET JRSS NC SVS ZfdgS

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American Journal of Economics and Sociology The Contemporary Review Geschichte und Gesellschaft Economic Geography Economic History Review The Economic Journal The Fortnightly Review History of Political Economy Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik The Journal of Economic History Journal of the History of Economic Thought Journal of the Royal Statistical Society The Nineteenth Century Schriften des Vereins für Socialpolitik Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft

Werkausgaben CWJSM EWP LSRB McCW MEGA MEW PEDD WCDR

= The Collected Works of John Stuart Mill, hg. von J. M. Robson, Toronto = The Economic Writings of Sir William Petty, hg. von Charles Henry Hull, Cambridge = Friedrich List: Schriften, Reden, Briefe, I – XII, hg. von E. v. Beckerath u. a., Berlin = The Collected Works of J. R. McCulloch, hg. von D. P. O’Brien, London = K. Marx, F. Engels: Gesamtausgabe, Berlin = K. Marx, F. Engels: Werke, Berlin = Political and Economic Writings of Daniel Defoe, hg. von W. R. Owens und P. N. Furbank, London = The Works and Correspondence of David Ricardo, hg. von Piero Sraffa, Cambridge

Kapitel 1

Einleitung: Auf der Suche nach dem verlorenen Raum 1. Gegenstand In Rathenow, einer Kleinstadt fünfzig Kilometer westlich von Berlin, tüftelte der Pfarrer Johann H. A. Duncker an der Wende zum 19. Jahrhundert an optischen Linsen1. Unzufrieden mit dem bisherigen Verfahren, Linsen je nach Bedarf probeweise zurecht zu schleifen, bis man mit der optischen Leistung zufrieden war, erfand er einen mechanischen Apparat, die ,Vielschleifmaschine‘. Ausgestattet mit einem Patent eröffnete er 1801 in Rathenow ein Unternehmen. Die industrielle Massenfertigung in der Augen- und Geräteoptik und der Aufstieg der ,Optischen Industrie-Anstalt‘ zu einem Weltunternehmen hatten begonnen. 1851 hatte die Anstalt bereits 130 Mitarbeiter und verfügte über ein weitverzweigtes Vertriebssystem. Um die Produktion zu steigern, wurden einige Arbeitsschritte an selbständige Heimarbeiter vergeben. Aus dieser Hausindustrie gingen zahlreiche Neugründungen hervor. Um 1880 waren 100 Unternehmen am Standort versammelt, die in allen Zweigen der optischen Fabrikation tätig waren: Brillen, augenoptische Geräte, Mikroskope, Fernrohre, Fotoobjekte und Geräte der Meßtechnik und Filmwiedergabe wurden hergestellt. Daneben etablierte sich eine differenzierte Zulieferindustrie, die sich unter anderem auf Präzisionsmaschinen für die optische Industrie spezialisierte. In den 1920er Jahren erlebte die Branche in Rathenow ihre Blüte mit 8.000 Beschäftigten in 220 Unternehmen, die auf vielen Märkten dominierten. Beispielsweise hatten die örtlichen Unternehmen im Segment der Brillengläser in den späten 1930er Jahren fast zwei Drittel Marktanteil im Deutschen Reich. In der DDR-Zeit überlebten Teile der Industrie im Kombinat VEB Carl Zeiss Jena, bis dann nach 1989 das Aus für viele überkommene Produktlinien eintrat. Nach einer harten Übergangsphase sind nun wieder 800 Mitarbeiter in knapp 20 Unternehmen tätig. Die Geschichte Rathenows ist einzigartig und verweist gleichzeitig auf ein verbreitetes Phänomen. Sie zeigt idealtypisch, wie die an einem Ort konzentrierten Unternehmen einer Branche erfolgreich sein können. Das einfache Erfolgsgeheimnis des Phänomens – ich nenne es synonym Cluster, räumliches Produktionssystem oder lokalisierte Branche – ist die Interaktion von Unternehmen, die von ihrer 1

Vgl. zum Folgenden Beleke (2000) und Optik Rathenow (2004).

14

Kap. 1: Einleitung: Auf der Suche nach dem verlorenen Raum

räumlichen Nähe profitieren. Haben sich erst Unternehmen mit wettbewerbsfähigen Technologien und Produkten an einem Standort etabliert, dann entstehen durch kooperative und konkurrenzhafte Beziehungen Kosten- und Qualitätsvorteile, die dauerhaft eine höhere Leistungs- und Innovationskraft erzeugen. Die Kompetenzen werden in einem langen Evolutionspfad erworben und verteidigt, der schließlich – wie in Rathenow – selbst zu einer Ressource der Standortentwicklung werden kann. Auch nach allen Verlusten der vergangenen Jahrzehnte ist die Optik für Rathenow der bedeutendste Industriezweig und ein bevorzugtes Ziel der regionalen Strukturpolitik im Bundesland Brandenburg. Die empirische Verbreitung und Bedeutung von Clustern ist inzwischen gut belegt. In der bislang größten Datensammlung konnten 833 Produktionssysteme in knapp 50 Ländern identifiziert werden, was die universale Verbreitung des Phänomens deutlich macht2. Und es breitet sich weiter aus, da vermehrt der Erfolg von Unternehmen durch räumliche gebundene Faktoren beeinflusst werden kann. Zudem werden die wirtschaftspolitischen Möglichkeiten einer Verstärkung von Cluster-Prozessen inzwischen in zahlreichen Ländern genutzt3. Viele dieser Cluster wurden von Wirtschaftsgeographen, Industriesoziologen, Politikwissenschaftlern und Betriebswirten näher untersucht. Entsprechend etablierte sich in diesen Wissenschaften die Analyse von Clustern als Forschungsfeld. Dabei führte das Phänomen der sektoral-räumlichen Konzentration in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu einer neuen theoretischen Perspektive, die Cluster als Koordinationsform ökonomischer Aktivitäten begreift. Unter ,Cluster‘ soll hier ein Produktions-, Dienstleistungs- und Distributions-Zusammenhang von Unternehmen, die an der Herstellung eines bestimmten Produkts oder einer Dienstleistung beteiligt und innerhalb einer Region angesiedelt sind, verstanden werden. Die Unternehmen sind dabei durch wirtschaftliche Transaktionen sowie durch Kommunikationsbeziehungen miteinander verknüpft, so daß eine Mischung aus Konkurrenz und Kooperationsverhalten entsteht. Dabei sind in fast allen Fällen Akteure des Nicht-Marktsektors beteiligt, z. B. in den Bereichen Bildung, Forschung, Export oder technische Normung. Zudem sind die Akteure meistens durch sozio-kulturelle Werte und Konventionen verbunden, wodurch ein Klima des Vertrauens zwischen den Akteuren ausgebildet wird bzw. die Transaktionskosten minimiert werden. Unternehmen profitieren innerhalb dieses räumlichen Produktionssystems von den Skalen- und Differenzierungseffekten, von der Diffusion von Wissen (knowledge spillover) und der gemeinsamen Bildung und Nutzung von Ressourcen (z. B. Arbeitsqualifikation und spezialisierten Infrastrukturen). Hierdurch können auch Probleme von Unteilbarkeiten (z. B. bei Testeinrich2 Vgl. van der Linde (2002); wichtige empirische Studien präsentierten z. B. Scott (1988), Pyke / Becattini / Sengenberger (1990), M. Porter (1991), Saxenian (1999). Zahlreiche Hinweise auf Cluster-Studien enthalten M. Porter (1998: 284 – 287) und Schamp (2000b). 3 Vgl. allgemein zu wirtschaftspolitischen Aktivitäten: M. Porter (1998), Rehfeld (1999), OECD (1999), Keeble / Wilkinson (2000) und Raines (2002).

1. Gegenstand

15

tungen) überwunden werden. Häufig werden die Produkte eines Cluster unter einem einheitlichen Markennamen vertrieben (,Made in Solingen‘), was auch das Zugehörigkeitsgefühl der Unternehmen zum Standort stärkt. Durch diese Effekte können Cluster Unternehmen aus anderen Regionen anziehen; zugleich bildet sich eine Markteintrittsbarriere gegenüber Unternehmen außerhalb der existierenden Cluster. Diese Eigenschaften von Clustern wurden seit dem Beginn der 1980er Jahre in verschiedenen sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Konzepten dargestellt, so in den Ansätzen des ,innovativen Milieus‘, des ,flexiblen Produktionskomplexes‘ oder des ,Industriellen Distrikts‘4. Bei aller begrifflichen Divergenz kann festgehalten werden, daß in diesen Ansätzen Cluster als Handlungszusammenhang begriffen werden, so daß von einer systemischen Erzeugung von Produktivität in räumlichen Strukturen gesprochen werden kann5. Dieser Paradigmenwechsel profitierte zu einem guten Teil von Anstößen benachbarter Disziplinen, etwa von der Industriesoziologie, der Betriebswirtschaftslehre und der Wirtschaftsgeschichte. Auf wichtigen Forschungsfeldern wurde zudem in den vergangenen Jahren eine interdisziplinäre Zusammenarbeit geleistet, vor allem bei der Frage nach einer soziokulturellen Fundierung von Clustern werden vermehrt sozialwissenschaftliche Ansätze rezepiert6. Soweit es um die Integration von Clustern in die ökonomische Theorie geht, wird seit längerem das auf Alfred Marshall zurückgehende Konzept räumlich begründeter steigender Erträge verwiesen. Nach Marshall entstehen steigende Erträge (increasing returns) unter anderem dann, wenn an einem Standort Wissens-Spillover auftreten, Fühlungsvorteile realisiert werden können und ein spezialisierter Arbeitsmarkt existiert7. Werden diese Vorteile nicht innerhalb eines Unternehmens erzeugt, sondern in einem Verbund räumlich benachbarter Unternehmen, dann handelt es sich um Externalitäten (external economies) aufgrund räumlicher Nähe. Diese raumbezogenen Externalitäten sind in der Wettbewerbs-, Handels- und Wachstumstheorie zu berücksichtigen.

4 Vgl. als frühe Beiträge zu diesen Konzepten: Piore / Sabel (1989), Sabel (1989), Aydalot (1986), Storper / Scott (1989), Camagni (1991), Cooke (1992), Pyke / Becattini / Sengenberger (1990), M. Porter (1991). Vgl. als Überblick zur jüngeren Theorientwicklung Baptista (1998), M. Porter (1998), Sheppard / Barnes (2000), Clark / Feldman / Gertler (2000) und Malmberg / Maskell (2002); siehe zur Entwicklung der Marshall-orientierten Distrikttheorien: Brusco (1990). 5 Becattini (1990: 38), M. Porter (1991: 171; 1998: 198), Maillat (1991: 113), Cooke (1998: 10). 6 Vgl. zur soziokulturellen Fundierung: Hollingsworth / Boyer (1997), Storper / Salais (1997), Cooke / Morgan (1998), Martin (2000). 7 Vgl. zum Wiederaufstieg des Konzepts der ,increasing returns‘ in den Wirtschaftswissenschaften Arthur (1994), Buchanan / Yoon (1994) und Arrow / Ng / Yang (1998). Diese Beiträge machen deutlich, daß der Wiederaufstieg von Anfang an mit raumwirtschaftlichen Problemen verknüpft war.

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Kap. 1: Einleitung: Auf der Suche nach dem verlorenen Raum

Marshalls Erklärungen sind somit hilfreich, um die Gründe und Entwicklungsformen von Clustern zu deuten. Zugleich macht er ein Angebot, um den makroökonomischen Prozeß in seiner räumlichen Dimension zu betrachten. Zwar werden diese Beiträge allgemein als wichtige Anregungen betrachtet, es herrschen aber sehr unterschiedliche Ansichten über ihre heutige Verwendung. Aktuell konkurrieren drei Gruppen von Ansätzen um eine Integration dieses Erklärungsangebots in einen ökonomietheoretischen Kontext. Erstens werden Externalitäten innerhalb von evolutions- und komplexitätstheoretischen Ansätzen aufgegriffen8. Deren raumwirtschaftlich orientierte Modelle haben das Wissen über die Voraussetzungen, Abläufe und Effekte räumlicher Konzentrationen erweitert9. Der zweite Ansatz der ,New Economic Geography‘ bemüht sich Prozesse der räumlichen Konzentration innerhalb der allgemeinen Gleichgewichtstheorie auszudrücken. Dabei werden weniger die Beschreibungen von Raumstrukturierungen, sondern ihre mikroökonomische Fundierung als Verdienst des Ansatzes angesehen10. Drittens schließen die Ansätze der ,Regional Politial Economy‘ an heterodoxe volkswirtschaftliche Theorietraditionen an. In ihnen wird die makroökonomische Entwicklung in seiner zeitlich und räumlich ungleichmäßigen Verlaufsform erfaßt, d. h. Cluster werden als immanente Durchsetzungsform des Innovations- und Akkumulationsprozesses konzeptualisiert11. Über alle Unterschiede hinweg besteht in allen drei Theorievorschlägen eine gemeinsame Distanzierung von den Modellen der traditionellen neoklassischen Raumwirtschaftstheorie, die seit den 1960er Jahren die Wirtschaftsgeographie dominiert hatten. Allen drei Ansätzen fehlt die Akzeptanz für die realitätsferne Faktorenauswahl und die normativen Vorgaben. Entsprechend wird in der Wirtschaftsgeographie heute an Wirtschaftswissenschaftler jenseits dieser Theorietradition angeknüpft. Dabei ist allen Theoriegruppen der Rückgriff auf Alfred Marshall gemeinsam, der eine herausragende Rolle bei der Ausarbeitung der neoklassischen Mikroökonomie spielte, aber für den gleichzeitig die langfristige Entwicklung und Dynamik der Ökonomie zentral war. Es zeigt sich also, daß man die Clusterung als makroökonomisches Phänomen erforschen möchte, ohne sich dessen Komplexität von übermäßig abstrakten Annahmen und statisch bleibenden Begriffen einschränken zu lassen. Alfred Marshall wird in der gegenwärtigen Cluster-Diskussion nicht nur anläßlich der von ihm entwickelten Konzepte der steigenden Erträge und externen Effekte zitiert, sondern auch mit dem Begriff des ,industriellen Distrikts‘, der einen räumlichen Produktionszusammenhang beschreibt. Eine entsprechende theoriegeschichtliche Würdigung ist ihm inzwischen zuteil geworden. Wie aber wurde die Geographie der ProVgl. zum Folgenden: Sheppard (2000). Vgl. Anderson / Arrow / Pines (1988), Andersen (1994) und zu den raumwirtschaftstheoretischen Implikationen: Störmann (1993), Arthur (1994: Kapitel 4), Eaton / Lipsey (1997). 10 Vgl. Krugman (1991, 1995, 1998), Fujita / Krugman / Venables (1999); zur theoriegeschichtlichen Einordnung: Meardon (2002); vgl. zur Kritik des Ansatzes: Martin / Sunley (1996: 271) und Power (2001). 11 Vgl. Storper / Walker (1989), Sheppard / Barnes (1990), Agnew (2000), Hudson (2001). 8 9

2. Forschungsstand

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duktion von Marshalls Vorläufern und zeitgenössischen Kollegen reflektiert? Diese Frage wäre an Weggefährten wie William S. Jevons, Léon Walras oder Carl Menger zu stellen, an klassische Ökonomen wie John S. Mill, an spätklassische Autoren wie John E. Cairnes und Henry Sidgwick, an Karl Marx und an die historistischen Ideengeber wie Wilhelm Roscher. Kurzum, welche Rolle spielten Clusterungsprozesse in der ökonomischen Theorie des 19. Jahrhunderts? Diesem theoriegeschichtlichen Problem werde ich in dieser Untersuchung nachgehen.

2. Forschungsstand Bereits vorliegende Forschungsergebnisse zu einer Theoriegeschichte des Clusters in der volkswirtschaftlichen Literatur können von der volkswirtschaftlichen Dogmengeschichte, von der Teildisziplin der Raumwirtschaftstheorie sowie von der Wirtschaftsgeographie erwartet werden. Im Zentrum einer Theoriegeschichte der Raumwirtschaftstheorie standen bislang die auf Transportkosten orientierten Ansätze. So diskutiert Claude Ponsard in seiner einflußreichen „History of Spatial Economic Theory“ vor allem unterschiedliche Konzeptualisierungen von Transportkosten, während die Theoretisierung räumlich-sektoraler Konzentrationen von Wirtschaftsaktivitäten – genannt werden Andrew Ure, Wilhelm Roscher und Albert Schäffle – aus anderen Gründen eine Episode auf dem Weg zur Alfred Weberschen Industriestandortstheorie blieb. Deren Weiterentwicklung bzw. Reformulierung in neoklassischen Termini bleibt dann der rote Faden der Darstellung. Dies schließt durchaus Bezüge zu Elementen einer nicht-transportgebundenen Lokalisation ein, so in der Diskussion von Webers Agglomerationstheorie, Chamberlins Wettbewerbstheorie und Ohlins Handelstheorie. Ebenso erwähnt Ponsard englische und amerikanische Beiträge der 1930er, die induktiv Standortkonzentrationen von Branchen untersuchen12. Derartige Konzepte zur Lokalisierung von Branchen werden allerdings als ,Faktensammlungen‘ und ,Katalogisierungen‘ angesehen, die den einzigen systematischen Zugang auf diesem Forschungsfeld, eine Zentrierung um den Faktor Transport, behindern. Diese Sichtweise hatten bereits Alfred Weber in einer theoriegeschichtlichen Skizze sowie Tord Palander in seinen ,Beiträgen zur Standortstheorie‘ vorgezeichnet13. Palander diskutiert die Beiträge von Adam Smith, Wilhelm Roscher, Albert Schäffle und Frederick S. Hall für eine Theorie der Lokalisierung, auch andere Autoren wie Alfred Marshall, William Cunningham und Edward A. Ross werden in diesem Kontext aufgeführt. Die lokale Verknüpfung ökonomischer Aktivitäten wird als ein wesentlicher Gesichtspunkt für die raumwirtschaftliche Struktur angesehen, den Palander jedoch aus Gründen der Komplexitätsreduktion in seiner eigeVgl. Ponsard (1983: 28 – 31, 43, 24 sowie 61 – 64). Weber (1909: 214 -219), Palander (1935: 109 – 136); vgl. auch Isard (1956: 15, 24 – 54). 12 13

2 Scheuplein

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Kap. 1: Einleitung: Auf der Suche nach dem verlorenen Raum

nen Theorie wieder ausklammert. Dies kennzeichnet allgemein die Situation in der Raumwirtschaftstheorie der folgenden Jahrzehnte. Während die transportkostenorientierte Sichtweise von Walter Christaller, August Lösch und Walter Isard auf verschiedene Felder ausgeweitet und vereinheitlicht wurde, wurden sektorale Standortkonzentrationen als retadierende und eher zu vernachlässigende Aspekte geschildert14. Mit dem Siegeszug der neoklassisch fundierten Raumwirtschaftstheorie verstärkte sich in den 1960ern die Dominanz des Faktors Transportkosten in der industriellen Standortlehre, der Marktgebietslehre und der räumlichen Preistheorie. Auf der anderen Seite entstanden immer wieder Ansätze, die die Wissendiffusion an Standorten, Pfadabhängigkeiten, institutionelle Sets und Ressourcenausstattungen als raumdifferenzierende Faktoren einbrachten. So entwickelte sich ein ,agglomerationsorientierter Strang‘ des raumwirtschaftlichen Denkens, der mit Namen wie Oskar Engländer, Hans Ritschl, Edgar Hoover, Gunnar Myrdal, François Perroux und Albert O. Hirschman verbunden ist. Philip Florence setzte diese Diskussion in der Industrieökonomie fort, Raymond Vernon und Jane Jacobs in der Stadtökonomie. Diese agglomerationstheoretischen Überlegungen fanden durchaus auch im ,Mainstream‘, so etwa bei Walter Isard, ihre Beachtung, ohne daß es jedoch zu einer weiteren theoretischen Synthese kam15. Dies verstärkte noch einmal in der Theoriegeschichtsschreibung den Focus auf den Faktor Transportkosten. Sie konzentrierte sich auf die raumwirtschaftstheoretischen Klassiker wie von Thünen und Weber, zudem wurden die Marktgebietstheoretiker und ,Eisenbahnökonomen‘ wie etwa Wilhelm Launhardt, Charles Ellet, Jules Dupuit, Dionysius Lardner und Emile Cheysson wiederentdeckt16. Seit der Mitte der 1990er Jahre wird jedoch auch die Theoretisierung von Standortkonzentrationen als eigene Denklinie der ökonomischen Theorie aufgefaßt17. Mit diesem Umbruch gewinnen auch die Polarisationstheorien, Wirtschaftsstufentheorien und evolutionären Theorien an Bedeutung. Alfred Marshalls raumwirtschaftliche Konzepte wurden in diesem Rahmen ausführlich neu betrachtet. Dabei profitierte diese Diskussion auch von einer Renaissance der Marshallianischen Ökonomie in der volkswirtschaftlichen Dogmengeschichte. Von Marshall ausgehend wurden weitere zeitgenössische Autoren einbezogen; so geschah die Wiederentdeckung des raumwirtschaftlichen Denkens bei William E. Hearn in diesem Zusammenhang. Wegweisend für diesen Perspektivenwechsel war ein 1998 von Michel Bellet und Corine L’Harmet herausgegebener Konferenzband, in dem neVgl. von Böventer (1962), Beckmann (1968), Krieger-Boden (1995). Engländer (1926), Ritschl (1927), Hoover (1937), Myrdal (1957), Hirschman (1958), Perroux (1961), Florence (1948, 1969), Hoover / Vernon (1962), Vernon (1963), Jacobs (1969), Isard (1956); vgl. verschiedene geschichtliche Aspekte der Agglomerationstheorie bei Fliegel (1933) und Parr (2002). 16 Vgl. Literaturbelege bei Ponsard (1983), Eklund / Hébert (1993), Bellet / L’Harmet (1998a); zur Eisenbahnökonomie und Theorie der Marktgebiete in Frankreich siehe Eklund / Shieh (1986) und Eklund / Hébert (1998). 17 Thisse / Walliser (1998: 16 – 18). 14 15

2. Forschungsstand

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ben Alfred Marshall auch der agglomeratonsorientierte Ansatz von François Perroux behandelt wird und die clustertheoretischen Überlegungen von vergessenen Autoren wie William E. Hearn und Henry George referiert werden18. Diese Rezeptionslinien prägen auch die Darstellungen in der volkswirtschaftlichen Dogmengeschichte, auch wenn die Raumwirtschaftstheorie jahrzehntelang eine Randexistenz innerhalb der Volkswirtschaftslehre führte19. Eine Durchsicht einschlägiger Überblicksdarstellungen der volkswirtschaftlichen Theoriegeschichte ergibt keine Hinweise auf eine Behandlung von Clustern bei Ökonomen des 19. Jahrhunderts, auch hier steht der Faktor Transport im Vordergrund20. Zugehörige Aussagen wie etwa zu räumlichen Kostenvorteilen, zu Evolutionspfaden der sektoralen Entwicklung oder zur soziokulturellen Einbettung wirtschaftlichen Handelns in Regionen finden sich vereinzelt bei den Besprechungen von Alfred Marshall. Eine Ausnahme von dieser Sicht findet sich in einigen neueren Untersuchungen zu raumwirtschaftlichen Fragen, insbesondere in der Diskussion um ,nationale Innovationssysteme‘. Hier wird teilweise ein Rückgriff auf die klassische Politische Ökonomie bzw. ihren zeitgenössischen Kritiker wie Friedrich List vorgenommen21. In der Wirtschaftsgeographie als Teildisziplin der Geographie dominierte bis in die 1950er Jahre das idiographisch-länderkundliche Paradigma, in dem die räumliche Verteilung ökonomischer Aktivitäten aus den naturgeographischen Bedingungen abgeleitet wurde. Weder in dieser Phase noch mit der späteren Übernahme der Christaller-Weber-Lösch-Modelle aus der Raumwirtschaftstheorie verfügte man über ein Beschreibungsinstrumentarium für die Clusterung von Wirtschaftsaktivitäten22. Allerdings entstanden immer wieder empirische Arbeiten über Cluster und mit agglomerationstheoretischen Argumentationen; später fanden die regionalen und sektoralen Polarisationstheorien breite Beachtung23. Hatte bis in die 1950er 18 Bellet / L’Harmet (1998a), siehe auch das Heft ,Space and economics in retrospect‘ der ,Recherches Economiques de Louvain‘, 1998, Jg. 64, Nr. 1. 19 Siehe diese Klage bei Predöhl (1949: 22), Isard (1956: 27), Ponsard (1983: 127), Greenhut / Norman (1995: XIII). 20 Vgl. Darstellungen Transportkosten-orientierter Theorien bei Salin (1951: 134 – 136), Schumpeter (1965: 466, 948 f.), Stavenhagen (1969: 106 –109, 298, 430), Pribram (1983: 1022 – 1026), Blaug (1979, 1997); andere Einflußfaktoren auf die Raumwirtschaft werden kaum behandelt, siehe aber Kruse (1959: 234 – 239) und Stavenhagen (1969: 427 – 471). 21 In diesem Sinne etwa Tunzelman (1995: 49); aus dogmengeschichtlicher Perspektive hat dies Arena (1998) vertieft. 22 Wo sich Hinweise auf industrielle Cluster finden, werden diese auf Rohstoffe bzw. agrarische Nutzungen zurückgeführt, z. B. bei Heiderich / Sieger (1910: 369 – 394; 1921: 391 – 402), Smith (1914), Friedrich / Schmidt (1930: 81 – 94) und Robinson (1918: 50 – 57), vgl. auch Eckert (1912), Partsch (1927), Geldern-Crispendorf (1933), Carter / Dodge (1939), Lütgens (1952), Otremba (1969). 23 Vgl. als Studien mit Cluster-Bezug: Creutzburg (1925), Fugmann (1939), Kraus (1931), Otremba (1950); partiell auch Scheu (1926); weitere Literaturhinweise bei Otremba (1960: 247) und Schätzl (1992). Siehe zu agglomerationstheoretischen Argumentationen z. B.

2*

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Kap. 1: Einleitung: Auf der Suche nach dem verlorenen Raum

Jahre praktisch keine Verbindung zwischen der Volkswirtschaftslehre und der Wirtschaftsgeographie existiert24, so schloß man sich mit der Übernahme der neoklassisch geprägten Raumwirtschaftstheorie auch deren theoriegeschichtlicher Sichtweise an. Entsprechend fand sich lange in den theoriegeschichtlich relevanten Arbeiten kein Bezug zu einer Thematisierung der Clusterung. Auch hier entstand erst mit der neueren Konzeptualisierung von räumlichen Produktionsystemen ein Bedarf nach einer anders gelagerten Literatur-Rezeption. Inzwischen liegen zum einen Arbeiten vor, in denen die Entstehung von Cluster-Theorien innerhalb der neuen Wirtschaftsgeographie der letzten Jahrzehnte nachgezeichnet wird. Ein historisch weiteres Ausgreifen bezieht sich zum einen auf die transportkostenorientierten Theorien – meist in kritischer Absicht. Zum anderen fand vor allem in der angelsächsischen Debatte um 1980 eine starke Rezeption marxistischer Theorien statt, wobei jedoch allgemeinere Fragestellungen ungleichmäßiger regionaler oder internationaler Entwicklung im Zentrum standen. Schließlich wurde, vor allem über die Vermittlung Giacomo Becattinis, Alfred Marshalls Werk zur Kenntnis genommen25. Insgesamt scheinen sich somit in der Wirtschaftsgeographie parallele und teilweise zeitverzögert auftretende Deutungen wie in der Volkswirtschaftslehre zu etablieren. Abschließend soll noch auf die Wirtschaftsgeschichte eingegangen werden. Deren Darstellungen verweisen zum einen ebenfalls auf die Entwicklungen in der Raumwirtschaftstheorie, zum anderen bieten sie eine realgeschichtliche Folie, mit der die Cluster-Reflexion im Beschreibungszeitraum des 19. Jahrhunderts eingeordnet werden kann. Innerhalb eines generellen Bedeutungsgewinn räumlicher Strukturen in den Geschichtswissenschaften seit dem Ende der 1970er Jahre wurde die Region als „operative territoriale Einheit für die Industrialisierung“ verstanden26. Dabei wurden Wachstumsprozesse stärker auf regionale Faktoren zurückgeführt, wobei der Erklärungsfaktor der Ressourcenausstattung mit Rohstoffen und Estall / Buchanan (1961: 102 – 119), Chisholm (1970 Kapitel 4), Pred (1966), Berry / Conkling / Ray (1976: 150 – 154) und Otremba (1960: 308 – 314 und 1969: 78 – 82). 24 Dies kritisierten schon Harms (1912: 402 – 410) und Palander (1935: 14 – 20); vgl. die immer wiederkehrende Klage über die fehlende Verbindung von Wirtschaftsgeographie und Wirtschaftswissenschaft: Götz (1882: 367), Kraus (1905: 82), Heiderich (1913: 469), Schmidt (1925: 170), Waibel (1933: 5), Otremba (1969: 27) und McNee (1970). 25 Vgl. als Überblick zur amerikanischen Wirtschaftsgeographie im 20. Jh.: Scott (2000), Barnes (2000); zur neuen Sichtweise der transportkostenorientierten Raumwirtschaftstheorie: Gregory (1981), Barnes (2003); zu Marx: Harvey (1982) und zusammenfassend Swynedouw (2000). Dies betrifft sowohl primär dogmengeschichtliche Arbeiten wie von Kraus (1905) und Schmidt (1925), wie auch theoriehistorische Rückblicke in Hand- oder Lehrbüchern der Wirtschaftsgeographie, z. B. Otremba (1969: 26 – 31). 26 Vgl. Pollard (1980b: 12), der diese Sichtweise vor allem geprägt hat, siehe Pollard (1973, 1981, 1992, 1997); ebenso Hudson (1989a, 1992), Schulze (1993b); Kiesewetter (1996), Hahn (1998: 98 – 107), Farnie / Abe (2000). Vgl. zu anderen Thematisierungen von Raum in der Geschichtswissenschaft Zorn (1986), Denecke / Fehn (1989), Nitz (1993), Flender (1993), Brakensiek / Flügel (2000) und das Heft 3 / 2002 von ,Geschichte und Gesellschaft‘.

2. Forschungsstand

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Verkehrswegen ergänzt wurde durch eine Analyse der inner- und zwischenbetrieblichen Organisationsformen, der institutionellen Umwelt, der Handels- und Kreditbeziehungen etc.27. Dies mündete empirisch zunächst in regional und sektoral abgegrenzten Studien zur Industrialisierung28 und – seit den 1990er Jahren – zur räumlichen Konzentration von Wirtschaftsaktivitäten29. Stark verbunden mit diesem Themenfeld ist die Debatte über die Proto-Industrialisierung30. Inzwischen wurden auch wirtschaftsgeographische Konzepte wie beispielsweise der Begriff des ,Industriellen Distrikts‘ in die Geschichtswissenschaften eingeführt31. Damit konnte die empirische Evidenz von Konzepten der Clusterung für die Erklärung der Wirtschaftsgeschichte nachgewiesen werden. Zum Forschungsstand kann festgehalten werden, daß in der Theoriegeschichte der Wirtschaftswissenschaften eine Thematisierung räumlicher Strukturen der Produktion erst in den letzten Jahren ausführlicher registriert wird. Inzwischen ist Alfred Marshalls raumwirtschaftstheoretischer Beitrag gut erschlossen worden. Hier liegt sowohl eine inhaltliche Rekonstruktion seiner Clustertheorie, deren systematische Verortung innerhalb seines Werkes wie auch eine biographische Kontextualisierung vor. Von Marshall aus weisen ideengeschichtliche Linien zu Vorgängern wie Ure, Schäffle, Roscher und Zeitgenossen wie Cunningham, Ross und Hall. Untersuchungen zu den raumwirtschaftstheoretischen Arbeiten dieser Autoren liegen jedoch nur im Fall von Hearn und George vor. Dabei ist es auffällig, daß es sich bei den Genannten – mit der Ausnahme von Roscher – um zweitrangige bzw. randständige Autoren handelt, wenn man sie aus der Perspektive der Volkswirtschaftslehre betrachtet. Eine ideengeschichtliche Darstellung der Untersuchung von Clustern in der Volkswirtschaftslehre im 19. Jahrhundert steht somit noch in den Anfängen.

27 Vgl. zu einer Kritik an der transportkostenorientierten Wirtschaftsgeographie aus Sicht der Wirtschaftsgeschichte Pollard (1980b: 12 und 1981, 1992). 28 Vgl. als Überblick: Fremdling / Pierenkemper / Tilly (1979) sowie Fremdling / Tilly (1979), Pollard (1980a), Lee (1981; 1986: Kapitel 7), Schulze (1993a) und Gornig (2000). 29 Erstens wurden einzelne räumliche Produktionssysteme untersucht, siehe Hudson (1986), zweitens städtische Spezialisierungsmuster, etwa bei Harvey / Green / Corfield (1999), drittens einzelne Branchen in ihrer räumlichen Spezialisierung Lamoreaux / Sokoloff (2000) und viertens die Rolle von spezialisierten Regionen innerhalb langfristiger Prozesse, vgl. Dodgshon (1987), Hudson (1992) und Berg (1994) für Großbritannien, Pollard (1981, 1997) und Pounds (1985) für die gesamteuropäische Industrialisierung. 30 Vgl. Mendels (1972), Kriedte / Medick / Schlumbohm (1977, 1992), Schlumbohm (1994), sowie als empirische Untersuchungen Ditt / Pollard (1992), Cerman / Ogilvie (1994) und Ebeling / Mager (1999). 31 Siehe zur Programmatik Sabel / Zeitlin (1985, 1997) und Ciriacono (1999), als empirische Beiträge vgl. zudem Franke (2000), Popp (2001), Frederico (1997), Rose (2000) und die Hinweise bei Pearson / Richardson (2001).

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Kap. 1: Einleitung: Auf der Suche nach dem verlorenen Raum

3. Vorläufige Thesen und Zielstellung Diese Diagnose einer fehlenden ideengeschichtlichen Darstellung wird bislang kaum als Mangel empfunden. Vielmehr wird in der Dogmengeschichte von dem bereits angedeuteten jahrzehntelangen ,Verschwinden des Raumes‘ aus der ökonomischen Theorie ausgegangen. Diese in der Raumwirtschaftstheorie prominent von Walter Isard propagierte Sichtweise wurde in den 1990er noch einmal populär durch Paul Krugmans Intervention32. Hier wird zum einen registriert, daß sich bei den merkantilistischen, physiokratischen und frühen klassischen Autoren bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts viele raumwirtschaftliche Überlegungen finden. Zum anderen wird Johann Heinrich von Thünens Werk als Beginn der wissenschaftlichen Standorttheorie verstanden, die sich zu einer Teildisziplin verselbständigte. Ein raumwirtschaftlicher Bezug scheint jedoch zu diesem Zeitpunkt aus der Volkswirtschaftslehre verschwunden zu sein. Mark Blaug vermerkt dies als Rätselaufgabe: „Here is a major puzzle in the history of economic thought: what was it about spatial economics that prevented its recognition as an integral feature of mainstream economics?“ Blaug spekuliert auf einen historischen Zufall bzw. stellt wissensoziologische Überlegungen über von Thünen als den ersten Begründer der Standortlehre und seine geringe akademische Reputation an33. Dagegen verbindet Ponsard den Bruch mit dem ökonomischen Paradigmenwechsel des frühen 19. Jahrhunderts. Im Unterschied zu den induktiv vorgehenden ökonomischen Untersuchungen des 17. und 18. Jahrhunderts habe David Ricardo ausschließlich auf die Deduktion gesetzt und dabei die räumlichen Faktoren notwendigerweise aus seinem Denkrahmen entfernt. Der Raum wurde gewissermaßen in den ceterisparibus-Vorspann aller Abhandlungen verbannt34. Paul Krugman setzt zeitlich andere Akzente. Er verweist auf die Eliminierung der räumlichen Dimension während der Herausbildung des neoklassischen Paradigmas nach 1870. Dessen Autoren seien so sehr mit einer Modellierung von Märkten beschäftigt gewesen, daß sie Fragen nach steigenden Erträgen, unvollkommenen Wettbewerbsformen und insbesondere nach räumlichen Strukturen als überkomplex vertagt hätten35. Diesen Varianten der These einer Abstraktion von der Raumdimension ist allerdings entgegen zu halten, daß in den meisten volkswirtschaftlichen Theorien des 19. Jahrhunderts immer wieder spezifische räumliche Kategorien verwendet werden. So hat Bernhard Harms gezeigt, daß das Begriffspaar ,Volkswirtschaft‘ und 32 Isard (1956: 24), Krugman (1991: 3 f.), vgl. die These von der ,Eliminierung des Raumes‘ auch bei Buttler / Gerlach / Liepmann (1977: 59), Arnott (1987: 429), Dunford / Perrons (1983: 78), Stull (1986: 311), Läpple (1992: 172), Claval (1992: 275), Voy (1996: 40), Derycke / Huriot (1998: 3), Eklund / Hébert (1993: 23) und Bellet / L’Harmet (1998b: IX). 33 Vgl. Blaug (1997: 596; 1979). 34 Ponsard (1983: 10 – 12), ähnlich Eklund / Hébert (1993: 23), Läpple (1992: 172) und Thisse / Walliser (1998: 12); McNee (1970: 407 f.) schwankt zwischen methodischen und realwirtschaftlichen Ursachen. 35 Krugman (1995: 36 f.); in diesem Sinne schon Hösch (1971: 3).

3. Vorläufige Thesen und Zielstellung

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,Weltwirtschaft‘ ein zentrales Kampfterrain in der Theoriebildung des 19. Jahrhunderts darstellte36. Mit dem Verständnis eines ,nationalen Raumes‘ skizzierte man zugleich sein Verständnis des Zusammenhangs von ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Faktoren. Je eher man die Marktökonomie als globales und wohlstandförderndes Prinzip begriff, desto mehr erschien der ,nationale‘ Rahmen als vorübergehende räumliche Friktion, dessen man sich nur aus analytischen Gründen bemächtigten durfte. Wurden dagegen soziale und ökonomische Gefahren der Dynamik der Marktwirtschaft selbst zugeschrieben, so wurde die ,Volkswirtschaft‘ stärker als funktionale Einheit begriffen, innerhalb der sich der ökonomische Wettbewerb vollzog. Gesellschaftliche und staatliche Institutionen wurden dann nicht als ,Störgrößen‘ eines autonomen ökonomischen Prozesses begriffen, sondern als konstitutive Elemente. Diese Sichtweise wurde bei den frühen deutschen Kritikern der Klassik geprägt37, sie war jedoch auch in den späteren historistischen und sozialistischen Wirtschaftstheorien und in der englischen Spätklassik vorhanden. Entsprechend dieser Konfliktlinien existierten sehr unterschiedliche Vorstellungen über die räumlichen ,Einheiten‘ der Ökonomie. Die Spannweite reicht hier vom historistischen Begriff der Volkswirtschaft als einer essentialistischen Gruppe (,Volksgeist‘) über Karl Marx‘ Modell eines globalen Kapitalismus, in dem Krisenprozesse zu ständig neuen regionalen und internationalen Ungleichmäßigkeiten führen, bis hin zur Annahme von Märkten mit unterschiedlichen räumlichen Ausdehnungen bei William S. Jevons. Für alle diese theoretischen Entwürfe aber gilt, daß sie von der räumlichen Struktur als einem spezifischen Merkmal des makroökonomischen Prozesses ausgehen. Im Unterschied zu diesen Sichtweisen einer ,raumvergessenen‘ Volkswirtschaftslehre scheinen daher – dies ist meine erste untersuchungsleitende These – die ökonomischen Theorieentwürfe des 19. Jahrhunderts jeweils unterschiedliche Raumbegriffe vertreten zu haben. Was die Geographie der Produktion betrifft, so war entscheidend, wie man die räumlichen Verteilungen ökonomischer Aktivitäten interpretierte: Stellt sich eine ,natürliche‘ Ordnung im freien Spiel der Kräfte her, oder modifiziert bzw. destruiert dieser Prozeß eine gesellschaftspolitisch wünschbare Ordnung? Sind entsprechend der Handel mit Waren und die Mobilität von Produktionsfaktoren als Durchsetzung oder als Behinderung einer zukünftigen Raumverteilung anzusehen? Daraus folgen grundlegende Aussagen z. B. zur Handelspolitik oder zur regionalen Strukturpolitik. Cluster können sowohl als Ausdruck ökonomischer Freiheit wie auch als gewollte oder abgelehnte Einschränkung der freien Standortwahl aufgefaßt werden. Innerhalb des Raumkonzepts einer Theorie können sehr unterschiedliche Aspekte ausgearbeitet sein. So haben Jacques-François Thisse und Bernard Walliser darauf aufmerksam gemacht, daß Raum nicht nur als Standort der Produktion, sondern auch als Transportproblem, als Ursache des Handels und als knappe Ressour36 37

Harms (1912). Kretschmar (1930).

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Kap. 1: Einleitung: Auf der Suche nach dem verlorenen Raum

ce, deren Verfügungsrechte gehandelt werden, thematisiert wurde38. In dieser Untersuchung interessiert nur der Aspekt der räumlichen Struktur der Produktion. Ob er und in welcher Weise er in einer volkswirtschaftlichen Theorie behandelt (oder nicht behandelt) wird, ist nicht zufällig, sondern eng mit dem Problemhorizont und der Konstruktion dieser Theorien verknüpft (zweite These). Zu erwarten ist, daß ein Zugang zur räumlichen Konzentrationen dort stattfindet, so die dritte These, wo diskontinuierliche ökonomische Prozesse modelliert werden. Dies meint vor allem Phasen der Prosperität und der schnellen regionalen Entwicklung, aber auch die Erfahrung von Krisen und von langfristiger Rückständigkeit. Dort wo die Gründe für Wachstumprozesse analysiert wurden, lag es nahe, die räumliche Struktur der Produktion als einen Grund für die Generierung steigender Erträge zu identifizieren. Der oben skizzierte Dualismus zwischen den „transportkostenorientierten‘ und ,agglomerationsorientierten‘ Erklärungssträngen in der Raumwirtschaftstheorie des 20. Jahrhunderts deutet darauf hin, daß Theoriegeschichte der Clusterung sich nicht nur an den ,Hauptwerken‘ der ökonomischen Literatur abarbeiten kann. Vielmehr sind auch, wie Kenneth J. Arrow bereits für eine Theoriegeschichte der ,increasing returns‘ bemerkt hat39, die Betrachtungen über technologische Entwicklungen, wirtschaftspolitische Debatten und empirische Untersuchungen im Blick zu behalten, von denen immer wieder bedeutende Impulse auf die Theoriebildung ausgingen (vierte These). Es sind dies Fundorte, mit denen möglicherweise die ,blinden Flecken‘ in den Theorieprogrammen aufgezeigt werden können. Damit kann die Zielstellung dieser Arbeit benannt werden. Es soll erstens gezeigt werden, auf welche Weise ein Cluster als ein ökonomischer Wirkungsmechanismus innerhalb der volkswirtschaftlichen Literatur des 19. Jahrhunderts begriffen wurde: Welche Elemente der Clusterung werden bemerkt und wie werden diese konzeptionell verbunden? Zweitens wird gefragt, worauf die unterschiedlichen Darstellungsformen von Clustern zurückzuführen sind: Handelt es sich eher um zufällige (Fehl-)Leistungen theoretischer Ansätze oder wird deren Analysepotential zur Erklärung raumzeitlicher Strukturen der Ökonomie sichtbar?

4. Eingrenzung des Themas, Methoden und Aufbau der Untersuchung Für die genannte Zielsetzung müssen in der vorliegenden Arbeit zeitliche und sachliche Einschränkungen des potentiellen Materials vorgenommen werden. Für den Beginn der Untersuchung ist zunächst relevant, ab wann Cluster als Form ökonomischer Aktivitäten einer wissenschaftlichen Reflexion zugänglich wurden. Nach François Perroux kann das Konzept eines ,ökonomischen Raumes‘ sinnvol38 39

Thisse / Walliser (1998). Arrow (2000: 178).

4. Methoden und Aufbau der Untersuchung

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lerweise erst angewandt werden, seitdem Raumstrukturen gesellschaftlich produziert werden40. Erst mit einem gewissen Maß der Mobilität von Produktionsfaktoren einerseits, sowie Vorteilen der Standortballung und -beharrung von ökonomischen Aktivitäten andererseits wird die räumliche Verteilung zu einem analytisch zugänglichen Problem. Wirtschaftliche Gründe bestimmten schon immer stark über den Auf- und Abstieg von Städten und Regionen bzw. die Veränderung von Disparitäten zwischen Metropole und Peripherie. Seit dem 18. Jahrhundert verknüpften sich diese Prozesse noch stärker mit dem Produktionssektor. Der ökonomische Raum als disponible Qualität entsteht, die Raumstruktur wird zu einer Funktion gesellschaftlich produzierter Lagevorteile. Entsprechend beginnt erst mit dem Übergang zur modernen Marktwirtschaft eine theoretische Reflexion des Raumes und der räumlich konzentrierten Produktion. Daher setzt die Untersuchung mit einer Skizze der späten merkantilistischen und frühklassischen Autoren des 18. Jahrhunderts ein. Hier zeichnen sich bei Richard Cantillon und Adam Smith bereits Implikationen einer räumlichen Struktur der Produktion innerhalb eines ökonomischen Systems ab. Aus pragmatischen Gründen beginnt eine systematische Betrachtung jedoch erst mit David Ricardo, in dessen Werk diese Implikationen expliziert und damit diskursiv erschlossen werden. Den Schlußpunkt in der vorliegenden Arbeit bildet Alfred Marshalls makroökonomische Einordnung des Cluster-Phänomens um 1890. Zeitlich werden darüber hinaus nur noch einige Entwicklungen des Marshallschen Denkens und einige Aspekte der Rezeption seiner Arbeit einbezogen. Die weitere Umformung und Ausblendung der Marshallschen Raumwirtschaftstheorie, die sich bis weit in die 1930er Jahre zog, wird nicht betrachtet. Ebenso aus arbeitsökonomischen Gründen wird die Darstellung auf Großbritannien und Deutschland beschränkt. Die Ausnahmen bilden neben William E. Hearn und Henry George die US-amerikanischen Protektionisten zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Zahlreiche europäische Kritiker der englischen Klassik bleiben dagegen ausgespart. Das größte Defizit besteht dabei vermutlich in Bezug auf die französische Nationalökonomie41. Methodisch wird in dieser Arbeit das oben skizzierte Konzept des ,Clusters‘ vorausgesetzt und damit unterschiedliche theoretische Diskurse konfrontiert. Dies stellt eine ,rationale Rekonstruktion‘ dar, wobei auf der Basis des zeitgenössischen Wissens Aussagen der Vergangenheit erkannt und zugeordnet werden. Mögliche Gefahren dieser Methode liegen in einer perspektivischen Verengung. Dabei wird die Theoriegeschichte als ein Kontinuum ,richtiger‘ Ideen aufgefaßt, deren Sinngehalte in ihren sozialen und zeitlichen Kontexten nicht mehr kenntlich gemacht werden. Hier soll aber keine Perspektive der ,Vervollkommnung‘ des Cluster-AnPerroux (1950). Hier wäre etwa an die frühe Smith-Kritik von François L. A. Ferrier und Charles Ganilh wowie an die industrieökonomischen Betrachtungen von Charles Dupin, Jean A. Chaptal und Adolphe-Jérôme Blanqui zu denken. 40 41

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Kap. 1: Einleitung: Auf der Suche nach dem verlorenen Raum

satzes eingenommen werden, sondern es sollen unterschiedliche Fähigkeiten der Beschreibung und Konzeptualisierung von Clustern innerhalb ökonomischer Theorien deutlich gemacht werden. Methodisch ist es dazu notwendig, die Intentionen, sozialen Verbindungen und Themenstellungen der historischen Diskutanten immer wieder bewußt in der Untersuchung aufzuzeigen. Bei der Auswahl der zu untersuchenden Ökonomen lehne ich mich an die gängige Unterscheidung in vier Theoriegruppen innerhalb des 19. Jahrhunderts an: Die klassische Politische Ökonomie, die subjektorientierte Werttheorie, die marshallianische Theorie und die marxistische Theorie42. Darüber hinaus werden zwei Theoriegruppen betrachtet, deren Abgrenzung nur unter Einbeziehung gesellschaftstheoretischer Aspekte möglich ist. Der ökonomische Historismus bzw. die Deutsche Historische Schule vertrat keine eigenständige preis- und gleichgewichtstheoretischen Aussagen, sondern kritisierte deren Status innerhalb der Volkswirtschaftslehre. Im Unterschied zu den anderen vier Theoriegruppen verneinte der ökonomische Historismus, daß die von ihm verfolgten Ziele und Wertmaßstäbe einer intersubjektiven Klärung zugänglich sind. Schließlich wird sechstens der von Herbert Spencer begründete und von William E. Hearn in die Volkswirtschaftslehre eingeführte Sozial-Evolutionismus betrachtet. Er stellt eine Mischung aus sozialphilosophischen und ökonomischen Theorieelementen dar, die hier interessiert, weil mit ihr die organisationalen Strukturen einer Ökonomie besser beschrieben werden konnten, was von der Volkswirtschaftslehre im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts intensiv aufgegriffen wurde. Sowohl zur Einbeziehung des ,Historismus‘ wie auch des ,Sozial-Evolutionismus‘ ist es zweckmäßig, von einer Wissensordnung zu sprechen. Damit kann beschrieben werden, wie von einer bestimmten Gruppe von Diskutanten die Zulässigkeit von Aussagen definiert wurde, Kombinationen oder gar Hierarchien von Teilaussagen festgelegt wurden und die Reichweite von Aussagen begrenzt wurde43. Dies kann erklären, warum unterschiedliche Handlungsimpulse und unterschiedliche Trägergruppen ökonomischer Theorien nicht nur zu konkurrierenden Antworten, sondern auch zu verschiedenartigen, einander indifferenten Problemdefinitionen führten. Damit kann etwa der ökonomische Historismus im Sinne Imre Lakatos‘ als konkurrierendes wissenschaftliches Forschungsprogramm verstanden werden. Dies schließt ein, daß diese Theorien mit den Kriterien des wissenschaftlichen Fortschritts bzw. der Stagnation verglichen werden können: Sie 42 Der Begriff ,Neoklassik‘ wird im Folgenden also nur dann gebraucht, wenn sowohl die subjektorientierten Ansätze von Jevons, Walras, Menger als auch die Theorie Marshalls gemeint sind. 43 Eine Diskursanalyse über das Thema Clusterung in den verschiedenen Wissensordnungen würde umfangreiche Vorarbeiten zum situativen, medialen und institutionellen Kontext voraussetzen und wird daher hier nicht angestrebt; vgl. allgemein zur historischen Diskursanalyse Sarrazin (1996) und Landwehr (2001), zur Operationalisierung innerhalb der wirtschaftswissenschaftlichen Theoriegeschichtsschreibung: Amariglio (1988), Sandl (1999: 19 – 35), Cullenberg / Amariglio / Ruccio (2001) und Hamberger (2002).

4. Methoden und Aufbau der Untersuchung

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werden hier jeweils an ihren Fähigkeiten zur Beschreibung und Konzeptualisierung von Clustern gemessen. Abschließend ist der Aufbau der Untersuchung vorzustellen. Zunächst wird in den folgenden drei Kapiteln die frühklassische und klassische Politische Ökonomie in Großbritannien betrachtet werden. Nach einem Blick auf das 18. Jahrhundert (Kapitel 2) wird aufgezeigt, wie – in der maßgebenden Darstellung von David Ricardo – der ökonomische Prozeß innerhalb eines nationalen Wirtschaftsraumes konzeptualisiert wurde, die interne Strukturierung dieses Raumes jedoch ausgeschlossen blieb. Daran anschließend wird zum einen dargestellt, wie die Produktionsgeographie in anderen, zeitgleichen ökonomischen Diskursen wieder eingeführt wurde – so in den Diskursen über die Einführung des Fabriksystems und über die Entwicklungschancen eines postkolonialen Wirtschaftsraums (Kapitel 3). Zum anderen wird nachvollzogen, wie die ricardianische Annahme eines homogenen ökonomischen Binnenraumes bei späteren Autoren der Politischen Ökonomie zunehmend ,gelockert‘ wurde. Die Registrierung räumlicher Produktionsstrukturen sind ein Element dieses Lockerungsprozesses, der sich etwa im Werk von J. St. Mill vollzieht und zu zunehmenden Widersprüchen in der klassischen Theorie führte (Kapitel 4). Danach werden in vier Kapiteln Reaktionen auf die klassische Politische Ökonomie dargestellt. Die Deutsche Historische Schule nahm die spezifischen nationalen Raumstrukturen zum Angelpunkt ihres methodologischen Gegenwurfs (Kapitel 5). Die britischen Frühsozialisten und Karl Marx reformulierten das klassische System mit dem Anspruch, zeitliche und räumliche Disproportionalitäten aufzeigen zu können (Kapitel 6). Der Sozialevolutionismus versuchte die mangelnde gesellschaftstheoretische Fundierung der klassischen Politischen Ökonomie auszugleichen und entwarf dabei die Perspektive einer universalen Evolution, die sich auch in der räumlichen Verteilung der Produktion vollzog (Kapitel 7). Anschließend wird die Registrierung räumlicher Ungleichmäßigkeiten in der spätklassischen Theorie dokumentiert (Kapitel 8). Mit der marshallianischen Synthese tritt ein neuer Theorietypus auf, in dem dynamische Wachstumsprozesse konzeptionell verbunden werden mit der räumlichen Produktionsstruktur (Kapitel 9). Danach folgen zwei Ergänzungen: Zum einen wird gefragt, wie der Faktor der Transportkosten innerhalb der verschiedenen clustertheoretischen Ansätze behandelt wurde bzw. in welches Verhältnis er zu den standörtlichen Vorteilen der Produktion gesetzt wurde (Kapitel 10). Danach werden verschiedene empirische Studien sowie wirtschaftsgeschichtliche Arbeiten präsentiert, in denen Cluster eine Rolle spielen (Kapitel 11). Im abschließenden Kapitel 12 sollen zum einen Schlußfolgerungen aus theoriegeschichtlicher Perspektive gezogen werden, zum anderen soll der Ertrag für die konzeptionelle Debatte in der Wirtschaftsgeographie festgehalten werden. Diese Arbeit verfolgt einen wirtschaftspraktischen Sachverhalt in der theoretischen Reflexion vielfältiger Denkrichtungen und über einen langen Zeitraum hin-

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Kap. 1: Einleitung: Auf der Suche nach dem verlorenen Raum

weg. Selbstverständlich kann dabei nur ein ,Rundflug‘ stattfinden, viele Einzelprobleme werden nur grob abgehandelt und viele Bezüge müssen ausgespart bleiben. Die Arbeit möchte vor allem daran gemessen werden, ob es ihr gelingt, das Forschungsfeld der raumwirtschaftlichen Theoriegeschichtschreibung zu erweitern und einen begrenzten Beitrag zu der Aufgabe zu leisten, die August Lösch vorschwebte: „So ist es grundsätzlich möglich, die ganze ökonomische Theorie unterm räumlichen Aspekt neu zu schreiben“44.

44

Lösch (1940: III).

Kapitel 2

Freiheit der Standortwahl und Raumbindung 1. Die offene Gesellschaft In Großbritannien stritten die gesellschaftlichen Interessengruppen um 1704 über die Einrichtung von ,Arbeitshäusern‘. Diese sollten nicht nur eine Disziplinarmaßnahme, sondern auch eine Art staatlicher Beschäftigungspolitik darstellen. Daniel Defoe protestierte gegen diesen Plan. Neben verschiedenen Argumenten sah er darin die erfolgreiche räumliche Branchenverteilung im Land bedroht: „There are Arcanas in Trade, which tough they are the Natural Consequences of Time and casual Circumstances, are yet become now so Essential to the Publick Benefit, that to alter or disorder them would be an irreparable Damage to the Publick.( . . . ) The manufactures of England are happily settled in different Corners of the Kingdom, from whence they are mutually convey’d by a Circulation of Trade to London by Wholesale, like the Blood of the Heart, and from thence disperse in lesser quantities to the other parts of the Kingdom by Retail. For Example. Serges are made at Exeter, Taunton, &c. Stuffs at Norwich; Bays, Sayes, Shaloons, &c. at Colchester, Bocking, Sudbury, and Parts adjacent, Fine Cloath in Somerset, Wilts, Gloucester and Worcestershire, Course Cloath in Yorkshire, Kent, Surry, &c. Druggets at Farnham, Newbury, &c.“.1

Die Einrichtung von ,work-houses‘, so Defoe, behindere diesen erfolgreichen Prozeß der räumlichen Strukturierung. Es sei zu erwarten, daß sich die Armenhäuser auf bereits bekannte Produkte spezialisierten und es zu einem Verdrängungseffekt komme: „( . . . ) taking the Bread out of the Mouths of the Poor of Essex to put it into the Mouths of the Poor of Middlesex.“2 Durch die staatlichen Beschäftigungsprojekte sah er eine Rücknahme der regionalen Spezialisierung eingeleitet. Denn bei ihrem Erfolg könnten die Arbeitshäuser den Bedarf innerhalb ihrer Region decken und so den überregionalen Export verringern, worauf die anderen Regionen wiederum mit eigenen Arbeitshäusern und regionalen Autarkiebestrebungen antworten würden. Zudem seien die etablierten Markennamen der nationalen Exportwirtschaft in Gefahr:

1 Defoe (1704: 182); vgl. zu dieser Kontroverse: Owens (2000: XII – XIV), Nowak (2001: 246 – 249). 2 Defoe (1704: 180).

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Kap. 2: Freiheit der Standortwahl und Raumbindung „Our several Manufactures are known by their respective Names; and our Serges, Bayes and other Goods, are bought abroad by the Character and Reputation of the Places where they are made; when there shall come new unheard of Kinds to Market, some better, some worse, as to besure new Undertakers will vary in kinds, the Dignity and Reputation of the English Goods abroad will be lost, and so many Confusions in Trade must follow, as are too many to repear.“3

Schließlich, so fügte Defoe hinzu, werde der Transport- und Handelssektor schwer geschädigt. Kurzum, die Verringerung der räumlichen Branchenkonzentration führe zu schwerwiegenden Wohlfahrtsverlusten. Wie in einem Brennglas werden in Defoes Pamphlet ,Giving Alms no Charity‘ die Bedeutung räumlicher Branchenkonzentration im frühmodernen Großbritannien deutlich, die im Folgenden näher betrachtet werden soll. Zunächst wird die Entwicklung dieser Raumstruktur während der Industriellen Revolution skizziert (2.) und anschließend deren Beschreibung und konzeptionelle Nutzung durch frühklassische britische Autoren des 18. Jahrhunderts dargestellt (3.).

2. Die Geographie der Industriellen Revolution „One thing is certain, the population of the greatest cities, and especially of the manufacturing and commercial cities, have profited much more than that of the rural districts by the general progress of wealth.“ Jérôme-Adolphe Blanqui: History of Political Economy in Europe, 1839, S. 548

Daniel Defoes Verdienste zur Raumforschung reichen weiter. Ihm verdanken wir die farbigsten und detailliertesten Berichte des vorindustriellen Englands. Jeder Leser seines ,Tour Thro‘ the Whole Island of Great Britain‘ wie auch seines ,Complete English Tradesman‘ erhält den Eindruck, daß Großbritannien zu dieser Zeit bereits von zahlreichen räumlichen Branchenkonzentrationen geprägt wurde. Dieses Strukturmuster hatte sich damals bereits über einen langen Zeitraum hin entwickelt, wobei sehr unterschiedliche Gründe wie Rohstofflager, Verkehrszugänge oder kulturell geprägte Konsummuster eine Rolle spielten. Insgesamt kann man das Muster der geographischen Spezialisierung als wichtiges Charakteristikum der englischen Wirtschaft zu Beginn des 18. Jahrhunderts bezeichnen. In diesem Sinne betont Defoe: „So that (as I said before) there is no particular place in England, where all the manufactures are made, but every county or place has its peculiar sort, or particular manufacture, in which the people are wholly employed; and for all the rest that is wanted, they fetch them from other parts“4. Defoe (1704: 180). Defoe (1726: 192); zu Defoes Regionsbeschreibung: West (1997: 304 – 387), Nowak (2001: 630 – 647); vgl. Langton (1979: 52), Dodgshon (1987: 304) und Jones (1974: 128 – 142) zur räumlichen Spezialisierung in Defoes Zeit. 3 4

2. Die Geographie der Industriellen Revolution

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Dieses Standortmuster war nie völlig statisch, aber im letzten Drittel des 18. Jh. nahm das Tempo dieses Wandels zu5. Die proto-industriellen Regionen existierten noch weitgehend isoliert voneinander; ihre Entwicklung war stark von internen Faktoren sowie vom internationalen Fernhandel abhängig; ein interregionaler Austausch spielte dagegen kaum eine Rolle. Branchenkonzentrationen in diesen Regionen konnten sich stark vermischen und über ein weites Gebiet von Kleinstädten und Dörfern verteilt sein. Mit der zunehmenden Maschinisierung und fabrikmäßigen Produktionsorganisation ergaben sich völlig neuartige ökonomische Vorteile aufgrund räumlicher Nähe. Die Raumstrukturierung der Industriellen Revolution in Großbritannien ab etwa 1780 kann durch sechs Trends gekennzeichnet werden. Erstens, in Ausnutzung der räumlichen Produktionsvorteile wurden die etablierten Branchen in einem viel stärkeren Maß räumlich lokalisiert. Zweitens, die Produktionsstufen wurden in vielen Branchen als selbständige Gewerbe betrieben, so daß sich eine räumliche Spezialisierung in Mikrostandorte, z.B einzelne Dörfer oder Stadtteile, einstellte. Drittens, in erheblich schnellerem Maße als in vorangegangenen Jahrhunderten wurden neue Produktionszweige etabliert, so daß vielfach neue Standortprofilierungen hinzutraten. Viertens, die Energiezufuhr gewann als Standortfaktor erheblich an Bedeutung, und es entstanden die Geographien der Wasserkraft und der Kohlefelder. Fünftens, die Bindung von Kapital in Produktionsanlagen und Transportwegen wurde zu einem bedeutenden Faktor der Raumstrukturierung. Sechstens, das beschleunigte Bevölkerungswachstum und die Ökonomisierung aller Lebensbereiche bildeten die Triebkräfte für eine erhöhte Mobilität der Arbeitskräfte und eine stark polarisierte Bevölkerungsverteilung: einem nicht gekannten Wachstum einiger städtischer Agglomerationen stand die relative Entleerung anderer Regionen gegenüber. In diesen Prozessen bildeten sich eine Reihe räumlicher Produktionssysteme: montanindustrielle Komplexe (Newcastle, Sheffield, Südwales), großbetrielich dominierte Cluster (Baumwollindustrie in Manchester), integrierte Systeme von kleinen und mittleren Betrieben (Metallindustrie in Birmingham, Tonwarenindustrie in Staffordshire) sowie Agglomerationen der Finanz- und Kulturwirtschaft (London). Insgesamt wurde durch diese Raumstrukturierungen zwischen dem Beginn und der Mitte des 19. Jh. die überkommene Londoner Dominanz von den nördlichen Industriezentren relativiert, sie blieb jedoch letztlich bestehen6. Um 1800 war in Großbritannien die Geographie der Industriellen Revolution bereits deutlich sichtbar, und um 1840 hatte sich eine räumliche Struktur etabliert, die bis zur Jahrhundertwende weitgehend stabil blieb. Die regionale Differenzierung der Ökonomie wurde dabei abgebildet in der kulturellen und politischen Dif5 Ich beziehe mich in der folgenden Darstellung auf Brown (1972), Perry (1975), Langton / Morris (1986), Lee (1981, 1984, 1986), Dodgshon / Butlin (1990), Hudson (1989a, 1992), Lawton / Pooley (1992) und Pollard (1992, 1997). 6 Vgl. zu den Raummustern speziell Gregory (1990); zu London: Hall (1962), Ball / Sunderland (2001), Lee (1981), Fisher (1990).

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Kap. 2: Freiheit der Standortwahl und Raumbindung

ferenzierung der Regionen7. Der Sektor mit der dramatischsten Produktivitätsentwicklung, die Baumwollindustrie, war auch durch die schärfste räumliche Konzentration gekennzeichnet. Aufgrund der überragenden Bedeutung dieser Branche für die britische Industrialisierung – in quantitativer, aber vor allem auch in qualitativer Hinsicht – sollen einige Charakteristika der Raumentwicklung an diesem Beispiel verdeutlicht werden8. Die Baumwollindustrie war die dominierende Exportbranche Großbritanniens, mit einem Anteil von 51% am Gesamtwert aller Exporte im Rekordjahr 18309. Die Branche war zu Beginn des 18. Jh. vermehrt in Lancashire, East Midlands, Yorkshire, Scotland und North Wales vertreten. Seit den 1780er Jahren konzentrierte sie sich stärker in Lancashire. Die neuen, in der Baumwollindustrie anwendbaren Maschinen wurden gehäuft, aber keineswegs ausschließlich in Lancashire eingesetzt. Erst zu Beginn des 19. Jh.s, parallel zur Herausbildung eines festen Standortmusters in allen weiteren Zweigen der Textilindustrie, setzte sich die Region endgültig als dominantes Zentrum in Großbritannien durch. In der Erhebung der Fabrikinspektoren von 1841 wurden 80% aller Beschäftigten der Baumwollindustrie in zwei Counties, Lancaster und Chester, gezählt10. Gleichzeitig hatte der Zweig eine enorme Bedeutung innerhalb der Region erlangt. Die absolute Spitze markierte das Jahr 1811, als knapp 37% aller Beschäftigten in der Baumwollindustrie tätig waren. Bis 1841 wuchs die Zahl der Beschäftigten auf 446 Tsd. Personen, während der relative Anteil aller Beschäftigten in der Region Lancashire auf 18,3% sank. Hierbei war allerdings der Boom anderer Branchen, so etwa beim Textilmaschinenbau, häufig eng mit der Baumwollindustrie gekoppelt. Die ursprünglichen Lokalisationsgründe der Lancashire Textilindustrie waren preiswerte Arbeitskräfte, eine lange Tradition in der Textilherstellung und die klimatischen Vorteile bei der Verarbeitung von Baumwolle. Vorteilhaft waren auch der Zugang zum Meer sowie die zahlreichen kleineren Flüsse als Antriebsquelle, Transportweg und Verbrauchstoff für das Färben und Bleichen. Der Aufstieg zum weltweit führenden Textilstandort begann im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts mit der Implementierung produktivitätssteigernder Technologien. Zu einem 7 Vgl. zur Spezialisierung der britischen Ökonomie in der Industriellen Revolution: Crafts (1985: 141 – 152); zur quantitativen Verteilung der Industrie um 1840: Day (1927) und Fang (1930). Vgl. zu verschiedenen Aspekten der regionalen Differenzierung Langton / Morris (1986), Lee (1986), Hunt (1973, 1986) und St. King (2000); zur langfristigen Determinierung der nördlichen Industriebezirke: Southall (1988), zur regionalen Differenzierung politischer Interessen und Organisationen: Langton (1984) und Butlin (1990); zur Sonderstellung Londons: Ingham (1984). 8 Siehe zur Lokalisierung der Baumwollindustrie in Lancashire: Farnie (1979, Kapitel 2), Timmins (1998) sowie zuvor Chapman (1904, Kapitel 8), Jewkes (1930) und Rodgers (1960); vgl. Taylor (1949) zur Spezialisierung der Baumwollindustrie innerhalb Lancashires; allgemein zur Geschichte der Baumwollindustrie in Großbritannien: Rose (1996, 2000) und Chapman (1997). 9 Farnie (1979: 9). 10 Day (1927: 96).

3. Raumdifferenzierung wahrnehmen: Reisen, Vergleichen, Zählen

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Wachstumsgaranten wurden sie jedoch erst durch ihre regionale Diffusion und den hierdurch ausgelösten breiten inkrementalen Innovationsprozeß. Diese technische und ökonomische Entwicklung wurde getragen von Familienunternehmen und den von ihnen geknüpften Produktions-, Handels- und Finanznetzwerken, deren Existenz wiederum nur vor dem Hintergrund der soziokulturellen Traditionen der Region erklärt werden kann11. Hatte London bis zu den napoleonischen Kriegen die Führungsposition im Textilhandel inne, so übernahm Manchester diese Rolle in diesem Zeitraum. In den 1830er und 1840er Jahren stiegen benachbarte Ortschaften zu spezialisierten Produktionsstandorten auf, während in Manchester Funktionen wie Handel und Finanzierung, Produktplanung und Design expandierten. Zusammenfassend gesagt hatten sich regionale Spezialisierungen bereits im vorindustriellen Großbritannien der ersten Hälfte des 18. Jhd.s herausgebildet. In der nachfolgenden Industrialisierung wurde diese Raumstrukturierung massiv überformt. Die räumliche Konzentration dehnte sich auf neu entstehende Branchen aus, sie umfasste immer speziellere Arbeitsstufen und ihr Intensitätsgrad nahm in vielen Branchen stark zu, bis diese Prozesse sich ab den 1840er Jahren verlangsamten und sich eine für Jahrzehnte relativ stabile Produktionsgeographie herausgebildet hatte.

3. Raumdifferenzierung wahrnehmen: Reisen, Vergleichen, Zählen Der übergreifende Erklärungsgegenstand der ökonomischen Theorien in Großbritannien im 18. Jahrhundert war die Transformation zu einem marktwirtschaftlichen System. Bekanntlich löste sich das ökonomische Denken erst schrittweise, beginnend mit den merkantilistischen Schriften seit dem 16. Jahrhundert, aus den Bezügen gesellschaftlicher Bedarfsdeckung und etablierte sich als eigenständige Reflexionssphäre. Die frühen Überlegungen zur Handels- und Zahlungsbilanz und zur Geldtheorie stellen einen Beitrag zur Herstellung der frühmodernen Territorialgewalt dar, wobei die ökonomischen Wirkungszusammenhänge anfangs noch mit der politischen Gewalt des Landesherren zusammenfallen. Ein ökonomischer Raum wurde in dieser Phase nur in der Form des konkreten monetären Reichtums gedacht. Da die Warenproduktion erst in einem exklusiven Segment an transportfähigen Luxusgütern griff, konzentrierte sich die Ausdehnung der staatlichen ökonomischen Macht darauf, den Export in diesem Segment auszudehnen und Importe zu vermeiden12. Rose (2000: 66 ff.). Vgl. zur Freisetzung der Reflexionsspähre ,Ökonomie‘: Mikl-Horte (1999); raumwirtschaftstheoretische Aspekte des Merkantilismus werden von Heckscher (1932) behandelt; einige zusammenfassende Thesen bei Thomasberger / Voy (1996); zum deutschen Kameralismus: Sandl (1999). 11 12

3 Scheuplein

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Kap. 2: Freiheit der Standortwahl und Raumbindung

Ab dem Ende des 17. Jahrhunderts änderte sich diese Sichtweise. Indem die regionalen Märkte an Bedeutung gewannen, rückte das Phänomen regelmäßiger und dauerhafter Überschüsse an Erzeugnissen in das Zentrum der theoretischen Diskussion. Nicht Übervorteilungen im Handel oder koloniale Abenteuer schienen nachhaltig für Reichtum zu sorgen, sondern die systematische Nutzung der Produktionsfaktoren ,Arbeit‘ und ,Boden‘. Um sie zu erschließen, war ein institutioneller Rahmen notwendig (Eigentumsrechte), innerhalb dessen sich die soziale Differenzierung (Arbeitsteilung) und Integration (Tausch) sowie die technologische Entwicklung gegenseitig stützten und erweiterten. In diesem Rahmen wurde die Semantik des Reichtums von der ,Macht des Fürsten‘ auf den ,Wohlstand der Nation‘ umgestellt. Viele Hände waren an der Herstellung des Reichtums beteiligt und konnten von ihm profitieren; entsprechend wurde die Ökonomie immer stärker als eigenständige und nach eigenen Regeln funktionierende Sphäre begriffen. Und ähnlich wie ,Arbeit‘ erst in diesem Prozeß als abstrakte Tätigkeit denkmöglich wurde, so konnte mit der In-Wertsetzung von Regionen erst ,Raum‘ als abstrakte Dimension ökonomischen Handelns reflektiert werden. Innerhalb der ,Great Transformation‘ (Karl Polanyi) von Arbeitskräften und Produktionsmitteln zu disponiblen Faktoren wurde auch die Nutzung des Raumes nach ökonomischen Leistungskriterien zum Thema. Bei den frühen Autoren der politischen Ökonomie findet sich ein zunehmendes Bewußtsein über die Raumstruktur als einer optimierbaren Variable innerhalb des wirtschaftlichen Prozesses13. So verweisen Richard Cantillon und in seiner Nachfolge James Steuart auf einen hohen Freiheitsgrad bei der Standortwahl des Gewerbes. David Hume erkennt in seinen ,Essays‘ eine räumliche Kapitalmobiltät nach dem Motiv der Profitmaximierung. „Manufactures, therefore gradually shift their places, leaving those countries and provinces which they have already enriched, and flying to others, whither they are allured by the cheapness of provisions and labour; till they have enriched these also, and are again banished by the same causes.“14

Malachy Postlethwayt führt ein ,natural equilibrium‘ der ausgeglichenen Raumentwicklung ein, daß er durch die städtische Konzentration des Gewerbes bedroht sieht. Und für Adam Smith ist „die freie Wahl des Arbeitsplatzes und der Kapitalinvestitionen nach Ort und Erwerb“ bereits zu einer naturgemäßen Gesetzmäßigkeit geworden, der er gegen staatliche Eingriffe zu ihrem Recht verhelfen möchte15. Allerdings darf nicht übersehen werden, daß es sich hier um eine normative Konstruktion handelt und weniger um eine empirische Tatsache, wie etwa Hume 13 Allgemein zu raumwirtschaftstheoretischen Aspekten bei Richard Cantillon: Hébert (1981) und Klingen (1992), bei Steuart: Johnson (1937: 216 – 217), bei Smith: Stull (1986). 14 Hume (1752: 311); vgl. zur Freiheit der Standortwahl: Cantillon (1755: 100), Steuart (1767: 67, 241 f.). 15 Vgl. Postlethwayt (1757: 416 f.); Smith (1776a: 183, Buch I, Kaptitel 10, Teil II) zur Standortwahl, sowie zur Mobilität von Großhändlern: Smith (1776b: 54, Buch II, Kapitel 5).

3. Raumdifferenzierung wahrnehmen: Reisen, Vergleichen, Zählen

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suggeriert. In der ökonomischen Literatur wurde Humes Annahme gelegentlich als zu pauschal zurückgewiesen. Jean-Baptiste Say bezeichnete sie als „reine Vermuthung“ und noch 1847 beklagte Travers Twiss in einer Bilanzierung der Smithschen Konzeption, daß die räumliche Mobilität der Arbeitskräfte unangemessen stark behindert werde16. Die räumliche Konzentration von Branchen wird bei (früh-)klassischen Autoren von William Petty bis David Hume, aber auch noch bei den ,Systematikern‘ wie Richard Cantillon, Adam Smith und Dugald Stewart in ganz unterschiedlichen Kontexten und aus ganz verschiedenen Interessenlagen erwähnt. Nimmt man jedoch die Entstehung und Verteilung des volkswirtschaftlichen Überschusses als das theoretische Kernproblem der klassischen Politischen Ökonomie, dann können drei Problemkreise unterschieden werden, in denen eine Thematisierung von Clustern systematisch in diesen Theoriediskurs integriert war. Erstens identifizierten die Autoren die Gründe für die Überschüsse in der neuartigen Arbeits- und Betriebsorganisation, womit vor allem die Teilung der Arbeit gemeint ist – nach Beschäftigungsarten, nach Geschlechtern und nach Standorten. Dabei ist zweitens die grundlegende sektorale Arbeitsteilung zwischen Landwirtschaft und Gewerbe von besonderem Gewicht, die durch die Scheidung von Stadt und Land auch einen räumlichen Ausdruck erhält. In den Debatten über das richtige Verhältnis beider Sektoren bzw. Raumtypen werden Vor- und Nachteile der Lokalisierung von Gewerben als Argumente aufgegriffen. Drittens konnten die Nationalstaaten mit der fortschreitenden Integration von Binnenmärkten selbst als räumliche Einheiten der Ökonomie verstanden werden. Dies reflektierte sich vor allem in den Betrachtungen zum internationalen Konkurrenzkampf. So entstand eine Reihe von Analysen, in denen Wettbewerbsvorteile in Branchen auf der Ebene von nationalen Produktionssystemen identifiziert wurden.

a) Wirtschaftswachstum und Arbeitsteilung Eine schwierige Aufgabe für ökonomische Schriftsteller des 18. Jahrhunderts in Großbritannien lag darin, sich über das Tempo und die Richtung der ökonomischen Entwicklung klar zu werden. Einen ambitionierten Lösungsversuch für diese Fragen stellen Reiseschilderungen und Landesporträts dar. Dabei ging es zunächst um das Auffinden der konkret-stofflichen Ressourcen und Produktionskapazitäten, gewissermaßen um Entdeckungsreisen innerhalb des nationalen Wirtschaftsraumes. Naturgegebene Verkehrswege, Rohstofflager, Energiequellen, regional verfügbare Arbeitsqualifikationen und Branchentraditionen wurden bildlich gesprochen in ein ,Grundbuch‘ der nationalen Produktionsfähigkeit eingetragen. Die Beschreibung regionaler Spezialisierungen ergab sich bei dieser Textsorte ganz von selbst. Daniel Defoe ist der hervorragendste Vertreter dieser Inventarisierung des volkswirt16 J. B. Say (1828b: 106); Twiss (1847: 184 f.), vgl. auch Twiss‘ Vorschläge zur „home emigration“ (1847: 219).

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Kap. 2: Freiheit der Standortwahl und Raumbindung

schaftlichen Territoriums17. Er hat seiner bereits zitierten Feststellung einer räumlichen Verteilung von Branchen in Großbritannien verschiedene Übersichten über die gewerbliche Topographie folgen lassen. Neben dem großen Panorama der Gewerbe in seiner ,Tour through the Whole Island of Great Britain‘ kommt er hierauf im ,Complete English Tradesman‘ zu sprechen. Ebenso geht er in seiner Studie zur Wollindustrie und schließlich in seiner Überblicksdarstellung ,Plan of the English Commerce‘ darauf ein18. Dabei beschränkte sich die Spezialisierung keineswegs auf das Segment der Luxusgüter, sondern umfaßte auch die Produkte des Massenkonsums, was Defoe anschaulich anhand der Kleidung von einfachen Leuten demonstriert. Ein weiteres interessantes Detail ist zudem seine Schilderung der räumlichen Verteilung von Einzelhandelsgeschäften in London: „In most towns, but particularly in the city of London, there are places, as it were, appropriated to particular trades, and where the trades which placed there succeed very well, but would do very ill any-where else; ( . . . )“19.

In Defoes Reiseschilderungen kommt exemplarisch das Neuartige der klassischen Politischen Ökonomie zum Ausdruck: nicht mehr die bloßen Naturbedingungen, sondern die gesellschaftliche Arbeit wird als Schlüsselfaktor in der ökonomischen Entwicklung verstanden. Der anonyme Autor des ,Essay on Trade‘ drückte es so aus: „( . . . ) Land itself has not so great a share in the fundamental Riches of a Nation, as the Labour, Skill and Industry of the Inhabitants ( . . . )“20. So stellten die frühen klassischen Ökonomen, beginnend mit William Petty zum Ende des 17. Jahrhunderts, die Humanqualifikationen – ,arts‘ und ,ingenious labour‘ – in den Vordergrund. Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurde dann der Ökonomie der vergegenständlichten Arbeit – den Arbeitsinstrumenten, den Betriebsanlagen und den Maschinen – zunehmend Bedeutung geschenkt. Die konkreten Formen der Arbeits- und Betriebsorganisation, inklusive der Lokalisierung von Branchen, und ihre Auswirkungen auf die Produktivität wurden zum wissenschaftlichen Untersuchungsgegenstand. William Petty selbst betonte etwa den positiven Einfluß der räumlichen Konzentration für verschiedene Herstellungsprozesse. Hat ein Gewerbe an einem Ort erst eine bestimmte Größe entfaltet, dann wird eine tief gestaffelte Arbeitsteilung möglich, die den darin integrierten Akteuren Produktivitätsvorteile beschert: „But the Gain which is made by Manufactures, will be greater, as the Manufacture it self is greater and better. For in so vast a City Manufactures will beget one another, and each 17 Vgl. von Dahlen (1975); allgemein zu Defoe als Ökonom: Moore (1958), West (1997), Nowak (2001). 18 Vgl. in der ,Tour‘ von Defoe (1742: 85 – 88) die Auskünfte über die Herkunft der Waren auf der Messe von Sturbrigde. Ähnlich Defoe (1704: 18, 1727: 203, 1728: 65) und im ,Tradesman‘ der ,Table of Manufactures, as well of Wool, as of Metals, Minerals, etc.‘ (1726: 372 – 375). 19 Vgl. Defoe im ,Tradesman‘ zur innerstädtischen Konzentration des Einzelhandels (1726: 39) sowie zur Geographie von Massenkonsumartikeln (ebd. 189). 20 Anonymus (1719: 6).

3. Raumdifferenzierung wahrnehmen: Reisen, Vergleichen, Zählen

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Manufacture will be divided into as many parts as possible, whereby the Work of each Artisan will be simple and easie; As for Example. In the Making of a Watch, If one Man shall make the Wheels, another the Spring, another shall Engrave the Dial-plate, and another shall make the Cases, then the Watch will be better and cheaper, than if the whole Work be put upon any one Man. And we also see that in Towns, and in the Streets of a great Town, where all the Inhabitants are almost of one Trade, the Commodity peculiar to those places is made better and cheaper than elsewhere“21.

Diese Verknüpfung von Arbeitsteilung, Produktivität und Lokalisierung ist eine der klarsten frühklassischen Beschreibungen des ökonomischen Wirkungzusammenhangs von Clustern. Weiterhin wies William Temple darauf hin, daß sich die verschiedenen Hafenstädte der Niederlande auf einzelne Produktsegmente bzw. Handelsregionen spezialisierten. Die räumliche Konzentrationstendenz in der britischen Wollindustrie vermerkt George Berkeley in seinem ,Querist‘ als bedenkenswertes Faktum. Josiah Tucker verweist auf die führende Rolle der englischen Metallverarbeitung und ihre bevorzugten Standorte. Arthur Young beschreibt in seiner ,Six Months Tour through the North of England‘ unter anderem die Spezialisierung des Sheffielder Metallgewerbes. Die Entstehung des Uhrmachergewerbes im schweizerischen Kanton Neuchâtel, geschildert von William Coxe, griff Dugald Stewart auf, um zu demonstrieren, daß wirtschaftliche Freiheit eine entscheidende Voraussetzung für die Lokalisierung und das schnelle Wachstum neuer Branchen ist. John Aikin legt 1795 eine opulente Darstellung des englischen Nord-Westens vor. Neben einem eingehenden Bericht über die Baumwollindustrie in Manchester gibt er einen Überblick über die Wollindustrie im West Riding of Yorkshire, das Töpfergewerbe in Staffordshire, das Metallgewerbe in Sheffield und das Seidengewerbe in Cheshire22. All dies sind Aspekte, mit denen die Entstehung einer neuen, nicht durch die agrarische Grundlage vorgegebene Produktionsgeographie registriert wird. Diese Beobachtung geht auch in die drei großen systematischen Theorieentwürfe des 18. Jahrhunderts ein. So zeigt Richard Cantillon die Standortorientierung des gewerblichen Sektors aufgrund der Rohstoff- und Konsumnähe auf, James Steuart sieht die gewerbliche Lokalisierung durch die Nähe zu Energieträgern, die Lage im Transportsystem und die Lebenshaltungskosten der Arbeitskräfte bedingt23. Adam Smith schließlich entwirft für den gewerblichen Sektor ein theoretisches Modell, in dem Arbeitsteilung, Marktausdehnung und Kapitalakkumulation als interdependente Prozesse miteinander verknüpft sind. Die Dynamik der marktwirtschaftliPetty (1683: 473). Temple (1672: 116 f.), Berkeley (1735, Frage 520), Tucker (1758: 32 f.), Young (1770: 132). Die Beschreibung des Uhrmacherdistrikts von William Coxe (1779: 225 – 229) nutzte Dugald Stewart (1856: 12 f.) in seinen ,Lectures‘. Aikin (1795: 5) gibt bereits in seiner Einleitung einen Überblick über die Produktionsgeographie von Lancashire und die angrenzenden Gebiete; vgl. auch Aikins (1790) geographische Beschreibung von England und Wales mit zahlreichen Erwähnungen von regionalen Branchen. 23 Vgl. die Standorttheorien bei Cantillon (1755: 99) und Steuart (1767: Buch I, Kapitel 9); zusammenfassend: Berg (1983: 44). 21 22

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Kap. 2: Freiheit der Standortwahl und Raumbindung

chen Entwicklung vollzieht sich dabei über die Differenzierung und Integration in sektoraler und räumlicher Dimension: Mit dem volkswirtschaftlichen Fortschritt verselbständigen sich Agrikultur, Gewerbe und Handel zu getrennten Sektoren, die sich wiederum intern differenzieren. Smith betont in dem Kapitel ,Of the different Employments of Capitals‘, daß der gewerbliche Standort material- oder konsumorientiert sei. Smith unterscheidet zwei Evolutionsmuster von Gewerbestandorten: Zum einen hätten sich Standorte durch die Nachahmung ausländischer Produkte entwickelt. Die entsprechenden Branchen – Smith nennt als Beispiel u. a. die Seidenfabrikation in Lyon und Spitalsfield – seien von Anfang an exportorientiert gewesen und hätten häufig ausländische Rohstoffe verarbeitet. Zum anderen sei später ein zweites Lokalisierungsmuster entstanden, daß auf der Verarbeitung einheimischer landwirtschaftlicher Rohstoffe beruhe. Je nach Rohstoffbasis seien so verschiedene Branchenzweige an unterschiedlichen Standorten aufgeblüht und seien zum Motor der Urbanisierung geworden24. Mit der weiteren Spezialisierung von Produkten und Prozessen, so ergänzt Smith, wird dann die jeweilige Produktivität an den einzelnen Standorten zur Triebfeder der ökonomischen Entwicklung. Es kann festgehalten werden, daß die frühen klassischen Ökonomen die räumliche Konzentration von Branchen als einen Einflussfaktor auf die Produktivität der Arbeit entdeckten. Innerhalb der neuartigen Konstruktion der klassischen Politischen Ökonomie, die die Arbeit als Grund des gesellschaftlichen Reichtums verstand, zeichnete sich für die Clusterung ein systematischer Ort in der ökonomischen Theorie ab.

b) Stadt und Land ,Stadt‘ und ,Land‘ wurden in der ökonomischen Theorie des 18. Jahrhunderts als Raumtypen begriffen und den drei Hauptsektoren zugeordnet, der Landwirtschaft zum einen, Gewerbe und Handel zum anderen. Hieran anschließend wurde die Komplementarität der Sektoren sowie der Zusammenhang zwischen Sektoren und Raumtypen diskutiert. So hat Cantillon realwirtschaftliche und monetäre Flüsse zwischen Stadt und Land untersucht und Steuart aus der Teilung in ,farmers‘ und ,free hands‘ unterschiedliche Gesetze der Bevölkerungsverteilung abgeleitet. Smith hat beide Raumtypen als Strukturelemente in seiner Wachstumstheorie verstanden, die sich gegenseitig Impulse geben können25. Innerhalb dieses großen 24 Vgl. zu den Standortorientierungen der Branchen: Smith (1776b: 54, Buch II, Kapitel 5); zur Rohstoffbasis: Smith (1776b: 116, Buch III, Kapitel 3): „In this manner have grown up naturally, and as it were their own accord, the manufactures of Leeds, Halifax, Sheffield, Birmingham and Wolverhampton. Such manufactures are the offspring of agriculture.“ 25 Vgl. Cantillon (1755: Zweiter Teil, Kapitel 5), Steuart (1776a: Buch I, Kapitel 10) und Smith (1776b: III. Buch, 3. und 4. Kapitel). Vgl. auch die Ausführungen zu regionalen Differenzen und zu städtischen Regulierungen von Gewerben bei Smith (1776a: 192 – 201 und 209 – 222 bzw. Buch I, Kapitel 10). Vgl. Myint (1977: 238) zur Rolle der Raumtypen in Smith Wachstumstheorie. Allgemein zu ,Stadt‘ und ,Land‘ bei Smith: Stull (1986); zur volkswirt-

3. Raumdifferenzierung wahrnehmen: Reisen, Vergleichen, Zählen

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Themenkreises soll hier nur an einige Hinweise auf branchenbezogene Standortvorteile von Städten erinnert werden. Die eindeutige Favoritenrolle von Städten als Standorte des Gewerbes zeichnete sich erst im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts ab. Bis zu diesem Zeitraum wurden die städtischen Agglomerationsvorteile, die auf einige Branchen eine hohe Anziehungskraft ausübten, immer wieder konterkariert durch verschiedene Nachteile. Dabei spielten eine starr regulierte Sozial- und Wirtschaftsordnung sowie das Lohngefälle gegenüber den ländlichen Regionen die wichtigsten Rollen. Smith macht z. B. darauf aufmerksam, daß Territorien über ,natürliche oder erworbene Vorteile‘ verfügen, die ihnen unterschiedliche sozio-ökonomische Entwicklungspfade eröffnen. In seiner Sicht ist die Spezialisierung der Arbeitsarten an die Agglomerationsgröße gebunden, was die städtische Entstehung vieler Gewerbe begründet. Fühlungsvorteile von Städten sieht Smith bei der Informationsverteilung26. Defoe betont die Agglomerationsvorteile der Hauptstadt London, die eine Differenzierung verschiedener Branchen erst möglich mache. Ebenso findet sich dieses Argument später bei dem Earl of Lauderdale. Josef Harris unterscheidet eine Hierarchie von Siedlungstypen nach der Branchendifferenzierung. Die sektorale Varietät nimmt mit der Stadtgröße zu und ermöglicht einen ökonomischeren Warenbezug. Schließlich können nach James Anderson Fühlungsvorteile in Städten helfen neue Branchen zu etablieren, da die Adaption der neuen Techniken durch die Dichte und die Erreichbarkeit der Bevölkerung erleichtert wird27. Gegen derartige Überlegungen erheben sich jedoch auch agglomerationskritische Stimmen, so etwa die von Malachy Postlethwayt. Er sieht in den lokalen Lebensbedingungen und Lohnniveaus den Grund, weshalb sich Gewerbe in wenigen Städten konzentrieren. Dies könne zu einer unausgeglichenen Raumentwicklung führen. Steuart und Smith halten die Wachstumsdynamik in Städten für gehemmt. Smith weist darauf hin, daß althergebrachte Regulierungen, aber auch die in den Städten immer wieder neu entstehenden Schutzgemeinschaften ansässiger Gewerschaftlichen Diskussion: Berg (1994: 57 ff.); zum wirtschaftsgeschichtlichen Hintergrund: Jones (1974), Dodgshon (1987: 303 und 1990) und Wrigley (1985). 26 Vgl. zur Gleichrangigkeit natürlicher und erworbener Produktionsvorteile Smith (1776b: 186, IV Buch, 2. Kapitel), zur Entstehung von Gewerben in Städten (1776a: 26, Buch I, Kapitel III), zur Fähigkeit der Kooperation bzw. Kartellierung in Städten (1776a: 195, Buch I, Kapitel 10, 2. Abschnitt), zur Funktion der Informationsverteilung (1776a: 175, Buch I, Kapitel 10, 1. Abschnitt). Cantillon (1755: 5 – 11, 14 – 17) hat eine Theorie über den hierarchischen Aufbau von Siedlungen vorgelegt, die jedoch ganz auf den konsumorientierten Gewerben, die den Grundrentiers folgen, aufgebaut ist und nichts über Lokalisationsvorteile berichtet. 27 Vgl. Defoe (1726: 288); die Vorteile eines zentralen Handelsortes beschreibt Defoe in ,A Brief State of the Inland or Home Trade, of England‘ (1730); dieses Pamphlet war Teil einer Kampagne der ortsfesten Einzelhändler gegen Straßenverkäufer und reisende Händler, siehe Curtis (1979: 208). Earl of Lauderdale (1804: 282 f.) zitiert aus Xenophon: Kyrupädie, 8. Buch, 2. Kapitel, § 5. Auf die gleiche Passage bezog sich auch Stewart (1855: 311 f.) in seinen Vorlesungen; vgl. Harris (1757: 21 f.) und Anderson (1777: 22).

