Der Nießbrauch in usus modernus und Naturrecht [1 ed.] 9783428510368, 9783428110360

Der Nießbrauch wird als ein Institut des römischen Sachenrechts im Zuge der Rezeption des römischen Rechts in das frühne

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Der Nießbrauch in usus modernus und Naturrecht [1 ed.]
 9783428510368, 9783428110360

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Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 108

Der Nießbrauch in usus modernus und Naturrecht Von

Martin Heger

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

MARTIN HEGER

Der Nießbrauch in usus modernus und Naturrecht

Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 108

Der Nießbrauch in usus modernus und Naturrecht

Von

Martin Heger

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen hat diese Arbeit im Jahre 2002 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten (Allgäu) Printed in Germany ISSN 0720-7379 ISBN 3-428-11036-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für Maria, Anne und Lorenz

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2002 von der Juristischen Fakultät der Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Die Nachweise aus dem Schrifttum befinden sich auf aktuellem Stand. Mein herzlicher Dank gebührt meinem Doktorvater Prof. Dr. Gottfried Schiemann, der das Thema meiner Untersuchung angeregt hat und deren Fortgang unermüdlich unterstützt hat. Besonderen Dank schulde ich auch Prof. Dr. Jan Schröder nicht nur für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens, sondern auch für zahlreiche wertvolle Anregungen seit Beginn der Arbeit. Die Untersuchung wäre ohne ideelle Bestärkung und materielle Unterstützung nicht möglich gewesen. Hierfür möchte ich sehr herzlich meinen Eltern danken. Besonderer Dank gebührt auch Prof. Dr. Dr. Kristian Kühl und Prof. Dr. Wernhard Möschel, an deren Lehrstühlen ich die Arbeit anfertigen konnte, sowie dem 1998 verstorbenen Karlsruher Rechtsanwalt Prof. Wilhelm Beisel, der mir Gelegenheit gab, die wissenschaftliche Bearbeitung rechtshistorischer und rechtsdogmatischer Fragestellungen mit rechtspraktischen Erfahrungen zu verbinden. Jochen Herkle möchte ich herzlich für die Hilfe bei der Formatierung danken. Bei den Korrekturarbeiten haben mir insbesondere meine Frau Maria und mein Bruder Moritz geholfen. Auch hierfür möchte ich mich bedanken. Entscheidend zum Gelingen meiner Arbeit beigetragen hat die stete Unterstützung durch meine Frau. Unsere Kinder Anne und Lorenz sorgten in der Endphase der Arbeit und während der Erstellung der Druckfassung für willkommene Ablenkung. Tübingen, im Oktober 2003

Martin Heger

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Erster Teil: Der Nießbrauch im usus modernus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 A. Die Epoche des usus modernus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 B. Der Nießbrauch im gemeinen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 D. Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Zweiter Teil: Der Nießbrauch im Naturrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 A. Das Naturrecht in der frühen Neuzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 B. Der Nießbrauch im früheren Naturrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 C. Der Nießbrauch bei Thibaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 D. Der Nießbrauch im preußischen Allgemeinen Landrecht . . . . . . . . . . . . . . 247 E. Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 Schluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 A. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 B. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Erster Teil Der Nießbrauch im usus modernus

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A. Die Epoche des usus modernus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 § 1 Die Rezeption des römischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 § 2 Der usus modernus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 B. Der §1 §2 §3

Nießbrauch im gemeinen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „Ususfructus“ als Rechtsbegriff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Systematik des Nießbrauchsrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gemeinrechtliche Nießbrauchsdefinitionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die ususfructus-Definition des römischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . II. Deutschsprachige Varianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kritik an der ususfructus-Definition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Eigene Nießbrauchsdefinitionen gemeinrechtlicher Juristen . . . . . . a) Präzisierungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Weiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 4 Der echte Nießbrauch („ususfructus verus“). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Elemente der Nießbrauchsdefinition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Nießbrauch als „ius“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Ius“ als Synonym für „servitus“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konsequenzen des Nießbrauchs als „ius“ . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Nießbrauch als „ius in rebus alienis“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der „ususfructus causalis“ des Eigentümers . . . . . . . . . . . . . . b) Der „ususfructus formalis“ des Nießbrauchers . . . . . . . . . . . . aa) Der Servitutenbegriff im usus modernus. . . . . . . . . . . . . bb) Gemeinrechtliche Konsequenzen aus dem Servitutenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Körperliche oder auch unkörperliche Gegenstände? . . . . . . . d) Erfordernis der Gebrauchsmöglichkeit und Zweckmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Erfordernis der „res intra commercium“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das „ius utendi fruendi“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Fruchtbegriff im usus modernus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konsequenzen des Fruchtziehungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . .

26 27 28 31 31 32 32 33 33 34 34 35 35 35 39 39 40 42 43 44 45 47 47 48 48 50

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Inhaltsverzeichnis 4. Das Substanzerhaltungsgebot („salva rerum substantia“) . . . . . . a) Abgrenzung möglicher Gegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begrenzung der Nutzungsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Dispositonsbefugnisse über den nutznießlichen Gegenstand d) Zur Zulässigkeit von Verbesserungen der Sache . . . . . . . . . . II. Abgrenzung des Nießbrauchs zu anderen Rechtsinstituten . . . . . . . 1. Abgrenzung zum dinglichen Gebrauchsrecht (usus) . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung zum dinglichen Wohnrecht (habitatio) . . . . . . . . . . 3. Abgrenzung zu den irregulären Personalservituten . . . . . . . . . . . 4. Abgrenzung zur Emphyteuse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Abgrenzung zur Superfizies. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Abgrenzung zum Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Abgrenzung zum Nutzpfand (Antichrese) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Abgrenzung zu Miete, Pacht und Leihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechte und Pflichten des Nießbrauchers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechte des Nießbrauchers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Besitzrecht des Nießbrauchers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übertragung des Nießbrauchs an Dritte. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflichten des Nießbrauchers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Haftungsmaßstab des Nießbrauchers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ersatz- und Reparaturpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Herausgabepflicht nach dem Ende des Nießbrauchs . . . . . . . d) Kautionspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Inventarisierungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Lastentragungspflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechte und Pflichten des Eigentümers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Entstehungsgründe eines Nießbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Systematisierungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Allgemeine Voraussetzungen der Entstehung eines Nießbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die einzelnen Entstehungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vermächtnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Richterspruch (ex officio iudicis) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gesetz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Nießbrauch an den Adventitiengütern der Hauskinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Nießbrauch an der Hälfte des Kindesvermögens nach der Emanzipation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gemeinrechtliche Nutznießungsrechte des überlebenden Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ersitzung bzw. (erwerbende) Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Anwachsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52 52 54 55 56 58 58 60 61 61 62 62 63 63 64 64 65 66 66 67 67 68 68 70 70 71 72 72 73 74 74 75 76 77 78 81 82 82 83

Inhaltsverzeichnis

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VI. Beendigung des Nießbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Systematisierungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die einzelnen Beendigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tod des Berechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Statusveränderung des Berechtigten (capitis deminutio maxima und media) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zeitablauf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Nichtgebrauch (non usus) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Mißbrauch der Befugnisse durch den Nießbraucher . . . . . . . g) Ersitzung der Lastenfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Untergang oder wesentliche Veränderung der Sache. . . . . . . i) Konsolidation und Konfusion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Abtretung an einen Dritten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . k) Erlöschen des Eigentumsrechts beim Besteller . . . . . . . . . . . l) Wiederverheiratung des Nießbrauchers . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Klagemöglichkeiten des Nießbrauchers . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Klagemöglichkeiten des Eigentümers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 5 Der uneigentliche Nießbrauch (quasi ususfructus). . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Dogmatische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unterschiede des quasi ususfructus vom echten Nießbrauch . . . . . . III. Abgrenzung des quasi ususfructus vom Darlehen . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gegenstände des quasi ususfructus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Der quasi ususfructus als Personalservitut. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Entstehungsgründe eines quasi ususfructus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Beendigungsgründe eines quasi ususfructus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 6 Der „deutsche Nießbrauch“ (ususfructus iuris Germanici). . . . . . . . . . . . I. Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 7 Der „ususfructus (feudalis)“ des Lehnsmannes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Lehen als „ususfructus (feudalis)“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechte und Pflichten des Lehnsmannes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die dingliche Berechtigung am Lehnsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das dingliche Nutzungsrecht des Lehnsmannes. . . . . . . . . . . b) Der Einfluß des gemeinen Zivilrechts auf das Lehnsrecht . . c) Das dominium directum als nuda proprietas. . . . . . . . . . . . . . 2. Pflichten des Lehnsmannes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Gegenseitigkeit von dinglicher Berechtigung und persönlicher Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83 83 84 84 85 86 86 86 87 88 88 89 89 90 90 90 91 92 92 93 93 94 96 98 98 99 100 100 100 101 102 104 104 104 108 109 109 111

C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 § 1 Stadt- und Landrechte im usus modernus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 I. Partikulargesetzgebung in der frühen Neuzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

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Inhaltsverzeichnis II. Das Verhältnis von partikularem und gemeinem Recht . . . . . . . . . . § 2 Vorgeschichte und Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Erb- und familienrechtliche Regelungen des älteren deutschen Rechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nutznießungsrechte als Bestandteil des Ehegüterrechts . . . . . . . a) Verwaltungsgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gütergemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Letztwillige Nutznießungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Altenteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das römische Erb- und Familienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 3 Der Nießbrauch in den Partikularrechten bis Mitte des 17. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Nießbrauchsregelungen in den einzelnen Stadt- und Landrechten 1. Nießbrauchsregelungen in den Württembergischen Landrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Württembergische Landrecht von 1555 . . . . . . . . . . . . . . b) Das Württembergische Landrecht von 1567 . . . . . . . . . . . . . . c) Das Württembergische Landrecht von 1610 . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeine Nießbrauchsregelungen im WLR . . . . . . . . bb) Die statutarische Nutznießung als gesetzlicher Nießbrauch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der Nießbrauch an den Adventitiengütern der Kinder 2. Nießbrauchsregelungen in den Nürnberger Stadtrechtsreformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Nürnberger Reformation von 1479 . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Nürnberger Reformation von 1564 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Wormser Stadtrecht von 1498 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Frankfurter Stadtrechtsreformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Frankfurter Reformation von 1509 . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Frankfurter Reformation von 1578 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Das Freiburger Stadtrecht von 1520 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Das Jülich-Bergische Landrecht von 1555/64 . . . . . . . . . . . . . . . 7. Das Solmser Landrecht von 1571 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Die Kursächsischen Konstitutionen von 1572. . . . . . . . . . . . . . . . 9. Das Kurpfälzer Landrecht von 1582 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Das Lübecker Stadtrecht von 1586 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Das Hamburger Stadtrecht von 1603 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Das Bayerische Landrecht von 1616 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Die preußischen Landrechte von 1620, 1685 und 1721 . . . . . . . III. Gemeinsamkeiten und Unterschiede. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 4 Der Nießbrauch in den Partikularrechten des späteren usus modernus I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

115 116 117 118 118 119 119 120 121 122 122 122 122 122 125 126 126 127 132 134 134 135 140 143 143 145 145 147 148 149 151 154 159 160 163 167 171 171

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II. Die einzelnen partikularrechtlichen Nießbrauchsregelungen in dieser Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756 . . . . . . . a) Nutznießung und ususfructus im CMBC. . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entstehungsgründe der Nutznießung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beendigungsgründe der Nutznießung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechte und Pflichten des Nutznießers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Der Nießbrauch im CMBC zwischen usus modernus und Naturrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Landrecht von Kurköln von 1663 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Landrechte von Kurtrier von 1668 und 1713 . . . . . . . . . . . . 4. Das Landrecht von Kurmainz von 1755 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gemeinsamkeiten und Unterschiede. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 5 Tendenzen in der frühneuzeitlichen Partikulargesetzgebung . . . . . . . . . .

172 172 173 177 180 181 183 184 185 187 190 191

D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

Zweiter Teil 198

Der Nießbrauch im Naturrecht

A. Das Naturrecht in der frühen Neuzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 B. Der Nießbrauch im früheren Naturrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 1 Hugo Grotius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Nießbrauch als „dominium utile“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gegenstände eines Nießbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechte und Pflichten des Nießbrauchers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Entstehungsgründe eines Nießbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Beendigungsgründe eines Nießbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 2 Samuel Pufendorf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gegenstände eines Nießbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechte und Pflichten des Nießbrauchers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entstehungsgründe eines Nießbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beendigungsgründe eines Nießbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 3 Christian Thomasius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 4 Christian Wolff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entstehungsgründe eines Nießbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechte und Pflichten des Nießbrauchers . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

198 199 200 201 201 203 203 205 206 208 208 209 210 210 211 212 214 216 216 217 217 219

16

Inhaltsverzeichnis 3. Gegenstände eines Nießbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 5 Gemeinsamkeiten und Unterschiede. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Systematik und Inhalt des Nießbrauchsrechts im früheren Naturrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einfluß des Naturrechts auf das Nießbrauchsrecht im usus modernus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einfluß des Naturrechts auf die Gesetzgebung. . . . . . . . . . . . . . . . . .

226 228 229 232 234

C. Der Nießbrauch bei Thibaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 2 Die Systematik des Nießbrauchsrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Nießbrauch und dominium utile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechte und Pflichten des Nießbrauchers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Abgrenzung von usus und fructus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Entstehungsgründe eines Nießbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Beendigungsgründe eines Nießbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 3 Thibauts Einfluß auf das Nießbrauchsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . .

235 235 235 237 237 239 242 243 243

D. Der §1 §2 §3

. . . . . . . . . . . .

247 247 248 248 248 250 250 251 251 252 256 259

Nießbrauch im preußischen Allgemeinen Landrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen des ALR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Systematik des ALR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Nießbrauchsrecht des ALR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Systematik des Nießbrauchsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechte und Pflichten des Nießbrauchers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechte des Nießbrauchers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflichten des Nießbrauchers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechte und Pflichten des Eigentümers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Vertragliche Einflüsse auf das Nießbrauchsrecht . . . . . . . . . . . . . . . V. Gesetzliche Nutznießungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Janusköpfiges Nießbrauchsrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 Schluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 A. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 § 1 Gesetze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 § 2 Schriftsteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 B. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. ABGB Abs. AcP a. E. ALR a. M. a. R. arg. Art. Aufl. BayLR Bd. BGB BVerfG bzw. Cap., cap. CMBC Cod. Col., col. Cons., cons. Const. Cor., cor. Def., def. ders. d. h. diff. Dig. Diss. DNP DRW ebda. Einl. etc.

anderer Ansicht am angegebenen Ort Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für die gesammten Deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie Absatz Archiv für civilistische Praxis am Ende Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten am Main alte Reihe argumentum Artikel Auflage Bayerisches Landrecht Band Bürgerliches Gesetzbuch Bundesverfassungsgericht beziehungsweise caput, capita Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis Codex Iustinianus columna consilium Constitutio corollaria definitio derselbe das heißt differenzierend Digesten Dissertation Der Neue Pauly Deutsches Rechtswörterbuch ebenda Einleitung et cetera

18 Exerc., exerc. f., ff. Fn. GA Halbbd. HistJb HRG Hrsg., hrsg. Inst. IRMAE i.V. m. JR jur. JuS JZ KG krit. L., l. LF Lib. LR m. w. Nachw. No., no. Nov. Nr. Obs., obs. P. p. pr. PrLR RA Rdnr. RE RKG RKGO S. s. s., ss. SJZ Sp. Spec. Th., th. Tit., tit.

Abkürzungsverzeichnis exercitatio (fort)folgende Fußnote Germanistische Abteilung Halbband Historisches Jahrbuch der Görres-Gesellschaft Handwörterbuch für Rechtsgeschichte Herausgeber, herausgegeben Institutionen Ius Romanum Medii Aevi in Verbindung mit Juristische Rundschau juristisch Juristische Schulung Juristen-Zeitung Kammergericht kritisch lex Libri Feudorum liber Landrecht mit weiteren Nachweisen numero Novellen Nummer observatio pars page, pagus principium Preußisches Landrecht Romanistische Abteilung Randnummer Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft Reichskammergericht Reichskammergerichtsordnung Seite siehe sequentes Schweizerische Juristen-Zeitung Spalte specimen thesis Titel, titulus

Abkürzungsverzeichnis Tom. TRG u. u. a. vgl. vol. WLR z. B. ZEuP ZHF zit. ZNR ZRG

Tomus Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis und unter anderem vergleiche Volumen Württembergisches Landrecht zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Historische Forschung zitiert Zeitschrift für neuere Rechtsgeschichte Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte

19

Einleitung Mit der Rezeption des römischen Rechts wird der lateinische Begriff „usus fructus“ – die in der frühen Neuzeit verbreitete Schreibweise „ususfructus“ dient im folgenden zur Abgrenzung des gemeinrechtlichen vom römischen Nießbrauch – zum Kernbegriff des gemeinen Nießbrauchsrechts. Der Rechtsbegriff „ususfructus“ beschränkt sich in seinem Bedeutungsgehalt in der frühen Neuzeit dabei nicht auf einen Nießbrauch im Sinne des römischen Rechts oder des § 1030 BGB, wenngleich das umfassende Gebrauchs- und Nutzungsrecht an einer fremden Sache im Mittelpunkt des Nießbrauchsrechts im usus modernus steht. Während aber das römische und das heutige deutsche Recht strikt zwischen dem Eigentum und den beschränkt dinglichen Rechten an fremder Sache unterscheiden, ist diese Trennung dem älteren deutschen Recht fremd. Vor allem an Grund und Boden besteht im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit häufig eine gestaffelte „dingliche“ Berechtigung mehrerer Personen, die sich nicht ohne weiteres mit den Kategorien von Eigentum und Nießbrauch erfassen läßt. Schließlich kennt das mittelalterliche deutsche Recht anders als das römische Recht ein Eigentum auf Zeit. Der Begriff „ususfructus“ dient in der frühen Neuzeit gerade auch zur Beschreibung dieser überkommenen Nutzungsberechtigungen vor allem an Grundstücken und erhält damit einen materiellen und einen formellen Inhalt. Im letzteren Sinne meint er den Nießbrauch als Rechtsinstitut, im materiellen Sinne die Nutzungsbefugnis an irgendeiner, sei es auch der eigenen Sache. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, volles Eigentum („dominium plenum“) setze sich aus dem Verfügungsrecht über die Sache und ihre Substanz („nuda proprietas“) sowie dem Nutzungsrecht an der Sache („ususfructus“) zusammen. Bereits die Glossatoren und Kommentatoren leiten diesen aus zwei Komponenten bestehenden Eigentumsbegriff aus widersprüchlichen Digestenstellen her, in denen einerseits der „usus fructus“ als „in multis casibus pars dominii“ bezeichnet wird (Dig. 7.1.4/45.1.58), während es an anderer Stelle heißt: „usus fructus non est dominii pars“ (Dig. 50.16.25). Darauf u. a. gründet sich die auch im deutschen ius commune anerkannte Figur eines in „dominium directum“ und „dominium utile“ geteilten Eigentums. Der Nießbrauch als Recht an fremder Sache steht damit im usus modernus nicht nur in einem Spannungsverhältnis zum Eigentum; noch näher steht er dem Nutzeigentum, dessen Inhaber wie einem Nießbraucher nur das Nutzungsrecht zukommen soll, während einem

22

Einleitung

anderen das Verfügungsrecht verbleibt. Außerdem dient der Begriff „ususfructus“ der Beschreibung von erb- und ehegüterrechtlichen Nutzungsberechtigungen im älteren deutschen Recht und in den frühneuzeitlichen Partikularrechten. Diese Institute werden damit begrifflich in das gemeine Nießbrauchsrecht eingepaßt; der Nießbrauch erhält über das Gebiet des Sachenrechts hinaus enge Bezüge zum Erb- und Familienrecht und gerät zugleich in das Spannungsfeld zwischen gemeinem und partikularem Recht. Schließlich wird schon in den langobardischen Lehnsrechtsbüchern (Libri Feudorum) die Rechtsstellung des Vasallen als ein vererblicher „ususfructus“ bezeichnet; daraus resultiert im usus modernus eine jedenfalls begrifflich enge Verbindung auch zwischen Nießbrauch und Lehnsrecht. Der erste Teil der Arbeit behandelt den Nießbrauch im usus modernus, wobei die gemein- und partikularrechtlichen Regelungen getrennt dargestellt werden. Das gemeine Nießbrauchsrecht im usus modernus orientiert sich weitgehend an den Nießbrauchstiteln in den Digesten und Institutionen. Daher liegen der Untersuchung vor allem die gängigen Digesten- und Institutionenkommentare bzw. Lehrbücher deutscher Juristen der frühen Neuzeit wie Christoph Besold, Johannes Brunnemann, Wolfgang Adam Lauterbach, Georg Adam Struve, Samuel Stryk, Justus Henning Böhmer, Johann Gottlieb Heineccius, Augustin Leyser und Christian Friedrich Glück zugrunde. Daneben sind aber Digesten- und Institutionenkommentare nichtdeutscher Juristen ebenso berücksichtigt wie Dissertationen sowie Konsilien- und Entscheidungssammlungen. Dem gemeinen Nießbrauchsrecht folgen die Nießbrauchsregelungen in den frühneuzeitlichen Stadt- und Landrechten. Gemeines und partikulares Recht stehen sich im usus modernus nicht als zwei große, von einander klar abzugrenzende Rechtskreise gegenüber. Die frühneuzeitliche Rechtslandschaft ist durch eine Vielzahl je nach Territorium und Untersuchungszeitpunkt differierender Schnittmengen zwischen dem deutschen ius commune und jedem einzelnen Stadt- bzw. Landrecht geprägt. Dieser „Gemengelage“ trägt die Arbeit Rechnung, indem die Nießbrauchsregelungen zunächst für jedes Stadt- und Landrecht gesondert vorgestellt werden. Die Zusammenfassung der partikularrechtlichen Nießbrauchsregelungen dient dann vor allem der Herausarbeitung allgemeiner Tendenzen in der frühneuzeitlichen Gesetzgebung auf dem Gebiet des Nießbrauchs. Einen gewissen regionalen Schwerpunkt der Untersuchung des Nießbrauchsrechts im usus modernus bildet die Rechtslage in Württemberg. Das äußert sich nicht nur in der exemplarischen Behandlung der drei Württembergischen Landrechte von 1555, 1567 und 1610, sondern auch in einer umfassenden Auswertung der Schriften Tübinger Juristen zum gemeinen Nießbrauchsrecht – neben Besold und Lauterbach sind auch Johannes Harpprecht, Heinrich Bocer und Karl Christoph Hofacker zu nennen – und der

Einleitung

23

veröffentlichten Tübinger Dissertationen sowie der von Besold und Ferdinand Christoph Harpprecht veröffentlichten Gutachten der Tübinger Juristenfakultät. Der zweite Teil der Arbeit behandelt den Nießbrauch als Rechtsinstitut im Naturrecht des 17. und 18. Jahrhunderts. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem auch als Vernunftrecht bezeichneten früheren Naturrecht, wie es in den Systementwürfen seiner bekanntesten Vertreter Hugo Grotius, Samuel Pufendorf, Christian Thomasius und Christian Wolff Niederschlag gefunden hat. Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser „Gegenentwürfe“ zum positiven Nießbrauchsrecht werden dann unter Berücksichtigung der naturrechtlichen Kollisionsregeln im Hinblick auf eine mögliche Beeinflussung des (späteren) usus modernus und der (Partikular-)Gesetzgebung in dieser Epoche zusammengefaßt. Der zweite Teil schließt mit dem Nießbrauchsrecht bei Anton Friedrich Justus Thibaut sowie mit den Nießbrauchsregelungen im preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794, das die Phase theoretischer Gegenentwürfe dadurch überwindet, daß diese in das geltende Recht übernommen werden. Soweit in der Arbeit wörtliche Zitate aus den römischen Quellen, den Stadt- und Landrechten sowie wissenschaftlichen Werken wiedergegeben sind, orientieren sich Zählweise und Schreibweise an der im Quellen- und Literaturverzeichnis genannten Ausgabe. Nicht näher gekennzeichnete drucktechnische Hervorhebungen oder sonstige Abweichungen vom „normalen“ Schriftbild in wörtlichen Zitaten sind aus der jeweils angegebenen Quelle übernommen. Schreibweise und Übersetzung der Institutionen und der Digestenbücher 1 bis 20 folgen der von Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler 1990 ff. herausgegebenen Ausgabe des Corpus iuris.

Erster Teil

Der Nießbrauch im usus modernus A. Die Epoche des usus modernus Die Bezeichnung „usus modernus“ geht zurück auf den Titel des Hauptwerks des brandenburgischen Juristen Samuel Stryk (1640–1710), „Specimen Usus moderni Pandectarum“.1 Damit wird allgemein die Richtung in der Rechtswissenschaft bezeichnet, die sich mit dem „Usus“ des römischen Rechts in der Rechtspraxis der frühen Neuzeit beschäftigte2, doch ist die zeitliche und räumliche Abgrenzung dieser Epoche noch nicht abschließend geklärt.

§ 1 Die Rezeption des römischen Rechts Mit der Rezeption wurde das römische Recht in der Gestalt des mos Italicus3 auch in Deutschland zum ius commune. Bedeutender noch als die stoffliche Übernahme des justinianischen Privatrechts ist dabei die Übernahme der Methoden wissenschaftlicher Bearbeitung eines Rechtsstoffes.4 Gegenstand der (Voll-)Rezeption ist die Rechtswissenschaft des ius commune5, ihr „historischer Gesamtsinn“ daher ein Prozeß der „Verwissenschaftlichung des Rechtslebens“6. Diese „Methodenrezeption“7 ist nicht an das Corpus iuris gebunden, wenngleich auf dem Gebiet des Privatrechts und somit auch für den Nießbrauch die justinianische Kompilation zumeist den Ausgangspunkt wissenschaftlicher Bearbeitung bildet. Zum Corpus iuris zählen mit den Libri Feudorum8 aber auch im Mittelalter entstandene Rechtsquellen, die von Glossatoren und Kommentatoren ebenfalls wissenschaftlich bearbeitet wurden. Außerdem entstand bereits im 14. Jahrhundert 1

Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 205. Vgl. J. Schröder, DNP 13, Sp. 746. 3 Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 133; Koschaker, S. 223. 4 Kiefner, HRG IV, Sp. 970 f. 5 Kiefner, HRG IV, Sp. 970, 972. 6 Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 131. – Ebenso Sellert, S. 144; Schlosser, Privatrechtsgeschichte, S. 51 ff.; Wesenberg/Wesener, S. 81. 7 Kiefner, HRG IV, Sp. 970, 973. 8 Zu deren Rezeption Stolleis, HRG IV, Sp. 984, 988 ff. 2

A. Die Epoche des usus modernus

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eine „(halb)gelehrte Rechtsliteratur in Deutschland“9, deren Rechtsquelle z. B. der Sachsenspiegel war. Das Nebeneinander römischer, mittelalterlichitalienischer und deutscher Rechtsquellen als Grundlage wissenschaftlicher Bearbeitung ist dann auch für das frühneuzeitliche Nießbrauchsrecht charakteristisch.

§ 2 Der usus modernus Usus modernus meint vorliegend die im „16. Jahrhundert beginnende und mit den naturrechtlichen Kodifikationen endende Epoche der Rechtsgeschichte . . ., in der das . . . in Deutschland rezipierte römisch-kanonische Recht als ius commune die Grundlage von Rechtslehre und Rechtsprechung bildete“10. Im Unterschied zur humanistischen bzw. eleganten Jurisprudenz und zum Naturrecht ist Gegenstand des usus modernus die zeitgemäße Anwendung des römischen Rechts in der Praxis.11 Als Weiterführung des mos Italicus12 handelt es sich um ein gesamteuropäisches Phänomen.13 Wenngleich für den Nießbrauch im deutschen usus modernus mit Widerlegung der „lotharischen Legende“ durch Conring14 die Frage nach dem „usu receptum“, der tatsächlichen Übernahme einzelner römischer Rechtsinstitute bzw. -regeln in Deutschland, gelegentlich angesprochen wird, beschränkt sich die Untersuchung nicht auf die „zeitgemäße Praxis des römischen Rechts“ in der deutschen Rechtswissenschaft von Mitte des 17. bis Ende des 18. Jahrhunderts.15 Dargestellt wird der Nießbrauch in der deutschen Rechtspraxis der frühen Neuzeit. Diese ist vor allem durch das Nebeneinander von gemeinem und partikularem Recht geprägt.16 Die meisten Stadt- und Landrechte der frühen Neuzeit sind aber bereits Ende des 15. bis Anfang des 17. Jahrhunderts entstanden. 9

Kiefner, HRG IV, Sp. 970, 974. Luig, HRG V, Sp. 628; ähnlich Coing, Europäisches Privatrecht I, S. 4. – Wesenberg/Wesener, S. 115, bezeichnen mit usus modernus zeitlich das 17. und 18. Jahrhundert. 11 Vgl. Wesenberg/Wesener, S. 118. 12 Vgl. Schiemann, LdR 1/400, S. 3. 13 Vgl. Holthöfer, Ius Commune II (1969), S. 130 ff. 14 Vgl. Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 206 f.; Stintzing, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft I, S. 654; Wesel, Rdnr. 247. – Krit. zur Bedeutung der Widerlegung der „Lotharischen Legende“ in der Rechtspraxis Hattenhauer, Geistesgeschichtliche Grundlagen, Rdnr. 26. 15 Methodengeschichtlich einen Einschnitt an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert machen J. Schröder, Methodenlehre des Usus modernus, S. 254, und ders., Recht als Wissenschaft, S. 119 ff., sowie Coing, ZRG (RA) 92 (1975), 1, wegen des beginnenden Einflusses der Halleschen Aufklärung. 16 Koschaker, S. 233 f., 246. 10

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

Das „usu receptum“ des römischen Nießbrauchsrechts steht – von einigen Einzelregelungen abgesehen – außer Frage. Selbst Juristen wie Thomasius, die einer Geltung des römischen Rechts in Deutschland grundsätzlich ablehnend gegenüberstehen, gehen trotzdem von einer inhaltlich dem römischen Nießbrauchsrecht entsprechenden Praxis aus.17 Schließlich ist die Ausgestaltung des Nießbrauchs in Deutschland nie Sache allein einer deutschen Rechtswissenschaft. Die von Coing für den Gesamtzeitraum des älteren gemeinen Rechts konstatierte Existenz einer einheitlichen, in Latein verfaßten juristischen Literatur in Europa18 läßt sich auch hier nachweisen. Neben der vom Humanismus19 beeinflußten französischen und niederländischen Jurisprundenz wirken auf die wissenschaftliche Bearbeitung des Nießbrauchsrechts in Deutschland weiterhin italienische und spanische Juristen ein. So finden sich in deutschen Nießbrauchsdarstellungen im 18. Jahrhundert vielfach Hinweis auf „De usufructu libri duo“ des Niederländers Gerard Noodt (1647–1725) und „De Usufructu Dissertationes variae“20 des Italieners Marcus Aurelius Galvanus (gest. 1659), Juraprofessor in Padua und Pisa.21 Die Bedeutung seines erstmals 1650 in Padua publizierten Werkes für das Nießbrauchsrecht in Deutschland bis in das 19. Jahrhundert erhellen dessen Tübinger Nachdruck von 178822 ebenso wie zahlreiche Hinweise darauf z. B. bei Hofacker, Glück, Thibaut, Scheurl und Keil.23

B. Der Nießbrauch im gemeinen Recht Ausgangspunkt der Behandlung des Nießbrauchs im usus modernus ist der Rechtsbegriff „ususfructus“, dessen Bedeutung sich in der frühen Neuzeit weder auf den Nießbrauch im Sinne der §§ 1030 ff. BGB noch auf den usus fructus des römischen Rechts beschränkt. 17

Vgl. Thomasius, Institutiones, Lib. II, Cap. X, § 176. Coing, Europäisches Privatrecht I, § 4 III. 19 Vgl. Troje, Zur humanistischen Jurisprudenz. 20 Dabei handelt es sich um eine den Nießbrauch als Sachgebiet umfassend Abhandlung nach Art der Traktateliteratur (vgl. Holthöfer, Ius Commune II [1969], 130, 156); im Gegensatz zu den sonstigen Dissertationen fehlt es bei Galvanus an einem Respondenten (vgl. Söllner, Ius Commune II [1969], 168, 180). 21 Vgl. Zedler, Universallexicon, 10. Bd., Art. „Galvani“. 22 Der Tübinger Nachdruck ist die 4. Auflage (vgl. Hofacker, Pricipia II, p. 305). – Der Nachdruck italienischer und spanischer Traktate ist im 17. und 18. Jahrhundert in Deutschland verbreitet (vgl. Holthöfer, Ius Commune II [1969], 130, 156). 23 Hofacker, Principia II, p. 305 ss.; Glück, Pandecten IX, passim; Thibaut, System des Pandekten-Rechts II, § 755 Fn. p; ders., Ueber dominium directum und utile, S. 91; Scheurl, De Usus et Fructus discrimine Dissertationem, p. 5; Keil, AcP 35 (1852), 358, 367. 18

B. Der Nießbrauch im gemeinen Recht

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§ 1 „Ususfructus“ als Rechtsbegriff Der Begriff „ususfructus“ gilt im usus modernus als mehrdeutig.24 Ausgehend von „uti“ und „frui“ meine er im weitesten Sinne Recht und Möglichkeit zu Gebrauch und Nutzen.25 Justus Meier (1566–1622)26 unterscheidet vier Bedeutungen: Recht und Möglichkeit zur Nutzung eigener Sachen, das Nutzungsrecht an verbrauchbaren Sachen („quasi ususfructus“) bzw. einer Wohnung („ususfructus habitationis“) sowie schließlich den Nießbrauch im engeren Sinne. Als deutsche Begriffe nennt er „Niessung, Brauch, Leibzucht“.27 Das Wort „Nießbrauch“ findet sich erstmals 1567 bei Pegius28, später z. B. bei Struve neben „Fruchtniessung, Vollständige Fruchtniessung, . . . Nutzniessung“29, Berger30 und in Zedlers „Universallexicon“ in einer Reihe mit „Niessung, Abnützung, Frucht-Niessung, Nutz-Niessung, Noß, Genoß, Genuß, Frucht-Niessungs-Gerechtigkeit, die nießliche Gerechtigkeit“.31 Lauterbach erwähnt lediglich „Nutzniessung/ oder Nießlicher Gebrauch“32, merkt aber an, daß auch die bloße Ausübung eines Nutzungsrechts mit „ususfructus“ gemeint sein kann.33 Regelmäßig fehlt in den Aufzählungen deutscher Synonyme der deutschrechtliche Begriff „Beisitz“ als Bezeichnung für ein Nutzungsrecht des überlebenden Ehegatten, obwohl dieser in zahlreichen Partikularrechten der frühen Neuzeit verwendet wird. Nur selten findet sich ein Hinweis auf den „ususfructus feudalis“ des Vasallen (vgl. LF II,23), für dessen dingliche 24

Meier, Collegium I, Lib. VII, Tit. I, Th I, 4. Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § IV: „Vocabulum Ususfrcutus descendit ab uti frui, quod omnem ex re provenientem utilitatem percipere denotat. . . . Variè accipitur in genere & latissime pro Jure & facultate utendi, fruendi“. – Sein Verweis auf Vultejus, Lib. I, Cap. LXIII, ist unklar, weil hierin nichts zur Herkunft des Wortes „ususfructus“ gesagt ist. 26 Zu diesem Stintzing, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft I, S. 676 ff. 27 Meier, Collegium I, Lib. VII, Tit. I, Th. I, 4: „I. pro jure & facultate percipiendi emolumentum ex re propria [sumitur] . . . II. sumitur pro facultate percipiendi emolumentum, jure servitutis personalis ex re, quae fuit aliena, ut utendo consumatur sive minuatur, quae facultas alis quasi ususfructus appellatur . . . III. Ususfructus significat servitutem quandam personalem ab usufructu distinctam, ut ususfructus habitationis . . . IV. Sumitur proprie pro facultate percipiendi omnes fructus rei alienae jure servitutis personalis salva rei substantia. . . .“. Vgl. auch Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § VII: „. . . sed commodum seu effectus, qui ex dominio, tanquam causa sua, fluit; Et his effectus in Jure etiam dicitur ususfructus“. 28 Pegius, Dienstbarkeiten, zit. nach DRW IX, Sp. 1519. 29 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § III. 30 Berger, Oeconomia, Lib. II, Tit. III, § XIX. 31 Zedler, Universal-Lexicon, 24. Bd., Sp. 853. 32 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § VI. 33 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XXI. 25

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

Rechtsstellung im usus modernus zumeist der Begriff „dominium utile“ in den Vordergrund tritt.34 Lauterbach verbindet beide Begriffe: „ususfructus“ für ein Lehen meine weder einen kausalen noch einen formalen Nießbrauch, sondern das dominium utile35; in diesem Sinne stehe ein „ususfructus“ auch Emphyteuta und Superfiziar zu.36

§ 2 Die Systematik des Nießbrauchsrechts Weil der Nießbrauch als Personalservitut zu den Dienstbarkeiten zählt, erfolgt vor einer Begriffsbestimmung für „ususfructus“ regelmäßig eine solche für „servitus“.37 Ein „ususfructus“ ist dann diejenige „servitus personalis“, welche allen Nutzen einer fremden Sache zu ziehen erlaubt.38 Teilweise wird der Begriff „servitus“ dabei auch im usus modernus noch in seiner personenrechtlichen Bedeutung im Sinne von Knechtschaft angesprochen39, wobei aber regelmäßig auf die grundlegenden Unterschiede zwischen Dienstpflicht und Dienstbarkeit hingewiesen wird.40 Ansätze zu einem „Allgemeinen Teil“ der Servituten finden sich in der Regel nicht; der Bezug zu anderen Dienstbarkeiten beschränkt sich auf die Begriffsklärung. Allgemeine Servitutenregeln werden in den Digestenkommentaren zumeist erst zu Dig. 8.1 erörtert.41 Im späten usus modernus werden die allen Dienstbarkeiten gemeinsamen Regeln manchmal „vor die Klammer gezogen“.42 So erscheint bei Hellfeld ein „Allgemeiner Teil“ der Servituten43 vor den Erörterungen zu Dig. 7.1, während z. B. Glück weiterhin die allge34

Vgl. z. B. B. G. Struve, Elementa Juris Feudalis, § VI. Diese drei Bedeutungen für „ususfructus“ erwähnt auch Oberländer, Lexicon, S. 728 Art. „Ususfructus“. 36 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § VIII. 37 Z. B. J. Harpprecht, Commentar II, col. 363 no. 1 ss.; Besold, Delibata I, p. 569 s.; G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § I; Heineccius, Institutionen, § CCCCXIV. – Diesem System folgt auch Vultejus, Lib. I, Cap. LXIII, während Althusius, Dicaelogicae, Lib. I, Cap. XXIV, dem Kapitel über Personalservituten zwei über Praedialservituten voranstellt. – Zu systematischen Ansätzen im römischen Recht vgl. Just, S. 493 ff. 38 G. A. Struve, Jurisprudentia, Lib. II, Tit. IIX, § I: „Hoc [ususfructus] est: Et servitus, quae ex re aliena omne emolumentum, quod salva rei substantia inde provenire potest, legitime percipimus“. 39 Z. B. Meier, Collegium I, Lib. VII, Tit. I, Th. I, 2; Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § II. – Vgl. auch Coing, Europäisches Privatrecht I, § 57 I. 40 Vgl. Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § II; Berger, Oeconomia, Lib. II, Tit. III, § I; Glück, Pandecten IX, § 620 (S. 3). 41 So z. B. Leyser, Meditationes II, Spec. CVII, § I. 42 Vergleichbar der Herausbildung eines Allgemeinen Teils des Privatrechts (dazu J. Schröder, Recht als Wissenschaft, S. 185). 43 Hellfeld, Iurisprudentia I, §§ 835–842. 35

B. Der Nießbrauch im gemeinen Recht

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meinen Servitutenregeln44 zu „Lib. VII. Tit. I. De usufructu, et quemadmodum quis utatur fruatur“ behandelt und damit systematisch dem Nießbrauch unterordnet. Lauterbach ordnet zuerst die Servituten unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzes den „res incorporales, quae vindicantur“45 und sodann unter materiellen Aspekten den anderen Sachenrechten zu: auf Eigentum und Erbrecht folgen die Servituten.46 Heineccius verbindet beide Aspekte unter Voranstellung des materiellen Rechts: Als ius in re seien neben Eigentum und Erbrecht auch die Servituten durch „actiones confessoria & negatoria“ geschützt.47 Trotz der Einordnung von „ususfructus“ als Unterfall von „servitus“ kann für die Juristen des usus modernus nicht im strengen Sinne von einem System des Servitutenrechts mit dem Nießbrauch als Unterart einer (Personal-) Servitut die Rede sein. Der regelmäßig erwähnte „ususfructus causalis“ des Eigentümers ist gerade kein „jus utendi fruendi, quod jure servitutis competit“48. Die Herangehensweise im usus modernus bleibt zumeist assoziativ; vom Begriff „servitus“ gelangt man zum Begriff „ususfructus“, ohne daß es entscheidend darauf ankommen soll, ob ein jeweils folgender Begriff dem vorhergeheden untergeordnet ist.49 Noch deutlicher kommt dieses assoziative Vorgehen bei Stryk zum Ausdruck, dessen Begriffskette von „dominium“ über „dominium utile“ zu „ususfructus“ führt50: Wer einen „ususfructus“ als Teil seines Eigentums nicht habe, könne keinem anderen den Nießbrauch übertragen.51 Umstritten sei, ob auch ein Nutzeigentümer den Nießbrauch bestellen könne. In Abgrenzung zum Nutzeigentum folgt eine Nießbrauchsdefinition.52 Wenngleich Stryk hier nicht vom „ususfructus cau44

Glück, Pandecten IX, §§ 620–630 (S. 1–157). Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Connexio: „Res incorporales, quae vindicantur, sunt Servitutes, quarum aliae Personarum, aliae Rerum. Personarum, ut Ususfructus“. – Ähnlich, wenn auch nicht als systematisierende Vorbemerkung gehalten, G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § I: „Secundum genus est, quibus res singulares incorporales in jure consistentes, nimirum SERVITUTES vindicantur“. 46 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § I. 47 Heineccius, Pandecten, P. II, § XCIX. 48 So die Formulierung von Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § VII. 49 Hier lebt das Bild eines „Arbor Servitutum“ fort, wie es in der illustrierten Druckausgabe der Glosse von 1592 zwischen Dig. 7 und Dig. 8 plaziert ist (p. 1091): Aus einem als „ususfructus“ bezeichneten Ast des Servitutenbaumes wachsen die Äste namens „causalis“ und „formalis“. 50 Stryk, Usus modernus, Lib. VII, Tit. I, § I. 51 Stryk, Usus modernus, Lib. VII, Tit. I, § II: „Qui enim usumfructum jure Dominii non habet, ille nec alteri eundem in re sua constituere potest, cum ex potestate alienandi, ususfructus constitutio fluat“. 52 Stryk, Usus modernus, Lib. VII, Tit. I, § III. 45

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

salis“ spricht, ähnelt dies der Zuschreibung eines Nießbrauchs (auch) an den Eigentümer durch Galvanus, weil der „ususfructus causalis“ Grundlage eines echten Nießbrauchs sei.53 Näher an eine wirkliche Systematisierung des Servitutenrechts heran kommen die vom Aufbau der römischen Quellen losgelösten Darstellungen z. B. von Berger und Hofacker.54 Ausgangspunkt für Berger ist die Gattung ius in re, Spezies davon servitus55, weiter unterteilt in Praedial- und Personalservituten, je nachdem ob ein Grundstück einem anderen oder einer Person dient.56 Eine „species ordinaria“ der letzteren ist der Nießbrauch57, den er weiter unterscheidet nach Gegenständen und Begründungsformen.58 Hofacker stellt den Eigentümerrechten am Boden die Servituten gegenüber59, welche er in bodenbezogene und persönliche einteilt 60; zu letzteren zähle der Nießbrauch.61 Einer konsequenten Systematik steht bei beiden entgegen, daß sie die Personal- von den Praedialservituten dadurch abgrenzen, daß bei ersteren das „praedium“ einer Person dient62, was streng genommen zur Beschränkung des Nießbrauchs auf einige wenige Sachen führen muß – eine Konsequenz, die beide nicht ziehen.63 Im strengen Sinne als Oberbegriff wird „servitus“ dagegen in den dichotomisch gegliederten Werken64 von Vultejus65 und Althusius66 verwendet. „Ususfructus“ ist hierin Unterbegriff zu „servitus“; ein „ususfructus causalis“ bleibt unerwähnt. Vultejus unterteilt „servitus“ in „praedialis“ und „personalis“, die Personalservituten weiter in „nominata“ – darunter der „usus“ in einem weiten Sinne – und „innominata“ (irreguläre Personalservi53 Galvanus, De Usufructu, p. 9: „Vsusfructus est causa materialis ususfructus formalis“. 54 Vgl. Holthöfer, Ius Commune II (1969), 130, 150 Fn. 44. 55 Berger, Oeconomia, Lib. II, Tit. III, § I. 56 Berger, Oeconomia, Lib. II, Tit. III, §§ II, XVIII. 57 Berger, Oeconomia, Lib. II, Tit. III, §§ XVIII s. 58 Berger, Oeconomia, Lib. II, Tit. III, § XIX. 59 Hofacker, Elementa, § 299. 60 Hofacker, Elementa, § 300. 61 Hofacker, Elementa, § 311. 62 Vgl. Berger, Oeconomia, Lib. II, Tit. III, XVIII. 63 Vgl. Hofacker, Elementa, § 314 (zum Nießbrauch an Kleidern). 64 Wenngleich diese Gliederung mehr darstellerischen als systematischen Zwekken dient (vgl. J. Schröder, Die ersten juristischen „Systematiker“, S. 124 u. 134 f. und ders., Ius Commune XXIV [1997], 25, 31 ff.). 65 Vgl. Stintzing, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft I, S. 456 ff. 66 Zu diesem Stintzing, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft I, S. 468 ff.; Kleinheyer/Schröder, S. 19 ff. – Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 286 f., sieht in ihm bereits einen Vorgänger des Vernunftrechts; für eine Zuordnung zum Humanismus Kollmann, S. 422 ff.

B. Der Nießbrauch im gemeinen Recht

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tuten). Den usus teilt er ein in „plenus . . . aut non prorsus plenus“, dem die Dienstbarkeiten „ususfructus“ und „usus“ – wiederum unterteilt in „usus“ und habitatio als „usus aedium“ – entsprechen.67 Ähnlich untergliedert Althusius68 in den „Dicaeologicae“69 „servitus“ als „usus rei alienae“ in einen „ad rei, vel persona“70; nach einer vor die „Klammer“71 gezogenen Darstellung der Gemeinsamkeiten „De servitute personali“72 heißt es weiter: „alia est nudus usus, alia est ususfructus“.73

§ 3 Gemeinrechtliche Nießbrauchsdefinitionen I. Die ususfructus-Definition des römischen Rechts Die meisten Juristen des usus modernus beschränken sich auf eine Wiedergabe der ususfructus-Definition der römischen Quellen (Dig. 7.1.1/ Inst. 2.4 pr.)74: „usus fructus est ius alienis rebus utendi fruendi salva rerum substantia“. Manche fügen einen erklärenden Satz hinzu; so ergänzt z. B. Struve: „Vel est servitus, quâ ex re alienâ omne emolumentum, quod salva rei substantiâ inde provenire potest, legitimè percipimus“.75 Auch wenn im späteren usus modernus häufiger eigene Formulierungen zu finden sind, ähneln diese zumeist der ususfructus-Definition. So ist für Hellfeld der Nießbrauch „das Sachenrecht, welches die Möglichkeit vermittelt, allen ordnungsgemäßen Nutzen aus einer fremden Sache zu ziehen, jedoch nur so, daß deren Substanz erhalten bleibt“.76

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Vultejus, Lib. I, Cap. LXIII. Zu Gemeinsamkeiten vgl. Stintzing, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft I, S. 460 f. 69 Dazu Raisch, S. 61 ff.; Stintzing, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft I, S. 472 ff. 70 Althusius, Dicaeologicae, Lib. I, Cap. XXII, 2. 71 Zur Klammertechnik in den Schaubildern humanistischer Juristen J. Schröder, Die ersten juristischen „Systematiker“, S. 145. 72 Althusius, Dicaeologicae, Lib. I, Cap. XXIV, 1–22 (zitiert ist die Kapitelüberschrift). 73 Althusius, Dicaeologicae, Lib. I, Cap. XXIV, 23. 74 So z. B. Besold, Delibata I, p. 570; Heineccius, Pandecten, P. II, § CII. – Vgl. auch Coing, Europäisches Privatrecht I, § 58 I 1. 75 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § IV. 76 Hellfeld, Iurisprudentia I, § 843: „ususfructus est ius reale, ex quo competit facultas, omnem ordinariam ex re aliena percipiendi utilitatem, ita tamen, ut salva maneat substantia“. 68

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

II. Deutschsprachige Varianten Deutschsprachige Nießbrauchsdefinitionen der frühen Neuzeit sind zumeist eng an die ususfructus-Definition angelehnt. Oberländer übersetzt sie schlicht: „Es ist aber eine Nutz-Niessung nichts anderes, als ein Recht eines andern Sachen und Güter zu genießen, doch daß deren Substanz und Wesen in salvo bleibt“.77 Andere ergänzen den Charakter als Dienstbarkeit bzw. „Gerechtigkeit“. So heißt es bei Pegius: „der nießbrauch ist ein gerechtigkait, dardurch sich jemandts vnuermindert . . . der rechten wesenlichen substantz des hauptguts gebrauchen vnd alle abnutzung dauon empfahen mag“78. Und in Zedlers „Universallexicon“ ist der Nießbrauch definiert als „persönliche Gerechtigkeit oder Befugniß, anderer Güter zu geniessen oder zu gebrauchen, doch dergestalt, daß denenselben an ihrem wesen nichts abgehe, sondern sie unvermindert bleiben“79. III. Kritik an der ususfructus-Definition Die ususfructus-Definition als Grundlage des gemeinen Nießbrauchsrechts ist im usus modernus nicht unumstritten. Eingewandt wird vor allem, daß sie den quasi ususfructus verbrauchbarer Sachen nicht erfaßt. Um an der ususfructus-Definition und dem Begriff „ususfructus“ als Oberbegriff (auch) eines quasi ususfructus festhalten zu können, unterscheiden die Juristen des usus modernus daher häufig einen engen und einen weiteren Nießbrauchsbegriffs; ersterer entspricht der ususfructus-Definition, während letzterer auch Substanzeingriffe zuläßt. Einen anderen Weg wählt z. B. Huber, der den quasi ususfructus nicht als Nießbrauch, sondern als im Wege der Analogie dessen Regeln unterstelltes Recht ansieht.80 Ein weiterer Einwand resultiert aus der Ausgestaltung bestimmter Institute des Ehegüterrechts. So wird die Rechtsstellung des Mannes an den Dotalgütern seiner Ehefrau im usus modernus von der herrschenden Auffassung als Nießbrauch beschrieben81, ohne daß die ususfructus-Definition die Befugnisse des Ehemannes vollständig erfaßt hätte. Auch dieser Kritik entgeht allerdings, wer die Stellung des Ehemannes an den Dotalgütern als Eigentum ansieht.82 77

Oberländer, Lexicon, S. 728 Art. „Ususfructus“. Pegius, Dienstbarkeiten, zit. nach DRW IX, Sp. 1519 (bearb. v. Speer). 79 Zedler, Universal-Lexicon, 24. Bd., Sp. 853 f. 80 Huber, Praelectiones I, p. 150: „Ego putem, quasi usumfructum prorsus non esse usumfructum, sed jus quoddam ei simile & affine, ideoque nec definitionem ei congruere oportere, quod Justinianus perspicue docet“. 81 Z. B. F. C. Harpprecht, Consultationes I, p. 685 no. 148 ss.: „Dotalitium est species ususfructus“. 78

B. Der Nießbrauch im gemeinen Recht

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IV. Eigene Nießbrauchsdefinitionen gemeinrechtlicher Juristen Juristen des usus modernus formulieren eigene Nießbrauchsdefinitionen einerseits zur Präzisierung des Inhalts dieses Rechtsinstituts unter Hinzufügung anderer in den römischen Quellen enthaltener Merkmale, zum anderen durch Erweiterung als zu eng empfundener Teile der ususfructus-Definition. „Auf den Kopf gestellt“ wird sie dagegen von Althusius und Vultejus, die fast wortgleich den Nießbrauch als „vollständigen Gebrauch der Sache“ definieren.83 Wird im usus modernus das dingliche Gebrauchsrecht regelmäßig ausgehend vom Nießbrauch definiert, bildet hier der „usus“ den Ausgangspunkt eines „ususfructus“. Der „usus“ als Oberbegriff beider Gebrauchsrechte findet sich zwar später auch bei Höpfner, der dem Nießbrauch als „usus plenus“ den Gebrauch als „usus minus plenus“ gegenüberstellt84, damit aber den Nießbrauch als inhaltlichen Ausgangspunkt beibehält. a) Präzisierungen Präzisiert wird in Anlehnung an Dig. 8.1.1 häufig der Charakter des Nießbrauchs als Personalservitut sowie unter Bezug auf Dig. 7.5 das Gebot des „salva rerum substantia“. Beides kombiniert Galvanus zu einer von Hofacker85 übernommenen „Definitio nova ususfructus“: „ususfructus est servitus personalis utendi fruendi rebus, quarum substantia utendo non consumitur“.86 Das Substanzerhaltungsgebot dient damit der Bestimmung möglicher Gegenstände eines echten Nießbrauchs, nicht auch den Anforderungen an den Umgang des Nießbrauchers mit der nutznießlichen Sache.87 Schließlich wird der Kreis möglicher Gegenstände eines Nießbrauchs auf körperliche Sachen beschränkt (vgl. Inst. 2.4 pr.). So heißt es bei Höpfner, der Nießbrauch sei die „persönliche Dienstbarkeit an der körperlichen, bewegli82 Huber, Praelectiones I, p. 150: „nam maritus respecte dotis non habet jus in alienis, sed in suis rebus, quia naturaliter & civiliter dominus est, ut infra videbimus“. 83 Althusius, Dicaelogicae, Lib. I, Cap. XXIV, no. 28: „Ususfructus, est usus plenus rei servientis, ad voluptatem, utilitatem & necessitatem“; Vultejus, Lib. I, Cap. LXIII: „Usus plenus est ususfructus, qui est usus rei ad voluptatem, re manente salva & integra“. 84 Höpfner, Commentar, § 370. 85 Hofacker, Elementa, § 312. – Daß Hofacker das Werk von Galvanus kannte, ist naheliegend, wurde „De Usufructu“ doch in Tübingen nur drei Jahre nach dem Erscheinen der „Elementa“ und zu einer Zeit, in der Hofacker dort eine Professur inne hatte (1773–1793; vgl. Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft III/1, Anh. S. 230) nachgedruckt; in Hofackers „Principia“ ist Galvanus’ „De Usufructu“ mehrfach erwähnt (z. B. p. 305). 86 Galvanus, De Usufructu, p. 27. 87 Galvanus, De Usufructu, p. 26; Glück, Pandecten IX, § 631 (S. 161).

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

chen oder unbeweglichen Sache eines Andern, vermöge deren ich den vollen Genuß dieser Sache habe, ohne über die Substanz disponieren zu können“.88 Allerdings spricht er der Beschränkung auf körperliche Gegenstände als „Subtilität“ des römischen Rechts in Deutschland eine Geltung ab.89 Glück hält dagegen an diesem Erfordernis fest und definiert den Nießbrauch als „diejenige persönliche Servitut, vermöge deren man die körperliche Sache eines Andern, zwar auf alle mögliche, der Natur derselben gemäße, aber doch solche Art gebrauchen und benutzen darf, daß sie nach geendigtem Gebrauche in Natur, sie sey übrigens durch ordnungsmäßige Abnutzung geworden, wie sie wolle, restituirt werden kann“.90 b) Weiterungen Weiterungen betreffen einmal mögliche Gegenstände des (echten) Nießbrauchs; zum anderen wird durch Streichung von „salva rerum substantia“ auch der (uneigentliche) Nießbrauch verbrauchbarer Sachen erfaßt.91 Beide Aspekte finden sich z. B. bei Lauterbach: „Der Nießbrauch im allgemeinen ist das Recht, fremde körperliche und unkörperliche Sachen zu gebrauchen und zu nutzen“.92 Darüber hinaus geht Johannes Voet (1647–1713), der mit „ususfructus“ jedes Gebrauchs- und Nutzungsrecht bezeichnet: Der Nießbrauch sei allgemein das Recht, Früchte aus einer Sache zu ziehen, sei es aufgrund Eigentums oder persönlicher Dienstbarkeit; nur eine Unterart desselben sei der Nießbrauch, „welchen sie formalen nennen, der vom Eigentum getrennt und als jus alienis rebus utendi fruendi salva rerum substantia definiert ist“.93

§ 4 Der echte Nießbrauch („ususfructus verus“) Im usus modernus bleibt das Nießbrauchsrecht zumeist den Titeln94, manchmal auch nur den einzelnen Büchern95 der kommentierten römischen 88

Höpfner, Commentar, § 371. Höpfner, Commentar, § 371. 90 Glück, Pandecten IX, § 631 (S. 161 f.). 91 So z. B. Vitriarius, Institutionen, p. 224. 92 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § X: „Ususfructus in genere est jus alienis rebus corporalibus & incorporalibus utendi fruendi“. 93 Voet, Commentar II, Lib. VII, Tit. I, no. 3: „Ususfructus in genere est jus percipiendi fructus ex aliqua re, sive propria jure dominii, sive aliena jure servitutis . . . Formalem appellant, qui a proprietate separatus est“. 94 Z. B. Perez, Digesten, Lib. VII; Lauterbach, Collegium, Lib. VII; Stryk, Usus modernus, Lib. VII; J. H. Böhmer, Introductio II, Lib. VII; Heineccius, Pandecten, Lib. VII; Glück, Pandecten IX. – Einen Sonderfall bildet Hellfeld, Iurisprudentia I, 89

B. Der Nießbrauch im gemeinen Recht

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Quelle zugeordnet96, löst sich aber regelmäßig von der Legalfolge einzelner Titel. Die einzelnen Elemente der ususfructus-Definition werden so zu „Merkposten“, anhand derer die wesentlichen Elemente eines Nießbrauchs erläutert werden. I. Die Elemente der Nießbrauchsdefinition 1. Der Nießbrauch als „ius“ Ob der Begriff „ius“ in der ususfructus-Definition ein objektives oder subjektives Recht bezeichnet, ist im usus modernus umstritten. Bereits im späteren Mittelalter soll „ius“ in beiden Bedeutungen verwendet worden sein.97 a) „Ius“ als Synonym für „servitus“? In der Glosse ist „ius“ mit „servitus“ gleichgesetzt.98 Oldendorp99 hält diese Lesart von „ius“ für möglich, aber wenig aussagekräftig.100 Auch Galvanus bemerkt, „ius“ habe verschiedene Bedeutungen101 und könne in der ususfructus-Definition „servitus“ bedeuten.102 Auf die Verwandtschaft von „ius“ und „servitus“ verweist ferner Calvinus103: Der Nießbrauch sei ein aus einer Dienstbarkeit erworbenes Recht. Er sei ein Recht, denn er sei eine Dienstbarkeit, und Recht und Dienstbarkeit seien verwandt.104 Art. III, der nach allgemeinen Servitutenregeln das Nießbrauchsrecht zwar nach den Digestentitel aufteilt, diese aber nicht in der Reihenfolge der Quellen behandelt (Dig. 7.1–3, 5, 9, 8, 7). 95 So z. B. Besold, Delibata I, Lib. VII; Leyser, Meditationes II, Spec. 106; diff. G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII mit einer weiterhin vorhandenen Gliederung in die einzelnen Titel von Dig. 7. 96 Vgl. J. Schröder, DNP 13, Sp. 746, 749. 97 Vgl. Nörr, S. 196 ff. 98 Gl. „est ius“ zu Dig. 7.1.1: „Idest servitus“. 99 Johannes Oldendorp (um 1488–1567) gilt zumeist als noch vom christlichen Naturrecht des Spätmittelalters beeinflußter früher Vertreter des protestantischen Naturrechts (vgl. Laufs, JuS 1967, 248, 249; Scattola, S. 149 ff.), der aber noch kein natürliches Privatrecht kennt (vgl. O. W. Krause, S. 124). 100 Oldendorp, Opera 2, p. 225: „EST IUS. Hoc set, servitus, ut ipsi dicunt, & verum quidem est: sed multo significantius dicemus, EST IUS, hoc est, facultas, potestas, qua dominus detrahit proprietati suae rei, ac concedit alteri“. 101 Galvanus, De Usufructu, p. 26: „cum juris nomen habeat multiplicem significationem“. 102 Galvanus, De Usufructu, p. 27. 103 Vgl. Stintzing, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft I, S. 682 f. 104 Calvinus, Lexicon, p. 952: „Ususfructus est ius ex servitute quaesitum, . . . ususfructus est ius: nam revere ususfructus est servitus, sed ius & servitus relativa sunt“.

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

Gegen eine Gleichsetzung von „ius“ mit „servitus“ wendet sich Hugo Donellus (1527–1591). Der Nießbrauch sei zwar eine Servitut und Servituten seien Rechte, doch folge daraus nicht, daß ein Recht immer auch eine Servitut sei, weil es viele Rechte gebe, die keine Dienstbarkeiten seien.105 Außerdem wäre der Hinweis in der ususfructus-Definition auf fremde Sachen als Gegenstand eines Nießbrauchs überflüssig, weil Servituten nach römischem Recht nur an solchen bestellt werden können.106 Diese Wiederholung vermeidet auch Besold, der „ius in rebus alienis“ insgesamt als Synonym für „servitus“ ansieht107, doch läßt sich hiergegen immer noch einwenden, daß nicht jedes ius in re aliena im usus modernus zugleich eine Servitut ist. Donellus nennt zwei Bedeutungen für „ius“: „ea quae sunt cuiusque privatim iure tamen illi tributa“ und „facultas et potestas iure tributa“.108 In der Nießbrauchsdefinition gelte es im zweiten Sinne. Verbunden mit einem auf ein bestimmtes Tun hinweisenden Wort meine „ius“, daß der Betroffene von Rechts wegen die Möglichkeit habe, diesem Tun nachzugehen. Das „ius utendi fruendi“ bedeute daher, daß dem Nießbraucher die Rechtsmacht zukomme, etwas zu gebrauchen und zu nutzen.109 Ob damit Donellus an Stelle des objektiven ein subjektives Recht110 des Nießbrauchers auf Gebrauch und Nutzen gesetzt hat, ist umstritten.111 Coing sieht in der „facultas et potestas iure tributa“ einen Unterfall des allgemeinen subjektiven Rechts („ea quae sunt cuiusque privatim iure tamen illi tributa“).112 Dagegen hält Dubischar beide Formulierungen für „einen alternativ auf ganz gewisse Verbindungen bezogenen Sprachgebrauch verschiedener Bedeutung“; Donellus habe als „Recht im eigentlichen Sinne . . . nur das objektive“ angesehen.113 Daß Donellus nach Nennung beider Bedeutungen für „ius“ sich in Bezug auf den Nießbrauch für eine entscheidet, spricht für diese Ansicht, denn damit stehen beide „ius“-Begriffe einander gegenüber; es wird nicht 105 Donellus, Opera III, Cap. II, § III (col. 8): „Quidem enim, an ius significat servitutem? Servitus quidem est ius, audio: & ususfructus est servitus. Vere utrumque. At non e converso ius est servitus. Quam multa enim iura, quae non sunt servitutes?“. 106 Donellus, Opera III, Cap. II, § III (col. 7 s.). 107 Besold, Delibata I, p. 570: „Verum jus in reb. alienis, nil aliud quam servitus est“. 108 Vgl. Dubischar, S. 48 ff. 109 Donellus, Opera III, Cap. II, § IV (col. 9): „ut dicatur, ususfructus est ius, id est, potestas utendi fruendi iure tributa“. 110 Nach Coing, Subjektives Recht, S. 251, Wesener, Privatrechtliche Normen, S. 282, und Stintzing, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft I, S. 379 f., hat Donellus das Privatrecht als ein System materieller subjektiver Rechte aufgebaut. 111 Kollmann, S. 418 ff., bezeichnet Donellus’ Systematik als „inkonsequent“. 112 Coing, Subjektives Recht, S. 252; zust. Raisch, S. 44. 113 Dubischar, S. 49.

B. Der Nießbrauch im gemeinen Recht

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der für den Nießbrauch herangezogene „ius“-Begriff einem allgemeineren untergeordnet. Die Kritik an der Gleichsetzung von „ius“ mit „servitus“ bedeutet daher keine Entscheidung für ein subjektives Recht. Wesentlich ist für Donellus, das unterstreicht der Hinweis auf unnötige Wiederholungen, daß der Kreis der als „ius“ bezeichneten Berechtigungen über den von „servitus“ hinausreicht. Dafür daß es ihm letztlich nur um eine korrekte Begriffsbestimmung für „ius“ geht, spricht schließlich, daß die Gleichsetzung von „ius“ mit „potestas“ bzw. „facultas“ schon vor ihm z. B. Oldendorp114 und Mynsinger115 favorisierten, ohne die Gleichsetzung von „ius“ mit „servitus“ als unzulässig anzusehen. Daß die Gleichsetzung von „ius“ mit „facultas sive potestas legitima“ einem objektiven Verständnis von „ius“ nicht widerspricht, zeigt sich z. B. bei Struve in der Gleichsetzung dieser „potestas in re“ mit „servitus“.116 Trotz Donellus’ Einwänden bleibt im usus modernus zunächst die Auffassung herrschend, „ius“ sei Synonym für „servitus“, so daß z. B. Galvanus und Hofacker in ihren Nießbrauchsdefinitionen „ius“ durch „servitus personalis“ ersetzen.117 Und auch für Struve ist der Nießbrauch das Recht, eine fremde Sache zu nutzen etc. bzw. diejenige „Dienstbarkeit, aufgrund derer man allen Nutzen aus einer fremden Sache, der unter Erhaltung der Sachsubstanz gewonnen werden kann, rechtmäßig zieht“.118 Der hier zum Ausdruck kommende Unterschied zwischen dem Nießbrauch als einem objektiven Recht und der Nutzungsbefugnis als dem subjektiven Recht des Nießbrauchers wird besonders deutlich, wenn man die ganz ähnliche Formulierung Pufendorfs betrachtet, der zur ususfructus-Definition erklärend hinzufügt: „oder er ist das Recht, aus einer fremden Sache allen Nutzen zu ziehen . . .“.119 Daß es für Struve in bezug auf den Nießbrauch um ein objektives Rechtsverhältnis geht, zeigt seine Beschreibung des „Jus usufructuarii“, das im Fruchtziehungsrecht und in den Lasten der Sache besteht.120 114

Oldendorp, Opera 2, p. 225, bezeichnet sie als „multo significantius“. In: Apotelesma, Lib. II, Tit. IV, Definitio no. 3. 116 G. A. Struve, Syntagma Juris Feudalis, Cap. II § III 3: „cum ususfructus sit servitus, sive potestas in re omninò aliena competens . . . feudum verò species dominii s. potestas in re quodam modo propria“. 117 Galvanus, De Usufructu, p. 27; Hofacker, Elementa, § 312. 118 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § IV: „Ususfructus igitur est jus alienis rebus utendi fruendi, salva rerum substantia. . . . Vel est servitus, qua ex re aliena omne emolumentum, quod salva rei substantia inde provenire potest, legitime percipimus“. 119 Pufendorf, De jure naturae, Lib. IV, Cap. IIX, § 7: „Vsusfructus est jus alienis rebus utendi fruendi, salva ipsarum substantia: seu jus ex re aliena percipiendi omne emolumentum, quod salva rei subsstantia inde provenire potest“. 120 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XV: „Jus usufructuarii consistit tùm in commodis inde provenientibus; tùm in oneribus ratione rei fructuariae ferendis“. 115

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

Weiterhin gilt dies auch für die Abgrenzung des Nießbrauchs als „ius“ vom „ususfructus causalis“ als „pars dominii“121, welchen z. B. Schilter als „facultas utendi fruendi“ dem Nießbrauch als „Recht oder Dienstbarkeit“ gegenüberstellt.122 Um das objektive Recht geht es schließlich ebenfalls, wenn der Nießbraucher nicht das „jus usufructuarium“, sondern nur die „facultas utendi“ übertragen darf.123 Erst im späteren usus modernus tritt die Bedeutung von „ius“ als subjektives Recht des Nießbrauchers auf Gebrauch und Nutzen einer fremden Sache allgemein in den Vordergrund. So bezeichnet z. B. Lauterbach auch das Nutzungsrecht des Eigentümers als „jus re propria jure dominii utendi“.124 Besonders deutlich zeigt sich dieser Wandel zum subjektiven Recht dann bei Hofacker, der in seinen „Principia“, abweichend von seiner oben erwähnten Nießbrauchsdefinition in den „Elementa“, den Nießbrauch als die Personalservitut definiert, welche im Recht zu Gebrauch und Nutzen besteht.125 Ähnlich sieht Glück im Nießbrauch „diejenige persönliche Servitut, vermöge deren man die körperliche Sache . . . gebrauchen und benutzen darf“126. Hellfeld verzichtet sogar auf eine Erwähnung des Charakters als Personalservitut; wesentlich ist für ihn nur, daß der Nießbrauch im Recht auf Ziehung allen Nutzens besteht.127 Aber auch soweit er in seiner Definition des usus noch dessen Charakter als Personalservitut anspricht, besteht für ihn der usus nicht in einem „ius in re“, sondern „produziert“ ein Gebrauchsrecht „ex re“.128 Wenn der Nießbrauch nicht mehr ein „Recht“ ist, sondern „im Recht besteht“, wird die „rechtliche Befugnis“ (so I,9 § 1 CMBC) des Nutznießers in Ansehung der fremden Sache als dessen subjektives Recht maßgebend.

121

Meier, Collegium I, Lib. VII, Tit. I, Th. I, 5: „Est igitur ususfructus jus, non pars dominii“. 122 Schilter, Praxis, Lib. VII, Tit. I, § I: „Cum enim dominium ut totam integrale habeat partes, inter quas etiam facultas utendi fruendi re sua, quam usumfructum caussalem vocamus, . . . Sive enim vocabulum partis proprie accipias, post separationem non amplius est pars, sed totum, sive pro specie, non est utique dominii species, sed iuris aut servitutis“. – Ähnlich Galvanus, De Usufructu, p. 8 s. 123 Vitriarius, Institutionen, p. 227. 124 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § VII. 125 Hofacker, Principia II, § 1111: „Ususfructus . . . est servitus personalis, consistens iure utendi fruendi rebus“. 126 Glück, Pandecten IX, § 631 (S. 161 f.). 127 Hellfeld, Iurisprudentia I, § 845: „Vsusfructus consistit in iure, omnem ordinariam ex re aliena percipiendi utilitatem, inde omnes fructus ordinarie ex re provenientes“. 128 Hellfeld, Iurisprudentia I, § 858: „Vsvs est seruitus personalis producens ius ex re aliena omnem ordinariam pro sua necessitate percipiendi vtilitatem“.

B. Der Nießbrauch im gemeinen Recht

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b) Konsequenzen des Nießbrauchs als „ius“ Bereits für Bartolus war das „ius ususfructus“ neben den anderen Servituten das Hauptbeispiel eines unkörperlichen Sachenrechts.129 Auch im usus modernus ist der Nießbrauch als „res incorporalis“ (Inst. 2.2.2) von den Früchten (res corporales) der Sache zu trennen.130 Ausnahmen bestehen für Übermaßfrüchte und Sachgesamtheiten, bei denen einzelne Erzeugnisse zur Erhaltung der Sachsubstanz einzusetzen sind (vgl. Dig. 7.1.68–70). Obwohl ein ius nach gemeinem Recht grundsätzlich unteilbar ist, ist die Teilbarkeit eines Nießbrauchs anerkannt. Die Juristen des usus modernus131 begründen diese Ausnahme mit Dig. 7.1.5, wonach der Nießbrauch an einem ideellen Bruchteil oder an einem realen Teil (einer Sache) bestellt werden und ebenso erlöschen kann, und Dig. 7.8.19 bzw. Inst. 2.5.1, wonach ein usus, anders als ein Nießbrauch, nicht teilweise vermacht werden kann. Unterstützend wird auf die Teilbarkeit der Früchte, zu deren Ziehung ein Nießbrauch berechtigt, und auf eine entsprechende Rechtspraxis rekurriert.132 Die Teilbarkeit des Nießbrauchs findet in Bezug auf sein Erlöschen eine Fortsetzung, so daß ein Nießbrauch durch teilweisen Nichtgebrauch nur zum Teil erlöschen kann.133 2. Der Nießbrauch als „ius in rebus alienis“ Daß ein Nießbrauch definitionsgemäß nur an fremder Sache bestehen kann, ist im usus modernus häufig Aufhänger für eine Abgrenzung des „ususfructus causalis“ des Eigentümers vom „ususfructus formalis“, der dem Nießbraucher aufgrund Servitutenrechts zukommt. Zugleich wird die Beschränkung auf fremde Sachen zum Anlaß genommen, das Nutzungsrecht des Nießbrauchers vom Nutzeigentum (dominium utile) abzugrenzen.134 Schließlich ist „res“ der Ausgangspunkt für die Bestimmung möglicher Gegenstände eines Nießbrauchs.

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Coing, ZRG (RA) 70 (1953), 348, 352 f. Vgl. Wesenbeck, Consilia I, col. 802 no. 16; Noodt, De usufructu I, p. 339. 131 Z. B. Glück, Pandecten IX, § 623 (S. 36). 132 J. Harpprecht, Commentar II, col. 365, no. 10: „per accidens autem, & propter usum vitae communis, itemque ratione fructuum dividuus consetur“. – Zur Usualinterpretation im usus modernus Schott, ZNR 21 (1999), 45, 64 ff. 133 Heineccius, Pandecten, P. II, § CXX, 2; Glück, Pandecten IX, § 623 (S. 35 f.). 134 Vgl. Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § VII. 130

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

a) Der „ususfructus causalis“ des Eigentümers Von den Juristen des usus modernus wird regelmäßig die Frage angesprochen, ob das Recht des Eigentümers, seine Sache zu gebrauchen und zu nutzen, einen Nießbrauch darstellt.135 Grundlage dieser Unterscheidung eines „ususfructus causalis“ oder auch „materialis“ des Eigentümers vom „ususfructus formalis“ des Nießbrauchers136 sind Differenzen in den römischen Quellen. Im Gegensatz zu Dig. 7.1.4 und 45.1.58 („usus fructus in multis casibus pars dominii est“) steht Dig. 50.16.25 („usus fructus non est dominii pars“).137 Demgemäß unterscheiden die Juristen des usus modernus das Nutzungsrecht des Eigentümers als ususfructus causalis vom Nießbrauch als Dienstbarkeit, dem ususfructus formalis. In Anlehnung an Bartolus138 setzt sich für sie volles Eigentum (dominium plenum) aus „nuda proprietas“, dem Recht, aufgrund dessen die Sache jemand als eigene zugewiesen ist, und „ususfructus“, dem Nutzen aus der Sache, zusammen.139 Das Nutzungsrecht des Eigentümers ist Voraussetzung für die Konstituierung eines Nießbrauchs; solange dieser nicht einem Dritten übertragen sei, gebühre er noch dem Eigentümer. Der ususfructus causalis ist damit materielle Grundlage eines ususfructus formalis.140 Spiegelbildlich gelangt mit Beendigung eines Nießbrauchs dieser an den Eigentum zurück.141 Daher heiße – so Oberländer – das Nutzunsgrecht an eigener Sache „causalis, weil durch Vereinigung mit Eigentum völliges Dominium caussirt oder constituiert wird“.142 Verbunden wird die Figur des ususfructus causalis auch mit der Dispositionsbefugnis des Eigentümers. So setzt sich für Galvanus das Eigentum 135

Vgl. Coing, Europäisches Privatrecht I, § 58 I 1. J. Harpprecht, Commentar II, col. 368, no. 22. 137 Perez, Digesten, p. 140: „Hic vero ususfructus, qui alteri competit, non est pars dominii, sed servitutis, atque ideo definitur jus, quod consistit in alienis rebus, . . .“. – Vgl. Klemm, S. 80. 138 Vgl. Coing, ZRG (RA) 70 (1953), 348, 350 f.: Für Bartolus sei der ususfructus „pars dominii im selben Sinne wie die Mauern Teil des Hauses sind“. – Vgl. bereits Gl. „pars dominii“ zu Dig. 7.1.4. 139 So Stryk, Usus modernus, Lib. VII, Tit. I, § 1: „Dominium cuiusque rei plenum & proprietatem & usumfructum continet“; Huber, Praelectiones I, p. 150: „dominium plenum“ bestehe aus den beiden Teilen „Jus, quo res nobis propria est“ und „Emolumentum rei, quod Ususfructus vocatur“; G. A. Struve, Jurisprudentia Romano-Germanico Forensis (abgedruckt bei Hattenhauer/Buschmann, S. 165): „Das erlangte und erworbene Dominium besteht fürnehmlich in der Proprietät oder im Eigenthume und in der freyen Macht und Gewalt davon zu disponieren und zu ordnen und dann in der Niessung, so aus dem Eigenthume herfleust, und nach des Eigenthums-Herren Belieben von der Proprietät kan abgesondert sein“. 140 Galvanus, De Usufructu, p. 7. 141 Galvanus, De Usufructu, p. 7. 142 Oberländer, Lexicon, S. 728 Art. „Ususfructus“. 136

B. Der Nießbrauch im gemeinen Recht

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aus drei Bestandteilen zusammen: den substantiales, ohne die es gar kein Eigentum wäre, den accidentales, den Umständen des Erwerbs etc., und den naturales, die nicht notwendig, aber regelmäßig mit dem Eigentum verbunden seien. Zu letzteren zähle die Dispositionsfreiheit des Eigentümers143 und als Teil derselben der ususfructus causalis, weil das Gebrauchs- und Nutzungsrecht mit einer Verfügung über das Eigentum nach dessen Natur regelmäßig auf den neuen Eigentümer übergehe.144 Und bei Stryk heißt es: „Wer nämlich einen Nießbrauch kraft Eigentums nicht hat, kann diesen auch nicht einem anderen an seiner Sache konstituieren, weil aus der Verfügungsbefugnis die Bestellung eines Nießbrauchs resultiert“145. Einigkeit besteht im usus modernus darüber, daß es sich beim ususfructus causalis nicht um eine Servitut im Sinne des römischen Rechts, sondern um eine Berechtigung an eigener Sache handelt146, welche aus dem Eigentum, nicht aus einer Dienstbarkeit resultiert.147 Weil der ususfructus causalis damit vom Eigentum abhängt, ist er kein ius in re.148 Somit tritt der Charakter des ususfructus causalis als dem Eigentümer zustehende Rechtsposition immer mehr zurück; wesentlich bleibt die aus dem Eigentum fließende Gebrauchs- und Nutzungsbefugnis des Eigentümers.149 So unumstritten, wie Johann Harpprecht meint150, ist diese Ansicht aber nicht. Obwohl bereits Oldendorp die Figur eines „Eigentümer-Nießbrauchs“ als selten bezeichnet151, unterscheidet Galvanus in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts weiterhin bejahende, verneinende und vermittelnden Stimmen hierzu.152 Und auch Voet hält, wenngleich als einziger niederländischer Jurist des 17. und 18. Jahrhunderts153, an der Teilung des Nießbrauchs in einen formalen 143

Galvanus, De Usufructu, p. 11. Galvanus, De Usufructu, p. 12: „quod, si cui absolute concessa sit proprietas, aut per testamentum, aut per pactum, ipso jure cum proprietate transit ususfructus causalis, quasi hic sequatur proprietatem ex natura proprietatis ipsius“. 145 Stryk, Usus modernus, Lib. VII, Tit. I, § II: „Qui enim usumfructum jure Dominii non habet, ille nec alteri eundem in re sua constituere potest, cum ex potestate alienandi, ususfructus constitutio fluat“. 146 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § VII, definiert den ususfructus causalis als „jus re propria jure dominii utendi“. 147 Perez, Digesten, p. 140: „Nam quem causalem vocant, conjunctus est cum sua causa, id est, proprietate, quam habet dominus, & improprie est servitus, quia res sua nemini servit, sed ea utitur & fruitur dominus jure dominii, non servitutis“. 148 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § VII: „Ratio est, quia dependet a proprietate, tanquam effectus a sua causa, & speciale Jus in re non est“. 149 So J. Harpprecht, Commentar II, col. 368, no. 22; Glück, Pandecten IX, § 620 Fn. 18. 150 J. Harpprecht, Commentar II, col. 368, no. 22. 151 Oldendorp, Opera 2, p. 225. 152 Galvanus, De Usufructu, p. 7. 153 De Waal, S. 590 f. 144

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

und einen kausalen fest.154 Andere Juristen des usus modernus verwenden die Begriffe ususfructus causalis und formalis, weisen damit aber nicht nur auf unterschiedliche Rechtsgründe hin: der kausale Nießbrauch gründet sich auf das Eigentum, der formale auf eine Dienstbarkeit. Damit korrespondiert für sie vielmehr auch die Unterscheidung eines materiellen und eines formellen Verständnisses von „ususfructus“.155 Im materiellen Sinne bezeichne „ususfructus“ die Fruchtziehungsbefugnis, die auch dem Eigentümer zukommen könne, im formellen Sinne dagegen nur den Nießbrauch als Dienstbarkeit.156 Daß die Unterteilung des Nießbrauchs in einen kausalen und einen formalen lange nachwirkt, zeigt deren Erörterung bei nahezu allen Juristen157 bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts. So heißt es noch bei Glück: „der Nießbrauch, der dem Eigenthümer an seiner Sache zusteht, ist ein Recht des Eigenthums, keine Servitut“158. b) Der „ususfructus formalis“ des Nießbrauchers Der ususfructus formalis des Nießbrauchers ist eine Personalservitut. Begründet wird dies im usus modernus zumeist mit Dig. 8.1.1.159 Donellus sieht im Nießbrauch eine Personalservitut, weil er nur an fremder Sache bestehen kann. Damit begibt er sich aber in die Gefahr eines unzulässigen Umkehrschlusses, wenn er in Bezug auf „alienis rebus“ ausführt, der Nießbrauch sei eine Servitut, um dann zu ergänzen, er sei dies aber nicht, wenn er nicht an fremder Sache bestellt werde, weil keinem seine eigene Sache dienen dürfe.160 Vom Erfordernis der Fremdheit der Sache schließt er damit auf den Charakter als Servitut, weil eine solche nur an fremder Sache bestehen könne. Die Fremdheit ist zwar notwendige, nicht aber auch hinreichende Bedingung für die Annahme einer Dienstbarkeit. Nicht jedes ius in re aliena ist gemeinrechtlich auch eine Servitut, wie z. B. das Pfandrecht zeigt.161 Daher folgert Galvanus umgekehrt aus dem Charakter des Nießbrauchs als Dienstbarkeit, daß dieser nur an fremder Sache bestehen könne, womit der Zusatz „rebus alienis“ eigentlich unnötig sei.162 154

Voet, Commentarius II, Lib. VII, Tit. I, no. 3. Vgl. z. B. Galvanus, De Usufructu, p. 10. 156 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § III: „Ususfructus sumitur vel materialiter pro quacunque fructuum perceptione. Sic & dominus dicitur habere usumfructum . . . quem causalem vocant. Vel formaliter, pro illo distincto jure, quo res aliena nobis servit“. 157 Eine Ausnahme bildet J. H. Böhmers „Introductio in ius Digestorum“. 158 Glück, Pandecten IX, § 620 Fn. 18. 159 Vgl. Coing, Europäisches Privatrecht I, § 57. 160 Donellus, Opera III, Lib. X, Cap. II, § VI (col. 10): „Hic [gemeint: ususfructus] est servitus. . . . Nulla autem servitus, nisi in re aliena, cum res sua nulla serviat, ut supra dominus in definitio servitutis“. 155

B. Der Nießbrauch im gemeinen Recht

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aa) Der Servitutenbegriff im usus modernus In Anlehnung an Dig. 8.1.1 unterscheiden die Juristen des usus modernus Praedial- und Personalservituten, fassen diese aber wieder als Rechte an fremder Sache zusammen, die die Freiheit des Eigentümers dadurch einschränken, daß er in Bezug auf seine Sache etwas dulden oder unterlassen muß.163 Weil Servituten durch actiones in re geschützt sind164, zählen sie im usus modernus neben Eigentum, Pfandrecht, Besitz und Erbrecht zu den iura in re.165 Zurückgehend auf Donellus166 vermitteln sie dem Berechtigten ein dingliches Recht an fremder Sache (ius in re aliena)167, weil eine Duldungspflicht des Eigentümers in Hinsicht auf den Umgang mit seiner eigenen Sache ihm nichts nützt und eine Servitut, die niemand zu Nutze ist, nicht konstituiert werden kann.168 Die Beschränkung der Dienstbarkeiten auf fremde Sachen wird im späten usus modernus nicht mehr hinterfragt. Unter Bezug auf Dig. 7.6.5 pr. heißt es z. B. bei Glück: „Es ist vielmehr ein unbezweifelter Grundsatz: rem suam nemini servire“.169 Daraus und aus der ususfructus-Definition folgt, daß ein Nießbrauch nur an fremden Sachen bestehen kann. Folglich wird die mit der Unterteilung des vollen Eigentums (dominium plenum) in „nuda proprietas“ und „ususfructus“170 und der resultierenden Unterscheidung von Ober- und Nutzeigentum (dominium directum und utile) in der Glosse offen gebliebene Frage, ob auch der Nießbrauch das domnium utile vermitteln kann171, im usus modernus durchgän161 Vgl. G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XXVI, § III: „In generali significatione Pignus est jus in bonis debitoris creditori legitime constitutum in securitatem crediti“. 162 Galvanus, De Usufructu, p. 27: „sed etiam eimunt nos a necessitate addendi illa rebus alienis; nam hoc ipso, quod ususfructus est servitus, necessario consequitur, illum constitui duntaxat in rebus alienis“. 163 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § I: „Est autem in genere servitus jus alienâ in re constitutum, quo libertas domino aliás in re suâ competens adimitur ita, ut ad alterius utilitatem aliquod in suo pati teneatur vel non facere“; Heineccius, Pandecten, P. II, § C: „SERVITVS est ius in re . . . aliena, quo dominus aliquid pati vel non facere tenetur in suo ad alterius vtilitatem“; J. H. Böhmer, Introductio II, p. 234: „SERVITUS est ius in re aliena, alteri ad vtilitatem constitutum, vi cuius dominus in re sua aliquid pati vel non facere cogitur“; Glück, Pandecten IX, § 620 (S. 3 f.). 164 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § III. 165 Vgl. Coing, Europäisches Privatrecht I, § 29 II 2 m. N. in Fn. 12. 166 Vgl. Stein, Römisches Recht, S. 154. 167 Bocer, Disputationes, p. 251; Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § III. – Vgl. Ogris, HRG I, Sp. 755, 757. 168 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § III. 169 Glück, Pandecten IX, § 620 (S. 7). 170 Gl. „pars dominii“ zu Dig. 7.1.4. 171 Vgl. Olzen, JuS 1984, 328, 331.

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

gig verneint, obwohl am geteilten Eigentum festgehalten wird.172 Ein Nießbrauch vermittelt weder das dominium utile noch das quasi dominium, wie es im früheren usus modernus z. B. für Emphyteuse und Superfizies173, später nur noch für die Ersitzung angenommen wird.174

bb) Gemeinrechtliche Konsequenzen aus dem Servitutenrecht Die Servitutenregeln des römischen Rechts gelten im usus modernus als besonders subtil175, doch betrifft diese Subtilität vor allem die Praedial-, nicht so sehr die Personalservituten. Als erste Servitutenregel wird häufig der Grundsatz „nemini res sua servit“ angesprochen176, wenngleich dieser für den Nießbrauch aufgrund der Beschränkung auf fremde Sachen in der ususfructus-Definition keine maßgebliche Rolle spielt.177 Mit dem genannten Grundsatz wird daher vor allem die Beendigung eines Nießbrauchs beim Zusammenfallen von Eigentum und Nießbrauch (Konfusion, Konsolidation) begründet. Für die Ausübung einer Servitut darf vom Eigentümer keine Gegenleistung verlangt werden. Für den Erwerb eines Nießbrauchs kann aber durchaus ein Entgelt zu entrichten sein.178 Praktisch weitgehend entwertet ist dieser Grundsatz im usus modernus in Bezug auf elterliche Nutzungsrechte am Kindesvermögen, für die der Nutznießer regelmäßig zur Erziehung und Alimentierung der Kinder verpflichtet ist. Eine Gegenleistung für den Nießbrauch kann aber im usus modernus nicht nur gesetzlich vorgesehen, sondern auch vertraglich begründet sein. In einem von Leyser geschilderten Fall überspielt der Fortbestand der vertraglichen Unterhaltspflicht über den Tod des Unterhaltsschuldners hinaus den Grundsatz, daß der im Gegenzug eingeräumte Nießbrauch mit dem Tod eigentlich enden müßte; weil die Erben des Unterhaltsschuldners zur weiteren Alimentierung verpflichtet sind, gebührt ihnen auch der Nießbrauch.179

172 Vgl. Hagemann, HRG I, Sp. 882, 891 ff.; Bühler, SJZ 1974, 305 f.; Strauch, S. 108 f. 173 Vgl. Oldendorp, Opera 2, p. 225; J. Harpprecht, Commentar II, col. 367 no. 16; Donellus, Opera III, Lib. X, Cap. III, § X (col. 24 s.). 174 Oberländer, Lexicon, S. 230 Art. „Dominium utile“. 175 Leyser, Meditationes II, Spec. CVII, § I: „Nullibi forsan subtilius est jus Romanum, quam in doctrina de servitutibus“. 176 Vgl. J. Harpprecht, Commentar II, col. 365, no. 11; Glück, Pandecten IX, § 620 (S. 6 ff.). 177 J. H. Böhmer, Introductio II, p. 235: „res propria nemini seruit“. 178 Luden, Servituten, S. 25. 179 Vgl. Leyser, Meditationes II, Spec. CVI, § V.