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Kap. 2: Freiheit der Standortwahl und Raumbindung

betreibender, dafür sorgen, daß technische und ökonomische Entwicklungen blokkiert werden28. Innerhalb dieser Diskussion um die Vor- und Nachteile der beiden Raumtypen spielte auch die Herausbildung unterschiedlicher Organisationsformen eine Rolle – auf der einen Seite das Hausgewerbe als ländlicher Nebenverdienst, auf der anderen Seite das hauptberufliche Gewerbe, das sich vorwiegend in den Städten ansiedelte. Im Unterschied zu Smith, der diese beiden Produktionssysteme eher komplementär sah, erkannten James Anderson und Arthur Young schwerwiegende Nachteile des ländlichen Nebengewerbes. Dagegen machte Dugald Stewart dessen relative Vorteile stark und befürwortete eine Ruralisierung des Gewerbes29. Auch hier spielten implizit Lokalisationsvorteile, die die Autoren den verschiedenen Raumtypen zu- oder absprachen, eine Rolle.

c) Nationale Wettbewerbsvorteile Mit der Entstehung von nationalen Wirtschaftsräumen in der Frühmoderne entwickelte sich auch ein ökonomischer Wettbewerb auf der nationalen Ebene. Mit dem Aufstieg des klassischen Denkens wurden die Wettbewerbsvorteile stärker über die Standortbedingungen von Branchen fundiert30. Ein frühes Beispiel für eine derartige Reflexion bieten William Pettys Arbeiten. In seinem Vergleich der britischen, französischen und holländischen Volkswirtschaft behandelt er standortspezifische Vorteile als wichtigen Erklärungsgrund31. Da Petty deutlich betont, daß nicht die gegebenen Naturvorteile, sondern die Fähigkeit, diese produktiv zu nutzen, über den Reichtum eines Landes entscheidet, mißt er branchenspezifisch genutzten Branchenvorteilen eine überragende Bedeutung zu. Waren die Niederlande im 17. Jahrhundert der stärkste Konkurrent Großbritanniens, so stieg Frankreich mit dem Beginn des 18. Jahrhunderts zum wichtigsten Wettbewerber auf. Tucker trägt eine detaillierte Stärken-Schwächen-Analyse beider Länder vor, die das Pro28 Vgl. Postlethwayt (1757: 416), Steuart (1767: 71) und Smith (1776a: 195 – 201, Buch I, Kapitel 10, 2. Teil). 29 Vgl. Berg (1983: 53 – 55), die sich u. a. auf eine ausführlichere Diskussion von Stewart (1855: 152 – 183) stützt. 30 Hier existiert ein lockerer Übergang vom merkantilistischen zum klassischen Schrifttum; wie man am Beispiel der britischen Wollindustrie sehen kann; siehe z. B. die Publikationen von Brent (1645), Anonymus (1662): „The Advantages of the kingdome of England“, Asgill (1719), Anonymus (1719): „An Essay on trade“, Anonymus (1735): „An argument upon the woollen manufacture of Great Britain“, Smith (1736), Munn (1738), Webber (1739) und natürlich Defoe (1719: 29, vgl. auch 1727). der die Branche wie folgt pries: „( . . . ) the Woollen Manufacture is the Staple of our Trade, the Soul of our Commerce, the Original Fountain of our Wealth, ( . . . )“. 31 Siehe Petty (1676: 249 – 268) zum Vergleich der Wettbewerbsvorteile Frankreichs, der Niederlande und Großbritannien, insbesondere seine Registrierung der internationalen Spezialisierung (258).

3. Raumdifferenzierung wahrnehmen: Reisen, Vergleichen, Zählen

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duktsortiment, die politische Regulierung, das Transportsystem, die Offenheit der Märkte, das Qualifikationsniveau und die Integrationsfähigkeit der Länder umfaßt. Defoe erkennt ebenfalls Wettbewerbsvorteile in verschiedenen Branchen auf nationaler Ebene und benennt darüber hinaus spezifische Entstehungsstandorte dieser Vorteile, so etwa am Beispiel der metallverarbeitenden Industrie. Er registriert eine ausgeprägtere regionale Spezialisierung in Großbritannien als auf dem europäischen Kontinent und hält dies für eine Erfolgsbedingung der britischen Ökonomie: „This is owing to another particular circumstance of our manufacture, and perhaps is not so remarkably the case of any other manufacture or country in Europe; namely, that though all our manufactures are used and called for by almost all the people, and that in every part of the whole British dominion, yet they are made and wrought in several distinct and respective countries in Britain, and some of them at the remotest distance from another, hardly any two manufactures being made in one place: For example; The broad-cloth and druggets, in Wilts, Gloucester, and Worcestershire. The serges, in Devon and Somersetshire. The narrow cloths, in Yorkshire and Staffordshire32.

Bereits in einem frühen Pamphlet zu den britisch-französischen Handelsbeziehungen lieferte Defoe eine interessante Begründung für die Dauerhaftigkeit nationaler Spezialisierungen. Der Text entstammte einer erbitterten Kontroverse von Tories und Whigs im Jahre 1713 über die außenwirtschaftlichen Auswirkungen des Vertrags von Utrecht zwischen den beiden Ländern. In dieser Kontroverse war Defoe als Redakteur der Kampagnenzeitung ,Mercator‘ auf Seiten der freihändlerischen Tories engagiert33. Als ein Argument für eine stärkere Öffnung des Handels erkennt er das nicht-kodifizierte Produktionswissen. Es werde in den verschiedenen Regionen von Generation zu Generation weitergegeben und werde so zu einem ,natural habit‘ der Produzierenden, weshalb es nur schwer kopierbar sei und die Spezialisierungsvorteile einer Region langfristig bewahrt werden könnten. Dieser Zusammenhang trete bereits innerhalb einzelner Länder auf und wiege im Wettbewerb zwischen verschiedenen Ländern noch schwerer34. Bei dieser Begründungsform nationaler Wettbewerbsvorteile lag es auf der Hand, sie mit der zeitlichen Dimension zu verknüpfen und das Infant-Industry-Argument zu formulieren. Dies geschah bereits bei einer Reihe von Autoren des 17. und frühen 18. Jahrhunderts worauf Jacob Viner aufmerksam gemacht hat. Häufig wird dabei auf staatliche Initiativen des Branchenaufbaus abgehoben, während Defoe und Hume die first mover-Vorteile von Marktteilnehmern betonen: „Where one nation has gotten the start of another in trade, it is very difficult for the latter to regain the ground it has lost; because of the superior industry and skill of the former, Defoe (1726: 185 f.); vgl. zum Metallgewerbe: Defoe (1728: 217), zuvor Tucker (1753). Der Vertrag von Utrecht beendete den spanischen Erbfolgekrieg und markierte die Ablösung Frankreichs durch Großbritannien als domimante europäische Großmacht. Der Vertag enthielt auch außenwirtschaftliche Vereinbarungen zwischen Großbitannien und Frankreich, auf die sich die britische Kontroverse bezog. Vgl. Curtis (1979: 151 – 157) zu Defoes (1713) Text und Johnson (1937: Kapitel 8) zu Defoes damaligem Widerpart Charles King. 34 Defoe (1713: 168). 32 33

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Kap. 2: Freiheit der Standortwahl und Raumbindung and the greater stocks, of which its merchants are possessed, and which enable them to trade on so much smaller profits“35.

In einer Auseinandersetzung mit dem Infant-Industry-Argument zu Beginn des 19. Jahrhunderts deutet Dugald Stewart darauf hin, daß das regional spezialisierte Produktionswissen der Arbeitskräfte an Bedeutung verloren habe. Durch den Einsatz von Maschinen werde eine neue technolgische Chancengleichheit und damit eine räumliche Angleichung der Investitionsbedingungen hergestellt36.

4. Schlußfolgerungen Die britische Volkswirtschaft des 18. Jahrhunderts war durch eine wachsende räumliche Spezialisierung gekennzeichnet. Dies war Teil des Übergangs von einer stationären, am gesellschaftlichen Bedarf orientierten Ökonomie hin zu einem dynamischen, durch die individuellen Ertragsmotive gesteuerten System. Dieser Trend wurde auch von der beginnenden klassischen Politischen Ökonomie wahrgenommen. Sie begriff die Lokalisierung von Branchen als ein Strukturelement der technisch-arbeitsorganisatorischen Veränderungen der Produktion. Autoren wie Petty, Berkeley, Defoe und Tucker betonen die Wirkung auf die Arbeitsproduktivität. Als ein Aspekt der Arbeitsteilung wirkt die Raumstruktur auf das Tempo, mit dem Volkswirtschaften ihren Kapitalstock und damit ihre Produktion ausdehnen können. In den Debatten über das richtige Verhältnis zwischen landwirtschaftlichem und gewerblichem Sektor werden wirtschaftliche Vorteile durch die Lokalisierung von Gewerben erwartet. Neben diesen lokalen bzw. regionalen Konzentrationen von Produktionsaktivitäten wird auch der Nationalstaat als Raumebene betrachtet, auf der eine Integration bzw. Spezialisierung von wirtschaftlichen Aktivitäten stattfinden kann.

35 Hume (1752: 310 f.); Viner (1937: 71 f.) sieht das Infant-Industry-Argument bei Andrew Yarranton, William Wood, Arthur Dobbs, David Binton und dem anonymen Autoren des „Discourse consisting of motives for the enlargement and freedome of trade“ (1645); Johnson (1937: 126) führt Nehemiah Grew an, siehe auch Josiah Tucker (1758: 50 f.). Vgl. in ähnliche Richtung wie Hume, aber weniger präzise: Cantillon (1755: 100) und Steuart (1767: 315). 36 Stewart (1855: 331) in seinen 1800 – 1810 gehaltenen ,Lectures‘.

Kapitel 3

Stagnation und räumliche Homogenität 1. Ricardo und die Wollindustrie 1814 ließ sich ein ehemaliger Börsenmarkler, einer der hundert reichsten Männer Großbritanniens, auf dem Landgut Gatcombe Park in der westenglischen Grafschaft Gloucestershire nieder. Die industrielle Kapazität der Region war gering, der Lebensstandard der Bevölkerung bescheiden. Der vielseitig interessierte Autodidakt widmete sich in seinem frühen Ruhestand ökonomischen Studien. Seine neue Heimat vor Augen, ließ er sie zur Illustration in einem Gedankenexperiment auftreten: „If labour were much higher in Yorkshire, than in Gloucerstershire, profits would be lower, and capital would by degrees removed from the former to the latter place; so that each district would have that portion of the general capital which it could most beneficially employ; ( . . . )“1.

Räumliche Profitratendifferentiale, so die bekannte Botschaft David Ricardos, sind nur eine kurzfristige und zu vernachlässigende Erscheinung, die durch die Mobilität von Produktionsfaktoren verschwindet. Dies ist eine der seltenen Passagen, in denen Ricardo explizit die räumliche Dimension der Ökonomie anspricht. Er bestimmt den nationalen Wirtschaftsraum als Wirkungsebene der Ökonomie und schließt gleichzeitig eine interne Strukturierung dieses Raumes aus. Eine längerfristige räumliche Konzentration von Branchen kann sich unter dieser Annahme nicht bilden. Was verliert die ökonomische Theorie damit an Erklärungskraft? Ich möchte hier Ricardos Beispiel beim Wort nehmen und es im historischen Kontext situieren: Wie entwickelten sich die Regionen Gloucestershire und Yorkshire langfristig, sagen wir, innerhalb der nächsten 30 bis 40 Jahre? Und war eine Nivellierung der regionalen Profite einschließlich des prognostizierten interregionalen Kapitalflusses feststellbar? Der West Riding of Yorkshire war um 1815 zweifellos eine der wirtschaftlich erfolgreichsten englischen Regionen, während Gloucestershire deutlich zurück lag. Soviel wir über die Löhne wissen, war Gloucestershire in der Tat ein Niedriglohngebiet, der West Riding ein Hochlohngebiet2. In den folgenden vier Jahrzehnten 1 Ricardo (1951: 86 f.); vgl. die gleiche Aussage in den ,Principles‘ (1817: 134) mit den Ortsbeispielen Yorkshire und London. 2 Vgl. zur den Lohndifferenzen: Hunt (1986 und 1973: 14 – 17, 37 – 42), Clapham (1939: 466); zu Differenzen von Sozialtransfers: St. King (2000: 183).

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Kap.3: Stagnation und räumliche Homogenität

wurde dieser Abstand nicht abgemildert, sondern verstärkt. So befanden sich die Löhne für Landarbeiter in den 1830er Jahren im West Riding am oberen Ende und die Löhne in Gloucester am unteren Ende der englischen Lohnskala. Kurz gesagt, während es in Yorkshire zu einer kumulativen Aufwärtsentwicklung kam, setzte sich der relative Niedergang in Gloucestershire fort. Die Gründe für die unterschiedlichen Entwicklungen der Regionen erschließen sich erst bei einer sektoral disaggregierten Betrachtung der Regionen: Es ist die Geschichte einer gemeinsamen sektoralen Basis, der Wollindustrie, die sich regional gegensätzlich entwikkelte – in einem Fall zu einem hochspezialisierten, jahrzehntelang erfolgreichen Cluster, im anderen Fall zu einer nur mühsam Schritt haltenden Ansammlung von Unternehmen, die schließlich niederkonkurriert wurde. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts war die Wollindustrie sehr breit über England gestreut, wobei die meisten Regionen sich auf ein Produktprogramm spezialisiert hatten, wie Daniel Defoe es detailliert beschrieben hat. Drei Gebiete konnten im Laufe des Jahrhunderts relevante Anteile der Produktion hinzugewinnen: die Grafschaften Gloucestershire, Somerset und Wiltshire, allgemein als West of England oder West Country zusammengefaßt, East Anglia und der West Riding of Yorkshire. Ab etwa 1770 aber boomte der West Riding und gewann Marktanteile auf Kosten aller anderen Gebiete; die Region stieg bis 1840 zum unangefochten führenden Woll-Standort Großbritanniens auf. Stellt man die Entwicklung im West Riding und der wichtigsten Konkurrenzregion, dem West Country, gegenüber, dann lagen die Gründe wesentlich in der unterschiedlichen Produktionsorganisation3. Die Wollindustrie im West Country des frühen 18. Jahrhunderts funktionierte als Verlagssystem, bei dem die Verleger Wolle in großem Volumen kauften und sie auf abhängige Lohnarbeiter verteilten, die hausindustriell die verschiedenen Produktionsstufen bewältigten. Die fertigen Stoffe brachten die Verleger über Messen oder Kommissionäre nach London, wo sie an die Bekleidungsindustrie vertrieben wurden. Dagegen wurde das Gewerbe in Yorkshire von selbständigen Kleinunternehmern ausgeübt, die ihre fertigen Produkte an lokale Händler veräußerten (,Kaufsystem‘). Es wird vermutet, daß sich diese beiden Arten der Produktionsorganisation aufgrund von Unterschieden in den Produktspektren, in der Verknüpfung gewerblicher und landwirtschaftlicher Einkommen und der regionalen Verwaltungsorganisation gebildet hatten. Während das West Country durch eine zunehmende soziale Polarisierung zwischen Verlegern und Arbeitern gekennzeichnet war, fielen im West Riding die sozialen Differenzen geringer und die soziale Mobilität höher aus. In der Summe erwies sich die kleinbetriebliche Arbeitsorganisation 3 Siehe hierzu bereits Defoe (1726); die folgende Darstellung beruht auf einem Vergleich der Wollindustrien im West Riding von Yorkshire und im West Country; in vergleichender Perspektive vor allem: Randall (1988, 1989, 1991). Die Wollproduktion im West Riding haben Hudson (1986, 1989b) und Gregory (1982) untersucht; Wilson (1973) geht insbesondere auf die Überlegenheit der Wollindustrie im West Riding gegenüber anderen Regionen ein. Zur Wollindustrie in Gloucestershire siehe de Man (1971) und Tann (1967, 1973). Zusammenfassend zur britischen Wollindustrie während der Industrialisierung: Jenkins / Ponting (1982) und Jenkins (1988).

1. Ricardo und die Wollindustrie

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als effizienter, flexibler und innovationsfreundlicher, wie bereits Josiah Tucker, der damalige Dean of Gloucester, notierte4. Mit ihr bildete sich zudem ein dichtes Handels- und Kreditsystem heraus, das exklusiv auf die Wollindustrie des West Riding bezogen war. Eine weitere Differenz ergab sich über die Exportkette. Die Tuchhersteller des West Country wickelten ihren Außenhandel beständig über Londoner Händler ab, was aufgrund der geographischen Nähe zum größten Hafen unmittelbar vorteilhaft erschien. Allerdings wußten die Zwischenhändler der Hauptstadt einen guten Teil des Exportprofits abzuschöpfen. Zudem erwiesen sich diese breit aufgestellten Generalisten nicht als die optimalen Verkäufer und Werbenden für das Tuchgeschäft. Der West Riding organisierte dagegen über das Ausfallstor Hull ein eigenes, auf den Textilexport spezialisiertes Netzwerk. Dieses versorgte die Produzenten mit exklusiven Informationen über die europäischen Kunden, und es ermöglichte, eigene Handelsstrategien zu verfolgen. So gelang es beispielsweise im zweiten Viertel des 18. Jahrhundert die stagnierende Nachfrage des nordeuropäischen Textilhandels durch eine Expansion auf den südeuropäischen Märkten auszugleichen. Diese strukturellen Bedingungen der beiden regionalen Branchen hatten in der Industrialisierung bedeutende Folgen. Obwohl im West Country die ersten Spinnmaschinen bereits um 1776 aufgebaut worden waren, verlief die breitere Diffusion dieser Technik viel schleppender als im West Riding. Die abhängigen Weber in Gloucestershire waren in dieser Zeit an den sozialen Normen einer ,moral economy‘ orientiert, arbeitskampferprobt und gut organisiert. Im Vergleich zur Ludditenbewegung in den nördlichen Bezirken mobilisierten sie den nachhaltigeren Widerstand5. All dies führte dazu, daß die Industrie im West Riding schneller wuchs und zunehmend Verbesserungen in der Infrastruktur und im Handels- und Kreditsystem vorgenommen werden konnten, was wiederum beschleunigend auf die Branche wirkte. Gloucestershire konnte in diesem Zeitraum zwar noch einzelne Boomjahre aufweisen, wurde jedoch viel härter von den beiden Krisenphasen von 1832 bzw. 1837 bis 1841 getroffen. In dieser zweiten Krise sank die Zahl der Betriebe dramatisch, wovon sich die regionale Branche nie wieder erholte. „Yorkshire has gained very considerably on Gloucestershire and Wiltshire“ resümierte Edward Baines jun.6. Im West Riding waren um 1850 rund 55% der Beschäftigten der britischen 4 „( . . . ), is it to be wondered at, that the Trade in Yorkshire should flourish, or the Trade in Somersetshire, Wiltshire, and Gloucestershire be found declining every Day?“ fragt Tucker (1758: 39). 5 1815 hatte der West Riding of Yorkshire mit 278 Textilfabriken viermal soviele Produktionsanlagen als Gloucestershire / Hereford in Betrieb. Bis zum Jahr 1835 verdoppelte sich im West Riding die Zahl der Fabriken und verdreifachte sich die Summe des in diesen Fabriken angelegten Kapitals. Vgl. Jenkins / Ponting (1982: 34) zur Zahl der Fabriken und in den Regionen, zum Kapitalstock (36) und zur Beschäftigtenentwicklung (80); siehe auch Jenkins (1988); vgl. Hunt (1973: 137- 141 und 164 – 168) zur Arbeitsnachfrage in den beiden Regionen ab der Mitte des Jahrhunderts. 6 Baines (1870: 642), vgl. ähnlich auch Kohl (1844: 101) und McCulloch (1858: 479); vgl. zusammenfassend zum West Country: Tann (1967: 58) und de Man (1971: 178 – 180); für

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Kap.3: Stagnation und räumliche Homogenität

Wollindustrie angesiedelt, und im Export führte die Region mit Abstand. Dieses Lokalisationsmuster blieb bis zum Ersten Weltkrieg bestehen, wobei der Vorsprung noch ausgebaut wurde7. Dieser Ausflug in die Wirtschaftsgeschichte zeigt, daß die Prognosen aus Ricardos Modellbeispiel nicht eintrafen. Zwischen 1815 und 1840 kam es weder zu einem Kapitalfluß aus der Boomregion Yorkshire nach Gloucestershire, noch zu einem Ausgleich der Lohndifferenzen. Ricardo verfehlte systematisch den dynamischen Wirkungszusammenhang der industriellen Revolution. Pat Hudson hat darauf hingewiesen, wie notwendig es ist, die räumliche Konzentration von Unternehmen und Institutionen in die wirtschaftshistorische Erklärung einzubeziehen 8: Zwar könne die Steigerung der britischen Wollproduktion um 150% im 18. Jh. sehr einfach und allgemein mit einer Optimierung der Produktionsfunktion erklärt werden. Bei einer regional disaggregierten Betrachtung zeige sich jedoch auch, daß im gleichen Zeitraum der Anteil des West Ridings an der Wollproduktion von etwa 20% auf etwa 60% gestiegen sei. Es liege auf der Hand, führt Hudson aus, daß die Erklärung der nationalen Expansion die Erklärung der räumlichen Konzentration beinhalten müsse. Anders gesagt: Der säkulare Erfolg der englischen Wollindustrie im 18. und 19 Jahrhundert war wesentlich ein Effekt des im West Riding of Yorkshire konzentrierten Produktionssystems. Für die volkswirtschaftliche Theoriebildung heißt dies: Die raumzeitliche Verknüpfung von Produktionsfaktoren muß somit als konstitutives Element in eine Erklärung der wirtschaftlichen Entwicklung einbezogen werden. Die Bildung, Verstetigung und Auflösung von räumlichen Produktionssystemen ist eine inhärente Bewegungsform des ökonomischen Entwicklungsprozesses. Eine Tendenz zur Nivellierung der Differenzen zwischen den lokalen Preisen, Löhnen und Profiten kommt dagegen erst als Rückwirkung auf der Basis bestehender Produktionssysteme zum Tragen. So können etwa erfolgreiche Cluster Standortnachteile für andere Sektoren innerhalb einer Region generieren und Spread-Effekte herbeiführen.

2. Das räumliche Gleichgewicht Im Folgenden stehen die Aussagen David Ricardos im Mittelpunkt: Wie war sein Raumbegriff angelegt, mit dem die räumliche Konzentration von Branchen nicht thematisiert werden konnte? Da die Konstruktion eines autonomen nationaeinen Vergleich der Industrien im West Country und im West Riding im Jahr 1838 siehe de Man (1971: 186). 7 Vgl. zum Export und zum Lokalisationsmuster Jenkins / Ponting (1982); für den West Riding war die regionalwirtschaftliche Bedeutung des Woll-Clusters sehr groß, mehr als ein Drittel aller Beschäftigten waren dort im Jahr 1841 in der Textil- und Bekleidungsindustrie tätig, vgl. Lee (1986: 133). 8 Hudson (1992: 116).

2. Das räumliche Gleichgewicht

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len Wirtschaftsraumes zentral für die ricardianische Theorie ist, soll zunächst die Konzeptualisierung globaler und nationaler Wirtschaftsräume in der klassischen Politischen Ökonomie erörtert werden (a)). Dann soll gezeigt werden, wie mit Ricardos Formulierung eines räumlichen Gleichgewichts die Untersuchung räumlicher Produktionsstrukturen aus der ökonomischen Theorie ausgeschlossen wurde (b)). Die Konsequenzen dieser theoretischen Operation sollen anhand eines Fallbeispiels, einer wirtschaftspolitischen Debatte in der ersten Hälfte der 1820er Jahre, aufgezeigt werden (c)).

a) Globale Einheit und Differenzierung: von David Hume zu Robert Torrens Der wohl wichtigste Raumbezug in Adam Smith‘ ökonomischer Theorie ist seine Darstellung des Kapitalismus als eines universalen Prinzips, das tendenziell den ganzen Globus als seinen Wirkungsraum versteht. Unterhalb dieser globalen Ebene wird bei Smith eine Teilung in nationale Ökonomien erkennbar, etwa wenn er in den ersten Kapiteln des ,Wealth‘ den arbeitsteilig-tauschvermittelten Zusammenhang von Gesellschaften beschreibt, wenn er den Vorrang des Binnen- vor dem Fernhandel betont oder auf die nationale Gebundenheit des Kapitals verweist9. Aber bei Smith wird die Nation primär als politische Kategorie gedacht, die auf geschichtlich-kultureller Grundlage aufbaut. So werden bei ihm weder ökonomische Raumebenen klar unterschieden, noch werden die Beziehungen zwischen verschiedenen Nationalökonomien bestimmt. Hier steht Smith in der Tradition von David Hume und anderen klassischen Autoren, denen es darum ging, die Autonomie der ökonomischen gegenüber der staatlich-politischen Spähre zu propagieren10. Sofern sie Aussagen über die ökonomische Verflechtung im Raum machten, sahen sie diese aus den unterschiedlichen Naturbedingungen auf der Erde hervorgehen. Eine Differenzierung nach Staaten schien diese natürliche Ordnung nur künstlich zu überlagern11.

9 Zum Vorrang des Binnenhandels: Smith (1776b: 147, IV. Buch, 1. Kapitel); zur nationalen Gebundenheit: Smith (1776b: 180, IV Buch, 2. Kapitel). Vgl. zur Außenwirtschaftstheorie bei Smith: Myint (1977) und Bloomfield (1994b); auf die dort erörterte Unterscheidung zwischen ,Produktivitäts‘-Theorie und ,Vent-for-Surplus‘-Theorie (die den Außenhandel aus dem Überschuß an Faktorbeständen erklärt) wird hier nicht eingegangen. Steuart (1767: Buch II, Kapitel 19) unterscheidet zwischen ,infant‘, ,foreign‘ und ,inland trade‘; dies sind jedoch zugleich funktionale und historische Kategorien, was ihren analytischen Gehalt unklar werden läßt. Allgemein zur Geschichte der Außenwirtschaftstheorie Viner (1937), Bloomfield (1994a). 10 Vgl. zu dieser Traditionslinie Hume – Smith: Viner (1937: 291) und Sally (1998: 35 – 63); Viner (1937: 104 – 6) hat zugleich eine längere Liste von Vorläufern präsentiert – Charles DÁvenant, Isaac Gervaise, Patrick Lindsday, Jacob Vanderlint und Nicholas Magens –, die mehr oder weniger explizit die Denkfigur der internationalen Arbeitsteilung verwenden; vgl. ebenso Defoe (1719: 28).

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Kap.3: Stagnation und räumliche Homogenität

Die Frage nach der theoretischen Abgrenzung eines ökonomischen Raumes erhielt einen neuen praktischen Anstoß, als die napoleonische Kontinentalsperre von 1806 bis 1813 Großbritannien die eigene Abhängigkeit vom Außenhandel vor Augen führte. In der Debatte um eine künftige Außenwirtschaftspolitik standen sich 1808 Vertreter einer stärkeren nationalen Autarkie wie William Spence (,Britain Independent of Commerce‘) auf der einen Seite, und Freihandel-Anhänger wie Robert Torrens (,Economists Refuted‘) und James Mill (,Commerce Defended‘) auf der anderen Seite gegenüber12. Torrens knüpfte ebenso wie Mill an Hume-Smithsche Doktrin vom internationalen Handel als einer produktiven Nutzung national unterschiedlicher Standortbedingungen an. Während Mill diese Lehre vornehmlich reproduzierte, lieferte Torrens neue Begriffe, die auf den raumwirtschaftlichen Grundlagen der Ökonomie aufbauten. Neben einer Differenzierung von Arbeitsarten (,mechanical divison of labour‘), schrieb Torrens in seiner Antwort an Spence, existiere eine ,territorial division of labour‘, in der sich die unterschiedlichen natürlichen Standortbedingungen ausdrücken: „Different soils and climates are adapted to the growth of different productions. One district abounds with luxuriant pasture, another is calculated for tillage; in one country the sheep have the finest fleeces, in another country, where these animals have but a coarse and scanty covering, the earth supplies abundant quantities of cotton. Now, in countries, the soil and climate of which are thus diversified, if the system of exchanging commodities has become familiar to the minds of the people, a territorial division of labour will be established. ( . . . ) By this ( . . . ), the productiveness of human industry will be greatly augmented; the things necessary and desirable to man will receive a wonderful increase“13.

Torrens unterscheidet anschließend drei Typen von Warenaustausch und komplementär drei Raumebenen: Unterschiedliche Standortbedingungen können in nationalen Ökonomien auftreten, die dann durch Binnenhandel (,home trade‘) produktiv gemacht werden, ebenso zwischen Kolonien und ihren Mutterländern (,colonial trade‘) wie auch zwischen Nationalökonomien (,foreign trade‘). Die drei Handelstypen sind von abnehmender Vorteilhaftigkeit für das jeweils zu betrachtende Land, von der Steigerung des nationalen Binnenmarktes werden also die größten Wohlfahrtseffekte erwartet. Torrens Pointe liegt aber darin, eine weitgehende qualitative Gleichrangigkeit dieser Handels- und Raumtypen festzustel11 Explizit etwa Postlethwayt (1757: 160 f.), zu dessen Nationsverständnis vgl. Johnson (1937: 198). Vgl. zur Nicht-Differenzierung räumlicher Ebenen: Viner (1937: 595) und O’Brien (1975: 170); dagegen betont Arena (1998) den Begriff eines nationalen organisierten Produktionssystems bei Smith. Vgl. zur Verteilung der Naturbedingungen: Hume (1752: 346). 12 Vgl. zu den Auswirkungen des Kontinentalsystems in Großbritannien: Heckscher (1922: 324 – 363). Vgl. zur Spence-Torrens-Mill Kontroverse: Robbins (1958, Kapitel 2) und Groenewegen (1984). 13 Torrens (1808: 13); vgl. Mill (1808: 38, vgl. auch 86).

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len, und damit die Berechtigung des Außenhandels zu unterstreichen. Wenn Spezialisierung und Austausch die Effizienz innerhalb eines Staates steigern, dann steigern sie diese auch zwischen Staaten14. Bei verbesserter Begrifflichkeit wird also das Smithsche Konzept der Außenwirtschaftstheorie fortgeführt. Dies gilt auch für das weitere Problem einer gesellschaftlichen Produktion von Standortvorteilen. So verweist Torrens auf die ,moral habits‘ als Grund von Standortvorteilen sowie auf die Interdependenzen zwischen der ,mechanical‘ und ,territorial division of labour‘: Jede weitere Differenzierung der Arbeitstätigkeiten an einem Standort profiliert diesen im räumlichen Wettbewerb, jede Vergrößerung des überregionalen Absatzes regt zu einer vertieften innerregionalen Arbeitsteilung an15. Um dennoch nicht die Naturbedingungen als letzten Grund der internationalen Arbeitsteilung aufgeben zu müssen, naturalisieren James Mill, Torrens und in ihrem Gefolge McCulloch die gesellschaftlichen Produktionsvorteile16: Evolutiv entwickelte Wettbewerbsstärken in einzelnen Produktsegmenten werden den Regional- bzw. Nationalcharakteren zugeschrieben, und somit in mittelbarer Weise den Naturbedingungen. So können die verschiedenen Bedingungen der Produzenten – „their geographical situation, the physical capacities of their soil, their national character and habits“ – als abgestufte Naturflüsse aufgefaßt werden17. Eine mittelfristige Änderung der gesellschaftlichen Produktionsvorteile brauchte man dann nicht weiter zu thematisieren. Insgesamt kann eine Argumentationslinie Hume-Smith-Torrens ausgemacht werden, in der die Ökonomie als ein globaler Wirkungszusammenhang begriffen wird. Die Naturbedingungen differenzieren den Globus, führen zu einer räumlichen Produktspezialisierung und komplementär zum Handel. Kulturelle, soziale oder politische Differenzen werden als statische Elemente des Nationalcharakters und mittelbar ebenfalls als Element der Naturbedingungen aufgefaßt. Nationen stellen dagegen keine echten räumlichen Einheiten eines ökonomischen Prozesses dar. Dies unterstreichen Torrens und McCulloch, wenn sie von einer uneinge14 Vgl. Torrens (1808: 41) zur Gleichartigkeit der Arbeitsteilung zwischen Individuen und Nationen, ebenso McCulloch (1824a: 98), ähnlich McCulloch (1825: 120 f.) und (1849: 143) sowie der Artikel ,Corn Laws and Corn Trade‘, Encylopaedia Britannica, Vol. 3, 6. Aufl., S. 359, zitiert nach O’Brien (1970: 194); vgl. auch McCulloch zur Mobilität von Arbeitskräften (1816: 136, 159 f.), sowie Torrens (1808: 24) zur internationalen Mobilität des Kapitals und McCulloch (1825: 108) zum internationalen Ausgleich der Profitraten. Empirisch beobachtete McCulloch (1825: 104 f., 108) allerdings räumlich unterschiedliche Profitraten. Schließlich Stewart (1856: 36), der unter Bezug auf Jacob Vanderlint und Adam Smith die gleichen Vorteile für den Globus wie die einzelne Nation entstehen sieht. 15 Vgl. Torrens (1826: 184 f.). In seinem ,Essay on Money and Paper Currency‘ bietet Torrens (1812: 59) ein erläuterndes Beispiel. Vgl. zur Interdependenz der ,mechanical‘ und ,territorial division of labour‘: Torrens (1808: 29, 41 f.). 16 So etwa McCulloch (1816: 146) bzw. (1824a: 99) und (1825: 120 f.), Torrens (1812: 59), Senior (1836: 76) und Twiss (1847: 247). 17 McCulloch (1824a: 99); vgl. auch J. Mills Aufzählung von Standortorientierungen als Gründe des internationalen Handels in seinen ,Principles‘ (1821: 118 f.).

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Kap.3: Stagnation und räumliche Homogenität

schränkten Mobilität des Kapitals und einem vollständigen Ausgleich der Profitraten auf der globalen Ebene ausgehen.

b) Nationale Homogenität vs. globale Heterogenität: David Ricardo Auch David Ricardos ökonomisches System entstand im Kontext des RaumZeit-Bruches, den das napoleonische Kontinentalsystem in Europa verursacht hatte. Seine Theorie reagierte auf dessen Folgewirkungen, d. h. auf den von den Grundeigentümern 1815 durchgesetzten Kornzoll, mit dem die britische Landwirtschaft gegen die europäische Konkurrenz geschützt werden sollte. Ricardo versucht in seinen ,Principles‘ die schädliche Wirkung dieses Agrarschutzes aufzuzeigen. Seiner Ansicht nach behindert der Kornzoll die Kapitalakkumulation im gewerblichen Sektor. Um dies nachzuweisen, bemüht er sich den Einfluß des Faktors ,Kornzoll‘ in der Ökonomie zu zeigen und alle anderen Einflußvariablen, die auf die wirtschaftlichen Erträge wirken können, zu elimieren. Im Resultat entsteht so das Bild einer gleichgewichtigen Ökonomie mit konstanten Skalenerträgen, die durch die Erhebung von Kornzöllen belastet wird und in die Stagnation übergeht18. Die Konstruktion eines derartigen theoretischen Modells erforderte eine raumwirtschaftstheoretische Innovation. Zwar sieht Ricardo in der Smithschen Tradition den Kapitalismus als ein potentiell globales System gesellschaftlicher Arbeit an, gleichwohl schien ihm eine Unterscheidung zwischen zwei Raumebenen notwendig. Ricardo muß sein Modell räumlich definieren, um den Kornzoll als äußeren, systemfremden Einfluß konstruieren zu können. So geht er von einem nationalen Wirtschaftsraum aus, in dem sich die Ökonomie in einem gleichgewichtigen Zustand befindet. Entsprechend nimmt er eine homogene Ressourcenausstattung und eine vollständige Mobilität von Kapital und Arbeit innerhalb der Nationalökonomie an. Zugleich setzt er eine vollständige Immobilität der Produktionsfaktoren im internationalen Verkehr voraus, so daß das Gleichgewicht seiner Modellökonomie nicht von anderen Faktoren gestört werden kann. Nur Güter können zwischen den Staaten bewegt werden. Damit erklärt er die Nationalökonomie zur grundlegenden räumlichen Maßstabsebene, auf der die relevanten Durchschnittsmaße der Ökonomie wie etwa Arbeitsproduktivitäten, Preise und Löhne gebildet werden19. Zugleich wird behauptet, daß der wirtschaftliche Wettbewerb für die optimale Nutzung des nationalen Raumes sorgt und langfristig interregionale Disparitäten verschwinden. Normativ geht Ricardo also von einem strikten räumlichen Gleichgewicht aus. 18 Vgl. zur Ricardianischen Theorie: Blaug (1958), O’Brien (1975); zur folgenden kritischen Diskussion des ricardianischen Raumbegriffs: Myint (1977: 234). 19 Vgl. Ricardo (1817: 134) zu Anpassungsprozessen im Raum. „In one and the same country, profits are, generally speaking, always on the same level; or differ only as the employment of capital may be more or less secure and agreeable. It is not so between different countries.“

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Die Folgen für sein Raumkonzept sind signifikant: Der ,Globus‘ existiert bei Ricardo als abgeleitete Interaktion zwischen den nationalen Wirtschaftsräumen. Auf der nationalen und der internationalen Ebene herrschen unterschiedliche ökonomische Regulationsformen inklusive unterschiedlicher Prozesse der Raumstrukturierung. Während national die Arbeitswerttheorie angewandt wird, bestehen international nur Zusammenhänge zwischen relativen Preisen und reziproker Nachfrage (Theorie der komparativen Kosten). National wird von einer homogenen räumlichen Verteilung der Produktionsfakoren ausgegangen, in der Außenwirtschaftstheorie dagegen nimmt Ricardo international heterogene Faktorbestände an20. Auf der internationalen Ebene wird die technisch-arbeitsorganisatorische Seite betrachtet, so daß hier unterschiedliche Produktionsbedingungen zur sektoralen Spezialisierung führen können. Jedoch bleiben die Wertverhältnisse ausgeblendet; die unterschiedlichen Preise, Löhne und Profite eines Landes wirken nicht auf andere Länder. Auf der nationalen Ebene werden dagegen ausschließlich die Wertverhältnisse untersucht. Ohne Berücksichtigung z. B. langfristiger Kapitalbindungen oder des technischen Wandels kann die Ökonomie als ein stabiler, gleichgewichtiger Prozeß betrachtet werden21. Die Möglichkeiten steigender Erträge und disproportionaler Entwicklungen, kurz die dynamische Bewegungsformen der Ökonomie, werden ausgeblendet. All dies zeigt, daß räumlichen Begriffe in der ricardianischen Theorie substanziell verbunden sind mit seinem ökonomischen Modell. In der Homogenität des nationalen Raumes und der Heterogenität des globalen Raumes reflektieren sich jeweils unterschiedliche Seiten der gesellschaftlichen Produktion. Ricardo nimmt eine entscheidende Veränderung der ökonomischen Theorie vor, so kann man an diesem Punkt konstatieren. Er unterscheidet analytisch zwischen zwei Raumebenen, auf denen zwei unvermittelt bleibende ökonomische Wirkungszusammenhänge herrschen. Auf der nationalen Ebene werden – im Unterschied zur Smithschen Theorie – alle Ansatzpunkte zur Theoretisierung sektoraler Lokalisierungen gekappt. Auch in der folgenden Systematisierung der Ricardianischen Theorie, z. B. durch James Mill22, sowie in den wesentlichen Debatten von Ricardianern im folgenden Jahrzehnt finden sich diese Ansatzpunkte nicht mehr23. 20 Dies wird etwa in Ricardos (1817: 96 f.) Darstellung der Arbeitskosten relevant: „It is not to be understood that the natural price of labour, estimated even in food and necessaries, is absolutely fixed and constant. It varies at different times in the same country, and very materially differs in different countries. It essentially depends on the habits and customs of the people.“ 21 Man kann den Ausschluß des technischen Wandel, der internationalen Mobilität von Kapital etc. auch als Kunstgriff lesen, mit dem Ricardo zeigen wollte, daß diese Schlüsselfaktoren der ökonomischen Entwicklung durch die Korngesetze eingeschränkt worden waren; vgl. Blaug (1958, Kapitel 2). Vgl. zur Thematisierung der Technologieentwicklung in der klassischen Theorie aus industrieökonomischer Sicht: Tunzelman (1995: Kapitel 2), Rosenberg (1982, 1994); aus wirtschaftshistorischer Sicht: Berg (1980, Kapitel 4), Wrigley (1987) und Rostow (1990: 317 – 353). 22 Vgl. J. Mill (1821), ebenso Malthus (1820).

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Kap.3: Stagnation und räumliche Homogenität

Neben dem Ausschluß der sektoralen Lokalisierung wies die Ricardianische Theorie noch zahlreiche andere Defizite auf, die seit der Mitte der 1820er Jahre kontrovers diskutiert wurden. Bevor ich auf diese theoretischen Gärungsprozesse eingehe, möchte ich zunächst darauf verweisen, daß räumliche Produktionssysteme zumindest implizit an einigen Stellen in der klassischen Theorie präsent sind. So wird beispielsweise die Dynamik der industriellen Entwicklung bevorzugt anhand sektoraler räumlicher Konzentrationen erläutert. Wenn etwa ein Autor wie Thomas R. Malthus aufzeigt, daß arbeitssparender Fortschritt keineswegs zu einer Verringerung der Beschäftigung führen muß, dann gelten ihm die Cluster der Baumwollindustrie in Manchester und Glasgow als Beleg. Ebenso wird eine Veränderung der Nachfragebedingungen anhand von Clustern geschildert – dem Metallgewerbe in Sheffield bzw. Birmingham und der Seidenweberei in London-Spitalsfield24. Das letzte Beispiel möchte ich aufgreifen und eingehender fragen, welche wirtschaftstheoretischen und -politischen Konsequenzen aus dem clustertheoretischen Defizit der ricardianischen Theorie folgten.

c) Testfall London-Spitalsfield „But what! say the silk manufacturers: is all the capital which we have invested in the manufacture, and all the hands that are invested in it, to be sacrificed to a theory?“ J. S. Mill: The Silk Trade, 1826, S. 131

Unter den zahlreichen wirtschaftspolitischen Debatten des frühen 19. Jahrhundert in Großbritannien, in denen sich die klassischen Ökonomen engagierten25, ist die Diskussion über die arbeits- und handelspolitische Regulation der Londoner Seidenindustrie in den frühen 1820er Jahren von besonderem Interesse, weil es hier um Vorschläge in bezug auf ein Cluster ging. Ähnlich wie in Frankreich rund um Lyon war auch in England seit 1685, als sich hugenottische Flüchtlinge dort 23 Die wichtigsten Entwicklungen fanden in den 1830er Jahren auf dem Feld der Kapitaltheorie statt, vgl. Blaug (1958: 153 – 162); hier ergaben sich aber keine raumwirtschaftlichen Bezüge, siehe die Werke von Samuel Read (1829) und Charles Knight (1831), George Ramsay (1836), George Poulett Scrope (1833), Mountifort Longfield (1834, 1835) und Nassau W. Senior (1836). Ingesamt verlagerte sich die werttheoretische Diskussion, wie Bowley (1973: 148 – 156) gezeigt hat, auf subjektive Elemente, so bei Richard Whately (1831), Thomas Chalmers (1832), Herman Merivale (1837), Thomas de Quincey (1844) und Patrick J. Stirling (1846). 24 Vgl. Malthus (1820: 281 f., sowie 1789: 444). Charles Knight diskutierte in seinem Buch ,The results of machinery‘ (1831) die positiven Effekte des Kapitaleigentums immer wieder anhand von sektoralen Konzentrationen, so der Seidenindustrie in Spitalsfield (90), der Töpferindustrie in Staffordshire (124 f.), der Knopfmacherindustrie in Birmingham (135 / 6) und dem Buchbindergewerbe in Westminster (157). 25 Grundlegend zur Wirtschaftspolitik der klassischen politischen Ökonomie: Robbins (1978) und Coats (1971); zur Teilnahme von Ökonomen an Parlamentsdebatten: Fetter (1980), speziell zu Ricardos Aktivitäten im Parlament: Gordon (1976); zu seiner politischen Konzeption: Milgate / Stimson (1991).

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angesiedelt hatten, die Seidenweberei im Londoner Stadtteil Spitalsfield räumlich konzentriert26. Die wichtigsten Standortbedingungen der Branche bestanden in der Nähe zu den haupstädtischen Kunden, den Arbeitsqualifikationen und dem hohen Anteil der Arbeitskosten. Da die ersten beiden Gründe als Markteintrittsbarriere wirkten, führte das hohe Lohnniveau in London lange Zeit nicht zu einer Delokalisierung. Später wurde das Lohnniveau durch ein Importverbot sowie durch eine Regulierung der Preise, Arbeitszeiten und Investitionsspielräume (,Spitalfields Acts‘) gestärkt. Aufgrund des dauerhaften Erfolges wurde ,Spitalsfield‘ zum Inbegriff eines funktionierenden Clusters in Großbritannien27. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts lag London mit dem hartnäckigen Konkurrenten Lyon etwa gleichauf, jeweils 10 Tsd. Webstühle waren in beiden Städten in Betrieb. Dann gewann Lyon zunehmend die Oberhand. Eine flexiblere Arbeitsorganisation zwischen den unterschiedlichen Produktionsstufen machte es möglich, daß die Lyoner Seidenweber eine Invention wie den Jacquardschen Webstuhl schneller adaptierten, qualitativ besser arbeiteten und die Moden der Saison besser trafen. Dies alles setzte die britische Industrie unter Druck, und um so schmerzhafter wurden die höheren Löhne in London als Wettbewerbsnachteil wahrgenommen. Nach der Jahrhundertwende wurden zunehmend Seidenweberbetriebe in Regionen mit geringeren Lohnkosten verlagert28. Daher entfachten die Londoner Seidenindustriellen eine Kampagne gegen die örtliche Regulierung ihres Gewerbes, unter anderem mit einer Petition an das Parlament. Diese Aktivitäten waren erfolgreich. 1824 wurden die ,Spitalfield Acts‘ abgeschafft, 1826 wurde das Importverbot für Seidenwaren durch einen Schutzzoll von 30% abgelöst und die Importzölle auf Rohseide und Seidengarn deutlich gesenkt. Die politische Auseinandersetzung, die sich an der Regulierung der Seidenindustrie entzündete, wurde als Schlüssel zu einer Neuordnung der Wirtschaftspolitik 26 Vgl. zur britischen Seidenindustrie: Jones (1987) und Rothstein (1997) zur Diffusion von Technologie; vgl. als zeitgenössisches Werk: G. R. Porter (1831), auf den sich auch Warner (1921) bezieht. Speziell zur Seidenindustrie in London-Spitalsfield: Clapham (1916) sowie Hammond / Hammond (1919: Kapitel 7) und Green (1995: 158 ff.) aus sozialgeschichtlicher Sicht. Argyle (1891) hat die Lage in Spitalsfield zum Ende der 1880er Jahre dargestellt. Cottereau (1997) vergleicht die Lyoner und Londoner Seidenindustrie; Braun (1984, Kapitel 5) hat die Debatte über die Senkung der Importzölle in den 1820er Jahren dargestellt. 27 Vgl. zu den Produktivitätsvorteilen des Spitalsfielder Seidengewerbes: G. R. Porter (1831: 78). Die ,Spitalfields Acts‘ listet Smart (1917: 164 f.) auf. Sie wurden 1783 eingeführt und galten in einem Umkreis von zehn Meilen rund um London. Gleichzeitig schützte ein 1765 eingeführtes Importverbot die Industrie vor ausländischer Konkurrenz. 28 Dabei entstand zugleich eine regionale Spezialisierung. So wurden Taschentücher in Macclesfield hergestellt, einfache Seidenprodukte in Manchester, Bandwaren in Coventry, Mischprodukte aus Seide und Wolle in Norwich, Seidenwesten und Brokat für Wohnungseinrichtungen in Spitalsfield sowie Seidenstrümpfe in Nottinghamshire. Vgl. zur Standortverlagerung die Befragung von Enoch Durant durch das Parlamentskommittee (British Parliamentary Papers, Select Committee of the House of the Lords, Extending Foreign Trade – Silk and Wine, 1821, 703, Vol. VII, 12); vgl. auch die Rede des Abgeordneten T. Wilson, Hansard, Vol. IX, 9. Mai 1823, 147).

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Kap.3: Stagnation und räumliche Homogenität

empfunden, als „experimentum crucis“ der laissez-faire-Orientierung. Die klassische Politische Ökonomie bezog in diesem Schlagabtausch eindeutig Stellung29. David Ricardo, seit 1819 Mitglied des House of Commons, plädierte im Parlament für eine Aufhebung der Regulierung30. Er befand sich ausdrücklich im Einklang mit William Huskisson, dem damaligen Präsidenten des Board of Trade und einem führenden Propagandisten der Handelsliberalisierung. Die Argumente von Huskisson, Ricardo und ihren Gleichgesinnten waren ganz auf Kostenfaktoren konzentriert – Zölle und Löhne. In bezug auf die Spitalsfield Acts erwarteten sie, daß bei einer rein marktlichen Aushandlung der Löhne die Unternehmen soweit gestärkt würden, daß sie gegen die französische Konkurrenz bestehen könnten. Auch die qualitativen Vorteile Frankreichs im Technologieeinsatz und im Design würden dann verschwinden31. Verschiedene Unterhausmitglieder zweifelten jedoch daran, daß damit die Bedingungen für eine Wettbewerbsfähigkeit der Industrie bereits hinreichend erfaßt seien. Zum Wortführer der Gegenposition wurde Alexander Baring, Partner der damals mächtigsten Investment-Bank Baring Brothers und nach den Worten von Huskisson „the greatest practical authority in the country“32. Baring, ansonsten als vehementer Anhänger des Freihandels engagiert, verwies darauf, daß es bei der Seidenindustrie nicht nur auf Kostenfaktoren ankäme. Vielmehr lasse das Zusammenwirken verschiedener Standortfaktoren einzelne Städte zu dominierenden Zentren einer Industrie werden. In seinem Pläydoyer sagte er voraus, daß bei einer abrupten Beendigung der Importrestriktionen die Lyoner Seidenindustrie ihre Vorteile zu Ungunsten der englischen Standorte ausspielen werde: „The political economist turned his eye only to the facility of production; he allowed nothing for the habits of trade; for the established custom which had so much influence in these matters. There seemed no reason in the nature of things, why Manchester should be the great seat of the cotton trade, Sheffield of cutlery and hard-ware, Lyons of silks, Geneva of watches and trinkets, Nuremberg of toys. How it happened that they had become so, arose, perhaps, from the superior activity of individuals at critical times; but now they had 29 Vgl. zur Behandlung der Spitalfields Act im Parlament: Clapham (1916) und Gordon (1976: 75 – 79 und 170 – 175) behandeln die Debatte von 1823, Smart (1917: 164 – 167, 197 – 199, 205 – 213, 364 -372, 478 – 488) die Jahre 1823 bis 1829, Brown (1958: 165 – 170) die Debatte der 1830er Jahre, soweit sie in Bezug zum Board of Trade stand. Siehe Braun (1984, Kapitel 5), bei dem die Zollfrage im Mittelpunkt steht, zu den parlamentarischen und publizistischen Diskussionen. 30 Ricardo nahm im House of Commons am 9. Mai, 21. Mai und 9. Juni Stellung; vgl. Hansard, Vol. IX, 149, 378, 381 und 816. Nach Ricardos Tod erinnerte der Abgeordnete Hume ausdrücklich an dieses Pläydoyer (Hansard, X, 12. Feb, 1824, 142). 31 Vgl. in diesem Sinne die Stellungnahmen von Huskisson (Hansard, Vol. IX, 21. Mai 1823, 383), Peel (Hansard, Vol. X, 5. März 1824, 739) und Lord Liverpool (Hansard XI, 2. April 1824, 67), ebenso Huskissons publizierte Reden (1825). Die Konzentration auf die lohnpolitische Dimension kann man anhand der Antworten von Industriellen in der Kommission von 1821 nachvollziehen. Vgl. auch weitere Flugschriften von William Hale (1822) und anderen (The Spitalfields Acts, 1972) sowie J. S. Mill (1826) und McCulloch (1858: 482 – 3). 32 Zitiert nach Smart (1917: 367); Baring war der Abgeordnete für Taunton, einem kleineren Standort der britischen Seidenindustrie; vgl. allgemein zu Baring: Ziegler (1988).

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attained their superiority, they were likely to preserve it. The political economist might imagine, that if the trade were free, Dover might become as great a manufacturer for watches as Geneva, and Calais as famous for pottery as Staffordshire: but, for himself he anticipated no such results. ( . . . ) After looking carefully into the subject, with every disposition to come to a different result, he was persuaded that if the trade were thrown open, Manchester might supply cottons, Staffordshire pottery, but Lyons would send silks“33.

Baring führt also zum einen qualitative Standortvorteile an, deren Produktivitätsgewinne bedeutender sind als ubiquitär verfügbare Kostenvorteile bei Löhnen oder Rohprodukten. Zum anderen disaggregiert er die Betrachtung räumlich: Die qualitativen Standortvorteile werden nicht in ganz Frankreich oder Großbritannien erzielt, sondern werden jeweils ortsbezogen erzeugt34. Diese Warnung sollte Realität werden. Nach der Änderung von Lohnregulierung und Zöllen geriet die britische Seidenindustrie unter starken Preisdruck35. In Spitalsfield wurde die Branche hart getroffen und die Zahl der Webstühle sank bis in die Mitte der 1850er Jahre auf 5 Tsd. Die anderen Standorte hielten sich meistens besser, um jedoch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts niederkonkurriert zu werden. Lyon dagegen prosperierte; 1833 waren 33 Tsd. Webstühle in Betrieb, und auch in den folgenden Jahrzehnten konnte sich der Standort behaupten36. Barings Argumentation hatte übrigens Thomas Smith in einem 1821 veröffentlichtem Traktat zur Politischen Ökonomie vorweggenommen. Smith greift dort Ricardos Aussagen zur räumlichen und sektoralen Mobilität des Kapitals auf und weist sie mit Blick auf die Raumbindung von Kapital und Arbeit zurück. Auch für ihn verhindern dabei soziale Konventionen und Pfadabhängigkeiten eine starke Mobilität: „Habit has too strong a hold on the human mind to allow this to be easily effected“. Gerade die Konjunkturen der Seidenindustrie und die beobachtbare geringe Mobilität der meisten Unternehmen innerhalb Großbritanniens, so Smith, widerlegten Ricardos Überlegungen praktisch37. Hansard, Vol. X, 5. März 1824, 750. Neben Preisvorteilen bei Löhnen und Rohstoffen sieht Baring in Lyon Produktionsvorteile im Design und in der Anwendung von Chemikalien im Färbeprozeß (Hansard, Vol. X, 5. März 1824, 732). Die Fixierung auf die Kostendimension griff Baring ausdrücklich an: „The argument of the abstract political economists was, that we should get every commodity wherever we could get it cheapest, ( . . . )“ (Hansard, Vol. X, 5. März 1824, 749 f.). 35 Die Konsequenzen der 1824 – 1826 getroffenen Maßnahmen wurde aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht optimistisch eingeschätzt, so bei G. R. Porter (1831) und McCulloch (1847: 713 – 722), auf die sich Brown (1958) und Braun (1984) stützen. Dagegen betonten Sozialhistoriker wie Hammond / Hammond (1919) die Verarmungstendenzen in Spitalsfield. Insgesamt leiden beide Sichtweisen darunter, die Aufhebung der ortsbezogenen Arbeitsregulierung und die handelspolitischen Maßnahmen nicht analytisch separat zu betrachten und die langfristigen Wirkungen beider Maßnahmen zu wenig zu berücksichtigen; hierzu inzwischen Cottereau (1997) und Rothstein (1997). 36 Vgl. Cotterau (1997: 148); gleichzeitig sanken die Löhne in den späten 1820ern dramatisch, im Frühjahr 1829 nahmen 12.000 Spitalsfield–Weber, die sich als „Victims of Free-Trade“ bezeichneten, an einen Protestmarsch teil. Als das Parlament kurze Zeit später die Zollsenkungen bestätigte, kam es zu Ausschreitungen in Macclesfield und London, vgl. Smart (1917: 478). 33 34

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Kap.3: Stagnation und räumliche Homogenität

Entscheidend war, daß der Schock der Marktöffnung die Wettbewerbskräfte in London und an anderen britischen Standorten überforderte. Die kostenreduzierenden Maßnahmen der britischen Unternehmer schufen kurzfristig einen gewissen Wettbewerbsspielraum, aber die überlegene Innovationsfähigkeit der Lyoner Industrie konnte nicht eingeholt werden38. In den 1830er und 1840er Jahren wurde die Krise der Seidenindustrie zu einem permanenten Gegenstand parlamentarischer Untersuchungskommissionen, in denen die strukturellen Produktivitätsnachteile der Branche zum Thema wurden. Andrew Ure empfahl den Spitalsfielder Unternehmen in dieser Diskussion die Institutionenlandschaft des Lyoner Seidengewerbes als Vorbild: die englische Industrie solle die dortigen spezialisierten Bildungsinstitutionen, die Schiedsstelle und das Patentamt für Textilmuster kopieren und so die eigenen Fähigkeiten als räumliches Produktionssystem stärken39. So hatte der Rat der Political Economy ins Leere gezielt. Mit ihrer Abstraktion von den räumlich-sektoralen Strukturen der Industrie hatten Ricardo und seine Anhänger die Grundlagen für die Dominanz des Lyoner Seiden-Clusters nicht erfaßt. Dies verleitete sie zu wirtschaftspolitischen Vorschlägen, die verhängnisvoll für die Branche in London-Spitalsfield und langfristig in ganz Großbritannien werden sollten.

3. Schlußfolgerungen Die Politische Ökonomie erhielt durch David Ricardo ein neuartiges Raumkonzept. Die klassischen Ökonomen von David Hume über Adam Smith bis zu Robert Torrens waren von einem globalen ökonomischen Raum ausgegangen, in dem überall die gleichen ökonomischen Wirkungszusammenhänge galten. Zwar wurde dieser Raum real durch politische und sozio-kulturelle Einflüsse in nationale Einheiten geteilt, aber dabei handelte es sich nur um eine graduelle Differenzierung. Auch die Faktormobilität und die Preisbildung in und zwischen Nationen waren in diesem Konzept nicht scharf getrennt. Entsprechend sah Torrens die ,territorial division of labour‘ in und zwischen Nationen als qualitativ gleichartig an. Dagegen führte Ricardos Unterscheidung zwischen nationaler und globaler Ebene zu einem raumwirtschaftstheoretischen Dualismus: national existiert ausschließlich der homogene nationale Raum, global eine Reihe heterogener Wirtschaftsräume zwischen denen nur geringe ökonomische Transaktionen stattfinden. Die ,Nation‘ wurSmith (1821: 165 – 170). Der Rückgang in Macclesfield war noch radikaler, hier halbierte sich die Zahl der Beschäftigten von 10 Tsd. im Jahr 1824 auf 5 Tsd. Personen bis 1828; vgl. Brown (1958: 167). Rothstein (1997: 58, 60) spricht von einer katastrophalen Branchenentwicklung nach 1826 und weist darauf hin, daß es nach der Rücknahme der Spitalsfield Acts keineswegs zu einer technologischen Aufholjagd kam; vgl. in diesem Sinne auch Argyle (1891) und Jones (1987: 80, 84). 39 Ure (1835: 259 ff.). 37 38

3. Schlußfolgerungen

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de als ein abstrakter ökonomischer Raum denkbar, in dem eine homogene Verteilung der Produktionsfaktoren vorliegt und an allen Standorten die gleichen konstanten Skalenerträge erzielt werden. Für eine Betrachtung sektoraler Lokalisierung, die die Produktivität an einem Standort positiv beeinflussen konnte, war in dieser theoretischen Konstruktion kein Bedarf. Zwar eröffnete Ricardos Methodologie wichtige analytische Fortschritte für die Volkswirtschaftslehre, die Fähigkeiten zur Analyse räumlicher Produktionsstrukturen nahmen jedoch deutlich ab, wie sich am Beispiel der wirtschaftspolitischen Debatte über das Londoner Seidengewerbe zeigte.

Kapitel 4

Disproportionen und Disparitäten Der Ausschluß der räumlichen Struktur der Produktion als Erklärungsgegenstand und -faktor aus der ökonomischen Theorie steht nicht nur in auffälligem Gegensatz zu der oben skizzierten wirtschaftsgeschichtlichen Entwicklung, sondern auch zu einer weit verbreiteten Wahrnehmung in der damaligen britischen Gesellschaft. Diese Selbstwahrnehmung und -reflexion der britischen Gesellschaft möchte ich im Folgenden zuerst aufgreifen (1.) und anschließend auf zwei Ansätze ökonomischer Theoriebildung eingehen, die aus jeweils unterschiedlichen Interessenlagen räumlich-sektorale Konzentrationen in der Ökonomie thematisierten. Es handelt sich um die ,technische‘ Perspektive früher industrieökonomischer Ansätze (2.) und um die ,periphere‘ Perspektive US-amerikanischer Ökonomen (3.). Ergänzend hierzu ist die ,arbeitsorientierte‘ Perspektive sozialistischer Autoren im sechsten Kapitel zu lesen. Anschließend soll gezeigt werden, wie Ökonomen des klassischen ,Mainstreams‘ die sektorale Lokalisierung als empirisches Phänomen behandelten. Es zeigt sich, daß es in den Werken von Jean-Baptist Say, J. Ramsay McCulloch und John S. Mill zu einer vorsichtigen Relativierung der ricardianischen Postulierung eines räumlichen Gleichgewichts kam (4.).

1. „A Home Tour through the Manufacturing Districts“ Mit der zunehmenden Durchsetzung des Fabriksystems wurde sich die britische Gesellschaft über die Radikalität und Allseitigkeit der Industriellen Revolution bewußt. Bereits die erste Einführung der Maschinen, begleitet von zahlreichen sozialen Kämpfen, setzte die ,factory question‘ auf die politische Agenda. Mit der Zulassung von Arbeitervereinigungen 1824 und der Wirtschaftskrise 1825 / 6 nahmen die industriellen Konflikte zu und es begann das ,Zeitalter der Reform‘ in der britischen Politik1. In diesem Umbruch fanden die sozialen Gruppen zu neuen Formen der gesellschaftlichen Selbstbeschreibung. Die industriellen Regionen wurden als 1 Die 1830er sahen eine Parlamentsreform, Organisationsversuche für eine allgemeine Gewerkschaft, die Fabrikgesetzgebung, den Beginn der Bewegung für den Zehnstundentag und den Aufstieg des Chartismus. Vgl. das Folgende in Anlehnung an Darstellungen zur ,Factory Question‘ bei Gray (1996), Rule (1988), Ward (1962), Hammond / Hammond (1925), speziell zur Geschichte der Fabrikgesetzgebung: Hutchins / Harrison (1966) und Robson (1985).

1. „A Home Tour through the Manufacturing Districts“

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ein neu entstandener Archipel inmitten des Landes erkannt, in dem neue, teilweise bizarr andere soziale Strukturen, moralische Leitbilder und ökonomische Verhältnisse herrschten. William C. Taylor betont in seiner ,Tour in the Manufacturing Districts of Lancashire‘ den umfassenden Charakter des Gesellschaftswandels: „The manufacturing population is not new in its formation alone: it is new in its habits of thought and action, which have been formed by the circumstances of its condition, with little instruction, and less guidance, from external sources“2.

Für einen Engländer, so schlußfolgert Georg Head in seiner ,Home Tour‘, könne es zu dieser Zeit keine spannenderen Reiseberichte als aus dem eigenen Land geben. Zu den Darstellungsformen zählten Berichte über die Arbeits- und Lebensverhältnisse, Pamphlete pro und contra Fabrikgesetzgebung, Reise-Reportagen und Arbeiter-Autobiographien und die ,industrial novel‘, geschrieben unter anderem von Elizabeth Gaskell, Charlotte Brontë und Charles Dickens3. Konträre und vielfältig abschattierte soziale Interessenlagen flossen in die Bewertung der neuen Wirtschaftslandschaft ein. So wurde enthusiastische Bejahung dokumentiert wie in Richard Phillips‘ ,Personal Tour‘ und Zachariah Allens ,Practical Tourist‘. Dem stand die moralische Anklage von Arbeitern wie William Dodd und die politische Generalabrechnung etwa bei John Fielden gegenüber. Ein neues Format waren regionsbezogene Branchengeschichtsschreibungen; etwa Edward Baines sen. ,History of the Cotton Manufacture‘, die den aktuellen Auseinandersetzungen durch die historische Besinnung die Schärfe zu nehmen versuchten4. Gleich welchem Lager die Diskutanten angehörten, in ihren Eindrücken und Stellungnahmen ist die Clusterung von Branchen explizit oder implizit präsent. „Each of the Principal branches of English manufacture has appropriated to itself some particular town or district, ( . . . ).“ resümierte der deutsche Geograph Johann Georg Kohl und lieferte hierzu zahlreiche Beispiele5. Manchester und Liverpool, Newcastle, Sheffield, Birmingham, Wolverhampton, Staffordshire, Leeds, Halifax, Huddlersfield und Glasgow – an diesen immer wieder geschilderten Orten der Prosperität und des industriellen Konflikts ist die sektorale Lokalisierung eine entscheidende Triebkraft. Um einen kurzen Eindruck zu geben, in welchem Grad ein Bewußtsein über die Wirkungszusammenhänge von räumlichen Produktionssystemen gegeben war, sei aus der bekannten und mehrfach übersetzten Reisebeschreibung des französischen Ingenieurs Leon Faucher zitiert. In dem 1845 publizierten 2 Taylor (1842: 7); zum einzigartigen Charakter von Manchester: Faucher (1846: 264, 269) und Kohl (1844: 106 f.). 3 Vgl. zur damaligen Problemwahrnehmung: Berg (1980, Kapitel 1), Gray (1996: Kapitel 5), speziell zu Manchester: Marcus (1974: Kapitel 2). 4 Phillips (1928), Allen (1832), Dodd (1842), Fielden (1936) und Baines (1935); vgl. hier auch Guest (1823), Kay (1832) und Gaskell (1836); siehe weiterhin die Manchester Statistical Society (1838) und G. Dodds (1843) Reportagen aus London. 5 Kohl (1844: 18); er schildert ausführlich die Metallindustrie in Birmingham (1 – 9), die Töpfereiindustrie in Staffordshire (18 – 26), die Wollindustrie um Leeds (100 – 104) und die Baumwollindustrie in Manchester (106 – 146).

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Kap. 4: Disproportionen und Disparitäten

Bericht kommt die Differenzierung der industriellen Funktionen, die sich räumlich in der Spezialisierung Liverpools, Manchesters und Lancashires niederschlägt, sehr bildhaft zum Ausdruck: „Nichts ist merkwürdiger als die industrielle Topographie von Lancashire. Wie eine emsige Spinne sitzt Manchester in der Mitte der Karte, und sendet seine Eisenbahnen und seinen Vasallenfabriken, ehedem Dörfer, jetzt Städte, welche zu bloßen Vorstädten der Metropole der Industrie geworden sind. ( . . . ) Fünfzehn bis sechzehn Brennpunkte der Industrie drängen sich also um diese große Constellation. Ein Auftrag, der des Morgens von Liverpool abgeht, ist schon Mittags auf der Börse von Manchester der Gegenstand des Gespräches der Fabrikanten; Abends ist er unter die Fabriken der Umgegend vertheilt. In weniger als acht Tagen ist die Baumwolle, die in Manchester, Bolton, Oldham oder in der Umgegend von Ashton gesponnen worden, in den Fabriken von Bolton, Staleybridge oder Stockport gewebt, gefärbt und gedruckt in Blackburn, Chorley oder Preston, appretirt, gemessen und verpackt in Manchester. Durch diese Theilung der Arbeit unter den Städten, in den Städten unter den Fabriken, in den Fabriken unter den Arbeitern arbeiten Wasser, Steinkohlen und Maschinen ohne Aufhör; die Ausführung geht fast mit der Schnelligkeit des Gedankens vor sich; der Mensch nimmt einigermaßen an der Macht der Schöpfung Theil, und braucht nur zu sagen: ,die Waare sei da‘ und sie ist fertig“6.

Es kann somit kaum überraschen, daß in den Auseinandersetzungen um die Politische Ökonomie, als einem zentralen Kampfplatz rivalisierender Gesellschaftsdeutungen, sich auch das wachsende Bewußtsein über die wirtschaftliche Clusterung niederschlug. Dies soll an einer technikzentrierten Perspektive und an der Perspektive der USA als einem Gebiet der nachholenden Industrialisierung aufgezeigt werden.

2. Die Perspektive der Technik: Charles Babbage und Andrew Ure Während die frühsozialistische Agitation in Großbritannien eine starke Wirkung erzielte (vgl. Kapitel 6) wurde ab dem Ende der 1820er Jahre als Gegenargumentation auf die produktiven Leistungen der Produktionsmittel im Arbeitsprozeß verwiesen. Dabei konnte sich diese von ,Ingenieur-Ökonomen‘ entwickelte Richtung generell darauf berufen, daß ein profundes Unwissen über die technischen Verhältnisse des Fabriksystems bestand. In dem Reformklima der frühen 1830er Jahre war die geringe Kenntnis der Politik über die neu entstandene industrielle Welt offensichtlich geworden. Zu einem Schub in der wissenschaftlichen Beschreibungsfähigkeit kam es im Jahr 1833, als die Fabrikinspektion im Rahmen eines Factory Acts etabliert wurde, das Board of Trade eine statistische Abteilung einrichtete und die Manchester Statistical Society 6

Faucher (1846: 263 f.).

2. Die Perspektive der Technik: Charles Babbage und Andrew Ure

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gegründet wurde7. Damit waren Grundlagen zu einer nachvollziehbaren Darstellung regionaler Wirtschaftsstrukturen gelegt. George R. Porter, der erste Leiter der Statistikabteilung des Board of Trade, bot 1836 mit seinem Werk ,The Progress of the Nation‘ ein Gesamtbild der britischen Industrie. Mit seiner Auflistung der Beschäftigten und der technischen Anlagen, z. B. der Webstühle in der Baumwollindustrie, ebenso wie mit der Beschreibung einzelner Industriedistrikte gibt Porter einen Eindruck von der räumlichen Industrieverteilung8. Gleichzeitig schaffen diese Autoren mit der Untersuchung der technischen und organisationalen Verhältnisse die Anfänge einer neuen wissenschaftlichen Subdisziplin, der ,science of machinery‘ oder der Industrieökonomie, wie man heute sagt9. Zu deren Begründer wurden Charles Babbage mit seinem Werk ,On the Economy of Machinery‘ (1832) sowie Andrew Ure mit seiner ,Philosphy of Manufactures‘ (1835)10. Während Adam Smiths Darstellung der Arbeitsorganisation noch auf einer vorindustriellen technischen Grundlage beruhte und bei ihm der Arbeitende gemeinsam mit seinem Werkzeug im Zentrum der Betrachtung steht, nehmen bei Babbage und Ure die Maschinen bzw. Fabriken die ganze Bühne ein. Die Skalenökonomie in der Produktion, bei Smith eher implizit vorhanden und bei Ricardo durch seine Konzentration auf die abnehmenden Erträge in der Landwirtschaft aus dem Blick geraten, wird nun als entscheidendes Merkmal der industriellen Organisation begriffen. Neben einer ausführlichen Behandlung von internen Skaleneffekten finden sich dabei auch Hinweise auf externe Effekte11. Die räumliche Verteilung der industriellen Branchen ist in dieser Sichtweise ein integraler Bestandteil der Tendenz zu increasing returns. Charles Babbage behandelt Standortfragen in Kapitel 23 ,On the position of large factories‘. Sein Ausgangspunkt ist die Lokalisierung industrieller Betriebe: „It its found in every country, that the situation of large manufacturing establisments is confined to particular districts“12. Als Gründe für diese Entwicklung benennt 7 Cullen (1975); vgl. auch Berg (1980, Kapitel 11) und zur Statistik-Abteilung des Board of Trade: Brown (1958, Kapitel 2). 8 Vgl. G. R. Porter (1836: 298 f.) zur Birminghamer Metallwarenindustrie und zur Sheffielder Besteck- und Schneidwarenindustrie; zu weiteren statistischen Darstellungen aus dem gleichen Zeitraum von McCulloch siehe Abschnitt 4. b). 9 Einen Überblick gibt Berg (1980, Kapitel 8), als wichtige Einzelaspekte vgl. zu Wissenschaft und Technologie: Mathias (1991), Musson / Robinson (1969), zum Managementwissen: Pollard (1965), zur sozialen Rolle des Unternehmers: Bendix (1965: Kapitel 2). 10 Vgl. auch Peter Barlows ,Treatise on the Manufactures and Machinery of Great Britain‘ (1836), dessen ingenieurwissenschaftliche Perspektive durch den Reprint eines Artikels von Babbage aus der „Encylopaedia Metropolitana“ (1829) erweitert wird. Vgl. auch Baines (1835) und die zur Weltausstellung herausgegebene ,Cyclopaedia of the Industries of all Nations‘ von Dodd (1851: XV), die die Lokalisierung feststellt und einen Überblick nach Produkten, Branchen und Regionen gibt. 11 Vgl. Babbage (1832: 213 f. und 242); zur Interpretation Romano (1982: 394). 12 Babbage (1832: 225); vgl. zum Zusammenhang von Technik und Ökonomie bei Babbage: Romano (1982), Rosenberg (1994, Kapitel 2), Braverman (1974); zum weiteren Hintergrund von Babbage: Hyman (1987).

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Kap. 4: Disproportionen und Disparitäten

Babbabe zunächst die Nähe zu Rohstoffen und zu den Energierträgern sowie das Verkehrssystem. Anschließend weist er darauf hin, daß industrielle Agglomerationen, sind sie erst entstanden, selbst zu einer weiteren Lokalisierung beitragen. Als Orte des Informationsaustauschs helfen sie die Anforderungen des Angebots und der Nachfrage auszugleichen und damit die Fluktuation der Preise zu verringern13. Zudem sei eine hohe Dauerhaftigkeit der industriellen Standorte zu beachten. Die Standortbeharrung folgt dabei unter anderem aus der materiellen Größe der Maschinen. Eine Verlegung von Betriebsstandorten könne allerdings dann effizient sein, wenn neue Formen der Produktionsorganisation eingeführt werden. Andrew Ure fragt in dem Kapitel: ,Topography and Statistics of the Factory System‘ nach den Gründen für die Spezialisierung der Regionen auf einzelne Textilbranchen. Dies erklärt er zu einem wichtigen Forschungsgebiet14. Natürliche Produktionsbedingungen oder Lagevorteile im Transportsystem sind in Ures Sicht nur eine notwendige Voraussetzung. Zu einem tatsächlichen Zentrum der Textilproduktion seien die Standorte erst durch die gesellschaftliche Erzeugung von Produktionsvorteilen geworden. Hat sich die Dynamik eines neuen Wirtschaftszweiges erst einmal an einigen Standorten entfaltet, dann attrahieren diese Standorte Kapital und Wissen und bilden eine clusterspezifische Infrastruktur aus. Die anfangs entscheidenden Natur- oder Lagevorteile verlieren in diesem Prozeß relativ an Wert und das Zeitfenster, in dem sich ein Wirtschaftszweig lokalisiert, schließt sich. Für diese Überlegenheit von räumlichen Produktionssystemen macht Ure neben den bekannten Spezialisierungsvorteilen (Arbeitsqualifikation, Fertigungsablauf) auch die Konkurrenz- und Kooperationsbeziehungen von räumlich konzentrierten Unternehmen verantwortlich. Dies zeigt sich für ihn vor allem darin, daß jede Verbesserung oder Erweiterung des Produktionsprozesses in der Baumwollindustrie am schnellsten im Industriedistrikt Lancashire realisiert und dort am profitabelsten betrieben werden kann. Um zu demonstrieren wie stark diese Vorteile wiegen, verweisen Ure wie Babbage warnend auf Beispiele, in denen von Insidern die Baumwollproduktion aus Manchester an andere Standorte verlegt werden sollte15: „The local fixation of a manufacture is a remarkable circumstance. It has been found by the Glasgow people impossible to transfer themselves with all the knowledge and opportunities they possess the peculiar fabrics of Manchester; and vice versá, the Manchester people have made many efforts to naturalize the muslin trade of Glasgow and Paisley, but never with any advantage, so that the warehousemen of the town continue to get their supplies reciprocally from the other“16. Babbage (1832: 227 f.). Ure (1835: 67); er setzte die Darstellung der Topographie (1835: 67 – 80) im folgenden Jahr mit Daten zur Baumwollindustrie fort (1836: 422 – 424). Vgl. auch Kennedy (1818: 21), der in den Arbeitsqualifikationen den entscheidenden Lokalisierungsgrund für die Baumwollindustrie sieht. 15 Vgl. Ure (1835: 41, 71) und Babbage (1832: 368). 16 Ure (1835: 71); zu den Erfolgsgründen des britischen Gewerbes: Ure (1836: 397). 13 14

2. Die Perspektive der Technik: Charles Babbage und Andrew Ure

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Beide Autoren verdeutlichen damit den systemischen Charakter der Innovation, der sich jeweils innerhalb von sozialen und räumlichen Strukturen ausprägt. So verweist Babbbage auf die besondere Bedeutung von Vertrauen innerhalb komplexer ökonomischer Prozesse, wobei dieses Vertrauen sich nur in lang etablierten Standorten aufbauen lasse. Für die Baumwollindustrie in Lancashire, so Ure, zeige sich dieser Systemcharakter vor allem an dem Tempo, mit dem Inventionen in den Produktionsprozeß integriert werden können. Dieser Geschwindigkeitsvorsprung werde durch die Anwesenheit zahlreicher unterstützender Branchen (vor allem des Maschinenbaus) im Industriedistrikt gewahrt17. Die Argumente, die Babbage und Ure hier vorbringen, entstammen im Wesentlichen der sogenannten Maschinenexportdebatte. Seit 1750 war in Großbritannien eine Reihe von Gesetzen eingeführt worden, die den Export von Werkzeugen bzw. Maschinen sowie die Auswanderung von Fachkräften verbot. Nach der Unabhängigkeit der USA wurde diese Gesetzgebung noch verschärft, wobei die Maßnahmen vornehmlich auf die industriellen Paradebranchen wie die Textilindustrie zielten. Nach einer langen wirtschaftspolitischen Diskussion wurde das Gesetz zur beschränkten Ausreise qualifizierter Arbeitskräfte 1825 aufgehoben, das Gesetz zum Exportverbot von Maschinen wurde 1843 aufgehoben18. In der Debatte um die Wettbewerbsfähigkeit der 1820er Jahre war dabei von Industriellen und Politikern auf die Gefahr hingewiesen worden, daß die entscheidenden Vorteile der britischen Industrie gesellschaftlich produziert seien und von anderen Ländern kopiert werden konnten19. Tatsächlich schienen Industriespionage und die Abwanderung von Fachkräften die Wettbewerbsvorteile zunichte zu machen. Während einige Autoren vor diesem Hintergrund eher für eine handelspolitische Autarkie plädierten, machten freihändlerisch gesinnte Politiker darauf aufmerksam, daß man das Gesamtbild im Blick behalten müsse: Großbritanniens Stärke beruhe auf einem interdependenten System von Faktoren20. Dieses Argument machten sich auch die Maschinenbau-Industriellen zunutze. Nicht die einzelne Maschine oder die einzelne Invention, sondern die systemische Organisation des Arbeitsprozesses stelle die entscheidende Erfolgshürde für eine industrielle Entwicklung dar. Da das Milieu des technischen Babbage (1832: 219 f.), Ure (1835: 39). Zum Ausfuhrverbot von Maschinen: Musson (1972), Jeremy (1977), Berg (1980, Kapitel 9) und Braun (1984, Kapitel 6); Redford (1934: 131 – 133) zum Engagement der Handelskammer in Manchester und zur Emigration von Facharbeitern (1926). 19 Cayley (1830: 198) führt aus, daß die britischen Vorteile in der Maschinenproduktion ,artificial‘ bleiben und somit ständig in Gefahr blieben kopiert zu werden. Ähnlich sah auch die Manchester Chamber of Commerce die Einzigartigkeit der „concentrated skill of the country“ bedroht (Circular letter vom 30. März 1825, Manuscript Proceedings of the Manchester Chamber of Commerce, zitiert nach: Henderson 1965: 140). Dies zeigt, daß auch die Befürworter des Exportverbots ein Gespür für die systemischen Produktionsvorteile hatten, aber stärker deren Nachahmung fürchteten. 20 Huskisson (1825: 55) führte in einer Rede zum Außenhandel vor dem House of Commons aus, England könne eine „union of the powers, and of the great capitals“ als Wettbewerbsvorteil gegen die Niedriglohnländer ins Feld führen. 17 18

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Kap. 4: Disproportionen und Disparitäten

Sachverstandes und der Innovation keinesfalls mitexportiert werde, könne man die Ausfuhr einzelner Maschinen durchaus erlauben. Diese Argumentation wurde auch in einem Bericht einer Kommissin des House of Commons vorgetragen, aus dem Babbage zitiert. Ure rekapituliert diese Position am Beispiel der Textildistrikte21. Als Resümee kann zu diesem Anfang einer britischen ,Industrieökonomie‘ festgehalten werden, daß die Lokalisierung der Ökonomie zum Forschungsinteresse der Autoren zählte. Sowohl Charles Babbage wie auch Andrew Ure sahen in der evolutionären Herstellung systemischer Produktionszusammenhänge zwischen Unternehmen einen wichtigen Aspekt des neuen Fabriksytems. Allerdings wurden die wirtschaftstheoretischen Schlußfolgerungen aus diesem Phänomen nicht weiter verfolgt. So deutet Babbage zwar darauf hin, daß die internen und externen Effekte zu einer Senkung der Durchschnittskosten führen können, dies wird jedoch nicht mit der Preis- und Verteilungstheorie verbunden. Dies lag vermutlich an der mangelnden Verankerung dieser Ingenieure in der wirtschaftswissenschaftlichen Profession. Ebenso diente in ihrem Verständnis von Ökonomie die Technik als der alles bestimmende Faktor. Bezeichnenderweise konstruierten Ure und Babbage eine soziale Phantasie der menschenleeren Fabrik. In diesem kapitalistischen Utopia existierte das Problem einer Eingliederung des ,Faktors Mensch‘ in den Produktionsprozeß gar nicht mehr22. So blieb die Aufgabe einer sinnvollen Verbindung dieser produktionstheoretischen Erkenntnisse mit den werttheoretischen Überlegungen der Klassik vorerst unverrichtet.

3. Die Perspektive der Peripherie: die US-amerikanische Erfahrung „It is impossible that any Nation, without the greatest natural revolution, which is absurde to anticipate, could rival us in a steady working population“. Committee of Machine Makers: Facts and observations, Manchester 1841, S. 19

Die Thematisierung der kapitalistischen Peripherie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kann an verschiedenen Debatten ansetzen. Zu denken wäre an die Reflexionen über das Problem der Unterentwicklung in Irland, über die ökonomische Rolle der Kolonien oder über das Zurückbleiben des europäischen Kon21 Der Manchester Guardian zählte zu den schwer kopierbaren Kompetenzen der Maschinenbauindustrie: „free institutions, skill and industry, capital and enterprise“ [Manchester Guardian vom 24. April 1824: zitiert bei Musson (1972: 26 f.)]. Eine Publikation des ,Committee of Machine Makers‘ (1841: 18 f.) betonte die ,skill and assiduity of our artizans‘. Kennedy (1824: 11 – 17) sieht ebenfalls das innovative Milieu als ausschlaggebend für den britischen Erfolg im Maschinenbau, warnt jedoch, daß auch dieses langfristig kopiert werden könne. Vgl. Babbage (1832: 366 – 371), Ure (1835: 15) und McCulloch (1824b: 345). Vgl. zum „Select Committee on the Laws relating to the Export of Tools and Machinery“ des House of Commons im Jahr 1825: Berg (1980: 213). 22 Vgl. hierzu Bendix (1965: 125 – 130), Braverman (1974: 195), Edwards (2001).

3. Die Perspektive der Peripherie: die US-amerikanische Erfahrung

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tinents23. Hier soll ausschließlich die US-amerikanische Diskussion aufgegriffen werden, da sie sehr übersichtlich ist und ein Bezug zum Ansatz nationaler Produktionssysteme leicht hergestellt werden kann. Die Entstehung einer originären wirtschaftstheoretischen Position in den post-kolonialen Vereinigten Staaten von Amerika des frühen 19. Jahrhunderts kreiste vornehmlich um das Verhältnis zum früheren Mutterland24. Bereits mit dem Beginn der Unabhängigkeit hatte sich eine starke Bewegung für Autarkie- und für eine industrieorientierte Wirtschaftspolitik gebildet, die mit Wirtschaftspublizisten und Politikern wie Alexander Hamilton, Henry Clay und Mathew Carey verbunden ist. Hamiltons ,Report on the Subject of Manufactures‘ von 1791 ist das berühmteste Dokument dieser Richtung. Indem er die Umstände beschreibt, die eine Etablierung des Verarbeitenden Gewerbes in den USA befördern können, keimt bei ihm die Idee eines nationalen integrierten Systems ökonomischer Aktivitäten auf25. An den wirtschaftstheoretischen Beiträgen, die ab den 1820er Jahren innerhalb dieses intellektuellen Diskurses entstanden, interessiert an dieser Stelle, ob hier eine alternative Konzeption des ökonomischen Raumes vorgelegt wurde. Dabei ist zum einen zu beachten, daß eine protektionistische Wirtschaftspolitik häufig nur partiell und mit einem pragmatischen Mitteleinsatz vorgeschlagen wurde. Zum anderen ist ein Unterschied zwischen dem sich industrialisierenden Norden und dem agrikulturellen, auf Exportwaren wie Baumwolle spezialisierten Süden der USA zu machen. Die freihandelsorientierten Ansichten des Südens kommen beispielsweise in den Schriften von Thomas Cooper und Jacob Nuñez Cardozo zum Ausdruck, die beide in South Carolina wirkten26. Daniel Raymond, der als erster Amerikaner eine eigenständige Untersuchung zur Politischen Ökonomie vorlegte, analysiert die konkreten Bedingungen der Reichtumsproduktion in ähnlicher Weise wie Torrens und McCulloch als Mix aus naturgegebenen und gesellschaftlichen Faktoren und folgerte daraus ebenso eine Tendenz zur nationalen Spezialisierung27. Aber dort, wo die USA in die Gefahr 23 Vgl. zur irischen Frage: Black (1960), zur kolonialen Frage: Winch (1965); Barber (1975) speziell zu Indien; vgl. zu Deutschland als Beispiel für die kontinentale Rückständigkeit das folgende Kapitel. 24 Vgl. zu dieser Entstehung des US-amerikanischen Wirtschaftsdenkens: Dorfman (1946), Conkin (1980), Coats (1980), Goodwin / Meardon (1998: 298). Zum protektionistischen Diskurs in den USA im 19. Jh.: Elliot (1892), Stanwood (1903), Taussig (1893, 1909). Zum wirtschaftsgeschichtlichen Hintergrund der 1820er: Pincus (1977, Kapitel 2). 25 Zu den industriefördernden Umständen zählt Hamilton (1791: 249) u. a. die Arbeitsteilung, eine ausgedehnte Anwendung von Maschinen, ein breites Angebot an Arbeitsqualifikationen und ein genügendes Angebot an unternehmerischer Initiative. Vgl. zum Entstehungshintergrund dieses Berichts die Angaben von Harold C. Syrett und Jacob E. Cooke in der Werkausgabe von Alexander Hamilton, Band 10. 26 Cardozo (1826), Cooper (1826). 27 Raymond (1820: 48) zählte die Naturverhältnisse, die Bevölkerungsdichte, die Vermögensverteilung und den Stand von Kunst und Wissenschaft zu den wichtigen Reichtums-

5 Scheuplein

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Kap. 4: Disproportionen und Disparitäten

geraten, von der industriellen Superiorität Großbritanniens dominiert zu werden, gewinnt bei ihm die Raumeinheit ,Nation‘ einen ganz neuen Sinn. Für Raymond ist die Annahme einer Interessenidentität von Individuen und Gesellschaft der „fundamental error“ der englischen Politischen Ökonomie. Der Reichtum vom Standpunkt des Individuum sei die Gewähr, ohne Arbeit leben zu können. Die Gesellschaft (sprich Nation) dagegen müsse als Ganzes stets arbeiten, so daß für sie Reichtum nur in den materiellen Bedingungen dieser Reichtumsproduktion bestehen könne28. Während Nationen bei Ricardo negativ, durch fehlende Faktormobilität abgegrenzt werden, sind sie bei Raymond positiv als politische Kategorie definiert, die dem wirtschaftlichen Prozeß vorgeordnet ist. Ähnlich wie bei Ricardo wird die Weltökonomie in prozessual entstandene und mit einander konkurrierende Raumeinheiten zerlegt, aber diese sind nicht bloß analytische Abstraktionen, sondern reale Handlungszusammenhänge29. Mit dieser sozialtheoretischen Begründung makroökonomischer Einheiten schlug Raymond ein Grundthema der Volkswirtschaftslehre des 19. Jahrhunderts an. Er bezeichnete die Art dieser ökonomischen Funktionsbeziehungen nicht näher, dies geschah jedoch bei Friedrich List, John Rae und Henry Charles Carey, die seine Grundidee teilten und fortentwickelten30. List verfaßte während seines USAAufenthalts in den Jahren 1825 – 38 im Auftrag der ,Pennsylvania Society for the Encouragement of Manufactures and the Mechanic Arts‘ eine Broschüre, in der er im nationalen Wirtschaftsraum eine Wechselwirkung ,produktiver Kräfte‘ entdeckt31. Sind diese Kräfte noch zu wenig ausgebildet, so empfiehlt List eine darauf focussierte Wirtschaftspolitik, inklusive protektionistischer Maßnahmen. Aus diesen Überlegungen entwickelte List sein ,Nationales System der politischen Ökonomie‘, das im folgenden Kapitel im Kontext des ökonomischen Historismus in Deutschland behandelt wird. bedingungen, die wichtigste sah er in den ,industrious habits‘. Eine sinnvolle Arbeitsteilung zwischen Großbritannien und den USA illustrierte Raymond (1820: 282 ff.) am Beispiel der Baumwollproduktion. 28 Zur Kategorie Nation: Raymond (1820: 155); zur Kritik der Werttheorie der englischen Politischen Ökonomie: Raymond (1820: 32 f., 41), der übrigens den Earl of Lauderdale ausdrücklich von dieser Kritik ausnimmt (ebd. 175). 29 Raymond (1820: 35 f.) betont die Einheitlichkeit der Nation; daraus entsteht die Möglichkeit, die Wettbewerbsfähigkeit von Nationen zu untersuchen (ebd. 50). 30 Raymond (1820: 215, 378) bezog sich vor allem auf die Landwirtschaft, die er zumindest unter moralischen Gesichtspunkten als die überlegene Wirtschaftsform sah. Eine wichtige Gemeinsamkeit von List, Carey und Rae ist ihr entwicklungstheoretischer Optimismus, worin Schumpeter (1986: 572), die entscheidende visionäre Leistung dieser Ökonomen sieht. 31 List (1827): ,Outlines of a new system of political economy‘; siehe zu List in den USA: Schafmeister (1995: 170 – 279, 370 – 386) sowie Notz (1931), Henderson (1983) und Tribe (1995: Kapitel 3). In der Darstellung des amerikanischen Einflusses auf List wird kontrovers diskutiert, ob Alexander Hamilton oder Daniel Raymond stärkeren Einfluß auf List ausübten; vgl. zu List Beziehungen zu England: Henderson (1987). Vgl. List (1827: 104 f.) zur nationalen Reichtumsproduktion.

4. Die vielfache Relativierung des räumlichen Gleichgewichts

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Henry Charles Carey wendete den Gedanken der gesellschaftlichen Produktivkraftentwicklung in der Grundrententheorie an. Für die Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen sah er nicht die naturgegebene Fruchtbarkeit, sondern Faktoren wie die Transportinfrastruktur und Verarbeitungskapazitäten als entscheidend an32. John Rae brach am deutlichsten mit dem Konzept einer naturgegebenen Arbeitsteilung und sah die nationalen Spezialisierungsprofile von der gesellschaftlichen Produktivkraftentwicklung geprägt. Er machte dabei eindringlich auf die Schlüsselrolle von Innovationen für den ökonomischen Prozeß aufmerksam. Dabei hat die Innovation bei Rae immanent eine räumliche Dimension: erstens kann eine Invention durch die Übertragung von Wissen zwischen Orten entstehen, zweitens ist das Tempo und die Struktur der räumlichen Diffusion von Wissen bedeutsam für die volkswirtschaftliche Produktivität33. Aus all dem ist ersichtlich, daß es in der frühen US-amerikanischen Wirtschaftstheorie mit der Thematisierung des ,nationalen Reichtums‘ und der ,gesellschaftlichen Kräfte‘ eine Suchbewegung nach dem Begriff eines nationalen Produktionssystems gab. Bemerkenswert ist, daß auch die wenigen vorhandenen theoretischen Anknüpfungspunkte innerhalb der klassischen Theorie für ein solches Vorhaben nicht genutzt wurden und rhetorisch ein anti-ricardianischer Diskurs entstand. Nach diesen beiden Kritiklinien, die jeweils in unterschiedlicher Weise die Berücksichtigung der technisch-organisatorischen Dimension in der Ökonomie gegen Ricardo einklagten und die jeweils Vorstellungen von räumlichen Produktionssystemen entwickelten, möchte ich im nächsten Abschnitt verfolgen, in welcher Form räumliche Produktionssysteme in den wirtschaftswissenschaftlichen ,Mainstream‘ der Klassik aufgenommen wurden.

4. Die vielfache Relativierung des räumlichen Gleichgewichts In der Zeit nach 1825, als die ricardianische Theorie praktisch eine Monopolstellung in der wirtschaftswissenschaftliche Debatte Großbritanniens erlangte, kann das Thema der Lokalisierung von Branchen bei den drei großen Synthetikern der Epoche, bei J.-B. Say, J. R. McCulloch und J. S. Mill weiter verfolgt werden. Hatte man diese drei Autoren in der ersten Hälfte des 20. Jh. vornehmlich als Popularisierer und Fortsetzter des ricardianischen Systems betrachtet, so wurden in den letzten Jahrzehnten wieder die eigenständigen Aspekte ihrer Werke entdeckt. Für das hier interessierende Thema sind vier Punkte von Belang, durch die sich für sie ein Blick auf die Produktionsgeographie eröffnete. Erstens teilten sie eine me32 Zur Bedeutung gesellschaftlicher Produktivkraftentwicklung in der Landwirtschaft: Carey (1837: 340) sowie (1858a, Kapitel 4); allgemein zu Carey: Dawson (2000). 33 Vgl. Rae (1834: 195) zur gesellschaftlichen Produktivkraftentwicklung, zur Ortsbindung der Innovation (189) und zur räumlichen Diffusion (413 f.).

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Kap. 4: Disproportionen und Disparitäten

thodologische Nähe, eine Aufgeschlossenheit für induktive Verfahren. Diese wurde bei Say zum Programm erhoben und bei McCulloch und Mill mit dem deduktiven Systems Ricardos verknüpft. Bei Mill führte dies zu einer ausführlichen Methodenreflexion34. Zweitens legten sie zwar Lippenbekenntnisse zur Arbeitswerttheorie ab, vertraten jedoch eher eklektische Produktionskostentheorien des Wertes. Die Probleme der Arbeitswerttheorie wurden hierdurch eher verdunkelt als gelöst, aber immerhin ermöglichte dies den Autoren, die von Ricardo vernachlässigte technisch-organisatorische Seite der Produktion theoretisch zu bearbeiten. Dies war drittens mit einem intensiven Interesse an der Industrialisierung und speziell am technischen Wandel verknüpft. Bei allen drei Autoren kann eine aufmerksame Rezeption industrieökonomischer Schriften aufgezeigt werden. Viertens sahen sie alle Chancen für eine langfristig expandierende Kapitalakkumulation, womit sie sich deutlich vom wachstumstheoretischen Pessimismus Ricardos absetzten.

a) Die unternehmerische Standortwahl: Jean-Baptiste Say Jean-Baptiste Say war von allen kontinentalen Ökonomen am stärksten in die Herausbildung der britischen klassischen Politischen Ökonomie integriert. Sein ,Traité d’économie politique‘ folgte weitgehend dem Smithianischen Theoriekonzept. Er verschaffte Say zugleich Beachtung in Großbritannien und ließ ihn in Korrespondenz mit Ricardo, McCulloch und J. S. Mill treten. Aus diesen Gründen wird er hier in der Darstellung der britischen Klassik mitberücksichtigt. In der dogmengeschichtlichen Literatur wurde stets betont, daß Say eher auf Smithianischem Boden stand und ihm die radikale Focussierung Ricardos auf den Verwertungsprozeß fremd blieb. Wie dieses Saysche Theorieprogramm mit der Raumdimension verknüpft ist, wird im 6. Buch seines ,Cours Complet ï Ëconomie Politique Pratique‘ deutlich, wenn er in einem abschließenden Artikel noch einmal den Gegenstand der Volkswirtschaftslehre rekapituliert. Gerade hier, wo er die neuartige ,Theorie der Tausche und der Absatzwege‘ – gemeint ist seine Version der klassischen Werttheorie – zu einem Schlüssel der neuen Wissenschaft erklärt, ist für ihn die konkret-stoffliche Dimension der Gebrauchswerte und Arbeitsprozesse das Ziel und Mittel der Erklärung. Und diese Themen der Ökonomie sind bei Say immanent raumbezogen: „Die National-Oekonomie betrachtet nicht nur das Verhältniß, das zwischen der Masse der Produkte und der Volkszahl statt findet; die Vertheilung der Bewohner auf dem Erdboden, die Colonisationen, die Bildung und Vergrößerung der Städte, und die unter den Völkern 34 Vgl. allgemein zu methodologischen Trennlinien in der klassischen Politischen Ökonomie: Redman (1997) und O’Brien (1975: 66 – 74), speziell zu Say: Forget (1999: 123 – 132) und Steiner (1998b), zu McCulloch: O’Brien (1970: 96 – 98), zu Mill: Scarre (1998). Die ältere Sichtweise, wonach das Werk der Ricardo-Nachfolger als fast ausschließlich deduktivrational angesehen werden müsse, vertrat Blaug (1958: 188).

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eröffneten Communikationen, sind Gegenstände, die auch in ihr Gebiet gehören, und sich aus ihren Grundsätzen erklären“35.

Bei diesem unmittelbaren Bezug auf die Bevölkerungs-, Stadt- und Transportökonomie ist es greifbar, daß Say zumeist bei der Betrachtung von technisch-arbeitsorganisatorischen Problemen stehen blieb. Bezeichnenderweise handelte sich Say von Ricardo den Vorwurf einer Konfusion von Gebrauchs- und Tauschwert ein36. Dieser Charakter der Sayschen Theoriekonstruktion sollte im Sinn behalten und die Erwartungen auf eine theoretische Innovation durch Say niedrig gehalten werden, wenn man sich der hier interessierenden Frage zuwendet: Wie hat Say seinen Erklärungsanspruch im Hinblick auf die Räumlichkeit der Produktion umgesetzt? Zunächst kann in Says Frühwerk ein von Smith und Steuart bekanntes Raumverständnis festgestellt werden: Er diskutiert Probleme des Transportsystems und der Urbanisierung, sieht eine Tendenz zur optimalen Nutzung des Raumes in der Landwirtschaft, und verweist auf Beschränkungen der Raumnutzung bzw. der räumlichen Mobilität des Kapitals37. Im 19. Abschnitt des ,Traité‘, in dem sich Say mit den ,natürlichen Anlagen zur Industrie‘ auf nationaler Ebene auseinandersetzt, geht es im engeren Sinne um räumliche Produktionssysteme. Er stellt zwischen den Völkern unterschiedliche Fähigkeiten zur Innovation und industriellen Fertigung sowie unterschiedliche Konsumgewohnheiten fest. Dabei lobt er an der englischen Industrie besonders die Adaptionsfähigkeit und den Blick für den Massenbedarf38. In den abschließenden beiden Abschnitten des ersten Buches ,Von der Produktion‘ betrachtet Say die Beziehungen zwischen Ökonomie und Bevölkerung, darunter auch die Wirkungen auf die räumliche Verteilung der Einwohner. Diese Verteilung folgert er aus den verschiedenen Standortorientierungen der volkswirtschaftlichen Sektoren Landwirtschaft, Handel und Gewerbe. Bei letzteren beiden sind die Vorteile der räumlichen Nähe zu den vor- und nachgelagerten Funktionen ausschlaggebend: „( . . . ); um Manufaktur-Künste und den Handel zu vervollkommnen, ist es nützlich sich an Orten zu vereinigen, wo beide mit mehr Vortheil betrieben werden können, d. h. an Say (1829: 240). Im Hintergrund steht hier eine lange Distanzierung innerhalb der französischen Nationalökonomie vom physiokratischen Grundsatz der alleinigen Wertbildung durch den Boden. Auch Says Anliegen bestand noch darin, eine gleichrangige Wertbildung von Boden, Arbeit und Kapital nachzuweisen, was auf der Ebene des Gebrauchswertes geschah, vgl. James (1977), Whatmore (2000: 157 – 159); zur Ricardo-Say-Kontroverse: Bowley (1973: 142 – 146). 37 Vgl. Say (1803b: 224) zur Raumnutzung in der Landwirtschaft, zum Transportsystem (1803a, Abschnitte 24 und 34) und zur Urbanisierung (1803a: Abschnitte 46 und 47). Die optimale Raumnutzung kann durch eine räumliche Bindung von Humanqualifikationen, längerfristige Bindung von Kapital an Investitionen sowie die Naturbedingungen eingeschränkt werden, vgl. Say (1803b: 126). Vgl. auch die Ausführungen zur Stadtökonomie im ,Cours Complet‘: Say (1828d: 308 – 322). 38 Say (1803a: 106 – 111). 35 36

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Kap. 4: Disproportionen und Disparitäten Oertern, wo die Theilung der Arbeit einen großen Zusammenfluß der Arbeiter und Unternehmer verlangt. Der Färber wird sich gern dem Zeughändler, der Materialist dem Färber nähern, der Commissionair, oder wer zur See handelt wird sich gern neben dem Droguisten besetzen, und eben so wird es auch in Ansehung der übrigen Producenten seyn“39.

Ab der zweiten Auflage des ,Traité‘ richtete Say separate Bücher für ,Produktion‘ und ,Verteilung‘ ein, die beiden Abschnitte zur Bevölkerung wurden in Kapitel 11 des Buches ,Verteilung‘ zusammengefaßt. So bildete von dieser Auflage an die Standorttheorie den Schlußstein seiner Verteilungstheorie. Eine entsprechende standorttheoretische Passage übernahm Say zudem in den ,Catéchisme d’économie politique‘, der Kurzfassung seiner Theorie40. 1828 / 29 löste Say seinen ,Traité‘ durch den sechsbändigen ,Cours Complet d’Économie Politique Pratique‘ ab, wobei er nun den theoretischen Teilen anwendungsbezogene Kapitel beifügte, in denen er seine Prinzipien an Beispielen erläuterte und wirtschaftspraktische Probleme diskutierte. In der Erläuterung des produktionstheoretischen Teils untersuchte er in Kapitel 8 die Differenzierung von gewerblichen Arbeitszweigen sowie unterschiedliche Formen der Betriebsorganisation (Hausindustrie, Großbetrieb) und Formen von Betriebsstätten. Anschließend ging er in Kapitel 9 ,Ueber die Auswahl des Lokals für die Manufakturen‘ auf die einzelwirtschaftliche Standortwahl ein. Zunächst weist Say auf die ökonomische Notwendigkeit der optimalen Standortwahl hin. Er sieht diese Wahl von der Materialorientierung, der Absatzorientierung (vor allem bei Luxusgütern und persönlichen Dienstleistungen) und von der Arbeitsorientierung geprägt41. Danach diskutiert er die Rückwirkung einer räumlichen Konzentration von Gewerbebetrieben auf das Lohnniveau. In Abgrenzung zu David Humes These befindet er sie für eher gering. Abschließend wendet er sich den Möglichkeiten einer Akquisition von Gewerbebetrieben zu. Er weist darauf hin, daß derartige Standortverlagerungen durch Ursachen behindert werden können, „die so mannigfaltig sind, daß sie sich unmöglich mit Genauigkeit angeben lassen“. Zur Erläuterung geht er auf eine mißlungene Verlagerung der Seidenindustrie von Lyon nach Rußland ein und zitiert zur Erläuterung den bekannten Chemiker Jean-Antoine-Claude Chaptal, der die Lyoner Seidenindustrie als einen Zusammenhang verschiedener selbständiger Produzenten schildert, die wie ein „nothwendiges Räderwerk in der Fabrik“ zu einem Wertschöpfungszusammenhang integriert seien42. Die Lyoner Lokalisationsvorteile liegen dabei nach Chaptal in Say (1803a: 342 f.). Vgl. das Kapitel XI ,Ueber die Bevölkerung, in ihrem Verhältnis zur National-Ökonomik‘ im 2. Buch: Say (1817b: 190 – 222 und 1826b: 281 – 308); vgl. im ,Catéchisme‘ von Say (1815: 148 f.) den Hinweis auf die räumliche Nähe als Standortfaktor. 41 Vgl. zur Notwendigkeit der Standortwahl: Say (1828b: 101 f. bzw. 1826a: 427 f.); zu den Standortdeterminanten: Say (1828b: 102 – 105 bzw. 1826a: 428 – 431). Diese Passagen aus der ersten Auflage des ,Cours Complet‘ sind in der deutschen Übersetzung der fünften Auflage des ,Traité‘ als Anhang beigefügt. 39 40

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dem hohen Grad an Arbeitsteilung, in der Anwesenheit von Hilfsindustrien und in öffentlichen Institutionen. Say verweist zusätzlich auf das Transportsystem und auf industriepolitische Maßnahmen. Möchte man diese über die Jahre noch gewachsene Aufmersamkeit Says für Probleme der Standortwahl erklären, dann ist zunächst auf seinen biographischen Hintergrund zu verweisen: Say stammte aus einer Lyoner Textilindustriellen-Familie und wurde später selbst unternehmerisch tätig. Seine 1804 gegründete Baumwollspinnerei verlegte er nach wenigen Jahren an einen anderen Standort43. Zweitens dürfte Says spezifische Lehrtätigkeit eine Rolle gespielt haben: 1819 wurde Say auf den neugeschaffenen Lehrstuhl ,Economie industrielle‘ am Conservatoire des Arts et Métiers berufen und war seitdem wissenschaftlich mit den technischorganisationalen Problemen der Industrie konfrontiert. Drittens vollzog Say in der ersten Hälfte der 1820er Jahre eine Wende gegen die Ricardianische Ökonomie. Hatte er sich zuvor um einen größtmöglichen Konsens zwischen den Vertretern der neuen ökononomischen Theorie bemüht, so setzte er ab diesen Jahren stärker auf einen eigenen Ansatz. Er grenzte sich von der ricardianischen Ökonomie zum einen methodologisch ab, in dem er induktiven Verfahren eine eindeutige Priorität in der Wirtschaftswissenschaft einräumte und auf einem praxisorientierten Selbstverständnis (,Economie politique pratique‘) bestand. Zum anderen bekräftigte er werttheoretisch seinen ,gebrauchswertorientierten‘ Ansatz. Damit korrespondiert zudem seine sozialtheoretische Fundierung der Ökonomie44. All dies floß im ,Cours Complet‘ zusammen. Hier vergrößerte Say auch seinen Adressatenkreis, wandte sich an die „Manufakturisten, Handelsleute“ und „überhaupt jeden denkenden Bürger“, und stellte darauf seine Problemauswahl und Didaktik ab. Angesichts der praktischen, unternehmensbezogenen Problemstellung kann das Standortwahl-Kapitel als ein exemplarischer Teil von Says anti-ricardianischer Wende interpretiert werden. Zusammengefaßt gesagt thematisiert J.-B. Say die sektorale Lokalisierung zum einen als Bestimmungsgrund der Bevölkerungsverteilung und zum anderen als Einflußfaktor der unternehmerischen Standortwahl; letzteres ist verbunden mit einer Schilderung des Wirkungszusammenhangs eines Clusters. Allerdings bleiben dies jeweils Betrachtungen innerhalb isolierter Themengebiete. Zudem wird die Rolle der räumlichen Struktur als Bestimmungsgrund der Produktivität nicht angesprochen. Sowohl die Problemstellung als auch die Unverbundenheit seiner Thesen 42 Say (1828b: 109 sowie 1845a: 346); die betreffenden Passagen ebenso in Say (1826a: 434 f.). Das Zitat ist aus Chaptals Werk ,De l’industrie Françoise‘, Paris 1819, entnommen. Steiner (1998a: 199 – 206) hat Says Auseinandersetzung mit Chaptals industriepolitischen Vorstellungen skizziert. 43 Forget (1999: 16). 44 Vgl. Whatmore (2000: 205 – 216) und Steiner (1998b: 234 – 237), der diese Wende Says etwa mit dem Tod Ricardos zusammenfallen sieht. In all dies dürfte auch seine Sicht der britischen Gesellschaft hineinspielen, die mit den Jahren skeptischer wurde, wie sein ,De l’Angleterre et des Anglais‘ zeigt, vgl. besonders: Say (1818: 27 – 29).

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markieren Say methodologisch und werttheoretisch als Vertreter einer vor-ricardianischen Wissensordnung, wie er sie in seinen letzten Jahren auch bewußt wieder zu organisieren versuchte.

b) Statistik und Geographie: J. Ramsay McCulloch Im Unterschied zu zahlreichen anderen Ökonomen seiner Generation nahm J. Ramsay McCulloch die Herausforderung an, den konkreten Arbeitsprozeß als Element des Produktionsprozesses zu denken. Innerhalb des von Smith aufgezeigten Rahmens, der Verknüpfung von Produktionsorganisation und Kapitalakkumulation, fragte er nach den ökonomischen Konsequenzen der fabrikmäßigen Betriebsorganisation. Dies führte ihn zu einer sorgfältigen Auseinandersetzung mit dem zeitgenössischen Wissen über die neue Betriebsorganisation. Er beteiligte sich an den Debatten über die ökonomischen Wirkungen von Maschinen, gab Übersichten über die Entwicklung der Baumwollindustrie und anderen Branchen und besprach Babbages ,On Manufactures‘ in der ,Edinburgh Review‘45. McCulloch maß der Skalenökonomie und steigenden Erträgen eine hohe Bedeutung zu und begründete in der Wachstumstheorie eine Perspektive ungebremsten Wachstums für das ökonomische System. Die räumliche Struktur der Produktionsorganisation sah McCulloch als eines der Momente der Produktivitätssteigerung. Wie oben bereits skizziert vertrat McCulloch das Konzept eines einheitlichen ökonomischen Raumes, in dem Arbeits- und Kapitalmobilität und eine Tendenz zur Synchronisierung von Faktorpreisen und Profitraten herrschte. Entsprechend hatte er wenig Verwendung für eine Theorie komparativer Kosten, die von einer strikten Separierung von Nationen ausgehen mußte, und konzentrierte sich auf die Analyse absoluter Produktionsvorteile. In dem 1824 veröffentlichen „Discourse“, in dem McCulloch seinen eigenen Theorieansatz erstmals formulierte, erklärt er die sektoral spezialisierten „districts“ zu den räumlichen Einheiten der Produktivitätsbildung: „( . . . ), there is another and most important branch of the division of labour, which not only enables particular individuals, but the inhabitants of entire districts, and even nations, to addict themselves, in preference, to certain branches of industry. It is on this territorial division of labour, if I may so term it, that the commerce which is carried on between different districts of the same country, and between different countries, is founded. The various soils, climates, and capacities of production, of different districts of an extensive country, fit them for being appropriated in preference to certain species of industry“46. 45 Zu McCullochs wachstumstheoretischem Optimismus: O’Brien (1970: 277); O’Brien hat an dieser Stelle (Fußnote 2) entsprechende Artikel aus dem ,Scotsman‘ und der ,Edinburgh Review‘ und Passagen aus seinen Büchern aufgelistet. 46 McCulloch (1824a: 97), vgl. die Passage in den ,Principles“ (1825: 120 und 1849: 140) und dem Artikel ,Political Economy‘ in der ,Encyclopaedia Britannica‘ (1859: 230).

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Diese Einordnung der räumlichen Arbeitsteilung übernahm McCulloch im folgenden Jahr fast wortgleich in die ,Principles‘ und führte sie dort in allen Auflagen fort. Was unter einer sektoralen Spezialisierung von ,districts‘ genauer zu verstehen sei, zeigte McCulloch zunächst deskriptiv in den erwähnten Artikeln zur Branchenentwicklung, in dem 1832 erschienenen ,Commercial Dictionary‘ sowie in dem seit 1837 herausgegebenen ,Statistical Account of the British Empire‘. Hier stellte McCulloch für jeden behandelten gewerblichen Sektor die räumliche Verteilung der Branchenzweige dar47. Desweiteren betont er im ,Commercial Dictionary‘ die entscheidende Bedeutung der räumlichen Arbeitsteilung. In dem Überblicksartikel ,Commerce‘ erklärt er die sektorale Spezialisierung von Regionen zu einem wesentlichen ökonomischen Wirkungszusammenhang: „This territorial division of labour has contributed more, perhaps, than any thing else to increase the wealth and accelerate the civilisation of mankind“48. Auch wenn dieser Enthusiasmus McCullochs als eine Verneigung vor dem Publikum des ,Dictionary‘ – den Großhändlern – zu werten ist, so ist sein weiterer Hinweis von Interesse, wonach die räumliche Arbeitsteilung volkswirtschaftlich bedeutender sei als die von Adam Smith beschriebene Grundform – die Teilung von Beschäftigungsarten zwischen Personen: „The territorial division of labour is, if possible, even more advantageous than its division among individuals. A person may be what is commonly termed Jack of all trades; and though it is next to certain that he will not be well acquainted with any one of them, he may nevertheless make some sort of rude efforts in them all. But it is not possible to apply the same soil or the same minerals to every different purpose. Hence it ist, that the inhabitants of the richest and most extensive country, provided it were divided into small districts without any intercourse with each other, or with foreigners, could not, how well soever labour might be divided among themselves, be otherwise poor and miserable“49.

Zum einen – so McCullochs Quintessenz – begrenzen die spezifischen Voraussetzungen der sektoralen Spezialisierung die Zahl möglicher Beschäftigungsarten in einer Region, zum anderen erscheint die räumliche Arbeitsteilung als Vorbedingung der personalen Arbeitsteilung. Allerdings ist festzuhalten, daß McCulloch wie auch sonst in dem Artikel sich auf Naturbedingungen als Grundlage der sektoralen Spezialisierung bezieht. Erst in dem 1857 für die Encyclopaedia Britannica geschriebenen Artikel ,Manufactures‘, der zudem im darauffolgenden Jahr leicht überarbeitet in einer Essaysammlung reproduziert wurde, verknüpfte McCulloch den Begriff der ,territorial division of labour‘ und die empirische Sammlung unterschiedlicher Distrikte mit47 Zitiert wird dieses Werk hier nach der 3. Auflage von 1847; vgl. etwa die Darstellung zur räumlichen Verteilung der Baumwollindustrie, in der McCulloch (1847: 691 – 694) die Lokalisierung der Baumwollindustrie in Manchester herausstellt; zu McCulloch als Statistiker: O’Brien (1970: 84 – 98). 48 McCulloch (1832: 343, vgl. auch 346); die Charakterisierung des Artikels ,Commerce‘ (343 – 358) als allgemeiner Überblick befindet sich im Vorwort (V). 49 McCulloch (1832: 345 f.).

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einander. In dem Abschnitt ,Locality of Manufactures‘ wendet sich McCulloch zunächst den Gründen der Lokalisierung zu. Neben den Naturbedingungen könnten ,accidental circumstances‘ eine Lokalisierung bewirken, deren Wettbewerbsvorteil durch die Interaktion der Produzierenden am Standort permanent reproduziert würde. Dabei sieht McCulloch in den Rohstoffgrundlagen etc. nur die Möglichkeitsbedingung für Industriestandorte, deren langfristiger Erfolg jedoch erst durch die technologischen und arbeitsorganisatorischen Leistungen der Unternehmen erklärbar wird. Je größer der Produktivitätsvorteil eines Standortes ausfällt, desto stärkere Attraktionskräfte auf Unternehmen entfaltet er und desto höher werden seine Chancen auf eine permanente Sicherung der Vorteile. McCulloch betont in seiner Darstellung den dauerhaften, sich selbst reproduzierenden Charakter industrieller Standorte. Bei den empirischen Belegen für diese Sichtweise greift er ausführlich auf das statistische Material zurück und diskutiert die Standortkonzentrationen verschiedener Textilindustrien und des Metallgewerbes50. McCulloch setzt die Untersuchung absoluter Produktionsvorteile in der Tradition Smith‘ fort und wendet sich explizit den Vorteilen der sektoralen Spezialisierung zu. Obwohl McCulloch zu Beginn seiner Laufbahn einer Naturalisierung gesellschaftlicher Produktionsvorteile Vorschub geleistet hatte, bewahrte er sich immer ein Gespür für die Dynamik der industriellen Produktion. Dies führte ihn schließlich dazu, die gesellschafliche Produktion sektoraler Standortvorteile für ausschlaggebend zu halten. Er bezog diese raumwirtschaftstheoretischen Erkenntnisse und seine empirischen Darstellungen der Produktionsgeographie jedoch nicht zurück auf die makroökonomische Theorie.

c) Gesellschaftlicher Fortschritt in Zeit und Raum: John S. Mill J. S. Mill hat keine empirischen Studien wie McCulloch vorgelegt und er lehnte ,praxeologische‘ Exkurse im Stile Says innerhalb eines volkswirtschaftlichen Grundlagenwerkes ab. Sein Beitrag innerhalb einer Theoriegeschichte räumlicher Konzentration liegt vielmehr in der Art und Weise, wie er die sektorale Lokalisierung innerhalb seiner Transformation der ricardianischen Theorie positionierte. Ohne daß die lange Debatte über die Differenzen zwischen Ricardo und Mill hier aufgenommen werden muß51, kann zunächst festgehalten werden, daß in Mills 50 Vgl. McCulloch (1858: 466 – 494), hier speziell zu der Wirkungsweise der Cluster (470) und zur empirischen Lage (472 – 479). Vgl. in diesem Zusammenhang die standorttheoretischen Überlegungen von Richard Jones (1859: 446 f.). 51 Die Diskussion um Mill als Traditionalist oder Neuerer bezieht sich auf den Stellenwert seiner theoretischen Innovationen: Schumpeter (1986: 529) sieht hierdurch den ricardianischen Ansatz überwunden, Stigler (1965) jedoch nicht; Hollander (1985: 931) und Donner (1998: 299) bleiben unentschieden. Bei diesen Einschätzungen spielt der sozialphilosophische Hintergrund Mills eine wichtige Rolle, vgl. Schwartz (1968).

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Werk die raumrelevanten Herausforderungen der ricardianischen Theorie verarbeitet wurden. Er rezepierte die industrieökonomischen Erkenntnisse über den Fortschritt der Produktivkräfte und er ging auf die Infragestellung der klassischen Raumkonzeption und Handelstheorie ein. Ebenso berücksichtigte er die Rolle der Arbeitskraft als eines aktiven Agenten im Arbeitsprozeß (vgl. Kapitel 6). Zudem berief er sich auf Wakefields Kolonisationstheorie, in der dieser die Kombination gesellschaftlicher Produktivkräfte als eine Grundbedingung der wirtschaftlichen Entwicklung herausarbeitet52. All dies führt bei Mill zu einer Anerkennung der Bedeutung von Raum und Zeit auf der methodologischen Ebene der Wirtschaftstheorie. Darüberhinaus wurde aber nicht explizit auf die räumliche Konzentration der Produktion eingegangen. Um diese These zu begründen, werde ich zunächst seine methodologische Position näher charakterisieren. Der umfassendste Zugang zu Mills theoretischer Reformulierung lag wohl in seinem Anspruch, das auf den Verteilungskonflikt zwischen Grundbesitzern und Kapitalisten focussierte Modell Ricardos zu einer allgemeingültigeren Theorie auszubauen, die etwas über die Tendenzen der ökonomischen Entwicklung für die gesamte Gesellschaft aussagen konnte. Dies begann mit einer weitreichenden methodologischen Renovierung der klassischen Theorie. Erkenntnistheoretisch bestand Mill auf der Aufnahme des Erfahrungswissens in die Sozialphilosophie. Auch die allgemeinen Gesetze des menschlichen Geistes, so sein Argument, könnten nicht unabhängig von Raum und Zeit gebildet werden. Dies wandte er auch auf die ökonomischen Gesetze an. Das theoretische Modell Ricardos wurde somit übernommen, aber innerhalb eines Rahmens, in dem seine historischen und räumlichen Grenzen aufgezeigt wurden. Für Mill folgte daraus keineswegs ein absoluter Relativismus, sondern die Aufgabe, raumzeitliche Modifikationen ökonomischer Gesetze qualitativ und quantitativ angeben zu können. Um die ricardianische Theorie für diese Aufgabe zu befähigen, versuchte Mill den Einfluß der stofflichen Dimension auf die Wertdimension sichtbar zu machen. Technologie, Arbeitsorganisation, kulturelle Formen und Naturbedingungen, all dies sind für Mill keine äußerlichen Faktoren, sondern sie nehmen auf Struktur und Tempo der Wertproduktion Einfluß. So kommt Mill bereits bei der Beschreibung des Gegenstandsfeldes der Ökonomie zu dem Schluß, daß Wirtschaftsgesellschaften signifikant voneinander differieren53. Möchte man die Tendenzen ihrer ökonomischen Entwicklung aufzeigen, so Mill, dann müsse man über ein geeignetes Beschreibungsinstrumentarium verfügen. 52 Vgl. zur Rolle der Arbeitskraft: Mill (1848: 102 – 107, sowie Buch I, Kapitel 8) zur Rolle der sachlichen Produktionsmittel: Mill (1848: Buch I, Kapitel 9); zusammenfassend hierzu O’Brien (1975: 218 – 223) und Hollander (1985: 188 – 216); zur internationalen Dimension vgl. die Angaben unten; vgl. die Darstellung der Kombination gesellschaftlicher Produktivkräfte bei Wakefield (1834: 24 – 39 und 1849: 167 – 170), speziell den Begriff der Kooperation, mit dem Wakefield (1843: 24 – 44) den Smithschen Begriff der Arbeitsteilung erweitern möchte. 53 Mill (1848: 19).

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Kap. 4: Disproportionen und Disparitäten

Dieses Instrumentarium liefert Mill zunächst mit dem Panorama der ,productive agents‘ im 7. Kapitel des 1. Buches. Er beginnt mit den verschiedenen Naturbedingungen und der physischen Leistungsfähigkeit der Arbeit, setzt mit der Geschicklichkeit und dem Wissen fort und schließt mit einer Diskussion über Vertrauen und Sicherheit als ökonomische Einflußfaktoren. Von der Rohstoffbasis bis zu komplexen soziokulturellen Phänomenen wie der Funktion gesellschaftlicher Milieus bietet Mill somit ein breites Panorama der Produktionsvorteile. Auf die daraus resultierende räumliche Differenzierung der Produktivität wird ausdrücklich hingewiesen: „We now advance to the second great question in political economy; on what the degree of productiveness of these agents depends. For it is evident that their productive efficacy varies greatly at various times and places. With the same population and extent of territory, some countries have a much larger amount of production than others, and the same country at one time a greater amount than itself at another“54.

In der weiteren Argumentation geht Mill auf die Formen der Kooperation und Kombination von Arbeit (Kapitel 8), die auch die Stadt-Land-Arbeitsteilung umfaßt (§ 3), sowie auf die fabrikmäßige Betriebsorganisation und die damit verbundenen Betriebsgrößen (Kapitel 9) ein. Aus all dem ist ersichtlich, daß Mill den wirtschaftlichen Prozeß innerhalb eines weit gespannten Rahmens, der auch Platz für raum-zeitliche-Diskontinuitäten bot, dargestellt wissen wollte. Sein Rundflug in Buch 1 der ,Principles‘ über die wesentlichen gesellschaftlichen Produktivkräfte seiner Zeit legt nicht die Vorstellung von einer gleichmäßig-homogenen Verteilung der Produktionskapazitäten im Raum nahe. Wie aber setzte sich dies in der Darstellung des ökonomischen Prozesses im engeren Sinne um? Es ist darauf verwiesen worden, daß Mill häufig bestimmte Erkenntnisse in abgegrenzten Bereichen benutzte, ohne sie durchgehend in der Komposition seiner Theorie anzuwenden55. Genau dies kann auch über die genannten Herausforderungen der ricardianischen Theorie gesagt werden: Auf die Entstehung und die Konsequenzen räumlicher Differenzierung geht Mill nicht weiter ein. Soweit es um die ,Arbeits-‘ und ,Technik‘-Herausforderung geht, kann etwa auf den wichtigen Punkt der steigenden Erträge verwiesen werden. Mill diskutiert in der Nachfolge von Babbage, Senior und Rae die Skalenökonomie als Grund für die wachsenden Betriebsgrößen, aber nur sehr unzureichend als Ertragsgesetz56. Eine Verknüpfung räumlicher Konzentration mit steigenden Erträgen bleibt aus. Genannt werden kann auch die Profittheorie, in der Mill nur eine Differenzierung nach Geschäftszweigen untersucht, während er die Raumdifferenzie54 Mill (1848: 100; vgl. auch 130); vgl. insbesondere die Darstellung der Arbeitsmotivation in den Gewerbedistrikten, die Mill (1848: 105) mit einer Zitierung von Samuel Laing illustriert. 55 In diesem Sinne etwa Stigler (1965: 11). 56 Vgl. zu den steigenden Erträgen: Mill (1848: Buch I, Kapitel 9), zu den Ertragsgesetzen: Mill (1848, Buch III, Kapitel 2, § 3 und Kapitel 3, § 4); zusammenfassend zur unzureichenden Darstellung von steigenden Erträgen: Riley (1998: 301 – 303) und Hollander (1985: 297).

5. Schlußfolgerungen

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rung ausschließt57. Ebenso ist in Bezug auf die dritte Herausforderung im Bereich der internationalen Handelstheorie zu sagen, daß Mill neben einer Reformulierung und Erweiterung der Theorie der komparativen Kosten auch auf den Fall eingeht, daß ein Land im internationalen Wettbewerb ein anderes Land vollständig von einem Markt verdrängen könne58. Hier verweist Mill auf die Existenz absoluter Produktivitätsvorteile verschiedener Länder59. Statt einer näheren Analyse dieser Produktivitätsvorteile oder einer Diskussion der Unterscheidung in Außenhandel und Binnenhandel vorzunehmen, kehrt Mill jedoch alsbald auf die bekannten Gleise mit der lapidaren Bemerkung zurück, daß derlei Produktivitätsdifferenzen zwischen unterschiedlichen Wirtschaftsräumen keine große Bedeutung besäßen60. Es ist J. S. Mills Verdienst das ricardianische Modell in einen neuartigen Analyserahmen eingehängt zu haben, in dem die ökonomischen Tendenzen unter Rückgriff auf eine breite Palette von Einflußfaktoren analysiert werden konnten. Während bei Ricardo einige wenige ökonomische Variablen wie ,Kornpreis‘, ,Grundrente‘ etc. zur Verfügung stehen, wird bei Mill dem Anspruch einer Wissenschaft der Politischen Ökonomie viel eher genüge getan. Innerhalb dieses Analyserahmens boten sich auch Ansatzpunkte, um die raum-zeitliche Relativität der Einflußfaktoren zu berücksichtigen. In vielen Bereichen, so auch in dem hier interessierenden Fall der sektoralen Konzentration wurde dies nicht in eine spezifischere Darstellung von Funktionsweise und Stellenwert in der ökonomischen Theorie umgesetzt. Allerdings bietet Mills ausladendes Gerüst – im Unterschied zu Says und McCullochs Entwürfen –, die Möglichkeit, diese theoretischen Leerstellen aufzuzeigen.

5. Schlußfolgerungen David Ricardos Aussagen über die Räumlichkeit der Ökonomie waren das Ziel vielfacher Kritik. Seine Annahme einer Homogenität des Raumes, die der Marktökonomie vorausgesetzt ist bzw. durch diese erzeugt wird, wurde von empirischer und theoretischer Seite widersprochen. Von verschiedenen sozialen Interessengruppen wurde die Aufmerksamkeit auf die technisch-arbeitsorganisatorische Dimension gelenkt und dabei auch die sektorale Lokalisierung wieder einbezogen. Vgl. zur Profittheorie: Mill (1848: Buch II, Kapitel 15, insbesondere 403 – 405). Vgl. zur Theorie der komparativen Kosten und der Theorie der internationalen Werte: Mill (1848: Buch III, Kapitel 17 und 18; zuerst 1844: 232 – 261); zum Wettbewerb verschiedener Länder auf einem Markt: Mill (1848: Buch III, Kapitel 25). 59 Vgl. Mill (1848: 688 f.), wo er die aus der allgemeinen Darstellung bekannten Produktivitätsvorteile noch einmal aufführt. 60 Ganz wie Ricardo nahm Mill (1848: 588) starke Kapitalmobilität und einen Ausgleich der Profitraten für den Binnenmarkt und das Gegenteil für den Außenhandel an. Es ist jedoch bemerkenswert, daß die Unterscheidung von Binnen- und Außenhandel über die Transportkosten (587), die Annahme unterschiedlicher Nationalstaaten (588) und schließlich über den wirtschaftlichen Zusammenhang von Räumen (693) begründet wird. 57 58

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Kap. 4: Disproportionen und Disparitäten

Neben einer Reihe von US-Ökonomen, die sich kritisch gegenüber dem kolonialen Mutterland Großbritannien verhielten, stammen die folgenreichsten Beiträge von den frühen ,Ingenieur-Ökonomen‘ Charles Babbage und Andrew Ure, die die produktionstheoretischen Wirkungen des Fabriksystems (Skalenökonomie) mit seiner räumlichen Struktur in Beziehung zu setzen wußten. Eine befriedigende Verbindung dieser Erkenntnisse mit dem ricardianischen Theoriekorpus blieb jedoch aus. So beschränkte sich bei J. B. Say die Thematisierung von Clustern auf die einzelwirtschaftliche Standortwahl. McCullochs empirische Darstellungen der sektoralen Lokalisierung und seine Einsichten über die gesellschaftliche Produktion von Standortvorteilen in Clustern wurden von ihm nicht auf die makroökonomische Theorie rückbezogen. Bei J. S. Mill schließlich deutet sich ein komplexeres Theoriemodell an. Mill verwies auf die raum-zeitliche Relativität der ökonomischen Variablen und er führte in Anknüpfung an Babbage auch die technisch-arbeitsorganisatorische Dimension wieder ein. Dies wurde jedoch nicht für eine Integration der räumlichen Produktionsstruktur in die wirtschaftswissenschaftliche Theorie genutzt.

Kapitel 5

Territorialisierung als Strategie: die Deutsche Historische Schule 1. „Der alles monopolisierende Insulaner“ Wissensordnungen haben einen Entstehungsort. Wechseln wir nun an die Peripherie des frühkapitalistischen Europas, nach Deutschland. Hier bildete sich eine ökonomische Lehre heraus, die sich als Antithese zur britischen politischen Ökonomie verstand. Sie wurde sinnbildlich in einer Selbstverortung: „England“, so notierte Bruno Hildebrand zur Jahrhundertmitte, ist „gleichsam die Stadt von ganz Europa, welche den Kontinent mit ihren Arbeitsprodukten versieht“. Für diesen bleibe dagegen nur die „ländliche Bestimmung“ übrig. Diesen Alarmismus hatte zuvor Friedrich List gepredigt. Er warnte davor, daß Deutschland zur „englischen Agrikulturkolonie“ degradiert werde und daß seine Bewohner zu „Holzhackern und Wasserträgern“ erniedrigt würden. Wurden internationale Disparitäten in der britischen Politischen Ökonomie als vorübergehende Diskontinuität oder als Gewinn für beide Seiten verhandelt, so benannte man hier die Gefahr, daß sektorale Unterschiede sich zu asymetrischen raumwirtschaftlichen Typen materialisierten1. Die Mischung aus Bewunderung und Abscheu für England, wie sie aus zahllosen Reisebeschreibungen von Schriftstellern, Wissenschaftlern und Unternehmern seit dem Ende des 18. Jahrhunderts sprach, hatte sich zu einer geistigen Landkarte gesellschaftlicher Entwicklungsunterschiede verdichtet2. In Hildebrands Stadt-LandMetapher klingt eine Grunderfahrung an, die für die deutsche Nationalökonomie des 19. Jahrhunderts wissensstrukturierend wurde. Der Aussagenkorpus der politischen Ökonomie, der seit den 1780er Jahren aus Großbritannien nach Deutschland drang, wurde innerhalb dieses gesellschaftlichen Erfahrungshorizonts transformiert. Dies führte zu einer Territorialisierung des ökonomischen Denkens. Innerhalb dieses neustrukturierten Wissenskanons erhielten raumwirtschaftliche Probleme und die hier näher interessierenden räumlichen Produktionssysteme eine gesteigerte Aufmerksamkeit.

1 Hildebrand (1848: 43), List (1841b: 400, 388); siehe Prince-Smith (1846: 44 – 53) für eine affirmative Sichtweise; vgl. zur tatsächlichen Komplexität der Wirtschaftsbeziehungen: Dumke (1979). 2 Vgl. verschiedene Facetten der Wahrnehmung Großbritanniens bei Birke / Kettenacker / Hanisch (1988), AAJ (1980), Hardach (1971) und Wiedemann (1988).

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Kap. 5: Territorialisierung als Strategie

Die Deutsche Historische Schule erlebte in den vergangenen 15 Jahren eine Renaissance3. Das große Spektrum an Positionen, das dabei zu Tage trat, hat die Frage aufkommen lassen, worin das verbindende Band dieser ,Schule‘ besteht, sofern man sie nicht als theoretisch unergiebiges „by-product of academic nationalism“ abstempeln möchte4. Heinz Rieter hat vorgeschlagen, die Homogenität des historistischen Ansatzes über die Opposition gegen andere Theorietypen sowie über einen allen gemeinsamen ,Denkstil‘ zu bestimmen. Diesen beschreibt er als relativistisch, modellfeindlich, holistisch, organizistisch, evolutorisch, ethisch-normativ, empiristisch sowie sozial-, kultur- und geisteswissenschaftlich ausgerichtet5. Dieser ,Denkstil‘ hatte jedoch auch eine positive inhaltliche Basis darin, so soll hier gezeigt werden, die räumlichen Rahmenbedingungen des ökonomischen Handelns in den Mittelpunkt der Wirtschaftsbetrachtung zu stellen. Dieser Raumbezug der Historischen Schule ist vielfach bemerkt, aber selten geschätzt worden. Wegweisend für die Raumwirtschaftstheorie war hier Alfred Weber, der bei den Historisten nur deskriptive Faktensammlungen erkennen konnte, denen keine taugliche Generalisierung zu entnehmen sei6. Seitens der Geographie, die über ihre idiographisch-länderkundliche Phase ideengeschichtliche Wurzeln im Historismus hat, liegt kaum eine Auseinandersetzung vor7. In der jüngeren Diskussion ist der territoriale Aspekt wieder über die Wirtschaftsstufentheorien und Sombarts Städtetheorie präsent8. In diesem Kapitel wird zunächst der Raum als ,Systembegriff‘ der Historischen Schule diskutiert (2.). Der methodologische Bezug auf den ,Raum‘ führte zu einem neuen paradigmatischen Selbstverständnis, das die Untersuchung von raumwirtschaftlichen Strukturen zu einem bevorzugten Forschungsgegenstand werden ließ (3.).

3 Vgl. Bock / Homann / Schiera (1989), Schiera / Tenbruck (1989), Koslowski (1995, 1997, 1999), Rieter (1994), Priddat (1998), Lindenfeld (2002), Peukert (2001a). Zur aktuellen Hinterfragung des Gruppencharakters: Pearson (1999, 2002) und Peukert (2001b). 4 Robbins (2000: 242); zum Nationalismus als Element des Historismus: Gramley (2001: 274 – 387). 5 Rieter (1994: 132 f.). 6 Weber (1909: 232 – 235); vgl. zu raumwirtschaftlichen Beiträgen der Deutschen Historischen Schule: Isard (1956: 28), Kruse (1959: 168), Stavenhagen (1969: 467), Winkel (1977: 98), Pribram (1983: 453) und Tribe (1995: 73). 7 Kraus (1905: 65), Heiderich (1913: 467), Schmidt (1925: 115), später Otremba (1969: 28, 198 – 200) und Schätzl (1998: 35, 162). 8 Zu den Wirtschaftsstufentheorien: Gioia (1998), Reuter (2000: 103 – 112); zu Sombart: Betz (1996), für Bellet und L’Harmet (1998b: XVIII) kommt dem Historismus eine Schlüsselrolle in der Raumwirtschaftstheorie des späten 19. Jahrhunderts zu.

2. Nationenbildung und Wirtschaftstheorie

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2. Nationenbildung und Wirtschaftstheorie „Es bestehen zwei Parteien, von welchen die eine behauptet, daß die Naturgesetze für alle Völker zu gleicher Zeit gleichmäßig dieselbe Wirkung äußern würden, wenn man diese Einwirkung nicht gewaltsam hinderte, die andere dagegen dem ,Glauben‘ sich hingibt, daß für jede Nation besondere Naturgesetze bestellt seien, die nur für sie allein passen.“ Max Wirth: Grundzüge der National-Oekonomie, Erster Band, 1856, S. 530

In der Adam-Smith-Rezeption nach 1790 fand in Deutschland eine Ablösung einiger Ökonomen vom kameralistischen Argumentationsmuster statt9. Dabei wurden schrittweise auch die raumwirtschaftlichen Aussagen der klassischen Politischen Ökonomie übernommen, so zur räumlichen Differenzierung der natürlichen Produktivkräfte10. Hier wurde von einer naturbedingten territorialen Arbeitsteilung ausgegangen, aber es wurden auch gesellschaftlich produzierte Standortvorteile registriert sowie die Rolle der Städte für den Wirtschaftsprozeß diskutiert11. Weitere Parallelen existierten in der Frage der räumlichen Position als Einflußfaktor auf den Wert der Waren, der Ökonomisierung der Transportmittel, der räumlichen Ausdehnung von Marktgebieten sowie der Zonierung landwirtschaftlicher Nutzungen12. Bei der räumlichen Abgrenzung des ökonomischen Prozesses ergab sich jedoch eine Differenz. Wurde die ,Volkswirtschaft‘ bei Adam Smith als historisch-kulturelle Einheit innerhalb des globalen Wirtschafsraumes begriffen, so wurde sie nun viel vehementer als eine wirtschaftliche Kategorie behandelt13. Dies zeigte sich etwa bei Ludwig H. Jakob und Julius Graf von Soden, die auch die neue Wissenschaft ,Nationalökonomie‘ taufen wollten. Zudem blieb viel Skepsis gegenüber der freihändlerischen Position. Wie im Kameralismus erhoben sich weiter Stimmen, die temporäre Im- oder Exportrestriktionen befürworteten, um das „Emporbringen eines gewissen Zweigs der Industrie“ zu ermöglichen14. Mit dieser AkzentVgl. zur Smith-Rezeption Treue (1951), Winkel (1986) und Sandl (1999: 422 ff.). Schlözer (1805: § 141 – 143), Sartorius (1806: 114 ff.), Krug (1808: 57 f.), von Soden (1806: 198), Müller (1809b: 26 f., 81), Lotz (1811a: 354 ff. und 1814: 1 f.) und Storch (1819b: 269, 286 f.). 11 Zur territorialen Arbeitsteilung: Storch (1819a: 35), zu gesellschaftlichen Vorteilen: von Soden (1810: 179 f.) und Storch (1819a: 111; 1819b: 273); zur Stadtdiskussion: Storch (1819b: 268), Sartorius (1806: 113 – 119), vgl. die Diskussion von Urbanisationsvorteilen bei von Soden (1806: 105), Lotz (1814: 11) und Storch (1819a: 111; 1819b: 273). 12 Zur räumlichen Lage als Wertbestandteil: Lueder (1800: 79), Jakob (1805: 45, 136), Storch (1819a: 38); zum Transportsektor: Schlözer (1807: 98 ff.), von Soden (1810: 92, 1816: 370), Lotz (1811b: 63 ff.), Rau (1828: 392 – 320); zu Marktgebieten Müller (1809b: 53), Sartorius (1806: 46); Lueder (1800: 32 f.); Storch (1819a: 110); zu landwirtschaftlichen Nutzungszonen: Sartorius (1806: 33 f.); Storch (1819b: 268), Rau (1820: 95, 105) und von Thünen (1826). 13 Vgl. von Soden (1805: 21, 77; 1810: 9); zum internationalen Handel: von Soden (1806: 28, 198 f., 212; 1810: 172), Storch (1819b: 232); zur Skepsis gegenüber dem Freihandel: Treue (1951: 132). 9

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Kap. 5: Territorialisierung als Strategie

verlagerung deutete sich ein Konflikt mit der englischen Politischen Ökonomie an. Dieser Weichenstellung folgte schrittweise die Konstitution des ökonomischen Historismus. Während darin zumeist, wie oben angedeutet, eine Abkehr von einer allgemeingültigen Theorie gesehen wird, muß in Bezug auf die (territorialen) Rahmenbedingungen des ökonomischen Handelns auch die eigenständige Perspektivierung gesehen werden15. Diese alternative Sichtweise haben bereits verschiedene Theoriehistoriker mit der Betonung der ,Gebrauchswertorientierung‘ eröffnet. Der ,Gebrauchswert‘, mit dem das ,Tauschwertmodell‘ der englischen politischen Ökonomie bezweifelt wird, ist dabei das konkrete nationale Territorium, dessen ertragreiche Nutzung unter kapitalistischen Bedingungen ermöglicht werden soll16. Diese Raumperspektive führt die Historische Schule zur Untersuchung von naturgegebenen Ressourcen, Bevölkerungsverteilungen, lokalen Sitten und Rechtsverhältnissen, Transport- und Kommunikationssystemen, Währungsgebieten, der räumlichen Sachkapitalbindung und der städtischen Innovationsmilieus. Die ersten Versuche für eine nationalspezifische Wirtschaftstheorie und -politik machten das nationale Territorium zum expliziten Forschungsgegenstand. So analysierten Friedrich B. Weber, Johann A. Oberndorfer und Johann G. von Seutter in ihren Lehrbüchern die Verteilung der natürlichen Ressourcen und der Transportwege17. „Ueberall also die Wirkung der Oertlichkeit!“ ruft von Seutter aus und bezweifelt die Gesetze der klassischen Politischen Ökonomie. Für ihn kann das „Wesen des Reichthumes niemals als ein Absolutes erscheinen“, sondern sei „durch die Nationalität und die Zeit-Verhältnisse, Gegebenes“. Entsprechend müsse sich die gesellschaftliche Produktion stets „als der relative Erfolg der Genialität und Thätigkeit darstellen, womit die sich darbiethende Oerthlichkeit benüzt wird“18. Auch Karl Heinrich Rau klagte gegenüber der Klassik die Bedeutung der naturgegebenen Ressourcen ein19. Obwohl die generelle Existenz allgemeiner ökonomischer Gesetze von Rau nicht bestritten wurde, waren für ihn deutliche Grenzen 14 Vgl. Sartorius (1806: 136), Schlözer (1807: 88 f.), Müller (1809b: 81 f.) und Lotz (1811a: 367 ff., 399 ff.). 15 Vgl. diese These bei Isard (1956: 27); eine Eigenständigkeit des ökonomischen Historismus wurde vor allem in der nach-historistischen Phase bestritten: Gide / Rist (1921: 423 f.), Wilbrandt (1926: 97), Myrdal (1932: 33) und Eisermann (1956: 211 f.). 16 Zur Gebrauchswertorientierung: Komorzynski (1889), Brandt (1992: 169 – 184), Tribe (1995: 72), Priddat (1997, 1998: 379). 17 Weber (1813: 85 f., 123 – 136), Oberndorfer (1822: 2) und Seutter (1823: 81 – 85, 106 – 108). 18 Seutter (1823: 130, 228, 238). 19 Rau (1820: 269), der sich hier auf Storch (1819a: 35) bezieht; vgl. auch Rau (1821: 43); siehe zu Rau: Sinewe (1965), Schefold (1997), Priddat (1998: Kapitel 8); vgl. Roschers (1874: 847 – 860) Deutung von Rau als Vorläufer der Historischen Schule.

2. Nationenbildung und Wirtschaftstheorie

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sichtbar20. Er entwickelte ein raumbezogenes Forschungsprogramm, mit dem gezeigt werden sollte, wie die „gesammte Naturbeschaffenheit der Länder“ die Ökonomie und „die Richtung der Sitten, der Vorstellungen, der Gefühle“ bestimme21. Entsprechend kam er immer wieder in seinem Werk auf die räumlichen Potentiale der Ökonomie zu sprechen. Die wirtschaftsräumliche Gliederung in Nationen ist für ihn ambivalent „von Natur bestimmt“ und „aus der Geschichte bestätiget“22. Rau vertrat eine Wertbindung des Ökonomen an seine Nation und leitete aus den spezifischen Vor- und Nachteilen Deutschlands eine binnenorientierte Entwicklungsstrategie ab23. Mit seinem Verständnis der Volkswirtschaft als einer „organischen Verbindung“ bzw. einem „Gewerbsorganismus“ deutete er an, das die Volkswirtschaft als eigenständiges System zu verstehen sei24. In seinem ,Lehrbuch‘ bestimmte Rau die Volkswirtschaft als historisch werdenden Produktionszusammenhang sowie als eine „Gemeinschaft der Sprache, der Sitten, der Abstammung“25. In den 1830er Jahren pointierten auch Ökonomen wie G. F. Krause, K. F. Schenck und J. Schön die „eigenthümliche Lage der Länder“, die in der Theoriebildung zu berücksichtigen sei26. Die Thematisierung des nationalen Binnenraumes gewann zunehmend einen strukturierenden Einfluß innerhalb der sich herausbildenden Geistes- und Sozialwissenschaften27. Der Übergang zu einer theoretischen Alternative gegenüber der englischen Politischen Ökonomie hatten zuvor bereits von Soden und Müller mit dem Begriff der „produktiven Kraft“ oder „National-Kraft“ versucht. Die konkreten Ressourcen des nationalen Territoriums sollen hier als „Lehre vom Nationalreichthum“ der britischen „Lehre vom Weltreichthum“ gegenübergestellt werden, wie es Georg von Cancrin formulierte28. Diesem Muster einer „Theorie der produktiven Kräfte“, die mit einer „Theorie der Werte“ kontrastiert wurde, folgte auch Friedrich Lists ambitionierter Entwurf eines ,Nationales Systems der Politischen Ökonomie‘29. Vgl. Rau (1821: 30), zur Allgemeingültigkeit ökonomischer Gesetze: Rau (1843: 271). Rau (1821: 43 – 45), vgl. auch (1823: 30), (1831) und (1835: 2 f., 1843: 272). 22 Rau (1821: 31). 23 Zur Wertbindung: Rau (1835: 9) und (1843: 377); zur Entwicklungsstrategie der Kommentar von Rau in: Storch (1819a: 270 f.); vgl. das Infant-Industry-Argument bei Rau (1821: 171). 24 Rau (1821: 22, 24) in den ,Ansichten der Volkswirthschaft‘; diese Publikation wird zumeist nur als heterogene Sammlung wahrgenommen, etwa bei Sinewe (1965: 13), Tribe (1988: 189), Schefold (1997: V) und Priddat (1998: 192). 25 Rau (1826: 9 f.). 26 Krause (1830: 3), ebenso: Schenck (1831: 394), Schön (1835: 81), zuvor auch von Cancrin (1821: 12); vgl. dagegen liberale Gegenpositionen bei Bülau (1834), Baumstark (1835), Schüz (1845) und Prince-Smith (1846). 27 Plessner (1988), Kohn (1965), Deutsch (1966), zu früheren Diskursen: Sandl (1999: 286 ff.) und Echternkamp (1998: 55 ff., 109 ff.). 28 von Soden (1805: 26), Müller (1809a: 359), von Cancrin (1821: 2 f.); vgl. hierzu Baxa (1926: 41 ff.); ausführlichere Kritiken des Müllerschen Entwurfs bei Hildebrand (1848) und Eisermann (1956: 98 – 106). 20 21

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Kap. 5: Territorialisierung als Strategie

Sein theoretischer Fluchtpunkt war die länderspezifische Modifikation der klassischen Theorie30. List wies den inhaltlichen und methodologischen Individualismus zurück und verstand die Nation als reales Kollektivsubjekt31. Wenn Lists Werk fortan als „Wendepunkt“32 hin zu einer originären Wirtschaftstheorie in Deutschland begriffen wurde, so galt der öffentliche Beifall dieser Politisierung der Volkswirtschaftstheorie. Die Neubegründung der Volkswirtschaftslehre über das Kollektivsubjekt Nation konnte jedoch in der wissenschaftlichen Debatte nicht überzeugen33. Dazu bedurfte es einer anderen Theoriestrategie, die sich seit der Mitte der 1840er abzeichnete, als die Debatte um eine geeignete Industrialisierungsstrategie für Deutschland an Heftigkeit zunahm34. Statt einer alternativen theoretischen Formulierung der Volkswirtschaftslehre wurde eine methodologische Erweiterung von Wilhelm Roscher vorgeschlagen. Die Wert- und Gleichgewichtstheorie der britischen Politischen Ökonomie wird hier als eine nur relative Wahrheit anerkannt, die methodisch zu ergänzen sei um die spezifischen sozioökonomischen Bedingungen eines Territoriums35. Roscher stellte damit die Volkswirtschaftslehre in die Geistesströmung des Historismus, der die komplexen Strukturen der modernen Gesellschaft in Konzepten kollektiver Identitätsbildung zu fassen versuchte36. Die Kategorie des ,Volksgeistes‘ wird hier zur zentralen Kategorie der Wirtschaftswissenschaft gemacht. Die Wirtschaftswissenschaften werden folgerichtig als „Lehre von den Entwickelungsgesetzen der Volkswirthschaft, des wirthschaftlichen Volkslebens“ definiert37. Mit diesen soziokulturellen und institutionellen Faktoren kann, so Bruno Hildebrand, die Spezifik eines Wirtschaftsraumes verstanden werden: „Auch die historischen Verhältnisse, die Sitte, der Geschmack und die Lebenskunst Zu List siehe Gehrig (1956, 1966), Henderson (1983) und Schafmeister (1995). List (1841b: 167; ebenso 34 und 48), vgl. auch List (1827: 104 f.). 31 List (1841b: 176, 209). 32 Schmoller (1900: 117), ähnlich Eisenhart (1881: 167); vgl. zeitgenössisch: Rau (1843: 253), Schüz (1844) und Eisenhart (1843: 137) und H. v. Brentano (1850: 13 – 15). 33 Vgl. die Kritiken bei Roscher (1842b: 1182, 1199 f., Hildebrand (1848: 78), Rau (1843: 349, 360) und Knies (1852: 147). 34 Vgl. als Überblick: Hahn (1984: 113 – 122). 35 Hier besteht ein Bruch gegenüber List, vgl. Hildebrand (1848: 43 f.), aber auch Kontinuität, vgl. Hildebrand (1848: 69), Roscher (1849: 177 f.) und Eisenhart (1881: 178 – 193); zu List als Vorbereiter des methodologischen Historismus: Roscher (1874: 870 – 891) und Schumpeter (1986: 504). 36 Vgl. Eisermann (1956), allgemein zum Historismus: Meinecke (1962, 1965), Jaeger / Rüsen (1992), Küttler / Rüsen / Schulin (1997); vgl. allgemein zu Roscher: Schefold (1992), Streissler (1994), Priddat (1998, Kapitel 12). 37 Roscher (1852: 101, vgl. 1854: 22, § 16); zum Verständnis der Volkswirtschaft als Organismus: Roscher (1854: 18, § 13); hierzu auch Hildebrand (1863: 141), Knies (1852: 145), Kautz (1858: 124) und J. C. Rinne (1848: 176), zur Kategorie des Volksgeistes: Kautz (1858: 140), Roscher (1843: IV), Grossmann (2001); zum Organismus-Denken: Ambros (1963), Hutter (1994). 29 30

2. Nationenbildung und Wirtschaftstheorie

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des Volkes bedingen die Fabricationszweige“. Das ,Volk‘ wird als organizistischer Gattungsbegriff verstanden, indem es anlog zu einem Individuum als ,Persönlichkeit‘ gefaßt wird: Ein Volk ist in Leib und Gliedmaßen strukturiert und unterliegt dem Gesetz der Alterung. Dieses Körper-Topos impliziert in der Raumdimension eine Abgrenzung nach ,Außen‘ und in der Zeitdimension eine entwicklungsgeschichtliche Perspektive38. Die Raumbedingungen eines Landes sind nach diesem Verständnis – dies betont vor allem Karl Knies – die bestimmende Determinante der Ökonomie: Der ,Volkscharakter‘ löst sich in einem historischen Prozeß auf, in dem die räumlichen Verhältnisse das einzige invariante Moment bilden. Der gesellschaftliche Wandel erhält seine Spezifik, indem in historischen Epochen verschiedene Nutzungen ein und desselben Territoriums vorgenommen werden39. Knies spricht in diesem Sinne von einem „erdigen Beigeschmack der Theorie“. Der Raum avanciert damit zum Systembegriff der Wirtschaftswissenschaften, und die Erforschung der konkreten Raumbedingungen eines Landes zu einem zentralen Forschungsfeld40. Dieses Programm einer umfassenden und multidisziplinär angelegten Raumuntersuchung wurde nur in geringem Maß eingelöst. Die Charakterisierungen der deutschen Volkswirtschaft changierten fortwährend zwischen biologischen, sozialen und historischen Faktoren41, was sich in der Jüngeren Historischen Schule mit der Untersuchung von ,Mentalitäten‘ und ,Wirtschaftsstilen‘ fortsetzte. Der geringe forschungspraktische Ertrag wurde jedoch nicht als Defizit wahrgenommen. Aufgrund der methodologischen Wende gegen die ricardianisch-millsche Volkswirtschaftslehre konnten die Forderungen nach einer „Durchführung der Methode“ immer wieder reproduziert werden und die historistische Wissensordnung abschirmen42. Exkurs: Der disziplinäre Einfluß der Geographie Bei dieser raumwirtschaftlichen Wendung der Historischen Schule stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von Nationalökonomie und Geographie43. Tatsächlich 38 Hildebrand (1848: 85), zusammenfassend Kaden (1925); vgl. Eisenhart (1844: 122 f.) und Schirges (1852: 16) sowie bereits List (1827: 106); zur Kritik: Weber (1988: 22). Die Wirtschaftsstufentheorien, in denen die ,Stufen‘ über räumliche Ausdehnungen abgegrenzt sind (Haus-, Dorf-, Stadt- und Volkswirtschaft), werden hier nicht behandelt, vgl. als Überblick: Below (1901) und Gioia (1998). 39 Knies (1853a: 85, 109), vgl. auch Schön (1851: 19 f.). 40 Knies (1853a: 61, 317), vgl. Kautz (1858: 211, 224 ff.) und Meyer (1879: 144); zusammenfassend: Cossa (1880: 49). 41 Vgl. zur Problematisierung solcher Faktoren: Roscher (1854: 55), Kautz (1858: 226) und Schäffle (1861: 23). 42 Roscher (1854: 39). 43 Die Rezeption geographischer Ansätze im ökonomischen Historismus ist kaum aufgearbeitet, vgl. zumindest Eisermann (1956: Kapitel 4 und 1994).

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Kap. 5: Territorialisierung als Strategie

sind die Neubegründung der wissenschaftlichen Geographie zu Beginn des 19. Jahrhunderts und die historistische Wendung der Nationalökonomie Teilprozesse desselben Umbruchs in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Die Humangeographie des 18. Jahrhunderts ordnete ihr Fach als umfassende Beschreibung von Staaten. Zwar hatte dies immer wieder Zuordnungsprobleme generiert, die rasanten territorialen Verschiebungen der napoleonischen Kriege führten diese Methodik jedoch endgültig ad absurdum. Während die Politik- und Geschichtswissenschaften die Tiefen der zeitlichen Dimension neu auszuloten begannen, erhoffte man sich in der Geographie eine neue Basis von der Untersuchung der physischen Natur. Dieser naturwissenschaftliche Zugang schien die Formulierung einer ,unpolitischen Geographie‘ zu ermöglichen44. Hier eröffnete sich die Frage, wie von diesem so sicher erscheinenden Terrain der Bogen zur Humangeographie zu schlagen sei. Analog zu dem oben erörterten Problemkranz des ,Volksgeistes‘, wurden die ,natürlichen Grenzen‘ aus einem breiten Spektrum an (einander widersprechenden) Einflußfaktoren bestimmt. Bei Carl Ritter, dem seit 1820 an der Berliner Universität lehrenden Begründer der klassischen Geographie, wurde eine universalgeschichtliche Betrachtung der räumlichen Entstehungsbedingungen der menschlichen Kultur vorgenommen. Auch wenn Ritter einen strikten Naturdeterminismus ablehnte, stellt er letztlich eine ontologisierende Abgrenzung gesellschaftlicher Räume bereit. Dieser Begründungskontext für gesellschaftliche Tatbestände wurde in der Wirtschaftswissenschaft zwischen 1820 und 1860 teilweise selbst konstruiert, teilweise direkt aus der Geographie importiert. So lehnte sich Karl Heinrich Rau bei seiner Einführung räumlicher Differenzierungen in die Volkswirtschaftslehre an die Geographie an. Er berief sich in den ,Ansichten‘ auf verschiedene „geographisch-statistische“ Werke und Reiseberichte seiner Zeit und wies in seiner Rektoratsrede von 1831 auf Carl Ritter und Alexander von Humboldt als die Neubegründer der geographischen Wissenschaft hin. Diese Würdigung wurde von Wilhelm Roscher, der selbst Ritters Vorlesungen in Berlin gehört hatte, an vielen Stellen seines Werkes nachvollzogen45. Für Roscher nahm die Geographie eine systematische Stellung im Kreis der Humanwissenschaften ein. Er sah sie als ein „erklärendes Mittelglied zwischen Geschichte und Natur“46. Eine wohl erste systematische Behandlung erfuhr die Beziehung zwischen Geographie und Wirtschaftswissenschaft in Hugo Eisenharts ,Materialien zu einer Phi44 Vgl. Hinweise bei Schulin (1989) und Küttler / Rüsen / Schulin (1997) zur Veränderung in den Geschichtswissenschaften; Schultz (1991, 2002) zur Geographie. 45 Rau (1831: 10), vgl. zu von Humboldt schon Rau (1820: 78 / 79); Roscher (1874: 849) weist auf diesen Einfluß bei Rau hin. Vgl. dann Roscher (1849: 181 und 1854: 52, 54, 56, 84) zu Ritter sowie Roscher (1854: 47, 48, 54, 83) zu A. von Humboldt; vgl. auch Roscher (1874: 915) und Höfken (1856: 297). Zu Roscher als Hörer von Ritter vgl. den Bericht seines Sohnes Carl Roscher (1895: IX). 46 Roscher (1854: 54 f.), vgl. Roscher (1871: 3); siehe seine frühe Anwendung in der Erklärung des griechischen ,Volksgeistes‘: Roscher (1842a: 67).

3. Raumwirtschaft als Forschungsfeld

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losophie der Geographie‘. Dabei stellte Eisenhart explizit die gemeinsame Problemlage des historistischen Denkens in der Geographie und Wirtschaftswissenschaft heraus. Für beide Wissenschaften sei die Naturbedingtheit ihres Gegenstandes die Basis ihrer Arbeit47. Die Anrufung dieser interdisziplinären Zusammenarbeit wurde Anfang der 1850er Jahre zu einem Teil des historistischen Selbstverständnisses. Georg Schirges wie Gustav Höfken sprachen von einer Erfolgsgeschichte der deutschen Wirtschaftswissenschaft. Ebenso erkannte Julius Kautz in der geographischen Fundierung der nationalökonomischen Kategorien „das große Verdienst der neuen, namentlich deutschen Wissenschaft“. Die Betonung des „geographischen Moments“ war damit eine von vielen Autoren der Historischen Schule geübte Konvention geworden48.

3. Raumwirtschaft als Forschungsfeld „In Germany we find the home of decentralization of Europe – of jealousy of central power – and of the maintenance of local rights ( . . . )“ Henry C. Carey: Principles of Social Science, 1858, S. 48

Die Untersuchung der wirtschaftlich relevanten Aspekte des nationalen Territoriums, so zeigte die Betrachtung der historistischen Wissensordnung, war ein konstitutiver Bestandteil ihres Forschungsprogramms. Dessen Ergebnisse sollen zuerst in Bezug auf den Nationalstaat als räumliches Produktionssystem sowie auf eine rudimentäre Konzeptualisierung von Standortstrukturen betrachtet werden (a)). Danach folgt ein Überblick über die Aussagen zur regionalen Clusterung von Branchen (b)). Bei der Reflexion räumlicher Strukturen ist – neben der Rezeption der britischen Politischen Ökonomie – die Entwicklung der Raumstruktur in Deutschland im Blick zu behalten. Bis zum Ende der 1840er Jahre wurde die räumliche Produktionsstruktur nur geringfügig umgestaltet, es entstanden erst vereinzelte Fabriken als Inseln der industriellen Produktion49. Erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts veränderte sich die Territorialstruktur durchgreifend – wobei hier sehr ähnliche Faktoren wie in der britischen Wirtschaftsgeschichte ausschlaggebend waren: Entwicklung des Montansektors, Standortverlagerung durch den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, Clusterung verschiedener Branchen des Verarbeitenden Gewerbes bei gleichzeitigem Niedergang älterer Gewerberegionen. Eine Beschreibung industrieller Clusterung war in Deutschland somit erst ab den 1850er Jahren in nennenswertem Maße möglich. Eisenhart (1843). Eisenhart (1843: 173 f.) Schirges (1852: 3), Kautz (1858: 226), Höfken (1856: 297 – 299); vgl. auch Dühring (1866: 475) und später Schmoller (1900: 127). 49 Vgl. Berthold (1990: 387 – 428). 47 48

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Kap. 5: Territorialisierung als Strategie

a) Nationales Produktionssystem und Standortmuster Die Historische Schule sah in der nationalen Ebene nicht nur analytisch, sondern auch in einem essentialistischen Sinn die primäre Raumebene ökonomischen Handelns. Dabei implizierte die Abgrenzung der Nation gegen das ,Außen‘ zugleich eine Vorstellung über die Gliederung des ,Inneren‘. Der strukturierte ,Körper‘ versinnbildlichte den systemischen Zusammenhang von Volkswirtschaften. Ein „Ineinandergreifen aller Gewerbe, das große Räderwerk des Verkehrs“ registrierten bereits Rau und List. List hatte 1820 den Gedanken der „Produktivkraft der Nation“ in seiner Tätigkeit für den Allgemeinen Deutschen Handels- und Gewerbsverein als wirtschaftspolitisches Argument genutzt. Unter dem Einfluß seiner amerikanischen Erfahrungen entfaltete List den Begriff der „Kraft“ als synergetischen Effekt des Zusammenwirkens verschiedener Potenzen eines Territoriums50. Gegen Adam Smith gewandt verwies er auf eine Produktivitätssteigerung durch eine gesamtwirtschaftliche Integration von Arbeiten in der Volkswirtschaft: die ,Nationalmanufakturkraft‘ sei als ein ,zusammenhängendes Ganzes‘ zu sehen51. Die einzelwirtschaftliche und die gesamtwirtschaftliche Arbeitsteilung seien wechselseitig aufeinander bezogen; entsprechend hänge die Produktivität eines einzelnen Betriebes davon ab, ob „alle andern Manufakturzweige, deren er zum Bezug seiner Bedürfnisse oder zum Absatz seiner Produkte bedarf, ihm räumlich nahe stehen und politisch mit ihm vereinigt sind. ( . . . ) Die Produktivität der Arbeitsteilung ( . . . ) ist offenbar um so bedeutender, je näher sich die Individuen stehen, je weniger sie geistig und räumlich voneinander getrennt sind“52.

Dieses Konzept eines nationalen Produktionssystems ist folglich eine Wachstumstheorie, in der die synergetischen Effekte wesentlich durch eine räumliche Verknüpfung befördert werden53. Roscher weist darauf hin, daß ein Land mit den modernen Veränderungen „den Charakter einer großen Stadt“ erhält und Eiselen versteht in diesem Sinne die Volkswirtschaft als ein „grosses System getheilter Arbeiten; ein Ort greift immer in die Thätigkeit anderer Oerter, sie beschränkend oder befördernd, ein“54. Eine Untersuchung dieser innernationalen Raumgliederung wird zu einer Forschungsaufgabe der Wirtschaftstheorie. Es entstehen einige deskriptive und normative Ansätze von ,Standorttheorien‘. Der erste Schritt hierzu war die Erfahrung des Raumes als einer strukturierten und zugleich variablen Grundlage der Volkswirtschaft. So verweist Adam Müller 50 Rau (1835: 10), List (1820: 528 und 1841b: 187 f.); zu diesem Thema bei List: Gehrig (1966: 124 – 134) und Schafmeister (1995: 311 – 322). 51 List (1841b: 190, 196 und 1841a: 352); zur Illustrierung am Beispiel Großbritannien: Tellkampf (1851: 15). 52 List (1841a: 378). 53 List (1841a: 378). 54 Roscher (1843: 86) und Eiselen (1844: 436).

3. Raumwirtschaft als Forschungsfeld

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auf die Bildung neuer Raumstrukturen aufgrund der wirtschaftlichen Investitionstätigkeit55. Daran werden standorttheoretische Überlegungen angeschlossen, so etwa im Werk von Sodens. Seiner Ansicht nach ist erstens die Herstellung von Luxuserzeugnissen am sinnvollsten in den Städten durchzuführen. Hier „am Sitz der Künste“ ist die Nähe zu qualifizierten Arbeitskräften und Konsumenten förderlich. In den Städten ist zweitens der (Groß-)Handel vorteilhaft angesiedelt. Drittens kann die Herstellung standardisierter Güter, d. h. die Produktion für „einfache Bedürfnisse“, in ländlichen Gebieten erfolgen; Städte weisen durch das Lohnniveau Agglomerationsnachteile auf. Viertens sollte bei transportkostenintensiven Gütern eine Orientierung zu den Materialfundstätten hin vorgenommen werden56. Karl Heinrich Rau unterscheidet drei Sektoren, die unterschiedlichen Standortorientierungen folgen. Das agrarproduktverarbeitende Gewerbe folgt der Materialorientierung, während im Handwerk die Absatzorientierung vorherrscht. In der Industrie ist die Standortorientierung weniger klar, aber es ist ein Zug zur räumlichen Konzentration auszumachen, den Rau ausdrücklich mißbilligt57. Diese Standortorientierungen verschob Rau später in Richtung auf ein funktionales Kriterium: Bei einer starken Bedeutung der Transportkosten tritt eine Materialorientierung der Branche ein, und zwar am Gewinnungsort oder bei Rohstoffimporten am nächstgelegenen Handelsort. Bei starker Bedeutung des Faktors Arbeit tritt eine Arbeitsorientierung ein. Schließlich, bei starker Bedeutung von Absatz, Arbeitsqualifikation und Hilfsindustrien in den Luxusbranchen tritt Agglomerationsorientierung ein. Eine verwandte ,Standortlehre‘ skizziert Schenck, der die Materialorientierung von Branchen nach den Wertanteilen pro Gewichtseinheit bestimmt und bei der Arbeitsorientierung den Qualifikationsstandard auf den Arbeitsmärkten hervorhebt58. Eine Weiterentwicklung findet sich erst in der standorttheoretischen Monographie Wilhelm Roschers von 1865. Er führt die unterschiedlichen Standortmuster von Betrieben auf ein allgemeines Gesetz, den Entwicklungsgang der Arbeitsteilung, zurück. Demnach dominiert zu Beginn der volkswirtschaftlichen Entwicklung die Absatznähe in der Standortwahl. Im Zuge der Differenzierung von Arbeitsarten wird die Nähe zu Vorteilen, die sich in der Produktion ergeben, relevanter59. Die daran anschließende Beschreibung von Raummustern legt Roscher aller55 Müller (1809b: 12); vgl. die eher statische Sicht bei Sartorius (1806: 100) und Lueder (1800: 308). 56 Von Soden (1806: 105; 1810: 147, 210 und 1816: 273). 57 Rau (1821: 106 – 119); vgl. zu konsumorientierten Branchen: Rau (1820: 326 f. und 1821: 94 f.). 58 Rau (1826: 329 f.) und Schenck (1831: 247 f.). 59 Roscher (1865: 181, vgl. 142 und 155); eine gekürzte Version dieses Aufsatzes fügte Roscher später in die ,Nationalökonomie des Handels und Gewerbefleißes‘ ein (1881: 502 – 521).

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Kap. 5: Territorialisierung als Strategie

dings erheblich multikausaler an. Nachfrageseitig verweist er auf die Zahlungsfähigkeit und die Konsumentennähe als Standortfaktoren. Produktionsseitig können beim Faktor Arbeit die Lohnhöhe und das Qualifikationsniveau örtliche Vorteile bieten, beim Faktor Kapital können die Standortgebundenheit von Maschinen sowie Zinsdifferenzen räumlich wirken60. Der Einfluß dieser Faktoren auf die Standortbildung richtet sich jeweils nach ihren Anteilen an den Kosten der Produktion. Während der Standort der Luxusindustrie wesentlich von den Fühlungsvorteilen zu den Konsumenten entschieden wird, wirkt bei den Massenindustrien häufig ein Faktorenmix. Den Einfluß der raumdifferenzierenden Faktoren spielt Roscher bei einer ganzen Reihe von Branchen durch, unter anderem bei der Stahlindustrie, der Zuckerverarbeitung, der Getränkeindustrie sowie dem Goldschmiedegewerbe. Die unternehmerische Standortwahl in diesen Branchen folgt keiner Logik eines optimalen Standortes. Vielmehr verfügen die Unternehmer in der Sicht der Historischen Schule über begrenzte Informationen und entscheiden nach Kalkülen, die mit den Werten und Konventionen ihres soziokulturellen Milieus korrespondieren61. So reproduziert sich in der einzelwirtschaftlichen Entscheidung der systemische Charakter des nationalen Wirtschaftsraumes.

b) Wilhelm Roscher und das regionale Produktionssystem Cluster sind ein Grundmerkmal der Industrialisierung – diese Sichtweise wurde von Wilhelm Roscher, dem zentralen raumwirtschaftstheoretischen Autor der Historischen Schule, vertreten. In seinen ,Grundlagen der Nationalökonomie‘ schildert er Großbritannien als das Land, in dem sich die Industrie in dieser räumlichen Struktur entwickelt hat: „Die Gewerbe sind großentheils provinzenweise gesondert: so daß z. B. fast alle Leinenfabriken um Leeds und Dundee concentriert liegen, die Wollfabriken um Leeds, die Baumwollfabriken um Manchester und Glasgow, die Töpfereien in Stafford, die großen Eisenwaaren in Südwales, die hardwares um Birmingham, die cutlerwares um Sheffield. Ganz ähnlich bei der Anlage der Stadtviertel: daher z. B. in den großen Städten fast alle Comptoirs, Waarenlager ic dicht beisammen liegen, fast gar keine eigentlichen Wohnungen dazwischen“62.