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An anderen Personal- oder Realservituten kann nach dem Grundsatz „Servitus servitutis esse non potest“180 kein Nießbrauch konstituiert werden, doch dürfen Superfiziar und Emphyteuta an ihrer Berechtigung einem Dritten den Nießbrauch bestellen.181 Ein Vasall darf hingegen zwar eine Unterbelehnung vornehmen, nicht aber am Lehen einen Nießbrauch bestellen. Dies kritisiert Stryk182, weil dem Vasallen ebenso wie Superfiziar und Emphyteuta das dominium utile zusteht.183 Diese ausschließlich an die sachenrechtliche Befugnis anknüpfende Argumentation verkennt aber – worauf noch einzugehen ist – die persönliche Verbindung beim Lehen, die zwischen Vasall und Untervasall, nicht hingegen auch zum Nießbraucher bestehen muß. c) Körperliche oder auch unkörperliche Gegenstände? In der ususfructus-Definition ist der nutznießliche Gegenstand mit „res“ bezeichnet.184 Den römischen Quellen folgend (Dig. 1.8.1.1/Inst. 2.2 pr.), versteht man im usus modernus unter „res“ allgemein res corporales und res incorporales.185 Weil aber Dig. 7.1.2 und Inst. 2.4 pr. einen Nießbrauch auf körperliche Sachen beschränken, halten viele Juristen im usus modernus an res incorporales in Anlehnung an Dig. 7.5.3 allenfalls einen quasi ususfructus für möglich. Donellus begründet das Erfordernis von res corporales zusätzlich damit, ein ususfructus könne nicht ohne den usus eingeräumt werden. Gebrauchen könne man aber nur Sachen, die man auch handhaben könne, was voraussetze, daß die Sache angefaßt werden könne. Dies sei nur bei körperlichen Gegenständen der Fall (Inst. 2.2.1) und daher sei auch nur an solchen ein Nießbrauch möglich.186 Dagegen halten z. B. Lauterbach, Vitriarius und Kreittmayr einen echten Nießbrauch auch an res incorporales für möglich.187 Daß an solchen entwe180

Luden, S. 17 ff. Donellus, Opera III, Lib. X, Cap. III, § X (col. 24): „Cui usumfructum constituere scilicet: multo citius constituet emphyteuta, cui plus iuris est in re, quam superficiario, cum ille etiam soli quod ammodo dominus sit, hic tantum superficiei“. 182 Stryk, Usus modernus, Lib. VII, Tit. I, § V. 183 Stryk, Usus modernus, Lib. VII, Tit. I, § IV. 184 Zum Begriff der „res“ im Corpus iuris vgl. C. Becker, S. 31 ff. 185 Wesener, Privatrechtliche Normen, S. 282. 186 Donellus, Opera III, Lib. X, Cap. III, § XII (col. 25): „Est enim ususfructus, & servitus omnis, qualitas, ut in definitione servitutis ostendimus. Haec autem nisi in corpore, non consistit, eoque nec ususfructus . . . Habet hoc quoque hanc rationem. Etenim ususfructus usum quoque in se habet: unde & definitur ius non fruendi tantum, sed utendi fruendi: atque adeo sine usu ususfructus esse non potest . . . Atqui re uti est rem tractare: neque porto tractari res potest, nisi quae & tangi: nec tangi, nisi res corporalis. . . . Ex quo efficitur, nec usum, nec usumfructum, nisi in re corporali constitui non posse“. 181

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der ein echter oder ein uneigentlicher Nießbrauch möglich sei, ergebe sich aus der Zulassung eines (quasi) ususfructus an Forderungen in Dig. 7.5.3. Weil aber unkörperliche Gegenstände keine „res quae usu consumuntur“ seien, könne ein Nießbrauch daran nur ein echter sein.188 Die quellengemäße Beschränkung auf res corporales als Gegenstand eines echten Nießbrauchs in Dig. 7.1.2/Inst. 2.4 pr. tritt dadurch systematisch hinter Dig. 7.5.3 zurück. Mit der Zulassung eines ususfructus nominum seien die möglichen Gegenstände eines Nießbrauchs auf res incorporales ausgedehnt worden; welcher Art der Nießbrauch sei, entscheide allein die Verbrauchbarkeit der Sache. Andere Juristen im usus modernus lösen sich von der Beschränkung auf körperliche Sachen, indem sie deren „usu receptum“ verneinen. So hält Höpfner das Körperlichkeitserfordernis für eine Subtilität des römischen Rechts; in Deutschland sei ein Nießbrauch auch an Forderungen und Gerechtigkeiten anerkannt.189 Diese Nichtrezeption ist aber keineswegs unumstritten. So ist für Glück an unkörperlichen Gegenständen allenfalls (im Wege der Analogie) ein quasi ususfructus zulässig.190 Erkennt man die Möglichkeit eines Nießbrauchs auch an res incorporales an, erweitert sich der Kreis möglicher Gegenstände erheblich, zählen doch im usus modernus zu res incorporales neben den Servituten, an denen aber aufgrund der allgemeinen Servitutenregel „servitus servitutis nequit“ ein Nießbrauch unzulässig ist, auch andere Befugnisse und Rechte, die eine dauernde Nutzung gewähren191 (z. B. kirchliche Benefizien, Patronatsrechte, Gerichtsbarkeiten192). Ob im usus modernus auch Sachgesamtheiten Gegenstand eines Nießbrauchs sein können, wie für das römische Recht unter Bezug auf Dig. 7.1.68–70 vertreten193, wird von Klemm als nicht eindeutig beantwortbar angesehen. Daß beim Nießbrauch an einer Herde die abgegangenen durch neugeborene Tiere zu ersetzen sind, hält er für eine „reine Summissionspflicht des Nutznießers“.194 Lauterbach erwähnt allerdings als mögliche Objekte eines Nießbrauchs einzelne Sachen oder Sachgesamtheiten, so 187 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § X: „Ususfructus in genere est jus alienis rebus corporalibus & incorporalibus utendi fruendi“; Vitriarius, Institutionen, p. 226; Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 882. 188 Vitriarius, Institutionen, p. 226; Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XXIV: „Quae cunque enim res usu non consumuntur, illarum datur verus ususfructus. At res incorporales sunt tales, Ergo“. 189 Höpfner, Commentar, § 371. 190 Glück, Pandecten IX, § 632 (S. 172). 191 Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 882. 192 Coing, Europäisches Privatrecht I, § 29 II 1. 193 Honsell/Mayer-Maly/Selb, § 72 III. 194 So Klemm, S. 76.

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daß auch ein Nießbrauchsvermächtnis aller Güter möglich sei.195 Und die Verortung der Ersatzpflicht für abgegangene Tiere als Ausfluß des Substanzerhaltungsgebotes196 bedeutet letztlich, daß die Herde selbst Gegenstand des Nießbrauchs sein muß. d) Erfordernis der Gebrauchsmöglichkeit und Zweckmäßigkeit Das ius utendi setzt voraus, daß der nutznießliche Gegenstand irgendeinen Gebrauch zuläßt, weil sonst daran kein Recht bestellt werden kann.197 Eine weitere Einschränkung der möglichen Gegenstände eines Nießbrauchs ergibt sich aus dem Erfordernis der Zweckmäßigkeit jeder Servitut198, so daß nur an Gegenständen, die dem Berechtigten irgendeinen Nutzen gewähren, eine (Personal-)Servitut bestellt werden kann. Es genügt jeder objektiv mögliche Nutzen, unabhängig von den Bedürfnissen des Berechtigten, der z. B. auch darin liegen kann, daß Schmuckstücke zur Zierde getragen, Bilder an die Wände gehängt und Statuen aufgestellt werden.199 e) Erfordernis der „res intra commercium“ Als Gegenstände eines Nießbrauchs scheiden die dem Handel entzogenen Sachen aus.200 Damit wird an der auf das römische Recht201 zurückgehenden Unterscheidung zwischen res intra und extra commercium, wenn auch mit erheblichen Abweichungen, für den Nießbrauch festgehalten202, der daher an Sachen des Staates (res publicae) und bestimmten religiösen Gegenständen (res divini iuris)203 unzulässig ist.

195 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XXIII: „sive res mobiles sint, sive immobiles; . . . singulares sint, an universales, ita, ut omnium bonorum ususfructus possit legari“. 196 So z. B. Heineccius, Pandecten, P. II, § CXI: „Denique, quia vtendum fruendum est salua rei substantia: sequitur, . . . (4) Vt recte colere, & quasi paterfam. vti, adeoque in locum demortuorum capitum ex foetu submittere, & in locum mortuarum vitium arborumue alias substituere debeat“. 197 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XXIII. 198 Luden, S. 21 ff. 199 Vitriarius, Institutionen, p. 226. – Vgl. auch Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 886. 200 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XXIII; Voet, Commentar II, Lib. VII, Tit. I, no. 14. 201 Vgl. Kaser, Römisches Privatrecht (Kurzlehrbuch), § 18 I 2. 202 Coing, Europäisches Privatrecht I, § 50 III. 203 Dazu im einzelnen Coing, Europäisches Privatrecht I, § 50 II.

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3. Das „ius utendi fruendi“ Das „ius utendi fruendi“ beschreibt den Umfang eines Nießbrauchs. Dieser berechtigt zu Gebrauch und Nutzen einer Sache. Im usus modernus werden „uti“ und „frui“ quantitativ als weniger und mehr204 bzw. wie ein Teil zum Ganzen205 verstanden206, so daß das Wesen des Nießbrauchs vor allem darin gesehen wird, daß er allen möglichen Nutzen zu ziehen berechtige. Gegenüber einem auf das persönliche Bedürfnis des Berechtigten beschränkten „ius utendi“ berechtigt das „ius utendi fruendi“ zur Ziehung aller Früchte207 „& ad necessitatem & ad voluptatem“.208 a) Der Fruchtbegriff im usus modernus Als Früchte gelten im usus modernus fructus naturales und fructus civiles.209 Natürliche Früchte sind dabei nur die Erzeugnisse, die unter Erhaltung der Sachsubstanz aus der nutznießlichen Sache selbst gezogen werden können210, nicht auch, wie in § 99 Abs. 1 BGB, die „Ausbeute, welche aus der Sache ihrer Bestimmung gemäß gewonnen wird“. Weil nach Ziehung der Früchte die Sache in ihrer Substanz unverändert bleiben muß, gelten als natürliche Früchte im usus modernus nur nachwachsende Teile der Sache. Demgemäß wird die grundsätzliche Zulassung der Ausbeutung von Bodenschätzen durch den Nießbraucher in den Quellen (vgl. Dig. 7.1.9.2 und 3) bis Ende des 17. Jahrhunderts regelmäßig so verstanden, daß ihm nur die nachwachsenden Bodenschätze zustehen.211 Im 18. Jahrhundert herrscht dann die irrige Auffassung vor, daß alle Mineralien nachwachsen212 und 204 Heineccius, Pandecten, P. II, § CII: „VTI & FRVI differunt, vt minus & maius“. 205 Calvinus, Lexicon, p. 952: „. . . nèmirum usum ab usufructu hoc differre, quo pars à toto“. 206 Ein Rekurs auf die Unterscheidung von „uti“ und „frui“ bei Augustinus findet sich im usus modernus nicht; seine Ausführungen dazu erwähnt z. B. Scheurl, ZGR 15 a. R. (1850), 19, 30. 207 So z. B. Besold, Delibata I, p. 570. – Vgl. auch Scheurl, ZRG 15 (1850), 19, 21 f. 208 So z. B. G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XV; Vitriarius, Institutionen, p. 226; Heineccius, Pandecten, P. II, § CIII. 209 J. Harpprecht, Commentar II, col. 367, no. 15; Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XXXII; F. C. Harpprecht, Consultationes I, p. 601 no. 346, p. 679 no. 63, p. 691 no. 223. 210 G. A Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XV; F. C. Harpprecht, Consultationes I, p. 679 no. 66. 211 So z. B. Carpzov, Jurisprudentia, P. III Const. XXV, Def. V; Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XXXII; G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XV; Vitriarius, Institutionen, p. 232; Heineccius, Pandecten, P. II, § CXI, 2.

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mithin Früchte eines Bergwerks sind.213 So stützt z. B. Glück das Recht des Nießbrauchers zur Ausbeutung der Bodenschätze unter anderem darauf, daß „nach der Bemerkung unserer Naturforscher alles Mineral nachwächst“.214 Auch beim Nießbrauch an einem Wald ist zwischen dessen Früchten, die sich nach der Bestimmung des Waldes richten215, und der Substanz zu differenzieren. Windbruch zählt nur dann zu den Früchten, wenn dem Nießbraucher ein Holzschlag in solchem Umfang gestattet ist; darüber hinausgehende Stämme sind nicht „Übermaßfrüchte“, wie sie der Nießbraucher nach § 1039 Abs. 2 BGB ersetzen muß, sondern gebühren als Teil der Substanz dem Waldeigentümer.216 Da es nur darum geht, ob etwas als Frucht gezogen werden kann, sind auch die unreifen Früchte erfaßt.217 Zusammengefaßt sind Früchte alle von der Natur oder menschlichem Fleiß hervorgebrachten Güter, natürliche wie bürgerliche Früchte, geborene und ungeborene, reife und unreife, hängende und getrennte, vorhandene und bereits verbrauchte, geerntete oder nicht geerntete.218 Diese Aufzählung macht allerdings nur deutlich, daß es für die Fruchteigenschaft nicht darauf ankommt, ob ein Gegenstand bereits von der nutznießlichen Sache losgelöst bzw. vollständig entwickelt ist. Im Regelfall zählen zu den Früchten die Erzeugnisse der Pflanzungen und des Viehs. Bürgerliche Früchte sind die Einnahmen aus Rechtsgeschäften über den nutznießlichen Gegenstand (z. B. Miet- und Zinserträge)219; eine Verpachtung dieses Gegenstandes ist auch an den Eigentümer möglich.220 Zu den Früchten eines Tieres zählen damit im usus modernus neben Milch und Wolle regelmäßig auch ungeborene Tierjunge.221 Beim Nießbrauch einer Herde unterliegt der Nießbraucher allerdings einer Summissionspflicht (vgl. Dig. 7.1.69/70, Inst. 2.1.38), so daß Jungtiere zunächst als 212

Vgl. Leyser, Meditationes II, Spec. CVI, § VII: „Metalla omnia renascuntur“. F. C. Harpprecht, Consultationes I, p. 680 no. 71, p. 691 no. 226. – Vgl. auch Schön, S. 43. 214 Glück, Pandecten IX, § 633 (S. 208 f.). 215 Glück, Pandecten IX, § 633 (S. 205 f.). 216 Glück, Pandecten IX, § 633 (S. 206 f.). 217 J. Harpprecht, Commentar II, col. 367, no. 15. 218 Carocio, De Fructibus Feudi, p. 791 s.: „fructus h.l. accipiatur in sensu etsi proprio, latiori tamen, in quo civilis pariter ac naturales, adeoque omnes utilitates sub se commprehendit, quae ex re aliqua vel sine hujus adjumento solius hominis facto, vel etiam industria humana cum rei, ex qua sumuntur, natura magis aut minus concurrente obveniunt, nullo discrimine habito, sive sint adhuc nascituri, sive jam nati, sive maturi sive immaturi, sive pendentes sive separati, sive exstantes sive consumpti, sive denique sint percepti, sive percipiendi“. 219 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XVII. 220 Glück, Pandecten IX, § 634 (S. 215). 221 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XV. 213

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Ersatz für gestorbene Herdenglieder zur Substanz der Herde gehören; nur den anfänglichen Bestand der Herde übersteigende Tiere gelten als Früchte.222 Zu den Nutzungen zählt auch die Ausübung von Jagd-, Fischerei- und Vogelfangrechten.223 Wie im römischen Recht224 stets verneint wird im usus modernus die Fruchtqualität eines partus ancillae.225 Keine Frucht eines Grundstücks ist auch ein gefundener Schatz, der häufig als Gabe Gottes bezeichnet wird226; als Finder gebührt dem Nießbraucher gemeinrechtlich (Inst. 2.1.39) die Hälfte des Schatzes227, soweit nicht ein landesherrliches Schatzregal vorgeht.228 b) Konsequenzen des Fruchtziehungsrechts Das Fruchtziehungsrecht gestattet Ernte und Aneignung der Früchte. Hängende Früchte gehören als Teil des Bodens noch dem Eigentümer229; das Fruchteigentum geht beim Nießbrauch erst mit Perzeption über (vgl. Dig. 7.4.13).230 Anders als bei einem gutgläubigen Besitzer begründet daher die Separation der Früchte durch einen Nichtberechtigten kein Eigentum beim Nießbraucher231, so daß ihm auch keine condictio gegen einen Dieb zukommt (vgl. Dig. 7.1.12.5).232 Allerdings ist durchaus möglich, daß ein Dritter, z. B. als Pächter oder auch als Geschäftsführer ohne Auftrag, für den Nießbraucher die Früchte perzipiert.233 Praktisch bedeutsamer ist, daß 222

Vgl. Filip-Fröschl, S. 109 ff. Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XXXIV; G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XVI; Glück, Pandecten IX, § 633 (S. 201 f.). 224 Dazu Kaser, ZRG (RA) 75 (1958), 156 ff. 225 So z. B. Galvanus, De Usufructu, p. 362; G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XV; Heineccius, Pandecten, P. II, § CVIII, 2. – Vgl. auch Glück, Pandecten IX, § 633 (S. 210 ff.). 226 Seiffart, De Thesauris, p. 15 s.; Vitriarius, Institutionen, p. 226; Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XXXII; G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XV; Heineccius, Pandecten, P. II, § CVIII, 2. 227 Z. B. Galvanus, De Usufructu, p. 383: „Atque sic concludendum est, quod fructuarius dimidiam, proprietarius aliam dimidiam thesauri consequatur ad similitudinem aliorum extraneorum: nam & consulendum est aequaliter proprietario, & fructuario pro aequalibus meritis utriusque, idest, illius propter locum, & istius propter inventionem“; Vitriarius, Institutionen, p. 226: „. . . & si in fundo usufructuario [thesaurus] inveniatur, dividendus erit cum domino proprietatis, tanquam in re aliena inventus“; Glück, Pandecten IX, § 633 (S. 209 f.). 228 Vgl. dazu K.-P. Schroeder, JZ 1989, 676, 677 f. 229 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XXXI. – Vgl. auch Deichmann, S. 125 ff.; Ogris, HRG I, Sp. 1315, 1318. 230 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XXXI. 231 Brunnemann, Pandecten, Lib. VII, Tit. IV, ad L. 19 no. 1 u. 2. 232 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XIIX. – Vgl. auch Wächter, Zur Lehre von den Früchten, S. 56; Schiemann, Pendenz, S. 14 f. 223

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mit Ende des Nießbrauchs nur bereits geerntete Früchte den Erben des Nießbrauchers zustehen234; selbst reife hängende Früchte können diese nicht auch nur anteilig vom Eigentümer vindizieren. Der Vorverlagerung des Fruchterwerbs im sächsischen Recht auf den Zeitpunkt der Bestreichung des Ackers durch die Egge235, die auch in den Landrechten von Preußen und Jülich-Berg übernommen ist, wird für das deutsche ius commune regelmäßig eine Absage erteilt. So hält Kreittmayr zwar den sächsischen Grundsatz „Wer sähet, der mähet, item was die Egge bestrichen, und die Hacke bedeckt, gehört dem Erben“, für den Verhältnissen in Deutschland angemessener als die römische Regelung, kodifiziert aber letztere im CMBC, weil sie schon lange in Bayern rezipiert sei.236 Unabhängig vom Zeitpunkt des Fruchterwerbs steht im usus modernus den Erben des Nießbrauchers Ersatz der Saatkosten zu237; dies nimmt Carpzov aus Billigkeitserwägungen auch dann an, wenn die Saat z. B. wegen schlechten Wetters nicht den beabsichtigten Fruchtertrag bringt, weil es das Risiko des Fruchtziehungsberechtigten sei, ob die Saat aufgeht.238 Bürgerliche Früchte sind in Anlehnung an Dig. 7.1.26 als Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung in der Regel „pro rata temporis“ aufzuteilen.239 Bei der Pacht für ein landwirtschaftliches Gut kommt es hingegen darauf an, ob der Pächter vor dem Tod des Nießbrauchers die Ernte eingebracht hat. Dann gebührt den Erben der Pachtzins, selbst wenn dieser erst nach dem Tod fällig wird (vgl. Dig. 7.1.58)240, weil der Pächter die natürlichen Früchte für den Nießbraucher gezogen hat.241

233

F. C. Harpprecht, Consultationes I, p. 689 no. 199 ss. G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XIIX; F. C. Harpprecht, Consultationes I, p. 701 no. 351. 235 Kling, Das Ganze Sechsisch Landrecht, S. 140, Tit. „De Marito“: „Stirbt aber die Fraw nach der Saat/als die Egd das Land bestrichen hat/die Saat ist ihres Mannes/und er ist niemand ichtes pflichtig dauon zuthun“; G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XIIX; Stryk, Usus modernus, Lib. VII, Tit. IV, § VII; Zedler, Universallexicon, 24. Bd., Sp. 857 f. 236 Vgl. Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 893 f. 237 Carpzov, Jurisprudentia, P. III, Const. XXXII, Def. XI; Zedler, Universallexicon, 24. Bd., Sp. 857. 238 Carpzov, Jurisprudentia, P. III, Const. XXXII, Def. XI. 239 Perez, Digesten, p. 147; Brunnemann, Pandecten, Lib. VII, Tit. IV, ad L. 19 no. 3; G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XIX. 240 Brunnemann, Pandecten, Lib. VII, Tit. IV, ad L. 19 no. 4. 241 Brunnemann, Codex, Lib. III, Tit. XXXIII, ad L. 5 no. 11. 234

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4. Das Substanzerhaltungsgebot („salva rerum substantia“) Das Gebot des „salva rerum substantia“ gilt im usus modernus als Wesensmerkmal eines Nießbrauchs, weil der Nießbraucher allen Nutzen ziehen dürfe, die Sache aber nach Ende des Nießbrauchs unverändert dem Eigentümer zurückgeben müsse.242 Daß damit dem Usufruktuar aufgegeben ist, die Sache nur nach billigem Ermessen und wie ein guter Familienvater zu gebrauchen und das Eigentum daran nicht zu schädigen243, hat mehr deklaratorische Funktion, weil ein die Sachsubstanz verletzender Gebrauch im usus modernus zumeist als „abusus“ gilt, der vom ius utendi fruendi gerade nicht gedeckt wird.244 Weiter bewirkt das Substanzerhaltungsgebot die Ausgrenzung verbrauchbarer Sachen aus dem Kreis möglicher Gegenstände eines (echten) Nießbrauchs.245 a) Abgrenzung möglicher Gegenstände Aber auch zur Präzisierung möglicher Gegenstände eines (echten) Nießbrauchs erweist sich das Substanzerhaltungsgebot als wenig ergiebig. Es wird nicht klar, ob nur solche Sachen ausscheiden, deren bestimmungsgemäßer Gebrauch in ihrem Verbrauch liegt. Die Juristen des usus modernus greifen regelmäßig ergänzend auf die Definition der Gegenstände eines quasi ususfructus als „res quae usu consumuntur, vel minuuntur“ (Dig. 7.5) zurück und verstehen das Substanzerhaltungsgebot so, daß die nutznießliche Sache (nur) nicht durch ihren Gebrauch verbraucht werden dürfe. Es schade nichts, wenn die Sache während des Gebrauchs langsam vermindert oder verbraucht werde.246 Diese Position findet z. B. in Galvanus’ „definitio nova“ Niederschlag.247 Ähnlich formuliert Besold, der Grundsatz „salva rerum substantia“ schließe einen Verbrauch des nutznießlichen Gegenstandes aus.248 Sprachlich drückt sich dies in der Verwendung des deutschen Wortes „Abnutzen“ als Synonym für „Nießbrauch“ aus.249 242

Galvanus, De Usufructu, p. 27. J. Harpprecht, Commentar II, col. 368, no. 20. 244 Brunnemann, Pandecten, Lib. VII, Tit. I, ad L. 15 no. 1: „Fructuarius debet uti, non abuti“. 245 Z. B. Heineccius, Pandecten, P. II, § CXI, 1. 246 J. Harpprecht, Commentar II, col. 368, no. 26. 247 Galvanus, De Usufructu, p. 27: „rebus, quarum substantia utendo non consumitur“. 248 Besold, Delibata I, p. 570. 249 Z. B. Höpfner, Commentar, § 370; Zedler, Universal-Lexicon, 24. Bd., Sp. 853. – In DRW I, Sp. 197 f., sind als Bedeutung für „abnutzen“ Nießbrauch, Nutzpfand, Ertrag sowie für „Abnutzung“ der abgeworfenen Nutzen, Ertrag oder Nießbrauch erwähnt. Für Oberösterreich 1509 ist auch die Verwendung von „Ab243

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Einfluß auf den Kreis möglicher Gegenstände eines (echten) Nießbrauchs hat das Substanzerhaltungsgebot im usus modernus vor allem bei Kleidern, deren Einordnung als verus oder quasi ususfructus aufgrund widersprüchlicher Quellenstellen umstritten ist.250 Dig. 7.1.15.4 und 7.9.9.3 sprechen für die Zulässigkeit eines echten Nießbrauchs an Kleidern trotz des mit ihrem Gebrauch einhergehenden Substanzverlustes.251 Eine Unterscheidung zwischen festlichen Gewändern, die bestimmungsgemäß nur für einzelne Auftritte eingesetzt werden sollen und daher geringerem Verschleiß ausgesetzt sind, und Alltagskleidern findet sich in Dig. 7.1.15.4/5 nur in Bezug auf ihre Vermietung. In Inst. 2.4.2 werden dagegen Kleider neben Öl, Wein und Getreide als mögliche Gegenstände eines quasi ususfructus erwähnt. Justus Henning Böhmer versucht in seinem im 18. Jahrhundert weit verbreiteten Lehrbuch erst gar keine Entscheidung, sondern bezeichnet die Rechtslage schlicht als „ungeklärt“.252 Die wohl herrschende Meinung und Rechtspraxis im usus modernus übernimmt von den Glossatoren die Unterscheidung zwischen Bühnen- und Trauergewändern, an denen ein echter Nießbrauch möglich sein soll, und Alltagskleidern, an denen es nur einen quasi ususfructus gibt.253 Diese Aufteilung findet sich in modifizierter Form für das Nießbrauchsvermächtnis auch bei Besold und Voet, die an Festgewändern einen echten Nießbrauch annehmen und bei Alltagskleidern weiter differenzieren, ob der Erblasser eine bestimmte „Quantität“ oder ein Kleidungsstück „in corpore“ vermacht hat. In letzterem Fall sei ein echter Nießbrauch anzunehmen.254 Häufig wird im usus modernus an Kleidern allgemein ein quasi ususfructus angenommen.255 Heineccius gesteht dem Eigentümer einschränkend eine abweichende Bestimmung zu; habe er ausdrücklich die Rückgabe derselben Sache vereinbart, sei ein echter Nießbrauch konstituiert.256 Struve nähert sich der herrschenden Meinung noch weiter an, indem er an Theaterkostümen typischerweise einen ususfructus verus annimmt.257 nutzung“ als Synonym für „Mißbrauch“ bezeugt, vgl. Köbler, Etymologisches Rechtswörterbuch, Stichwort „Abnutzung“. 250 Hellfeld, Iurisprudentia I, § 850: „An vestimentorum sit verus, an quasi ususfructus, variae sunt opiniones“. 251 Vgl. Glück, Pandecten IX, § 631 (S. 162). 252 J. H. Böhmer, Introductio II, p. 235. 253 Brunnemann, Pandecten, Lib. VII, Tit. I, ad L. 15 no. 5. – Dies dokumentiert auch die handschriftlichhe Randbemerkung „quotidianis“ in der Ausgabe von Vitriarius, Institutionen, p. 232, welche im Juristischen Seminar der Universität Tübingen vorhanden ist. 254 Besold, Delibata I, p. 583, unter Hinweis auf Donellus und Hotman; Voet, Commentar II, Lib. VII, Tit. V, no. 4. 255 Z. B. Vitriarius, Institutionen, p. 232; Heineccius, Pandecten, P. II, § CXXIV; Höpfner, Commentar, § 374. 256 Heineccius, Pandecten, P. II, § CXXIV no. *.

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Kommt es für das „salva rerum substantia“ im usus modernus auf einen Verbrauch „ipso usu“ (vgl. Inst. 2.4.2) an, spricht dies eigentlich für die Annahme eines echten Nießbrauchs an allen Kleidern258, denn dem Nießbraucher ist nur derjenige Gebrauch gestattet, der die Kleider nicht verdirbt (vgl. Dig. 7.1.15.4). Wie z. B. ein Pferd durch langjährige Benutzung geschwächt wird, werden Kleider durch ihren Gebrauch zwar abgenutzt, nicht aber auch nur teilweise verbraucht; deswegen nimmt Hellfeld im Zweifel an Kleidern einen echten Nießbrauch an.259 Auch Glück betont, die Rückgabe müsse nur „in Natur“ erfolgen; auf den Zustand der Sache komme es nicht an, wenn sie nur noch vorhanden sei.260 Daß der Substanzverlust durch den Gebrauch und nicht nur anläßlich desselben eingetreten sein muß, führt aber nicht immer zu diesem Ergebnis. Otto verlangt zwar explizit einen Verbrauch „ipso usu“, bejaht einen solchen aber auch bei Kleidern.261 Umgekehrt zählt Heineccius Kleider zu den nichtverbrauchbaren Sachen; wegen der für sie passenden Restitutionspflicht von Sachen gleicher Art und Güte sei an ihnen gleichwohl ein quasi ususfructus anzunehmen.262 Der letztgenannte Ansatz zeigt eine Loslösung von der überkommenen Argumentation, daß es für die Annahme eines quasi ususfructus darauf ankommen soll, ob eine Sache ihrem Wesen nach verbrauchbar ist oder nicht. Indem Heineccius letztlich auf die interessengerechte Rechtsfolge rekurriert und außerdem dem Eigentümer abweichende Anordnungen gestattet, tritt vorranging der geäußerte und hilfsweise – wenn auch wohl im Regelfall – der mutmaßliche Eigentümerwille in den Vordergrund. b) Begrenzung der Nutzungsberechtigung Das Substanzerhaltungsgebot grenzt im usus modernus das dem Nießbraucher zustehende ius utendi fruendi vom ius abutendi des Eigentümers ab. Ein die Sachsubstanz verletzender Gebrauch ist abusus, nicht usus.263 257

So z. B. G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XXXIX. Vgl. auch Noodt, De usufructu, p. 383 s.; Berger, Oeconomia, Lib. II, Tit. III, § XIX no. 1. 259 Hellfeld, Iurisprudentia I, § 850 no. x: „In dubio autem eum verum usumfructum esse affirmarem, quia vestimenta usu non consumuntur, sed tantum deteruntur: sicuti ergo equus usu deteritur, et tamen illius ususfructus est verus, sic et hoc de vestimenta dici potest“. 260 Glück, Pandecten IX, § 631 (S. 162). 261 Otto, Institutionen, p. 208, § II: „exceptis iis, quae ipso usu consumuntur“. 262 Heineccius, Pandecten, P. II, § CXXIII: „QVASI VSVSFRVCTVS, qui nihil aliud est, quam ius abutendi . . . rebus alienis fungibilibus, (id est, quae numero, mensura & pondere constant, . . .) praestita cautione, finito hoc quasi vsufructu res eisdem quantitatis & qualitatis, earumue aestimationem, proprietario restitutum iri“; und § CXXIV: „Ex qua definitione facile patet, . . . (2) Ei locum esse in rebus omnibus, quae vsu consumuntur, adeoque & in vestimentis“. 258

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Weil „abusus“ aber nicht einen Mißbrauch der Sache, sondern jede Disposition über dieselbe und deren Substanz, Veräußerung und Verbrauch, meint264, kann es an nichtverbrauchbaren Sachen streng genommen keinen die Substanz verletzenden usus geben, so daß der Zusatz „salva rerum substantia“ letztlich bedeutungslos ist. Zu Veränderungen der Sache ist ein Nießbraucher nicht befugt. Wenn das ius utendi fruendi nur die Sachsubstanz nicht verletzende Nutzungen erfaßt, ist es konsequent, daß einem Nießbraucher ein zufällig eintretendes Ereignis keinen übermäßigen Ertrag bescheren kann. Daher gebührt der Windbruch nur insoweit dem Usufruktuar, als er aufgrund seines Nießbrauchs berechtigt gewesen wäre, die umgefallenen Bäume zu schlagen. Im übrigen steht das Eigentum an den Stämmen dem Waldeigentümer zu.265 c) Dispositonsbefugnisse über den nutznießlichen Gegenstand Anders als in der Gemeinrechtswissenschaft im 19. Jahrhundert266 ist dem usus modernus die Figur eines Dispositionsnießbrauchs fremd. Generell hat der Nießbraucher kein Dispositionsrecht über den nutznießlichen Gegenstand. Er darf diesen weder verkaufen noch verschenken oder verpfänden, selbst wenn ihm die „freye Disposition“ darüber eingeräumt ist.267 Der Begriff des Nießbrauchs beinhalte, so Leyser, „das Wort eines Verbots der Verfremdung seines Gegenstandes“.268 Die Befreiung des mit einem Nießbrauchsvermächtnis Bedachten durch den Erblasser hat demgemäß nur deklaratorische Bedeutung, denn auch ohne Befreiungszusatz vermittelt der 263 Heineccius, Institutionen, § CCCCXVI: „Salva vero rerum substantia utendum fruendum est, quia alioquin non esset ususfructus, sed abusus“; Besold, Delibata I, p. 570. 264 Vgl. Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. V, § VI: „Objectum [eines quasi ususfructus] sunt res, quae usu consumuntur, seu quarum usus in abusu consistit“; Heineccius, Pandecten, P. II, § CXXIII: „QVASI VSVSFRVCTVS, qui nihil aliud est, quam ius abutendi (. . .) rebus alienis fungibilis“. So auch Hecker, Eigentum als Sachherrschaft, S. 100 ff. m. w. N., und ders., ZNR 10 (1988), 179, 184; anders Willoweit, HistJb 74 (1974), 131, 149. – Ganz deutlich wird dies noch bei Darjes, Natur- und Völkerrecht, S. 637, der das „Jus meo pro arbitrio disponendi de rei substantia“ als „Jus abutendi“ des Eigentümers dem „Jus meo arbitro disponendi de consectariis, in scopum . . . utilitatis“ als „Jus utendi“ in einem weiten Sinne gegenüberstellt. 265 Glück, Pandecten IX, § 633 (S. 206 f.). 266 Vgl. Erdmann, AcP 94 (1903), 284, 288 ff. 267 Leyser, Meditationes II, Spec. CVI, § I: „Usufructuarius, cui simul libera dispositio relicta est, jus tamen alienandi non habet“. 268 Leyser, Meditationes II, Spec. CVI, § I: „Alienatio quippe cum natura ususfructus quodammodo pugnat, atque adeo ipsa ususfructus vox prohibitionem alienationis in se continet“.

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Nießbrauch dem Usufruktuar das unbeschränkte Gebrauchs- und Nutzungsrecht. Rechtsgeschäftliche Verfügungen über die Sache stehen allein dem Eigentümer zu; dessen ius abutendi bzw. disponendi bezeichnet aber auch Veränderungen der Sachsubstanz und korrespondiert insoweit mit dem Verbot von Substanzeingriffen durch den Nießbraucher.269 Allerdings folgt daraus nicht, daß alle Änderungen der Sache als Verstoß gegen das Gebot des „salva rerum substantia“ gelten, denn als verletzt gilt die Sachsubstanz erst bei Verbrauch oder Umwandlung in eine andere Art (species).270 Keinen Substanzeingriff stellen mithin solche Veränderungen dar, bei denen die Sache dieselbe bleibt. Das im 19. Jahrhundert unter dem Aspekt einer Dispositionsbefugnis erörterte Recht des Nießbrauchers zur Ausbeutung von Bodenschätzen271 gehört im usus modernus nicht hierher, weil sich dieses nur nach der Fruchteigenschaft der Mineralien richten soll. d) Zur Zulässigkeit von Verbesserungen der Sache Umstritten ist, ob dem Nießbraucher auch solche Veränderungen verboten sind, die eine Sache verbessern. Die Juristen des usus modernus tendieren mit differierender Begründung zu einer großzügigen Zulassung solcher Meliorationen.272 Während Stryk unter Bezug auf die Gerichtspraxis dem Nießbraucher gegen eine Klage des Eigentümers wegen der Veränderungen die Einrede fehlenden Interesses („exceptio, tuas non interest“) zugesteht273, stützt Glück die Zulässigkeit von Meliorationen auf Dig. 7.1.13.5.274 Die systematisch fragwürdige Vorgehensweise, einen Ausnahmefall275 ohne Bezugnahme auf die allgemeine Regel (Dig. 7.1.8) und de269

Stryk, Usus modernus, Lib. VII, Tit. I, § III. Besold, Delibata I, p. 570: „salva rerum substantia: Eoque removetur consumptio & transformatio in aliam speciam. Inest namque fructui usus, cui contrarius abusus“; Glück, Pandecten IX, § 635 (S. 233 f.). 271 Dazu ausführlich Keil, AcP 35 (1852), 358 ff. 272 Z. B. Stryk, Usus modernus, Lib. VII, Tit. I, § VI: „Ususfructuarius meliorem rem reddere potest“; G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XXII; Brunnemann, Pandecten, Lib. VII, Tit. I, ad L. 8 no. 1. 273 Stryk, Usus modernus, Lib. VII, Tit. I, § VI. 274 Pandecten IX, § 635 Fn 75. 275 Dig. 7.1.13.5 in fin.: „Si quidem ei permittitur meliorare proprietatem“. – Das bezieht sich darauf, daß dem Nießbraucher an einem landwirtschaftlichen Grundstück auch die Anlage von Steinbrüchen etc. gestattet sein soll, so lange die landwirtschaftliche Nutzung nicht beeinträchtigt wird. Diese Einschränkung wird für den Fall, daß durch die neuen Anlagen ein höherer Ertrag erzielt werden kann, in Frage gestellt, „wenn ihm doch eine Verbesserung des Eigentums gestattet ist“. Daß dies aber nur bei einem Nießbrauch an wirtschaftlich genutzten Sachen gelten soll, ergibt sich bereits aus Dig. 7.1.13.4, worin verboten wird, einen Lustgarten in einen Gemüsegarten umzuwandeln. 270

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ren Bestätigung für andere Spezialfälle276 extensiv anzuwenden, entspricht einer im usus modernus immer wieder anzutreffenden Tendenz, ein für wünschenswert erachtetes Ergebnis auf irgendeine Quellenstelle zu stützen, ohne die Grundaussagen des römischen Rechts letztlich zu beachten. Heineccius untersagt dagegen wegen der Eindeutigkeit der Quellen und des Substanzerhaltungsgebots dem Nießbraucher alle Meliorationen277, sieht aber als Veränderungen der Sache ebenfalls nur formändernde an. Unterhalb dieser Schwelle liegende Eingriffe in die Sachsubstanz gelten damit im usus modernus überhaupt nicht als Verletzungen des „salva rerum substantia“.278 Zur Einbringung der Früchte und, wenn ihm sonst kein Nutzen bleibt, darf der Nießbraucher auch ein Bauwerk errichten.279 Dagegen verwehren die Juristen des usus modernus in Anlehnung an die römischen Quellen dem Nießbraucher regelmäßig den Neubau auf nutznießlichem Grund und auch die Fertigstellung eines begonnenen Gebäudes; jedenfalls dürfe er dafür weder Aufwendungsersatz verlangen noch das Eingebaute wegnehmen, es sei denn, es werde später wieder herausgelöst (vgl. Dig. 7.1.15 pr.).280 Größere und dauerhafte Reparaturen des nutznießlichen Gegenstandes sind Sache des Eigentümers281, so daß der Nießbraucher als Geschäftsführer ohne Auftrag Ersatz für notwendige und nützliche Verwendungen verlangen kann.282 Eine im usus modernus weniger beachtete Frage ist, wann eine Veränderung der Sachsubstanz als deren Verbesserung anzusehen ist. Der gegenüber Meliorationen äußerst restriktive Ansatzpunkt in den römischen Quellen, daß Veränderungen nur zulässig sind, wenn anderenfalls die Sache nicht genutzt werden kann, orientiert sich am Interesse des Eigentümers an der Erhaltung des status quo zur Zeit der Konstituierung des Nießbrauchs. Indem die Juristen im usus modernus nur einschneidende Eingriffe in die Sachsubstanz verbieten oder sogar alle Verbesserungen der Sache gestatten bzw. dem Eigentümer Rechtsschutz dagegen verwehren, bemißt sich für sie das Vorliegen einer Melioration nach objektiven Gesichtspunkten. Daß damit der Eigentümer Eingriffe in seine Sache dulden muß, solange sie objek276 Vgl. die Verbote, ein Privatbad der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (Dig. 7.1.13.8/7.1.14) und auf roher Wand zu tapezieren (Dig. 7.1.44). 277 Heineccius, Institutionen, § CCCCXVIII: „ut usufructuarius rem ne in formam quidem meliorem transmutare possit“; inhaltlich ebenso ders., Pandecten, P. II, § CXI, 5. 278 Besold, Delibata I, p. 570: „salva rerum substantia: Eoque removetur consumptio & transformatio in aliam speciam. Inest namque fructui usus, cui contrarius abusus“. 279 Besold, Delibata I, p. 577. 280 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XXII. 281 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XXXVIII. 282 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XXIII.

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tiv als deren Verbesserung aufzufassen sind, selbst wenn sie ihm selbst lästig sein sollten, wird erst im späten usus modernus problematisiert. So bemerkt Glück, einem Nießbraucher seien Verbesserungen der Sache grundsätzlich gestattet; doch sei „nicht schlechthin jede Melioration der Sache für erlaubt zu halten“, weil aufgrund der unterschiedlichen Bedürfnisse verschiedener Menschen eine Verbesserung aus der Sicht des Nießbrauchers (und eines objektiven Beobachters) für den Eigentümer nicht immer von Nutzen sei.283 Im Ergebnis bleibt aber auch für Glück die Beschaffenheit der Sache und die Art des bestellten Nießbrauchs entscheidend für den Umfang zulässiger Verbesserungen der Sache.284 II. Abgrenzung des Nießbrauchs zu anderen Rechtsinstituten Im usus modernus ist die inhaltliche Abgrenzung eines Nießbrauchs von anderen Berechtigungen an einer Sache von wesentlicher Bedeutung. Das folgt vor allem aus Unklarheiten in Bezug auf den Begriff „ususfructus“ wie auch auf dessen deutsche Synonyme. So ist z. B. mit einem „ususfructus“ verbunden mit dem Dispositionsrecht auch über die Sache nicht deren Nießbrauch, sondern das Eigentum daran vermacht. Und mit dem Vermächtnis eines „Gebrauchs“ soll trotz dessen Übersetzung mit „usus“ kein solcher285, sondern ein Nießbrauch gemeint sein; erst mit dem Zusatz „zu seinem täglichen Gebrauch oder Nothdurfft“ ist es als usus anzusehen.286 1. Abgrenzung zum dinglichen Gebrauchsrecht (usus) Der usus287 als dingliches Gebrauchsrecht an fremder Sache, zum Teil auch als „schlechter Gebrauch“ bezeichnet288, wird im usus modernus häufig dadurch vom Nießbrauch abgegrenzt, daß dem Usuar nur das ius utendi, einem Usufruktuar hingegen das ius utendi fruendi zustehen soll. Der usus ist folglich das Recht, eine fremde Sache unter Erhaltung von deren Substanz zu gebrauchen.289 Die manchmal vorgenomme Beschränkung auf das persönliche Bedürfnis des Usuars290 ist allerdings weit aussagekräftiger, weil darin zum Ausdruck kommt, daß sich der Umfang des Gebrauchs283

Glück, Pandecten IX, § 635 (S. 236 f.). Glück, Pandecten IX, § 635 (S. 237). 285 Vgl. G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § LV. 286 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. VIII, § II. 287 Zum Umfang eines usus im römischen Recht Bretone, S. 181, und Wesener, RE 17, Sp. 1133 ff. 288 Vgl. G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § LV. 289 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § LV: „Usus est jus utendi alienis rebus salva earum substantia“. 284

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rechts im usus modernus nicht an objektiven, sondern an subjektiven Kriterien orientiert. Das erklärt auch Lauterbachs usus-Definition als „jus rebus alienis utendi fruendi, salva illarum substantia“291, denn das erwähnte ius utendi eines Usuars beinhaltet nach allgemeiner Auffassung im usus modernus ein auf seine „Nothdurft“ beschränktes Gebrauchs- und Fruchtziehungsrecht. Das persönliche, gelegentlich präzisiert als das „tägliche“292, Bedürfnis des Berechtigten und seiner Familienangehörigen293 ist anhand von Rang und Stand des Usuars zu ermitteln294 und betrifft natürliche wie bürgerliche Früchte.295 Eine unübersteigbare Grenze bildet auch hier das Substanzerhaltungsgebot.296 Bis zu dieser unterliegt der Umfang eines usus Schwankungen durch Veränderungen der Familiengröße297 oder Standeserhöhungen.298 Im subjektiven Maßstab des Umfangs eines Gebrauchsrechts dürfte im usus modernus ein wesentlicher Grund für das Festhalten am römischrechtlichen Grundsatz „fructus sine usu non potest“ gelegen haben. Hätte man ein isoliertes Fruchtziehungsrecht zugelassen, wäre dessen Umfang nicht ohne Berücksichtigung des persönlichen Bedürfnisses des Usuars zu bestimmen gewesen. Die Abhängigkeit des Umfangs eines fructus vom davon separierten usus erklärt auch, daß einige Juristen das Vermächtnis eines fructus, vermindert um den usus als unwirksam, weil für den Legatar nutzlos, ansehen.299 Gleichwohl spricht Brunnemann, wenn einem der usus und dem anderen der ususfructus vermacht ist, dem Usuar die zu seinem Bedarf nötigen Früchte zu; die übrigen gebühren dem Fruktuar.300 Bis in den späten usus modernus bleibt diese quantitative Abgrenzung von usus und ususfructus einhellige Auffassung. Eine Veränderung zeichnet sich bei Höpfner ab, der anmerkt, man könne im fructus den eigentlichen Fruchtgenuß und im usus dann allein den Gebrauch der Sache sehen301, 290 Heineccius, Institutionen, § CCCCXXVI: „ius alienis rebus tantum ad necessitatem utendi, salva earum substantia“. 291 Vgl. Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. VIII, § I. 292 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § LV: „qua ex re aliena commodum tantum quotidianum & necessarium, salva ejus substantia quis percipit“. 293 Galvanus, De Usufructu, p. 3: „ad personalem utilitatem, non modo sui ipsius, sed & illorum, qui cum illo versantur familiaritate quadam devincti“. 294 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § LVII: „Notandum verò est, quòd usus aestimetur ex dignitate & conditione personae, cui usus concessus“; Höpfner, Commentar, § 382. 295 J. H. Böhmer, Introductio II, p. 243: „Vsuarius non tantum fructus naturales percepit, . . . sed etiam industriales pro necessitate“. 296 Heineccius, Institutionen, § CCCCXXVI. 297 J. H. Böhmer, Introductio II, p. 243: „Aucta familia vsuarii, augetur vsus“. 298 Dazu Erler, HRG IV, Sp. 1914 f. 299 Besold, Delibata I, p. 573. 300 Brunnemann, Pandecten, Lib. VII, Tit. VIII, ad L. 14 no. 2.

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selbst aber an der herkömmlichen Unterscheidung von usus und ususfructus festhält.302 In der Folge von Thibauts Schrift „Ueber die Dienstbarkeit des Usus“ (1798)303 setzt sich die qualitative Abgrenzung von usus und fructus dann derart schnell durch, daß nach den Worten Scheurls bereits um 1810 die ältere Ansicht „ausgerottet“ ist.304 Auch der usus ist eine Personalservitut.305 Daher gibt es bei verbrauchbaren Sachen keinen Unterschied zwischen usus und ususfructus.306 An diesen ist immer ein quasi ususfructus anzunehmen, so daß es einen „quasi usus“ nicht gibt.307 Abgrenzungsprobleme zum ususfructus ergeben sich dagegen bei Sachen, deren Nutzen im Gebrauch selbst liegt. Dies gilt insbesondere für die Nutzung von Räumlichkeiten. Die Abgrenzung beider Institute hat gewichtige Folgen, ist doch der usus nicht teilbar.308 Auch darf seine Ausübung Dritten nicht überlassen werden309, weil sich der Umfang des Gebrauchs am persönlichen Bedürfnis des Usuars ausrichtet, das bei einer anderen Person unterschiedlich sein kann.310 2. Abgrenzung zum dinglichen Wohnrecht (habitatio) Als von Nießbrauch und usus zu unterscheidende Personalservitut ist die habitatio im usus modernus definiert als das „Recht, fremde Wohnräume zu bewohnen und allen Nutzen aus der Wohnung zu ziehen“.311 Auch wenn die habitatio im Regelfall einem usus an der Wohnung entspricht, ist dem 301

Höpfner, Commentar, §§ 380 f. Höpfner, Commentar, § 382. 303 Einzelheiten dazu u. Teil II C § 2 III. 304 Scheurl, De Usus et Fructus discrimine Dissertationem, p. 5, zitiert Hugo mit diesen Worten. – Um 1840 erhält die überkommene Unterscheidung durch Puchta ein neues Gewand; danach liegt ein bloßer usus vor, wenn durch die Sache ein Bedürfnis des Usuars befriedigt werden soll, wohingegen der fructus, zu dem der Nießbraucher berechtigt ist, die über den usus hinausgehende Benutzung der Sache und damit auch die Ziehung der natürlichen und bürgerlichen Früchte beinhalten soll (vgl. Scheurl, a. a. O., p. 3 no. 1). 305 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § LV: „Vel est servitus personalis, qua ex re aliena commodum tantum quotidianum & necessarium, salva ejus substantia quis percipit“. 306 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. VIII, § II: „in rebus enim fungibilis usus & ususfructus non differunt“. 307 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. VIII, § III: „nec enim in verum & quasi usum dividi potest“. 308 Brunnemann, Pandecten, Lib. VII, Tit. VIII, ad L. 19 no. 1. 309 Besold, Delibata I, p. 578 s. 310 Brunnemann, Pandecten, Lib. VII, Tit. VIII, ad L. 11 no. 1. 311 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. VIII, § XI: „Altera Servitutis species . . . est Habitatio, quae est jus alienas aedes inhabitandi, & omne commodum ex habita302

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Wohnberechtigten, anders als einem bloßen Usuar, die Überlassung der Ausübung des Wohnrechts an Dritte gestattet.312 Sogar über einen „ususfructus aedium“ hinausgehend, endet die habitatio nicht durch non usus oder, weil das Wohnrecht mehr in einem Faktum als in einem Recht besteht, capitis deminutio313; diese „vertilgte zwar gesetzliche Rechte, aber da sie auf den natürlichen Zustand des Bürgers gar keine Beziehung hat, so gingen natürliche Rechte dadurch nicht verloren“.314 3. Abgrenzung zu den irregulären Personalservituten Neben den vier regulären Personalservituten des römischen Rechts kennt das gemeine Recht auch unbenannte (irreguläre) Personalservituten. Damit bezeichnet werden zugunsten einer Person bestellte Rechte mit dem Inhalt von Grunddienstbarkeiten.315 4. Abgrenzung zur Emphyteuse Diese römischrechtliche Erbpacht besteht im gemeinen Recht fort und hat gewisse Ähnlichkeiten mit dem Nießbrauch. Im Unterschied zu diesem ist die Emphyteuse aber keine Personalservitut und demgemäß vererblich und veräußerlich. Weiterhin gestattet sie dem Emphyteuta auch die Vornahme von Verbesserungen, die die Substanz des Gegenstandes verändern.316 Sie vermittelt damit dem Berechtigten mehr Rechte als dem Nießbraucher. Daher wird die Rechtsstellung des Emphyteuten im Sinne des dreigeteilten Eigentumsbegriffs317 manchmal als quasi dominium318, vor allem im späteren usus modernus aber als dominium utile319 angesehen.

tione illarum percipiendi“. – Ähnlich z. B. G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § LX; Berger, Oeconomia, Lib. II, Tit. III, § XXI, III. 312 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. VIII, § XII. 313 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § LXII; Glück, Pandecten IX, § 652 (S. 463 ff.). 314 Glück, Pandecten IX, § 652 (S. 465). 315 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § V. 316 Besold, Delibata I, p. 571: „Potest item is frui, mutata substantia, quidvis instituere & extruere; in quo sunt meliorationes“. 317 Vgl. Oldendorp, Opera 2, p. 225. 318 J. Harpprecht, Commentar II, col. 367, no. 16. 319 Stryk, Usus modernus Lib. VII, Tit. I, § IV.

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

5. Abgrenzung zur Superfizies Als Erbbaurecht ist die Superfizies im usus modernus ausgebildet. Von Justinian wurde dieses Recht nicht klar eingeordnet. Es wurde als Recht eigener Art begriffen, aber auch als Servitut oder Emphyteuse, jedenfalls aber nicht als (Voll-)Eigentum.320 Bartolus sieht darin eine Form von Nutzeigentum (dominium utile)321; dem folgt die herrschende Ansicht im usus modernus322, während andere wie bei der Emphyteuse von einem quasi dominium ausgehen. 6. Abgrenzung zum Eigentum Aufgrund der umfassenden und im Regelfall lebenslänglichen Nutzungsbefugnis betonen einige Juristen des usus modernus die Verwandtschaft von Nießbrauch und Eigentum, die enger als bei anderen Servituten sei.323 Diese Ähnlichkeit aufzuzeigen, sei – so z. B. Huber unter Bezug auf Accursius324 und Glück „nach der Erklärung der besten Ausleger“325 – auch der Sinn von Dig. 7.1.4 („usus fructus in multis casibus pars dominii est“). Als Teil des Eigentums gilt im usus modernus aber nur der ususfructus causalis326, nicht auch der echte Nießbrauch, der dem Berechtigten nicht einmal das dominium utile vermittelt. Daran ändert auch Dig. 45.1.58 nichts, wonach derjenige, der zunächst einen Teil eines Grundstücks und anschließend das ganze zu Eigentum erhalten hat, demjenigen ähnlich („similis“) ist, der zunächst nur den Nießbrauch daran und danach das Grundstück zu Eigentum bekommen hat. Das ergebe schon der Wortlaut: „ähnlich“ sei gerade nicht „gleich“.327 Obwohl Eigentum und Dienstbarkeiten im usus modernus als iura in re zusammengefaßt werden, ist doch zwischen beiden strikt zu unterscheiden. Servituten gewähren dem Berechtigten nur ein ius in re aliena. Dem Eigentümer kommt an seiner Sache auch das „ius de re abuti“328 zu, so daß er 320

Kaser, Römisches Privatrecht, § 30 II 2. Coing, ZRG (RA) 70 (1953), 348, 359 ff. 322 So z. B. Stryk, Usus modernus, Lib. VII, Tit. I, § IV. 323 Z. B. Höpfner, Commentar, § 370. 324 Huber, Praelectiones II, p. 283: „Ait einem ille [Accursius], sensum de VII. I. 4. esse, usumfructum in multibus casibus similitudinem & effectum obtinere dominii, ut ususfructuarius quandoque pro domino habeatur“. 325 Glück, Pandecten IX, § 632 (S. 165), unter Hinweis auf Cujacius, Fornerius, Vinnius, Noodt, Galvanus und de Greve. 326 Glück, Pandecten IX, § 632 (S. 163). 327 Besold, Delibata I, p. 571: „Simile autem non est idem, & vero haec similitudo consistit in eo, quia fundus dari non intelligitur, si detrahatur ususfructus“. 328 Willoweit, HistJb 74 (1974), 131, 148. 321

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die als „ius utendi et abutendi“329 zusammengefaßte Dispositions- und Nutzungsbefugnis hat, während dem Nießbraucher daran nur das „ius utendi fruendi“ zusteht.330 Entscheidend für die Eigentümerstellung ist mithin die Innehabung des „ius abutendi“, das die Befugnis zum Verbrauch der Sache wie zu einer Verfügung über dieselbe zusammenfaßt. Dieses umfassende Verfügungsrecht bildete bereits den Kern der Eigentumsdefinition von Bartolus als „ius de re corporali perfecte disponendi nisi lege prohibeatur“.331 Im usus modernus erkennt man darin allerdings noch keine absolute Befugnis über die eigene Sache im Sinne von § 903 BGB. Das ius abutendi gibt kein Recht zum Mißbrauch der Sache, sondern vermittelt dem Eigentümer nur das ausschließliche Dispositionsrecht. Der Umgang mit der Sache steht nicht im freien Belieben des Eigentümers.332 Weil daher die Nutzungsberechtigung von Eigentümer und Nießbraucher im Grundsatz die gleiche ist, gewährt ein Nießbrauchsvermächtnis verbunden mit einem freien Dispositionsrecht über die Sache das Eigentum an dieser.333 7. Abgrenzung zum Nutzpfand (Antichrese) Dem Nutzpfandgläubiger334 steht zwar ein ius fruendi, nicht aber auch das ius utendi zu. Er darf sich aus den Früchten des Pfandes befriedigen. Die Einteilung von Mynsinger, das bloße ius utendi zeichne den Usuar, das ius utendi fruendi den Usufruktuar und das bloße ius fruendi den (Nutz-) Pfandgläubiger aus335, paßt allerdings nicht zum Verhältnis des ius utendi zum ius fruendi im usus modernus als eines „weniger“ und „mehr“. 8. Abgrenzug zu Miete, Pacht und Leihe Miete, Pacht und Leihe richten sich im usus modernus nach dem Vertragstyp der römischen locatio conductio.336 Damit ist der Konsensualvertrag über den Gebrauch einer Sache oder Arbeitskraft gegen ein bestimmtes Entgelt gemeint.337 Die Sachmiete vermittelt daher den „usus rei“, die 329

Coing, Europäisches Privatrecht I, § 54 II. So z. B. Heineccius, Pandecten, P. II, § CIII. 331 Coing, ZRG (RA) 70 (1953), 348, 352 f. 332 Hecker, Eigentum als Sachherrschaft, S. 88 ff. 333 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § IX; F. C. Harpprecht, Consultationes I, p. 689 no. 190. 334 Auf Abgrenzung zu diesem weist auch Vitriarius, Institutionen, p. 224, hin. 335 Mynsinger, Apotelesma, Lib. II, Tit. IV, Definitio no. 4 u. 5. 336 Coing, Europäisches Privatrecht I, § 88 I. 337 Vgl. Lauterbach, Collegium, Lib. XIX, Tit. II, § II: „Contractum consensualem, de usu pro certa mercado concedendo & praestando“. 330

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

Möglichkeit, eine Sache kraft obligatorischer Berechtigung zu gebrauchen, nicht aber ein ius in re an der Sache.338 Deswegen beendet ein Verkauf der Mietsache das Gebrauchsrecht des Mieters.339 Als wesentlichen Unterschied zum Nießbrauch bezeichnet Calvinus daher, daß einem Pächter bzw. Mieter nicht die Sache selbst ihre Dienste schuldet.340 Allerdings kann der Eigentümer an seiner Sache auch einen Nießbrauch bloß vermieten.341 Im Unterschied zur „normalen“ Miete, die nur mit Ablauf der vereinbarten Zeit, nicht auch mit dem Tod des Mieters endet, bewirkt der Tod des Mieters wegen der Natur des Nießbrauchs als eines persönlichen Rechts das Ende einer solchen „Nießbrauchsmiete“.342 III. Rechte und Pflichten des Nießbrauchers Rechte und Pflichten des Nießbrauchers werden im usus modernus zumeist als Nutzungen und Belastungen unmittelbar aufeinander bezogen. Auch wenn ein Nießbrauch vorrangig zum Nutzen des Usufruktuars konstituiert werde, entspreche es natürlicher Vernunft, daß ihn auch die Lasten treffen.343 Daher erfaßt das „Jus usufructuarii“ im objektiven Sinn Nutzen wie Lasten der Sache.344 1. Rechte des Nießbrauchers Der Nutzen des Nießbrauchers ist ein dreifacher und umfaßt den Besitz an der Sache, die zur Ausübung des Nießbrauchs nötigen Hilfsmittel und die Möglichkeit zur Fruchtziehung.345 Nicht eigens angesprochen wird im 338 Lauterbach, Collegium, Lib. XIX, Tit. II, § XVII: „In locatione rerum sive fruendi, ex parte locationis Usus rei, i. e. facultas re utendi jure obligationis debita, non verò res ipsa, sive ejus dominium, sive servitus, aut aliud jus in re in hunc contractum deducitur & promittitur“. 339 Vgl. Glück, Pandecten IX, § 620 (S. 5 f.); Coing, Europäisches Privatrecht I, § 88 III 2. 340 Calvinus, Lexicon, p. 962: „Verum inter illos & hunc ea differentia est, quod neque ager colono, neque equus commodatorio servitutem debet, fructuario vero debet“. 341 Lauterbach, Collegium, Lib. XIX, Tit. II, § XIX. 342 Brunnemann, Codex, Lib. III, Tit. XXXIII, L. 10 no. 1 ss. 343 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XXVIII: „Effectus consistit in commodis & incommodis, sive oneribus usufructuarii; Pricipaliter quidem ad commodum usufructuarii constituitur ususfructus, per consequens tamen ipsum etiam sequuntur nonnulla incommoda, vi illius regulae, in naturali ratione fundatae: Secundum naturam est, commoda cujuscunque rei sequi eum, quem sequuntur incommoda. l. 10 ff. de R. I.“. 344 So G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XV. 345 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XXIX.

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usus modernus zumeist das Gebrauchsrecht346, doch ist das eine Konsequenz der erwähnten quantitativen Unterscheidung von „usus“ und „fructus“ als beschränktes und unbeschränktes Nutznießungsrecht. a) Das Besitzrecht des Nießbrauchers Dem Nießbraucher gebührt der (Fremd-)Besitz an der nutznießlichen Sache. Wie im römischen Recht347 gilt er mangels Eigenbesitzwillens auch im usus modernus häufig als bloßer Detentor.348 Die im nachklassischen Recht ausgebildeten Institute einer possessio naturalis an der Sache349 und einer possessio iuris bzw. quasi possessio (civilis) an der Dienstbarkeit350 sind aber gemeinrechtlich rezipiert351, so daß z. B. Lauterbach als Besitzpositionen des Nießbrauchers possessio naturalis im Sinne tatsächlicher Sachherrschaft, ohne die eine Fruchtziehung nicht möglich sei, und quasi possessio civilis unterscheidet.352 Ähnlich spricht Galvanus dem Nießbraucher den „Besitz an der nutznießlichen Sache im weiten Sinne“ zu353, der einer detentio entspreche354; nur in Bezug auf den Nießbrauch komme dem Usufruktuar possessio naturalis355, nicht hingegen (quasi) possessio civilis zu.356 Aber auch diejenigen, die den Nießbraucher weiter als bloßen Detentor der Sache ansehen, weil die possessio naturalis nur den unberechtigten Eigenbesitz bezeichne, der Nießbraucher aber für den Eigentümer be346 Ogris, HRG III, Sp. 1005, 1007, begründet dieses „Recht zum Gebrauch der Sache“ mit dem Grundsatz „fructus sine usu esse non potest“. 347 Vgl. zum römischen Besitzrecht Dedek, ZEuP 1997, 342, 343 ff. 348 Besold, Delibata I, p. 575 s. 349 Kaser, Das Römische Privatrecht II, S. 252 f. 350 Kaser, Das Römische Privatrecht II, S. 255 f. 351 Vgl. Coing, Europäisches Privatrecht I, §§ 52 I, 69. 352 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XXIX: „Et quidem I. Usufructu legitimè constituto, & quasi possessione in usufructuarium translata, possidet ipse rem usufructuariam naturaliter, alias re illa uti & fructus percipere non posset; Illa autem possessio naturalis dicitur in l. 12. §. 1. l.49. pr. ff. de acq. vel amitt. poss. Et talis de Jure est, cùm quis rem possidet propter jus in re. Civilis, cùm quis rem animo domini, seu tanquam suam, possidet; . . . Hic autem confundenda non sunt possessio rei usufructuariae, & Juris, quod usufructuarius ille in re habet; Rem ipsam corporalem usufructuarius possidet verè & naturaliter, jus autem ipsum quasi possidet; sed civiliter, animo scilic.Domini, tanquam jus suum proprium“. 353 Galvanus, De Usufructu, p. 502: „Fructuarius non stricte, sed late possidet rem fructuariam“. 354 Galvanus, De Usufructu, p. 502: „Possessio est detentio rei“. 355 Galvanus, De Usufructu, p. 505 s.: „Ulpianus quoque . . . scribit naturaliter videtur possidere is, qui usumfructum habet. loquens non de refructuaria, sed de usufructu, quem solum designat sibi: Qui usumfructum habet“. 356 Galvanus, De Usufructu, p. 508: „Tertia sequitur conclusio, quod fructuarius usumfructum possidet non civiliter, sed naturaliter“.

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

sitze357, verbinden diese mit dem Besitzschutz des römischen Rechts für die quasi possessio civilis an der Dienstbarkeit.358 Der Unterschied zwischen beiden Positionen ist letztlich ein begrifflicher, denn auch Lauterbach will dem Nießbraucher nicht die Ersitzung der nutznießlichen Sache zugestehen, weil dafür possessio civilis erforderlich sei.359 Allgemein lassen sich im usus modernus zwei wesentliche Aspekte erkennen. Während die Gewährung irgendeiner Art von Besitz auch dem Nießbraucher possessorischen Rechtsschutz vermittelt, steht die Verneinung einer possessio civilis an der Sache einer Ersitzung des Eigentums durch den Nießbraucher entgegen. Für den Fall, daß mit Vererbung des Nießbrauchs (dazu u. IV 2 a) beim Erben Eigenbesitz nicht ausgeschlossen werden kann, erreicht Brunnemann dieses Ergebnis unter Rekurs auf einen in jedem Fall fehlenden iustus titulus.360 b) Übertragung des Nießbrauchs an Dritte Unzulässig ist im usus modernus die Übertragung des Nießbrauchs auf einen Dritten, doch darf die Ausübung desselben entgeltlich oder unentgeltlich überlassen werden (vgl. Dig. 7.1.12.2).361 Abzugrenzen ist diese Ausübungsüberlassung aber von einer Vermietung des nutznießlichen Gegenstandes, bei welcher die Früchte dem Nießbraucher verbleiben. Vor allem wenn für die Nutzungsüberlassung ein einmaliges Entgelt vereinbart ist, nimmt die Praxis an, daß der Besitzer den „fructus“ gekauft und nicht bloß das Grundstück gemietet hat.362 2. Pflichten des Nießbrauchers Die Lasten eines Nießbrauchers unterteilt Lauterbach in mit dem Erwerb verbundene, wie die Sicherheitsleistung, und diesem folgende.363 Teilweise werden sogar die Grenzen des Nutzungsrechts als Last des Nießbrauchers 357 Besold, Delibata I, p. 576: „Fructuarius non sibi, sed domino possidet. Naturalis autem seu injusta possessio, h. e. jure civili non approbata, talis est cùm quis sibi & dominii contemplatione, sed tamen illegitimè detinet rem, à qua nuda detentio, ut genus à specie, differt“. 358 Besold, Delibata I, p. 575: „Fructuarius non possidet civiliter fundum, sed quasi possidet civiliter, ipsum usumfructum, seu jus utendi fruendi“. 359 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XXIX: „necesse igitur est, ut possessio illa civilis sit, utpote quae ad usucapionem requiritur“. 360 Brunnemann, Codex, Lib. III, Tit. XXXIII, ad L. 9 no. 3. 361 Vgl. Besold, Delibata I, p. 578. 362 Mevius, Decisiones, VII 221. 363 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XXXVII.

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in einem weiteren Sinne verstanden; so bezeichnet Struve das Veräußerungsverbot als „Onus non alienandi“ des Usufruktuars.364 a) Haftungsmaßstab des Nießbrauchers Während des Nießbrauchs muß der Usufruktuar mit der nutznießlichen Sache sorgfältig umgehen, sie bewachen und Schaden von ihr abwenden365 sowie alle auf der Sache ruhenden Lasten tragen.366 Die custodia-Haftung wird dabei zumeist als bereits aus dem Nießbrauchsverhältnis fließende Pflicht aufgefaßt367; Glück sieht in ihr unter Bezug auf die römischen Quellen (vgl. Dig. 7.9.2)368 erst eine Folge der Kaution, so daß bei deren Fehlen der Nießbraucher nur für schädliches Verhalten nach der lex Aquilia bzw. dem Interdikt quod vi aut clam, nicht aber auch für schädliches Untätigbleiben einzustehen hat.369 Vor allem darf er die Sache nur in den Grenzen billigen Ermessens („arbitrio boni viri“) wie ein sorgfältiger paterfamilias benutzen.370 Aber auch wenn ein Nießbraucher zur Abwendung allen Schadens verpflichtet ist, schuldet er dabei doch nur die Einhaltung durchschnittlicher Sorgfalt371 und haftet mithin erst für culpa levis372; damit beschränkt sich die custodia-Haftung im usus modernus auf schuldhafte Pflichtverletzungen. b) Ersatz- und Reparaturpflicht Darüber hinaus kann aus der Pflicht zur Substanzerhaltung eine solche zum Ersatz bzw. zur Reparatur einzelner Teile des Gegenstandes erwachsen. Das richtet sich entscheidend nach dem Gegenstand. Zu mittleren Aufwendungen zum Erhalt der Sache ist der Nießbraucher verpflichtet; für 364

G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XI. Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XXXVIII; G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XXIII. 366 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XXXIX; G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XXIV. 367 So z. B. Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XXXVIII; G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XXIII. 368 Zum römischen Recht Stiegler, S. 471 ff. m. w. N. 369 Glück, Pandecten IX, § 654 (S. 481). 370 J. Harpprecht, Commentar II, col. 367, no. 20; Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XXXVIII; Voet, Commentar II, Lib. VII, Tit. I, no. 41. 371 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XXIII: „Damna avertendo; . . . Unde intelligenda vox omnis d. l. I. ratione harum varii generis curarum, non dem omni gradu diligentiae: cùm aequitas & natura hujus juris in re ultrà diligentiae mediocris, huicque oppositae culpae levis praestationem, nihil amplius exigere videatur“. 372 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XXXVIII. 365

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große und für das Eigentum auf Dauer notwendige oder nützliche Verwendungen billigt ihm Struve als Geschäftsführer ohne Auftrag einen Ersatzanspruch gegen den Eigentümer zu.373 Bei einer Herde muß der Nießbraucher Jungtiere insoweit der Herde einreihen, als diese durch Abgänge verkleinert ist (Dig. 7.1.68.2); für abgestorbene Bäume muß er neue pflanzen.374 Polizeiordnungen gebieten in der frühen Neuzeit häufig dem Hauseigentümer aus Gründen des Gemeinwohls den Erhalt seines Gebäudes in „Bau und Besserung“375; diese Pflicht überbürden zahlreiche Partikularrechte als auf jeder Sache ruhende Last dem Nießbraucher.376 c) Herausgabepflicht nach dem Ende des Nießbrauchs Die Pflicht zur Herausgabe der Sache bei Ende des Nießbrauchs findet regelmäßig nur im Zusammenhang mit der Kautionspflicht Erwähnung, die auch der Absicherung der Restitutionspflicht dient.377 d) Kautionspflicht Zur Absicherung der Restitutionspflicht und der Pflicht zum ordnungsgemäßen Umgang mit der Sache muß der Nießbraucher Sicherheit leisten (vgl. Dig 7.9.1).378 Als ordentliche Sicherungsmittel sind im usus modernus Bürgschaft und Pfand gebräuchlich.379 Umstritten ist, ob wegen des Wortes „satisdatio“ in den Quellen (vgl. Dig. 7.1.13 pr.) ein Nießbraucher im Regelfall Sicherheit durch Bürgenstellung leisten muß, was im späten usus modernus vertreten wird380, während z. B. Besold und Lauterbach aufgrund entsprechenden Gebrauchs ein Pfand als gleichwertig ansehen381; bei einem quasi ususfructus hält Stryk wegen der allein sicherzustellenden Rückgewahr einer Quantität sogar eine Pfandbestellung für vorzugswürdig.382 Jedenfalls kann der Richter bei fehlender Möglichkeit zur Bürgenstellung oder wegen der Größe und Beschaffenheit des nutznießlichen Gegenstandes 373

G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XXIII. Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XXXVIII; G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XXIII. 375 Schmelzeisen, S. 232, 254. – Zum römischen Recht vgl. Simshäuser, S. 356 ff. 376 Zu Einzelheiten vgl. u. Teil 1 C. 377 Vgl. Glück, Pandecten IX, § 653 (S. 471 f.). 378 Wesenbeck, Consilia II, col. 401 no. 9. 379 Brunnemann, Codex, Lib. III, Tit. XXXIII, ad L. 1 no. 2; Berger, Oeconomia, Lib. II, Tit. III, § XIX no. 8. 380 Hofacker, Principia II, § 1138; Glück, Pandecten IX, § 657 (S. 491). 381 Besold, Delibata I, p. 585; Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. IX, § X. 382 Stryk, Usus modernus, Lib. VII, Tit. IX, § II. 374

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neben dem Pfand auch einen Eid des Nießbrauchers als Sicherungsmittel383 zulassen oder Sequestration der Sache anordnen.384 Unter Lebenden kann der Eigentümer nach ganz herrschender Ansicht im usus modernus auf eine Kaution verzichten; dagegen wird allerdings eingewandt, ein solcher Verzicht sei gesetzeswidrig, weil er zum Mißbrauch der Sache verleite, bzw. er widerspreche der Natur eines Nießbrauchsverhältnisses.385 Ein Verzicht wird nicht vermutet, so daß auch nach Übergabe der Sache noch die Kaution verlangt werden kann, und erstreckt sich nicht auf den Fall einer Gefahr von Verschwendung.386 Cod. 3.33.1 verbietet dem Erblasser, dem mit einem Nießbrauch bedachten Legatar die Pflicht zur Sicherheitsleistung zu erlassen. Trotz einiger Stimmen, die eine Befreiung von der Kautionspflicht durch den Testator gelten lassen wollen, hält die herrschende Meinung im usus modernus unter Berufung auf die Eindeutigkeit der Quellenlage an ihrer Unwirksamkeit fest387, doch kann der Erbe dem Nießbraucher die Sicherheitsleistung erlassen.388 Stryk weist daraufhin, daß es in der Praxis für zulässig gelte, wenn der Erblasser dem Erben bei Strafe verbiete, die Kaution einzutreiben; und im übrigen könne der Erblasser schließlich auch das Eigentum vermachen, ohne daß dadurch die Erbenstellung beeinträchtigt sei.389 Struve hält dagegen bei einem echten Nießbrauch eine testamentarische Befreiung von der Kautionspflicht für möglich, weil hier – anders als bei einem quasi ususfructus – der Erbe als Eigentümer durch eine dingliche Klage geschützt sei390; letztlich setzt dies aber voraus, daß ein Fehlverhalten des Nießbrauchers den Nießbrauch und damit das Besitzrecht enden läßt, was im usus modernus nicht unumstritten ist (dazu u. VI 2 f). Berger hält eine testamentarische Befreiung von dem Teil der Kaution, der die Restitutionspflicht sichert, für zulässig391, während Galvanus eine Befreiung 383 Vgl. Zedler, Universallexicon, 24. Bd., Sp. 858: „Er muß aber alsdenn ausdrücklich diese drey Stücke beschwören, 1) daß er weder Bürgen, noch Pfand, finden können; 2) daß er die Sache als ein ehrlicher Mann nutzen und gebrauchen wolle, nemlich bey dem wahren Nießbrauch; 3) daß er nach geendigter Frucht-Niessung die Sache wieder an deren Eigenthümer ausantworten wolle“. 384 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. IX, § X; Hofacker, Principia II, § 1138; Glück, Pandecten IX, § 657 (S. 492). – Vgl. auch Stryk, Usus modernus, Lib. VII, Tit. IX, § III. 385 Vgl. zu diesen Argumenten Glück, Pandecten IX, § 654 (S. 478 ff.), der aber selbst einen vertraglichen Verzicht unter Lebenden für zulässig erachtet. 386 Glück, Pandecten IX, § 655 (S. 485 ff.). 387 Z. B. Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XXXVII; Brunnemann, Codex, Lib. III, Tit. XXXIII, ad. L. 1 no. 5 s.; Hopp, Examen, Lib. II, Tit. IV, 10; Glück, Pandecten IX, § 654 (S. 476 ff.). 388 Brunnemann, Pandecten, Lib. VII, Tit. IX, ad L. 1 no. 5. 389 Stryk, Usus modernus, Lib. VII, Tit. IX, § IV. 390 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § LXX. 391 Berger, Oeconomia, Lib. II, Tit. III, § XIX no. 8 a. E.

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

von der Kautionspflicht zwar ablehnt, doch dem Testator anzuordnen gestattet, daß der Erbe die Kaution nicht verlangen darf.392 Nach gemeinem Recht von der Kautionspflicht befreit sind der Vater, nicht dagegen die Mutter, in Bezug auf einen Nießbrauch an den Kindesgütern393, der Fiskus, die Witwe am Dotalgut, ein mit einem aufschiebend befristeten Eigentumsvermächtnis bedachter Nießbraucher, weil er mit Sicherheit einmal das Eigentum erlangt394, der Ehemann am Frauengut395 und schließlich – von der Rechtspraxis über die Quellen hinaus dazugenommen – der unter Nießbrauchsvorbehalt Schenkende.396 e) Inventarisierungspflicht Eine Inventarisierungspflicht ist in den Quellen nicht enthalten, wird aber im usus modernus teilweise auch ohne dahingehendes Verlangen des Eigentümers angenommen.397 Weil nur ein Inventar die Basis für eine Kaution darstelle, sei dem Erblasser sogar verwehrt, seine Witwe von dieser Pflicht zu befreien, doch genüge eine bloße Anzeige der Güter.398 Glück nimmt eine Pflicht zur Errichtung eines beglaubigten Inventars auf Verlangen des Eigentümers an.399 f) Lastentragungspflicht Der Nießbraucher muß alle ordentlichen und außerordentlichen auf der Sache ruhenden Lasten tragen; soweit diese die Summe der Früchte übersteigen, kann er aber vom Eigentümer Ersatz verlangen.400 Dahinter steht der Gedanke, daß die übersteigenden Lasten auch vom Eigentümer aus der Substanz (und nicht aus den Früchten) getragen werden müßten, mithin am Eigentum hängen. Unklar bleibt zumeist, auf welchen Nutzungszeitraum es für die Berechnung der Früchte ankommen soll; Leyser und Hellfeld präzi392

Galvanus, De Usufructu, p. 222. Glück, Pandecten IX, § 654 (S. 484). 394 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § LXXI. – Einschränkend Glück, Pandecten IX, § 654 (S. 483): „Dies ist nur wahr, wenn er die gewisse Hoffnung hat. Dann leistet er freylich keine Caution, weil er schon sogut, als Proprietar zu betrachten ist“. 395 Berger, Oeconomia, Lib. II, Tit. III, § XIX no. 8. 396 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § LXXI; Glück, Pandecten IX, § 654 (S. 484 f.). 397 Zedler, Universallexicon, 24. Bd., Sp. 858. 398 Carpzov, Jurisprudentia, P. III, Const. XIII, Def. XIV no. 2–4. 399 Glück, Pandecten IX, § 658 (S. 496). 400 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XXXIX; G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XXIV. 393

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sieren diesen zu Ungunsten des Nießbrauchers auf die Gesamtdauer des Nutzungsrechts.401 Höpfner hält den Nießbraucher auch zur Tragung der überschießenden Lasten für verpflichtet; er könne sich davon nur durch Aufgabe des Nießbrauchs befreien.402 Eine Pflicht des usufructuarius omnium bonorum (auch) zur Erfüllung der Legate und zur Tragung der persönlichen Schulden des Erblassers wird im usus modernus regelmäßig verneint403, weil selbst ein Nießbrauch am gesamten Vermögen den Nießbraucher nicht zum Universalsukzessor des Erblassers macht404, doch beschränkt sich das nutznießliche Vermögen auf die nach Tilgung aller Verbindlichkeiten übrigen Gegenstände.405 Leyser dagegen hält den Nießbraucher zur Tilgung der Schulden für verpflichtet, weil dem Eigentümer kein Nutzen aus dem Vermögen zufließen kann, doch sei die Haftung auf die Erbmasse beschränkt.406 Obwohl nicht Eigentümer ist der Nießbraucher des Vermögens schließlich auch eine „angeordnete Vermögend-Steuer zu entrichten, oder dieses, daß der Proprietarius von denen vorhandenen Güthern, so viel, als zu Abführung angeregter Steuer erfordert wird, veräussern, und dadurch den . . . usumfructum vermindern möge, geschehen zu lassen schuldig“.407 IV. Rechte und Pflichten des Eigentümers Mit den Rechten des Nießbrauchers ist eine Duldungspflicht des Eigentümers verbunden. Doch verbleibt ihm das aus dem Eigentum fließende ius abutendi, so daß er jedenfalls solche Verfügungen über die Sache treffen kann, die den Nießbrauch nicht beeinträchtigen.408 Andere Dienstbarkeiten kann er daher der Sache auferlegen, wenn dadurch die Bedingungen für den Nießbraucher nicht verschlechtert werden. Unter Berufung auf den allgemeinen Grundsatz „volenti non fit iniuria“ erweitert dies Struve entgegen Dig 7.1.15.7 a. E.409 auf den Fall eines Einverständnisses des Betroffenen.410 Glück hält wegen des eindeutigen Wortlauts zwar die Übertragung 401

Leyser, Meditationes II, Spec. CVI, § III; Hellfeld, Iurisprudentia I, § 848. Höpfner, Commentar, § 375. 403 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XXXIX. 404 F. C. Harpprecht, Consultationes I, p. 742 no. 321. – Vgl. auch Gaill, Lib. II, Obs. CXLVI, no. 6. 405 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XXIV; Brunnemann, Pandecten, Lib. VII, Tit. I, ad L. 29 no. 4. 406 Leyser, Meditationes II, Spec. CVI, § II: „Usufructuarius omnium bonorum solvit aes alienum ex massa bonorum“. 407 Berger, Oeconomia, Lib. II, Tit. III, § XIX, no. 7 a. E. 408 Vgl. Brunnemann, Codex, Lib. III, Tit. XXXIII, ad L. 2 no. 1–4. 409 Dazu vgl. Wesener, RE 17, Sp. 1137, 1158. 402

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

der Ausübung einer Dienstbarkeit für die Dauer des Nießbrauchs für zulässig, nicht aber die Einräumung einer Servitut.411 Einen anderen Nießbrauch konstituieren kann der Eigentümer nur aufschiebend bedingt durch den Rückfall des Nutzungsrechts (vgl. Dig. 7.1.63).412 V. Entstehungsgründe eines Nießbrauchs Gemeinrechtlich sind verschiedene Entstehungsgründe anerkannt.413 Der Erwerb eines Nießbrauchs ist mit Ausnahme des Anwachsungsrechts (vgl. Dig. 7.2) stets ein originärer, weil dieser als persönliches Recht nicht einem anderen übertragen werden kann.414 1. Systematisierungsansätze Im usus modernus als Entstehungsgründe anerkannt sind in Anlehnung an das römische Recht Vertrag, Vermächtnis, Richterspruch, Gesetz, Anwachsungsrecht und Ersitzung bzw. (erwerbende) Verjährung. Einen gutgläubigen Nießbrauchserwerb vom Nichtberechtigten kennt das gemeine Recht ebensowenig wie beim Eigentum.415 Die Juristen des usus modernus bemühen sich um eine Systematisierung insbesondere der ersten vier Erwerbsgründe. In einem ersten Schritt werden dabei häufig Vertrag und Vermächtnis als vom Eigentümer vorgenommene Nießbrauchsbegründungen den beiden anderen gegenübergestellt.416 Perez ergänzt als vierte Erwerbsart „per consuetudinem“, womit er den gewohnheitsrechtlich anerkannten Nießbrauch des überlebenden Ehegatten an den ehelichen Gemeinschaftsgütern bezeichnet417, der im usus modernus wegen seinen Regelungen in den Partikularrechten regelmäßig dem gesetzlichen Nießbrauch zugeordnet ist. Als eigenständige Erwerbsform gilt zum Teil auch die Ersitzung418, die z. B. von Lauterbach dagegen als stillschweigende Willenserklärung des Eigentümers angesehen wird.419 410

G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XXI. Glück, Pandecten IX, § 625 (S. 60, zum Streitstand ausführlich S. 46 ff.). 412 Glück, Pandecten IX, § 632 (S. 194 ff.). 413 Voet, Commentar II, Lib. VII, Tit. I, no. 6. 414 Glück, Pandecten IX, § 624 (S. 38). 415 Dazu Hinz, ZEuP 1995, 398, 409 ff., und ders., Die Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs. 416 So z. B. Galvanus, De Usufructu, p. 50. 417 Perez, Digesten, p. 141: „nam passim conjux superster retinet usumfructum in bonis conjugis sui praedefuncti“. 418 Z. B. Vitriarius, Institutionen, p. 225; Höpfner, Commentar, § 376. 419 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XIX. 411

B. Der Nießbrauch im gemeinen Recht

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Verbreitet ist eine Zweiteilung der Erwerbsgründe, wobei allerdings zwei unterschiedliche Abgrenzungskriterien herangezogen werden. Einige Juristen fassen als durch tatsächliche Verfügung erworbenen Nießbrauch denjenigen aufgrund Vertrages, Vermächtnisses oder Richterspruchs zusammen, dem sie den Nießbrauch kraft Gesetzes gegenüberstellen.420 Andere teilen dagegen die Erwerbsgründe in mit und ohne Willen des Eigentümers stattfindende ein421; der „ususfructus conventionalis“ umfaßt Vertrag und letztwillige Verfügung, der „ususfructus legalis“ die übrigen Erwerbsgründe. Beide Modelle unterscheiden sich vor allem bei der Zuordnung des richterlich konstituierten Nießbrauchs, doch relativiert sich dieser Unterschied oftmals in einem zweiten Schritt: So unterteilt z. B. Donellus den von Menschenhand begründeten Nießbrauch weiter in einen von einer Privatperson und einen vom Richter422, während z. B. Struve beim Nießbrauch aufgrund Gesetzes eine Entstehung durch richterlichen Gesetzesvollzug von derjenigen „ipso iure“ unterscheidet.423 Wenngleich damit beide Systeme letztlich zur gleichen Dreiteilung der Erwerbsgründe – Vertrag und Vermächtnis, Gesetz, Richterspruch – gelangen, sind doch die Zwischenschritte bemerkenswert. Die rein formale Anküpfung an die den Nießbrauch begründende Instanz grenzt wesentlich eine gewillkürte von einer automatischen Entstehung ab; die Trennung von ususfructus conventionalis und legalis betont stärker die Willensmacht des Eigentümers, der wie das Gesetz (und in dessen Vollzug der Richter) einen Nießbrauch begründen kann.424 2. Allgemeine Voraussetzungen der Entstehung eines Nießbrauchs Im Zusammenhang mit den Erwerbsgründen eines Nießbrauchs wird im usus modernus häufig erörtert, welche weiteren Voraussetzungen für die Entstehung des ius in re beim Nießbraucher notwendig sind. Bei kraft Gesetzes entstehenden Nießbrauchsrechten spielt dies keine Rolle, weil hier 420

Donellus, Opera III, Cap. III, § I (col. 21): „Constituitur aliunde partim lege, partim alieno facto atque opera. Ut fit constitutus ususfructus duplex: legitimus, & alieno facto quaesitus“; Stryk, Usus modernus, Lib. VII, Tit. I, § VIII; Hopp, Examen, Lib. II, Tit. IV, 5. 421 Z. B. Vitriarius, Institutionen, p. 225; G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § V; J. H. Böhmer, Introductio II, p. 234 s.; Glück, Pandecten IX, § 624 (S. 38). 422 Donellus, Opera III, Cap. III, § VII (col. 24); „aut constituatur a privatis extra iudiciis caussam aut a iudice in iudicio . . . atque ita fiat constitutio duplex, privata, & iudicialis“. 423 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § V: „Ususfructus verò aut ex singulari dispositione legis alicui defertur, & quidem vel ipso jure, vel officio Judicis: Aut à domino rei voluntarie alteri conceditur“. 424 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XX, unterstreicht dies noch, indem er das Gesetz als Willensäußerung des Gesetzgebers den Erklärungen von Richter und Eigentümer gegenüberstellt.

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

bereits mit Vorliegen des gesetzlichen Tatbestandes der Nießbrauch entsteht. Beim Nießbrauch aufgrund menschlicher Willensentscheidung ist zu unterschieden: Zunächst bedarf es einer Vereinbarung, den Nießbrauch einzurichten.425 Dafür genügt im usus modernus ein schlichter Vertrag (pactum nudum), eine auf Errichtung des Nießbrauchs gerichtete Willensdeklaration, die sich de facto auch in einer Trennung des Nießbrauchs vom Eigentum äußern kann. Aufgrund dieser Vereinbarung kann der Berechtigte den Gegenstand seiner Dienstbarkeit kondizieren426, doch bewirkt das schlichte Versprechen eines Nießbrauchs noch nicht dessen Entstehung.427 Dazu ist unter Lebenden zusätzlich eine quasi traditio der Sache erforderlich.428 Für das Nießbrauchsvermächtnis bewirkt die Figur des Vindikationslegats, daß die Separation automatisch mit dem Erbfall eintritt.429 3. Die einzelnen Entstehungsgründe Zuerst genannt wird zumeist die Entstehung eines Nießbrauchs durch Vertrag, obwohl diese Form in der Praxis nicht besonders häufig vorkommt.430 Vor allem Juristen, die für einen quasi ususfructus die Möglichkeit vertraglichen Erwerbs verneinen, setzen daher den letztwillig begründeten Nießbrauch vor den vertraglich entstandenen.431 a) Vertrag Zum vertraglichen Nießbrauchserwerb ist pactum oder stipulatio notwendig, wobei jede Art von Kontrakt, ob benannt oder unbenannt, ausreicht, sofern das Versprechen des Eigentümers nicht frei widerruflich ist.432 Dar425 Schilter, Praxis, Lib. VII, Tit. I, § XXIII: „Primum est pactum promissumve de constituenda servitute“. 426 Schilter, Praxis, Lib. VII, Tit. I, § XXIII: „Adde quod hodie etiam ex nudo pacto poterit condicere“. 427 J. H. Böhmer, Introductio II, p. 234 s.: „Hoc casu [gemeint: inter vivos] sola promissio vsufructu constituendo non sufficit, sed vera vel quasi traditio accedere debet“. 428 J. H. Böhmer, Introductio II, p. 235. 429 Demgemäß beschränkt J. H. Böhmer, Introductio II, p. 234 s., das Erfordernis einer traditio bzw. quasi traditio auf den Fall einer Nießbrauchsvereinbarung inter vivos. 430 Praxisnäher daher die Formulierung von J. H. Böhmer, Introductio II, p. 234, der privat (nicht ex officio iudicis) von einem Menschen eingeräumte Nießbrauch entstehe „tam vltima voluntate, . . . quam inter vivos“. 431 So z. B. Bocer, Disputationes, p. 252: „sed etiam conventionibus, veluti pactionibus, stipulationibus, donationibus, & sic dispositionibus inter vivos“.

B. Der Nießbrauch im gemeinen Recht

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aus erwächst dem Berechtigten ein persönlich wirkendes433 ius ad rem.434 Das ius in re entsteht erst mit einer quasi traditio435, dem Dulden des Eigentümers im Bezug auf die Ausübung des Nießbrauchs durch den Berechtigten.436 Die Regeln des gemeinen Rechts über Verträge finden Anwendung, so daß ein Nießbrauch vereinbart werden kann, wenn persona, res und modus dafür zugelassen sind.437 Dem Bestellenden, im Regelfall dem Eigentümer, im usus modernus auch dem Nutzeigentümer438, muß das Recht zukommen, einen Nießbrauch zu bestellen, der Gegenstand muß dafür geeignet439 und die Art der Vereinbarung zulässig sein.440 Als Unterfall einer vertraglichen Nießbrauchsbegründung gilt die Übertragung des Eigentums unter Nießbrauchsvorbehalt.441 Daß mit Weggabe des Eigentums letztlich der Eigentümer entgegen dem Grundsatz „res nemini sua servit“ sich selbst einen Nießbrauch konstituiert, wird als Ausnahme von dieser Regel angesehen.442 b) Vermächtnis Nießbrauchsvermächtnisse sind im usus modernus weit verbreitet. Wie im römische Recht („semel heres semper heres“)443 ist dem deutschen ius commune das Institut der Vor- und Nacherbschaft unbekannt.444 Mit einem Nießbrauchsvermächtnis kann im Regelfall ein vergleichbares Ergebnis erzielt werden.445 Daß der Nießbrauch als Vindikationslegat bereits mit dem 432

Glück, Pandecten IX, § 626 (S. 64). Heineccius, Pandecten, P. II, § CVII: „ex stipulatione tantum ius personale nascatur“. 434 Glück, Pandecten IX, § 626 (S. 65). 435 Heineccius, Pandecten, P. II, § CVII: „eam sequi debeat quasi traditio, in vsu vsufructuarii, & proprietarii patientia, consistens“. 436 Bocer, Disputationes, p. 253: „sequi traditionem vel patientiam“. 437 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § VI. 438 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § VI: „Persona concedens est Dominus . . . & ad hujus similitudinem, Praetoris tuitione etiam is, qui utilem tantum dominium habet“. 439 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § IIX: „Res habiles sunt, quae usum praebent. . . . ac utendo fruendo non absumuntur“. 440 Donellus, Opera III, Cap. III, § VIII (col. 24): „Ea tria sunt: Persona constituentis, ut sit constituendi ius habeat: Res fructuaria, ut sit quae usumfructum admittat: Constituendi modus, ut sit legitimus“. 441 Glück, Pandecten IX, § 626 (S. 70). 442 Vgl. Reiff, S. 42. 443 Kaser, Römisches Privatrecht, §§ 65 II 4, 68 II 4. 444 Vgl. Coing, Europäisches Privatrecht I, § 136 I 1. 445 Vgl. Erdmann, AcP 94 (1903), 284, 298 ff. 433

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

Erbfall dem Vermächtnisnehmer zufällt, ist im usus modernus nicht unbestritten.446 Unter Bezug auf Wesenbeck und Habnius sieht dagegen Schilter in der Entstehung „ipso iure“ nur einen Hinweis, daß der Nießbrauch dem Legatar kraft Vermächtnisrechts („legati iure“) und nicht kraft Fideikommißrechts („iure fideicommissi“) zustehe.447 Für die Auslegung von Nießbrauchsvermächtnissen haben sich im usus modernus einige Grundsätze entwickelt. So ist mit einem Vermächtnis von Nießbrauch und Dispositionsrecht über die Sache das Eigentum vermacht.448 Wird dem einen der Nießbrauch und dem anderen das Eigentum an einer Sache vermacht, führt dies nach römischem Recht zur Teilung des Nutzungsrechts (vgl. Dig. 7.2.9/7.5.6). Daran halten die Juristen des usus modernus fest, weil mit (vollem) Eigentum neben der „nuda proprietas“ auch – und somit doppelt – der „ususfructus“ vermacht ist.449 Kritik an dieser Auslegungsregel äußert Kreittmayr: Weil sie den Willen des Erblassers mißachte, sei sie „seltsam und unbegreiflich“.450 Schließlich gilt das Vermächtnis eines ususfructus omnium bonorum auf Lebenszeit der Witwe im Zweifel soweit Kinder vorhanden sind451 „nach Jure communi, non quidem Scripto, tamen consuetudinario“452 als auf ihren Unterhalt beschränktes Nutzungsrecht.453 c) Richterspruch (ex officio iudicis) Ein Nießbrauch entsteht durch den Richter im Teilungsprozeß, wenn dieser dem einen den Nießbrauch und dem anderen das bloße Eigentum zuspricht.454 Diese Variante ist als Ausnahme bei verbrauchbaren Sachen unzulässig, weil diese in Natur geteilt werden können. Ein richterlicher Nießbrauch ist sowohl bei der allgemeinen Teilungsklage von Miteigentum (actio communi dividundo) als auch bei der Erbteilungsklage (actio familiae erciscundae) möglich455, die beide im usus modernus weiterhin zur Anwendung kommen.456 446

Vgl. Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XVI. Schilter, Praxis, Lib. VII, Tit. I, § XXVII: „Neque officit, Quod Caius dicit, usumfructum legatario IPSO IURE acquisitum esse: id enim non excludit factum heredis, sed idem est, quod mox dicit, legati iure, cui opponitur, iure demum fideicommissi“. 448 G. A Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XI. 449 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XVIII. 450 Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 880. – Vgl. auch II,9 § 2 Nr. 4 CMBC. 451 Wesenbeck, Consilia I, col. 801 no. 12: „Ususfructus uxori legatus non restringitur ad alimenta, quando liberi non existunt“. 452 Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 882 f. 453 Gaill, Lib. II, Obs. CXLIV, no. 2. 454 Galvanus, De Usufructu, p. 50; Heineccius, Pandecten, P. II, § CV. 447

B. Der Nießbrauch im gemeinen Recht

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d) Gesetz Die Fälle eines kraft Gesetzes entstandenen Nießbrauchs sind in der frühneuzeitlichen Rechtspraxis zahlreich457, doch betreffen sie weniger das deutsche ius commune als vielmehr die frühneuzeitlichen Partikularrechte. In den deutschen Stadt- und Landrechten finden sich regelmäßig Bestimmungen über gesetzliche Nutznießungsrechte insbesondere des überlebenden Ehegatten am Kindeserbe. Von einigen Juristen im späteren usus modernus werden diese Institute, für die auch ältere deutschen Begriffe wie Beisitz, Leibzucht und Leibgeding Verwendung finden, wegen ihrer Herkunft als „ususfructus iuris Germanici“ bezeichnet.458 Daß ein „ususfructus iuris Germanici“ nicht als Nießbrauch, sondern als dominium utile angesehen wird, ist aber die Ausnahme.459 Regelmäßig gelten statutarische Nutzungsrechte als Nießbrauch im Sinne des gemeinen Rechts, der auf Statutarrecht beruht und zum Teil abweichenden Regeln unterworfen ist. Diese Betrachtungsweise wird von den gemeinrechtlichen Juristen dadurch verstärkt, daß sie statutarische Nutznießungsrechte zumeist nur als Beispiel eines ususfructus a lege erwähnen, eine vom deutschen ius commune abweichende Ausgestaltung aber weitgehend unbeachtet lassen. Die damit verbundene Übertragung des römischen Nießbrauchsrechts läßt die Vielfalt der älteren deutschen Regelungen weitgehend zurücktreten. Auch die gesetzlichen Nießbrauchsrechte des gemeinen Rechts betreffen ausschließlich familienrechtliche Konstellationen: Der Nießbrauch des paterfamilias an den Adventitiengütern der Hauskinder und nach deren Emanzipation an der Hälfte der Kindesgüter der emanzipierten Söhne sowie derjenige der überlebenden Ehefrau nach ihrer Wiederverheiratung, wenn die erste Ehe nicht kinderlos war. Kein Bestandteil des deutschen ius commune sind dagegen im usus modernus die Nutznießungsrechte der Ehegatten aufgrund einzelner Partikularrechte. Zwar treten einige Juristen dafür ein, auch darin Institute des gemeinen Rechts zu sehen, doch zeigt schon die nahezu überall anzutreffende Kodifizierung dieser Institute, daß die frühneuzeitlichen Gesetzgeber im Beisitz des überlebenden Ehegatten nicht schon ein kraft gemeinen Rechts bestehendes Institut erblickt haben.460 455 Bocer, Disputationes, p. 253 s.: „& in Judicio familiae erciscundae, & in communi dividundo“. 456 Vgl. Leyser, Meditationes II, Spec. CXV, § 1 u. Spec. CXIX; Coing, Europäisches Privatrecht §§ 14 I, 134 I. – Zur actio communi dividundo utilis Coing, Europäisches Privatrecht I, § 113 I. 457 Galvanus, De Usufructu, p. 50: „A lege autem constituitur pluribus casibus“. 458 So Wolckern, Commentatio, § VIII zu XXXIII,IIII (Teil III, S. 173), in Bezug auf die familienrechtlichen gesetzlichen Nutzungsrechte im Nürnberger Stadtrecht von 1564; vgl. auch Ogris, HRG III, Sp. 1005, 1006. 459 So aber Wolckern, Commentatio, Anm. zu XXIII,VII (Teil II, S. 369).

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

Bei Vorliegen der gesetzlich umschriebenen Tatbestände entsteht der Nießbrauch ohne weiteres461 bzw. erwirbt ihn der Berechtigte ipso iure.462 Dabei spielt keine Rolle, ob es sich um eine geschriebene Norm oder Gewohnheitsrecht handelt, so daß auch ein durch letzteres begründeter Nießbrauch ein gesetzlicher im materiellen Sinne ist. Erforderlich ist aber eine Norm des positiven Rechts, weil der ususfructus paternus nicht aufgrund Naturrechts entsteht.463 aa) Der Nießbrauch an den Adventitiengütern der Hauskinder Gemeinrechtlich anerkannt ist „Die vätterliche Frucht-Niessung/der nießliche Gebrauch/Niessung der Kinder angefallenen Güter“.464 Diesem gesetzlichen Nießbrauch unterfallen die Adventitiengüter465, das Kindesvermögen mit Ausnahme des peculium militare (peculium castrense und quasi castrense466) und profectitium467 sowie der bona adventitia irregularia.468 Dieser ususfructus bonorum adventitiorum resultiert aus der rezipierten469 patria potestas des römischen Rechts470, die allerdings nach deutschem ius commune nicht mehr auf Lebenszeit des Vaters besteht, sondern spätestens mit Erreichen der Volljährigkeit des Hauskindes endet.471 Die Rechtsstellung des Vaters an den bona adventitia beschränkt sich auf einen echten Nießbrauch. Daran ändert sich auch für Galvanus nichts, der ihm das „dominium familiae“ als Unterform des Eigentums zubilligt472; weil der Sohn 460 Gegen die Einordnung der statutarischen Nutznießung als gemeines Recht auch Glück, Pandecten IX, § 627 m. N. für die Gegenansicht in Fn. 46. 461 Donellus, Opera III, Cap. III, § VI (col. 23): „Lex enim est, quae constituit. Nemo dubitat quin sit constituendi potestas penes legem, cui omnes in civitate parere oportet“. 462 Pott, De usufructu paterno, p. 6: „Constituitur & acquiritur hic ususfructus patri ipso jure“. 463 Pott, De usufructu paterno, p. 7, rekurriert hierfür auf Grotius. 464 So Pott, De usufructu paterno, p. 6. 465 Vgl. dazu Knothe, ZRG (RA) 98 (1981), 255, 282 ff. 466 Schumacher, S. 166. 467 Zum peculium profectitium zählt, was die Kinder vom Vater oder um dessen willen erhalten; es wird im usus modernus zwar noch erörtert, ist aber in der Praxis wegen der Absonderungsmöglichkeit der Hauskinder nicht mehr gebräuchlich (vgl. Schumacher, S. 285 f.). 468 Knothe, ZRG (RA) 98 (1981), 255, 293 f. 469 Schumacher, S. 269 f.; Knothe, Geschäftsfähigkeit, S. 117 Fn. 5. 470 Zu deren Inhalt Kaser, ZRG (RA) 58 (1938), 62 ff. 471 Schumacher, S. 272. 472 Vgl. Galvanus, De Usufructu, p. 58, der „dominium“ in eines „jure proprietatis“ und eines „jure familiae“ unterteilt.

B. Der Nießbrauch im gemeinen Recht

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die Proprietät im eigentlichen Sinne inne habe, bestehe daran der väterliche Nießbrauch473 und nicht ein ususfructus causalis.474 Nicht unumstritten ist, ob dieser Nießbrauch jedenfalls nach dem Tode des Vaters auch der Mutter zustehen kann.475 Die herrschende Meinung im usus modernus verneint dies, weil der Mutter über die Kinder keine (väterliche) Gewalt zukomme, der Nießbrauch aber nur daraus, nicht auch aus der beiden Eltern geschuldeten Ehrerbietung (reverentia) oder der Last der Erziehung resultiere.476 Einige Juristen vertreten für das sächsische Recht, in Abweichung vom gemeinen Recht gründe der Nießbrauch sich hier in reverentia und onus educationis, so daß nach sächsischem Brauch der Mutter, der nach dem Tod des Vaters Erziehung und Alimentierung der Kinder obliege, auch der Nießbrauch am Kindesvermögen zustehe.477 Andere deutsche Juristen halten auch für das sächsische Recht am Erfordernis väterlicher Gewalt grundsätzlich fest. So gesteht Stryk der Mutter den Nutzen am Kindesgut zwar in Höhe des Unterhalts zu478, lehnt einen darüber hinausgehenden Nießbrauch aber ab, weil ihr keine Gewalt über die Kinder zukomme und die Ehrerbietung als Grundlage nicht ausreiche.479 Gerade auch unter Hinweis auf zum sächsischen Recht entwickelte Positionen heißt es dann für andere Partikularrechte, ein Nießbrauch „krafft vätterlichen Gewalts“480 könne schon begrifflich nicht auch der Mutter zustehen.481 Mevius beruft sich für das lübische Recht insoweit auf Carpzov, während Wolckern für das nürnbergische Recht auf Stryks Ausführungen zum sächsischen Recht rekurriert, wobei er betont, daß es sich dabei nicht (nur) um einen sächsischen, sondern um einen gemeinrechtlichen Grundsatz handelt. 473

Galvanus, De Usufructu, p. 67. Vgl. dazu Galvanus, De Usufructu, p. 56 s. 475 Vgl. Schumacher, S. 271 f. m. N. in Fn. 32 u. 33. 476 Stryk, Usus modernus, Lib. VII, Tit. I, § XIV: „Verum his contradicit Carpzov . . . quia nulla matris in liberos potestas, ex qua sola, non autem ex reverentia jus percipiendi usumfr. dependet, quae sententia expresse confirmata est in Electoratu Saxoniae“. – Vgl. auch E. Koch, Die Frau im Recht der Frühen Neuzeit, S. 81. 477 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § V: „Diximus verò vi patriae potestatis, quod ita se habet Jure civili: Moribus enim Saxonicis mortuo patre etiam matri competit ususfructus, propter onus eductionis & alimentationis“. 478 Stryk, Usus modernus, Lib. VII, Tit. I, § XIV: „Hoc certum est, matrem filios alentem ex usufr. tantum deducere posse, quantum ad alimenta neccessarium“. 479 Pott, De usufructu paterno, p. 7, und Stryk, Usus modernus, Lib. VII, Tit. I, § XIV, erwähnen Christoph Philipp Richter als Verfechter eines sächsischen Sonderweges, folgen aber beide der Ansicht Carpzovs. 480 So nach Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XI, und Pott, De usufructu paterno, p. 7, der deutsche Begriff für „patria potestas“. 481 Dies soll sogar gelten, wenn von „elterlicher Gewalt“ gesprochen wird (vgl. Schumacher, S. 2). 474

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

Daß die patria potestas und damit auch der ususfructus bonorum adventitiorum in Deutschland als Rechtsinstitute rezipiert worden sind, wird mit Parallelen der spätrömischen und der frühneuzeitlichen Sozialstruktur begründet.482 Die im usus modernus kontrovers diskutierten Fragen, ob der Mutter mit der Übernahme der Unterhaltslast nach dem Tod des Vaters dessen Nießbrauch am Kindesvermögen zustehen kann und ob dem Vater nach Emanzipation der Kinder weiterhin an der Hälfte der Kindesgüter der Nießbrauch bleiben soll (dazu sogleich), machen allerdings deutlich, daß der väterliche Nießbrauch einen Funktionswandel erfahren hat. Im klassischen römischen Recht beinhaltete die patria potestas eine uneingeschränkte Herrschaftsgewalt des pater familias über Person483 und Vermögen der Hauskinder, mit der deren Vermögensunfähigkeit korrespondierte; zur Erziehung der Kinder war der Vater nur moralisch verpflichtet.484 Im nachklassischen römischen Recht wurde diese Vollgewalt über die Kinder abgeschwächt; in den Vordergrund trat deren Erziehung485, wenngleich an der Lebenslänglichkeit der patria potestas und damit des Nießbrauchs an den Adventitiengütern festgehalten wurde.486 Die Juristen im usus modernus verstehen die patria potestas dagegen als Bestimmungs- und Erziehungsrecht des Vaters gegenüber den Kindern, das ihm vor allem das Recht zur Vertretung des Kindes und zur Verwaltung des Kindsvermögens gewährt.487 Als Folge dieser patria potestas wird am väterlichen Nießbrauch festgehalten, der Kreis des freien Kindesvermögens aber erheblich erweitert; bedeutsam ist vor allem die Ausklammerung der Lehen. Zwischen dem Nießbrauch am Kindesvermögen und der Pflicht zu Erziehung und Alimentierung des Kindes wird nunmehr ein unmittelbarer Zusammenhang gesehen. Vor allem für die Vertreter der humanistischen Jurisprundenz tritt der Gedanke in den Vordergrund, daß die Nutzungen des Kindesvermögens dem Vater die wirtschaftliche Grundlage zur standesgemäßen Unterhaltung geben sollen.488 Damit wird die Erziehung zur Hauptpflicht des Vaters; der Nießbrauch dient nur noch deren finanzieller Sicherstellung. Kreittmayr unterscheidet zwar die patria potestas civilis des römischen Rechts von einer patria potestas naturalis489, meint aber mit „väterlicher Gewalt“ im CMBC (I,5 § 1) ebenfalls die patria potestas des gemeinen Rechts.490 Dies wird noch deutlicher, wenn man die von Kreittmayr als Ab482 483 484 485 486 487 488 489

So Knothe, ZRG (RA) 98 (1981), 255, 267. Vgl. Schumacher, S. 6 ff., E. Krause, Unterhaltsansprüche, S. 10 f. Vgl. Schumacher, S. 7 ff. Kaser, ZRG (RA) 58 (1938), 62, 84. Vgl. Schumacher, S. 32 ff. Coing, Europäisches Privatrecht I, § 43 II. Vgl. Schumacher, S. 167, unter Hinweis auf Faber. Vgl. Coing, Europäisches Privatrecht I, § 43 I.

B. Der Nießbrauch im gemeinen Recht

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weichung vom römischen Recht (vgl. Inst. 1.9.2) erwähnte Erstreckung der väterlichen Gewalt auch auf Ausländer in Betracht zieht; in Bezug auf die Unterscheidung im römischen Recht zwischen (römischen) Bürgern und Fremden bestehe nach deutschem Bürgerrecht „wenig oder gar kein Unterschied mehr“491. Dieses Argument wird aber auch gegen eine gemeinrechtliche Fortgeltung der modifizierten patria potestas des römischen Rechts eingeführt: Weil Justinian diese explizit als „Eigentümlichkeit römischer Bürger“ angesprochen habe, könne sie für andere Menschen keine Geltung beanspruchen.492 Daher gründe sich die elterliche Gewalt in der frühen Neuzeit auf „ius gentium“, nicht auf der römischrechtlichen patria potestas. Sie ziele mehr auf den Nutzen des Kindes als auf den der Eltern.493 Der Nießbrauch am Kindesvermögen entstamme mithin nicht römischem, sondern deutschem Recht, das auch einen ususfructus maternus kenne.494 bb) Der Nießbrauch an der Hälfte des Kindesvermögens nach der Emanzipation Der Nießbrauch an den Adventitiengütern endet mit Emanzipation der Hauskinder, doch gebührt dem Vater nach herrschender Ansicht im usus modernus als Prämie dafür auf Lebenszeit der Nießbrauch an der Hälfte der Kindesgüter (Cod. 6.61.6.3).495 Struve spricht diesem gesetzlichen Nießbrauch zumindest für das sächsische Recht496 den praktischen Gebrauch ab.497 Seine Bedeutung in der Praxis ist jedenfalls gering, weil eine emancipatio im Sinne des justinianischen Rechts im usus modernus die Ausnahme bildet. Häufiger sind andere Beendigungsgründe der patria potestas, wie die Heirat der Kinder oder die auch als „emancipatio Germanica vel Saxonica“ bezeichnete wirtschaftliche Trennung des Sohnes vom väterlichen Haushalt498, bei denen dieser Nießbrauch nicht entsteht. Soweit der Sohn mit 490

Vgl. Kreittmayr, Anmerkungen I, S. 161. Kreittmayr, Anmerkungen I, S. 160 f. 492 So Heineccius, Elementa Iuris Germanici, Lib. I, Tit. VI, § CXLIV, 23: „hodie quoque verissimum esse, quaod scribit IVSTINIANVS §. 2. Inst. de patr. potest. Ius potestatis in liberos PROPRIVM esse ciuium Romanorum, nec esse ALIOS HOMINES, qui talem in liberos potestatem habeant, qualem Romani habuerint“. 493 Heineccius, Elementa Iuris Germanici, Lib. I, Tit. VIII, § CLXII: „QVia potestas, parentibus in Germania concessa, non est illa Romana, sed iuris gentium, eaque magis ad liberorum, quam ad parentum, commodum pertinet“. 494 Heineccius, Elementa Iuris Germanici, Lib. I, Tit. VI, § CXXXIX, 3 u. 4. 495 Bocer, Disputationes, p. 253; Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XI; Heineccius, Pandecten, P. II, § CIV; Glück, Pandecten IX, § 627 (S. 90). 496 So Schumacher, S. 287 m. w. N. 497 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § V: „In proemium emancipationis patri in dimidia parte bonorum Emancipattorum, . . . quod tamen moribus non obtinet“. 491

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

Erreichen der Volljährigkeit – gemeinrechtlich gilt die Altersgrenze des römischen Rechts von 25 Jahren499 – seine Absonderung erzwingen kann, wäre die Annahme einer Belohnung des Willens zur Emanzipation der Kinder zweckwidrig.500 Schließlich erfaßt er nur die bereits erworbenen, nicht auch die zu erwerbenden Kindesgüter.501 cc) Gemeinrechtliche Nutznießungsrechte des überlebenden Ehegatten Regelmäßig wegen der gleichen Person als dem Nutzungsberechtigten werden im usus modernus die beiden gesetzlichen Nutznießungsrechte des überlebenden Ehegatten zusammen behandelt, obwohl der Nießbrauch für die „arme Witwe“ bei gesetzlicher Erbfolge an einem Erbteil (Nov. 117.5)502 eine Besserstellung bedeutet, während derjenige der wieder heiratenden Witwe503 bzw. des überlebenden Ehegatten an den Gütern, an denen sie bzw. er vom Vorverstorbenen aufgrund Testaments, Schenkung oder Ehevertrags das Eigentum erhalten hat, dagegen im Interesse der noch vorhandenen Kinder aus erster Ehe504 eine Schmälerung der Vermögensposition zur Folge hat. e) Ersitzung bzw. (erwerbende) Verjährung Ein Nießbrauch kann auch durch Ersitzung erworben werden.505 Für Servituten als res incorporales ist hierfür im usus modernus der Begriff „praescriptio“ gebräuchlich.506 Neben dem Ablauf der Ersitzungszeit ist nur fortdauernde bona fides des Ersitzenden notwendig507: „Diese richtet sich ganz nach den allgemeinen Grundsätzen von der bona fides bey der erwerbenden Verjährung, und besteht daher in der Ueberzeugung, daß man zur Ausübung der Servitut berechtigt sey“.508 Es gilt der aus dem kanonischen Recht 498

Vgl. Knothe, ZRG (RA) 98 (1981), 255, 268. Knothe, Geschäftsfähigkeit, S. 134; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 230. 500 Knothe, ZRG (RA) 98 (1981), 255, 290 f. 501 Brunnemann, Codex, Lib. VI, Tit. LXI, Auth. Idem est. no. 14. 502 Galvanus, De Usufructu, p. 50; Heineccius, Pandecten, P. II, § CIV; Glück, Pandecten IX, § 627 (S. 90). 503 Heineccius, Pandecten, P. II, § CIV: „viduae binubae in bonis, a coniuge murtuo acceptis“. 504 Glück, Pandecten IX, § 627 (S. 91). 505 Zur Entwicklung Galvanus, De Usufructu, p. 103 ss.; Wesener, Ersitzbarkeit des ususfructus. 506 Vgl. Vultejus, Lib. I, Cap. LXXI: „Vsucapio est praescriptio rerum corporalium; praescriptio in specie est praescriptio rerum incorporalium“. 507 Galvanus, De Usufructu, p. 112. 499

B. Der Nießbrauch im gemeinen Recht

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stammende Grundsatz „mala fides superveniens nocet“, so daß während der Ersitzungszeit auftretende Bösgläubigkeit deren Ablauf hindert. Gemeinrechtlich wird Gutgläubigkeit vermutet.509 Für die Ersitzung von res incorporales ist kein iustus titulus notwendig.510 Es genügt, daß der Eigentümer die Gebrauchsausübung durch den Nichtberechtigten „nec vi, nec clam, nec precario“ duldet.511 f) Anwachsung Gemäß Dig. 7.2.1 steht dem Nießbraucher ein Anwachsungsrecht zu, wenn bei einem Nießbrauchsvermächtnis – nicht hingegen bei anderen Erwerbsformen512 – einer von mehreren gemeinsam Berechtigten ausfällt.

VI. Beendigung des Nießbrauchs Neben den in Dig. 7.4 aufgezählten Beendigungsgründen wird im usus modernus gelegentlich als ein eigener angesehen, daß der dem Nießbrauch zugrunde liegende Rechtsgrund durch Rechtsmittel aufgehoben wird, z. B. das ein Nießbrauchsvermächtnis begründende Testament wirksam angefochten wird.513 1. Systematisierungsansätze Auch hinsichtlich der Beendigungsgründe gibt es im usus modernus Ansätze zu einer Systematisierung, wenn auch nicht in gleicher Zahl wie für die Entstehungsgründe.514 So unterscheidet Struve ein in der Natur des Nießbrauchs angelegtes Ende (Tod, Zeitablauf)515 von nachträglichen Verschlechterungen in der Person des Berechtigten oder der Beschaffenheit der 508

Glück, Pandecten XI, § 629 (S. 132). Glück, Pandecten XI, § 629 (S. 139). 510 Galvanus, De Usufructu, p. 613: „Titulus tamen non exigitur cum in rebus incorporalibus, cujusmodi est libertas servitutis, patientia pro titulo sit, etiam si agatur de acquirenda“; Glück, Pandecten IX, § 641 (S. 377). 511 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XIII: „si quis, domino expresse haud concedente, b. f. rem fuerit consecutus, eaque, domino patiente, longo tempore nec vi, nec clam, nec precario usus fuerit“. 512 Brunnemann, Pandecten, Lib. VII, Tit. II, ad Rubr. no. 1 u. 2; Glück, Pandecten IX, § 637a (S. 308). 513 Glück, Pandecten IX, § 641b (S. 381). 514 Einteilungen der Erwerbs-, nicht aber der Beendigungsgründe finden sich z. B. bei Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XI und Tit. IV, §§ I ss.; J. H. Böhmer, Introductio II, p. 234 und p. 239 s.; Glück, Pandecten IX, §§ 637c ff. 515 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XXXIII. 509

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

Sache.516 Inhaltsgleich heißt es bei Hopp, ein Nießbrauch ende „Vel sui natura; Vel etiam ex accidenti“.517 Hofacker unterscheidet in den „Elementa“ bei Beginn des Nießbrauchs angelegte und später entstehende Beendigungsgründe518; in den „Principia“ ergänzt er als dritte Kategorie die in der Person des Nießbrauchers angelegten519, in denen er zuvor einen Unterfall der zweiten Gruppe gesehen hat. 2. Die einzelnen Beendigungsgründe a) Tod des Berechtigten Als Personalservitut endet der Nießbrauch mit dem Tod des Usufruktuars520 und geht nicht auf einen Erben über521: „vnd ist dise gerechtigkait am leib, wann derselbig leib abgeet, so vergeet auch der nießbrauch“522. In diesem Ende mit dem Tod des Berechtigten wird teilweise das Wesen einer Personalservitut überhaupt gesehen523, weshalb auch ein befristeter Nießbrauch mit dem Tod des Nießbrauchers vor Zeitablauf endet.524 Heineccius drückt die Abhängigkeit des Nießbrauchs von der Person des Berechtigten plastisch aus, indem er bei Personalservituten die Person gleichsam als „Boden“ einer Praedialservitut anspricht.525 Stirbt der zukünftige Nießbraucher vor Eintritt der aufschiebenden Bedingung oder des Anfangstermins für seinen Nießbrauch, kommt dieser gar nicht zustande.526 Ausnahmsweise kann ein Nießbrauch auch für den ersten Erben des Nießbrauchers konstituiert werden. Den Widerspruch zu seinem Charakter als höchstpersönlichem Recht lösen einige Juristen des usus modernus, indem sie bei einer solchen Nießbrauchsbestellung den Eigentümer für verpflichtet halten, auch dem ersten Erben des Usufruktuars einen Nießbrauch 516

G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, §§ XXXIV s. Hopp, Examen, Lib. II, Tit. IV, 17. 518 Hofacker, Elementa, § 320. 519 Hofacker, Principia II, §§ 1122–1124. 520 Z. B. Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. IV, § I; G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XXXIII; Heineccius, Pandecten, P. II, § CXVI; Glück, Pandecten IX, § 632 (S. 171 f.). 521 Perez, Digesten, p. 146: „[ususfructus] est enim servitus personalis, quae ad haeredem non transit“. 522 So Pegius, Dienstbarkeiten, zit. nach DRW IX, Sp. 1519. 523 Mynsinger, Apotelesma, Lib. II, Tit. IV, pr. no. 3: „Personales enim sunt, quia cum persona finiunt“. 524 J. H. Böhmer, Introductio II, p. 239: „etiamsi (a) ad tempus vsusfructus concessus, & ante illud tempus vsufructuarius mortuus fuerit“. 525 Heineccius, Institutionen, § CCCCXIV. 526 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. IV, § I. 517

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einzuräumen.527 Ein Nießbrauchsvermächtnis zugunsten einer Person und deren (ersten) Erben bewirkt so einen „doppelten Nießbrauch“528; vor Entstehung des zweiten muß der erste vollständig erloschen sein.529 Für seinen (neuen) Nießbrauch muß der Erbe dann selbst Sicherheit leisten.530 Vielfach heißt es aber nur, der Nießbrauch könne – wenn auch nur einmal – auf den Erben des Nießbrauchers übergehen.531 Für die Juristen des usus modernus liegt darin nicht unbedingt ein Widerspruch zur Natur des Nießbrauchs als persönliches Recht. Der Sinn der Verknüpfung des Nießbrauchs mit der Person des Berechtigten liegt für sie vor allem in der Verhinderung einer dauerhaften Trennung des Nutzungsrechts vom Eigentum; dem Eigentümer soll nicht auf immer die für sich als nutzlos angesehene „nuda proprietas“ verbleiben. Das äußert sich auch in der Maximaldauer von 100 Jahren, dem höchsten denkbaren Menschenalter532, des zugunsten einer juristischen Person (z. B. Gemeinden, „bürgerliche“ Genossenschaften533) bestellten Nießbrauchs, die mit der Wertlosigkeit eines dauerhaft vom Nießbrauch getrennten Eigentums begründet wird (vgl. Dig. 7.1.56). Damit entscheidet nicht so sehr die Fortexistenz des Nießbrauchsberechtigten – gemeinrechtlich steht eine Zerstörung der Stadt als „quasi mortuus“ dem natürlichen Tod gleich (vgl. Dig. 7.4.21)534, als capitis deminutio gilt die Aberkennung des Stadtrechts535 –, als vielmehr das Interesse des um seine Nutzungsmöglichkeit gebrachten Eigentümers. b) Statusveränderung des Berechtigten (capitis deminutio maxima und media) Der Nießbrauch endet auch mit capitis deminutio maxima (Verlust der Freiheit) oder media (Verlust des Bürgerrechts) des Usufruktuars, weil beide Institute dessen „bürgerlichen Tod“ und damit den Verlust persönlicher Rechtsfähigkeit bedeuten.536 So beendet der kaiserliche Bann einen 527 Z. B. Perez, Digesten, p. 146: „quo facto non tam repetitur, quam novus ususfructus in persona haeredum constituitur; haeredem nomine veniunt non successive omnes, uti ut plurimum solet fieri“. 528 Höpfner, Commentar, § 377. 529 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XXXIII; Glück, Pandecten IX, § 637c (S. 314). 530 Mynsinger, Apotelesma, Lib. II, Tit. IV, § III no. 2. 531 Z. B. Hopp, Examen, Lib. II, Tit. IV, 19.: „Non transit, nisi ad primi gradus haeredes . . ., quia sua natura non est ad haeredes transitorius“. 532 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. IV, § III; Brunnemann, Pandecten, Lib. VII, Tit. I, ad L. 56 no. 2; Glück, Pandecten IX, § 637c (S. 328). 533 J. H. Böhmer, Introductio II, p. 239, spricht von „persona mystica“. 534 Glück, Pandecten IX, § 637c (S. 326 f.). 535 Glück, Pandecten IX, § 637c (S. 327 Fn. 18).

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Nießbrauch537, während ein bloß territorialer Bann nur den Erwerb eines Nießbrauchs hindert.538 Die capitis deminutio minima bewirkt keinen Verlust der persönlichen Rechtsfähigkeit539 und somit im usus modernus auch kein Ende eines Nießbrauchs (vgl. Inst. 2.3/3.10.1).540 c) Zeitablauf Ein befristeter oder bedingter Nießbrauch endet mit Zeitablauf541 bzw. Eintritt der auflösenden Bedingung.542 Sowohl die jeweils äußerst knappe Kommentierung dieses Untergangsgrundes als auch seine Nennung als letzter bei Böhmer543 sprechen für eine nur geringe praktische Bedeutung im usus modernus. d) Verzicht Ein Verzicht des Nießbrauchers ist im usus modernus zulässig544, doch bleibt der Usufruktuar zu einem Ersatz für vor der Rückgabe eingetretene Schäden verpflichtet (vgl. Dig. 7.1.64/65). Weil der Nießbrauch im Interesse des Nießbrauchers bestellt wird, kann dieser sich durch Aufgabe seines Rechts auch von den daraus resultierenden Lasten befreien.545 e) Nichtgebrauch (non usus) Der Nießbrauch endet auch durch Nichtgebrauch (non usus) des Usufruktuars.546 Ein teilweiser Untergang ist möglich, wenn nur ein Teil des Gegenstandes benutzt wird.547 Voraussetzung ist ein durchgehender Nicht536

Glück, Pandecten IX, § 638 (S. 346). Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. IV, § IV; Stryk, Usus modernus, Lib. VII, Tit. IV, § IV. 538 Stryk, Usus modernus, Lib. VII, Tit. IV, § IV. 539 Kaser, Römisches Privatrecht (Kurzlehrbuch), § 13 I 2. 540 Glück, Pandecten IX, § 638 (S. 346); anders noch Dig. 7.4.1. 541 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XXXIII. 542 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. IV, § XI. 543 J. H. Böhmer, Introductio II, p. 240: „Denique vltimus est, lapsus temporis“. 544 Hofacker, Principia, § 1124. 545 Brunnemann, Pandecten, Lib. VII, Tit. I, ad L. 64 no. 1; Höpfner, Commentar, § 375; Glück, Pandecten IX, § 641b (S. 380). 546 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. IV, § V; G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XXXIV; Brunnemann, Codex, Lib. III, Tit. XXXIII, ad L. 6 no. 3; Heineccius, Pandecten, P. II, § CXX; Glück, Pandecten IX, § 641 (S. 367). 547 Glück, Pandecten IX, § 641 (S. 375 f.). 537

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gebrauch über zehn Jahre inter praesentes bzw. zwanzig Jahre inter absentes.548 Im Anschluß an ältere römische Quellen legen einzelne Juristen diese Zeitspannen nur bei Immobilien zugrunde, während für bewegliche Sachen ein Nichtgebrauch von drei Jahren ausreiche.549 Andere verlangen zusätzlich, daß während des Nichtgebrauchs durch den Eigentümer eine Ersitzung der Lastenfreiheit (usucapio libertatis) stattfindet, was seinen Besitz erfordert.550 Nach herrschender Ansicht im usus modernus genügt hingegen, daß der Usufruktuar von seiner Berechtigung in keiner Weise Gebrauch macht und dies auch nicht durch eine andere Person für den Nießbraucher geschieht (vgl. Dig. 7.1.38). Weil bei einer entgeltlichen Ausübungsüberlassung dem Nießbraucher bürgerliche Früchte zufließen, betrifft dies nur den Fall unentgeltlicher Überlassung (vgl. Dig. 7.1.39/40). Der Nichtgebrauch muß freiwillig erfolgen, so daß weder eine gewaltsame oder altersbedingte Hinderung am Gebrauch noch das (vorübergehende) Fehlen einer Gebrauchsmöglichkeit schaden.551 Ein „usus sine fructu“ bewirkt keinen Untergang des Nießbrauchs.552

f) Mißbrauch der Befugnisse durch den Nießbraucher Gleichgestellt wird einem Nichtgebrauch im usus modernus teilweise ein nachlässiger und tadelnswerter Umgang mit der Sache553, „weil derjenige die Sache nicht zu gebrauchen und zu nutzen scheint, der sie nicht auf die geschuldete Weise gebraucht“.554 Andere nehmen dies nur für den Fall an, daß dem Nießbraucher ein bestimmter Gebrauch vorgeschrieben ist, den dieser nicht einhält555; diese Argumentation ist aber wenig überzeugend, weil in Ermangelung einer konkreten Beschreibung des zulässigen Gebrauchs dem Nießbraucher immerhin ein ordnungsgemäßer Gebrauch obliegt. Ergänzt wird teilweise noch eine außerordentliche Verschlechterung 548 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. IV, § VI; Heineccius, Pandecten, P. II, § CXX. 549 Zu dieser Kontroverse vgl. Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. IV, § VI m. N. 550 Galvanus, De Usufructu, p. 611 ss.; Hofacker, Principia II, § 1124. 551 Glück, Pandecten IX, § 641 (S. 376). 552 Glück, Pandecten IX, § 641 (S. 376). 553 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XXXIV: „quod sit negligens & culposus in usu: aut non utendo per tempus lege definitum“; Stryk, Usus modernus, Lib. VII, Tit. IV, § VI; J. H. Böhmer, Introductio II, p. 240. 554 J. H. Böhmer, Introductio II, p. 240: „tum (2) illegitimus vsus, quia non videtur vtifrui, qui non eo, quo debet, modo vtitur“. 555 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. IV, § V; Voet, Commentar II, Lib. VII, Tit. IV, no. 5.

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

der Sache.556 Die wohl herrschende Meinung im usus modernus557 beschränkt die Befugnis zur Einziehung des Nießbrauchs auf den Fall einer Nichtstellung der cautio damni infecti durch den Nießbraucher und gesteht im übrigen dem Eigentümer nur einen sofort fälligen Schadensersatzanspruch zu.558 g) Ersitzung der Lastenfreiheit Neben dem Verlust eines Nießbrauchs durch non usus findet sich als eigener Beendigungsgrund die Ersitzung der Lastenfreiheit durch den Eigentümer (usucapio libertatis). Selbst wenn man diese Ersitzung nicht bereits als Voraussetzung eines non usus ansieht, ist der Anwendungsbereich nur sehr gering, denn die Ersitzungsfrist ist ebenso lang wie die Dauer eines non usus. Erforderlich sind hierfür der Ablauf der Ersitzungsfrist sowie guter Glaube (bona fides) des Eigentümers. Da es sich bei der Lastenfreiheit („libertas praedialis“) um eine res incorporalis handelt, ist ein iustus titulus auch hierfür nicht notwendig.559

h) Untergang oder wesentliche Veränderung der Sache Der Nießbrauch endet mit Untergang seines Gegenstandes (vgl. Dig. 7.1.36/Inst. 2.4.3); auch eine Wiedererrichtung der zerstörten Sache läßt ihn nicht wieder aufleben.560 Eine Ausnahme gilt für den ususfructus paternus, weil auch der Neubau zu den Adventitiengütern gehört und somit dem Nießbrauch unterfällt.561 Ohne Einfluß auf den Fortbestand eines Nießbrauchs ist ein nur teilweiser Untergang der Sache (vgl. Dig. 7.1.53)562, während deren wesentliche Umgestaltung einem vollständigen Untergang gleichsteht.563 Wesentlich ist eine Veränderung aber nur, wenn die Sache nach der Umgestaltung nicht mehr die gleiche Bezeichnung trägt.564

556 J. H. Böhmer, Introductio II, p. 240: „adeo vt ob insignem deteriorationem quoque amittatur“. 557 Vgl. Höpfner, Commentar, § 379 Fn. 1; Glück, Pandecten IX, § 658 m. w. N. in Fn. 21. 558 Glück, Pandecten IX, § 641b (S. 380). 559 Galvanus, De Usufructu, p. 613; Glück, Pandecten IX, § 641 (S. 377 f.). 560 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XXXV. 561 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XXXV, unter Hinweis auf Molina. 562 Glück, Pandecten IX, § 639 (S. 348). 563 Glück, Pandecten IX, § 639 (S. 349). 564 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. IV, § IX.

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i) Konsolidation und Konfusion Weitere Untergangsgründe sind Konsolidation und Konfusion565, so daß sowohl wenn der Usufruktuar das Eigentum an der Sache erwirbt als auch umgekehrt das Nutznießungsrecht an den Eigentümer gelangt, der Nießbrauch endet; beide Fälle werden teilweise unter dem Begriff „Consolidation“ zusammengefaßt.566 Der Rechtsgrund für das Zusammenfallen von Eigentum und Nießbrauch ist unerheblich567, weil es für dessen Fortbestand als Servitut nur darauf ankommt, daß der Nießbrauch an fremder Sache besteht. j) Abtretung an einen Dritten Umstritten ist, ob die Abtretung des Nießbrauchs an einen Dritten den Eigentümer zu dessen Einziehung berechtigt. Die Abtretung eines Nießbrauchs als Rechtsposition ist unzulässig, die Überlassung der Ausübung an einen Dritten aber zulässig.568 Unter Berufung auf Inst. 2.4.3 („nam extraneo cedendo nihil agitur“) sprechen einige Juristen im usus modernus der Abtretung an einen Dritten keinen Einfluß auf den Fortbestand des Nießbrauchs zu569; nur die Abtretung an den Eigentümer beende den Nießbrauch570, doch handelt es sich hierbei um einen Spezialfall der Konsolidation.571 Die Gegenansicht geht unter Berufung auf Dig. 23.3.66 davon aus, daß eine unzulässige Abtretung automatisch den Nießbrauch beendet.572 Auch ohne Schaden für den Eigentümer sei die „böse Tat“ des Nießbrauchers mit dem Verlust seiner Berechtigung zu bestrafen.573 Eine Umdeutung der unzulässigen Abtretung in eine Überlassung der Ausübung wird soweit ersichtlich nicht erwogen, wenngleich die Unterscheidung zwischen beiden in der Praxis des späteren usus modernus – so Kreittmayr – als „papierne Wand“ gegolten hat.574 Ein allgemeines 565

Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. IV, § VII. So z. B. Höpfner, Commentar, § 378; Glück, Pandecten IX, § 639b (S. 353 ff.). 567 Heineccius, Pandecten, Lib. VII, § CXIX. 568 J. H. Böhmer, Introductio II, p. 240: „Commoditas autem vtendi ex persona vsufructuarii in alterum sine cessione transferri potest“; Glück, Pandecten IX, § 634 (S. 217). 569 Z. B. G. A. Struve, Syntgama, Exerc. XII, § XXXV; Heineccius, Pandecten, P. II, § CIX; Glück, Pandecten IX, § 634 (S. 225). 570 Mynsinger, Apotelesma, Lib. II, Tit. IV, § III no. 8: „Itaque non aliter cessione non finitur vsusfructus, nisi in proprietarium fiat“. 571 Perez, Digesten, p. 149. 572 So Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. IV, § VI. 573 Vinnius, Institutionen, p. 214 s. 566

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

Institut der Konversion entwickelt sich erst im späten usus modernus in der Folge einer Dissertation von Ferdinand Christoph Harpprecht aus dem Jahre 1747.575 k) Erlöschen des Eigentumsrechts beim Besteller Im Regelfall bewirkt eine Übertragung des Eigentums kein Ende des Nießbrauchs als eines dinglichen Rechts.576 Hat der Besteller allerdings nur widerrufbares Eigentum, beendet ein Widerruf ex tunc den Nießbrauch, nicht hingegen einer ex nunc.577 Als weitere Ausnahme erwähnt Glück den in Dig. 7.4.29 geschilderten Fall, daß ein Nießbraucher dem Eigentümer die Ausübung des Nutzungsrechts entgeltlich überlassen hat und letzterer die Sache einem Dritten ohne Vorbehalt des Nießbrauchs veräußert. Auch wenn der Voreigentümer für die Ausübung weiter Zahlungen an den Nießbraucher erbringt, so daß ein non usus wegen Ziehung der bürgerlichen Früchte ausscheidet, verliert dieser seinen Nießbrauch, weil der neue Eigentümer die Sache als eigene und nicht für den Nießbraucher nutzt.578 Für Brunnemann ist diese Konsequenz mit der ratio legis unvereinbar, „daß unseres ohne unser Zutun nicht auf einen anderen übergehen kann“.579 l) Wiederverheiratung des Nießbrauchers Schließlich endet ein vom verstorbenen Ehemann der Witwe vermachter Nießbrauch am Kindeserbe mit deren Wiederverheiratung.580 VII. Rechtsschutz Regelungen über den Rechtsschutz des Nießbrauchers gegenüber unberechtigten Anmaßungen des Eigentümers und anderer Dritter enthält Dig. 7.6. Gleichwohl wird der Rechtsschutz des Nießbrauchers wie auch die Möglichkeit gegen ihn gerichteter Klagen von den Juristen des usus modernus zumeist erst zu Dig. 8.5 erläutert. Im Nießbrauchsrecht finden sich dann nur ganz knappe Hinweise auf mögliche Klagen581; für die Einzelheiten wird auf die Ausführungen zu Dig. 8.5 verwiesen.582 Vollständige 574

Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 880. Krampe, S. 40 ff.; Wieacker, Zur Theorie der Konversion, S. 1019. 576 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. IV, § X. 577 Höpfner, Commentar, § 379; Glück, Pandecten IX, § 640b (S. 366). 578 Glück, Pandecten IX, § 641 (S. 374 f.). 579 Brunnemann, Pandecten, Lib. VII, Tit. IV, ad L. 29: „nam ratio legis ult. aequior, quod nostrum sine facto nostro ad alium transferri non possit“. 580 Glück, Pandecten IX, § 641b (S. 381). 575

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Anmerkungen zu Dig. 7.6 finden sich hingegen bei Struve583, dessen Kommentierung zu Dig. 8.5 sich folglich auf die Praedialservituten beschränkt.584 Allgemein anerkannt ist im usus modernus, daß im Nießbrauch zwei Klagemöglichkeiten wurzeln: die actio confessoria des Nießbrauchers und die actio negatoria des Eigentümers.585 Schließlich steht dem Eigentümer eine Klage auf Stellung der Kaution zu.586 Nicht spezifisch im Nießbrauchsrecht wurzeln andere Rechtsbehelfe wie z. B. die Vindikationsklage des Eigentümers nach Ende des Nießbrauchs bei Nichtherausgabe des nutznießlichen Gegenstandes, die auf Schadensersatz gerichtete actio legis Aquilae oder die actio furti587, die gemäß Dig. 47.2.46.1588 dem Eigentümer in Bezug auf das Eigentum und dem Nießbraucher hinsichtlich seines Nutzungsrechts zukommt. 1. Die Klagemöglichkeiten des Nießbrauchers Von den angesprochenen Klagen steht dem Nießbraucher zur Abwehr gegen ihn gerichteter Eingriffe in seine aus der Dienstbarkeit fließende Berechtigung die actio confessoria zu. Dabei handelt es sich um eine actio in rem gegen den Besitzer der nutznießlichen Sache oder denjenigen, der sich des ius utendi fruendi an ihr berühmt.589 Diese Klage wird auch als Vindiktionsklage im weiteren Sinne aufgefaßt: Ist die rei vindicatio darauf gerichtet festzustellen, daß jemand Eigentümer einer Sache ist und diese ihm mitsamt allen Früchten590 zurückgegeben werden müsse591, ihre Rechtsgrundlage mithin das Eigentum des Klägers592, ist Rechtsgrundlage der 581 So z. B. Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Connexio; J. H. Böhmer, Introductio II, p. 242. 582 Z. B. von Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. VI; Stryk, Usus modernus, Lib. VII, Tit. VI, § I; J. H. Böhmer, Introductio II, p. 242. 583 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, §§ XLII ss. 584 Vgl. G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XIII, §§ XLII ss. 585 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XLII; Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Connexio; J. H. Böhmer, Introductio II, p. 242; Glück, Pandecten IX, § 646 (S. 423 ff.). 586 Dazu ausführlich Oldendorp, Opera 2, p. 224 ss. 587 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. IX, § XIV. 588 Zum römischen Recht Stiegler, S. 468 ff. m. w. N. 589 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XLIII. 590 Zu den Kontroversen bzgl. der Haftung vgl. Coing, Europäisches Privatrecht I, § 54 V 2. 591 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XI, § II: „Rei vindicatio est actio in rem, qua quis contra possessorem ei corporalis istam rem suam esse intendit . . . Vel: est actio ex dominio competens, qua dominus adversus possessorem rei corporalis contendit, ut ipse dominus declaretur, & consequenter res cum omni causa restituatur“; J. H. Böhmer, Introductio II, p. 219: „Rei vindicatio est actio in rem, competens domino

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

„vindicatio utilis“ der Nießbrauch an der Sache.593 Beklagter der actio confessoria kann der Eigentümer der Sache, wie auch jeder Dritte sein, der den Nießbraucher in seinem Recht stört.594 2. Die Klagemöglichkeiten des Eigentümers Dem Eigentümer steht gegen denjenigen, der sich an seiner Sache eines Nießbrauchs berühmt, die actio negatoria als Unterlassungsklage zur Verfügung. Sie ist auf Anerkennung der Freiheit der Sache von dem behaupteten Nießbrauch und auf Rückgabe derselben samt daraus gezogener Früchte gerichtet. Ist der Kläger selbst im Besitz der Sache, kann er vom Beklagten Sicherheitsleistung verlangen, daß dieser in Zukunft nicht mehr seine Eigentümerstellung und die daraus resultierende Gebrauchs- und Fruchtziehungsbefugnis beeinträchtigt.595 Voraussetzung ist das Eigentum des Klägers. Fehlt es daran, muß die Klage auch dann erfolglos bleiben, wenn der Beklagte keinen Nießbrauch hat. Begründet wird dies im usus modernus mit Dig. 7.6.5 pr., wonach der Besitzer wegen seines Besitzes die bessere Rechtsstellung hat596, doch fehlt dem Nichteigentümer bereits die Aktivlegitimation, so daß auch eine Klage gegen einen Nichtbesitzer scheitern muß.

§ 5 Der uneigentliche Nießbrauch (quasi ususfructus) Wegen des Substanzerhaltungsgebots ist ein Nießbrauch im Sinne der ususfructus-Definition an verbrauchbaren Sachen nicht möglich. An diesen besteht aufgrund des in Dig. 7.5.1 bzw. Inst. 2.4.2 erwähnten Senatusconsultum die Möglichkeit eines quasi ususfructus597, gelegentlich auch als „ususfructus irregularis“ bezeichnet.598 Die Qualität des nutznießlichen Gegenstandes ist dabei im usus modernus entscheidend für die Art des Nießaduersus possessorem rei corporalis singularem, qua petit, se dominum eius declarari, eamque sibi a possessore cum omni causa restitui“. 592 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XI, § III: „Causa s. fundamentum hujus actionis est dominium“. 593 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XLIV: „Fundamentum hujus actionis est ususfructus constitutus“. 594 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XLV; Glück, Pandecten IX, § 646 (S. 423). 595 Glück, Pandecten IX, § 646 (S. 425). 596 Glück, Pandecten IX, § 646 (S. 425). 597 J. H. Böhmer, Introductio II, p. 241: „Extra ordinem etiam quasi ususfructus in rebus fungibilibus, sed serius & demum sub imperatoribus receptus est“. 598 Ogris, HRG III, Sp. 1005, 1006. – Vgl. auch J. H. Böhmer, Introductio II, p. 241: „species irregularis“.

B. Der Nießbrauch im gemeinen Recht

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brauchs, der sich je nach Materie als echter und uneigentlicher darstellt.599 Erst im späten usus modernus gewinnt der Wille des Eigentümers, beeinflußt auch durch naturrechtliche Vorstellungen, an Bedeutung. I. Dogmatische Einordnung Im usus modernus versteht man den quasi ususfructus zumeist als einen Nießbrauch, für den das Substanzerhaltungsgebot keine Geltung hat. Als Personalservitut600 vermittelt auch der quasi ususfructus ein ius in re.601 Vereinzelt sehen Juristen in der frühen Neuzeit im quasi ususfructus nur eine Anweisung zur analogen Anwendung des Nießbrauchsrechts auch auf verbrauchbare Sachen.602 Für Justus Henning Böhmer ist der quasi ususfructus „species irregularis“, deren Berechtigter allerdings ein „usufructuarius“.603 Diese Unterschiede bei der dogmatischen Einordnung eines quasi ususfructus resultieren aus dem „quasi“, das im römischen Recht nicht klar zu erkennen gibt, ob ein z. B. dem echten Nießbrauch ähnliches Rechtsinstitut oder die analoge Anwendung der Regeln z. B. eines Nießbrauchs auf einen vergleichbaren Fall normiert ist.604 Für die Vertreter der ersten Ansicht ist auch eine analoge Anwendung der Regeln eines quasi ususfructus auf in den Quellen nicht erwähnte Fälle möglich.605 II. Unterschiede des quasi ususfructus vom echten Nießbrauch Ein quasi ususfructus unterscheidet sich in den Rechtsfolgen nicht unerheblich vom (echten) Nießbrauch. Weil verbrauchbare Sachen nach ihrem 599

Berger, Oeconomia, Lib. II, Tit. III, § XIX. Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. V, § I: „Definitur aliàs per Jus utndi fruendi rebus, quae usu consumuntur, alteri jure servitutis personalis ea lege concessum, ut eo finito res in genere, vel illius aestimatio restituatur“; Höpfner, Commentar, § 374: „in Form einer persönlichen Dienstbarkeit ertheiltes Recht, wodurch Jemand befugt wird, ein Sache zu gebrauchen, wie er will, mit der Verbindlichkeit, dereinst entweder eine Sache von gleicher Art und Güte, oder deren Werth zu erstatten“. 601 Glück, Pandecten IX, § 643 u. 644 (S. 390): „daß unter dem Quasi ususfructus das dingliche Recht verstanden wird, eine fremde Sache dergestalt zu benutzen und zu gebrauchen, daß man sie verzehren oder weggeben darf“. 602 Vgl. Huber, Praelectiones I, p. 150: „simile & affine“. – Zum Topos „a simile“ in der Rechtswissenschaft bis 1650 J. Schröder, Recht als Wissenschaft, S. 42 ff.; allgem. zur Analogie in der juristischen Methodenlehre der frühen Neuzeit ders., ZRG (GA) 114 (1997), 1 ff. 603 J. H. Böhmer, Introductio II, p. 241. 604 Vgl. Hackl, S. 117 ff.; Wesener, Zur Denkform des „quasi“, S. 1393. 605 So hält z. B. Glück an Forderungen nur in analoger Anwendung der Regeln über den quasi ususfructus einen Nießbrauch für möglich. 600

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

Gebrauch nicht zurückgegeben werden können, geht das Eigentum (gelegentlich als „quasi proprietas“ bezeichnet606) auf den Quasi-Usufruktuar über, der damit, das wird im usus modernus regelmäßig hervorgehoben, nach dem Grundsatz „casum sentit dominus“ auch die Gefahr zufälligen Untergangs der Sache trägt.607 Eine Rückgabe der Sache mit Ende des quasi ususfructus ist ausgeschlossen; die Restitutionspflicht beschränkt sich auf Sachen gleicher Art und Güte oder Wertersatz.608 Nur zur Absicherung dieser Pflicht hat der Quasi-Usufruktuar Kaution in Höhe des Schätzwertes zu Beginn des quasi ususfructus zu leisten (Dig. 7.5.7/Inst. 2.4.2).609 Weil in dem erwähnten Senatusconsultum der quasi ususfructus erst durch die Kautionspflicht begründet wurde, hält z. B. Besold einen quasi ususfructus ohne Sicherheit für unzulässig610; herrschend ist aber die Auffassung, daß auch hier die Kaution nur als Sicherheit dient und mithin vom Eigentümer erlassen werden kann.611 Das Verhältnis beider Formen einer Rückgewähr ist im usus modernus nicht abschließend geklärt, obwohl regelmäßig die Rückgabe gleicher Sachen vor dem Wertersatz genannt wird. Eine Wahlmöglichkeit zwischen beiden Restitutionsformen ist für den Quasi-Usufruktuar vor allem wegen der Möglichkeit von Geldentwertungen612 von Interesse. Während man sich für (Geld-)Darlehen mit einer clausula rebus sic stantibus behilft613, findet sich im Hinblick auf den quasi ususfructus nichts dergleichen. III. Abgrenzung des quasi ususfructus vom Darlehen Der quasi ususfructus ähnelt einem Darlehen, doch unterscheiden sich beide Institute im usus modernus in einigen Punkten. Daß ein Darlehen nur an vertretbaren Sachen („res, quae pondere numero mensura constant“), der quasi ususfructus hingegen an verbrauchbaren Sachen („res quae usu consumuntur“) möglich ist, spielt dabei nur eine geringe Rolle, denn gerade der 606

Z. B. von Berger, Oeconomia, Lib. II, Tit. III, Th. XIX no. 1. Berger, Oeconomia, Lib. II, Tit. III, § XIX no. 1; Glück, Pandecten IX, § 643 u. 644 (S. 391). 608 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. V, § I; J. H. Böhmer, Introductio II, p. 241. 609 Vitriarius, Institutionen, p. 224 s.: „cautione data, ut tantundem in genere, in eadem qualitate, & bonitate, aut aestimatio restituatur“. 610 Besold, Delibata I, p. 583 ss. 611 Perez, Digesten, p. 156; Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. IX, § II. 612 Vgl. Coing, Europäisches Privatrecht I, § 91 II. – Fragen des Zahlkraftrechts spielen vor allem in der Zeit des 30jährigen Krieges eine erhebliche Rolle in der Rechtsprechung, wie zahlreiche Tübinger Fakultätsgutachten zeigen (vgl. Lange, Ius commune und Statutarrecht in Christoph Besolds Consilia). 613 Vgl. Rummel, S. 164 ff. 607

B. Der Nießbrauch im gemeinen Recht

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in der frühen Neuzeit für „res, quae pondere numero constant“ aufkommende Begriff der „res fungibiles“614 findet sich im Nießbrauchsrecht gleichermaßen für „res quae usu consumuntur“615, die daher zum Teil auch als „res, quae pondere numero mensura constant“ bezeichnet werden.616 Dahinter steht die Vorstellung, daß verbrauchbare und vertretbare Sachen grundsätzlich gleichzusetzen seien617; allerdings wird im usus modernus gegen die ältere Auffassung, wonach zwischen quasi ususfructus und Darlehen hinsichtlich der möglichen Gegenstände überhaupt kein Unterschied bestehe, darauf verwiesen, daß ein Darlehen nur an vertretbaren Sachen618, ein quasi ususfructus aber auch an unvertretbaren, verbrauchbaren Sachen möglich ist.619 Deshalb ist bei einem Darlehen in der Regel nur die Rückgabe gleichartiger Sachen zulässig, nicht auch Wertersatz.620 Neben den möglichen Gegenständen unterscheiden sich Darlehen und quasi ususfructus auch in anderer Hinsicht. So trifft den Darlehnsnehmer eine Kautionspflicht nur im Falle einer entsprechenden Abrede, während der Quasi-Usufruktuar grundsätzlich zur Sicherheitsleistung verpflichtet ist.621 Ein Darlehen endet nur mit Zeitablauf, nicht auch mit Tod oder capitis deminutio des Darlehnsnehmers622, und ist als Realkontrakt erst mit Valutierung wirksam; beim quasi ususfructus begründet dagegen die Stipulation bereits einen Anspruch auf Übergabe der Sache.623 Schließlich betonen einige Juristen im späteren usus modernus624, ein Darlehen sei in der Regel verzinslich625, eine Gegenleistung für die Ausübung des quasi ususfructus 614

Vgl. Rüfner, S. 93 ff. Z. B. Stryk, Usus modernus, Lib. VII, Tit. V, § I; Heineccius, Pandecten, P. III, § CXXIII; Berger, Oeconomia, Lib. II, Tit. III, § XIX. 616 So z. B. von Heineccius, Pandecten, P. III, § CXXIII; Hellfeld, Iurisprudentia I, § 849. 617 Vgl. Rüfner, S. 99 f. 618 Vitriarius, Institutionen, p. 232. 619 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XXXIX: „Non vero solum constituitur in rebus fungibilibus, seu quantitatibus, ut pecunia, oleo, vino, frumento, lana, . . . sed & aliis quibuslibet, quae usu tolluntur vel minuuntur“. 620 Besold, Delibata I, p. 582; Stryk, Usus modernus, Lib. VII, Tit. V, § V. 621 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. V, § IV; Vitriarius, Institutionen, p. 232. 622 Besold, Delibata I, p. 582; Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. V, § IV. 623 Vitriarius, Institutionen, p. 232: „Ex apparet, quasi usumfructum non esse mutuum, (1.) quia in mutuo non intervenit cautio (2) objectum mutui tantum sunt res fungibiles (3) in mutuo regulariter aestimatio restitui non potest, sed tantum in genere (4) mutuum non perficitur nisi traditione, hic quasi usufr.: etiam stipulatione“. – Vgl. auch Mynsinger, Apotelesma, Lib. II, Tit. IV, § II no. 10. 624 Zur Haltung gegenüber Zinsen im usus modernus vgl. Coing, Europäisches Privatrecht I, § 91 III 2. – Zinsen werden im jüngsten Reichsabschied von 1654 allgemein erlaubt (vgl. Köbler, Lexikon der europäischen Rechtsgeschichte, S. 90 Stichwort „Darlehen“). 615

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

dagegen unzulässig. Der Praxis ist die Abgrenzung zwischen quasi ususfructus und Darlehen im Einzelfall nicht immer leicht gefallen, wie Stryk beispielhaft an der Abrede zeigt, „daß Er die Nutzung von meinen ausstehenden Capitalien, oder von 2000. Thalern haben soll“.626 IV. Gegenstände des quasi ususfructus Angelehnt an die Titelüberschrift von Dig. 7.5 werden im usus modernus die Gegenstände des quasi ususfructus als „res, quae usu consumuntur vel minuuntur“ charakterisiert; „vel minuuntur“ meint dabei aber nicht eine Wertminderung während des Gebrauchs, sondern nur einen teilweisen Verbrauch „ipso usu“ (vgl. Inst. 2.4.2)627, weshalb dieser Zusatz häufig weggelassen wird.628 Objekt eines quasi ususfructus sind daher Sachen, deren Gebrauch in ihrem Verbrauch besteht.629 Unabhängig von der oben erwähnten Gleichsetzung vertretbarer und verbrauchbarer Sachen steht im usus modernus für die Beschreibung der Gegenstände eines quasi ususfructus das Bestreben im Vordergrund, einen Nießbrauch auch an solchen Sachen zu ermöglichen, deren Gebrauch einen Verbrauch ihrer Substanz mit sich bringen muß und die deswegen nicht unter die ususfructus-Definition subsumiert werden können. Für einen quasi ususfructus ist daher nur und gerade an den Sachen Platz, an denen ein echter Nießbrauch nicht möglich ist.630 An vertretbaren, nicht verbrauchbaren Sachen ist ein solcher möglich, nicht hingegen an nicht vertretbaren, aber verbrauchbaren Sachen. An Münzgeld, nicht aber an Münzsammlungen631, ist daher ein quasi ususfructus anerkannt, obwohl der Einsatz als Zahlungsmittel keinen Verbrauch der Sachsubstanz mit sich bringt632, weil ein sinnvoller Gebrauch ohne Disposition darüber nicht möglich ist. Im usus modernus wird dies mit einer Erweiterung der Gegenstände eines quasi ususfructus um Quanti625

Stryk, Usus modernus, Lib. VII, Tit. V, § V; J. H. Böhmer, Introductio II, p. 242: „regulariter vsurarium fit“. 626 Stryk, Usus modernus, Lib. VII, Tit. V, § V. 627 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. V, § VII. 628 Z. B. Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. V, §§ I, VI; G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, §§ XXXVI s.; ähnlich Stryk, Usus modernus, Lib. VII, Tit. V, § I. 629 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. V, § VI. 630 Vgl. Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. V, § VI: „Objectum sunt res, quae usu consumuntur, seu quarum usus in abusu consistit, . . . ita, ut illarum verus ususfructus nec naturali, ne civili ratione constitui possit“. 631 Höpfner, Commentar, § 374. 632 Perez, Digesten, p. 150; Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. V, § VI; G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XXXIX; Leyser, Meditationes II, Spec. CIV, § V; Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 900; Glück, Pandecten IX, § 643 u. 644 (S. 392).

B. Der Nießbrauch im gemeinen Recht

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täten633 oder auch mit einem „Quasi-Konsum“ des Geldes durch Bezahlung begründet.634 Umstritten ist die Einstufung eines Nießbrauchs an Forderungen. Gemäß Dig. 7.5.3 ist ein Nießbrauch auch an Kapitalien möglich. Der systematische Zusammenhang spricht für einen quasi ususfructus an Forderungen635, während die darin beispielhaft genannte Bestellung eines ususfructus nominum zugunsten des Forderungsschuldners durch Erlaß der Zinsen eher die Annahme eines echten Nießbrauchs nahelegt. Die Juristen des usus modernus sehen im Nießbrauch an Forderungen zumeist einen quasi ususfructus, womit der Nießbraucher das Eigentum an den Kapitalien erlangt und diese vom Schuldner einfordern darf.636 Neben der Systematik stützen sie sich auf die Beschränkung eines (echten) Nießbrauchs auf res corporales (vgl. Inst. 2.4 pr.), so daß an Forderungen als res incorporales nur ein quasi ususfructus bestehen könne637, und auf wirtschaftliche Erwägungen. In einem von Leyser zitierten Gutachten der Helmstädter Juristenfakultät wird einer Nießbraucherin der quasi ususfructus an einer Forderung vor allem deshalb zuerkannt, weil die Erstattung des Wertes der Forderung durch die Kaution des Quasi-Usufruktuars gesichert sei.638 Die Gegenansicht begründet Lauterbach639: Weil der Wortlaut von Dig. 7.5.3 nicht eindeutig sei, komme es für die Qualifizierung des Nießbrauchs als eines echten oder uneigentlichen darauf an, ob ein Gegenstand durch den Gebrauch verbraucht werde, was bei res incorporales nicht möglich sei. Demgemäß gewährt z. B. Kreittmayr dem Nießbraucher einer Forderung nur die Zinsen als Früchte, nicht hingegen das Eigentum an der Forderung; allerdings könne der Eigentümer auch an nichtverbrauchbaren Sachen einen quasi ususfructus bestellen, doch sei dies nicht ratsam.640 Im späten usus modernus tritt vereinzelt der Eigentümerwille in den Vordergrund: Ein echter Nießbrauch soll anzunehmen sein, wenn dem Nießbraucher nur die Zinsen zustehen; darf er über die Forderung verfügen, hat er einen quasi ususfructus.641 633 So z. B. G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XXXIX: „Non verò solùm constituitur in rebus fungibilibus, seu quantitatibus, ut pecunia“. 634 Perez, Digesten, p. 150: „pecunia, quae etiam quasi consumitur assidua permutatione“. 635 Auf diesen Zusammenhang verweist auch Glück, Pandecten IX, § 623 (S. 172 f.). 636 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XXIX; Brunnemann, Pandecten, Lib. VII, Tit. V, ad L. 1 no. 3; Leyser, Meditationes II, Spec. CVI, § V; Glück, Pandecten IX, § 643 u. 644 (S. 408 ff.). 637 Glück, Pandecten IX, § 632 (S. 172). 638 Leyser, Meditationes II, Spec. CVI, § V. 639 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. V, § VI: „Nominum autem, . . . non quasi, sed magis verus datur ususfructus“. 640 Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 900.

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

V. Der quasi ususfructus als Personalservitut Wie erwähnt hält die ganz herrschende Ansicht auch den quasi ususfructus für eine Personalservitut, obwohl dieser mit seiner Bestellung an eigener Sache besteht. Diese Problematik wird freilich verwischt, indem z. B. Glück einen quasi ususfructus als das dingliche Recht definiert, „eine fremde Sache dergestalt zu benutzen und zu gebrauchen, daß man sie verzehren oder weggeben darf, sofern man nämlich dem Proprietar Sicherheit dahin leistet, daß man die empfangene Sache, welche dann also unser Eigentum wird, nach geendigtem Gebrauch in gleicher Güte, und in gleichem Maaß, oder deren Werth zurückgeben wolle“.642 Andere Juristen des usus modernus greifen zu einer Fiktion: Auch nach Einräumung eines quasi ususfructus sei die Sache als fremde anzusehen, weil etwas gleichartiges oder deren Wert zurückzuerstatten sei.643 In diese Richtung weist auch Bergers Bezeichnung des Quasi-Usufruktuars als „quasi proprietarius“.644 VI. Entstehungsgründe eines quasi ususfructus Im Grundsatz gelten die Erwerbsgründe eines echten auch für den uneigentlichen Nießbrauch, so daß im usus modernus häufig nur die wegen der Verbrauchbarkeit der Sachen nicht passenden ausgeschieden werden.645 So scheidet eine Bestellung durch Richterspruch aus, weil eine solche voraussetzt, daß der Gegenstand unteilbar ist, verbrauchbare Sachen aber unschwer646 geteilt werden können.647 Allgemein zulässig ist ein gesetzlicher Nießbrauch an verbrauchbaren Sachen648, umstritten ist dagegen, ob der Eigentümer einen quasi ususfructus auch durch Vertrag oder nur letztwillig begründen kann. In Dig. 7.5.1 ist von einem Nießbrauchsvermächtnis an 641 Vgl. dazu die Nachw. bei Glück, Pandecten IX, § 643 u. 644 (S. 407), der selbst diese Ansicht nicht teilt. 642 Glück, Pandecten IX, § 643 u. 644 (S. 390) [Hervorhebungen von mir]. 643 Vitriarius, Institutionen, p. 232: „nec obstat, quod sic res propria alicui serviat: Per fictionem enim juris, quia tantundem est restituendam, vel aestimatio, res censetur aliena“. – In diese Richtung weist das Verständnis von res fungibiles auch als res incorporales, an denen als Wertträger das Eigentum beim Darlehnsgläubiger verbleibt, während an ihnen als res corporales der Darlehnsnehmer das Eigentum erwirbt (vgl. Rüfner, S. 97 ff.). 644 Berger, Oeconomia, Lib. II, Tit. III, § XIX No. 1. 645 Vgl. z. B. Berger, Oeconomia, Lib. II, Tit. III, § XIX. 646 Das betont Berger, Oeconomia, Lib. II, Tit. III, § XIX: „propterea quod res fungibiles sine difficultate dividuntur“. 647 J. H. Böhmer, Introductio II, p. 241: „Quod (3) a iudice non constituatur, quia res fungibilis diuidi potest“. 648 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. V, § II.

B. Der Nießbrauch im gemeinen Recht

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verbrauchbaren Sachen die Rede, worin einige Juristen eine Beschränkung auf diese Erwerbsform erkennen.649 Unter Lebenden könne die Berechtigung als Darlehen vergeben werden.650 Andere halten den Erwerb eines quasi ususfructus auch unter Lebenden für möglich651, wenngleich in der Praxis der letztwillig begründete vorherrsche.652 Der Hinweis auf das Vermächtnis eines Nießbrauchs an verbrauchbaren Sachen (Dig. 7.5.1) sei beispielhaft, nicht ausschließlich gemeint653; in Inst. 2.4.2 sei allgemein vom Bestellen eines Nießbrauchs an verbrauchbaren Sachen die Rede. Wer unter Lebenden an verbrauchbaren Sachen nur ein Darlehen zulasse, verkenne die Unterschiede zwischen diesem und einem quasi ususfructus.654

VII. Beendigungsgründe eines quasi ususfructus Auch ein quasi ususfructus endet mit Tod oder capitis deminutio maxima bzw. media des Quasi-Usufruktuars. Soweit er nicht erst mit Sicherheitsleistung entsteht, kann er jedenfalls bei Nichtleistung der Kaution zurückverlangt werden.655 Dagegen beenden weder Untergang noch wesentliche Veränderung oder Mißbrauch der Sache einen quasi ususfructus.656

649 Bocer, Disputationes, p. 252: „ Sed quasiususfructus sola ultima voluntate constituitur“. 650 Perez, Digesten, p. 150: „mutuum sola conventione constituitur, quasi ususfructus testamento“. 651 Z. B. Berger, Oeconomia, Lib. II, Tit. III, § XIX; Hopp, Examen, Lib II, Tit. IV, 15. 652 J. H. Böhmer, Introductio II, p. 241: „bene tamen etiam inter viuos, quamuis vltimae voluntatis fauor occasionem ei dederit, l. 1. pr. h. t. quae tamen legem non restringit“. 653 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. V, § IV: „Verum Resp. declarative scil., non exclusive, exempla enim non restringunt“. 654 Besold, Delibata I, p. 582: „Verbum autem constitui generale est, quod minime debet ad legatum restringi, identitate rationis reluctante. Differentia autem inter hunc usumfructum & mutuum perspicua est: mutuum quocunque tempore repeti potest; at aestimatio rei fructuariae, non nisi fructuario mortuo, aut capite minuto“; Voet, Commentar II, Lib. VII, Tit. V, no. 2. 655 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XLI. 656 J. H. Böhmer, Introductio II, p. 241: „Quod non amittatur abusu & rei interitu, sed potissimum morte naturali & civili“; Brunnemann, Pandecten, Lib. VII, Tit. V, ad L. 9 no. 1 u. 2.

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

§ 6 Der „deutsche Nießbrauch“ (ususfructus iuris Germanici) I. Allgemeines Vom römischrechtlichen Nießbrauch unterscheiden einige Juristen im späteren usus modernus einen „ususfructus Germanicus“ bzw. „teutonicus“.657 Damit bezeichnen sie ältere deutsche Nutzungsrechte, die nach der Rezeption weitgehend dem römischen Nießbrauchsrecht unterstellt worden sind. Der „ususfructus iuris Germanici“ steht in einer Reihe von „servitutes iuris Germanici“, bei denen die rechtsgestaltende Kraft des usus modernus in besonderem Maße hervorgetreten sein soll.658 Allerdings beschränkt sich die Darstellung der deutschrechtlichen Dienstbarkeiten zum Teil auf die Praedialservituten.659 Die erwähnte Subtilität660 der römischen Servitutenregeln betrifft vor allem diese, wenngleich z. B. der Servitutengrundsatz „nemini res sua servit“ nicht ohne weiteres mit der Rechtsstellung des Mannes am Dotalgut der Ehefrau vereinbar ist. II. Anwendungsfälle Johann Schilter (1632–1705)661, der sich in seinen „Exercitationes ad 50 libros Pandectarum“ (1675–1683)662 erstmals ausgiebig mit germanischen Rechtsquellen befaßt663, sieht als deutschen Nießbrauch den „ususfructus feudalis“664 des Lehnsmannes sowie den „ususfructus maritalis“665 des Ehemannes am Leibgedinge und den „ususfructus tutoris“666 des Vormundes an. Weiterhin werden dazu die Leibzucht des überlebenden Ehegatten, die 657

Beide Bezeichnungen gebraucht Schilter, Praxis, Lib. VII, Tit. I, § XV, syno-

nym. 658

Wesenberg/Wesener, S. 126. So z. B. Tit. V „de seruitutibus“ bei Heineccius, Elementa Iuris Germanici, Lib. II, §§ CXXVIII ss. 660 Leyser, Meditationes II, Spec. CVII, § I. 661 Zu diesem Stintzing/Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft III, S. 55 ff.; Kleinheyer/Schröder, S. 507. 662 Verwendet wird die 2. Aufl., erschienen 1686 unter dem Titel „Praxis juris Romani in foro Germanico“. 663 Hinz, Die Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs, S. 84. 664 Schilter, Praxis, Lib. VII, Tit. I, § XV: „Praeterea agnoscunt mores Germanici etiam ususfructus feudalis . . . quod ex benevolentia ita datur alicui, ut proprietas quidem rei immobilis beneficiatae penes dantem remaneat: USUSFRUCTUS vero illius rei ita ad accipientem transeat, ut ad eum heredesque suos masculos sive feminas in perpetuum pertineat, ad hoc ut ille & sui heredes fideliter domino serviant“. 665 Schilter, Praxis, Lib. VII, Tit. I, § XII. 666 Schilter, Praxis, Lib. VII, Tit. I, § XVI. 659

B. Der Nießbrauch im gemeinen Recht

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Nutznießung der Eltern an den Kindesgütern und das Verhältnis der Interimswirtschaft gezählt.667 Die Bezeichnung dieser Institute als „ususfructus iuris Germanici“ weist nicht nur auf deren Herkunft aus dem älteren deutschen Recht hin, sondern erleichtert auch eine inhaltliche Abkehr von den Regeln des römischen Nießbrauchsrechts und erklärt damit die gerade auf diesen Gebieten in der frühneuzeitlichen Partikulargesetzgebung anzutreffenden Sonderregelungen, auch wenn „hier und da Römische Grundsätze sich einschlichen“668. Anders als der römische ususfructus bonorum adventitiorum setzt die statutarische Nutznießung keine väterliche Gewalt voraus, so daß sie auch der Witwe und sogar am Erbe anderer Verwandter als nur der Kinder zustehen kann.669 Verwischt wird aber vor allem die strenge Unterscheidung im gemeinen Recht zwischen (Nutz-)Eigentum und Servituten, denn der „ususfructus iuris Germanici“ gilt als Form eines dominium utile. So heißt es in Wolckerns Kommentar zur Nürnberger Reformation von 1564: „Und da das Dominium utile mit dem Usufructu meist bey den Teutschen confundiret worden, also werden dahero drey Species Dominii utilis in Ansehung der Teutschen Rechte angegeben. Feudum, Jus Censiticum, Ususfructus.“

Bei einer ordentlichen Belehnung mit einem solchen Jus Censiticum liege „das dominium directum bey dem Belehnenden, das utile aber oder Ususfructus bey dem Belehnten“.670

§ 7 Der „ususfructus (feudalis)“ des Lehnsmannes Mit der Rezeption werden die Libri Feudorum als Teil des Corpus iuris auch in Deutschland neben den kaiserlichen Konstitutionen und päpstlichen Dekretalen zum subsidiär geltenden gemeinen Lehnsrecht.671 Das im Hochmittelalter ausgebildete Lehnssystem verkommt in der frühen Neuzeit immer mehr „zur leeren Form“672, bleibt jedoch zumindest formal ein Grund667

Mittermaier, S. 406; Gierke, S. 635 f. Griesinger, Kommentar VIII, § 293 (S. 560). 669 Griesinger, Kommentar VIII, § 293 (S. 560). 670 Wolckern, Commentatio, Anm. zu XXIII,VII (Teil II, S. 369 f.). 671 G. A. Struve, Syntagma Juris Feudalis, Cap. I § VII: „Jus commune Feudale non solùm continet Constitutionibus expressa sanctione ab Imperatoribus Germanicis promulgatas, & Pontificum decretales, quatenus usu in Imperio sunt firmatae Sed etiam Consuetudines Langobardicis, usu in universa Germania receptas“; dazu Stintzing/Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft II, S. 153 f. – Vgl. Stolleis, HRG IV, Sp. 984, 987 ff.; Hübner, S. 370; Mitteis/Lieberich, Deutsche Rechtsgeschichte, § 27 I 4; Lange, Römisches Recht im Mittelalter I, S. 86; Greiffen, Lehnserbfolge, S. 78 ff.; ders., Rezeption, S. 79 ff. 672 Mitteis, Staat des hohen Mittelalters, S. 424. – Krit. H. K. Schulze, Grundstrukturen I, S. 72 f. 668

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

pfeiler der Verfassungsordnung des Reiches.673 Mit der „Verdinglichung des Lehnswesen“674 treten zunehmend die persönlichen Bindungen zwischen Lehnsherr und Vasall in den Hintergrund.675 Trotz der öffentlich-rechtlichen Dimension der hohen Lehen bleibt der Lehnskontrakt aber als gegenseitiger Konsensualvertrag von Lehnsherr und Lehnsmann in das privatrechtliche Vertragssystem des deutschen ius commune eingefügt.676 Die Belehnung erfolgt demgemäß durch Einweisung in den Besitz nach den Regeln der römischen traditio.677 I. Das Lehen als „ususfructus (feudalis)“ In LF II,23 a. E.678 ist von einem „ususfructus“ des Vasallen am Lehnsgut die Rede. Ob und inwieweit diese dingliche Berechtigung beim Lehen mit der beim Nießbrauch übereinstimmt, wird im usus modernus nicht einheitlich beantwortet. Einigkeit besteht allerdings darüber, daß die lehnsrechtliche Nutzungsbefugnis dem Vasallen, anders als einem Nießbraucher, das dominium utile am Lehnsgut vermittelt. Gleichwohl gilt im früheren usus modernus das Lehen aufgrund des damit vermittelten „ususfructus“ auch als „species servitutis“679, was den Weg für eine Anwendung der römischen Servitutenregeln öffnet.680 Die Begriffe „Servitut“ oder auch „Dienstbarkeit“ werden auf politischer Ebene von den Reichsständen im 16. und 17. Jahrhundert den „ständischen Libertäten“ gegenübergestellt681 und begleiten so publizistisch den Kampf um die Ausbildung eigener Territorialstaatlichkeit; von kaiserlichen Bestrebungen zur Errichtung eines absolu673

Spieß, HRG II, Sp. 1725, 1736; H. K. Schulze, Grundstrukturen I, S. 67. Mitteis, Lehnrecht, S. 522 ff.; Spieß, HRG II, Sp. 1725, 1735. 675 H. K. Schulze, Grundstrukturen I, S. 71. 676 Coing, Europäische Privatrechtsgeschichte I, § 72 III 4. – Zur öffentlich-rechtlichen Komponente des Lehnswesens in fränkischer Zeit, das sich nur der Formen des Privatrechts bediente, Mitteis, Lehnrecht, S. 8 ff. 677 G. A. Struve, Syntagma Juris Feudalis, Cap. II § III 7. – Vgl. auch Coing, Europäische Privatrechtsgeschichte I, § 72 III 1. 678 LF II,23 a. E.: „Hujus autem generis species quaedam est beneficium illud quod ex benevolentia ita datur alicui, ut proprietas quidem rei immobilis beneficiatae penes dantem remaneat: ususfructus vero illius rei ita ad accipientem transeat, ut ad eum heredesque suos masculos sive foeminas, (si de his nominatim dictum sit.) in perpetuum pertineat: ad hoc ut ille & sui heredes fideliter domino serviat: sive servitium illud nominatim quale esse debeat, sit expressum, sive indeterminate sit promissum“. 679 Z. B. Gaill, Lib. II, Obs. LXIX, no. 5; Carpzov, Jurisprudentia, P. I, Cons. XXVII, Def. XI no. 2: „Scilicet, quia feudum est Ususfructus . . . Est enim feudum quaedam servitutis species“. 680 Vgl. Brunnemann, Codex, Lib. III, Tit. XXXIII, ad L. Ex Libris ult. no. 13. 681 Vgl. Schmidt, S. 97 ff., 155 f., 169 u. 178; Duchhardt, S. 90. 674

B. Der Nießbrauch im gemeinen Recht

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tistischen Reichsstaates drohe ein Abgleiten in „ewige“ bzw. auch „spanische Servitut“. Mitte des 17. Jahrhunderts führt dann dieser „Doppelcharakter“ des Lehens als „ususfructus“ und „dominium utile“ zu einer klaren Trennung von Nießbrauch und Lehen, weil letzteres als Nutzeigentum kein Recht an fremder Sache ist und damit keine Servitut sein kann.682 Als dominium utile ist es nur noch „species dominii“, nicht auch noch „species servitutis“; seine Umschreibung mit „ususfructus“ gilt als antiquiert.683 Zu den „Substantialia sive essentialia feudi“ zählt für Georg Adam Struve demgemäß, daß dem Lehnsmann „nicht das volle Eigentum und auch kein bloßer Nießbrauch, sondern das Nutzeigentum eingeräumt sei“.684 Weil aber die Juristen noch im späteren usus modernus sich an den Begrifflichkeiten des Corpus iuris orientieren, bleibt „ususfructus“ als Begriff auch für das Lehen gebräuchlich; doch sei dieser „ususfructus feudalis“ weder „ususfructus formalis“, weil dem Vasall das Nutzeigentum zukommt, noch „ususfructus causalis“, weil es sich gerade nicht um das mit dem Eigentum vereinigte Nutzungsrecht handelt.685 Dem Lehnsmann komme ein „ususfructus“ in dem Sinne wie einem Emphyteuta oder Superfiziar zu.686 Schilter sieht im „ususfructus feudalis“ einen Unterfall des deutschen Nießbrauchs687, der nicht in einem strikten Gegensatz zum (Nutz-)Eigentum steht. 682 G. A. Struve, Syntagma Juris Feudalis, Cap. II § III 3: „Dicet autem fortè quis, ex his allatis differentiis tantum apparere, feudum esse aliam speciem ususfructus ab eo usufructu, qui in legibus Romanis continetur. Verùm facilè deduci potest ex dictis usumfructum (ut denotat certam speciem juris in re) à feudo genere differre: cum ususfructus sit servitus, sive potestas in re omninò aliena competens . . . feudum verò species dominii s. potestas in re quodammodo propria“. 683 Vgl. B. G. Struve, Elementa Iuris Feudalis, § VI: „Feudum varie definitur. Nobis feudum in genere est res, cuius vtilitas pro fidelitate praestanda loco salarii est concessa. Haecce vtilitas antiquiori tempore in vsufructu consistebat, qui postea in dominium vtile transiit. Inde hodie feudum definiri potest quod sit: Res in dominium vtile pro fidelitate praestanda loco salarii“. 684 G. A. Struve, Syntagma Juris Feudalis, Cap II § V: „non plena proprietas, neque etiam nudus ususfructus, sed utile dominium sit alicui constitutum“. 685 Vgl. J. Harpprecht, Commentar II, col. 382, no. 38. 686 Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § VIII: „quâ in significatione Feudum à Ddribus dicatur ususfructus, non quatenus accipitur in latissima significatione, aut pro causali aut formali usufructu; sed quatenus accipitur pro utili dominio, per quod etiam non malè definitur, & in eadem significatione usumfructum habere dicuntur emphyteuticarii & superficarii“. 687 Schilter, Praxis, Lib. VII, Tit. I, § XV: „Primo ergo feudum nihil fuit aliud quam ususfructus precario concessus, & semper itaque revocabilis: unde etiam vocabuli vernaculi Leihen usurpatio enata. Deinde precarium anni spatio fuit definitum, intra quod non revocaretur. Tertio ad vitam usufructuarii & ad naturam ususfructus Romani productum fuit feudum. Hinc vero diductum longius & ad filius extensum, cui eorum dominus vellet concedere: denique ad omnes pertinere lege moribusve

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

II. Rechte und Pflichten des Lehnsmannes Das Lehen (feudum) verbindet die ursprünglich personenrechtlich gedachte Vasallität688 mit dem Nutzungsrecht am Benefizium689, das inhaltlich einem Nießbrauch entspricht.690 Daß das Lehen Nutzeigentum unter der Verpflichtung von Dienst und Treue vermittelt, bleibt auch in der frühen Neuzeit zunächst ein wesentliches Element des Lehnsrechts. So ist für Schneidewin das Lehen eine „benevola et libera rei immobilis vel aequipollentis concessio, cum utilis dominii translatione, retente proprietate sub fidelitate et exhibitione servitorum honestorum“.691 Dem entspricht die Definition des Lehens im preußischen Landrecht von 1620692 als „eine gutwillige freye Gaabe und verleihung eines unbeweglichen Guts oder das denselben gleich geachtet wird mit verenderung des niesslichen gebrauche und vorbehalt des gestrackten rechten Eigenthumbs und schuldiger pflichtiger trew und erzeigung ehrbarer oder ehrlicher Dienst“.

Bei Oberländer findet sich weiterhin die Bezeichnung des Lehens als ein Nießbrauch693: „Es ist aber das Lehen eine Wohlthat, welcher einem also gegeben wird, daß zwar das Eigenthum des unbeweglichen Gutes bey dem Lehns-Herrn bleibe, der Nießbrauch aber auf den Lehnsmann komme, und der dagegen dem Lehns-Herrn getreulich diene.“

1. Die dingliche Berechtigung am Lehnsgut a) Das dingliche Nutzungsrecht des Lehnsmannes Auf sachenrechtlicher Ebene wird dem Lehnsmann das dingliche Nutzungsrecht an einer unbeweglichen oder dieser gleichgeachteten Sache als „beneficium“ übertragen. Daß einige Juristen Immobilien als einzige mögliche Gegenstände eines Lehens nennen694, bedeutet keinen wesentlichen Unterschied, zumal wenn sie damit „res immobilis, vel naturaliter, vel civiliter“ meinen.695 Daher ist allgemein eine Belehnung auch mit solchen Gestatutum fuit. Quae ipsa rei momenta ad cognoscendam ususfructus Germanici naturam maxime faciunt, de qua mox“. 688 Vgl. Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 99. 689 Hoke, S. 37. 690 Vgl. Waitz, S. 303: „Beneficien sind Verleihungen von Land zu Niessbrauch“. 691 Zit. nach Coing, Europäisches Privatrecht I, § 72 II 1. 692 Zit. nach Litewski, Landrecht des Herzogtums Preußen III, S. 127. 693 Oberländer, Lexicon, S. 305, Art. „Feudum“. 694 So für Holland auch Grotius, Inleidinge, Lib II, Tit. 41, § 35. 695 G. A. Struve, Syntagma Juris Feudalis, Cap. II § III 5.

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genständen zulässig, die nach juristischem Verständnis oder aufgrund Gesetzes Grundstücken gleichstehen (z. B. Ämter, Kirchen, Pfründengüter696 oder Regalien697).698 Mit der Übertragung des Nutzungsrechts erlangt der Lehnsmann das Nutzeigentum (dominium utile).699 Dem Lehnsherrn verbleibt das Obereigentum (dominium directum), das im deutschen usus modernus als das „wirkliche“ Eigentum gilt700, so daß ihm die „potestas superioris in re“701 und das ius vindicandi zustehen.702 Dem Vasallen steht wie einem Nießbraucher gegen unberechtigte Besitzer die an sein dingliches Nutzungsrecht703 anknüpfende rei vindicatio utilis zu.704 Georg Adam Struve und Georg Ludwig Boehmer betonen unter Hinweis auf LF II,8 dann allerdings, der Vasall könne wie ein Eigentümer und anders als der Nießbraucher die Sache selbst vindizieren.705 Im früheren usus modernus beschränkt sich der Inhalt des dominium utile eines Vasallen regelmäßig auf einen vererblichen Nießbrauch.706 Der wesentliche Grund für die Annahme von dominium utile beim Lehnsmann, nicht hingegen beim Nießbraucher, ist damit die unbegrenzte Vererblichkeit des Lehens.707 Sein Heimfall setzt – unabhängig vom Bestehen eines Leihezwangs708 – ein Aussterben der Linie des Vasallen oder Verfehlungen 696 Köbler, Lexikon der europäischen Rechtsgeschichte, S. 48 f. Stichwort „beneficium“. 697 Eisenhardt, Rdnr. 17: z. B. Zoll- oder Münzregal. – Vgl. R. Schulze, ZRG (GA), 106 (1989), 68, 90: „Im Verlaufe der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts fällt sodann die Regalienlehre ganz aus der lehnsrechtlichen Betrachtung heraus“. 698 G. A. Struve, Syntagma Juris Feudalis, Cap. II § III 5: „Civiliter immobilis est res, quae intellectu, sive lege pro immobili habetur“. 699 G. L. Boehmer, Principia Iuris Feudalis, § 2: „Feudum est dominium utile“; G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XI, § LV. 700 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XI, § LV, nennt als deutsche Begriffe für dominium directum „Eigenthum/ Eigenthümliche Gerechtigkeit“. 701 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XI, § LV: „& quidem qui retinet proprietatem ita restrictam, & superiorem in re potestatem, dicitur habere dominium directum“. 702 Coing, Europäisches Privatrecht I, § 72 IV 1. 703 Vgl. Coing, Europäisches Privatrecht I, § 54 III 1. 704 Vgl. Stryk, Usus modernus, Lib. VII, Tit. I, § III; J. H. Böhmer, Introductio II, p. 235; Coing, Europäisches Privatrecht I, § 72 V 1. 705 G. A. Struve, Syntagma Juris Feudalis, Cap. II § III 3: „potest vasallus rem ipsam vindicare“; G. L. Boehmer, Principia Iuris Feudalis, § 2 no. a: „Ususfructus vocatur II.F.23. eodem sensu ac dominium utile: namque vasallo tamquam domino tribuitur ius vindicandi, II.F.8“. 706 Z. B. von Molinaeus (vgl. Stein, Römisches Recht, S. 134). 707 Vgl. Kimminich, S. 81; Coing, Europäisches Privatrecht I, § 72 IV 3. – Zu Weiterungen des Lehnserbrechts durch die Libri Feudorum vgl. Hübner, S. 373. 708 Vgl. Goez, Leihezwang; Herberger, HRG II, Sp. 1826 ff. – Zum Sachsenspiegel H.-G. Krause, ZRG (GA) 93 (1976), 21, 92 ff.; K.-P. Schroeder, JuS 1998, 776, 780.

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wie z. B. Felonie voraus.709 Bei einer Lehnsanwartschaft710 oder Eventualbelehnung bewirkt selbst das Aussterben der Linie keinen Heimfall.711 Das Lehen ist deshalb trotz der Formulierung in LF II,23 mehr als ein bloßer Nießbrauch, weil es nicht so leicht wie dieser mit dem (Ober-)Eigentum konsolidiert.712 Ähnliche Erwägungen finden sich bei Galvanus in Bezug auf das Besitzrecht: Anders als ein Nießbraucher713 seien Superfiziar, Emphyteuta, Vasall und Precarist Eigenbesitzer; daß sie den Besitz nicht als Eigentümer inne haben, stehe nicht entgegen, weil er ihnen auf Dauer übertragen sei.714 Im Laufe des 17. Jahrhunderts verliert die Charakterisierung als vererblicher Nießbrauch für das Lehen an Bedeutung, wenngleich dieses auch im 18. Jahrhundert noch als „ususfructus“ bzw. „Nießbrauch“ bezeichnet wird. So heißt es 1727 bei Oberländer, im weiten Sinne meine „ususfructus“ auch das „utile Dominium“, „in welchem Verstand das Lehn per usumfructum beschrieben wird“.715 Georg Adam Struve gebraucht die Begriffe „ususfructus“ und „dominium utile“ sowie „jus“716 zur Kennzeichnung der Nutzungsberechtigung am Lehnsgut jeweils in Ansehung eines der drei Rechtsverhältnisse: Der Lehnsherr vergibt den „ususfructus“ der Sache, der Lehnsmann erhält an ihr das „dominium utile“ und die Beziehung zwischen beiden Personen ist dadurch gekennzeichnet, daß auch dem Lehnsmann ein „jus in re“ zusteht. Die begriffliche Unterscheidung des Nutzungsrechts aus der Sicht von Lehnsherr und -mann erinnert zwar begrifflich an die Aufteilung des „dominium“ in die „partes proprietas, ususfructus“ und die „species directum, utile“ bei Johannes Apel717, doch steht bei Struve dahinter ein veränderter Nutzeigentumsbegriff. Entscheidend ist im späteren usus 709 Vgl. Poll, S. 1 ff. (Heimfall bei Erblosigkeit) u. S. 45 ff. (Heimfall als Strafe); für Mitteis, Lehnrecht, S. 675, ist im Institut der Lehnsverwirkung seit dem Mittelalter „die Krönung des ganzen Lehnrechts zu sehen“. – Zu Einschränkungen der Lehnsverwirkung und Erweiterungen der Vererbbarkeit am Ausgung des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit Theuerkauf, S. 10 ff., 89 ff. 710 Vgl. dazu Spieß, HRG II, Sp. 1696 ff. 711 Vgl. Hübner, S. 371. 712 F. C. Harpprecht, Consultationes II, p. 1744 no. 78. 713 Galvanus, De Usufructu, p. 502. 714 Galvanus, De Usufructu, p. 504: „traditur in perpetuum“. 715 Oberländer, Lexicon, S. 728, Art. „Ususfructus“. 716 G. A. Struve, Syntagma Juris Feudalis, Cap. II § III: „Definiri verò fortassis potest hoc modo: Feudum est ususfructus in re immobili à domino proprietatem tenente, constitutus alicui se obliganti ad praestandem illi fidem. Vel: Feudum est dominium utile in re immobili à retinente dominium directum alicui constitutum, ita ut hic ad fidelitatem illi exhibendam sit obligatus. Vel: Feudum est Jus (hoc est, facultas sive potestas legitima) in re immobili à domino, alicui se ad fidem ipsi exhibendam obliganti, constitutum ita, ut possit re illa uti frui, ac de illa pro arbitrio, quodammodo restrictio & dependente ab alio disponere“.