Roscher erwähnt in der Standortstudie sowie in einem Aufsatz über industrielle Organisationsformen rund zwei Dutzend gewerbliche und industrielle Distrikte63 60 Vgl. Roscher (1865: 143 – 146, 154, 176) zu nachfrageseitigen Faktoren und zu produktionsseitigen Faktoren (1865: 156 f.). 61 Roscher (1865: 141 und 1881: 502). 62 Roscher (1854: 76 – 77). 63 Vgl. Roscher (1865: 192 ff.) sowie den Aufsatz ,Große und kleine Industrie‘ (1855), in dem er räumliche Konzentrationen benennt für die Baumwollindustrie in Lancashire (142), das Leinengewerbe in Schlesien (147), das Wollgewerbe in Amiens und Rheims, für die Seidenindustrie in Lyon, Elberfeld, Zürich (148) und Krefeld (160), für Spitzenklöppelei in

3. Raumwirtschaft als Forschungsfeld

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und benennt zahlreiche Spezialisierungsmuster für eine ganze Reihe von Ländern. Diese Tendenz zur regionalen Spezialisierung beschreibt Roscher als dominierenden Trend der räumlichen Struktur64. Er faßt dies als positiv auf und lobt an Großbritannien, dort sei „eine Arbeitstheilung zwischen District und District und eine Concentration der gleichartigen Gewerbe möglich ( . . . ), wie in keinem andern Lande der Welt“. Entsprechend benennt er die „zu geringe Concentration“ und Spezialisierung der deutschen Industrie als Standortnachteil. Hildebrand bemerkt in einer Studie zur deutschen Wollindustrie, daß die räumliche Zusammenballung den Wirkungsgrad der Arbeitskräfte „in geometrischer Progression“ erhöhe, und verweist auf eine inzwischen eingetretene räumliche Konzentration dieses Gewerbes65. David Born faßt diese Leistungskraft der lokalisierten Industrien an prominenter Stelle, in Hildebrands ,Jahrbüchern für Nationalökonomie und Statistik‘, zusammen: „Bekanntlich ist die Centralisation grosser Industriezweige in gewissen Städten und Districten ein Hauptvorzug, gegenüber den nach vielen Richtungen zerstreuten, sporadisch bald hier bald dort entstandenen Fabriken. Wo ganze für sich abgeschlossene Industriezweige mit allen verwandten Nebenbranchen zusammengehörig gruppirt sind, da sehen wir sofort bedeutende Leistungen, einen gesicherten, zumeist gut, jedenfalls keinen schlecht belohnten Arbeiterstand und stets ein export- d. h. mit dem Auslande concurrenzfähiges Fabricat hervorgehen. Solche Städte wie Solingen, Remscheidt, Iserlohn, Offenbach, Berlin, Aachen und Lennep, Elberfeld und Barmen, Chemnitz, Hanau, Pforzheim, Nürnberg, Sonneberg, Apolda und Gera und die sämmtlichen fabrikreichen Districte, in denen unsere Tuchindustrie blüht, – alle diese sind selbständig und vom Zollschutze völlig unabhängig. Auf solider Basis fundiert, hervorgegangen und verbessert auf Grund uralter Traditionen, haben sich Geschäftskenntniss und die Kundschaft für den Absatz von Geschlecht zu Geschlecht fortgepflanzt und vererbt und werden es auch ferner, wenn nicht künstliche oder gewaltsame Hindernisse eine Störung herbeiführen“66.

Diese Beschreibung der Clusterung ist – wie in den Zitaten bereits anklingt – mit einer Analyse von Vorteilen der lokalisierten Produktion verbunden. Vor allem werden die Fühlungsvorteile in Agglomerationen, die bereits von Bülau, List und Eiselen thematisiert worden waren, als Grund der sektoralen Konzentration angeführt67. Dabei steht die Funktion der Stadt als Kommunikationsort im Zentrum des Interesse; so etwa bei Roscher, der ihre Rolle im Innovationsprozeß schildert: Brüssel (159), für Stickerei in Nantes, Alençon (161) und Schneeberg (168), für die Metallindustrie in Solingen (163), Birmingham (164), Wolverhampton, Willenhall und Sheffield, für die Uhrenindustrie in der Schweiz und in Prescott (164), für die Gewehrfabrikation in Lüttich (165), für Kurzwaren in Cincinnati (166) und für die Messerherstellung in Namur (168). 64 Roscher (1855: 147), siehe auch von Mangoldt (1868: 224). 65 Roscher (1845: 397, 410), Hildebrand (1866: 85). 66 Born (1863: 148). 67 Bülau (1834: 181 und 229), List (1839: 273 und 1841b: 234) sowie Eiselen (1844: 419), vgl. auch schon Lotz (1814: 11 f.).

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Kap. 5: Territorialisierung als Strategie „Oft hört man die Ansicht, daß Erfindungen am besten in der Stille keimen und durch vorzeitiges Hinaustreten in das Gewühl des Marktes verkümmern. ( . . . ) Für die Erfindung [der praktischen Volkswirtschaft]( . . . ) ist die Atmosphäre der großen Städte entschieden günstig.( . . . ) Auch ist es in den Hauptstädten am Ersten wahrscheinlich, daß sich der Erfinder einer Idee rasch mit demjenigen begegnet, welcher dem Keime praktische Gestalt zu geben vermag, und beide wieder mit dem, welcher Kapital und Kredit zur ökonomischen Verwerthung herschießt“68

Innovation ist demnach ein Resultat raumgebundener sozialer Interaktion. Sie geht, so Carl Dietzel, aus der „fortwährenden persönlichen Berührung und geistigen Reibung“ hervor und wirkt als starkes Agglomerations-Motiv69. An dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, daß nicht-marktliche Institutionen und die soziokulturelle Dimension von der Historischen Schule als wichtige Einflussfaktoren berücksichtigt wurden. Dies war selbstverständlich für ein Paradigma, das sich als eine „Wissenschaft vom Volksleben“ definierte und das die wirtschaftliche Tätigkeit als Teil eines Kulturzusammenhangs auffaßte70. In der raumwirtschaftlichen Forschung ist dies in den Aufzählungen der Vorteile lokalisierter Produktion deutlich. So sieht Schmoller die Unternehmen dort „am besten prosperiren, wo sie in größerer Zahl sind, wo sich Fachschulen für das Gewerbe errichten lassen, wo die Traditionen im Arbeiterstande die gleiche Richtung haben, wo die Kinder schon mit den Handgriffen und technischen Vortheilen vertraut werden71.

Hier werden von Schmoller soziokulturelle Determinanten sowie Ausbildungsinstitutionen für die Prosperität eines räumlichen Produktionssystems angeführt. Die weitere konzeptionelle Aufarbeitung dieser Faktoren innerhalb der raumwirtschaftstheoretischen Beiträge blieb jedoch aus. Zurück zum Thema Innovation. Das wechselseitige Wissen um die Fortschritte der benachbarten Unternehmen beobachten einige Autoren nicht als Blockade: „Diese Concurrenz bringt, statt Schaden, den grössten Vortheil“72. Das innovative Milieu dieser „städtischen Specialitäten“ ist dabei häufig das Ergebnis eines komplexen, längeren Entwicklungsprozesses73. Roschers schildert die Clusterung als Resultat der funktionalen Differenzierung innerhalb von Städten:

68 Roscher (1865: 180, ähnlich 1881: 518 f.); vgl. auch Roschers Städtetheorie (1881: 34); zur Stadt als Kommunikationsort: Schmoller (1869: 159 und 1889: 1068 f.). Vgl. zu urbanisationskritischen Argumenten eher vor-historistische Autoren wie Eiselen (1843: 514) und Arnd (1845: 149 ff.). 69 C. Dietzel (1864: 336). 70 Zu nicht-marktlichen Institutionen: Roscher (1881: 582 – 708); zur soziokulturellen Dimension: Schmoller (1900: 6 – 75). 71 Schmoller (1869: 161), vgl. auch Schmoller (1869: 297, 300) zur Schilderung soziokultureller Faktoren. 72 Wirth (1863: XXVII). 73 Schmoller (1889: 1068 f.) und Roscher (1865: 170 f.).

3. Raumwirtschaft als Forschungsfeld

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„In sehr großen Städten läßt sich die Arbeitstheilung nach jeder Seite hin besonders weit treiben. Einzeln stehende Fabriken müssen ihre Kunden mühsam aufsuchen, durch Handlungsreisende, Meßbesuche etc., nachdem sie zuvor ebenso mühsam ihren Rohstoff bezogen haben; liegen aber zwanzig Fabriken derselben Art beisammen, so werden sich bald Handlungshäuser daneben ansiedeln, welche ihnen wetteifernd die ganze kaufmännische Seite ihres Betriebes abnehmen, Bankiers, um ihnen Kassierdienste anzubieten etc.. Während die isolirte Fabrik durch jedes Zerbrechen eines wichtigen Maschinentheils in Stokkung versetzt wird, oder einen Theil ihres Kapitals in Reservemaschinen müßig legen muß, werden sich in jeder größern Fabrikstadt Maschinenfabriken bilden, mit besonderer Rücksicht auf die Eigenthümlichkeit des in ihrer Nähe betriebenen Gewerbes“74.

Eine konzeptionelle Verarbeitung dieser Beobachtung nimmt Roscher in den ,Grundlagen der Nationalökonomie‘ vor. Die arbeitsorganisatorische Differenzierung und Integration der Arbeit sind für ihn „nur zwei verschiedene Seiten desselben Begriffes, der gesellschaftlichen Arbeit“. Die Integration der Arbeiten folgt dem „Princip der Stetigkeit oder Werkfortsetzung“, das auch eine räumliche Dimension besitzt: „Am vollkommensten ist die Arbeitsvereinigung, wo die Arbeiter am dichtesten beisammen wohnen“75. In der zeitlichen Dimension kommt es an diesen Integrationsorten zu Pfadabhängigkeiten. Wo eine Branche sich räumlich konzentriert hat, sind Arbeitsqualifikationen und unterstützende Einrichtungen vorhanden, die neuen Unternehmen den Start erleichtern. Die für ein Cluster bedeutsamen Technologien und Qualifikationen werden schrittweise fortentwickelt: „Wie der erste Schritt fast in jeder Richtung der schwierigste ist, so liegt in der bloßen Thatsache, daß ein Gewerbszweig an einem gewissen Orte blüht, ein bedeutendes Moment, auch sein Fortblühen an demselben Orte zu erwarten; selbst in dem Falle, wenn der ursprüngliche Grund, welcher das Gewerbe dahin gezogen, aufgehört haben sollte“76.

An die Möglichkeit unterschiedlicher Formen der Arbeitsdifferenzierung und -integration schloß die Historische Schule eine Unterscheidung unterschiedlicher Formen der Produktionsorganisation an (Handwerk, Hausindustrie, Fabrik). Raumrelevant war hierbei zum einen die Frage des Strukturwandels der lokal zentrierten Hausindustrie, für die in einer kapitalistisch modernisierten Form Überlebenschancen gesehen wurden. Zum anderen wurden Verschiebungen zwischen den Betriebssystemen betrachtet, etwa der Übergang zu großbetrieblichen Produktionsformen, dessen Raumwirkung sowohl in der räumlichen Dispersion der Einzelbetriebe, wie in einer Bildung großbetrieblich geprägter gewerblicher Distrikte gesehen wurde. Beispielsweise diagnostiziert Roscher eine Auflösung der hausindustriellen Produktionsorganisation in der englischen Textilindustrie, die mit einer räumlichen 74 75

Roscher (1865: 179). Roscher (1854: 75 – 91, speziell 88); vgl. bereits von Buquoy (1817: 379 f.) als Vorläu-

fer. 76 Roscher (1865: 140 f., ähnlich 1881: 502), zur Attraktion neuer Unternehmen: Roscher (1854: 88 f.); zur Pfadabhängigkeit auch Schmoller (1889: 1068), Schirges (1852: 153), Mascher (1866: 557), vgl. bereits List (1841a: 375 f.); vgl. empirisch zu einer Umprofilierung von Clustern: Beeg (1865: 1059) und A. Ziegler (1878: 95).

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Kap. 5: Territorialisierung als Strategie

Konzentration und Verlagerung einher geht77. Allerdings ist diese Auflösung traditioneller Hausindustrien nicht mit einer Tendenz zum delokalisierten fabrikmäßigen Großbetrieb gleichzusetzen. Vielmehr können sich auch bei einer Maschinisierung neue Produktionssysteme bilden. David Born unterscheidet in diesem Sinne eine ,centralisirte‘ und eine ,individualisirte‘ Industrie. Der Idealtypus der ersteren ist die Textilindustrie in Manchester, der Idealtypus der letzteren die kleinbetriebliche Industrie in Birmingham. Nach Schmollers Einschätzung ist eine neue Tendenz zur räumlichen Konzentration in verschiedenen hausindustriellen Branchen festzustellen, vor allem bei standardisierten, arbeitsintensiven Konsumgütern78. Die an diese Unterscheidungen anknüpfenden empirischen Arbeiten werden in Kapitel 11 diskutiert.

4. Schlußfolgerungen Die Entwicklung der deutschen Nationalökonomie gruppierte sich vom Beginn des 19. Jahrhundert bis zur Durchsetzung des historischen Denkens in den 1850er Jahren darum, wie man die Theorie der Politischen Ökonomie mit einem wirtschaftspolitischen Programm vereinbaren konnte, das die ökonomischen Rahmenbedingungen eines unterindustrialisierten Landes angemessen berücksichtigte. Dies führte zu einer Verräumlichung des ökonomischen Denkens in drei Etappen. Erstens handelte es sich um den Versuch einer anwendungsorientierten Ergänzung der klassischen politischen Ökonomie. Von Autoren wie Benedict Weber, Johann Georg v. Seutter und Karl Heinrich Rau wurde eine Untersuchung der raumwirtschaftlichen Verhältnisse als eine komplementäre Grundlage der Wirtschaftspolitik angesehen. Zweitens zielten Autoren wie von Soden, Adam Müller und Friedrich List auf eine theoretische Neubegründung der Wirtschaftswissenschaft, in deren Mittelpunkt die Nation als wirtschaftlicher Interaktionszusammenhang stand. Damit wurde eine bedeutende Perspektivenerweiterung auf die historisch gewordenen, institutionellen Einflußfaktoren der Ökonomie und auf die Interdependenz der wirtschaftlichen Aggregate innerhalb eines nationalen Wirtschaftsraumes erreicht. Drittens nahmen Wilhelm Roscher, Karl Knies und Bruno Hildebrandt eine methodologische Ergänzung der klassischen Theorie vor. Ökonomische Zusammenhänge waren demnach raumzeitlich zu konkretisieren. Hierbei wurde die Differenz nationaler Räume über eine Mischung aus enviromentalistischen, biologistischen und handlungstheoretischen Argumentationen begründet. Damit war dem ,methodologischen Historismus‘ eine Tendenz zur Ontologisierung von Volkswirtschaften immanent. Forschungspraktisch wurde diese Unhintergehbarkeit des ,Nationalcharakters‘ durch intensive empirische Studien, eine hohe Wertschätzung der Statistik und eine 77 Roscher (1855: 147), vgl. auch Roscher (1854: 412). Vgl. die Literatur zu den Formen der Produktionsorganisation in Kapitel 11. 78 Born (1863: 150 f.), Schmoller (1869: 161).

4. Schlußfolgerungen

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Favorisierung historischer Darstellung umgesetzt. Die deduktive Methode der ricardianischen Ökonomie sollte durch induktives Vorgehen ergänzt werden. Wirtschaftsräumliche Strukturen waren ein Teil dieses Forschungsprogramms. In der raumwirtschaftlichen Forschung wurde erstens der systemische Zusammenhang von Volkswirtschaften begrifflich gefaßt („Nationalmanufakturkraft“). Dabei wurden nicht nur die ökonomischen Transaktionen zwischen den Wirtschaftsteilnehmern als konstituierend angesehen, sondern auch deren institutionelle und infrastrukturelle Voraussetzungen. Innerhalb des nationalen Produktionssystems wurde die funktionale Verteilung von Produktions- und Bevölkerungspotentialen im Raum betrachtet. In diesem Rahmen diagnostizierte der Historismus die räumliche Konzentration von Industriezweigen als einen Grundzug der industriellen Entwicklung. Die Produktivität von Unternehmen wird positiv beeinflußt, wenn deren Zugriff auf Arbeits- und Materialressourcen sowie deren Austausch mit Kunden, Zulieferern, Kreditgebern etc. aufgrund räumlicher Nähe erleichtert wird. Insbesondere die Schilderung von räumlichen Milieus, die die Innovation fördern, ist dabei bemerkenswert. Allerdings läßt sich keine zentrale Belegstelle angeben, an der dieses Wissen vom ökonomischen Historismus versammelt worden wäre. Auch Roschers Standort-Monographie, die später einen dauerhaften Platz im 3. Band des ,Systems der Volkswirtschaft‘ fand, leistet dies nur partiell. An keiner Stelle wurden die Vorteile der wirtschaftlichen Clusterung im ökonomischen Historismus auf die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen, etwa der räumlichen Differenzierung der Produktivität und Erträge, hin befragt. Die historistische Wissensordnung widmete sich ganz den konkreten Arbeitsprozessen einer Volkswirtschaft und bezog diese nicht zurück auf die Wert- und Gleichgewichtstheorie. In der Historischen Schule entstammen daher sowohl die Stärken in der Beschreibung räumlicher Produktionssysteme wie die Schwächen bei ihrer Integration in ein makroökonomisches Modell der gleichen Quelle.

Kapitel 6

Die Geographie der Arbeit 1. „Cottonopolis“ und die „europäische Arbeiterkarte“ „Oberhalb des alten politischen Europa mit seinen geschiedenen Staaten und Städten erhebt sich das neue industrielle Europa.“ So begann 1856 in dem liberalen Jahrbuch ,Die Gegenwart‘ ein anonymer Autor seinen Artikel über die Arbeitsbevölkerung in Großbritannien1. Er erkannte eine wachsende Industrie und ein wachsendes städtisches Proletariat, „die politischen Grenzscheiden immer mehr verwischend, die Nationalitätsunterschiede immer mehr aufhebend“. Dieser wirtschaftliche Wandel wirke „absorbierend“ auf die alten Sozialordnungen, „bis zuletzt das alte in sich geschiedene Europa als ein unendliches nur noch durch die verschiedenen Arbeitszweige geschiedenes, abgetheiltes Atelier erscheinen wird.“ Anschließend imaginiert dieser Beobachter eine „europäische Arbeiterkarte“; je nach der „größeren oder mindern Dichtigkeit der Arbeitsgruppen“ ergeben sich „mehr oder minder schattirte Flecken“. Den auffälligsten Punkt stelle Manchester dar – „Cottonopolis“. Mit dieser Kartographie, so der Autor, läßt sich die Dynamik des Strukturwandels sichtbar machen: „Wo die Arbeitsinstrumente und Productionskräfte am entwickeltsten sind, wie in den Cotton-, Eisen- und Kohlendistrikten, da sind die Arbeiterlagerungen am stärksten und bilden auf der socialen Karte Europas die schwärzesten Flecken.“

Die räumliche Verteilung der Beschäftigten erscheint in dieser Beschreibung als Folge des neuen Produktionsregimes. Zugleich werden die Beschäftigten aber nicht als abstrakte Elemente eines Prozesses behandelt, sondern ihre Arbeits- und Lebensverhältnisse, ihre sektoralen Besonderheiten, industriellen Konflikte, Selbsthilfe-Aktivitäten usw. werden als Teil der neuen Wirtschafts- und Sozialordnung porträtiert. Im Resümee werden die „Arbeitergruppen“ und die sachlichen „Productionskräfte“ als „die beiden Hauptelemente der modernen Entwickelung“ bezeichnet. Diese farbige und analytisch brillante Momentaufnahme der britischen Industrialisierung legt den Akzent auf die Beschäftigten, die in der klassischen britischen Politischen Ökonomie als passiver ,Faktor Arbeit‘ wahrgenommen werden. Ihren bekanntesten Ausdruck fand dies in der These vom ,Lohnfonds‘, wonach das 1

Anonymus (1856: 888); die folgenden Zitate siehe dort auf den Seiten 901, 889, 954.

2. Die Orte der Wissensträger

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Lohneinkommen eine Variable der unternehmerischen Investitionsentscheidungen sei und nicht durch Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern festgelegt werden könne. Gegen diese Auffassungen wandten sich Publizisten aus der sozialistischen Bewegung, die seit den 1830er Jahren in Großbritannien entstand. Im Folgenden wird zunächst auf die frühsozialistischen Autoren Thomas Hodgskin und Thomas Edmonds eingegangen, die in der Arbeit das aktive und wachstumsgenerierende Element der Produktion sahen und auch eine räumliche Wirkung erkannten (2.). Anschließend werden Karl Marx’ und Friedrich Engels’ wesentlich breiter angelegte raumwirtschaftstheoretische Aussagen untersucht (3.). Auf die nicht-sozialistische Kritik der ,Lohnfonds‘-Theorie wird dagegen erst im übernächsten Kapitel eingegangen.

2. Die Orte der Wissensträger: Thomas Hodgskin und Thomas Edmonds Seit dem Beginn der 1820er Jahre entstand in Großbritannien eine neuartige theoretische Kritik der klassischen Politischen Ökonomie. Dabei wurde die Volkswirtschaftstheorie nicht mehr vom traditionellen Standpunkt einer ,moral economy‘ kritisiert und die Forderungen nicht mehr ausschließlich auf das politischrechtliche System konzentriert, sondern die Gesellschaftskritik auf das Terrain der Ökonomie ausgeweitet. Diese Kritiker vertraten nicht mehr statische Gesellschaftsutopien auf agrarischer Basis wie andere frühsozialistische Kritiker, etwa Thomas Spence und William Godwin, sondern bejahten den industriellen Fortschritt als Mittel zur Lösung sozialer Probleme. Die Kritik richtete sich vornehmlich gegen die zunehmende Polarisierung der Einkommensverteilung und gegen das Rationalisierungspotential des technischen Fortschritts. Man argumentierte auf dem Feld der Verteilungstheorie und forderte einen ,gerechten Anteil‘ für die Arbeiterschaft. Diese frühsozialistischen Verteilungstheorien entfalteten einen starken Einfluß auf die ökonomietheoretische Diskussion in Großbritannien2. Thomas Rowe Edmonds und Thomas Hodgskin teilten viele Ansichten dieser Richtung, richteten den Blick jedoch stärker auf den Produktionsprozeß3. Beide stellten die Produktivität und Kreativität der Arbeitskräfte in den Mittelpunkt und warfen der Politischen Ökonomie vor, die Arbeitskraft in ihrer Werttheorie nur als ausführendes Organ des Kapitals zu betrachten. Nicht die leblose Maschine, son2 Vgl. die sogenannten ,Ricardian Socialists‘ Piercy Ravenstone (1821), William Thompson (1824, 1827), John Gray (1826), John Francis Bray (1839), hierzu Foxwell (1903), Halévy (1956), Lowenthal (1911), N. Thompson (1984, 1998) und Claeys (1987). Vgl. zur Verbreitung der Theorierichtung: N. Thompson (1984: 16- 20 und 136 – 157), Stack (1998: Kapitel 6) und Blaug (1958: 153). 3 Hodgskin (1825, 1827) und Edmonds (1828, 1832); vgl. zu Edmonds: Eyler (2002); zu Hodgskin: Stack (1998), N. Thompson (1984, 1998) und King (1983) und Halévy (1956). Stark (1943) vergleicht Hodgskin und W. Thompson, Koepp (1911) sowie Hunt (1977) vergleichen Hodgskin und Marx; Gordon (1955) geht auf Hodgkins Rolle beim ,Economist‘ ein.

7 Scheuplein

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Kap. 6: Die Geographie der Arbeit

dern die kooperierenden Arbeitskräfte vollbrächten die Arbeit und gäben immer wieder neue Impulse zur Verbesserung des Prozesses. In seinen Vorlesungen behandelt Hodgskin die räumliche Arbeitsteilung zunächst als naturdeterminiert in der Tradition von Torrens4. Er rückt jedoch das Problem der sozialen Regulierung und die daraus folgende gesellschaftliche Gestaltbarkeit der Ökonomie erneut in den Blick. Bereits in einer 1820 skizzierten Kritik an der Ricardianischen Rententheorie weist er gegen dessen Annahme einer säkularen Stagnation in der Agrikultur auf gesellschaftliche Innovationen und daraus folgende Erhöhungen der Profite hin5. Unter den verschiedenen Faktoren der sozialen Regulation, die Hodgskin statt dessen als wichtige Determinanten der Produktivkräfte ins Feld führt, widmet er sich besonders der Rolle des Wissens im Produktionsprozeß. Wesentlich für die Herstellung von Wissen, so Hodgskin, sei die gesellschaftliche Zusammenarbeit. Die Art der gesellschaftlichen Organisation und insbesondere die Bevölkerungsdichte könnten so zu wichtigen Bestimmungsgründen des Innovationsprozesses werden, was eine räumliche Verteilung des Innovationsprozesses impliziert: „Almost all discoveries and improvements have been made in crowded cities and in densely peopled countries“6. Edmonds veröffentlichte 1828 sein Erstlingswerk ,Practical Moral and Political Economy‘, in dem er das Privateigentum als Hauptdefekt der Gesellschaft ansah. Hier und in seiner vier Jahre später erschienenen Malthus-Kritik setzte er auf eine Perspektive des Wachstums aufgrund der Vergrößerung des Wissens und der produktiven Fähigkeiten der Gesellschaft. Durch sie kann das eingesetzte Kapital steigende Erträge realisieren7. Dieser Fortschritt, so Edmonds, kann jedoch nicht unmittelbar und in allen Ländern stattfinden, sondern basiert auf bestimmten räumlichen und sektoralen Bedingungen. Die räumliche und eigentumsrechtliche Zusammenführung von Kapital erhöht die Produktivkraft in einer Branche. Als Beispiel hierzu nennt Edmonds die Konzentration in der Textilindustrie. Jeder Versuch des Standortwechsels eines Unternehmens werde dabei behindert durch die Ortsbindung der Arbeitskräfte, des investierten Kapitals und der verbundenen Unternehmen anderer Branchen. Diese Tendenz könne durch die Transportkosten erst dann gebrochen werden, wenn Technik und Arbeitsorganisation nicht mehr verbessert werden können. Erst wenn das Niveau des Wissens in einer Branche nicht mehr steige, könne eine andere räumliche Struktur der Branche eintreten: „When the knowledge of the arts is equally diffused, nearly all commerce between distant 4 Hodgskin (1827: 131); dies befindet sich in Kapitel 6 ,Territorial Division of Labour. Limit to Division of Labour from the Nature of Employments‘ der als ,Popular Political Economy‘ publizierten Vorlesungen. 5 Siehe zur gesellschaftlichen Gestaltbarkeit: Hodgskin (1827: 22, 36). Die Kritik an der Rententheorie wurde in Briefen an Francis Place entwickelt; vgl. vor allem den Brief vom 28. Mai 1820, der bei Halévy (1956: 66 – 79) abgedruckt ist. Siehe auch die Zitierungen bei Stack (1998: 101) und Schütze (1930: 38). 6 Hodgskin (1827: 95). 7 Edmonds (1828: 162 f., 1832: 57 – 67, 128).

3. Der variable Raum

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towns will cease, and every country or small territory will be independent of all other countries“8. Diese Betonung der Räumlichkeit des Produktionsprozesses und speziell der Dichte im Innovationsprozeß sind ein immanentes Element der Ricardo-Kritik von Hodgskin und Edmonds. Sie beziehen die Bedeutung von Arbeitsqualifikationen und Wissen für den Produktionsprozeß mit ein, um den dynamischen Charakter der kapitalistischen Ökonomie aufzuzeigen. Diese Dynamik verdankt sich der Produktivität der Arbeit, wobei die räumliche Bindung der Arbeit ein unterstützendes Element darstellt.

3. Der variable Raum: Karl Marx und Friedrich Engels Hodgskins und Edmonds’ Erkenntnisse über die Rolle der Arbeitskraft in der räumlichen Produktionsstruktur sind eng mit ihrem politischen Anliegen verknüpft: Sie kämpften für die materielle und politische Teilhabe der Beschäftigten in der Gesellschaft, aber sie konnten von diesem ,Interessenstandpunkt‘ der klassischen Politischen Ökonomie kein alternatives Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell entgegen setzen. Zu deren entscheidendem Gegenspieler stieg erst Karl Marx auf. Er sah im Einklang mit Hodgskin die Beschäftigten als die Produzenten materieller Werte an, aber er sah sie zugleich integriert in ein soziales System: ,Kapitalist‘ und ,Arbeiter‘ vertreten verschiedene Interessen im Kapitalismus, aber sie sind zugleich durch den Arbeitsvertrag aneinander gebunden und sie folgen zu weiten Teilen beide der gleichen ökonomischen Logik. Diese Verbindung gegensätzlicher Interessen innerhalb eines sozialen Systems, so kritisierte Marx, müsse immer wieder zu Krisen und Konflikten führen. Dieses anders geartete Wirtschafts- und Gesellschaftsbild implizierte auch neue raumwirtschaftstheoretische Aussagen, die in den 1970er und 1980er Jahren in der angelsächsischen Wirtschaftsgeographie intensiv rekonstruiert und rezepiert worden sind9. Zunächst werden einige Differenzen der Marxschen Theorie zur ricardianisch-millschen Politischen Ökonomie aufgezeigt (2.1), dann Marx Grundverständnis des ökonomischen Raumes skizziert (2.2) und schließlich auf die Thematisierung einer sektoralen und räumlichen Konzentration in seinem Werk eingegangen (2.3). a) Kapitalismus als soziales System Marx war sich mit der klassischen Politischen Ökonomie darin einig, daß der Markt eine wesentliche Instanz der modernen Ökonomie ist und er sah ebenso ein hohes Maß an Autonomie und Souveränität von Produzenten und Konsumenten Edmonds (1828: 87). Zur Rezeptionsgeschichte der Marxschen Theorie in der neueren (englischsprachigen) Geographie: Swyngedouw (2000), Smith (2001), ausführlich: Peet (1998). 8 9

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Kap. 6: Die Geographie der Arbeit

durch den Markt hergestellt10. Allerdings erkennt Marx verschiedene Markttypen, z. B. den Gütermarkt, den Bodenmarkt oder den Kreditmarkt, auf denen unterschiedliche Gesetzmäßigkeiten herrschen. Der Arbeitsmarkt ist für ihn der Schlüssel zum Verständnis des Kapitalismus, denn hier verfügen die Teilnehmer über ganz unterschiedliche Voraussetzungen. Mit dem Arbeitsvertrag wird die Ware Arbeitskraft für eine bestimmte Zeit dem ,Kapitalisten‘ zur Verfügung gestellt. Der ,Arbeitskraftbesitzer‘ und der ,Produktionsmittelbesitzer‘ schließen so formal einen Vertrag zwischen Gleichen, der jedoch material ihre ökonomische Ungleichheit reproduziert. Aus diesem Kernwiderspruch zwischen ,Arbeiter‘ und ,Kapitalist‘ entwickelt Marx in seinem Hauptwerk ,Das Kapital‘ eine lange Reihe weiterer Konflikte. Eine besondere Bedeutung kommt dabei dem Wettbewerb zwischen den einzelnen Unternehmen zu. Während in der klassischen Theorie mit dem Sayschen Gesetz das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage auf den einzelnen Märkten postuliert wird, untersucht Marx genauer, in welcher Form sich dieses Gleichgewicht herstellt. In Abgrenzung zu einer statischen Betrachtung verweist Marx auf die permanente unternehmerische Expansion. Er hält die ständige Optimierung von Technologie und Arbeitsorganisation bzw. eine immanente Akkumulationsdynamik für ein entscheidendes Charakteristikum des Kapitalismus. Es stellen sich so immer neue „Ungleichmäßigkeiten von Nachfrage und Zufuhr“ ein, bevor Marktanpassungsprozesse zu einem neuen Gleichgewichtszustand führen11. Marx stellt langfristig eine negative Entwicklungsperspektive für das kapitalistische System aus (,Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate‘), aber diese leitet er gerade aus ihren enormen Wachstumsimpulsen ab. So sieht er eine „beständige Tendenz des Kapitals, die Produktivkraft der Arbeit zu steigern“12 und er schildert ausführlich, wie durch Technologieeinsatz, Verbesserung der Arbeitsorganisation, Erhöhung der Betriebsgröße, Beschleunigung der Umlaufszeit etc. der Ertrag des eingesetzten Kapitals gesteigert werden kann. Innerhalb einer kurz- und mittelfristigen Betrachtung ist die moderne Marktökonomie für Marx untrennbar an eine dynamische Bewegung gekoppelt, wie er gegen jedes statische Gleichgewichtsdenken in der Klassik einwendet. Marx betont den Prozeßcharakter der Marktausgleichung und möchte ein Gleichgewicht nur als „Durchschnitt der verflossenen Bewegung“ denken13. Diese Steigerung der wirtschaftlichen Leistungskraft ist für Marx zudem mit zahlreichen negativen Begleitfolgen verbunden, so etwa mit einer ineffizienten Auslastung wirtschaftlicher Kapazitäten bei gleichzeitiger Übernutzung der natürlichen Ressourcen, mit einer starken Spreizung von Einkommen und Vermögen sowie mit einem Verlust an gesellschaftlicher Regulierungsfähigkeit14. 10 Vgl. als Einführung in Marx’ Wirtschaftstheorie: Krüger (1986), Mandel (1972) und Sweezy (1970). 11 Marx (1894: 199). 12 Marx (1867: 338), siehe auch Marx (1894: 260 und 1983: 602) zur Produktivkraftentwicklung; siehe Marx (1867: 618 – 621) zur Akkumulation. 13 Marx (1894: 200), vgl. auch (1867: 117, 618, 653); zur Interpretation Krüger (1986: 313 – 329). 14 Vgl. z. B. Marx (1867: 85 -98, 376, 528 – 530, 673 – 675).

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Mit dieser Kritik wird zugleich deutlich, dass Marx den Kapitalismus als ein besonderes, historisch entstandenes Gesellschaftsmodell auffaßt. Hier eröffnet sich ein neuer Lösungsversuch zu dem im vorangegangenen Kapitel angeschnittenen Problem, wie das Modell der atomistischen, nutzenmaximierenden Marktteilnehmer kombiniert werden kann mit einer gesellschaftstheoretischen Perspektive15. Marx anerkennt, daß starke atomistische und nutzenmaximierende Verhaltensweisen in der modernen Gesellschaft existieren. Allerdings sind diese Verhaltensweisen für ihn erstens nicht der Kern einer menschlichen ,Natur‘, wie der Utilitarismus es darstellte. Sie scheinen ihm historisch entstanden und auch innerhalb der modernen Gesellschaft variabel zu sein. Zweitens verleiht die kapitalistische Gesellschaft den Individuen neben ihren Verhaltensweisen als Marktteilnehmer noch zahlreiche andere soziale Qualitäten. Hierbei geht es Marx darum, daß der Kapitalismus nur als umfassende Ordnung beschrieben werden kann, die kein gesellschaftliches Subsystem – Kultur, Politik, Religion etc. – unberührt läßt. Dies ist eine Konsequenz der von Marx und Engels vertretenen ,historisch-materialistischen‘ Gesellschaftstheorie. Demnach stehen im Zentrum menschlicher Geschichte die materiellen Interessen und Aktivitäten gesellschaftlicher Subjekte, in die andere Praxen wie z. B. die ideelle Reflexion oder kulturelle Repräsentation eingelagert sind. In der Gesamtheit dieser gesellschaftlichen Handlungszusammenhänge entsteht die menschliche Geschichte – und Geographie. Oder anders gesagt: Indem Marx und Engels die praktischen Tätigkeiten zur gesellschaftskonstituierenden Ebene erklären, sind die räumlichen Verhältnisse der Gesellschaftsmitglieder als Elemente dieser ,Materialität‘ eingeführt. Bezeichnenderweise verweisen die Autoren in einem Schlüsseltext des Historischen Materialismus, der ,Deutschen Ideologie‘ auf die „natürlichen Grundlagen und ihrer Modifikation“ als auf einen wesentlichen Erklärungsgrund in der Geschichtsschreibung16. Anschließend benennen sie Raumstrukturen wie den Stadt-Land-Gegensatz und die nationalstaatliche Differenzierung als wichtige Schritte der geschichtlichen Entwicklung. In den ,Grundrissen der Kritik der Ökonomie‘ untersucht Marx, wie die historischen Wirtschaftssysteme (,Produktionsweisen‘) unterschiedliche Stadt-Land-Konfigurationen entwickelten17. Indem Marx und Engels die Geschichte als Produkt gesellschaftlicher Handlungen dechiffrieren, zeichnen sie auch die soziale Produktion des Raumes nach. Kurzum, die Marxsche Wirtschaftstheorie sieht die moderne Ökonomie durch einen sozialen Gegensatz gekennzeichnet, der eine Tendenz zum technologischen 15 Vgl. zu Marx‘ Gesellschaftsbegriff: Schumpeter (1950: 15 – 101), Dahmer / Fleischer (1976), Bader (1987) und Kößler / Wienold (2001). 16 Marx / Engels (1958: 21); vgl. zum ,Stoffwechsel‘ von Mensch und Natur bei Marx: Schmidt (1993); zum Raumverständnis in Marx und Engels Gesellschaftstheorie: Lefebvre (1991), Dunford / Perrons (1983: 50 – 83), Peet (1998: 67 – 111) und Harvey (1996, speziell 210 – 247). 17 Marx / Engels (1958: 22 – 25) zur Stadt-Land-Arbeitsteilung, siehe auch Marx (1867: 373); Marx (1983: 390 – 392) zu verschiedenen Raumkonfigurationen; vgl. zur Interpretation der Stadt-Land-Arbeitsteilung: Saunders (1987), Katznelson (1993), Brake (1980) und Merrington (1978).

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Kap. 6: Die Geographie der Arbeit

Fortschritt und zur wirtschaftlichen Expansion zu den genetischen Merkmalen dieser Ökonomie werden lässt. Dabei entwirft Marx das Bild eines Wirtschaftssystems, das durch permanente widersprüchliche Entwicklungen, durch konjunkturelle Zyklen und soziale Konflikte gekennzeichnet ist. Er weist jeden Ansatz statischer Wirtschaftstheorien zurück, und sieht gerade die ständige Herstellung neuer Ungleichgewichte auf den Märkten als wichtige Erklärungsaufgabe an. Diese Wirtschaftstheorie ist Teil seiner historisch-materialistischen Gesellschaftstheorie, die von einem wesentlich breiteren Motivhaushalt wirtschaftlichen Handelns ausgeht als die klassische Politische Ökonomie. Die räumliche Struktur der Ökonomie ist in der Sicht von Marx und Engels ein Element der gesellschaftlichen Selbstreproduktion. b) Das Regime der Differenz Marx Diagnose des Kapitalismus als einem historisch entstandenen und variationsfähigen gesellschaftlichen System wendet er auch auf die räumliche Struktur der Ökonomie an. Zunächst hält er fest, daß die räumliche Dimension in allen Wirtschaftssystemen relevant ist für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Wirtschaftliche Entwicklungen finden stets auf einer gegebenen Verteilung von Bevölkerung und Produktionspotentialen statt. Entsprechend ist die Erde für Marx das vorausgesetzte „allgemeine Arbeitsmittel ( . . . ), denn sie gibt dem Arbeiter den locus standi und seinem Prozeß den Wirkungsraum (field of employment). Durch die Arbeit schon vermittelte Arbeitsmittel dieser Art sind z. B. Arbeitsgebäude, Kanäle, Straßen usw.“18. Die räumliche Verteilung von Unternehmen, Märkten und Konsumenten ist jedoch keine rein technische Frage, sondern wird von der gesellschaftlichen Form der Entwicklung bestimmt. Die kapitalistische Gesellschaft hat für Marx eine räumliche Struktur, die sie von vorangegangenen Gesellschaften unterscheidet und die sich mit der Entwicklung dieser Gesellschaft fortlaufend verändert. Da die moderne Ökonomie durch permanente technologische Entwicklungen, sektorale Verschiebungen, konjunkturelle Tempowechsel etc. gekennzeichnet ist, so kann es für Marx auch kein feststehendes Raummuster geben. Vielmehr ist gerade die Offenheit und die Inkonstanz ein Merkmal seiner räumlichen Strukturierung19. Für ihn sind zu jedem Zeitpunkt Tendenzen der räumlichen Gleichverteilung mit Tendenzen der Differenzierung und Polarisierung des Territoriums gekoppelt. Dieser andere raumwirtschaftliche Ansatz Marx’ kann zunächst in dem Verhältnis von nationaler und globaler Ökonomie aufgezeigt werden. Marx knüpft unmitMarx (1867: 195). Siehe zu Marx’ Raumwirtschaftstheorie Schmidt-Renner (1966), Harvey (1982), Dunford / Perrons (1983), Smith (1984); siehe auch die Marx-Rezeption in den raumwirtschaftstheoretischen Arbeiten von Brake (1980), Massey (1984), Heine (1989), Storper / Walker (1989) und Sheppard / Barnes (1990). 18 19

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telbar an den ,Globalisierungsoptimismus‘ der klassischen Politischen Ökonomie an. Die kapitalistische Gesellschaftsordnung, schrieb er gemeinsam mit Friedrich Engels im ,Kommunistischen Manifest‘, gestalte „die Produktion und Konsumtion aller Länder kosmopolitisch“ und schaffe „eine allseitige Abhängigkeit der Nationen voneinander“. Er geht vom Kapitalismus als einem gesellschaftlichen System aus, das sich potentiell über den ganzen Globus ausbreitet. Zwar bezeichnet Marx den Weltmarkt als „die Basis und die Lebensatmosphäre der kapitalistischen Produktionsweise“20, aber er verdeutlicht auch, daß eine globale Ausdehnung des Kapitalismus in seiner Zeit noch nicht erreicht sei. Das Kapital ist eine Triebkraft der Globalisierung, und Marx versteht es als seine Aufgabe, die wirtschaftlichen und sozialen Interessengegensätze in diesem Prozeß aufzuzeigen, die auch räumliche Konsequenzen besitzen können. Die moderne Wirtschaft, so wird von ihm eingewandt, integriere nicht nur Wirtschaftsräume, sondern bringe auch raumdifferenzierende Kräfte hervor. Der Kapitalismus entwickle sich auf der Basis wirtschaftlich heterogener Regionen bzw. Nationen, gleichzeitig reproduziere oder verschärfe er die Heterogenität der Räume. Dennoch dürfe die Konkurrenz zwischen nationalen Wirtschaftsräumen nicht als die konstituierende Ebene des Konflikts gesehen werden, wendet er gegen Friedrich List und die Deutsche Historische Schule ein. Vielmehr handele es sich um Gebiete, die sich in verschiedenen Entwicklungsstadien der gleichen Gesellschaftsordnung befänden21. Nationen besitzen für Marx nur eine relative normative Bedeutung als institutioneller Rahmen, während er das Kraftzentrum der gesellschaftlichen Entwicklung im Marktgeschehen sieht. Charakteristischerweise war damit die fortgeschrittenste Industrienation, Großbritannien, der Ort der Marxschen Sozialforschung. Dieses Land, so heißt es später im Vorwort des ,Kapitals‘, ist die „klassische Stätte“ des Kapitalismus, das den anderen Ländern „nur das Bild der eignen Zukunft“ zeige22. Grenzen, Gebiete, Raumbewegungen sind in der Marxschen Theorie Elemente in der Auseinandersetzung zwischen Kapital und Arbeit, aber sie konstituieren diesen Konflikt nicht. Zugleich ist damit schon der Unterschied zum Raumverständnis der klassischen Politischen Ökonomie Ricardos angesprochen. In Kapitel 3 zeigte sich, dass in der ricardianischen Welt der ökonomische Prozeß innerhalb eines passiv bleibenden Raumes ablief. Dieser Raum wies verschiedenartige Naturbedingungen auf, die als konstante Voraussetzung erhalten blieben. Ebenso wurde die Untergliederung in Wirtschaftsnationen als unveränderliche Voraussetzung aufgefasst. In der marxschen Welt dagegen bleiben diese räumlichen Differenzierungen variabel. Natürliche und gesellschaftliche Raumdifferenzierungen wirken auf die Ökonomie ein, 20 Marx (1894: 120), zuvor Marx / Engels (1848: 465 f.) zur Globalisierungstendenz; vgl. auch Marx (1894: 345 und 1867: 790 f.). 21 Marx (1844: 382); vgl. zur Kritik Lists auch Marx (1847b und c) sowie Engels (1845b: 551 – 554); zur Kritik des Historismus: Engels (1878: 136), speziell der Historischen Rechtsschule: Marx (1842 und 1844: 380); allgemein gegen eine Verabsolutierung der Naturbedingungen: Marx (1867: 535 – 537). 22 Marx (1867: 12).

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aber die Marktprozesse verändern auch die vorgegebene Raumstruktur23. Produktionszentren, Handelsrouten, Bevölkerungsagglomerationen oder wirtschaftsräumliche Grenzen werden in diesem Prozeß erzeugt und immer wieder umgestaltet. Gemeinsam mit Ricardo sieht Marx die ,Nationalökonomie‘ als die zentrale räumliche Ebene, d. h. als den ökonomischen Regulationszusammenhang, auf dem das Niveau der Arbeitsproduktivität, der Löhne und der Profite festgelegt wird. Diese nationalen Durchschnittsmaße werden nur unvollständig und zeitverzögert durch den internationalen Waren- und Kapitalverkehr ausgeglichen24. Eine unmittelbar globale Ausdehnung bescheinigt Marx dagegen nur dem Kreditmarkt und ausgewählten Gütermärkten. Im Unterschied zu Ricardo behandelt Marx jedoch ,Nation‘ und ,Globus‘ nicht als logisch verschiedene Raumkategorien. Die Bedeutung der ,Nationalökonomie‘ im 19. Jahrhundert ist für Marx das Resultat eines historischen Prozesses. Diese Raumgliederung kann und wird nach Marx‘ Überzeugung wiederum neuen Konstellationen weichen. So zählt er zu den ,geschichtlichen Tendenzen‘ der modernen Ökonomie die „Verschlingung aller Völker in das Netz des Weltmarkts“, wodurch „der internationale Charakter des kapitalistischen Regimes“ hergestellt werde25. Für den ihm zeitgenössischen Kapitalismus diagnostiziert Marx eine Polarisierung zwischen den industriellen Nationen Europas bzw. der USA und zahlreichen weniger entwickelten Ländern. Die Globalisierung des kapitalistischen Systems schließt demnach eine ungleichmäßige Entwicklung der Nationalstaaten ein. Diese Tendenz hat nur wenig mit den unterschiedlichen Ressourcenausstattungen zu tun. Marx konstatiert etwa mit Blick auf die Bauwollbranche eine „von nationalem Boden losgelöste Großindustrie“, bei denen die gesellschaftliche Produktion von wirtschaftlicher Leistungskraft entscheidend wird: „Dank der Maschine kann der Spinner in England wohnen, währen der Weber gleichzeitig in Ostindien lebt“26. Dies transformiert die Volkswirtschaften in spezielle Handlungszusammenhänge, in denen die Produktivität durch zahlreiche gesellschaftlich beeinflussbare Faktoren bestimmt wird27. Bereits viele Faktoren wie das Bildungs- und Wissenschaftssystem, die sektorale Differenzierung, das Transport- und Kommunikationssystem, das Kreditgewerbe, sind komplexe und nur langfristig veränderbare Tatbestände. In ihrer Kombination wirken sie als Markteintrittsbarriere gegen die weniger entwikkelten Nationen. Marx benennt hierbei sowohl Faktoren des ,Humankapitals‘, wie auch das in Sachanlagen investierte Kapital. Da die „Arbeitsmittel lokal fixiert sind, mit ihren Wurzeln im Grund und Boden feststecken“, sorgen sie für eine Harvey (1982: 417), Smith (1984: 81 – 90). Marx (1867: 185, 548, 583 – 588,); zur nationalen Profitrate siehe Marx (1894: 152, 159 f., 224 f., 248); vgl. Krüger (1986: 46 – 58) und Roth (1984: 18 – 32). 25 Marx (1867: 790). 26 Marx (1847a: 154); vgl. aber zur Naturbasis der Produktivität: Marx (1867: 192 – 195, 535). 27 Marx (1867: 531; 1894: 89 f.). 23 24

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langfristige Raumbindung des Kapitals28. Im Ergebnis konstatiert Marx eine ungleichmäßige räumliche Entwicklung zwischen den nationalen Ökonomien. Er bezeichnet die Industrie- und Rohstoffländer als verschiedene, aufeinander bezogene Raumtypen innerhalb der kapitalistischen Weltökonomie: „Es wird eine neue, den Hauptsitzen des Maschinenbetriebs entsprechende internationale Teilung der Arbeit geschaffen, die einen Teil des Erdballs in vorzugsweis agrikoles Produktionsfeld für den andern als vorzugsweis industrielles Produktionsfeld umwandelt“29.

Hier skizziert Marx ein internationales Dependenzverhältnis, bei dem die industrialisierten Länder ihren Vorsprung dauerhaft reproduzieren können. Dieses ,Regime der Differenz‘ kann nicht nur in der äußeren Abgrenzung in nationale Wirtschaftsräume entdeckt werden, es bestimmt ebenso die innere Struktur dieser Räume. Auch hier verweist Marx auf die internen Widersprüche der modernen Ökonomie, die sich in einer ungleichmäßigen Entwicklung niederschlagen30. In systematischer Hinsicht sieht Marx im Einklang mit Ricardo eine allgemeine Tendenz der modernen Ökonomie zur Nivellierung räumlicher Unterschiede. In der gleichen Weise, wie Marx jedoch in der zeitlichen Dimension auf einem prozessualen Gleichgewichtsbegriff bestand, macht er in der räumlichen Dimension auf die Formen aufmerksam, in denen sich die Tendenz zu einer gleichmäßigen Ausnutzung aller Investitionsmöglichkeiten durchsetzt. Entscheidend für eine profitable Kapitalanlage sind sowohl die Produktivität, die an einem Standort erzielt werden kann, als auch die Transportkosten zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten. Bereits in der ,Deutschen Ideologie‘ weisen Marx und Engels darauf hin, dass die „innere Gliederung“ einer Nation abhänge „von der Entwicklungsstufe ihrer Produktion und ihres innern und äußern Verkehrs“31. Im ,Kapital‘ macht Marx an zahlreichen Stellen darauf aufmerksam, das beide Elemente von dem historischen Pfad der wirtschaftlichen Entwicklung abhängig sind. Zum einen hängt die Qualität des Standortes von Investitionsprozessen sowohl von den Naturgegebenheiten, wie von den gesellschaftlich produzierten Produktivitätsvorteilen ab32. Zum anderen ist das Transport- und Kommunikationssystem relevant, wobei nicht die absoluten Distanzen, sondern die relativen Größen wie Transportkosten und -zeiten die entscheidenden Faktoren sind33. Im Ergebnis entsteht eine Raumstruktur, in der die Tendenz zur räumlichen Nivellierung der Produktivität und der Erträge durchbrochen werden kann. Die Darstellung der Raumstrukturen muß nach Marx im Rahmen der jeweiligen historischen Entwicklungszustände der Länder gedeutet werden, und entsprechend zeichnet Marx im ,Kapital‘ innerhalb verschiedener 28 29 30 31 32 33

Marx (1885: 163); vgl. hierzu ausführlich Harvey (1982, 2001). Vgl. Marx (1867: 475). Harvey (1982: 417, 426); siehe auch Smith (1984: 97 – 130). Marx / Engels (1958: 21). Marx (1867: 195, 348, 368, 373 -375, 790); vgl. Schmidt-Renner (1966: 48 – 70). Vgl. ausführlicher Kapitel 10.

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Kap. 6: Die Geographie der Arbeit

theoretischer Kontexte die neuen räumlichen Muster im Übergang zum Kapitalismus nach, z. B. in Bezug auf die ,innere Landnahme‘ des kapitalistischen Wirtschaftssystems und die polarisierte Bevölkerungsentwicklung zwischen ländlichem und städtischem Raum34. Im Folgenden soll nur auf einen Teil dieser Aussagen näher eingegangen werden: Inwiefern berühren Marx und Engels bei diesen Formen räumlicher Differenzierung die Clusterung von Branchen?

c) Die gesellschaftliche Kombination der Arbeit Friedrich Engels erlebte als kaufmännischer Lehrling und Textilfabrikant den Wirtschaftsraum Lancashire mit Manchester als dem „klassische[n] Typus der modernen Industriestadt“35. So ist ganz selbstverständlich, dass er in seiner Studie ,Die Lage der arbeitenden Klasse in England‘ von 1845 ausführlich auf den Zusammenhang von Wirtschafts- und Städtewachstum eingeht. Er beschreibt eine „zentralisierende Tendenz der Industrie“, die sich aus folgenden Urbanisationsvorteilen speist: „Je größer die Stadt, desto größer die Vorteile der Ansiedlung. Man hat Eisenbahnen, Kanäle und Landstraßen; die Auswahl zwischen den erfahrnen Arbeitern wird immer größer; man kann neue Etablissements wegen der Konkurrenz unter den Bauleuten und Maschinenfabrikanten, die man gleich bei der Hand hat, billiger anlegen als in einer entferntern Gegend, wohin Bauholz, Maschinerie, Bauleute und Fabrikarbeiter erst transportiert werden müssen; man hat einen Markt, eine Börse, an der sich die Käufer drängen; man steht in direkter Verbindung mit den Märkten, die das rohe Material liefern oder die fertige Ware abnehmen. Daher die wunderbar schnelle Vermehrung der großen Fabrikstädte.“36

Ginge dieses „tolle Teiben der Industrie“ fort, dann verwandle sich in hundert Jahren, so prognostiziert Engels, „jeder der industriellen Bezirke Englands in eine einzige große Fabrikstadt“. In zwei der folgenden Kapitel schildert Engels dann die Zustände in den einzelnen Branchen, und gibt dabei einen Überblick über die industrielle Geographie des Landes37. Was findet sich von diesen Beschreibungen räumlicher Agglomeration im systematischen Aufbau der Marxschen Wirtschaftstheorie? Marx widmet im ,Kapital‘ der ,Ökonomie der Arbeit‘, d. h. der Organisation der Arbeitsprozesse in einer Volkswirtschaft, besondere Aufmerksamkeit38. Sie wird in ihrer sozialen Bedeutung als Mittel zur Erwirtschaftung von ,Mehrwert‘ eingeführt und dann detailliert 34 Marx (1867: 741 – 791); speziell zur inneren Landnahme Marx (1867: 776); zur räumlichen Polarisierung zwischen Stadt und Land: Marx (1894: 821). 35 Engels (1845a: 273). 36 Engels (1845a: 254 f., siehe auch 256 – 305); vgl. zu Urbanisationsnachteilen: Engels (1878: 276). 37 Engels (1845a: 360 – 429). 38 Vgl. zur Untersuchung von Arbeitsorganisation, Technik und Industrialisierung bei Marx: Rattansi (1982) und Müller (1992).

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in ihren konkreten Abläufen untersucht. Dabei unterscheidet er drei Methoden – ,Kooperation‘, ,Teilung der Arbeit‘ und ,Große Industrie‘ und zeigt, wie sich deren Einsatz auf die Arbeitsqualifikationen, Betriebsgrößen, Formen der Unternehmensführung, den Einsatz von Technologie und Wissenschaft etc. jeweils auswirken. So wird erkennbar, in welcher Weise die Teilprozesse der Arbeit unter kapitalistischen Bedingungen auf verschiedene Betriebe und Unternehmen aufgeteilt werden39. Dies hat auch Konsequenzen für die räumliche Strukturierung von Arbeitsprozessen, auf die Marx an mehreren Stellen eingeht. Die erste Methode zur Ertragssteigerung ist die Kooperation der Arbeitenden; sie hat einen direkten räumlichen Sinn: Zum einen beinhaltet sie die „Konglomeration der Arbeiter, [das] Zusammenrücken verschiedner Arbeitsprozesse“ an einem Betriebsort, zum anderen hilft die Kooperation von Beschäftigten die „Raumsphäre der Arbeit“ auszudehnen40. Beide Tendenzen werden durch die zweite Form der Produktivkraftsteigerung, die Arbeitsteilung, gesteigert. Mit der Zerlegung der Arbeitsprozesse in verschiedene Arbeitsstufen können diese einzelnen Stufen in rechtlich selbständigen Unternehmen oder in Betrieben eines einzigen Unternehmens verrichtet werden. Im letzteren Fall entstehen „räumlich getrennte Departmente einer Gesamtmanufaktur“41. In jedem Fall wird die Arbeitszerlegung wieder ergänzt durch eine „Gruppierung und Kombination in einem Gesamtmechanismus“42. Das gesamtwirtschaftliche Niveau der Arbeitsteilung, so Marx, ist hierbei über die absolute Größe der Bevölkerung und ihre relative Dichte vorgegeben43. Er unterscheidet im Anschluß an Adam Smith eine innerbetriebliche und gesellschaftliche Arbeitsteilung. Allerdings betont er stärker als Smith die unterschiedlichen Rationalitäten zwischen der unternehmerischen Leitungstätigkeit und der Marktsteuerung44. So erkennt er bei den dezentralen Entscheidungen des Marktes die Gefahren gesamtwirtschaftlicher Ineffizienz. Welche Konfiguration aus innerbetrieblicher und gesellschaftlicher Arbeitsteilung die größten Erträge generiert, ändert sich mit dem technischen Fortschritt und anderen Faktoren. Die räumliche Produktionsstruktur kann dabei z. B. durch die Verselbständigung von Produktionsstufen in „verschiedne, zum Teil ganz neue Manufakturen“ restrukturiert werden: „Die territoriale Teilung der Arbeit, welche besondre Produktionszweige an besondre Distrikte eine Landes bannt, erhält neuen Anstoß durch den manufakturmäßigen Betrieb, der alle Besonderheiten ausbeutet.“45

Marx (1867: 192 – 200, vgl. auch 1847a: 144 – 157). Marx (1867: 346 – 8). 41 Marx (1867: 357, 368). 42 Marx (1867: 386), vgl. auch Marx (1847a: 154 und 1965: 266). 43 Marx (1867: 373). 44 Marx (1867: 371 – 380), vgl. bereits Marx (1847a: 151); zum Folgenden speziell Marx (1867: 376). 45 Marx (1867: 374). 39 40

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Kap. 6: Die Geographie der Arbeit

Die dritte Form der Produktivkraftsteigerung – Marx nennt sie ,Große Industrie‘ – stellt den Ersatz von menschlicher Arbeit durch Maschinen dar. Solange nur gleichartige Maschinen miteinander kombiniert werden, wirkt diese Methode wie zuvor die Arbeitsteilung als räumliche Konzentration an einzelnen Betriebsorten. Werden die Maschinen aber technisch integriert in ein „Maschinensystem“ oder anders gesagt in einem „großen Automaten“, dann beschleunigt dies die Konzentration noch46. Für die Wahl dieser Betriebsorte hat die ,Große Industrie‘ verschiedene, teilweise gegenläufige Wirkungen. Erstens stellt die Maschinisierung die Wirtschaft technisch auf eine neue Basis, es kommt zu einer technologischen Revolution in allen Branchen und auch „in den allgemeinen Bedingungen des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, d. h. den Kommunikations- und Transportmitteln“. Damit wird der Raum flexibler, es eröffnen sich für die Standortwahl die „neugeschaffenen weltmarktlichen Zusammenhänge“47. Zweitens steigen die Investitionssummen für das Anlagekapital rasant an und es entsteht die oben bereits angesprochene längerfristige Raumbindung von Unternehmen. Eine einmal hergestellte Produktionsgeographie erhält so größere Beharrungskräfte48. Drittens bildet sich auf der Basis dieses Anlagekapitals ein „industrieller Zyklus“, in dem die Beschäfigten „fortwährend repelliert und attrahiert, hin- und hergeschleudert“ werden. Am Beispiel der Baumwollindustrie in Lancashire verdeutlicht Marx die regionalen Wirkungen dieses ökonomischen Rhythmus‘, d. h. die periodischen Schwankungen des Arbeitskräftebestandes49. Insgesamt sind diese drei Methoden zur Steigerung des wirtschaftlichen Ertrags in unterschiedlicher Weise auf die räumliche Differenzierung und Integration bezogen. Vor allem die zweite Methode der ,Arbeitsteilung‘ kann räumlich umgesetzt werden durch eine Clusterung von Unternehmen einer Branche. Wichtig ist hierbei, daß Marx diese drei Methoden als komplementär versteht, aber auch ein Dominanzverhältnis zwischen ihnen erkennt. So werden die ökonomischen Effekte einer Methode durch die Effekte der nachfolgenden Methode übertroffen. Aus diesem Grund werden mit der Maschinisierung teilweise die arbeitsorganisatorischen Anforderungen der Kooperation und Arbeitsteilung zurück genommen50. In räumlicher Hinsicht heißt dies, daß Marx die Cluster-Strukturen unter ökonomischen Druck geraten sieht; sie könnten durch die überlegene Effizienz einzelner Großbetriebe aufgelöst werden. Diese Marxsche Bewertung einer begrenzten Bedeutung territorialer Branchenkonzentrationen kann dort genauer nachvollzogen werden, wo er nicht mehr abstrakte Methoden, sondern historisch konkrete Formen der Produktionsorganisation untersucht. Sehr ähnlich wie die Deutsche Historische Schule unterscheidet 46 47 48 49 50

Marx (1867: 399 – 401). Marx (1867: 404 f.). Marx (1885: 163). Marx (1867: 476 – 478). Marx (1867: 444 f., 483).

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Marx das Handwerk, das Manufaktursystem, die Hausindustrie und das Fabriksystem51. Marx schildert ausführlich die Vor- und Nachteile dieser Organisationformen, zeichnet das „bunte Wirrwarr von Übergangsformen“52 nach und geht auch auf einige räumliche Konsequenzen ein. Im Vergleich dieser Formen zeigt sich, daß Marx die Clusterung von Branchen nur in einem sehr begrenzten Rahmen für effizient hält. Er schildert z. B. die Uhrenindustrie in den Kantonen Waad und Neuchâtel, die in „voneinander unabhängigen Handwerken“ betrieben werde und dem Fabrikbetrieb überlegen sei53. Ein anderer Fall sind städtische, traditionelle Konsumgewerbe – Marx nennt das Bekleidungs- und das Buchgewerbe. Hier hat die „moderne Manufaktur“ eine Flexibilität gewonnen, mit denen sie die differenzierten Konsumbedürfnisse bedienen kann, wie er unterstreicht: „Die manufakturmäßige Teilung der Arbeit schafft durch Analyse der handwerksmäßigen Tätigkeit, Spezifizierung der Arbeitsinstrumente, Bildung der Teilarbeiter, ihre Gruppierung und Kombination in einem Gesamtmechanismus die qualitative Gliederung und quantitative Proportionalität gesellschaftlicher Produktionsprozesse, also eine bestimmte Organisation gesellschaftlicher Arbeit und entwickelt damit zugleich neue, gesellschaftliche Produktivkraft der Arbeit“54.

Der Übergang eines Konsumgewerbes zu einer kleinbetrieblichen, in einem Stadtquartier angesiedelter Produktionsorganisation ist allerdings riskant. So schildert Marx im dritten Band des ,Kapitals‘ das so strukturierte Möbelgewerbe im Londoner Stadtteil Tower Hamlets als eine sehr prekäre Branche55. Eine weitere Betrachtung räumlicher Branchenkonzentrationen findet im ,Kapital‘ über die Rezeption älterer Autoren statt. So zitiert Marx George Berkeley zur räumlichen Arbeitsteilung der britischen Wollindustrie, rezepiert William Pettys Darstellung der Arbeitsteilung im Londoner Uhrengewerbe und referiert AdolpheJérôme Blanquis Diskussion der industrielle Distrikte in Lyon und Nimes56. In diesen Beispielen erscheinen jedoch Handwerk, Manufaktur und Hausindustrie als überholte Formen der Produktionsorganisation. Für Marx können diese Formen – und ihre räumlichen Konfigurationen – auf der Grundlage des Fabriksystems als „Zwitterformen“ eine Zeit lang überleben57. In diesem Sinne schildert er die räumliche Struktur der modernen Hausindustrie: Marx (1867: 483 – 504). Marx (1867: 496). 53 Marx (1867: 363 f.). 54 Marx (1867: 386); sein Darstellungsbeispiel ist hier das Londoner Bekleidungsgewerbe. 55 Marx (1894: 347). 56 Vgl. zu Berkely: Marx (1867: 374), zu Petty: Marx (1976: 261 und 1867: 362) und zu Blanqui: Marx (1867: 357). Vgl. auch die empirischen Hinweise auf die Seidenindustrie in Krefeld (357), die Stahlwarenindustrie in Birmingham (361, 485) und Sheffield (513), die Spitzenklöppelei in Devonshire (492), und die Strohflechterei in Hertfordshire (492). 57 Marx (1867: 533). 51 52

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Kap. 6: Die Geographie der Arbeit

„Sie ist jetzt verwandelt in das auswärtige Department der Fabrik, der Manufaktur oder des Warenmagazins. Neben den Fabrikarbeitern, Manufakturarbeitern und Handwerkern, die es in großen Massen räumlich konzentriert und direkt kommandiert, bewegt das Kapital durch unsichtbare Fäden eine andre Armee in den großen Städten und über das flache Land verstreuter Hausarbeiter“58.

Entsprechend werden diese Organisationsformen im ,Kapital‘ als Episoden gegenüber dem technisch integriertem Großbetrieb präsentiert59. Marx sieht die industrielle Entwicklung mit der Zentralisation des Kapitals und einem ständigen Größenwachstum der Unternehmenseinheiten verknüpft. Dabei scheinen sich für ihn Skalenvorteile vor allem innerhalb von Einzelunternehmen zu realisieren. Als Ideal erscheint das Großunternehmen, das alle vorwärts- und rückwärtsgelagerten Produktionsstufen umfaßt und an einem Standort bzw. an wenigen Standorten vereinigt60. Marx billigt der betriebsinternen Organisation auch ein höheres Maß an Rationalität und Planungssicherheit zu61. In welcher Weise die räumliche Struktur damit umgewandelt wird, schildert Marx anhand des Übergangs zur Manufakturperiode und der nachfolgenden großindustriellen Produktionsorganisation: „Soweit solche Manufaktur ursprünglich zerstreute Handwerke miteinander kombiniert, vermindert sie die räumliche Trennung zwischen den besondren Produktionsphasen des Machwerks. Die Zeit seines Übergangs aus einem Stadium in das andre wird verkürzt, ebenso die Arbeit, welche diese Übergänge vermittelt. Im Vergleich zum Handwerk wird so Produktivkraft gewonnen, und zwar entspringt dieser Gewinn aus dem allgemeinen kooperativen Charakter der Manufaktur. Andererseits bedingt ihr eigentümliches Prinzip der Teilung der Arbeit eine Isolierung der verschiedenen Produktionsphasen, die als ebenso viele handwerksmäßige Teilarbeiten gegeneinander verselbständigt sind. Die Herstellung und Erhaltung des Zusammenhangs zwischen den isolierten Funktionen ernötigt beständigen Transport des Machwerks aus einer Hand in die andre und aus einem Prozeß in den andren. Vom Standpunkt der großen Industrie tritt dies als eine charakteristische, kostspielige und dem Prinzip der Manufaktur immanente Beschränktheit hervor“62.

Die räumliche Dimension des Fabriksystems diskutiert Marx nur in Bezug auf die unternehmensinterne Konzentration von Produktionsmitteln und Arbeitskräften. Innerhalb der neueren Marx-Interpretation gibt es eine Neigung, die Zentralisationstendenz in seiner Akkumulationstheorie auch im Sinne unternehmensübergreifender räumlicher Konfigurationen zu verstehen63. Dies ist als eine mögliche, allerdings kaum belegte Deutung aufzufassen. Festzuhalten ist, daß Marx für die Marx (1867: 485 f.). Vgl. Marx’ (1976: 260) zur Effizienz der modernen Hausindustrie: „Auf Grundlage der modernen Industrie bildet sich wieder ein Fabrikwesen out of doors, das alle seine Nachtheile ohne seine Vortheile theilt“. 60 Vgl. Marx (1867: 650 – 657, 790) zur Zentralisation des Kapitals. 61 Marx (1976: 284). 62 Marx (1867: 364). 63 Harvey (1982: 392) und Smith (1984: 122 – 124). 58 59

3. Der variable Raum

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nationale Ebene stets die intersektorale Interdependenz bzw. die Bedeutung des systemischen Zusammenhangs von Produktionsaktivitäten betont. So stehen den Unternehmen „die Vorteile des gesamten Systems der gesellschaftlichen Arbeitsteilung zur Verfügung“64. Die Implikationen dieser Beobachtung für eine interregionale Betrachtung bleiben bei Marx jedoch offen. Die Vermutung, daß Marx mit dem Übergang zur großindustriellen Produktionsorganisation ein Auslaufen wirtschaftlicher Clusterung von Wirtschaftsaktivitäten erkennt, kann sich auch auf seine Profittheorie stützen. In seinen Untersuchungen zur Bildung einer nationalen Profitrate verweist er immer wieder darauf, dass die Profitrate in einem Land sich nur innerhalb von „räumlichen und zeitlichen Grenzen“ angleiche. Er erkennt eine Reihe von physischen, soziokulturellen und rechtlichen Blockaden. Langfristig stellen sich jedoch die räumliche Mobilität von Kapital und Arbeit her, ein funktionierendes Kreditsystem entsteht etc., wodurch räumliche Profitratendifferentiale nivelliert werden: „Diese Ausgleichung gelingt dem Kapital mehr oder minder, je höher die kapitalistische Entwicklung in einer gegebenen nationalen Gesellschaft ist“65. Damit scheint die Grundlage regional unterschiedlicher Erträge abgebaut zu werden – wobei dies eine weitere regionale Spezialisierung natürlich nicht generell ausschließt. Die räumliche Dimension wurde von Marx und Engels in vielfacher Weise in die historisch-materialistische Gesellschaftstheorie integriert. So behandeln sie das Verhältnis von Raumtypen (Stadt-Land-Gegensatz), die Bildung von Nationen und internationalen Raumsystemen als wichtige Momente gesellschaftlicher Strukturen. In seiner Wirtschaftstheorie identifiziert Marx ,Bewegungsgesetze‘ der kapitalistischen Ökonomie, die bestimmte räumliche Implikationen haben. Er erkennt analog zur modernen Marktökonomie, die sich über wirtschaftliche und soziale Konflikte und Krisen hinweg reproduziert, ein Muster der räumlichen Differenzierung und Polarisierung. Diese räumlich ungleichmäßige Entwicklung zeigt er auf internationaler und nationaler Ebene auf. Innerhalb seiner Betrachtung von drei verschiedenen Methoden der Arbeitsorganisation stellt er dar, wie die Methode der ,Arbeitsteilung‘ verbunden sein kann mit einer Clusterung von Unternehmen einer Branche. Diese Tendenz wird von der überlegenen Arbeitsorganisation der ,Maschinerie‘ überformt, womit sich eine innerbetriebliche Konzentration von Produktionspotentialen bzw. ein räumliches Muster arbeitsorganisatorisch integrierter und wirtschaftlich unabhängiger Großunternehmen durchsetzt. Unterstrichen wird dies in seiner Untersuchung historisch konkreter Formen der Produktionsorganisation. Hier erscheint die sektorale Spezialisierung von Regionen vor allem als ein Phänomen der Manufakturperiode, die im großindustriellen Kapitalismus zunehmend überwunden wird.

64 Marx (1894: 92), vgl. Marx (1894: 89 – 97, 1988: 367) zur gesellschaftlichen Kombination der Arbeit und zur sektoralen Interdependenz (1867: 405). 65 Marx (1894: 206, vgl. 179, 162).

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Kap. 6: Die Geographie der Arbeit

4. Schlußfolgerungen Die frühsozialistischen Kritiker und Marx betonten gegen die klassische Politische Ökonomie die aktive Rolle der Arbeit im Produktionsprozeß. Die ,Ricardian Socialists‘ Thomas Edmonds und Thomas Hodgskin focussierten dabei den unmittelbaren Arbeitsprozeß. Sie zeigten die Bedeutung räumlicher Strukturen der Arbeitskräfte als Träger des Produktionswissens auf. Karl Marx sah diese Leistungen der Arbeitskraft innerhalb eines funktionalen Zusammenhangs, der von der Eigentümerseite dominiert wird. Er zeichnete mit seiner Unterscheidung zwischen den konkreten Arbeitsprozessen und ihrer sozialen Funktion ein viel komplexeres Bild der modernen Marktökonomie. Aus diesem Grund ist die von Marx skizzierte ,Geographie der Arbeit‘ zugleich als eine ,Geographie des Kapitals‘ zu verstehen. Die Effektivität von Technologien oder Arbeitsqualifikationen wurde stets im Rahmen ihres Einsatzes durch die Eigentümerseite eines Unternehmens betrachtet. Innerhalb der Darstellung systematischer Formen der Arbeitsorganisation begründete Marx, wie die Differenzierung und komplementäre Integration von Arbeitsoperationen Produktivitätsgewinne möglich macht. Dabei kann diese Integration sich auf selbständige Unternehmen innerhalb eines begrenzten Raumes beziehen. Eine derartige Clusterung von Unternehmen behandelte Marx vor allem anhand der historisch älteren Formen der Produktionsorganisation wie der Manufaktur und der Hausindustrie, während die moderne Großindustrie nicht mit dieser Raumkonfiguration in Verbindung gebracht wird. Marx hat mit seiner Prognose zum Aufstieg der großbetrieblichen Produktionsorganisation bzw. zur Zentralisation des Kapitals sowie zur Dequalifizierung der Arbeitsqualifikationen wichtige ökonomische Tendenzen bis weit in das 20. Jahrhundert vorausgesehen. Unter anderem im Bereich der Differenzierung nationaler Wirtschaftsräume zeigen sich jedoch seine analytischen Grenzen.

Kapitel 7

Differenzierung und Integration Die Suche nach einer alternativen gesellschaftstheoretischen Fundierung der Volkswirtschaftslehre brachte in der Mitte des 19. Jahrhunderts neben dem Historismus und der Marxschen Theorie noch eine dritte bedeutende Richtung hervor. Der von Herbert Spencer begründete Sozial-Evolutionismus wurde im spätviktorianischen Großbritannien zur dominierenden Sozialphilosophie. Diese Ideenströmung wird im Folgenden einbezogen, weil sie neue Impulse zur Konzeptualisierung räumlicher Produktionsstrukturen gab. Diese Beiträge wurden von der britischen Volkswirtschaftslehre rezepiert, als in den 1880er Jahren der Sozial-Evolutionismus als fruchtbare sozialwissenschaftliche Theoriegrundlage akzeptiert wurde. Dies lässt sich insbesondere im Fall von Alfred Marshall zeigen. Im Folgenden werden erst einige sozialtheoretische Aspekte dieser Theorierichtung vorgestellt (1.) und dann die Darstellung der räumlichen Konzentration von Branchen im Werk von Herbert Spencer referiert (2.). Die sozial-evolutionäre Gesellschaftstheorie wurde zuerst von William E. Hearn in die volkswirtschaftliche Theorie importiert (3.). Albert E. F. Schäffle, der sich vom Wirtschafts- zum Sozialwissenschaftler entwickelte, kombinierte sozial-evolutionäre mit historistischen Gedanken (4.). Die weitere Karriere des sozial-evolutionären Gedankengutes ist facettenreich, so daß ich mich anschließend auf einen raumwirtschaftstheoretisch besonders interessanten Aspekt beschränken werde, die Diskussion über die Effizienz räumlicher Spezialisierung, (5.).

1. Die Evolution des Evolutionsdenkens Der Utilitarismus schien eine allgemeingültige Sozialphilosophie anzubieten, in dem er das menschliche Glücksstreben als universal gültige Verhaltensmaxime verstand. Sobald er jedoch für das konkrete Verhalten von Gesellschaftsmitgliedern eine normative Grundlage liefern sollte, projizierte er unausgesprochen die Normen der englischen Mittelklasse als Maßregel. Diese Schwächen wurden immer deutlicher, je weniger der Wertekanon der Mittelklasse aufgrund der gesellschaftlichen Konflikte eine Monopolstellung beanspruchen konnte. Für den Wertepluralismus einer modernen Gesellschaft schien der Utilitarismus nicht gewappnet und die britische Sozialordnung geriet in eine Legitimationskrise. 8 Scheuplein

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Kap. 7: Differenzierung und Integration

Herbert Spencer schickte sich in der Mitte der 1850er Jahre an, eine sicherere Grundlage für diesen Wertekanon zu entdecken und zentrale Aussagen des Utilitarismus – wie etwa den gesellschaftlichen Atomismus und das Primat der Nutzenmaximierung – in eine neue Perspektive zu stellen1. Der Sozial-Evolutionismus ist auf seiner allgemeinsten Ebene die Formulierung universaler Gesetze, die allen Gegenständen in der physischen, organischen und humanen Sphäre gemeinsam seien. In den Wissenschaften wie etwa der Astronomie, Psychologie, Biologie und Soziologie sind jeweils die unterschiedlichen Ausformungen eines allgemein gültigen Gesetzes aufzuzeigen. Damit versuchte Spencer nicht nur eine methodische Annäherung von Natur- und Gesellschaftswissenschaften, sondern auch eine inhaltliche Zusammenführung. Die vereinheitlichende Perspektive wurde durch die Einführung der Zeitdimension gewonnen – kosmische Sterne, Pflanzen und Menschen unterlagen alle den gleichen Gesetzen des Werdens und Vergehens. Die sozial-evolutionäre Theorie war zunächst gegenüber der Naturalisierung gesellschaftlicher Prozesse von Gesellschaft, wie sie im Utilitarismus vertreten wurde, überzeugender, weil sie zwei neue Momente zur Theoretisierung der Gesellschaft bereit stellte. Mit dem Aspekt des Organismus konnte die Komplexität der Gesellschaft besser erfaßt werden – sie erschien als organisches Ganzes, deren Teile funktional verbunden sind. Die internen Strukturen und Grenzen einer Gesellschaft können somit greifbar gemacht werden. Mit dem Aspekt der Evolution ergab sich eine Interpretationsform, durch die gesellschaftliche Integration und gesellschaftliche Konflikte gedanklich zusammengebracht werden konnten. Der ,struggle for life‘ produziert eine Anpassung der Arten an die Naturbedingungen. Damit wird der Modus des Marktes, in dem die gesellschaftliche Harmonie aus den spontanen Aktionen der Individuen hergestellt wird, darstellbar. Die Raumdimension wird von Spencer als eines der abstrakten Elemente eingeführt, mit denen er gesetzmäßige Analogien zwischen den verschiedenen Sphären herstellt. Die räumliche Anordnung von Sternen, von Tieren oder von Wirtschaftsakteuren ist jeweils ein wichtiges Datum ihres Entwicklungsstandes. Im Rahmen des gesellschaftswissenschaftlichen Teils werden die entsprechenden Aussagen häufig anhand von raumwirtschaftlichen Beziehungen formuliert. Entsprechend findet sich bereits bei Herbert Spencer eine Reihe von raumwirtschaftstheoretischen Aussagen. Bevor diese nun eingehender dargestellt werden, sind vorab noch zwei Bemerkungen zu machen. Erstens, obwohl Spencers Arbeiten aus heutiger Sicht zwischen Philosophie und Soziologie angesiedelt sind, ist eine wirtschaftswissenschaftliche Relevanz gegeben. Er sah nicht nur ähnlich wie August Comte und John Stuart Mill die Ökonomie als ein in die Sozialwissenschaften integriertes Fach an. Der Nachweis ökonomischer Verhaltensweisen und Werte als Muster al1 Vgl. zu Spencer: Turner (1985), Wiltshire (1978), Perrin (1993), Schallberger (1980); allgemein zum evolutionistischen Denken im viktorianischen Großbritannien: Burrow (1966) und Bowler (1989).

1. Die Evolution des Evolutionsdenkens

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len sozialen Verhaltens kann geradezu als Grundthema seines Werkes aufgefaßt werden. Charakteristischerweise nimmt der Zusammenhang von Arbeitsteilung und Tauschwirtschaft im Werk von Spencer eine Schlüsselstellung ein. Angeregt von dem Begriff der ,physiologischen Arbeitsteilung‘, den der Zoologe Henri Milne-Edwards geprägt hatte, sah er in der Arbeitsteilung die verbindende Gemeinsamkeit individueller und gesellschaftlicher Organismen. Die Differenzierung und Integration des materiellen Prozesses ist für Spencer ein entscheidendes Strukturmerkmal, anhand dessen Analogien zwischen den verschiedenen Gestandsbereichen aufgestellt werden können. Aufgrund dessen bezeichnete er die Arbeitsteilung auch als ,Kardinalwahrheit‘ der Gesellschaftswissenschaften. Genau dies hat ihm später von seiten der Soziologen Emil Durkheim und Talcott Parsons den Vorwurf des ,Ökonomismus‘ eingehandelt. Zudem besteht bei Spencers Evolutionsbegriff eine ideengeschichtliche Prägung durch die Volkswirtschaftslehre. Thomas Malthus sah in der Tendenz zur Überbevölkerung einen Konflikt angelegt, der durch keinerlei gesellschaftliche Übereinkunft, sondern nur in einem langfristigen Prozeß durch die Konkurrenz der Individuen um die Nahrungsmittel gelöst werden konnte. Sowohl Spencer als auch Charles Darwin bezogen sich auf den breiten malthusianischen Diskurs ihrer Zeit und sahen ihre Aufgabe darin, die Mechanismen dieses Ausleseprozesses zu klären. Diese Ideengeschichte nahm Spencer in seinem beruflichen Werdegang auf. Er verbrachte intellektuell prägende Jahre 1848 bis 1853 als Redakteur beim ,Economist‘, wo seine anti-interventionistischen Überzeugungen durch Thomas Hodgskins naturrechtliche Sichtweise des Gesellschaftlichen unterfüttert wurde2. Zweitens, die frühere Betitelung von Spencer als ,Sozial-Darwinist‘ ist zu Recht von der Forschung zurückgewiesen worden. Zum einen haben Darwin und Spencer ihre Theorien im wesentlichen unabhängig voneinander aufgestellt und sich später wechselseitig angeregt. Unter anderem stammt der Topos ,survival of the fittest‘ von Spencer und wurde erst später von Darwin adaptiert. Zum anderen lehnte sich Spencer an Jean-Baptiste de Lamarcks Gedanken der Vererbung erworbener Fähigkeiten an, während die von Darwin stammende Auffassung zufälliger Variationen bei ihm nur eine untergeordnete Rolle spielt. Spencer reformulierte die Maximierung des menschlichen Glücks als einen absichtsvollen Lernprozeß der Individuen. Aus diesen Gründen übernehme ich den allgemeineren Ausdruck vom ,Sozial-Evolutionismus‘ Spencers3. 2 Vgl. Spencers (1873: 72 f.) Einschätzung der Arbeitsteilung; siehe allgemein zum Einfluß der Politischen Ökonomie auf den Evolutionismus: Young (1969) und Gordon (1989), sowie zusammenfassend Bowler (1989: 99 – 104); zu Spencer im Kontext der Volkswirtschaftslehre: Hodgson (1993: 80 – 98); siehe zu Spencers wirtschaftstheoretischen Aussagen Turner (1985: 142 – 154); vgl. zur Analogiebildung anhand der Arbeitsteilung: Schallberger (1980: 210) und Curth (1972: 51 – 53); zum Konflikt Spencer – Durkheim: Perrin (1995); zu Hodgskins Einfluß auf Spencer: Gordon (1955: 476), Kennedy (1978: 105 – 108) und Wiltshire (1978: 49 – 51). 3 Schallberger (1980: 70 – 80 und 138 – 146).

8*

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Kap. 7: Differenzierung und Integration

2. Raumorientierungen in der Menschheitsgeschichte: Herbert Spencer Spencers Aussagen zur industriellen Lokalisierung sind weit verstreut über verschiedene Aufsätze sowie einige Bände seines über vierzig Jahre hinweg entstandenen ,Systems der synthetischen Philosophie‘. Eine zusammenhängendere Behandlung fand das Thema erst in dem 1896 erschienenen Abschlußband der ,Principles of Sociology‘, in dem Spencer sich mit der industriellen Organisation auseinandersetzt4. Ich werde daher zunächst an zwei frühen Aufsätzen das Interesse Spencers an der Clusterung aufzeigen. Danach werde ich mich auf den ersten Band der synthetischen Philosophie, die ,First Principles‘, konzentrieren, in dem die Lokalisierung als ein durchgängiges Strukturelement eingearbeitet ist, und andere Werke ergänzend hinzuziehen. Spencers sozialphilosophische Arbeit zielt darauf, die Gesellschaft als eine weder übernatürlich entstandene, noch aus dem Willen einzelner Individuen bzw. Kollektivsubjekte begründete Institution zu charakterisieren. Gesellschaft sei das nicht-intendierte Resultat vielfacher intentionaler Handlungen, die die Menschen in ihrem materiellen Leben begehen. Damit weist Spencer jede primäre Unterordnung der Individuen unter einen kirchlichen oder staatlichen Ordnungsanspruch zurück. Gesellschaft, so führt er aus, sei ein naturwüchsig entstehender Handlungszusammenhang, dessen Bewegungsgesetze es zu verstehen gelte. Beim Nachweis dieser Naturgesetzlichkeit kommt für ihn dem Strukturmerkmal der Arbeitsteilung eine prominente Rolle zu. Die sektorale und räumliche Arbeitsteilung sei weder durch das Kommando von Regierenden, noch aus einer ,kollektiven Weisheit‘ entstanden, sondern sei allein das Ergebnis menschlicher Bedürfnisse und daraus entstehender Handlungen, die sich gegen alle Widerstände durchgesetzt hätten. Die bekannten Cluster der englischen Wirtschaft in Lancashire, Yorkshire, Sheffield und Birmingham, so Spencer, seien der Ausdruck dieser individuell-autonomen, nicht zentral koordinierten Handlungen5. Wirtschaftliche Strukturen folgen so eigenen Gesetzmäßigkeiten und können nicht politischen Strukturen untergeordnet werden. Dies werde etwa daran deutlich, daß die Grenzen räumlich-sektoraler Zusammenhänge die politischen Grenzen ignorierten. So erstrecke sich beispielsweise ein wichtiges Zentrum der Eisenproduktion und -verarbeitung über Teile der Grafschaften Warwickshire, Staffordshire, and Worcestershire6. In seinem weiteren Werk baute Spencer dieses Verständnis der Ökonomie als fundamentale Ebene der Gesellschaft zu einem umfassenden Konzept aus, wobei die industrielle Lokalisierung stets als Erklärungsgrund und Illustration diente.

4 Vgl. in den Principles of Sociology, Bd. 3, das 2. Kapitel ,Specializations of Functions and Division of Labour‘ bei Spencer (1896: 334 – 355). 5 Spencer (1860: 266). 6 Spencer (1860: 289); vgl. dieses und andere Beispiele auch in den ,Principles of Sociology‘ (1876: 521 f. und 565).

2. Raumorientierungen in der Menschheitsgeschichte

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Nachdem Spencer sich bereits in den frühen 1850er Jahren mit evolutionstheoretischen Überlegungen beschäftigt hatte, formulierte er 1857 in dem in der ,Westminster Review‘ veröffentlichten Aufsatz ,Progress: Its law and cause‘ erstmals ein allgemeines Entwicklungsgesetz des Universums. In einer später erweiterten Fassung lautet es sinngemäß: Evolution ist der Übergang von inkohärenten, homogenen Strukturen zu kohärenten, heterogenen Strukturen, verbunden mit einem Verlust an Bewegung und einer Integration von Materie7. Spencer stellt dieses Gesetz in verschiedenen natur- wie gesellschaftswissenschaftlichen Bereichen dar. Im Bereich der Gesellschaft identifiziert er die Evolution als eine Abfolge von Arten der Arbeitsteilung: Auf die geschlechtliche Arbeitsteilung folge eine einfache sektorale Arbeitsteilung, die schließlich, so Spencer, in eine räumlich-sektorale Spezialisierung übergehe: „But there are yet other and higher phases of this advance from the homogeneous to the heterogeneous in the industrial organization of society. Long after considerable progress has been made in the division of labour among the different classes of workers, there is relatively little division of labour among the widely separated parts of the community: the nation continues comparatively homogeneous in the respect that in each district the same occupations are pursued. But when roads and other means of transit become numerous and good, the different districts begin to assume different functions, and to become mutually dependent. The calico-manufacture locates itself in this county, the woollen-manufacture in that; silks are produced here, lace there; stockings in one place, shoes in another; pottery, hardware, cutlery, come to have their special towns; and ultimately every locality grows more or less distinguished from the rest by the leading occupation carried on in it.“8

Die Lokalisierung des Gewerbes, so kann man die Aussage zusammenfassen, ist als eine höhere Form gesellschaftlicher Differenzierung zu betrachten. Jede Rücknahme der räumlichen Arbeitsteilung muß als Rückschritt aufgefaßt werden. Gleichzeitig ist diese wirtschaftliche Raumstrukturierung anderen Raumordnungen, z. B. der politischen Raumordnung, vorgeordnet. Damit hat Spencer die räumliche Arbeitsteilung als fundamentale Kategorie der Gesellschaftsentwicklung und zugleich als qualitatives Beschreibungsmerkmal von Gesellschaften gefaßt. Diese theoretische Bestimmung der Lokalisierung greift Spencer wieder in den ,First Principles‘ auf, die zuerst als Artikelserie zwischen Oktober 1860 und Juni 1862 erschienen. Hier wird das allgemeine Gesetz der Evolution in einander aufbauenden Bestimmungen entwickelt. Die räumlichen Lage- und Dichteverhältnisse von Gegenständen verfolgt Spencer fast bei allen Bestimmungen des Evolutionsgesetzes – so bei der Bewegungsrichtung, Integration, Differenzierung, Instabilität des Homogenen, Multiplikation, Segregation und der Herstellung eines Gleichgewichts. Er zeigt sie jeweils für den anorganischen, organischen und gesellschaftli7 Spencer (1862: 360 in 2. Auflage, § 127); die Formulierung in dem Aufsatz ,Progress: Its law and cause‘ von Spencer (1857: 10) bezieht sich nur auf den Übergang von der Homogenität zur Heterogenität. 8 Spencer (1857: 22, vgl. auch 56).