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modernus, daß ein Nutzeigentümer neben dem ius utendi fruendi auch einen Teil der Eigentümerstellung erhält718, wenngleich noch Höpfner die Vererblichkeit als ersten Unterschied zwischen Nießbrauch und Nutzeigentum nennt.719 Wer mit einem Gebrauchs- und Nutzungsrecht am Eigentum partizipiert, hat das dominium utile.720 Diesem dominium utile zugrunde liegen können Emphyteuse, Superfizies und Lehen, nicht hingegen ein bloßer Nießbrauch.721 Dem Emphyteuta kommt demgemäß mehr als nur ein „ewiger und umfassender Nießbrauch“ zu.722 Weil auch dem Lehnsmann das dominium utile zusteht, ist das Lehen mit der Emphyteuse verwandt723, zum Nießbrauch dagegen ein aliud.724 Die Teilhabe am Eigentum äußert sich z. B. in einem Dispositionsrecht über die Sache selbst, soweit dadurch das Obereigentum gewahrt bleibt725, während einem Nießbraucher substanzverändernde Dispositionen verwehrt sind.726 Daher darf der Lehnsmann auch ein Gebäude fertig bauen und den Gegenstand auf andere Weise verändern, soweit das Lehen dadurch nicht geschmälert wird727; ihm kommt das „vollständigste Nutzungsrecht“ zu.728 Noch deutlicher wird die 717

Vgl. Stintzing, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft I, S. 294 f.; Wesener, Dingliche und persönliche Sachenrechte, S. 199. 718 Hecker, Eigentum als Sachherrschaft, S. 83 ff.; Hagemann, HRG I, Sp. 882, 893; Kroeschell, Zur Lehre vom „germanischen“ Eigentumsbegriff, S. 215. – Für Frankreich vgl. Bertram, S. 29. 719 Höpfner, Commentar, § 379. 720 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XI, § LV: „qui vero cum jure utendi fruendi concesso participat dicto modo de proprietate, dicitur habere ipsius rei sibi ita concessae dominium utile“. 721 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XI, § LV: „Ususfructus enim a proprietate separationem recipit. . . . nihilominus nudo . . . proprietario in solidum manente . . . unde usufructuarius non aliquod jus domini . . . sed servitutem in re nostri dominii consequitur. . . . dominium utile, Minder-Eigenthum/Nutzbar Eigenthum/ habet (1.) Emphyteuta . . . (2.) Superficiarius . . . (3.) Vasallus . . .“. 722 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XI, § LIV: „non solum perpetuum & plenissimum usumfructum contineat“. – Anders allerdings 1800 Johann Theodor Reinhard, der einen erblichen Nießbrauch nutzbarem Eigentum gleichsetzt (vgl. Pichler, ZNR 8 [1986], 23, 34). 723 Lauterbach, Collegium, Lib. VI, Tit. III, § XXIV: „Cognata ipsius Juris Emphyteuticarii sundt (I.) Jus Feudale . . .“. – Vgl. auch Stein, Römisches Recht, S. 106. 724 F. C. Harpprecht, Consultationes I, p. 636 no. 33. 725 G. A. Struve, Syntagma Juris Feudalis, Cap. II § III 3. 726 Besold, Delibata I, p. 571; Stryk, Usus modernus, Lib. VII, Tit. I, § III: „Est itaque dominium utile jus de utilitate fundi alieni perfecte disponendi, eamque vindicandi, in quantum salvo domino directo fieri potest. E contrario ususfructus est Jus aliena re tantum utendi fruendi salva ejus substantia“; ähnlich J. H. Böhmer, Introductio II, p. 235: „cum vindicatione & dispositione“. – A. A. Hass, S. 45 f.: Ein Vasall dürfe „das ihm überlassene Gut weder veräußern noch sonstwie in seiner Substanz oder seinem Wert verändern“, weil ihm kein „ius abutendi“ zukomme. 727 G. A. Struve, Syntagma Juris Feudalis, Cap. II § III 3.

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Partizipation an der Proprietät in der erwähnten Zuerkennung eines Vindikationsrechts auch in bezug auf die Sache selbst, nicht bloß bezüglich der Nutzungsbefugnis daran. b) Der Einfluß des gemeinen Zivilrechts auf das Lehnsrecht Für im Lehnsrecht nicht geregelte Fragen ist auf gemeines Zivilrecht und kanonisches Recht zurückzugreifen (vgl. LF II,1).729 Der Rekurs auf gemeines Nießbrauchsrecht wird vor allem im früheren usus modernus mit dem sprachlichen Argument untermauert, daß das Lehen ja dem Berechtigten einen „ususfructus“ vermittelt (LF II,23 a. E.); daher komme dem Lehnsmann wie einem Nießbraucher die Befugnis zur Vermietung des Lehnsgutes zu730 und gebühre ihm das Eigentum an den getrennten Früchten.731 Diese Einordnung des Lehens in das gemeine Nießbrauchsrecht äußert sich schließlich in der Anwendung der allgemeinen Servitutenregeln auch auf das Lehen; so stützt Brunnemann seine Verneinung eines väterlichen Nießbrauchs am Lehen des Sohnes unter anderem auf den Grundsatz „servitus servitutis esse nequit“.732 Dieser sprachliche Anknüpfungspunkt beschränkt die Rekursmöglichkeiten weitgehend auf das Nießbrauchsrecht, während die im späteren usus modernus in den Vordergrund tretende inhaltliche Verwandtschaft der dinglichen Rechtsstellung des Lehnsmannes mit derjenigen anderer Nutzeigentümer einen Rückgriff auch auf andere, das dominium utile vermittelnde Rechtsinstitute zuläßt. So gestattet Stryk aufgrund eines erst-recht-Schlusses von Emphyteuse und Superfizies zum Lehen auch einem Lehnsmann die Konstituierung von Dienstbarkeiten oder anderen dinglichen Rechten am Lehnsgut733, obwohl es sich dabei um eine eigentlich verbotene „alienatio“ handelt.734 Möglich bleibt weiterhin auch ein Schluß von den Befugnissen eines Nießbrauchers auf diejenigen des Lehnsmannes735, doch ist nicht mehr die begriffliche Identität, sondern die inhaltliche Vergleichbarkeit das wesentliche Argument. Weil aber die Herangehens728

J. W. und J. C. Breitschwert von Buchenbach, De Meliorationibus Feudi, p. 149. 729 G. A. Struve, Syntagma Juris Feudalis, Cap. I § XIV: „Denique si casus ex Jure Feudali decidi nequeat, utimur Jure Civili vel etiam Canonico“; Leyser, Meditationes II, Spec. CVI, Cor. 1: „Quum enim de hoc casu jus feudale nihil disponat, ad jus civile recurrendum est“. 730 Besold, Consilia II, Cons. LVII no. 236. 731 G. A. Struve, Syntagma Juris Feudalis, Cap. II § III 3. 732 Brunnemann, Codex, Lib. III, Tit. XXXIII, ad L. Ex Libris ult. no. 13. 733 Stryk, Usus modernus, Lib. VII, Tit. I, § V. 734 Vgl. Coing, Europäisches Privatrecht I, § 72 IV 1. 735 Vgl. Mevius, Decisiones, VII 297 no. 5 („ab Usufructuario ad vasallum valet argumentum“) und IIX 260. – Das Sachregister der 6. Aufl. von Mevius’ „Decisio-

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weise der Juristen im späteren usus modernus noch stark von den römischrechtlichen Begriffen geprägt ist, bleibt das Lehnsrecht in den zivilrechtlichen Werken dem Nießbrauchsrecht zugeordnet. Dies zeigt sich z. B. in der Anfügung an das Kapitel „De usufructu“ bei Leyser736 und entspricht der Gerichtspraxis. So entscheidet noch Mitte des 18. Jahrhunderts das RKG über die Teilung der aus einem Lehen geschuldeten Leistungen unter Bezugnahme auf Nießbrauchsrecht.737 In der von Cramer vorangestellten Fallfrage ist sogar nur von einem Nießbrauch die Rede.738 c) Das dominium directum als nuda proprietas Gegen eine Zulassung der unbegrenzte Vererblichkeit eines Nießbrauchs findet sich im usus modernus regelmäßig der Einwand, die dem Eigentümer verbleibende „nuda proprietas“ sei nutzlos, wenn sie dauerhaft von jeder Nutzungsmöglichkeit abgetrennt sei (vgl. Dig. 7.1.56).739 Obwohl mit dem Lehen aber gerade das ius utendi fruendi grundsätzlich unbegrenzt vom dominium directum separiert wird, so daß nur noch die nuda proprietas übrig bleibt740, gilt dieses nicht als nutzlose Hülse.741 2. Pflichten des Lehnsmannes Der Vasall schuldet dem Lehnsherrn „Hoffahrt und Heerfahrt“ („consilium et auxilium“).742 Auch wenn die militärische Hilfspflicht mit dem Aufkommen stehender Heere an Bedeutung verliert743, bleibt sie im frühenes“ weist nur fünf Einträge zu „Ususfructus“ auf; systematisch Dig. 7 zugeordnet sind aber auch die weit zahlreicheren Entscheidungen zum Lehnsrecht. 736 Meditationes II, Spec. CVI, Cor. 1. 737 Vgl. Cramer, Wetzlarische Nebenstunden 41, S. 109 ff. 738 Cramer, Wetzlarische Nebenstunden 41, S. 109. 739 Perez, Digesten, p. 146: „ususfructus, hic enim non potest semper durare, & a proprietate se junctus esse, alias esset inutilis proprietas“. 740 G. L. Boehmer, Principia, § 251: „Domini directi vero ius nullum est in usu et fructu feudi concurrendi, nisi ipsi sit speciatim reservatum“. – Hass, S. 45, spricht von einem „mit dem römischen bloßen Eigentum vergleichbaren Recht“. 741 Umgekehrt soll in Frankreich die an volles Eigentum angenäherte Rechtsstellung des Vasallen derart durch Feudallasten überlagert gewesen sein, daß diesem nur eine „leere Hülle“ geblieben sei (so Bertram, S. 42). 742 Coing, Europäisches Privatrecht I, § 72 V 1. 743 Hübner, S. 376. – Gegen eine Ablösung persönlicher Dienstpflichten der Vasallen durch Steuerzahlungen wehrt sich zu Beginn des 16. Jahrhunderts die Reichsritterschaft (vgl. Willoweit, Verfassungsgeschichte, § 16 II 5). Ein moderneres Gewand erhält der Waffendienst des Vasallen bei Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 41, § 42, der die Pflicht zur Landesverteidigung („Landweer“) von derjenige zur Heerfolge außerhalb der Grenzen unterscheidet.

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ren usus modernus charakteristisch für ein Lehen, weshalb dieses als peculium castrense vel quasi castrense nicht dem väterlichen Nießbrauch an den Adventitiengütern unterfällt.744 Eine Lehnsfolge in weiblicher Linie ist nur bei „Weiberlehen“745 anerkannt.746 Auch die Bedeutung der Beratungspflicht nimmt bereits im 15. Jahrhundert ab; der Lehnsherr bedient sich zumeist ständiger Berater.747 Relevant bleibt damit im usus modernus vor allem die Treuepflicht des Vasallen. Auf diese beschränken sich dann auch viele Lehnsdefinitionen im späteren usus modernus, wobei aus der ursprünglich gegenseitigen Treuepflicht die des Vasallen zur Gegenleistung für das Lehen wird748; die Herrentreue folgt daraus allenfalls „per consequentiam“749 und findet schließlich gar keine Erwähnung mehr.750 Daneben gewinnen mit der Verdinglichung des Lehnswesens die Pflichten des Vasallen zur substantiellen Erhaltung des Lehnsgutes und Wahrung des Obereigentums des Lehnsherren an Gewicht751, ohne daß dies in den Definitionen des Lehens zum Ausdruck gekommen wäre.

744 Das ist noch im usus modernus das Leitbild des Lehnswesens; vgl. J. Harpprecht, Commentar II, col. 381, no. 32; Besold, Delibata I, p. 581: „Feuda enim militiae intuitu dantur, & etiam Militiae vocantur: sicque naturam peculio castrensis, vel quasi castrensis habent, in quo patri non competit ususfructus“. – Die lehnsrechtliche Pflicht der Reichsvasallen zur Kriegsteilnahme wurde 1521 durch Matrikularbeiträge der Reichsstände abgelöst (Duchhardt, S. 106). Auf der niedrigeren Lehnsebene werden auf militärischem Gebiet „noch im 17. Jahrhundert Lehnsdienste gefordert und persönlich geleistet, wenn auch die Ablösung durch Geldzahlung die Regel war“ (Spieß, HRG II, Sp. 1725, 1737 f. u. 1703, 1704). Im preußischen Landrecht von 1620 sind noch militärische Dienstpflichten statuiert (vgl. Litewski, Landrecht des Herzogtums Preussen III, S. 127) und selbst im 18. und 19. Jahrhundert wird weiter auf diese Pflichten hingewiesen (vgl. R. Schulze, ZRG [GA] 106 [1989], 68, 78). – In Frankreich resultierte aus der Ablösung älterer Rechte durch Geldzahlungen seit dem Spätmitteltalter eine für den Vasallen drückende Abgabenlast (Bertram, S. 25 ff.). 745 Dazu E. Koch, HRG V, Sp. 1206 ff. 746 Spieß, HRG II, Sp. 1710 f. 747 Vgl. Duchhardt, S. 56. 748 G. L. Boehmer, Principia Iuris Feudalis, § 2: „Feudum est dominium utile, quod, reservato dominio directo, alteri conceditur sub obligatione mutuae fidelitatis specialis“. – Vgl. auch R. Schulze, ZRG (GA) 106 (1989), 68, 86. 749 G. A. Struve, Syntagma Juris Feudalis, Cap. II § V; R. Schulze, ZRG (GA) 106 (1989), 68, 86 Fn. 60 unter Hinweis auf Stryk. 750 So bei B. G. Struve, Elementa Iuris Feudalis, § VI. 751 Spieß, HRG II, Sp. 1722, 1723 f.

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3. Die Gegenseitigkeit von dinglicher Berechtigung und persönlicher Pflicht Wesentlich für das Lehnsverhältnis bleibt in der frühen Neuzeit das Gegenseitigkeitsverhältnis von dinglichem Recht und Vasallenpflichten. Der Vasall erhält das Lehnsgut bedingt durch die Erfüllung seiner lehnsrechtlichen Pflichten.752 Das Benefizium gibt dem Lehnsmann jedenfalls in der Theorie erst die materielle Grundlage zur Erfüllung seiner Pflichten.753 Darin liegt für die Juristen des usus modernus ein weiteres Argument gegen einen väterlichen Nießbrauch am Lehen des Sohnes: Der Nutzen des Lehnsguts gebührt demjenigen, der auch die Dienste schuldet. Wenn der Lehnsherr den Sohn zum Vasallen wählt, muß dieser und nicht sein Vater die Dienste erbringen.754 Leyser macht für den Kauf eines Lehnsgutes mit Mitteln des Sohnes eine Ausnahme, weil für diesen im Lehnsrecht ungeregelten Fall auf Zivilrecht zurückzugreifen sei.755 Letztlich spricht für diese Ausnahme aber auch, daß ein Verkauf des Lehens regelmäßig nur mit Zustimmung des Lehnsherrn zulässig ist.756 Die Gegenseitigkeit von dinglicher Berechtigung und Vasallenpflichten heben auch diejenigen Juristen des usus modernus hervor, die dem Lehnsmann nur noch eine allgemeine Treuepflicht auferlegen. Ganz deutlich wird dies in der Definition des Lehens bei Burkard Gotthelf Struve als „eine Sache, an der Nutzeigentum anstelle eines Lohnes für fortwährende Treue eingeräumt ist“757; essentialia eines Lehens seien die zu leistende Treue, der nutznießliche Gegenstand und, daß dieser als Lohn für jene gewährt sei758, bzw. Nutzeigentum an einer Immobilie unter der Verpflichtung zu erweisender Treue.759 Es gebe nämlich auch Berechtigungen (wie das Meierrecht), die Nutzeigentum oder Nießbrauch gewähren und zur Treue 752

Vgl. Olzen, JuS 1984, 328, 333. Vgl. für die Pfründe das Rechtssprichwort „Beneficium datur propter officium“ (H.-J. Becker, HRG III, Sp. 1743 f.). 754 Besold, Delibata I, p. 581 s.: „Insuper feuda non debent alii acquiri, nec eorum emolumentum ad alium pervenire, quam ad eum, qui servitia praestare tenetur: & cujus quasi industriam hac in parte Dominus elegit, ipse nempe filius Vasallus, qui quoque, si ususfructus ad Patrem perveniret, nil de feudo haberet: quia feudi commoditas ad instar est ususfructus“; Brunnemann, Codex, Lib. III, Tit. XXXIII, ad L. Ex Libris ult. no. 13. 755 Leyser, Meditationes II, Spec. CVI, Cor. 1: „Communis opinio, quod patri ususfructus feudi a filiofamilias adquisiti non competat, . . . restringenda est ad casum, quo princeps filio feum donavit . . . At si feudum pecunia filii emtum sit, aut aliunde ad eum pervenerit, patri ususfructus denegari nequit. Quum enim de hoc casu jus feudale nihil disponat, ad jus civile recurerendum est“. 756 Für Hohenlohe vgl. Bechstein, S. 67 f. 757 B. G. Struve, Elementa Iuris Feudalis, § VI: „Res in dominium vtile pro fidelitate praestanda loco salarii concessa“. 753

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verpflichten, ohne daß die Treue als Lohn für das Nutzungsrecht anzusehen sei.760 Wenngleich es damit für ein Lehen nicht mehr darauf ankommen soll, daß der Vasall „dagegen dem Lehns-Herrn getreulich diene“761, bleibt als dessen Gegenleistung immerhin die fortwährende Treuepflicht wesensbestimmend, was sich auch in der Diskussion darüber zeigt, ob der Begriff „feudum“ sich vom lateinischen „fides“ herleiten läßt.762 Aufgrund der Verbindung der sachenrechtlichen Befugnis am Lehnsgut mit den persönlichen Pflichten als Vasall ist, anders als ein dauerhaft vom Eigentum gelöster Nießbrauch, das dominium directum für den Lehnsherrn nicht wertlos. Er selbst kann zwar nicht auf die Nutzungen der Sache zurückgreifen, dafür schuldet ihm der Vasall aber Dienst und Treue. Nach dem Tod des Lehnsmannes bewirkt die Erblichkeit des Lehens einen Übergang der Nutzungsberechtigung auf dessen Erben, doch ist dieser zuvor zu Unterwerfung und Huldigung verpflichtet. Der Lehnsherr kann bei Verweigerung des Treueides die Lehnserneuerung763 verweigern764; ein späterer Treubruch des Vasallen berechtigt ihn zur Einziehung des Lehens, so daß das Treueband während des gesamten Lehnsverhältnisses gewahrt bleibt. Damit fließt dem Lehnsherrn, anders als dem Eigentümer nach Bestellung eines Nießbrauchs, jedenfalls in der Theorie eine fortdauernde Gegenleistung in Form zu haltender Treue zu, die den verlorenen Nutzen aus dem Lehnsgut surrogieren kann. Doch liegt in dieser Gegenleistung sicher nicht 758

B. G. Struve, Elementa Iuris Feudalis, § VII: „Sunt vero tria essentialia I) fidelitas praestatio, II) res, cuius vtilitas alicui est concessa & quidem III) loco salarii pro fidelitate“. 759 G. A. Struve, Syntagma Juris Feudalis, Cap. II § V: „Substantialia sive essentialia feudi distingui possunt in ea, quae ipsam essentiam consistuunt; & ea, quae essentiam necessario consequuntur: Ad illa pertinet, quod (1) non plena proprietas, neque etiam nudus ususfructus, sed utile dominium sit alicui constitutum: & quidem (2) in re immobili; (3) sub obligatione ad fidem exhibendam. Ad haec spectat fides, quam dominus debet vasallo“. 760 B. G. Struve, Elementa Iuris Feudalis, § VII, No. a): „Tertium hocce addo essentiale, quia fieri potest, vt quis habeat vsumfructum seu dominium vtile, ac quoque fidelitatem praestet, & tamen eius praedium non sit feudum, quia dominium vtile non est concessum pro fidelitate, tanquam merces. Sit exemplo Meiericum praedium“. – Zum Treueverhältnis als „nexus feudalis“ in Abgrenzung zu bäuerlichen Leiheverhältnissen vgl. R. Schulze, ZRG (GA), 106 (1989), 68, 79 ff.; Ogris, HRG II, Sp. 1819, 1824. 761 So Oberländer, Lexicon, S. 305 Art. „Feudum“. 762 Vgl. G. A. Struve, Syntagma Juris Feudalis, Cap. II § I 3, der alternativ eine Ableitung vom deutschen Begriff „Fehde“ oder vom gothischen Begriff „fa“ (Güter) diskutiert. – Heute geht man davon aus, daß „feudum“ sich von althochdeutsch „fihu“ (Vieh) herleitet (vgl. Köbler, Lexikon der europäischen Rechtsgeschichte, S. 149 Stichwort „feudum“). 763 Dazu Spieß, HRG II, Sp. 1708 ff. 764 Vgl. Coing, Europäisches Privatrecht I, § 72 III 4.

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der einzige Grund für die Zulassung einer dauerhaft vom Eigentum getrennten Nutzungsmöglichkeit von Lehnsmann, Emphyteuta und Superfiziar. Daß die Nutzlosigkeit der „nuda proprietas“ bei dauerhafter Weggabe des „ususfructus“ nur in Bezug auf den Nießbrauch, nicht aber auch für andere dingliche – zeitlich und teilweise sogar inhaltlich weitergehende – Nutzungsrechte überhaupt Erwähnung findet, zeigt vielmehr, daß die Juristen im usus modernus selbstverständlich von der Zulässigkeit einer solchen gestaffelten dinglichen Berechtigung vor allem an Grund und Boden ausgehen, bei der dem Obereigentümer das dominium directum und dem Untereigentümer das dominium utile zusteht. Der enge Bezug zur Rechtsstellung an Immobilien zeigt sich nicht nur beim Lehen; für Stryk z. B. beschränkt sich Nutzeigentum sogar definitionsgemäß auf Grundstücke.765 Daher ist es für die frühneuzeitlichen Juristen auch kein Problem, daß die Gegenleistung für den Verlust der Nutzungsmöglichkeit nicht nur beim Lehen teilweise nur noch symbolische Gestalt annimmt. Ihre Funktion besteht nicht in der Schaffung eines wertgleichen Äquivalents; so heißt es bei Georg Adam Struve in Bezug auf die Emphyteuse, der Berechtigte erhalte das Nutzeigentum unter der Bedingung, daß er in Anerkennung des Obereigentums einen bestimmten Zins bezahlt.766 Die gleiche Funktion kommt beim Lehen in der frühen Neuzeit der Unterwerfung des Vasallen und der folgenden Treuepflicht zu, die mangels zu leistender Dienste keinen wirtschaftlichen Wert mehr hat, aber weiter das hinter dem geteilten Eigentum in der frühen Neuzeit stehende Über- und Unterordnungsverhältnis manifestiert. Wer sich gegen seinen Lehnsherrn auflehnt, riskiert seine (Nutz-)Eigentümerposition. Das Lehen ist damit nicht nur personenrechtlich, sondern auch in seiner Staffelung über- und untergeordneter Berechtigungen an Grund und Boden eng mit der ständischen Gesellschaft des Ancièn Regime verwoben.767 So ist es kein Wunder, daß mit Thibaut gerade ein Verfechter der bürgerlichen Gesellschaft die Figur des geteilten Eigentums in Frage stellt.768

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Vgl. Stryk, Usus modernus, Lib. VII Tit. I, § III. G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XI, § LIII: „emphyteusis est dominium utile in re immobili a domino, sub conditione certae pensionis in recognitionem dominii directi solvendae, alicui concessum“. 767 Vgl. Hattenhauer, Grundbegriffe, S. 132 f. – Zur Bedeutung der Grundeigentumsproblematik für den Ausbruch der französischen Revolution Bertram, S. 43 ff. 768 Einzelheiten dazu in Teil II C § 2 I. 766

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C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten § 1 Stadt- und Landrechte im usus modernus I. Partikulargesetzgebung in der frühen Neuzeit Die Verwissenschaftlichung des Rechts in Deutschland bewirkt, zusammen mit Ansätzen zur Ausbildung der Landesherrschaft769, eine zunehmende Gesetzgebungstätigkeit in den Städten770 und Territorien des Hl. Römischen Reiches.771 Der Einfluß gelehrter Juristen auf die Stadtrechte seit dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts772 – nunmehr als Reformationen bezeichnet773 – und im 16. Jahrhundert auch auf die Landrechte774 ist ein wesentlicher Faktor für den Abschluß der Rezeption in Deutschland. Mit der Partikulargesetzgebung wird eine Befestigung und Berichtigung des römisch-gemeinen Rechts775 sowie in Einzelbereichen auch dessen Verbindung mit dem Landesbrauch angestrebt.776 Unterschieden werden in der folgenden Darstellung die Partikularrechte777 der Rezeptionszeit von denen des späteren usus modernus ab Mitte des 17. Jahrhunderts778, nicht dagegen inhaltlich die „Prozeßrechte“ von den „vollständigen Kodifikationen“.779 Unberücksichtigt bleiben die Polizeiordnungen. Soweit diese neben Formvorschriften für güterrechtliche Verträge780 auch Regelungen über ein Nutznießungsrecht des Mannes am 769

Vgl. Stolleis, ZRG (GA) 101 (1984), 89, 101. Zu den mittelalterlichen Stadtrechten Dilcher, JuS 1989, 875 ff., und ders., in: Bader/Dilcher, S. 600 ff. u. 784 ff. (zu den Stadtrechtsreformationen). 771 Dazu Thieme, JuS 1981, 549 ff. 772 Coing, Römisches Recht in Deutschland, S. 107 f., bezeichnet als „romanisierende Stadtrechtsreformationen“ die von Nürnberg (1479), Worms (1498), Frankfurt (1509) und Freiburg (1520). 773 Vgl. A. Wolf, Gesetzgebung in Europa, S. 611 f.; Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte 2, S. 232 ff. 774 Coing, Römisches Recht in Deutschland, S. 103, benennt hierfür u. a. die Landrechtsreformationen von Bayern (1518) und Württemberg (1555) sowie die kursächsischen Konstitutionen (1572). 775 Vgl. Schiemann, Usus modernus, S. 161 m. w. N. 776 So Dilcher, ZEuP 1994, 446, 449. 777 Gemeint im Sinne von leges particulares, die dem ius commune als lex universalis gegenüberstehen (vgl. Trusen, Römisches und partikuläres Recht, S. 100). 778 Vgl. Schiemann, Usus modernus, S. 162, wonach – anders als im 18. Jahrhundert (vgl. Fn. 26) – „die Gesetzgeber des 16. und 17. Jahrhunderts in Deutschland für sich kein Rechtsmonopol beanspruchten“. 779 Vgl. zu diesem Differenzierungskriterium Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte 2, S. 232. 780 Hierzu Schmelzeisen, S. 64 f. 770

C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten

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Frauengut enthalten, geht es vor allem um die güterrechtlichen Folgen einer Eheauflösung781; die Magdeburger Polizeiordnung von 1688 statuiert ein väterliches Nutzungsrecht am Kindesvermögen, das denen der untersuchten Partikularrechte entspricht.782 II. Das Verhältnis von partikularem und gemeinem Recht Mit dem partikularen und gemeinen Recht stehen sich in der frühen Neuzeit zwei Rechtskreise gegenüber; die Suche nach der „richtigen“ Rechtsquelle ist charakteristisch für den usus modernus.783 Gemäß § 3 RKGO784 gebührt dem Partikularrecht Vorrang vor dem subsidiär geltenden gemeinen Recht. Nach der rezipierten italienischen Statutentheorie sind die Statuten aber eng und nur im Sinne des römischen Rechts auszulegen.785 Dieses Spannungsverhältnis zwischen der Subsidiarität des gemeinen Rechts und dem Grundsatz „statuta sunt stricte interpretanda“786 wird hier für den Nießbrauch untersucht. Keine Rolle spielen dabei Beweisregeln, wonach dem gemeinen Recht eine „fundata intentio“ zukommen soll, weil eine solche auch für geschriebenes Partikularrecht streitet787 oder dieses wegen seiner problemlosen Nachweisbarkeit die „fundata intentio“ des gemeinen Rechts stets entkräften kann. Für den englischen Juristen Arthur Duck (1580–1648)788 ist es einhellige Meinung in Deutschland, daß lokale Statuten im Sinne des gemeinen 781

Vgl. Schmelzeisen, S. 63. Vgl. Schmelzeisen, S. 77 f. 783 Wiegand, Rechtsquellen, S. 237 f. 784 Nach § 3 RKGO von 1495 haben die Beisitzer am RKG zu urteilen „nach des Reichs gemeinen Rechten, auch nach redlich erbern und leidlichen Ordnungen, Statuten und Gewohnheiten der Fürstentumb, Herrschaften und Gerichte, die für sie pracht werden“ (zit. nach Wesenberg/Wesener, S. 84). – Zur Geschichte des RKG Diestelkamp, Rechtsfälle, S. 11 ff. Das RKG hatte immer wieder über die Rechtsverhältnisse bei einem Nießbrauch zu befinden; so finden sich im Hamburger Inventar fünf Registereintragungen zu „Nießbrauch (usus fructus)“ (vgl. Stein-Stegemann, Teil 4, S. 1684), im Register des Frankfurter Inventars sogar 31 zu „Nießbrauch/Nutznießung/Nutzungsrecht (Ususfructus)“ (vgl. Kaltwasser, S. 1223). 785 Coing, Europäisches Privatrecht I, § 16 III, IV; Trusen, Römisches und partikuläres Recht, S. 101 ff.; Wesel, Rdnr. 247; Dilcher, in: Bader/Dilcher, S. 766; Luig, Conring, S. 358 ff. 786 Vgl. Trusen, Römisches und partikuläres Recht, S. 109 ff. (zu weiteren Auslegungsgrundsätzen deutscher Rechtsgelehrter im 16. und 17. Jahrhundert insbes. Fn. 54); Diestelkamp, Krise des Reichsrechts, S. 497. 787 Wiegand, Zur Herkunft und Ausbreitung der Formel „habere fundatam intentionem“, S. 163. 788 Dazu Horn, Römisches Recht als gemeineuropäisches Recht, und Stein, Römisches Recht, S. 169. 782

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

Rechts auszulegen und abweichende Bestimmungen „strictissime interpretanda“ seien.789 David Mevius (1609–1670)790 begreift dagegen erstmals die Partikularrechte als eigene Systeme791, so daß Statuten vorrangig aus sich heraus und dann unter Zugrundelegung verwandter Partikularrechte – in Bezug auf das lübische etwa das sächsische Recht792 – auszulegen sind. Selbst bei ausdrücklichem Verweis auf gemeines Recht793 steht eine Interpretation in dessen Sinne erst an letzter Stelle.794 Gemeines Recht ist jedoch immer dann unmittelbar anzuwenden, wenn im Partikularrecht Bestimmungen zu einem Rechtsinstitut gänzlich fehlen.795 Die Geltung der Statuten wird vermutet.796 Ihre Unanwendbarkeit bedarf des Beweises eines gegenteiligen Gerichtsgebrauchs, nicht eines bloßen „non usus“ des Statutarrechts.797

§ 2 Vorgeschichte und Rahmenbedingungen Die Partikulargesetzgebung in der frühen Neuzeit beschränkt sich im Privatrecht zumeist auf das Vertrags-, Familien- und Erbrecht.798 Demgemäß finden sich Bestimmungen zum Nießbrauch als Kaufgegenstand in einigen und zu familien- und erbrechtlichen Nutznießungsrechten in nahezu allen Partikularrechten. Lazarus Carl v. Wolckern konstatiert hierzu 1737799: „Da nun bey diesen also mercklich varirenden sowohl Teutschen als Römischen Rechten die höchste Nothdurfft erfordern wolle, durch Statuta dießfalls gewiese und richtige Vorsehung zuthun, auch dahero fast kein Land anzutreffen seyn wird, welches nicht dießfalls besondere Verordnung hätte ergehen lassen.“

Statutarische Nutzungsrechte sind Teil des gesetzlichen Erbrechts des überlebenden Ehegatten („portio statutaria“800). Die deutschen Begriffe sind nicht einheitlich: Beisitz, Leibzucht, Nießung, Nießbrauch, Gebrauch und Nutzung etc.801 Vor Erlaß der Partikularrechte war die Rechtslage in 789 Duck, De Usu, p. 173 s. – Vgl. Horn, Römisches Recht als gemeineuropäisches Recht, S. 176 f. 790 Zu diesem Stintzing/Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft II, S. 112 ff. 791 Stintzing/Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft II, S. 23. 792 Stintzing/Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft II, S. 126. 793 Mevius, Commentar, p. 43 no. 26. 794 Mevius, Commentar, p. 43 no. 32. 795 Mevius, Commentar, p. 32 no. 37 ss. – Vgl. auch Stintzing/Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft II, S. 126. 796 Mevius, Commentar, p. 30 no. 10. 797 Mevius, Commentar, p. 30 no. 18. 798 Immel, S. 74. 799 Wolckern, Commentatio, § V zu XXXIII (Teil III, S. 146). 800 Vgl. Coing, Europäisches Privatrecht I, § 129 IV 2 d.

C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten

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Deutschland auf dem Gebiet des Erb- und Familienrechts höchst unterschiedlich.802 Das römische Recht als von den gelehrten Juristen vielfach bevorzugte Rechtsquelle803 enthielt hierzu nur wenige und zumeist als unbefriedigend empfundene Regelungen, doch bilden beide Rechtsquellen den Rahmen für die partikularrechtlichen Regelungen. I. Erb- und familienrechtliche Regelungen des älteren deutschen Rechts In den Stadt- und Landrechten der Rezeptionszeit sind die familiären Nutzungsrechte und selbst das gesamthänderische Anwachsungsrecht des überlebenden Ehegatten bei Gütergemeinschaft Teil des Erbrechts.804 Die Vorstellung, die Versorgung des überlebenden Ehegatten wurzele in der Rechtsgemeinschaft der Eheleute zu Lebzeiten, führt erst im Bayerischen Landrecht von 1616 zur Zuordnung des Ehegattenerbrechts zum Familienrecht.805 Die Erbfolge nach dem Tode eines Ehegatten im älterenen deutschen Recht richtete sich bei verdingter Ehe nach vertraglichem, anderenfalls nach gesetzlichem Güterrecht. Eheverträge drängten das gesetzliche Güterrecht weitgehend zurück; in ihnen kam vielfach fortwirkendes Gewohnheitsrecht zum Ausdruck.806 Es gab eine Vielzahl im einzelnen unterschiedlicher Güterstände, deren Grundmuster sich aber auf die zwei Modelle einer Verwaltungsgemeinschaft mit getrennter Vermögenszuordnung sowie einer beschränkten oder allgemeinen Gütergemeinschaft reduzieren läßt.807 Unabhängig von der Vermögenszuordnung hatte der Mann immer die Muntgewalt (auch) am Frauen- bzw. Gemeinschaftsvermögen und konnte mit dessen Erträgen die Aufwendungen der Ehe bestreiten.808

801

Vgl. Sendler, Rechtssprache 2, S. 642 ff. Vgl. für die Rechtslage in Württemberg vor Erlaß des WLR 1555 Hess, S. 22 ff.; anders Hübner, S. 686, der für das Ehegüter- und Erbrecht von einer noch gesteigerten Zersplitterung der Rechtssysteme durch Rezeption und Partikulargesetzgebung ausgeht. 803 Vgl. Stintzing, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft I, S. 538 f. 804 Hübner, S. 684 f.; Mitteis/Lieberich, Deutsches Privatrecht, § 56 I 1. 805 Helml, S. 111. 806 Hübner, S. 673 f. 807 Hübner, S. 669 ff. 808 Hübner, S. 672 f.; vgl. auch Richard Schröder, Geschichte des ehelichen Güterrechts II/2, S. 7 f. 802

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

1. Nutznießungsrechte als Bestandteil des Ehegüterrechts Als gesetzlicher Güterstand bestand die Verwaltungsgemeinschaft mit der Bindung vor allem des Grundeigentums an die Familie hauptsächlich im ländlichen Raum, während das Wirtschaftsleben in den Städten Formen der Gütergemeinschaft begünstigte.809 Statuierten einzelne Rechte beide Güterstände, galt Verwaltungsgemeinschaft regelmäßig bei unbeerbter (kinderloser) und Gütergemeinschaft bei beerbter Ehe.810 a) Verwaltungsgemeinschaft Bei der Verwaltungsgemeinschaft blieb das Vermögen nach Herkunft oder wirtschaftlichem Verwendungszweck als Mannes- und Frauengut geschieden; dem Mann stand die Verwaltung und Nutzung des Gesamtvermögens zu.811 Mit dem Tod eines Ehegatten wurde dann nach der jeweiligen Zuordnung die Vermögensmasse aufgeteilt.812 Im Gebiet des ostfälischen Rechts war es darüber hinaus üblich, daß der Mann bei der Eheschließung der Frau zur Versorgung vertraglich eine Leibzucht bestellte, die ihr auf Lebenszeit ein dingliches Nutzungsrecht an einer Sache gewährte.813 Eigentümer blieb der Mann, der aber in seiner Verfügungsfreiheit beschränkt war. Seine Erben mußten die Sache der Witwe zu lebenslänglicher Nutznießung überlassen.814 Neben Nutzungsrechten des überlebenden Ehegatten an Teilen der Erbschaft bestanden solche zugunsten der Frau bereits während der Ehe am Dotalgut, den Zuwendungen des Mannes anläßlich der Eheschließung.815 Die Rechtsstellung der Frau konnte im Dotalvertrag als Eigentum, Nießbrauch oder anwartschaftliche Gewere ausgestaltet sein.816 Mit ihrem Tod fiel das Dotalgut regelmäßig an die Kinder; dem Vater blieb ein lebenslanges Nutzungsrecht.817 Bei Vorversterben des Mannes fiel die Dos an die Frau, der hieran Eigentum in der Art eines lebenslänglichen Nießbrauchs zukam. Bei beerbter Ehe hatte die Witwe einen lebenslangen Nießbrauch, der nicht mit ihrer Wiederverheiratung endete.818 809

Hübner, S. 670. Hübner, S. 679. 811 Hübner, S. 674 ff. 812 Hübner, S. 676 f. 813 Köbler, Lexikon der europäischen Rechtsgeschichte, S. 334 Stichwort „Leibzucht“. – Vgl. auch Brauneder, HRG II, Sp. 1805 ff. 814 Hübner, S. 677 f. 815 Ogris, HRG I, Sp. 775 ff. 816 Ogris, HRG I, Sp. 775, 777. 817 Ogris, HRG I, Sp. 775, 777. 818 Ogris, HRG I, Sp. 775, 777 f. 810

C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten

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b) Gütergemeinschaft Bei Gütergemeinschaft hatte der Mann als „Haupt der ehelichen Gemeinschaft Verwaltung, Nutznießung und Verfügung hinsichtlich des Gesamtguts“.819 Beschränkte und allgemeine Gütergemeinschaft unterschieden sich danach, ob nur ein Teil oder das gesamte Vermögen in die Gemeinschaft fielen. In beiden Fällen mußte das gemeinschaftliche Vermögen mit Ende der Ehe geteilt werden. Häufig erhielt der Witwer zwei Drittel, die Witwe nur eines (Schwert- bzw. Kunkelteil); neuere Entwicklungen führten zur Halbteilung des Vermögens. Am übrigen Teil, den die Kinder oder andere Verwandte erbten, erhielt der überlebende Ehegatte vielfach eine Leibzucht; Fahrnis erlangte er häufig vollständig, und selbst bei allgemeiner Gütergemeinschaft sahen einzelne Rechte von einer Teilung nach dem Tode eines Ehegatten ab, so daß dem Überlebenden nach den Grundsätzen des Gesamthandsrechts der Teil des Verstorbenen anwachsen sollte („längst Leib, längst Gut“).820 Vor allem nach beerbter Ehe war bei Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft der überlebende Ehegatte häufig in seiner Eigentümerstellung an bestimmten Teilen des früheren Gemeinschaftsvermögens durch ein Verfangenschaftsrecht der Kinder beschränkt. Das aus dem Anwachsungsrecht des überlebenden Mitglieds der Gemeinschaft resultierende Eigentum des überlebenden Ehegatten am gesamten Gemeinschaftsvermögen wandelte sich dadurch „in ein zeitlich beschränktes, nur lebenslängliches Eigentum, hinter dem der unentziehbare Anspruch der Kinder stand“.821 Zunächst überdauerte dieses Recht des überlebenden Ehegatten auch dessen Wiederverheiratung, wobei aber den Kindern aus zweiter Ehe am Verfangenschaftsgut keine Rechte zustanden. Diese Ungleichbehandlung der Kinder aus erster und zweiter Ehe mündete schließlich in Bestimmungen, die den überlebenden Elternteil mit Eingehung der zweiten Ehe zur Teilung mit seinen Kindern verpflichteten.822 2. Letztwillige Nutznießungsrechte Dem älteren fränkischen Recht war eine Erbberechtigung des überlebenden Ehegatten ebenso fremd gewesen wie die Möglichkeit letztwilliger Verfügungen823: „Das Gut rinnt wie das Blut“824. Im Verlauf des Mittelalters setzte sich die Auffassung durch, daß (auch) der überlebende Ehegatte am 819 820 821 822 823

Hübner, S. 680. Hübner, S. 684 f. Hübner, S. 682. Hübner, S. 681 f. Eisenhardt, Rdnr. 93; Mitteis/Lieberich, Deutsches Privatrecht, § 54 II 2 a.

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

Erbe partizipieren soll. In den Städten blieb teilweise nach dem Tod eines Ehegatten nur noch das Erbgut, das vom Erblasser geerbte im Gegensatz zum erworbenen Gut825, und manchmal nicht einmal mehr dieses in der Familie.826 Für einen Verkauf von Eigen wurde vor allem in den Städten der Übertragende von der Verpflichtung zur Zustimmung aller Erben (Erbenlaub) befreit. Diesen blieb mit dem Näherrecht die Befugnis, nach dem Tod des Erblassers den Gegenstand auszulösen.827 In der zweiten Hälfte des Mittelalters möglich geworden sind letztwillige Verfügungen828, was die Möglichkeit von Nießbrauchsvermächtnissen außerhalb gesetzlicher Erbfolge eröffnete. Vorangegangen war die Zulassung von Vergabungen von Todes wegen, sofort wirksamer Übertragungen von Gegenständen unter Vorbehalt eines lebenslangen Nutzungsrechts, von Schenkungen auf den Todesfall829 und Erbverträgen.830 Eine geradezu sprichwörtliche Ablehnung gegen eine Abkehr von den gesetzlichen Erben („Wer will wohl und selig sterben, laß sein Gut den rechten Erben“831), läßt aber erkennen, daß eine Abweichung von der gesetzlichen Erbfolge in Deutschland als untunlich galt und daher in der Praxis hinter diese zurücktrat.832 Weil das Intestaterbrecht aber vor allem dem Schutz der näheren Familienangehörigen des Verstorbenen dienen sollte, bestand teilweise sogar nur bei deren Fehlen Testierfreiheit.833 3. Das Altenteil Schließlich kannte das ältere deutsche Recht auch das „Altenteil“, das der Versorgung des Altbauern diente und dinglich am Hof haftete.834

824 Eisenhardt, Rdnr. 93; vgl. auch Schmidt-Wiegand, S. 54: „Allzeit soll das nächste Blut das nächste sein auch zu dem Gut“. 825 Köbler, Lexikon der europäischen Rechtsgeschichte, S. 131 Stichwort „Erbgut“. 826 Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte 2, S. 76. – Der Grundsatz „paterna paternis, materna maternis“ ist auch in der frühen Neuzeit noch geläufig (vgl. Coing, Europäisches Privatrecht I, § 129 IV 2 b). 827 Hübner, S. 422; Köbler, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 124. 828 Hübner, S. 792 ff. 829 Olzen, Erbfolge, S. 49 ff.; Hübner, S. 785 ff.; Mitteis/Lieberich, Deutsches Privatrecht, § 57 I 2; Wesel, Rdnr. 226. 830 Vgl. Hübner, S. 788 ff.; Mitteis/Lieberich, Deutsches Privatrecht, § 57 III 1. 831 Vgl. Schmidt-Wiegand, S. 96. 832 Mitteis/Lieberich, Deutsches Privatrecht, § 54 IV 1. 833 Eisenhardt, Rdnr. 93. 834 Vgl. Bungenstock, HRG I, Sp. 133 f.

C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten

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II. Das römische Erb- und Familienrecht Eine Gütergemeinschaft war dem justinianischen Recht unbekannt.835 Die Vermögensmassen der Ehegatten blieben getrennt; etwas anderes galt nur für die dos der Ehefrau und die donatio propter nuptiam des Ehemannes sowie die Paraphernalgüter der Frau836. An der dos gebührte dem Ehemann formales (nicht nur geteiltes)837 Eigentum, dessen Inhalt aber über einen Nießbrauch kaum hinausreichte.838 Nach dem Tod des Mannes erhielt die Frau die dos zurück; starb sie vor ihm, erhielt dieser neben den Kindern einen als „ususfructus“ bezeichneten qualifizierten Nießbrauch.839 Auch die donatio propter nuptiam des Mannes, vereinzelt bezeichnet als Morgengabe840, wurde während der Ehe von diesem verwaltet841 und diente der Versorgung der Witwe sowie dem Erhalt des Gutes für die Kinder.842 Nov. 98.1 gestand der Frau nach dem Tod des Mannes nur den Nießbrauch zu; das Eigentum gebührte den Kindern.843 Das von der Frau neben der dos eingebrachte Paraphernalgut, woran nach klassischem römischem Recht der Mann weder Verwaltung noch Nutznießung hatte, wurde im justinianischen Recht der dos angenähert.844 Das Eigentum blieb der Frau; der Mann erhielt das Verwaltungsrecht.845 Für die Intestaterbfolge nach justinianischem Recht war die Blutsverwandtschaft entscheidend. Die „arme Witwe“, die weder über Eheschenkung noch Mitgift verfügte, erhielt mit der falcidischen Quart neben den Kindern ein Viertel der Erbschaft (Nov. 117.5).846

835 836 837 838 839 840 841 842 843 844 845 846

Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 173. Dazu Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 201. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 185 Fn. 5 m. w. N. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 185. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 190. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 196. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 201. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 199 f. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 200. Honsell/Mayer-Maly/Selb, S. 402 und Fn. 4. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 201. Vgl. Kaser, Römisches Privatrecht (Kurzlehrbuch), § 67 VII.

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

§ 3 Der Nießbrauch in den Partikularrechten bis Mitte des 17. Jahrhunderts I. Einleitung Wegen seiner „hervorragenden Bedeutung für die Geschichte der Gesetzgebungen dieser Periode“847 und der erheblichen Zahl davon beeinflußter Partikularrechte848 bildet das Württembergische Landrecht (WLR) von 1555 als „Regeltyp der frühneuzeitlichen Partikulargesetzgebung“849 abweichend von der Entstehungszeit den Ausgangspunkt der folgenden Darstellung. Zeitlich am Anfang steht die Nürnberger Reformation von 1479.850 Weitere inhaltliche Schwerpunkte liegen auf den Kursächsischen Konstitutionen als Beispiel der Kontroversengesetzgebung, dem Lübecker Stadtrecht wegen seines Einflusses auf den Ostseeraum851 und den preußischen Landrechten von 1620 bis 1721 wegen ihres Geltungsbereichs außerhalb der Reichsgrenzen. Soweit in einem Territorium mehrere Gesetze einander ablösen, werden diese unabhängig von ihrer Entstehungszeit im Anschluß an die vorhergehenden bzw. mit diesen zusammen behandelt, um so die Rechtslage für den jeweiligen Geltungsraum in der Epoche des usus modernus deutlich zu machen. Eine Ausnahme bildet Bayern, dessen CMBC keine bloße Revision des Landrechts von 1616 darstellt, sondern bereits „erstes Erzeugnis des Kodifikationsstils“ ist.852 II. Nießbrauchsregelungen in den einzelnen Stadt- und Landrechten 1. Nießbrauchsregelungen in den Württembergischen Landrechten a) Das Württembergische Landrecht von 1555 Das WLR von 1555853 enthält Regelungen über „Beisitz, Nutzung und Nießung, zu Latein usumfructum genannt“ vor allem im gesetzlichen Ehegattenerbrecht854 (IV,1,1 ff.). Bereits die Aneinanderreihung dieser Begriffe und ihre darin zum Ausdruck kommende Gleichsetzung verdeutlicht das 847

Stintzing, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft I, S. 543. Vgl. Kunkel, in: Beyerle/Kunkel/Thieme, Quellen I/2, S. XXVII. 849 Schiemann, Usus modernus, S. 160. 850 Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte 2, S. 232; Dilcher, in: Bader/Dilcher, S. 768 f. 851 Söllner, Literatur zum gemeinen und partikularen Recht, S. 519. 852 Laufs/K.-P. Schroeder, HRG II, Sp. 1527, 1534. 853 Zur Entstehungsgeschichte Wächter, Handbuch I, S. 227 ff.; Hess, S. 14 ff.; Stintzing, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft I, S. 543 ff. 848

C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten

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Spannungsfeld, in dem sich partikularrechtliche Bestimmungen auf dem Gebiet des Familien- und Erbrechts bewegen. An ältere deutschrechtliche Vorstellungen knüpft der Begriff „Beisitz“855 an. Trotzdem verursachen die fehlende Übernahme altwürttembergischer Regelungen im Erb- und Ehegüterrecht durch die an der Entstehung des WLR beteiligten Räte856 und unzulängliche Übergangsvorschriften praktische Schwierigkeiten und nötigen bereits 1567 zu einer Revision.857 Die „Legislativübersetzung“ aller Begriffe mit „ususfructus“ paßt diese älteren deutschrechtlichen Institute in das gemeine Recht ein und hat zur Folge, daß alle statutarischen Nutzungsrechte im WLR als gemeinrechtlicher Nießbrauch verstanden werden.858 Eigene Regelungen zum Nießbrauch als sachenrechtlichem Institut enthält das WLR nicht. Im Kaufrecht ist aber dessen Existenz vorausgesetzt (II,3,5): „Der ein Besitz, Gebrauch oder Nießung hat etlicher Güter, mag die einem andern ein Zeitlang wol verkaufen und der Aigentumbsherr ist schuldig, dem Keufer solchen Brauch oder Nießung zu lassen, solang dieselbige dem Verkeufer gebürt und zusteht.“

Diese leicht verändert aus der Wormser Reformation übernommene859 Bestimmung meint nicht den Verkauf des Nießbrauchs als Recht, sondern nur dessen Ausübung.860 Deren Übertragung hat nur solange Bestand, wie sie „dem Verkeufer gebürt und zusteht“; einer weitergehenden Zulassung des Verkaufs der Rechtsposition steht die enge Anknüpfung des WLR an das gemeine Recht entgegen.861 854 Bemerkenswert ist das Fehlen des in den Werken zum gemeinen Recht vielfach synonym gebrauchten deutschen Begriffs „Leibzucht“; zu erklären sein dürfte dies mit dem Charakter der Leibzucht als eines durch Rechtsgeschäft begründeten dinglichen Nutzungsrechts (vgl. Brauneder, HRG II, Sp. 1805), was gesetzliche Nutzungsrechte gerade ausschließt. 855 Vor Erlaß des WLR 1555 war der Begriff des „Beisitzes“ in Württemberg schillernd. Gemeint war zumeist nichts anderes, als daß der Berechtigte die Sache besitzen und nutzen können sollte. Weder war eine Beschränkung auf fremde Sachen noch eine Ausgestaltung i. S. eines dinglichen Rechts vorgesehen (vgl. Hess, S. 26 Fn. 2). 856 Vgl. Kunkel, in: Beyerle/Kunkel/Thieme, Quellen I/2, S. XXIII ff.: Sichardt, Beer, Volland und Rücker, später die Tübinger Juristenfakultät sowie die Räte v. Plieningen und Cnoder. 857 Kunkel, in: Beyerle/Kunkel/Thieme, Quellen I/2, S. XXVI. 858 Vgl. Sendler, Rechtssprache 2, S. 644; Coing, Frankfurter Reformation, S. 75, jeweils in Bezug auf die Frankfurter Reformation von 1509. 859 Kunkel, in: Beyerle/Kunkel/Thieme, Quellen I/2, S. 340 Anm. 27. 860 Dies entspricht auch der Auffassung zu der vom WLR übernommenen inhaltsgleichen Regelung in II,11,6 des Solmser LR (vgl. Kunkel, in: Beyerle/Kunkel/ Thieme, Quellen I/2, S. 360 Anm. 54), wohl aber nicht derjenigen in den preußischen Landrechten (vgl. Litewski, Landrecht des Herzogtums Preussen IV, S. 151).

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

Die statutarische Nutznießung setzt gesetzliche Erbfolge voraus. Bei testamentarischer Erbfolge gehen die Anordnungen des Erblassers vor, doch gebührt dem überlebenden Ehegatten, „so sie eheliche Kinder bei- und miteinander erzeugt“, der Pflichtteil (III,1,12). Als Intestaterben erhalten bei kinderloser Ehe Witwe bzw. Witwer das halbe Vermögen des Verstorbenen und an der anderen Hälfte die Nutznießung (IV,1,1 Abs. 3, 4) als auf Lebenszeit bestehendes, vom Eigentum verschiedenes Recht zu „Handen, Nießung und Verwaltung“. Das WLR unterscheidet zwischen der Nutznießung von Liegenschaften und beweglichen Sachen. Immobilien hat der Nießbraucher unverändert und in ordentlichem Zustand zu erhalten, darf sie nicht veräußern und muß deren Lasten tragen (IV,1,1 Abs. 7). Dies entspricht gemeinem Nießbrauchsrecht, während die folgende Bestimmung darüber hinaus geht (IV,1,1 Abs. 8)862: „Aber der farnus und fürnemlichen solcher Stuck und Gütter halben, so hinderfellig und durch den Brauch täglichs vernossen, geschwecht und letztlich gar verzert mögen werden, als da ist die Barschaft, Wein, Frucht, Kleider, Viehe, allerhand Hausrat und dergleichen: das alles soll nach gutter Verzeichnus auf ein zimblich Gelt nach rechtem zimblichem Wert angeschlagen und geschetzt, auch also eingeschrieben werden; damit, so zu Zeiten desselbigen nießenden Ehegemechts Absterben etwas daran vermindert, verzert und abgenossen were, solcher Abgang alsdann nach gehaltner Abschätzung aus vorgehnder Verzeichnus denjenigen, so sie zu Hinderfall ligen, der Billicheit nach erstattet werden.“

Mit dieser Inventarisierungs- und Ersatzpflicht für den Nutznießer hat der Gesetzgeber keine Erweiterung des quasi ususfructus auf alle Fahrnis vorgenommen.863 Das zeigt schon, daß von einem Rückfall der Güter und nicht von Sachen gleicher Art und Güte oder Wertersatz die Rede ist. Bei beweglichen, nicht verbrauchbaren Sachen hat die statutarische Inventarisierungs- und Ersatzpflicht damit nur die Funktion, dem Eigentümer auch für Minderungen durch ordnungsgemäßen Gebrauch der Sache Wertersatz zuzubilligen. Daß sich der Gesetzgeber mit dieser verschuldensunabhängigen Ersatzpflicht bewußt außerhalb des gemeinen Rechts bewegte, erklärt den Hinweis auf die „Billicheit“ der Regelung: Nur an der Billigkeit wider861

Kunkel, in: Beyerle/Kunkel/Thieme, Quellen I/2, S. 340 Anm. 27, verweist beispielhaft auf Dig. 7.1.12.2 und 18.6.8.2; anders als in der Wormser Reformation (Kunkel, a. a. O., I/1, S. 330 Anm. 84) fehlt aber im WLR 1555 eine Erwähnung, daß auch der Erbe des Eigentümers die Weitergabe der Ausübung des Nießbrauchs zu dulden habe, was die inhaltliche Nähe zu Dig. 18.6.8.2 schmälert. 862 Die Anmerkung von Kunkel, in: Beyerle/Kunkel/Thieme, Quellen I/2, S. 352 Anm. 200, daß „zweifellos gemeines Nießbrauchsrecht zugrunde“ liege, paßt jedenfalls auf die Epoche des usus modernus nicht. 863 A. A. aber ohne nähere Begründung Hess, S. 184 Fn. 10 und S. 187 Fn. 20; sein Hinweis auf Jörs/Kunkel, § 84, 2., erklärt die württembergische Regelung nicht, weil darin nur von der Möglichkeit der Einräumung eines quasi usus fructus nach römischem Recht die Rede ist.

C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten

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sprechendes römisches Recht fühlten sich die Verfasser des WLR nicht gebunden. Der Überlebende behält „Beisitz und Nießbrauch“864 an den Erbteilen der Kinder auch bei Wiederverheiratung, wenn diese nur mit „gut Ansehen und vorgehabter Vergleichung der Kinder und des Verstorbenen nächsten Freunden“ erfolgt.865 b) Das Württembergische Landrecht von 1567 Die Revision866 des WLR 1567 bringt keine größeren Änderungen.867 Wortgleich sind als Kaufgegenstand „Besitz, Brauch oder Niessung“ (II,3,6)868 sowie die statutarischen Nutznießungsrechte des überlebenden Ehegatten übernommen (IV,1 Abs. 14, 15). Letztere finden sich als Beispiel für den Erwerb eines gemeinrechtlichen Nießbrauchs „ipsa lege . . . iure Vuirtembergico“869 in den „Ad tres priores Pandectarum Partes Disputationes“ des württembergischen Hofrichters und Tübinger Professors Heinrich Bocer (1561–1630)870. Gestärkt ist im WLR 1567 das Lebenszeitprinzip der statutarischen Nutznießung. Bei einer Wiederverheiratung des Nießbrauchers kommt es nicht mehr auf die Zustimmung der Kinder aus erster Ehe an. Die Nutznießung an den Erbteilen der Kinder verbleibt ihm auch gegen deren Willen, wenn die zweite Eheschließung „mit gut ansehen und vorgehabter Vergleichung der Kinder, vom verstorbenen Vater oder Mutter nechsten Freunden, oder auch für sich selbs doch ehrlich und ohn der Kinder Nachtheil“ erfolgt871, was im Zweifel gerichtlich festzustellen ist.872 Als mißlich empfindet Eisengrein zu Beginn des 17. Jahrhunderts, daß auch im WLR 1567 Regelungen über die Aufteilung hängender Früchte fehlen. In einer Relation legt er zuerst die gemeinrechtliche Kontroverse ausführlich dar873, um schließlich abweichend vom deutschen ius commune 864

Zum Beisitz nach württembergischem Recht Hess, S. 183 ff. Wächter, Handbuch I, S. 249. 866 Vgl. Wächter, Handbuch I, S. 264 ff. 867 Stintzing, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft I, S. 545; Wesenberg/ Wesener, S. 100. – Zu den Änderungen des zweiten gegenüber dem ersten WLR vgl. Wächter, Handbuch I, S. 277 ff. 868 Zit. nach „Des Fürstenthumbs Würtemberg gemein Landtrecht/in vier Theil verfaßt“ von 1567; die Zählung von Kapiteln und Abschnitten erfolgt in Anlehnung an die für das WLR 1555 bei Beyerle/Kunkel/Thieme durch Verf. 869 Bocer, Disputationes, p. 253: „Item coniugi in bonis praedefuncti coniugis, iure Vuirtembergico“. 870 Zu diesem Stintzing, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft I, S. 696 ff. 871 Wächter, Handbuch I, S. 278 f. Anm. 44. 872 Wächter, Handbuch I, S. 279 Anm. 44 a. E. 865

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

auch in bezug auf natürliche Früchte eine Teilung pro rata temporis vorzuschlagen.874 c) Das Württembergische Landrecht von 1610 Mit dem WLR von 1610875 findet die Gesetzgebung in Württemberg876 im usus modernus ihren Abschluß. Grundlage dieser Revision sind Relationen der württembergischen Hofräte Balthasar Eisengrein und Jacob Haug (1604 bzw. 1606).877 1719 dient es als Vorlage bei der Schaffung der Basler Stadtgerichtsordnung878, 1737 für das Hohenlohische Landrecht.879

aa) Allgemeine Nießbrauchsregelungen im WLR Über den Nießbrauch im allgemeinen enthält auch dieses WLR keine Regelung.880 Daß in Württemberg in der Epoche des usus modernus nach den Grundsätzen der Statutentheorie verfahren wird881, zeigt die Behandlung des väterlichen Nießbrauchs an den Adventitiengütern, der gemeinrechtlich nur dem Vater, nicht hingegen auch der Mutter zusteht. Diese Auffassung wird von bekannten württembergischen Juristen wie Lauterbach geteilt882; erst Griesinger gesteht Ende des 18. Jahrhunderts auch der Mutter in Analogie zu anderen Bestimmungen des WLR einen Nießbrauch zu.883 873

Eisengrein, in: Faber/Schloßberger, S. 475 ff. Eisengrein, in: Faber/Schloßberger, S. 478. 875 Zur Entstehungsgeschichte Wächter, Handbuch I, S. 331 ff.; Christ, S. 49 ff. 876 Unabhängig von dessen territorialer Veränderung: Das WLR wurde in den neuen Landesteilen zum 1.1.1807 in Kraft gesetzt (vgl. Thümmel, HRG V, Sp. 1573, 1574). 877 Auch zu den anderen Mitgliedern der für die Revision zuständigen Kommissionen s. Stintzing, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft I, S. 545 (insbes. Fn. 3), und Wächter, Handbuch I, S. 335 ff. 878 Kunkel, in: Beyerle/Kunkel/Thieme, Quellen I/2, S. XXVII; Christ, S. 49 ff. – Allerdings weicht die Basler StGO im gesetzlichen Ehegattenerbrecht nicht unerheblich vom WLR 1610 ab. Während dieses dem überlebenden Ehegatten neben entfernteren Verwandten zusätzlich zur Hälfte des Gesamtgutes als Eigentum den Nießbrauch an der anderen Hälfte zuweist, begnügt sich die Basler StGO mit einem bzw. zwei Dritteln des Gesamtgutes als Erbe (Christ, S. 61). 879 Thümmel, HRG V, Sp. 1573, 1579. 880 Weishaar, Handbuch II, § 548 (S. 80). 881 Vgl. Lange, Ius commune und Statutarrecht in Christoph Besolds Consilia, S. 654, in Bezug auf die Gutachterpraxis der Tübinger Juristenfakultät in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. 882 Lauterbach, Exerc. XVII, § III; vgl. auch Griesinger, Kommentar IX, § 334 (S. 667 ff.) m. w. N. 874

C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten

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Das WLR 1610 bestimmt wie die Vorgänger über mögliche Kaufgegenstände (II,IX § 6)884: „Wer die Nutzung und Nüssung eines Guts hat, mag dieselbig, so lang sie ihm gebührt, einem andern wol verkaufen: und ist der Eigenthumbsherr schuldig, dem Käuffer solche Nutzung und Nüssung die Zeit über, da sie dem Verkäuffern gebührt, wiederfahren zulassen.“

Auch diese Bestimmung meint im Einklang mit deutschem ius commune nur, daß die Ausübung des Nießbrauchs885 einem Außenstehenden verkauft oder vermietet werden darf.886 Der Eigentümer hat dem Käufer die Ausübung so lange zu belassen, wie der Nießbrauch dem Verkäufer zusteht. Bei „erblich hinterfälligen Gütern“887 kann deren Erbe das Nutzungsrecht auslösen und damit den Nießbrauch einseitig beenden (II,XVI § 5). Offen bleibt damit aber, welche Wirkung eine dem Nießbraucher verbotene Abtretung seines Rechts hat.888 bb) Die statutarische Nutznießung als gesetzlicher Nießbrauch Auch das dritte WLR enthält gesetzliche Nutznießungsrechte zugunsten des überlebenden Ehegatten. Lauterbach erwähnt die Bestimmungen des WLR 1610 beispielhaft für einen gemeinrechtlichen Nießbrauch kraft (Partikular-)Gesetzes.889 Als Teil der statutarischen Portion890 des überlebenden Ehegatten setzt die Nutznießung dessen gesetzliches Erbrecht voraus.891 Sie 883 Griesinger, Kommentar IX, § 334 (S. 667 ff.). – Griesingers zehnbändiger Kommentar zum WLR 1610 (1793–1808) ist dessen erste systematische Kommentierung (vgl. Thümmel, HRG V, Sp. 1573, 1579). 884 Zitiert wird nach „Des Herzogthumbs Württemberg ernewert Gemein Landrecht“, Neue Aufl. von 1814. Die im WLR nicht vorgenommene Numerierung der Absätze als Paragraphen orientiert sich an Griesinger. 885 Griesinger, Kommentar II, § 157 (S. 533); in den Annotationes, p. 139, ist nur der Emphyteuta oder Pfandgläubiger erwähnt, wohingegen Griesinger, a. a. O., von „Nutznießer“ und „Nutznießungsrecht“ spricht. Hochstetter, Einleitung, p. 285, setzt „Nutzniessung“ mit „jus ususfructus“ gleich. 886 Hochstetter, Einleitung, p. 285 s.: „Ipsum quidem jus ususfructus formaliter spectatum ab usufructuario in alium transferri nequit, nam cedendo extraneo nihil agitur . . . Sed tamen exercitium hujus juris, omnis scil. proventus & utilitas alii vendi vel locari potest“. – Vgl. auch Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XXI, der „ususfructus“ auch als Bezeichnung für die bloße Ausübung eines Nießbrauchsrechts erwähnt. 887 Griesinger, Kommentar II, § 157 (S. 533). 888 Bierer, Württembergisches Privatrecht, § 124 Anm. 5 (S. 372). 889 Lauterbach, Collegium Lib. VII, Tit. I, § XI. – Vgl. F. C. Harpprecht, Consultationes I, p. 685 no. 145: „quia de Jure Würtenbergico Pater & Mater in bonis liberorum usumfructum habent“. 890 Vgl. Griesinger, Kommentar VIII, § 273 (S. 512 f.).

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

beschränkt sich im Zweifel nicht auf in Württemberg belegene Güter892 und steht dem überlebenden Ehegatten an den Gegenständen zu, die die Kinder als gesetzliche Erben des Verstorbenen erlangen (IV,VII § 4): „Und was von des abgestorbnen Ehegemächt Verlassenschafft den hinderlaßnen Kindern zugetheilt und erblich angefallen, solches hat das oberlebend Ehegemächt sein Lebenlang (doch ohngeschwächt des Hauptguts) zu nutzen und zu niessen.“

Dieses Nutznießungsrecht entsteht nur, wenn aus der letzten Ehe auch Kinder vorhanden sind.893 Neben Kindern aus einer früheren Ehe des Verstorbenen erbt der überlebende Ehegatte selbst ein Drittel (bei nur einem Kind) oder einen Kindesanteil894 (IV,VI § 3)895, hat aber kein Nutzungsrecht an den übrigen Teilen (IV,VI § 4).896 Sind keine Kinder vorhanden, gebührt ihm die statutarische Nutznießung an den Erbteilen der „Kinder der vollbürtigen Geschwister, wenn sie allein succediren, wie auch der Einthalb-Geschwister und alle[r] andern entferntern Seitenverwandten“897 (IV,V § 4): „Da aber das verstorben Ehegemächt keine Elter und Ascendenten, noch Vollgeschwistrigt von beeden Banden, oder neben denselben deren zuvor abgeleibter vollgeschwistrigten Kindern, sonder nur einthalb Geschwistrigte, oder aber deren vor abgestorbnen vollgeschwistrigten Kinder allein, oder andere in weitterm Grad der Zwerchlinien Verwandte hinderliesse, hat in solchen Fällen das oberlebende Ehegemächt selbigen des abgeleibten Verwandten eigenthumblich angefallenen halben Theil sein Leben lang (doch ohnverändert oder ohngeschwächt des Hauptguts) zu nutzen und zu niessen, welcher Vsusfructus oder Nüssung nach seinem Absterben allererst solchen des verstorbnen Ehegemächts Befreundten zu- und heimfallen soll: ond alsdann die ligende Gütter, mit den darauff stehenden Blumen, gegen Ablegung des Bawkostens, so selbigen Jars angewendet, wie auch die Gelt- und Frucht-Gülten, ond andere järliche Gefäll, ihnen denselben Verwandten und Erben (doch ober Abzug und Innbehalt des Rati, das ist, sovil das nüssend Ehegemächt der Zeit ond Jargang nach daran erlebt) eingehändigt werden.“

Trotz sprachlichen Unterschieden hinsichtlich des Umfangs der Nutzungsberechtigung – am Kindeserbe „ohngeschwächt des Hauptguts“ (IV,VII § 4), ansonsten „ohnverändert oder ohngeschwächt des Hauptguts“ (IV,V § 4) – werden beide Formulierungen dem römischrechtlichen Gebot des „salva rerum substantia“ gleichgesetzt.898 891

Griesinger, Kommentar VIII, § 293 (S. 561). Griesinger, Kommentar VIII, § 293 Fn. yy (S. 561 f.). 893 Weishaar, Handbuch I, § 197 (S. 207). 894 Griesinger, Kommentar IX, § 329 (S. 647). 895 Das gleiche gesetzliche Erbrecht steht dem überlebenden Ehegatten bei gemeinsamen Kindern zu (IV,VII § 4), so daß nur das Nutznießungsrecht am übrigen Erbe (der Kinder) dazu kommt. 896 Vgl. Weishaar, Handbuch I, § 196 (S. 206). 897 Weishaar, Handbuch I, § 197 (S. 207). 892

C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten

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In IV,V § 5 sind die Pflichten des nutznießungsberechtigten Ehegatten aufgezählt: „Es soll auch das oberlebend Ehegemächt so wol in disem, als allen andern nachvolgenden Fällen, da die Nüssung bey ihme stehet, bey Verlierung derselbigen Nüssung, die ligende Gütter nicht in Verderben noch Abgang kommen lassen, sondern in zimblichen wesenlichen Baw erhalten, viel weniger ichtzit darvon verändern, darzu auch alle Beschwehrden gegen Uns, als der Herrschafft, und sonsten, darvon raichen und tragen, ohne der Erben Nachtheil. Wie es auch, auff Begeren der Erben, denen solche Gütter hinderfällig, deßwegen gnugsame Caution zu erstatten schuldig ist.“

Über gemeines Recht hinaus reicht der Beendigungsgrund des Verderbenlassens der Güter899, doch ist etwa Hochstetter bemüht, zwischen gemeinem und partikularem Recht eine möglichst weitgehende Übereinstimmung zu erreichen, indem er die genannte Regel damit erklärt, der Nießbraucher habe die Sache wie ein sorgfältiger Hausvater zu behandeln.900 Neben dem Verlust des Nutzungsrechts kann nach gemeinrechtlichen Grundsätzen „der Nutznießer, wegen seiner Deterioration, noch sonst auf Schadensersatz belangt werden“901. Verboten sind nur Änderungen der Form der Sache, nicht Meliorationen ohne Formwechsel; die Lastentragungspflicht beschränkt sich auf nicht die Nutzungen übersteigende Reallasten.902 Gemäß IV,XI § 1 hat der nutznießungsberechtigte Elternteil „seine Kinder forderst zur Gottesforcht, auch zum Studiren, oder ehrlichen Handwercken vnd Handthierungen, darzu sie taugenlich, gebürlich zu erziehen: vnd ihrem Stand vnd Vermögen gemäß zu ernähren“.

Die Nutznießung verwirkt er bei anstößigem Lebenswandel (§ 2); für eine Witwe gilt dies auch, wenn sie binnnen eines halben Jahres nach dessen Tod ohne Erlaubnis bzw. schwanger heiratet „oder mit einem in Unehren beyschlaffen würde“ (§§ 3 f.).903 Für die Nutznießung an allen Mobilien904 statuiert IV,V § 6 inhaltsgleich mit den Vorgängern: 898 Annotationes, p. 375: „Ususfructus paternus vel maternus concessus intelligitur salva rei substantia, ohngeschwächt des Haupt-Guts“; Griesinger, Kommentar VIII, § 299 (S. 571): bzgl. der Worte „unverändert oder ungeschwächt des Hauptguts“ sei „der Deutsche Nießbrauch mit dem Römischen ganz übereinstimmend“. 899 Hochstetter, Einleitung, S. 520; Griesinger, Kommentar VIII, § 309 (S. 591). 900 Hochstetter, Einleitung, S. 521: „quod diligens paterfamilias in re sua facit“. 901 Griesinger, Kommentar VIII, § 309 (S. 594). 902 Hochstetter, Einleitung, S. 521: „formam tamen rei immutare non potest, onera autem realia suffere debet“. 903 Hochstetter, Einleitung, p. 535 f. 904 Vgl. F. C. Harpprecht, Consultationes II, p. 1404 no. 40; Hochstetter, Einleitung, p. 521.

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

„Aber die hinderfällig Fahrnus, und fürnämblich solche Stuck ond Gütter, so durch den Brauch täglichs vernossen, geschwächt undtztlich gar verzehrt werden mögen (als die Barschafft, Wein, Frucht, Klaider, Viehe, allerhand Haußraht ond dergleichen) sollen, nach fleissiger Verzeichnus, auff ein leidenlich Gelt in zimlichem Werth angeschlagen ond geschätzt, auch also eingeschriben: ond so zu Zeit auffgehörter Nutzung ettwas daran abgenossen oder gar nicht mehr vorhanden, solcher Abgang alsdann nach gehaltener Abschätzung auß vorgehender Verzeichnus denjhenigen, welche sie zu Hinderfall ligen, der Billichkeit nach erstattet werden.“

Damit sind auch unter Geltung dieses WLR nicht alle beweglichen Sachen Gegenstand eines quasi ususfructus, der auch in Württemberg nur an verbrauchbaren Sache besteht.905 Demgemäß heißt es bei Griesinger906: „Wenn gleich in dem §. VI. die fahrenden Habe zusammengenommen und, nach den Worten, kein Unterschied zwischen derselben gemacht wird, so ist doch, nach dem Geiste des Gesetzgebers, ein bedeutender Unterschied zwischen solchen Fahrnißstücken, welche res fungibiles sind und zwischen solchen, welche es nicht sind.“

Nur bei ersteren geht das Eigentum und damit die Sachgefahr auf den Nutznießer über.907 An res non fungibiles, darunter auch Forderungen sowie Vasen und Kristallgeschirr908, steht ihm ein echter Nießbrauch zu909, so daß der Eigentümer die Gefahr zufälligen Untergangs trägt910; an Geldstücken besteht ein quasi ususfructus.911 Der Wertschätzung und Inventarisierung kommt damit eine unterschiedliche Funktion zu. Bei nicht verbrauchbaren Sachen orientiert sich diese am Wert der Sache912, bei verbrauchbaren Sachen, die der Quasi-Usufruktuar verkaufen kann, dagegen am „Kaufschilling“; ein den Schätzpreis überstei905 Hochstetter, Einleitung, p. 521 f.: „quomodo autem inter illas res, quae per usum longiorem solum atteruntur, & illas, quae ipso usu illico consumuntur distingui oporteat“; ebenso p. 531: „inter res, quae ipso usu non statim consumuntur, sed tantum atterantur, & res fungibiles, quae ipso usu vel in totum, vel pro parte, illico consumuntur, distiguendum est“. 906 Griesinger, Kommentar VIII, § 315 (S. 607). 907 Griesinger, Kommentar VIII, § 315 (S. 607 ff.). 908 Lauterbach, Exerc. XVII, § XVIIII: „Nominum, vasorum vitreorum & crystallinorum non quasi, sed magis verus datur ususfructus“. 909 Griesinger, Kommentar VIII, § 315 (S. 609 ff.). 910 Lauterbach, Exerc. XVII, § X: „Unde si hujusmodi res usufructuariae non usu, sed casu fortuito deteriores factae, vel vi hostium citra omnem usufructuarii culpam raptae & captae essent, illarum periculum non ad usufructuarium, sed ad proprietarium tanque dominum pertineret“. 911 Lauterbach, Exerc. XVII, § XVIII: „Quasi usufructu certae pecuniae, vini, vel similium rerum“. 912 Lauterbach, Exerc. XVII, § X: „Sed hanc aestimationem in hujusmodi rebus tantum taxationis, non vero venditionis gratia fieri“.

C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten

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gender Mehrerlös gebührt dem Quasi-Usufruktuar.913 Bei Ende des quasi ususfructus läßt Griesinger dem Nutznießer die Wahl, Sachen gleicher Art und Güte oder den Schätzpreis zu restituieren914, während Lauterbach bei Vorliegen einer Schätzung nur Wertersatz zulassen will, außer etwas anderes sei vereinbart worden.915 Ist entgegen der Intention des WLR eine Inventarisierung unterblieben, sind immer Sachen gleicher Art und Güte zurückzugeben.916 IV,V § 6 verpflichtet damit den Nutznießer zum Ersatz aller während des Gebrauchs nicht verbrauchbarer, beweglicher Sachen entstandener Abnutzungen917, während er für Schäden außerhalb des Gebrauchs nach deutschem ius commune nur bei culpa levis, nicht schon bei culpa levissima haftet.918 Alle „hinderfällige Farnus“ darf der Nutznießer, weil sie ihm auch eine Last sein kann919, dem Erben geben oder einem Dritten verkaufen und am Geld den Nießbrauch fortsetzen (IV,V § 7). Der Verkauf der Fahrnis an einen Dritten bewirkt eine „Enteignung“ des Erben, dem daher ein gesetzliches Lösungsrecht binnen vierzehn Tagen nach Kenntnis vom Kauf zusteht.920 Schließlich statuiert IV,X § 1 zugunsten minderjähriger, unverheirateter Kinder ein stillschweigendes Universalpfandrecht an den Gütern des nutznießungsberechtigten Elternteils.

913 Lauterbach, Exerc. XVII, § XII: „In hisce enim rebus aestimatio venditionis gratia censetur facta; unde si postea ab usufructuario pluris fuerint venditae, aut casu perierint, & commodum & damnum spectat ad ipsum usufructuarium“. 914 Griesinger, Kommentar VIII, § 315 (S. 608). 915 Lauterbach, Exerc. XVII, § XII: „Si vero res illae, quae usu consumuntur, fuerint aestimatae (uti jure Wirtembergico requiritur.) finito illarum quasi usufructu, res ejusdem generis restitui non possunt, sed aestimatio illa (si aliud non conventum) praecise est praestanda“. 916 Griesinger, Kommentar VIII, § 315 (S. 609). 917 Griesinger, Kommentar VIII, § 315 (S. 610 ff.); Lauterbach, Exerc. XVII, § X: „Jure Wirtembergico aestimantur quidem dictae res usufructuariae; & si usu deteriores fuerint factae, tenetur usufructuarius ad interesse“; F. C. Harpprecht, Consultationes II, p. 1404 no. 40 ss. 918 Lauterbach, Exerc. XVII, § XIII: „Usufructuarius regulariter non de levissima, sed de levi tantum tenetur culpa“. 919 Hochstetter, Einleitung, p. 522: „Cum tales res usufructuario pluribus ex causis onerosae esse possint“. 920 Hierdurch ist der römischrechtliche Grundsatz „nemo plus iuris transferre potest, quam ipse habet“ ausgeschaltet. Das Lösungsrecht besteht aber nicht aufgrund gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten, weil durch IV,V § 7 WLR der Nutznießer zu Verkauf und Übergabe der Sache berechtigt ist.

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

cc) Der Nießbrauch an den Adventitiengütern der Kinder Das WLR 1610 enthält auch Bestimmungen über einen gesetzlichen Nießbrauch an den Adventitiengütern der Kinder (IV,IX §§ 2–5): „[2] Was aber denen Kindern, deren rechter leiblicher Eltern eins (Vatter oder Mutter) noch in Leben, mit oder ohne Testament von ihres verstorbnen Vatters oder Mutters Linien, oder sonsten anderstwaher, weitters zufällt, damit soll volgender Unterschid gehalten werden: daß nämlich denen kindern, so allbereit verheurat, oder ober fünff ond zweinzig Jar ihres Alters, ond nicht mehr in ires noch lebenden Vatters oder Mutter Zucht ond Unterhaltung seind, ihr Angebürnus gleich selbsten zu nüssen und zu verwalten gefolgt: Der ohnverheuraten oder minderjärigen Kinder Angebürnus aber, biß zu ihrer Verheuratung oder erlangtem fünff ond zweinzig järigem Alter, irem noch lebenden Vatter oder Mutter zu nutzen ond zu nüssen in Handen gelassen werde. [3] Wann jedoch die oberlebende Elter, Vatter oder Mutter, eines zuvor verstorbnen Kinds Gut, so seinen noch lebenden Geschwistrigten von ihme allbereit gehabt hetten, soll ihnen, den Eltern, selbige Nüssung nicht entzogen werden. [4] Was auch den minderjärigen oder ohnverheuraten Kindern ettwas durch letzten Willen oder in andere Wege dergestalt außtruckenlich verschafft, oder sonsten zugestellt worden were, daß es allerdings mit Nutzen ond Eigenthumb ihnen bleibe und fürschlage, soll es darbey gelassen, ond ihrem noch lebenden Vatter oder Mutter dißfalls die Nüssung nicht gefolgt, sondern den Kindern durch Verpflegung zu ihrem Eintrag gerichtet werden. [5] Und so ettwa onter der Kinder Güttern, so ihrem Vatter oder Mutter biß zu ihrer Verheuratung oder erlangten fünff ondd zweinzig järigen Alter, zu nüssen gebüren, dergleichen Stuck begriffen, welche durch täglichen Gebrauch abgenossen, ond endtlich gar verzehrt werden möchten, als Baarschafft, Wein, Frucht, Kleider, Vihe, allerhand Haußrath, ond was demselben gemäß: Sollen solche Stuck . . . den nüssenden Eltern, nach fleissiger Verzeichnus, auff ein leidenlich Gelt in zimblichem Werth angeschlagen ond geschätzt, auch also eingeschriben: ond so zu Zeitten auffgehörter Nüssung ettwas daran abgenossen oder gar nicht mehr vorhanden, der Abgang alsdann den Kindern, denen sie hinderfällig, auß solcher Verzeichnus der Billichkeit nach erstattet werden.“

Diese Nutznießung am Kindeserbe kommt Vater wie Mutter921, nicht aber auch den Stief- oder Großeltern zu (IV,IX § 1)922 und ergänzt den gemeinrechtlichen ususfructus bonorum adventitiorum des Vaters.923 Der Nießbrauch besteht nur an denjenigen Adventitiengütern, die nicht zu Lebzeiten beider Eheleute dem väterlichen Nießbrauch unterlagen, und tritt erst nach dem Tode eines Elternteils ein.924 Er endet, wie der ususfructus bonorum adventitiorum, mit Volljährigkeit oder Heirat des Kindes. Zu Lebzeiten 921 922 923 924

F. C. Harpprecht, Consultationes I, p. 685 no. 145. Griesinger, Kommentar IX, § 333 (S. 662 f.). Griesinger, Kommentar IX, § 334 (S. 664 f.). Griesinger, Kommentar IX, § 334 (S. 665).

C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten

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beider Eheleute gilt mangels statutarischer Regelung in Württemberg gemeines Recht.925 Kraft seiner väterlichen Gewalt hat nur der Vater den Nießbrauch an den Adventitiengütern der Kinder, doch gehören die Früchte zum „ehelichen Erwerb“.926 Diesen Nießbrauch behält der Vater auch nach dem Tod des Sohnes, obwohl in Württemberg auch die Mutter zu dessen Intestaterben zählt927, und selbst wenn andere das minderjährige Kind alimentieren. 928 Nach herrschender Ansicht württembergischer Juristen im usus modernus ist demgemäß zu unterscheiden zwischen den Adventitiengütern, die zu Lebzeiten des Vaters erworben sind, und denjenigen, die erst nach seinem Tod den Kindern zufallen. Nur an letzteren gebührt der Mutter die Nutznießung. Gegen die Anwendung des römischen Rechts wendet sich Griesinger unter Berufung auf den Vorrang einer Analogie zu anderen Regeln des WLR vor einer Lückenschließung durch gemeines Recht.929 Es sei kein vernünftiger Grund für eine Differenzierung des Nutzungsrechts an den Adventitiengütern zu Lebzeiten beider Eltern und nach dem Versterben eines von ihnen ersichtlich; daß IV,IX § 2 nur die Situation nach dem Tod eines Elternteils behandele, spreche nicht dagegen, weil es im IV. Titel des WLR 1610 insgesamt nur um das Erbrecht des überlebenden Ehegatten (und nicht um alle elterlichen Nutzungsrechte am Kindesvermögen) gehe.930 Fraglich ist auch, wie lange einer Mutter der Nießbrauch an den Gütern eines Kindes nach dessen Tod vor Heirat oder Volljährigkeit zusteht. Lauterbach differenziert danach, ob die Mutter mit anderen Kindern gesetzliche oder testamentarische Erbin ist. Ihr gesetzlicher Nießbrauch an den Erbteilen der Miterben erlischt, wenn das vorverstorbene Kind das 25. Lebensjahr erreicht hätte, während bei gewillkürter Erbfolge der Nießbrauch an den Erbteilen der anderen Kinder bis zum Tode der Mutter bestehen bleibt931, 925

Vgl. Griesinger, Kommentar IX, § 334 (S. 665 ff.). Lauterbach, Exerc. XVII, § III: „Res adventitia filiofam. vivente patre & matre quaesita, quod usumfructum etiam jure Wirtembergico tantum patri acquritur, quamvis fructus constante matrimonio exinde percepti hoc jure pertineat ad acquaestum conjugalem“. 927 Lauterbach, Exerc. XVII, § IV: „Pater praedictum usumfructum retinet filio mortuo, etiam jure Wirtembergico, licet eidem cum patre mater ab intestato succedat“. 928 Lauterbach, Exerc. XVII, § VI: „Praeterea retinet Pater usumfrctum, etiam jure Wirtembergico, licet liberi aetate minores alimenta non a patre, sed ab amicis vel aliunde accipiant“. 929 Griesinger, Kommentar IX, § 334 (S. 667 ff.). 930 Griesinger, Kommentar IX, § 334 (S. 668 f.). 931 Lauterbach, Exerc. XVII, § VII: „Mater jure Wirtembergico in bonis post mortem mariti liberis quaesitis eousque habet usumfructum, donec liberi matrimonium contrahentes vel aetate majores ab illa sese separaverint; si vero antea unus ex 926

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

weil die auflösende Bedingung – Verheiratung bzw. Volljährigkeit des Kindes – nicht mehr eintreten kann.932 Hat der Sohn einen Nießbrauch nach dem Tod des Vaters erworben, steht das Fruchtziehungsrecht der Mutter zu, solange er minderjährig und ledig ist. Doch endet dieses mit dem Tod des Sohnes vor Eintritt der Volljährigkeit, weil damit der Nießbrauch aufhört.933

2. Nießbrauchsregelungen in den Nürnberger Stadtrechtsreformationen a) Die Nürnberger Reformation von 1479 In der Nürnberger Reformation von 1479934 als dem zeitlich ersten hier untersuchten Partikularrecht finden sich keinerlei Regelungen über den Nießbrauch als Institut des Sachenrechts. Allerdings ist darin ein Beisitz für den überlebenden Ehegatten statuiert.935 Bei allgemeiner Gütergemeinschaft erhält dieser neben Verwandten in absteigender Linie die Hälfte der Erbschaft, im übrigen „den beysitz und genieß sein leptag“ (Tit. 12.3 Abs. 1); neben anderen Verwandten erhält er zwei Drittel der Hinterlassenschaft und am Rest den Beisitz (Abs. 2). Auf diese Bestimmungen geht der bekannte Jurist Claudius Cantiuncula (um 1490–1549)936 in einem Gutachten über eine Novellierung dieses Stadtrechts für den Nürnberger Rat nicht ein937, was den Schluß zuläßt, daß er hierin kein Problem erkennen kann.

liberis mortuus fuerit, an mater usumfructum retineat, & quousque, dubio haut caret. Nos distinguendum esse censemus, an mater cum defuncti filii fratribus germanis eidem ab intestato succedat; an vero cum illa ex testamento defuncti succedant alii. Priori in casu ususfructus ille legalis matri eousque competere videtur, donec defunctus, si vivius, ad majorem aetatem pervenisset. Posteriori vero casu, etiam portinibus coherendum mater retinet usumfructum, & quidem ad dies vitae“. 932 Lauterbach, Exerc. XVII, § VII no. c: „Hic enim ususfructus matri competit sub conditione resolutiva, nim. si liberi matrimonium contrahentes vel aetate majores sese ab illa seperaverint; . . . ante cujus existentiam si liberi moriuntur, humanissimum est, usumfructum extendi ad vitam usufructuarii“. 933 Lauterbach, Exerc. XVII, § VIII: „Filio aetate minori, post patris mortem, vivente matre, usufructu acquisito, durante filii aetate minori, mater fructus exinde perceptos jure Wirtembergico lucratur: an vero ipsa etiam post filii mortem eundem usumfructum retineat, perinde ut pater in l. f. C. de usufr. Non immerito quaeritur? Nos hoc negandum esse arbitramur“. 934 Dazu Gedeon, S. 19 ff. 935 Vgl. Sendler, Rechtssprache 2, S. 643 m. w. N. 936 Zu diesem Stintzing, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft I, S. 244 ff. 937 Vgl. die Wiedergabe des Gutachtens bei Bremer, ZRG (GA) 15 (1894), 127 ff.