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Kap. 7: Differenzierung und Integration

chen Bereich auf, d. h. er weist eine lokale Differenzierung und Integration von Objekten im kosmischen Raum, in der Formung der Erdrinde, in der organischen und in der mentalen Entwicklung nach9. Im Folgenden seien jeweils die entsprechenden Schlußfolgerungen für den Ausschnitt der Lokalisierung von Wirtschaftsaktivitäten referiert. Ausgehend von der Voraussetzung, daß aller Substanz eine Bewegung inne ist, fragt Spencer zunächst nach der Richtung dieser Bewegungen (Kapitel 9). Sie folgen seiner Ansicht nach der Linie des geringsten Widerstandes. Hieraus leitet Spencer für die räumliche Struktur der Wirtschaft ab, daß jede Region die Produkte produziere, die mit dem geringsten Kraftaufwand herzustellen seien10. Das Zusammenspiel der wechselseitig aufeinander einwirkenden Kräfte, so die nächste theoretische Bestimmung, bringt einen ,Rhythmus‘ der Bewegung hervor. So führen etwa die Austauschbeziehungen zwischen Regionen zu Oszillationen der Austauschmenge11. In Kapitel 14 zeigt Spencer, daß die Evolution eine Gruppenbildung von vorher vereinzelten Organismen, wie auch eine Zunahme des Organisationsgrades innerhalb bestehender Gruppen beinhaltet. Letzterer könne unterschieden werden in eine ,regulative Ordnung‘, die bewußt herbeigeführt werde, wie auch in eine ,operative Ordnung‘, bei der es zu einer Integration der funktionalen Komponenten durch deren Wachstumsprozesse komme. Die zweite Ordnungsform zeigt Spencer an dem Übergang zu einem System räumlich-sektoral spezialisierter Standorte auf. Spencer illustriert dies an dem Wolldistrikt in Yorkshire, der Baumwollindustrie in Manchester, der Töpferindustrie in Staffordshire und einigen Dienstleistungsclustern in London12. Parallel zur Integration läuft ein Prozeß der Differenzierung ab (Kapitel 15). Die Politische Ökonomie habe diesen Übergang zu heterogenen Formen, so Spencer, bereits lange an der Teilung in verschiedene Beschäftigungsarten demonstriert. Diese werde ergänzt durch die höhere Form der räumlichen Arbeitsteilung, die mit dem Ausbau des Transport- und Kommunikationssystems möglich werde13. Spencer greift an anderer Stelle, in den ,Principles of Sociology‘, zur Erläuterung die Parallele zwischen physiologischer Arbeitsteilung in Körpern und der sozialen Arbeitsteilung auf. Ähnlich wie die Organe in einem individuellen Körper seien in einer Gesellschaft die Cluster durch Systeme der Versorgung und Steuerung verbunden14. Zudem seien die Cluster intern strukturiert. Sie wiesen Handelsvertretungen auf, die den Vertrieb der Produkte und die Beschaffung von Rohstoffen organisieren, sie verfügten über Kontroll- und Nachrichtensysteme und sie bildeten Spencer (1862: 548). Spencer (1862: 241), vgl. auch Spencer (1896: 353 f.). 11 Spencer (1862: 267 f.). 12 Spencer (1862: 317). 13 Spencer (1862: 346), diese Passage ist textidentisch mit der oben zitierten Passage aus der ,Westminster Review‘ von Spencer (1857: 22). 14 Spencer (1896: 349). 9

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2. Raumorientierungen in der Menschheitsgeschichte

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politische und kirchliche Einrichtungen aus, die die soziale Ordnung aufrecht erhielten15. In den ,Principles of Sociology‘ behandelt Spencer zudem die Form der räumlichen Differenzierung näher. Er unterscheidet zum einen Standortbildungen aufgrund unterschiedlicher Naturbedingungen (topical division of labour). Zum anderen erkennt er eine innerhalb der einzelnen Standorte sich entwickelnde lokale Arbeitsteilung, die etwa in der Spezialisierung von Arbeitsqualifikationen bestehen kann (local division of labour)16. Die örtliche Arbeitsteilung zwischen den Standorten ist als Grundlage der lokalen Arbeitsteilung an den einzelnen Standorten aufzufassen. Die lokale Arbeitsteilung innerhalb einer gesellschaftlichen Gruppe hängt sowohl von der Interaktion mit anderen Gruppen wie von der Gruppengröße ab. Eine Verselbständigung von Funktionen kann vorgenommen werden, wenn die zahlungsfähige Nachfrage einer Gruppe so groß ist, daß mindestens ein Mitglied mit der spezialisierten Arbeit ausgelastet ist und zugleich ein wirtschaftliches Auskommen findet. Eine wachsende Gruppengröße ermöglicht somit wachsende interne Heterogenität der Gruppe, speziell eine wachsende Differenzierung der Raumwirtschaft. In der weiteren Argumentation der ,First Principles‘ sieht Spencer eine säkulare Tendenz zur räumlichen Funktionsspezialisierung, die auf verschiedenen Raumebenen greift. Die gesamte Menschheit differenziert sich in unterschiedlich spezialisierte Nationen, diese wiederum in ,lokale Sektionen‘, die sich schließlich in spezialisierte Standorte unterscheiden17. Diese Tendenz sieht Spencer als notwendig an, da homogene Zustände stets instabil bleiben (Kapitel 19). Eine geringe sektorale und räumliche Arbeitsteilung könne nicht von Dauer sein, da in einigen Regionen eine bessere Anpassung an die Naturbedingungen gelingen werde als in anderen, wodurch ein Spezialisierungsdruck auf alle Regionen entstehe. Ergänzend weist er in den ,Principles of Sociology‘ darauf hin, daß entwickelte Organismen durch eine ungleichmäßigere Verteilung ihrer Organe gekennzeichnet sind. Ihr höherer Integrationsgrad lasse eine freiere Form der Größe und Verteilung einzelner Organe zu; entsprechend unregelmäßig könne auch die Raumstruktur entwikkelter Ökonomien ausfallen18. Die Durchsetzung der räumlichen Arbeitsteilung folgt dem ,Multiplikationseffekt‘ in der Evolution (Kapitel 20): Die Differenzierung an einer Stelle hat die Tendenz, weitere Differenzierungen an anderen Stellen auszulösen. Hat sich etwa an einem Standort durch eine verbesserte Produktivität die Möglichkeit zu einer räumlichen Ausweitung des Absatzmarktes ergeben, so kann der Spezialisierungsgrad des Standortes erhöht werden. Dies schränkt die Absatzchancen anderer Produktionsstandorte ein, wodurch diese ebenfalls zu einer Spezialisierung auf andere 15 16 17 18

Spencer (1876: 496). Spencer (1896: 343 – 350). Spencer (1862: 346 f.). Spencer (1876: 521).

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Kap. 7: Differenzierung und Integration

Produkte gezwungen sind und sich die räumliche Verteilung verschiedener Branchen ändert19. Schließlich behandelt Spencer die Segregation in Organismen (Kapitel 21): Wirkt eine Kraft auf die verschiedenen Einheiten eines Ganzen, so hat dies unterschiedliche Auswirkungen bei den verschiedenen Einheiten, die sich daraufhin trennen. Aus diesem Grund führt die gleichartige Kraft des wirtschaftlichen Wettbewerbs, die auf unterschiedliche Raumausstattungen trifft, zur Segregation der Standorte20. Dieser evolutionäre Prozeß wird solange ablaufen, bis keine verändernden Kräfte mehr auftreten können (Kapitel 22). Es kommt dann zu einem räumlichen Gleichgewicht, in dem die sektoralen und räumlichen Spezialisierungen stabil bleiben21. Spencer versteht allerdings ein Gleichgewicht in der Raumwirtschaft nicht als starren Zustand, sondern wie bei allen Gegenständen, insbesondere bei den lebenden Organismen, als eine mehr oder weniger elastische Bewegung (moving equilibrium)22. In dem Aufsatz ,Social Organism‘ deutet Spencer an, daß bezogen auf ein Cluster ein Gleichgewicht durch das Auftreten von Wachstumsbehinderungen herbeigeführt werden könne. Sobald eine Ausdehnung der Produktion überproportionale Kosten verursache, ende die Expansionsphase einer räumlichen Konzentration23. Dieser Prozeß der ,Equilibration‘ ist die letzte Bestimmung der Evolution in den ,First Principles‘. Mit ihr zeichnet sich perspektivisch ein Ende der räumlichen Veränderungen ab. Wie für die menschliche Evolution im Ganzen, sieht Spencer auch für die ökonomische Raumevolution das Ziel in der nicht mehr steigerbaren Anpassung an die externen Bedingungen24. Hier stellt sich die Frage, inwiefern die Strukturierung des ökonomischen Raumes als naturdeterminiert gesehen wird. In der Tat besteht das Optimum der Raumstruktur in einer vollständigen Abbildung der Naturbedingungen. Sie werden von Spencer ausführlicher in den ,Principles of Sociology‘ skizziert25. Dort geht er auf die Konstitution von Transportwegen und von Clustern ein, die nicht unmittelbar auf Naturpotentiale, sondern auf historisch herausgebildete wirtschaftliche Zentren und Transportsysteme zurückzuführen sind. Spencer entledigt sich des Problems durch die Unterscheidung einer primären und einer sekundären Lokalisierung von Industrien. Demnach orientieren sich die rohstofforientierten Branchen zunächst an den Vorteilen der natürlichen Raumausstattung. Deren Zwischenprodukte werden dann von weiteren Industrien nachgefragt, für deren Lokalisierung die Transportkosten entscheidend sind. Eine entSpencer (1862: 451 – 455). Spencer (1862: 479). 21 Spencer (1862: 509 – 510). 22 Spencer (1862: 483 – 490). 23 Spencer (1860: 290). 24 Vgl. Spencer zusammenfassend zur Rolle der Lokalisierung in den ,First Principles‘ (1862: 548) und in den ,Principles of Sociology‘ (1876: 615). 25 Spencer (1876: Kapitel 3). 19 20

3. Der Faktor Organisation

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sprechende sekundäre Lokalisierung erkennt er für Cluster in Birmingham, Sheffield und Stourbridge26. Für die Naturalisierung gesellschaftlicher Strukturen, die Spencers Sozial-Evolutionismus insgesamt auszeichnet, scheint er auf dem Feld der Raumwirtschaft somit besonders geeignete Argumente zu finden. Als Beitrag der Spencerschen ,Synthetischen Philosophie‘ für eine raumwirtschaftliche Theorie kann erstens festgehalten werden, daß er die räumliche Verteilung von Branchen als ein Strukturelement von Gesellschaften einführt. Dies ist bei ihm mit Aussagen über den Entwicklungsgrad der Gesellschaften verbunden. Zweitens stellt Spencer mit seiner Herleitung gesellschaftlicher Strukturen aus den Notwendigkeiten des Evolutionsprozesses dar, welche Funktionen und welche Geltung der Clusterung von Branchen zukommt: Wirtschaftliche Cluster sind für ihn eine Form gesellschaftlicher Organisation, mit der die Gesellschaftsmitglieder einen maximalen Wirkungsgrad ihrer Arbeit erreichen können. Mit Clustern findet eine Differenzierung und parallele Integration von Arbeitsarten statt, wodurch eine stabilere Organisationsform der Arbeit erreicht wird. Die Konzentration von Aktivitäten an einem Standort kann zu weiteren Konzentrationen von anderen Aktivitäten führen. Langfristig ist ein Gleichgewicht der aufeinander wirkenden wirtschaftlich relevanten Kräfte möglich, so daß das Muster der räumlichen Verteilung nicht weiter verändert wird. Obwohl damit zugleich einige Anschlußstellen der Spencerschen Gesellschaftstheorie zur Volkswirtschaftslehre benannt sind, bleibt noch offen, in welcher Weise seine Konzeption tatsächlich rezepiert und integriert wurde; dieser Frage widmen sich die folgenden drei Abschnitte.

3. Der Faktor Organisation: William E. Hearn William Edward Hearn war gewissermaßen der erste australische Ökonom. Er hielt als erster seit 1858 Vorlesungen in Politischer Ökonomie an der Universität von Melbourne und sein Werk ,Plutology‘ hat ohne Zweifel im 19. Jahrhunderts von allen australischen volkswirtschaftlichen Büchern den größten Eindruck im englischen Sprachraum hinterlassen. Kein geringerer als William St. Jevons hat Hearns ökonomisches Hauptwerk rezensiert, zitierte es in seiner ,Political Economy‘ und hob Hearn in einem Überblicksartikel aus Anlaß des 100. Jahrestages der Publikation des ,Wealth of Nations‘ als einen ,excellent economist‘ hervor; auch Alfred Marshall und Francis Y. Edgeworth schätzten ihn27. Hearn wurde in der späteren Theoriegeschichte lange Zeit kaum beachtet und bloß als mindere Inspirationsquelle in der Entstehungsphase der subjektiven Wert26 Spencer (1876: 519 f.); vgl. auch das Liverpool-Manchester-Beispiel in den ,First Principles‘: Spencer (1862: 425). 27 Vgl. zu Hearn: La Nauze (1949) und Groenewegen / McFarlane (1990: 51 – 56); zur Rezeption Hearns im 19. Jh.: La Nauze (1949: 49 – 53), siehe etwa Jevons (1876: 625).

122

Kap. 7: Differenzierung und Integration

theorie erwähnt. In der Tat sind die beiden ersten Kapitel in ,Plutology‘ auf diesen Punkt abgestellt. Hier grenzt sich Hearn von einem Primat der gesamtwirtschaftlichen Ebene ab, wie es in der klassischen Ökonomie vorherrschte. Der Reichtum der Nation könne stets nur als Aggregation des Reichtums der Individuen verstanden werden. Daher macht Hearn das Individuum mit seinen Wünschen und Bedürfnissen zum Ausgangspunkt der Analyse. So ist es folgerichtig, daß er der Funktion von Märkten eine große Aufmerksamkeit schenkt und die Bezeichnung ,Politische Ökonomie‘ ablehnt28. Auf diese Neubestimmung der Volkswirtschaftslehre bezog sich zumeist die Rezeption Hearns. Erst in den vergangenen Jahren ist in den Blick geraten, daß Hearn über diese Anklänge an die subjektive Werttheorie hinaus originale Beiträge geleistet hat29. In Hearns weiteren Ausführungen spielen die subjektiven Präferenzen der Marktteilnehmer nur eine zeitlich und sachlich begrenzte Rolle in der Wertbestimmung. Er sieht vielmehr einen entscheidenden Einfluß der Angebotsfaktoren und stellt so die Verbindung zur klassischen Werttheorie her. Konsequent betrachtet er zunächst die Einflüsse auf die Produktivität der Arbeit, insbesondere die Naturbedingungen (Kapitel 3 bis 6). Danach berücksichtigt er vier ,Hilfsinstrumente‘ der Arbeit – das Kapital, die Erfindungsgabe, die Kooperation und den Austausch (Kapitel 7 bis 15)30. All diese Mechanismen der Effizienzsteigerung untersucht Hearn in einer einzelwirtschaftlichen Perspektive. Durch die Mittel der Kooperation und des Austauschs sieht er aber weitergehend eine gesamtwirtschaftliche Verknüpfung entstehen. Nach einer Betrachtung der Wechselwirkungen zwischen den Unterstützungsformen (Kapitel 16) führt er die ,industrial organization of society‘ ein. Ihre Existenz besteht – wie er bereits in der Einleitung bemerkt – in der sektoralen Arbeitsteilung und damit verknüpft in der räumlichen Arbeitsteilung: „It further tends by localizing industry to extend its organizing influence both to entire localities in the same community, and even to different communities themselves“31.

In Kapitel 17 stellt Hearn daher die Formen und Gründe der Lokalisierung der Industrie ausführlich dar (307 – 314). In den folgenden Kapiteln 18 bis 24 widmet er sich weiteren Aspekten der gesamtwirtschaftlichen Ebene, unter anderem dem Problem ihrer historischen Evolution und den wirtschaftspolitischen Eingriffsmöglichkeiten. Nach diesem Inhaltsüberblick kann festgehalten werden, daß Hearn im Unterschied zu Jevons und anderen subjektorientierten Ökonomen die Erneuerung der Volkswirtschaftslehre nicht in einem neuen werttheoretischen Modell sah. Vielmehr versuchte er die stärkere Berücksichtigung von Marktprozessen zu verbinden Vgl. Hearn (1863: 5 – 7 und Kapitel 14 und 15). Vgl. Pesciarelli (1998: 158), dem ich hier im Weiteren folge; zuerst hat Groenewegen (2003a) in einem 1988 erschienen Artikel darauf aufmerksam gemacht. 30 Vgl. Hearn (1863: 8, 338), zu Hearns eigenständiger Betrachtung des Faktors Innovation: Wakatabe (2001). 31 Hearn (1863: 9). 28 29

3. Der Faktor Organisation

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mit einer Betrachtung der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Man kann hierin eine Ausdehnung von John S. Mills theoretischem Konzept sehen – wie auch Parallelen zum historistischen Denken. Die Erweiterung zu einem gesellschaftlichen Rahmen des ökonomischen Handelns wird jedoch auf eine neuartige Weise begründet. Hearn hatte früh die sozial-evolutionäre Theorie Herbert Spencers rezepiert und teilte die These von einer Identität naturwissenschaftlicher und gesellschaftswissenschaftlicher Gesetze: „The same phenomena which characterize organic growth may also be observed in society“32. Hearn führt dieses sozial-evolutionäre Konzept im 17. Kapitel ,Of the Industrial Organization of Society‘ ein, in dem er den Übergang von der individuellen Handlungsebene zur kollektiven Handlungsebene begründet: Die industrielle Kapazität der Gesamtheit aller Wirtschaftsakteure wächst, weil sie in einen sozialen Organismus integriert sind, dessen Teile sich auf einzelne Funktionen spezialisieren können. Dieser Zusammenhang von Integration und Differenzierung setzt sich sektoral und räumlich um: „When in any large community industry has been thus spontaneously organized, and when the facilities for exchange between the various parts of the community have increased, a new phenomenon presents itself. The same separation of functions which takes place between different occupations, takes places also between different localities. The various branches of industry exhibit a strong tendency to fix themselves in, and confine themselves to, particular districts. Each district thus acquires a distinctive character, and at the same time becomes dependent upon the other districts which with it deals“33.

Das Phänomen der Lokalisierung illustriert Hearn an Beispielen aus London, Holland und Rußland34: Diese Behandlung von Raumstrukturen ist deutlich von Spencers Sozial-Evolutionismus geprägt, dessen Überlegungen zur Clusterung auch direkt von Hearn zitiert werden35. Die für die Clusterung verantwortlichen Gründe sieht Hearn in der Einsparung von Produktionskosten, wobei er zum einen natürliche Bedingungen, etwa die örtliche Verfügbarkeit von Rohstoffen und Energie, unterscheidet. Zum anderen geht er auf die funktionalen Verknüpfungen der Unternehmen ein; sie kann in der räumlichen Nähe von zuliefernden Industrien, in den Lernkurveneffekten und der Wissensdiffusion am Standort oder in der komple32 Hearn (1863: 10); vgl. seine Zitierung von Herbert Spencer (303 – 4, 398, 444, 446) und von Charles Darwin (346 – 7, 389, 392); siehe La Nauze (1949: 59 – 65) zu Hearns Rezeption des sozial-evolutionären Ansatzes. Vgl. übrigens als weitere ,cluster-relevante‘ Einflüsse die Zitierungen von Charles Babbage (173, 211, 288), George R. Porter (173, 238, 251, 345, 351, 373, 376, 379, 431) und Edward Gibbon Wakefield (218). 33 Hearn (1863: 305); den Zusammenhang der Integration und Differenzierung im Raum führt Hearn (1863: 398) später explizit aus. 34 Hearn (1863: 305 – 307) zitiert hier aus dem ,Companion to the Almanac 1855‘, Adolphe Jérôme Blanquis ,Histoire d’Économie Politique‘ sowie August von Haxthausens ,Studien über die innern Zustände, das Volksleben und insbesondere die ländlichen Einrichtungen Russlands‘. 35 Vgl. Hearn (1863: 398), wo er Spencers These aus den ,First Principles‘ zur Lokalisierung als Ausdruck des Differenzierungsprozesses zitiert.

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Kap. 7: Differenzierung und Integration

mentären Nutzung von Ressourcen bestehen36. Hearn hebt dabei hervor, daß diese Kostenersparnisse als eine pfadabhängige Kumulation von Produktionsvorteilen entstehen37. Er schließt das Kapitel mit einem Verweis auf die Spezialisierung von Nationalökonomien ab. Hier sieht er in der Tradition von James Mill und McCulloch die regionale und internationale Arbeitsteilung durch gleichartige Kräfte geprägt. Er bezieht sich stark auf die unterschiedliche Naturausstattungen der Länder und betont ähnlich wie McCulloch in seinen späten Publikationen, dass nicht diese Ausstattung selbst, sondern ihre jeweilige ökonomische Verwertung entscheidend sei38. Auf die These von der wirtschaftlichen Clusterung als Ausdruck eines übergreifenden Prinzips gesellschaftlicher Entwicklung kommt Hearn noch einmal im Kapitel 21 ,Of the Industrial Evolution of Society‘ zu sprechen. Hier charakterisiert er ,Industrialisierung‘ und ,Urbanisierung‘ als interdependente Prozesse der sektoralen und räumlichen Differenzierung und Integration. Bei den gesellschaftlichen Einheiten müsse wie beim biologischen Organismus das Wachstum des Größenumfangs und der Komplexität von Strukturen gleichermaßen Schritt halten39. Spencer folgend schließt Hearn die allgemeinere Aussage an, daß sich die Komplexitätssteigerung von Gesellschaften gerade in der räumlichen Dimension zeigen lassen. Die Entstehung ökonomisch spezialisierter Regionen und Nationen ist als Abschluß einer naturgesetzlichen Entwicklung zu verstehen, die mit der ersten Gruppenbildung von Menschen eingesetzt hat: „We have seen how ( . . . ) each district and even each nation, gradually assumes a special industrial character.“40 Als Resümee kann festgehalten werden, daß Hearn erstens Spencers Interpretation der wirtschaftlichen Raumstruktur als Ausdrucksform sozial-evolutionärer Gesetzmäßigkeiten übernimmt. Er ist sich mit ihm auch in der generell positiven Bewertung räumlicher Konzentration einig. Zweitens nutzt Hearn den Tatbestand wirtschaftlicher Cluster und spezialisierter Nationen, um kollektive Handlungszusammenhänge bzw. eine gesamtwirtschaftliche Ebene in die Ökonomie einzuführen. Hierin unterscheidet er sich signifikant von Spencer, der alle kollektiven Entitäten stets auf unmittelbare Intentionen und Handlungen der Individuen zurückführen wollte. Die räumliche Integration von Wirtschaftsaktivitäten wird von 36 Hearn (1863: 307 – 310); Hearn zitiert hier John Strangs ,Porcelain, Earthernware, and Glass Manufacture of Glasgow‘ und William Cooke Taylors ,On the changes in the locality of textile manufactures‘. 37 Hearn (1863: 308): „When the seat of the industry is once established, even though its origin may have been merely accidental, various further subdivisions of employment arise among the inhabitants; and thus as the organization is rendered more complete than elsewhere, the local superiority becomes more marked.“ 38 Hearn (1863: 310 – 314); Hearn zitiert hier zur Illustration der internationalen Arbeitsteilung aus McCullochs Einleitung in Smith ,Wealth of Nations‘. 39 Hearn (1863: 393); als Ortsbeispiele werden das Eisengewerbe in Warwickshire, die Tonwarenindustrie in Staffordshire und die Strumpfwarenindustrie in den North Midland Counties genannt. 40 Hearn (1863: 398).

4. Vom Historismus zum Sozial-Evolutionismus

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Hearn genutzt, um den Widerspruch zwischen Spencers Organismus-Begriff und seinem inhaltlichen Individualismus aufzulösen. Im Vergleich zu Spencer beschreibt Hearn drittens die funktionalen Verknüpfungen der Unternehmen innerhalb von Clustern besser. Einige von Spencer beschriebene Wirkungen der Clusterung (Multiplikationseffekt, Tendenz zu einem stabilen Raummuster), die innerhalb einer raumwirtschaftstheoretischen Diskussion interessant wären, werden allerdings nicht aufgegriffen.

4. Vom Historismus zum Sozial-Evolutionismus: Albert E. F. Schäffle Albert E. F. Schäffles Werk steht im Spannungsfeld von historistischem und sozial-evolutionären Denken41. Sein erstes Buch ,Die Nationalökonomie oder Allgemeine Wirthschaftslehre‘, das er 1861 als 30jähriger publizierte, stand klar in der Tradition des ökonomischen Historismus. Die Clusterung von Branchen wird darin ganz analog wie bei Wilhelm Roscher im Kapitel über „Arbeitstheilung und Arbeitsvereinigung“ beschrieben: „Die verwandten einander in die Hände arbeitenden Betriebszweige lagern sich straßen-, quartiers-, bezirks-, provinzweise nebeneinander mit oft unsichtbarer Ordnung und mannigfachen Gemeininstitutionen; in England sind die Leinenfabriken in und um Leeds, Baumwollfabriken um Manchester und Glasgow, Messerwaren um Sheffield, in der Schweiz Uhrenfabriken durch den Jura, die Seidenfabriken sind um Basel, Zürich, Lyon, Elberfeld, Crefeld gelagert: eine unendliche Theilung und ebenso großartige unsichtbar sich selbst ordnende Zusammenfassung der Arbeit. Die Thatsache dieser selbstwüchsigen Vereinigungen giebt dem practischen Unternehmer den Rath, den Ort der Unternehmung nicht absichtlich von dem Hauptplatze der ähnlichen Gewerbe zu trennen. Dies empfiehlt sich schon deshalb, weil viel leichter eingeübte oder bald einzuübende Arbeiter zu gewinnen, brauchbare Arbeitsgewohnheiten und Ueberlieferungen vorhanden sind; auch in dieser Beziehung zeigt sich der innige Zusammenhang der Arbeitsvereinigung als nothwendigere Kehrseite der Spaltung und Theilung“42.

Auch in seinem folgendem Buch ,Gesellschaftliches System der menschlichen Wirtschaft‘ legte er diese Sicht von einer generellen „territorialen und weltgeographischen Gliederung“ des Industriesektors dar43. Schäffles Bedeutung in den 1860er Jahren liegt aber nicht in speziellen Erkennissen zur Clusterung, sondern in deren neuer Interpretation vor dem Hintergrund der raumwirtschaftstheoretischen Diskussion der Deutschen Historischen Schule. Sowohl der Sozial-Evolutionismus wie der ökonomische Historismus betonen den Entwicklungscharakter der Ökonomie und sind organizistisch angelegt. In beiVgl. zu Schäffle: Borchardt (1961). Schäffle (1861: 74); vgl. zum historistischen Charakter den Abschnitt über das Ziel des Wirtschaftens (19 – 29) und Schäffles Bekenntnis zu Roscher als seinem Lehrer (IX). 43 Schäffle (1867: 93). 41 42

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Kap. 7: Differenzierung und Integration

den Theorien wurde eine ,Soziologisierung‘ der Volkswirtschaftslehre vorgenommen und gleichzeitig die Raumdimension berücksichtig. Dies führte in beiden Ansätzen zu einer Darstellung der (natur-)räumlichen Standortbedingungen und zu einer Berücksichtigung der Clusterung von Unternehmen als Moment der räumlichen Struktur. Darüber hinaus existieren jedoch signifikante Unterschiede, die am besten über den Organismus-Begriff erschlossen werden können44. Im Historismus soll die Raumdimension die Individualität makroökonomischer Einheiten begründen. Der ,Organismus‘ ist hier ein essentialistisches Konzept, das zum einen auf eine ganz bestimmte Raumeinheit abzielt – die Nationalökonomie –, und zum anderen nicht vollständig vom Geodeterminismus abgekoppelt werden kann. Dagegen ist der sozial-evolutionäre Organismus-Begriff in zweifacher Weise abstrakter angelegt. Erstens können als Organismus verschiedene gesellschaftliche Größenordnungen betrachtet werden: lokale Gemeinschaften, Nationalstaaten oder die gesamte Menschheit. Der ,Organismus‘ kann somit auf verschiedenen räumlichen Maßstabsebenen verortet werden. Zweitens sind die Formen der Entwicklung nur funktional auf die Lebenserhaltung der Organismen bezogen. Spencers Organismusanalogie behauptet nur die Gleichartigkeit auf der Ebene von Anordnungsprinzipien der Teile; er vertritt keineswegs die Vorstellung von Gesellschaft als einem lebenden Organismus. Durch diese Konstruktion kann der geographische Raum einer Volkswirtschaft als abstrakter Raum verstanden werden – als ein ,Kampfplatz‘ auf dem sich die Mutation und Selektion von Organismen abspielt. Wissensoziologisch stellt sich so im Sozial-Evolutionismus nicht wie im Historismus das Problem der historischen Relativität von Theorien. Eine ,englische‘, ,deutsche‘ etc. Volkswirtschaft muß auf der allgemeinen theoretischen Ebene nicht unterschieden werden. Dies bleibt eine Frage der empirischen Anwendung von Theorien. Die sozial-evolutionär angelegte Interpretation der Volkswirtschaftslehre konnte mit diesen Annahmen einen allgemeineren Erklärungsanspruch erheben. Und während im historistischen Ansatz die Clusterung ausschließlich als Kennzeichen nationaler Differenzierung erfaßbar wurde, konnten im sozial-evolutionären Ansatz ,Komplexität‘ und ,Spezialisierung‘ als analytische Kriterien auf den unterschiedlichen Raumebenen angewandt werden. Bei Albert Schäffle werden im Laufe seines Werkes zunehmend Elemente des sozialevolutionären Denkens integriert. Dabei war Schäffle nicht nur ein Vermittler der Spencerschen Sozialphilosophie in den deutschen Sprachraum, sondern konnte sich auf eine eigene deutsche Rezeption und Weiterentwicklung der Evolutionsbiologie stützen, die etwa von Ernst Haeckel vorgenommen wurde45. Nach der Publikation seines Buches ,Bau und Leben des sozialen Körpers‘ von 1875 bis 1878 wurde Schäffle international als führender Vertreter einer sozialevolutionären Soziologie wahrgenommen. Dabei vollzog sich diese Entwicklung immer anhand 44 45

Vgl. zum Organismus-Begriff: Hutter (1994) und Ambros (1963). Weikart (1999); vgl. als eine Zusammenfassung: Schäffle (1879).

4. Vom Historismus zum Sozial-Evolutionismus

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praktischer Fragen. Obwohl Schäffle bereits 1860 zum Professor für Volkswirtschaft in Tübingen ernannt wurde, blieb das ökonomische Denken des Autodidakten und langjährigen Journalisten, des Abgeordneten im württembergischen Landtag und kurzzeitigen Handelsministers in Österreich stets an der Wirtschaftspraxis orientiert. Seinem Werk ist daher ein Mangel an begrifflicher Entwicklung und ein Hang zu formalen Ordnungsschemata eigen. Der Übergang vom Historismus zum Sozial-Evolutionismus zeigt sich bei Schäffle beispielsweise an seiner Absage an den Naturdeterminismus der Historischen Schule. Hatte er in der ,Nationalökonomie‘ von 1861 den „Nationalcharakter“ durch die „Vertheilung des „Naturkapitals“ bedingt erkannt bzw. unklare Wechselwirkungen zwischen Natur und Gesellschaft gesehen, so wies er nun ausdrücklich darauf hin, daß die „Lage und Lageveränderung“ nicht allein durch die „äußere Natur“ bedingt seien, sondern die gesellschaftliche Produktion des Raumes entscheidender werde: „Es kommt auch auf den Ort günstigster Wechselbeziehung zum Personal und zum Vermögen anderer Subjekte, auf die Erreichbarkeit der günstigsten socialen Hilfskräfte und der Märkte, auf die Abwesenheit gefährlicher Nachbarn, auf die Sicherheit, auf die Leichtigkeit des Bezuges und des Absatzes, des Kredits und der Verleihung, auf die Erlangung und Ausbreitung von Kenntnissen, auf die Möglichkeit der Vereinigung, Gliederung und Durchbildung zu mächtigen Collectivkräften an. Kurz, nicht bloß die vortheilhafte Wechselwirkung mit der Natur, sondern auch jene mit und innerhalb der Gesellschaft kommt in Betracht; ja, die letztere gewinnt immer mehr überwiegende Bedeutung“46.

Raumwirtschaftstheoretisch bedeute dies, dass man „von keiner einzigen Stadt, von keiner Straße“ sagen könne, sie sei allein „durch die natürlichen Bodenverhältnisse“ determiniert gewesen. Somit gehört die Entschlüsselung der „verschiedensten socialen Einflüsse, Zufälle und Geschichtsereignisse“ in der Raumstrukturierung zu Schäffles Forschungsprogramm. 47 Der Unterschied zum historistischen Verständnis zeigt sich beispielswiese bei der Pfadabhängigkeit von Standorten. Hier sieht Schäffle die zeitliche Kontinuität an einem Ort als ein Element der sozialen Evolution. Den Raum begreift er weniger über seine Naturqualitäten, sondern als abstrakte Fläche, die unterschiedlichen Nutzungen zugeführt und zu einem Mittel des Überlebenskampfes wird: „Eine Stadt z. B. kann durch politische Einflüsse und Ereignisse entstehen und erblühen. Einmal erstarkt bietet sie solche Vortheile, richtet sie nach ihrem Bedarf so gebieterisch das Nez der Verkehrswege, gewinnt sie eine so überlegene Anziehungskraft, daß eine benachbarte Oertlichkeit, die von Natur besser geeignet gewesen wäre, die Menschen, die Güter und die Anstalten nicht mehr für sich gewinnen kann. Die sociale Auslese oder die Arbeit der Geschichte häuft eben auch im Gebiete des Ansiedelungs- und Verkehrswesens eine zum Theil unverlierbare geschichtlich begründete Uebermacht der einmal siegreichen Orte und Straßenzüge an“48. 46 47 48

Schäffle (1881: 131); vgl. dagegen Schäffle (1861: 44). Schäffle (1881: 134 f.). Schäffle (1881: 135).

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Kap. 7: Differenzierung und Integration

Schäffles Auffassungen von der Gesellschaftlichkeit räumlicher Strukturen sind Teil seiner Transformation der ökonomischen Theorie in eine umfassende Gesellschaftslehre. Für ihn stellt sich der Rahmen zur Darstellung von Raumstrukturen, wie er ihn in der zeitgenössischen Volkswirtschaftslehre beobachtet, als „viel zu enge“ dar49. Stattdessen entwickelt er in seinem Aufsatz ,Zur Lehre von den socialen Stützorganen‘ die These von den räumlichen Verhältnissen als einem „sociale[n] Stützorganismus der Ansiedlungen und der Wege“50. In der 2. Auflage seines „Bau und Leben des socialen Körpers“ baut er diesen Gedanken zu einer ,Soziologie des Raumes‘ aus. Hier betont er im Abschnitt ,Die Raumbeziehung der Gesellschaft‘, daß die Raumverhältnisse von allgemeinem Interesse für die Gesellschaftstheorie seien51. Da der Globus ein ,Medium der Civilisation“ darstelle, so hätten „Lage, Zusammenliegen, Lageveränderung an der Erdoberfläche“ eine soziale Bedeutung52. Da diese Beobachtungen nicht auf die räumlichen Produktionsstrukturen bezogen wurden, werden sie hier nicht weiter verfolgt. Festzuhalten ist, daß von Albert Schäffle frühzeitig die sozialevolutionäre Interpretation der räumlichen Strukturierung der Produktion in Deutschland vertreten wurde. Sein raumwirtschaftliches Verständnis grenzt sich zunehmend vom Naturdeterminismus der Historischen Schule ab. Der Raum wird im späteren Werk Schäffles im Sinne Spencers als flexibel nutzbarer Kampfplatz der sozialen Evolution aufgefaßt.

5. Spezialisierung als Effizienzmaßstab? Während der gesellschaftstheoretische Einfluß Spencers in Großbritannien bereits in den 1860er Jahren hoch war, verbreitete sich der sozial-evolutionäre Ansatz erst mit einiger Verzögerung in der Volkswirtschaftslehre. Hierzu waren sicherlich die zunehmende Komplexität des ökonomischen Systems und die Interdependenzen mit dem Bildungssystem, der Wissenschaft und der Politik förderlich. „The industrial machine is getting more organic and more sensitive“, notierte William Smart53. Er verwies zum einen auf die Vermittlung zwischen den verschiedenen Bereichen der Produktion und zum anderen auf die Vermittlung zwischen Produzenten und Konsumenten. Nicht das Wachstum der einzelnen Aggregate an sich, sondern ihr reibungsloses Ineinandergreifen markierte die Herausforderung der neuen industriellen Epoche: „The necessity of organized industry is that each individual, each trade, even each country, should work smoothly into every other.“54 49 50 51 52 53 54

Schäffle (1878: 51). Schäffle (1881: 113). Schäffle (1878: 50), vgl. Schäffle (1881: 112 – 220). Schäffle (1881: 113). Smart (1888: 701). Smart (1888: 699).

5. Spezialisierung als Effizienzmaßstab?

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Mit seiner Eignung zur Darstellung ,systemischer‘ Eigenschaften wurde der Sozial-Evolutionismus in einer Phase der wachsenden wirtschaftlichen Konkurrenz zu den aufstrebenden Industrienationen als ein wichtiger Theoriebeitrag begriffen55. Im Folgenden soll ein Strang dieser Rezeption mit der Frage verfolgt werden, welches analytische Potential der Sozial-Evolutionismus für die Raumwirtschaftstheorie bereitstellte. Da der sozial-evolutionäre Ansatz den Grad an räumlicher Integration und Differenzierung zu einem bedeutsamen Merkmal von Gesellschaften erklärte, lag es nahe, hieraus Aussagen über den volkswirtschaftlichen Entwicklungsstand abzuleiten. In der Tat avancierte die räumliche Verteilung der Industrie in den 1870er Jahren zu einem eigenständigen Forschungsproblem, wie es Leonard H. Courtney, der Nachfolger Cairnes am University College in London und späteres Parlamentsmitglied, in einem Artikel für die ,Fortnightly Review‘ festhielt56. Das Grundproblem bei diesem Import der sozial-evolutionären Kategorien in die Volkswirtschaftslehre kann parallel zu den Problemen der Spencerschen ,deskriptiven Soziologie‘ gesehen werden. Ihr wurde im Streit um die Methodologie der Sozialwissenschaften zu Beginn des 20. Jahrhunderts vorgeworfen, die Analogien zwischen den gesellschaftlichen und nicht-gesellschaftlichen Tatbeständen überzubewerten. Man gerate mit dieser Methode entweder in Gefahr, das ,Evolutionsgesetz‘ so abstrakt zu formulieren, daß man nichts Gehaltvolles über die Handlungsweisen von Gesellschaftsmitgliedern sagen könne. Oder das Evolutionsgesetz werde so konkret formuliert, daß es die sozial-kulturellen Werte einer bestimmten Zeit und Gesellschaftsgruppe für universal erkläre. Kurzum, die sozial-evolutionäre Theorie habe das alte utilitaristische Dilemma zwischen dem universalen Erklärungsanspruch einerseits und dem sozialkulturell gebundenen Wertekanon auf einer neuen Ebene reproduziert. Bezogen auf die Volkswirtschaftslehre kann man das Problem so formulieren: Können mit dem Ansatz nur formale Merkmalsunterschiede beschrieben werden, oder können mit ihm Unterschiede in der volkswirtschaftlichen Effizienz analysiert werden? Anhand dieser Frage möchte ich im Folgenden weitere sozial-evolutionär orientierte Beiträge zur Frage der Raumstruktur vorstellen. Eine Darstellung der räumlichen Spezialisierung als eines spezifischen Vorteils der britischen Ökonomie war, wie in den Kapiteln 3 und 4 gezeigt, bereits bei klassischen Autoren ein häufiger geäußertes Argument. Spencer formulierte einen Höchstgrad an Spezialisierung als qualitatives Ziel und auch Hearn sieht einen naturgesetzlichen, stetigen Fortgang dieses Prozesses: „So strong is this tendency towards a territorial division of employments that human efforts, although they may sometimes check it or even change its direction, are never able altogether to conquer it“57. 55 Vgl. zur Betonung des ,Systemischen‘: Spencer (1876: 506); vgl. Sidgwick (1885) für eine prominente Würdigung Spencers aus volkswirtschaftlicher Sicht. 56 Courntey (1878: 811). 57 Hearn (1863: 311); vgl. auch Hearn (1863: 259).

9 Scheuplein

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Kap. 7: Differenzierung und Integration

Die qualitativ positive Bewertung der Clusterung von Branchen entsteht hier durch ihre evolutionäre Unausweichlichkeit: Ein hoher Grad an räumlicher Spezialisierung kann daher mit einem Grad an ökonomischer Rationalität gleichgesetzt werden. In den handels- und kolonietheoretischen Debatten der Zeit wurde diese theoretische Maxime jedoch bestritten. Hier war vor allem von ProtektionismusBefürwortern ein bestimmtes Maß an sektoraler Diversivität als Voraussetzung der wirtschaftlichen Entwicklung benannt worden. Dies wurde im Wesentlichen auch von den freihändlerisch orientierten Ökonomen anerkannt, so etwa in dem Werk von Charles F. Bastable, der Professor am Trinity College in Dublin war und ebenfalls an die sozial-evolutionäre Theorie anknüpfte58. In seiner Auseinandersetzung mit den protektionistischen Argumenten akzeptiert Bastable die relative Beutung von Diversivität59. Er sieht weder eine breite Industriestruktur noch eine hochgezüchtete Monokultur an sich als Ideal an; vielmehr könnten beide sektoral-räumlichen Strukturen profitabel wirken: „From the economic point of view it may also be urged that mere variety of industry is not of itself desirable. The process of division of labour implies, as its correlative, increasing specialization, which must include the concentration of industries in favourable situations. Thus the cotton industry of Lancashire is preferable to, say, a dozen small and unprosperous industries employing the same number of persons and using an equal amount of capital. The number of industries is of itself no criterion of industrial development, though it is probable that great variety in employment will not be reached in a rude society.“60

Aus diesem pragmatischen Grund, so Bastable, müßten auch junge Wirtschaftsregionen eine zumindest temporäre Beschränkung auf wenige Branchen in Betracht ziehen bevor sie anschließend zu einer komplexeren und risikoärmeren Wirtschaftsstruktur übergehen könnten. Ähnliche Schlußfolgerungen können aus der Diskussion von Simon Newcomb gezogen werden, einem der ,apologetischen‘ Ökonomen in den USA und Professor an der John Hopkins University in Baltimore61. Er sah eine Gefahr der übersteigerten Differenzierung, die zu einem Verlust an Anpassungsfähigkeit führe. Als Beispiel benannte er die schweizer Uhrenindustrie, in der sich Unternehmen auf die Herstellung eines einzelnen Zuliefererteils beschränkten62. Während etwa der durchschnittliche amerikanische Arbeiter flexibel einsetzbar sei, verlören die Arbeitskräfte in den hochspezialisierten Clustern diese Fähigkeit: Bastable (1887: 6). Bastable (1887: 145) wendet sich nur gegen die Schutzzollpolitik als Mittel zur Durchsetzung von Diversivität. 60 Bastable (1892: 140), vgl. auch Bastable (1887: 133). 61 Vgl. zu seinem sozial-evolutionären Hintergrund: Newcomb (1880: 394; 1886, Kapitel 1). 62 Newcomb (1886: 142). 58 59

5. Spezialisierung als Effizienzmaßstab?

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„The watchmakers of Switzerland and the spinners of Manchester approach the other extreme, in being able to do little but what they have been taught to do.“63

Newcomb folgerte hieraus, daß gemessen an den ,Kosten‘ der Arbeitsteilung eine ,richtige Mischung‘ aus Differenzierung und Integration gefordert sei. Normativ hatte ähnliches bereits Henry C. Carey in seinen ,Principles of Social Science‘, die gewisse Parallelen zum sozial-evolutionären Ansatz aufweisen, versucht. Bei Carey wird die Assoziationsbildung zum Grundproblem der Gesellschaftswissenschaften. Er sieht die ,Zentralisierung‘ einerseits, der ,Bildung lokaler Zentren‘ oder ,Konzentrierung‘ andererseits als die beiden gegenläufigen Prinzipien ihrer Verwirklichung an. Eine optimale volkswirtschaftliche (Raum-)Struktur liege dort vor, wo beide Prinzipien miteinander zum Ausgleich gebracht seien64. Wo der Punkt des Ausgleichs zu suchen ist, kann jedoch nur Careys impliziten Wertmaßstäben entnommen werden, die aus dem politischen Anti-Zentralismus und Munizipialismus seines pennsylvanischen Industriellen-Milieus erwuchsen. In diesem Sinne wirft ihm etwa Max Wirth, einer seiner deutschen Weggefährten, vor, die Entwicklung ,industrieller Mittelpunkte‘ durch die Clusterung von Wirtschaftsaktivitäten nicht genügend zu beachten65. Faßt man diese Diskussion von Carey, Newcomb und Bastable zusammen, dann konnte eine formale Kategorie wie die räumliche Spezialisierung einer Volkswirtschaft im ,Lackmustest‘ eines wirtschaftspolitischen Problems nicht als Gradmesser der Effizienz bestehen. Diese Schwierigkeiten bei der Bewertung von Raumstrukturen werden noch deutlicher, wenn man den Wandel der Umweltbedingungen – die Triebkraft der Evolution – einbezieht. In einer statischen Sicht paßt zu den vorhandenen Standortanforderungen und den vorhandenen Umweltbedingungen ein bestimmtes Muster der Spezialisierung. Wandeln sich jedoch die Umwelt und damit auch die Standortanforderungen, dann kommt es zu einer permanenten Standortbewegung der Industrie. Darauf hat Leonard H. Courtney verwiesen, der eine permanente Verschiebung der raumrelevanten Faktoren wie Arbeit, Rohstoffe, Energie und Transport sieht: „This is a primary law of the internal movement of a free society conceived as an economic machine“66. Hier werden weitere Grenzen des sozialevolutionären Ansatzes sichtbar. Wenn die optimale Nutzung räumlicher Ressourcen und Beziehungen instabil ist, dann sind über die Maße der räumlichen Differenzierung keine Aussagen über ökonomische Effizienz möglich, es sei denn tautologische: Demnach ist bei freier Beweglichkeit der Marktakteure das aktuelle Raummuster stets als Optimum aufzufassen. Newcomb (1886: 115). Vgl. zur Assoziation als gesellschaftliches Grundproblem: Carey (1958a: 41, 63), zur Balance von Zentralisierung und Konzentrierung in lokalen Zentren (55 – 57) und zur Illustrierung dieses Prinzips in den USA (44, 51); zusammenfassend: Conkin (1980: 295 – 298). 65 Wirth (1863: XXVII). 66 Courtney (1878: 813). 63 64

9*

132

Kap. 7: Differenzierung und Integration

Abschließend sei bei dieser Suche nach einem sachgemäßen Ausgleich von Integration und Differenzierung noch eine interessante Position am Rande der volkswirtschaftlichen Diskussion betrachtet. Der russische Publizist Peter Kropotkin veröffentlichte 1888 bis 1890 in der Zeitschrift ,The Nineteenth Century‘ eine Artikelserie, in der Fragen der wirtschaftlichen Raumstruktur zentral waren. Kropotkins ,wissenschaftlicher Anarchismus‘ beruht auf einer Uminterpretation der sozial-evolutionären Theorie, in dem er strikt die Gattungsebene zur entscheidenden Bedeutungsebene erklärte. Die optimale Anpassung der gesamten menschlichen Art an die Umweltbedingungen, d. h. das Moment der wechselseitigen Hilfsbereitschaft sollte die Logik der Sozialwissenschaften bestimmen. Damit schienen für ihn die Effizienzkriterien der Ökonomen umgekehrt: „Individualist political economy has had enough time to preach division. We proclaim integration“67. Seitenverkehrt zur naturgesetzlichen Argumentation von Herbert Spencer erklärte er die fortschreitende Funktionsspezialisierung zu einem Merkmal des Niedergangs. Die rational organisierte Gesellschaft der Zukunft sei dagegen durch Diversivität der Akteure auf allen Ebenen gekennzeichnet68. In der räumlichen Dimension bedeutete dies für Kropotkin, der früh eine Karriere in der Russischen Geographischen Gesellschaft gemacht hatte und auch später ein deutliches Interesse an geographischen Fragen zeigte69, einen Trend zur Dekonzentration und räumlichen Funktionsmischung. Die Clusterung von Branchen erschien ihm als eine Anomalie: „But why, in a rationally organised society, ought London to remain a great centre for the jam and preserving trade, and manufacture umbrellas for nearly the whole of the United Kingdom?“70

Stattdessen sah er im Zuge der weiteren Industrialisierung eine Tendenz zur räumlichen Streuung von Unternehmen der einzelnen Branchen. Die damit entstehende kleinräumige Varietät von Branchen schätzt Kropotkin gerade als wesentliche Erfolgsbedingung ökonomischer Effizienz ein. Auch Volkswirtschaften – und hier verläßt Kropotkin die methodologische Grundposition der Gattungsebene – könnten auf der Grundlage ihrer meist verschiedenartigen Raumausstattung eine sektorale Pluralität aufbauen: „Nations, too, refuse to be specialized“71. 67 Kropotkin (1888a: 499); vgl. zur sozial-evolutionären Begründung dieses ,wissenschaftlichen Anarchismus‘: Kropotkin (1887); zum sozial-evolutionären Denken der politischen Linken: Weikart (1999), zu Kropotkins Verortung im Sozial-Evolutionismus: Wiltshire (1978: 220 f.). Singer (1999: 19 f.); vgl. als Überblick zu Kropotkin: Hug (1989); zu seinem geographischen Werk: Breitbart (1981); siehe als eine zu Kropotkin verwandte und zeitgleiche Position den Artikel ,Revolution and Evolution‘ von Leon Metchnikoff (1886). 68 Kropotkin (1888a: 499). 69 Kropotkin (1885). 70 Kropotkin (1888b: 528 f., vgl. auch 1888a: 515); Kropotkin veröffentlichte diese Überlegungen 1888 bis 1890 in der Zeitschrift ,The Nineteenth Century‘ und faßte sie in zwei Monographien zusammen (1892, 1899). 71 Kropotkin (1888a: 498 f.; vgl. auch 1892: 197 – 210).

6. Schlußfolgerungen

133

Kropotkin dehnt diesen Ansatz im weiteren aus zu einer Vision der Versöhnung von Landwirtschaft und Industrie bzw. einer Auflösung der städtischen in den ländlichen Siedlungsformen. Hier kommt eine gehörige Portion anti-moderne Sehnsucht nach Ganzheitlichkeit zum Ausdruck. Seine Kritik der Volkswirtschaftslehre beruht auf einer einseitig integrationstheoretischen Perspektive, die zudem willkürlich auf verschiedene soziale Entitäten bzw. räumliche Maßstabsebenen projiziert wird – von der globalen Menschheit über die Nation bis zur Dorfgemeinschaft. Gerade die von ihm versuchte gesellschaftskritische Funktionalisierung eines sozial-evolutionären Begriffes zeigt, daß diese Begriffe wechselseitig aufeinander bezogen sind: Die von Kropotkin angestrebten integrierten Wirtschaftsräume schließen, wenn er ein bestimmtes Maß an sektoraler Differenzierung zugesteht, auch spezialisierte Teilräume ein. Bei Kropotkin zeigen sich aus einer extrem anti-differenzierungstheoretischen Perspektive noch einmal die grundlegenden Stärken und Schwächen des sozialevolutionären Ansatzes: Mit ihm steht ein hilfreiches Instrumentarium zur Beschreibung räumlicher Spezialisierung bereit, mit der die Strukturierung von Clustern und ihre zeitlichen Veränderungen wahrgenommen werden kann. Eine Aussage über die volkswirtschaftlichen Wirkungen der Raumstruktur auf Produktivität und Einkommen ist damit noch nicht verbunden. Ignoriert man diese fehlende Verknüpfung, dann liegt es nahe, einseitig die Spezialisierung oder die Nivellierung von Wirtschaftsregionen als Effizienzmaß einzuführen, bzw. tautologisch das ,richtige‘ Maß an Differenzierung zu fordern.

6. Schlußfolgerungen Die von Herbert Spencer begründete sozial-evolutionäre Theorie entstand aus den Legitimationsproblemen der britischen Sozialordnung in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie verband einen komplexitätstheoretischen Ansatz mit einer Entwicklungsperspektive und bot so eine neue Vorstellung von der Austragung gesellschaftlicher Konflikte. Die existierende Sozialordnung erhielt auf diesem Weg eine neue Legitimationsbasis, da sie nach dieser Sichtweise nicht willkürlich entstanden war, sondern ein erprobtes Resultat zahlloser Aktionen der gesellschaftlichen Individuen darstellte. Die räumliche Verteilung von Branchen wurde von Spencer als ein Strukturelement von Gesellschaften eingeführt, an dem sich die Herstellung dieser spontanen Ordnung eingängig demonstrieren ließ. Indem Spencer auf die räumlichen Lageund Dichteverhältnisse von Gegenständen bei allen Bestimmungen des Evolutionsgesetzes eingeht, z. B. bei der Bewegungsrichtung, Integration, Differenzierung, Instabilität des Homogenen, Multiplikation, Segregation und der Herstellung eines Gleichgewichts, trägt er ein breites analytisches Instrumentarium für die Raumwirtschaftstheorie zusammen. Die Clusterung von Branchen bildet sich nach seiner

134

Kap. 7: Differenzierung und Integration

Sicht auf einem höheren Grad der wirtschaftlichen Entwicklung und verfügt über eine gesteigerte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Erst langfristig bildet sich eine Raumstruktur mit einer optimalen Nutzung aller wirtschaftlichen Ressourcen heraus, so daß ein dauerhaftes räumliches Gleichgewicht eintritt. Diesen Ansatz übertrug William E. Hearn in die Volkswirtschaftslehre und nutzte ihn, um eine gesamtwirtschaftliche Ebene in der Ökonomie zu begründen. Auch Hearn sieht eine räumliche Spezialisierung als ein Kennzeichen für eine hohe Leistungsfähigkeit eines Wirtschaftsraumes. In der weiteren Diskussion zeigte sich allerdings, daß eine Betrachtung, die formal an dem Grad der Differenzierung und Integration orientiert bleibt, die Effizienz einer Raumstruktur nicht hinreichend bestimmen kann.

Kapitel 8

Spätklassik – Phänomenologie der Ungleichmäßigkeit 1. „Waves, Pulses, and Cycles“ Der Abschied vom pessimistischen Wachstumsszenario der klassischen Theorie benötigte Jahrzehnte. David Ricardo hatte vor einem drohenden Niedergang aufgrund des ,Law of dimishing returns‘ in der Landwirtschaft gewarnt, der nur durch eine forcierte industrielle Entwicklung herausgezögert werden könne. J. S. Mill, selbst schon stärker aus der Perspektive einer Industrienation schreibend, milderte die dramatische Warnung ab und verlegte den Übergang zu einem stationären Zustand weiter in die Zukunft. Obwohl das im industriellen Sektor wirkende ,Law of increasing returns‘ produktionstheoretisch bereits in den 1830er Jahren von Charles Babbage begründet worden war, dauerte es bis in die 1870er Jahre, damit es zu einem grundlegenden Perspektivwechsel kam. Großbritanniens Ökonomie blieb auch als entwickelte Industriegesellschaft durch konjunkturelle Ungleichgewichte, soziale Disproportionen und räumliche Ungleichmäßigkeiten gekennzeichnet. In dieser Phase des Zerfalls der ricardianisch-millschen Theorie verbindet die verschiedenen theoretischen Diskussionen und Denkrichtungen dieses Bewußtsein über Unregelmäßigkeiten und Ungleichgewichte. In einem Buch Ìrregularity of Employment and Fluctuations of Prices‘ brachte Herbert S. Foxwell diesen ,Zeitgeist‘ auf den Nenner, daß man Abschied zu nehmen habe von einer Vorstellungswelt der Statik und Konstanz und sich auf die Suche nach den ,Rhythmen‘ der modernen Marktökonomie begeben solle: „Rythm appears to be one of the most fundamental laws of the universe. Progress and motion of all kinds would seem to take place by waves, pulses, and cycles, not in uniform directions. Industry can claim no exemption from this law“1.

Der Zusammenhang zwischen dem dynamischen Charakter der Ökonomie und der räumlichen Differenzierung ist bereits in der Diskussion von Hodskin, Babbage, Carey und Marx gestreift worden. In diesem Kapitel soll genauer betrachtet werden wie der Zusammenhang von gesamtwirtschaftlichem Wachstum und räumlichen Strukturen zu einem Thema der etablierten Volkswirtschaftslehre wurde. Zunächst wird die wirtschaftsräumliche Entwicklung in Großbritannien in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts angesprochen, die für dieses Bewußtsein der ,Irregularities and Fluctuations‘ bedeutsam war (1.). Danach wird ein zentrales 1

Foxwell (1886: 10).

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Kap. 8: Spätklassik – Phänomenologie der Ungleichmäßigkeit

Feld der spätklassischen Diskussion, die Lohntheorie, aufgegriffen (2.). Hier wirkten die zeitlichen und räumlichen Lohnschwankungen als ein starkes Argument für die Anerkennung einer vielfach differenzierten ökonomischen Wirklichkeit. Eine neue theoretische Perspektive eröffnete sich mit Begründungen für eine langfristige gesamtwirtschaftliche Wachstumsdynamik in der kapitalistischen Ökonomie, was am Beispiel von Henry George und Henry Sidgwick diskutiert werden soll (3.). Dieses Kapitel steht im direkten Zusammenhang mit dem nachfolgenden Kapitel über Alfred Marshall, der sich mit den gleichen wirtschaftspraktischen Problemen auseinandersetzte, aber einen weiteren theoretischen Rahmen aufspannte. In der ersten Hälfte der 1880er Jahre überschnitten sich die Forschungsinteressen und Darstellungen dieser Autoren, so daß am Ende dieses Kapitels ein Blick auf die intellektuellen Verbindungen von George und Sidgwick zu Marshall geworfen werden wird.

2. Die Kontinuität des räumlichen Wandels In den 1860er Jahren ging die Industrielle Revolution in Großbritannien zu Ende. Das industriekapitalistische System hatte sämtliche wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Sphären umgestaltet. Das seit den 1830er Jahren erreichte Übergewicht des industriellen Sektors über die Landwirtschaft war unumkehrbar geworden. Die industrielle Überlegenheit des Landes war unbestritten und konnte bis in die 1870er Jahre ausgebaut werden. Großbritannien produzierte um 1870 knapp ein Drittel aller industriellen Güter in der Welt und hatte in diesem Sektor einen Anteil von knapp 40% am Weltexport2. Dieser Siegeszug der kapitalistischen Wachstumskräfte setzte sich jedoch in Raum und Zeit ungleichmäßig durch. Zeitlich hatte sich ein Konjunkturzyklus von acht- bis neunjähriger Dauer etabliert. Sozial ging die seit 1820 eingetretene allgemeine Erhöhung des Lebensstandards mit einer stärkeren Differenzierung einher. Der Höhepunkt der Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen wird heute im Zeitraum von 1870 bis zur Jahrhundertwende verortet3. Auch die räumliche Differenzierung setzte sich fort. Für den industriellen Sektor kann man drei Trends festhalten4. Erstens war das Raummuster der etablierten britischen Erfolgsindustrien durch eine Persistenz der Standorte gekennzeichnet. Auf die seit etwa 1840 gesicherte Dominanz Lancashires in der Baumwollindustrie und Yorkshires in der Wollindustrie ist bereits in Kapitel 3 hingewiesen worden; hier kam es zu Harley (1994: 303). Vgl. zum Konjunkturzyklus: Solomou (1994: 250); zur Einkommensverteilung: Hunt (1986) und Lindert (1994: 378). 4 Vgl. als Überblick zur regionalen Wirtschaftsentwicklung im spätviktorianischen Großbritannien: Dunford / Perrons (1983: 275 – 349), Garside (1999); zur räumlichen Konzentration einzelner Branchen siehe die Beiträge in Langton / Morris (1986) sowie in Church (1980); zur regionalen Differenzierung der Arbeitsbevölkerung: MacRaid / Martin (2000: 28 – 39). 2 3

2. Die Kontinuität des räumlichen Wandels

137

einer stärkeren Konzentration von Unternehmen und Beschäftigten an den bestehenden Standorten. Ähnliches gilt für weitere Zweige der Textilindustrie, die Kohle- und Eisenindustrie und die metallverarbeitenden Industrien. Zweitens bildete sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in zahlreichen, bis dahin weit verstreuten Branchen ein neues Muster der räumlichen Spezialisierung heraus. Dies gilt etwa für Konsumgüterindustrien wie die Schuh- und Lederindustrie oder die Getränkeindustrie. In der Investitionsgüterindustrie war die räumliche Verteilung des Maschinenbaus auffällig. So ergaben sich etwa für Textilmaschinen und Werkzeugmaschinen scharf abgegrenzte Standortbilder. Drittens kam es zur Lokalisierung neuer Branchen, dies gilt etwa für die Bereiche Chemie und Elektrotechnik sowie für den Automobilbau am Übergang zum 20. Jahrhundert. Ein vollständig neues Raummuster konnte auch bei einem dramatischen Wandel von Technologien in vorhandenen Branchen eintreten. Sehr deutlich wird dies etwa in der Schiffbauindustrie, die zu Beginn der 1820er Jahre in London stark vertreten war sowie auf mehr als ein Dutzend weiterer Küstenstädte rund um Großbritannien verteilt war. Mit dem Übergang zum Dampfantrieb und zur Stahlbauweise stiegen die Nordostküste (Newcastle, Sunderland, Hull) und die schottischen Städte an der Mündung des Clyde (Greenock, Glasgow) zu den führenden Schiffbauregionen auf. Vor dem ersten Weltkrieg vereinigte sich dort 96% der Produktion, gemessen an der Tonnage5. Zusammengenommen hatte also Herbert Spencer den Punkt getroffen, als er 1860 die naturwüchsig entstandene industrielle Clusterung als eine allgemeine Tatsache der britischen Gesellschaft bezeichnete 6. Blickt man über die Industrie hinaus, dann sind für die räumliche Struktur der Wirtschaft drei Aspekte von besonderer Bedeutung: Erstens, die räumlichen Entwicklungsunterschiede zwischen dem industriellen Kernland in England (West Midlands, Yorkshire, Lancashire, Humberside), dem teilweise industrialisierten Schottland und den unterentwickelten Regionen Wales und Irland setzten sich fort. Vor allem die wirtschaftlich negative Lage in Irland sorgte für einen Auswandererstrom und permanente politische Konflikte7. Zweitens, innerhalb Englands verschärfte sich weiterhin die Polarisierung zwischen den aufstrebenden nordwestlichen Industriedistrikten, den Bergbaustädten und London einerseits und zahlreichen ländlichen Bezirken andererseits. Von 1860 bis 1900 nahm die britische Bevölkerung um 60% zu, bei regional stark unterschiedlichen Wachstumsgewinnen. Der industrielle Nordwesten war in der ersten Hälfte des 19. Jh. am rasantesten gewachsen und stieg unter den zehn Großregionen auf den zweiten Platz der Bevölkerungsgröße. Im letzten Viertel des Jahrhunderts verzeichnete wieder der Südosten mit der Metropole die höchsten Wachstumsraten und vereinigte um 1900 gut 28% aller Einwohner auf sich8. Drittens, ein neuer Impuls räumlicher UnVgl. zum Schiffbau: Pollard / Robertson (1979: 49 – 58) und Slaven (1980). Spencer (1860: 266), vgl. auch Hearn (1863: 305): „In England this localization of industry is peculiarly marked.“ 7 Zur Verallgemeinerung der Perspektive der Unterentwicklung: Psalidopoulos / Mata (2002). 5 6

138

Kap. 8: Spätklassik – Phänomenologie der Ungleichmäßigkeit

gleichheit ging von der Tertiarisierung aus. England wird ab den 1860er Jahren als eine ,reife‘ Volkswirtschaft bezeichnet, in der der Anteil der industriellen Beschäftigung bei knapp 40% verharrte. Demgegenüber expandierte der Dienstleistungssektor auf Kosten des Agrarsektors und erreichte vor dem ersten Weltkrieg fast die Höhe der industriellen Beschäftigung. Dieser Zugewinn steht hinter dem erneuerten Erfolg Londons, dem singulären Verwaltungs-, Handels- und Finanzzentrums Großbritanniens, wo rund 60% aller Dienstleistungsarbeitsplätze entstanden9. Zusammenfassend gesagt setzte sich die Clusterung nach dem Abschluß der Industriellen Revolution und im Übergang zu einer großindustriellen Betriebsweise in Großbritannien fort. Im Jahr 1900 waren die verschiedenen Branchen in Großbritannien stärker als jemals zuvor räumlich konzentriert – und auch stärker als jemals danach10. In der räumlichen Spezialisierung bis hin zur Monostruktur war der rasante Niedergang einiger Regionen in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg im Keim bereits angelegt.

3. Die regionale Lohndifferenzierung: William Thornton „Every one knows that there are hardly two counties in England where the same rate of wages prevails. ( . . . ) There is a London rate, a Liverpool rate, a Manchester rate, and a Glasgow rate, in every trade.“ David Syme: Outlines of an Industrial Science, 1876, S. 20

Wenn man ein Ereignis sucht, daß den Zerfall der klassischen Politischen Ökonomie markiert, dann wird man auf J. S. Mills ,Widerruf‘ der Lohnfondslehre von 1869 verwiesen11. Mills wohlwollende und selbstkritische Besprechung des Buches ,On Labour‘ von William Thornton erregte allgemeines Aufsehen. Obwohl Mill nur in einem nebensächlichen Punkt Thorntons Kritik anerkannte, wurde dieser Aufsatz von der interessierten Öffentlichkeit als Offenbarungseid gewertet. Im Folgenden soll gezeigt werden, in welchem Maß die räumliche Struktur der Produktion innerhalb dieser Kontroversen auf dem Feld der Lohntheorie mitbehandelt wurde. Die Lohnfondslehre ist die von Ricardo begründete, später vehement von McCulloch vertretene Fassung einer Residualtheorie des Lohnes. Sie besagt, daß ein ,Lohnfonds‘ für eine gegebene Produktionsperiode existiert, der die Nachfrage Baines (1994: 30), Brown (1972: 105). Zur Tertiarisierung: Lee (1981: 450); speziell zu London: Baines (1994: 59) und Hall (1962), der Branchen im Detail betrachtet. 10 Zusammenfassend zur räumlichen Konzentration Großbritanniens in langfristiger Perspektive: Floud (1994: 18) und Brown (1972: 116 ff.). 11 Mill (1869); vgl. zeitgenössisch kritisch zum Lohnfonds: F. A. Walker (1877: 138 – 151) und Marshall / Marshall (1879: 203 – 205); zur Verteidigung der Lohnfondstheorie: Cairnes (1874: Teil 2, Kapitel 1). 8 9

3. Die regionale Lohndifferenzierung

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nach Arbeit determiniert. Er besteht aus all den Gütern im Besitz der Kapitalisten, die diese nicht für den Eigenkonsum verwenden, in Sachkapital investieren oder sparen wollen. Da zugleich die angebotene Arbeitsmenge gegeben ist, kann für das Gleichgewicht eine durchschnittliche Lohnrate bestimmt werden. Jede von den Arbeitern durchgesezte darüber liegende Lohnrate muß automatisch zu Arbeitslosigkeit und damit zur Wiederherstellung der ursprünglichen Lohnrate führen. Schumpeter hat darauf hingewiesen, daß es sich hier weniger um eine Theorie als um eine Definition handelt. Daß um sie ein größerer wissenschaftlicher und öffentlicher Streit entstehen konnte, hängt mit ihrer politischen Funktionalisierung zusammen12. Nachdem die frühen sozialistischen Ökonomen bereits in den 1820er Jahren den Sinn der Lohnfonds-Definition bezweifelt hatten, gewannen auch in der akademischen Welt in den 1860er Jahren die Skeptiker die Mehrheit. Als Schwachpunkt stellte sich die Erklärung zur Überwälzung von Lohnerhöhungen heraus. Demnach führten in bestimmten Branchen bzw. Regionen durchgesetzte Lohnerhöhungen laut Lohnfonds-Argument zu Wettbewerbsnachteilen gegenüber anderen Branchen bzw. anderen Regionen. Die intersektorale und -regionale Konkurrenz sowie Mobilität der Produktionsfaktoren, so stellte es die Theorie dar, werde automatisch das alte Gleichgewicht wieder herstellen. Es zeigte sich jedoch in der Realität zunehmend eine räumliche und sektorale Differenzierung des Lohnniveaus. Einzelne in Arbeitskämpfen durchgesetzte Lohnerhöhungen in den industriellen Zentren lösten keine Anpassungskrise aus und blieben langfristig stabil. Zunächst wuchs daraufhin in der akademischen Welt das Interesse an den empirischen Lohnverhältnissen. So konstatierte beispielsweise Henry Fawcett, Professor für Politische Ökonomie in Cambridge, in seinem ,Manual of Political Economy‘: „( . . . ) there are great variations in the wages obtained in the same employment in different parts of the country, and variations of this kind are particulary striking with regard to many unskilled employments“13.

Diese bloßen Hinweise auf eine Fluktuation der Löhne, auf Segmentierungen des Arbeitsmarktes und auf räumliche Divergenzen kratzte bereits an der Glaubwürdigkeit der Lohnfonds-These, da diese auf eine weitgehende Starrheit der Löhne in der mittleren Frist abzielte. Mit diesem Hinweis trat etwa ein Lohnfonds-Kritiker wie Francis D. Longe auf, der mit permanenten Lohnunterschieden in „any particular district or trade“ argumentierte14. Mit der Zeit schälte sich jedoch der unzureichende Ausgleichsmechanismus als die entscheidende theoretische Schwäche heraus. So sah Fawcett die regionale Lohndifferenzierung in der geringen Mobilität der Arbeitskräfte begründet, die er auf Informationsdefizite, gesetzliche EinSchumpeter (1986: 662 – 671). Fawcett (1863: 166); vgl. zu Fawcett: Deane (1989), speziell zu Fawcetts Beschäftigung mit den Arbeitsverhältnissen: Becattini (1989). 14 Longe (1866: 14). 12 13

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Kap. 8: Spätklassik – Phänomenologie der Ungleichmäßigkeit

griffe in den Arbeitsmarkt sowie die sozialen Ortsbindungen der Arbeitskräfte zurückführte. Hier setzte William Thornton an. Zum einen wollte er die Lohnbestimmung am Arbeitsmarkt nicht nur als Anpassungsmechanismus an gesamtwirtschaftliche Größen gewertet wissen, sondern machte auf den Freiheitsgrad im Spiel von Angebot und Nachfrage auf den regional bzw. sektoral spezifischen Arbeitsmärkten aufmerksam. Auf diese Weise wurde er zu einem wichtigen Stichwortgeber für alle Ökonomen, die dem Markt als Erklärungsfaktor stärkeres Gewicht verleihen wollten. Zum anderen sah er in der Aushandlung von Löhnen durch Tarifparteien eine notwendige institutionelle Ausformung des Arbeitsmarktes. Was von den Lohnfonds-Anhängern als Ökonomie-widrige Behinderung der Arbeitsmobilität behandelt wurde, wollte Thornton als notwendiges Element gewertet wissen. Damit eröffnete er der Lohntheorie ein neues Forschungsfeld und wurde zum Bezugspunkt aller sozialpolitisch interessierten Ökonomen. Thorntons Ansatz führte zu einer stärkeren Berücksichtigung der räumlichen Produktionsstruktur, weil Ungleichmäßigkeiten in der räumlichen Verteilung von Arbeitsangebot und -nachfrage von ihm als Argument für regional unterschiedliche Lohngleichgewichte angeführt wurden15. Die Arbeitsmarktsituation von geclusterten Branchen kann unter diesem Blickwinkel besondere Bedeutung erlangen. In Thorntons eigenem Werk ist die Clusterung zum einen über die empirische Betrachtung der gewerkschaftlichen Streiks präsent: Die von ihm angeführten Diskussionsbeispiele des industriellen Konflikts sind jeweils Standorte der sektoral-räumlichen Konzentrationen 16. Zum anderen formuliert er dies theoretisch aus, indem er Bedingungen benennt, unter denen eine Lohnsteigerung dauerhaft sei, d. h. nicht in der Form von Markteinbußen britischer Unternehmen zu Anpassungprozessen an das ursprüngliche Gleichgewicht führe. Dies sei überall dort der Fall, wo man über absolute Produktionsvorteile gegenüber den Konkurrenten verfüge, so daß man Lohnerhöhungen nicht nur an die inländischen, sondern auch an die ausländischen Konsumenten weitergeben könne. Die entsprechenden Produktionsvorteile sieht er in den üblichen erfolgreichen Clustern gegeben – der Textilindustrie in Lancashire und der Metallindustrie in Sheffield und Birmingham17. Damit hatte Thornton gezeigt, daß die Produktivitätseffekte räumlich konzentrierter Branchen ein wichtiger Erklärungsfaktor für die Lohntheorie sein konnte. Die Kontroverse um den ,Lohnfonds‘ erhielt ihre besondere Sprengkraft weniger aus theoretischen Gründen, sondern weil die Unveränderlichkeit der Löhne für das viktorianische Bürgertum wie ein Glaubenssatz gegolten hatte. Diese kritische Sicht auf die klassische Lohntheorie verbreitete sich in den 1870er Jahren und wurde von verschiedenen Lagern der Politischen Ökonomie geteilt: die historistisch 15 Siehe zur regionalen Differenzierung der Löhne: Bagehot (1879), Sidgwick (1883: 366, 383 – 390), Syme (1876: 19 f.) und Shadwell (1877: 154) und Marshall / Marshall (1879: 168 – 179). 16 Vgl. Thornton (1868: 152 f.), siehe dieses Argument auch bei Hearn (1863: 402). 17 Vgl. Thornton (1868: 292, vgl. auch 304).

4. Wachstum und Raum

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orientierten Autoren wie Cliffe Leslie, Sympathisanten der neuen subjektiven Wertlehre wie Walter Bagehot und Herny Sidgwick sowie amerikanische ,Apologeten‘ wie Francis A. Walker und David Syme hielten die Idee des ,Lohnfonds‘ für widerlegt18. Zugleich förderte der Blick auf die örtlichen Lohnniveaus den Blick auf die räumliche Differenzierung der Ökonomie.

4. Wachstum und Raum Auch nach dem Abschluß der ,Industriellen Revolution‘ in Großbritannien, den man heute um das Jahr 1860 ansetzt, gab es deutliche Wachstumsgewinne. Die Kriseneinbrüche und die Phasen konjunktureller Prosperität schärften aber vor allem das Bewusstsein für die Dynamik des ökonomischen Systems. Im Folgenden sollen zwei sehr unterschiedliche Diskutanten behandelt werden, die sich beide der Erklärung wirtschaftlicher Aufschwungsphasen widmeten und dabei eine besondere Rolle der räumlichen Produktionsstrukturen ausmachten.

a) Das Gesetz des Fortschritts: Henry George Eine wachstumsoptimistische Sicht wurde zunächst weniger vom akademischen Establishment als von dessen Kritikern vertreten. So leitete Henry George sein populäres Werk ,Progress and Poverty‘ mit den Worten ein: „The present century has been marked by a prodigious increase in wealth-producing power“19. Und dieser Boom, so versuchte er nachzweisen, könne sich langfristig fortsetzen. Mit dieser These wurde der amerikanische Sozialreformer und politische Aktivist Henry George auch in Großbritannien als Herausforderung der politischen Ökonomie begriffen20. Georges volkswirtschaftliche Lehren sind autodidaktisch, stets politisch gefärbt und wenig systematisch. Was er an Wissen ausbreitet, steht fest in der Tradition der klassischen Politischen Ökonomie und auch sein Hauptanliegen, die Kritik der Grundrente als ein unverdientes Einkommen, ist eine klassische These. Er radikalisierte sie jedoch stark und stellte sie ganz in das Zentrum seiner wirtschaftspolitischen Überlegungen. Dies brachte ihn in die Nähe zur sozialistischen Bewegung, auch wenn seine sonstigen ökonomischen Ansichten nicht mit ihr harmonierten. Eine klare Differenz zur Klassik zeigt sich in seiner Wachstumstheorie, in der er sich zu den positiven Wachstumsaussichten der kapitalisti18 Vgl. kritisch zum Lohnfonds F. A. Walker (1877: 138 – 151); siehe Cairnes‘ (1874: Teil 2, Kapitel 1) Verteidigung der Lohnfondstheorie und Leslies (1874: 42 – 48) Reaktion. Vgl. zur regionalen Differenzierung der Löhne: Bagehot (1879), Sidgwick (1883: 366, 383 – 390), Syme (1876: 19 f.), Shadwell (1877: 154). 19 George (1879: 3). 20 Vgl. Whitaker (2001) zu Georges wachstumstheoretischen und raumwirtschaftstheoretischen Überlegungen (1998).

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Kap. 8: Spätklassik – Phänomenologie der Ungleichmäßigkeit

schen Ökonomie bekannte21. Dies begründete er über zwei Arten von Skaleneffekte, die über die Bevölkerungsentwicklung begründet werden. Eine zunehmende Bevölkerung ermöglicht eine Spezialisierung von Funktionen und eine verdichtete Bevölkerung ermöglicht eine stärkere Integration der Funktionen. Daraus leitete er als ,Gesetz des Fortschritts‘ ab, daß ein Bevölkerungswachstum sich in gesamtwirtschaftlicher Prosperität niederschlagen werde: „Improvement becomes possible as men come together in peaceful association, and the wider and closer the association, the greater the possibilities of improvement“22. Damit ist deutlich, daß Georges wachstumstheoretische Revision des klassischen Denkens geknüpft ist an die Integration räumlicher Verteilungen. Auf diesen positiven Zusammenhang zwischen der Bevölkerungsdichte und der Produktivität ging George in seinem wichtigsten Werk ,Progress and Poverty‘ ein, das ihn 1879 schlagartig bekannt machte. Er erkannte bei der Zusammenarbeit und Spezialisierung von Berufen innerhalb einer Stadt steigende Erträge. George fürchtet allerdings, daß die Produzenten sich diese steigenden Erträge nicht aneignen können, sondern sie an die Grundeigentümer abgeben müssen23. Ähnlich argumentiert er in den 1884 erschienen ,Social Problems‘, wo er zudem negative Effekte der städtischen Bevölkerungskonzentration als Folge der Grundeigentumsverteilung erklärt24. Eine direkte Betrachtung von Raumstrukturen im produzierenden Gewerbe nimmt George jedoch erst 1886 im Rahmen der Schutzzoll-Debatte vor. In ,Protection or Free Trade‘ spricht sich George für eine Freihandelspolitik aus, die er – mit deutlichen Anklängen an Herbert Spencer – über eine quasi naturgesetzliche Differenzierung der Standortnutzung begründet. Er verweist hierbei nicht nur auf Unterschiede der Standorte in der Ressourcenausstattung sowie auf unterschiedliche Bevölkerungsdichten, sondern auch auf „differences in industrial development, in habits, customs and related occupations“. Daraus folgt eine regionale Spezialisierung der Industrie: „Such gains, moreover, as attend the division of labor between individuals, attend also the division of labor between communities, and lead to that localization of industry which causes different places to become noted for different industries. Wherever the production of some special thing becomes the leading industry, skill is more easily acquired, and is carried to a higher pitch, supplies are most readily produced, auxiliary and correlative occupations grow up, and a larger scale of production leads to the employment of more efficient methods. Thus in the natural development of society trade brings about differentiations of industry between communities as between individuals, and with similar benefits“25.

21 22 23 24 25

Vgl. zum Folgenden Whitaker (2001). George (1879: 457); vgl. auch George (1879: 226, 254) zur Zunahme der Produktivität. George (1879: Buch IV, Kapitel II). George (1879: 128, 134, 457 sowie 1884: 308 – 314). George (1886: 63); vgl. zu Georges Außenwirtschaftstheorie: Martin (2001).

4. Wachstum und Raum

143

Diese Vorteile der Lokalisierung greift George in Kapitel 16 über die Entwicklung des Produzierenden Sektors noch einmal auf26. Er erläutert wiederum die Bedeutung von Hilfsindustrien und weist darauf hin, dass vor allem die gesellschaftlichen Standortvorteile entscheidend sind. Interessanterweise hält George die Clusterung für ein Merkmal der komplexeren Branchen, die stärker auf Zulieferindustrien angewiesen sind: „This is the reason why the more elaborate industries tend within certain limits to localization, so that we find a particular district, without any assignable reason for soil, climate, material productions, or character of the people, become noted for a particular manufactures, while different places within that district become noted for different branches“27.

In diesem Kontext geht George auch ausführlich auf die räumlich-sektorale Pfadabhängigkeit der industriellen Entwicklung ein. In seinem letzten Werk ,The Science of Political Economy‘ widmete er der Beziehung von Raum und Produktion ein Kapitel28. Hier relativierte er seine wachstumstheoretischen Aussagen und formulierte ein ,räumliches Gesetz der Produktion‘, wonach die räumliche Konzentration die Arbeit zunächst produktiver mache, bis ab einem gewissen Punkt die Produktivität aufgrund der Konzentration abnehme. Es sei festgehalten, daß Georges Erörterungen der Raumstruktur eng an das ihn interessierende wirtschaftspolitische Thema gebunden blieben – die Verteilung des Bodeneigentums. In diesem Rahmen versuchte er den Nachweis einer langfristigen Wachstumstendenz der modernen Ökonomie zu führen, die er über raumstrukturell erzeugte Skaleneffekte begründete. Eine direkte Darstellung der Clusterung unternahm er in einem anderen Kontext, in dem er die Nutzlosigkeit wirtschaftspolitischer Eingriffe in die industrielle Entwicklung darstellen wollte. George wachstumsoptimistische Argumentation und sein Verweis auf die Raumdimension blieben eine Herausforderung an die klassische Politische Ökonomie, aber sie mündeten nicht in eine theoretische Integration von Clustern in die Wirtschaftstheorie.

b) Die Ertragsgesetze: Henry Sidgwick Diese theoretische Integration zeichnete sich dagegen bei Henry Sidgwick ab, der ein ganz anderes systematisches Interesse als George verfolgte. Sidgwick, Professor für Philosophie am Trinity College in Cambridge, hatte sich in der zweiten Hälfte der 1870er Jahre verstärkt der Volkswirtschaftslehre gewidmet und publizierte 1883 seine ,Principles of Political Economy‘. Darin wollte Sidgwick die klassische Lehre zeitgemäß reformulieren, indem er John S. Mills Lehre mit Elementen der subjektiven Werttheorie J. S. Jevons’ und anderen neueren Entwicklungen verknüpfte29. 26 27 28

George (1886: 169 – 174). George (1886: 169 f.). George (1898: 357 – 364).

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Kap. 8: Spätklassik – Phänomenologie der Ungleichmäßigkeit

Der zentrale raumwirtschaftstheoretische Bezug in den ,Principles‘ findet im ersten Buch zur Produktion statt, in dem Sidgwick die gesamtwirtschaftlichen Ertragsgesetze darstellt. Ähnlich wie J. S. Mill sieht er das ,Law of Diminishing Returns‘ als allgemeines Ertragsgesetz, fügt jedoch eine Qualifikation ein. Das Gesetz tritt erst ab einem bestimmten Grad der Bevölkerungungsdichte in Kraft, die mit der technologischen Entwicklung und Kapitalakkumulation variiert. Bis zu einem bestimmten Punkt der Bevölkerungsdichte nimmt die volkswirtschaftliche Produktivität zu – hier gilt somit das ,law of increasing returns‘30. Zur Begründung verweist Sidgwick auf das vierte Kapitel, in dem er unterschiedliche Produktivitäten der Arbeit aufgrund einer Vereinigung von Arbeitskräften begründet hat. Durch diese Vereinigung können Größenvorteile in der Produktion realisiert werden, wobei Sidgwick das Großunternehmen und kooperierende Kleinunternehmen als zwei alternative Formen gegenüber stellt. Die richtige Betriebsgröße und ihre Kombination hänge von den Branchencharakteristika ab31. Insgesamt gesehen hat sich bei Sidgwick im Vergleich zu J. S. Mill die Bedeutung der beiden Ertragsgesetze umgekehrt. Das Gesetz steigender Erträge dominiert die Ertragstendenzen in einer modernen Ökonomie. Eine weitere Thematisierung von Clustern nimmt Sidgwick im zweiten Buch zur Verteilung vor. Nachdem er die Einwirkungen verschiedener anderer Faktoren auf die Höhe der Profite bzw. Löhne untersucht hat, etwa die unterschiedlichen Qualifikationsniveaus und Kartellbildungen von Kapital und Arbeit, betrachtet er im 11. Kapitel zeitweise und lokale Unterschiede der Einkommensverteilung, die durch die Branchendifferenzierung entstehen32. In diesem Rahmen werden die sektorale und räumliche Dimension zusammengeführt. Nach der Analyse temporärer Produktivitätsunterschiede, die durch brancheninterne und –externe Einflüsse auf das Leistungsniveau, durch Nachfrageeinwirkungen sowie durch Einflüsse aus dem Geld- und Kreditsystem verursacht werden können33, betrachtet Sidwick räumliche Produktivitätsunterschiede. Sie stellen sich als regionale Preis- bzw. Kaufkraftunterschiede dar, die Sidgwick auf die räumliche Struktur von Branchen zurückführt34. Die Gründe für die Lokalisierung von Branchen liegen bei Naturressourcen, Transportbedingungen, sozialen und politischen Bedingungen sowie bei Pfadabhängigkeiten. Daraus kann eine Regenerationsfähigkeit von Clustern entstehen („a certain economic vis inertiae“), die in der Reputation von Clustern, in dem besonderen Angebot an spezialisierter Arbeits29 Sidgwick (1883: V – VI) benennt J. S. Mill, Cairnes und Jevons als seine hauptsächlichen Inspiratoren, daneben auch das Ehepaar Marshall, Hearn sowie aus dem nicht-englischen Sprachraum Adolf Held und Adolph Wagner. 30 Sidgwick (1883: 151). 31 Sidgwick (1883: 117). 32 Sidgwick (1883: 372 f.). 33 Sidgwick (1883: 373 – 383). 34 Sidgwick (1883: 383).

4. Wachstum und Raum

145

kraft, in einer spezialisierten Zuliefererindustrie oder in der Kombination dieser Elemente begründet sein kann35. Im Ergebnis entstehen kleinräumige Distrikte, die mit ihren Produkten einen vielfach größeren Raum versorgen. Durch diese räumlichen Agglomerationen, so schließt Sidgwick den Bogen, werden die Lohnniveaus und die Preisniveaus der Waren räumlich differenziert. Im anschließenden Paragraph 7 bezieht er einen weiteren Aspekt ein, die Wirkung der Arbeitsmobilität. Neben anderen Einschränkungen der Arbeitsmobilität, die Sidgwick in früheren Kapiteln betrachtet hat36, treten durch die räumliche Konzentration von Branchen neue Bindungskräfte auf. Das Wissen um die spezialisierten industriellen Vorgänge und das soziale Leben an einem Standort verstärkt die Motivation zur Beharrung37. Sofern die Raumstruktur dauerhaft stabil bliebe, könnten auch diese Mobilitätsbremsen überwunden werden. Da jedoch von einer permanenten sektoral-räumlichen Restrukturierung auszugehen ist, werden diese Kräfte der Behinderung immer wieder gestärkt. Kurzum, die räumlichen Produktivitäts-, Ertrags- und Preisdifferentiale auf der Basis von Clustern werden zwar der Tendenz nach durch den ökonomischen Wettbewerb nivelliert, de facto können sie aber für lange Zeiträume stabil bleiben. Je dramatischer die räumlich-sektoralen Veränderungen, desto länger zieht sich der Nivellierungsprozeß hin: „But in fact such local advantages are continually undergoing changes so rapid and extensive, as to balance – or more than balance – during a considerable period, the equalizing forces of industrial competition“38.

Die Form dieser Veränderungen sieht Sidgwick zum einen im Wachstumstempo vorhandener Cluster; deren permanente Produktivitätsgewinne jede Form von konterkarierenden Effekten überwiegen. Zum anderen sieht er sie in der Neubildung von Clustern aufgrund der Entdeckung neuartiger Ressourcen bzw. Nutzungsmethoden. Diese längerfristigen Wachstumsprozesse in einer Cluster-Region führen zu einer Erhöhung der regionalen Nachfrage, was weitere Wirkungen auf die räumliche Produktionsstruktur haben kann. Erstens haben prosperierende Cluster positive Effekte auf die unmittelbare Umgebung. So wird in der Region die Nachfrage nach transportempfindlichen und -sensiblen Gütern (z. B. der Landwirtschaft) angeregt. Zweitens steigt die Nachfrage nach transportkostenunempfindlichen Gütern, was den Markteintritt regions-externer Importeure auslösen kann. Verfügen diese bereits über Produktivitätsvorteile bei den entsprechenden Gütern, dann kann dies der entscheidende Katalysator sein, um die regionalen Produzenten dauerhaft vom 35 Sidgwick (1883: 384); auch in der internationalen Dimension kann die „local concentration of connected industries“ (216) eine Rolle spielen. 36 Sidgwick (1883: 217 – 222). 37 Sidgwick (1883: 387). 38 Sidgwick (1883: 388).

10 Scheuplein

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Kap. 8: Spätklassik – Phänomenologie der Ungleichmäßigkeit

Markt zu verdrängen. Hier reformuliert Sidgwick den Spencerschen ,Multiplikationseffekt‘ der räumlichen Spezialisierung: „In this way the successful establishment of any great centre of industry in any district has a tendency to promote indirectly the concentration of other industries in other localities“39. Schließlich können die Wirkungen in einer Gesamtregion betrachtet werden, in der sich in zwei Teilregionen unterschiedliche Cluster gebildet haben. Abgesehen von der verbesserten Effizienz für die Gesamtregion aufgrund der Spezialisierung kann man drittens Verlagerungen von Produktionskapazitäten annehmen: Die Zunahme von Produktion und Beschäftigung im Cluster der Region A bewirkt Schrumpfungsprozesse in der Region B, was zur Wanderung von Kapital und Arbeit führen kann. Henry Sidgwick integrierte die Clusterung von Branchen in die Volkswirtschaftslehre, um das Gesetz wachsender Erträge in einer modernen Marktökonomie zu belegen. Die sektorale Differenzierung führt in seiner Sicht im Verbund mit räumlicher Nähe zu steigenden Erträgen. Dies wiederum verändert das Einkommensniveau und löst intraregionale Kreislaufprozesse an. Festzuhalten ist, daß Sidgwick dies als Variation von einer angenommenen ,normalen‘ Funktionsweise der ökonomischen Gesetze definiert. Obwohl Sidgwick die sektorale Spezialisierung von Volkswirtschaften für eine dauerhafte Tendenz zu halten scheint, sind somit einzelne Cluster bzw. regionale Spezialisierungsmuster als Abweichungen thematisiert.

5. Schlußfolgerungen Spätestens 1869 wurde mit John S. Mills ,Widerrufung‘ der Lohnfonds-These die Krise der klassischen politischen Ökonomie offenbar. Ein wesentlicher Teil dieser Krise bestand im Wachstumspessimismus der Theorie sowie in ihren geringen Erklärungsmöglichkeiten, soweit es um Ungleichgewichte der Ökonomie ging. In der Lohnfonds-Kontroverse wurde demonstriert, daß die sektoralen, zeitlichen und räumlichen Lohnschwankungen in der klassischen Theorie nur unzureichend berücksichtigt werden konnten. In der Debatte um die gesamtwirtschaftlichen Ertragsgesetze deutete sich eine Abkehr von einer Dominanz des Gesetzes fallender Erträge an. Das alternative Gesetz steigender Erträge und somit eine wachstumsoptimistische Sichtweise für die kapitalistische Entwicklung wurde mit der Raumstruktur der Produktion begründet. Im raumwirtschaftlichen Kontext bedeutete dies den Wechsel von einer Perspektive räumlicher Gleichverteilung hin zu einer Registrierung räumlicher Differenzierung. Waren regionale Entwicklungsunterschiede bis zu diesem Zeitpunkt kaum registriert worden, so wurden sie nun von Henry Sidgwick als Resultat langfristiger unterschiedlicher Produktivitätsentwicklungen 39 Sidgwick (1883: 389); vgl. für die vorgehende Passage die klarere Formulierung in der zweiten Auflage (1887: 377).

5. Schlußfolgerungen

147

erklärt. Damit nimmt Sidgwick die Clusterung wirtschaftlicher Tätigkeiten als einen raumdifferenzierenden Wirkungszusammenhang in die ökonomische Theorie auf. Abschließend soll bereits hier darauf hingewiesen werden, daß an dieser Stelle die wechselseitige Beeinflussung zwischen George, Sidgwick und Alfred Marshall, dessen Werk im folgenden Kapitel betrachtet wird, offen bleibt. In Georges Werk lassen sich in seiner sozialevolutionären Argumentationsführung Parallelen zu Alfred Marshall zeigen, die er unabhängig von Marshall entwickelte40. John K. Whitaker vermutet, daß George seine Beschreibung der Funktionsweise von Clustern unabhängig von Marshall entwickelte. Allerdings gewannen seine Cluster-Überlegungen erst nach 1884, als er sich mit Marshall in Oxford eine Kontroverse über die Thesen von ,Progress and Poverty‘ geliefert hatte, mehr Präzision und Gewicht41. Bei Henry Sidgwick ist die Beeinflussung durch Marshall eindeutig und gut belegt42. Marshall und Sidgwick hatten sich spätestens 1867 an der Universität Cambridge im Rahmen eines philosophischen Diskussionszirkels, des Grote Clubs, kennengelernt. Während sich Marshall zu diesem Zeitpunkt als Schüler des vier Jahre älteren Sidgwicks verstand, so kehrten sich diese Rollen auf dem Gebiet der Volkswirtschaftslehre in den folgenden Jahren um. Als Marshall sich 1877 um eine Professur in Politischer Ökonomie in Bristol bewarb, lobte Sidgwick seine Fähigkeiten überschwenglich. Auch Sidgwicks Initiative, ein wichtiges Manuskript Marshalls 1879 privat zu drucken, zeigt seine Wertschätzung. Die umgekehrte Anerkennung Sidgwicks als politischem Ökonomen durch Marshall fiel spärlicher aus. Da Marshalls Einfluß bei der Niederschrift von Sidgwicks ,Principles‘ gesichert ist, kann davon ausgegangen werden, daß ein Gutteil der oben referierten clustertheoretischen Aussagen im Original Marshall zuzurechnen sind.

Vgl. George (1886: 173) zur „natural order of industry“. Zur Kontroverse zwischen George und Marshall vgl. Whitaker (1998: 178), Groenewegen (1995: 581 – 586), Aslanbeigui / Wick (2001) und der zeitgenössische Bericht in Kenzer (2002: 199 – 211). 42 Vgl. Groenewegen (1995: 110 – 113, 144, 175 f., 663 – 670); Sidgwick war ebenso der Lehrer von Mary Paley, Marshalls zukünftiger Frau, siehe Groenewegen (1995: 229). 40 41

10*

Kapitel 9

Soziale Evolution, räumliche Dynamik: Alfred Marshall 1. Auf der Suche nach „Industrial Leadership“ „A healthy national pride has been associated with industrial leadership.“ Alfred Marshall: Industry and Trade, 1919, S. 4

Die öffentliche Meinung in Großbritannien erregte sich im Jahr 1903 über die Frage eines einheitlichen Zolltarifs für das Empire. Die britische Wirtschaftspolitik, so argumentierte der Kolonialminister Joseph Chamberlain, müsse sich in den Zeiten imperialistischer Rivalität von einer Freihandelspolitik verabschieden und die heimischen Industrien besser schützen. Alfred Marshall griff im Auftrag des britischen Finanzministeriums in diese Diskussion ein und kam zu einer ablehnenden Bewertung1: Für Großbritannien bleibe die Freihandelspolitik weiterhin vorteilhaft, da es auf den preiswerten Import von Rohstoffen und Halbfertigwaren angewiesen sei. Nur im Falle unterindustrialisierter Länder wie den USA und Deutschland sah er aus industriepolitischen Gründen Vorteile eines zeitweisen Schutzzolls. Eine reife Volkswirtschaft wie Großbritannien dagegen könne die industrielle Leistungskraft nur im offenen Wettbewerb verteidigen. Allerdings, so wandte er gegen imperiale Visionen ein, seien die Zeiten der unangefochtenen Dominanz für die Nation vorbei: „She cannot be the leader, but she may be a leader“2. Marshalls differenzierte Darstellung in dieser hitzigen politischen Kontroverse war die Quintessenz seiner seit langen Jahren vertretenen Außenwirtschaftstheorie. Bereits in den Anfängen seiner Karriere als Ökonom hatte er sich bemüht, Ricardos Arbeitswerttheorie weitgehend durch eine subjektive Werttheorie zu ersetzten. Dabei knüpfte er durchaus an Ricardos Unterscheidung der beiden Raumebenen ,Nation‘ und ,Globus‘ an, wobei auch Marshall für den internationalen Tauschverkehr besondere werttheoretische Überlegungen anstellte. Zugleich bemühte sich Marshall viel detaillierter als seine Vorläufer und Zeitgenossen, den nationalen Wirtschaftsraum als sozial-ökonomische Basis eines internationalen Wettbewerbs zu analysieren und in der Wirtschaftspolitik zu berücksichtigen. Die unterschiedlichen nationalen Wettbewerbsvorteile standen im Zentrum seiner späteren Arbeit. 1 Vgl. Marshall (1903a); als frühere Formulierung seiner Position: Marshall (1890b); zu Marshalls Rolle in der Tarifreform-Debatte: Deane (1990), Groenewegen (1995: 376 – 389). 2 Marshall (1903a: 404).

1. Auf der Suche nach „Industrial Leadership“

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In seiner Sicht konnten die Entwicklungsunterschiede zwischen Ländern vertieft werden, er hielt jedoch eine Konvergenz der nationalen Ökonomien für möglich und wahrscheinlich. Nach Marshall sollte die Volkswirtschaftslehre die nationalen Differenzen weder – wie in der Klassik – negieren, noch – wie in der Historischen Schule – verabsolutieren, sondern ihre Entstehung, Fortdauer und mögliche Auflösung theoretisch und empirisch erfassen. Die genauere Analyse der nationalen Wettbewerbsfähigkeit verstand Marshall bereits in seiner Frühzeit als eine Hauptaufgabe der Volkswirtschaftstheorie, für die er mit seinen ,Principles of Economics‘ wesentliche Instrumente bereit stellte und der er sein Alterswerk widmete. Das Phänomen räumlicher Branchenkonzentrationen war eines der Elemente, die in Marshalls Sichtweise die nationale Wettbewerbsfähigkeit begründeten. Bereits in den 1870er Jahren war für ihn die Clusterung einer der Bausteine, mit denen sich Marshall von dem ricardianisch-millschen Lehrgebäude verabschiedete. Sie bot für ihn die Möglichkeit, die Dynamik des marktwirtschaftlichen Systems besser darstellen zu können. Dabei stützte sich Marshall auf einige der oben diskutierten Autoren wie Hogskin, Edmonds, Marx, Carey und George, die zuvor in unterschiedlichen Diskursen die klassische Annahme einer Tendenz zu einem stationären Zustand der Gesamtwirtschaft bezweifelt hatten. Ab den frühen 1870er Jahren untersuchte Alfred Marshall diesen Zusammenhang systematisch und leistete eine neue theoretische Synthese3. Im Folgenden wird ein Überblick über die Entwicklung von clustertheoretischen Aussagen in Marshalls Werk (2.) gegeben. Danach wird erläutert, wie Marshall die Clusterung in die Preistheorie integrierte. Dabei verstand Marshall Cluster als einen eigenständigen ökonomischen Wirkungszusammenhang, der eine wichtige Rolle bei der Gestaltung von Marktstrukturen einnimmt (3.a)). Im technisch-ökonomischen Strukturwandel ändert sich die Rolle der Cluster und kann der Charakter von Wettbewerbsmärkten eingeschränkt werden (3.b)). Neben der ökonomischen Logik beschreibt Marshall auch gesellschaftliche Einflüsse auf die Clusterung. Dies wird zum einen an der Funktion sozialer Konventionen für wirtschaftliche Transaktionen deutlich gemacht (4.a)), und zum anderen an der Bedeutung von Wissen und Lernen für die Bildung räumlicher Produktionsstrukturen (4.b)). Anschließend werden einige wesentliche Quellen (5.) und zeitgenössische Rezeptionsweisen der Marshallschen Clustertheorie aufgezeigt (6.) sowie Schlußfolgerungen gezogen (7.). Marshalls Werk ist durch eine hohe Kontinuität und inhaltliche Einheit charakterisiert. Die folgende Untersuchung bezieht sich vor allem auf die Struktur des Marshallschen Werkes um 1890, d. h. auf die zu diesem Zeitpunkt erschienene erste Auflage der ,Principles‘. Auf diesen ,Gipfelpunkt‘ können seine Frühschriften aus den 1870er Jahren bezogen werden, in denen Marshall erste Grundlagen seiner Konzeption schuf. Die späten Studien ,Industry und Trade‘ und ,Money, Credit and 3 Die Marshall-Interpretation ist dokumentiert in Wood (1985, 1996); vgl. auch Caspari (1989: 41 – 108), Whitaker (1990a), McWilliams Tullberg (1990), Reisman (1990), Dardi / Gallegati / Pisciarelli (1991 und 1992) und Arena / Quéré (2003); zur Biographie siehe Groenewegen (1995).

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Kap. 9: Soziale Evolution, räumliche Dynamik

Commerce‘ gingen aus den Plänen zu einem zweiten Band der ,Principles‘ hervor4. Als sie rund dreißig Jahre später erschienen, deckten sie zwar nur Teile der ursprünglichen Konzeption ab, standen jedoch klar in der inhaltlichen Tradition. Bei Zitierungen aus den frühen und den späten Schriften wird ausdrücklich auf die jeweilige Publikation hingewiesen werden, um mögliche Entwicklungsschritte im Marshallschen Werk sichtbar zu machen.

2. Die Entwicklung der Marshallschen Clustertheorie „Starting from simple considerations of this kind, economists go on to analyse the causes which govern the local distribution of different kinds of industry.“ Alfred Marshall: Principles of Economics, 2. Auflage, 1891, S. 75

Die räumliche Konzentration von Branchen ist ein durchgängiges Thema in Marshalls Werk. Es wird von ihm in allen wichtigen Monographien, von seinem Frühwerk ,Economics of Industry‘ bis zu seinem letzten Buch ,Money, Credit and Commerce‘ aufgegriffen. Dabei verband er die Clusterung von Anfang an mit volkswirtschaftstheoretischen Fragestellungen, die er in späteren Jahren weiter ausarbeitete. Aus diesem Grund soll zunächst die Entwicklung der zentralen clustertheoretischen Aussagen aufgezeigt werden, bevor in den folgenden Abschnitten spezielle Aspekte beleuchtet werden5. Marshalls erstes größeres Werk war das zwischen 1873 und 1877 geschriebene Manuskript ,The Theory of Foreign Trade‘. Hier entwickelte er sowohl methodische Neuerungen, z. B. die Verwendung von Diagrammen, als auch inhaltliche Neuerungen, wie das Konzept der Konsumentenrente. Insgesamt versuchte er den Marktprozessen einen viel stärkeren Stellenwert innerhalb der Volkswirtschaftstheorie zu geben. Marshall stellte diesen Buchentwurf nicht fertig, einige Kapitel wurden aber 1879 auf Initiative von Henry Sidgwick gedruckt und an ausgewählte Interessierte verteilt6. Im Kapitel ,Domestic Values‘ entwickelt Marshall eine Theorie der Güterpreise. Die Güterpreise sind zunächst durch die Anstrengungen (,efforts and sacrifices‘) bestimmt, wie sie von den jeweiligen Marktteilnehmern subjektiv wahrgenommen werden7. Während die Nachfrageseite einfach aus der Anstrengung abgeleitet werden kann, bietet die Angebotsseite Komplikationen. 4 Vgl. Whitaker zur Entwicklung des Marshallschen Spätwerkes (1990b) und zu den Unterschieden zwischen den ,Principles‘ und ,Industry and Trade‘ (2003). 5 Vgl. zur Referierung der Marshallschen Cluster-Theorie Becattini (1990), Bellandi (1989, 2003), Loasby (1998), Quéré / Ravix (1998), Amin (2000), Asheim (2000) und Raffaelli (2003a und b). 6 Marshall (1879); vgl. hierzu Whitaker (1975a: 57 – 66 und 1975b: 3 – 7); zu Marshall früher Beschreibung von steigenden Erträgen siehe Prendergast (1992: 450 – 455). 7 Marshall (1879: 188 – 194).

2. Die Entwicklung der Marshallschen Clustertheorie

151

In längeren Zeiträumen verändern sich die Bedingungen der Produzenten, etwa durch die Realisierung von Vorteilen der Arbeitsteilung und von Skaleneffekten. Während andere Ökonomen aus dieser Zunahme der Erträge eine Tendenz zu oligopolistischen Marktstrukturen ableiten, besteht Marshall darauf, daß vor allem die Steigerung des Gesamtoutputs einer Branche entscheidend ist8. Diese Steigerung könne, was das Verarbeitende Gewerbe angehe, innerhalb wachsender Großunternehmen, aber auch innerhalb einer Vielzahl von Kleinunternehmen realisiert werden: „For in these trades the advantages of production on a large scale can in general be as well attained by the aggregation of a large number of small masters into one district as by the erection of a few large works“9.

Die Einführung verbesserter Produktionsmethoden können somit nicht allein intern innerhalb einzelner Unternehmen realisiert werden, sondern auch durch eine Gruppe von Unternehmen. Dieses Konzept des ,externen Effektes‘, das Marshall hier erstmals einführt, ist an räumliche Nähe gebunden, durch die eine wirtschaftliche Integration der Unternehmen möglich wird. Die Clusterung von Branchen wird somit von Marshall theoretisch entwickelt, um die Dauerhaftigkeit einer Wettbewerbsökonomie auch bei Einbeziehung des technischen und wirtschaflichen Fortschritts begründen zu können. Als allgemeine Schlußfolgerung hält Marshall fest, daß immer dann, wenn durch die Steigerung des Produktionsoutputs einer Branche eine überproportionale Ertragssteigerung („great additional increased economies“) eintritt, eine theoretisch besondere Behandlung notwendig sei10. Die angesprochenen Vorteile können räumlich konzentrierte Kleinunternehmen vor allem durch eine Spezialisierung der unterstützenden Branchen (Maschinenbau, Handel), durch die Nutzung von qualifizierter Arbeitskraft und durch die schnellere Erzeugung und Verbreitung von Innovationen erzielen11. Weiterhin geht Marshall bei der Beschreibung des wirtschaftlichen Strukturwandels Großbritanniens in den letzten hundert Jahren auf die industrielle Lokalisierung ein. Er erkennt erstens eine Förderung der Lokalisierungstendenzen durch die Industrialisierung, zweitens warnt er vor den Gefahren, die eine Monostruktur der Cluster für eine regelmäßige Beschäftigung der Arbeitskräfte bietet, und drittens erkennt er eine Unterstützung der räumlichen Konzentration von Branchen durch den Außenhandel12. Diese theoretische Integration und die Vorteile von Clustern nimmt Marshall wieder in dem Lehrbuch ,Economics of Industry‘ auf, das er gemeinsam mit seiner 8 Auf das Phänomen der ,increasing returns‘ geht Marshall bereits im ca. 1870 geschriebenen ,Essay on Value‘ (1975: 140 f., 150 f.) sowie in dem Manuskript über Außenhandel ein (1879: 202 – 204); vgl. Groenewegen (2003c: 124 – 130). 9 Marshall (1879: 196, vgl. auch 198). 10 Marshall (1879: 203). 11 Marshall (1879: 197 f.). 12 Marshall (1879: 43 – 45).

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Kap. 9: Soziale Evolution, räumliche Dynamik

Frau Mary Paley zwischen 1876 und 1879 schrieb13. Im ersten Buch ,Land, Labour and Capital‘ werden zunächst in der traditionellen Darstellungsweise John S. Mills die Ertragsgesetze der drei Produktionsfaktoren untersucht. Der Ertrag des Kapitals wird unter anderem auf die Effizienz der Arbeitskräfte zurückgeführt, die einerseits von den Qualifikationen der Arbeitskräfte, andererseits von der Organisation der Arbeit abhängig ist14. Deren Darstellung ist beeinflußt vom Sozial-Evolutionismus, d. h. im Kapitel ,Organization of Industry‘ wird zunächst die historische Evolution von Formen der Arbeitsorganisation aufgezeigt: Eine erste lokale Spezialisierung begann in der frühen Siedlungsform der ,Village Communities‘; sie wurde teilweise in der mittelalterlichen Stadtwirtschaft fortgesetzt. Mit dem Übergang zur modernen Industrie setzt eine vertiefte räumliche Arbeitsteilung ein: „The agriculturists were of course scattered over the land, but manufacturers congregated in closely peopled districts. In these districts a further division or specialisation has grown up, and separate trades have sought separate localities. The textile trades have separated themselves from other trades. Those that work in wool do not generally live among the Lancashire cotton workers, but are collected together in Yorkshire: and they themselves are divided into the ,woollen trade‘ and the ,worsted trade‘, and these again spread out into various branches, each of which has a favourite district of its own. This collection into the same locality of large numbers who are engaged in the same trade is called the Localisation of industry“15.

Die Funktionsweise und ökonomische Bedeutung der lokalisierten Industrie wird im folgenden Kapitel ,Division of Industry‘ untersucht. Nachdem die Autoren hier die Vorteile der Arbeitsteilung geschildert haben, wenden sie sich der Frage zu, inwiefern diese Vorteile durch die Unternehmensgröße beeinflußt werden. In technischer Hinsicht kann ein Produktionsprozeß in verschiedene Stufen unterteilt werden, die innerhalb eines Großunternehmens oder innerhalb eigentumsrechtlich getrennter, aber wirtschaftlich zusammenhängender Unternehmen geleistet werden16. Hier schließt sich wieder die Argumentation über den Gesamtoutput einer Branche an, dessen Wachstum in Großunternehmen wie auch in einer Vielzahl von Kleinunternehmen bewerkstelligt werden kann. Die Tendenz zu steigenden Erträgen wird als ,Law of Increasing Return‘ gefaßt und in ihrem Verhältnis zu fallenden Erträgen diskutiert. Dabei weisen die Autoren darauf hin, daß es jeweils auf die spezifischen produktionstechnischen Verhältnisse in den einzelnen Branchen ankomme. Die Autoren betonen ausdrücklich, daß Kleinunternehmen nur durch ihre räumliche Konzentration die gleichen Leistungen wie einzelne Großunternehmen erbringen können. Die oben erwähnten drei Vorteile von lokalisierten Industrien, d. h. spezialisierte unterstützende Branchen, ein lokal spezialisierter Arbeitsmarkt und die Entstehung und Diffusion von Innovationen, werden aufgezählt Vgl. zu den ,Economics of Industry‘: O’Brien (1994). Marshall / Marshall (1879: 37). 15 Marshall / Marshall (1879: 47). 16 Zum folgenden vgl. Marshall / Marshall (1879: 52 – 59), vgl. auch Marshall (1879: 196 f.). 13 14

2. Die Entwicklung der Marshallschen Clustertheorie

153

und näher in ihrem räumlichen Kontext erläutert. Im Anschluß werden die Vorteile von Großunternehmen aufgezeigt und schließlich deren Grenzen diskutiert17. Als Marshall elf Jahre später der räumlichen Branchenkonzentration ein eigenes Kapitel in seinem opus magnum, den ,Principles of Economics‘ widmete, griff er seine frühe Konzeptualisierung von Clustern wieder auf, entwickelte es weiter und präzisierte es. Bemerkenswert ist zunächst, dass die methodologische Seite räumlicher Strukturen in den ,Principles‘ viel deutlicher wird18. Marshall vertrat eine Methodologie der schrittweisen Untersuchung einzelner, abgrenzbarer Handelszusammenhänge. Eine Zusammenfügung dieser Partialanalysen stellte für ihn erst die letzte Stufe der wissenschaftlichen Arbeit dar. In die Abgrenzung eines einzelnen Handlungszusammenhangs flossen komplexe gesellschaftstheoretische Grundannahmen ein; oberhalb der ,Familie‘ und unterhalb der ,Nation‘ erkannte Marshall ein breites Spektrum an wirtschaftlichen Entitäten. So könne der Ökonom „a whole class of people, sometimes the whole of a nation, sometimes only those living in a certain district, more often those engaged in some particular trade at some time and place“19 untersuchen. Die räumliche Konzentration von Unternehmen einer Branche in einer Region wird von Marshall als einer der adäquat abgrenzbaren Handlungszusammenhänge betrachtet. Hierbei knüpft er an den Organisationsbegriff der sozialevolutionären Theorie an20. Das Prinzip der Organisation, die Kombination des Verschiedenartigen in einen einheitlichen Prozeß, wird von Unternehmen, Nationalökonomien aber auch von ,industrial groups‘ verwirklicht, die man über sektorale und räumliche Beziehungen definieren kann. Marshall versteht eine ,Branche‘ als eine Menge von verbundener Wirtschaftsaktivitäten, die für die Herstellung ähnlicher Produkte bzw. Produktgruppen notwendig sind21. Dabei geben die technischen Anforderungen und die aktuellen Marktbedingungen bestimmte Lösungen vor, auf welche Weise diese Wirtschaftsaktivitäten verknüpft werden können. Eine Industrie ist jedoch nicht allein mit produktionstechnischen Problemen befaßt, sie muß auch für die Erschließung von Märkten und die Entwicklung neuer Produkte sorgen22. Auf der Grundlage dieser methodologischen Position arbeitete Marshall das bereits skizzierte Cluster-Konzept im Kapitel ,The Concentration of Specialized Industries in Particular Localities‘ detaillierter aus23. Das Kapitel umfaßt vier Abschnitte, in denen die historischen Voraussetzungen der Cluste17 Marshall / Marshall (1881: 46 – 48 und 52 – 59); diese clustertheoretischen Aussagen übernahmen Mary und Alfred Marshall unverändert in die zweite Auflage der ,Economics of Industry‘ von 1881. 18 Vgl. zur Methodologie: Boland (1990), Marchionatti (2003); speziell zur Partialanalyse: Whitaker (1982). 19 Marshall (1961a: 26 f.); diese Passage wurde in die 2. Auflage eingefügt (S. 74 f.). 20 Zum Organisationsbegriff bei Marshall: Arena (2003), zur Verbindung mit dem Sozialevolutionismus: Limoges / Ménard (1994). 21 Vgl. Andrews (1951) und O’Brien (1990) zu Marshalls Branchenanalyse. 22 Marshall (1890a: 506). 23 Marshall (1890a: 328 – 338).

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Kap. 9: Soziale Evolution, räumliche Dynamik

rung, spezielle Lokalisierungsgründe, die Funktionsmechanismen der Cluster sowie die Interaktion mit dem Transportsektor behandelt werden. Im ersten Abschnitt skizziert Marshall, wie sich historisch aus den naturgegebenen Standortunterschieden eine sektorale Spezialisierung an Standorten entwickelte. Diese räumliche Arbeitsteilung war in der historischen Entwicklung eine Voraussetzung moderner Arbeitsteilung. Letztere kann erst an dem Punkt eintreten, wo der Zustand des Transportsystems eine Auswahl zwischen Standorten möglich macht. Die einfache räumliche Spezialisierung ist zugleich als Impuls für die moderne Arbeitsteilung in den Gewerbezweigen und in der Geschäftsführung zu sehen. Im zweiten Abschnitt wendet Marshall sich den Gründen der Lokalisierung zu. Häufig sind physische Bedingungen wie Klima und Boden, Rohstoffe und der Zugang zu natürlichen Transportwegen entscheidend. Auch eine räumlich konzentrierte Nachfrage, z. B. nach Luxusgütern kann zur Lokalisierung von Gewerben führen. Schließlich können Arbeitsqualifikationen, Innovationen oder Unternehmerpersönlichkeiten zufällig durch politische und andere historische Ereignisse an einem Ort zusammengeführt werden und zu einer Clusterung führen. Standortfragen sind folglich nicht restlos in eine rationale Theorie auflösbar, sie bleiben bis zu einem gewissen Grad durch eine offene Interaktion aufgrund von sozialen, politischen und kulturellen Motiven bestimmt. Marshall betont ausdrücklich, daß Vorteile der Naturbedingungen nur als Möglichkeitsspielraum für verschiedene Nutzungsformen zu sehen sind. Dem institutionellen Aufbau der Volkswirtschaft komme dagegen große Bedeutung zu: ,Free industry and enterprise‘ haben einen größeren Einfluß auf die Entwicklung als günstige natürliche Ressourcen24. Im dritten Abschnitt untersucht Marshall die spezifischen ökonomischen Mechanismen, die längerfristig die Prosperität eines Clusters sichern. Diese Mechanismen müssen mit den ursprünglichen Lokalisierungsgründen nicht identisch sein. Marshall stellt zunächst das innovationsfördernde Milieu eines Clusters in den Vordergrund: „When then an industry has once chosen a locality for itself, it is likely to stay there long: so great are the advantages which people following the same skilled trade get from their neighbourhood to one another. The mysteries of the trade become no mysteries; but are as it were in the air, and children learn many of them unconsciously. Good work is rightly appreciated, inventions and improvements in machinery, in processes and the general organization of the business have their merits promptly discussed; if one man starts a new idea it is taken up by others and combined with suggestions of their own; and thus becomes the source of yet more new ideas.“25

Cluster fördern mit ihrem Mix aus kooperativen und konkurrenzhaften Verhaltensweisen die Wissensdiffusion und die inkrementale Innovation. Als zweiten Vorteil sieht Marshall die Existenz unterstützender Industrien. Durch die enge wirtschaftliche Integration der ortsansässigen Unternehmen kann die Arbeitsteilung 24 25

Marshall (1890a: 331). Marshall (1890a: 332).

2. Die Entwicklung der Marshallschen Clustertheorie

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gesteigert werden. Diese ermöglicht einen hohen Grad an Spezialisierung und zugleich eine Ausnutzung von Skalenvorteilen, z. B. beim Einsatz spezieller Maschinerie. Drittens verweist Marshall auf Märkte für spezialisierte Arbeitskräfte, woraus sowohl für die Arbeitsnachfrage wie für das Arbeitsangebot Vorteile entstehen. Insgesamt hebt Marshall den systemischen Charakter der Organisationsform Cluster hervor. In ,Industry and Trade‘ sprach Marshall später von Clustern als einem ,single workshop‘; sie funktionierten als ein ,organisches Ganzes‘ von integrierten Aktivitäten: „The broadest, and in some respects most efficient forms of constructive cooperation are seen in a great industrial district where numerours specialized branches of industry have been welded almost automatically into an organic whole“26.

Anhand der Weitergabe von Arbeitsqualifikationen und der nachbarschaftlichen Konkurrrenz zeigt Marshall in den ,Principles‘ auf, wie ein räumliches System sich immer wieder erneuern bzw. selbst reproduzieren kann27. Die Clusterung birgt nach Marshalls Ansicht jedoch auch Nachteile. So kann bei der regionalen Dominanz eines Sektors eine sehr einseitige Nachfrage nach einzelnen Segmenten des Arbeitsangebots auftreten, während andere ungenutzt bleiben. Außerdem sind monostrukturierte Regionen sehr anfällig für sektorale Konjunkturen. In beiden Fällen sieht Marshall die Lösungsmöglichkeit in einer komplementären Erweiterung des sektoralen Profils. So werde z. B. das geschlechtsspezifische Arbeitsangebot in Bergbaudistrikten durch die Ansiedlung von Texilindustrien ergänzt und auf diese Weise Vielfalt mit Spezialisierung vereint: „The advantages of variety of employment are combined with those of localized industries in some of our manufacturing towns“28. Wo Cluster insgesamt erfolgreich sind, trete allerdings ein weiterer negativer Effekt ein. Die innerstädtischen Immobilien werden aufgewertet und das produzierende Gewerbe wandert zum Rand der prosperierenden Städte bzw. in benachbarte Ortschaften. Diese Passage ist von besonderem Interesse, da ansonsten die räumliche Ausdehnung der Distrikte von Marshall kaum näher bestimmt wird. In den ,Principles‘ werden einige Städte und Regionen (Lancashire, Staffordshire, Sheffield) beispielhaft benannt, in ,Industry and Trade‘ wird die Lokalisierung in einer Stadt und in mehreren zusammenhängenden Städten behandelt29. Neben diesen Vor- und Nachteilen aus der Produzentenperspektive sieht Marshall außerdem aus der Perspektive der Konsumenten bei einer Clusterung der Verkaufsstellen eine Senkung von Suchkosten. Im vierten Abschnitt betrachtet Marshall die Interdependenz zwischen der Produktivitätsentwicklung im Transportsektor und den güterproduzierenden Sektoren, Marshall (1919: 599). Marshall (1890a: 332); vgl. zur Dauerhaftigkeit der Clusterung auch Marshall (1890a: 310, 327, 328, 377 sowie 1919: 287). 28 Marshall (1890a: 333 f.). 29 Marshall (1890a: 332 und 1919: 285), zur Randwanderung bzw. Regionalisierung von Clustern bereits Marshall (1884: 143); vgl. auch Bellandi (1989: 136 f.). 26 27

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Kap. 9: Soziale Evolution, räumliche Dynamik

worauf im folgenden Kapitel eingegangen wird. In der fünften Auflage fügte Marshall noch eine Passage zum Dienstleistungssektor ein. Hier verweist er auf Rationalisierungserfolge in der Landwirtschaft und eine komplementäre Expansion von Dienstleistungen. Bei diesen personengebundenen Arbeitsprozessen sieht er ebenfalls eine starke räumliche Bindung: „These changes have tended to increase the specialization and the localization of industries30. Diese Themen und Argumentationen des Cluster-Kapitels blieben in allen weiteren Auflagen der ,Principles‘ bestehen; nur das statistische Material und die Literaturhinweise wurden überarbeitet31. Die Konzeption aus den ,Principles‘ fungierte auch als theoretische Grundlage in den späteren Schriften, in denen Marshall die Clusterung im Rahmen einzelner wirtschaftspolitischer Fragestellungen aufgreift. An dem 1919 erschienen Werk ,Industry and Trade‘, in dem Marshall die Grundlagen nationaler Wettbewerbsfähigkeit untersucht, ist die Verortung von Clustern auf einer räumlichen Ebene interessant. Marshall sieht in der Clusterung von Branchen eine regionale Basis der Wettbewerbsfähigkeit, was er anhand der räumlichen Bindung unterschiedlicher Branchen und speziell an der britischen Textilindustrie diskutiert. Gleichzeitig hat der nationale Wirtschaftsraum Einfluß auf die Cluster, da das Volumen von Märkten auf den Grad der räumlichen Spezialisierung wirkt32. Ebenso geht Marshall in ,Industry and Trade‘ auf die Außenbeziehungen von Clustern ein. Während Marshall in den ,Principles‘ nur auf die generelle Exportorientierung vieler Cluster hinweist, verdeutlicht er hier die Wirkungen eines gemeinsamen Auftretens von Cluster-Akteuren. So führt ein koordiniertes Marketing der Unternehmen zu einer Wahrnehmung als funktionierender regionaler Wirtschaftszusammenhang33. In seiner letzten Veröffentlichung ,Money, Credit and Commerce‘ finden sich ergänzende Formulierungen; zudem erörtert Marshall hier die Lokalisierung von Industrien innerhalb der Frage eines Schutzzolls für junge Industrien34. Als Begriff für die Clusterung von Branchen hat Marshall in den ,Principles‘ die Formel von der ,localization of industries‘ gewählt. Er spricht hier wie in den frühen Schriften von einer „localized industry“ und in räumlicher Perspektive von „a manufacturing town or a thickly peopled industrial district“. Erst in den späteren Veröffentlichungen findet sich der Ausdruck des ,industrial districts‘ an herausgehobener Stelle, unter dem Marshalls Clustertheorie allgemein bekannt geworden ist35. Marshall (1961a: 277). Vgl. Marshall (1961b: 330 – 333); auch in die 1892 publizierte Kurzversion der ,Principles‘ übernahm Marshall (1892a: 171 – 175) seine Cluster-Theorie, hier kürzte er vor allem die Aussagen des vierten Abschnitts. 32 Marshall (1919: 13, 26 sowie 1923: 114); zur Interpretation: Arena (1998: 57 – 64) und Bellandi (2003: 242). 33 Marshall (1919: 287). 34 Marshall (1919: 150 – 153, 283 – 288, 599 – 603, 815 – 818 und 1923: 218 – 224). 35 Vgl. Marshall (1890a: 329, 332); in dem Manuskript über Außenhandel von Marshall (1879: 44 f., 196 – 198), in den ,Economics of Industry‘ von Marshall / Marshall (1879: 53) 30 31

3. Cluster als Kategorie der Preistheorie

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Es hat sich in diesem Überblick gezeigt, daß die Begründung wirtschaftlichen Wachstums der entscheidende theoretische Problemhintergrund für Marshalls Beschäftigung mit dem Cluster-Phänomen war. Sein Ziel war eine Darstellung, in der die Steigerungen von Produktivität und Erträgen nicht zu einer monopolistischen Marktstruktur führen muß, sondern mit der Annahme einer vollständigen Marktkonkurrenz vereinbar bleibt. Beides wird in diesem Entwurf von der wirtschaftlichen Organisationsform des Clusters realisiert. Diese neuartige theoretische Konzeption entwickelte Marshall erstmals in seinem Manuskript über den Außenhandel, und arbeitete sie dann in den ,Economics of Industry‘ und den ,Principles‘ weiter aus. Sie soll im Folgenden näher beleuchtet werden. Innerhalb dieser theoretischen Konstruktion hat Marshall eine Vielzahl von Erkenntnissen und empirischen Beobachtungen über die historische Entstehung und Funktionsweise von Clustern eingeordnet, die in unterschiedlichen Diskursen bereits entwickelt worden waren, wie im fünften Abschnitt zu zeigen sein wird.

3. Cluster als Kategorie der Preistheorie „I cannot conceive of any Static state, which resembles the real world closely enough to form a subject of profitable study, & in which the notion of change is set aside even for an instant.“ Alfred Marshall an John B. Clark am 15. 12.1902, Correspondence, Vol. II, S. 419

In Alfred Marshalls Sozialphilosophie steht der wirtschaftliche und gesellschaftliche Fortschritt im Mittelpunkt. Dieser Fortschritt ist langsam, er muß sich gegen Widerstände durchsetzen und er ergreift nicht alle Gesellschaftsschichten im gleichen Tempo. Aber er hat nach Marshalls Auffassung eine gesicherte Basis in den ,manufacturing industries‘ und er kann als die bestimmende Tendenz der kapitalistischen Gesellschaft aufgefaßt werden. Die industrielle Dynamik und die gesamtwirtschaftliche Entwicklung rücken bei Marshall somit in das Zentrum der Volkswirtschaftstheorie. Im Folgenden soll gezeigt werden, in welcher Weise die räumliche Struktur der Produktion ein wesentlicher Bestandteil dieser Konzeption war. Marshall legte seine Preis- und Gleichgewichtstheorie so an, daß er langfristige Veränderungen der Angebotsseite berücksichtigen konnte. Der Clusterung von Branchen kam eine entscheidende Funktion dabei zu, dynamische Wachstumsprozesse theoretisch zu integrieren (a)). Die Clusterung ist dabei von spezifischen Eigenschaften der Branchen abhängig, die sich mit dem technischen und wirtschaftlichen Strukturwandel ändern. Daher soll anschließend betrachtet werden, bei welchen Branchen Marshall eine Clusterung für relevant hielt und wie sich die Raumbindung von Branchen mit dem Strukturwandel ändert (b)). und in den ,Elements of Economics of Industry‘, Marshall (1892a: 171 – 174), wird von ,Localization of Industry‘, von ,localized industry‘ und allgemein von ,districts‘ gesprochen; vgl. weiter Marshall (1919: 26, 285, 600 sowie 1923: 218).

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Kap. 9: Soziale Evolution, räumliche Dynamik

a) Steigende Erträge innerhalb einer Wettbewerbsökonomie Die Betrachtung dynamischer Prozesse in der Ökonomie und deren Integration in ein Modell gesellschaftlicher Entwicklung unterschied Marshalls Theorieentwurf von zeitgenössischen Mill-Kritikern wie W. Stanley Jevons und Léon Walras, die eine statische und strikt gleichgewichtsorientierte Theorie vorlegten36. Die Strukturunterschiede liegen grob gesagt in der von Marshall angestrebten Verbindung zwischen der klassischen, kostenbestimmten und der subjektiven, nutzenbestimmten Wertlehre. Marshall versteht den gesamtwirtschaftlichen Prozeß als ein abgestuftes Wirken der verschiedenartig bestimmten Kräfte von Angebot und Nachfrage. Dabei bezieht er die zeitliche Bewegung der ökonomischen Aggregate ein und zeigt so die Spielräume der kapitalistischen Selbstregulation auf. Während bei Walras die Bedürfnisse der Marktteilnehmer ohne Verzögerung aufeinander treffen und zu einem Gleichgewicht führen, sind für Marshall solche mikroökonomischen Modellkonstruktionen nur ein logischer Ausgangspunkt. Sobald Märkte betrachtet werden, die nicht (wie z. B. die Börse) reibungslos funktionieren, und sobald langfristige Prozesse betrachtet werden, ist die Seite des gesamtwirtschaftlichen Angebots als ein variabler Faktor zu behandeln. In diesen Fällen schließt der Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage ein, daß die realen Bedingungen und Folgen von Änderungen der Angebotsstruktur beachtet werden müssen. Mit dieser Problemstellung handelte sich Marshall eine anspruchsvolle Beweislast ein, die in den statischen Modellen vermieden werden konnte und die zum ersten Mal von Antoine Cournots formuliert worden war. Cournot hatte nur bei der Annahme steigender oder konstanter Grenzkosten die Möglichkeit gesehen, ein Marktgleichgewicht zu modellieren. Bei der Annahme fallender Grenzkosten vermutete er dagegen einen unvermeidlichen Übergang zu einer monopolistischen Marktstruktur. Steigende Erträge, so seine Argumentation, waren somit nicht vereinbar mit dem Modell einer Marktökonomie. Marshall gab sich mit diesem Stand des Cournot-Problems (bzw. ,reconciliation problem‘) zwischen Wettbewerb und steigenden Erträgen jedoch nicht zufrieden und versuchte ihre Kompatibilität aufzuzeigen. Wie die jüngere Diskussion über Marshalls Gleichgewichtstheorie gezeigt hat, sah Marshall die räumliche Produktionsstruktur als einen entscheidenden verknüpfenden Faktor an, der zum einen die Existenz steigender Erträge erklären konnte und zum anderen gegen die Tendenz zur Monopolisierung von Märkten wirkte37.

36 Zu Marshall Distanzierung von der klassischen Theorie siehe Shove (1942), Whitaker (1975c) und Bharadwaj (1978); zu den Unterschieden zwischen Marshall und Walras: Caspari (1989: 109 – 140); zum dynamischen Charakter der Marshallschen Theorie siehe Young (1928), Jenner (1964). 37 Vgl. Hart (1991, 2003), Prendergast (1992) und Marchionatti (1992), zuvor Hague (1958) und Levine (1980).

3. Cluster als Kategorie der Preistheorie

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Dieses Konzept entwickelt Marshall im vierten Buch ,Production or Supply‘ der ,Principles‘, wo er die unterschiedlichen Einflüsse auf die Kostenkurve der Angebotsseite untersucht, bevor er diese Erkenntnisse im fünften Buch mit nachfrageseitigen Erörterungen zu einer allgemeinen Preis- und Gleichgewichtstheorie vereint. Zunächst sieht Marshall wie in der traditionellen klassischen Lesart das Gesetz fallender Erträge der Landwirtschaft wirken (Kapitel 2 und 3)38. Danach betrachtet er die Bevölkerungsentwicklung und ihren Einfluß auf das Arbeitsangebot (Kapitel 4 bis 6), sowie das Sparen als langfristigen Bestimmungsgrund der Kapitalakkumulation (Kapitel 7). In den folgenden fünf Kapiteln widmet er sich dem Verarbeitenden Gewerbe, das er über die freie Standortwahl der Unternehmen abgrenzt39. Innerhalb dieses Sektors diagnostiziert er eine Dominanz steigender Erträge (,Law of Increasing Returns‘), die er in sechs Schritten begründet. Erstens stellt er den Faktor Organisation als entscheidende und noch an Bedeutung zunehmende Determinante für die Entwicklung eines ökonomischen Systems heraus (Kapitel 8). Marshall knüpft hier an den sozialevolutionären Ansatz an, erörtert die Wechselbeziehungen zwischen ökonomischer und biologischer Wissenschaft, und stellt die Differenzierung und Integration der Arbeitsprozesse als allgemeingültige Prinzipien der Organisationsentwicklung dar40. In einem zweiten Schritt wird dann das Prinzip der Differenzierung in der Arbeitsorganisation näher untersucht (Kapitel 9). Die Zerlegung des Arbeitsprozesses in möglichst kurze und standardisierbare Abschnitte bietet die Basis für die Spezialisierung der Arbeitsqualifikationen und des Sachkapitals. Dies führt dann drittens zu der Frage, in welcher eigentumsrechtlichen Organisationsform diese Vorteile der Arbeitsteilung optimal genutzt werden können. Marshall stellt die Spezialisierungs- und Größenvorteile innerhalb von einzelnen Unternehmen den Vorteilen gegenüber, die im Zusammenwirken der Unternehmen einer Branche bzw. einer Gesamtwirtschaft entstehen. Damit sind für ihn unterschiedliche Konfigurationen – nach der Zahl und Größe der Unternehmen – vorstellbar. Diese Möglichkeit nicht-einzelwirtschaftlicher Realisierungen von Vorteilen der Arbeitsteilung macht viertens eine begriffliche Unterscheidung notwendig: die unternehmensintern erzeugten Vorteile (internal economies) werden den von der Umwelt des Unternehmens abhängigen Vorteilen (external economies) gegenüber gestellt. Bei den externen Effekten, die vom allgemeinen Fortschritt der ,industrial environment‘ abhängen, erkennt Marshall den größeren Spielraum für Produktivitätsgewinne41. Fünftens werden von Marshall diesen beiden Typen ökonomischer Vorteile zwei Organisationsalternativen zugeordnet: Eine 38 Vgl. zur Struktur des 4. Buches der ,Principles‘: Loasby (1990) und Groenewegen (2003c). 39 Marshall (1890a: 339). 40 Marshall (1890a: 300 – 302); vgl. zu sozialevolutionären Argumentationsfiguren bei Marshall: Thomas (1991), Limoges / Ménard (1994), Groenewegen (2003b); speziell zu Spencers Einfluß auf Marshall: Bowler (1989), Groenewegen (1995: 167); zum gesamten Themenkreis Hodgson (1993) und die Beiträge in Hodgson (1995). 41 Marshall (1890a: 375, 506, 661 sowie 1919: 600); zur Unterscheidung von internen und externen Effekten: Jenner (1964).

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Kap. 9: Soziale Evolution, räumliche Dynamik

große Zahl von Kleinunternehmen einer Branche an einem Standort kann gleich starke Vorteile aus der Arbeitsteilung ziehen wie ein beliebiges Großunternehmen. Entsprechend beschreibt Marshall die Vorteile der lokalisierten Industrien (Kapitel 10) und die Vorteile der Großunternehmen (Kapitel 11). In beiden Organisationsformen ist es möglich, bei einer Ausdehnung der Produktion steigende Erträge zu erzielen. Brian J. Loasby hat treffend darauf verwiesen, dass mit Marshalls Beschreibung des Clusters ein alternatives Modell neben die von Adam Smith geschilderte Stecknagel-Fabrik tritt42. Angemerkt sei, dass die negativen Effekte beider Organisationsformen eine wichtige Rolle in Marshalls Argumentation spielen. So steigen in den wachsenden Unternehmen die internen Organisationskosten und konterkarrieren die errungenen Vorteile. Marshall entwarf eine Art ,Lebenszyklus‘-Konzept, für das er ab der zweiten Auflage das Bild von wachsenden Bäumen wählte: Auch das kräftigste Wachstum stößt auf Hindernisse und kommt nach einer Weile zum Stillstand43. Diese biologische Semantik Marshalls war kein Zufall, sondern war tief verwurzelt in seiner evolutionären Sichtweise auf den ökonomischen Wettbewerb44. Sechstens resümiert Marshall, daß für den durchschnittlichen Kostenverlauf in der industriellen Produktion das Gesetz des zunehmenden Ertrages gilt. Mit diesem Resultat schließt er die Untersuchung der langfristigen Einflußfaktoren der Angebotsseite ab45. Als wichtigste Erkenntnis über Marshalls gleichgewichtstheoretische Ansichten ist seine Wendung gegen eine statischen Sichtweise festzuhalten, er plädiert für einen dynamischen Gleichgewichtsbegriff (,moving equilibrium‘). Wettbewerb und Monopol stehen sich hier nicht ausschließend gegenüber: Jedem Wettbewerb ist einerseits eine Tendenz zum Monopol inne, aber die meisten Monopoltendenzen werden andererseits durch neu auftretende Akteure bzw. Innovationen wieder aufgehoben. Diese gegenläufigen Tendenzen können in der Marktwirtschaft auftreten, weil die Marktteilnehmer sich nicht friktionslos durch Zeit und Raum bewegen, sondern in raumzeitliche Kontexte eingebunden sind. Die Ebene, auf der dies konkret geschieht und das langfristige gesamtwirtschaftliche Angebot determiniert wird, ist für Marshall die Produktionsstruktur der einzelnen Branchen, speziell die räumliche Produktionsstruktur. Die Clusterung von Branchen erweist sich in der Marshallschen Theorie als ein entscheidendes Vermittlungsglied, um zum einen die Existenz steigender Erträge zu begründen und zum anderen eine Pluralität von 42 Loasby (1999: 184); vgl. Marshall (1890a: 310, 377 – 379, 715) und bereits Marshall (1879: 198); vgl. zur Gegenüberstellung der Vorteile von Großunternehmen und Cluster: Raffaelli (2003a: 67 – 72). 43 Vgl. Marshall zum Lebenszyklus-Konzept (1890a: 375 – 377), zur Baum-Metapher (1961a: 315 f.) und zum Kommunikations- und Transportsystem (1890a: 377). 44 Allgemein zu Marshalls ,biologischer‘ Semantik: Levine (1983), Niman (1991); vgl. die obigen Literaturangaben zum Sozialevolutionismus. 45 Marshall (1890a: 379).

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Unternehmens- und Marktformen nachzuweisen, durch die Tendenzen zu Marktmonopolen aufgehalten werden. b) Strukturwandel: Vom „factory system“ zum Frühfordismus Läßt innerhalb einer Volkswirtschaft die Tendenz zur Clusterung nach, so muß nach Marshalls Konzeption davon ausgegangen werden, daß entweder die Fähigkeit zur Realisierung von steigenden Erträgen sinkt oder die Internalisierung von Produktionsaktivitäten bzw. die Monopolisierung von Märkten zunimmt. Ist diese Bedeutung der Clusterung von Branchen sowohl für die Produktionstheorie wie für die Wettbewerbstheorie gerechtfertigt? Diese Frage soll im Folgenden immanent an das Marshallsche Werk gestellt werden: Durch welche Produktions- und Unternehmensstrukturen begründete Marshall die Tendenz einer Branche zur Clusterung? Sah er eine Änderung der räumlichen Produktionsstrukturen innerhalb des wirtschaftlichen Strukturwandels seiner Zeit? Die zeitgenössischen Mechanismen der Clusterung grenzte Marshall in den ,Principles‘ von der frühmodernen Lokalisierung des Gewerbes ab46. Der rechtliche Rahmen für gewinnorientiertes Wirtschaften und die technische Entwicklung im Transport- und Kommunikationssektor schuf Möglichkeiten für neuartige Raummuster. Rohstoffnähe und Verkehrslage mußten sich in einem viel größeren räumlichen Radius als Standortfaktor bewähren und die Vorteile räumlicher Branchenkonzentrationen nahmen zu. Produktionstechnik und Unternehmensgröße waren somit bereits wichtige Faktoren bei der Durchsetzung der sektoralen Clusterung. In der modernen Ökonomie sieht Marshall die Clusterung an unterschiedliche Produktions- und Unternehmensstrukturen gebunden. So wählt er seine Beispiele für Cluster zum einen aus dem Bereich der hoch standardisierten und maschinisierten Produktionsprozesse der Baumwoll- und Wollindustrie. Den Schlüssel für die fortdauernde Clusterung sieht er dabei in den effizienten Transaktions- und Kommunikationsbeziehungen der lokalen Unternehmen. Speziell verweist er bei der Baumwollindustrie in Lancashire, die er in ,Industry and Trade‘ als „compact industrial district“ bezeichnet, auf die Beziehungen zwischen Maschinenproduzenten und -nutzern sowie zwischen Textilproduktion und -handel47. Zum anderen bezieht er sich auf verschiedene Metallgewerbe in Nord- und Mittelengland und die Töpferindustrie in Staffordshire, in denen eine starke Produktdifferenzierung, ein breiter Mix an Technologien und verschiedene Unternehmensgrößen existieren. Schließlich verweist er auf traditionelle, eher hausgewerbliche Branchen wie die Strohflechterei in Bedfordshire und das Stuhlgewerbe in Wycombe. Solche handMarshall (1890a: 38 f., 329). Marshall (1919: 599 – 603) vgl. auch Marshall (1923: 218); die anderen im Folgenden zitierten Beispiele entstammen dem Cluster-Kapitel der ,Principles‘, vgl. Marshall (1890a: 328 – 338). 46 47

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Kap. 9: Soziale Evolution, räumliche Dynamik

werklich-kleinbetrieblichen Produktionsstrukturen neigen jedoch erst zur räumlichen Konzentration, wenn sie fernabsatzorientiert sind und spezielle Arbeitsqualifikationen bzw. Maschinen erfordern48. Insgesamt sieht Marshall die oben beschriebenen Vorteile der räumlichen Konzentration in den Branchen zur Geltung kommen, die durch komplexe Produktionsprozesse, hohe Arbeitsqualifikationen und ein differenziertes und wechselndes Produktprogramm charakterisiert sind und in denen steigende Erträge bei einer Produktionsausdehung möglich sind. Diese Branchencharakteristika ändern sich mit dem historischen Wandel von Produkten und Technologien, so daß sich auch die Tendenz zur räumlichen Konzentration verändern kann. In Marshalls genereller Diskussion über die Vorteile unterschiedlicher Unternehmensgrößen und -formen zeichnet sich zunächst keine Tendenz ab. Die Vorteile von Großunternehmen sieht Marshall vor allem bei betrieblichen Aktivitäten wie Beschaffung, Absatz und Finanzierung, Personalmanagement und Einsatz von Sachkapital49. Das interne Größenwachstum kann jedoch an Effizienzgrenzen stoßen. Demgegenüber erweist sich der Kleinbetrieb als besser kontrolliert und flexibler gesteuert. Da Marshall die Clusterung von Unternehmen überwiegend auf kleinbetriebliche Strukturen bezieht, hat die lokalisierte Industrie nach dieser Situationsbeschreibung eine solide Basis. Die Situation ändert sich, wenn ein absehbarer Trend zu einem höheren Innovationsgrad sowie die Verwissenschaftlichung der Ökonomie einbezogen werden. Marshall hält Großunternehmen eher für geeignet, radikale Innovationen hervorzubringen. Kleinunternehmen seien aufgrund ihrer Kapazitäten dagegen auf inkrementelle Innovationen beschränkt. Der Übergang zu wissenschaftlich angeleiteter Innovation hat nach seiner Ansicht auf die verschiedenen Unternehmensgrößen eine doppelte Wirkung: Zum einen erhöht dies den Aufwand von Innovationsprozessen, was die Chancen von Kleinunternehmen verringert. Zum anderen steigt durch die wissenschaftliche Kommunikation das Tempo der Wissensdiffusion, wovon Kleinunternehmen profitieren können50. Hier werden somit erhebliche Hürden für die lokalisierten Industrien sichtbar, soweit sie auf kleinbetrieblichen Strukturen basieren. Eine komplexe Wirkung haben Änderungen bei den Anforderungen an die Qualifikation der Arbeitskräfte. So vermutet Marshall, daß hochspezialisierte Handarbeit zunehmend in geringerem Maße als Schlüsselressource gelten werde, da derartige Arbeitsqualifikationen leichter kopiert bzw. an andere Standorte transferiert werden können51. Weiter unterscheidet Marshall allgemeine Arbeitsqualifikationen 48 Siehe die genannten empirischen Beispiele und Marshalls (1879: 196) frühe Definition der ,manufacturing industries‘, die er der Begründung einer Lokalisierungstendenz vorausschickt. 49 Marshall (1890a: 339 – 344); vgl. Marshall (1890a) allgemein zur Diskussion von Unternehmensgrößen (300 – 380) und speziell zu unterschiedlichen Profitraten der Klein- und Großunternehmen (646 – 649); siehe bereits Marshall / Marshall (1879: 52 – 55). 50 Marshall (1890a: 341 f., 345 f.). 51 Marshall (1890a: 262).

3. Cluster als Kategorie der Preistheorie

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– Auffassungsgabe und Reaktionsfähigkeit, Allgemeinwissen, Sprachkenntnisse etc. – von branchenspezifischen Qualifikationen wie etwa dem Wissen um Produktionsmaterialien und -prozesse. Die Bedeutung der allgemeinen Fähigkeiten, die zwischen Branchen und Standorten transferiert werden können, nimmt nach Marshalls Einschätzung ständig zu52. Allerdings bedeutet dies keine generelle Deterritorialisierung von Arbeitsqualifikationen. Erstens verweist Marshall auf die permanente Verknüpfung von branchenspezifischen und unspezifischen Kenntnissen, was ihre Transferierbarkeit einschränkt. Zweitens sieht er einen Einfluß regionaler Konventionen innerhalb der Qualifizierungsprozesse. Drittens erkennt er eine säkulare Tendenz zur Höherqualifizierung von Arbeitskräften, während unqualifizierte Arbeiten durch Maschinenarbeit ersetzt werden. Dies wiederum stärkt die Standortbindung aufgrund von Arbeitsqualifikationen53. Schließlich erörtert Marshall auch den Übergang zu Unternehmensformen jenseits des Dualismus von Groß- und Kleinunternehmen, der wiederum mit neuen räumlichen Konfigurationen verbunden ist. So erörtert er ,holistische‘ Unternehmen der Textilindustrie (,Manchester warehouses‘), die die Produktionsplanung, das Marketing und den Vertrieb übernehmen, während sie die Produktion teils lokal, teils global auslagern. Während Teile der Produktionskette räumlich desintegriert werden, bleiben die komplexen und wertschöpfungsintensiven Glieder räumlich konzentriert. Ebenso verweist er auf die Externalisierungstendenz im mittelständischen Sheffielder Schneidwarengewerbe und in der städtischen Hausindustrie, wie z. B. im Londoner Möbel- und Bekleidungsgewerbe54. Auch in diesen Fällen haben die Unternehmen etablierter Cluster auf Veränderungen von Märkten und Technologien reagiert und einfache Arbeitsgänge an selbständige Produzenten vergeben. Da diese Subunternehmer stark auf ihre Auftraggeber bezogen bleiben, bleibt die räumliche Konzentration erhalten. Aus diesen Betrachtungen des historischen Strukturwandels können bereits für die erste Auflage der ,Principles‘ einige Trendeinschätzungen für die industrielle Clusterung abgeleitet werden. Marshall scheint eine Clusterung vor allem in den Branchen für zukunftsfähig zu halten, in denen für eine größere Zahl von Unternehmen Platz ist, die etablierte Produkte und Prozesse schrittweise verbessern und Innovationen erfolgreich adaptieren. Allerdings setzen die für Marshall erkennbare weitere Automatisierung und Verwissenschaftlichung der Produktion sowie die Internationalisierung der Märkte die kleinbetrieblichen Produktions- und Handelsunternehmen unter Druck55. Damit nehmen die Vorteile ab, die durch eine räumliche Konzentration erzielt werden können. Auch wenn Marshall auf einer langfristiMarshall (1890a: 263, 602). Dies formuliert Marshall (1961a: 716) explizit in einem in die 5. Auflage eingeführten Paragraphen; vgl. Arena (2003: 227 f.). 54 Vgl. Marshall (1890a: 357) zur Textilindustrie in Manchester, zu Unterauftragnehmern (343) und zum Sheffielder und Londoner Gewerbe (358). 55 Marshall (1890a: 346 – 348). 52 53

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Kap. 9: Soziale Evolution, räumliche Dynamik

gen Vielfalt von Unternehmensformen und -größen besteht, so sieht er doch einen langfristigen Terraingewinn von Großunternehmen: „There is no rule of universal application; but the struggle between the solid strength of steady-going firms with large capitals on the one hand, and the quick inventiveness and energy, the suppleness and power of variation of their smaller rivals on the other, seems inclined to issue in the large majority of cases in the victory of the former“56.

Im Strukturwandel der Unternehmensformen verringert sich also der Spielraum für die Clusterung. Diese Diagnose wird in ,Industry and Trade‘ weiter zugunsten des Großunternehmens verschoben. Marshall dehnt hier die Untersuchung der Bedingungen des räumlichen Strukturwandels wesentlich aus, differenziert nach Branchen und Ländern und bezieht eine breite Palette sozioökonomischer Faktoren ein. Die Szenerie der industriellen Produktion hat sich verändert: Die Methoden Henry Fords und Frederick W. Taylors haben die Produktionsorganisation revolutioniert. Perspektivisch sieht Marshall die raumbindenden Kräfte von Arbeitsqualifikationen und Zulieferindustrien schwinden. Während die Standardisierung und Automatisierung die Bedeutung von Arbeitsqualifikationen verringern, ist der moderne Großbetrieb in der Lage, viele Leistungen selbst zu erbringen und sich so von seiner räumlichen Nachbarschaft unabhängig zu machen: „( . . . ), the importance of internal economies has increased steadily and fast; while some of the old external economies have declined in importance; and many of those which have risen in their place are national, or even cosmopolitan, rather than local“57.

Insbesondere im Fall der USA, die eine Pionierrolle im Umbruch der Produktionsorganisation einnahm, erkennt er einen Rückgang der lokalisierenden Kräfte. In der Konsequenz, so Marshall, werden die Materialfundstätten bzw. Transportkosten die Standortwahl der Unternehmen immer stärker dominieren58. Dieser Überblick macht deutlich, daß nach Marshall die räumliche Struktur der Ökonomie einem historischen Strukturwandel unterliegt. Dabei knüpft er die räumliche Konzentration von Branchen vor allem an die Größe von Unternehmen und deren arbeitsorganisatorische Integration. Langfristig zeichnet sich ein Aufstieg räumlich wenig gebundener Großunternehmen bzw. ein Bedeutungsverlust der Clusterung ab. Da bei Marshall die (räumliche) Produktionsstruktur der einzelnen Branchen als eine der Begründungen steigender Erträge fungiert und gleichzeitig eine Pluralität von Unternehmens- und Marktformen sichert, hätte eine deutliche Abnahme der Clusterung starke Auswirkungen auf seine Preis- und Wettbewerbstheorie. MarMarshall (1890a: 376). Vgl. Marshall (1919: 367), vgl. Marshall (1919: 167 – 170) zum Bedeutungsgewinn der internen Effekte. 58 Marshall (1919: 150 f.) zum Wandel der Raumstruktur in den USA; er verweist dabei auf die Studie von Hall (1902). 56 57

4. Die soziale Dimension

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shall diskutiert diesen Fall aber nicht systematisch im Hinblick auf seine Produktions- und Wettbewerbstheorie, so daß hier wichtige Fragen offen bleiben.

4. Die soziale Dimension „Economics is a science of human action“ charakterisierte Marshall seine Wissenschaft59. Das ökonomische Handeln ist für ihn stets ein Teilaspekt des sozialen Handelns. Sein Gesellschaftsbegriff ist dabei wesentlich vom Sozialevolutionismus und dem Historismus geprägt. Er distanzierte sich von dem Menschenbild der klassischen Politischen Ökonomie und verstand die handelnden Akteure immer schon als Angehörige eines sozialen Zusammenhangs (,members of the social organism‘). Daher, so Marshall, komme es für die Volkswirtschaftslehre darauf an, diese gesellschaftlichen Beziehungen einzubeziehen: „( . . . ) in most economic problems the best starting-point is to be found in the motives that affect the individual, regarded not indeed as an isolated ,atom‘ ( . . . ), but as a member of some particular trade or industrial group“60.

Dieser Zusammenhang zwischen der oben dargestellten ökonomischen Rationalität innerhalb von Clustern und der Gesellschaftlichkeit der Akteure soll im Folgenden auf einer allgemeinen Ebene (a)) und speziell für den Innovationsprozeß (b)), in dem die soziale Interaktion besonders entscheidend ist, beleuchtet werden.

a) Die (Dys-)Funktionalität sozialer Bindungen Ökonomisches Handeln geschieht nach Marshall stets unter der Voraussetzung unvollständiger Information und orientiert an verschiedenartigen Motiven. Auch wenn Marshall auf der mikroökonomischen Ebene eine Reihe von Annahmen über die Handlungsweisen der Akteure trifft, so vertritt er nicht das Bild eines rationalen, rein nutzenmaximierenden ,homo oeconomicus‘. Jeder Akteur, der ausschließlich seine eigenen Strategien verfolge, müsse diese an den Strategien anderer Akteure relativieren. So komme es zu einer wechselseitigen Reflexion über das individuelle Handeln. Die Akteure schaffen in der Verständigung mit anderen Akteuren soziale Konventionen (,habits and customs‘)61, die ihnen bei künftigen Handlungen als Richtlinie dienen. Eine Vorteilnahme auf Kosten anderer wird durch diese Konventionen gemildert. Gleichzeitig, so Marshall, ändern sich die Marshall (1890a: 86). Marshall (1890a: 73); vgl. ähnlich Marshall (1961a: 25) mit einer Kritik an der individualistischen Orientierung der klassischen Politischen Ökonomie. 61 Marshall (1961a: 21); diese Passage wurde in der dritten Auflage eingefügt; vgl. Marshall zur begrenzten Rationalität (1890a: 540 f.) und zur Kritik des ,homo oeconomicus‘ (1890a: 78 – 85 und 1961a: 20 f.); siehe zu Marshalls Menschenbild Chasse (1984) und Bigg (1990: 34 – 37); allgemein zu Marshalls Soziologie: Aspers (1999). 59 60

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Kap. 9: Soziale Evolution, räumliche Dynamik

Ziele und Formen der wirtschaftlichen Tätigkeit mit der gesellschaftlichen Entwicklung. So unterliegen die ,egoistischen‘ Verhaltensweisen einem historischem Wandel; insgesamt zeichnet sich der moderne Kapitalismus vor allem durch eine zunehmende Reflexivität (,deliberateness‘) der Individuen aus62. Die gesellschaftlichen Regel- und Symbolsysteme, die auf diese Weise entstehen, bedingen zahlreiche Vorraussetzungen. Gefordert wird eine Akzeptanz der Regeln, eine Verschränkung der Perspektiven und Vertrauen in die Regelerfüllung: „The whole mechanism of society rests on confidence“63. Am Beispiel der Kreditvergabe illustriert Marshall, daß das Funktionieren von Vertrauen nicht nur durch enge personale Beziehungen erklärt werden kann, sondern das Verhalten der Personen erst durch ihre gemeinsame Verpflichtung auf das gesellschaftliche Regelsystem zustande kommt. Daher, so Marshall, könne auch davon gesprochen werden, daß ein ,social credit‘ vergeben werde. Dieses Verständnis zeigt sich auch in Marshalls Konzept räumlicher Konzentration: „A manufacturing district offers many social advantages“64. In den ,Principles‘ sieht er im Cluster-Kapitel explizit an zwei Stellen einen Einfluß gesellschaftlicher Beziehungen. Erstens entstehen innerhalb der Unternehmen soziale Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern: „Social forces here co-operate with economic“65. National und regional unterschiedliche soziale Verhältnisse können sich auf das Arbeitsangebot und die Produktivität der Arbeit auswirken. Welche sozialen Aspekte in diesem Fall relevant werden können – Einstellungen zur Arbeit und zum Unternehmertum, Heiratsverhalten und Familienstrukturen, religiöse Bindungen – hat Marshall zuvor in seiner Diskussion des Arbeitsangebots aufgezeigt66. In geclusterten Unternehmen besitzen nun die gesellschaftlichen Normen und Werte einen anderen Stellenwert als in nicht-geclusterten Unternehmen. Der größere und flexiblere Arbeitsmarkt in Clustern sorgt für eine schnellere Verbreitung und Angleichung von sozialen Verhaltensweisen. Negative Verhaltensweisen brauchen weniger toleriert zu werden, da sowohl Arbeitnehmer wie Arbeitgeber sich bei Konflikten unkomplizierter ein anderes Unternehmen bzw. einen anderen Arbeitnehmer wählen können67. Zweitens wird die Arbeit in einem Cluster permanent von vielen Akteuren wahrgenommen, diskutiert und bewertet. Entsprechend wird der Einsatz neuer Technologien oder die Markteinführung neuer Produkte ständig durch die Meinungsbildung beeinflußt. Die wirtschaftlichen und technischen Strategien der Unternehmen werden innerhalb dieses Rahmens sozialer Kommunikation gebildet. In den ,Principles‘ drückt Marshall dies mit der oben zitierten Wendung aus, 62 63 64 65 66 67

Marshall (1890a: 6). Marshall (1919: 165). Marshall / Marshall (1879: 47). Marshall (1890a: 333). Marshall (1890a: 245 – 283). Marshall (1890a: 333), vgl. bereits Marshall / Marshall (1879: 47).

4. Die soziale Dimension

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daß die Geheimnisse der Industrie in einem Cluster ,in der Luft‘ lägen. In ,Industry and Trade‘ wählt er das Bild einer ,Atmosphäre‘, in der sich die Handelnden bewegen: „Sheffield and Solingen have acquired industrial ,atmospheres‘ of their own; which yield gratis to the manufacturers of cutlery great advantages, that are not easily to be had elsewhere: and an atmosphere cannot be moved“68.

Damit entsteht eine soziale Dimension von Clustern, in der die Akteure in ein Netz persönlicher Verbindlichkeiten und Vertrauensverhältnisse eingebunden sind. Dies wird im folgenden Abschnitt über die Rolle von Innovation in Clustern weiter vertieft69. Soziale Normen und Werte sind für Marshall allerdings keine autonome Sphäre, die der Ökonomie vorausgesetzt bleibt. Normen und Werte werden selbst durch die wirtschaftliche Entwicklung verändert. Hier kommt der sozialevolutionäre Charakter der Marshallschen Gesellschaftstheorie zum Tragen: Menschliche Verhaltensweisen bilden sich situationsadäquat aufgrund vielfältiger gesellschaftlicher Stimulierungen und unterliegen einem beständigen Wandel70. Von Stabilität kann somit stets nur in Relation zu bestimmten sozialen Kontexten und Zeithorizonten gesprochen werden. Beispielsweise habe sich das Verhältnis von Unternehmern und Beschäftigten zwar auch aufgrund der Änderung sozialer Konventionen (,changes in sentiment, in domestic habits and in social relations generally‘) gewandelt, vor allem aber durch die technisch-ökonomischen Veränderungen71. Diese historischpraxisorientierte Auffassung demonstriert Marshall zum einen anhand menschlicher Bedürfnisse, indem er auf die fortwährende Variabilität und Pluralisierung von Bedürfnissen verweist. Zum anderen zeigt er die Variationsfähigkeit menschlicher Eigenschaften und Fähigkeiten auf, so etwa bei der Arbeitsdisziplin und dem Bildungsgrad72. In seinen wirtschaftsgeschichtlichen Arbeiten untersucht Marshall, wie wirtschaftliche Entwicklungen durch den kollektiven Charakter von Milieus beeinflußt werden und verdeutlicht gleichzeitig deren Entstehungsbedingungen. So weist Marshall in seinen Ausführungen zur Qualifizierung des Humankapitals auf die Evolution sozialer Normen in den Regionen hin, wo der industrielle Sektor stark expandierte. Dort seien Eigenschaften wie Verantwortungsgefühl und Sorgfalt bei der Bedienung aufwendiger Anlagen besonders ausgeprägt73. In ,Money, Credit and Commerce‘ identifiziert Marshall eine ,lokalpatriotische‘ Tradition innerhalb

Marshall (1919: 284); vgl. Marshall (1890a: 263 f., 332). Marshall (1890a: 332 f.). 70 Vgl. zum Folgenden Matthews (1990: 20 – 30). 71 Marshall (1879: 43). 72 Marshall (1961a: 87); dieses zweite Kapitel ,Wants in Relation to Activities‘ im dritten Buch wurde in der zweiten Auflage von 1891 eingefügt. 73 Marshall (1890a: 261). 68 69

168

Kap. 9: Soziale Evolution, räumliche Dynamik

einer Region, bei der sich die Bewohner mit den dominanten Industrien eines Gebietes identifizieren und sich stark für diese engagieren74. Schließlich zeigt Marshall auf, daß sich im historischen Strukturwandel der Stellenwert und die Funktion soziokultureller Momente ändern. Zum einen weist er darauf hin, daß in modernen Gesellschaften die Bedeutung von traditionellen Konventionen abnimmt75. Zum anderen ändern sich die kulturellen Inhalte mit der gesellschaftlichen Entwicklung und es kommt zu einer Annäherung von Gewohnheiten und Kulturen unterschiedlicher Länder. Allerdings besitzen soziale Konventionen auch eine relative Autonomie. Selbst bei Verlust ihrer ursprünglichen Funktionen können soziale Normen und Institutionen im Repertoire des gesellschaftlichen Handelns vertreten bleiben: „The past lives on for ages after it has been lost from memory“76. Diese Dauerhaftigkeit von Konventionen diagnostiziert Marshall beispielsweise für das moderne Großbritannien77. Die Transaktionsbeziehungen der Akteure, so kann festgehalten werden, folgen in einem Cluster einer ökonomischen Rationalität. Diese wird jedoch immer wieder modifiziert und überformt durch die soziale Eingebundenheit aller Akteure. Durch die intersubjektiv geteilten Formen des sozialen Handelns wird die Interaktion und Kommunikation der Akteure erleichtert. Dabei sind für Marshall die gesellschaftlichen Normen und Werte nicht autonom und statisch, sondern werden selbst innerhalb der gesellschaftlichen Entwicklungen permanent verändert. Die Bedeutung dieser sozialen Dimension für die räumliche Produktionsstruktur untersucht Marshall nicht systematisch; seine Schilderungen einer sozialen ,Atmosphäre‘ in Clustern bleibt eher eine intuitive Eröffnung eines Forschungsfeldes. Für einen Bereich, der auch heute noch von besonderem Interesse ist, dem Innovationsprozeß, stellte Marshall allerdings eine Reihe von Überlegungen an, die hier vorgestellt werden sollen. b) Orte der Innovation: Kreativität und Routine Für Alfred Marshall war die Herstellung und Nutzung von Wissen immer ein zentraler Aspekt moderner Volkswirtschaften: „Knowledge is our most powerful engine of production“78. Die Verlangsamung des industriellen Wachstums in Großbritannien seit den späten 1870ern hatte aus Marshalls Sicht verschiedene Gründe. Im Vordergrund standen für ihn allerdings Defizite bei der Bildung und Nutzung von Wissen: Er machte das ungenügende Bildungssystem, die geringe VerknüpMarshall (1923: 2). Marshall (1890a: 34 – 37, 46). 76 Marshall (1919: 6), vgl. Arena (2003: 231). 77 Marshall (1890a: 602). 78 Marshall (1961a: 138); dieser Satz wurde in die 4. Auflage 1898 eingefügt. Vgl zur Bedeutung des Wissens auch Marshall (1890a: 217 f., 265, 286, 298, 301, 312 sowie 1919: 41), Interpretationen bei Loasby (1998), Arena (2003) und Raffaelli (2003a: 47 – 54). 74 75

4. Die soziale Dimension

169

fung mit wissenschaftlicher Forschung und die erlahmte Innovationsorientierung verantwortlich. Stattdessen forderte er seine Landsleute auf, zu einer Kultur des Lernens zurückzukehren: „( . . . ) the time had passed at which they could afford merely to teach foreigners and not learn from them in return“79. Die Verbindungen zwischen der Wissenproduktion und der Clusterung von Unternehmen ist in den vorangegangenen Abschnitten bereits angedeutet worden. Im Folgenden soll näher betrachtet werden, wie Marshall Innovationsprozesse betrachtete und in welcher Weise er Zusammenhänge zur räumlichen Struktur der Ökonomie herstellte. Marshalls Sichtweise der Herstellung und Nutzung von Wissen in der Ökonomie war durch seine sozialevolutionäre Gesellschaftstheorie geprägt. In der Nachfolge Spencers betrachtete er die Mechanismen der Evolution als dauerhafte Übernahme erworbener Fähigkeiten, berücksichtigte allerdings auch wechselseitige Änderungen: Menschliche Tätigkeit ist nicht als Anpassung auf eine statische Umwelt gerichtet, da diese Umwelt in weiten Teilen selbst gesellschaftliches Produkt ist. Dies ist ein über Spencer hinausgehendes evolutionäres Konzept menschlichen Handelns, das Marshall um 1870 in seiner ,philosophischen‘ Phase entwikkelte, wie Tiziano Raffaelli gezeigt hat80. Zentral für Marshalls Handlungsmodell ist die Annahme der Ko-Evolution. Sowohl die gesellschaftlichen Individuen, wie auch ihre Umwelt unterliegen einem permanenten Wandel: „It is true, that human nature can be modified“81. Er verband damit die Hoffnung auf eine Ausdehnung der menschlichen Fähigkeiten und letztlich einer Verbesserung des Lebensstandards der arbeitenden Bevölkerung. Dies unterscheidet ihn von einem statischen und entwicklungspessimistischen Menschenbild, wie es die utilitaristische Philosophie vertrat. Die gesellschaftliche Evolution hat für Marshall weder eine eindeutige Richtung, noch ist sie ein teleologischer Prozeß, der auf ein Anpassungsoptimum hin tendiert. Sie geht für ihn nicht zwingend mit einem Gewinn an gesellschaftlichem Fortschritt einher. Wenn Marshall auch von einer langfristigen Optimierung des gesellschaftlichen Systems überzeugt ist, so sind innerhalb des Anpassungsprozesses negative Entwicklungen möglich. Erstens können als Nebeneffekt evolutionärer Entwicklungen Eigenschaften auftreten, die neutrale bzw. schädigende Wirkungen für ihre Umwelt haben. Zweitens kann es zu ,ökonomischem Parasitismus‘ kommen, wenn es Individuen bzw. Gruppen gelingt, leistungslose Einkommen zu erwerben. Drittens können Entwicklungen abgebrochen werden, die langfristig und indirekt die größeren Wohlfahrtseffekte erzielen. In der räumlichen Dimension konnte z. B. eine problematische Zunahme von Disparitäten eintreten, gerade weil der evolutionäre Wettbewerb zwischen Arbeitsqualifikationen erfolgreich verlief: „[Natural selection], while tending to equalize the earnings of work of each order of efficiency, often increases the inequalities of average earnings in different places“82. 79 80 81

Marshall (1903a: 406); vgl. die ausführliche Analyse in ,Industry and Trade‘. Raffaelli (2003a und b). Marshall (1890a: 47).

170

Kap. 9: Soziale Evolution, räumliche Dynamik

Kurzum, die Variation und Selektion gesellschaftlicher Organisationslösungen garantiert nach Marshall nicht, daß negative Begleitfolgen ausgeschlossen werden bzw. optimale Resultate erzielt werden. Damit ist klar, daß Marshall diese ,bewußtlose‘ Form gesellschaftlicher Selbstorganisation gegebenenfalls durch Formen bewußten gesellschaftlichen Handelns ergänzt wissen möchte, was die Distanz zu Spencers Gesellschafts- und Staatsverständnis deutlich werden läßt. Im wirtschaftlichen Bereich ist die Produktion von neuen Produkten und Prozessen mehr als die Optimierung bereits festgelegter Abläufe. Es handelt sich um Lernprozesse, in denen die Akteure vorher nicht existente Kombinationen von Faktoren herstellen. So bieten auch Standorte mit ihren unterschiedlichen Ressourcen und Lagevorteilen einen Möglichkeitsspielraum für effiziente Lösungen: „Every locality has incidents of its own which affect in various ways the methods of arrangement of every class of business that is carried on in it. But even in the same place and the same trade no two persons pursuing the same aims will adopt exactly the same routes“83.

Der Korridor für alternative Lösungen ist in den verschiedenen Branchen unterschiedlich breit, wie Marshall mit Blick auf die Textil- und Metallindustrien erwähnt. Welche Faktorkombinationen realisiert werden, hängt in hohem Grade von dem Qualifikationsprofil und Beziehungsnetz des Unternehmers ab. Marshall sieht zwei Vorgehensweisen, mit denen der menschliche Geist den interdependenten Prozeß der Anpassung an die Umweltbedingungen bewältigt. Zum einen werden Innovationen generiert, zum anderen werden diese Innovationen, wenn sie sich bewährt haben, zu wiederholbaren Handlungsabläufen standardisiert. Menschliches Handeln ist also weder reine Spontanität noch ein reiner Automatismus, sondern eine situationsbezogene Kombination beider Handlungsformen. Während kreatives Handeln neue Pfade eröffnet, spart das Routine-Handeln Kräfte84. Somit sind in Marshalls Modell des Handelns permanente Verbesserungen vorgesehen, aber dies führt nicht zu einer ausschließlichen Verhaltensrichtlinie. Vielmehr stellt sich im Wettbewerb eine Vielfältigkeit an Organisationslösungen ein, die wiederum als Ressource bei Veränderungen des Wettbewerbsrahmens genutzt werden können: „The tendency to variation is a chief cause of progress“85. Marshall weist entsprechend auf die Gefahren einer zu engen Anpassung an ökologische Nischen hin. Eine zu weitgehende Automatisierung von Handlungsabläufen sei zu vermeiden. Das menschliche Handlungssystem müsse stets offen bleiben für neuartige Anpassungssituationen. 82 Marshall (1923: 5); zu schädigenden Einflüssen und zum Parasitismus in der Evolution: Marshall (1890a: 304 f.), zur Unterbindung langfristig besserer Ergebnisse: Marshall (1890a: 629 – 631); siehe auch Marshall (1919: 174 – 177); vgl. Raffaelli (2003b: 257). 83 Marshall (1890a: 517 f. bzw. 1961a: 355). 84 Raffaelli (2003a: 54 – 57): vgl. auch die Unterschiede in der Entlohnung von unternehmerischer Kreativität und Routine: Marshall (1890a: 635 – 637). 85 Marshall (1961a: 355, ähnlich 1890a: 518), siehe Raffaelli (2003b: 261 f.).

4. Die soziale Dimension

171

Diese allgemeine Logik menschlichen Handelns zeigt Marshall auch im ökonomischen Handeln auf. Ökonomische Organisationsformen müssen in der Lage sein, eine effiziente Kombination kreativer und routinisierter Handlungsformen zu verbinden. Diese unterschiedlichen Anforderungen können unter anderem in der räumlichen Organisationstruktur umgesetzt werden. In räumlichen Branchenkonzentrationen herrscht eine schnelle Diffusion des Wissens und es treten spill-over zwischen den Akteuren ein: „Each man profits by the ideas of his neighbours: he is stimulated by contact with those who are interested in his own pursuit to make new experiments; and each successful invention, whether it be a new machine, a new process, or a new way of organizing the business, is likely when once started to spread and to be improved upon“86.

Hier lassen sich Bezüge zu Marshalls Ansichten über die Voraussetzungen politischer Prozesse herstellen87: Er hielt die örtliche ,Community‘ für die entscheidende räumlich-soziale Form, um kollektive Identitäten herzustellen und eine Kooperation zwischen Staatsbürgern zu stiften. Innerhalb von Clustern sieht Marshall vor allem Vorteile der permanenten Verbesserung von Produkten und Produktionsprozessen. Dieser Wissensaufbau innerhalb von Clustern bleibt jedoch ständig durch die räumliche Diffusion dieses Wissens bedroht. Die wissensintensiven Standortballungen sind daher ständig gefordert, das Wettrennen zwischen Kreation und Abfluß von Wissen zu gewinnen, was Marshall in einer Denkschrift zur Handelspolitik am Beispiel der Pariser Luxusindustrien schildert: „New Parisian goods are sold at high prices in London and Berlin for a short time, and then good imitations of them are made in large quanitities and sold at relatively low prices. But by that time Paris, which had earned high wages and profits by making them to sell at scarity prices, is already at work on other things which will soon be imitated in a like way“88.

Cluster sind jedoch nicht als die generell kreativeren Organisationen zu sehen. Großunternehmen haben Vorteile bei der Initiierung bewußt geplanten radikalen Wandels, da sie aufgrund ihrer überlegenen Ressourcen ein höheres Aufwandsrisiko übernehmen können89. Darüber hinaus sind sie beim Einsatz standardisierbarer Technologien, d. h. bei der Routinisierung von Handlungsabläufen überlegen. Cluster sind folglich nur dann eine effiziente Organisationsform, wenn eine komplexe Mischung von Kreativität und Routine gefragt ist. Diese Mischung ist insbesondere bei der Bildung und Bewahrung von Qualifikationen vorteilhaft. Standortwechsel bzw. Standortkontinuität können jeweils unterschiedliche Kompetenzen der Arbeitskraft verstärken oder auch schwächen, wie 86 87 88 89

Marshall / Marshall (1879: 53), vgl. Marshall (1879: 198, 1890a: 332 sowie 1919: 284). Groenewegen (1995: 450 – 457). Marshall (1903a: 404). Marshall (1890a: 341 – 346).

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Kap. 9: Soziale Evolution, räumliche Dynamik

Marshall in den ,Principles‘ verdeutlicht 90. Generell ermöglicht die langfristige Beharrung von Arbeitskräften an einem Standort die schrittweise Weiterbildung von Beschäftigten. Allerdings kann sich dadurch langfristig die Lernbereitschaft an einem Standort vermindern. Dagegen erkennt Marshall bei einem Standortwechsel von Arbeitskräften einen Gewinn an neuen Fähigkeiten und Kenntnissen. Neue Lösungswege werden zudem leichter von Ortsfremden akzeptiert. Um die Gefahr einer mentalen Erstarrung zu vermeiden, sollte jeder Standort offen bleiben für Ideen von außen: „In the long run the advance of each locality depends much on the richness of the markets which neighbouring districts afford to its buyers and sellers, and on the suggestions that it derives from the rest of the country, as well as on its power on attracting from outside any men of special attainments, whose aid may be helpful to it“91.

Allerdings ist ein Standortwechsel auch mit dem Risiko verbunden, spezialisiertes Wissen und die soziale Stellung zu verlieren. Die ,Reputation‘, die so wichtig in lokalen Fachgemeinschaften ist, können Akteure nur begrenzt zu einem neuen Standort transferieren. Innovationsprozesse, so ist Marshalls Auffassung zu resümieren, können stark durch die räumliche Struktur der Unternehmen beeeinflußt werden. Dabei erleichtert die räumliche Nähe in Clustern vor allem die ,alltägliche‘ Innovation. Räumliche Konzentration wirkt sich dann positiv aus, wenn in einer Branche Produkte und Produktionsprozesse permanent und schrittweise geändert werden müssen. Marshalls Behandlung des Innovationsprozesses unterscheidet sich dabei signifikant von den klassischen Autoren. Innovation ist für ihn keine bloße Optimierung betrieblicher Faktoren, sondern wird durch vielfältige und nur im gesellschaftlichen Kontext erklärbare Faktoren beeinflusst. Der ,industrial district‘ ist für Marshall eine Realisierungsform menschlicher Evolution: Er bietet eine institutionelle Umwelt, in der sich die Fähigkeiten des Lernens und der Gestaltung der eigenen Umwelt anwenden lassen. Für den Bereich der Innovation hat Marshall somit die Bedeutung der sozialen Dimension von Clustern nachgewiesen und analysiert.