C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten

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Nach verdingter Ehe erbt der Ehegatte regelmäßig nur bei Fehlen von Verwandten. Sind aus der Ehe Kinder hervorgegangen, kann der Vater aber „in aller verlassner habe des weibs sein leptag ganz aussitzen und den genieß mit erziehung und hinpringung derselben kinde daran haben“; gleiches gilt für die Mutter, der jedoch Vormünder zur Seite gestellt werden (Tit. 13.2). Das gesetzliche Erbrecht an der Errungenschaft entspricht dem bei allgemeiner Gütergemeinschaft. Am Kindeserbe steht dem überlebenden Elternteil ein lebenslanger „genieß“ zu, der auch zur „angreifung“ der Sachsubstanz berechtigt und mit Wiederverheiratung endet. Dafür muß er die Kinder erziehen und aussteuern.938 Neben allen anderen Verwandten hat der überlebende Ehegatte den lebenslangen Beisitz (Tit. 13.4939). Schließlich hat der überlebende Ehegatte an der dem Erblasser bei Eheschließung zugewendeten Mitgift („zuschetz“), die dessen Verwandte erben, lebenslänglichen „genieß oder gebrauch“ (Tit. 13.6/10). b) Die Nürnberger Reformation von 1564 Auch die „verneute“ Nürnberger Reformation von 1564940 enthält keine Regelungen zum Nießbrauch „nicht in Sensu Juris Germanici sondern Romani“941. Wolckern definiert in seinem Stadtrechtskommentar diesen in Abgrenzung zum in XXIII,XV geregelten Nutzungsrecht des Erbmannes942 als von Eigentum und dominium utile zu unterscheidende Personalservitut, aufgrund derer ein „Usufructuarius Macht [hat], alle Nutzungen, salva tamen rei substantia, sich zuzueignen“943. Anders als ein auf seine „Nothdurfft“ beschränkter Usuar, darf der „Usufructuarius . . . einem andern sein Recht dießfalls überlassen“944. Im Unterschied zum Erbmann muß der Nießbraucher regelmäßig Kaution leisten und kann den Nießbrauch nicht vererben, während die „Holz-Marck“ des Erbmannes und das „Pfarr-Holz“ des Pfarrers mit dem Tod des Berechtigten nicht an den Eigentümer zurückfal938

Vgl. E. Krause, Unterhaltsansprüche, S. 93 ff. Zu Auslegungsschwierigkeiten mit diesem Titel, wegen derer sich der Nürnberger Rat in den Jahren 1546 und 1547 ebenfalls an Cantiuncula gewandt hat, vgl. Anhang II bei Bremer, ZRG (GA) 15 (1894), 162 ff. 940 Sie beeinflußte neben dem Solmser LR und der Frankfurter Reformation von 1578 (Coing, Frankfurter Reformation, S. 5) das Hamburger Stadtrecht (1603), die Ansbacher Amtsordnung (1608) und die kaiserliche Land- und Gerichtsordnung des Herzogtums Franken und Stiftes Würzburg von 1618 (Gedeon, S. 74). 941 Wolckern, Commentatio, § VIII zu XXIII,XV (Teil II, S. 400); § II zu XXXI,VIII (Teil III, S. 117). 942 Dabei handelt es sich um ein Rechtsinstitut, das Züge der deutschrechtlichen Erbleihe und der römischen Emphyteuse in sich vereint (Gedeon, S. 41 f.). 943 Wolckern, Commentatio, § VIII zu XXIII,XV (Teil II, S. 400). 944 Wolckern, Commentatio, § VIII zu XXIII,XV (Teil II, S. 400). 939

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

len.945 Wie der Erbmann hat der Nießbraucher (eines Waldes) alle Lasten der Sache und sogar vom Vorgänger noch rückständige Steuern zu tragen und muß den Wald „in baulichen Weesen, oder Geheg“ erhalten. Diese Pflichten treffen einen Pfarrer nicht, der aber sein geistliches Amt als Gegenleistung für die Pfründe auszuüben hat946, während die Nutzung Erbmann wie Nießbraucher umsonst gebührt.947 Zu XXXI,VIII948, der in Anlehnung an Dig. 33.1 das Unterhalts- und Rentenvermächtnis betrifft, behandelt Wolckern „als täglich vorkommende genera legatorum“ auch das in Dig. 33.2 geregelte „Vermächtnuß, da ich einem eine gewisse Sache zu nutzen, zu nießen, und zu gebrauchen vermache“.949 Der Nießbrauch sei „ein Recht eines andern Sache, salva tamen rei substantia, zu usufruiren, mithin zwar nicht ein pars dominii, doch nicht auch ein merus usus noch merus fructus“, sondern aus beidem zusammengesetzt.950 Ergänzungen zu in der Reformation ungeregelt gebliebenen Materien finden sich in der Einleitung von Wolckerns Kommentar. Section VII, Membr. II des V. Teils handelt „Von der Vätterlichen Gewalt, . . .“. Entgegen aufgekommener Bedenken an deren Fortbestand rekurriert Wolckern auf die von Stryk zum sächsischen Recht vertretene Position951: „Weil in Sächsischen Rechten (oder Nürnbergischen) nirgend zu finden, daß die Vätterliche Gewalt insonderheit aufgehoben, so bleibet auch dieselbe nicht unbillig allhier bestehen.“

Bloßer Nichtgebrauch eines gemeinrechtlichen Instituts tangiert für Wolckern dessen Geltung nicht; nötig sei, außer bei Unbilligkeit, eine ausdrückliche Aufhebung. Die Bezugnahme auf das sächsische Recht erinnert unter zwei Aspekten an Mevius’ Rechtsanwendungslehre: Einerseits ist vor einem Rekurs auf das deutsche ius commune ein verwandtes Partikularrecht vorzuziehen; andererseits ist bei darin bestehenden Lücken wiederum gemeines Recht anzuwenden, so daß die Feststellung, weder sächsisches noch 945

Wolckern, Commentatio, § VIII zu XXIII,XV (Teil II, S. 400). Damit wird die Pfründe insofern „verdinglicht“, als das Amt zur Gegenleistung für die Nutzung wird, während ursprünglich dieses als Gegenleistung für jene konzipiert war (vgl. H.-J. Becker, HRG III, Sp. 1743 f.). 947 Wolckern, Commentatio, § VIII zu XXIII,XV (Teil II, S. 401). 948 Dieser lautet: „Wann ainem zu vnderhaltung seins leibs, etwas, es sey an Gelt, Getraid, Getranck oder dergleichen, geschafft ist, vnd der, dem also geschafft worden, das zil vnd frist nit erlebte, So ist man seinen Erben zugeben nichts schuldig“. 949 Wolckern, Commentatio, § I zu XXXI,VIII (Teil III, S. 117). 950 Wolckern, Commentatio, § II zu XXXI,VIII (Teil III, S. 117), unter Hinweis auf Noodt. 951 Wolckern, Commentatio, § VII zu Theil V, Sect. VII, Membr. II der Einleitung (Teil I, S. 466). 946

C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten

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nürnbergisches Recht schließe den Fortbestand der gemeinrechtlichen patria potestas aus, keinen inhaltlichen Unterschied zu der älteren Statutentheorie – weil die Nürnberger Reformation zur patria potestas keine Spezialregelung enthält, ist unmittelbar gemeines Recht anzuwenden – bedeutet. Wolckern bezeichnet die statutarische Nutznießung des Nürnberger Rechts durchweg als „ususfructus“. Weil testamentarische Erbfolge vorgeht, ist ein gesetzlicher Nießbrauch nur an „Erbschafften der Eeleut on Geschefft“ bestimmt.952 Dessen Ausgestaltung differiert je nach ehelichem Güterstand und dem Vorhandensein ehelicher Kinder. Bei verdingter Ehe, bei der aufgrund vertraglicher Abrede das Vermögen, mit Ausnahme des Heiratsguts, jedem Ehegatten zugeordnet bleibt (vgl. XXVIII,II)953, bestimmt XXXIII,I Abs. 2 und 3 für den Witwer, der zusammen mit den Kindern erbt: „[2] Er hat auch in allen seins Weibs verlaßnen Gütern, (darunder auch die Heyratgüter gerechnet werden sollen) den beysitz, nutzung und niessung, sein lebenlang, Er greif gleich zu der andern Ee oder nit, Es were dann in abred der heyrat, ein anders bedingt, und versprochen worden. [3] Jedoch vnuerendert vnd vnuermindert des hauptguts, vnd das Er die kinder, seinen Stand vnd Eern gemeß, vnderhalt, zu zucht vnd lerung ziehe, vnd so sie zu jren jarn kommen, Eelich bestrate vnd außsteure.“

Für die Witwe besteht dagegen nur ein auf „Jrer, vnd der Kinder Leibsnarung“ beschränktes Nutzungsrecht (XXXIII,II Abs. 2), das mit Wiederverheiratung endet (XXXIII,II Abs. 5). Bei verdingter, unbeerbter Ehe steht dem überlebenden Ehegatten neben Eltern, Neffen und Nichten des Erblassers die Hälfte, neben anderen Verwandten drei Viertel der Hinterlassenschaft und zusätzlich gegen Sicherheitsleistung am übrigen Viertel „beysitz vnd genieß“ auf Lebenszeit zu (XXXIII,III Abs. 4). Gesetzlicher Güterstand in Nürnberg ist die als „versamnete Ehe“ bezeichnete allgemeine Gütergemeinschaft (XXVIII,I).954 Auch danach ist ein gesetzliches Nutzungsrecht des überlebenden Ehegatten statuiert (XXXIII,IIII): „[2] DOch soll in solchen vnuerdingten vnd versamenten heyraten, dem pleibenden Eegenossen, auf des verstorbnen verlaßnem halben teyl, der Beysitz, nutzung vnd niessung zusteen, so lang es in vnuerrucktem Wittibstand pleibt, oder sich sonst von den Kindern nit söndert oder abteilt, vnd ist derselbig Eegenoß schuldig, in Zeit solcher niessung, die liegende güter, in wesenlichem Paw zuerhalten, nichts davon zuuerendern, auch alle Burgerliche auflagen dauon zuentrichten, vnd die Kinder gepürlicher weiß zuerziehen und außzusteuren. 952 953 954

Wolckern, Commentatio, § VI zu XXXIII,III (Teil III, S. 166). Gedeon, S. 45. Gedeon, S. 44.

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

[3] WAs aber an varnus, durch teglichen geprauch abgenutzt oder geergert wurde, soll der abgang, auf die Zeit des niessenden Eegenossen absterben oder abtreten, dem aufgerichteten Inventario gemeß, erstattet werden. [4] SO aber der pleibend Eegenoß sich widerumb verheyraten wurde, oder sich sonst von den Kindern teilen wolt, Alsdann soll Er den Kindern oder den Vormunden, seins gepürenden halbenteils, vnd desselben niessung abtreten, vnd verzner nit schuldig sein, die Kinder mit cost vnd anderer noturft zuuersehen.“

Während damit über das Nutzungsrecht hinaus nichts an den überlebenden Ehegatten vererbt wird, weil er nur die Hälfte erhält, die ihm als Teilhaber der Ehegattengemeinschaft ohnehin zusteht, erhält er bei unbeerbter versamneter Ehe neben Eltern oder Geschwistern des Verstorbenen zusätzlich die Hälfte, neben anderen Verwandten zwei Drittel von deren Anteil. XXXIII,V Abs. 4 gewährt am Erbteil dieser Verwandten, der nur ein Sechstel des gemeinschaftlichen Gutes ausmacht, dem überlebenden Ehegatten gegen Sicherheitsleistung schließlich Verwaltung und Nutznießung auf Lebenszeit.955 Im Unterschied zur Rechtslage bei verdingter Ehe gibt es bei versamneter Ehe keine Differenzierung zwischen Mann und Frau. Beider Berechtigung erlischt mit Wiederverheiratung, während nach verdingter Ehe (nur) dem Vater der Nießbrauch auf Lebenszeit zusteht956, „auch wann gleich die Kinder nicht mehr in des Vatters Hauß oder Kost sind“957. Die statutarische Nutznießung der Witwe endet auch bei beerbter Ehe mit Wiederverheiratung. Begründet wird dies mit einem geradezu sprichwörtlichen Mißtrauen gegenüber der erneut heiratenden Witwe: „Wenn die Henne wieder zu dem Hahne kommet, vergisset sie ihre Jungen“.958 Eine Wiederverheiratung beendet aber nur den gesetzlichen Nießbrauch, nicht auch ein Nießbrauchsvermächtnis zugunsten der Witwe.959 Nach Auffassung Wolckerns ist darüber hinaus auch der Umfang des Nutzungsrechts der Witwe nach verdingter Ehe ein anderer als der des Witwers. Gebührt diesem der „ususfructus“ am Kindeserbe, beschränkt sich das Nutzungsrecht der Witwe auf einen bloßen „usus“.960 Wegen der in XXXIII,IIII zum Ausdruck kommenden Gleichbehandlung von Mann und Frau gelte dies aber nicht bei versamneter Ehe; steht dem Mann ein unbe955

Gedeon, S. 57. Wolckern, Commentatio, § V zu XXXIII,I (Teil III, S. 151). 957 Wolckern, Commentatio, § VII zu XXXIII,I (Teil III, S. 153). 958 Wolckern, Commentatio, § V zu XXXIII (Teil III, S. 148). – Vgl. auch Siebenkees, Von der Intestat-Erbfolge nach Nürnbergischen Rechten, Nünberg 1787, S. 113 (zit. nach Gedeon, S. 56 Fn. 155): Daß „Mütter, welche sich zum zweytenmal verheyraten, den Kindern mehr Schaden bringen, als die Väter. Von jenen ist mehr Leichtsinn zu erwarten, und mehr Anhänglichkeit für den zweyten Mann, welche den Kindern erster Ehe nachtheilig werden kann“. 959 Wolckern, Commentatio, § II zu XXXI,VIII (Teil III, S. 118). 960 Vgl. Gedeon, S. 56. 956

C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten

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schränktes Nutzungsrecht zu, müsse gleiches für die Frau gelten.961 Unter Bezugnahme auf Mevius betont Wolckern, daß nach versamneter Ehe Mutter wie Vater den Ertrag des nutznießlichen Gegenstandes behalten dürfen und nur dessen Substanz mit Ende des Nießbrauchs herausgeben müssen.962 Angesichts der in XXXIII,IIII Abs. 3 in Bezug auf Fahrnis statuierten Ersatzpflicht für Abnutzung und Beschädigung erörtert auch Wolckern die Frage, ob an allen beweglichen Sachen nur ein quasi ususfructus anzunehmen sei. Unter Hinweis auf Noodt referiert er den zum ius commune bestehenden Meinungsstreit: Sehen einige den Nießbraucher nur bei schuldhafter, übermäßiger Abnutzung für zum Ersatz verpflichtet an, weil „alle vasa, worunter aller Haußrath zu verstehen, oder corpora, wie auch die Kleider, ob sie gleich Usu sich nach und nach vermindern, doch finito Usufructu noch in natura restituiret werden dörffen“, unterscheiden andere „inter Usumfructum vestimenti, ut corporis, und quantitae, inmassen bey der quantitate nur quasi Ususfructus statt hat“. Doch sei eine Unterscheidung nach der Möglichkeit einer Restitution des Gegenstandes bei Ende des Nießbrauchs bzw. nach der Nießbrauchsbestellung an einem bestimmten Gegenstand oder bloß an einer bestimmten Menge davon für die Nürnberger Reformation nicht möglich, weil diese, und das auch schon in XI,IV, „generaliter alle[r] Fahrnusse gedencket“. Wolckern schließt mit dem Wunsch, die Kinder mögen es mit der Forderung nach Ersatz für Abnutzungen an Fahrnis „nicht allzugenau . . . nehmen“.963 Daraus dürfte zu schließen sein, daß im Anwendungsbereich dieser Norm jede Abnutzung aller beweglichen Sachen zu Ersatz verpflichtet, ohne daß immer ein quasi ususfructus anzunehmen sein soll. Auch insoweit, und nicht nur in Bezug auf XXXIII,III Abs. 4, dessen Ähnlichkeit mit „Jus Wurtenb.“ Wolckern explizit anspricht964, dürfte die nürnbergische Rechtspraxis mit der württembergischen im usus modernus weitgehend übereingestimmt haben. Vater wie Mutter dürfen den gesetzlichen Nießbrauch am Erbe ihrer Kinder nur „unverändert und unvermindert des Haupt-Guths“ ausüben (XXXIII,I bzw. IIII). Wolckern ergänzt unter Hinweis auf das Substanzerhaltungsgebot der gemeinrechtlichen Nießbrauchsdefinition, das bringe „ohnehin die natura Ususfructus“ mit sich.965 Unter Hinweis auf Stryk führt er weiter aus, „daß ein Usufructuarius zwar die Sache bessern aber nicht verschlimmern könne“966. Doch trotz dieses Rekurses auf gemeines Nießbrauchsrecht sieht Wolckern die statutarische Nutznießung wegen ihrer 961 962 963 964 965 966

Wolckern, Wolckern, Wolckern, Wolckern, Wolckern, Wolckern,

Commentatio, Commentatio, Commentatio, Commentatio, Commentatio, Commentatio,

§ § § § § §

III zu XXXIII,IIII (Teil III, S. 170 f.). IV zu XXXIII,IIII (Teil III, S. 172). IV zu XXXIII,IIII (Teil III, S. 173). VI zu XXXIII,III (Teil III, S. 166). VI zu XXXIII,I (Teil III, S. 152). IV zu XXXIII,IIII (Teil III, S. 173).

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

Herkunft und deutschen Bezeichnung967 als „ususfructus iuris Germanici“ an968: „obgleich mit denen Worten: unbeschadet des Haupt-Guths hier vornehmlich in Ansehung des Ususfructus auf die Römischen Rechte die Absicht man gehabt, jedoch, vermöge der Worte: Beysitz, Nutzung und Niessung sowohl, als des übrigen Inhalts dieses Gesetzes, ja gantzen Tituls, daß man das Wort Ususfructus nicht sowohl in sensu Juris Romani, als Germanici, nehmlich pro utili Dominio zugleich genommen . . .; zumahlen bey denen Teuschen ehehin auch omnis Tutela & Curatela fructuaria gewesen, so daß die Curatores die Güther der Pflug-Befohlenen, besonders da sie öffters die nächste Verwandte und Erben gewesen, dagegen haben geniessen dörffen, . . . Dahero auch im Schwaben-Spiegel und sonsten Lidoleip quasi Leihe zu Leibe vorkommet“.

Den „ususfructus Germanicus“ im allgemeinen spricht Wolckern als „Species Dominii utilis“ an.969 Gleichwohl wendet er zumeist römisches Nießbrauchsrecht auf die statutarische Nutznießung an; auch das erinnert an Mevius’ Kommentierung des Lübecker Stadtrechts.970 3. Das Wormser Stadtrecht von 1498 Das Wormser Stadtrecht von 1498 regelt den Verkauf von Nutzungsrechten und definiert dabei zugleich den Nießbrauch. Gemäß V.1.2 Abs. 5 darf, wer „einen bysitz, gepruch oder nießung hat etlicher güter, . . . sölichen gepruch oder nießung einem anderen verkaufen ein zyt lang, und der erbe oder eygentumer desselben guts ist schuldig, dem kaufer solichen gepruch zulassen, solang sich gepürt. Dann gepruch oder nießung ist ein gerechtikeit, die in ansehen des guts dem gut anhangt, wiewol es sust ein personlich recht ist der person halber“.

Wie in den späteren Württembergischen Landrechten meint auch in Worms die Bestimmung im Lichte des römischen Rechts971 nur den Verkauf der Ausübung des Nutzungsrechts. Dafür spricht auch, daß wer „allein den bysitz, gepruch oder nießung hat etlicher güter“ nicht diese, sondern nur deren „abnutzung oder blume“ verpfänden darf (V.3.7). 967 Auf den deutschrechtlichen Ursprung des Beisitzes in der Reformation von 1564 weist auch Gedeon, S. 57, hin. – Vgl. auch Sendler, Rechtssprache 2, S. 643, für die Nürnberger Reformation von 1479. 968 Wolckern, Commentatio, § VIII zu XXXIII,I (Teil III, S. 154). 969 Wolckern, Commentatio, Anm. zu XXIII,VII (Teil II, S. 369). 970 Dazu Stintzing/Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft II, S. 138. 971 Kunkel, in: Beyerle/Kunkel/Thieme, Quellen I/1, S. 330 Anm. 84, erwähnt beispielhaft Dig. 7.1.12.2 und 18.6.8.2; insbesondere die Bezugnahme auf Dig. 18.6.8.2 erscheint für die Wormser Bestimmung naheliegend, wird doch in dieser wie in Dig. 18.6.8.2 erwähnt, daß auch der Erbe des Eigentümers dem Erwerber „gepruch und nießung“ belassen muß, solange sie dem Nießbraucher zustehen.

C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten

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In IV.2.5 Abs. 3 findet sich eine Ausnahme von der regelmäßig erforderlichen Verkündung etc. bei der „ubergabe“972 von Gegenständen im Wert von mindestens 50 Gulden, wie sie in IV.2.4 Abs. 1 vorgeschrieben ist. Hier setzt der Wormser Statutengeber „besitz und nießung“ mit „ususfructus“ gleich973: „Wann auch ein vatter einem oder mee kinden und widerumb kinde iren eltern oder eelüte eins dem anderen setzt, ordent oder bescheit einen besitz und nießung etlicher güter, das man nennet usumfructum, mit dem geding, das die eigentum derselben güter nach endung des besitz oder nießung wider komme und falle uff die rechten natürlichen erben, so soll aber unnot syn, verkündung und ander solennitet zuhalten, wie oben angezeigt ist.“

Für die Wirksamkeit einer Nießbrauchsbestellung zugunsten des Ehegatten oder der Kinder bzw. Eltern ist eine Verkündung „unnot“. Kunkel meint, dies beruhe vielleicht auf Inst. 2.4.1974, wonach die Bestellung eines Nießbrauchs außerhalb eines Testaments durch formlose Abrede und Stipulation erfolgt. Betrachtet man den zweiten Teil der Bestimmung genauer, wird aber vor allem der Schutz der „rechten natürlichen erben“ leitend gewesen sein, weil das Formerfordernis von einer Wertgrenze abhängt und nur zugunsten bestimmter Angehöriger durchbrochen ist. In IV.2.4 Abs. 2 ist vorgeschrieben, daß bei der Verkündung vor dem Rate oder Gericht der Stadt, wo der Übergebende sagen solle, „das sölichs syn guter vester will und meynung sy“ (IV.2.4 Abs. 1), wenigstens zwei der „nechstgesipten erben“ zugegen sein sollen, um „zusehen und hörn sölich ubergab gescheen oder aber redlich ursach zusagen, warumb nit“. Den nächsten Verwandten steht damit ein Mitspracherecht bei der Abgabe wertvollerer Gegenstände aus der künftigen Erbmasse zu. Grundsätzlich dürfen wesentliche Teile des Vermögens ohne Mitwirkung der potentiellen Erben auch nicht zeitweise außerhalb der Familie (selbst nicht als Nießbrauch) vergeben werden. Bei der Nießbrauchsbestellung zugunsten eines Angehörigen bleibt das Vermögen dagegen in der Familie.975 IV.2.5 Abs. 3 läßt Rückschlüsse auf das in Worms Anwendung findende allgemeine Nießbrauchsrecht zu. Die Bestellung eines Nießbrauchs unterliegt den Regeln für die Übertragung von Eigentum. Selbst die Wertgrenzen (mindestens 50 Gulden) sind identisch. Die Formvorschriften für „uber972 Vgl. Kunkel, in: Beyerle/Kunkel/Thieme, Quellen I/1, S. 329 Anm. 37: „ubergabe“ meint „Vergabung“, d. h. Schenkungen unter Lebenden wie auf den Todesfall, testamentarische Zuwendungen sowie die Bestellung von Leibzuchtsrechten. 973 Insoweit unrichtig Sendler, Rechtssprache 2, S. 646. 974 Kunkel, in: Beyerle/Kunkel/Thieme, Quellen I/1, S. 329 Anm. 47. 975 Auch Kunkel, in: Beyerle/Kunkel/Thieme, Quellen I/1, S. XX, konstatiert, daß Tit. IV.2 „inhaltlich mehr oder weniger entscheidend vom heimischen Recht“ bestimmt sei.

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

gabe“ und Nießbrauchsbestellung lassen sich nicht aus dem gemeinen Recht herleiten976, wohl aber der Personenkreis, dem eine „ubergabe“ nicht gestattet ist. Unwirksam ist eine „ubergabe“ von noch nicht Fünfundzwanzigjährigen (IV.2.3 Abs. 1). In Abs. 3 heißt es weiter: „Es ist auch von gemeinem rechten, das die ubergabe nit bestee oder macht hab, da herschaft oder eygentum der güter durch den ubergeber einen andern nit uffgetragen werden. Darümb so wöllen wir, das solich ubergaben, die ein vatter tete in muterlichen gütern, so kinder do weren, nach der muter tod und hinwiderümb auch des besitzers, genant usufructuarius, des lehenmans, des bestenders eins gepruchs etlicher güter, genant emphiteota, und der glychen, da die gründ, eygentumb oder herschaft eins andern ist, nit von werden geacht noch zu halten syen.“

Als Verwalter kann der Ehemann an Gütern der Frau nur zu deren Lebzeiten einem anderen die Nutznießung überlassen, weil ihm weder Eigentum noch „herschaft“977 zusteht. Mit dem Tod der Frau erben die Kinder ihre Güter und erlangen auch das Verwaltungsrecht. Damit entfällt der Grund für die Nießbrauchsbestellung in der Person des Ehemannes, so daß ausnahmsweise der Tod des Eigentümers den Nießbrauch beendet. Während der Ehe gemeinsam erworbenes Gut fällt mit dem Tod eines Ehegatten an den überlebenden (IV.4.6 Abs. 2); am Eingebrachten oder in der Ehe allein vom Verstorbenen Erworbenen hat er nur den Beisitz, muß ein Inventar errichten und „in gewonlichem buwe und wesen halten dachung, schwellen, stubenfenster, ofen und wes zu teglichem gebruch gehört“ (IV.4.6 Abs. 3). Mitgift, Brautgabe und ähnliche Geschenke anläßlich der Eheschließung fallen mit dem Tode des Beschenkten an den anderen zurück (V.5.1 Abs. 6), „aber wes das abgegangen zubracht, daby hat das letstlebend allein den gepruch bysitz oder abnutzung derselben zubrachten güter, es were dan anders zwuschen inen beteidingt und abgered zuzyten des contracts oder hyrats-beredung“.

Dieser Nießbrauch endet immer erst mit dem Tode des Beisitzers, doch steht er bei dessen Wiederverheiratung weder dem zweiten Ehegatten noch den Kindern aus zweiter Ehe zu (V.5.1 Abs. 7). Vom „bysitzer und lypzüchter, genant usufructuarius“, sollen die Sachen „in gutem, uffrichtigem wesen und buwe gehalten und bewart werden“ (V.5.1 Abs. 8). Ist bei Eheschließung der nutznießliche Gegenstand geschätzt worden, hat der überlebende Ehegatte die Wahl, den Gegenstand oder den Wert zur Zeit der Eheschließung zurückzugeben, sofern nichts anderes vereinbart ist (vgl. V.5.1 Abs. 9); dem Nutznießer kommt damit eine Ersetzungsbefugnis zu. Soweit aus der ersten Ehe Kinder vorhanden sind, ist ihnen das Heiratsgut nach Abs. 11 „dermaßen verfangen“, daß der überlebende Ehegatte nur noch „in 976

Kunkel, in: Beyerle/Kunkel/Thieme, Quellen I/1, S. 329 Anm. 38. Das Begriffspaar „eygentumb und herschaft“ erinnert an das lateinische „proprietas et dominium“. 977

C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten

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gebrochener hant“ darüber verfügen kann; insbesondere darf er diese Güter nicht als Ehegaben bei seiner Wiederverheiratung einsetzen. Einen gesetzlichen Nießbrauch am Heiratsgut enthalten auch die Bestimmungen über die Einkindschaft.978 Sind Angehörige des vorverstorbenen Mannes mit der Einkindschaft von dessen Kindern nicht einverstanden, soll die Frau gemäß V.5.4 Abs. 7 nach ihrer zweiten Heirat „nit mee nemmen oder haben dan die abnutzung oder nießung irer eestür und des abgegangen mannes hyratgut, widdum oder heimstüer, genannt donacio propter nupcias, und nach absterben des mannes in der zweyten ee der bysitz oder nießung irer eestür, so sie on fürter lybs erben verfiele, hinderfallen, werden und folgen, dem sie gepürn, von dannen sie komen wern“.

Im übrigen gilt in Worms gemeines Nießbrauchsrecht, auf das V.4.19 Abs. 2 ausdrücklich Bezug nimmt: Dem Eigentümer eines Grundstücks, an dem ein Nießbrauch besteht, ist es „von gemeinen rechten verbotten“, dieses nach Belieben zu verändern. 4. Die Frankfurter Stadtrechtsreformationen a) Die Frankfurter Reformation von 1509 Die Stadtrechtsreformation von 1509 stellt die Übernahme des römischen Rechts auch als gesetzliche Grundlage979 für Frankfurt sicher, regelt aber nur Teile des materiellen Rechts.980 Erwähnt ist ein „ususfructus“ vor allem im Erb- und Familienrecht sowie in der prozeßrechtlichen Bestimmung des Art. 39.981 Art. 24 statuiert zugunsten des überlebenden Ehegatten einen Nießbrauch an den „ligende güttere“, die der Vorverstorbene hinterlassen hat und die Kinder geerbt haben. So wie Art. 24 abgefaßt ist, war es vor 1509 in Frankfurt die Regel, daß bereits mit dem Ableben eines Ehegatten die Kinder die Immobilien beider Eheleute erbten; dagegen wendet sich Art. 24. Daß es auch vor 1509 gesetzliche Nutzungsrechte des überlebenden Ehegatten an bestimmten Vermögensteilen des Erblassers gegeben hat, legt die (wenn auch nur einmalige) Formulierung „bysitz und usumfructum“ in Art. 25 § 5 978 Vgl. Köbler, Lexikon der europäischen Rechtsgeschichte, S. 121 f. Stichwort „Einkindschaft“: die vertragliche Gleichstellung von Kindern aus zwei Ehen, wobei die aus der ersten auf ihr Erbrecht nach dem vorverstorbenen Ehegatten verzichten. – V.5.4 Abs. 1 der Wormser Reformation zeigt eindrücklich die Gefahren dieses Rechtsinstituts für die Vermögensinteressen der Kinder aus erster Ehe auf. 979 Römisches Recht war bereits früher in Frankfurt eingedrungen (vgl. Coing, Rezeption, S. 119 ff., für den römischen „ususfructus“ speziell S. 131). 980 Coing, Frankfurter Reformation, S. 3. 981 Sendler, Rechtssprache 2, S. 645 Fn. 3.

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

nahe; die sprachliche Verdrängung von „Beisitz“ durch „ususfructus“982, setzt voraus, daß der Beisitz im älteren Frankfurter Recht bekannt war.983 Art. 25 § 3 S. 2 gewährt dem überlebenden Ehegatten alle Fahrnis, die Hälfte der Liegenschaften und am Kindeserbe „allein usumfructum“. Gleiches gilt nach § 4, wenn keine Kinder vorhanden sind, neben den nächsten Erben des Verstorbenen, während § 5 neben letztwillig vom Vorverstorbenen vermachten Gütern dem überlebenden Gatten „bysitz und usumfructum“ an allen ihm nicht zugewandten Gütern einräumt. Soweit der überlebende Ehegatte den Nießbrauch nicht ausschlägt, ist er zur Erziehung der Kinder und Bezahlung der Schulden des Verstorbenen sowie zur Stellung der cautio usufructuaria nach gemeinem Recht verpflichtet (§§ 6–8). Der Hinweis auf gemeines Nießbrauchsrecht zeigt, daß der deutsche Begriff „Beisitz“ lediglich der Veranschaulichung dient, während sich in der Regelung das Eindringen römischen Rechts in Frankfurt niedergeschlagen hat.984 Art. 29 § 4 ermöglicht, durch Ehevertrag dem überlebenden Ehegatten entsprechend „Frankfurter Brauch, dem anderen Gatten für den Fall des eigenen Todes ein Leibzuchtrecht zu verschreiben“985, den Nießbrauch aller Güter einzuräumen. In Eheverträgen sind erbrechtliche Regelungen grundsätzlich unzulässig, um den Ehegatten die Testierfreiheit zu erhalten (Art. 29 §§ 1, 2). Ist aber kein Testament errichtet worden, gelten die Bestimmungen des Ehevertrags (Art. 29 § 3), die somit wie letztwillige Verfügungen wirken.986 Art. 29 § 4 S. 2 enthält eine Auslegungsregel: Die Einräumung einer Leibzucht verbunden mit der Nennung desjenigen, dem die Güter nach dem Tode des Leibzüchters zufallen sollen, gewährt letzterem bereits mit Ableben des ersten Ehegatten das Eigentum, mit dem dann bei Ende der Leibzucht der Nießbrauch konsolidiert. Damit wird das ältere deutsche Leibzuchtsrecht gemeinem Nießbrauchsrecht angepaßt, das streng zwischen Eigentum und Nießbrauch unterscheidet.987 Schließlich steht bei Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten, der (auch) aus zweiter Ehe Kinder hat, nach dessen Versterben dem überleben982 Sendler, Rechtssprache 2, S. 644. – Vgl. Kunkel, in: Beyerle/Kunkel/Thieme, Quellen I/1, S. XXIV: „der Besitz des überlebenden Ehegatten wird als römischer usus fructus stilisiert“ 983 Vgl. Coing, Frankfurter Reformation, S. 75. 984 Vgl. Coing, Rezeption, S. 133. 985 So Coing, ZRG (RA) 56 (1936), 264, 272. 986 Coing, ZRG (RA) 56 (1936), 264, 272. – Einem 1561–1588 vor dem RKG anhängigen Rechtsstreit lag eine Erbberedung zugrunde, wonach der überlebende Ehegatte „aller des Verstorbenen ererbten, zugebrachten und errungenen Güter, liegend und fahrend, nichts davon ausgenommen, sein Lebenlang haben und behalten solle“ (vgl. Kaltwasser, Nr. 953, S. 680). 987 Vgl. Coing, ZRG (RA) 56 (1936), 264, 272 f., unter Hinweis auf Fichard: „Dominium enim non potest esse in suspenso“.

C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten

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den (zweiten) Ehepartner der Nießbrauch am Erbteil seiner (und des verstorbenen Gatten) Kinder zu (Art. 30 a. E.), während den anderen Kindern ihr Erbteil nach dem erstverstorbenen Ehegatten herauszugeben ist. Gegenüber Art. 24, 25 neu ist hier lediglich, daß dieser Nießbrauch nur einen Teil der Güter des verstorbenen Ehegatten erfaßt; am Erbteil der Kinder aus erster Ehe besteht er nicht. Es richtet sich nach dem zahlenmäßigen Verhältnis der Kinder aus erster und zweiter Ehe, in welchem Umfang dem überlebenden Ehegatten aus zweiter Ehe ein Nießbrauch zusteht. Damit setzt sich die Zuordnung des Vermögens beider Ehegatten zu ihren eigenen Kindern hinsichtlich des Nießbrauchs fort. b) Die Frankfurter Reformation von 1578 Mit der Stadtrechtsreformation von 1578 wurde das Frankfurter Privatrecht zur Herstellung größerer Rechtsklarheit noch einmal gesetzlich zusammengefaßt. Zugrunde lag ein Entwurf von Johann Fichard, dem Schöpfer des Solmser LR und langjährigen Frankfurter Stadtsyndikus.988 Der Nießbrauch ist zwar erwähnt; statuiert sind auch seine Unveräußerlichkeit und die Möglichkeit, die Ausübung einem Dritten zu überlassen. Nähere Regelungen finden sich aber nicht.989 Fichard war bestrebt, in Frankfurt noch anzutreffende deutschrechtliche Institute, wie etwa die Leibzucht, vollends römischem Nießbrauchsrecht zu unterstellen990, doch findet sich z. B. die Pflicht der Leibzüchterin zur Stellung der cautio usufructuaria bereits in der Reformation von 1509.991 Eine Einschränkung gegenüber dem Leibzuchtsrecht noch in dieser Reformation stellt es aber dar, daß erbrechtliche Bestimmungen in Eheverträgen nach der Reformation von 1578 nur dann wirksam sind, wenn es weder ein Testament noch leibliche Erben gibt.992 Wie auch andere Partikularrechte statuiert die Frankfurter Reformation zugunsten der Kinder ein gesetzliches Universalpfandrecht am Vermögen des Vaters.993 5. Das Freiburger Stadtrecht von 1520 Das Freiburger Stadtrecht von 1520 wurde verfaßt von Ulrich Zasius (1461–1535), der aufgrund seiner Offenheit für die humanistische Jurispru988

Coing, Frankfurter Reformation, S. 4. Coing, Frankfurter Reformation, S. 33. 990 Vgl. Coing, ZRG (RA) 56 (1936), 264, 272 f. – Polemisch dazu Planitz, ZRG (GA) 56 (1936), 460, 467: „auf das Prokustesbett der romanistischen Begriffsjurisprudenz zu strecken“. 991 Coing, Rezeption, S. 133. 992 Coing, Frankfurter Reformation, S. 64. 993 Coing, Frankfurter Reformation, S. 38; vgl. auch Klink, S. 252. 989

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

denz nicht als typischer Vertreter des usus modernus anzusehen ist.994 Dem WLR von 1555 diente es über den Zasius-Schüler Johann Sichardt (1499– 1552)995 in erheblichem Umfang als Vorbild.996 Bedeutung für die Methoden der Rechtsfindung hat das Freiburger Stadtrecht vor allem, weil darin die „Gewohnheiten, Statuten und Rechte der Stadt“ „mit Heranziehung kaiserlicher und geschriebener Rechte in Ordnung zu setzen“ waren, was Zasius meisterlich gelungen ist.997 Das Freiburger Stadtrecht enthält Ansätze einer Nießbrauchsdefinition in III,5,49: „So ouch in testamenten oder sunst in letzten willen einem andern nutzung und nießung ligender güter verschafft und legiert, so ist der nießer schuldig, das gut bescheidenlich und one schaden oder nachteil zenutzen und zenießen, nit zuverendern, in gutem flyß, acht und versehung zu halten und des den gesetzten oder den sipperben gnugsam versicherung zetun.“

Danach darf der mit einem Nießbrauch bedachte Vermächtnisnehmer ein Grundstück nutzen, aber nicht verändern, muß es in gutem Zustand erhalten und den Erben Sicherheit leisten. Das entspricht im wesentlichen gemeinem Nießbrauchsrecht. Darüber hinaus reichen das Gebot bescheidener Nutzung und die Pflicht, das Gut „in gutem flyß, acht und versehung zu halten“, nicht bloß ein Nichtantasten der Sachsubstanz. Dem überlebenden Ehegatten, der neben Kindern ein (Ehefrau) bzw. zwei Drittel (Ehemann) erbt, gebührt am Rest lebenslange „nutzung und nießung“ (III,3,10).998 An „varender hab . . ., die mit dem nießen und gebruch hin“ geht, hat der Nutznießer einen modifizierten quasi ususfructus, bei dessen Ende er nur die tatsächlich verbrauchten Sachen ersetzen muß (III,3,13). Hat ein Elternteil an den außerhalb dieses Erbrechts zugefallenen Gütern den Nießbrauch, muß er ein Inventar errichten; die Berechtigung der Mutter ist dadurch eingeschränkt, daß unter Umständen die Verwaltung des Kindesguts durch Vögte erfolgen soll (III,3,14). Da in dieser Bestimmung kein Nießbrauch statuiert, sondern vorausgesetzt wird, ändert sich am gemeinrechtlichen Nießbrauch des Vaters an den bona adventitia nichts. Unterschiedlich ist die Dauer des väterlichen und mütterlichen Nießbrauchs: „Nutzung und nießung“ des Vaters endet, wenn „die Kinder ußgestürt werden und uß des vatters handen und gewalt komen und in eigner hushaltung sind“, bei Mißbrauch oder Minderung des nutznießlichen Gegenstandes bzw. unehrenhaftem Lebenswandel (III,3,15) sowie durch frei994 Knoche, S. 4; K.-P. Schroeder, JuS 1995, 97, 100; Kleinheyer/Schröder, S. 455 ff.; Schiemann, Usus modernus, S. 166. 995 Vgl. Winterberg, S. 66 ff. 996 Kleinheyer/Schröder, S. 373 f. 997 K.-P. Schroeder, JuS 1995, 97, 101. 998 Knoche, S. 121.

C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten

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willige Aufgabe (III,3,18). Der Mutter bleibt der Nießbrauch, „solang sy in witwestatt ist und ein erlich wesen fürt; wenn sy sich aber anderswa verhyrat oder unerlich hielt, so hört die nießung uff“ (III,3,16). Trotz der regelmäßig verwendeten „Doppelformel“ „nutzung und nießung“999 und der allgemein konstatierten „überaus glückliche[n] Verbindung zwischen dem heimischen und dem römischen Recht“1000 entspricht das Freiburger Nießbrauchsrechts weitgehend gemeinem Recht. Damit stellte sich für das Freiburger Stadtgericht hierzu1001 nicht die Frage, ob das lückenhafte Statutarrecht im Sinne des Stadtrechts oder des gemeinen Nießbrauchsrechts zu ergänzen ist, denn das Ergebnis wäre das gleiche gewesen. 6. Das Jülich-Bergische Landrecht von 1555/64 Das Landrecht von Jülich-Berg statuiert im 95. Kapitel „Von der Leibzucht“ für den überlebenden Ehegatten am Kindeserbe einen gesetzlichen Nießbrauch; das zeigt die Gleichsetzung von Leibzucht und Nießbrauch in der Urteilspraxis1002 wie auch deren Definition als „ein Gerechtigkeit frembde Güter zu nutzen, zu geniessen und zu gebrauchen, ohn derselbigen Schaden, und also von dem Eygenthumb gantz verschieden“ (Cap. 95 [6]). Statt einer Verwendung des Begriffs „ususfructus“ übersetzte der Statutengeber mithin die römische ususfructus-Definition. Grundlage dieser Leibzucht ist die zu Lebzeiten der Eheleute bestehende partikulare Gütergemeinschaft, die Mobilien und Errungenschaft umfaßt. Mit Auflösung durch den Tod eines Gatten erhält der andere das Eigentum an den Mobilien sowie die Leibzucht an allen Immobilien; diese erben die Kinder oder die nächsten Verwandten, wobei die Stammgüter an die jeweilige Familie zurückfallen (vgl. Cap. 88).1003 Die Leibzucht besteht bis zum Tod des Berechtigten (Cap. 95 [1]); am Kindeserbe ist der Leibzüchter von der Kautionspflicht befreit (Cap. 95 [1]) und muß erst vor Wiederverheiratung ein Inventar errichten (Cap. 95 [2]). Sind andere als „Leibs-Erben in absteigender Linien“ als Erben berufen „oder so einem Frembden die Leibzucht vermacht wäre“, muß der Leibzüchter dagegen Sicherheit leisten und 999

Sendler, Rechtssprache 2, S. 643. So Wesenberg/Wesener, S. 103; inhaltsgleich Mitteis/Lieberich, Deutsche Rechtsgeschichte, § 40 I 5. 1001 Für die Tractate über das Verfahrens- und Obligationenrecht hat nach Nasall, S. 383, das Stadtgericht „nicht einfach unter Rückgriff auf gemeines Recht, sondern unter Beachtung der ihm vom Stadtrecht vorgegebenen Tendenzen“ entschieden. 1002 Vgl. deren Wiedergabe bei Maurenbrecher, Die Rheinpreußischen Landrechte 1, S. 264 ff. Anm. 70 f. 1003 Maurenbrecher, Die Rheinpreußischen Landrechte 1, S. 267 f. Anm. 77. 1000

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

ein Inventar errichten (Cap. 95 [3]). Ihm stehen bereits die Früchte zu, die „die Eege beschoren“ hat (Cap. 95 [7]). Diese Regelung aus dem sächsischen Recht gilt nach einem Urteil von 1703 aber nur für die statutarische Leibzucht, nicht auch für andere Nießbrauchsrechte, auf die in Jülich-Berg römisches Recht Anwendung finden soll.1004 7. Das Solmser Landrecht von 1571 Auch die Land- und Gerichtsordnung der Grafschaft Solms von 1571 wurde von Johann Fichard geschaffen. Zum Verkauf „kundbarer Gerechtigkeyten“ heißt es darin (II,11,6): „also mag auch einer seinen Besitz und Nießbrauch, ususfructus in Latein genannt, einem andern ein Zeitlang oder auch sein Leben lang oder so lang er ihme gebürte, verkaufen; und ist demnach der Eygentumbsherr schuldig, dem Kaufer solchen Brauch oder Nießung zu lassen, so lang dieselbig dem Verkaufer und ususfructuario gebürt und zustehet, doch also, daß er sich dermaßen in solchem erkauften Gebrauch und Nießung halte, wie der Verkaufere und usufructuarius selber sich darin zu halten von Rechtswegen schuldig“.

Im Einklang mit gemeinem Recht1005 ist auch hier nur die entgeltliche Überlassung der Ausübung des Nießbrauchs gemeint. Bewußt abweichend vom „Kayserlichen Recht“ dagegen gewährt das Solmser LR dem überlebenden Ehegatten lebenslänglichen „Beysitz“ an den „leygenden Gütern“, wenn hierüber weder „sondere pacta und Gedinge“ noch letztwillige Verfügungen bestehen und zur Zeit des Todes des anderen Ehegatten keine Kinder (mehr) vorhanden sind. Der Nutznießer muß „solche Güter in wesentlichem Bau und Besserung halten“, darf sie weder „verwüsten“ noch veräußern und muß alle Lasten tragen. Bei Verstoß gegen diese Pflichten hat er „sein Leibzucht und Usufruct daran verwirkt“ (II,28,1). An während der Ehe von beiden Eheleuten gemeinschaftlich erworbenen oder erarbeiteten beweglichen und unbeweglichen Sachen hat der Überlebende „volligen Beyseß“, doch muß nach seinem Tod eine Aufteilung auf die Erben des Mannes und der Frau erfolgen (II,28,3). Neben gemeinsamen Kindern erbt der überlebende Ehegatte die Hälfte der Fahrnis; zusätzlich ist ihm nach II,27,5 der „Beyseß an beyden solchen Gütern sein Lebenlang vorbehalten, dagegen er auch die Kinder zu Gottesfurcht auferziehen und mit aller Notturft versehen, auch die Schulden, so in stehender Ehe gemacht, für vollen bezahlen soll.“

Dieser „Beyseß“ gestattet dem überlebenden Elternteil die Verwaltung und Nutznießung des Kindeserbes, doch muß er dafür die Kinder erziehen und unterhalten. 1004 1005

Maurenbrecher, Die Rheinpreußischen Landrechte 1, S. 267 Anm. 74. Kunkel, in: Beyerle/Kunkel/Thieme, Quellen I/2, S. 360 Anm. 54.

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8. Die Kursächsischen Konstitutionen von 1572 Die Kursächsischen Konstitutionen1006 sind als Sammlung von Entscheidungen des Gesetzgebers über Kontroversen in der Rechtsprechung der Schöppenstühle von Leipzig und Wittenberg sowie zwischen den übrigen sächsischen Obergerichten1007 das wichtigste Beispiel der Kontroversengesetzgebung.1008 Neben Kontroversen in der Entscheidungspraxis kursächsischer Spruchkörper sind darin auch juristische Streitfragen zum gemeinen Recht behandelt.1009 Anders als der Sachsenspiegel, der Nutznießungsrechte für den (überlebenden) Ehegatten statuiert hat1010, und die Zwikkauer Stadtrechtsreformation von 1539 (revidiert 1569)1011, in welcher der Witwe neben ehelichen Kindern die Nutznießung an den unbeweglichen Sachen statuiert ist1012, enthalten die Konstitutionen aber nahezu keine Regelungen zum Nießbrauchsrecht. Das zeigt, daß es zur Zeit der Entstehung der Konstitutionen in der sächsischen Gerichtspraxis und auch unter den bei ihrer Abfassung beteiligten gelehrten Juristen keine wesentlichen Streitfragen zum Nießbrauch gegeben hat, die amtlicher Entscheidungshilfe bedurft hätten.1013 Als Ausnahme sind in III,25 die Erzeugnisse eines Bergwerks abweichend von der sächsischen Gerichtspraxis vor Erlaß der Konstitutionen1014 „nicht vor fructus renascentes und wachsenden Früchten gleich“ gesetzt (Abs. 2), woraus für den Nießbrauch folgt (Abs. 4): „Wann aber der Vater, so allein die Verwaltung und Abnutzunge in der Kinder mütterlichen Gütern, administrationem et usum fructum, hat, von den Bergteilen, den Kindern zustendig, Ausbeut nehmen und empfangen würd, so sollen dieselbigen nicht des Vaters eigentümlich sein, sondern er soll allein die Abnutzung da1006 Zur Entstehungsgeschichte Stintzing, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft I, S. 547 ff.; Wesenberg/Wesener, S. 101; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 197 f.; Kunkel, in: Beyerle/Kunkel/Thieme, Quellen I/2, S. XXXV ff. 1007 Vgl. Kunkel, in: Beyerle/Kunkel/Thieme, Quellen I/2, S. XLII f. 1008 Schiemann, Usus modernus, S. 165; Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte 2, S. 232. 1009 Heine, ZRG (RA) 82 (1965), 227, 235. 1010 Vgl. Kling, Das Ganze Sechsisch Landrecht mit Text und Gloss. 1011 Diese blieb neben den Konstitutionen in Anwendung (Schultze, ZRG [GA] 58 [1938], 709, 733 ff.). 1012 Zwickauer Stadtrecht III,2,B,1; die auf einen bloßen gesetzlichen Nießbrauch hindeutende Formulierung „nemlich die beweglichen eigentumblich, aber die unbeweglichen zu seinem gebrauch auf sein leben nehmen“ dürfte erst 1569 in das Stadtrecht aufgenommen worden sein (vgl. Schultze, ZRG [GA] 58 [1938], 709 ff.). 1013 Vgl. Heine, ZRG (RA) 82 (1965), 227, 235: „Gerade die Alltäglichkeiten und Selbstverständlichkeiten mußten der gesetzlichen Regelung entzogen sein“; Lipp, JuS 1995, 387, 391. 1014 Vgl. O. Schröder, AcP 49 (1866), 360, 381 f.

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

von bis zur Scheidung zu gebrauchen haben und mit der Hauptsumma also gebaren, auf das dieselbige zur Zeit der Scheidung oder nach seinem Tod den Kindern unvormindert zukome.“

Daß diese Regelung sich nicht auf den ususfructus maritalis beschränkt, zeigt schon die Überschrift dieser Konstitution: „Ob Bergteil vor bewegliche oder unbewegliche Güter zu achten und wie es domit zu halten, wann der Vater oder der Man oder jemand anders doran den usum fructum und den Gebrauch hat.“ Von den in Carpzovs Spruchsammlungen enthaltenen Entscheidungen1015 des Leipziger Schöppenstuhls und des Dresdner Appellationsgerichts aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts1016 betreffen einige den Nießbrauch. Die Ausrichtung der „Jurisprudentia“ an der Gliederung der Kursächsischen Konstitutionen1017 hat zur Folge, daß Entscheidungen mit Bezügen zum Nießbrauch eher zufällig den das Prozeß- und Privatrecht behandelnden Büchern eins bis drei der Konstitutionen zugeordnet sind; in den „Responsa“ sind sie zumeist im sechsten, das Erbrecht behandelnden Buch angesiedelt. Als Rechtsquelle legen die sächsischen Gerichte in der Regel gemeines Nießbrauchsrecht zugrunde. Weder die Rechtsstellung der Witwe am Leibgedinge1018 noch die des Ehemannes am Frauengut gelten nach sächsischem Recht als Nießbrauch. Gemäß der Konstitution III.33 erlangt die Witwe mit dem Tod des Mannes das Eigentum an Morgengabe und Leibgeding („iure proprio“). Und das Verwaltungs- und Nutzungsrecht des Mannes am Vermögen der Frau während der Ehe wird zwar als „ususfructus maritalis“ bezeichnet, doch handelt es sich in Anbetracht der Befugnis, Vermögensgegenstände der Frau zu veräußern, nicht um einen Nießbrauch im römischrechtlichen Sinne.1019 In drei Entscheidungen verneint der Leipziger Schöppenstuhl entgegen älterem sächsischen Brauch einen Nießbrauch der überlebenden Mutter am 1015

Das Register zur 5. Aufl. der „Jurisprudentia“ enthält 21 Stichworte zu „ususfructus“ und 14 zu „usufructuarius“; im Register der „Responsa“ sind es 13 bzw. 11. 1016 Für die Zeit bis 1524 vermerkt Kisch, Leipziger Schöffenspruchsammlung, S. 608, fünf Sprüche zu einem „Nießbrauch“, in denen es um „nutzung“ bzw. „genieß“ (Nr. 109, S. 135 [betrifft aber wohl ein lehnsrechtlich zu begründendes Nutzungsrecht] und Nr. 462, S. 324 [Verlust des Nutzungsrechts des überlebenden Ehegatten am Erbteil der Kinder bei Wiederverheiratung]) oder „rechte gewere und brauchung“ (Nr. 397, S. 275 [hier ging es wohl um die Zuweisung des Eigentums bzw. der rechten gewere]) ging. 1017 Heine, ZRG (RA) 82 (1965), 227, 234 f.; Stintzing/Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft II, S. 85. 1018 Vgl. Köbler, Lexikon der europäischen Rechtsgeschichte, S. 333 Stichwort „Leibgedinge“. 1019 Hübner, S. 689.

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Kindesgut, selbst wenn sie dieses verwaltet.1020 Carpzov und ihm folgend Stryk stimmen zu, weil einer Mutter keine väterliche Gewalt zustehe1021, während Struve der Witwe nach dem Tod des Mannes wegen der Lasten von Erziehung und Versorgung der Kinder einen solchen Nießbrauch zuerkennt.1022 Auf gemeines Nießbrauchsrecht rekurriert auch eine Entscheidung des Schöppenstuhls zur Befugnis der Witwe, den Gegenstand ihres Leibgedinges zu verpachten: Wenn einem Nießbraucher eine Verpachtung gestattet ist, muß dies erst recht für die Witwe gelten.1023 Das darin anklingende „weniger“ eines Nießbrauchs gegenüber dem Leibgedinge steht einer Übertragung der in III.16 im Sinne einer Teilung pro rata temporis entschiedene Frage, ob regelmäßig fällige Erbzinsen bei Leibgedingen nach dem Tod des Berechtigten vor Fälligkeit dessen Erben anteilig zustehen, auf einen Nießbrauch entgegen. Der Leipziger Schöppenstuhl folgert umgekehrt aus dem gemeinen Recht, wonach Früchte erst mit Perzeption in das Eigentum des Nießbrauchers fallen, daß auch erst nach dem Tod des Nießbrauchers fällige Zinsen dem Eigentümer (und nicht den Erben des Nießbrauchers) zustehen.1024 Vor der Perzeption gebühren natürliche Früchte aber dann den Erben, wenn der Nießbraucher den Boden bebaut hat1025; dabei handelt es sich um den einzigen Rekurs zum Nießbrauch auf sächsisches Recht in einer von Carpzov wiedergegebenen Entscheidung. Trotz denkbarer Anknüpfungspunkte in den Konstitutionen entscheidet die sächsische Gerichtspraxis ansonsten Fragen des Nießbrauchsrechts mangels ausdrücklicher statutarischer Bestimmung nach gemeinem Recht.1026 9. Das Kurpfälzer Landrecht von 1582 Das Kurpfälzer Landrecht von 15821027 folgt im privatrechtlichen Teil dem WLR 15671028 (bzw. 15551029) und wird wie dieses 1610 einer – ge1020

Carpzov, Jurisprudentia, P. II, Cons. X, Def. XIII. Carpzov, Jurisprudentia, P. II, Cons. X, Def. XIII no. 7; Stryk, Usus modernus, Lib. VII, Tit. I, §XIV. 1022 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII § V: „Diximus verò vi patriae potestatis, quod ita se habet jure civili: Moribus enim Saxonicis mortuo patre etiam matri competit ususfructus, propter onus educationis & alimentationis“. 1023 Carpzov, Jurisprudentia, P. II, Cons. XLII, Def. IX no. 4. 1024 Carpzov, Jurisprudentia, P. III, Cons. XVI, Def. V. 1025 Carpzov, Jurisprudentia, P. I, Cons. V, Def. XXI no. 4. 1026 Vgl. Carpzov, Responsa, Lib. VI, Resp. LXX: Mangels partikularrechtlicher Regelung für die Frage eines Nießbrauchs der Mutter an den Gütern der Kinder nach dem Tod des Vaters wird auf gemeines Recht verwiesen. 1027 Zur Entstehung vgl. B.-R. Kern, Gerichtsordnungen, S. 30 ff. 1028 So Wesenberg/Wesener, S. 99. 1021

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ringfügigen1030 – Revision unterzogen.1031 Der II. Teil über „Contracte vnd Handthierungen“ enthält Regelungen über (Praedial-) Servituten (II,XXI) und „Erbverleyhungen“1032 (II,V), nicht aber zum Nießbrauch. Im IV. Teil finden sich Bestimmungen über Leibzucht und Beysitz des überlebenden Ehegatten bei Intestaterbfolge. Sind keine Kinder (mehr) am Leben, gebührt ihm neben Fahrnis und Errungenschaft die Hälfte der Immobilien als Erbe, am übrigen Teil „sein Lebenlang der Beysitz, zu Latein Vsusfructus genannt“ (IV,XIII § 1). Neben Kindern erbt der Vater zwei Drittel von Fahrnis und Errungenschaft, die Mutter ein Drittel (IV,XIIII § 1)1033; dazu kommt am Kindsteil jeweils die Leibzucht (IV,XIIII § 2)1034: „Doch soll das letztlebendt Ehegemächt / da es der ersten oder ander Kindt rechter Vatter oder Mutter / bey vnd an derselben jetzt vermeldt angefallenen vätterlichen oder mütterlichen Gütern oder Erbtheil die Administration oder Leibzucht sein lebenlang haben / dagegen die Kinder in Gottesforcht / Zucht vnnd Ehrbarkeit zu erziehen.“

Die Pflichten des Leibzüchters bestimmt § 3 in Anlehnung an gemeines Nießbrauchsrecht: „Es sollen auch in diesem Fall die Eltern von solchen ihrer Kinder Gütern nichts veräussern / sonder denselben zum besten / die in nützlichem Bauw vnd Wesen / one einigen Abgang / erhalten / darumb dann berürten Kindern / dieser Administration wegen / nicht allein ihrer Eltern andere eigne Güter stillschweigend verhaftet / sonder auch die Kinder macht haben sollen / die veräußerten Güter / als ihr recht Vnderpfandt / zu verfolgen.“

Diese Leibzucht stellt einen im Interesse des Kindes eingeschränkten Beisitz des überlebenden Ehegatten dar. Daß es sich dabei nicht nur um ein fremdnütziges Verwaltungsrecht handelt, wird – neben der Lebenslänglichkeit der Berechtigung – dadurch unterstrichen, daß gegenüber Stiefkindern eine solche Berechtigung an deren Gütern – hier als „Beysitz“ bezeichnet – 1029 So B.-R. Kern, ZRG (GA) 100 (1983), 274, 279 ff.; ders., Gerichtsordnungen, S. 109; Christ, S. 49 Fn. 2; vgl. auch Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 197. 1030 B.-R. Kern, Gerichtsordnungen, S. 76 ff. 1031 Wesenberg/Wesener, S. 99; einschränkend B.-R. Kern, Gerichtsordnungen, S. 38. 1032 Nach B.-R. Kern, Gerichtsordnungen, S. 11, handelt es sich bei der kurpfälzischen Ausgestaltung in Tit. V um ein Institut deutschrechtlichen Ursprungs mit römischrechtlichen Modifikationen; durch die Identifizierung mit der römischen Emphyteuse werde der deutschrechtliche Charakter verkannt (ebda, Fn. 24 m. N.). – Ähnlich Gedeon, S. 42 f., für die Erbleihe nach Tit. XXIII der Nürnberger Reformation. 1033 Hier lebt die Unterscheidung in einen (größeren) Schwertteil des Mannes und einen (kleineren) Kunkelteil der Frau offenbar fort (vgl. Hübner, S. 684). 1034 Es sind noch weitere Erziehungsziele aufgezählt, außerdem die Ermöglichung standesgemäßer Heirat.

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nach § 4 unstatthaft ist; hier muß sich der überlebende Ehegatte mit seinem Erbteil an Fahrnis und Errungenschaft begnügen. Ansätze zur Ausgestaltung dieses gesetzlichen Nießbrauchs finden sich in Tit. XV„Von Beysitz oder Vsufructu deß letztlebenden Ehegemächts / vnd der Caution / so man sonsten deßwegen zu leisten schuldig“. Nach einer Bestätigung der Lebenslänglichkeit des Beisitzes wird in § 1 die grundsätzliche Pflicht des Nutznießers zur Sicherheitsleistung bekräftigt, von der die Eltern gegenüber ihren Kindern befreit sind. Ob die Kaution durch „Vnderpfanden / Bürgschafft oder mit Eydt“ geleistet werden soll, stellt § 2 in das Ermessen des Gerichts oder eines Verwaltungsbeamten. §§ 3, 4 regeln die Inventarisierungspflicht. In §§ 5, 6 folgen spezielle Untergangsgründe für den Beisitz des überlebenden Ehegatten. Als an das (unehrenhafte) Verhalten des Berechtigten anknüpfende Gründe hätten die in § 5 aufgeführten bereits ausgereicht, einen gesetzlichen Nießbrauch nicht entstehen zu lassen: „. . . als / da ein Vatter oder Mutter vbel hauset / leichfertigs / vnehrbars / vnnützen / untüglich / also daß die Kinder / so noch vnmündig / in ihrer Zucht versaumbt / vnd zu bösen Exempeln gereitzt werden / Dann in solchem Fall soll den Eltern die Niessung angeregter Güter genommen / vnnd andern tüchtigen / nach laut unserer Vormünder Ordnung / oder den Kindern selbst / so sie ihres vollkommenen Alters / vndergeben werden.“

Die Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten läßt dessen Beisitz gemäß § 6 nur enden, wenn die Eheschließung dem Verstorbenen zur Unehre gereicht oder gegen bestimmte Moralvorschriften verstößt: „Als auch der letztlebend Ehegemächt / so gehörtermassen von dem Verstorbenen nießliche Güter / sich anderwerts in Ehestandt begeben / vnnd solches ohne vnser Erlaubnuß vnnd wichtige Vrsach vor der Zeit / . . . / oder auch leichtfertiger Weise / darauß Verkleinerung deß abgestorbnen Ehegemächts oder desselben Kinder erfolget / thun würde / soll dasselbig Ehegemächt / den Beysitz bey solchen Gütern abermaln verloren haben / vnd derselb den Kindern oder andern Eigenthumbs Erben zuwachsen.“

§ 7 enthält schließlich einen Verweis auf die Untergangsgründe des gemeinen Rechts, die neben denen in §§ 5, 6 bestehen bleiben. „Was andere Vorschriften deß verrückten Vsufructus antrifft / als da einer die nießliche Güter / ohne Verwissen veräussert / cediert / vbergibt / oder nicht in gebührlichem Baw erhellt / etc. Da lassen wir es bey den gemeinen beschriebenen Rechten verbleiben.“

Der Verweis auf das „gemeine beschriebene Recht“ macht deutlich, daß nur, soweit es für die konkrete Ausgestaltung dieser statutarischen Nutznießung erforderlich ist, inhaltliche Bestimmungen aufgestellt worden sind. Im übrigen kommt auch in der Kurpfalz gemeines Nießbrauchsrecht zur Anwendung. Der gesetzliche Nießbrauch des überlebenden Ehegatten ist als

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wesentliche Folge nachwirkender ehelicher Solidarität jeder testamentarischen Disposition entzogen, es sei denn der überlebende Ehegatte hat dem anderen einen Scheidungsgrund geliefert oder es liegen die Voraussetzungen für eine Enterbung zwischen Eltern und Kindern (vgl. III,XVI) vor. 10. Das Lübecker Stadtrecht von 1586 Das Lübecker Stadtrecht von 1586 beschränkt sich auf die Statuierung einer Nutznießung für die Witwe in Teil II, Tit. II über die Intestaterbfolge. Gesetzliche Erben sind die Kinder (II,II,I); dem überlebenden Ehegatten gebührt die Hälfte der Hinterlassenschaft, dem Mann zusätzlich der Harnisch und seine besten Kleider (II,II,II), der Frau der Trauring (II,II,III). Vater wie Mutter sollen zwar mit den Kindern die Erbschaft teilen, können aber auch mit diesen in ungeteilter Gemeinschaft bleiben.1035 Dann hat der Überlebende den Nießbrauch am gesamten Vermögen aus der Ehe.1036 Erst im Falle einer Wiederverheiratung muß er dieses mit den Kindern teilen. Für die Zeit der Witwenschaft der überlebenden Ehefrau bestimmt II,II,VIII dazu: „Haben Mann und Weib Kinder mit einander / und werden sich alle in den Ehestand begeben / stirbet der Mann / die Frau bleibet besitzen in allen Gütern / Sie mag aber derselben keine weder verkauffen / versetzen / noch vergeben ohne der Erben Erlaubnüß / es wäre dann / daß sie derselben bedürffte zu Unterhaltung ihres Leibes / welches sie zuvorn Endlichen erhalten muß. Will sie sich aber anderweit verehelichen / oder in ein Kloster oder Gotteshauß einkauffen / so muß sie mit den Kindern theilen.“

Mit diesem Beisitz an allen Gütern beider Eheleute nach dem Tode des Mannes soll die Ehefrau gegenüber gemeinem Recht besser gestellt werden1037, doch ist der Anwendungsbereich gering. II,II,VIII setzt voraus, daß eheliche Kinder noch am Leben und nicht bereits abgeteilt sind1038, mit denen die Witwe die zuvor mit dem Ehemann bestehende Gütergemeinschaft fortsetzt.1039 Zu Lebzeiten seien beide Eheleute zu einer „societas“1040 verbunden, die zwar aufgrund ius societatis grundsätzlich mit dem 1035 Das entspricht dem Teilrecht im mittelalterlichen westfälisch-lübischen Recht (vgl. dazu Richard Schröder, Geschichte des ehelichen Güterrechts II/3, S. 146 ff.). 1036 Mevius, Commentar, p. 355 no. 47. 1037 Mevius, Commentar, p. 379 no. 1: „Jure civili uxoribus in bonis maritorum nulla debetur successio, quamdiu agnati vel cognati supersunt“. 1038 Mevius, Commentar, p. 379 no. 4 s. 1039 Der von Hübner, S. 689, konstatierte gesetzliche Güterstand der Verwaltungsgemeinschaft gilt gemäß II,II,XII, der bei unbeerbter Ehe eine Teilung der Vermögensmassen von Mann und Frau nach dem Tode des einen Ehepartners vorsieht, wie schon nach älterem lübischem Recht (vgl. ebda., S. 679) nur bei kinderloser Ehe.

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Tod eines der socii aufgelöst würde, hier aber als fortbestehend gelte, weil am ungeteilten Gemeinschaftsvermögen die Kinder den Vater repräsentierten.1041 Zur Teilung der fortgesetzten Gütergemeinschaft ist die Witwe erst bei Wiederverheiratung verpflichtet.1042 Daß ihr bis dahin das Fruchtziehungsrecht zusteht, bezeichnet Mevius als „fromm, richtig und gerecht“. Nach der „aequitas statuti“ sei nicht zweifelhaft, daß ihr die Verwaltung und Nutznießung zukomme, solange sie ehrenhaft in der Witwenstellung verharre.1043 In dieser Berufung auf die Billigkeit des Stadtrechts liegt keine Übertragung naturrechtlichen Gedankenguts auf das Lübecker Stadtrecht1044; die aequitas dient neben dem Wortlaut bis Ende des 17. Jahrhunderts zur Ermittlung der ratio legis.1045 Das Wort „besitzen“ werde im Zusammenhang mit dem Veräußerungsverbot allgemein als Recht zu Verwaltung und Fruchtziehung verstanden.1046 Ob damit aber der Witwe wirklich ein Nießbrauch statuiert ist, diskutiert Mevius ausführlich. Kein „verus ususfructus“ stehe ihr zu, wenn sie zwar gesetzliche Nutznießerin aller Güter sei, aber von den Früchten nur die zu ihrem Unterhalt notwendigen erwerbe.1047 Als Argumente dafür nennt Mevius zuerst den Vergleich mit II,II,XXI1048, wonach der zur zwei1040 Nach Stintzing/Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft II, S. 138, gebraucht Mevius für die deutsche Gütergemeinschaft der Ehegatten auch den römischrechtlichen Begriff der „communio“. 1041 Mevius, Commentar, p. 379 no. 8 s.: „Produxit ea jura viduarum hoc statutum ad jus societatis, quae fuit inter maritum & uxorem. Et licet regulariter morte alterius socii societas finiatur . . . tamen natis & superstitibus ex conjugio liberis, qui imaginem patris repraesentant, ante divisionem vi hujus statuti continuatur ea communio . . . non secus ac jure communi, quando praemorientis socii haeredes, cum vivo socio res communes indivisas retinent & administrant, inter eos societas continuata censetur“. 1042 Mevius, Commentar, p. 379 no. 10: „Hinc mater vidua cum liberis dividere non tenetur, sed communia bona detinet“. 1043 Mevius, Commentar, p. 380 no. 11. 1044 Voppel, S. 135 f. 1045 Vgl. J. Schröder, Privatrechtliche Methodenlehre, S. 260 m. w. N.; ders., ZNR 21 (1999), 29 ff. 1046 Mevius, Commentar, p. 380 no. 25: „Verbum tamen Besitzen / & exceptio alienationis ostendunt, administrationem & fructuum perceptionem ei collatam esse“. 1047 Mevius, Commentar, p. 380 no. 26: „An autem haec fructus perceptio verus ususfructus sit, seu an uxor statuto usufructuaria omnium bonorum facta tantundem ex fructibus saltem acquirat, quantum ad alimenta sufficit, an verò omnes frutus suos faciat, & ita formalem usumfructum habeat? diversis sententiis disputatur“. 1048 II,II,XXI: „Stirbet einem Manne sein Weib / und haben sie miteinander Kinder gezeuget / greifft er dann zu der andern Ehe / so soll er Rechnung thun den Freunden seiner Kinder: Will er das nicht thun / so soll man ihn mit Rechte vernehmen / und darzu zwingen / daß er Rechenschafft thun muß: wären auch die Kinder frembde / und hätten keine Freunde / welche die Rechenschafft fordern könnten /

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ten Ehe schreitende Elternteil zur Rechenschaftsablegung verpflichtet ist, „damit den Kindern das ihre bleibe“. Diese Pflicht trifft die Mutter auch in Fällen des II,II,VIII (vgl. II,II,XXI a. E.). Zwar bringt II,II,XXI nicht klar zum Ausdruck, ob die Mutter erst bei einer Wiederverheiratung oder schon mit dem Tod des Mannes zur Rechenschaft verpflichtet ist, doch muß sie gemäß II,II,VIII bei Wiederverheiratung mit den Kindern teilen, was eine Rechenschaftsablegung mangels fortdauernden Nutzungsrechts der Mutter unsinnig machen würde. Daß die Mutter bereits bei Antritt des Nutzungsrechts zur Rechenschaftslegung verpflichtet ist, sei ein Indiz, daß ihr nicht alle Früchte zustehen, weil derjenige, der Nutzungen nach seinem Belieben ziehen dürfe, nicht zur Rechenschaft gezwungen sei.1049 Außerdem solle die Witwe nicht anders stehen als während der Ehe; hier habe sie aber auch nur Anspruch auf Unterhalt und Bekleidung.1050 Weiterhin werde gemeinrechtlich bei einem Nießbrauchsvermächtnis aller Güter das Fruchtziehungsrecht der Witwe zugunsten der Kinder im Zweifel als auf ihren Unterhalt beschränkt angesehen.1051 Schließlich bleibe ohne Anteil an den Früchten den Kindern nur die nuda proprietas, was gemeinrechtlich unzulässig sei.1052 Derart in der Nutzungsmöglichkeit beeinträchtigt seien sie kaum als „Erben“ zu bezeichnen.1053 Dem stellt Mevius dann die seines Erachtens durchgreifenden Argumente gegenüber. Der Witwe sei außer der Veräußerung des nutznießlichen Gegenstandes alles erlaubt. Das Veräußerungsverbot könne als Ausnahme so soll der Rath / wenn ihnen dasselbe zu wissen gethan / und darumb ersucht werden / ihn von Amptswegen zur Rechenschafft halten / und also beschaffen / damit den Kindern das ihre bleibe. Gleichergestalt soll es auch zugehen mit der Frauen und ihren Kindern / wann ihr der Mann stirbet“. – Mevius, Commentar, p. 381 no. 27, spricht zwar von „artic.12.h.tit.“, der aber nicht gemeint sein kann, wie sich aus dem Text und den folgenden Ausführungen von Mevius ergibt, in denen er sich die dem Vater auferlegte Rechenschaftspflicht an den seiner Verwaltung unterliegenden Gütern bezieht, während II,II,XII die unbeerbte Ehe betrifft. 1049 Mevius, Commentar, p. 381 no. 27 s.: „Primò per text. in artic.12.h.tit. ubi rationum redditio patri de administratione bonorum durante viduitate in juncta indicio esse visa, quod interim quaesita sua non faciat, cùm de susi rationem nemo reddere teneatur, sed liber arbiter“. 1050 Mevius, Commentar, p. 381 no. 29. 1051 Mevius, Commentar, p. 381 no. 30: „Tertio effertur Dd. in simili casu communis conclusio: Quod testamento uxori relictus ususfructus omnium bonorum in favorem liberorum restringitur ad alimenta, non autem plenus ususfructus, qui omnes utilitates ad uxorem transferat“. 1052 Mevius, Commentar, p. 381 no. 31: „Quarto jure communi prohibitum est, integrum rerum omnium usumfructum ita reliqui uxori, ut liberis reliqua sit nuda proprietas, . . . cui statuto nostro derogatum non repperitur, ideoque hodie observabitur“. 1053 Mevius, Commentar, p. 381 no. 32: „Quinto, si aliud dicendum, inutile manet liberis nomen haeredum, quales illi ex nostro jure patri existunt“.

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keine weiteren Beschränkungen begründen. Umgekehrt gelte: Eine Ausnahme bestätigt die Regel.1054 Auch mache das Veräußerungsverbot in II,II,VIII über ihre Alimentierung hinaus nur Sinn, wenn der Umfang des Fruchtziehungsrechts im Belieben der Witwe stehe.1055 Ratio legis der statutarischen Nutznießung sei es, die Gütergemeinschaft über den Tod des Mannes hinaus fortzusetzen.1056 Zu Lebzeiten beider Eheleute darf der Mann alle Nutzungen kraft seiner Muntgewalt ziehen. Mit ihrer Fortsetzung stehe der Gütergemeinschaft weiterhin aller Nutzen zu; der Wegfall des ehemännlichen Verwaltungs- und Nutzungsrechts habe daher zur Folge, daß nunmehr der Witwe als überlebender Gemeinschafterin alle Nutzungen zufließen müssen. Diese Auslegung entspreche auch Pietät und Menschlichkeit. Mevius schließt mit der Wiedergabe der Argumentation von Cothmann1057, eines langjährigen Lübecker Advokaten, als des „usus optimus statutorum“1058: Solange dieser sich erinnere, seien der Frau immer Verwaltung und Nutznießung der Güter überlassen worden. Die gemeinrechtliche Auslegungsregel gelte nicht, wenn ein entgegenstehender Wille des Erblassers deutlich geworden sei; eine solche Auslegung gegen den Wortlaut des Artikels könne also nur auf diese Zweifelsregelung gestützt werden. Außerdem seien die Kinder durch ihren Pflichtteil gesichert. Das Argument, ein nicht unbeschränktes Fruchtziehungsrecht der Witwe entwerte deren Erbenstellung derart, daß diese nutzlos sei, sei gegen den Willen der Statuten unbeachtlich, weil durch den Pflichtteil die Kinder genügend erhalten. Die ehemännlichen Güter mit Ausnahme des Pflichtteils sowie der Mitgift oder einer donatio propter nuptiam, die im Eigentum der Witwe bleiben, besitze sie „qua usumfructum“. Als Usufruktuarin sei sie aber nicht in ihrem Fruchtziehungsrecht beschränkt. Diese Argumentation zeigt anschaulich die Vorgehensweise von Mevius, der in seiner Vorbemerkung zu dem Kommentar betont, das Verhältnis der Statuten zum gemeinen Recht lasse sich besser anhand einzelner Bestimmungen als abstrakt darstellen.1059 Vorrangig sind Wortlaut und Systematik 1054 Mevius, Commentar, p. 381 no. 34 s.: „Verba nostri art. in bonis mariti omnia viduae permittunt, praeter alienationem. Cujus exceptio firmat regulam in casibus non exceptis“. 1055 Mevius, Commentar, p. 381 no. 35: „Frustrà aut absurdè prohiberetur alienatio ipsarum rerum haereditarium, nisi fructus essent in arbitrio viduae“. 1056 Mevius, Commentar, p. 381 no. 36: „Ratio statuti praeprimis in eo consistit, quòd viduae ex suprà causis ea indulta sunt, quae maritus ex istis rebus habiturus esset, cùm tanquam imago viri durante viduitate ea consequatur“. 1057 Ernst Cothmann (1557–1624), zunächst Rechtspraktiker und Privatdozent, dann mecklenburgischer Rat und schließlich ordentlicher Professor in Rostock (vgl. Stintzing, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft I, S. 727). – Die Responsen Cothmanns nutzte Mevius bei der Abfassung seines Kommentars (vgl. Stintzing/ Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft II, S. 125). 1058 Mevius, Commentar, p. 381 no. 38.

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der Statuten. Wesentliche Bedeutung kommt auch der ratio legis zu. Eine gemeinrechtliche Auslegungsregel kann als bloßer Zweifelssatz einen entgegenstehenden Wortlaut der Statuten nicht aushebeln. Schließlich ist der praktische Gebrauch des Statutenartikels von Bedeutung, der sich im Rekurs auf Cothmann niederschlägt. Inhaltlich klingt bei der Auslegung an, daß der Statutengeber von einem Vorrang der Witwe gegenüber den Kindern ausgegangen ist, was Mevius als „fromm und gerecht“ auch billigt, ohne aber explizit auf einen „favor coniugum“ hinzuweisen. Gegenstand des statutarischen Nießbrauchs sind die während der Ehe gemeinschaftlich besessenen Güter, nicht dagegen die Güter der Kinder, unabhängig davon, ob diese sie vor oder nach dem Tod des Vaters erworben haben. Ein väterlicher Nießbrauch daran kann nicht von der Mutter vindiziert werden. Da hierzu das Stadtrecht keine Bestimmungen enthält, gelte gemeines Recht; danach kommt ein solcher Nießbrauch als Ausfluß väterlicher Gewalt1060 selbst dann nicht der Mutter zu, wenn die Kinder unter ihrer Vormundschaft stehen.1061 Art. VIII verbietet im Regelfall eine Veräußerung der Sache. Weil es „schweres Unrecht sei, jemandem zu verbieten, mit seinen Sachen nach freiem Ermessen zu verfahren“1062, gelte dieses Verbot nur, wenn die Sache nicht im Alleineigentum der Witwe stehe, z. B. wenn sie diese nach dem Tode eines ihrer Kinder als dessen Erbin erhalten habe.1063 Und die Vergabe als Emphyteuse, die Vermietung etc. seien keine Veräußerungen.1064 Schließlich gestatte der Wortlaut Veräußerungen mit Zustimmung der Erben1065 und im Falle von Notdurft.1066 Als Nießbraucherin hat die Witwe keinen Eigenbesitz.1067 Verboten sind ihr Verschlechterungen und Veränderungen der „Sachintegrität“1068; sie darf 1059

Vgl. Mevius, Commentar, p. 43 no. 32. Mevius unterstellt die väterliche Gewalt des lübischen Rechts damit schlicht den Regeln der römischen patria potestas (vgl. Stintzing/Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft II, S. 138). 1061 Mevius, Commentar, p. 384 Additio Ad Num. 25. 1062 Mevius, Commentar, p. 379 Summaria no. 57: „Gravis est injuria, alicui rerum suarum arbitrium prohibere“. – Ob in dieser Betonung der Verfügungsfreiheit bereits naturrechtliches Gedankengut anklingt, ist fraglich; Mevius zitiert zu dieser Aussage niemanden, doch dürfte seine Einschränkung, dieser Grundsatz solle nur gelten, „nisi lex specialiter quasdam personas hoc facere prohibuerit“ (Commentar, p. 383 no. 57), hier das Naturrecht allenfalls als Auslegungshilfe für das positive Recht heranziehen. Voppel, S. 135 f., hält naturrechtliche Einflüsse außerhalb des Gedankens der aequitas in Mevius’ praktischen Werken für nicht nachweisbar. 1063 Mevius, Commentar, p. 383 no. 57 ss. 1064 Mevius, Commentar, p. 383 no. 63. 1065 Mevius, Commentar, p. 383 no. 64. 1066 Mevius, Commentar, p. 383 no. 66. 1060

C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten

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nur so mit den Sachen umgehen, daß diese unversehrt auf die Kinder übergehen können.1069 Dem dient eine Pflicht zur Inventarerrichtung, die Mevius auch bei einem der Witwe letztwillig eingeräumten Nießbrauch bejaht, selbst wenn sie der Erblasser davon befreit hat.1070 Der Nießbrauch der Witwe endet mit Wiederverheiratung oder Eintritt in ein Kloster bzw. Gotteshaus.1071 In diesen Fällen muß die Witwe mit ihren Kindern die Erbschaft teilen und verliert den Nießbrauch an den Kindsteilen. Als im Stadtrecht nicht enthaltene Beendigungsgründe aufgrund höheren Rechts („fas est“) nennt Mevius Mißbrauch und Verschwendung; der Nutznießer soll bescheiden leben.1072 Schließlich kann der Sohn mit Erreichen der Volljährigkeit gemäß II,II,XI1073 nach dem Tod von Vater oder Mutter vom überlebenden Elternteil seinen Erbteil verlangen; mit der Erbteilung endet der statutarische Nießbrauch der Mutter wie auch der gemeinrechtliche Nießbrauch des Vaters an den Adventitiengütern, doch kann auch über die Volljährigkeit hinaus die Gütergemeinschaft fortgesetzt werden.1074 Lücken im statutarischen Erbrecht sind unter Rückgriff auf deutsches ius commune zu schließen.1075 11. Das Hamburger Stadtrecht von 1603 Das Hamburger Stadtrecht von 1603 ist weitgehend deutschrechtlich geprägt1076, doch finden sich im (Familien-)Erbrecht auch teilweise wörtliche 1067

Mevius, Commentar, p. 469 no. 39 s. Mevius, Commentar, p. 382 no. 54: „Uti debet mater rebus salva earum substantia, . . . Unde nec immutare, nec permutare quidquam ex iis integrum erit“. 1069 Mevius, Commentar, p. 382 no. 55: „In summa ita versari debet in bonis mulier, ut omnia integra liberis relinquantur, etiam possessio, quam nec in unum liberorum in caeterorum praejudicium transferre licebit“. 1070 Mevius, Commentar, p. 384 no. 79. 1071 Mevius, Commentar, p. 378, übersetzt dies mit „aut in Monasterium, aut in Hospitae migrare voluerit“; diese Beendigungsgründe erstaunen für den protestantischen Ostseeraum, doch dürfte nicht ausgeschlossen gewesen sein, daß eine Lübecker Witwe in einer anderen Region in ein Kloster eintritt. 1072 Mevius, Commentar, p. 384 no. 85: „Tertio finiri & amitti eum usumfructum abusu & dilapidatione fas est, veluti, si parens superstes non frugaliter vivit, & utiliter bona administrat, tunc aut ad divisionem veniendum, aut curator constituendus, qui administret“. 1073 Dieser lautet: „Wann Vatter und Mutter Kinder haben / und alsdann der Eltern eines verstirbet / seynd der Kinder eines / oder mehr zu ihren mündigen Jahren kommen / und wollen ihr Erbtheil haben / von dem verstorbenen Vater / oder Mutter / man soll ihme dasselbe nicht verweigern“. 1074 Mevius, Commentar, p. 398 no. 23 ss. 1075 Mevius, Commentar, p. 341 no. 2 und dazu Summaria p. 340: „In hic materia sequimur jus commune, ubi non habetur statutarii dispositio“. 1068

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Übernahmen aus der Nürnberger Reformation von 1564.1077 Allerdings fehlen im Hamburger Stadtrecht Bestimmungen über eine statutarische Nutznießung, weil der überlebende Ehegatte zusammen mit den Kindern erbt. Eine Teilung des Erbes ist intendiert, von Ausnahmen wie der Wiederverheiratung abgesehen, aber nicht verpflichtend.1078 Für den Witwer ist gemäß III.3 eine Teilung mit den Kindern selbst bei Wiederverheiratung nur dann obligatorisch, wenn das älteste der (noch lebenden) Kinder das Alter erreicht hat, in dem der väterliche Nießbrauch nicht mehr stattfindet.1079 Dies ist nach dem Wortlaut von III.3.4 der Fall „Bis die Kinder achtzehen Jahr vollnkomlich erreichet“1080, was zur Zeit der Entstehung des Stadtrechts der dortigen Volljährigkeitsgrenze entsprochen haben soll. Deren spätere Anhebung auf 22 Jahre1081 sei wegen des klaren Wortlautes der Bestimmung ohne Einfluß geblieben.1082 Die gegenüber dem gemeinen Recht1083 vorverlegte Volljährigkeit bedeutet eine kürzere Dauer des väterlichen Nießbrauchs. Die Rechtsstellung des Vaters an den Erbteilen der (minderjährigen) Kinder nach Erbteilung ist weiter dadurch eingeschränkt, daß er für den Nießbrauch Sicherheit leisten muß.1084 Schließlich trägt der Vater die Kosten der Erhaltung der nutznießlichen Sachen, doch gilt dies nicht als Konsequenz der Lastentragungspflicht eines Nießbrauchers, weil diese Pflicht den Vater auch bei ungeteiltem Erbe trifft, zu einer Zeit also, zu der er noch keinen Nießbrauch hat.1085 Substanzerhaltungs- und Kautionspflicht treffen den Mann auch bei einem Nießbrauchsvermächtnis aller Güter, die er bei der Erbteilung nicht bekommen soll.1086 12. Das Bayerische Landrecht von 1616 Die Bayerische Landrechtsreformation von 1518 ist „gekennzeichnet durch das begrenzte Maß der Romanisierung und durch eine noch naive und 1076

Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 191. Gries, Commentar II, passim. – Gries’ Kommentar des Hamburger Stadtrechts ist inhaltlich nicht mehr dem usus modernus zuzuordnen; neben Zitaten naturrechtlicher Autoren (z. B. von Nettelbladt) finden sich bereits deutliche Anklänge an die historische Schule, insbes. Zitate von Eichhorn. 1078 Gries, Commentar II, S. 264 f. 1079 Gries, Commentar II, S. 265. 1080 Zitiert nach Gries, Commentar II, S. 275. 1081 Die Anhebung des Volljährigkeitsalters bedeutet eine Abkehr von altdeutschen Vorstellungen (vgl. Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 230). 1082 Gries, Commentar II, S. 275. 1083 Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 230; Knothe, Geschäftsfähigkeit, S. 134. 1084 Gries, Commentar II, S. 274. 1085 Gries, Commentar II, S. 276. 1086 Gries, Commentar II, S. 173. 1077

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schlichte, um Lücken unbekümmerte Gesetzestechnik“1087. Erst im ausgehenden 16. Jahrhundert wird der usus modernus „die tragende rechtliche Strömung der ganzen Privatrechtsordnung in Bayern“1088; „mit dem Bayerischen Landrecht von 1616 war das rezipierte römische Recht in Bayern „heimisch“ geworden“1089, so daß dieses als Grundlage für die Untersuchung des bayerischen Nießbrauchsrechts im usus modernus dienen soll.1090 Dessen XXVI. Titel „Von den Grunddienstbarkeiten oder Servituten“ behandelt Haus- und Felddienstbarkeiten (XXVI,2 S. 1)1091 einschließlich der irregulären Personalservituten1092, nicht aber auch der regulären, weil – so Caspar Schmid – „Gebrauch“ (usus) und „Innwohnen“ (habitatio) in Bayern selten vorgekommen seien, das „Nutz-Niessungs-Recht“ aber „meistens aus einer anderen Wurtzel als aus einem Titul einer Persöhnlichen Dienstbarkeit her, gleichwie in den Bonis adventiis aus dem Vätterlichen Gewalt“ bzw. beim Heiratsgut aus „Ehe-Pacten“ oder ähnlichen Rechtsgründen entspringe.1093 Auch aus dem XXI. Titel über Emphyteuse und Lehnsrecht1094 lassen sich keine Anhaltspunkte für das Nießbrauchsrecht in Bayern herleiten, denn dieser sei mehr gemäß alten Gewohnheiten, als nach gemeinrechtlichen Grundsätzen auszulegen.1095 Das BayLR enthält statutarische Nutznießungsrechte1096 erstmals auch im Familienrecht.1097 So heißt es in I,1 Abs. 3 S. 1 in Bezug auf die Witwe (S. 3 überträgt es auf den Witwer)1098: „Hette aber das Weib ihrem Mann ein gewisses und rechtes Heuratguet zugebracht / doch sonsten zwischen inen / wie es der Todtfäll halben soll gehalten 1087

Kunkel, in: Beyerle/Kunkel/Thieme, Quellen I/2, S. XI. Helml, S. 28. – Ähnlich Söllner, Literatur zum gemeinen und partikularen Recht, S. 519. 1089 Kleinheyer/Schröder, S. 236; zur nicht unumstrittenen Frage, inwieweit in der Landrechtsreformation von 1518 bereits römisches Recht rezipiert worden war Helml, S. 23 f. m. w. N. 1090 Zur Entstehungsgeschichte Günter, S. 128 ff. 1091 Schmid, Commentar II, S. 236 No. 2 zu XXVI.I. 1092 Günter, S. 218 Anm. zu XXVI,1. – Allerdings weist somit die nach dem Befund von Schlosser, Statutarrecht, S. 193, „nach zeitgenössischen Maßstäben einzigartige Kodifikation des gesamten bayerischen Rechts“ eine bemerkenswerte Lücke auf. 1093 Schmid, Commentar II, S. 236 No. 2 zu XXVI.I. 1094 Günter, S. 126. 1095 Schmid, Commentar II, S. 2. 1096 Zur Geschichte erbrechtlicher Nutznießungsrechte in Bayern vor 1616 Helml, S. 42 ff. 1097 Helml, S. 111. 1098 Hier und im folgenden zit. nach Günter, Bayerisches Landrecht, dessen Zählweise übernommen ist. 1088

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werden/ nichts bedingt worden / so folgt ihr die Widerleg / welche dem Heuratguet gleich seye / ihr lebenlang nutznießlich / . . .“

Knüpft diese Nutznießung noch im wesentlichen an älteres deutsches Recht an, wird im III. Titel „Von Vätterlichen Gewalt und Nutzniessung Mütterlichen Guets“ der wachsende Einfluß des römischen auf das bayerische Zivilrecht deutlich.1099 Der gesetzliche Nießbrauch des Vaters an den bona materna der Kinder in III,1 S. 2 ähnelt dem gemeinrechtlichen ususfructus bonorum adventitiorum1100 und endet wie dieser mit Gründung eines eigenen Hausstandes bzw. mit Vollendung des 25. Lebensjahrs. Bei Verheiratung vor Volljährigkeit ohne Zustimmung des Vaters dauert er bis zur Erreichung dieser Altersgrenze fort (III,3 Abs. 1).1101 Ein lebenslanger Nießbrauch an Kindsgütern aus der mütterlichen Linie steht nur Adeligen zu (III,3 Abs. 2 S. 1). Nutznießungsrechte enthält auch das Erbrecht. So bleibt dem überlebenden Elternteil, der ein Kind zusammen mit dessen Geschwistern beerbt, bei Wiederverheiratung sein „lebenlang / die abnutzung deß Guets und Haab“1102 am vom vorverstorbenen Ehegatten stammenden Erbteil (XXXX,5 Abs. 1). Gleiches gilt nach Abs. 2 bei Nichtübernahme der Vormundschaft am später vorverstorbenen Kind (S. 1) oder unzüchtigem Lebenswandel der Mutter (S. 2). Die Formulierung in XXXX,6 Abs. 4 S. 1, daß bei Einwilligung des Kindes in die Wiederverheiratung des überlebenden Elternteils dieser „am aigenthumb so wol / als der nutzniessung nichts verlieren soll“, zeigt deutlich, daß auch das BayLR von einem aus zwei Komponenten zusammengesetzten Eigentum ausgeht. Auf einen Nießbrauch beschränkt ist dagegen der überlebende Ehegatte, wenn er Güter vom Verstorbenen „durch Heuratgeding / Testament / Schanckung / oder in ander Weg bekommen / oder ererbet“ und wieder heiratet, soweit Kinder aus erster Ehe vorhanden sind (XXXX,7 S. 1) und ihn der Erblasser von dieser Beschränkung nicht freigestellt hat (XXXX,7 S. 2).1103 Die Beschränkung auf einen Nießbrauch dient dem „Favor des Kindes“1104 1099

Günter, S. 159. Dazu Schmid, Commentar II, S. 647 No. 15 zu XL.IV. 1101 Günter, S. 181 f. Anm. zu III, 3. 1102 Daß es sich dabei um einen (gesetzlichen) Nießbrauch handelt, zeigen auch die Beratungen über die Gesetzesfassung, in denen von „ususfructus“ die Rede ist (vgl. Günter, S. 252 Anm. zu XXXX,5). 1103 Von der Beschränkung auf den Nießbrauch (Tit. XXXX,5 Abs. 1) können bei Intestaterbfolge zusammen mit den Kindern aus der Ehe mit dem Vorverstorbenen nur diese den überlebenden Ehegatten befreien (vgl. Helml, S. 104), während bei (Mit-)Einräumung des Eigentums aufgrund letztwilliger oder lebzeitiger Verfügung der Erblassers selbst die Befreiung anordnen kann. 1104 So Schmid, Commentar II, S. 650 No. 5 zu XL.V. 1100

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und wird daher restriktiv ausgelegt, so daß die Wiederverheiratung nur dann den Verlust des Eigentums zur Folge hat, wenn noch Kinder aus erster Ehe am Leben sind.1105 Anders als im gemeinen Recht spielt keine Rolle, ob die Wiederverheiratung vor oder nach dem Tod des Kindes erfolgt.1106 Einen spezifischen Beendigungsgrund für die statutarische Nutznießung enthält XXXX,8: Die Witwe, die sich „leichtfertig wider verheuratet“, hat alles was sie vom Ehemann oder den Kindern „aigenthumblich oder nutznießlich bekommen / gentzlich verworcht“, weil – so Schmid – „ein unkeusches Weib nicht minder praesumirt wird, daß sie alles ihren Liebhabern vor dem Sohn anhencke“1107. 13. Die preußischen Landrechte von 1620, 1685 und 1721 Im „Landtrecht des Herzogthumbs Preußen“ von 1620 –1685 einer geringfügigen und 1721 einer etwas bedeutenderen Revision unterzogen – ist „das gesamte Partikularrecht unter Aufhebung des kaiserlichen, sächsischen und kulmischen Recht kodifiziert“.1108 Obwohl Preußen zu dieser Zeit kein Teil des Hl. Römischen Reichs1109 und daher auch nicht der Rechtsprechung des RKG unterworfen ist1110, und das gemeine Recht nicht subsidiär in Geltung bleibt, beruht das PrLR inhaltlich auf gemeinem und sächsischem Recht.1111 Das PrLR 1620 enthält Regelungen über den Nießbrauch als sachenrechtliches Institut im dritten Teil über Eigentum, Servituten, Verjährung, Besitz und Interdikte1112, das PrLR 17211113 im dritten Buch des zweiten Teils über Eigentum, Dienstbarkeiten, Personalservituten, Ersitzung und Verjährung etc. Der dritte Titel handelt „Von der Niessung / Leibzucht oder Ab1105

Schmid, Commentar II, S. 650 No. 5 zu XL.V; Helml, S. 105. Schmid, Commentar II, S. 649 No. 3 zu XL.V. 1107 Schmid, Commentar II, S. 652 f. No. 16 zu XL.V. 1108 Bornhak, S. 132. 1109 Vgl. Rabe, S. 336 ff. – In dem mit Preußen seit 1618/19 in Personalunion verbundenen Kurfürstentum Brandenburg scheiterte eine entsprechende Gesetzgebung. Hier galt weiter die Constitutio Joachimica von 1527, die nur einzelne Bereiche des Erbrechts regelt. Zum Nießbrauch findet sich darin keinerlei Regelung. Das das Erbrecht unter Ehegatten betreffende Kap. 1 statuiert nur einen (güterrechtlichen) Anspruch des überlebenden Ehegatten in Höhe der Hälfte des Vermögens (vgl. Kunkel, in: Beyerle/Kunkel/Thieme, Quellen I/2, S. 324 Anm. 1); ein gesetzliches Nutznießungsrecht an der anderen Hälfte besteht nicht. Der Verweis in Kap. 3, daß „in allen gemeinen Erbfellen Kayserrecht gesprochen“ werden soll, betrifft die gesetzliche Verwandtenerbfolge (S. 336 Anm. 5). 1110 Bornhak, S. 132. 1111 Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 198. 1112 Bornhak, S. 133. 1106

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

nützung: Item, von erlaubtem Gebrauch der Güther / und Häußlicher Wohnung“. In dessen Art. I sind diese drei Personalservituten (§ I)1114 aufgezählt, „dieweil sie an der Persohn, und nicht am Guthe hangen: Darumb sie dann auch mit der Persohn sterben und verfallen“. Gemäß III,III,I § II ist „der ususfructus, die Niessung oder Abnützung, eine Gerechtigkeit, daß jemand anderer Güther geniessen und gebrauchen mag: Doch daß die Güther in ihrem Wesen und Werth bleiben, welches die Rechts-Gelehrten nennen einen proprium usumfructum, dadurch sich jemand unvermindert, auch ungeärgert, der rechten Substantz und Wesentlichkeit des Haupt-Guths gebrauchen und alle Abnützunge davon empfahen mag“.