5. Quellen In den vorangegangenen Abschnitten wurde skizziert, wie Marshall die Clusterung innerhalb einer neuen theoretischen Synthese integrierte. Dabei zeigte sich an verschiedenen Stellen, daß Marshall verschiedene Cluster-Beschreibungen und Konzeptualisierungen der volkswirtschaftlichen Diskussion rezipierte. Angesichts der Bedeutung von Marshalls Beitrag für die Raumwirtschaftstheorie soll dieses Zusammenführen verschiedener Argumentationslinien bei Marshall genauer aufgezeigt werden. 90 91

Marshall (1890a: 250 – 255 sowie 332 – 334). Marshall (1923: 4); zur Gefahr des lock-in siehe Marshall (1890a: 251).

5. Quellen

173

Was Marshalls Veröffentlichungen betrifft, so finden sich in den frühen Werken keine Zitierungen. Innerhalb des Cluster-Kapitels der ,Principles‘ von 1890 zitierte Marshall ausschließlich wirtschaftsgeschichtliche und empirische Studien92. Hierzu gehören Studien von Thorold Rogers und Samuel Smiles, unter anderem über die französischen Hugenotten in Großbritannien und Irland. Zur Verlagerung von Industrien wird auf einen Artikel von Leonard Courtney und auf den Bericht der ,Comission on the Depression of Trade and Industry‘ verwiesen. Weiter werden eine Beschreibung der Gewerbe in den Midlands von Charles Knight, Charles Booth‘ Abhandlung über Beschäftigungszweige und Daniel Defoes Schriften genannt. Den einzigen Hinweis auf eine theoretische Erörterung der Lokalisierung fügte Marshall in der 3. Auflage von 1895 ein, indem er John A. Hobsons ,Evolution of Modern Capitalism‘ bescheinigt, die Wechselwirkungen zwischen industrieller Lokalisierung, Städtewachstum und der städtischen Lebensweise gründlich zu diskutieren93. Marshall, der stets sehr freigiebig sein Lob für originale Beiträge verteilte, scheint sich also beim Thema Clusterung keiner volkswirtschaftlichen Autorität verpflichtet gefühlt zu haben. Dies ist insofern richtig, als daß seine Konzeptualisierung von Clustern, als Vermittlungsglied zwischen steigenden Erträgen und nicht-monopolistischen Marktstrukturen seine originäre Innovation ist. Bei der Beschreibung der Funktionsweise von Clustern, bei empirischen Beispielen und wirtschaftsgeschichtlichen Bezügen greift er jedoch auf zahlreiche Quellen zurück. Die wichtigste Quelle zu Marshalls Cluster-Darstellung besteht in der sozial-evolutionären Literatur. Hieraus übernahm er die Verknüpfung zwischen Strukturen (,Organisation‘) und Prozessen (,Evolution‘). Neben einer ausführlichen Rezeption Herbert Spencers, der prominent in den ,Principles‘ erwähnt wird, stützte sich Marshall auch auf William Hearns ,Plutology‘, Albert Schäffles ,Bau und Leben des socialen Körpers‘, Ernst Haeckels ,Ueber die Arbeitstheilung in Natur- und Menschenleben‘ sowie auf Walter Bagehots ,Physics and Politics‘. Marshall bezog Hearn bereits in seinen ersten volkswirtschaftlichen Vorlesungen 1873 / 4 als Dozent in Cambridge ein und zitierte ihn erstmals in dem 1876 publizierten Artikel ,Mill’s Theory of Value‘94. Aus all dem kann geschlossen werden, daß Marshall mit dem Thema der räumlichen Gruppierung innerhalb des sozialevolutionären Diskurses gut vertraut war. Ein zweiter Strang besteht in der Rezeption der ,industrieökono92 Vgl. zu den verschiedenen Auflagen: Marshall (1890a: 38 und 328 – 338, 1961a: 267 – 277 sowie 1961b: 330 – 333). 93 Rogers (1884), Smiles (1869), Defoe (1726, 1728); die Hinweise auf Smiles (1883) und Knight (1861) wurden in der 2. Auflage, der Hinweis auf Courtney (1878) wurde in der 4. Auflage und der Hinweis auf Charles Booth in der 5. Auflage entfernt. 94 Marshall (1890a: 301), vgl. zur Rezeption Hearns: M. P. Marshall (1947: 20) und Groenewegen (1995: 271). Die Zitierungen von Hearn durch Alfred Marshall und seine Anmerkungen in Hearns ,Plutology‘ hat Groenewegen (2003a) dargestellt. Haeckels (1869) Artikel zitiert Marshall irrtümlich mit dem Titel ,Arbeitstheilung in Menschen- und Thierenleben‘. Allgemein zu Marshalls Rezeption des sozialevolutionären Organisationsbegriffs: Limoges / Ménard (1994).

174

Kap. 9: Soziale Evolution, räumliche Dynamik

mischen‘ Debatte der 1830er Jahre. Hier überzeugte Marshall die produktionstechnische Begründung von steigenden Erträgen. So zitierte er etwa Charles Babbage zu den Vorteilen von Großunternehmen95. Als dritter Strang können einige Kritiker der klassischen Politischen Ökonomie aufgefaßt werden, die von diesen produktionstechnischen Zusammenhängen aus auf gesamtwirtschaftliche Ertragsgesetze schlossen und eine Dynamik des kapitalistischen Systems betonten. Dabei stellte Marshall stets heraus, daß er von der Fragestellung dieser Kritiker – Henry C. Carey, Karl Marx und vor allem Henry George – beeinflußt worden sei, jedoch wenig durch ihre Lösungswege. Immerhin vermerkte er zustimmend Careys und Georges Begründung des gesamtwirtschaftlichen Wachstums aufgrund der räumlichen Dichte von Bevölkerung und Unternehmen in einem Wirtschaftsraum96. Der vierte Strang ergab sich über die Rezeption des deutschen Historismus, dessen Bedeutung Marshall ebenfalls in den ,Principles‘ dokumentiert97. Aus dieser Richtung übernahm er insbesondere die Unterscheidung betrieblicher Systeme der Produktionsorganisation; speziell Wilhelm Roscher und Gustav von Schönberg dienen ihm hier als Referenz98. Aber Marshall konnte bei seiner Darstellung der Lokalisierung auch auf eigene Anschauungen zurückgreifen. Seine frühe Frustration über Cournots Gleichgewichtsanalyse brachte Marshall dazu, die Realität des Wirtschaftslebens selbst zu studieren. Sie trieb ihn, wie er später selbst feststellte, zu seinen ,Wanderjahren‘, in denen er sich in Großbritannien, in den USA und auf dem europäischen Kontinent über die zeitgenössischen Produktionsmethoden und sozialen Verhältnisse informierte99. Es waren Expeditionen in die Zentren des industriellen Fortschritts, die ihn auch in eine Reihe sektoral spezialisierter Regionen führte, wie es Mary Marshall in ihren Memoiren schilderte: „In vacations, either at home or abroad, we spent some time in towns, seeing factories and workshops. ( . . . ) One year we would go to the pottery district with its problems of localisation of industry and changing fashions. ( . . . ). Another year it would be the light metal trades. That was in 1885. I remember specially the file-making industry of Sheffield ( . . . )“100.

95 96

Vgl. Marshall (1890a: 326, 339) zu Babbage. Vgl. Marshall (1890a: 213 – 216, 379) zu Carey, zu Marx (619 f.) und zu George (379,

714). Marshall (1890a: 68 – 71); vgl. auch Marshall (1919: VI) zu Schmoller. Marshall (1890a: 341, 357); in Marshalls Nachlaß fanden sich Artikel von Schmoller und Nasse zum Thema; ein Artikel von Haushofer (1885) ist mit Randnotizen von Mary P. Marshall versehen. 99 Vgl. Whitaker (1975c: 52 – 57) und den Brief von Marshall (1996b: 227) an William Flux vom 7. März 1898; vgl. zu Marshalls Reisen: Groenewegen (1995: 187 – 222). Es existiert auch ein früher biographischer Bezug: Marshalls Geburtsort Bermondsey wurde von der Lederindustrie geprägt – und Marshall wuchs im Stadtviertel ,Leather Market‘ auf, siehe Groenewegen (1995: 20 f.). 100 Marshall (1947: 42 f.); vgl. Marshall (1996a: 47) zur Planung der USA-Reise 1875. 97 98

5. Quellen

175

So haben sich die Marshalls, worauf Peter Groenewegen hingewiesen hat, auf ihren Reisen durch Sizilien, England und Wales Notizen über die Lokalisierung der Industrie gemacht. Beispielsweise protokollierte Mary Marshall in einer vermutlich 1883 durchgeführten Reise nach Worcester Gründe für die Lokalisierung der Tonwarenindustrie. Auf der Sizilien-Reise im Winter 1881 / 2 war sie besonders von der räumlichen Struktur der Gewerbe in Palermo beeindruckt: „The localisation of industry was remarkable. If one wanted to buy photographs or an umbrella there was practically only one district where they were to be had and where several shops would be selling the same article. In the Corso there would be a group of glove shops, of boot shops, of watchmakers, of booksellers, etc., but chemists were an exception, as a law prevented them from settling within a certain number of yards of one another. One street would be given up to chair-making, another to brass manufacture and so forth. We were told that this localisation was to a great extent the result of gilds; and that formerly each trade had its own street and its own gild“101.

Seinen ,Hunger nach Fakten‘ stillte Marshall zudem durch die Auswertung von Statistiken, amtlichen Quellen und wirtschaftsgeschichtlichen Studien. Als eine relevante Quelle kann hier die „Commission on Technical Instruction“ des Unterhauses genannt werden. In ihrem Exzerpt über diesen Bericht aus dem Jahre 1884 geht Mary Marshall an vier Stellen auf Lokalisierungsphänomene ein und referiert Ausführungen über die wünschenswerte Balance bei der Nachfrage nach unterschiedlichen Arbeitsmarktsegmenten innerhalb einer Region – ein Thema, das später im Lokalisierungskapitel der ,Principles‘ auftaucht102. Angesichts dieser verschiedenen Arbeiten von Mary Marshall sei hier auf ihren Beitrag zur Theorie der Clusterung hingewiesen. Neben ihren Reiseberichten und ihren Exzerpierungen hat sie auch – schon aufgrund ihrer besseren Kenntnisse der deutschen Sprache – Wissen über die Deutsche Historische Schule vermittelt. So sind die meisten Artikel und Pamphlete in deutscher Sprache, die sich im Marshall-Nachlaß befinden, von Mary Marshall annotiert103. Und schließlich war sie als Mitautorin der ,Economics of Industry‘ möglicherweise an der Beschreibung der Funktionsweise von Clustern beteiligt. Zwar vertritt der Marshall-Herausgeber und -Interpret Denis O’Brien die Ansicht, daß das erste Buch ,Land, Labour and Capital‘, in dem sich auch der Abschnitt ,Localisation of Industry‘ befindet, wesentlich von Mary Marshall geschrieben wurde. Zudem stammt wohl das Kapitel ,Local Variations of Prices and Wages. Influence of Custom‘ aus ihrer Feder104. 101 Marshall (1947: 32 f.), siehe ihre Notizen: Marshall Papers 5 / 12 / 1 ,Travels & Art‘, Seite 3 ,Reasons of Localization of Potteries‘; Groenewegen (1995: 200, 206, 208 – 9, 212, 213) erwähnt in seinem Überblick über die Reisen verschiedene lokalisierte Industrien. 102 Marshall Papers 5 / 9, ,Progress & Ideals‘, insbesondere: ,Notes on localisation of industry‘; vgl. Marshall (1890a: 333) und die ,Royal Commission on Technical Instruction‘ (1884). 103 Vgl. hierzu die von Caldari (2000, 2003) angefertigte Liste über die in Marshall-Library erhaltene Sammlung; zu den Sprachkenntnissen von Mary Marshall vgl. Groenewegen (1995: 226).

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Kap. 9: Soziale Evolution, räumliche Dynamik

Allerdings sprechen Alfreds frühe Manuskripte über Außenhandel für seine konzeptionelle Originalität. Ihm kommt das Verdienst zu, die Verbindung zwischen der räumlichen Konzentration, einer Steigerung der Erträge und der Wettbewerbstheorie hergestellt zu haben. Alfred Marshalls Darstellung von räumlichen Produktionssystemen basiert auf einer breiten Kenntnis der relevanten Literatur. Als wichtigster Ideengeber fungierte der Sozial-Evolutionismus, sowohl in der sozialphilosophischen Version Spencers, wie in der volkswirtschaftlichen Adaption von Hearn. Aber auch die raumrelevanten Argumentationen des industrieökonomischen Diskurses in Großbritannien, der Kapitalismuskritiken von Marx und George und der Deutschen Historischen Schule rezepierte und integrierte Marshall. Zudem konnte Marshall auf die Erfahrungen der eigenen Studienreisen und die Auswertungen von Primärquellen über die wirtschaftlichen Zustände zurückgreifen. Durch diese breite Quellenbasis gelang es ihm ein komplexes Bild über die Funktionsweise und den historischen Strukturwandel von Clustern zu zeichnen.

6. Zeitgenössische Rezeption Abschließend soll noch auf einige zeitgenössische Rezeptionen der Marshallschen Konzeptualisierung hingewiesen werden105. Eine sehr an Marshall angelehnte Darstellung erfuhr das Thema durch John S. Nicholson, einem frühen Schüler Marshalls in Cambridge und späteren Professor für Politische Ökonomie an der Universität Edinburgh. Er unterscheidet in seinen 1893 publizierten ,Principles‘ natürliche und gesellschaftliche Gründe der Lokalisierung und referiert die Pfadabhängigkeit und die Produktivitätsvorteile von Clustern. A. B. Clark, seinerseits wiederum ein Schüler und Mitarbeiter Nicholsons, verfaßte 1896 für den einflußreichen ,Dictionary of Political Economy‘ (,Palgrave‘) einen Artikel zur ,Localization of Industry‘, den man als die präziseste und umfassendste Zusammenfassung dieser Zeit ansehen kann und der Marshalls Clustertheorie als wichtigsten Beitrag des Themenfeldes referiert106. Im gleichen Jahr veröffentlichte Edward A. Ross einen Beitrag, in dem die Funktionsweise der Clusterung konzeptionell weiter entwickelt wird. Neben der Benennung von zahlreichen Lokalisierungsgründen diagnostiziert er einen Wandel der Raumbindung: Wissen und Arbeitsqualifikationen werden zu den entscheidenden Engpaßfaktoren. Er unterscheidet zwischen den Kräften, die zur räumlichen Konzentration von ökonomischen Aktivitäten führen (,forces of localization‘), und den Vorteilen bestimmter Standorte, in denen diese Konzentrationstendenz stattfindet (,forces of location‘). Weiter untersucht er unterVgl. O’Brien (1994: IX – XII, XVII). Zur unklaren Rezeptionslage im Fall von Henry George und Henry Sidgwick, deren Beiträge zwischen 1879 und 1886 erschienen, vergleiche das vorangegangene Kapitel. 106 Nicholson (1893: 114 – 117; 1903: 51 f.), Clark (1896). 104 105

7. Schlußfolgerungen

177

schiedliche Phasen der räumlichen Struktur: die Bildung neuer Zentren, die Wachstumsphase mit der Konkurrenz verschiedener Cluster und die Erschöpfung des Wachstumsimpulses. In einem späteren Artikel von William Cunnigham, dem zeitweisen Antipoden Marshalls in Cambridge, werden dagegen nur allgemeine Gründe der Zentralisierung bzw. Dezentralisierung von Wirtschaftsaktivitäten benannt107. Eine ,marshallianische‘ Sichtweise der räumlichen Wirtschaftsstruktur präsentierten im folgenden Jahrzehnt Sydney J. Chapman, Edwin R. A. Seligman und Frank W. Taussig in ihren ,Principles of Economics‘108. In dieser späteren Rezeption wird die Clusterung allerdings nicht mehr mit den Marshallschen Theorieelementen wie den Formen der Betriebsorganisation und dem Ertragsgesetz verknüpft. Beispielhaft für diese Rezeptionsweise ist das Werk Herbert J. Davenports, einem der besten Marshall-Kenner und führendem Verbreiter neoklassischen Denkens. In den 1896 publizierten ,Outlines of Economic Theory‘ werden räumliche Branchenkonzentrationen in der Theorie des internationalen Handels abgehandelt. Gleichzeitig werden Skalenvorteile ausschließlich einzelwirtschaftlich für Großunternehmen formuliert109. Die Cluster-relevanten Arbeiten und Wirkungen dieser Autoren könnten noch weiter verfolgt werden, damit aber würde der Zeitraum dieser Untersuchung überschritten. Es kann konstatiert werden, daß die Bedeutung der Clusterung und die Funktionsweise von Clustern in den 1890er Jahren an prominenter Stelle und unter häufigem Bezug auf Alfred Marshall im ökonomischen Denken der englischsprachigen Welt vertreten war.

7. Schlußfolgerungen Alfred Marshall legte einen volkswirtschaftlichen Theorieentwurf vor, in dem die räumliche Struktur der Produktion an prominenter Stelle integriert wurde. Marshalls Raumwirtschaftstheorie profitierte von seiner breiten Kenntnis der volkswirtschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Literatur, d. h. ihm kommt zunächst das Verdienst einer Synthese raumwirtschaftlicher Überlegungen zu. So schilderte er die Vorteile lokalisierter Industrien (spezialisierte Arbeitsqualifikationen, unterstützende Branchen, innovationsförderndes Milieu), die bereits in verschiedenen anderen Diskursen geschildert worden waren, tat dies jedoch erheblich systematischer und mit einer besseren Kenntnis empirischer Untersuchungen. Ein originärer Beitrag Marshalls bestehts erstens in der Vernüpfung des Phänomens räumlicher Konzentration mit der Preis- und Wettbewerbstheorie. Er sah bei der langfristigen Betrachtung der Preisbildung einen entscheidenden Einfluß der Angebotsseite. Dabei zeigte er, daß die Steigerung von Erträgen im industriellen Sektor wesentlich 107 108 109

Ross (1896), Cunnigham (1902). Seligman (1905: 294), Taussig (1911: 44), Chapman (1911: 89 – 102). Davenport (1896: 179, 1913).

12 Scheuplein

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Kap. 9: Soziale Evolution, räumliche Dynamik

durch die räumliche Konzentration ermöglicht werden kann. Gleichzeitig sah er die Cluster, in denen verschiedene Unternehmen in der Herstellung einer bestimmten Produktgruppe miteinander verbunden sind, als Garant für eine nicht-monopolistische Marktstruktur. Marshall vertrat somit eine wachstumsoptimistische Theorie, die von der Existenz steigender Erträge in vielen Wirtschaftsbereichen ausging, und eine dynamische Gleichgewichtstheorie. Dabei sind die industriellen Formen, in denen steigende Erträge erzielt werden können, von spezifischen historischen Einflussfaktoren wie der Technik, Arbeitsorganisation, Unternehmensgröße, Marktgröße und eben der räumlichen Struktur der Produktion abhängig. Die Clusterung von Branchen ist innerhalb des Zusammenspiels dieser Faktoren ein variabler Faktor. Langfristig ging Marshall von einer abnehmenden Bedeutung der räumlichen Konzentration aus, wobei er allerdings die daraus entstehenden Schwierigkeiten für seine Preis- und Wettbewerbstheorie nicht in aller Klarheit herausarbeitete. Zweitens verbesserte Marshall das Verständnis für die soziale Dimension wirtschaftlicher Prozesse. Die ökonomischen Transaktionen in Clustern können durch die sozialen Beziehungen der Akteure erleichtert werden. Dabei sind die sozialen Regelsysteme kein statisches Korsett, sondern selbst ein variables Moment in der Gesellschaft. Marshall knüpfte hierbei an die gesellschaftstheoretischen Aussagen des Sozial-Evolutionismus an und erweitert sie um den Aspekt der menschlichen Aktivität: Gesellschaftliche Handlungen sind nicht bloß passive Anpassungen an ihre Umwelt, sondern wirken auch auf die Umwelt ein. Die räumliche Konfiguration wirtschaftlicher Prozesse kann bei diesem Wechselspiel von Anpassung und Gestaltung eine wichtige Funktion übernehmen, wie Marshall vor allem für den Innovationsprozeß ausführte.

Kapitel 10

Märkte und Transport In dieser Untersuchung stehen die räumlichen Strukturen der Produktion im Mittelpunkt. Gleichzeitig konnte bei der Behandlung der verschiedenen theoretischen Ansätze immer wieder eine Bedeutung von Transport- und Kommunikationsleistungen für die Raumstruktur von Branchen ausgemacht werden. Angesichts der Tatsache, daß im 20. Jahrhundert über weite Strecken eine transportkostenorientierte Theorie dominierte, soll hier die Frage gestellt werden, wie die bislang diskutierten Ökonomen des 19. Jahrhunderts die Zusammenhänge zwischen den standörtlichen Prozessen und der Raumüberwindung behandelten. Eine systematische Analyse des Faktors Transport wurde im 19. Jahrhundert vor allem für den landwirtschaftlichen Sektor durch Johann Heinrich von Thünen vorgenommen. Dennoch waren sich die Ökonomen verschiedener Denkrichtungen über die Bedeutung der räumlichen Entfernung auch für den industriellen Sektor bewußt. Zuerst werden die klassischen Politischen Ökonomen betrachtet, die Transportprozesse als Teil der gesellschaftlichen Produktion betrachteten (1.). Diesem Verständnis folgten die Deutsche Historische Schule, Karl Marx und Alfred Marshall, die jeweils in ihrem Theorierahmen die Wechselwirkungen zwischen dem Transportsystem und der räumlichen Basis von Produktivitätsvorteilen eingehender analysierten (2.). Eine andere Sichtweise etablierten dagegen Carl Menger und William S. Jevons, mit denen die räumliche Ausdehnung von Märkten und die Verteilung von Marktteilnehmern in den Mittelpunkt raumwirtschaftstheoretischer Überlegungen traten (3.).

1. Raumüberwindung als Produktion Die klassischen Politischen Ökonomen sahen in einer Ware einen Gegenstand mit räumlichen Koordinaten. Wo sich eine Ware befindet, so führten sie aus, habe direkten Einfluß auf ihre Verkäuflichkeit, weshalb der Standort bei der Preisbildung einer Ware zu berücksichtigen sei. Thomas Malthus definiert den Marktwert einer Ware als Wert für einen bestimmten Ort und für eine bestimmte Zeit1. Durch den Transport von Waren könne ihre Verkäuflichkeit erhöht werden, so daß der Wert der Waren einen Transportkostenbestandteil einschließen kann2. Die Produk1 2

12*

Malthus (1827: 111), Say (1803b: 3, 61) und Malthus (1820: 65, 77). Vgl. Scrope (1833: 170), J. S. Mill (1848: 47) und Carey (1837: 30).

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Kap. 10: Märkte und Transport

tion wird in der Klassik auch in diesem Doppelsinn verstanden als „changes of form and of place“3. Aufgrund dieses Verständnisses konnten David Ricardo und John S. Mill in ihren Modellen von den Transportkosten abstrahieren: Die Produktion an unterschiedlichen Standorten wurde behandelt wie unterschiedliche produktive Produktionen an einem Standort4. Daran schließen sich bei einigen Autoren Erörterungen über die Ausdehnung und die Struktur von Marktgebieten an. So stellt James Mill London und Wales als zwei sich durchdringende Marktgebiete dar. Jean Baptist Say und Nassau W. Senior diskutieren die Verdrängung alternativer Bodennutzungen rings um Großstädte5. Da Transportprozesse grundsätzlich als produktive Tätigkeiten begriffen werden, wird die Interdependenz von Warenproduktion und -transport betrachtet. So machte Adam Smith bereits auf die Wechselwirkung zwischen Arbeitsteilung und Marktgröße aufmerksam. Die Erweiterung der Marktgröße ermöglicht es, die Arbeitsteilung zu vertiefen, und umgekehrt hilft eine stärkere Arbeitsteilung, den Markt auszudehnen6. Räumliche Distanzen sind folglich relative Größen innerhalb des Produktionsprozesses und sind gegenüber der dynamischen Entwicklung der Produktivität abzuwägen7. „Our present power of effecting commercial changes is, however, sufficient to render the cost of transport almost an unimportant element in the finer manufactures“ stellte Nassau W. Senior fest8. Die Bedeutung dieser Interdependenz zwischen örtlicher Produktivitätsentwicklung und Transportkosten nimmt zu, da der Transportsektor ständig optimiert wird9. Ein Hinweis auf den gesellschaftlichen Aufbau von Produktionsvorteilen, der die Bedeutung der Transportkosten übersteigt, ist jedoch die Ausnahme innerhalb der klassischen Politischen Ökonomie und wird eher von randständigen Autoren vorgenommen. So ist für den anonymen Autor des ,Essay on the political economy of nations‘ von 1821 allein die Innovation von Maschinen für die Prosperität der Textilindustrie in Manchester verantwortlich, deren Rohstoff aus Übersee beschafft werde und deren Produkte auch über die gleichen Entfernungen exportiert werde. Auch Thomas Edmonds verweist darauf, daß die produktive Anlage von Kapital die absoluten räumlichen Distanzen zu einem sekundären Faktor mache. Für die Stadtentwicklung leitet er die Regel ab, daß die optimale Stadtgröße dann erreicht sei, wenn die Vorteile der vertieften Arbeitsteilung durch die Mehrkosten des erhöhten Transportaufwandes nivelliert würden. Für J. B. Say ist die außenwirtschaftliche Regulierung ökonomischer Prozesse wichtiger geworden als die 3 McCulloch (1825: 61); vgl. Earl of Lauderdale (1804: 29), Scrope (1833: 169 f.), Say (1828a: 90 ff.) und Carey (1837: 22). 4 Vgl. J. S. Mill (1844: 243 – 245 und 1848: 600). 5 J. Mill (1821: 175), Say (1803b: 225) und Senior (1928 II: 145 f.). 6 Say (1828a: 217, 221) und J. S. Mill (1848: 130); siehe zu Adam Smith Kapitel 2, Abschnitt 3.1. 7 Say (1803b: 222). 8 Senior (1928 I: 235). 9 Say (1828c: 245).

2. Standortvorteile versus Transportkosten

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reinen Transportkosten: „Die Institutionen vertheuern die Lebensmittel mehr als die Entfernungen“10 Der Transport von Produktionsfaktoren und Produkten hatte in der klassischen Politischen Ökonomie eine klare ökonomische Bedeutung: Er wird als Teil des Produktionsprozesses und damit als wertbildende Tätigkeit verstanden. Allerdings zogen die klassischen Autoren aus dieser Aussage nur sehr einseitige bzw. unvollständige Schlußfolgerungen. Weder wurde der Transport als Kostenfaktor und die daraus folgende Standortstruktur der Industrie einbezogen, noch die Beschränkungen der Mobilität von Produktionsfaktoren und Waren diskutiert. Vor allem wurde die Höhe der Transportkosten und der sonstigen Produktionskosten von Waren nicht in ein Verhältnis gesetzt.

2. Standortvorteile versus Transportkosten Diese Fragen wurden jedoch mit der schnellen Entwicklung des Transport- und Kommunikationssektors drängender11. Das Verkehrssystem wurde selbst zu einem eigenen Gegenstand innerhalb der Volkswirtschaftslehre. Beispiele sind hier die Arbeiten von Karl Knies‘ zu Eisenbahnen und verschiedenen Nachrichtenmedien, Adolph Wagners Artikel zum Steinkohlebergbau und dessen Raumstruktur, William S. Jevons Vortrag zu Kommunikationssystemen sowie die Berechnung von Frachtsätzen der Eisenbahnen durch Jules Dupuit, Charles Ellet und Dionysius Lardner12. So werden die Transport- und Kommunikationssysteme zu einem Gegenstand der ökonomischen Lehrbücher und seit den 1870er Jahren zu einem eigenständigen Forschungsgebiet verselbständigt13. Parallel hierzu verbreitete sich die Einsicht, daß die räumliche Verteilung der Produktionsstandorte und das Transportsystem interdependente Faktoren der ökonomischen Entwicklung sind. William E. Hearn weist darauf hin, daß sich der Produktions- und Transportsektor gegenseitig Impulse geben: „The extension of our industry created a demand for improved communication, and improved communication quickly assisted to develope industry“. Gustav Schmoller sieht 1869 eine „totale Aenderung der Verkehrsverhältnisse“ und hieraus folgend eine „Revolution in der ganzen Produktion und in der lokalen und geschäftlichen Gruppirung der Menschen“14.

Anonymus (1821: 236), Edmonds (1828: 79 – 82, 92 f.) und Say (1828a: 344). Vgl. zur Entwicklung des Transport- und Kommunikationswesens im 19 Jh. die Beiträge in Pohl (1989) und Schremmer (1996). 12 Vgl. Knies (1853b, 1857), Jevons (1867), Wagner (1856), zur Eisenbahnökonomie: Eklund / Shieh (1986) und Eklund / Hébert (1998). 13 Vgl. als Lehrbuch Sax (1878) und die Darstellungen von Glaser (1858: 155 – 174), Wagner (1909) und Wiedenfeld (1930). Vgl. einige Hinweise zur damaligen verkehrsökonomischen Forschung bei Teuteberg (1994) und Reininghaus (1999: 6 – 8). 14 Hearn (1863: 377), Schmoller (1869: 146, vgl. auch 141). 10 11

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Kap. 10: Märkte und Transport

Damit konnten die Wechselwirkungen zwischen der Entwicklung des Transportund Kommunikationssystems und der räumlichen Basis von Produktivitätsvorteilen eingehender thematisiert werden. Diese Fragestellung findet sich sowohl im ökonomischen Historismus, im Sozialevolutionismus, bei spätklassischen Autoren, Marx und auch bei Marshall. Drei Argumente sollen hier näher beleuchtet werden. Bei Karl Marx wurde die Bedeutung der relativen Kosten des Transports und die Veränderlichkeit des Transportsystems herausgearbeitet. Der ökonomische Historismus zeigte auf, daß die Transportkosten in ein Verhältnis zu den lokalen Produktivitätsniveaus zu setzen sei. Alfred Marshall schließlich untersuchte dieses Verhältnis vor allem mit Blick auf den internationalen Wettbewerb.

Karl Marx Bei Marx werden zwar die gleichen ökonomischen Sphären wie in der klassischen Theorie unterschieden – Produktion, Zirkulation, Distribution, Konsumtion –, aber in anderer Weise miteinander verknüpft. Während in der ricardianischen Theorie die Werte der Waren allein in der Produktionssphäre bestimmt werden, kommt der Zirkulation im Marxschen Konzept die Rolle als ,Bewährungsinstanz‘ des Wertes zu. Eine Ware hat nur ,Wert‘, wenn sie einen Käufer findet und auf diese Weise eine gesellschaftliche Bedeutung erhält. Was mit der Ware auf dem Weg vom Produzenten bis zum Käufer geschieht, ist somit nicht nebensächlich. In diesem Sinne bilden ,Produktion‘ und ,Zirkulation‘ für Marx eine asymetrisch strukturierte Einheit15. Entsprechend unterscheidet er die Raumstrukturen beider Sphären und betont, daß die Transportprozesse in der Zirkulation einen Einfluß innerhalb des wirtschaftlichen Systems besitzen: Die räumliche Entfernung der Märkte (ihrer örtlichen Bestimmung nach betrachtet) vom Ort des Productionsprocesses der Waaren, innerhalb desselben Landes, dann ausserhalb des Landes, bildet ein wichtiges Element, namentlich auf Grundlage der capitalistischen Production, deren Markt für einen grossen Theil ihrer Producte der Weltmarkt ist“16.

Deutlich wird dieses Gefüge der Raumstrukturierung an der Einordnung der Transport- und Kommunikationskosten als Element der Zirkulationssphäre. Die Werte der Waren sind bei Marx wie in der klassischen Theorie jeweils ortsbezogen definierte Größen, Ortsveränderungen werden über die Transportkosten in den Wert einer Ware eingerechnet17. Für jede Ware kann von ihrem Produktionsort ausgehend ein Marktgebiet bestimmt werden. Diese Marktgebiete hängen – bei gegebenem aktuellen Stand der Transporttechnik – von der Transportfähigkeit und der Marx (1885: 351 ff.). Marx (1988: 191), hier auch: „Die Circulationssphäre, der Markt, ist an und für sich auch räumlich unterschieden von der Productionssphäre, ganz wie der eigentliche Circulationsproceß zeitlich unterschieden ist von dem eigentlichen Productionsproceß“; vgl. Harvey (1982: 376 – 387). 17 Marx (1885: 151). 15 16

2. Standortvorteile versus Transportkosten

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Transportkostenempfindlichkeit der jeweiligen Ware ab18. Entsprechend sieht Marx eine Rohstoff- oder Nachfrageorientierung von Betriebsstandorten stark über den Einfluß der Transportkosten bestimmt19. Einer ausschließlich auf diesen Kosten der Raumüberwindung basierenden Raumwirtschaftstheorie wird von Marx jedoch – deutlicher als von der klassischen Theorie – eine Absage erteilt. Es komme, führt er aus, bei der Raumüberwindung nicht auf die absoluten Entfernungen an, sondern auf den Aufwand an Zeit und Kosten, zu dem die Entfernung beim aktuellen Stand der Transportmittel überwunden werden kann: „Die relativen Differenzen können aber infolge der Entwicklung der Transport- und Kommunikationsmittel verschoben werden in einer Weise, die nicht den natürlichen Entfernungen entspricht“20. Marx vertritt somit ein Konzept des relativen Raumes: „Das Räumliche, die Ortsveränderung, die als physische Bedingung dieses Processes erscheint, löst sich von diesem Gesichtspunkt selbst in ein blos zeitliches Moment auf“21.

Mit der historischen Entwicklung des Transportsystems löst sich die vermeintlich unverrückbare Grundlage physischer Entfernungen auf. Erstens senkt die Produktivitätsentwicklung hier wie in allen industriellen Sektoren die Kosten22, wodurch ein widersprüchlicher Prozeß ausgelöst wird: Jede Verringerung der Transportkosten dehnt die Marktsphäre aus und bietet damit weiteren Anreiz zur Senkung der Transportkosten23. Zweitens wird die relative Entfernung viel stärker über den Produktivitätsstand der Transportmittel und -infrastrukturen als über die physische Entfernung bestimmt24. Drittens variiert permanent die Leistungskraft des Transportsystems, z. B. mit dem Einsatz neuer Verkehrsträger, mit dem Umbau der Streckenkapazitäten etc., was Marx mit dem Hinweis unterstreicht, daß die ,Revolution‘ der Produktivkräfte sich auch im Transportsektor vollzieht25. So können die „besondren Positionsvorteile“, die ein bestimmter Ort besaß, nivelliert werden und an einem anderen Standort auftreten. Es findet dann „Verschiebung und Deplacement“ statt: „Der zweite Ort kommt auf, der erste verkommt“26. Die Variabilität des Transportsystems ist dabei viertens als ein Element innerhalb des Akkumulationsprozesses aufzufassen. In diesem Prozeß herrscht – wie in Kapitel 6 angedeutet –, eine ständige Dynamik zwischen den Wettbewerbern und eine ständige konjunkturelle Bewegung, die wiederum das Verkehrsaufkommen und die LeiMarx (1885: 150 – 153, 252 – 254 und 1988: 197, 206). Vgl. z. B. Marx (1885: 254) zur Nachfrageorientierung. 20 Marx (1885: 252). 21 Marx (1988: 203), siehe hier auch: „Die räumliche Bestimmung erscheint hier selbst als Zeitbestimmmung“; vgl. Marx (1847a: 154 und 1885: 252); vgl. Harvey (1982: 339). 22 Marx (1867: 404 f.). 23 Marx (1885: 254). 24 Marx (1885: 253), vgl. Engels (1878: 276). 25 Marx (1867: 405). 26 Marx (1885: 253). 18 19

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Kap. 10: Märkte und Transport

stungsanforderungen an das Transportsystem beeinflussen. Herstellungskosten und Transportkosten sind in der Marxschen Theorie zwei zusammengehörige Momente des Produktionsprozesses. Die Raumstrukturierung kann folglich nur in der Interdependenz dieser beiden Kostenarten bestimmt werden27. Als Ergebnis bleibt: Marx Ablehnung einer ausschließlich transportkostenorientierten Raumwirtschaftstheorie beruht zum einen auf dem Nachweis, daß der physische Raum kein Maßstab innerhalb des ökonomischen Systems ist. Zum anderen zeigt er, wie die Kosten der Raumüberwindung zwischen verschiedenen Punkten sich permanent und notwendig innerhalb des Akkumlationsprozesses ändern. Dies ist für ihn nur ein Ausdruck der gesellschaftlichen Produktion des Raumes in der modernen Marktökonomie. In welcher Form das Verhältnis zwischen der reinen Herstellung und dem Transport von Waren zu bestimmen ist, und welche Schlußfolgerungen daraus für eine Raumwirtschaftstheorie zu ziehen sind, wird bei ihm jedoch nicht untersucht. Der ökonomische Historismus Der deutsche ökonomische Historismus nahm vor allem eine Relativierung des Faktors Transport an den örtlichen Produktivitätsniveaus vor. Dabei setzten die Historisten sich explizit mit von Thünens Standorttheorie auseinander, in der die räumliche Verteilung landwirtschaftlicher Nutzungsformen aufgrund des Faktors Transportkosten erklärt wird. Diese Relativierung der Transportkosten war bereits in von Thünens Werk angelegt, denn von Thünen weist selbst nachdrücklich darauf hin, daß seine raumwirtschaftlichen Überlegungen auf die Landwirtschaft beschränkt seien: Erstens, so führt er aus, werden von ihm nur Produktionsprozesse mit konstanten Skalenerträgen betrachtet. Zweitens wird eine gleichbleibende Fruchtbarkeit der Bodenfläche angenommen. Entsprechend behandelt von Thünen das Verhältnis von Produktions- und Transportkosten auf der Basis statischer Annahmen. Steigende Skalenerträge und zeitlich und räumlich differierende Produktivitätsgrade, wie sie für industrielle Produktionen charakteristisch sind, werden dagegen nicht einbezogen. Sofern von Thünen in seinem ,Isolierten Staat‘ Aussagen für industrielle Standorte trifft, beziehen sich diese auf die Lohndifferenzen, die wiederum direkt auf die transportkostenabhängigen Lebensmittelpreise zurückgeführt werden. Eine genauere Untersuchung der Standortbildung macht er dagegen von einer Analyse der Einkommensarten und der Einbeziehung des Wechselverhältnisses von Marktgröße und Arbeitsteilung abhängig28. In der posthum veröffentlichten 3. Auflage des ,Isolierten Staates‘ benennt von Thünen die Größe der Nachfrage und die dadurch ermöglichte Arbeitsteilung, die Arbeitsqualifikation und die Transparenz des Angebots als Urbanisationsursachen29. Zusätzlich spricht Marx (1988: 229). Vgl. von Thünen (1826) zu seinen Annahmen (156 ff., 171, 231 ff.), zu steigenden Skalenerträgen (318) und zu industriellen Standorten (316, 328 f.). 27 28

2. Standortvorteile versus Transportkosten

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er dem Maschinenbau eine Schlüsselrolle in der intersektoralen Arbeitsteilung und somit bei der räumlichen Konzentration zu. Dieses letzte Moment veranlaßt von Thünen, die Cluster-Bildung als unterschätztes, aber als ein an Bedeutung zunehmenden Faktor der volkswirtschaftlichen Theorie zu sehen. Wilhelm Roscher und Karl Knies übernahmen von Thünens landwirtschaftliche Standorttheorie weitgehend, meldeten allerdings Zweifel daran an, die Transportkosten zur analytischen Basis zu machen. So sieht Roscher mit dem Fortschritt des Transportsystems eine Vielzahl von ökonomischen Nutzungsformen für jede Bodenfläche entstehen. Knies verweist darauf, daß die Transportwege und -kosten ein Ausdruck ökonomischer Dynamik bzw. institutioneller Planungen seien30. Dagegen folgten die Historisten von Thünens These einer sektoral differenzierten Betrachtung des Transportfaktors. Sie stellten für den industriellen Sektor einen tendenziellen Bedeutungsverlust der Transportkosten fest und vermuteten komplexe Wirkungen fallender Transportkosten. Knies sieht mit der Ökonomisierung des Transportsystems die Materialorientierung der Gewerbe gelockert, während der „Vorzug eines Landes an Kapitalbesitz oder Arbeitsfähigkeiten“ bedeutender wird. Folglich tritt ein Wandel der raumstrukturierenden Kräfte ein: die natürlichen Bedingungen verlieren an Einfluß auf die Standortwahl zugunsten der „Vorzüge in den Arbeitskräften“ und der spezifischen Spezialisierung an einem Standort31. So ist es nur konsequent, wenn die ökonomischen Historisten die Bedeutung der Transport- und Kommunikationsmittel für die Raumstrukturierung würdigten, aber keine ausschließlich transportkostenorientierte Raumwirtschaftstheorie entfalteten. Bereits Friedrich List hatte auf die „Wechselwirkung zwischen der Manufakturkraft und dem Nationaltransportsystem“ verwiesen, da „die eine ohne das andere nirgends zu hoher Vollkommenheit gedeihen könne“32. Dies führte ihn zu einer ,ganzheitlichen‘ Sichtweise der Raumerschließung, in der verkehrsinfrastrukturelle und industriepolitischen Inititiativen ineinander greifen sollten. Die Historisten behandelten in dem gleichen Sinne „die Transportkosten im Verhältnis zum Werth des Produktes“33 und untersuchen die örtlichen Einflußfaktoren auf die Produktivität. 29 Vgl. den Abschnitt „Ueber die Anordnung und Vertheilung der Städte im isolierten Staat“ bei von Thünen (1863: 120 – 129). 30 Roscher (1860: 108 – 114), Knies (1883: 508). 31 Knies (1853b: 97, 100); zum Bedeutungsverlust der Transportkosten: Knies (1853b: 88, 94), Roscher (1865: 178). 32 List (1841b: 16, vgl. bereits 1837: 44). 33 Knies (1853b: 86 f. siehe auch: 1857: 71 f.); vgl. in diesem Sinn auch Vorläufer und Wegbegleiter der Historisten: Rau (1821: 56), von Mangoldt (1868: 215, 481 f.) und Schäffle (1881: 132). Beispiele für die höhere Bedeutung räumlicher Produktivitätsvorteile gegenüber den Transportkosten bringen A. Ziegler (1878: 96) zur Meerschaumpfeifenindustrie in Thüringen, Beeg (1865: 1069) zur Bleistiftfabrikation in Fürth und Schwiedland (1894 II: 16) zur Perlmutterknopfindustrie in Wien.

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Kap. 10: Märkte und Transport

Albert Schäffle – der an dieser Stelle im Rahmen des Historismus miterwähnt werden soll – verwies darauf, daß es „keine absolute(n), historisch unveränderliche(n), sondern nur relative, entwickelungsgeschichtliche Oertlichkeitswerthe“ gebe. Die „Vortheilhaftigkeit des Ortes“ sei von zahlreichen Faktoren abhängig, und werde durch die „verschiedenartigsten Combinationen aller dieser Momente günstiger Lage entschieden“34. Als sichere Tendenzen der räumlichen Strukturierung erschien Schäffle nur eine weitere räumliche Konzentration, der Bedeutungsgewinn gesellschaftlicher Produktionsvorteile und ein Bedeutungsverlust der Transportkosten absehbar. Im Zentrum der historistischen Standortbetrachtung steht diese Dynamik konkreter Arbeitsprozesse in Städten und Regionen, die immer stärkeren Einfluß auf die volkswirtschaftliche Struktur gewinnt: „Indem der Verkehr Alles gleicher gestaltet, was gleich gemacht werden kann, muß die Wirkung dessen, was ungleich verbleibt, um so stärker hervortreten. ( . . . ), so daß man den allgemeinen Satz aufstellen kann, daß durch die Fortschritte in der Communication der Vortheil, welchen die Völker durch ihre Territorien rücksichtlich der Roh- und Hilfsstoffe für die Fabrikation besitzen, gemindert, dagegen andererseits aus derselben Ursache die Wirkungskraft der Vorzüge, welche einem Volke in der menschlichen Arbeitskraft und in den erhaltenen Resultaten der Production in früheren Zeiten (in dem Capitale) gegeben sind, erhöht wird“35.

Roscher sieht die Clusterung von Wirtschaftsaktivitäten durch die Optimierung des Transportsystems immer wirksamer werden. Die exportorientierten Cluster können durch die Senkung der Transportkosten ständig ihren Aktionsradius ausdehnen, so daß das Motiv zu weiterer räumlicher Konzentration verstärkt wird36. Gustav Schmoller folgerte daraus später, für „alle leicht versendbaren Waren“ werde der nationale bzw. internationale Wettbewerb an Intensität zunehmen, so daß „er jede nicht unter den günstigsten Bedingungen arbeitende Industrie beseitigt“37. Knies und Roscher erwarten vom technischen und ökonomischen Fortschritt des Transportsystems wie des Produktionssystems eine Minderung der Urbanisationsnachteile und eine Zentralisierungstendenz für die industriellen Kernstädte. Diese Einschätzung wurde dann von Emil Sax in die entstehende Verkehrswirtschaftslehre übernommen. Er schließt aufgrund der „Transportmittel-Vervollkommnung“ und „Veränderung in der Betriebsweise“, die sich wechselseitig beeinflussen, auf die „Tendenz einer Gruppirung der einzelnen Produktionszweige nach gewissen wirthschaftlich vortheilhaften Standorten“38. Die ökonomischen Historisten stellten die raumwirtschaftlichen Fragen im industriellen Sektor in eine Verbindung mit den örtlichen Niveaus der Produktivität 34 35 36 37 38

Schäffle (1881: 132). Knies (1853a: 83). Roscher (1865: 180 und 1881: 517). Schmoller (1900: 356). Knies (1853b: 111), Roscher (1865: 179), Sax (1878: 29).

2. Standortvorteile versus Transportkosten

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und den Kosten der Raumüberwindung. Keineswegs lehnten die Historisten deduktive und abstrahierende Denkmodelle wie von Thünens Standorttheorie rundweg ab. Sie beharrten jedoch auf einer sektoral differenzierten Betrachtung, wobei für sie im industriellen Sektor der Faktor Transport in den Hintergrund trat. Insbesondere für die Zukunft sagten sie eine zunehmende Bedeutungslosigkeit absoluter Raumdistanzen voraus. Aufgrund der Interdependenz dieser Faktoren folgen ihre standorttheoretischen Aussagen nicht der Logik eines optimalen Standortes, sondern einer beschränkt-rationalen und historisch determinierten Wahl zwischen Alternativen. Alfred Marshall Für Alfred Marshall war das Problem von Transport- und lokalen Produktionskosten ein Teil des Verhältnisses von Industrie und Handel. Den Handel sah er im wesentlichen durch das Profil der nationalen Branchen festgelegt, modifiziert um die jeweiligen Transportkosten und Zollschranken. Dem Handel kommt bei Marshall ein rückwirkender Effekt auf die räumlichen Produktionsbedingungen zu. Um dies zu operationalisieren, schlug er eine Kostenrechnung vor, in der die geldwerten Vorteile aus den verschiedenen Standorteinflüssen gegeneinander aufgerechnet werden: „If in any industry, whether agricultural or not, two producers have equal facilities in all respects, except that one has a more convenient situation than the other, and can buy or sell in the same markets with less cost of carriage, the differential advantage which his Situation gives him is the aggregate of the excess charges for cost of carriage to which his rival is put. And we may suppose that other advantages of Situation, such for instances as the near access to a labour market specially adapted to his trade, can be translated in like manner into money values. When this is done for, say a year, and all are added together we have the annual money value of the advantages of situation which the first business has over the second; ( . . . )“39.

Dieser monetäre ausgedrückte Vorteil zwischen zwei Standorten kann von der Einkomensseite her als Lagerente (,situation rent‘) betrachtet werden. Eine Dominanz von lokalen Produktionsvorteilen über Transportkostennachteile ist somit von den Branchenspezifika und der Lage abhängig. Als ein Beispiel für diesen Fall nennt Marshall in den ,Principles‘ das Uhrengewerbe, in dem der Zugang zu spezialisierter Arbeitskraft wichtiger sei als der Kostenfaktor Transport40. Dieses Verhältnis zwischen Transport- und Produktionskosten unterliegt nach Marshall einem historischen Wandel. Durch die Ökonomisierung des Transportsystems sah er zwei gegenläufige Tendenzen ausgelöst: Einerseits läßt die Senkung der Transportkosten die Vorteile bei Produktionskosten stärker zur Geltung kom39 Marshall (1890a: 506 f.); zum Verhältnis von Handel und Industrie: Marshall (1919: 2 – 4, 13 – 31). 40 Zur Lagerente und zum Uhrengewerbe: Marshall (1890a: 506 f.).

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Kap. 10: Märkte und Transport

men, d. h. die Tendenz zur Lokalisierung wird unterstützt. Andererseits wird die Mobilität der Arbeitskräfte erhöht, so daß deren Qualifikationen ubiquitär verfügbar werden. Damit verringern sich die Markteintrittsbarrieren für Branchenkonzentrationen an anderen Standorten. Langfristig sieht Marshall in den nationalen Wirtschaftsräumen die lokalen Produktionsvorteile an Bedeutung zunehmen: „Time is on the side of the more economic methods of production; his distant competitor will gradually get a stronger footing in the place ( . . . )41. Im abschließenden Kapitel der ,Principles‘ setzt Marshall diese Thesen um, in dem er skizziert, wie die Senkung der Transport- und Kommunikationskosten schrittweise unterschiedliche Sektoren der britischen Volkswirtschaft erfaßt und deren Marktausdehnung verändert habe. In ,Money, Credit and Commerce‘ setzte Marshall später auf der Ebene des Wettbewerbs zwischen fortgeschrittenen und nachfolgenden Industrienationen andere Akzente. In einer säkularen Perspektive sieht er eine Angleichung der Entwicklungsniveaus. Während die räumliche Konzentration innerhalb einiger Länder bereits stark ausgeprägt sei, werde künftig die räumliche Angleichung auf der Basis verbesserter Transport- und Kommunikationssysteme zunehmen. Den weniger entwickelten Ländern werde es gelingen die örtlichen Ungleichheiten der Arbeitsqualifikation („local inequalities of human faculty“) auszugleichen und die Tendenz zur räumlichen Konzentration bestimmter Branchen zu stoppen. Denn während die Verbesserung der Kommunikationsmittel und die Entwicklung des Humankapitals noch anhalte, habe die Skalenökonomie in vielen Branchen bereits einen hohen Grad an Vervollkommnung erreicht42. Als Resümee kann festgehalten werden, daß der Historismus, Marx und Marshall nur einen begrenzten Einfluß des Faktors Transportkosten konstatierten und keine transportkostenorientierte Raumwirtschaftstheorie anstrebten. Dies begründeten sie erstens damit, daß nur die relativen Transportkosten innerhalb eines Standortsystems entscheidend sind. Eine unabhängige Grundlage zur Berechnung der Transportkosten, z. B. über die absoluten Entfernungen, existiert dagegen nicht. Zweitens ist ein gegebenes Transportsystem ein Element innerhalb eines dynamischen wirtschaftlichen Systems: Konjunkturelle Bewegungen beeinflußen das Transportvolumen, technologische Entwicklungen schaffen neue Transportträger u.s.w. Die relativen Transportkosten verändern sich ständig innerhalb dieses Gesamtsystems. Drittens können regionale Produktivitätsdifferenzen so stark ausfallen, daß sie auch die Transportkosten über große Entfernungen übersteigen. Damit, so die Quintessenz der Überlegungen bei den Historisten, Marx und Marshall, stellt sich die Frage nach einer Raumwirtschaftstheorie, die die Transportkosten gemeinsam mit den räumlichen unterschiedlichen Produktionskosten behandeln kann. 41 Marshall (1890a: 524 f.); zur doppelten Wirkung der sinkenden Transportkosten siehe Marshall (1890a: 334 f., 1903a: 402 – 408 und 1919: 4, 27 – 29); vgl. auch Ross (1896: 264). 42 Marshall (1923: 106); zur stufenweisen Wirkung der sinkenden Transport- und Kommunikationskosten Marshall (1890a: 715 – 721).

3. Marktgebiete

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3. Marktgebiete In der in den frühen 1870er Jahren begründeten subjektorientierten Wirtschaftstheorie von William Stanley Jevons, Carl Menger und Léon Walras rückte der Markt in das Zentrum der Volkswirtschaftslehre. In der räumlichen Dimension wurde zunächst die These der Klassiker von der Ortsbezogenheit des Wertes übernommen. Zusätzlich wurden die Präferenzen der Konsumenten bei der Wertbestimmung berücksichtigt, wie es Henry D. Macleod und George Ramsay in den 1830er Jahren bereits angedeutet hatten. „All value is purely local“, so hatte Macleod ausgeführt: Werde ein Produkt an einem Ort produziert, an dem keine Nachfrage nach diesem Produkt bestehe, so könne es auch keinen Wert besitzen. Ramsay, der die Grundrentenunterschiede von Städten erklären wollte, leitete die von ihm beobachteten regionalen Profit- und Lohndifferenzen aus den unterschiedlichen Marktverhältnissen der Regionen ab. Die Bevölkerungsdichte determiniert in seinen Überlegungen Arbeitsangebot und -nachfrage und diese wiederum die regionale Profitrate. Räumliche Differenzierungen der Einkommen werden somit aus unterschiedlichen räumlichen Marktverhältnissen erklärt43. William S. Jevons und Carl Menger rückten diese räumlichen Marktstrukturen in den Mittelpunkt ihrer raumwirtschaftstheoretischen Überlegungen. So sah Carl Menger in seinen ,Grundsätzen der Volkswirtschaftslehre‘ die Absatzfähigkeit von Waren unter anderem durch die räumlichen Distanz begrenzt. Der Warenverkauf wird zum einen durch physische und rechtliche Transporthindernisse, zum anderen durch das Verhältnis von Transportkosten und der Preisdifferenz zwischen Ausgangs- und Zielort eingeschränkt44. Je nach dem Umfang von Angebot und Nachfrage nach bestimmten Gütern kommt ein gesamtes Gebiet als Markt in Frage oder nur einige „Concentrationspunkte des Verkehres und der ökonomischen Preisbildung“, an denen die verstreuten Anbieter und Nachfrager sich sammeln. Jevons verwies darauf, daß sich mit dem Übergang zur Tauschwirtschaft Märkte mit unterschiedlich großen Einzugsgebieten bzw. Teilnehmergruppen gebildet hätten. Transportkosten sind dabei als Behinderungen des Handels aufzufassen, die jedoch im historischen Verlauf minimiert werden können. Ähnlich erkannte bereits Herman Heinrich Gossen in den geologischen und klimatischen Bedingungen „durch die Construction der Schöpfung hervorgerufene Hindernisse“, deren Beseitigung zu einem globalen Markt führe. Eine derartige räumliche Ausdehnung bzw. Ablösung von jeder begrenzten Lokalität habe, führte Jevons aus, bereits der Geldmarkt erreicht. Diese Aussagen über die Marktstrukturen wurden auch von Marshall in den ,Principles‘ zustimmend zitiert45.

Macleod (1858: 54), Ramsay (1836: 235 f.). Menger (1871: 235 f.). 45 Menger (1871: 242); vgl. auch Hearn (1863: 357); zur Verringerung von Transporthindernissen: Gossen (1854: 158), Jevons (1871: 84 – 90 und 103 – 105) und Marshall (1890a: 383 – 389). 43 44

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Kap. 10: Märkte und Transport

Ausgehend von diesem Focus auf Transportdistanzen und -kosten der Marktteilnehmer war es konsequent, für den industriellen Sektor eine Raumwirtschaftstheorie als Marktgebietstheorie für Güter und Faktoren aufzustellen. Dies leistete zuerst Wilhelm Launhardt, der zwar als Professor für Eisenbahnwesen an der Universität Hannover ein Außenseiter in der Volkswirtschaftslehre war, aber 1885 mit seiner ,Mathematischen Begründung der Volkswirtschaftslehre‘ einen eigenen Theorieentwurf vorlegte. Dieser war zuerst ohne Wissen von Walras und Jevons parallel zu ihrem Werk entstanden und später deutlich von ihnen beeinflußt worden46. Launhardt entwarf eine Theorie der Standortwahl und integrierte diese in seine ökonomische Theorie47. Die räumliche Struktur der Ökonomie besteht demnach aus Marktgebieten, die in Abhängigkeit von den Transportkosten bestimmt werden (Launhardt’scher Trichter). Launhardt leitet aus den Tendenzen der Verbilligung des Transports und der Erweiterung der Marktgebiete die Tendenz zu einer stärkeren Ausnutzung räumlicher Produktivitätsvorteile ab. Launhardt sieht aus dieser Transportwirkung auch sektoral differenzierte Standorte entstehen: „So bilden sich für die verschiedenen Zweige der Gewerbethätigkeit besondere Standorte aus, welche für den betreffenden Betrieb die günstigsten Bedingungen bieten. Diese örtliche Gruppierung der Gewerbezweige gewährt für die Vervollkommnung der Arbeitsvorgänge, für die Ausbildung eines tüchtigen Arbeiterstammes, für den Handelsverkehr, u.s.w. so wesentliche Vortheile, dass sie sich, wenn einmal durch die Verbesserung der Verkehrsmittel eingeleitet, in immer schärferer Weise ausbildet. Hierdurch wird auch die Arbeitstheilung entschieden gefördert. Es findet eine Zerlegung der Gewerbethätigkeit in eine Reihe selbständiger, stufenweise auf einander sich stützender Betriebe statt; ( . . . ). In nächster Nähe des Sitzes einer bestimmten Gewerbethätigkeit siedeln sich dann auch die Hülfsgewerbe an, so dass der ganze wirthschaftliche Charakter einer Gegend sich dem herrschenden Gewerbezweige anschliesst“48.

Insgesamt führt die Optimierung des Transportsektors zu „einer schärferen Ausprägung örtlicher Eigenart“. Obwohl Launhardt hier sehr klar die Attraktionskraft eines Clusters und damit den dynamischen Aufbau von Produktivitätsvorteilen herausarbeitet, fragt er nicht nach den Konsequenzen für das gesamte raumwirtschaftliche System. Die Clusterung wirtschaftlicher Aktivitäten wird nur als Resultat von Transportwirkungen thematisiert, jedoch nicht als Einflußfaktor auf die räumliche Struktur der Produktion. Diese Problembehandlung teilt Launhardt mit Autoren einer subjektorientierten Volkwirtschaftslehre, für die die Raumüberwindungskosten den entscheidenden Erklärungsfaktor darstellen. Welche Konsequenzen dies haben kann, wird in dem von Jevons 1882 verfaßten und posthum herausgegebenen Manuskript ,Principles Launhardt (1885); zu Launhardt siehe Backhaus (2000) und Perreur (1998). Launhardt (1882, 1885: 149 – 214), siehe zu anderen Ansätzen der Markgebietstheorie: Eklund / Hébert (1998). Eine andere Entwicklungslinie war die Untersuchung verschiedener Austauschmedien, so etwa bei Jevons (1867), die hier nicht weiter verfolgt wird. 48 Launhardt (1885: 209). 46 47

3. Marktgebiete

191

of Economics‘ deutlich49. In dem Kapitel ,Production in Place‘ verweist Jevons auf die säkulare Tendenz zu einer sektoralen Spezialisierung von Standorten. Die Gründe für diese Raumdifferenzierung wird jedoch ausschließlich in den Naturbedingungen – Rohstoffvorkommen, Bodenqualität, Klima – gesehen. Anstatt also wie andere zeitgenössische Volkswirte die Standortvorteile zu untersuchen, die innerhalb des industriellen Sektors erzeugt werden, kehrt Jevons zur Sichtweise einer rein naturdeterminierten Verteilung wirtschaftlicher Aktivitäten zurück. Charakteristischerweise wird Robert Torrens entsprechende Erklärung der ,territorial division of labour‘ von Jevons ausführlich zitiert. Festzuhalten ist, daß die subjektorientierte Volkswirtschaftslehre sich dem Markt als Zentrum des ökonomischen Prozesses widmete und den Transport als determinierenden Faktor für die räumliche Struktur der Ökonomie betrachtete. In diesem Rahmen wurde eine erheblich verbesserte Analyse von Marktgebieten im industriellen Sektor ermöglicht. Es wurde die Grundlage für die spätere, durch August Lösch und Walter Isard begründete transportkostenbasierte Standorttheorie gelegt. Allerdings behandelt die subjektorientierte Volkswirtschaftslehre ausschließlich Transportprozesse als raumdifferenzierenden Faktor. Die Clusterung wirtschaftlicher Aktivitäten wird nur von einem randständigen Ökonomen, Wilhelm Launhardt, aufgenommen, und auch dieser behandelt Cluster nur als einen Effekt von Transportverhältnissen.

49

Jevons (1905: 78 – 81).

Kapitel 11

Empirische Studien und Wirtschaftsgeschichte Die empirische Realität der Raumstruktur wurde von den bislang betrachteten ökonomischen Denkrichtungen sehr unterschiedlich wahrgenommen und konzeptionell berücksichtigt. Auf diese Ungleichzeitigkeiten und Parallelitäten wurde in den vorangegangenen Kapiteln hingewiesen. Dabei wurde jedoch nicht auf die empirische Forschung zur räumlichen Produktionsstruktur eingegangen. In der Tat finden sich eine Reihe von empirischen Studien, in denen Cluster ein wichtiges Element des empirischen Gegenstandes sind bzw. explizit zum Untersuchungsobjekt gemacht werden. Im Folgenden soll aufgezeigt werden, in welchen Problemkontexten derartige Studien entstanden und welche Zusammenhänge mit den diskutierten Ökonomen existierten. Dabei können nur beispielhaft einige wichtige Beiträge aus Großbritannien und Deutschland (1.) vorgestellt werden. Der Impuls zu einer empirisch fundierten und praxisorientierten Volkswirtschaftslehre, der sich in diesen Studien ausdrückt, war inhaltlich verknüpft mit der Begründung einer akademischen Wirtschaftsgeschichte. Am Beispiel der britischen Entwicklung soll gezeigt werden, wie in diesem Zeitraum die räumliche Struktur als Erklärungsfaktor in die wirtschaftsgeschichtlichen Darstellungen integriert wurde (2.)1.

1. Empirie a) Großbritannien: Ingenieurswissenschaften und Sozialforschung Großbritannien war im 19. Jahrhundert das führende Land einer empirisch fundierten gesellschaftlichen Selbstbeschreibung. Verschiedene Formen der Sozialforschung entwickelten sich seitens der politischen und gesellschaftlichen Interessengruppen und der Administration2. Innerhalb dieser sehr differenzierten sozialwissenschaftlichen Forschungslandschaft können vier Diskurse beobachtet werden, in 1 Auf die deutsche Wirtschaftsgeschichte wird hier nicht eingegangen, da hier die Verselbständigung zu einer akademischen Subdisziplin später erfolgte. Hier wäre dann vor allem Karl Büchers ,Entstehung der Volkswirtschaft‘ (1893) und Werner Sombarts ,Moderner Kapitalismus‘ (1902) zu diskutieren; siehe zu Sombarts raumwirtschaftstheoretischen Überlegungen bereits Betz (1996). 2 Vgl. Harrison (1982), Bulmer (1985) sowie die Literatur zur Statistik in Kapitel 3.

1. Empirie

193

denen Prozesse der räumlichen Konzentration in der Verknüpfung mit anderen Problemlagen thematisiert wurden. Erstens, im ,Fabrikdiskurs‘ der 1830er und 1840er vermischten sich die ingenieurwissenschaftlichen Erörterungen mit ökonomischen Überlegungen zu Beschäftigungs- und Einkommenseffekten und zur Handelspolitik, mit arbeitsrechtlichen und allgemeineren sozialphilosophischen Fragen über die neuartige industrielle Gesellschaft. Diese verschiedenen Problemlagen, die Richard W. Cooke Taylor in seinem ,Modern Factory System‘ rückblickend rekonstruiert hat, differenzierten sich in den folgenden Jahrzehnten zu unterschiedlichen Fachdiskursen aus3. Innerhalb der ingenieurwissenschaftlichen Diskussion in der ,British Association for the Advancement of Science‘ wurde eine Tradition der Beschreibung räumlicher Branchenkonzentrationen gebildet. Auf den jährlichen Kongressen der Gesellschaft wurde in der Statistischen Sektion (Sektion F) eine Reihe von Vorträgen zu räumlichen Branchenkonzentrationen gehalten und im ,Journal of the Statistical Society‘ publiziert. John Strang veröffentlichte zur Porzellan- und Glasindustrie in Glasgow und zur Musselin-Stickerei in Schottland. Edward Baines jun. hielt auf dem Kongreß in Leeds 1858 ein Referat zur Wollindustrie unter besonderer Berücksichtigung der lokalen Industrie. In Tagungsbänden wurden Bestandsaufnahmen der regionalen Branchensituation für den jeweiligen Tagungsort erstellt. So enthält der von William G. Armstrong besorgte Band zum Treffen in Newcastle-upon-Tyne 1863 Berichte zum Maschinen-, Schiff- und Lokomotivbau, zur Chemieindustrie sowie zu den Keramik-, Papier- und Lederindustrien der Region. Der von Samuel Timmins 1865 herausgegebene Bericht schilderte die Situation in zahlreichen Branchenzweigen Birminghams und des ,Midware Hardware District‘. Für die Tagung in Glasgow 1876 wurden vier Branchen untersucht, darunter ausführlich der Schiffs- und Maschinenbau4. Diese Studien sind vor allem als branchenbezogene Fortschrittsberichte zu verstehen. Sie vereinigen Produkt- und Technologiebeschreibungen mit ökonomischen Kennziffern, Ausflügen in die Wirtschaftsgeschichte und mit soziokulturellem Lokalkolorit. Im Vordergund steht die technische Entwicklung, während eine Verknüpfung mit der ökonomischen Theoriebildung nicht vorgenommen wird. Zweitens wurde das wohl größte unternehmensorientierte Dienstleistungscluster der damaligen Welt, der Bankensektor in London, wiederholt empirisch beschrieben. In dem Bewußtsein über die hohe Bedeutung der lokalisierten Finanzwirtschaft wurde dieses Phänomen über Jahrzehnte hinweg reflektiert. John Bowring 3 Cooke Taylor (1891: 132 – 139) geht auf die Material-, Energie-, Arbeitsorientierungen von Industrien im Abschnitt ,Topography of the Factory System‘, vgl. auch Cooke Taylor (1886: 325). 4 Strang (1857a und b) und Baines (1859), vgl. auch die erweiterte, 1870 von Baines publizierte Version. Im Rahmen der British Association: Armstrong (1864), Turner (1866) und Mayer (1876); allgemein zur British Association: Morell / Thackray (1981); vgl. auch die interessanten Studien von Anonymus (1855) und von Knight (1861), auf die hier nicht näher eingegangen werden kann.

13 Scheuplein

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Kap. 11: Empirische Studien und Wirtschaftsgeschichte

streift in seinem Buch ,The City; or, the Physiology of London Business‘ in den 1840er Jahren durch die geschäftlichen Treffpunkte der Banker, John Francis schildert in ,Chronicles and Characters of the Stock Exchange‘ die Konventionen der Börsianer. George Joachim Goschen, der spätere Finanzminister, schilderte in seiner ,Theory of Foreign Exchanges‘ Gründe für die räumliche Konzentration der Finanzwirtschaft in Londen ebenso wie Walter Bagehot, der Herausgeber des ,Economist‘. Dieser skizziert in ,Lombard Street‘ das Londoner Bankensystem als räumlichen Vermittlungspunkt zwischen kapitalsparenden und kapitalaufnehmenden Gebieten. London habe diese Rolle hauptsächlich durch historische Gründe erlangt, die einmal etablierte Clusterung müsse jedoch als spezifische Erfolgsbedingung für die gesamte Finanzwirtschaft angesehen werden. Schließlich folgert William S. Jevons aus dem Charakter der Geld- und Kreditanforderungen in ,Money and the Mechanism of Exchange‘ die Konzentration von Finanzdienstleistern in London5. Drittens, seit den frühen 1870er Jahren waren im industriellen Konflikt Schlichtungsverfahren üblich geworden. Zu diesem Problem entstand eine breite ökonomische Literatur, in der Henry Cromptons ,Industrial Conciliation‘ das Standardwerk darstellte. In diesem Kontext wurden auch die angemessenen Institutionen und Konfliktregulierungen für regionale Branchen diskutiert6. Langford L. Price veröffentlichte 1887 eine von Alfred Marshall angeregte und betreute Studie, in der er die industrielle Lokalisierung zu einem Erklärungsfaktor im industriellen Konflikt machte7. In ,Industrial Peace‘ beschreibt er zunächst die Entwicklung von Formen der Konfliktregulierung und Lohnfindung in der Schwerindustrie der Region Newcastle-upon-Tyne. Im abschließenden fünften Kapitel, in dem er Faktoren diskutiert, die für den industriellen Frieden vorteilhaft sind, greift er in zweifacher Weise industrielle Distrikte auf. Zum einen verdeutlicht er, daß die Charakteristik einer Branche die gewerkschaftliche Organisationsform bzw. den Organisationsgrad beeinflußen kann. Hierzu zählt er auch die räumliche Differenzierung der Unternehmen. Dabei sei, so Price, zwischen drei Lokalisierungsmustern zu unterscheiden: es existierten Branchen mit einer hochgradigen Lokalisierung in einem Zentrum, Branchen mit einer Lokalisierung in mehreren Zentren sowie räumlich disperse Branchen. In den ersteren beiden Fällen sei ein erheblicher gewerkschaftlicher Organisationsgrad festzustellen, weshalb sich die neuen Formen der Konfliktregulierung in diesen ,particular localities‘ zuerst durchgesetzt hätten8. 5 Bowring (1845), Francis (1849: 331 – 333), Goschen (1861: 31 – 34), Bagehot (1873: 10), Jevons (1875: 192 – 193, 263 – 265, 303 – 308), siehe auch die Hinweise bei Aves (1897b: 194) und Clark (1896: 630). 6 Zum regionalen Bezug siehe Crompton (1876: 104 – 133); vgl. auch die Diskussion der Konfliktregulierung bei Marshall / Marshall (1879: 214 – 217) und Jevons (1882: 148 – 163). 7 Price (1887b); siehe auch die empirischen Ergebnisse in Price (1887a) und spätere Reflexionen in Price (1896); siehe zu Price Forschungen in Newcastle: Kadish (1982: 88 – 91 und 162 – 164), vgl. zum Bezug auf Marshall: Price (1887b: XXVIII und 1927: 117); siehe die Erwähnung dieses Themas bei Pigou (1905: 8).

1. Empirie

195

Zum anderen betrachtet Price die Mobilität der Arbeitskräfte als strukturellen Einflußfaktor. So könne eine hohe Mobilität der Arbeitskräfte eine stabile Ausformung der Konfliktregulierung behindern. Hier allerdings seien wiederum die unterschiedlichen Lokalisierungsmuster aufzunehmen. In den dispersen Industrien sei eine interregionale Mobilität feststellbar und gleichzeitig seien hier interregionale und intersektorale Mobilität als komplementäre Optionen aufzufassen. Dagegen sei in den regional konzentrierten Branchen eine hohe intraregionale Mobilität feststellbar, die Arbeitskräfte wechselten aber selten in andere Regionen bzw. in andere Beschäftigungsfelder: „( . . . ) migration outside the limits of this district would be an anomaly“9. Ebenso wechselten Arbeitskräfte in den Branchen mit mehreren Lokalsierungszentren ihre Arbeitsplätze eher branchen- und regionsintern, weshalb man verschiedene regionale Typen an Arbeitskräften z. B. in der Schwerindustrie ausmachen könne. Viertens, die von Charles Booth herausgegebene Studie ,Life and Labour of the People of London‘ stellt die methodisch sorgfältigste Untersuchung zur sozialen Lage einer Stadtbevölkerung im spätviktorianischen Großbritannien dar. Alfred Marshall war in die Planung dieser Studie einbezogen und kommentierte die von 1886 bis 1902 publizierten Ergebnisse in den Sitzungen der ,Royal Statistical Society‘10. Die Studie war in drei Reihen unterteilt, in denen die Themen Armut, wirtschaftliche Branchen und religiöse Einflüsse behandelt wurden. Während in der ersten Serie raumrelevante Fragen bei der Verteilung der Armut sowie bei der räumlichen Mobilität der Arbeitskräfte berührt wurden, gingen die Autoren in der zweiten Reihe ,Industry‘ auf alle bedeutenden Londoner Wirtschaftszweige ein. Clusterstrukturen in dieser Stadtökonomie fanden sich unter anderem in der Möbel-, Textil- und Schuhindustrie, der Werftindustrie, dem Maschinenbau und der Nahrungsmittelindustrie. Implizit wird die räumliche Konzentration der Gewerbe behandelt, indem die Gewerbe auf einzelne Stadtviertel zugeordnet werden, explizit wird die Lokalisierung im Abschlußband aufgegriffen. Hier referiert Ernest Aves, der wichtigste Mitarbeiter der ,Industry-Series‘, zum einen das Spezialitätsprofil der Metropole, zum anderen fragt er, warum sich unterschiedliche Raummuster der Branchen zeigen. Als Hauptgründe für das Raummuster identifiziert er die Nähe zu Märkten, Transportkostenvorteile, Bodenpreise sowie technische Notwendigkeiten, z. B. im Bereich der Wasserzufuhr oder des Umweltschutzes11. Überblickt man diese vier Diskurse, dann bildete sich in Großbritannien im Verlauf des 19. Jahrhunderts ein Zugang zu Clusterungsprozessen in der ,ingenieurwissenschaftlichen‘ Diskussion der British Association for the Advancement of Price (1887b: 105). Price (1887b: 113); zur Migration in den räumlich dispersen Branchen: Price (1887b: 116 – 121). 10 Marshall (1887 und 1892b); zum Einfluß von Marshall: Simey / Simey (1960: 86, 135), Norman-Butler (1972: 88) und Englander / O‘Day (1995: 21 – 26). 11 Booth (1886, 1887 sowie 1892 – 1897), Aves (1897 a und b). 8 9

13*

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Kap. 11: Empirische Studien und Wirtschaftsgeschichte

Science. Hier wurde die räumliche Konzentration als ein wichtiges Element aufgefaßt, um die Entwicklung spezifischer Branchen bzw. Regionen zu verstehen. Andere Zugänge war die Beschreibung der Londoner Finanzwirtschaft, die Untersuchung räumlicher Unterschiede in industriellen Konflikten sowie die Armutsforschung in London. Mit der Marshallianischen Clustertheorie stand ab 1890 ein theoretischer Rahmen zur Verfügung, der von empirischen Forschern wie Price und Booth in ihren sozialpolitischen Studien genutzt wurde. Von einer breiten empirischen Umsetzung kann jedoch nicht gesprochen werden12.

b) Deutschland: Wettbewerb der Betriebssysteme Im Folgenden sollen einige empirische Untersuchungen zu regionalen Branchenkonzentrationen in Deutschland diskutiert werden, wobei es sich überwiegend um Arbeiten aus dem Kreis der Historischen Schule handelt. Die ersten Bezüge zu räumlichen Produktionssystemen treten in Studien zur industriellen Entwicklung auf. Frühe Beispiele sind die Arbeiten von Roscher zum Leinengewerbe in der Region Hannover und von Volz zum Ober-Elsass. Dem folgen seit den 1850er Jahren gegenwartsbezogene statistische Arbeiten, in denen teilweise räumlich-sektorale Zusammenhänge untersucht werden. Dies geschieht etwa in Bruno Hildebrands Betrachtungen der Wollindustrie in Apolda und der deutschen Leinenindustrie, sowie in Strasburgers statistischem Überblick über die „Uhren-Industrie im Jura-Gebirge“. Weitere Quellen sind landeskundliche Enzyklopädien; so erscheint in der seit 1860 herausgegebenen „Bavaria“ ein Bericht des Nürnberger ,Gewerbskommissionärs‘ Johann C. Beeg über den Nürnberg-Führter Industriedistrikt13. Eine systematische Betrachtung räumlicher Produktionssysteme entstand jedoch erst im Rahmen der sozialpolitischen Interessen der Jüngeren Historischen Schule, die sich um eine wissenschaftliche Bearbeitung der Arbeits- und Lebensverhältnisse bemühte. Diese Darstellungen können anhand der Formen der Produktionsorganisation geordnet werden, wobei zuerst die Hausindustrien betrachtet werden. Die ,Hausindustrie‘ diente dabei als Sammelbegriff für eine dezentralisierte Produktionsform jenseits von Handwerk und Fabrik. Zur genaueren Charakterisierung unterschied Wilhelm Stieda drei Ursprünge der Hausindustrie: sie könne traditionell als landwirtschaftlicher Nebenerwerb entstehen, als Zwischenstufe im Übergang zur fabrikmäßigen Produktionsorganisation dienen sowie durch eine horizontale Desintegration von Großbetrieben hervorgerufen werden14. 12 Dies setzte sich im frühen 20. Jahrhundert fort; vgl. aber Hall (1902), Chapman (1904: 148 – 179), Regional Plan Association (1924 – 1931) und Jones (1933); siehe Robertson zur Verbindung von Clustern mit konjunkturellen Krisen (1915: 35, 71 – 74) und mit monopolistischen Tendenzen (1923: 27 – 32). 13 Roscher (1845: 410), Volz (1851), Hildebrand (1864, 1869), Strasburger (1872) und Beeg (1865); vgl. auch Hocker (1867) zur rheinisch-westfälischen Industrie.

1. Empirie

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Nachdem die Arbeitsverhältnisse der Hausindustrie bereits in den Publikationen der Arbeiterbewegung ein Thema waren15, entdeckte die Volkswirtschaftslehre in den späten 1870er Jahren das Forschungsfeld. Hierzu führten sowohl die wirtschaftlich sehr unterschiedlichen Entwicklungen hausindustriell geprägter Regionen, als auch die besonders prekären Arbeits- und Lebensverhältnisse. Beispielhaft für eine krisen-orientierte Untersuchung ist die Studie von Gottlieb Schnapper-Arndt über schrumpfende Hausindustrien im Taunus. Alphons Thun untersucht die Aachener Wollindustrie, die linksrheinische Seidenindustrie mit dem Zentrum Krefeld, die Baumwollindustrie in Gladbach und Rheydt, die Textilindustrie im Wuppertal (Barmen, Elberfeld) sowie die Metallindustrien in Solingen (Schneidwaren) und Remscheid (Sensen). Ebenfalls umfassend und detailreich sind die Fallstudien von Emanuel Sax zur thüringischen Hausindustrie, etwa zur Holz- und Spielwarenindustrie in Sonneberg, zur Glasindustrie in Laucha oder zur Pfeifenindustrie in Ruhla. Louis Bein behandelt in der ,Industrie des sächsischen Voigtlandes‘ die Musikinstrumentenindustrie mit den Zentren Marktneukirchen und Klingenthal sowie die Textilindustrie (,Weißwaren‘) mit dem Zentrum Plauen. Für die Musikinstrumentenindustrie konstatiert er eine Tendenz zur Maschinisierung und zu großbetrieblichen Einheiten, aber auch ein Nebeneinander der verschiedenen Betriebssysteme16. Georg Schanz untersucht mit der Erlanger Strumpfindustrie und die Schwabacher Nadelindustrie wiederum zwei Krisenfälle. Weitere informative, wenn auch methodisch weniger elaborierte Arbeiten wurden von Albin Bráf zur nordböhmischen Glasindustrie bei Haida und Gablonz sowie von Rudolf Nekola zur Holzund Spielwarenindustrie bei Gmunden (Ober-Österreich) vorgelegt. Ende der 1880er Jahre nahm sich der Verein für Socialpolitik der Hausindustrie an und führte eine Enquete durch, die 1889 bis 1891 in fünf Bänden veröffentlicht wurde. Hiervon sind einige Studien relevant, wobei vor allem die Bestandsaufnahmen des Holzhandwerks in den Regionen Berchtesgarden und Garmisch, der Schwarzwälder Uhrenindustrie und der Wollweberei im nordöstlichen Thüringen die Existenz räumlicher Produktionssysteme belegen. Diesen Einzeldarstellungen ist eine informative Einleitung von Stieda vorgeschaltet, in der unter anderem die geographische Verbreitung der Hausindustrie statistisch aufgearbeitet wird. Anhand von Be14 Stieda (1889: 108 – 158); vgl. zur Systematisierung der gewerblichen Betriebssysteme Roscher (1855), Schwarz (1869), Thun (1879: 241 – 250) und Haushofer (1885). Spätere Zusammenfassungen bei Sieveking (1923) und Schwiedland (1923). Vgl. als wichtige Etappe bei der Erforschung des Handwerks und der Hausindustrie Schmollers (1869) Artikelfolge zum Kleingewerbe. Vgl. aktuell Kriedte (1998) zur Untersuchung der Hausindustrie durch die Historische Schule. 15 Vgl. von Hirschfelds (1874 / 75) Aufsatzserie über die Textil- und Metallindustrie im Rheinland; zur Entdeckung des Forschungsfeldes: Sax (1884b) und Stieda (1889: 33). 16 Schnapper-Arndt (1883), Thun (1879), Sax (1882: 5 – 65 und 103 – 115), Sax (1884a: 5 – 60) und Bein (1884: 55). Die Studie von Schnapper-Arndt wurde von Ernst Engel und Gustav Schmoller unterstützt, das Buch von Thun durch Ernst Engel angeregt, Beins Untersuchung von Johannes Conrad betreut.

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Kap. 11: Empirische Studien und Wirtschaftsgeschichte

schäftigtenzahlen und Lokalisationsquotienten (hausindustrielle Beschäftigte pro Einwohner bzw. pro Industriebeschäftigte) werden räumliche Schwerpunkte nachgewiesen und eine zumindest grobe Zuordnung der einzelnen Wirtschaftszweige auf Regionen vorgenommen17. Eine zweite Serie an Studien zur „Hausindustrie und Heimarbeit“ publizierte der Verein für Socialpolitik im Jahr 1899. Die vorbereitende Kommission dieser Enquete unterschied die städtische Hausindustrie mit vorwiegend weiblichen Arbeitskräften, die handwerksmäßigen Gewerbe und „einige zu großen lokal konzentrierten Hausindustrien ausgewachsene Gewerbe“18. Unter diesem dritten Typ werden mehrfach regionale Produktionssysteme verhandelt, etwa in den Arbeiten zum Feinmechanikgewerbe im Bezirk Balingen, zur Kartonageindustrie in Lahr, Schuhindustrie in Trebitsch, Glasindustrie in Nordböhmen, Uhrenindustrie im badischen Schwarzwald und Spielwarenindustrie in Sonneberg. Die geographische Verteilung der Hausindustrie wird durch ausführliches Zahlenmaterial dokumentiert, sowie durch den Berichterstatter der Kommission, Alfred Weber, zusammengefaßt. Er unterscheidet als Regionstypen die Mittelgebirge mit einer familiären Basis der Hausindustrie und einer stagnierenden Tendenz der Beschäftigten sowie die Großstädte, in denen sich dieses Betriebssystem rasch ausdehnt und vor allem Frauen sowie dequalifizierte Handwerker als Arbeitskräfte einbezogen werden19. Das Betriebssystem des Handwerks stellt ein weiteres Untersuchungsfeld dar, wobei die zumeist lokale Absatzorientierung sowie die teilweise dafür verantwortlichen rechtlichen Rahmenbedingungen eine Differenzierung, systemische Integration und ein kumulatives Wachstum der Unternehmen zumeist nicht erlauben. Mit der Aufhebung der Zunftordnungen seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts wurden die Grenzen zur Haus- oder Fabrikindustrie jedoch durchlässiger. Dies kommt in vielen Fallstudien der Untersuchungsreihe zum ,Handwerk in Deutschland‘ zum Ausdruck, die der Verein für Socialpolitik 1895 / 96 in acht Bänden veröffentlichte. Als funktionierende regionale Produktionssysteme können vermutlich wenige der vorgestellten sektoralen Konzentrationen gelten, am ehesten wohl die traditionell exportorientierten Tonwarenindustrien in Bunzlau und auf dem Westerwald (,Kannenbäckerland‘)20. Das dritte Betriebssystem der Fabrikindustrie ist auf den ersten Blick kaum vertreten. Ein Beispiel ist die von Albin Bráf betrachtete Porzellanindustrie bei Karlsbad. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, daß in verschiedenen Produktionssystemen die fabrikmäßige Organisation mit den Eigenschaften der anderen Betriebssysteme verschmolzen ist. So deutet Beeg die Arbeitsorganisation in verschiedenen Nürnberger Branchen als Mischung aus Fabriksystem und Handwerk. Insbesonde17 Schanz (1884), Bráf (1881), Nekola (1882), Verein für Socialpolitik (1889 – 1891) und Stieda (1889: 56 – 59 und 64). 18 Weber / Phillipovich (1899: VI), Verein für Socialpolitik (1899 a – d, 1900). 19 Verein für Socialpolitik (1899d: 114 – 123), Weber (1900: 27 f.). 20 Verein für Socialpolitik (1895 / 1896), darin Steinitz (1895) und Zais / Richter (1895).

1. Empirie

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re die Bleistift- und Glasindustrie dort sieht er „eigenthümlich organisirt, Fabrikund Maschinenwesen, Handwerk und freie Erwerbsart sind darin so enge mit einander verknüpft, daß eine Zerlegung in Fabrik- und Handwerksindustrie unmöglich“ sei. Senst und Rosenhaupt bestätigen später das Ineinandergreifen handwerklicher, hausindustrieller und großbetrieblicher Organisationsformen in ihren Arbeiten zur Nürnberg-Fürther Metallspielwarenindustrie. Rosenhaupt sieht einen Zusammenhang zwischen Produkt und Betriebsgröße und unterscheidet drei Produktgruppen, denen er jeweils einen unterschiedlichen Mix an Betriebsgrößen zuordnet. Die Verknüpfung der Betriebssysteme an einem Standort spiegelt sich auch in unterschiedlichen Bewertungen. Während Alexander Ziegler die Pfeifenindustrie in Ruhla dem Fabriksystem zuordnet und vom „Kleinmanchester Thüringens“ spricht, betrachtet Emanuel Sax dieses regionale Produktionssystem als Hausindustrie21. Ohne Zweifel besteht der Haupttrend der Betriebsysteme in einer Zunahme der Fabrikorganisation. Es kommt jedoch auch der Fall einer vertikalen Desintegration vor, wodurch neue hausindustrielle Formen entstehen. Dies diagnostiziert Bráf im Fall der nordböhmischen Glasindustrie. Er führt die Vermehrung kleinerer Betriebe auf eine Arbeitskampfmaßnahme der Glasraffinerie-Besitzer zurück, die die Streikfähigkeit ihrer Beschäftigten unterlaufen wollten22. Abschließend soll noch auf die Thematisierung der sozio-kulturellen Dimension anhand von zwei Beispielen verwiesen werden. Erstens wird von den historistischen Autoren die Herausbildung einer soziokulturellen Regionalidentität als Element eines regionalen Produktionssystems behandelt. So deutet Bein in seiner Studie zur Musikinstrumentenfabrikation in Marktneukirchen und Klingenthal auf den Zusammenhang zwischen der sektoralen und kulturellen Spezialisierung. Mit dem Aufstieg dieses Wirtschaftszweiges „zum Monopol dieses räumlich eng begrenzten Gebietes“ sei dieses „zu einer Welt für sich geworden“. Zweitens werden die unterschiedlichen Entwicklungspfade regionaler Produktionssysteme untersucht. In einer von Karl Bücher betreuten Arbeit über die Pforzheimer Schmuckindustrie zeigt Julius Wernsdorf, wie das Pforzheimer Produktionssystem einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Hanauer Schmuckindustrie erlangte. Als unmittelbare Ursache macht er eine flexiblere Veränderung der betrieblichen Organisationsformen in Pforzheim aus, die mittelbar auf Unterschiede im soziokulturellen Sediment der beiden Städte verweise23. 21 Bráf (1881), Beeg (1865: 1061 f., 1072), Senst (1901), Rosenhaupt (1907: 67), A. Ziegler (1878: 97) und Sax (1884). 22 Bráf (1881: 93). Eine Reihe weiterer Studien gehen in der wirtschaftsgeschichtlichen Beschreibung auf und werden hier nicht näher betrachtet, siehe etwa Schmidt (1868) zur Serpentin-Industrie in Zöblitz, Morgenstern (1890) zur Fürther Metallverarbeitung, Hisserich (1894) zur Idar-Obersteiner Schmuckindustrie, Stillich (1899) zur Spielwarenindustrie im Meiniger Oberland und Stieda (1902) zur Porzellanindustrie in Thüringen. Dieser Art ist auch die umfangreiche Literatur zur Uhrenindustrie im Schwarzwald von Meitzen (1848), Trenkle (1874: 197 – 228 und 286 – 290), Gothein (1892: 831 – 844) und Schlenker (1904).