Die Bezugnahme auf die „Rechts-Gelehrten“ zeigt, daß der Verfasser des Landrechts von den Ansichten der gemeinrechtlichen Juristen maßgeblich beeinflußt war.1115 Vor dem eigentlichen Nießbrauchstitel wird die „Niessung (usus fructus)“ in III,I,I § V bei der Einteilung der Sachen zu den „res incorporales, unbegreiffliche[n]/ oder unleibliche[n] Dinge[n] und Gerechtigkeiten/ die man nicht anrühren/ und nicht mit der Faust begreiffen noch sehen mag“ gezählt. Nießbrauch, Eigentum und Besitz sind jeweils „unterschiedliche Gerechtigkeiten“ (III,V,I § VIII). Ein Nießbrauch entsteht durch Verträge jeder Art oder letztwillige Verfügungen (III,III,I § II a. E., V,VIII,II § I). Möglich ist auch die Übertragung des Eigentums unter Nießbrauchsvorbehalt (III,I,XII § VIII). Neben einem Vertrag ist gemäß III,I,XII § IV eine „erdichtliche Ubergabe“ („ficta sive quasi traditio“) zur Entstehung des Nießbrauchs erforderlich. Einen Nießbrauchserwerb „durch einen langwierigen Gebrauch und quasi possession, Besitz und Verjährung“ (III,III,I § IV) gibt es in zwei Konstellationen: Entweder hat ein Nichteigentümer einem Gutgläubigen den Nießbrauch eingeräumt und die quasi traditio vorgenommen, wonach der fortwährend gutgläubige Nutznießer zehn Jahre im Besitz der Sache ist; oder jemand besitzt eine Sache zehn Jahre im irrigen Glauben an einen Nießbrauch, ohne daß ihn der Eigentümer hindert. Gesetzliche Nutzungsrechte enthält das Erbrecht. In Städten, in denen eheliche Gemeinschaft „nach Cölmischen Rechten“ gilt, erbt der überlebende Ehegatte neben Kindern oder Verwandten des Erblassers die Hälfte und bleibt am Kindsteil bis zur Wiederverheiratung oder einer Forderung des Erbteils durch die volljährigen Kinder im 1113 Nachfolgend werden die Bestimmungen des PrLR 1721 in der Schreibweise und Zeichensetzung der Druckfassung (Königsberg 1721) nach Buch, Titel, Artikel und Paragraph zitiert, die zumeist inhaltlich denen des PrLR 1620 entsprechen. 1114 Die gemeinrechtlich häufig erwähnten „opera servorum et animalium“ finden sich in den preußischen Landrechten nicht (vgl. Litewski, Landrecht des Herzogtums Preussen IV, S. 150 Fn. 83). 1115 Verfasser des PrLR 1620 war der Königsberger Hofgerichtsrat und Professor Levin Buchius (vgl. Meyer, S. 94 ff.).

C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten

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Besitz (V,XII,V § I), doch gehen vertragliche Abreden vor (V,XII,V § III a. E.). Der Nutznießer soll „solche Güter im wesentlichen Bau und Besserung erhalten, davon nichts verwüsten, dieselben auch nicht alieniren, versetzen, verpfänden, noch sonsten mit nichts beschweren. Im Fall aber der letztlebend Ehegatte die liegende Güter dermassen . . . nicht halten, sondern in Abfall kommen lassen, die zum Theil oder gantz veräussern, oder sonst beschweren würde: So soll solches alles nichtig und krafftlos seyn, auch derselbe zu Stund an zur Theilung angehalten, und allen Schaden, so daran geschehen, abzutragen schuldig und pflichtig sein“.

Zum Schutz der Kinder überwachen Curatoren den überlebenden Ehegatten, der ein Inventar errichten muß.1116 Soweit die Eltern an Kindesgütern „Verwaltung und Niessung“ haben, gewährt IV,V,VII § IV den Kindern ein stillschweigendes Universalpfandrecht.1117 Der Nießbraucher erwirbt das Eigentum an den Früchten (III,III,I § V), die er bereits vor der Trennung verpfänden darf (IV,V,II § V). Unter Bezug auf sächsisches Recht (und entgegen „Kayserlichen Rechten“) spricht III,III,I § X die beim Tod des Nießbrauchers noch nicht geernteten Früchte, soweit sie schon „die Egde bestrichen hat“, dessen Erben zu. Anders als im usus modernus ist das dingliche Gebrauchsrecht (usus) nicht als auf den Bedarf beschränktes Fruchtziehungsrecht ausgestaltet. Der Usuar hat gemäß III,III,I § I „allein den bloßen Brauch eines Dinges oder Guts, jus saltem utendi“; ob ihm daher, anders als nach gemeinem Recht, kein Anteil an den Früchten zukommen soll1118, ist jedoch fraglich, weil im usus modernus das „ius utendi“ vielfach nur als weniger zum „ius fruendi“ gilt. Ohne zwischen einer Übertragung der Ausübung des Nießbrauchs und dessen Abtretung zu unterscheiden, gestattet III,III,I § IX dessen Verkauf, „als lange der Usufructuarius und Niesser selbst bey seinem Rechten kan erhalten werden“, fast wortgleich mit den Partikularrechten von Worms, Württemberg und Solms (IV,VI,II § V)1119: „Weiter ist zu wissen, daß nicht allein bewegliche und unbewegliche Sachen . . . sondern auch kundbare Gerechtigkeiten verkaufft werden mögen. Also mag auch einer seine Possession und Besitz, item den Nießbrauch (Ususfructus in Latein genannt) einem andern eine Zeit lang, oder so lange er ihme gebühret, verkauffen. Und ist demnach der Eigenthums-Herr oder sein Erbe schuldig, dem Käuffer solchen Usumfructum, Brauch und Niessung zu lassen, so lange 1116

So für das PrLR 1721 Tit. XII, Art. V, §§ II a. E. und III des V. Buches. Litewski, Landrecht des Herzogtums Preussen IV, S. 168 f. Fn. 36. 1118 So zum PrLR 1620 Litewski, Landrecht des Herzogtums Preussen IV, S. 153. 1119 Die Regelungen des Kaufrechts im PrLR 1620 sind nach Litewski, Landrecht des Herzogtums Preussen V, S. 66 Fn. 1 m. w. N., in erster Linie dem WLR 1555/67 und auch dem Solmser LR entnommen. 1117

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

dieselbige dem Verkäuffer oder Usufructuario gebühret und zustehet: Doch also, daß er sich dermassen in solchem verkaufftem Gebrauch und Niessung halte, wie der Verkäuffere oder Usufructuarius selber sich darin zu halten von rechtswegen schuldig.“

Weder die Bezeichnung des Kaufgegenstandes als „Ususfructus“1120 noch ein Vergleich mit den Bestimmungen über das dingliche Wohnrecht (habitatio) helfen weiter. III,III,II § I gestattet dem Wohnberechtigten, „eine solche Behausung einem andern, den er zu sich nimmt . . . lociren und verleihen für einen Zinß, oder auch gratis und umbsonst“, doch dürfe er neben einer Überlassung der Wohnung auch an Ehefrau, Kinder und Verwandte „sonst seine Gerechtigkeit keinem andern aufftragen und verkauffen“. Der nahe liegende Umkehrschluß1121, ein Nießbraucher dürfe auch seine Dienstbarkeit verkaufen, ist aber deshalb nicht zwingend, weil III,III,II § I auch bezweckt haben kann, dem Wohnberechtigten die Übertragung der Ausübung seines Wohnrechts auf einen Dritten im Grundsatz zu verbieten. Für eine Zulassung des Verkaufs des Nießbrauchs1122 spricht allerdings, daß es dem preußischen Gesetzgeber – anders als in Worms, Württemberg und Solms – nicht darauf ankommen mußte, gemeines Nießbrauchsrecht mit partikularem Kaufrecht in Einklang zu bringen.1123 Entscheidend war wohl nur, daß der Eigentümer keinen Nachteil aus der Weitergabe des Nießbrauchs hat. Das gewährt die Befristung des Nutzungsrechts beim Dritten ebenso wie auch dessen Verpflichtung zur Beachtung der Regeln über einen Nießbrauch (IV,VI,II § V). Der Nießbraucher muß ein Inventar errichten und Sicherheit leisten (III,III,I § III). Grenze des Nutzungsrechts ist die „eigenthümliche Substantz“ (III,III,I § VII). Der Nießbrauch endet mit Tod, Verbannung oder Verlust der Rechtsfähigkeit wegen peinlicher Strafen des Nießbrauchers bzw. bei Untergang oder wesentlicher Veränderung der Sache (§ XII), ebenso „wo der nicht zu rechter und geordneter Zeit und Maasse gehalten wurde“ oder „einer denselbigen mißbrauchet und zum Verderbe richtet“ (§ XIII), sowie bei Nichtgebrauch der Sache über zehn Jahre und Zeitablauf (§ XIV). Für Gebietskörperschaften statuiert § XV übereinstimmend mit gemeinem Recht eine Höchstdauer von 100 Jahren.1124 Gemäß IV,V,III § IV endet der Nießbrauch bei Vereinigung mit dem Eigentum. Zuletzt wird 1120 Damit wird gemeinrechtlich auch der Verkauf der Ausübung eines Nießbrauchs bezeichnet (vgl. Lauterbach, Collegium, Lib. VII, Tit. I, § XXI). 1121 Vgl. dazu J. Schröder, Privatrechtliche Methodenlehre, S. 258. 1122 Für Veräußerlichkeit des Nießbrauchs Litewski, Landrecht des Herzogtums Preussen IV, S. 151. 1123 Nach Planitz, Deutsches Privatrecht, S. 85, gelten Personalservituten z. T. als übertragbar. 1124 Litewski, Landrecht des Herzogtums Preussen IV, S. 17, 152.

C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten

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bereits für das PrLR 1620 ein Untergang des Nießbrauchs durch Verzicht des Berechtigten in Analogie zu einer Bestimmung für Grunddienstbarkeiten (III,II,III § VI) angenommen.1125 Ein quasi ususfructus ist im PrLR nicht erwähnt.1126 An res fungibiles ist ein Darlehen möglich (IV,I,II)1127, doch erscheint in Anbetracht der Zulassung eines Nießbrauchs auch am Vermögen1128 fraglich, ob es einen Nießbrauch an verbrauchbaren Sachen in Preußen tatsächlich nicht gegeben hat. III. Gemeinsamkeiten und Unterschiede Allen auf Reichsgebiet in Geltung befindlichen Stadt- und Landrechten der Rezeptionszeit ist gemeinsam, daß sie den Nießbrauch als Institut des Sachenrechts nicht regeln. Dagegen finden sich immer wieder Bestimmungen über den Nießbrauch als Kaufgegenstand sowie über Nießbrauchsvermächtnisse und statutarische Nutznießungsrechte im Erb- und Familienrecht. Das ist nicht nur eine Folge der für die frühneuzeitliche Privatrechtsgesetzgebung allgemein konstatierten Beschränkung zumeist auf Vertrags-, Familien- und Erbrecht. In einigen Partikularrechten sind auch einzelne Institute des Sachenrechts wie z. B. Praedialservituten, Emphyteuse und Lehnsrecht enthalten. Wenn vorrangiges Anliegen der frühneuzeitlichen Gesetzgebung die Beseitigung von „ius incertum“ z. B. aufgrund ungelöster Kontroversen zum deutschen ius commune war1129, folgt daraus umgekehrt, daß auf dem Gebiet des gemeinen Nießbrauchsrechts offenbar keine die Rechtsgewißheit störende Unsicherheit bestanden hat. Dafür spricht auch, daß zwischen den „Lehrbüchern mit Gesetzeskraft“1130 und der sächsischen Kontroversengesetzgebung in Bezug auf den Nießbrauch kaum ein Unterschied auszumachen ist.1131 Daß die Regelungen in den Kursächsischen Konstitutionen mit Bezug zum Nießbrauchsrecht noch vereinzelter als in vielen anderen Partikularrechten der Rezeptionszeit sind, unterstreicht nur, daß es hierzu keine Kontroversen zwischen den sächsischen Gerichten gegeben hat. Selbst in der im älteren sächsischen Recht anders entschiedenen Frage nach dem Zeitpunkt des Fruchterwerbs folgt die sächsische Praxis ab 1572 gemeinem Recht. Daß in den preußischen Landrechten das Nießbrauchsrecht umfassend kodifiziert ist, resultiert aus ihrer territorialen Geltung außerhalb des Reiches 1125 1126 1127 1128 1129 1130 1131

Litewski, Landrecht des Herzogtums Preussen IV, S. 152 Fn. 118. Vgl. Litewski, Landrecht des Herzogtums Preussen IV, S. 153. Vgl. Litewski, Landrecht des Herzogtums Preussen V, S. 57 ff. Für das PrLR 1620 Litewski, Landrecht des Herzogtums Preussen IV, S. 153. Diestelkamp, ZHF 10 (1983), 385, 408. Vgl. Ebel, Legaldefinitionen, S. 126. Vgl. Diestelkamp, ZHF 10 (1983), 385, 408.

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

und der damit verbundenen expliziten Absage an das gemeine Recht als subsidiäre Rechtsquelle. Die gleichwohl enge inhaltliche Anlehnung der preußischen Landrechte an das gemeine Recht zeigt sich deutlich in dem ausdrücklichen Hinweis auf den abweichend von den „Kayserlichen Rechten“ geregelten Zeitpunkt des Fruchterwerbs. Nahezu alle Stadt- und Landrechte enthalten im Intestaterbrecht Bestimmungen über einen gesetzlichen Nießbrauch des überlebenden Ehegatten bzw. zum Teil nur der Witwe an den Erbteilen, die den Kindern oder anderen Blutsverwandten des Erblassers als Eigentum zufallen. Diese statutarischen Nutzungsrechte dienen zumeist als Ersatz für das im spätmittelalterlichen deutschen Recht verbreitete umfassende gesetzliche Ehegattenerbrecht1132, und werden seit Ende des 15. Jahrhunderts in den meisten Partikularrechten auch als „ususfructus“ bezeichnet. Damit wird die Nutzungsberechtigung des überlebenden Ehegatten als gesetzlicher Nießbrauch im Sinne des deutschen ius commune angesehen. Schon diese Einpassung in das gemeine Recht hat zur Folge, daß bei Fehlen statutarischer Sonderregeln ohne weiteres gemeines Nießbrauchsrecht Anwendung findet. Partikularrechtlich geregelt sind zumeist Fragen, die mit dem Wesen der statutarischen Nutznießung als Fortwirkung des Ehegüterrechts zusammenhängen, wie etwa die Folgen einer Wiederverheiratung des Nutznießers. Abweichungen vom gemeinen Nießbrauchsrecht sind selten; daß eine Bestimmung vom „kaiserlichen Recht“ abweicht, wird zumeist explizit erwähnt und teilweise unter Verweis auf ihre Billigkeit sogar eigens begründet. Das unterstreicht die grundsätzliche Geltung des gemeinen Nießbrauchsrechts für statutarische Nutznießungsrechte. Im Gebrauch unterschiedlicher deutscher Begriffe und vor allem auch des römischrechtlichen „ususfructus“ mag zwar bei Entstehung der Partikularrechte ein unterschiedliches Maß an Romanisierung zum Ausdruck kommen.1133 Die Statuierung von „Beisitz, Nutzung und Niessung, zu Latein usumfructum genannt“ im WLR 1555 dürfte jedenfalls vorrangig bezweckt haben, die herkömmlichen Rechte in das deutsche ius commune einzupassen und durch Beibehaltung von deren Begriffen die Akzeptanz der neuen Regelungen bei der Bevölkerung und den Ständen zu stärken.1134 In ihrer Anwendung werden aber alle Institute unabhängig von ihrer gesetzlichen 1132

Vgl. Griesinger, Kommentar VIII, § 294 (S. 563 f.). Vgl. Sendler, Rechtssprache 2, S. 642 ff. 1134 In diese Richtung deutet das Vorgehen des württembergischen Gesetzgebers bei der Abfassung des WLR 1555; die von der zuständigen Kommission erbetenen Berichte über die lokalen Gebräuche im Familien- und Erbrecht blieben weitestgehend unbeachtet, die folgende Gesetzgebung wurde „nicht mehr gegen das römische Recht, sondern gegen die alten Gebräuche gerichtet, u. a. weil sie dem römischen Recht widersprachen“ (Hess, S. 16 ff.). 1133

C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten

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Bezeichnung durchgängig als „ususfructus“ verstanden und in der partikularrechtlichen Literatur auch als solcher bezeichnet. Im 18. Jahrhundert gelten diese Nutzungsrechte wegen ihrer Herkunft dann zum Teil als „ususfructus iuris Germanici“, der dem Nutznießer auch das Nutzeigentum vermitteln kann. Im früheren usus modernus steht dagegen hinter dem Verständnis der statutarischen Nutznießung als eines Nießbrauchs des überlebenden Ehegatten an den Gütern, deren Eigentum Kinder oder Verwandte des Erblassers als Intestaterben erlangen, immer die Vorstellung von einem aus „nuda proprietas“ und „ususfructus“ zusammengesetzten Eigentum; ganz deutlich kommt das z. B. in XXXX,6 BayLR von 1616 zum Ausdruck. Der dauerhafte Erhalt des Eigentums in der Familie des Erblassers wird dadurch sichergestellt, daß den Verwandten mit seinem Tod bereits das „bloße Eigentum“ zukommt, mit welchem dann spätestens nach dem Tod des überlebenden Ehegatten der Nießbrauch konsolidiert. Dem überlebenden Ehegatten verbleibt damit zwar das Nutzungsrecht am größten Teil des Erbes des Vorverstorbenen, doch schmälert diese Konstruktion seine Rechtsstellung gegenüber dem spätmittelalterlichen deutschen Recht, in dem er vielfach über den Tod des Ehegatten hinaus die Güter behalten durfte; eine Aufteilung derselben findet dann erst nach dem Tod auch des zweiten Ehegatten statt. Selbst wenn z. B. nach Lübecker Stadtrecht die Witwe „bleibt besitzen“, verstehen darin die Juristen des usus modernus durchweg nur einen Nießbrauch; nach dem Tod ihres Mannes besitzt sie das Kindeserbe „qua usumfructum“. An ihrer Fruchtziehungsbefugnis ändert diese Übertragung der sachenrechtlichen Kategorien des römischen Rechts auf ältere deutsche Rechtsinstitute zunächst nur wenig. Unter dem Eindruck der gemeinrechtlichen Auslegungsregel, daß ein Vermächtnis des ususfructus omnium bonorum auf Lebenszeit der Witwe im Interesse der Kinder als auf ihren standesgemäßen Unterhalt beschränktes Fruchtziehungsrecht gelten soll, ist das umfassende Nutzungsrecht des überlebenden Ehegatten an der Erbschaft des Vorverstorbenen als „favor coniugum“ im 17. Jahrhundert zum Teil erheblicher Kritik ausgesetzt. So bedauert 1604 der württembergische Rat Eisengrein1135, „daß man nirgendt in successionibus coniugum ab intestato bey den Satzungen gemeinen Rechtens Verbliben, sonndernn mancherley Und Uhngleiche, thailß Widerwerttige Und meines bedunckens Theilß Ungeschickte oder Unbilliche Erbrecht und ordnungen gemacht hatt“.

Daher sei das WLR von 1567 „dergestalt zue moderieren Und zue endern“, daß zwar die Ehefrau noch die Hälfte des Vermögens ihres vorverstorbenen Gatten erbe, die andere Hälfte aber „gleich nach getrennter Ehe 1135

Eisengrein, in: Faber/Schloßberger, S. 467 f.

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

pleno jure off des Verstorbnen ehegemechts negste erben fallen, Unnd daß gebliben ehegemecht darinn fürohin nit mehr den Vsumfructum . . . sein Leben lang haben Und behalten sollte“1136. Dies wurde zwar nicht in Württemberg Gesetz, entspricht aber dem später von Caspar Schmid für das BayLR von 1616 postulierten „Favor des Kindes“ als Zielsetzung der Ausgestaltung des gesetzlichen Ehegattenerbrechts. 1137 Hinter der Beschränkung des Fruchtziehungsrechts der Witwe auf ihren standesgemäßen Unterhalt steht ein verändertes Verständnis der Funktion der statutarischen Nutznießung. Dient deren Bezeichnung als „ususfructus“ zunächst nur einer Einpassung in die dogmatischen Kategorien des deutschen ius commune, ohne daß dadurch die Nutzungsberechtigung der Witwe gegenüber dem älteren Rechtszustand maßgeblich geschmälert werden soll, tritt in der Übertragung der ungeschriebenen gemeinrechtlichen Auslegungsregel auf die statutarischen Nutzungsrechte deren Versorgungsfunktion1138 in den Vordergrund; einer Witwe sollen nicht alle Früchte zustehen, die das Gemeinschaftsvermögen abwirft, sondern nur diejenigen, derer sie zu ihrem Unterhalt bedarf. Diese Begrenzung des Nutzungsrechts auf den Unterhalt der Witwe korreliert teilweise mit einer Befugnis zu Verfügungen über den nutznießlichen Gegenstand, wenn dies die „Nothdurft“ erfordert. In den Stadt- und Landrechten der Rezeptionszeit ist dagegen regelmäßig die Versorgung der Kinder als Grenze des Nutzungsrechts enthalten, was aber umgekehrt bedeutet, daß dem überlebenden Ehegatten aller Nutzen zukommen soll, der nicht für Erziehung und Alimentierung der Kinder benötigt wird. In einigen Partikularrechten der Rezeptionszeit und in deren Kommentierung finden sich über das gemeine Recht hinausreichende Pflichten des Nießbrauchers z. B. zur Erhaltung der nutznießlichen Sache. Vor allem soweit es um die Nutzung von Gebäuden geht, zeigt sich hier eine Gemeinwohlorientierung der Partikularrechte; zugleich sollen aber auch die Eigentümer geschützt werden, was z. B. die Ersatzpflicht für die Abnutzung auch solcher Fahrnis erklärt, an der kein quasi ususfructus anzunehmen ist. Gefahren für den nutznießlichen Gegenstand werden gelegentlich mit Moralvorstellungen verknüpft: Weil der Nießbraucher bescheiden leben soll, verliert er den Nießbrauch bei verschwenderischem Lebenswandel. Die Witwe soll teilweise bei anstößigem Verhalten ihre Nutznießung verlieren. Die Änderungen im Verhältnis von gemeinem und partikularem Recht bleiben für den Nießbrauch weitgehend ohne Bedeutung, obwohl Mevius ihre Anwendung in bezug auf den Umfang des Nutzungsrechts geradezu 1136 1137 1138

Eisengrein, in: Faber/Schloßberger, S. 470. Vgl. Schmid, Commentar II, S. 650 No. 5 zu XL.V. Vgl. Rainer Schröder, Funktionsverlust, S. 284 ff.

C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten

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exemplarisch vorführt und andere sich seiner Argumentation anschließen. Da aber auch für Mevius Lücken nur durch gemeines Recht zu schließen sind, bleibt dieses wegen der weitgehenden Lückenhaftigkeit statutarischer Nießbrauchsregeln in weitem Umfang bestimmend.

§ 4 Der Nießbrauch in den Partikularrechten des späteren usus modernus I. Einleitung Mit Conrings Werk, dem Aufkommen des Naturrechts und den Modifikationen der Statutentheorie verändern sich ab Mitte des 17. Jahrhunderts die Rahmenbedingungen für den Partikulargesetzgeber. So reicht der, beispielhaft für die Änderungen im späteren usus modernus an die Spitze gestellte, Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis (CMBC) von 1756 als erste Kodifikation des Zivilrechts weit über eine bloße Weiterentwicklung des BayLR von 1616 hinaus. Er wurde von Wiguläus Xaverius Aloysius Frhr. v. Kreittmayr (1705–1790)1139 verfaßt, der vor allem das in Bayern im Gebrauch befindliche Recht kodifizieren wollte. Gleichwohl wird der CMBC von manchen bereits dem Naturrecht zugeordnet1140, während andere darin ein typisches Werk des usus modernus sehen.1141 Kreittmayr selbst wird regelmäßig dem usus modernus zugerechnet.1142 In der Vorrede seiner „Anmerkungen“ grenzt er dessen Methode von der humanistischen Jurisprudenz und vom Naturrecht ab.1143 Die auf seine Entwürfe zurückgehenden bayerischen Kodifikationen sind daher „nicht als Neugestaltung der Rechtsordnung i. S. der Reformbestrebungen der Aufklärung anzusehen“1144. Auch für Wieacker, der den CMBC als Vorläufer vernunftrechtlicher Kodifikationen ansieht, handelt es sich inhaltlich um zeitgenössisches gemeines Recht, das auch systematisch noch den römischen Institutionen folgt; in „seiner zuversichtlichen Gesamtplanung, der klaren (deutschen) Sprache, den wohl 1139 Vgl. zu diesem Bauer/Schlosser (Hrsg.), Wiguläus Xaver Aloys Freiherr von Kreittmayr 1705–1790. 1140 So Schlosser, Der Gesetzgeber Kreittmayr, S. 24 ff.; Strauch, S. 109; Olzen, JuS 1984, 328, 334 und ders., Erbfolge, S. 82; Wesel, Rdnr. 266. 1141 So Wesener, ZNR 19 (1997), 300; Kleinheyer/Schröder, S. 236; Kobler, HRG I, Sp. 337; G. Boehmer, Grundlagen II/1, S. 38; Klemm, S. 179; Helml, S. 33 f.; ähnlich bereits Landsberg, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft III/1, S. 223; vgl. auch Wesenberg/Wesener, S. 159. 1142 So von Luig, HRG V, Sp. 628, 636; Köbler, Lexikon der europäischen Rechtsgeschichte, S. 597 Stichwort „usus modernus pandctarum“; Schiemann, Usus modernus, S. 160, 167 f. 1143 Kreittmayr, Anmerkungen I, S. VII; dazu Wesenberg/Wesener, S. 118. 1144 Eisenhardt, Rdnr. 288.

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

abgewogenen, oft aus der Vernunft begründeten Lösungen und der Ausscheidung verwirrender älterer Probleme und Streitfragen“ schimmere jedoch „allenthalben schon der Vernunftglaube der neuen Zeit durch“.1145 Dies ändert an der inhaltlichen Ausrichtung des CMBC aber nichts1146, zumal neben der deutschen Sprache im Text weiterhin die lateinischen Begriffe verwendet werden und das gemeine Recht subsidiär anwendbar bleibt.1147 Schließlich favorisiert Kreittmayr auch zum Nießbrauchsrecht zumeist Vertreter des usus modernus.1148

II. Die einzelnen partikularrechtlichen Nießbrauchsregelungen in dieser Zeit 1. Der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756 Mit dem CMBC vom 2.1.1756 wird das gesamte Zivilrecht in Bayern1149 gesetzlich geregelt; als einzige andere Rechtsquelle bleibt das römische Recht subsidiär anwendbar (I,2 § 3).1150 Der CMBC enthält ein Kapitel „Von der Nutznießung (Usufructu)“ (II,9), dem angelehnt an die Institutionen1151 Kapitel „Von Dienstbarkeiten (Servitutibus) überhaupt“ (II,7) und „Von Haus- und Feld-Dienstbarkeiten, wie auch anderen dergleichen Gerechtigkeiten“ (II,8) vorangehen. Das Nießbrauchskapitel beginnt mit einer Definition der Nutznießung als „rechtliche Befugnis fremdes Gut zu benutzen“ (§ 1), ihren Entstehungsgründen (§ 2) und Gegenständen (§ 3). Den Rechten und Pflichten des Nutznießers (§§ 4–6) folgen diejenigen des Eigentümers (§ 7) sowie die Beendigungsgründe (§§ 8, 9). §§ 10–12 behandeln quasi ususfructus, usus und habitatio.

1145

Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 326 f. Vgl. Köbler, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 139. 1147 Vgl. Dilcher, ZEuP 1994, 446, 450; Helml, S. 33. – Nach Schlosser, Der Gesetzgeber Kreittmayr, S. 26, soll im Verständnis von Kreittmayr nur der Vernunft entsprechendes gemeines Recht subsidiär gelten. 1148 Zum CMBC insges. vgl. Wesener, Kreittmayrs Zivilrechtskodex, S. 96. 1149 Mit der Erweiterung Bayerns zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde der CMBC aber nur in wenigen kleineren neuerworbenen Territorien übernommen (vgl. Dölemeyer, S. 330); so behandelt Roth im Zusammenhang mit gesetzlichen Nießbrauchsrechten in Bayern die Statuten von Nürnberg, Regensburg und Rettenberg (Roth, Bayrisches Civilrecht II, S. 262). 1150 Vgl. auch Helml, S. 33 mit Fn. 108. 1151 Vgl. Wesener, Kreittmayrs Zivilrechtskodex, S. 79 f. 1146

C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten

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a) Nutznießung und ususfructus im CMBC Der CMBC verwendet häufig die Begriffe „Ususfructus“ und „Usufructuarius“ als Synonyme für „Nutznießung“ und „Nutznießer“. Kreittmayr unterstreicht diese Übereinstimmung von bayerischer Nutznießung und römischem ususfructus noch, indem er die Nutznießungsdefinition des CMBC mit „zu Latein Jus utendi fruendi re aliena“1152 übersetzt. Der Begriff „Nutznießung“ bezeichnet im CMBC, wie „ususfrcutus“ im gemeinen Recht, das Rechtsinstitut des Nießbrauchs und die Fruchtziehungsbefugnis im allgemeinen. So handelt es sich gemäß II,9 § 11 CMBC um eine „servitus Usus“, „wenn die Nutznießung fremden Gutes nur soweit als die tägliche Nothdurft1153 mit sich bringt, eingeschränkt ist“. Das Substanzerhaltungsgebot findet sich erst bei den Rechten und Pflichten des Nutznießers, der den Gegenstand „andergestalt nicht als auf hauswirtschaftliche Art & salva Substantia“ benutzen darf (II,9 § 5 Nr. 2). Kreittmayr begründet dies mit seiner Restitutionspflicht: „Denn das Haupt-Gut muß seiner Zeit nach geendigten Usufructu von ihm oder seinen Erben an den Proprietarium und zwar regulariter in dem Stand, wie er es empfangen hat, mit allem Zu- und Anwachs restituirt . . . werden. Daraus folgt von selbst, daß er formam rei usufructuariae nicht immutiren, sohin weder aus Aeckern eine Wiesen oder Waldung machen, noch Gebäude darauf setzen, oder die allschon vorhandenen abtragen und verändern darf.“1154

Andere römischrechtliche Regeln, wie die Verbote eines Weiterbaus unvollendeter Gebäude und der Vornahme von Verbesserungen der Sache im allgemeinen1155, hält Kreittmayr für „weder mit unserem Codice noch mit der Rechts-Regel, quod quilibet rem alienam quidem meliorem non deteriorem facere possit übereinstimmig“1156. Meliorationen läßt der CMBC daher allgemein zu1157; verboten ist dem Nießbraucher nur, „daß er die Gestalt [der Sache] pro lubitu verändere“.1158 Hinsichtlich der Kostentragung knüpft der CMBC an deren Bestimmung in Ansehung eines gutgläubigen 1152

Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 879. Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 901, führt aus, daß es für deren Bemessung allein auf „Stand, Familie, Haushaltung und dergleichen“ des Usuars und aller „Seinigen“ ankomme. 1154 Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 883. 1155 Vgl. Dig. 7.1.61. 1156 Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 884. 1157 Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 884, weist auf die Ausnahme im römischen Recht in Dig. 7.1.73 bzgl. der Errichtung einer Hütte zur Lagerung einzubringender Früchte im Zusammenhang mit der allgemeinen Regel hin, daß alle Mittel gestattet seien, die man zur Erreichung des dem Nießbraucher eingeräumten Zieles benötige („Jus ad finem dat Jus ad media, sine quibus finis obtineri non potest“). 1158 Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 884. 1153

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

Besitzers an (II,9 § 7 Nr. 4). Demgemäß hat der Nießbraucher einen Ersatzanspruch für alle notwendigen und diejenigen nützlichen Verwendungen, die bei der Rückgabe der Sache noch eine Verbesserung darstellen; freiwillige Verwendungen darf er ohne Beschädigung der Sache wegnehmen.1159 Ein Zurückbehaltungsrecht steht ihm nur bei notwendigen Verwendungen zu (vgl. II,2 § 10 Nr. 7).1160 Der Hinweis auf „fremdes Gut“ als Gegenstand einer Nutznießung scheidet wie im gemeinen Recht den ususfructus causalis aus dem Anwendungsbereich des Nießbrauchsrechts aus. Als Rechtsbegriff ist er aber in Bayern weiterhin gebräuchlich, wie ein Kreittmayr-Zitat zeigt: „So viel nun usum fructum belangt, wird selber auf zweyerley Art genommen, denn entweder benutzen wir nur unsre eigenthümlich- oder aber ein fremdes Gut. . . . Jenes geschiehet Jure Dominii et proprietatis, und wird usus fructus causalis a causa, nempe Dominio, genannt. Dieses aber geschiehet Jure Servitutis und heißt ususfructus formalis.“1161

Der Begriff „Gut“ erfaßt alle Arten von Sachen und Rechten1162, so daß der Nießbrauch „in allen Dingen“ (II,9 § 3 Nr. 1) und am Vermögen (II,9 § 3 Nr. 2) möglich ist. Dazu zählen etwa Rechtsprechung (Jurisdictio), Jagdrecht (venatio) und Patronatsrecht (Jus patronatus).1163 Kreittmayr erwähnt auch den „Usufructu, welcher . . . nur in gewissen Gilten, Zinsen, Gefällen bestehet“1164. Obwohl der „Ususfructus principaliter ad commodum usufructuarii abzielet“1165, kann die Sache dem Nießbraucher „nicht nur zum Nutzen, sondern auch zur bloßen Zierde und Lustbarkeit“ dienen (II,9 § 4 Nr. 29). Über gemeines Recht hinaus ist ein Nießbrauch damit auch an Sachen zulässig, deren einziger „Ertrag“ in bloßer Bequemlichkeit liegt: „Was nur zur Lustbarkeit, Recreation und Ergötzung taugt, sahen zwar die römischen Rechtsgelehrten als Erz-Stoici mehr für schädlich als nützlich an, ließen sohin weder im Spazieren gehen, noch in Früchten und Blumen brocken oder anderen dergleichen Rebus merae voluptatis eine Dienstbarkeit zu, . . . gleichwie sie aber selbst keine Engel, sondern mit fleischlichen Affecten begabte Menschen, wie all andere, waren, so milderten sie auch die stoische scharfe Lehrart mit der Distinction inter voluptatem et amoenitatem . . . Heut zu Tage wird nicht nur das, was einträgt, sondern auch was zur Commodität, Bequemlichkeit oder bloßen Diversion dient, hierinnfalls für nutzbar geachtet, folglich auf die obige römische Rechts-Subtilität gar nicht mehr gesehen.“1166 1159 1160 1161 1162 1163 1164 1165 1166

Vgl. Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 892 f. Vgl. Birzer, S. 40. Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 878. Birzer, S. 36. Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 882. Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 890. Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 886. Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 650 f.

C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten

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Eine gesetzliche Auslegungsregel beschränkt das Nutzungsrecht der Witwe bei einem Nießbrauchsvermächtnis „sämtlicher Habschaft“1167 auf ihren standesgemäßen Unterhalt, wenn mindestens ein Kind des Erblassers (noch) vorhanden ist; überschießende Nutzungen darf sie nur als Verwalterin für dieses ziehen (II,9 § 3 Nr. 3). Kreittmayr begründet dies mit dem im älteren bayerischen und auch gemeinen Recht kraft Gewohnheitsrechts angenommenen Vorzug der Kinder vor der Ehefrau („favor liberorum“). Daher komme es nicht darauf an, ob die Kinder aus der Ehe mit der Vermächtnisnehmerin stammen; selbst Enkel und Urenkel gelten als „Kinder“ in diesem Sinne.1168 Der Erblasser kann aber „durch eine andere und nähere Erklärung, wie es hierinfalls gehalten werden soll“ (II,9 § 3 Nr. 3) seiner Frau den unbeschränkten Nießbrauch am gesamten Vermögen vermachen, soweit der Pflichtteil der Kinder nicht geschmälert ist. Indiz eines dahingehenden Erblasserwillens ist z. B., daß der Erblasser seiner Frau „die Verrechnung der Fructuum ausdrücklich nachgesehen hat“1169, weil derjenige, der nicht zur Rechenschaft über den Umfang seiner Fruchtziehung verpflichtet sei, auch nicht darin beschränkt sein könne.1170 Der CMBC regelt auch „die Nutznießung in Wein, Bier, Brot und dergleichen Dinge, welche sich ohne Angreifung oder Verzehrung der Substanz nicht wohl gebrauchen lassen“ (II,9 § 10). Kreittmayr betont unter Berufung auf die römischen Quellen und Vertreter des Naturrechts1171, „daß dergleichen Ususfructus weder Juri Civili noch Naturali entgegen seyn“.1172 Die Aufzählung möglicher Gegenstände erinnert an Inst. 2.4.2, doch fehlt im CMBC der Nießbrauch an Kleidern. Kreittmayr merkt an, in § 10 „sei die Red nur von den Consumtibilien, welche nicht von langer, sondern gar kurzer Dauer sind“1173. Kleider seien wie „Hausrath und alle andere Mobilia“ grundsätzlich Gegenstand eines echten Nießbrauchs, „sofern selbe nur so beschaffen sind, daß sie durch den Gebrauch nicht so geschwind verzehrt werden, wie z. B. Res fungibiles“.1174 Nicht ausdrücklich geregelt ist die Einordnung eines Nießbrauchs an Geld und Forderungen. Kreittmayr erläutert unter Hinweis auf Inst. 2.4.2, „baar Geld gehört unstreitig mehr ad 1167 Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 884: „nicht in gewissen Gütern, sondern in sämmentlicher Habschaft“. 1168 Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 885. 1169 Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 883. 1170 Dieses Argument hatte schon Mevius zum lübischen Recht erwogen, doch ging es in dessen Tit. II, Art. VIII um die Frage, ob die Witwe trotz einer Pflicht zur Rechenschaftsablegung einen „verus ususfructus“ am Kindsvermögen haben konnte. 1171 Kreittmayr erwähnt u. a. Wolff und Titius. 1172 Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 899. 1173 Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 899 f. 1174 Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 881 f.

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

quasi als verum usumfructum“1175. Die im älteren usus modernus durchgehend und zur Zeit des CMBC noch von einem bedeutenden Teil der Juristen vertretene Ansicht, gleiches gelte für einen Nießbrauch an Forderungen, lehnt Kreittmayr unter Berufung auf Lauterbach ab: Der Nießbraucher dürfe ohne Zustimmung des Eigentümers Forderungen weder für sich verwenden noch vom Darlehensnehmer einfordern.1176 Allerdings hält es Kreittmayr für zulässig, auch an nichtverbrauchbaren Sachen einen quasi ususfructus einzuräumen, was in der Praxis jedoch „nicht rathsam“ sei.1177 Diese dem älteren gemeinen Recht unbekannte Wahlmöglichkeit dokumentiert den Wandel, den die Abgrenzung von verbrauchbaren und nichtverbrauchbaren Sachen im Nießbrauchsrecht unter dem Einfluß des Naturrechts durchgemacht hat. Gemeinrechtlich bestimmt die objektive Beschaffenheit der Sache die Qualität des daran bestellten Nießbrauchs; mit dem Wahlrecht erhält der Eigentümer die Möglichkeit, den Inhalt des Nutzungsrechts frei zu bestimmen. Der Inhalt des quasi ususfructus im CMBC entspricht gemeinem Recht: Der Quasiusufruktuar erlangt das Eigentum der Sache und kann frei darüber verfügen (II,9 § 10 Nr. 1); dafür trägt er die Gefahr zufälligen Untergangs (II,9 § 10 Nr. 2) und muß bei Beendigung des Nießbrauchs Sachen gleicher Art und Güte oder den Wert restituieren (II,9 § 10 Nr. 3). Anders als beim verus ususfructus ist eine Entstehung durch Richterspruch ausgeschlossen, weil verbrauchbare Sachen teilbar sind.1178 Umgekehrt beendet ein Untergang der Sache nicht den quasi ususfructus. Bei Bestellung eines quasi ususfructus ist Kaution zu leisten (II,9 § 10 Nr. 4), die nur die Restitutionspflicht, nicht auch die Pflicht zur ordnungsgemäßen Behandlung der Sache sichern soll.1179 Bei der Abgrenzung der Nutznießung vom usus, der in Bayern nur selten vorgekommen sein soll1180, orientiert sich der CMBC am gemeinen Recht. Entscheidend ist, ob das Fruchtziehungsrecht die „tägliche Notdurft“ des Berechtigten, die sich auch an seinem und seiner Angehörigen Stand orientiert1181, übersteigt (II,9 § 11); dann ist ein Nießbrauch, anderenfalls ein usus anzunehmen. Diese Abgrenzung gilt auch für die habitatio (II,9 § 12)1182, die der CMBC als Spezialfall eines usus ausgestaltet; wie ein usus darf die habitatio keinem Dritten überlassen werden und geht durch 1175

Kreittmayr, Anmerkungen II, S. Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 1177 Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 1178 Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 1179 Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 1180 Schmid, Commentar II, S. 236 II, S. 902. 1181 Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 1176

900. 900. 900. 899. 899. No. 2 zu XXVI.I; Kreittmayr, Anmerkungen 901.

C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten

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Nichtgebrauch unter, weil die anders lautende Regelung des gemeinen Rechts „auf bloßen römischen Spitzfindigkeiten beruhet“1183. b) Entstehungsgründe der Nutznießung Die Nutznießung entsteht durch Privatdisposition, Zeitablauf, Gesetz und Richterspruch (II,9 § 2 Nr. 1).1184 In Bezug auf die Einräumung eines Nießbrauchs durch „rechtliche Disposition auf Art und Maß“ verweist der CMBC auf die Entstehungsgründe anderer Servituten (II,7 § 4). Danach muß der Besteller Eigentümer der Sache sein und über diese frei disponieren können. Unzulässig ist die Einräumung an einem im Miteigentum stehenden Gegenstand ohne Zustimmung der Miteigentümer und an fremden Sachen, doch bleibt eine Nießbrauchsbestellung durch den gutgläubiger Besitzer bis zur Aufdeckung des Irrtums wirksam.1185 Möglich ist die Einräumung eines Nießbrauchs durch den Nutzeigentümer, so lange ihm das dominium utile zusteht, während der Obereigentümer einen Nießbrauch nur unter der Bedingung konstituieren kann, daß „ihm derselbe mit der Zeit heimfällig wird“.1186 Der Nießbraucher darf zwar für die Dauer der Nutznießung Servituten konstituieren (II,7 § 4 Nr. 4), nicht aber auch einen Nießbrauch; insoweit ist der Nutznießer darauf beschränkt, „frei mit den Guts-Nutzungen, solang sein Recht dauert, nach Belieben zu schalten und zu walten, folglich auch solche an jemand anderen verschreiben, veräußern, cediren oder überlassen zu können“ (II,9 § 4 Nr. 7).1187 Kreittmayr hält diese Unterscheidung für praxisfern, ohne sie aber aufzugeben: „Usufructuarius kann zwar usumfructum selbst nicht, sondern nur so lang er solchen hat, das blosse Exercitium oder commoditatem utendi fruendi überlassen, . . . allein die Distinction inter usumfructum et Commoditatem utendi fruendi ist eine blosse Römische Subtilität, und papierne Wand, welche die Praxis leicht durchlöchert.“1188

Für den Erwerb des Nießbrauchs ist zwischen letztwilligen Verfügungen und solchen unter Lebenden zu unterscheiden. Im Einklang mit dem gemeinen Recht ist nur bei letzteren eine „Traditio ad constitutionem (ein anderes ist ad nudam promissionem) erforderet, welche auf zweyerlei Weis, nämlich durch die Einhändigung des unzunießlichen 1182 Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 903. – A. A. Birzer, S. 42, die eine Aussage Kreittmayrs über die habitatio „de jure communi“ zu Unrecht auf den CMBC bezieht. 1183 Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 902. 1184 Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 879. 1185 Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 880. 1186 Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 879. 1187 Vgl. Birzer, S. 38. 1188 Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 880.

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

Guts, oder wie es in dergleichen Juribus incorporalibus gern geschiehet, per usum acquirentis, et patientiam constituentis zu geschehen pflegt.“1189

Die römischrechtliche Regel, wonach, wenn einem das Eigentum an einem Gegenstand und dem anderen der Nießbrauch vermacht ist, die Nutznießung beiden Vermächtnisnehmern gemeinsam zukommen soll, bezeichnet Kreittmayr als „seltsam und unbegreiflich“; sie sei „dem Sinn des Testatoris so offenbar entgegen . . ., daß man bald nicht mehr weis, wie sich derselbe klärer hierinn hätte expliciren sollen“.1190 Daher bestimmt II,9 § 2 Nr. 4: „Wenn einem ein gewisses Gut, und dem anderen Ususfructus darauf verschafft wird, so gebührt dem letzteren die Nutznießung allein, und hat der erste nichts hievon zu prätendieren, ungeachtet das römische Recht ein anderes hierin verordnet.“

Der CMBC unterscheidet zwischen einer 10-, 20- und 30-jährigen als „Praescription“ bezeichneten (erwerbenden) Verjährung (II,9 § 2 Nr. 1). Während die 30-jährige Verjährung1191 bei Fehlen eines Erwerbstitels stattfindet, richtet sich in Ermangelung eigener Regelungen die Unterscheidung bei der Ersitzungsdauer zwischen 10 und 20 Jahren nach derjenigen für „Servitutibus continuis & discontinuis“ in II,7 § 5 Nr. 1: „Jene werden unter Anwesenden innerhalb zehn, unter Abwesenden innerhalb zwanzig Jahren praescribirt, sofern hierbei entweder ein hinlänglicher AnkunftsTitel, oder wenigstens, daß der Gegenteil solches gewußt und gestattet habe, genüglich bewiesen werden kann, anerwogen solch letzterenfalls Scientia & Patientia statt des Titel dient.“

Kreittmayr überträgt dies auf den Nießbrauch und sieht darin einen Unterfall eines gesetzlichen Nießbrauchserwerbs. Immer erforderlich für eine Ersitzung (auch) von „Gerechtsamen“ sind nach II,4 §§ 4, 5, 7 Besitz der nutznießlichen Sache und fortdauernde Gutgläubigkeit des Ersitzenden1192; „cum mala fide“ werde der Nießbrauch „gar niemals praescribirt“1193 (II,4 § 7 Nr. 1), doch wird andauernde Gutgläubigkeit vermutet (II,4 § 7 Nr. 2). Gemäß II,9 § 2 Nr. 1 entsteht ein Nießbrauch „zuweilen bei streitigen Abteilungen durch richterlichen Ausspruch“. So kann „der Richter den gemeinen Rechten nach einem Cohaerendi das Eigentum, dem anderen die Nutznießung“ zuteilen (II,1 § 14 Nr. 23). 1189

Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 880. Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 880. 1191 Für Realservituten gilt insoweit nach II,7 § 5 Nr. 2 CMBC eine Ersitzungsdauer von 40 Jahren. 1192 Vgl. Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 663: „Bona fides et possessio wird in praescriptione Servitutis eben so, wie bey andern Verjährungen regulariter supponirt“ (zu II,7 § 5 CMBC). 1193 Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 881. 1190

C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten

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Der Nießbrauch entsteht „öfters aber auch durch das Gesetz selbst“ (II,9 § 2 Nr. 1). Beispiele enthalten vor allem das Familien- und Ehegüterrecht, nicht hingegen mehr das Erbrecht. Mit dem CMBC wird somit die im BayLR 1616 begonnene Tendenz, statutarische Nutznießungsrechte als Teil des Familienrechts zu begreifen1194, zum Abschluß gebracht. Gesetzliche Nutzungsrechte finden sich im ersten Teil des CMBC in den Kapiteln 5 („Von Väterlicher Gewalt [Patria Potestate]“) und 6 („Von dem Ehestand [Matrimonio]“). Am „Peculium Adventitium Regulare“ steht den Kindern „zwar das Eigentum, dem Vater aber sowohl die Administration als Nutznießung“ zu (I,5 § 5 Nr. 1), die mit Erlöschen der väterlichen Gewalt endet (I,5 § 5 Nr. 2). Im Gegensatz dazu bleibt der Vater hinsichtlich des „Peculium Profectitium“, des von ihm selbst „oder wenigstens in Ansehen seiner von anderen“ herrührenden Kindsvermögens, „nicht nur Inhaber und Nutznießer, sondern auch Eigentümer davon“ (I,5 § 3 Nr. 1). Die Unterscheidung zwischen Peculium Adventitium und Peculium Castrense vel quasi, an welchem der Vater gemäß I,5 § 4 keinen Nießbrauch hat, folgt deutschem ius commune. Auch nach dem Tod des Vaters gebührt dessen Nießbrauch nicht der Mutter, weil dieser eine Folge der von Kreittmayr als in Bayern „in diesem Stücke recipiert“ bezeichneten patria potestas des römischen Rechts ist.1195 Anders als nach gemeinem Recht steht dem Vater nach der Emanzipation kein Nießbrauch an Teilen des Kindesvermögens mehr zu; gemäß I,5 § 5 Nr. 2 endet regelmäßig der Nießbrauch mit dem Ende der väterlichen Gewalt, „quia cessante causa cessat effectus“.1196 Eine Ausnahme gilt nur für die bona materna der Kinder siegelmäßiger Personen (I,5 § 5 Nr. 3); der im BayLR 1616 mit „Adelichen, Doctoribus, Räthen und Geschlechten“ umschriebene Personenkreis ist dadurch eingeschränkt, daß mit Verlust der Siegelfähigkeit z. B. durch Eintritt in den religiösen Stand ein Vater auch den Nießbrauch verliert.1197 Charakteristisch für die fortgeschriebene Uneinheitlichkeit der Rechtslage in Bayern ist schließlich, daß der CMBC die abweichende Gestaltung der elterlichen Nutznießung in der Oberpfalz bestätigt (I,5 § 5 Nr. 5).1198 Der CMBC kennt auch Fälle einer statutarischen Nutznießung des Ehegatten. Kreittmayr nennt als Beispiel den gesetzlichen Nießbrauch des Ehemannes an den Paraphernalgütern seiner Frau1199, an denen ihm, anders als am Vorbehaltsgut, „Administration und Nutznießung“ zusteht (I,6 § 22). Nach dem Tod des Mannes erhält die Witwe aus dessen Hinterlassenschaft 1194 1195 1196 1197 1198 1199

Vgl. Helml, S. 111. Kreittmayr, Anmerkungen I, S. 170. Kreittmayr, Anmerkungen I, S. 171. Kreittmayr, Anmerkungen I, S. 171 f. Vgl. Kreittmayr, Anmerkungen I, S. 172 f. Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 881.

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

ihre „Wittib-Sitz oder Leibgeding (Dotalitium vel Vidualitium)“ genannte statutarische Portion1200, welche sie „lebenslänglich zu genießen hat“. Wenngleich die Ansicht aufgekommen ist, der Witwe stünde am Leibgedinge nach dem Tod des Mannes das dominium utile zu, ordnet der CMBC diese Berechtigung als ususfructus ein.1201 Dieser endet mit Wegfall der Witwenstellung durch Tod oder Wiederverheiratung, „lüderliches und unzüchtiges Leben während des Wittib-Standes“, eine von der Frau verschuldete Ehescheidung oder „schwere malefizische Verbrechen“, „merklichen und schuldhaften Abschleif oder völligen Untergang des zum Leibgeding ausgezeichneten Gutes“ sowie durch Verjährung (Nr. 8). Hingegen wird die Nutznießung „weder durch Antretung des geistlichen Ordens-Standes, ausgenommen der Bettel-Orden, der nichts Eigenes haben kann, noch durch Heimzahlung des eingebrachten Heirats-Gutes aufgehoben“ (Nr. 9). Weitere gesetzliche Nießbrauchsrechte statutieren § 14 Nr. 5, § 36 Nr. 7, § 38 Nr. 2, 3, § 43 Nr. 2 und § 47 Nr. 1 dieses Kapitels.1202 c) Beendigungsgründe der Nutznießung Die Beendigungsgründe eines Nießbrauchs im allgemeinen entsprechen weitgehend den in I,6 § 22 Nr. 8 für die statutarische Nutznießung besonders erwähnten. In II,9 § 8 sind aufgezählt: „Die Nutznießung hört auf 1. per non Usum und zwar inner zehn, oder unter Abwesenden inner zwanzig Jahren, ohne daß ein Verbot oder anderes Factum hiezu vonnöten ist. 2. Durch den völligen Untergang des nutznießlichen Gutes. 3. Durch die Existenz des Tages oder der Bedingniß, worauf der Ususfructus durch Pacta oder andere Anordnung eingeschränkt ist. 4. Durch die Consolidation der Nutznießung und des Eigentums, da nämlich z. E. der Proprietarius dem Usfructuario oder dieser vicissim jenem succedirt. 5. Wenn das Recht desjenigen, welcher den Usumfructum verliehen hat, aufhört. 6. Durch befließenen Abschleif oder anderen schweren Mißbrauch des Gutes. 7. Endlich durch den Tod des Usufructuarii nach Maßgabe nächstfolgenden Paragraphen.“

II,9 § 9 ergänzt, daß „zwischen dem natürlichen und bürgerlichen Tod kein Unterschied“ zu machen sei (Nr. 2), eine Körperschaft den Nießbrauch nach 100 Jahren verliert (Nr. 3) und ein auch für die Erben bestellter Nießbrauch nur für deren erste Generation gilt (Nr. 4).

1200

Zu deren Entstehung vgl. Kreittmayr, Anmerkungen I, S. 266 f. Kreittmayr, Anmerkungen I, S. 273. 1202 Vgl. die Aufzählung in der Ausgabe des CMBC von Danzer (Anm. zu II,9 § 2 Nr. 1). 1201

C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten

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d) Rechte und Pflichten des Nutznießers II,9 § 4 regelt die Rechte des Nutznießers. Ihm gebühren „alle Fructus tam naturales quam civiles, dessen Zugehör und Anwachs, oder auch mit Gelegenheit und in Ansehen desselben genossen werden mögen“ (Nr. 1). Dieses Fruchtziehungsrecht umfaßt alle Früchte des Bodens, soweit sie als solche und nicht aufgrund hoheitlicher Berechtigung gezogen werden; Steinbrüche darf der Nießbraucher insoweit ausbeuten, „als sie nicht ad Regalia gehören“.1203 Wie im gemeinen Recht ist ein Schatz keine „fructus fundi“; dem Nießbraucher steht nur der Finderlohn zu (II,9 § 5 Nr. 6).1204 Bei Beginn der Nutznießung nicht geerntete Früchte stehen dem Nießbraucher gegen Ersatz der Anbaukosten zu (II,9 § 4 Nr. 6); umgekehrt gebühren am Ende des Nießbrauchs noch hängende Früchte dem Eigentümer gegen Ersatz der Kosten (II,9 § 7 Nr. 5). Kreittmayr läßt erkennen, daß er persönlich dem Grundsatz des sächsischen Rechts „Wer sähet, der mähet, item was die Egge bestrichen, und die Hacke bedeckt, gehört dem Erben“ zuneigt, weil „unser Terrain und Clima von dem Italienischen sehr different und so geartet ist, daß man die Feld-Früchte mehr der Kultur und menschlichen Fleiß, als Grund und Boden zuzuschreiben hat“.1205 Trotzdem folgt der CMBC römischem Recht, weil dieses schon lange in Bayern rezipiert und als „Land-Gebrauch“ anzusprechen sei.1206 Bürgerliche Früchte sind allgemein pro rata temporis zu teilen; die gemeinrechtliche Sonderregel für Bauerngüter (Dig. 7.1.58) fehlt im CMBC. Der Nießbraucher ist wie nach gemeinem Recht verpflichtet, „das Gut seiner Zeit nach geendigtem Usufructu dem Eigentümer oder dessen Erben und Nachkommen in dem Stande, wie er es empfangen, samt dem Anwachs und Zugehör wiederum zu restituiren“ (II,9 § 5 Nr. 1), die Sache auf seine Kosten zu erhalten und bei der Benutzung die Sorgfalt einzuhalten, die „jeder fleißige Hauswirt zu beobachten pflegt“1207 (Nr. 2). Für Schäden haftet er nur bei „Culpa lata & levi“ (Nr. 3). Für die Annahme von culpa levis orientiert sich Kreittmayr am Idealtyp des guten Hausvaters1208, so daß der Nießbraucher für alle Verletzungen der Pflichten als „fleißigem Hauswirt“ haften muß. Auch muß er alle auf dem Gegenstand ruhenden ordentlichen und außerordentlichen Lasten tragen, kann sich aber durch Aufgabe der Nutznießung davon befreien (Nr. 5). In Anlehnung an Dig. 7.1.7.2 und 7.1.27.3 gestattet Kreittmayr eine Abwälzung derjenigen 1203 1204 1205 1206 1207 1208

Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 885. Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 885. Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 893 f. Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 894. Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 886. Vgl. Hoffmann, Fahrlässigkeit, S. 160 f.

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

außerordentlichen Lasten, die den Ertrag der Nutznießung über deren gesamte Dauer übersteigen.1209 Nicht zu den Lasten zählen persönliche Verbindlichkeiten des Eigentümers, selbst wenn es sich um einen „Usufructuarius omnium bonorum“ handelt, wenn auch nur „deducto aere alieno in reliquis bonis“1210. Der Nießbraucher ist zur Stellung einer Kaution verpflichtet (II,9 § 5 Nr. 4). Diese dient sowohl der „Conservirung als Restituirung des nutznießlichen Gutes“ (II,9 § 6). Kreittmayr rekurriert zur Begründung der Kautionspflicht im allgemeinen auf die Naturrechtler Wolff und Titius1211, orientiert sich bei deren inhaltlicher Ausgestaltung jedoch an gemeinem Recht.1212 Sicherungsinstrumente sind Bürgschaft und Pfandrecht.1213 In das Ermessen des Richters ist gestellt, „ob in Ermangelung anderer Caution das bloße Jurament auf Seiten des Usufructuarii hinlänglich sei“ (II,9 § 6 Nr. 6).1214 Der CMBC statutiert in Anlehnung an das deutsche ius commune fünf Ausnahmen von der Kautionspflicht (II,9 § 6 Nr. 2), denen Kreittmayr vier ungeschriebene hinzufügt.1215 Gesetzlich befreit sind der Fiskus, der Vater bezüglich der Kindsgüter, der Nießbraucher, der nach einer bestimmten Zeit das Eigentum der Sache erhalten soll, der unter Nießbrauchsvorbehalt Schenkende und der Nießbraucher, demgegenüber der Eigentümer auf eine Kaution verzichtet hat.1216 Den letztgenannten Fall verbindet Kreittmayr mit dem Grundsatz, daß eine Kaution allgemein „nur auf Begehren des Eigentümers geleistet zu werden“ braucht (II,9 § 6 Nr. 1); der Nießbraucher ist von seiner Kautionspflicht daher auch frei, wenn der Eigentümer keine Sicherheit verlangt. Das römischrechtliche Verbot einer Befreiung durch den Testator hält Kreittmayr für „in diesem Stück unbegreiflich“; der CMBC rede „nur in Terminis Generalibus von dem Proprietario, ohne inter Testatorem et heredem einen Unterschied dießfalls zu machen“.1217 Vollends vom Wortlaut des CMBC löst sich Kreittmayr, indem er auch eine Mutter von ihrer Pflicht zur Stellung einer Kaution befreite, die man

1209 Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 887. – Der CMBC enthält dazu keine ausdrückliche Regelung. 1210 Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 887, der hierzu auch Stimmen zum ius commune zitiert, die den Nießbraucher zur Zahlung für persönliche Verbindlichkeiten des Eigentümers anhalten wollen. 1211 Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 889, zitiert § 720 der „Institutiones“ von Wolff und Titius’ Observatio 238 ad Lauterb. 1212 Vgl. Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 889 ff. 1213 Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 889. 1214 Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 889. 1215 Vgl. Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 890 f. 1216 Vgl. Birzer, S. 40 f. 1217 Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 891.

C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten

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„von ihr ohne sonderbar erhebliche Ursach, und wo keine Gefahr anscheint, nicht leicht zu begehren [pflegt], weil sie gemeiniglich mit Kindern oder nahen Anverwandten zu thun hat, mit welchen die Sache nicht nach dem Rigor der Rechten, sondern freundschaftlich ausgemacht wird“.1218

In die gleiche Richtung zielt, daß ein Nießbraucher von der Kautionspflicht befreit ist, wenn aufgrund der Beschaffenheit der nutznießlichen Sache keine Gefahr für den Eigentümer besteht.1219 Wie im Naturrecht erreicht Kreittmayr damit faktisch eine Beschränkung der Kautionspflicht auf Fälle wirklicher Gefährdung des Eigentümers. e) Der Nießbrauch im CMBC zwischen usus modernus und Naturrecht Von den anderen Partikularrechten aus der Epoche des usus modernus unterscheidet sich der CMBC vor allem durch die Absicht, das gesamte Zivilrecht für Bayern zu kodifizieren.1220 Inhaltlich weicht das Nießbrauchsrecht kaum vom gemeinen Recht des späteren usus modernus ab. Demgemäß zitiert Kreittmayr in seinen „Anmerkungen“ neben den römischen Quellen und den Bestimmungen des BayLR 16161221 vor allem Juristen des späteren deutschen usus modernus. Einzelne Hinweise auf Vertreter des Naturrechts betreffen meistens nur die naturrechtliche Zulässigkeit bestimmter Rechtsfiguren.1222 Allerdings stellt Kreittmayr für das Nießbrauchsrecht manche „Subtilität“ des römischen Rechts fest, die im CMBC unberücksichtigt geblieben sei. Das entspricht aber einer Tendenz im späteren usus modernus, das „usu receptum“ römischrechtlicher Bestimmungen für solche Subtilitäten zu verneinen. Schließlich weicht der CMBC keineswegs in allen Fällen, in denen Kreittmayr die den römischen Rechtssätzen zugrunde liegenden Verhältnisse in Italien als grundlegend verschieden von denen in Bayern ansieht, vom gemeinen Recht ab. Ist das römische Recht schon lange in Bayern rezipiert, gebührt ihm der Vorzug vor dem den deutschen Verhältnissen angemesseneren älteren deutschen Recht. Auch für Kreittmayrs Erläuterungen zum Nießbrauchsrecht im CMBC sind die allgemein für seine „Anmerkungen“ konstatierten gegenläufigen 1218

Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 891. Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 891, für den Nießbrauch an „Gilten, Zinsen und Gefällen“. 1220 Vgl. Schlosser, Der Gesetzgeber Kreittmayr, S. 24. 1221 Hinweise auf andere Partikularrechte finden sich hingegen nicht. 1222 Ausnahmsweise erwähnt Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 884 und 887, die inhaltliche Ausgestaltung betreffend auch Wolffs „Institutiones“ (z. B. § 714 bzgl. des Holzschlagsrechts des Nießbrauchers eines Waldes); die in Bezug genommene inhaltliche Ausgestaltung entspricht dann aber gemeinem Recht. 1219

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

Tendenzen erkennbar: Immer wieder wird das Bemühen deutlich, das bayerische (Nießbrauchs-)Recht in das System des gemeinen Rechts einzufügen1223 und es nicht als partikulare Rechtsordnung daneben zu stellen, wie etwa Mevius in seinem Kommentar zum Lübecker Stadtrecht.1224 Sind die „Anmerkungen“ so noch dem älteren usus modernus verwandt1225, finden sich in ihnen doch bereits Einflüsse des Naturrechts1226, die sich aber regelmäßig auf die naturrechtliche Zulässigkeit eines Rechtsinstituts beschränken. 2. Das Landrecht von Kurköln von 1663 Die Kölner Landrechtsreformation von 1538 hatte das Privatrecht nur in geringem Umfange berücksichtigt. Sie wurde 1663 durch das Kurkölner Landrecht abgelöst, das nurmehr das gemeine Recht als subsidiäre Rechtsquellen zuläßt.1227 Die Regelungen zum Nießbrauch beschränken sich auf die Statuierung einer Leibzucht für den überlebenden Ehegatten an den Vermögensteilen, die die Kinder oder Verwandten des Erblassers als Intestaterben erlangen. Vorrang haben „Heiraths-Verschreibungen“, die „in allen ihren Puncten und Artikulen unverbrüchlich und ohne Widerred gehalten werden“ müssen (Tit. VIII § 1) und in denen die Eheleute auch die Erbfolge verbindlich regeln können (Tit. VIII § 2). Fehlen solche Abreden, erhält der überlebende Ehegatte das Eigentum aller „Fahrnüs oder bewegliche Güter“ (Tit. VIII §§ 5, 6) und zusätzlich die Leibzucht an allen anderen Gütern, die Kinder oder Verwandte des Erblassers erben (vgl. Tit. VIII §§ 3, 4, 6). Sind aus der Ehe keine Kinder (mehr) vorhanden, erbt der überlebende Ehegatte auch den Heiratspfennig und die Hälfte der Errungenschaft; neben Kindern bleibt ihm hieran nur die Leibzucht. Die Leibzucht besteht auf Lebenszeit. Eine Wiederverheiratung verpflichtet, neben Kindern aus erster Ehe, lediglich zur Errichtung eines Inventars; eine Kautionspflicht besteht nicht, doch muß der überlebende Elternteil die Kinder erziehen und aussteuern (Tit. VIII § 6). Neben anderen Verwandten muß er in den ersten drei Monaten nach Antritt der Leibzucht ein Inventar errichten und auf Verlangen Sicherheit leisten; schließlich sind „die Güter in gutem Bau und Besserung“ zu halten (Tit. VIII §§ 3, 4). 1223

Vgl. Gagnér, S. 5. Vgl. Luig, Ius Commune III (1970), 64, 68. 1225 Gagnér, S. 4 f. 1226 Nach Kobler, HRG I, Sp. 337, 339, habe in den Anmerkungen zum CMBC „sich Kreittmayr dem Naturrecht gegenüber aufgeschlossener als in den Gesetzen selbst“ gezeigt; ähnlich Helml, S. 34. 1227 Wesenberg/Wesener, S. 99. 1224

C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten

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Erlangen nach dem Tod eines Elternteils die Kinder etwas als Intestaterben, erhalten Vater bzw. Mutter daran – „nicht als Ausfluß der ehelichen Gütergemeinschaft, auch wohl nicht als Ausfluß der väterlichen Gewalt, sondern als Aequivalent für die Erziehungskosten“1228 – die Leibzucht, die mit Heirat, Volljährigkeit oder sonstiger Absonderung der Kinder endet (Tit. VIII § 9). 3. Die Landrechte von Kurtrier von 1668 und 1713 Das Landrecht des Kurfürstentums Trier von 1668, 1713 einer Revision unterzogen1229, regelt in seinem achten Titel „Von der Leib-Zucht“ den Nießbrauch als Institut des Sachenrechts.1230 Somit braucht im Regelfall nicht auf gemeines Recht zurückgegriffen werden, obwohl dieses im Trierer LR als einzige subsidiäre Rechtsquelle zugelassen bleibt.1231 Im Trierer LR fehlt jeder systematische Zusammenhang zwischen dem Nießbrauch und den erst im 22. Titel geregelten Praedialservituten. Und anders als der CMBC beginnt der Nießbrauchstitel auch nicht mit einer Definition der als „Leibzucht“ bezeichneten „nießlichen Gerechtigkeit“. § 1 statutiert vielmehr, daß die Güter und die noch nicht getrennten Früchte mit dem Tod des Leibzüchters an den Eigentümer zurückfallen. Daraus ist allerdings ersichtlich, daß die Leibzucht ein auf Lebenszeit bestelltes Recht zu Gebrauch und Fruchtziehung an einer fremden, gemäß § 8 unbeweglichen oder beweglichen, Sache ist. Eingeräumt werden kann der Nießbrauch nach Trierer LR, wie sich aus § 6 indirekt ergibt, auf jede denkbare Weise. Neben dem bereits in § 1 als Regelfall des Endes der Leibzucht erwähnten Tod des Berechtigten nennt § 6 als einen Beendigungsgrund die Verletzung der Pflicht aller Usufruktuare1232, die „Leibzüchtige[n] Güter . . . in gutem Bau und dem Standt / wie sie selbige gefunden / zu unterhalten“. Als weitere Pflichten, aber ohne entsprechende Sanktion, bestimmen §§ 5 und 6, daß der Nießbraucher die Lasten der Sache zu tragen und allgemein den „Nachtheil des Aigenthümbers nicht auffschwellen zu lassen“ hat. Ausführlich regelt das Trierer LR den Ausgleich zwischen dem Eigentümer und den Erben des Nießbrauchers.1233 Diesen steht ein Ersatzanspruch hinsichtlich der für den Anbau der Früchte aufgewendeten Unkosten 1228

So Maurenbrecher, Die rheinpreußischen Landrechte I, S. 432 Anm. 65. Hier liegt die revidierte Fassung von 1713 zugrunde. 1230 Dirks, S. 33. 1231 Wesenberg/Wesener, S. 99. 1232 In § 6 verwendet das Trierer LR diesen Begriff anstatt des sonst üblichen „Leibzüchters“ oder „Leibzüchtigem“, ohne daß eine inhaltliche Unterscheidung erkennbar ist. 1233 Dirks, S. 33. 1229

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

zu, wenn der Nießbraucher vor der Ernte verstirbt (§ 2); zu ersetzen sind auch die Kosten für Meliorationen der Sache, was deren grundsätzliche Zulässigkeit voraussetzt. § 3 schließt den Ersatzanspruch aus, wenn die Früchte ohne größeren Aufwand des Leibzüchters gewachsen sind, während § 4 für „Fructus Civiles“ eine Teilung pro rata temporis vorsieht. § 8 regelt die Leibzucht an Sachen, deren „aigenthumbliche Substanz, so in dem fahrenden Gut durch täglichen brauch verzehrt werden möge und vergenglich ist“. Wie beim gemeinrechtlichen quasi ususfructus soll deren Wert geschätzt und dafür Sicherheit geleistet werden; darüber hinausgehend kann zur Wertermittlung auch die Sache verkauft und am Entgelt die Leibzucht bestellt werden. Eine allgemeine Kautionspflicht statuiert § 10. Besonders geregelt ist in § 9 die Leibzucht an einem Steinbruch. Weil mit dessen Ausbeutung dem Eigentümer allmählich der Nutzungswert entzogen wird, darf der Nießbraucher einen bestehenden Steinbruch zwar bestimmungsgemäß nutzen – einen auf fruchtbarem Acker einzurichten, ist ihm ohne Zustimmung des Eigentümers verboten –, doch verbleibt die Kaution bei Beendigung der Leibzucht dem Eigentümer. Damit zählt das Trierer LR die Bodenschätze zu den Früchten, gestaltet den Nießbrauch aber wie einen quasi ususfructus aus. § 7 gewährt Vater oder Mutter eine gesetzliche Leibzucht an der Hinterlassenschaft des verstorbenen Ehegatten, „so lang sie die Kinder alimentiren; wann die Kinder aber sich verheyrathen / oder doch nach dem sie das 25te Jahr ihres Alters erreichet / sich von den Elteren absonderen / solle den Kindern solch Gut abgetreten werden“. Dieses Nutznießungsrecht dient vor allem der Versorgung der Kinder und endet daher stets mit deren wirtschaftlicher Selbständigkeit, nicht aber automatisch mit deren Volljährigkeit. Weitere Leibzuchtsrechte des überlebenden Ehegatten statuieren §§ 6, 8, 13–15, 17–20 des VI. Titels.1234 So erbt der überlebende Ehegatte die Hälfte der Immobilien, die beide Eheleute während ihrer Ehe erworben haben; an der anderen Hälfte und den vom verstorbenen Ehegatten allein herstammenden Gütern hat er „die Leibzucht sein Lebtag“ (§ 8). Der überlebende Ehegatte muß seine Berechtigung nach „Niessungs- oder LeibzuchtsRecht“ ausüben (§ 13). Neben Schadensersatz droht bei Verletzung der Pflichten, wie dem Zulassen „mercklicher Verschmälerung oder Mißbau“ der Sache oder deren Verkauf bzw. sonstiger Weggabe, der Verlust des Nutzungsrechts, wenn „der Leibzüchtiger in Culpa1235 oder Arglist gewesen“, allerdings nicht vor Anhängigkeit einer Klage des Eigentümers. Eine Ver1234

Dirks, S. 33. Allerdings findet sich im Trierer LR keine Beschränkung auf bestimmte Formen der Fahrlässigkeit, so daß auch die sehr weitgehende Haftung wegen culpa 1235

C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten

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äußerung der nutznießlichen Sache ist gemäß § 21 „von sich selbsten unkräfftig“. Weiter verliert der Leibzüchter sein Nutzungsrecht, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach dem Tod des Ehegatten im Beisein von dessen Erben ein Inventar errichtet (§ 15). Der überlebende Elternteil hat am Kindeserbe die Leibzucht und muß dafür die Kinder erziehen und im Falle einer angemessenen Heirat zur einen Hälfte aus eigenen und zur anderen aus Mitteln des Kindes aussteuern (§ 17). Bei einer Wiederverheiratung verliert er die Leibzucht nicht; sie steht sogar dem zweiten Ehegatten zu, wenn dieser jenen überlebt. Erst wenn Kinder aus erster Ehe „sich zur Stands Erwehlung bequemen / oder nach 25 Jahren ihres Alters selbst Hauß auffhalten wollten“, müssen Stiefvater oder -mutter ihnen ihre Portion überlassen (§ 18). Solange die (Stief-) Kinder im Hausstand des Leibzüchters bleiben, hat dieser sie nach §§ 19, 20 aus den Mitteln der Leibzucht und – wenn diese nicht ausreichen, aus anderen Mitteln der Kinder – standesgemäß zu unterhalten.1236 Allerdings muß der überlebende Ehegatte spätestens unmittelbar nach Wiederverheiratung ein Inventar errichten, will er die Leibzucht nicht verlieren (§§ 21, 22). Schließlich hat der überlebende Ehegatte an den Eheschenkungen „allein die Leibzucht und fallet selbigs finito usufructu zurück ad dotantem oder dessen Erben“ (§ 33). Diese Formulierung stellt schließlich auch sprachlich klar, daß es sich bei der Leibzucht des Trierer LR um einen Nießbrauch im Sinne des gemeinen Rechts handelt. 4. Das Landrecht von Kurmainz von 1755 Dem Mainzer Landrecht vom 1755, in Kraft getreten am 1.1.1756, ist auf dem linksrheinischen Territorium des Kurbistums nur kurze Geltungsdauer beschieden; bereits 1793/94 wird es durch das französische Recht und damit 1804 durch den Code civil verdrängt.1237 Das Mainzer LR bestimmt in seiner Vorrede die Geltung der gemeinen Rechte, soweit „keine ausdrückliche Vorsehung oder Abänderung geschehen ist“. Obwohl im Aufbau dem Trierer LR nicht unähnlich, enthält das Mainzer LR keinen Nießbrauchtitel. Sein siebter Titel handelt nur „Von levissima (vgl. dazu Hoffmann, Fahrlässigkeit, S. 118 ff.) – anders als etwa im CMBC – nicht ausgeschlossen ist. 1236 Zur Unterhaltspflicht im 17. und 18. Jahrhundert E. Krause, Unterhaltsansprüche, S. 106 ff. 1237 Köbler, Historisches Lexikon der deutschen Länder, S. 376 Stichwort „Mainz“. – Das Statutarrecht bleibt allerdings in der Gerichtspraxis auch z. Z. französischer Besetzung gebräuchlich (vgl. Grilli, S. 79 u. 81 [für ein erbrechtliches Nutznießungsrecht]).

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

dem Usufructu Oder Nießbrauch des letztlebend Ehe-Gatten“. Nach einer Regelung über die Aufteilung stehender Früchte etc. zwischen dem überlebenden Ehegatten und den Erben des verstorbenen in § 1, finden sich in den §§ 2 bis 9 Bestimmungen über die Ausgestaltung dieses Nießbrauchs. Dabei liegt in Ermangelung einer eigenen Nießbrauchsdefinition der römischrechtliche ususfructus-Begriff zugrunde. In § 2 heißt es schlicht: „Wann das verstorbene Ehe-Weib oder Mann Kinder hinterlassen, so soll das Uberlebende, so lang solches in ohnverrücktem Wittib-Stand verbleibet, den Usumfructum oder Nießbrauch in des verstorbenen Gütern völlig haben.“

§ 3 verpflichtet im Gegenzug den überlebenden Ehegatten zur Alimentierung der Kinder bis zu deren Volljährigkeit, Eintritt in den geistlichen Stand oder Heirat. So lange währt der Nießbrauch auch im Falle einer Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten. Bleibt dieser unverheiratet, hat er „völligen Nießbrauch“ auf Lebenszeit. §§ 4 bis 7 regeln die Folgen einer Wiederverheiratung. Ein elterlicher „Nießbrauch . . . vermög Rechtens oder dieses Statuti“ – mithin nicht die statutarische Nutznießung – endet gemäß § 8 auch mit Eintritt von Vater oder Mutter in ein Kloster. Solche partiell über das statutarische Nutznießungsrecht hinausgehende Regelungen zum Nießbrauch sind in den Partikularrechten des usus modernus nicht unüblich, ebensowenig der Untergangsgrund des Eintritts in den geistlichen Stand1238, der einer capitis diminutio des gemeinen Rechts entspricht.1239 Daß das Mainzer LR nur diesen einen Beendigungsgrund erwähnt, mag auch darin begründet sein, daß in Kurmainz als geistlichem Territorium der Eintritt in ein Kloster ein häufiger Vorgang gewesen war. Dieser bewirkt nicht nur für den Eintretenden den Untergang seiner Nutznießung; vielmehr verlieren auch die Eltern ihren Nießbrauch an Gütern des Kindes mit dessen Eintritt in ein Kloster1240, weil mit Ablegung der Profeß ein Ordensmitglied seine Vermögensfähigkeit verloren hat. Nach kanonischem und gemeinem Recht fällt mit der Profeß dagegen das Vermögen an das Kloster.1241 § 9 enthält Bestimmungen über eine Befreiung von der offenkundig vorausgesetzten Kautionspflicht des Nießbrauchers: „Der Vatter oder Mutter, welche in deren Kindern Güter den Nießbrauch haben, seynd keine Caution dafür zu stellen schuldig, es seye denn, daß eine Gefahr der Verschwendung vorhanden, auf welchen Fall dann dieselbe in Ansehung der Sub1238

Vgl. z. B. II,9 § 9 Nr. 2 CMBC. Vgl. Kaser, Römisches Privatrecht (Kurzlehrbuch), § 13 II 2. 1240 Vgl. Tit. VII § 4, in welchem der Eintritt in den geistlichen Stand einer Verheiratung des Kindes vor Erreichen der Volljährigkeit in Bezug auf den Verlust der elterlichen Nutznießung am Kindsvermögen gleichgestellt ist. 1241 Vgl. Hübner, S. 58. 1239

C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten

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stantz, daß dieselbe salva & integra erhalten bleibe, . . . zu Leistung einer gerichtlichen Caution angehalten werden sollen.“

Über gemeines Recht hinaus reicht die Befreiung auch der Mutter von der Kautionspflicht. Und anders als in älteren Partikularrechten des usus modernus ist Verschwendungsgefahr kein Beendigungsgrund des Nießbrauchs, sondern begründet nur eine Pflicht zur Sicherheitsleistung. Zur Errichtung eines Inventars sind Eltern nicht verpflichtet (Tit. VII § 5); erst bei Wiederverheiratung muß der überlebende Ehegatte „ein gerichtliches Inventarium verfertigen lassen“, will er nicht „des Nießbrauchs verlustig seyn“ (Tit. VII § 7). Dahinter steht das Mißtrauen des Gesetzgebers gegenüber dem neuen Ehegatten; Stiefvater oder -mutter müssen daher vor bestimmten Umbaumaßnahmen an den Gütern der Stiefkinder die gerichtliche Zustimmung einholen, weil sie wegen der für die Kindesgüter aufgewandten Verwendungen dazu neigten, nach Ende des Nießbrauchs dessen Gegenstände zurückzubehalten. Ohne Zustimmung kann der Stiefvater Aufwendungsersatz von den Kindern nur verlangen, wenn er darlegt und beweist, „daß sothane Verwendung zu deren Kinder wahren Nutzen und Besten geschehen seye“ (Tit. VII § 5). Im übrigen zeigt diese Bestimmung des Mainzer LR, daß die Vornahme von Meliorationen durch den Nießbraucher grundsätzlich zulässig ist und die Aufwendungen vom Eigentümer bei Beendigung des Nießbrauchs ersetzt werden müssen. § 6 schützt die Kinder vor Aufrechnungen gegen unangemessen hohes Kostgeld etc. durch den Stiefvater. Tit. VIII §§ 11 und 12 betreffen die letztwillige Anordnung eines „Nießbrauchs aller seiner Güter“, die als Erbeinsetzung auf einen Nießbrauch wie auch als Nießbrauchsvermächtnis1242 sowohl neben der testamentarischen Einsetzung anderer Erben als auch neben Intestaterbfolge möglich ist. Die Erbeinsetzung auf einen Teil der Erbschaft, wie sie in der Einsetzung (nur) auf einen Nießbrauch bei gesetzlicher Erbfolge im übrigen in § 12 zum Ausdruck kommt, ist abweichend vom gemeinen Recht (vgl. Dig. 29.1.6, 50.17.7/Inst. 2.14.5)1243 zulässig (§ 19). Das Mainzer LR sieht keine Beschränkung des Nutzungsrechts vor, wenn der Witwe der Nießbrauch aller Güter vermacht ist (§ 12). Der Nießbraucher ist wie nach deutschen ius commune nicht zur Zahlung der Schulden des Erblassers verpflichtet, erhält den Nießbrauch aber auch nur am nach Begleichung der Verbindlichkeiten übrigen Vermögen (§ 13).

1242 Vgl. Tit. VIII § 11: „Instituierte einer jemand in den Nießbrauch aller seiner Güter oder legirte ihm denselben nur, und setzte einen anderen zu seinem Erben nach des Usufructuarii Tod, so solle die Vermächtnuß gehalten werden . . .“. 1243 Vgl. Coing, Europäisches Privatrecht I, § 118 II.

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

III. Gemeinsamkeiten und Unterschiede Während das Kölner LR sich in der Tradition der älteren Partikularrechte auf Bestimmungen über die Leibzucht des überlebenden Ehegatten beschränkt, enthalten die anderen untersuchten Landrechte darüber hinaus in weiterem Umfang allgemeine Regelungen zum Nießbrauch. Im Trierer LR und im CMBC ist diesem als sachenrechtlichem Institut jeweils ein eigener Abschnitt gewidmet. Und selbst das Mainzer LR, das nur einen Titel über die statutarische Nutznießung enthält, regelt darin auch einige darüber hinausgehende Materien, wie die Befreiung auch der Mutter von der Kautionspflicht und die Auslegung von Nießbrauchsvermächtnissen. Daß vor allem der CMBC trotz subsidiärer Geltung des gemeinen Rechts zu diesem weitgehend inhaltsgleiche Bestimmungen enthält, zeigt ein verändertes Verständnis von der Partikulargesetzgebung im 18. Jahrhundert. Als subsidiär geltendes Recht dient das gemeine Nießbrauchsrecht nur noch zur Lückenfüllung; in Kreittmayrs „Anmerkungen“ wird es häufig den Regelungen des CMBC gegenübergestellt. Weiterhin umfangreich geregelt sind in allen Landrechten statutarische Nutznießungsrechte des überlebenden Ehegatten. Dabei findet sich immer noch in den Gesetzen als Synonym für Nutznießung, Nießbrauch oder Leibzucht auch der Begriff „ususfructus“, was diese Institute weiter begrifflich in das gemeine Nießbrauchsrecht einpaßt. Das gemeine Recht gilt durchweg als einzige Rechtsquelle neben dem Partikularrecht subsidiär weiter.1244 Es wird teilweise durch umfangreiche Regelungen auf dem Gebiet des Nießbrauchsrechts zurückgedrängt, bleibt aber auch unter Geltung derjenigen Partikularrechte von Einfluß, die ein allgemeines Nießbrauchsrecht enthalten, weil deren Bestimmungen über den Nießbrauch größtenteils mit gemeinem Recht übereinstimmen und daher, wie z. B. in Kreittmayrs „Anmerkungen“ zum CMBC, die gemeinrechtliche Literatur und auch die römischen Quellen zur Auslegung des Partikularrechts umfassend herangezogen werden. Soweit der CMBC den römischen Quellen nicht folgt, sieht sich Kreittmayr regelmäßig gezwungen, diese Abweichungen zu begründen. Dabei sollen zumeist solche Regelungen des römischen Rechts in Bayern ausgeschlossen werden, die wegen ihrer „Subtilität“ in Deutschland keine Geltung haben. Selbst Bestimmungen, deren Sinn in Bayern Kreittmayr bezweifelt, werden aber in den CMBC aufgenommen, wenn sie schon länger rezipiert und im „Land-Gebrauch“ sind.

1244 Vgl. Wesenberg/Wesener, S. 99 (für Köln, Trier und Mainz) und 159 (für den CMBC).

C. Der Nießbrauch in den Partikularrechten

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§ 5 Tendenzen in der frühneuzeitlichen Partikulargesetzgebung Als Leitlinien partikularer Gesetzgebung auf dem Gebiet des Nießbrauchsrechts im usus modernus sind festzuhalten: 1. Als sachenrechtliches Institut umfassend geregelt ist der Nießbrauch erstmals im PrLR von 1620. Auf Reichsgebiet enthalten von den untersuchten Partikularrechten nur das Trierer LR und der CMBC einen eigenen Abschnitt zum Nießbrauchsrecht, doch finden sich in einigen anderen Gesetzen Regelungen über einen Nießbrauch als Kaufgegenstand oder auch über Nießbrauchsvermächtnisse. Fast alle Stadt- und Landrechte enthalten statutarische Nutznießungsrechte zugunsten des überlebenden Ehegatten. 2. Seit dem Wormser Stadtrecht von 1498 ist in den meisten Stadt- und Landrechten auch der lateinische Begriff „ususfructus“ als Legalübersetzung für alle deutschen Begriffe wie z. B. Beisitz, Leibzucht, Nießung gebräuchlich. Als „ususfructus“ ist ein statutarisches Nutzungsrecht zugleich ein gesetzlicher Nießbrauch im Sinne des gemeinen Rechts. Soweit einzelne Partikularrechte den Begriff „ususfructus“ nicht erwähnen, bedeutet dies aber im Regelfall keinen inhaltlichen Unterschied; wie eine Legalübersetzung wirkt die nahezu wörtliche Übersetzung der ususfructus-Definition im Jülich-Bergischen LR. Und soweit der Gesetzgeber selbst nicht deutlich zum Ausdruck bringt, wie die statuierten Nutzungsrechte zu verstehen sein sollen, bezeichnen Entscheidungspraxis und Kommentarliteratur diese regelmäßig als „ususfructus“ und passen sie damit in das gemeine Nießbrauchsrecht ein. 3. Für das Nießbrauchsrecht in den einzelnen Territorien des Reiches sind die Änderungen der Statutentheorie in der Folge von Mevius weitgehend ohne inhaltliche Bedeutung. Soweit Partikularrechte einen eigenen Abschnitt über den Nießbrauch enthalten, geht dieser vor, doch entspricht das partikulare zumeist dem gemeinen Nießbrauchsrecht. Für die Stadt- und Landrechte ohne eigenen Nießbrauchstitel ist aber auch nach Mevius auf deutsches ius commune zurückzugreifen, weil danach Lücken durch gemeines Recht zu füllen sind. 4. Die höchst unterschiedliche Regelungsdichte der Partikularrechte in Bezug auf den Nießbrauch beruht daher nicht auf unterschiedlichen Vorstellungen des jeweiligen Gesetzgebers hinsichtlich des in seinem Territorium anzuwendenden Nießbrauchsrechts. Vielmehr steht hinter der Vermehrung partikularrechtlicher Normen auf dem Gebiet des Nießbrauchsrechts ein Wandel im Verständnis der Partikulargesetzgebung. Die Stadt- und Landrechte der Rezeptionszeit zielen vor allem auf eine Korrektur einzelner, als unbillig empfundener, Regeln des gemeinen Nießbrauchsrechts; vor allem

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

der völlig uneinheitliche Rechtszustand auf dem Gebiet des Ehegüter- und Erbrechts nötigt zu gesetzgeberischen Aktivitäten. Nur so kann das vorrangige Ziel der Partikulargesetzgebung im 16. und 17. Jahrhundert, die Schaffung eines ius certum, der Wunsch nach einer sichereren und besser durchsetzbaren Regelung, als sie die alten Ortsrechte und Gewohnheiten bieten konnten1245, auf diesem praktisch bedeutsamen Gebiet gelingen. Manchmal dürfte es auch um den Erhalt eines kaiserlichen Privilegium de non appellando gegangen sein.1246 Die Preußischen Landrechte ab 1620 sprechen dem gemeinen Recht jegliche Geltung ab, so daß hier in Ermangelung eines subsidiär heranzuziehenden gemeinen Nießbrauchsrechts der Nießbrauch kodifiziert werden mußte. Das Trierer LR und der CMBC enthalten nunmehr ein eigenes Nießbrauchsrecht, obwohl beide weiterhin von einer subsidiären Geltung des gemeinen Rechts ausgehen. In beiden Gesetzen tritt damit die Absicht des Gesetzgebers in den Vordergrund, das Nießbrauchsrecht umfassend zu regeln. Das gemeine Nießbrauchsrecht bleibt damit nur noch für die Schließung einzelner offen gebliebener Fragen, während ihm in den Partikularrechten der Rezeptionszeit letztlich eine grundsätzliche Geltung zugekommen ist; nur wenn der Partikulargesetzgeber davon abweichen will, trifft er für einzelne Fragen Spezialregelungen. 5. Die Kodifikation des Nießbrauchsrechts z. B. durch den CMBC bewirkt indes inhaltlich keinen Unterschied zur Rechtslage in den Territorien mit älteren Partikularrechten. Mit der Weiterentwicklung des deutschen ius commune im späteren usus modernus ändert sich für die älteren Stadt- und Landrechte gleichfalls das mangels eigener Regelungen unmittelbar geltende gemeine (Nießbrauchs-)Recht, das in dieser Gestalt wiederum Grundlage des CMBC ist, der so auch im Nießbrauchsrecht vor allem „Änderungen in der herrschenden Lehre des usus modernus selbst widerspiegelt“.1247 6. Die in nahezu allen Partikularrechten statuierten Nutzungsrechte zugunsten des überlebenden Ehegatten variieren sprachlich und inhaltlich. Als deutsche Begriffe finden unter anderem Beisitz, Leibzucht, Leibgeding und Nutznießung Verwendung. Das Frankfurter Stadtrecht von 1509 enthält regelmäßig das Wort „ususfructus“, nur einmal durch die Doppelformel „beisitz und ususfructus“ modifiziert.1248 Soll in früheren Stadtrechten (Nürnberg 1479, Freiburg 1520) mit der Verwendung älterer deutscher Begriffe auch an ältere deutsche Rechtsinstitute angeknüpft werden, dienen Worte wie „Beisitz“ und „Leibzucht“ im Verlauf des 16. Jahrhunderts vorrangig einer Steigerung der Akzeptanz der Regelungen in der Bevölkerung. Mit 1245 1246 1247 1248

So Schiemann, Usus modernus, S. 162 f. Faßbender, S. 44. So für das allgemeine Vertragsrecht Schiemann, Usus modernus, S. 167. Vgl. Sendler, Rechtssprache 2, S. 643 f.

D. Zusammenfassung

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der im 18. Jahrhundert einsetzenden Rückbesinnung auf mittelalterliche deutsche Rechtsinstitute werden die deutschen Begriffe dann wieder als Hinweis auf die Herkunft dieser Institute verstanden. Aber selbst wenn ein solcher „ususfructus iuris Germanici“ dem Nutznießer das dominium utile vermittelt, wie Wolckern es für das Nürnberger Stadtrecht von 1564 annimmt, unterscheidet sich dessen Ausgestaltung nicht wesentlich vom gemeinrechtlichen Nießbrauch. 7. Inhaltlichen Schwankungen unterliegt der Umfang des Nutzungsrechts der Witwe. Den Regelungen in den Stadt- und Landrechten der Rezeptionszeit liegt häufig die Vorstellung eines „favor coniugis“ zugrunde, so daß dem überlebenden Ehegatten das umfängliche Fruchtziehungsrecht am Kindeserbe zugestanden wird. Nachdem als ungeschriebene Auslegungsregel im deutschen ius commune ein Nießbrauchsvermächtnis aller Güter im Zweifel als auf den Unterhalt der Witwe beschränkt anzusehen sein soll, findet sich auch in den Partikularrechten der Gedanke einer „in favore liberorum“ anzunehmenden Beschränkung der Fruchtziehungsbefugnis der Witwe auf ihren Unterhalt. Die Bedenken gegen eine Bevorzugung des Ehegatten bzw. teilweise nur der überlebenden Ehefrau gegenüber den Kindern werden von Eisengrein deutlich zum Ausdruck gebracht und finden ihren Höhepunkt bei Kreittmayr, der selbst Enkel und Urenkel als „Kinder“ der Witwe vorzieht.

D. Zusammenfassung Mit der Rezeption wurde das römische zum gemeinen Nießbrauchsrecht in Deutschland. Der römischrechtliche Begriff „ususfructus“ wie auch dessen Definition als „ius alienis rebus utendi fruendi salva earum substantia“ sind Ausgangspunkt und Leitschnur der Nießbrauchsdarstellungen im usus modernus. Auch dem mittelalterlichen deutschen Recht entstammende Nutzungsrechte wie Beisitz und Leibzucht werden im usus modernus durchgängig als regelmäßig kraft (Partikular-)Gesetzes entstandener „ususfructus“ begriffen, dessen Inhalt sich, soweit nicht statutarische Sonderregelungen vorhanden sind, nach gemeinem Nießbrauchsrecht richtet. Neben diesem formalen „ususfructus“-Begriff, der den Nießbrauch als das Rechtsinstitut bezeichnet, das allen Nutzen aus einer fremden Sache zu ziehen erlaubt, gelangt mit der Rezeption auch ein bei Glossatoren und Kommentatoren entwickelter materieller ususfructus-Begriff in das frühneuzeitliche deutsche Recht. Ausgangspunkt für diesen sind einmal die römischen Quellen, in denen der „ususfructus“ auch als „pars dominii“ beschrieben wird, und zum anderen mittelalterliche Rechtsinstitute wie das Lehnsrecht, die zu einer Teilung des Eigentumsbegriffs führen. Volles Eigentum

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

(dominium plenum) umfaßt „nuda proprietas“ und „ususfructus“. Letzterer gilt im usus modernus nicht als echter Nießbrauch, schon weil die ususfructus-Definition einen solchen nur an fremden Sachen zuläßt, sondern als von diesem zu unterscheidender „ususfructus causalis“ oder auch als „facultas utendi fruendi“ des Eigentümers. Die Zerlegung des Eigentums in „nuda proprietas“ und „ususfructus“ ist Grundlage des geteilten Eigentums: Dem Obereigentümer verbleibt das dominium directum, das im früheren usus modernus mit der „nuda proprietas“ gleichgesetzt wird, während der Nutzeigentümer mit dem „dominium utile“ den „ususfructus“ erhält. Auch dieser wird im usus modernus nicht als Nießbraucher im formalen Sinne verstanden, weil mit dem Nutzeigentum daran eine Sache keine fremde mehr ist. Das Nutzungsrecht des Nießbrauchers resultiert demgegenüber aus Servituten-, nicht aus Eigentumsrecht. Insofern bewirken im usus modernus weder das Verständnis des Eigentums als eines aus Verfügungs- und Nutznießungsrecht bestehenden „dominium plenum“ noch die darauf aufbauende Teilung des Eigentums in dominium directum und utile ein vom römischen Recht abweichendes Verständnis des Nießbrauchs: Der Nießbrauch ist zwar ein dem Eigentum ähnliches bzw. verwandtes Rechtsinstitut, nicht aber „pars dominii“; er ist an fremder Sache konstituiert und vermittelt daher dem Berechtigten kein dominium utile. Die in Bezug auf den Nießbrauch an das römische Recht anknüpfende Unterscheidung zwischen dem Eigentum und dinglichen Nutzungsrechten an fremder Sache liegt auch den Partikularrechten zugrunde, in denen die statutarische Nutznießung an einem Erbteil oder am Frauengut regelmäßig vom den Erben bzw. der Frau zukommenden Eigentum getrennt ist. Gleichwohl ist das materielle Verständnis des „ususfructus“ als der Nutzungsbefugnis an irgendeiner Sache nicht ohne Wirkung auf das gemeine Nießbrauchsrecht. In den Darstellungen desselben zeigt sich das zuerst in der Abgrenzung des „ususfructus“ eines Nießbrauchers von anderen ebenfalls „ususfructus“ genannten Rechtspositionen. Daß volles Eigentum auch einen „ususfructus“ beinhaltet, dient weiterhin zur Erklärung derjenigen Quellenstellen des römischen Nießbrauchsrechts, in denen dieser als „pars dominii“ angesprochen ist, aber auch zur Rechtfertigung der im usus modernus weitgehend anerkannten Auslegungsregeln, daß das Vermächtnis des „ususfructus“ mitsamt der Verfügungsbefugnis über die Sache, die aus der „nuda proprietas“ resultiert, als Eigentumsvermächtnis gilt, und daß, wenn dem einen der Nießbrauch und dem anderen das Eigentum vermacht ist, wegen des in beiden Vermächtnissen enthaltenen „ususfructus“ die Nutznießung geteilt werden muß. Vor allem aber bedeutet die Zuerkennung eines „ususfructus“ an den Nutzeigentümer, dessen Rechtsstellung in vielen Einzelheiten ungeklärt ist, eine Übertragung von jedenfalls den Befugnissen, die auch einem Nießbraucher zukommen.

D. Zusammenfassung

195

Außerdem bewirkt das Bild des aus zwei Komponenten bestehenden Eigentums, daß mit Weggabe des „ususfructus“ als des einen Teils des Eigentums dieser vollständig auf den Nießbraucher übergeht. Es ist mithin nicht das Nutzungsrecht an einer Sache, das übertragen wird, und das als Kehrseite auch zur Lastentragung verpflichtet. Mit der Konstituierung eines Nießbrauchs geht vielmehr der „ususfructus (causalis)“ des Eigentümers auf den Nießbraucher über, der als Nichteigentümer einen „ususfructus (formalis)“ als persönliche Dienstbarkeit erhält. Der mit „ususfructus“ bezeichnete Teil des Eigentums ändert sich dabei insofern nur, als er dem Nießbraucher nicht mehr aufgrund Eigentums, sondern aufgrund Servitutenrechts zukommt. Die Vorstellung, daß mit einer Dienstbarkeit ein Eigentumsteil dem Berechtigten übertragen wird, kommt noch bei Glück zum Ausdruck1249: „Denn da das Eigenthum nur a) freyes Selbsthandeln des Eigenthümers in Betreff seiner Sache, und b) Ausschliessung eines jeden Dritten von aller Rechtsausübung in Betreff derselben enthält; so kann nothwendig die Beschränkung desselben, und Entäußerung der Eigenthumstheile, welche die Dienstbarkeit enthält, auch nur darin bestehen, daß der Eigenthümer entweder a) einer ihm sonst zuständigen Disposition über seine Sache sich enthalte, ohne positive Uebertragung derselben auf einen Dritten, . . . oder daß er b) leidet, daß ein Dritter dieselbe ausübe, ohne denselben ausschliessen zu dürfen, z. B. die Früchte der Sache sich zueigne . . .“.

Schließlich führt die „Institutionalisierung“ der Nutzungsbefugnis als einer Komponente des Eigentums zur Objektivierung (auch) des Nießbrauchs. Weil der „ususfructus causalis“ des Eigentümers nicht als Reflex von dessen im Grundsatz unbegrenzter Macht in Bezug auf seine Sache, sondern als eine der beiden Komponenten seines „dominium plenum“ aufgefaßt wird, bedarf es einer klaren Trennung von „nuda proprietas“ und „ususfructus“. Dies geschieht im usus modernus, indem das Recht zu Verfügungen über die Sache selbst und deren Substanz als „ius disponendi“ bzw. „ius abutendi“ zur „nuda proprietas“ gezählt wird, während mit einem „ususfructus“ das „ius utendi fruendi“ verbunden ist. Beide Komponenten stehen nebeneinander, so daß der „ususfructus causalis“ dem Eigentümer kein anderes Nutzungsrecht vermittelt als der „ususfructus formalis“ dem Nießbraucher. Eingriffe in die Sachsubstanz sind z. B. bei nichtverbrauchbaren Sachen vom „ius utendi fruendi“ nicht erfaßt; sie gelten im usus modernus regelmäßig als „abusus“ der Sache, wofür das „ius abutendi“ erforderlich ist. Daß „nuda proprietas“ und „ususfructus“ nicht ohne Bezug zueinander gesehen werden können, so daß etwa eine permanente Trennung die erstere entwertet oder auch bei verbrauchbaren Sachen nicht zwischen ihrem Gebrauch und Nutzen und Eingriffen in die Substanz unterschieden werden kann, ist letztlich nur eine Folge davon, daß eine Rechtsposition ein „Nul1249

Glück, Pandecten IX, § 620 (S. 9).

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1. Teil: Der Nießbrauch im usus modernus

lum“ darstellt, wenn sie dem Berechtigten nichts in die Hand geben kann. Fehlt zur „nuda proprietas“ auf Dauer der „ususfructus“, so bleibt dem Eigentümer von dem Nutzen, den die Sache vermitteln kann, nichts übrig; umgekehrt würde die Versagung von Eingriffen in die Sachsubstanz dem Usufruktuar verbrauchbarer Sachen deren Gebrauch und Nutznießung unmöglich machen, so daß auch hier sein Recht materiell als leere Hülse dasteht. Das kommt deutlich zum Ausdruck, wenn ein Nießbrauch an den Gegenständen unmöglich ist, die aus rechtlichen oder faktischen Gründen überhaupt keinen Gebrauch zulassen. Im übrigen ist die Nutzlosigkeit einer dauerhaft vom „ususfructus“ losgelösten „nuda proprietas“ im usus modernus stark relativiert. Das Nutzeigentum unterscheidet sich vor allem durch die Vererblichkeit und damit zeitliche Unbegrenztheit des „ius utendi fruendi“ vom Nießbrauch, ohne daß die dem Obereigentümer verbleibende Rechtsposition als nutzlos angesehen wird. An die Stelle des aus der Sache selbst resultierenden Nutzens tritt hier eine Gegenleistung des Nutzeigentümers während der Dauer des dominium utile. Im Lehnsrecht beschränken sich die vom Lehnsmann für den „ususfructus feudalis“ geschuldeten Dienst- und Treuepflichten im späteren usus modernus auf letztere. Soweit die römischen Quellen konkrete Fallösungen vorgeben, werden diese meistens als zwingendes Recht angesehen, selbst wenn sie nicht zu den allgemeinen Aussagen passen. So halten die Juristen des usus modernus trotz grundsätzlicher Zulassung von Verbesserungen der nutznießlichen Sache zumeist am Verbot einer Fertigstellung unvollendeter Gebäude fest. Sich widersprechende oder uneindeutige Quellenstellen wie zur Natur eines Nießbrauchs an Kleidern und auch an Forderungen sind im usus modernus dann Gegenstand breiter Kontroversen. Eine geringere Rolle spielt die systematische Struktur des römischen Nießbrauchsrechts, so daß vor allem für ungeregelt gebliebene Konstellationen entgegen einer römischrechtlichen Regel auch auf eigentlich andere Konstellationen betreffende Ausnahmetatbestände in den römischen Quellen zurückgegriffen werden kann. Die Ansicht von Mevius, daß Ausnahmen die Regel bestätigen und deswegen Ausnahmebestimmungen eng auszulegen seien, läßt sich keineswegs verallgemeineren. Die meisten Juristen des usus modernus versuchen zwar eine Anknüpfung an einzelne Quellenstellen, sehen sich aber nicht an das RegelAusnahme-Verhältnis im römischen Nießbrauchsrecht gebunden. Für das Nießbrauchsrecht sind im usus modernus schließlich wirtschaftliche Erwägungen von Bedeutung. Ein Nießbrauch ist im Interesse des Nießbrauchers konstituiert, so daß ihn dieser auch aufgeben kann, um von den Lasten frei zu werden. Dogmatische Fragen treten dabei vielfach in den Hintergrund, wie z. B. die Behandlung der Verpflichtung des Nießbrauchers am Gesamtvermögen zur Zahlung persönlicher Schulden des Erblassers oder der Vermögenssteuer zeigt. Obwohl nicht Inhaber des Vermögens wird

D. Zusammenfassung

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der Nießbraucher, dem dessen wirtschaftlicher Ertrag vollständig zukommen soll, letztlich so behandelt, als sei es sein Vermögen. Während das römische Nießbrauchsrecht darauf abzielt, daß nach Ende des Nießbrauchs dem Eigentümer die Sache in möglichst unverändertem Zustand zurückzugeben ist, halten die Juristen des usus modernus Veränderungen der Sache, die diese verbessern bzw. jedenfalls dem Eigentümer nicht nachteilig sind, in weitem Umfang für zulässig. Daß darin auch eine Gefahr für den Eigentümer liegen kann, der bei Ende des Nießbrauchs die Sache möglicherweise erst gegen Ersatz der Verwendungen zurückerhält, erklärt die Bestimmung im Mainzer LR, daß Stiefeltern als Nießbraucher an den Gütern der Stiefkinder vor der Vornahme solcher Verwendungen eine gerichtliche Zustimmung einholen müssen. Wirtschaftliche Aspekte spielen schließlich auch eine Rolle bei der Abgrenzung der Gegenstände des echten vom uneigentlichen Nießbrauch; ist den Interessen des Eigentümers durch eine Kaution Genüge getan, erscheint der Verlust der Eigentums bei Annahme eines quasi ususfructus hinnehmbar.

Zweiter Teil

Der Nießbrauch im Naturrecht A. Das Naturrecht in der frühen Neuzeit Die Untersuchung des Nießbrauchs in der frühneuzeitlichen Naturrechtslehre beginnt mit dem auch als Vernunftrecht bezeichneten früheren Naturrecht von Anfang des 17. bis Mitte des 18. Jahrhunderts. Am Anfang steht Hugo Grotius, als Begründer – zumindest bezogen auf das Privatrecht1 – eines säkularen, neuzeitlichen Naturrechts. Es folgen Samuel Pufendorf, Christian Thomasius und Christian Wolff. Das Nießbrauchsrecht von Juristen wie Mevius, Heineccius und Justus Henning Böhmer, die zwar ebenfalls durch Werke zum Naturrecht hervortreten, in ihrem Privatrechtsverständnis aber dem usus modernus verhaftet bleiben2, ist im ersten Teil behandelt. Es folgt ein Abschnitt über das Nießbrauchsrecht im Werk von Thibaut. Den zweiten Teil beschließen die Nießbrauchsregelungen im preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794.3

B. Der Nießbrauch im früheren Naturrecht Das Naturrecht seit Grotius unterscheidet sich von dem des 16. Jahrhunderts4 vor allem durch seine säkulare Ausrichtung.5 Seine Vertreter folgen allerdings keiner einheitlichen Richtung. Ist Grotius „der scholastischen und theologischen Tradition noch unmittelbar verpflichtet“6, siedeln erst Pufendorf und später Wolff das Vernunftrecht endgültig außerhalb der Theologie an.7 Eine stärker empirisch ausgerichtete Naturrechtsschule8 be1

Thieme, Naturrecht, S. 19; G. Boehmer, Grundlagen II/1, S. 24; Voppel, S. 95; O. W. Krause, S. 147. 2 Vgl. Rütten, S. 27; Voppel, S. 135 f. 3 Vgl. Thieme, ZRG (GA) 57 (1937), 355 ff. 4 Dazu O. W. Krause, Naturrechtler; Scattola, Naturrecht; Thieme, ZRG (GA) 70 (1953), 230 ff. 5 Luig, HRG V, Sp. 781 ff.; Link, Aufgeklärtes Naturrecht, S. 22 ff. 6 Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 270. 7 Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 270 f.; Hofmann, JuS 1984, 9, 12 f. 8 Zu Naturrechtsschulen an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert Rüping, ZRG (GA) 87 (1970), 314 ff.

B. Der Nießbrauch im früheren Naturrecht

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gründet Thomasius.9 Gemeinsam ist allen jedoch das Ziel eines absoluten10, allgemeinen und zeitlosen Naturrechts.11 Von wesentlicher Bedeutung ist dabei die Entwicklung naturrechtlicher Systeme12, in die dann das Nießbrauchsrecht eingebettet ist. Die Idee eines geschichtlichen, relativen Naturrechts stützt sich dagegen auf Montesquieu13, der sich Mitte des 18. Jahrhunderts gegen ein „zu allen Zeiten und in allen Völkern in gleicher Weise geltendes Naturrecht, das unmittelbar aus der Natur des Menschen ableitbar wäre“, ausgesprochen habe14; das Naturrecht sei für die konkreten regionalen und geschichtlichen Bedingungen jedes Staates ein verschiedenes.15

§ 1 Hugo Grotius Der Niederländer Hugo Grotius16 widmet dem Nießbrauch in der „Inleidinge tot de Hollandsche Rechtsgeleerdheid“17 (1619 bis 1621, erstmals publiziert 1631)18 einen Titel, der Grundlage der vorliegenden Untersuchung ist. In seinem völkerrechtlichen Hauptwerk „De iure belli ac pacis libri tres“ von 162519 erwähnt er Nießbrauch und Pfandrecht nur als Unter9 Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 271 f.; G. Boehmer, Grundlagen II/1, S. 28. – Pufendorf, Thomasius und Wolff in einem Abschnitt behandelt Ruzicka, Historisches Wörterbuch der Philosophie VI, Sp. 589 ff. 10 Die Kategorien von absolutem und relativem Naturrecht für überholt hält Luig, HRG V, Sp. 781, 784, während Eckert, Gesetzesbegriff des ALR, S. 40 f., hierin weiter eine maßgebliche Zäsur sieht. 11 Vgl. G. Boehmer, Grundlagen II/1, S. 36 f. 12 Thieme, Naturrecht, S. 16 f., der als „erste Generation“ der frühneuzeitlichen Naturrechtler die „Systematiker“ den „Analytikern“ und „Synthetikern“ gegenüber stellt; dagegen Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 269 f. Fn. 81. 13 J. Schröder, ZRG (GA) 109 (1992), 1, 17, sieht in Montesquieus Werk allerdings den Abschluß einer älteren Volksgeistlehre; dagegen Dilcher, ZEuP 1994, 446, 452 Fn. 30. 14 Eckert, Gesetzesbegriff des ALR, S. 43. 15 Vgl. Thieme, ZRG (GA) 56 (1936), 202, 212 f. 16 Zu diesem E. Wolf, Rechtsdenker, S. 253 ff.; Welzel, Naturrecht, S. 123 ff.; Kleinheyer/Schröder, S. 176 ff. 17 Zugrunde gelegt ist im folgenden die lateinische Übersetzung von Johannes van der Linden von 1835. 18 Zur Entstehung Wellschmied, ZRG (GA) 69 (1952), 155 ff. – Nicht unumstritten ist ihre Zuordnung zum Naturrecht. Dafür: G. Boehmer, Grundlagen II/1, S. 24; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 289; E. Wolf, Rechtsdenker, S. 277; Schlosser, Privatrechtsgeschichte, S. 79; zu naturrechtlichen Einflüssen auf die „Inleidinge“ Voppel, S. 87 ff. – Anders Wesenberg/Wesener, S. 141: Standardwerk des usus modernus. – Für Zurechnung zum Humanismus: Kollmann, S. 427. 19 Dazu Ottenwälder, Zur Naturrechtslehre des Hugo Grotius; Ziegler, S. 168 f.; zum Einfluß der Geschichte auf Grotius’ Naturrecht Schnepf, ZNR 20 (1998), 1 ff.

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2. Teil: Der Nießbrauch im Naturrecht

fälle eines „dominium minus plenum“20, dessen Verletzung einen Krieg rechtfertigen kann.21 I. Systematik Das zweite Buch der „Inleidinge“ behandelt das Sachenrecht in einem weiten Sinne. Nach Titeln zu den Sachenrechten und ihrer Unterscheidung, Besitz, Entstehung, Inhalt und Erwerbsgründen des Eigentums folgen das Ehegüter- und Erbrecht und je ein Titel über den Untergang des Eigentums und das „dominium minus plenum“ (Tit. 32, 33). Der 39. Titel „Über den Nießbrauch“ schließt an Titel über Wesen, Erwerb und Ende der Praedialservituten sowie über das „dominium utile“ an. Danach kommen Emphyteuse, Lehnsrecht (Tit. 41–43), usus und habitatio, Zehntrecht, Zinsgüter und Superfizies, Antwartschaftsrecht sowie Pfandrecht und Hypothek. Diese Mischung römischer und heimischer Rechtsinstitute mit neuerem Gesetzesrecht22 unter Berücksichtigung naturrechtlicher Einflüsse ist charakteristisch für die „Inleidinge“.23 Dem Aufbau liegt ein neuer systematischer Ansatz zugrunde. Trotz Anklängen an das Institutionenschema24 folgt Grotius nicht einfach dem Aufbau der Institutionen.25 Gerade der Standort des Nießbrauchs unter dem Oberbegriff des unvollkommenen Eigentums26 und nach dem Erbrecht macht dies deutlich. Der im usus modernus und bei den niederländischen Juristen des 17. und 18. Jahrhunderts anknüpfend an Dig. 8.127 im Vordergrund stehende systematische Zusammenhang zwischen Personal- und Praedialservituten verliert bei Grotius an Bedeutung. Einzig zum dominium minus plenum merkt er an, eine das Eigentum beschränkende Dienstbarkeit 20

Grotius, De iure belli ac pacis, Lib. I, Cap. I, § V (p. 23). Vgl. Voppel, S. 84; zum daraus resultierenden System der privaten Rechte Luig, Natürliches Privatrecht, S. 108 f., und Dießelhorst, S. 15 ff., 42 ff. 22 Nach Dilcher, in: Bader/Dilcher, S. 792, bedeutet die „Inleidinge“ einen „Durchbruch“ zur wissenschaftlichen Bearbeitung auch des „vaterländischen Rechts“. 23 Vgl. G. Boehmer, Grundlagen II/1, S. 26; Stein, Römisches Recht, S. 162 f. 24 Stein, Systematisation, S. 124, erkennt in der „Inleidinge“ das Institutionenschema nur ohne dessen dritte Kategorie, den actiones, womit Grotius das Recht unterteilt habe in Personen, Sachen und Verbindlichkeiten; ähnlich Voppel, S. 86: „unter Zuhilfenahme ramistischer Elemente verbesserte[s] Institutionenschema“. 25 Wellschmied, TRG 20 (1952), 389, 390. 26 Wellschmied, TRG 20 (1952), 389, 391. 27 Deren Inhalt „Servitutes aut personarum sunt, ut usus et usus fructus, aut rerum, ut servitutes rusticorum praediorum et urbanorum“ stellt de Waal, S. 571, an den Anfang seiner Darstellung über die Klassifizierung von Dienstbarkeiten im römisch-holländischen Recht des 17. und 18. Jahrhunderts. 21

B. Der Nießbrauch im früheren Naturrecht

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sei entweder eine bodenbezogene oder eine persönliche.28 Der Definition29 der Praedialservituten fehlt jeder Bezug zu den Personalservituten30, auf die Grotius erst später zurückkommt.31 Der Kreis der Personalservituten übersteigt bei weitem den des römischen Rechts. Grotius unterscheidet nach ihren Funktionen zwei Kategorien: nutzgewährende und sichernde.32 Zu letzteren zählen Pfandrecht und Hypothek, zu ersteren Nießbrauch, usus, habitatio, Lehns- und Zehntrecht, Emphyteuse, Superfizies sowie die Berechtigung an einem Zinsgut; wohl mangels praktischer Bedeutung fehlen die opera servorum (et animalium). Dabei geht es Grotius um mehr als eine bloße Neuordnung des Stoffes unter Zusammenfassung römischer und heimischer Rechtsinstitute. Mit der Erweiterung des Servitutenbegriffs auf alle Rechte an fremder Sache unter Einschluß des Nutzeigentums löst sich Grotius von der gemeinrechtlichen Servitutenlehre und stellt allein auf die Duldungspflicht des Eigentümers ab. Diese ist aber bei Servituten die gleiche wie bei Nutzeigentum; der Eigentümer muß dulden, daß der Nutzungsberechtigte von seiner Befugnis auch Gebrauch macht. II. Inhalt Der 39. Titel beginnt mit der Definition des Nießbrauchs als „Recht, eine fremde Sache zu gebrauchen und zu nutzen, solange der Nießbraucher lebt“33. Es folgen Bestimmungen über dessen Gegenstände, die Kautionspflicht, das Abtretungsverbot, zur Lastentragung, zu Beginn und Ende eines Nießbrauchs sowie schließlich zum quasi ususfructus. 1. Der Nießbrauch als „dominium utile“ Inhaltlicher Ausgangspunkt des Nießbrauchs ist jedoch Tit. 33, § 2, worin Personalservituten als das Eigentum vermindernde Berechtigungen eingeordnet sind.34 Das nach Aufteilung des ursprünglichen Gemeineigen28 Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 33, § 2: „Servitus, quae dominium minuit, est vel praedialis vel personalis“. 29 Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 33, §§ 3, 4. 30 De Waal, S. 570. 31 Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 38, § 1: „Expositis servitutibus, quae praedio inhaerent, jam loquamur de servitutibus non praedialibus“. 32 Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 38, § 2: „Haec autem tendunt, vel ad utilitatem, vel ad securitatem“. 33 Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 39, § 1: „Ususfrcutus est jus aliena re utendi fruendi, quamdiu fructuarius vivit“. 34 Vgl. de Waal, S. 570.

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2. Teil: Der Nießbrauch im Naturrecht

tums an allen Gütern entstandene Individualeigentum35 ist durch Rechte anderer eingeschränkt. Dienstbarkeiten bedeuten daher vom Eigentümer zu duldende Beschränkungen seiner Befugnis. Umgekehrt gebührt dem Nießbraucher eine Form von Nutzeigentum. Grotius gebraucht den lateinischen Begriff „dominium utile“ einmal als Marginalie zu „tocht“, dem Oberbegriff für Nießbrauch („lijftocht“), Emphyteuse und Lehnsrecht (beides Formen eines „erfelicke tocht“).36 Dieses dominium utile definiert Grotius als „Recht zur Fruchtziehung aus einer fremden Sache ohne deren Verminderung“37 und bezieht sich darauf ausdrücklich für den Nießbrauch38, so daß ein Hinweis auf das Substanzerhaltungsgebot in dessen Definition unnötig ist. Anders als nach gemeinem Recht bleibe Nutzeigentum auch bei unbegrenzter Vererblichkeit ein Recht „ex re aliena“39, sofern es nur nach seiner Beendigung an jemand zurückfallen kann.40 Vererbliches Nutzeigentum vermitteln Emphyteuse und Lehnsrecht41, nicht aber ein ususfructus causalis oder quasi ususfructus, weil hier die Nutzungsbefugnis dem Eigentümer zusteht und somit nicht an ihn zurückfallen kann; den quasi ususfructus erkennt Grotius aufgrund Gewohnheitsrechts an, weil „nicht allein die Worte bestimmen, sondern auch die Rechte“42. Dem geteilten Eigentum des gemeinen Rechts steht Grotius ablehnend gegenüber43: Eigentum ist für ihn nur das dominium directum, nicht auch das dominium minus plenum oder das dominium utile.44 In der „Inleidinge“ ist das belastete Eigentum („gebreckelige eigendom“), dem ein Teil zum dominium plenum fehlt, von den beschränkt dinglichen Rechten („gerechtigheden“) systematisch getrennt45, 35 Gegen Grotius’ Hypothese einer ursprünglichen Gemeinschaft aller Güter Darjes, Natur- und Völkerrecht, S. 638. 36 Feenstra, S. 233 f. 37 Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 38, § 5: „Dominium utile est jus fructus percipiendi ex re aliena sine ulla rei diminuitione“. 38 Vgl. Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 39, § 19. 39 Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 38, § 10. 40 Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 38, § 6. – Vgl. Feenstra, S. 232 f. 41 Vgl. Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 40, § 1: „Dominii utilis, quod morte non finitur, sed ad heredes transit, duae sunt praesertim species, jus emphyteuticum et jus feudale“; Tit. 41, § 1: „Jus feudi est dominium utile, hereditarium, individuum, rei alienae immobilis, ex quo nascitur obligatio ad tuendum et defendendum ab una, et ad praestandam fidelitatem praestandaque laudemia ab altera parte“; vgl. auch § 32. 42 Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 39, § 20: „Quamvis autem hoc jus [gemeint: quasi ususfructus] ex vero vocis sensu dominium utile non sit, consuetudine tamen, quae verba non solum sed et jura regit, invaluit“. 43 Van der Walt, S. 518. 44 Van der Walt, S. 500 f. 45 Auf die Bedeutung der Systematik der „Inleidinge“, deren Titel über dominium minus plenum und utile als Einheit zu verstehen seien, für die Überwindung des dreigeteilten Eigentumsbegriffs des gemeinen Rechts verweist van der Walt,

B. Der Nießbrauch im früheren Naturrecht

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während im „Ius belli ac pacis“ der ususfructus als Beispiel eines dominium minus plenum erscheint, womit dieses zum Oberbegriff aller dinglichen Rechte an fremder Sache wird.46 2. Gegenstände eines Nießbrauchs Gegenstand eines (echten) Nießbrauchs sind alle beweglichen und unbeweglichen Sachen, die nicht, wie z. B. Geld, Getreide und Wein, bei ihrem Gebrauch verbraucht werden.47 Der im usus modernus umstrittene Nießbrauch an Kleidern wird in der „Inleidinge“ nicht erwähnt, doch werden diese ebenso wie Möbel von den niederländischen Juristen des 17. und 18. Jahrhunderts nicht als „res fungibiles“ angesehen.48 Dies legt den Schluß nahe, daß für Grotius an Kleidern ein echter Nießbrauch zulässig ist.49 3. Rechte und Pflichten des Nießbrauchers Kennzeichnend für den Nießbrauch ist das Gebrauchs- und Nutzungsrecht. Das Fruchtziehungsrecht steht zunächst dem Eigentümer zu und kann nur mit dessen Willen übertragen werden50, vom Sonderfall des gutgläubigen Besitzers abgesehen, den Grotius einem Nießbraucher gleichstellt.51 Zu den Früchten äußert Grotius sich nicht näher, doch zählt dazu jedenfalls nicht ein auf nutznießlichem Grund gefundener Schatz. Naturrechtlich gebühre dieser allein dem Finder52; jedoch wird dies nicht als Verbot abweichender Regelungen verstanden, so daß hoheitliche Schatzregale nicht als naturrechtswidrig gelten.53 S. 513; allerdings läßt sich eine strikte Trennung zwischen dominium minus plenum als „Eigentum ohne das Recht des Gebrauchs“ und dominium utile als „Gebrauchsrecht, das kein Eigentum darstellt“ (S. 514) nur für die „Inleidinge“, nicht aber für „Ius belli ac pacis“ behaupten. 46 Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 33, § 1; van der Walt, S. 503. – Zu den Unterschieden Wesener, Zur naturrechtlichen Lehre vom Eigentumserwerb, S. 435. 47 Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 39, § 2. 48 De Waal, S. 592. 49 Vgl. Voet, Observationes ad Hugonis Grotii manudictionem, p. 121 ad Lib. II, Cap. 39, § 2: „Hodie ad res non fungibiles, in quibus per consequens est verus ususfructus referri etiam solent vestes, omnisque apparatus lineus, laneus, lecti, strangulae est sic ut fructuarius liberetur reddendo singula corpora, licet attrita“. – A. A. wohl Lee, Jurisprudence of Holland II, p. 200, der zu Lib. II, Tit. 39, § 19 (zum quasi ususfructus) unter Hinweis auf zwei Entscheidungen die Frage „Can there be a usufruct of clothes?“ schlicht mit „Yes“ beantwortet. 50 Vgl. Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 6, § 1. 51 Vgl. Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 6, § 2. 52 Grotius, De iure belli ac pacis, Lib. II, Cap. VIII, § 7.

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2. Teil: Der Nießbrauch im Naturrecht

Mangels Eigenbesitzwillens54 ist der Nießbraucher nur Detentor der nutznießlichen Sache, aber aufgrund Gesetzes Eigenbesitzer der Dienstbarkeit.55 Wie im usus modernus56 darf er den Nießbrauch als Recht nicht übertragen, jedoch einem Dritten die Fruchtziehung überlassen.57 Während dies im gemeinen Recht auf den Servitutengrundsatz „servitus servitutis esse non potest“ gestützt wird, steht für Grotius im Vordergrund, daß mit Übertragung des Nießbrauchs dieses Recht nicht mehr an die Lebenszeit des ursprünglich Berechtigten gebunden wäre. Daher läßt er entgegen römischem Recht eine Abtretung der wegen ihrer Vererblichkeit ohnehin zeitlich unbegrenzten Emphyteuse zu.58 Der Nießbraucher muß Sicherheit dafür leisten, daß er die Sache wie ein guter Hausvater gebraucht. Von dieser Pflicht kann ihn der Erblasser nicht befreien.59 Anders als im deutschen ius commune ist aber auch nicht der Vater als Nießbraucher am Kindesvermögen davon frei.60 Nicht erwähnt ist in der „Inleidinge“ eine Pflicht zur Inventarisierung.61 Der Nießbraucher darf den nutznießlichen Gegenstand nicht belasten.62 Bäume darf er nur fällen, wenn sie dafür geeignet sind.63 Ein beschädigtes Dach muß er reparieren, während die Errichtung neuer Bauwerke und andere außergewöhnliche Aufwendungen Sache des Eigentümers sind.64 Auch wenn dies als Pflicht des Eigentümers den vorgenannten Pflichten des Nießbrauchers65 systematisch gegenübersteht, wird jenem damit nur eine Obliegenheit auferlegt und dieser von den außerordentlichen Lasten freigestellt.

53

Vgl. Seiffart, De Thesauris, p. 3 s. (mit mehreren Hinweisen auf Grotius). Vgl. Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 2, §§ 2, 3. 55 Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 2, § 5: „Possessio ex sua natura locum habet in rebus corporalibus, hae enim tantum corpore detineri possunt: lege tamen quoque introducta est possessio rerum incorporalium, ut hereditatum, servitutum, aliorumque jurium“. 56 Vgl. de Waal, S. 591. 57 Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 39, § 4. 58 Vgl. Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 40, § 7. 59 Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 39, §§ 3, 20. – Vgl. auch de Waal, S. 594. 60 So aber Groenewegen in seinen Anmerkungen zur „Inleidinge“ und weitergehend auch für die Mutter Voet (vgl. Lee, The Jurisprudence of Holland II, p. 197). 61 Dazu Lee, The Jurisprudence of Holland II, p. 197 m. w. N. 62 Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 39, § 5. 63 Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 39, § 7. 64 Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 39, § 6. 65 Vgl. Lee, The Jurisprudence of Holland II, p. 199: „duty to keep in repair“. 54

B. Der Nießbrauch im früheren Naturrecht

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4. Entstehungsgründe eines Nießbrauchs Ein Nießbrauch entsteht durch Vertrag, letzten Willen, Verjährung und Richterspruch bei Klagen auf Teilung einer Gemeinschaft.66 Im Gegensatz zum gemeinen Recht kennt Grotius keine gesetzlichen Nutzungsrechte. Zur fortgesetzten Gütergemeinschaft bemerkt er, früher sei in Holland üblich gewesen, daß auch ohne letztwillige Verfügung des Erblassers die Witwe mit den minderjährigen Kindern im Besitz der gemeinschaftlichen Güter bleibe; dieses Recht sei aber nicht mehr in Gebrauch, so daß die Nutznießung vertraglich oder letztwillig begründet sein müsse.67 Daß Grotius hier von einem Vermächtnis des Nießbrauchs oder Gebrauchs aller Güter zugunsten der Ehefrau68 spricht, bedeutet eine Absage an die gemeinrechtliche Auslegungsregel, daß ein Nießbrauchsvermächtnis aller Güter zugunsten der Kinder als auf das Bedürfnis der Witwe beschränkt zu interpretieren sei. Auch einen gesetzlichen Nießbrauch des Vaters an Kindesgütern gebe es in Holland nicht69; ein solcher gründe nicht im Naturrecht, sondern allein auf den Gesetzen der römischen Republik.70 Vom gemeinen Recht weicht auch die Ersitzungsdauer für einen Nießbrauch von einem Dritteljahrhundert71 bei Immobilien und beweglichen Sachen ab72, die einigen holländischen Rechten entspricht und von Grotius auch der Ersitzung des Eigentums zugrunde gelegt ist.73 Für letztere kommt es weder auf bona fides noch einen iustus titulus an74, was auch für den 66

Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 39, §§ 8–12. Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 13, § 2: „Pristinis temporibus in Hollandia consuetudo obtinuit, ut etiam non facto testamento, vidua una cum liberis minoribus bona communia possideret, iisque alimenta ex fructibus praeberet, donec filius natu maximus ad majorem aetatem pervenisset: sed hoc jure non amplius utimur, nisi ex testamento, vel ex conventione“. – Das macht deutlich, daß seine Absage an einen Beisitz des überlebenden Ehegatten nicht vom römischen Recht beeinflußt ist (vgl. auch Wellschmied, TRG 20 [1952], 389, 428). 68 Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 39, § 20. 69 Grotius, Inleidinge, Lib. I, Tit. 6, § 3 Satz 3: „Pater jus ususfructus bonorum, quae liberis propria sunt, non habet“. – Allerdings erwerben Hauskinder, die von ihren Eltern unterhalten werden, durch ihren Fleiß bzw. ihre Arbeit unmittelbar volles Eigentum für ihre Eltern (Grotius, Inleidinge, Lib. I, Tit. 6, § 1 a. E.). 70 Grotius, De iure belli ac pacis, Lib. II, Cap. V, § 2; darauf rekurriert bereits Pott, De usufructu paterno, p. 7, in einer von W. A. Lauterbach präsidierten Tübinger Dissertation von 1652. 71 Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 39, § 11: „Tertio, praescriptione trientis seculi“. – Das bedeutet 33 Jahre und 4 Monate (z. T. werden zusätzlich drei Tage verlangt; vgl. Lee, The Jurisprudence of Holland II, p. 88). 72 Lee, The Jurisprudence of Holland II, p. 200. 73 Vgl. Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 7, § 8. 74 Vgl. Lee, The Jurisprudence of Holland II, p. 88 m. w. N. 67

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2. Teil: Der Nießbrauch im Naturrecht

Nießbrauch gelten dürfte. Keine Erwähnung finden bei Grotius ein bedingter oder befristeter Nießbrauch, wohl weil in der Praxis Bedingung und Befristung vor allem in Bezug auf die Eigentumsanwartschaften75 vorgekommen sind.76 5. Beendigungsgründe eines Nießbrauchs In §§ 13–18 sind die Untergangsgründe eines Nießbrauchs aufgezählt. Grotius beginnt mit dem Tod des Usufruktuars. Hängende reife Früchte gebühren nicht den Erben des Nießbrauchers, sondern dem Eigentümer; bürgerliche Früchte sind nach Zeitablauf aufzuteilen. Natürliche Früchte erwirbt der Nießbraucher mit Separation77, nicht erst mit Perzeption78, so daß ihm auch durch Zufall getrennte Früchte zustehen. Einer Körperschaft gebührt der Nießbrauch wie nach gemeinem Recht höchstens 100 Jahre (§ 15). Jeder Nießbrauch endet mit dem Untergang der Sache79; bei teilweisem Untergang besteht er am Rest fort. Entscheidend für die Abgrenzung ist für Grotius die Vereinbarung über den nutznießlichen Gegenstand; so soll nach Zerstörung eines Gebäudes der Nießbrauch am Grundstück nicht fortbestehen, wenn das Gebäude vereinbarungsgemäß Gegenstand der Nutznießung ist. Diese Anknüpfung an den Parteiwillen entspricht einerseits Ansätzen im usus modernus, weist aber zugleich in Richtung auf eine im Naturrecht immer weiter verstandene Freiheit von Eigentümer und Nießbraucher, Abreden über Gegenstand und Inhalt des Nießbrauchs zu treffen.80 Weiter endet ein Nießbrauch mit Abtretung an den Eigentümer.81 Welche Wirkung die unzulässige82 Abtretung an einen Außenstehenden hat, bleibt unklar, wenngleich die Reduzierung des Inhalts der von Grotius offenbar herangezogenen Institutionenstelle (Inst. 2.4.3) auf den Untergangsgrund der Zession an den Eigentümer den Schluß nahelegt, daß die Abtretung an einen Dritten keinen Untergang des Nießbrauchs zur Folge haben soll. An75

Dazu Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 47 „De spe dominii acquirendi“. Vgl. Lee, The Jurisprudence of Holland II, p. 203. 77 Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 39, § 13: „ut fructus a fundo non separati, quamvis maturi sint, non heredi usufructuarii, sed domino proprietatis competant“. 78 Lee, The Jurisprudence of Holland II, p. 200, verweist allerdings für die Fruchtziehung auf Inst. 2.1.36, wonach es auf die perceptio der Früchte ankommt. 79 Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 39, § 14. 80 Für Lipp, Bedeutung des Naturrechts, S. 139, ist Grotius „der erste Denker, der in solcher Schärfe und Konsequenz die menschliche Persönlichkeit als eine Rechtsquelle auffaßt, der die Autonomie des Menschen als eine naturrechtliche Struktur aufgreift und hieraus die Rechtssetzungsbefugnis, die rechtliche Gestaltungsbefugnis des Individuums ableitet“. 81 Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 39, § 16. 82 Vgl. Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 39, § 4. 76

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dererseits ist die Abtretung an den Eigentümer nur ein Spezialfall der von Grotius als viertem Untergangsgrund neben der Konfusion erwähnten Konsolidation.83 In Anmerkungen zur „Inleidinge“ erwähnen Groenewegen, Schorer und van der Kessel84 eine Entscheidung des Hooge Raad von Holland, in der dieser den väterlichen Nießbrauch am Haus seines Kindes mit Abtretung an einen Dritten als verwirkt ansieht; unklar bleibt aber, ob die Verwirkung der Nutznießung nur Folge des im konkreten Fall zutage getretenen fraudulösen Verhaltens des Vaters oder schon der unzulässigen Abtretung des Nießbrauchs ist.85 Wie die erwerbende Verjährung eines Nießbrauchs erfordert ein Verlust durch Nichtgebrauch immer eine Frist von einem Dritteljahrhundert.86 Nicht als Untergangsgrund erwähnt ist der Ablauf der vereinbarten Zeit; das korrespondiert mit dem Fehlen eines befristeten Nießbrauchserwerbs und ist letztlich eine Konsequenz des Nießbrauchs als eines auf Lebenszeit bestellten Rechts.87 Die Abgrenzung des Nießbrauchs vom Gebrauchsrecht folgt gemeinem Recht. Ein Usuar ist auch berechtigt, Früchte für sich und seine Familie zu ziehen, darf aber den Gebrauch nicht übertragen.88 Im Unterschied zu Miete und Pacht, die nach holländischem Brauch auf bestimmte Zeit ein dinglich geschütztes Gebrauchsrecht vermitteln89, ist ein usus wie der Nießbrauch regelmäßig auf Lebenszeit konstituiert.90 Durch besondere Zusätze kann das Gebrauchsrecht ausgedehnt oder eingeschränkt werden.91 Ein Unterfall ist das dingliche Wohnrecht, doch läßt auch Grotius dessen Vermietung zu.92 Usus wie Zehntrecht sind für Grotius Teile eines dominium utile93, weil ihrem Inhaber jeweils nur ein Teil der Früchte zusteht – dem 83

Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 39, § 17. Zu diesen Lee, The Jurisprudence of Holland II, p. vi ss. 85 Vgl. zu dieser Entscheidung und ihrer Bewertung durch die drei genannten Juristen Lee, The Jurisprudence of Holland II, p. 201. – In Voets „Observationes ad Hugonis Grotii manudictionem“ findet sich hierzu nichts. 86 Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 39, § 18. 87 Vgl. Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 39, § 1. 88 Vgl. Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 44, §§ 4, 6. 89 Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 44, § 9: „Sed apud nos locatio conductio jus quoddam proprium tribuit, nempe jus utendi per breve tempus: hoc ex eo patet, quod, si domus locata vendatur, emptor locationem praestare tenetur“. – Vgl. Lee, Jurisprudence of Holland II, p. 202. – Zu Grotius’ Unterscheidung von ius in re und ad rem vgl. Dubischar, S. 61 f. 90 Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 44, § 6. 91 Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 44, § 7. 92 Vgl. Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 44, § 8: „Jus habitandi aedes alienas usum aedium per totam vitam constituit: quin et libera locandi facultas sub eo continetur“. 84

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2. Teil: Der Nießbrauch im Naturrecht

Usuar nach seinem persönlichen Bedürfnis, dem Zehntberechtigten nach überkommenem holländischen Recht ein Elftel.94

§ 2 Samuel Pufendorf Samuel Pufendorf (1632–1694)95 gilt wegen seiner Trennung der physischen von der moralischen Welt „in Bezug auf Klarheit, Breite, Systematisierungsgrad und historische Wirkung seines Werkes“ als bedeutendster Naturrechtslehrer der frühen Neuzeit.96 Er löst sich vollends vom Institutionenschema und begründet ein auf christliche Pflichten gegenüber Gott, sich selbst und seinem Nächsten gestütztes axiomatisch aufgebautes Rechtssystem97, in welches das Privatrecht eingebettet ist.98 I. Systematik Den Nießbrauch behandelt Pufendorf99 im achten Kapitel „De jure in res alienas“ des vierten Buches der „De jure naturae et gentium libri octo“ (1672)100 und knapper im Lehrbuch „De officio hominis et civis juxta legem naturalem“ (1673).101 Wegen des originären Eigentumserwerbs an den Früchten102 siedelt Pufendorf auch die dazu befugenden Rechte an fremder Sache wie Emphyteuse, Superfizies, gutgläubigen Besitz, Pfandrecht, Hypothek und Dienstbarkeiten103 bei den originären Erwerbsgründen an.104 Nach allgemeinen Servitutenregeln (§ 6) folgen der Nießbrauch und die anderen 93 Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 44, § 3: „Partem dominii utilis tribuunt usus vel jus decimarum“. 94 Vgl. Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 45, §§ 1, 2. 95 Zu diesem Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft III/1, S. 11 ff.; E. Wolf, Rechtsdenker, S. 311 ff.; Kleinheyer/Schröder, S. 335 ff.; K.-P. Schroeder, JuS 1995, 959 ff. 96 So Ruzicka, Historisches Wörterbuch der Philosophie VI, Sp. 589. – Vgl. auch Welzel, Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs, und ders., Naturrecht, S. 130 ff. 97 Vgl. Dießelhorst, S. 21 ff.; Stein, Systematisation, S. 124 f.; Luig, Natürliches Privatrecht, S. 109 ff.; Raisch, S. 65 ff.; Hartung, S. 30 ff. – Zu Pufendorfs Pflichtenlehre allgemein Winiger, S. 54 ff.; Drescher, S. 20 ff.; Randelzhofer, S. 13 ff. 98 Koschaker, S. 250. 99 Zur Systematik des Sachenrechts vgl. die Übersichten von Platz, S. 15, und Dießelhorst, S. 44 f. 100 Hier liegt die von Johannes Nicolaus Hertius (1651–1710) mit Anmerkungen versehene Ausgabe von 1716 zugrunde. 101 Hier liegt Luigs deutsche Übersetzung „Über die Pflicht des Menschen und des Bürgers nach dem Gesetz der Natur“ zugrunde. 102 Platz, S. 74. 103 Pufendorf, De jure naturae, Lib. IV, Cap. IIX, § 2 (p. 559): „Jura praecipua in rebus alienis, quae competunt non dominis, aliqui solent numerare quinque: jus em-

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römischen Personalservituten (§§ 7–10) sowie die Praedialservituten (§§ 11, 12). Anders als in der „Inleidinge“ fehlt das Lehnsrecht, weil, so Hertius, das „jus feudi“ einem Vasallen das dominium utile unter der Bedingung fortwährender Treue und militärischer Dienste vermittele.105 Diesen dem usus modernus entsprechenden Nutzeigentumsbegriff hält Pufendorf aber nicht streng durch; im Kapitel „De translatione dominii in genere“106 behandelt er Lehen und Emphyteuse wieder zusammen als Rechte, bei denen vermindertes Eigentum übertragen werde.107 II. Inhalt Den Nießbrauch definert Pufendorf als „jus alienis rebus utendi fruendi, salva ipsarum substantia: seu jus ex re aliena percipiendi omne emolumentum, quod salva rei substantia inde provenire potest“.108 Während Struve im zweiten Halbsatz einer ähnlichen Formulierung „servitus“ an die Stelle von „jus“ setzt109, wiederholt Pufendorf „jus“ und bringt damit zum Ausdruck, daß es ihm entscheidend auf das subjektive Recht zur Fruchtziehung ankommt. Von Natur aus sei dazu der Sacheigentümer berechtigt, doch sei ihm nicht verwehrt, diese Befugnis vom Eigentum getrennt zu übertragen.110 Nach Aufhebung der ursprünglichen Gütergemeinschaft aller Menschen gebiete manchmal sogar die humanitas, wenngleich nur in engen Grenzen111, daß einem anderen der Gebrauch eingeräumt werde; vor allem aber kann ein Nutzungsrecht durch den Begünstigten erworben werden.112 phyteuticum; jus superficiarium; jus bonae fidei possessoris; pignus seu hypothecam; & servitutes“. 104 Dießelhorst, S. 28 f.; Platz, S. 13. 105 Pufendorf, De jure naturae, Lib. IV, Cap. IIX, § 2 No. a (p. 559): „Mirum est A omisisse heic jus feudi . . . Nam & hoc in persona Vasalli continet utile dominium, sub obligatione singularis fidei & praestandorum servitiorum militarium“. – Hertius rekurriert auf Grotius, De iure belli ac pacis, Lib. II, Cap. VII, § XXI, wonach die Völker jeweils eigene Lehnsrechte entwickelt haben und daher nicht immer langobardisches Lehnsrecht gelten soll, doch dürfte dieser Hinweis auf Grotius weniger dessen Naturrecht, als germanistischen Ansatzpunkten bei Hertius (vgl. Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft III/1, S. 62 f.) zuzuschreiben sein. 106 Vgl. Dießelhorst, S. 30. 107 Pufendorf, De jure naturae, Lib. IV, Cap. IX, § 4 (p. 569): „aut ubi dominium duntaxat diminutum transfertur, quod in concessione feudi, & emphyteuseos contingit“. 108 Pufendorf, De jure naturae, Lib. IV, Cap. IIX, § 7 (p. 561); inhaltsgleich ders., Über die Pflicht des Menschen, Buch 1, Kap. 12, § 8. 109 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § IV. 110 Pufendorf, De jure naturae, Lib. IV, Cap. IIX, § 7 (p. 561 s.).

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2. Teil: Der Nießbrauch im Naturrecht

1. Gegenstände eines Nießbrauchs Ein (echter) Nießbrauch ist an allen Sachen möglich, die außerhalb ihrer Substanz irgendeinen Gebrauch zulassen, sei es auch als Schmuck oder zum Vergnügen mit der Sache.113 An Sachen, die außer ihrem Verbrauch keinen Gebrauch gestatten, wozu auch Geld zähle, sei mit den römischen Gesetzen ein quasi ususfructus anerkannt. Pufendorf erwähnt wie die römischen Quellen nur den letztwillig vermachten114; Hertius hält auch eine vertragliche Einräumung für zulässig, weil der quasi ususfructus sich vielfältig vom Darlehen unterscheide.115 Nicht Gegenstand dinglicher Rechte sind für Pufendorf Sachgesamtheiten.116 So sei für die Besitzergreifung einer Herde nur dann die Inbesitznahme eines Tieres ausreichend, wenn alle Tiere zugegen seien; anderenfalls müsse jedes einzeln in Besitz genommen werden.117 2. Rechte und Pflichten des Nießbrauchers Dem Nießbraucher stehen alle natürlichen und bürgerlichen Früchte einer Sache zu. Dazu zählen auch Nachkommen, Vervielfältigungen und Erträge der Sache. Einen speziellen Unterfall bildet der „foetus“118, doch stehe der „foetus ancillae“ schon nach römischem Recht119 nicht dem Nießbraucher zu, weil der Nießbrauch einer Sklavin wegen deren Arbeitskraft und nicht 111 Pufendorf, De jure naturae, Lib. IV, Cap. IIX, § 1 No. a: „v. g. transitum per mare, per terram, & similia, . . . Usum rei temporarium“. – Zu den Notrechten näher Pufendorf, De jure naturae, Lib. II, Cap. VI, § 8. 112 Pufendorf, De jure naturae, Lib. IV, Cap. IIX, § 1 (p. 559): „inde contingit, ut non solum ex lege humanitatis alteri saepe res nostras, earumvè usum debeamus concedere; sed etiam ut alii jus aliquod perfectum aut minus perfectum in re nostra sibi quaerant, adeoque ex re nostra utilitatem aut commoditatem aliquam suo jure comparant“. – Vgl. auch Platz, S. 163. 113 Pufendorf, De jure naturae, Lib. IV, Cap. IIX, § 7 (p. 562): „Patet autem, usumfructum proprie tantum constitui posse in illis rebus, quae usum aliquem praebent extra substantiam, seu quae usu non consumuntur; modo revera in illis usus aliquis, vel ornamentum, aut delecatio sit“. 114 Pufendorf, De jure naturae, Lib. IV, Cap. IIX, § 7 (p. 562). 115 Pufendorf, De jure naturae, Lib. IV, Cap. IIX, § 7 No. b (p. 563). 116 Platz, S. 29. 117 Pufendorf, De jure naturae, Lib. IV, Cap. IX, § 7 (p. 571): „Quae ex distantibus corporibus constat universitas, v. g. grex, si omnes partes sint praesentes, unius corporis adprehensione tota adprehensa censetur. Sed ubi partes loco sint disjunctae, v. g. aliqua pars gregis in hoc fundo, aliqua in alio, singulae partes separatim adprehendendae“. 118 Pufendorf, De jure naturae, Lib. IV, Cap. VII, § 3 (p. 547): „Fructuum nomine solent potissimum venire incrementa, multiplicationes, & emolumenta rerum quarumvis; nisi quod animalia ex aliis animalibus provenienta peculiariter foetus adpellentur“.

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wegen einer möglichen Schwangerschaft bestellt worden sei.120 Nicht zu den Früchten zählt auch für Pufendorf ein Schatzfund, der nach Naturrecht allein dem Finder gebühre.121 Natürliche Früchte unterscheidet er weiter in von der Natur selbst hervorgebrachte und aufgrund menschlichen Fleißes entstandene.122 Den Erben des Nießbrauchers gebühre eine Teilhabe nur an letzteren. Bürgerliche Früchte sind stets nach Zeitablauf aufzuteilen.123 Der Usufruktuar muß die Sache wie ein guter Hausvater gebrauchen, bewachen und erhalten sowie deren ordentliche und außerordentliche Lasten tragen, jedenfalls soweit diese die Nutzungen nicht übersteigen.124 3. Entstehungsgründe eines Nießbrauchs Ein Nießbrauch entsteht durch Gesetz, Richterspruch und menschliches Wirken, sei es durch Testament oder Vertrag. Damit sind für Pufendorf die Erwerbsmöglichkeiten von Rechten an fremder Sache nicht auf solche beschränkt, die mit Willen des duldungspflichtigen Eigentümers konstituiert werden. In „De officio hominis“ ist zwar als erster Erwerbsgrund für eine Dienstbarkeit der Vertrag125 erwähnt, doch kann sie auch auf sonstige Weise erworben werden.126 Allerdings führt Pufendorf die gesetzlichen Nutzungsrechten zugrunde liegende Gewalt über andere auf eine Übereinkunft der Betroffenen zurück.127 So entspreche der väterliche Nießbrauch an den Adventitiengütern der Hauskinder in größtmöglicher Weise der natürlichen Vernunft.128 Die zugrunde liegende patria potestas129 beruhe sowohl auf Naturrecht, als auch auf einer stillschweigenden Zustimmung des Kin119 Im römischen Recht gilt der partus ancillae nicht als „fetus“ (vgl. FilipFröschl, Partus et fetus et fructus). 120 Pufendorf, De jure naturae, Lib. IV, Cap. IIX, § 7 (p. 562). 121 Pufendorf, De jure naturae, Lib. IV, Cap. VI, § 13 (p. 544): „Thesaurus naturaliter, & citra diversam dispositionem legum civilium fit inventoris, i. e. ejus, qui eum adprehenderit, locoque moverit. Quia cujus dominus ignoratur, quamdiu ignoratur, moraliter censetur ac si dominium non haberet, essetque nullius, adeoq; primo occupanti cedit“. – Vgl. auch Platz, S. 80 f. 122 Pufendorf, De jure naturae, Lib. IV, Cap. VII, § 3 (p. 547). 123 Pufendorf, De jure naturae, Lib. IV, Cap. IIX, § 7 (p. 562). 124 Pufendorf, De jure naturae, Lib. IV, Cap. IIX, § 7 (p. 562), verweist dazu auf römische Quellenstellen. 125 Zu seinem Vertragsrecht Dießelhorst, S. 31 ff. 126 Pufendorf, Über die Pflicht des Menschen, Buch 1, Kap. 12, § 8. 127 Dießelhorst, S. 23 f.; Schiemann, ZHF 5 (1978), 239, 240. 128 Pufendorf, De jure naturae, Lib. IV, Cap. IIX, § 7 (p. 562): „Idque constitui potest vel lege civili, etsi quod ususfructus bonorum adventitiorum filii patri competat, qui adhuc eum in potestate habet, etiam rationi naturali maxime congruat“. 129 Pufendorf, Über die Pflicht des Menschen, Buch 2, Kap. 3, § 1.

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des.130 Der Vater erwirbt zwar nicht das Eigentum an den Kindesgütern, darf diese aber gebrauchen und nutzen und muß aus dem Ertrag die Kinder alimentieren.131 Ein übersteigender Gewinn bleibt ihm als Ausgleich für die Pflicht zu Ernährung und Erziehung.132 Anders als Grotius133 lehnt Pufendorf einen Nießbrauchserwerb durch Verjährung ab134, weil die Ersitzung begrifflich auf den Eigentumserwerb und die Verjährung auf die dem Besitzer gegenüber dem Eigentümer zustehende Einrede beschränkt sei.135 4. Beendigungsgründe eines Nießbrauchs Der Nießbrauch endet mit dem Tod des Usufruktuars. Einen Übergang auf den ersten Erben hält Pufendorf für zulässig, will ihn aber strikt auf diesen einen beschränken, „weil das Eigentum nutzlos sei, welches auf ewig vom Gebrauch der Sache getrennt wird“.136 Der im usus modernus sich ausbildende dogmatische Ansatz, ein Nießbrauch als Personalservitut könne nicht zugunsten zweier Personen nacheinander bestellt werden, so daß nur eine Pflicht zur Einräumung des Nießbrauchs dem ersten Erben gegenüber besteht, fehlt hier. Das verdeutlicht, daß es Pufendorf nicht so sehr um den Charakter des Nießbrauchs als höchstpersönliches Recht, sondern vielmehr um die Dauer der Duldungspflicht des Eigentümers geht. Außerdem ermöglicht eine enge Auslegung der Nießbrauchsvereinbarung im Grundsatz ein Festhalten an der Gestaltungsfreiheit der Parteien, deren Nießbrauchsbegründung für mehr als einen Erben nicht unwirksam ist, sondern nur durch restriktive Interpretation nicht über den Tod des ersten Erben hinaus wirken soll. Unter diesem Aspekt passt auch Pufendorfs Zustimmung zu der Höchstdauer des römischen Rechts von 100 Jahren für den Nießbrauch zugunsten einer Körperschaft.137 130 Pufendorf, De jure naturae, Lib. VI, Cap. II, § 4 (p. 864), und ders., Über die Pflicht des Menschen, Buch 2, Kap. 3, § 2. – Vgl. auch Schwab, S. 191. 131 Pufendorf, De jure naturae, Lib. VI, Cap. II, § 8 a. E. (p. 871) und ders., Über die Pflicht des Menschen, Buch 2, Kap. 3, § 5. – Vgl. Bingler, S. 120; Schumacher, S. 220 f. 132 Pufendorf, Über die Pflicht des Menschen, Buch 2, Kap. 3, § 5. 133 Vgl. Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 39, § 11. 134 Platz, S. 123 ff. 135 Pufendorf, De jure naturae, Lib. IV, Cap. XII, § 1 (p. 605 s.): „Vocatur is modus usucapio, quod res usu seu diuturna possessione capiatur, & adquiratur. Exceptio autem illa, qua prior dominus post usucapionem completam à possessore repellitur, praescriptio proprie dicitur“. 136 Pufendorf, De jure naturae, Lib. IV, Cap. IIX, § 7 (p. 563): „Et quia onerosum valde est, suae rei fructum esse penes alios, igitur stricte ista concessio est interpretanda, sic ut si dictum sit, usumfructum concedi Sejo, ejusque heredibus, ad heredum heredes id non extendatur. Cum inutilis sit proprietas, quae in perpetuum ab usu rei excluditur“.

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Weiter endet ein Nießbrauch durch Gesetz, Vereinbarung und Nichtgebrauch über eine von Pufendorf nicht festgelegte Zeit, durch vertragswidrigen Gebrauch oder Verschlechterung der nutznießlichen Sache, soweit diese auf Arglist oder grober Fahrlässigkeit (culpa lata138) beruht139, sowie deren Untergang; eine Wiederherstellung der Sache kann daran nichts ändern, weil es sich „nicht um die alte Sache, an welcher das Recht bestellt worden war, handelt und nicht anzunehmen ist, daß der Eigentümer die Sache unter großen Kosten zu Gunsten des Nießbrauchers wiederherstellen wollte“140. Pufendorf rechtfertigt den Untergang durch non usus damit, viele Sachen würden durch Nichtgebrauch verschlechtert.141 Damit verdrängt der Gedanke des neminem laedere die im gemeinen Recht enge Beziehung zur Verjährung. Auch hier zeigt sich eine gewisse Nähe zur Argumentation von Struve, der aus dem Gedanken, der Nichtgebrauch einer Sache könne für diese schädlich sein, im Analogieschluß ein Ende des Nießbrauchs auch wegen nachlässigen und tadelnswerten Gebrauchs der Sache folgert.142 Insgesamt ähnelt das Nießbrauchsrecht bei Pufendorf demjenigen im usus modernus143; der gemeinrechtliche Rechtsstoff ist aber häufig anders „verpackt“.144 Teile des Nießbrauchsrechts führt Pufendorf nicht auf Naturrecht zurück, sondern folgt römischem Recht oder läßt eine Frage offen, was letztlich zu einer Lückenschließung mittels gemeinem Recht führen muß.145 Der Gedanke vertraglicher Regelungen zwischen Eigentümer und Nießbraucher spielt eine geringere Rolle als bei anderen Vertretern des Naturrechts.

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Pufendorf, De jure naturae, Lib. IV, Cap. IIX, § 7 (p. 563). Dazu Hoffmann, Fahrlässigkeit, S. 112 ff. 139 Pufendorf, De jure naturae, Lib. IV, Cap. IIX, § 7 (p. 563). – Vgl. auch Platz, S. 191 f. 140 Platz, S. 183. 141 Pufendorf, De jure naturae, Lib. IV, Cap. IIX, § 7 (p. 563): „Ex lege quoque aut conventione est, quod is certo tempore non utendo amittatur, (quia multae res non utendo fiunt detereores)“. 142 G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § XXXIV: „quod sit negligens & culposus in usu: aut non utendo per tempus lege difinitum“. 143 Vgl. Platz, S. 164. 144 So Schiemann, ZHF 5 (1978), 239, 240, der in Pufendorfs Darstellungsart „more geometrico“ – anders als Dießelhorst – nicht bloß eine Äußerlichkeit, sondern „in Umrissen eine neue „Grammatik“ der Sache Privatrecht selbst“ erblickt; ähnlich Raisch, S. 67. 145 Platz, S. 197 f. 138

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§ 3 Christian Thomasius Christian Thomasius (1655–1728)146, der wegen seiner Suche nach den Ursprüngen einzelner Institute im älteren deutschen Recht auch als einer der ersten Germanisten bezeichnet wird147, ist aber vor allem als Vorreiter eines empirischen Naturrechts von Bedeutung148, der das Privatrecht aus seiner Pflichtenbindung löst.149 Zum Nießbrauch findet sich bei Thomasius nur wenig. In den „Institutiones jurisprudentiae divinae“ (1688) erwähnt er ihn als eine der vier (römischrechtlichen) Personalservituten.150 Nach kurzen Ausführungen zu den Praedialservituten folgt die auf alle diese Formen eines Rechtsübergangs auf den Nichteigentümer gemünzte Feststellung, daß diese häufig anzutreffenden Fragen die römische Jurisprudenz auf das heftigste bewegt hätten; wegen der Gerechtigkeit im Einzelfall und weil römische Juristen besonders oft Streitfälle lösen mußten, pflegen die Völker Europas den größten Teil der römischen Servitutenregeln zu beachten.151 In den „Fundamenta juris naturae et gentium“ (1705) wird der Nießbrauch in anderem Zusammenhang angesprochen, worauf noch einzugehen ist. In der „Vernunftlehre“ findet sich als Beispiel seiner vom Autoritätendenken gelösten Auslegungsmethode152 die Frage nach dem Fruchtcharakter des partus ancillae, die zwar in der frühen Neuzeit noch Gegenstand gelehrter Diskussionen, aber längst ohne praktische Relevanz ist. Thomasius läßt seine Lösung offen und lehnt es nur ab, ein Ergebnis deshalb gutzuheißen, weil es von vielen Autoritäten so gelehrt werde.153 An anderer Stelle äußert sich Thomasius zu Dig. 7.1.63.154 Während z. B. Glück hier als Ausnahme von dem Grund146 Zu diesem Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft III/1, S. 71 ff:; Fleischmann, S. 10 ff.; E. Wolf, Rechtsdenker, S. 371 ff.; Kleinheyer/ Schröder, S. 424 ff.; Jerouschek, JuS 1995, 576 ff.; Stromberg, JZ 1975, 56 ff. 147 Vgl. Voppel, S. 205 ff.; B.-R. Kern, in: Dilcher/B.-R. Kern, ZRG (GA) 101 (1984), 1, 4 Fn. 2. 148 Zu seinem Naturrechtsverständnis Rüping, Naturrechtslehre, S. 33 ff., und Drescher, S. 81 ff. 149 Vgl. Luig, Natürliches Privatrecht, S. 116 ff. 150 Thomasius, Institutiones, Lib. II, Cap. X, § 171: „Quod si illa utilitas principaliter personam alterius respiciat, nominatur servitus personalis, quales sunt, ususfructus, usus, habitatio, operae servorum & c.“. 151 Thomasius, Institutiones, Lib. II, Cap. X, § 176: „Sed de his quidem juribus explicandis maximam partem sollicita est Jursiprudentia Romana, quoniam ejusmodi jurium translationes frequentissime inter privatos oriri solent. Quam adeo ab singularem aequitatem, & quia JCti Romani saepissime ex dictamine rectae rationis controversias diremerunt, gentes Europaeae maximam partem & in conventionibus publicis observare solent. Quatenus autem & ipsa quandoque ex rationibus mere civilibus quaestiones definivit, id commodius alibi demonstratur“. 152 Zu Thomasius’ Methode J. Schröder, Christian Thomasius.

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satz „nemo plus iuris transferre potest, quam ipse habet“ dem Eigentümer auch dann die Bestellung eines Nießbrauchs gestattet, wenn er kein ius utendi fruendi an der Sache hat, die Bestellung aber als durch den Rückerwerb des Fruchtziehungsrechts aufschiebend bedingt ansieht155, versteht Thomasius die Stelle so, daß der Eigentümer als Nutzungsberechtigter einen Nießbrauch konstituieren kann, obwohl er keinen formalen Nießbrauch hat156, womit er der Stelle letztlich eine eigene Bedeutung abspricht. Die Rezeption der patria potestas des römischen Rechts lehnt Thomasius ab157, doch gesteht er dem Vater als Vormund am Kindesvermögen den Nießbrauch zu.158 In Buch 2, Kap. 10, § 3 der „Fundamenta“ verwirft Thomasius alle hergebrachten Eigentumsdefinitionen als wenig aussagekräftig. Klarer sei es, das Eigentum als ursprüngliche Macht zu definieren, nach Belieben über den Gebrauch einer Sache unter Ausschließung aller anderen zu disponieren.159 In der Anmerkung dazu setzt er sich mit der Gebrauchsmöglichkeit an einer Sache als Wesensmerkmal des Eigentums auseinander und verwendet dafür das Beispiel des Nießbrauchers, der ebenfalls alle Macht habe, die Sache unter Ausschließung selbst des Eigentümers zu gebrauchen, obwohl er kein Eigentum habe.160 Während dieser Widerspruch üblicherweise dadurch gelöst werde, daß es für die Annahme von Eigentum entscheidend auf das daraus resultierende Vindikationsrecht ankomme, stellt Thomasius das aus dem dominium plenum folgende Gebrauchsrecht als von dem eines Nießbrauchers verschiedenes dar: Der Eigentümer habe auch das Recht, die Sache zu verbrauchen, zu veräußern, zu verschlechtern, sie auf einen anderen zu übertragen etc.161 153 Vgl. Werner, JR 1967, 81 f., zu der berühmten „Mohren-Entscheidung“ von 1780, in der das KG den preußischen Gesetzgeber zwar zu einem Verbot der Sklaverei auffordert, dieses aber nicht schon als zwingendes Gebot dem Naturrecht entnehmen will. 154 Dig. 7.1.63: „Quod nostrum non est, transferemus ad alios: veluti is qui fundum habet, quamquam usum fructum non habeat, tamen usum fructum cedere potest“. 155 Glück, Pandecten IX, § 632 (S. 194 ff.). 156 „Dominium, qui una cum proprietate habet potestatem utendi re sua, quamvis usumfructum, ut servitutem non habeat; posse tamen ad alterum cedendo transferre servitutem ususfructus“ (zit. nach Glück, Pandecten IX, § 632 [S. 195]). 157 Schumacher, S. 233 ff. 158 Schumacher, S. 235 Fn. 236 u. 237. 159 Thomasius, Fundamenta, Lib. II, Cap. X, Anm. zu § 3 (p. 233): „proprietatem originarie consistere in potestate disponendi pro lubitu de usu rei cum exclusione aliorum“. 160 Thomasius, Fundamenta, Lib. II, Cap. X, § 3 (p. 233): „usufructuarii . . ., qui proprietatem non habet, etsi habeat potestatem utendi omnem cum exclusione aliorum, etiam domini ipsius“.

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§ 4 Christian Wolff Christian Wolff (1679–1754)162 deduziert das gesamte Rechtssystem „more geometrico“ aus Naturrechtssätzen.163 Das Privatrecht bei ihm ist geprägt von einer in der Rechtsordnung verankerten sozialen Pflichtenethik.164 Abschnitte über den Nießbrauch enthalten Wolffs achtbändiges Hauptwerk „Jus naturae methodo scientifica pertractatum“ (1740–1748) und seine „Institutiones iuris naturae et gentium in quibus ex ipsa hominis naturae continuo nexu omnes obligationes et iura omnia deducuntur“ (1750). Im Einfluß auf die Rechtspraxis im späteren usus modernus dürften die „Institutiones“ höher einzuschätzen sein, wie ihre frühzeitige deutsche Übersetzung (1754)165 und z. B. einige Nachweise bei Kreittmayr zeigen. I. Systematik Ausgehend von der ursprünglich uneingeschränkten Nutzungsbefugnis des Eigentümers stellt Wolff deren Begrenzungen als dessen Verbindlichkeiten, von ihm zu tragende Pflichten dar.166 Aufgrund beeinträchtigender Verträge oder dinglicher Rechte an fremder Sache bzw. Nutzeigentums verliert der Eigentümer, soweit die fremde Rechtsstellung reicht, eine ihm an der Sache zustehende Befugnis. Er muß Eingriffe dulden, die aufgrund dinglicher oder obligatorischer Berechtigung einem anderen zukommen und von diesem ausgeübt werden. Nach „beschwerlichen Contracte[n]“ sowie „Glücks- und Quasicontracte[n]“167 stellt Wolff Pfandrecht und Servituten, bei diesen nach kurzen allgemeinen Bemerkungen die Praedial- und anschließend die Personalservituten, letztere mit dem Nießbrauch an der Spitze, dar. Vor Pfandrecht und Dienstbarkeiten plaziert er nur im „Jus naturae“ ein allgemeines Kapitel „Über die Art, auf welche Verbindlichkeiten aus einem Vertrag gezogen werden“ („De modis, quibus obligatio ex contractu tollitur“), ohne jedoch 161

Thomasius, Fundamenta, Lib. II, Cap. X, Anm. zu § 3 (p. 233). Zu diesem Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft III/1, S. 198 ff.; Kleinheyer/Schröder, S. 446 ff. 163 Vgl. Bachmann, Zur Wolffschen Naturrechtslehre; Raisch, S. 68 ff. 164 Luig, Natürliches Privatrecht, S. 118 f. – Zu Wolffs Pflichtbegriff Winiger, S. 194 ff.; Drescher, S. 120 ff. 165 Unter dem Titel „Grundsätze des Natur- und Völckerrechts, worinn alle Verbindlichkeiten und alle Rechte aus der Natur des Menschen in einem beständigen Zusammenhang hergeleitet werden“ von Gottlob Samuel Nicolai. – Diese Ausgabe liegt im folgenden zugrunde. 166 Zu Wolffs Pflichtenlehre Winiger, S. 285 ff. 167 So die Überschriften in der deutschen Übersetzung der „Institutiones“ von Gottlob Samuel Nicolai. 162

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die Kapitel „De Jure Pignoris & Hypothecae“ und „De Servitutibus“ durch einen gemeinsamen Oberbegriff wie in der Überschrift zum fünfzehnten Hauptstück der „Institutiones“ („Von dem Rechte, welches einem in fremder Sache eingeräumt worden, oder dem Pfande und Servituten“) systematisch zu verbinden. Das Eigentum gewährt dem Eigentümer die Sache in ihrer Substanz und zugleich die Befugnis, sie zu gebrauchen, Früchte daraus zu ziehen und das Eigentum an diesen zu erwerben168; dagegen darf „niemand mit einer fremden Sache selbst, oder ihrem Gebrauch und ihren Früchten nach seinem Gefallen vornehmen, was er will“.169 Der Eigentümer kann jedoch „auch einem andern ein Recht in seiner Sache einräumen, es habe einen Nahmen, wie es wolle“170. Emphyteuse und Superfizies sind für Wolff keine Rechte an fremder Sache, weil sie dem „Eigenthümer der erblichen Nutzbarkeit“ das dominium utile vermitteln.171 II. Inhalt Die Nießbrauchsdefinition „versteckt“ Wolff gleichsam im Hinweis auf den Umfang der Duldungspflicht des Eigentümers, der „leiden muß, daß ein anderer seine Sache nutzet und gebraucht, doch so, daß die Sache selbst unbeschädiget bleibe“.172 Nach Bestellung des Nießbrauchs verbleiben ihm alle aus dem Eigentum folgenden Dispositionsbefugnisse, so daß er die Sache veräußern kann, weil der Nießbrauch auch gegenüber deren Erwerber wirksam bleibt, doch darf der Eigentümer andere Dienstbarkeiten am nutznießlichen Gegenstand gegen den Willen des Nießbrauchers nur so bestellen, daß dessen Recht keinen Schaden leidet.173 1. Entstehungsgründe eines Nießbrauchs Wolff nennt keinen Katalog möglicher Entstehungsgründe. Daß der Eigentümer einen Nießbrauch begründen kann, folgt für ihn aus der Freiheit, über seine Sache und die Rechte daran zu disponieren.174 Dagegen widerspreche es dem Naturrecht, daß jemand gegen den Willen des Eigentümers 168

Wolff, Grundsätze, § 198. Wolff, Grundsätze, § 199. 170 Wolff, Grundsätze, § 260. 171 Wolff, Grundsätze, § 724. – Zum Lehnsrecht bei Wolff vgl. Stipperger, Freiheit und Institution, S. 67 ff. 172 Wolff, Grundsätze, § 713, und – fast wortgleich – die (lateinische) Formulierung in Jus naturae V, § 1420. 173 Wolff, Jus naturae V, § 1455. 174 Wolff, Grundsätze, § 260. 169

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einen Nießbrauch begründet.175 Ein vom gut- wie bösgläubigen Nichteigentümer176 bestellter Nießbrauch sei daher nichtig.177 Der Eigentümer könne die Sache vindizieren178, während er eine selbst konstituierte Dienstbarkeit dulden müsse.179 Ein ehemännlicher Nießbrauch am Frauengut erfordert daher für Wolff eine Vereinbarung bei Eheschließung180, wobei auch der Mann seiner Frau die Nutznießung einräumen kann.181 Aufgrund der Gewohnheiten vermutet Wolff aber eine stillschweigende Einräumung eines Nießbrauchs an ihren Gütern durch die Ehefrau zugunsten des Mannes, die durch ausdrückliche Erklärung ausgeschlossen werden könne.182 Dies ähnelt der naturrechtlichen Begründung der männlichen Gewalt über die Ehefrau aufgrund vertraglicher Unterwerfung bei der Eheschließung.183 Praktisch bedeutet dies kaum einen Unterschied zum gemeinen Recht, gehen doch auch danach vertragliche Abreden (Leibgedinge) bei der Eheschließung dem gesetzlichen Güterrecht vor. In der Theorie ermöglicht Wolffs Argumentation jedoch die Vereinbarkeit der Familie als naturrechtlich begründeter Vertragsgesellschaft mit der gesellschaftlichen und gesetzlichen Realität, in welcher dem Ehemann regelmäßig Verwaltungs- und Nutzungsrechte am Frauengut zukommen. Ähnlich verhält es sich in Bezug auf den väterlichen Nießbrauch an den Kindesgütern184, dessen gesetzliche Entstehung Wolff grundsätzlich ablehnt. Keinesfalls stehe den Eltern das Eigentum am Kindesgut zu.185 Soweit die Früchte daraus aber die Kosten von Erziehung und Alimentierung der Kinder nicht übersteigen, gebühre den Eltern das Fruchtziehungsrecht186 aufgrund einer conventio ficta, wonach die Eltern eine standesgemäße Erziehung schulden187, während das Kind die Mittel, soweit es darüber verfügt, zur Verfügung stellen muß. Wenn die Grundlage dieser Fiktion auf Seiten 175 Wolff, Jus naturae V, § 1441: „Naturaliter nemo praeter dominum usumfructum in re aliqua constituere potest“. 176 Wolff, Jus naturae V, § 1442. 177 Wolff, Jus naturae V, § 1441 a. E.: „Ususfructus adeo in re aliena constitutus nullus est, nec is, cui constituitur, in re jus aliquid acquirit“. 178 Wolff, Jus naturae V, § 1443. 179 Wolff, Jus naturae V, § 1420, und Grundsätze, § 713. 180 Wolff, Jus naturae VII, § 438. 181 Wolff, Jus naturae VII, § 436. 182 Wolff, Jus naturae VII, § 437. 183 Vgl. Schwab, S. 187 f.; Planitz, Deutsches Privatrecht, S. 193. 184 Wolff spricht nur von „bona liberorum“ (Jus naturae VII, § 757). 185 Wolff, Jus naturae VII, §§ 757, 759. 186 Wolff, Jus naturae VII, §§ 757, 761. – Vgl. auch Schumacher, S. 245 Fn. 340. 187 Wolff, Jus naturae VII, § 634.

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der Eltern in der Kindszeugung liegen soll und die Zustimmung des Kindes zur societas paterna vermutet wird188, begründet bereits das Vorliegen des Eltern-Kind-Verhältnisses das Nutzungsrecht. Im Regelfall bedeutet das nur, daß den Eltern ein die Unterhaltskosten übersteigender Mehrerlös nicht zustehen soll. Die nur dem Vater zustehende patria potestas des römischen Rechts hält Wolff für antiquiert; nach der Natur sei die Erziehungsgewalt der Eltern eine gemeinsame, so daß das zur Finanzierung der Kindeserziehung dienende Fruchtziehungsrecht Vater wie Mutter zukommen könne.189 2. Rechte und Pflichten des Nießbrauchers Mit Einräumung des Nießbrauchs bleibt dem Eigentümer das Eigentum am Gegenstand190: „folglich was der Eigenthumsherr vermöge der Proprietät thun kann, daß ist dem Usufructuario nicht erlaubet“191. Verboten sind dem Nießbraucher daher Veräußerung192, Veränderung, Verschlechterung193 und Verpfändung der Sache sowie deren Belastung mit einer (weiteren) Servitut194, aber „mit dem Nießbrauch, indem derselbe ein ihm eignes Recht ist, kann er nach seinem Belieben thun, was ihm gefällt“195. Daraus folge, daß ein Nießbraucher „die Sache nicht anders nutzen kann, als wie sie ist; und es ist nicht weniger offenbahr, daß man den Nießbrauch in allen beweglichen und unbeweglichen, auch unkörperlichen Sachen, welche man nutzen und gebrauchen kann, einräumen könne, doch so, daß dieselbe noch unversehret übrig bleiben, und zwar unter einer Bedingung, die demjenigen, der das Recht einräumet, gefällt“.196

Im Hinblick auf die Befugnis des Eigentümers, den Nießbrauch unter einer Bedingung einzuräumen, verweist Wolff in § 713 seiner „Grundsätze“ auf § 314, wonach es dem Eigentümer frei stehe, „an wen und auf was Art er sein Eigenthum oder ein ihm zugehöriges Recht bringen will, . . . ob ohne alle Bedingung, oder unter einer ihm gefälligen Bedingung“. Einen bedingten wie befristeten Nießbrauchserwerb197 kennt auch das gemeine Recht, während die in § 314 ebenfalls erwähnte Freiheit des Eigentümers, ob der Nießbrauch umsonst gewährt werde, „oder ob dagegen etwas gege188 189 190 191 192 193 194 195 196 197

Vgl. Schwab, S. 191 f. Vgl. Wolff, Jus naturae VII, § 757. Wolff, Jus naturae V, § 1421. Wolff, Grundsätze, § 713. Wolff, Jus naturae V, § 1421. Wolff, Jus naturae V, § 1426. Wolff, Jus naturae V, § 1455. Wolff, Grundsätze, § 713. Wolff, Grundsätze, § 713 a. E. Wolff, Grundsätze, § 718.

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ben oder getahn werden soll“, insoweit darüber hinaus reicht, als auch für die Ausübung des Nießbrauchs ein Entgelt vereinbart werden kann. Diese Gestaltungsfreiheit des Eigentümers gilt für alle Dienstbarkeiten. Weil „niemand als der Eigenthumsherr in seiner Sache einem andern eine Servitut einräumen“ könne, „beruhet es auf seinem lediglichen Willen, ob und unter was vor Bedingungen er sie einräumen will“198. So könne der Eigentümer den Nießbrauch unter der Bedingung konstituieren, daß nur der Nießbraucher und kein anderer die Sache nutze.199 Erfüllt der Nießbraucher eine Bedingung nicht, erlischt sein Nutzungsrecht; gezogene Früchte muß er herausgeben.200 Auch kann ein Nießbrauch widerruflich bestellt werden.201 Beispielhaft für die Gestaltungsmöglichkeiten des Eigentümers heißt es im „Jus naturae“: Der Nießbrauch könne rein und einfach eingeräumt werden, aber auch bedingt oder befristet, alternierend für bestimmte Jahre oder Monate, auf eine ganz bestimmte Weise, belastet oder unbelastet, an einem Teil der Sache oder einem ideellen Bruchteil202, z. B. als Nutznießung eines Drittels der (ungeteilten) Sache.203 Der Eigentümer kann außerdem den Umfang der Nutzung frei bestimmen. Während der von Wolff als „ususfructus plenus“ bezeichnete Nießbrauch allen Gebrauch und Nutzen eines Gegenstandes gewährt, ist dieser beim „ususfructus minus plenus“ beschränkt; so könne der Nießbrauch eines Gartens derart bestellt werden, daß bestimmte Früchte davon ausgenommen sind.204 Abgrenzungsprobleme zum bloßen usus entstehen dadurch nicht, obwohl Wolff dem Usuar im Einklang mit dem gemeinen Recht auch den zum Leben notwendigen Nutzen zugesteht.205 Der usus orientiert sich am Lebensbedarf des Berechtigten, während es für den Umfang eines ususfructus minus plenus auf den Willen des Eigentümers ankommt. Dieser Unterschied bleibt bestehen, wenn dem Usuar nur ein Teil der zu seinem Lebensbedarf notwendigen Früchte gebühren soll, so daß für Wolff auch ein „usus minus plenus“ möglich ist.206 Das Nebeneinander von ususfructus minus plenus und usus erinnert an die Parallelisierung von Gebrauchs- und Zehntrecht bei Grotius; auch hier ist der usus ein am persönlichen Bedarf orientiertes Fruchtziehungsrecht, wäh198

Wolff, Grundsätze, § 710. Wolff, Jus naturae V, § 1459. 200 Wolff, Jus naturae V, § 1500. 201 Wolff, Jus naturae V, § 1448. 202 Wolff, Jus naturae V, § 1447: „Ususfructus constitui potest vel pure ac simpliciter, vel sub conditione resolutiva, vel ad certum diem, vel alternis annis aut mensibus, vel sub modo, vel cum onere, vel sine onere, vel in re indivisa pro parte, vel in divisa parte“. 203 Einzelheiten bei Wolff, Jus naturae V, §§ 1434 ff. 204 Wolff, Jus naturae V, § 1449. 205 Vgl. Wolff, Jus naturae V, § 1516. 206 Wolff, Jus naturae V, § 1522, und Grundsätze, § 721. 199

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rend das ius decimarum einen bestimmten Anteil der Früchte erfaßt.207 Kein ususfructus minus plenus ist für Wolff aber ein widerruflicher Nießbrauch, weil bis zum Widerruf dem Nießbraucher das uneingeschränkte Nutzungsrecht gebührt.208 Der Nießbrauch vermittelt im Regelfall das Recht, die Sache nach Belieben zu gebrauchen und zu nutzen.209 Hat der Eigentümer keine Beschränkung vorgenommen, darf der Nießbraucher allen Nutzen ziehen, der ohne Eingriff in die Sachsubstanz möglich ist.210 Diese der ususfructus-Definition entsprechende Beschreibung der Berechtigung des Nießbrauchers ist aber wegen der Möglichkeit abweichender Ausgestaltung durch den Eigentümer nur eine Auslegungsregel: Soweit nichts anderes vereinbart wurde, ist ein Nießbraucher zu jedem unter Erhaltung der Sachsubstanz möglichen Gebrauch und Nutzen berechtigt. Mit Perzeption erwerbe der Nießbraucher das Eigentum an den Früchten. Daher stehe ihm das Recht zu deren Ernte zu.211 Gebraucht der Nießbraucher die Sache anders als vereinbart, oder schädigt er sie schuldhaft, kann ihn der Eigentümer zur Einhaltung seiner Pflichten zwingen.212 Es sei zwar nicht von Naturrechts wegen geboten, daß bei Pflichtverstößen der Nießbrauch ende; doch könne dies das ius civile als Sanktion zur Vollstreckung der Pflicht des Nießbrauchers zur Einhaltung des Vereinbarten vorsehen.213 Weil das ius utendi fruendi auf den Nießbraucher übergeht214 und auch an res incorporales Eigentum besteht215, ist der Usufruktuar Eigentümer des Nutzungsrechts.216 Daher kann er darüber, sofern nicht vom (Sach-)Eigentümer untersagt, frei disponieren217 und z. B. für die Dauer des Nießbrauchs218 die Nutzung einem anderen (un-)entgeltlich überlassen219 oder 207

Vgl. Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 44, §§ 3, 4, Tit. 45, § 1. Wolff, Jus naturae V, § 1450. 209 Wolff, Jus naturae V, § 1421. 210 Wolff, Jus naturae V, § 1423. 211 Wolff, Jus naturae V, §§ 1424, 1467. 212 Wolff, Jus naturae V, § 1506: „Dominus fructuarium cogere potest, ne re aliter utatur, quam ipsi fuit concessum, & ne negligentia vel culpa sua eam reddat deteriorem“. 213 Wolff, Jus naturae V, § 1506: „Naturale non est, ut fructuarius jus suum amittat, usu contrario ei, qui ipsi fuerat concessus a conferente, vel ob rei deteriorationem; sed poenale, quod civiliter constitui potuit per modum executionis juris coactivi, ne re aliter utatur, aut culpa sua reddat deteriorem: id quod uberius explicare non est hujus loci“. 214 Wolff, Jus naturae V, § 1445. 215 Wolff, Grundsätze, § 206. – Vgl. auch Wesenberg/Wesener, S. 148. 216 Wolff, Jus naturae V, § 1445. 217 Wolff, Jus naturae V, § 1456: „Usufructuarius de jure utendi fruendi pro arbitrio suo disponere potest, nisi quatenus proprietate prohibetur“. 208

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2. Teil: Der Nießbrauch im Naturrecht

verpfänden.220 Nicht erforderlich für den Fortbestand des Nießbrauchs ist, daß der Nießbraucher von seinem Recht tatsächlich Gebrauch macht oder einen Ertrag daraus zieht; folglich erwähnt Wolff den Untergangsgrund eines non usus nicht. Als Eigentümer des Fruchtziehungsrechts muß der Nießbraucher aber alle ordentlichen und außerordentlichen Lasten der Sache tragen221, „die in Ansehung der Früchte und Einkünfte abgetragen werden müssen“.222 Soweit außerordentliche Lasten den Umfang der Früchte übersteigen, hat diese der (Sach-) Eigentümer zu bezahlen, weil es nicht mehr der ratio fructuum entspreche, daß ein Usufruktuar auch die seinen Ertrag übersteigenden Lasten trage.223 Im übrigen könne er auch gegen den Willen des Eigentümers den Nießbrauch aufgeben. Das Nutzungsrecht erwerbe niemand; es werde aber auch nicht herrenlos, weil die Gebrauchsund Nutzungsbefugnis des Eigentümers nur insoweit verdrängt gewesen sei, als sie dem Nießbraucher zugestanden hat.224 Den Nießbrauch sieht Wolff im Einklang mit den gemeinrechtlichen Juristen als Personalservitut225 und somit als ius in re aliena an.226 Nach Naturrecht erwerbe man ein ius in re aliena aufgrund bloßer Erklärung des Eigentümers und deren Annahme durch den Berechtigten, doch könne das positive Recht zusätzlich für die Bestellung des Nießbrauchs eine traditio der Sache verlangen.227 Auch wenn damit dem Usufruktuar die nutznießliche Sache zu übergeben sei, erhalte er mangels Eigenbesitzwillens keinen (Eigen-)Besitz an der Sache228, doch sei mit dem Eigentum an der Dienst218

Wolff, Jus naturae V, §§ 1457 a. E., 1462. Wolff, Jus naturae V, § 1457. 220 Wolff, Jus naturae V, § 1461. 221 Wolff, Jus naturae V, § 1474. 222 Wolff, Grundsätze, § 717. 223 Wolff, Jus naturae V, § 1475. 224 Wolff, Jus natuare V, § 1477. 225 Wolff, Jus naturae V, § 1420: „Ususfructus est servitus personalis“. 226 Wolff, Jus naturae V, § 1421. 227 Wolff, Jus naturae V, § 1454: „Naturaliter jus in re aliena statim acquiris, quam primum dominus sufficienter declarat, tibi hoc jus competere debere & tu hoc acceptas (. . .). Atque tum eundem tibi non obligatum habes ad usumfructum constituendum, sed ad rem, in qua jam constitutus est, tradendum (. . .), ut nimirum acquiras possessionem (. . .). Cum ex verbis domini statuendum sit, quid actum fuerit (. . .); ea probe perpendenda, ne promissio cum ipsa constitutione confundatur, cum constitutio & promissio diversos prorsus habeant effectus. Atque hinc petenda est ratio, cur jure positivo praecipi possit, ne ante ususfructus intelligatur constitutus, quam re utenda fruenda tradita, prouti suo loco clarius elucescet“. – Zur gleichgelagerten Frage der Kollision eines Eigentumserwerbs nach Naturrecht und positivem Recht Wesener, Zur naturrechtlichen Lehre vom Eigentumserwerb, S. 441 f. (zu Wolff), und J. Schröder, Naturrecht und positives Recht, S. 130. 228 Wolff, Jus naturae V, § 1444. 219

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barkeit der (Eigen-)Besitz derselben verbunden.229 Mit Nießbrauch und Eigentum stehen sich damit an einer Sache zwei Rechte gegenüber, die jeweils so auszuüben sind, daß das andere nicht beeinträchtigt wird.230 Daher darf der Eigentümer die Sache nicht so verändern, daß sie zum Gebrauch nicht mehr gleich geeignet ist.231 Andererseits hat der Usufruktuar bei Ende des Nießbrauchs die Sache möglichst ungeschmälert und zu dem Gebrauch geeignet, zu welchem sie ihm bei Beginn des Nießbrauchs übergeben worden war, an den Eigentümer zurückzugeben.232 Er darf daher die Sache grundsätzlich nur mit Zustimmung des Eigentümers verändern, selbst wenn ein größerer Nutzen erzielt werden kann.233 Dabei geht es Wolff weniger um die Erhaltung der Sachsubstanz als vielmehr darum, daß der Eigentümer, wenn er auch das Nutzungsrecht an seiner Sache wieder bekommt, diese seinem Interesse gemäß gebrauchen und nutzen kann. So sind Veränderungen der Sache ausnahmsweise auch ohne Konsens des Eigentümers zulässig, wenn kein Grund ersichtlich ist, warum der Eigentümer mit der Veränderung nicht einverstanden sein soll; dann könne man „die Zustimmung leicht vermuten“.234 In den Mittelpunkt rückt damit auch für die Rechtsbeziehungen bei bestehendem Nießbrauch die Vereinbarung über die Nutzung der Sache. Da eine Nutzung nach Untergang der Sache nicht mehr möglich ist, endet damit der Nießbrauch235, selbst wenn sie wiederhergestellt wird236; gleiches soll gelten, wenn die Sache so verändert ist, daß sie zum vereinbarten Gebrauch nicht mehr geeignet ist.237 Das Risiko zufälligen Untergangs trägt der Eigentümer238, doch muß der Nießbraucher allen Schaden von der Sache abwenden und bei Verschulden Schadensersatz leisten.239 Dies begrün229

Wolff, Jus naturae V, § 1446. Wolff, Jus naturae V, § 1488: „Usufructu constituto duo in eadem re jus habent, nimirum proprietarius & frcutuarius, ac utriusque jus diversum est a jure alterius (. . .). Quilibet jure suo ita uti debet, ne quid fiat, quod est contra jus alterius“. 231 Wolff, Jus naturae V, § 1489. 232 Wolff, Jus naturae V, § 1492: „Finito usufructu res restituenda minime deteriorata & ad eum usum apta, ad quem apta erat, cum ususfructus in ea constitueretur“. 233 Wolff, Jus naturae V, § 1488: „Si proprietarius consentit, ut usufrcutuarius rem fructuariam ad majorem commoditatem, vel utilitatem aptet, hoc facere licet, & tum standum est eo, quod tam ratione immutationis quam sumtuum in eam impendendorum convenitur“. 234 Wolff, Jus naturae V, § 1490. 235 Wolff, Jus naturae V, § 1502. 236 Wolff, Grundsätze, § 718. 237 Wolff, Jus naturae V, § 1503. 238 Wolff, Jus naturae V, § 1473: „Enimvero res ipsa, in qua ususfructus constitutus, proprietarii est (. . .). Quodsi ergo in ea casus contingit, is ad proprietarium spectare debet“. 230

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2. Teil: Der Nießbrauch im Naturrecht

det Wolff mit den naturrechtlichen Grundsätzen, daß man niemals einen anderen schädigen darf, sondern vielmehr, soweit möglich, Schaden von einem anderen abwenden bzw. durch eigenes Verschulden240 eingetretene Schäden ersetzen muß.241 In der allgemeinen Schadensabwendungspflicht wird Wolffs soziale Pflichtenethik deutlich; eine in solcher Weite sonst nur als moralisches Gebot aufgefaßte Hilfspflicht ist für ihn eine Rechtspflicht des Nießbrauchers.242 Damit relativiert sich auch die oben erwähnte Verneinung des non usus als Untergangsgrund. Zwar folgt aus dem Gebrauchsrecht des Nießbrauchers noch keine Pflicht zum Gebrauch gegenüber dem Eigentümer243; sofern aber durch den Nichtgebrauch der Sache ein Schaden droht, ist der Nießbraucher aufgrund seiner Schadensabwendungspflicht zum Gebrauch gehalten. Ist der Nießbraucher deswegen häufig zum Gebrauch verpflichtet, kann es für Wolff nicht auf den Ablauf bestimmter Fristen ankommen; so daß der non usus seinen noch bei Grotius244 engen Bezug zur Verjährung verliert. Dient die Schädigung des Eigentümers durch den Nichtgebrauch bei Pufendorf lediglich als Begründung für den non usus als Untergangsgrund245, kommt es für Wolff allein auf mögliche Schäden an. Allerdings will Wolff dem Nießbraucher Eingriffe in die Sachsubstanz nicht generell verbieten. Grundlage muß aber eine entsprechende Vereinbarung der Parteien sein. Beeinträchtigungen des Gebrauchs- und Nutzungsrechts kann der Eigentümer danach ebenso mit Zustimmung des Nießbrauchers vornehmen, wie dieser Veränderungen der Sache, wenn jener damit einverstanden ist. Beherrschend ist damit auch im Nießbrauchsrecht der Grundsatz „pacta sunt servanda“.246 Mit Konstituierung eines Nießbrauchs einigen sich Eigentümer und Nießbraucher im Regelfall darauf, daß diesem 239 Wolff, Jus naturae V, § 1483: „Usufructuarius omne damnum a proprietario avertere & sua culpa datum resarcire tenetur“. 240 Nach Naturrecht sei dafür nicht zwischen verschiedenen Verschuldensgraden zu unterscheiden (Wolff, Jus naturae V, § 1483: „In Jure naturae sufficit culpa sua datum esse damnum, adeoque non distinguendum est inter gradus culpa“). 241 Wolff, Jus naturae V, § 1483: „Etenim nemo alteri damnum dare, sed unusqusique potius, quantum in se est, damnum omne ab altero avertere debet (. . .), & damnum omne sua culpa datum alteri resarciendum (. . .)“. – Zum Gebot des „alterum non laedere“ im Naturrecht Schiemann, JuS 1989, 345, 348 f. 242 Vgl. Luig, Natürliches Privatrecht, S. 118 f. 243 Wolff definiert „Pflicht“ als nach dem Naturgesetz bestimmte Handlung, während von einem Gesetz erlaubte Handlungen keine Pflicht ergeben (Winiger, S. 194 ff.). 244 Vgl. Grotius, Inleidinge, Lib. II, Tit. 39, § 18, worin als einzige Voraussetzung des Untergangs durch non usus der Ablauf einer der erwerbenden Verjährung entsprechenden Frist genannt wird. 245 Pufendorf, De jure naturae, Lib. IV, Cap. IIX, § 7 (p. 563). 246 Vgl. Wolff, Jus naturae V, § 1488.