200

Kap. 11: Empirische Studien und Wirtschaftsgeschichte

Dem sozial- bzw. wirtschaftspolitischen Kalkül entsprechend, das die meisten Studien angeregt hat, enthalten sie eine Reihe von raumwirtschaftspolitsch relevanten Empfehlungen. Insgesamt vertreten die Autoren ein Programm der bestandsorientierten Entwicklung, mit dem regional Branchenkonzentrationen schrittweise verbessert und umorientiert werden sollen24. Die Ratschläge zielen dabei vor allem auf die Einrichtung nicht-marktlicher Institutionen im Bereich der Aus- und Weiterbildung. Beispielsweise sieht Thun in seiner Arbeit zur niederrheinischen Textilindustrie deutliche Defizite des gewerblichen Bildungswesens und regt Besserung an. Emanuel Sax und Schanz diskutieren Pläne zur Gründung von gewerblichen Fachschulen. Bein berichtet von der Situation der „Spezial-Gewerbeschule“ für die Musikinstrumentenproduktion und regt die Einrichtung einer Weiterbildungseinrichtung an. Ebenso lobt Nekola die Einrichtung einer Fachschule für Schnitzerei. Ein weiterer Vorschlag zur Verbesserung der Innovationsfähigkeit sind Demonstrationszentren. In diesem Sinne empfiehlt etwa Sax der Sonneberger Spielwarenindustrie eine Produktausstellung, die durch „Anregung auf allen Gebieten“ inspirieren könne25. Dieser Überblick über empirische Arbeiten zeigt, daß auch in Deutschland die soziale Lage der Beschäftigten und die industriellen Konflikte zum wesentlichen Impuls für Studien über räumlich-sektorale Komplexe wurden. Eine wissenschaftliche Bearbeitung begann seit dem Ende der 1870er Jahre, wobei die sozialpolitisch engagierten Volkswirte der Jüngeren Historischen Schule als Anreger und Betreuer fungierten. Als theoretischer Rahmen diente hierbei die Unterscheidung in Formen der Produktionsorganisation, denen bestimmte Raumanforderungen und -muster zugeordnet wurden. Im Vergleich mit Großbritannien konnten methodisch komplexere Studien für eine große Anzahl von Fällen geleistet werden. Dabei leiteten die Historisten aus der Beschreibung der Cluster zahlreiche wirtschaftspolitische Schlussfolgerungen ab. Eine weitere theoretische Nutzung der empirischen Arbeit und eine Verknüpfung mit makroökonomischen Prozessen wurde jedoch nicht in Angriff genommen.

23 Bein (1884: 1), Wernsdorf (1899: 20); vgl. Schanz (1884: 188, 198) zu unterschiedlichen wirtschaftsrechtlichen Ordnungen in der Textilindustrie, aus denen er verschiedene Innovationsgrade regionaler Industrien folgert. 24 Vgl. Emanuel Sax (1888: 117 f.) zur Thüringer Hausindustrie. 25 Thun (1879: 218), Emanuel Sax (1882: 32, 34; 1888: 117), Schanz (1884: 428) und Bein (1884: 21); Nekola (1882: 41, 44) diskutiert auch die Vertriebswege der von ihm betrachteten Cluster. Vgl. bereits Bülau (1834: 181, 195) zu Wissenschaft und Technologie als Erfolgsfaktoren des industriellen Aufholprozesses und zur anwendungsorientierten Standortwahl für Ausbildungseinrichtungen.

2. Wirtschaftsgeschichte

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2. Wirtschaftsgeschichte a) Historismus, Raum und die Entstehung der britischen Wirtschaftsgeschichte Die Gründungsphase der Wirtschaftsgeschichte als einer eigenständigen Disziplin in Großbritannien ab etwa 1870 war von der Suche nach tragfähigen Darstellungskonzepten geprägt26. Die sektorale und räumliche Spezialisierung wurde in diesem Prozeß als ein wichtiges Element der Wirtschaftsentwicklung konzeptualisiert. Prägend in diesem Suchprozeß war der Einfluß der Deutschen Historischen Schule. Diese wurde in Großbritannien erst mit großer Zeitverzögerung registriert, wobei die Erklärungen für internationale wie intra-nationale ungleichmäßige Entwicklungen besondere Aufmerksamkeit erfuhren. So führte Cliffe Leslie ökonomische Entwicklungsdifferenzen in Irland, England und Frankreich auf institutionelle Arrangements der Landnutzung zurück. Auch intra-nationale Lohndifferenzen und ökonomische Fluktuationen waren ein zentrales Thema der historistisch orientierten Autoren. Die von J. E. Thorold Rogers geleistete Darstellung von Lohn- und Preisentwicklungen seit dem Mittelalter war eines der eindrucksvollsten Resultate27. Bis zur Mitte der 1880er Jahre formierte sich in Großbritannien ein ,historistischer‘ Flügel in der Volkswirtschaftslehre, der sein Betätigungsfeld in einer wirtschaftsgeschichtlich unterlegten Beschreibung ökonomischer Strukturen und Begriffe sah. Während Cliffe Leslie, Thorold Rogers, John K. Ingram, William Cunningham und William J. Ashley sich um 1890 als theoretische Alternative zur ,abstrakten‘ Volkswirtschaftstheorie verstehen konnten, wurden sie spätestens nach dem Ersten Weltkrieg zu einer Subdisziplin degradiert. Die räumliche Produktionsstruktur wurde bis zu diesem Zeitraum in theoretisch kaum informierten Werken, z. B. Leone Levis ,History of British Commerce‘, als einem Faktor unter vielen Faktoren des säkularen Aufstiegs der britischen Ökonomie referiert28. Auch die historistischen Autoren, z. B. Rogers, thematisierten in ihren frühen Arbeiten räumliche Branchenspezialisierungen ähnlich29. Dies änderte sich erst in den 1880er Jahren durch das Werk Arnold Toynbees30. Toynbees 26 Siehe Koot (1987) und Kadish (1989) als Überblick; auf John A. Hobsons sozialevolutionär angelegte Wirtschaftsgeschichte ,The Evolution of Modern Capitalism‘ wird nicht eingegangen, da die erste Auflage von 1894 nicht eingesehen werden konnte; vgl. in der zweiten Auflage ausführliche Betrachtungen zur Clusterung (1906: 44 – 50, 154 – 166). 27 Leslie (1879), Rogers (1884); vgl. zu den ,Historisten‘ in Großbritannien: Koot (1987). Die methodologischen Positionen sind in einem Sammelband erschienen, vgl. Leslie u. a. (1997); vgl. zur Wahrnehmung seitens der führenden Fachvertreter in den 1880er Jahren: Jevons (1880: IX), Marshall (1885) und Sidgwick (1885). 28 Vgl. Levi (1880: 19 f., 531). 29 Rogers (1868: 240).

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Kap. 11: Empirische Studien und Wirtschaftsgeschichte

Interesse an der Wirtschaftsgeschichte ist eng verknüpft mit seiner Kritik der ricardianisch-millschen Theorie. Er wandte sich sowohl gegen den wachstumstheoretischen Pessimismus als auch gegen eine statische, mit einem atomistischen Menschenbild verknüpfte Gesellschaftstheorie. In seinen ,Lectures on the Industrial Revolution in England‘ entwickelt er das gesellschaftspolitische Potential für eine Veränderung von Gesellschaftsstrukturen, indem er das Maß an Veränderung in der jüngeren Vergangenheit aufzeigt. Wenn Toynbee ausführlich die frühe Lokalisierung von Gewerben und den weiteren räumlichen Strukturwandel darstellt, dann ist dies für ihn ein wichtiges Element in einem revolutionären Wandel gesellschaftlicher Produktivkräfte. Zugleich ist Toynbees historischer Sinn und seine Bemühung um eine faktengetreue Darstellung auffällig, beispielsweise zitiert er Daniel Defoe, George Berkeley, Arthur Young, Edward Baines sen. und Andrew Ure31. Toynbee starb bereits 1883 und hinterließ nur die ,Lectures‘, hatte aber als Tutor am Balliol College in Oxford bis zu diesem Zeitpunkt bereits nachhaltig auf seine Oxforder Kollegen Thorold Rogers, William Cunnigham und Hubert L. Smith sowie auf seine Schüler William Ashley, Langford L. Price, Edwin Cannan und William Hewins eingewirkt. Der erste britische historistische Ökonom, der diesen Anregungen folgend die Clusterung von Branchen beschreibend in eine umfassende Wirtschaftsgeschichte einarbeitete, war William Cunningham. Er hielt zwischen 1878 und 1882 in Cambridge Vorlesungen zur Wirtschaftsgeschichte, aus denen sein Werk ,The Growth of English Industry and Commerce‘ entstand. Hier setzt er sich zuerst mit der Rohstofforientierung von Branchen auseinander und charakterisiert die Topographie der Textilindustrie32. Den Übergang zur räumlichen Spezialisierung sieht er bereits in der frühen Neuzeit mit der Freisetzung von Kapital und Arbeitskraft aus den traditionellen Beschränkungen33. Ähnlich verortet William Ashley in seiner ,Introduction to English Economic History and Theory‘ den raumstrukturellen Wandel in Großbritannien, wobei er sich speziell der regionalen Entwicklung der Wollindustrie widmet34. Das Verdienst der britischen Historisten kann darin gesehen werden, daß es ihnen gelang, die Raumstruktur als Beschreibungsaspekt in der Wirtschaftsgeschichte zu verankern. In diesem Feld blieben sie auch für wirtschaftsgeschichtliche Untersuchungen anderer Theorie-Richtungen beispielhaft35. Eine kategoriale Betrachtung der Lokalisierung nahmen die historistisch orientierten Autoren dagegen Vgl. Kadish (1986) und Koot (1987: 84 – 89). Vgl. Toynbee (1884: 46 – 57) zur Lage des Gewerbes um 1760. 32 Cunningham (1882: 123, 395 – 399). 33 Cunningham (1882: 382). 34 Ashley (1893: 47, 242). 35 So beruft sich der Marshall-Schüler L. L. Price bei der Darstellung von Raumstrukturen in der industriellen Revolution in seiner ,History of English Commerce‘ ausdrücklich auf Rogers und Cunningham, vgl. Price (1900: 196 – 199). 30 31

2. Wirtschaftsgeschichte

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kaum vor36. Als Cunningham im Jahr 1902 in einem Vortrag vor der Section F der ,Britisch Association for the Advancement of Science‘ sich explizt des Themas annahm, zeigte sein Referat, wie weit die Historisten von einer wirtschaftstheoretischen Erfassung der Raumstruktur entfernt waren. Cunningham zählt in diesem Vortrag physische und soziale Bedingungen der Lokalisierung und der Dezentralisierung von Branchen auf, ohne die Rolle von Clustern im gesamtwirtschaftlichen Wachstumsprozeß überhaupt zu streifen. b) Historisches und Systematisches bei Alfred Marshall „From the first he must give a great part of his time to a realistic study of the structure and conditions of industry and Trade ( . . . ) and he will be obtain a broad knowledge of the principles of economic geography.“ Alfred Marshall: The New Cambridge Curriculum in Economics, London, 1903, S. 25 f.

Alfred Marshall hatte sich früh für die von den Historisten angeregte methodologische Diskussion in der englischen Volkswirtschaftslehre interessiert. Gemeinsam mit John N. Keynes, der 1890 ein weithin akzeptiertes Resümee dieser Debatte publizierte, vertrat er die Gleichwertigkeit von induktiven und deduktiven Methoden der Ökonomie. Die historisch-räumliche Spezifität ökonomischer Ansätze wurde im Vergleich zu J. S. Mill stärker betont, eine vollständige Relativierung bzw. eine Aufgabe abstrakter Theoriebildung dagegen abgewiesen37. Gleichzeitig wird das Verhältnis zwischen praktischen und theoretischen Fragen neu bestimmt. Hatte die erste Generation der klassischen Ökonomen gerade den Automatismus zwischen Theorie und wirtschaftspolitischen Empfehlungen betont, so wird nun eine relative Autonomie beider Bereiche herausgestellt. Mit einer unterschiedlichen Geltungsreichweite der wirtschaftspolitischen und -theoretischen Aussagen wird eine permanente Reflexion über die naturgegebenen und sozialen Bedingungen der verschiedenen Volkswirtschaften notwendig. Aus diesem Grund wird der Wirtschaftsgeschichte eine strategische Funktion zugesprochen: „In particular, economic history teaches the limits of the actual applicability of economic doctrines“38. Marshall sieht die Disziplin eng verknüpft mit der Geschichte der Wirtschaftstheorie; er versteht sie als eine Akkumulation von Wissen über die sozialen Bedingungen, in denen theoretische Lösungswege gesucht wurden, und über die Irrtümer, die dabei begangen wurden. Die Wirtschaftsgeschichte wird damit zu einem wichtigen Hilfsmittel der weiteren Theoriebildung39. 36 Vgl. auch diese Leerstelle in den von Rogers 1888 / 9 gehaltenen Vorlesungen ,Industrial and Commercial History of England‘. 37 Marshall (1885: 154, 1890a: 62 – 71); vgl. auch J. N. Keynes (1890: 64, 136, 307) zu den Bedingungen von Volkswirtschaften und zur Berechtigung einer abstrakten Theorie (320). 38 Keynes (1890: 278). 39 Marshall (1870: 1 – 7, 1885: 167 – 170, 1890a: 72 – 77).

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Kap. 11: Empirische Studien und Wirtschaftsgeschichte

Diese methodologische Grundposition versuchte er in den wirtschaftsgeschichtlichen Kapiteln der ,Economics of Industry‘ und der „Principles“ umzusetzen, und sie bildet ein wesentliches Konstruktionselement von ,Industry and Trade‘40. In Kapitel 9 wurde bereits gezeigt, wie Marshall in seiner Preis- und Gleichgewichtstheorie den historischen Wandel von Märkten, Unternehmen und der Produktionsorganisation als Einflussfaktor aufnahm. Im Folgenden soll ergänzend darauf eingegangen werden, wie Marshall die historische Veränderung der räumlichen Produktionsstruktur konzipierte. In den ,Economics of Industry‘ untersuchen Alfred und Mary Marshall zunächst, auf welche Weise Formen der Produktion und des Austauschs historisch entstanden. Erst anschließend beginnen sie mit der systematischen Analyse. Angelehnt an Herbert Spencer erklären sie die wirtschaftlichen Prozesse als Ergebnis einer Evolution, in der sich auch eine überlegene Form der räumlichen Organisation herausgebildet hat. Wie bei Spencer werden diese Raumformen verschiedenen Phasen der Wirtschaftsgeschichte zugeordnet. Nach der Aussage von Marshall / Marshall beginnt eine Raumstruktur mit dem Übergang von der nomadischen zur landwirtschaftlichen Phase. Zunächst unterscheiden sich die Standorte kaum, da fast alle Produzenten als Selbstversorger agieren. Es existieren allerdings erste ,village communities‘, die sich exclusiv einzelnen Produktionsaktivitäten widmen. Mit dem Entstehen von Stadtwirtschaften mit einem differenzierten Handwerkssektor setzt eine Bildung räumlicher Zentren ein. Aber erst bei einem großindustriellen, warenproduzierenden Sektor und einer komplementären Warendistribution kommt es zu einer durchgreifenden ,Localisation of industry‘41. Diese Darstellung von Raumkonfigurationen durch Marshall / Marshall ist klar strukturiert, aber wenig empirisch belegt. In den ,Principles‘ legt Marshall einen stärkeren Akzent auf das Aufkommen wirtschaftlicher Freiheit. Er schildert, wie der Wechsel zur kapitalistischen Warenproduktion auf der Angebotsseite durch die Entstehung neuer Produktionsmethoden möglich wurde. Nachfrageseitig war die Erschließung neuer Absatzmärkte in Europa und in Übersee notwendig. Durch diese Faktoren wurden sowohl die räumliche Konzentration der Branchen gefördert als auch die unternehmerischen Fähigkeiten. Die Raumstruktur von Clustern und das kapitalistische Unternehmertum werden damit als in gleicher Weise konstituierende Eigenschaften der modernen Wirtschaft verstanden: „Thus localization and the growth of the system of capitalist undertakers were two parallel movements, due to the same general cause, and each of them promoting the advance of the other“42.

40 Marshall / Marshall (1879: 43 – 48), Marshall (1890a: 10 – 49, 329 – 332), Marshall (1919). 41 Marshall / Marshall (1879: 47). 42 Marshall (1890a: 39).

3. Schlußfolgerungen

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Die Betrachtung von Lokalisierungsgründen und der gesellschaftlichen Erzeugung von standörtlichen Produktionsvorteilen wird in den ,Principles‘ – wie bereits in Kapitel 9 referiert – differenzierter und mit besserer Kenntnis der wirtschaftshistorischen Fakten vorgenommen. Die historischen Raumkonfigurationen bieten Marshall eine geeignete Folie, um den Strukturwandel des zeitgenössischen Kapitalismus zu konturieren. So kann er die Randwanderung der industriellen Aktivitäten, die innerstädtische Konzentration von Handel und unternehmensbezogenen Dienstleistungen, die räumliche Konzentration neuer wissenschaftsbasierter Branchen und den vermuteten Bedeutungsverlust industrieller Cluster erfassen und als Merkmale eines neuen Produktionsmodells deuten. In der obigen Diskussion über den Strukturwandel von Märkten und Unternehmen zeigte sich allerdings, daß die systematischen Konsequenzen für die Preis- und Wettbewerbstheorie vage blieben43. Hier blieb die Nutzung wirtschaftsgeschichtlicher Erkenntnisse ein uneingelöster Anspruch. So kann auch bei Marshall eine abnehmende Hoffnung festgestellt werden, sein theoretisches Modell der Ökonomie mit der historischen Genese des Kapitalimus überzeugend zu verknüpfen. In der Editionsgeschichte der ,Principles‘ drückte sich dies darin aus, dass die wirtschaftshistorischen Kapitel seit der vierten Auflage in den Anhang verbannt wurden. Alfred Marshall geht über eine bloße Aufzählung wirtschaftshistorischer Fakten, wie sie die britischen Historisten zustande brachten, weit hinaus. Die Verbindung zwischen der historischen Darstellung und der systematischen Argumentation überzeugt bei Marshall, soweit es bis zum Übergang zu einer modernen Marktökonomie kommt. Hier kann er – unter starken Anleihen an Spencers Theorie sozialer Evolution – eine Abfolge räumlicher Konfigurationen aufzeigen, die Teil der gesellschaftlichen Entwicklung waren. Innerhalb der kapitalistischen Epoche bleibt die Verknüpfung zwischen dem historischen Strukturwandel und einem geeigneten theoretischen Modell jedoch ein nicht verwirklichtes Versprechen.

3. Schlußfolgerungen In diesem Kapitel konnten nur einige ausgewählte Schwerpunkte der empirischen Untersuchung von Clustern aufgezeigt werden. Es zeigte sich, daß in vielfältiger Weise empirische Beobachtungen über die Clusterung von Branchen im 19. Jahrhundert vorhanden waren. In Großbritannien beginnt in den 1830er Jahren eine facettenreiche und von verschiedenen Akteursgruppen getragene Beschreibung räumlicher Produktionssysteme. Hier wie auch in Deutschland wurden Cluster im Kontext von Branchen- und Regionsentwicklungen, der sozialen Lage der Beschäftigten und von industriellen Konflikten wahrgenommen. In Deutschland setzte unter dem Einfluß der Jüngeren Historischen Schule eine wissenschaftliche Bearbeitung am Ende der 1870er Jahre 43

Vgl. Kapitel 9, Abschnitt 3.b).

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Kap. 11: Empirische Studien und Wirtschaftsgeschichte

ein. Bemerkenswert ist die methodische Reife und begriffliche Differenzierung, mit der Raumanforderungen und -muster beschrieben und analysiert wurden. Mit den Studien von Langford L. Price und Charles Booth wurden dann ab dem Ende der 1880er Jahre in Großbritannien methodisch anspruchsvolle Arbeiten vorgelegt, die gleichzeitig auf den konzeptionell überzeugenden Cluster-Begriff von Alfred Marshall aufbauten. Neben den Untersuchungen der zeitgenössischen Raumstruktur wurde auch der historische Strukturwandel betrachtet. Dabei war die Integration empirischer Ergebnisse bzw. induktiver Methoden wie auch die Berücksichtigung der wirtschaftshistorischen Forschung Teil der gleichen methodologischen Debatte in der Volkswirtschaftslehre. Während für den deutschen Historismus bereits in Kapitel 5 dargestellt wurde, daß räumliche Produktionsstrukturen ein fester Bestandteil seines Forschungsprogramms waren, konnte dies in diesem Kapitel auch für den englischen Historismus gezeigt werden. Forschungspraktisch wurde die Clusterung allerdings nur als ein Beschreibungsmerkmal in der Wirtschaftsgeschichte genutzt. Eine konzeptionelle Weiterentwicklung leistete Alfred Marshall, in dessen Werk die Frage nach den historischen Veränderungen der Produktionsorganisation und ihrem Einfluß auf die Preis- und Gleichgewichtstheorie gestellt wird. Er bemühte sich, seine systematischen Kategorien so wirklichkeitsnah zu konzipieren, daß entscheidende Charakteristika einer Produktionsorganisation und deren historischer Wandel von ihnen abgebildet werden können. Auch wenn die auftretenden inhaltlichen und methodologischen Probleme von Marshall nicht gelöst werden konnten, zeichnete sich hier dennoch eine fruchtbare Perspektive für die Zusammenarbeit von Volkswirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte ab.

Kapitel 12

Zusammenfassung und Schlußfolgerungen 1. Einleitung Die räumliche Konzentration von Unternehmen einer Branche ist ein häufiges Phänomen in modernen Marktökonomien. In einer Zeit globaler Waren- und Kapitalströme sind Cluster von Produktions- und Dienstleistungsaktivitäten bedeutender denn je. Unternehmen berücksichtigen die Vorteile dieser Raummuster bei ihren Standortentscheidungen. Die Unterstützung bzw. Bildung von Clustern hat sich als effizientes Instrument der Wirtschaftspolitik etabliert. Entsprechend hat sich in der Wirtschaftsgeographie und in verschiedenen Bereichen der Volkswirtschaftslehre eine breite Diskussion darüber entwickelt, wie und warum Cluster funktionieren und welche Folgen dies für die volkswirtschaftliche Theoriebildung hat. Diese Diskussion, so zeigte sich beim Überblick über den Forschungsstand, scheint aktuell kaum an eine historische Tradition anknüpfen zu können. Nur der Volkswirt Alfred Marshall wird üblicherweise als ein Impulsgeber genannt, der zwischen 1890 und 1920 auf diesem Feld bereits Beiträge geleistet habe. Über andere Einflüsse davor oder danach ist in der aktuellen theoretischen Debatte nichts bekannt. Eine genauere Auswertung der dogmengeschichtlichen Literatur förderte immerhin eine ganze Reihe weiterer Namen zu Tage – William Cunningham, Frederick S. Hall, Wilhelm Roscher, Edward Ross, Albert Schäffle und Andrew Ure –, bei denen in verschiedener Hinsicht clustertheoretische Überlegungen identifiziert wurden. Nur in zwei Fällen, bei William E. Hearn und Henry George, hat dies bereits zu einer genaueren Untersuchung ihrer raumwirtschaftstheoretischen Arbeiten geführt. Dies mündete aber nicht in eine zusammenhängende Ideengeschichte der Clusterung. Vielmehr sehen die meisten Untersuchungen zur Geschichte der Raumwirtschaftstheorie zwar erste Überlegungen im 18. Jahrhundert, gehen aber explizit von einer ,Ausblendung des Raumes‘ im 19. Jahrhundert aus, die weit bis in das 20. Jahrhundert wirkte. In diesem Zuge sei auch die räumliche Konzentration von Wirtschaftsaktivitäten aus dem Focus der Ökonomen verschwunden. Dies ist überraschend, zumal die räumliche Dimension der Produktion eine wichtige Rolle in der Industrialisierung spielte. Der Aufstieg aller Industrienationen im 18. und 19. Jahrhundert war mit dem Erfolg regional focussierter Branchen verbunden. Es ist zu erwarten – so die zentrale Annahme der vorliegenden Arbeit –, daß die Clusterung seit den Anfängen des modernen ökonomischen Denkens registriert und interpretiert wurde. Daher lauteten die Forschungsfragen: Auf wel-

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Kap. 12.: Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

che Weise wurden Cluster als ein ökonomischer Wirkungsmechanismus innerhalb der volkswirtschaftlichen Literatur des 19. Jahrhunderts begriffen? Wie wurden sie konzeptionell erfaßt und worauf sind die unterschiedlichen Darstellungsformen von Clustern zurückzuführen? Die Untersuchung setzte ein mit dem Werk David Ricardos um 1815 und wurde bis zum Erscheinen der Marshallschen ,Principles‘ 1890 geführt. Dabei wurde vornehmlich die volkswirtschaftliche Diskussion in Großbritannien und Deutschland behandelt, zusätzlich wurden einige weitere Autoren aus dem englischen Sprachraum einbezogen. Behandelt wurden zum einen die gängigen volkswirtschaftlichen Theorierichtungen, d. h. die klassische Politische Ökonomie, die subjektorientierte Werttheorie, die marshallianische und die marxistische Theorie. Zum anderen wurden die Deutsche Historische Schule und sozial-evolutionäre, von Herbert Spencer inspirierte Ansätze aufgenommen. Vier Ergebnisse dieser Arbeit sollen im Folgenden resümiert werden. Erstens konnte gezeigt werden, daß die räumliche Konzentration der Produktion dort theoretisch formuliert werden konnte, wo man steigende Erträge als üblichen Ertragsverlauf der industriellen Produktion voraussetzte. Die Clusterung wurde dabei wiederholt als ein Erklärungsfaktor der Erträge verstanden. Zweitens kann festgehalten werden, daß der Charakter von Clustern als räumlich und wirtschaftlich integrierter Produktionszusammenhang dort beschrieben werden konnte, wo man mit besonderer Aufmerksamkeit die technisch-arbeitsorganisatorischen Aspekte der Ökonomie analysierte. Drittens zeigte sich in den unterschiedlichen Diskursen eine wirtschaftspolitische Dimension. Zum einen entstanden die unterschiedlichen Cluster-Thematisierungen aus verschiedenen wirtschaftspolitischen Problemkontexten und Grundhaltungen heraus, zum anderen wurde eine Vielzahl von raumwirtschaftspolitischen Empfehlungen abgegeben. Schließlich hat es sich zur Rekonstruktion dieser Ideengeschichte immer wieder als notwendig erwiesen, den Bezug zu den Raumvorstellungen der theoretischen Strömungen herzustellen. Daher kann viertens konstatiert werden, daß die Volkwirtschaftstheorie des 19. Jahrhunderts nicht ,raumvergessen‘ war, sondern durch unterschiedliche Raumbegriffe geprägt wurde. Hieraus ergeben sich einige Schlußfolgerungen für eine Geschichte der Raumwirtschaftstheorie, die abschließend formuliert werden.

2. Steigende Erträge als Schlüsselkategorie Die Ertragsgesetze für die drei Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und Boden drücken aus, ob bei dem Einsatz eines Produktionsfaktors ein steigender, konstanter oder abnehmender Ertrag erzielt wird. In der klassischen Politischen Ökonomie ist Adam Smith Schilderung einer Nagelfabrik das berühmteste Beispiel, wie durch den Einsatz von Kapital und Arbeit der Ertrag eines Unternehmens gesteigert werden kann. Die Raumstruktur der Produktionsfaktoren kann bei diesen Prozessen einen positiven Einfluß entfalten. Dieser Bezug wurde bereits vor Smith von Ökonomen

2. Steigende Erträge als Schlüsselkategorie

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wie William Petty oder George Berkeley hergestellt. Bei ihrer Darstellung der produktiven Wirkungen der Arbeit beleuchteten sie die berufliche und betriebliche Arbeitsteilung. Der Faktor der räumlichen Nähe erleichterte nach ihrer Beobachtung die wirtschaftliche Integration von Betrieben einer Branche und damit deren Produktivität. Diese Lokalisierung des Gewerbes sah später auch Adam Smith als einen positiven Einfluß auf das gesamtwirtschaftliche Wachstum. Daniel Defoe und der Earl of Lauderdale arbeiteten dies als Vorteil der städtischen Gewerbes heraus. Vor allem Defoe zeigte die regionale Spezialisierung der Volkswirtschaft als einen Wettbewerbsvorteil in der internationalen Konkurrenz auf. Diese Denktradition brach in der Ricardianischen Schule in den 1820er Jahren ab. In Ricardos homogenem nationalem Wirtschaftsraum werden überall die gleichen konstanten Skalenerträge erzielt. Eine spezielle Untersuchung über die Formen der Produktivitätssteigerung blieb daher aus. Die Erzielung steigender Erträge spielte dagegen eine wichtige Rolle in der Debatte über den Maschineneinsatz und die Gestaltung der fabrikmäßigen Produktion. Die ,Ingenieur-Ökonomen‘ Charles Babbage und Andrew Ure, die wenig in die Diskussion der Politischen Ökonomie eingebunden waren, sahen in der Skalenökonomie den entscheidenden Vorteil der großindustriellen Produktion. Dies führten sie vor allem anhand der Skaleneffekte innerhalb von Betrieben aus, sie erkannten aber auch Skaleneffekte für räumlich konzentrierte Unternehmen. Andrew Ure beschrieb die Skalenökonomie und die regionale Spezialisierung der britischen Textilindustrie und folgerte daraus den überragenden Erfolg dieser Branche. Dieser ,ingenieurökonomische‘ Beitrag wurde nachfolgend immer wieder aufgegriffen. Führte bei J. S. Mill die Babbage-Rezeption noch nicht zu einer näheren Betrachtung der räumlichen Produktionssstruktur, so wird bei J. Ramsay McCulloch die Clusterung von Branchen als produktivitätssteigernder Faktor angesehen. Eine ausführliche Beschreibung der Funktionsweise von Clustern und der Standortorientierung des Gewerbes leistete Jean-Baptist Say, der sein diesbezügliches Wissen aus eigener Erfahrungen sowie über einen anderen ,Ingenieur-Ökonomen‘, den französischen Chemiker Jean-Antoine C. Chaptal bezogen hatte. Karl Marx hielt die Realisierung steigender Erträge für eine Lebensnotwendigkeit der modernen Marktökonomie; er widmete den hierzu geeigneten Methoden einen langen Abschnitt im ersten Band des ,Kapitals‘. Babbage und Ure treten hier als Kronzeugen auf, um die Skalenökonomie in seine Theorie einzuführen und eine Tendenz zur Marktbeherrschung durch den industriellen Großbetrieb zu begründen. Eine räumliche Konzentration der Produktion kann man bei allen drei von Marx unterschiedenen Methoden identifiziert werden; die deutlichsten Vorteile einer clusterartigen Organisation der Unternehmen treten bei der Methode der ,Arbeitsteilung‘ bzw. beim ,Manufaktursystem‘ auf. Für den ökonomischen Historismus ist die Beziehung zwischen Wachstumsoptimismus und Raumstruktur konstituierend. Bereits in dem Begriff der ,produktiven Kraft‘ von Adam Müller und der ,Nationalmanufakturkraft‘ von Friedrich List geht 14 Scheuplein

210

Kap. 12.: Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

es darum, das volkswirtschaftliche Produktionspotential zu erschließen und eine gesamtwirtschaftliche Wachstumsperspektive zu begründen. Dies setzten Wilhelm Roscher und Karl Knies fort, wenn sie die Volkswirtschaft als einen entwicklungsfähigen Organismus definieren. In der Diskussion der Arbeitsorganisation benennt Roscher die Clusterung als einen Grund für steigende Erträge. Mit der Unterscheidung der verschiedenen Formen der Produktionsorganisation und ihren produktiven Effekten wurde dann eine analytische Grundlage geschaffen, mit der die Historische Schule die Herausforderung der ,Ingenieur-Ökonomen‘ annahm und ihrerseits die industriellen Gebiete zu Forschungszwecken aufsuchte. In der sozial-evolutionär geprägten Theorie von William E. Hearn findet eine Begründung steigender Erträge auf der gesamtwirtschaftlichen Ebene statt. Volkswirtschaften werden als komplexe Organismen verstanden, die durch eine Differenzierung und Integration ihrer Funktionen ihre Produktivität erhöhen können. Die Genese einer regionalen spezialisierten Raumstruktur deutet Hearn als ein Element des wirtschaftlichen Evolutionsprozesses. Dabei geht Hearn explizit auf die räumliche Integration der Zulieferer und auf die Wissendiffusion in Clustern als Quelle steigender Erträge ein. In der räumlichen Interaktion können die Unternehmen ihre Produktionsvorteile bewahren und stetig ausbauen. Schließlich werden diese verschiedenen Linien, in denen die Tendenz zu steigenden Erträgen auf die Raumstruktur zurückgeführt wird, von Alfred Marshall aufgenommen. Während seine neoklassischen Zeitgenossen William S. Jevons, Léon Walras und Carl Menger sich für eine ausschließliche Modellierung konstanter bzw. sinkender Erträge entschieden und eine Clusterung nicht thematisierten, hielt Marshall die steigenden Erträge für eine empirisch so bedeutsame Tatsache der modernen Marktökonomie, daß er ihr breiten Raum in seiner Wirtschaftstheorie schenkte. In seiner Betrachtung langfristiger Zeiträume hält er die Produktivität auf der gesamtwirtschaftlichen Angebotsseite für variabel: Eine effizientere Faktorkombination kann zu besseren Erträgen führen und entscheidenden Einfluß auf die Preisbildung in einem Markt gewinnen. Die Möglichkeit steigender Erträge sieht Marshall durch unternehmensinterne und -externe Gründe für gegeben. Die ,Externalitäten‘ hängen nach Marshall von allen äußeren Einflussfaktoren ab, die in irgendeiner Art auf die Produktionsfunktion eines Unternehmens wirken können. Einen klar nachvollziehbaren und empirisch bedeutsamen Einfluß rechnet er aber vor allem der sektoralen und räumlichen Organisation, sprich der Clusterung von Unternehmen, zu. Entsprechend beschrieb er die Funktionsweise und Vorteile der sektoralen Lokalisierung ausführlich in seinen ,Principles‘. Marshall war vor allem an der Aufgabe interessiert, die steigenden Erträge in ein ökonomisches Modell zu integrieren. Das zentrale Problem dabei waren die logischen Konsequenzen der internen und externen Effekte, wie sie bereits von Antoine Cournot aufgezeigt worden waren. Eine Realisierung von steigenden Erträgen durch ein einzelnes Unternehmen bzw. eine (räumlich konzentrierte) Gruppe von Unternehmen würde automatisch zu einer monopolistischen Marktstruktur führen, ein Gleichgewichtsmodell schien somit ausgeschlossen. Aus diesem Grund finden sich in der Betrach-

2. Steigende Erträge als Schlüsselkategorie

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tung von steigenden Erträgen bzw. Clustern durch McCulloch, Say, die Historische Schule und Hearn implizit oder explizit immer wieder Distanzierungen von einem gleichgewichtigen, stationären Modell der Volkswirtschaft. Ein alternatives Modell entwarf aber nur Marx, der das Bild einer dynamischen Ökonomie zeichnete, die sich über ihre konjunkturelle Bewegung und damit über permanente Ungleichgewichte reproduziert. Die räumlich ungleichmäßige Entwicklung war als ein Element in dieses Konzept von aufeinander wirkenden, gegenläufigen ,Tendenzen‘ der Marktökonomie integriert. Allerdings wurde dieser Marxsche Entwurf posthum veröffentlicht und erst im Verlauf des 20. Jahrhunderts theoretisch rekonstruiert. Somit ist es Marshalls eigenständige Leistung, das Cournot-Problem der Kompatibiltät von Wettbewerb und steigenden Erträgen in den Mittelpunkt der volkswirtschaftlichen Theoriebildung gerückt zu haben. Sein Lösungsvorschlag für dieses Problem bestand in einer evolutionären Perspektive auf die Unternehmensformen. Er rechnete damit, daß mit dem technologischen Fortschritt, der Marktentwicklung und dem sektoralen Wandel immer wieder neuen Akteuren die effizienteste Kombination an Produktionsfaktoren gelingt. Die räumliche Clusterung von Unternehmen gilt für ihn dabei als ein Garant, daß auch kleine und mittlere Unternehmen im Wettbewerb bestehen können. Aber auch diese räumlich konzentrierten Unternehmen müssen sich den immer neuen Anforderungen im Wettbewerb stellen und ihr Wachstum kann durch das Auftreten von Agglomerationsnachteilen gebremst werden. Marshall entwirft damit ein ökonomisches Modell, in dem sich das gesamtwirtschaftliche Angebot und die Nachfrage als elastische und vom technologischen Strukturwandel beeinflußbare Größen darstellen. Ein Marktgleichgewicht stellt sich erst über die reale Anpassungen der Produktionsbedingungen an die Nachfrage her und verändert sich im historischen Ablauf. Die Thematisierung von steigenden Erträgen zieht sich wie ein roter Faden durch die Theoriegeschichte der Clusterung. In der Begründung von wirtschaftlicher Effizienzsteigerung liegt offensichtlich der systematische Gehalt einer Untersuchung von räumlichen Produktionsstrukturen. Zugespitzt formuliert heißt dies, wo eine volkswirtschaftliche Theorie steigende Erträge im Produktionssektor als ein regelmäßig auftretendes Phänomen versteht, da wird die Bedeutung der räumlichen Struktur erkannt und in die Theorie integriert. Werden dagegen konstante oder fallende Skalenerträgen als normales Resultat der wirtschaftlichen Tätigkeit angenommen, dann wird in der Clusterung von Unternehmen keine ökonomische Funktion gesehen. Daß dieser Zusammenhang in der Theoriegeschichte der Raumwirtschaftstheorie lange unbeachtet blieb, dürfte auch an der Theoriegeschichte steigender Erträge liegen. Sie verlief, wie Kenneth J. Arrow bemerkt hat, unstetig und wird erst in jüngerer Zeit rekonstruiert1. Alfred Marshalls Beitrag stellt dabei nicht den Beginn dieser Theoretisierung dar, sondern er stützte sich auf zahlreiche Beschreibungen des Zusammenhangs von Raumstruktur und Ertragsgesetz. Sein 1

14*

Arrow (2000: 173).

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Kap. 12.: Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

originäres Verdienst lag vor allem darin, die systematischen Konsequenzen für die Preis- und Gleichgewichtstheorie aufzuzeigen und einen ersten Vorschlag zur theoretischen Vereinbarung von steigenden Erträgen und der Modellierung eines Marktgleichgewichts zu unterbreiten.

3. Der systemische Charakter: Interaktion und Innovation Cluster wurden in verschiedenen theoretischen Diskursen des 19. Jahrhunderts als ein systemischer Zusammenhang der Produktion charakterisiert. Diese Konzeptualisierungen traten dort auf, wo die Formen der Produktionsorganisation thematisiert werden. Mit der Beschreibung einer Teilung der Arbeitsprozesse zwischen verschiedenen Unternehmen einer Branche wurde auch eine komplementäre Integration von Arbeitsprozessen an einem Standort registriert. Bei frühklassischen Autoren wie William Petty und Daniel Defoe wurde diese räumliche Dimension der Produktionsorganisation vermerkt. Eine klarere begriffliche Darstellung wurde jedoch erst spät in der britischen Industriellen Revolution vorgenommen. Sie begann zum einen dort, wo die großindustrielle Produktion wissenschaftlich untersucht wurde. So stellten Charles Babbage und Andrew Ure die Standorte der Textil- und Maschinenbauindustrie als integrierte Produktionskomplexe dar, in denen alle Zulieferprodukte und Arbeitsqualifikationen regional verfügbar sind. Sie wiesen auf die Interaktion zwischen den Geschäftspartnern und Wettbewerbern hin, wodurch ein innovationsfreundliches Klima und eine schnelle Wissensdiffusion hergestellt werden könne. Die gleiche Funktionsweise von Clustern schilderte Jean-Baptiste Say und illustrierte dies am Beispiel der Lyoner Seidenindustrie. Zum anderen wurde der systemische Charakter der Produktion in Clustern in der britischen handelspolitischen Debatte der 1820er und 1830er Jahre zu einem gewichtigen Argument, um das Ausfuhrverbot von Maschinen zu lockern. Hier wird gezeigt, daß die britische Wettbewerbsstärke national und in seinen lokalen Clustern in einer komplexen Verknüpfung vielfältiger Erfolgsfaktoren bestünde, das nur schwer von ausländischen Konkurrenten adaptiert werden könne. Ähnliche Argumente formulierten auch Friedrich List und Henry C. Carey, allerdings aus der Perspektive unterentwickelter Länder, die ein wettbewerbsfähiges Spezialisierungsprofil erst noch aufbauen wollten. Eine Kombination gesellschaftlicher Produktivkräfte benannte auch Edward G. Wakefield als entscheidenden Faktor der wirtschaftlichen Entwicklung in den Kolonien. Der ökonomische Historismus rückte die konkreten Elemente des Arbeitsprozesses in den Mittelpunkt der volkswirtschaftlichen Diskussion. Die Art der ,Arbeitsteilung und -vereinigung‘ wurde in diesem Rahmen als ein wesentlicher Einflußfaktor auf die Produktivität gefaßt. Daran schloß sich eine Unterscheidung von drei Formen der Produktionsorganisation – Handwerk, Hausindustrie und Fabrik – an, denen spezifische Standortanforderungen zugerechnet werden. Sowohl im Be-

3. Der systemische Charakter: Interaktion und Innovation

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reich der hausindustriellen wie der fabrikmäßigen Organisation erkannten Wilhelm Roscher und Gustav Schmoller Tendenzen der räumlichen Konzentration. Bei Karl Marx wurde diese Betrachtung der Arbeitsprozesse bzw. der angesprochenen Formen der Produktionsorganisation integriert in ein ökonomisches Theoriesystem, das durch den sozialen Gegensatz von Kapital und Arbeit angetrieben wird. In Bezug auf die räumliche Struktur der Produktionsorganisation sah er in ähnlicher Weise wie die vorgenannten Autoren in der Clusterung eine gesellschaftliche Kombination von Produktivkräften an einem Standort. Von Herbert Spencer wurde die funktionale Differenzierung und Integration der Arbeitsprozesse zum zentralen Kriteriterium seiner Gesellschaftstheorie gemacht. Im Unterschied zum Historismus wird eine Analogie zu Organismen dabei nicht nur auf der Ebene eines Volkes bzw. einer Nationalökonomie vorgenommen, sondern bezieht sich auch auf kleinere Organisationseinheiten. Cluster werden in dieser Perspektive vom Sozial-Evolutionismus als selbstreproduzierende Systeme verstanden, die sich im Wettbewerb bewähren müssen. Alfred Marshall knüpfte an diese sozial-evolutionäre Deutung an, aber auch an die Betrachtungen der ,Ingenieur-Ökonomen‘ sowie an die historistische Unterscheidung von Formen der Produktionsorganisation. Bei Marshall werden Cluster zum einen in dem Sinn der Integration und Differenzierung von Arbeitsprozessen als systemischer Zusammenhang begriffen; in Anlehnung an den Sozial-Evolutionismus spricht er von einem ,organische Ganzen‘. Immer wieder weist er auf den integrativen Charakter der „localized industry“ oder des „industrial district“ hin. Darüber hinaus zieht Marshall aber noch weitergehende methodologische Konsequenzen. Weil für die Akteure eines Cluster zu mindestens mittelfristig die interne Interaktion relevanter ist für den wirtschaftlichen Erfolg als die externe Interaktion, dürfen sie legitimerweise als eigenständiger ökonomischer Wirkungszusammenhang untersucht werden. In diesem Sinne stehen Cluster als Gegenstände der Partialanalyse auf einer Stufe mit Unternehmen, Branchen und Volkswirtschaften. Innerhalb dieser Darstellung von Clustern als eines systemischen Zusammenhangs wirtschaftlicher Aktivitäten wurde der Faktor ,Wissen und Lernen‘ an vielen Stellen einbezogen. Da diesem Faktor aus der heutigen Perspektive einer ,Wissensgesellschaft‘ besondere Aufmerksamkeit sicher ist, soll seine Behandlung in der Theoriegeschichte von Clustern noch kurz resümiert werden. Eine Untersuchung der Bildung und Weitergabe von Wissen läßt sich überall dort feststellen, wo der gesellschaftliche Charakter der wirtschaftlichen Entwicklung herausgearbeitet wird. So ging es etwa Charles Babbage und Andrew Ure darum, die Komplexität als die entscheidende Neuerung der automatisierten Produktion in Fabriken herauszuarbeiten, die sich nur durch eine Zusammenarbeit der verschiedenen Kompetenzträger an einem Standort bewältigen lasse. Das gemeinsame Lernen und die Weitergabe von Wissen sind daher wesentliche Erfolgsbedingungen der großindustriellen Cluster. Ähnliches formulierten die frühsozialistischen Autoren Thomas Edmonds und Thomas Hodgskin, die die Beschäftigen als die eigentlichen Träger des Wissens darstellten. Aus unterschiedlicher gesellschaftspolitischer Position

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Kap. 12.: Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

wurde also der Bedeutungsgewinn von Arbeitsqualifikationen und die Verwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse im wirtschaftlichen Prozeß herausgearbeitet. Dabei betonen beide Seiten, daß es sich nicht nur um den partiellen Einsatz von Wissen handelt, sondern daß es auf die permanente Generierung von Innovationen ankomme. Dieses Verständnis von Clustern als einem Milieu, in dem Innovationen schneller geschaffen werden und schneller diffundieren, durchzieht auch den historistischen Diskurs. Bei Friedrich List, Wilhelm Roscher, Carl Dietzel und Gustav Schmoller kehrt das Motiv einer innovativen ,Atmosphäre‘ innerhalb von Standorten immer wieder. Allerdings wird diese Innovationsqualität zumeist allgemein als Urbanisationsvorteil gefaßt. Eine direkte Verbindung zwischen Innovation und der Clusterstruktur wird erst bei Alfred Marshall hergestellt, der darauf zielte, die Vorzüge unterschiedlicher Formen der Produktionsorganisation aufzuzeigen. Während er für die industriellen Großunternehmen eine Überlegenheit sowohl bei standardisierten Produktionsabläufen als auch bei radikalen Innovationsherausforderungen sah, sprach er den Clustern dort einen Vorteil zu, wo eine komplexe Mischung aus Kreativität und Routine gefunden werden muß. Bei diesen Anforderungen inkrementaler Innovationen erkennt Marshall eine Zukunft für die Clusterung innerhalb der historischen Evolution von wirtschaftlichen Organisationsformen.

4. Selbstregulierung vs. Interventionismus Die Betrachtung von Raumstrukturen in der Volkswirtschaftslehre wurde immer wieder durch wirtschaftliche Krisen und Konflikte angeregt, und sie mündete häufig in wirtschaftspolitischen Ratschlägen. Bei den unterschiedlichen Bewertungen der räumlichen Produktionsstrukturen und den auf ihnen beruhenden wirtschaftspolitischen Konzepte können ,selbstregulierende‘ und ,interventionistische‘ Ansätze unterschieden werden. Für die frühklassische Politische Ökonomie war es zentral, den Raum als variables Medium für die unternehmerischen Entscheidungen darzustellen. So wird in den Schriften von Richard Cantillon, David Hume und Malychy Postlethwayt die freie Standortwahl als Charakteristikum des gewerblichen Sektors eingeführt. Das Muster der räumlichen Verteilung von Produktionskapazitäten, das sich auf der Grundlage der individuellen Entscheidungen einstellt, wurde als optimale Nutzung des Raumes begrüßt. In diesem Sinne bewertete Daniel Defoe die Clusterung als glückliche Tatsache der britischen Volkswirtschaft, die deren Wettbewerbsfähigkeit stärke. Im Konflikt um die Einrichtung von ,Arbeitshäusern‘ warnt Defoe davor, eine durch die dezentralen Entscheidungen der Marktteilnehmer gebildete Raumstruktur durch eine staatliche Beschäftigungspolitik zu korrigieren. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde diese Sichtweise einer ,naturgesetzlichen‘ Herstellung der Raumstruktur anders nuanciert. Im Konflikt über die britischen Korngesetze stellte Robert Torrens die ,territorial division of labour‘ als direktes Resultat der natürlichen Ressoucenausstattung dar, wobei ihm James Mill

4. Selbstregulierung vs. Interventionismus

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und der frühe J. Ramsay McCulloch folgten. Den Wettbewerbern kam dabei nur noch die Aufgabe zu, diese naturgegebenen Differenzen aufzuspüren und in einen wirtschaftlichen Vorteil umzumünzen. Der ,selbstregulierende‘ Ansatz der klassischen Politischen Ökonomie gerät hier in eine Krise: Die räumliche Strukturierung wird durch Torrens Begriffsverschiebung ,naturalisiert‘ und nur noch indirekt als Ergebnis von Marktprozessen aufgefaßt. Tatsächlich nahm jedoch zu Torrens Zeiten die natürliche Determinierung der Ökonomie ab und der Aufstieg der großindustriellen Produktion führte zu einer rapiden Restrukturierung des Standortmusters. Herbert Spencer, der die gesellschaftliche Selbstregulation als Kern der menschlichen Entwicklung verstand, nahm eine neue Position ein, indem er ausschließlich die Komplexität der wirtschaftlichen Organisation betrachtete und als Gradmesser für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verstand. Je stärker sich die verschiedenen Branchen lokalisierten, desto effizienter erschien ihm deren Raumstruktur. Spencer sah diese Komplexität durch eine Vielzahl von Standortanforderungen entstehen. Er unterschied eine primäre Lokalisierung, determiniert durch die natürliche Ressourcenausstattung, von einer sekundären Lokalisierung, die durch den gesellschaftlichen Aufbau von Produktionsvorteilen determiniert ist. Dieses sozial-evolutionäre Instrumentarium zur Beschreibung wirtschaftlicher Prozesse konnte jedoch auch zu anderen ordnungspolitischen Perspektiven führen. Spencer leitete die Entstehung einer Raumstruktur aus den Intentionen der Marktteilnehmer ab und maß ihre Effizienz daran, ob sie den Nutzen der Individuen maximierte. William E. Hearn, der den Sozial-Evolutionismus in die Volkswirtschaftslehre einführte, sah dagegen in der Volkswirtschaft den entscheidenden Organismus. Entsprechend bewertete er das räumliche Muster der Lokalisierung daran, ob die volkswirtschaftliche Effizienz maximiert werde. Schließlich konnten aber auch negative Effekte der räumlichen Differenzierung in den Vordergrund gerückt werden, wie es etwa Peter Kropotkin tat. Er warnte vor Effizienzverlusten durch den internationalen Wettbewerb und sah eine räumliche Dekonzentration und Funktionsmischung als effizientere Organisationsform an. Die Komplexität der Raumstruktur, die von Spencer ins Spiel gebracht worden war, erwies sich somit als ein Beschreibungsmerkmal, das für die Begründung sehr unterschiedlicher ordnungspolitischer Positionen in der Wirtschaftstheorie genutzt werden konnte. Eine wiederum andere Sichtweise der räumlichen Struktur etablierte sich dort, wo die Clusterung normativ als noch nicht vorhandene Erfolgsbedingung der volkswirtschaftlichen Entwicklung eingeführt wurde. Dies trifft auf die amerikanischen Protektionisten und die kolonietheoretische Debatte zu, vor allem aber auf den deutschen Historismus. In diesem Sinne maß Roscher die räumliche Verteilung Deutschlands an dem Vorbild Großbritannien und forderte eine stärkere räumliche Differenzierung der Industrie. So wie schon List den Aufbau einer ,Nationalmanufakturkraft‘ als staatliche Aufgabe gefordert hatte, wurde nun von Roscher und Schmoller eine Stärkung der lokalen Produktionszusammenhänge angeregt. Diese öffentliche Strukturpolitik sollte die unternehmerische Initiative begleiten und in kritischen Momenten unterstützen. In der empirischen Untersuchung von Clustern

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Kap. 12.: Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

in den 1880er Jahren wurde von zahlreichen Autoren wie Alphons Thun, Emanuel Sax, Louis Bein und Georg Schanz immer wieder eine bestandsorientierte Entwicklung gefordert. Dabei stand der Aufbau von überbetrieblichen Institutionen und die Verbesserung der Aus- und Weiterbildung im Vordergrund. Alfred Marshalls Werk stellt eine Vermittlung zwischen einem ,selbstregulierendem‘ und einem ,staatsinterventionistischen‘ Denken dar. Zunächst geht er ganz im Sinne der Klassik und des Sozialevolutionismus davon aus, daß eine Abfolge dezentraler Entscheidungen, die als Anpassungen an die Umwelt des Marktes getroffen werden, ein optimales Wohlfahrtsniveau für alle Marktteilnehmer herstellt. Allerdings sieht Marshall die Optimalität nicht zwangsläufig gesichert; in diesen Fällen kann in seiner Sichtweise eine staatliche Intervention die nationale Wettbewerbsfähigkeit steigern. Insgesamt vertritt Marshall somit eine reflektierte Version des selbstregulierenden Ansatzes. Die Darstellung der Clusterung von Wirtschaftsaktivitäten wurde immer wieder durch wirtschaftliche Problemlagen motiviert und brachte entsprechend wirtschaftspolitische Empfehlungen hervor. Dabei war die Untersuchung räumlicher Branchenkonzentrationen keineswegs immer mit der Forderung nach ordnungspolitischen Eingriffen verbunden. Ein mindestens ebenso großes Interesse war durch die Abwehr dieser Eingriffe motiviert.

5. Raumvorstellungen Im ersten Kapitel wurde herausgearbeitet, daß die Forschung von einer fehlenden Thematisierung räumlicher Konzentrationen in der Volkswirtschaftslehre des 19. Jahrhunderts ausgeht. Dieser Prozeß wird zeitlich unterschiedlich verortet und aus verschiedenen methodologischen und wissenssoziologischen Gründen erklärt. Vor allem die deduktive Methodologie David Ricardos und später der neoklassischen Ökonomen wird verantwortlich gemacht. Dagegen konnte gezeigt werden, daß nicht eine allgemeine Abstraktion von der Raumdimension stattfand, vielmehr verwendeten alle volkswirtschaftlichen Theorien des 19. Jahrhundert spezifische räumliche Kategorien. Gerade Ricardos volkswirtschaftliches Modell beruht auf der von ihm vertretenen Unterscheidung zwischen einer nationalen und internationalen Ebene der Ökonomie. Ricardo setzte sich damit von einer durch David Hume begonnenen Traditionslinie in der klassischen Politischen Ökonomie ab. Sie konzeptualisierte die moderne Marktökonomie primär als globales Phänomen und verstand die nationalen Trennungen vor allem als politische Kategorie, die aus historisch-kulturellen Eigenheiten entstanden war. In Ricardos nationalem Wirtschaftsraum herrscht eine räumliche Homogenität der Ressourcenausstattung und der Produktivität. Es wird eine vollständige Mobilität der Produktionsfaktoren angenommen, so daß es zu einer räumlichen Nivellierung von Preisen, Löhnen und Profiten kommt. Zwischen diesen nationalen Wirtschaftsräumen sind die Produkti-

5. Raumvorstellungen

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onsfaktoren dagegen immobil. Während Ricardo auf der nationalen Ebene die Arbeitswerttheorie anwendet, konzeptualisiert er international einen Austausch zu relativen Preisen (Theorie der komparativen Kosten). Diese Unterscheidung zwischen den Raumebenen ermöglicht es ihm, den Einfluß eines speziellen Faktors (Zoll) als äußere Einwirkung auf ein ökonomisches System zu modellieren. Seine Annahmen bewirken, daß implizit eine räumliche Konzentration innerhalb eines nationalen Wirtschaftsraumes ausgeschlossen wird. Zwischen Nationalökonomien kann dagegen eine sektorale Spezialisierung eintreten. Die räumliche Dimension wird in Ricardos Werk also nicht ignoriert, vielmehr vertritt Ricardo einen speziellen Raumbegriff, durch den letztlich eine konzeptionelle Erfassung der Clusterung von Unternehmen verhindert wird. Dieser ricardianische Raumbegriff war innerhalb der klassischen Politischen Ökonomie keineswegs unumstritten. So vertraten Jean-Baptiste Say und J. Ramsay McCulloch weiterhin die Vorstellung eines globalen Wirtschaftsraumes; beide beschäftigten sich auch mit der räumlichen Differenzierung innerhalb von Nationalökonomien. McCulloch verwies in seinen Schriften auf die sektorale Spezialisierung von Regionen als einer wichtigen Grundlage des Wachstums. Say beschrieb die Vorteile von Clustern und die Lokalisierungsgründe einzelner Branchen. Schließlich ,entschärfte‘ John S. Mill die ricardianische Theorie. Er übernahm zwar die Trennung in eine nationale und eine internationale Raumebene, aber er verwies gleichzeitig auf die Möglichkeit einer räumlichen Differenzierung des nationalen Wirtschaftsraumes. Auch für andere wirtschaftswissenschaftliche Denkrichtungen konnte gezeigt werden, daß ihr Theorientwurf mit einer speziellen Raumvorstellung verbunden ist. Der ökonomische Historismus in Deutschland wandte sich wie Ricardo gegen die Vorstellung eines globalen wirtschaftlichen Systems, jedoch aus anderen Gründen. Die nationale Ebene wurde aufgrund historisch-kultureller Merkmale abgegrenzt, die wiederum aus der natürlichen Ressourcenausstattung abgeleitet wurden. Mit dieser ,Ontologisierung‘ des nationalen Wirtschaftsraumes bot sich der Historischen Schule die Chance, wirtschaftspolitisch adäquater auf die Bedürfnisse des industriellen Entwicklungslandes Deutschland einzugehen. In dieser Sichtweise auf die materiellen und institutionellen Bedingungen einer Volkswirtschaft wurde auch die Raumstruktur des gewerblichen Sektors untersucht. Die Funktionsweise von Clustern wurde zu einem vielfach beachteten Gegenstand der Forschung. Die Clusterung wird im ökonomischen Historismus als ein Element der Arbeitsteilung gedeutet und es wurde die räumliche Konfiguration verschiedener Formen der Produktionsorganisation beschrieben. Einen wiederum anderen Raumbegriff vertrat Karl Marx, der den Kapitalismus als ein soziales System beschreibt, daß sich tendenziell über den gesamten Globus ausdehnt. Wie bei Ricardo wird die Bildung von Preisen und der durchschnittlichen Arbeitsproduktivität in einem nationalen Rahmen gesehen. Aber Marx sieht auf der nationalen und internationalen Ebene nicht unterschiedliche ökonomische

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Kap. 12.: Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

Regulationsformen in Anwendung. Der nationale Rahmen wird als historisch-kulturelle Fundsache verstanden, die wiederum anderen, übernationalen Raumkonfigurationen der modernen Marktökonomie weichen kann. Eine globale Ebene der Ökonomie ist für Marx kein Faktum, sondern ein anvisiertes Ziel im Rahmen der Globalisierung. Gleichzeitig sieht er sich nicht gezwungen, eine Homogenität des nationalen Wirtschaftsraumes mit vollständig mobilen Produktionsfaktoren anzunehmen. Da Marx eine besondere Aufmerksamkeit für die internen Widersprüche und Krisenprozesse des Kapitalismus hat, sieht er auch in räumlicher Hinsicht ein Potential für Differenzierungen und Disparitäten. Eine standörtliche Konzentration von Unternehmen einer Branche erkennt er in einigen Fällen als effiziente Form der Produktionsorganisation. Die wirtschaftliche Bedeutung der Clusterung hält er allerdings innerhalb des Strukturwandels von Technologien, Branchen und Unternehmensformen für begrenzt. Schließlich zeigt der Raumbegriff Alfred Marshalls zunächst Parallelen zu Ricardo. Marshall strebte zwar eine einheitliche Werttheorie auf der nationalen und internationalen Ebene an und lehnte Ricardos Arbeitswerttheorie ab. Aber auf der nationalen Ebene erkannte Marshall dennoch eine eigenständige Form der ökonomischen Regulation: Es genügte ihm nicht, die kurzfristigen Marktprozesse zwischen Angebot und Nachfrage zu beobachten, sondern er sah bei einer langfristigen Betrachtung eine Änderung der Angebotsstrukturen. In seiner Betrachtung über die volkswirtschaftliche Angebotsseite beschrieb Marshall einen Einfluß der räumlichen Struktur, so konnten z. B. räumlich konzentrierte Unternehmen Produktivitätsvorteile erzielen. Im Ergebnis schildert Marshall – ganz im Unterschied zu Ricardo – eine zeitliche und räumliche Elastizität des ökonomischen Prozesses (,moving equilibrium‘) und eine mögliche Differenzierung des nationalen Wirtschaftsraumes durch die Lokalisierung verschiedener Branchen.

6. Der wiedergefundene Raum Diese unterschiedlichen Raumbegriffe bzw. Konzeptualisierungen von Clustern in der Volkswirtschaftslehre des 19. Jahrhunderts sollten dazu anhalten, die These von dem ,Verschwinden des Raumes‘ neu zu bewerten. Tatsächlich zielten die Vertreter dieser These im 20. Jahrhundert mehrheitlich auf einen einzelnen Aspekt, die Thematisierung von Transportkosten. Abgesehen davon, daß dieser Vorwurf nicht pauschal erhoben werden kann, wie sich in Kapitel 10 zeigte, zog eine Vernachlässigung der Transportkosten auch keine aufregenden Konsequenzen nach sich, was schon Jacob Viner bemerkte2. Aber nicht die Qualität des Raumes als physisches Hindernis für den Transport und die Kommunikation, sondern die räumliche Verteilung und Integration aller produktivitätsrelevanten Faktoren ist das zentrale Thema einer Raumwirtschaftstheorie. Wenn August Lösch, Walter 2

Viner (1937: 469).

6. Der wiedergefundene Raum

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Isard oder Claude Ponsard als Vertreter einer transportkostenorientierten Raumwirtschaftstheorie eine ,Raumblindheit‘ in der Geschichte der Volkswirtschaftslehre entdeckten, dann überbewerten sie den Einfluß der Transportkosten gegenüber den standörtlichen Einflüssen auf die Produktivität. Das gängige Verständnis einer ,Raumblindheit‘ muß somit geradezu als eine Verdrehung erscheinen. So zitierte etwa Walter Isard ausgerechnet Alfred Marshall als den Kronzeugen einer raumblinden Wirtschaftswissenschaft3. Es bleibt festzuhalten, daß in der Volkswirtschaft des 19. Jahrhunderts keineswegs die räumliche Dimension einfach verschwand, sondern daß die Theorierichtungen unterschiedliche Raumkonzeptionen vertraten. In Bezug auf die räumliche Struktur des Produktionssektors fand eine erhebliche Deskription und Konzeptualisierung gerade im 19. Jahrhundert statt. Die Ausblendung dieser Raumstruktur und speziell der Clusterung setzte erst mit dem Hegemonieverlust der marshallianischen Theorie ein. Diese Vorgänge in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts sind nicht mehr Gegenstand der vorliegenden Arbeit, ein kurzer Hinweis scheint hier allerdings angebracht. Nachdem Alfred Marshall zwischen 1890 und 1920 einen überragenden Einfluß auf die volkswirtschaftliche Theoriebildung in der englischsprachigen Welt ausgeübt hatte, wurde sein Ansatz in den 1920er Jahren nachhaltig infrage gestellt4. Während John H. Clapham zunächst Zweifel an der Operationalisierbarkeit seiner analytischen Werkzeuge geäußert hatte, bildete ein Artikel von Piero Sraffa den Auftakt einer langjährigen Debatte, an der sich unter anderem Lionel Robbins, Dennis H. Robertson, Gerald F. Shove und Allyn Young beteiligten und die mit einem Symposium des ,Economic Journals‘ 1930 einen vorläufigen Abschluß fand5: Die Kritiken zielten vor allem auf zwei Punkte: Erstens wurde Marshalls Bestimmung der Angebotsseite als eigenständigem Faktor der langfristigen Preisbildung kritisiert. Seine Lösung des Cournot-Problems, die Verbindung von produktionstechnischer Zusammenhängen mit einer Wettbewerbsökonomie wurde bezweifelt. Zweitens wurde generell die Relevanz steigender Erträge für die Wertund Verteilungstheorie in Frage gestellt. Bereits in Sraffas berühmtem Artikel von 1926 wurde die Realisierung steigender Erträge, wie sie am ehesten in räumlichen Konzentrationen einer Branche geschehen kann, ausdrücklich als wenig relevantes Phänomen eingeschätzt: „Those economies which are external from the point of view of the individual firm, but internal as regards the industry in its aggregate, constitute precisely the class which is most seldom to be met with“6. 3 Isard (1956: 24) zitiert hier Marshalls (1961a: 330) Aussage, wonach die Probleme der Zeit fundamentaler für das Verständnis von Gleichgewichtsprozessen sei als das Verständnis des Raumes. 4 Zum Niedergang der Marshallianischen Theorie: Newmann (1960), Shackle (1967), Bigg (1990: 161 – 184) und Raffaelli (2003a: 107 – 125). 5 Sraffa (1926), Robbins (1928), Young (1928), Robertson (1930), Shove (1930); diese Debatte blieb ein steter Bezugspunkt, vgl. Hague (1958), Prendergast (1992), Marchionatti (1992) und Hart (2003).

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Kap. 12.: Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

Die Forschung wandte sich stattdessen einer Modellierung unterschiedlicher Wettbewerbskonstellationen bei unterschiedlichen Ertragssituationen zu: Wo steigende Erträge auftreten, da müsse man von der Entstehung eines Monopols ausgehen – dies war die Logik der Theorien des unvollkommenen Wettbewerbs, wie sie Ernest Chamberlin und Joan Robinson in der ersten Häfte der 1930er Jahre begründeten. Steigende Erträge, die von Adam Smith und Alfred Marshall als entscheidende Quelle des wirtschaftlichen Fortschritts identifiziert worden waren, erschienen jetzt als eine Bedrohung des Marktmechanismus und damit des gesellschaftlichen Wohlstandes.7 Der historisch-dynamische Ansatz Marshalls wurde damit wieder zurückgeführt auf eine statische Gleichgewichtsbetrachtung, in der die räumlichen Strukturen der Produktion nicht mehr berücksichtigt werden konnten8. Dieser Ausgang der Debatte führte zu einem lange währenden Schisma zwischen der statischen Preis- und Gleichgewichtstheorie und der praxisorientierten Industrieökonomie. Viele organisationale Aspekte der Ökonomie, so auch die räumliche Produktionsstruktur, wurden für Jahrzehnte in Nischen bzw. Nachbardisziplinen der Volkswirtschaftslehre behandelt. Diese Trennungen im Fach, aber auch die Trennungen gegenüber der Wirtschaftsgeographie und der Wirtschaftsgeschichte werden seit einigen Jahren erkannt und gemildert. Die Theoriegeschichte der Clusterung von Wirtschaftsaktivitäten hilft, eine Situation zu überwinden, die Philip W. S. Andrews für das Jahr 1951 und die weitere Zukunft mit den Worten konstatiert hatte: „The result has been a greater gulf between theoretical analysis and practical thought than can have existed during any other period since and before Mill“9.

Sraffa (1926: 540). Loasby (1999: 185). 8 Die Clusterung von Branchen war kaum Gegenstand der Debatte, siehe aber Young (1928: 538); vgl. zur Bewertung der Debatte: Limoges / Ménard (1994: 349), Raffaelli (2003a: 111 – 118). 9 Andrews (1951: 139 f.). 6 7

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Namenverzeichnis Aikin, John 37 Allen, Zachariah 16, 59 Anderson, James 16, 39, 40 Andrews, Phillip W. S. 153, 220 Argyle, Jesse 53, 56 Armstrong, William G. 193 Arrow, Kenneth J. 15, 16 211 Ashley, William J. 201, 202 Aves, Ernest 194, 195 Babbage, Charles 60, 64, 76, 78, 123, 135, 174, 209, 212, 213 Bagehot, Walter 140, 141, 194 Baines, Edward jun. 45, 193 Baines, Edward sen. 59, 202 Baring, Alexander 54, 55 Bastable, Charles F. 130, 131 Becattini, Giacomo 14, 15, 139, 150 Beeg, Johann C. 93, 185, 196, 198, 199 Bein, Lois 197, 199, 200, 216 Bellet, Michel 18, 19 80 Berkeley, George 37, 42, 109, 202, 209 Blanqui, Adolphe-Jérôme 25, 30, 109 Blaug, Mark 19 50, 52, 68, 97 Booth, Charles 5, 173, 195, 196, 206 Born, David 91, 94 Bowring, John 194 Bráf, Albin 197, 199 Bray, John Francis 97 Brentano, Heinrich von 84 Brontë, Charlotte 59 Bücher, Karl 70, 199 Bülau, Friedrich 83, 91, 200 Cairnes, John Elliot 17, 129, 138, 141, 144 Cancrin, Georg von 83 Cannan, Edwin 202 Cantillon, Richard 25, 34, 35, 37, 39, 42, 214

Cardozo, Jacob Nuñez 65 Carey, Henry Charles 65, 67, 87, 131, 135, 149, 174, 179, 180, 212 Carey, Mathew 65 Cayley, E. S. 63 Chalmers, Thomas Elliot 52 Chamberlain, Joseph 148 Chamberlin, Edward H. 220 Chapman, Sydney J. 177 Chaptal, Jean-Antoine C. 25, 70, 209 Cheysson, J.-J. Emile 18 Christaller, Walter 18, 19 Clapham, John H. 43, 53, 54, 219 Clark, A. B. 176 Clark, John Bates 157 Clay, Henry 65 Comte, Auguste 114 Cooke Taylor, Richard W. 124, 193 Cooper, Thomas 65 Cossa, Luigi 85 Cournot, Antoine Augustin 158, 210, 211, 219 Courtney, Leonard H. 129, 131, 173 Coxe, William 37 Crompton, Henry 194 Cunningham, William 17, 21, 201, 203, 207 Darwin, Charles 115, 123 Davenport, Herbert J. 177 Defoe, Daniel 12, 29, 30, 35, 36, 39, 42, 44, 47, 173, 202, 209, 212, 214 Dickens, Charles 59 Dietzel, Carl 92, 214 Dodd, William 59, 61 Dodgshon, Robert A. 21, 30, 31, 39 Dühring, Eugen K. 87 Duncker, Johann H. A. 13 Dupin, Charles 25 Dupuit, A. Jules E. 18, 181 Durkheim, Emil 115

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Namenverzeichnis

Edgeworth, Francis Ysidro 121 Edmonds, Thomas Rowe 97, 99, 112, 149, 180, 181, 213 Eiselen, Johann F. G. 88, 91, 92 Eisenhart, Hugo 84, 85, 87 Ellet, Charles 18, 181 Engel, Ernst 197 Engels, Friedrich 12, 97, 99, 101, 103, 105, 106, 111, 183 Engländer, Oskar 18 Farnie, Douglas Antony 20, 32 Faucher, Leon 59, 60 Fawcett, Henry 139 Ferrier, François L. A. 25 Fielden, John 59 Florence, Phillip 18 Flux, Alfred W. 174 Ford, Henry 164 Foxwell, Herbert Somerton 97, 135 Francis, John 97, 194 Ganilh, Charles 25 George, Henry 19 136, 141, 174, 176, 207 Gervaise, Isaac 47 Godwin, William 97 Goschen, George Joachim 194 Gossen, Hermann Heinrich 189 Gray, John 97 Groenewegen, Peter 48, 121, 122, 147, 149, 151, 159, 171, 173, 175 Haeckel, Ernst 126 Hall, Frederick S. 17, 207 Hamilton, Alexander 65, 66 Harris, Josef 39 Haushofer, Max 174, 197 Head, Georg 59 Hearn, William Edward 18, 21 26, 113, 121, 124, 129, 134, 137, 140, 144, 173, 176, 181, 189, 207, 210, 211, 215 Heckscher, Eli F. 33, 48 Held, Adolf 144 Hewins, William 202 Hildebrand, Bruno 79, 83, 85, 91, 196 Hirschman, Albert O. 18 Hobson, John A. 238 Hodgskin, Thomas 97, 99, 112, 213

Hodgson, Geoffrey M. 115, 159 Höfken, Gustav 86, 87 Hoover, Edgar 18 Hopkins, Thomas 130 Hudson, Pat 46 Humboldt, Alexander von 86 Hume, David 34, 35, 41, 42, 47, 49, 54, 56, 214, 216 Huskisson, William 54, 63 Ingram, John K. 201 Isard, Walter 17, 19 80, 82, 191, 219 Jacobs, Jane 18 Jakob, Ludwig Heinrich 81 Jevons, William Stanley 17 26, 121, 122, 143, 144, 158, 179, 181, 189, 191, 194, 201, 210 Jones, Richard 74 Kautz, Julius 84, 85, 87 Kay, James Phillips 59 Kennedy, John 62, 64, 115 Keynes, J. Neville 203 Knies, Karl 84, 85, 94, 181, 185, 186, 210 Knight, Charles 52, 173, 193 Kohl, Johann Georg 45, 59 Krause, Georg Friedrich 83 Kropotkin, Peter 132, 133, 215 Krugman, Paul 16, 22 Lakatos, Imre 26 Lardner, Dionysius 18, 181 Lauderdale, Earl of (James K. Maitland) 39, 66, 180, 209 Launhardt, Wilhelm 18, 190, 191 Leone, Levi 201 Leslie, T. E. Cliffe 141, 201 List, Friedrich 12, 19, 66, 79, 83, 94, 103, 185, 209, 212, 214 Longe, Francis D. 139 Longfield, Mountifort 52 Lösch, August 18, 19, 28, 191, 218 Macleod, Henry D. 189 Malthus, Thomas R. 51, 52, 98, 115, 179 Mangoldt, Hans K. E. von 91, 185

Namenverzeichnis Marshall, Alfred 15, 21 113, 121, 136, 147, 150, 153, 157, 168, 173, 176, 177, 179, 182, 187, 194, 195, 203, 205, 207, 210, 211, 213, 214, 216, 218, 220 Marshall, Mary Paley 147, 152, 174 Marx, Karl 12, 17, 20 27, 97, 99, 112, 135, 149, 174, 176, 179, 182, 184, 188, 209, 211, 213, 217 McCulloch, John Ramsay 12, 45, 49, 54, 55, 58, 61, 64, 65, 67, 68, 72, 74, 124, 138, 180, 209, 211, 215, 217 Menger, Carl 17 179, 189, 210 Merivale, Herman 52 Metchnikoff, Leon 132 Mill, James 48, 49, 51, 124, 180, 214 Mill, John Stuart 17, 52, 54, 58, 67, 68, 74, 77, 78, 123, 135, 138, 143, 144, 146, 152, 179, 180, 203, 209, 217 Milne-Edwards, Henri 115 Müller, Adam 88, 94, 209 Myrdal, Gunnar 18, 82 Nekola, Rudolf 197, 198, 200 Newcomb, Simon 130, 131 Nicholson, John S. 176 Oberndorfer, Johann A. 82 Palander, Tord 17, 20 Parsons, Talcott 115 Perroux, François 18, 19, 24, 25 Petty, William 12, 35, 37, 40, 42, 109, 209, 212 Phillips, Richard 59 Pigou, Arthur Cecil 194 Place, Francis 98 Polanyi, Karl 34 Pollard, Sidney 20, 21, 31, 61, 137 Ponsard, Claude 17, 19 219 Porter, George Richardson 53, 55, 61, 123 Postlethwayt, Malachy 34, 39, 40, 48, 214 Predöhl, Andreas 19 Price, Langford Lovell 194, 202, 206 Quincey, Thomas de 52 Rae, John 66, 67, 76 Raffaelli, Tiziano 150, 160, 168, 170, 219, 220

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Ramsay, George 52, 58, 72, 189, 209, 215, 217 Rau, Karl Heinrich 82, 86, 89, 94 Ravenstone, Piercy 97 Raymond, Daniel 18, 65, 66 Read, Samuel 52 Ricardo, David 12, 22, 25, 27, 43, 45, 46, 50, 51, 54, 56, 61, 66, 69, 74, 77, 99, 104, 105, 135, 138, 180, 216, 218 Rieter, Heinz 80 Rinne, Johann Christoph 84 Ritschl, Hans 18 Ritter, Carl 86 Robbins, Lionel C. 48, 52, 80, 219 Robertson, Dennis H. 219 Robinson, Joan 220 Rogers, James E. Thorold 173, 201, 203 Roscher, Wilhelm G. F. 17, 21, 84, 86, 88, 94, 125, 174, 185, 186, 196, 197, 207, 210, 213, 215 Rosenhaupt, Karl 199 Ross, Edward A. 17, 176 Sax, Emanuel 197, 199, 200, 216 Sax, Emil 186 Say, Jean-Baptiste 35, 68, 212, 217 Schäffle, Albert E. F. 17, 21, 85, 113, 125, 128, 185, 186, 207 Schanz, Georg 197, 198, 200, 216 Schenck, Karl Friedrich 83, 89 Schirges, Georg 85, 87, 93 Schmoller, Gustav 84, 87, 92, 94, 174, 181, 186, 197, 213, 215 Schnapper-Arndt, Gottlieb 197 Schön, Johann 83 Schumpeter, Joseph 19, 66, 74, 84, 101, 139 Scrope, George Poulett 52, 179, 180 Seligman, Edwin R. A. 177 Senior, Nassau William 49, 52, 76, 180 Senst, Otto 199 Seutter, Johann Georg Frh. von 82, 94 Shackle, George L. S. 219 Shadwell, John L. 140, 141 Shove, Gerald F. 158, 219 Sidgwick, Henry 17, 129, 136, 140, 141, 143, 147, 150, 176, 201 Smiles, Samuel 173

272

Namenverzeichnis

Smith, Adam 17 34, 35, 37, 47, 49, 56, 61, 73, 81, 88, 107, 160, 180, 208, 209, 220 Smith, Hubert L. 202 Smith, Thomas 55 Soden, Julius Graf von 81, 83, 89, 94 Sombart, Werner 80 Spence, Thomas 97 Spence, William 48 Spencer, Herbert 26, 113, 121, 123, 124, 129, 132, 133, 137, 142, 169, 204, 208, 213, 215 Sraffa, Piero 12, 219, 220 Steuart, James D. 34, 37, 40, 42, 47, 69 Stewart, Dugald 35, 37, 40, 42 Stieda, Wilhelm 196, 199 Stigler, George J. 74, 76 Stirling, Patrick James 52 Storch, Heinrich 81, 83 Strang, John 124, 193 Syme, David 138, 140, 141 Taussig, Frank W. 65, 177 Taylor, Frederick W. 164 Taylor, William C. 59 Tellkampf, Johann 88 Temple, William 37 Thisse, Jacques-François 18, 22, 24 Thompson, William 97 Thornton, William T. 138, 140 Thun, Alphons 197, 200, 216 Thünen, Johann Heinrich von 18, 22, 81, 179, 184, 185

Timmins, Samuel 193 Torrens, Robert 47, 49, 56, 65, 98, 191, 214 Toynbee, Arnold 202 Tucker, Josiah 37, 40, 42, 45 Twiss, Travers 35, 49 Ure, Andrew 17, 56, 60, 62, 64, 78, 202, 207, 209, 212, 213 Vernon, Raymond 18 Viner, Jacob 41, 42, 47, 48, 218 Wagner, Adolph H.G. 144, 181 Wakefield, Edward G. 75, 123, 212 Walker, Francis Amasa 138, 141 Walliser, Bernard 18, 22, 24 Walras, Léon 17, 26, 158, 189, 190, 210 Weber, Alfred 17, 80, 198 Wernsdorf, Julius 199, 200 Whately, Richard 52 Whitaker, John K. 141, 142, 147, 149, 150, 153, 158, 174 Wirth, Max 81, 131 Xenophon 39 Young, Allyn 219 Young, Arthur 37, 40, 202 Ziegler, Alexander 54, 93, 185, 199

Sachverzeichnis Agglomerationsfaktoren 17 f. 39, 89 Arbeitskosten 47, 51, 53, 89 f., 97 f., 106 ff., 138 ff., 189, 194 Arbeitsqualifikationen 53, 62 f., 89, 93, 97 f., 107, 119, 151, 154 f., 159, 162 ff., 169, 176, 198, 212 Arbeitsteilung, – internationale 47, 52, 40 ff., 66, 102, 105 f., 124 – betriebliche 35 ff., 44, 61, 69 f., 75, 93, 107 ff., 115,159 – sektorale 35 ff., 48, 73, 104, 116, 122, 132, 154, 191 – zwischen Stadt und Land 38 ff., 76, 89, 101, 133 Außenwirtschaft, siehe Handelspolitik Betriebsgröße 76, 100, 107, 144, 152, 161 f., 199 Betriebssysteme 44, 70, 93, 107 ff., 164, 174, 196 ff., 212 f., siehe auch Hausindustrie, Handwerk und Industrie Boden, als Produktionsfaktor 34, 69

Ertragsgesetz 76, 144, 152, 158 ff., 208 f. Erträge, – fallende 135, 144, 151 f., 159, 211 – steigende 15 51, 61, 72, 76, 142 ff., 152, 158 ff., 161 f., 174, 184, 208 ff. Economies of Scale siehe Skaleneffekte Evolutionstheorie, – ökonomische 16 113 ff., 147, 152 f., 159 f., 169 f., 172 f., 210 f. – biologische 115, 126 Externe Effekte 15, 61, 144, 151, 159, 164, 209 f., 219 f. External Economies siehe externe Effekte „Fabrikdiskurs“ 58 ff., 70 f., 76, 108 f., 174, 193, 209 Fabriksystem siehe Industrie Fordismus 164

Cluster-Definition 14 f. Cournot-Problem 158, 210 f.

Gleichgewicht, raumwirtschaftliches 46 f., 50 f., 105, 120 Gleichgewichtstheorie 16, 51, 84, 100, 105, 139, 158 ff., 210 f. Globalisierung, siehe globaler Raum Grundrente 50, 67, 141

Deutsche Historische Schule, siehe ökonomischer Historismus Differenzierung wirtschaftlicher Funktionen 38, 48, 93, 104, 113 ff., 159, 213 Disparitäten, siehe ungleichmäßige Entwicklung Distrikt, industrieller 15, 21, 152, 156, 161, 172, 213

Handeln, soziales 84, 100, 115 f., 165 ff., 169 Handelspolitik 40 f., 47 ff., 51, 54, 63, 65, 81, 142, 148, 171 Handwerk 89, 93, 109, 196, 198, 204, 212 f. Hausindustrie 70, 93, 109, 163, 196 f., 212 f. Historismus, ökonomischer 26 f., 79 ff., 103, 125 f., 175, 184, 196 ff.

English Historical School 201 ff. Entwicklung, ungleichmäßige 16 39, 44, 51, 64 f., 79 ff., 104 f., 111, 135 ff., 149, 201, 211

Increasing returns, siehe steigende Erträge Industrial District, siehe industrieller Distrikt Industrie 30 f., 58 f., 70, 108, 161 ff., 198 f.

18 Scheuplein

274

Sachverzeichnis

Industrielle Revolution 30 ff., 46, 59 ff., 108, 136, 202 Industriepolitik 65, 71, 88 ff., 200, siehe auch Wirtschaftspolitik Infant-Industry-Argument 41 f., 83 Infrastruktur, spezialisierte 14, 62, 93 „Ingenieur-Ökonomen“ 60 f., 70, 193, 209, siehe auch „Fabrikdiskurs“ Innovation, als räumlicher Prozeß 92 f., 98, 154, 162, 168 ff., 212 ff. Integration wirtschaftlicher Funktionen 38, 88, 93, 108, 113 ff., 142, 151, 159, 198, 210, 213 Internal Economies, siehe interne Skaleneffekte Interventionismus 214 ff., siehe auch Wirtschaftspolitik Klassische Theorie 26, 35 ff., 47 ff., 52, 67 ff., 77 f., 82, 84, 97, 99 ff., 122, 136, 138 f., 143, 158 f., 165, 180 ff. Kommunikation siehe innovatives Milieu Kommunikationssystem 108, 118, 161, 179 ff. Konflikt, industrieller 58 ff., 99 ff., 194 f., 200 Konjunkturzyklus 102 f., 108, 136 Konventionen, soziale 14, 55, 90, 163, 165 ff. Kooperation 75 f., 107 f., 122 Launhardt’scher Trichter 190 Lebenszyklus von Unternehmen 160 Lohnfonds 96, 138 ff. Lohnniveau, regionales 39, 53, 70, 89, 138 ff., 194 f. Manufaktur 107, 109 f. Marktgröße 37, 48, 180, 189 ff. Merkantilismus 33, 40 Milieu, innovatives 17, 63 f., 76, 92, 154, 166 ff., 214 Mobilität – von Arbeitskräften 31, 35, 49, 72, 139 f., 145, 188, 195 – von Kapital 23, 44, 50, 55, 69, 72, 78, 111, 217 – von Waren 23, 48, 104, 179 ff.

Nationalökonomie, siehe nationaler Wirtschaftsraum Neoklassische Theorie, 16 26, 189 ff. – siehe auch subjektorientierte Werttheorie New Economic Geography 16 Organisation, als produktiver Faktor 63, 88, 107, 122, 153, 159 Organizismus 80, 84 f., 114 ff., 125 f., 132, 153, 169, 215 Physiokratie 69 Polarisationstheorie 18 f. Produktion, – als Wertbildungsprozeß 51, 68, 84, 100, 158 f. – als technisch-arbeitsorganisatorischer Prozeß 36, 51, 69, 71, 93, 107, 122 f., 157, 161, 208 Produktionsfaktoren 34, 152, siehe auch Mobilität und Ertragsgesetz Produktionssystem, – nationales 40 ff., 65 f., 88 ff., 103 f., 122 – regionales 14, 90 ff., 196 ff., siehe auch industrieller Distrikt Profitrate 44, 49 f., 72, 100, 104, 111, 189 Proto-Industrie 21 Regional Politial Economy 16 Rekonstruktion, rationale 25 Selbstorganisation, gesellschaftliche 170 Skaleneffekte, – interne 61, 72, 110, 155, 177 – externe 142, 151, 188, 209, siehe auch externe Effekte Sozial-Evolutionismus 26, 113 ff., 152, 165 ff., 213 Standortfaktoren, – naturgegebene 47 ff., 62, 67, 73 f., 81 ff., 103, 120, 144, 154, 191, 215 – soziokulturelle 75, 84 f., 92, 168, 199 Standorttheorie, – landwirtschaftliche 38, 81, 184 f. 204 – industrielle 34, 37 ff., 48, 61 f., 69 f., 88 f., 119, 150 ff., 185, 190 f.

Sachverzeichnis – bei Alfred Weber 17 f., 80 Standortverlagerung 53, 70, 87, 102 f., 120, 131, 146, 172, 183, 186, 188 Technik siehe Produktion Textilindustrie – Baumwolle 32 f., 37, 52, 60, 62 f., 65, 72, 90, 108, 188, 136, 161, 197 – Seide 37, 52 ff., 70, 90 – Wolle 36 f., 40, 44 ff., 91, 161, 197, 202 Transportkosten 17 f., 20, 89, 98, 105, 120, 164, 179 ff., 218 f. Unternehmen, holistisches 163 Urbanisationsvorteile 39, 81 f., 91 f., 106, 184, 214 Utilitarismus 101, 113 f., 129, 169 Vertrauen 63, 76, 166 f. Volksgeist 84 f. Wachtumstheorie 38, 72, 88, 141 ff., 157 f., 202 Werttheorie, subjektorientierte 26, 122, 189

18*

275

Wettbewerbstheorie 17, 158, 161, 205, 211, 219 f. Wettbewerbsfähigkeit, nationale 40 ff., 48, 54, 63, 66, 77, 148 f., 156, 186 ff., siehe auch Handelspolitik Wirtschaftsgeographie, als akademische Disziplin 16, 19 f., 99 Wirtschaftsgeschichte, als akademische Disziplin 20 f., 201 ff. Wirtschaftspolitik 23 f., 52 f., 63 ff., 88, 122, 143, 148, 156, 200, 203, 208, 214 f. Wirtschaftsraum, – nationaler 23, 40 ff., 47 ff., 51, 66, 81 ff., 104, 156, 209, 216 f. – globaler 23, 40 ff., 47 ff., 51, 103 ff., 148 ff., 216 ff. Wirtschaftsstufen 70, 85 Wissensdiffusion 18, 67, 98, 123, 152 ff., 162, 171, 210, 212 ff. Wissensordnung 26 Zentralisation, des Kapitals 110 siehe auch Betriebsgröße