B. Der Nießbrauch im früheren Naturrecht

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eine Sache zu dem Nutzen, den sie derzeit hergibt, auf Lebenszeit überlassen werde. Alle Veränderungen der Nutzungsmöglichkeit – und seien sie noch so günstig – bedürfen deswegen des Konsenses beider Parteien, wenn dieser nicht ausnahmsweise vermutet werden kann. Vereinbart werden kann die Laufzeit des Nießbrauchs247, doch bewirkt dessen Charakter als Personalservitut248, daß er mit dem Tod des Nießbrauchers auch vor Ablauf der vereinbarten Zeit endet.249 Demgemäß werden durch die Vereinbarung eines Nießbrauchs für den Usufruktuar und nach dessen Tod für eine weitere Person zwei Nutznießungsrechte begründet, letzteres durch das Überleben der zweiten Person bedingt.250 Ein ab einem bestimmten Termin eingeräumter Nießbrauch erlischt mit dem Tod des Nießbrauchers, selbst wenn der Termin noch gar nicht eingetreten ist.251 Das Fruchtziehungsrecht endet spätestens mit dem Tod des Nießbrauchers, so daß hängende Früchte automatisch dem Eigentümer zufallen.252 Doch gelte dies uneingeschränkt nur für fructus naturales, die vom nutznießlichen Gegenstand selbst hervorgebracht worden sind; fructus industriales – „nicht weniger Früchte des Fleißes, als des Grund und Bodens“253 – sind zwischen Eigentümer und Nießbraucher nach dem Verhältnis von Grund und Boden zu „Arbeit und Bemühungen des Usufructuarii“ aufzuteilen.254 Damit bewegt sich Wolff zwischen römischem und sächsischem Recht. Noch nicht fällige bürgerliche Früchte sollen pro rata temporis aufgeteilt werden.255 Ausnahmsweise stehen diejenigen bürgerlichen Früchte erst mit ihrer Ziehung dem Nießbraucher zu256, „welche von einem Rechte in einer Sache (jure in re) herrühren, z. E. die Zehenden“.257 Damit überträgt Wolff das Kriterium eines persönlichen Einflusses des Nießbrauchers auch auf fructus civiles: Während solche im Regelfall durch entgeltliche Überlassung der nutznießlichen Sache vom Nießbraucher erzielt werden, kann dieser als Nichteigentümer der Sache keine iura in re auferlegen und daher auch nicht Erträge daraus bewirken. 247

Wolff, Jus naturae V, § 1494. Dazu allgem. Wolff, Jus naturae V, § 1270. 249 Wolff, Jus naturae V, § 1495. 250 Wolff, Jus naturae V, §§ 1496–1498; möglich ist gemäß § 1498 auch die Einräumung eines Nießbrauchs an die dem ersten Nießbraucher nächstverwandte Person. 251 Wolff, Jus naturae V, § 1501. 252 Wolff, Jus naturae V, § 1467. 253 Wolff, Grundsätze, § 715. 254 Wolff, Jus naturae V, § 1469, und Grundsätze, § 715. 255 Wolff, Jus naturae V, §§ 1470 f. 256 Wolff, Jus naturae V, § 1472. 257 Wolff, Grundsätze, § 715. 248

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2. Teil: Der Nießbrauch im Naturrecht

3. Gegenstände eines Nießbrauchs Ein echter Nießbrauch ist für Wolff an allen körperlichen und unkörperlichen Sachen wie auch am Vermögen als solchem möglich258, sofern diese ohne Angriff auf ihre Integrität genutzt werden können.259 An verbrauchbaren Sachen ist ein quasi ususfructus möglich – als „dem Nießbrauch ähnliches Recht“260 gleichfalls eine Personalservitut261 –, bei welchem das Eigentum und damit die Gefahr zufälligen Untergangs auf den Quasi-Usufruktuar übergehen.262 Zu den verbrauchbaren Sachen zählt Wolff auch Forderungen, die als res incorporales consumtibiles mit Bezahlung erlöschen, und Kleider; an Festgewändern sei wegen deren seltenen Gebrauchs aber auch ein echter Nießbrauch möglich.263 Wolff begründet diese Ansicht nicht näher; da es ihm aber entscheidend auf die unveränderte Brauchbarkeit der Sache nach Ende des Nießbrauchs ankommt, die bei Alltagskleidern jedenfalls fraglich ist, ist seine Unterteilung konsequent. Daß die Kleider nicht bei ihrem Gebrauch verbraucht werden, ist demgegenüber zweitrangig. Umfänglicher handelt Wolff „Von zweifelhaften Sachen, ob sie unter dem Nießbrauch begriffen sind“264, womit Steinbrüche und Erzgruben sowie Bäume bzw. Wälder gemeint sind.265 Wesentlich ist für Wolff, ob Metall, Erz oder Holz in kurzer Zeit nachwachsen. Daher verneint er ein Fruchtziehungsrecht bezüglich der Metalle und Erze266, weil diese keine Früchte des Bodens, sondern Bestandteile von dessen Substanz seien267, bejaht es aber hinsichtlich des Niederholzes und der Früchte eines Baumes.268 Ob etwas als Frucht des nutznießlichen Gegenstandes oder als Teil von dessen Substanz anzusehen ist, richte sich allgemein danach, ob die Sache nach Entzug einer Nutzung noch dieselbe oder in ihrer Substanz beschädigt sei.269 Ist daher ein Wald ohne Niederholz Gegenstand des Nießbrauchs, kommt es darauf an, ob Bäume gewöhnlich gefällt werden; in diesem Umfang steht dann auch dem Nießbraucher ein Fruchtziehungsrecht zu, während der Windbruch dem Eigentümer zufällt. Dieser kann die umgefallenen 258 259 260 261 262 263 264 265 266 267 268 269

Vgl. Wolff, Jus naturae V, § 1451. Wolff, Jus naturae V, § 1432. Wolff, Grundsätze, § 719. Wolff, Jus naturae V, § 1511. Wolff, Jus naturae V, §§ 1511 ff. Wolff, Jus naturae V, § 1511 a. E. So die Randbemerkung zu § 714 der „Grundsätze“. Wolff, Grundsätze, § 714. Wolff, Grundsätze, § 714. Wolff, Jus naturae V, § 1425. Wolff, Jus naturae V, § 1427, und Grundsätze, § 714. Wolff, Jus naturae V, § 1425.

B. Der Nießbrauch im früheren Naturrecht

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Stämme aber dem Nießbraucher als Ersatz für die gewöhnlich zu fällenden Bäume anbieten. Der Nießbraucher muß dies akzeptieren.270 Würde ihm der Windbruch zusätzlich zu den üblicherweise geschlagenen Stämmen zustehen, erweiterte der Zufall die Fruchtziehung über das eingeräumte Maß hinaus.271 Das zeigt wieder, daß es Wolff für Entstehung, Inhalt und Umfang eines Nießbrauchs maßgeblich auf den Willen des Eigentümers ankommt. Gewährt dieser einen bestimmten Holzeinschlag, soll der Wald darüber hinaus – insoweit bildet er die Sachsubstanz – erhalten bleiben. Die Pflicht des Nießbrauchers, den Windbruch als Früchte zu akzeptieren, ist dann Ausfluß des allgemeinen Schadensabwendungsgebots, weil mit dem Fällen weiterer Bäume die Substanz des Waldes gegenüber dem Normalzustand vermindert würde. In ähnlicher Weise behandelt Wolff den Nießbrauch an einer Herde. Anders als Pufendorf erkennt er Sachgesamtheiten als mögliche Gegenstände eines Nutzungsrechts an. Weil es auch hier um eine vom Eigentümer zu leidende Beschränkung seiner Rechtsposition an der Herde geht, muß deren Substanz bei Beendigung des Nießbrauchs noch vorhanden sein. Maßgebliches Kriterium ist bei einer Herde die Zahl der Tiere, die der Nießbraucher zu erhalten hat.272 Über einzelne Tiere darf er frei verfügen273; es muß nur „an statt des verreckten Viehes, oder des verkauften, anderes angeschafft“ werden.274 Wolff, der den Foetus als Frucht eines Tieres bezeichnet275, sagt jedoch nicht, was zu den Früchten einer Herde gehören soll. Da sich das Verfügungsrecht auch auf zu Beginn des Nießbrauchs zur Herde zählende Tiere276 erstreckt, zählt letztlich auch der Erlös für deren Verkauf zu den Früchten der Herde. Für den echten und uneigentlichen Nießbrauch zusammen behandelt Wolff die Kautionspflicht des Nießbrauchers.277 In § 720 der „Grundsätze“ heißt es: 270

Wolff, Grundsätze, § 714. Wolff, Jus naturae V, § 1430: „Quodsi ergo arbores vi ventorum dejiciuntur, cum casus in eum jus conferre non potuerit, quod a servitutis constitutione minime habet“. 272 Wolff, Jus naturae V, § 1465. 273 Wolff, Jus naturae V, § 1466: „de singulis capitibus pro arbitrio suo disponere potest, modo in eorum locum substituat alia ejusdem bonitatis“. 274 Wolff, Grundsätze, § 715. 275 Vgl. Wolff, Jus naturae V, § 1425. 276 Vgl. Wolff, Jus naturae V, § 1465: „Si ususfructus in grege constituitur, in locum pecudum demortuarum, vel alienatarum alia capita substituere debet, seu eundem capitum numerum conservare tenetur usufructuarius“. Hier werden also die Fälle des Versterbens und der Veräußerung von Herdentieren gleichgesetzt, was sich wohl auf solche Tiere bezogen haben wird, die zu Beginn des Nießbrauchs Teil der Herde sind. 271

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2. Teil: Der Nießbrauch im Naturrecht

„Da zur Sicherheit einer Schuld die Bürgschaft . . . und die Verpfändung zu einer jeden verbindlichen Handlung hinzukommen kann . . .; so ist, wofern zu befürchten, es möchte nach geendigtem Quasiusufructu der Quasiusufructuarius die Sache nicht wiedergeben, oder auch der Usufructuarius nicht leisten können, wovor er nach geendetem Nießbrauche dem Eigenthümer haften muß, ein jeder von beyden entweder durch Bürgen, oder eine Hypotheck eine Caution zu machen schuldig.“

Die Kautionspflicht resultiert damit weniger aus dem Nießbrauch als vielmehr aus der allgemeinen Möglichkeit, bei Gefährdung von Gläubigerinteressen den Schuldner zur Sicherheitsleistung für seine Verbindlichkeit zu verpflichten. Auch sie wurzelt damit in der Vereinbarung zwischen Eigentümer und Nießbraucher und entsteht folglich nicht automatisch mit Bestellung des Nießbrauchs; zusätzlich ist eine Gefährdung der Eigentümerinteressen erforderlich, die eher bei einem quasi ususfructus als bei einen echten Nießbrauch gegeben sein soll.278 Damit erinnert die Konzeption von Wolff an Konstellationen, in denen gemein- oder partikularrechtlich der Nießbraucher keiner Kautionspflicht unterliegt, es sei denn, anderenfalls sei z. B. das Kindesvermögen gefährdet. Ist der Nießbraucher zur Sicherheitsleistung nicht in der Lage, soll die Sache zuerst dem Eigentümer und dann einem Dritten, der die Kaution stellen kann, überlassen werden; das dafür zu entrichtende Entgelt tritt an die Stelle der Sache.279

§ 5 Gemeinsamkeiten und Unterschiede Die inhaltlichen Abweichungen des natürlichen vom gemeinen Nießbrauchsrecht sind gering. Neuartig ist vor allem die naturrechtliche Systematisierung des Rechtsstoffes. Die Werke der Vertreter des früheren Naturrechts beginnen regelmäßig mit dem Naturzustand des Menschen, um daraus einzelne Rechtssätze für das Miteinanderleben in einer Gesellschaft abzuleiten. Bei Wolff findet sich schließlich für jeden konkreten Rechtssatz ein Deduktionszusammenhang, der diesen aus allgemeineren Prinzipien des Naturrechts ableitet.280 Damit lösen sich die frühneuzeitlichen Naturrechtler weitgehend vom überkommenen Institutionenschema persona-resactiones.281

277

Wolff, Jus naturae V, §§ 1514 f., und Grundsätze, § 720. Vgl. Wolff, Jus naturae V, § 1514: „Facile apparet, cautione magis opus esse in quasi usufructu, quam in usufructu, ita ut in casu priori semper exigi, nisi quis velit fidem quasi fructuarii sequi“. 279 Wolff, Jus naturae V, § 1515, und Grundsätze, § 720. 280 Vgl. Link, Aufgeklärtes Naturrecht, S. 39. 281 Vgl. Link, Aufgeklärtes Naturrecht, S. 39 f. 278

B. Der Nießbrauch im früheren Naturrecht

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I. Systematik und Inhalt des Nießbrauchsrechts im früheren Naturrecht Die Darstellung des Nießbrauchs beginnt im früheren Naturrecht regelmäßig mit einem Hinweis auf die daraus resultierende Einschränkung der naturgegebenen Nutzungsfreiheit des Eigentümers. Beschreiben die Juristen des usus modernus den Nießbrauch als solchen, geht es für die Naturrechtler zunächst um den Umfang der vom Eigentümer zu duldenden Beschränkung seiner uneingeschränkten Berechtigung. Die Rechtsstellung des Nießbrauchers ist Resultat dieser Duldungspflicht und bemißt sich folglich nach deren Umfang. Der Nießbraucher darf nichts anderes mit der Sache machen, als der Eigentümer dulden muß. Hält sich der Nießbraucher in diesem Rahmen, verletzt er damit niemanden.282 Dieser Wechsel des Blickwinkels hat zur Folge, daß der Nießbrauch in engem Zusammenhang mit anderen das Eigentum beschränkenden Rechten, wie z. B. dem Pfandrecht, erscheint.283 Keinen Platz gibt es dagegen für die Figur eines ususfructus causalis, weil das umfassende Gebrauchs- und Nutzungsrecht des Eigentümers bereits zu dessen natürlicher Freiheit in Bezug auf den Umgang mit seiner Sache gehört.284 Neben dem ius utendi fruendi steht ihm das ius abutendi zu285, welches ihn zu Eingriffen in die Sachsubstanz bis hin zu deren vollkommener Vernichtung berechtigt.286 Diese ursprüngliche Nutzungsfreiheit berechtigt den Eigentümer auch zur Ziehung und Aneignung der Früchte. Da mit der Übertragung des Nutzungsrechts das Fruchtziehungs- und -aneignungsrecht auf den Nießbraucher übergeht, der Eigentumserwerb an den Früchten aber ein originärer ist, findet sich auch der Nießbrauch als Rechtsgrund für den Fruchterwerb bei den originären Erwerbsgründen wieder. Kraft seines Eigentums kann der Eigentümer das Recht auf jede daraus resultierende Handlung und damit auch das Gebrauchs- und Nutzungsrecht einem anderen einräumen.287 Seine Nutzungsbefugnis ruht, solange und soweit sie einem anderen übertragen ist. Ihm verbleibt ein dominium minus plenum.288 Mit dem Ende des Nießbrauchs lebt die suspendierte Nutzungs282

Vgl. Darjes, Natur- und Völkerrecht, S. 631. Z. B. auch von Darjes, Natur- und Völkerrecht, S. 637 ff. 284 Daß es sich dabei vorrangig um eine Konsequenz der „umgedrehten“ Darstellung des Nießbrauchs als Einschränkung des Eigentums handelt, erhellen die Schaubilder bei Darjes, Natur- und Völkerrecht, S. 648 f.: Ausgehend vom Verfügungsrecht des Eigentümers spielt der ususfructus causalis keine Rolle, während bei den Erwerbsgründen eines Nutzungsrechts ususfructus causalis und ususfructus formalis einander gegenüberstehen. 285 Achenwall/Pütter, Anfangsgründe, § 319. 286 Vgl. Darjes, Natur- und Völkerrecht, S. 632, 637. 287 Vgl. Achenwall/Pütter, Anfangsgründe, § 322. 283

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2. Teil: Der Nießbrauch im Naturrecht

berechtigung des Eigentümers wieder auf, ohne daß es eines Rückerwerbs bedarf. Damit ist eine (wohl) endgültige Absage an die Vorstellung verbunden, volles Eigentum bestehe aus nuda proprietas und ususfructus. Auch der von gemeinrechtlichen Juristen zur Begründung eines ususfructus causalis teilweise angeführten Grundsatz „nemo plus iuris transferre potest, quam ipse habet“ ist für die Vertreter des Naturrechts insoweit ohne Bedeutung; es geht für sie bei der Einräumung eines Nießbrauchs nicht darum, daß der Eigentümer Inhaber des ususfructus (causalis) sein muß, um diesen als ususfructus (formalis) einem anderen auftragen zu können, weil er bereits aufgrund seines Eigentums über die Sache und alle Rechte daran verfügen kann. Entscheidend ist im Naturrecht das subjektive Recht des Nießbrauchers auf Gebrauch und Nutzen einer fremden Sache, mit der die erwähnte Duldungspflicht des Eigentümers korrespondiert. Es geht mithin um das ius utendi fruendi, dessen Übertragung den Berechtigten einen Nießbrauch vermittelt, nicht dagegen um die Übertragung des „ususfructus“ als solchen.289 Solange der Nießbraucher das Gebrauchs- und Nutzungsrecht inne hat, steht ihm daran – nicht am nutznießlichen Gegenstand – Eigentum und Eigenbesitz zu, so daß er grundsätzlich über die ihm zustehende Befugnis frei verfügen kann. Aus der Duldungspflicht des Eigentümers folgern einige Naturrechtler, daß ein Nießbrauch nicht gegen seinen Willen entstehen kann, und lehnen daher gesetzliche Nutznießungsrechte ab. Ein Nießbrauch bedürfe immer der Konstituierung durch den Eigentümer; eine Bestellung durch einen Nichteigentümer sei nichtig. Allerdings heißt das nicht, daß nur bei einer entsprechenden Willensäußerung des Eigentümers ein Nutzungsrecht entstehen kann. Vielmehr soll in einigen Konstellationen die Konstituierung des Nießbrauchs durch den Eigentümer vermutet werden, so daß er – will er 288 Vgl. z. B. Grotius, De iure belli ac pacis, Lib. I, Cap. 1, § 4; Achenwall/Pütter, Anfangsgründe, § 326. 289 Allerdings heißt es bei Wolff, Jus naturae II, § 136: „Dominium continet & proprietatem, & jus utendi, & jus fruendi“; und der Übergang des „jus utendi“ auf den Mieter begründet für ihn, Jus naturae IV, § 1225, den Grundsatz „Kauf bricht nicht Miete“. Im Mittelpunkt steht dabei für Wolff, daß der Vermieter aufgrund des Mietvertrages verpflichtet ist, dem Mieter das Gebrauchsrecht an der Sache für den vereinbarten Zeitraum zu gewähren (Jus naturae IV, § 1198) und er deswegen kein Recht habe, dem Mieter den vertragsgemäßen Gebrauch wieder zu entziehen, es sei denn, im Mietvertrag sei eine entsprechende Bedingung enthalten. Daß die Pflicht zur Vertragstreue des Vermieters das tragende Argument für den genannten Grundsatz darstellt, zeigt nicht nur dessen Disponibilität, sondern auch die Gleichsetzung des Verkaufs der Sache mit einer Rückforderung des Gebrauchsrechts wegen Eigenbedarfs des Vermieters und schließlich die Zulassung eines Verkaufs oder einer Rückforderung wegen Eigenbedarfs, wenn der Vermieter seiner Vertragspflicht durch die Überlassung des Gebrauchsrechts an einer gleichwertigen Sache genügt (Jus naturae IV, § 1226).

B. Der Nießbrauch im früheren Naturrecht

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kein Nutzungsrecht an seiner Sache akzeptieren – dies ausdrücklich erklären muß. Eine solche Vermutung zugunsten der Einräumung eines Nießbrauchs nimmt z. B. Wolff aufgrund entsprechender Gewohnheit gerade in den Fällen an, in denen gemein- oder partikularrechtlich gesetzliche Nutzungsrechte bestehen. Die dem Nießbrauch im Naturrecht hier zugrunde liegende Vorstellung einer conventio ficta zwischen Eigentümer und Nutznießer nähert die Rechtslage dem gesetzlichen Nießbrauch im usus modernus in weitem Umfange an. In diese Richtung weist auch Pufendorfs Bejahung eines gesetzlichen Nießbrauchs des Vaters als Ausgleich für die ihm obliegende Pflicht zur Erziehung und Ernährung des Kindes.290 Die diesem zugrunde liegende väterliche Gewalt gründet er auf Naturrecht und eine stillschweigenden Zustimmung der Kinder291, so daß mittelbar auch für ihn der gesetzliche Nießbrauch auf eine stillschweigende Übereinkunft zwischen Eigentümer und Nießbraucher zurückzuführen ist. Zumindest besteht kein wesentlicher Unterschied, wenn bei Pufendorf der Nießbrauch als gesetzliche Folge einer fiktiven Unterwerfung des Kindes entsteht, während Wolff eine stillschweigende Einräumung des Nutzungsrechtes durch das Kind annimmt.292 In beiden Fällen entsteht das väterliche Nutzungsrecht am Kindsvermögen wie auch im usus modernus letztlich ohne Zutun eines der Beteiligten. Nicht nur für die Begründung eines Nießbrauchs tritt der Konsens der Beteiligten in den Mittelpunkt. Auch während eines bestehenden Nießbrauchs richten sich die Rechte und Pflichten von Eigentümer und Nießbraucher nach deren Vereinbarung. Das natürliche Nießbrauchsrecht dient damit nur der Ergänzung bzw. liefert Auslegungsregeln für den Fall, daß darüber nichts vereinbart ist. Bedeutung gewinnt es vor allem bei gesetzlichen Nutznießungsrechten, soweit diese für zulässig erachtet werden, bzw. für einen Nießbrauch aufgrund einer conventio ficta. Nießbraucher wie Eigentümer haben darüber hinaus ihre Rechte jeweils nur so auszuüben, daß das Recht des anderen dadurch keinen Schaden nimmt. Zurückgehend auf Jean Domat wird daher auch die Konstituierung eines ius in re aliena (z. B. des Nießbrauchs) als Obligation im Sinne einer sittlich begründeten Menschenpflicht293 aufgefaßt294, die Eigentümer und Nießbraucher zu einem umfassenden und wechselseitigen Schuldverhältnis verbindet, das jeden zu allgemeiner Rücksichtnahme auf die Belange des anderen verpflichtet bis hin zu dem Gebot, von diesem möglichst jeden Schaden abzuwenden. 290

Vgl. Pufendorf, Über die Pflicht des Menschen, Buch 2, Kap. 3, § 5. Vgl. Pufendorf, Über die Pflicht des Menschen, Buch 2, Kap. 3, § 2. 292 Daß Wolff grundsätzlich Pufendorfs Theorie zur Begründung eines Vertragsverhältnisses zwischen Eltern und Kind fortführt, betont Schwab, S. 191. 293 Wieacker, Vertragliche Obligation, S. 18 ff.; Hattenhauer, Grundbegriffe, S. 89 ff.; Hartung, S. 27 ff. 294 Vgl. Stein, Systematisation, S. 125 f. 291

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2. Teil: Der Nießbrauch im Naturrecht

Keine Rolle spielen im Naturrecht die im usus modernus teilweise breit diskutierten Kontroversen über die Klassifizierung eines Nießbrauchs an bestimmten Gegenständen (z. B. Kleidern). Das liegt zum einen daran, daß es für die Naturrechtler nicht auf eine Konkordanz widersprüchlicher römischer Quellenstellen ankommt. Zum anderen ist es Folge des auf die Spitze getriebenen mos geometricus: Das so gewonnene System soll jede Kontroverse ausschließen, indem es für jeden Einzelfall eine konkrete Lösung angeben kann.295 Hinsichtlich der Rechtsfolgen weichen die naturrechtlich begründeten Ergebnisse kaum von denen im usus modernus ab, so daß auch auf dem Gebiet des Nießbrauchsrechts der dogmatische Ertrag des Naturrechts eher gering ist.296 Andererseits ist es für die Naturrechtler notwendig, daß der durch einen Nießbrauch belastete Eigentümer in die Beschränkung seiner Rechtsposition einwilligt. Dann ist es nur konsequent, wenn der Eigentümer auch den Umfang der zu duldenden Beschränkung bestimmen kann. Eine Folge sind die im gemeinen Recht nicht bekannten Institute eines ususfructus minus plenus bzw. usus minus plenus. Deren Anerkennung entspricht dem im Naturrecht zur vollen Geltung entwickelten Grundsatz der Vertragsfreiheit verbunden mit dem Gebot des pacta sunt servanda. Der Eigentümer darf über seine Sache und die ihm daran zustehenden Rechte nach Belieben verfügen.297 Hat er mit dem Nießbraucher die Übertragung des Nutzungsrechts nur in einem bestimmten Umfang vereinbart, sind daran beide gebunden. Anders als im deutschen ius commune ist damit nicht Ausgangspunkt für die Anwendung des Nießbrauchsrechts, ob dem Berechtigten das (vollständige) ius utendi fruendi eingeräumt worden ist. Selbst wenn es bei Wolff heißt, ein Nießbraucher dürfe allen unter Erhaltung der Sachintegrität möglichen Nutzen ziehen298, ist dies nur eine Auslegungsregel für den Fall, daß der Eigentümer bei der Konstituierung des Nießbrauchs keine näheren Bestimmungen getroffen hat. II. Einfluß des Naturrechts auf das Nießbrauchsrecht im usus modernus Der Einfluß des früheren Naturrechts auf den Nießbrauch im usus modernus ist gering. Das verwundert nicht, wenn man bedenkt, daß die naturrechtlich begründeten Rechtsfolgen nur selten vom römischen Recht abweichen. Ab Mitte des 17. Jahrhunderts finden sich einzelne Hinweise auf Na295 296 297 298

Vgl. Voppel, S. 223. So allgemein Voppel, S. 231. So auch Achenwall/Pütter, Anfangsgründe, §§ 321, 322. Wolff, Jus naturae V, § 1423.

B. Der Nießbrauch im früheren Naturrecht

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turrechtswerke. Kreittmayr nimmt z. B. gelegentlich auf Wolffs „Institutiones“ Bezug, doch überwiegen auf den Gebieten des Nießbrauchs-, Erb- und Familienrechts eindeutig Zitate bekannter Vertreter des usus modernus wie Lauterbach, Stryk und Leyser.299 Und in Bezug auf die Wolff-Zitate ist deren inhaltlicher Einfluß auf Kreittmayr und den CMBC zu relativieren; teilweise wird Wolff zu Aussagen herangezogen, die so gar nicht dessen Auffassungen von einem naturrechtlichen Nießbrauchsrecht entsprechen. Vor allem der Vorrang freier Vereinbarungen findet bei Kreittmayr keinen Niederschlag. Ist für Wolff in Ermangelung entsprechender Vereinbarung eine Kaution vom Nießbraucher erst bei Gefährdung der Sache zu fordern, nimmt Kreittmayr diese Stelle als Beleg dafür, daß eine Kautionspflicht (!) „auch in Jure Naturae guten Grund hat“300. Und kommt es Wolff für den Umfang des Nießbrauchs an einem Wald auf den Willen des Waldeigentümers an, zitiert Kreittmayr diese Stelle für die Zulässigkeit eines Holzschlags, „wenn solcher nur Forst-Ordnungsmäßig, mithin so vorgenommen wird, daß der Wald und Holzwachs noch in seinem Esse bleibt“301. Wolffs Orientierung am Willen des Eigentümers mutiert damit zu einer objektiven Substanzbestimmung eines Waldes. Häufiger sind Hinweise vor allem auf Grotius’ „De iure belli ac pacis“ in den einleitenden Kapiteln von Monographien. So heißt es in einer von Lauterbach präsidierten Tübinger Disputation aus dem Jahre 1655 über den Schatzerwerb, ein menschliches Gesetz könne nichts zulassen, was das Naturrecht verbiete, und umgekehrt nichts verbieten, was dieses gestatte302; die anklingende unmittelbare Geltung des Naturrechts wird aber sogleich relativiert, indem alle Regelungen über den Schatzerwerb als nicht naturrechtlich vorbestimmt eingestuft werden.303 Soweit auf älteres deutsches Recht z. B. hinsichtlich des Schatzerwerbes im Rhein verwiesen wird, deutet die dem Naturrecht zugewiesene Eingrenzungsfunktion für das positive Recht in Richtung einer Nichtrezeption naturrechtswidrigen römischen Rechts, wie sie ab Mitte des 17. Jahrhunderts häufiger angenommen wird.304 Eine weitergehende Wirkung des Naturrechts gegenüber dem positiven Recht hätte auch den Kollisionsregeln der Naturrechtler selbst widersprochen, die dem Gesetzesrecht Vorrang vor dem Naturrecht ein299

Vgl. Wesener, Kreittmayrs Zivilrechtskodex, S. 96 f. Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 889. 301 Kreittmayr, Anmerkungen II, S. 885. 302 Seiffart, De Thesauris, p. 3: „Quamvis autem lex humana nihil possit praecipere aut approbare, quod prohibet jus naturae; nihilque prohibere, quod naturalis praecipit ratio: naturalem tamen libertatem circumscribere, & vetare, quod naturaliter permittitur, potest“. 303 Seiffart, De Thesauris, p. 3 s. 304 Vgl. Voppel, S. 228. 300

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2. Teil: Der Nießbrauch im Naturrecht

räumen.305 Die aus naturrechtlicher Sicht problematische Vereinbarkeit eines gesetzlichen Nießbrauchs mit dem Naturrecht wird im usus modernus nicht erörtert. In einer anderen von Lauterbach präsidierten Disputation aus dem Jahre 1652 wird nur die umgekehrte Frage nach einem Nießbrauch (auch) aufgrund Naturrechts unter Hinweis auf Grotius verneint: causa efficiens des ususfructus paternus sei nie ein Gesetz der Natur, sondern eines der römischen Republik.306 Nur zwischen Rechtssubjekten, die keinem Gesetz unterworfen sind, entfaltet das Naturrecht unmittelbare Geltung.307 Da aber das römische Servitutenrecht inhaltlich auch von den Naturrechtlern weitgehend unangetastet bleibt, bildet es – nun nicht als positives Gesetz – nach Thomasius die Grundlage (auch) der völkerrechtlichen Verträge. III. Einfluß des Naturrechts auf die Gesetzgebung Die weitgehende Unverbindlichkeit des Naturrechts für Rechtsverhältnisse außerhalb des Völkerrechts legt nahe, daß das eigentliche Ziel der Naturrechtler eine ihrem System entsprechende Gesetzgebung sein muß. Doch trotz des Aufstiegs des Naturrechts zur vorherrschenden Richtung in der deutschen Rechtswissenschaft und den in diesem abzulesenden „Aufforderungen an den Gesetzgeber, die theoretischen Rechtsregeln in Gesetzesform zu bringen“308, gehen vom früheren Naturrecht „nur wenig Impulse zu einer Gesetzgebung“ aus.309 Kann man für die Zeit während und nach der Rezeption des römischen Rechts eine Vielzahl neuer bzw. reformierter Stadt- und Landrechte beobachten, ist die Zeit von 1625, dem Erscheinungsjahr von „De iure belli ac pacis“, bis Ende des 18. Jahrhunderts eher arm an privatrechtlicher Gesetzgebungstätigkeit.310 Dieser Mangel an Impulsen für eine Gesetzgebung auf dem Gebiet des Privatrechts wird vor allem damit begründet, daß das Naturrecht dieser Epoche zwar in seiner Systematik neuartig ist, die naturrechtlich abgeleiteten Rechtssätze aber weitgehend mit dem gemeinen Recht übereinstimmen.311 Damit habe ein Bedürfnis gefehlt, für die naturrechtlich gebotenen Regelungen eine gesetzliche Grundlage zu schaffen.312 305

Vgl. J. Schröder, Naturrecht und positives Recht, S. 130 ff.; ders., „Naturrecht bricht positives Recht“. 306 Pott, De Usufructu Paterno, p. 7: „Ejus itaque causa efficiens est lex, non naturae, sed Reipublicae Romanae“. 307 Vgl. Klippel, ZRG (GA) 101 (1984), 117, 131 ff., zum natürlichen Erbrecht. 308 Eckert, Gesetzesbegriff des ALR, S. 41. 309 Dilcher, JZ 1969, 1, 2. 310 Vgl. Laufs/K.-P. Schroeder, HRG II, Sp. 1527, 1533 f.

C. Der Nießbrauch bei Thibaut

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C. Der Nießbrauch bei Thibaut § 1 Einleitung Anton Friedrich Justus Thibaut (1772–1840)313 trat einerseits für ein „historisches Naturrecht“ ein314 und verwarf die „völlig ungeschichtliche Rechtsauffassung . . . der Vertreter des älteren Vernunftrechts“315 als Alternative zu einem „Deutschen National-Gesetzbuch“.316 Dabei ist er „zwar nicht zeitlich, jedoch der Sache nach noch der vorkritischen Vernunftrechtsepoche zuzurechnen“.317 Mit seinen „Versuchen über einzelne Theile der Theorie des Rechts“ sei er anderseits „über den Stil des Usus modernus pandectarum hinausgewachsen“; im Lehrbuch „System des PandektenRechts“ stelle er „das römische Recht neu als ein System dar, nun aber als das System des bürgerlichen Zeitalters“.318

§ 2 Die Systematik des Nießbrauchsrechts Als erste und „gewöhnlichste“ der persönlichen Dienstbarkeiten stellt Thibaut im „System des Pandekten-Rechts“ den Nießbrauch nach allgemeinen Regeln „Ueber Dienstbarkeiten“, deren Einteilung und die Realservituten dar. Die Kautionspflicht folgt als allen Personalservituten immanente Pflicht erst im Anschluß an usus, habitatio und opera servorum. Kapitel 311 Vgl. Luig, Das Privatrecht des ALR, S. 262: „In den romanistischen Materien tritt es [das ALR] an die Stelle des römischen Rechts. Da bietet es gleichsam die modernste Version des römischen Rechts“. 312 Vgl. Dilcher, JZ 1969, 1, 2. 313 Zu diesem Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft III/2, S. 69 ff.; Kleinheyer/Schröder, S. 420 ff. 314 Vgl. dazu z. B. Thibaut, Ueber die Nothwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts, S. 51 ff. – Vgl. auch Kiefner, ZRG (RA) 77 (1960), 304, 317 ff.; krit. dazu Kitzler, S. 32 ff. 315 Kiefner, ZRG (RA) 77 (1960), 304, 311. 316 Thibaut, Ueber die Nothwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts, S. 430: „Unsre Naturrechte sind nicht dazu geschaffen, den civilistischen Verstand aufzuschließen und groß zu bereichern; und wären sie auch ganz, was sie seyn sollten, so würden sie doch das Interesse für das Positive nicht heben“. 317 Vgl. Kiefner, ZRG (RA) 77 (1960), 304, 326 ff., 335 (Zitat). – Gegen die von Thieme, ZRG (GA) 56 (1936), 216, 241, postulierte weitgehende Bedeutungslosigkeit der Naturrechtssysteme der Kantianer wendet sich Klippel, Politische Freiheit, S. 189 Fn. 61, der Thibaut eher den Kantianern zurechnen will als die anderen von Thieme als Vertreter des späten Naturrechts Genannten, wie Feder, Reitemeier und Adolf Dietrich Weber; ähnlich bereits Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft III/2, S. 73. 318 So jeweils Hattenhauer, Europäische Rechtsgeschichte, Rdnr. 1645.

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2. Teil: Der Nießbrauch im Naturrecht

über Erwerb und Verlust von Dienstbarkeiten sowie die Rechtsmittel beschließen das Servitutenrecht. Damit lebt bei Thibaut der an den Begriffen des römischen Rechts orientierte Gedanke einer allgemeinen Servitutenlehre fort. Thibaut erörtert trotz fehlender praktischer Relevanz319 – wie die Juristen des usus modernus – auch die opera servorum, um für die opera animalium, „welche auch jetzt noch vorkommen können“, auf die Regeln für jene zu verweisen.320 Daß die Dienste eines Sklaven nach der französischen Revolution von einem „für die neuen Verhältnisse aufgeschlossenen . . . Gelehrten“321 Gegenstand der Darstellung einer Dienstbarkeit und ihrer Abgrenzung zu Nießbrauch und usus sind, während die praktisch relevanteren Dienste eines Tieres sowohl begrifflich als auch inhaltlich nur als Ergänzung angefügt werden, erscheint als ein Kuriosum auf dem Gebiet des frühneuzeitlichen Sachenrechts. Die Frage nach dem „usu receptum“ dieser operae servorum wird von Thibaut allenfalls implizit verneint, die Vereinbarkeit mit dem Naturrecht nicht erörtert. Im Gegensatz zur demonstrativen, geometrischen Methode322 schöpft Thibaut für das Nießbrauchsrecht aus der Tradition, grenzt sich dabei aber von der antiquarischen Herangehensweise der eleganten Jurisprudenz und der aufkommenden historischen Schule deutlich ab. Er orientiert sich im wesentlichen an den römischen Quellen, die er als in Deutschland rezipiert ansieht.323 Gelegentlich finden sich Hinweise auf statutarische Nutzungsrechte324, ohne daß auf Einzelheiten eingegangen wird. Thibaut definiert den Nießbrauch in fast wörtlicher Übersetzung der ususfructus-Definition als „das dingliche Recht an der Sache eines Andern, vermöge dessen man die Sache unbeschadet ihrer Substanz gebrauchen, und sich die Früchte derselben zueignen darf“.325 319

Vgl. Coing, Europäisches Privatrecht I, § 36 I. Thibaut, System des Pandekten-Rechts II, § 763. 321 Hattenhauer, Europäische Rechtsgeschichte, Rdnr. 1642. 322 Vgl. z. B. Thibaut, Ueber die Dienstbarkeit des Usus, S. 55: „Die Grenzen der Wortsbedeutungen lassen sich nicht aus Gründen deduciren, wie ein Satz der Geometrie“. 323 Vgl. Luig, Der Geltungsgrund des römischen Rechts, S. 819. 324 Z. B. Thibaut, System des Pandekten-Rechts II, § 767 a. E.: „Deutsche Statute enthalten oft noch mehr Beispiele“; in der zugehörigen Fußnote (g) verweist Thibaut nur auf Hellfelds „Iurisprudentia forensis“. – Nach Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft III/2, S. 70, unterwirft sich Thibaut einer „bewußt strengen Beschränkung auf denjenigen Teil des gemeinen Privatrechts, der auf dem römischen Recht beruht, mit der dadurch gewonnenen Möglichkeit, sich in dieses Gebiet mit wissenschaftlicher Gründlichkeit zu vertiefen“. 325 Thibaut, System des Pandekten-Rechts II, § 755, unter Hinweis auf de Castillo, Galvanus und Noodt (Fn. p). 320

C. Der Nießbrauch bei Thibaut

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I. Nießbrauch und dominium utile Daß der Nießbrauch dem Berechtigten kein dominium utile, sondern ein ius in re aliena vermittelt, entspricht usus modernus und älterem Naturrecht.326 Thibaut begründet dies in der für die Aufgabe der Lehre vom geteilten Eigentum bahnbrechenden327 Abhandlung „Ueber dominium directum und utile“ (1802)328 mittels einer an den römischen Quellen orientierten Deutung des Begriffs „dominium“. Damit sei bei den Römern im weiten Sinne jedes dingliche Recht gemeint, im engeren nur das Eigentum.329 Dominium utile liege nicht schon dann vor, wenn jemand „dominium“ in irgendeinem Sinne zustehe; auch das Vorliegen einer actio utilis sei weder ausreichend noch entscheidend. Thibaut spricht nur dann von dominium utile, wenn dem Berechtigten volles Eigentum zusteht, das im Unterschied zum dominium directum durch eine actio utilis geschützt ist.330 Dies trifft auf den Eigentumserwerb durch Ersitzung zu, aber weder auf den Nießbrauch noch auf die gemeinrechtlichen Beispiele für Nutzeigentum: Lehnsrecht, Superfizies und Emphyteuse.331 Thibauts Ansatz erinnert an Grotius, der – wenn auch unter einem weiten „dominum utile“-Begriff – alle dinglichen Rechte an einer Sache als Formen eines dominium minus plenum dem vollen Eigentum gegenüberstellt. II. Rechte und Pflichten des Nießbrauchers Das Nießbrauchsrecht bei Thibaut entspricht weitgehend dem späteren usus modernus, ohne dessen breite Kontroversen etwa über die Natur des Nießbrauchs an Kleidern – „nach Justinians Ansicht im Zweifel quasi in usufructu“332 – oder an Forderungen wiederzugeben.333 Den ususfructus nominum erwähnt er nur in einer Fußnote334 zur Zulässigkeit des Nießbrauchs 326

Thibaut, Ueber dominium directum und utile, S. 72. Olzen, JuS 1984, 328, 334; Kleinheyer/Schröder, S. 422; Hass, S. 51; einschränkend Krauss, S. 26 ff. 328 Hier ist die 2. Aufl. von 1817 zitiert. 329 Vgl. Thibaut, Ueber dominium directum und utile, S. 86 f. 330 Thibaut, Ueber dominium directum und utile, S. 88 ff. 331 Vgl. Thibaut, Ueber dominium directum und utile, S. 93 ff., der die Bezeichnung „dominium possessionis“ allerdings unter dem Eindruck hieran geübter Kritik von Savigny in der Neuaufl. von 1817 aufgegeben hat (S. 98 f.). – Zur Emphyteuse Thibaut, Ueber die Natur der Rechte des Emphyteuta. 332 Thibaut, System des Pandekten-Rechts II, § 756. 333 Im Zurücktreten der Kasuistik zugunsten von Quellenmäßigkeit und systematischer Einfügbarkeit unterscheidet sich Thibaut von früheren Parktikern (Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft III/2, S. 72). 334 Thibaut, System des Pandekten-Rechts II, § 756 Fn. q. 327

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2. Teil: Der Nießbrauch im Naturrecht

(auch) an unkörperlichen Sachen; neben verschiedenen Quellenstellen verweist er auf Glück, der daran einen quasi ususfructus annimmt335, doch erweckt der Standort der Fußnote unmittelbar nach Erwähnung des Nießbrauchs an unkörperlichen Sachen und vor dem „sogenannten QuasiUsusfructus verzehrbarer, und vertragsmäßig denselben gleichgesetzter Sachen“336 den Eindruck, Thibaut bejahe an Forderungen einen verus ususfructus. Dem Nießbraucher stehen der Gebrauch sowie alle natürlichen und bürgerlichen Früchte einer Sache und ihres Zubehörs zu; keine Früchte sind aber ein der Sache selbst zuwachsender Gewinn (z. B. Schatzfund), das Sklavenkind337 und der Bodenzuwachs.338 Eigentum an den natürlichen Früchten erwirbt der Nießbraucher mit Perzeption.339 Endet vorher der Nießbrauch, muß der Eigentümer nur die Saatkosten ersetzen.340 Bürgerliche Früchte, die den einem Dritten überlassenen Nutzen surrogieren, sind zu teilen; die übrigen stehen nur dann den Erben des Nießbrauchers anteilig zu, wenn sie während des Nießbrauchs fällig geworden sind.341 Der Nießbraucher darf „zum Zwecke des Nießbrauchs die Gestalt eines leeren Grundstücks auf eine vorteilhafte Art ändern . . ., und der Ernte wegen Gebäude errichten“, nicht aber Gebäude umgestalten oder begonnene fertigstellen, „es sei denn, daß er nichts als den Nießbrauch eines Gebäudes erhalten hätte, und dieses ohne Vollendung nutzlos sein sollte“.342 Den Unterschied zwischen einem Acker und einem Gebäude bzw. Lustgarten begründet Thibaut damit, daß die Form von letzteren in der Regel „Liebhabereyen“ seien, wobei „der Nutznießer seinen Geschmack dem Proprietar nicht aufdringen“ dürfe. Dagegen könne man für Ackerstücke, bei denen es regelmäßig nur auf den Ertrag ankomme, „im Zweifel immer auf die Zufriedenheit des Eigenthümers rechnen, wenn der Nutznießer den Ertrag nicht mindert, oder gar mehrt“.343 Anders als für Wolff ist der (mutmaßliche) Eigentümerwille für Thibaut allerdings kein allgemein den Umfang eines Nutzungsrechts bestimmendes Kriterium; sonst dürfte der Nießbraucher ein Gebäude auch dann vollenden, wenn der Plan des Eigentümers beibehalten wird (so z. B. I,21 §§ 61, 63 ALR). Daß das Gebäude der einzige nutzbringende Gegenstand sein muß, läßt sich vielmehr nur mit dem von 335 336 337 338 339 340 341 342 343

Glück, Pandecten IX, § 643 u. 644 (S. 408 ff.). Thibaut, System des Pandekten-Rechts II, § 756. Dazu näher Thibaut, Ueber die Römische Habitatio, S. 35 f. Thibaut, System des Pandekten-Rechts II, § 757. Thibaut, System des Pandekten-Rechts II, § 738. Thibaut, System des Pandekten-Rechts II, § 759. Thibaut, System des Pandekten-Rechts II, § 759. Thibaut, System des Pandekten-Rechts II, § 757. Thibaut, Ueber die Natur der Rechte des Emphyteuta, S. 269 Fn. 7.

C. Der Nießbrauch bei Thibaut

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Thibaut für alle Dienstbarkeiten aufgestellten Grundsatz begründen, daß der Eigentümer jedenfalls dasjenige gestatten muß, was ihre Ausübung erst möglich macht.344 Der Nießbraucher darf die Sachsubstanz nicht angreifen345 und hat „die Sache in ordentlichem Stande zu erhalten“, soweit die Aufwendungen nicht den Wert der Nutzungen übersteigen. Geschlagene Bäume und entnommene Herdentiere muß er substituieren346, ordentliche wie außerordentliche Lasten tragen. Für letztere kann er vom Eigentümer insoweit Ersatz verlangen, „als sie die Summe seines ganzen Gewinns übersteigen“.347 Den Nießbraucher trifft regelmäßig eine Kautionspflicht.348 Ausnahmen hiervon bestehen – auch beim quasi ususfructus – bei vertraglichem Erlaß, aber nicht durch den Erblasser, und aufgrund Gesetzes, z. B. zugunsten des Vaters und Ehemanns als Nutznießer der Kindes- und Frauengüter oder des Schenkers, der sich den Nießbrauch vorbehalten hat.349 III. Die Abgrenzung von usus und fructus Neu ist Thibauts Abgrenzung des dinglichen Gebrauchsrechts (usus) vom Nießbrauch (ususfructus). Ein Nießbrauch enthalte die beiden Komponenten Fruchtgenuß (fructus) und Gebrauch (usus), die beide getrennt übertragen werden können. Die Konstituierung eines bloßen fructus in Abkehr vom Grundsatz „fructus sine usu non potest“ läßt Thibaut daher „nach Vernunftgründen“ zu.350 Bedeutsamer ist aber die Abgrenzung von fructus und usus in seinem „Versuch einer neuen Theorie über die eigentliche Beschaffenheit der Dienstbarkeit des Usus nach Römischem Recht“ (1798).351 Die herkömmliche Unterscheidung anhand des Umfangs des Gebrauchs- und Nutzungsrechts entspreche zwar dem „gemeinen Sprachgebrauch“352 bzw. dem „gemeinen, uneigentlichen Redegebrauch“353, doch sei dies „nicht immer der Sprachgebrauch des Rechtsgelehrten und Gesetzgebers“.354 Vorrangig 344

Thibaut, System des Pandekten-Rechts II, § 750. Zu den Konsequenzen eines Nießbrauchs an „Holzungen, und der Stein- und Metall-Gruben“ Thibaut, System des Pandekten-Rechts II, § 758. 346 Thibaut, System des Pandekten-Rechts II, § 760. 347 Thibaut, System des Pandekten-Rechts II, § 760, unter Hinweis auf Leyser, Meditationes II, Spec. CVI, § III. 348 Thibaut, System des Pandekten-Rechts II, § 764. 349 Thibaut, System des Pandekten-Rechts II, § 765. 350 Thibaut, System des Pandekten-Rechts II, § 761. 351 Veröffentlicht in: Thibaut, Versuche über einzelne Theile der Theorie des Rechts; hier liegt die 2., verbesserte Auflage von 1817 zugrunde. 352 So Thibaut, Ueber die Dienstbarkeit des Usus, S. 33. 353 So Thibaut, System des Pandekten-Rechts II, § 761. 345

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2. Teil: Der Nießbrauch im Naturrecht

sei der Wille des historischen Gesetzgebers.355 Bei den römischen Juristen findet Thibaut jedoch keinen Hinweis auf eine Beschränkung des Usuars auf sein „notwendiges Bedürfnis“.356 Ausgehend vom ursprünglichen Wortsinn definiert Thibaut daher die Begriffe „fructus“ als „Fruchtgenuß“ und „usus“ als „Gebrauch“357; „ususfructus“ könne „weit schicklicher durch Gebrauch und Fruchtgenuß, als unser gewöhnliches Nießbrauch übersetzt werden“. Mit usus und fructus enthalte „dem ursprünglichen Wortverstande zufolge . . . der ususfructus zwey Hauptrechte“.358 Dem Usuar stehe kein Fruchtziehungsrecht zu, doch sei sein Gebrauchsrecht auch nicht auf die „Nothdurft“ beschränkt; es lasse sprachlich sogar die Überlassung der Ausübung an einen Dritten zu, was Thibaut jedoch ablehnt, um „bey der Auslegung der Verträge und Testamente den geltenden Sprachgebrauch nicht ganz zu vernachlässigen“.359 Auch wenn er damit wohl nicht an den „uneigentlichen Sprachgebrauch“ im gemeinen Recht, sondern an den des späteren römischen Rechts anknüpfen will360, bedeutet dies eine Konzession an die Verwendung von „usus“ und „fructus“ in der Praxis. Das von Thibaut zur Verdeutlichung einer an möglichst umfangreicher Wirksamkeit eines Rechts orientierten Auslegung gebildete Beispiel des einem Polen in Spanien vermachten usus eines Fischteichs, der als bloß dem Polen zustehendes Fischfangrecht nutzlos sei361, weist jedenfalls in Richtung einer an den Gegebenheiten seiner Zeit ausgerichteten Interpretation: Ohne daß Thibaut diese Lösung erwähnt, wird man dem Polen ausnahmsweise die Überlassung des Gebrauchs z. B. an einen Spanier zugestehen. In der Abhandlung „Ueber die Römische Habitatio, und den partus ancillae“ will Thibaut dann dieses Ergebnis aus „richtigen Begriffen über den Usus wohl“ herleiten, ohne dabei auf seine vorher anders lautende Ansicht einzugehen: „Denn eine Sache gebrauchen, heißt so viel, als selbst auf sie wirken. Zieht man stattdessen Einkünfte von der Sache, so ist dieß vielmehr fructus“.362 In der Neuauflage der Abhandlung über den usus verweist Thibaut schließ354 Thibaut, Ueber die Dienstbarkeit des Usus, S. 34. – Zur Bedeutung dieser Formulierung für Thibauts grammatische Auslegung Kitzler, S. 94. 355 Kitzler, S. 100, formuliert daraus als 8. Regel der grammatischen Auslegung bei Thibaut: „Die Wortbestimmung, die zu dem Zeitpunkt galt, als das Gesetz erlassen wurde, verdrängt spätere“. 356 Vgl. Thibaut, Ueber die Dienstbarkeit des Usus, S. 35 ff. 357 Thibaut, Ueber die Dienstbarkeit des Usus, S. 43. 358 Thibaut, Ueber die Dienstbarkeit des Usus, S. 44. 359 Thibaut, Ueber die Dienstbarkeit des Usus, S. 46. 360 Explizit an der „Interpretation der Römischen Rechtsgelehrten“ orientiert sich der in der Frage der Abgrenzung von usus und fructus Thibaut folgende Glück (Pandecten IX, § 648 [S. 435]). 361 Thibaut, Ueber die Dienstbarkeit des Usus, S. 48. 362 Thibaut, Ueber die Römische Habitatio, S. 23.

C. Der Nießbrauch bei Thibaut

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lich in einer Fußnote auf eigene abweichende Erklärungsversuche363, ohne sich allerdings für die eine oder die andere Ansicht zu entscheiden. Soll der Usuar aber wegen der Beschaffenheit der Sache „ohne Fruchtgenuß keine volle Wirksamkeit für sein Recht erhalten, darf er bis auf sein, und der Seinigen Bedürfniß von den Früchten nehmen“364; so sei der usus einer Wiese oder eines Teiches ohne die Befugnis zu mähen oder zu fischen sinnlos.365 Beiden Beispielen fehlt allerdings die letzte Überzeugungskraft, weil z. B. ein Teich auch zum Schwimmen, eine Wiese zum Ausruhen genutzt werden kann. Im Grundsatz ersetzt Thibaut die quantitative Unterscheidung nach dem Umfang des Gebrauchs- und Nutzungsrechts durch eine qualitative anhand der Begriffe des Gebrauchs bzw. Fruchtgenusses. Damit einher geht die Abkehr von einer subjektiven, am standesgemäßen Bedürfnis orientierten Bestimmung hin zu einer objektiven Bestimmung. Der Umfang eines usus muss daher auch nicht mehr geschätzt werden.366 Entscheidend ist nur, ob ein bestimmter Umgang mit der Sache begrifflich als Gebrauch oder als Fruchtgenuß zu qualifizieren ist. Auch Thibaut vermag aber nicht alle Ungereimtheiten in den römischen Quellen zu lösen. Warum z. B. Ulpian dem Usuar einer Schafherde zwar einen Teil der Milch, nicht aber auch der Wolle und der Lämmer zuerkennen wollte (vgl. Dig. 7.8.12.2), begründet Thibaut in Anlehnung an Montesquieu damit, daß mit dem römischen Recht „nur die Entscheidungen, aber nicht die Gefühle und Erfahrungsbegriffe der Römer zu uns herüber“ gekommen seien367: „mit den Sitten, der Cultur, den Gebräuchen, der Lebensweise eines Volks ändert sich alles, und ein fremdes Volk ist nie im Stande, den Sinn der Worte eines andern Volks vollkommen zu begreifen, die feinen Unterschiede der Wörter des letzten klar, hell und scharf einzusehen und zu bestimmen“.368 363

Thibaut, Ueber die Dienstbarkeit des Usus, S. 46 Fn. a. Thibaut, System des Pandekten-Rechts II, § 761. 365 Thibaut, Ueber die Dienstbarkeit des Usus, S. 47. 366 So z. B. bei G. A. Struve, Syntagma, Exerc. XII, § LVII: „Notandum verò est, quòd usus aestimetur ex dignitate & conditione personae, cui usus concessus“. 367 Thibaut, Ueber die Dienstbarkeit des Usus, S. 55. – In einer erst in der 2. Aufl. 1816 angefügten Fn. a ergänzt Thibaut: „Ich denke jetzt, man könnte sich hier die Sache noch leichter machen. Das: minima non curat praetor herrscht im neueren römischen Recht überall. Wäre es nicht wahre Kleinlichkeit und Illiberalität, dem Usuar, welcher doch einmal die Heerde unter seiner Gewalt hat, das modicum lactis zu versagen? Er kann es ja doch immer im Stillen nehmen. Vergleichsweise könnte man hier erinnert werden an das Sprichwort unsrer Dienstboten, daß an Eßwaaren kein Diebstahl Statt findet, und an die letzte Frage des Apostels in 1. Corinther Cap. 9. V. 7“. 368 Thibaut, Ueber die Dienstbarkeit des Usus, S. 52. 364

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2. Teil: Der Nießbrauch im Naturrecht

Wenn in diesem Zusammenhang von „Lebensnähe in Thibauts Rechtsanschauung“369 die Rede ist, bedarf dies jedoch einer gewichtigen Einschränkung; gerade für die Auslegung von Verträgen und Testamenten führt eine Orientierung am Willen des (römischen) Gesetzgebers zu Widersprüchen mit dem Willen des Erklärenden.370 Insofern löst sich Thibaut in weitem Umfang von dem für die Vertreter des früheren Naturrechts ganz im Mittelpunkt des Inhalts solcher Rechte stehenden Willen des Eigentümers.371 IV. Entstehungsgründe eines Nießbrauchs Wie alle Dienstbarkeiten kann ein Nießbrauch vertraglich oder einseitig begründet werden. Zur zweiten Kategorie zählt Thibaut Richterspruch, erwerbende Verjährung, „letzte Willensordnung“ und Gesetz. Auch wenn seine Ausführungen über eine vertragliche Begründung des Nießbrauchs den meisten Raum einnehmen, kann keine Rede davon sein, daß Thibaut im Vertrag das entscheidende Mittel zur Begründung eines Nießbrauchs sieht. Das zeigt schon die Zweiteilung der Erwerbsgründe in vertragliche und einseitige. Als Beispiele für gesetzliche Nutzungsrechte nennt er den väterlichen Nießbrauch an den Adventitiengütern und auch statutarische Nutznießungsrechte.372 Zwar hält Thibaut nicht an der patria potestas des älteren römischen Rechts fest373, gesteht aber gleichwohl am „Adventitium ordinarium“374 dem Vater als Nutznießer alle Früchte zu375; bei freiwilliger Emanzipation der Kinder verliert er diesen, „doch behält er dafür als Belohnung lebenslänglich die Hälfte des Nießbrauchs“.376 Die Voraussetzungen einer erwerbenden Verjährung von Servituten erläutert er erst im Anhang „Ueber die Verjährung“.377 Sie orientieren sich wie im römischen Recht an 369

So Kitzler, S. 38. Vielleicht achtet Thibaut den Willen des Erklärenden deswegen gering, weil diesem aufgrund des verwirrenden Rechtszustandes nichts anders übrig geblieben sei, als sich bei einem Rechtskundigen Rat zu holen und dessen Formulare schlicht zu übernehmen (vgl. Thibaut, Ueber die Nothwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts, S. 459 f.). 371 Vgl. dazu Luig, Die Auslegung von Willenserklärungen im Naturrecht von Grotius bis Wolff. 372 Thibaut, System des Pandekten-Rechts II, § 767. 373 Thibaut, System des Pandekten-Rechts I, § 237, und ders., Ueber die Nothwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts, S. 417 ff. – Zur elterlichen Gewalt im späten Naturrecht Berding, ZNR 22 (2000), 52, 59 ff. 374 Thibaut, System des Pandekten-Rechts I, §§ 249 ff., übernimmt die Einteilung des Kindesvermögens in peculium castrense, quasi castrense, profectitium, adventitium ordinarium und extraordinarium. 375 Thibaut, System des Pandekten-Rechts I, § 255. 376 Thibaut, System des Pandekten-Rechts I, § 256. 377 Thibaut, System des Pandekten-Rechts II, § 1017. 370

C. Der Nießbrauch bei Thibaut

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denen für die Ersitzung des Eigentums. Bei kurzer Verjährung ist ein gerechter Titel oder zumindest eine weder heimliche noch bittweise oder gewaltsame Ausübung des Nießbrauchs notwendig.378 V. Beendigungsgründe eines Nießbrauchs Alle Dienstbarkeiten enden für Thibaut mit Konsolidation und Konfusion, Ende des Rechts beim Bestellenden, „Aufgebung und Entsagung, sofern alle Interessenten dabei einwilligen“, „das stillschweigende Leiden eines, die Servitut unmöglich machenden Werkes“, Zeitablauf bzw. Bedingungseintritt, Untergang und mehr als unmerkliche Umgestaltung oder Verhüllung des ganzen Gegenstandes – selbst bei Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, wenn diese nicht nur in bloßer Enthüllung besteht –, sowie Verjährung und „Widersetzlichkeit bei Aufforderung zur Bestellung der cautio de damno infecto“.379 Für Personalservituten kommen dazu: Tod des Berechtigten bzw. des ersten Erben und Ablauf von 100 Jahren bei moralischen Personen.380 Weder Mißbrauch noch „ungültige Cession“381 beenden dagegen einen Nießbrauch.382 Eine Überlassung der Ausübung steht dem Nießbraucher ohnehin zu383; soweit dadurch der Gegenstand Schaden leidet, bewirkt der Mißbrauch sofort fällige Ersatzansprüche des Eigentümers.384 Ein Nichtgebrauch über zehn bzw. zwanzig Jahre durch den Berechtigten beendet als Unterfall erlöschender Verjährung auch ohne usucapio libertatis des Eigentümers385 einen Nießbrauch.386 Damit kommt es Thibaut entscheidend auf den Zeitablauf und nicht auf den durch den Nichtgebrauch drohenden Schaden an.

§ 3 Thibauts Einfluß auf das Nießbrauchsrecht Thibaut wird nur ein bescheidener Einfluß auf die Rechtswissenschaft in Deutschland zugesprochen.387 Seine Auslegungsmethoden setzen sich nicht durch; übertragen auf konkrete Fälle erweisen sie sich häufig als wenig 378 379 380 381 382 383 384 385 386 387

Thibaut, System des Pandekten-Rechts II, § 1017. Thibaut, System des Pandekten-Rechts II, § 768. Thibaut, System des Pandekten-Rechts II, § 768 a. E. Vgl. dazu Thibaut, System des Pandekten-Rechts II, § 757. Thibaut, System des Pandekten-Rechts II, § 768. Thibaut, Ueber die Römische Habitatio, S. 22. Thibaut, System des Pandekten-Rechts II, § 768. Thibaut, System des Pandekten-Rechts II, § 1026. Vgl. Thibaut, Ueber die Römische Habitatio, S. 20. Kiefner, ZRG (RA) 77 (1960), 304, 341 f.

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2. Teil: Der Nießbrauch im Naturrecht

brauchbar.388 Inhaltlich orientiert sich Thibaut weiter am römischen Recht und der im späteren usus modernus gebräuchlichen Literatur. Eine Ausnahme von dieser geringen Bedeutung auch für das Nießbrauchsrecht im 19. Jahrhundert bildet jedoch seine Neubestimmung des Verhältnisses von usus und fructus, die sich in kürzester Zeit durchsetzt389 und die hergebrachte Differenzierung nach einem auf das persönliche Bedürfnis beschränkten Gebrauchs- und Nutzungsrecht des Usuars gegenüber dem auch einen Gewinn gestattenden Nießbrauch verdrängt. Thibaut begründet diese mit Hilfe seiner grammatischen Auslegungsmethode, ohne aber alle Unklarheiten in den römischen Quellen erklären zu können. Teilweise widersprechen sich seine eigenen Argumente; verbleibende Widersprüche in den römischen Quellen will er nach dem Grundsatz „minima non curat praetor“ ignorieren.390 Diese Austauschbarkeit, in einem gewissen Maße sogar Beliebigkeit bei der Begründung legt nahe, daß es Thibaut um mehr als nur konsequent am historischen Wortsinn ausgerichtete Rechtsfolgen geht. Gerade die rasche und vollständige Durchsetzung seines Ansatzes auch bei den Juristen, die seine grammatische Auslegungsmethode nicht übernehmen, macht deutlich, daß eine Ablösung der hergebrachten Abgrenzung anhand des standesgemäßen Bedürfnisses des Usuars zu Anfang des 19. Jahrhunderts an der Zeit ist. Das 18. Jahrhundert war noch geprägt durch „gesetzliche Maßnahmen einer Gesellschaftspolitik, welche das Zivilrecht bewußt in ihren Dienst nahm, um Stände und Schichten zu trennen, lebensfähig und im Gleichgewicht zu halten“.391 Die Zugehörigkeit zu einem Stand vermittelt allen Standesgenossen gleiche Rechte und Pflichten und grenzt sie zugleich gegenüber den Angehörigen anderer Stände ab.392 Diese für das Ancién Regime charakteristische Standesgebundenheit von Rechten und Pflichten393 bleibt durch den Gedanken an ständische Freiheiten im älteren Naturrecht unangetastet, bis dieser im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts durch eine Verbindung des Freiheits- mit dem Gleichheitsbegriff abgelöst wird.394 Noch das ALR geht von standesgemäßen Rechten und Pflichten aus. Mit der bürgerlichen Gesellschaft ist die Stan388

Vgl. Otte, S. 196 ff. Scheurl, ZGR 15 a. R. (1850), 19, 20 f., unter Hinweis auf Hugo, Geschichte des Römischen Rechts, 4. Aufl. 1810, S. 241, Fn. 3; Thibauts Argumentation findet sich bereits 1808 bei Glück, Pandecten IX, § 648 (S. 431 ff.). 390 Thibaut, Ueber die Dienstbarkeit des Usus, S. 55 f. Fn. a. 391 Leiser, ZRG (GA) 93 (1976), 1, 15. 392 Vgl. Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 206 ff. 393 Vgl. auch Welzel, Naturrecht, S. 141: „die durch die staatlichen Herrschaftsverhältnisse geschaffene bürgerliche Ungleichheit verkürzt nicht die aus der natürlichen Gleichheit sich ergebende Pflicht, sich gegenüber jedermann gesellig zu verhalten“. 394 Klippel, Politische Freiheit, S. 160 ff. 389

C. Der Nießbrauch bei Thibaut

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desgebundenheit von Rechten und Pflichten dagegen unvereinbar; einer Schätzung des Umfangs eines Nutzungsrechtes anhand von Rang und Stand des Berechtigten, wie sie in einer ständischen Gesellschaft möglich ist, ist in einer an der Gleichheit aller Bürger orientierten Gesellschaft der Boden entzogen. Damit entfällt mit Wegfall des Ancién Regimes auch die hergebrachte „Berechnungsgrundlage“ für den Umfang des usus; ein von der Person des Berechtigten unabhängiger Umfang des Gebrauchsrechts bedarf einer an objektiven Kriterien ausgerichteten Berechenbarkeit. Sind usus und fructus dagegen für jede Sache objektive Größen, ist auch ein „fructus sine usu“ denkbar, während die Orientierung am Bedarf des Usuars dem isolierten fructus einen für seinen Inhaber nicht bestimmbaren Umfang gibt. Für eine im Privatrecht an der Gleichheit aller Bürger orientierte Gesellschaft395 ist nicht mehr einzusehen, warum das gleiche Gebrauchsrecht einer Person etwas anderes ist als das einer anderen.396 Fragen des Standes sind nicht berührt, soweit es um minimale Nutzungen geht; hier auf einer formalen Beachtung römischer Regeln zu beharren, wäre „Kleinlichkeit und Illiberalität“397, so daß sich Thibaut durchaus mit dem Hinweis auf das „minima non curat praetor“ begnügen kann. Grundsätzlich soll es aber dabei bleiben, daß der Usuar von den Früchten nichts erhält, „wenn nicht die Absicht des Concedirenden mehr Liberalität erfordern sollte“.398 Daß Thibaut die Neubestimmung des Inhalts eines usus auch auf bestehende Verträge und Testamente anwenden will, widerspricht zwar dem 395 Vgl. Thibaut, Ueber die Nothwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts, S. 412: „. . . daß die Deutschen nicht anders als in ihren bürgerlichen Verhältnissen glücklich werden können“; ein nationales Gesetz sei dem „bürgerlichen Zustand, den Bedürfnissen des Volks gemäß“ (S. 425). – Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800–1866, S. 255, beschreibt die Unterschiede der bürgerlichen gegenüber der ständischen Gesellschaft so: „1. Die vom Staat durch das Recht fixierte Ungleichheit geht – langsam und mit Überhängen ständischer Relikte – in die rechtliche Gleichheit der staatsbürgerlichen Gesellschaft über. 2. Das den sozialen Status bestimmende ständische Merkmal der Geburt wird durch das moderne Prinzip der Leistung und des Berufes abgelöst . . . 3. Diese wird in der spezifischen Weise des 19. Jahrhunderts eine Klassengesellschaft“. 396 Vgl. G. Boehmer, Grundlagen II/1, S. 44 f.: „Gleich sind die Menschen aber nur dann, wenn sie nicht qualifiziert, sondern quantifiziert werden. Das planende, vorausschauende, vorwegnehmende Selbstbewußtsein der Zeit, das auch in Bildungswesen, Kunst und Städtebau das organische, natürlich wuchernde Wachstum durch rationales Wägen, Messen, Zählen und Zirkeln verdrängte, verlangte auch einen rechtlichen Lebensplan, der quantitativ meßbar ist und das Gleichmaß des Sozialablaufs garantiert. Der Stil des Rechts wird rationalisiert und generalisiert“. – Vgl. auch Grimm, S. 170 u. 193 f. 397 Thibaut, Ueber die Dienstbarkeit des Usus, S. 55 f. Fn. a. 398 Thibaut, System des Pandekten-Rechts II, § 761.

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2. Teil: Der Nießbrauch im Naturrecht

im früheren Naturrecht vorherrschenden Postulat der Willensfreiheit, denn damit ist nicht mehr der Wille der Parteien bei Konstituierung eines Rechts während dessen Fortbestands maßgebend, erinnert jedoch an Überlegungen im späten Naturrecht, die Testierfreiheit ganz oder zumindest für einen Teil des Vermögens auszuschließen, um Umgehungen einer für richtig erachteten Erbfolge zu verhindern.399 Eine an den gesellschaftlichen Verhältnissen orientierte Auslegung favorisiert Thibaut selbst an anderer Stelle für das dingliche Wohnrecht. Gemeinrechtliche Kontroversen über die habitatio und ihre Abgrenzung zu usus und ususfructus erklärt er damit, daß „bey den Römern die Verleihung der habitatio grade der Ausdruck war, wodurch man einem Bedürftigen ein Quartier als Almosen zu überlassen pflegte“.400 Dieses Ergebnis aus dem römischen Sprachgebrauch zu deduzieren, gelingt ihm aber nicht zweifelsfrei, weil die „feinen Schattirungen, und beschränkenden Nebenbegriffe, welche nur aus dem häufigen Gebrauch und langer Beobachtung klar und anschaulich werden“, nicht mehr erkennbar seien.401 So ist nicht seine grammatische Auslegung des Begriffs „habitatio“, sondern die gesellschaftliche Funktion des Wohnrechts bei den Römern entscheidend, die Thibaut implizit auf seine Zeit überträgt und so zwischen der habitatio, die als Almosen für den Bedürftigen ungünstig ausgestaltet ist, sowie usus und ususfructus differenziert. Die beiden letzteren sind von gleich zu gleich konstituiert und unterscheiden sich nur in ihrem Umfang. Das erinnert an eine auf privatrechtlicher Gleichheit der Bürger aufbauende Gesellschaft, die sich gegenüber den Armen nach unten rechtlich abzugrenzen sucht.402 Damit paßt Thibauts Nießbrauchsrecht in sein rechtswissenschaftliches „Programm“, das Landsberg so umschreibt: Als einen Hauptvertreter des „wissenschaftlichen Positivismus“ zeichne Thibaut „die Richtung auf das praktisch Brauchbare, die Überzeugung davon, daß Recht und Rechtswissenschaft nur dazu da sind, dem sittlichen und ökonomischen Wohlergehen und Fortschritte der Menschheit zu dienen“ unter Einsatz aller wissenschaftlichen Mittel – „solche der Gesetzesauslegung, der historischen Kritik, des systematischen Aufbaus und auch solche des Räsonnements aus Gesichtspunkten der Vernunft, der Zweckmäßigkeit oder der Moral, mit gelegentlich rechtsvergleichendem oder naturrechtlichen Anklange“ – aus.403

399 400 401 402 403

Vgl. Klippel, ZRG (GA) 101 (1984), 117, 146 ff. Thibaut, Ueber die Römische Habitatio, S. 31. Thibaut, Ueber die Römische Habitatio, S. 30. Vgl. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte 1700–1815, S. 237 ff. Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtwissenschaft III/2, S. 75.

D. Der Nießbrauch im preußischen Allgemeinen Landrecht

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D. Der Nießbrauch im preußischen Allgemeinen Landrecht Das preußische Allgemeine Landrecht (ALR) von 1794, der französische Code civil von 1804404 und das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811405 gelten als Höhepunkt und Abschluß des frühneuzeitlichen Naturrechts. Die Untersuchung beschränkt sich auf das ALR, weil die Rechtslage in Preußen vor 1794 bereits dargestellt wurde.

§ 1 Grundlagen des ALR Das ALR tritt für die preußischen Lande am 1.6.1794 in Kraft.406 Mit einer Formulierung Diltheys wird es häufig als Kodifikation des „preußischen Naturrechts“ bezeichnet.407 Dilcher begründet dies mit der Wirkung des Naturrechts von Wolff und dessen Schülern auf das ALR.408 Wolffs Naturrecht ist allerdings kein national-preußisches, doch bricht das ALR durch die Kodifikation des (Natur-)Rechts für Preußen mit der Tradition des europäischen ius commune und leitet über zu den nationalstaatlichen Gesetzen.409 Damit tritt zugleich der Anspruch des späten Naturrechts nach Schaffung eines naturgemäßen Rechts für ein bestimmtes Territorium zu einer bestimmten Zeit zutage. Die Zeitgebundenheit der Gesetzgebung ist dem ALR aber (noch) fremd; insoweit bleibt es dem früheren Naturrecht verhaftet.410 Inhaltlich orientieren sich die Verfasser des ALR zumeist am gemeinen Recht.411 404 Z. T. kritisch hinsichtlich des naturrechtlichen Einflusses auf den Code civil G. Boehmer, Grundlagen II/1, S. 41 ff.; vgl. auch B.-R. Kern, JuS 1997, 11, 12 ff. 405 Dazu Klein-Bruckschwaiger, JZ 1963, 739 ff. und HRG I, Sp. 93 ff.; Fijal/ Ellerbrock, JuS 1988, 519 ff. 406 Zu seiner Geschichte und Entwicklung Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft III/1, S. 465 ff.; Thieme, ZRG (GA) 57 (1937), 355 ff., HRG I, Sp. 99 ff. und JuS 1969, 359 ff.; Conrad, JZ 1969, 309 ff.; Hattenhauer, Allgemeines Landrecht, S. 11 ff.; Schwennicke, Entstehung, S. 14 ff. und JuS 1994, 456 ff.; Luig, AcP 194 (1994), 521, 524 ff.; Koselleck, S. 23 ff.; Barzen, Entstehung; P. Krause, Überforderung, S. 141 ff.; vgl. auch Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte 1700–1815, S. 240 ff. 407 Dilcher, ZEuP 1994, 446, 450 ff.; Koselleck, S. 26; einschränkend Link, Aufgeklärtes Naturrecht, S. 34, 45. 408 Dilcher, ZEuP 1994, 446, 451. – Zum Einfluß von Thomasius auf das „preußische Naturrecht“ Rüping, Christian Thomasius und seine Schule im Geistesleben des 18. Jahrhunderts, S. 133 ff. 409 Dilcher, ZEuP 1994, 446, 465. 410 Vgl. Eckert, Gesetzesbegriff des ALR, S. 48 f. 411 Vgl. Link, Aufgeklärtes Naturrecht, S. 31 ff.; Luig, Das Privatrecht des ALR, S. 262.

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2. Teil: Der Nießbrauch im Naturrecht

§ 2 Zur Systematik des ALR Das ALR folgt dem naturrechtlichen System, in dem Schuld- und Sachenrecht mittelbare und unmittelbare Titel zur Einschränkung des Eigentums abgeben.412 So behandelt der erste Teil neben dem allgemeinen Personen- und Vertragsrecht vor allem das Schuld-, Sachen- und Erbrecht, der zweite Teil das Familienrecht sowie das Öffentliche Recht und das Strafrecht.

§ 3 Das Nießbrauchsrecht des ALR Der Fruchterwerb ist dem originären Eigentumserwerb zugeordnet (I,9 §§ 221 f.), während „Vom Nießbrauche“ – anders als bei Grotius und Pufendorf – erst der 21. Titel des ersten Teils im Rahmen eines derivativen Eigentumserwerbs handelt. In Anlehnung an die ususfructus-Definition413 definiert das ALR den Nießbrauch als „Das vollständige Nutzungsrecht, oder die Befugniß, eine fremde Sache nach der Art eines guten Hauswirths, ohne weitere Einschränkung, zu nutzen oder zu gebrauchen“ (I,21 § 22). I. Systematik des Nießbrauchsrechts Der 21. Titel beginnt mit allgemeinen Regeln „Von dem Rechte zum Gebrauche oder Nutzung fremden Eigenthums“414. Ein solches vermitteln Nießbrauch (§§ 22–186), Erbpacht (§§ 187–226), „eingeschränkte Gebrauchs- und Nutzungs-Rechte fremder Sachen“ (§§ 227–625) wie Leihe, Pacht, Miete und Precarium, sowie das Recht an „zur Cultur ausgesetzten Gütern und Grundstücken“ (§§ 626–650). Titel über Grunddienstbarkeiten sowie Zwangs- und Banngerechtigkeiten beschließen den ersten Teil, während „Rechte auf die Substanz einer fremden Sache“, und dabei vor allem das Pfandrecht, im vorhergehenden 20. Titel geregelt sind. Der 19. Titel enthält gemeinsame Bestimmungen für alle „dinglichen und persönlichen Rechte auf fremdes Eigenthum“, die sich auch hinsichtlich des Umfangs der Nutzungsbefugnis von dem im 18. Titel geregelten „getheilten Eigenthume“ insbesondere an Lehen und Erbzinsgütern unterscheiden: So darf ein Nießbraucher „zwar in der Regel gleich dem nutzbaren Eigenthümer, alle sowohl gewöhnlichen als ungewöhnlichen Nutzungen von der Sache“ ziehen (I,21 § 23), „aber, ohne Einwilligung des Eigenthümers, selbst einzelne Theile der Substanz, in eine von der vorigen ganz verschiedene Form nicht umändern“ (I,21 § 25). 412 413 414

Vgl. Link, Aufgeklärtes Naturrecht, S. 41 f. Vgl. Platz, S. 194. So die Überschrift des 21. Titels des ersten Buches.

D. Der Nießbrauch im preußischen Allgemeinen Landrecht

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Keinen eigenen Abschnitt gibt es im ALR für usus, habitatio und opera servorum, doch ist ein dingliches Gebrauchsrecht bekannt: Ist „jemandem der Nießbrauch einer Sache nur nach seinem Bedürfniß verliehen“, verweist I,21 § 185 auf die allgemeinen Regelungen in I,19 §§ 22, 24–28. Die Bezeichnung als (beschränkter) Nießbrauch und die Bezugnahme auf das Bedürfnis des Berechtigten zeigen, daß es sich um ein auf den persönlichen Bedarf beschränktes Gebrauchs- und Nutzungsrecht handelt.415 Anders als im usus modernus ist damit im Regelfall nicht auch das für die ständische Ordnung bestimmende Bedürfnis der Familie416 erfaßt (vgl. I,19 §§ 26–28), doch bleibt es bei der subjektiven Ausrichtung. In der Folge von Thibauts Neubestimmung begreift man den „Nießbrauch bloß nach Bedürfniß“ des ALR nicht mehr nur als usus, sondern als zum Gebrauchsrecht hinzukommendes teilweises Fruchtziehungsrecht.417 Die Bezeichnung als (eingeschränkter) „Nießbrauch“ im ALR spricht zwar für eine solche, an Wolffs „ususfructus minus plenus“ erinnernde, Ausgestaltung, doch paßt die Orientierung am persönlichen Bedürfnis des Berechtigten nicht dazu. Außerdem enthält das ALR im selben Titel Bestimmungen über Gebrauchsrechte an fremder Sache, die unentgeltlich als Leihe (I,21 § 229) und entgeltlich als Miete gelten (I,21 § 260). Ein durch Leihe, Miete oder Pacht vermitteltes „eingeschränktes Gebrauchs- und Nutzungsrecht fremder Sachen“418 ist als nur graduell vom Nießbrauch zu unterscheidendes Recht mit ebenfalls dinglicher Wirkung ausgestaltet (vgl. I,21 §§ 227 f.). In § 743 des preußischen BGB-Entwurfs von 1842 ist das dingliche Gebrauchsrecht dann als Befugnis definiert, eine fremde Sache unbeschadet ihrer Substanz zu benutzen, wobei dem Inhaber kein Teil der Nutzungen zusteht.419 Eher versteckt regelt das ALR den Nießbrauch an verbrauchbaren Sachen. Bei diesem „wird vermuthet, daß nur eben so viel Sachen von gleicher Beschaffenheit zurückgegeben werden sollen“ (I,21 § 173). Der gemeinrechtliche Unterschied zwischen verbrauchbaren und vertretbaren Sachen geht durch die Beschränkung auf die Rückgabe gleicher Sachen verloren. Weil an verbrauchbaren Sachen aber auch ein echter Nießbrauch begründet werden kann (vgl. I,21 § 174), hat der Eigentümer die Wahl, wie er die Rückgewährpflicht ausgestalten will; auch bei vereinbarter Rück415 Insofern trifft die Aussage von Platz, S. 193, dem ALR sei der usus nicht bekannt, wohl aber ein „Nießbrauch zur Nothdurft nach Bedürfnis des Berechtigten“ mit quantitativen Unterschieden zum „normalen“ Nießbrauch, nicht zu. 416 Vgl. Dilcher, in: Bader/Dilcher, S. 814. 417 Vgl. Fürstenthal, S. 468 Fn. 12. 418 So die Überschritt des 3. Abschnitts (I, 21, §§ 227 ff.). 419 B. Kern, Der preußische BGB-Entwurf von 1842, S. 128; soweit diese (S. 133) allerdings hierfür von einer inhaltlichen Übereinstimmung mit I,21, §§ 185 f. i.V. m. I,19 §§ 22–28 ALR ausgeht, ist dies in Anbetracht des grundsätzlichen Neubestimmung des Verhältnisses von usus und ususfructus nicht zutreffend.

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2. Teil: Der Nießbrauch im Naturrecht

gewähr von Sachen gleicher Art und Güte verbleibt das Eigentum der res usufructuaria dem Besteller des Nießbrauchs420, während z. B. ein Darlehnsnehmer das Eigentum erlangt (I,11 § 853 i.V. m. § 661). Forderungen sieht das ALR nicht als verbrauchbare Sachen an, so daß sich die Nutzungen auf die Zinsen beschränken; ein Anspruch auf das Kapital besteht nicht (I,21 § 101). II. Rechte und Pflichten des Nießbrauchers Das ALR beginnt mit den „Rechte[n] des Nießbrauchers“ (I,21 §§ 23– 46), denen es – deutlich umfangreicher – die „Obliegenheiten des Nießbrauchers in Ansehung der Gebäude“ sowie anderer nutznießlicher Gegenstände gegenüberstellt (I,21 §§ 47–90). 1. Rechte des Nießbrauchers Der Nießbraucher hat die Befugnis, die Sache zu gebrauchen und zu nutzen (I,21 § 22) bzw. „alle sowohl gewöhnlichen als ungewöhnlichen Nutzungen von der Sache zu ziehen“ (I,21 § 23). Inhaltlich macht dies keinen Unterschied, denn das ALR bezeichnet das „Recht, eine Sache zu seinem Vortheil zu gebrauchen“ als Nutzungsrecht (I,8 § 11), während es unter Früchten die „Nutzungen einer Sache, die nach dem Laufe der Natur, mit oder ohne hinzukommende Bearbeitung, aus ihr selbst entstehen“, versteht (I,9 § 220). Der Begriff der Nutzungen wird damit in dem weiten, Früchte und Gebrauchsvorteile umfassenden Sinne, wie er auch § 100 BGB zugrunde liegt, verwendet. Für einen Fruchterwerb kommt es nicht auf die Perzeption an: Der Nießbraucher erwirbt die Früchte „gleich bey ihrem Entstehen“ (I,9 § 221).421 Trotzdem sollen bei Beendigung des Nießbrauchs an einem Grundstück während des Wirtschaftsjahres die Nutzungen zwischen Eigentümer und Nießbraucher wie zwischen Eigentümer und gutgläubigem Besitzer aufgeteilt werden (I,21 §§ 143 f.). Damit erteilt das ALR sowohl dem römischrechtlichen Prinzip, wonach erst die Perzeption dem Nießbraucher das Fruchteigentum vermittelt, als auch dem noch in den Landrechten von 1620 bis 1721 enthaltenen Grundsatz des sächsischen Rechts, bei fructus industriales stehe dem Bauern das Eigentum an den Früchten zu, wenn die Egge den Boden bestrichen hat, eine Absage.422 Die Aufteilung der Früchte des letzten Jahres unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Entstehung oder 420 So Fürstenthal, S. 470 Fn. 20. – Die Aussage von Platz, S. 194, und Birzer, S. 100, das ALR lasse einen quasi ususfructus zu, ist daher nur mit Einschränkungen zutreffend. 421 Vgl. Platz, S. 194 f. 422 Vgl. C. F. Koch, Allgemeines Landrecht II, S. 942 f. Anm. 85.

D. Der Nießbrauch im preußischen Allgemeinen Landrecht

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Ernte entspricht der gemeinrechtlichen Teilung bürgerlicher Früchte pro rata temporis. Grenze des Fruchtziehungsrechts ist die Sachsubstanz. Ohne deren Verringerung nicht zu ziehende Nutzungen stehen dem Nießbraucher nicht zu (I,21 § 30), außer „wenn dergleichen Verringerungen, bey einer gewöhnlichen Verwaltung, nach dem ordentlichen Laufe der Natur, binnen einer gewissen Zeit von selbst wieder ersetzt werden“ (I,21 § 31). Es folgen längere Ausführungen, wann geschlagenes Holz und unterirdische Erzeugnisse als Früchte dem Nießbraucher zukommen (I,21 §§ 32–38). Wie im gemeinen und Naturrecht gewährt das ALR dem Nießbraucher keinen Anspruch auf einen gefundenen Schatz (I,21 § 41 und schon I,9 § 97); als Finder steht ihm neben dem Grundeigentümer die Hälfte zu (I,9 § 82). 2. Pflichten des Nießbrauchers Ausgangspunkt aller Pflichten des Nießbrauchers ist, daß durch die Ausübung des Nutzungsrechts der Eigentümer nicht über Gebühr belastet wird. Die für alle dinglichen und persönlichen Rechte als Generalkauseln formulierten Pflichten, bei der Ausübung eines Rechts unter mehreren gleich wirksamen die dem Eigentümer schonendste zu wählen (I,19 § 20) und ungewöhnliche, „dem Eigenthümer zur Beschwerde gereichende Arten der Ausübung“ zu unterlassen (I,19 § 21), passen auf den Nießbrauch nicht. Für das Spannungsfeld zwischen umfassender Nutzungsmöglichkeit und Erhaltung des Gegenstandes normiert das ALR daher einen eigenen Pflichtenkatalog für den Nießbraucher. Er muß „Gebäude in dem Stande, wie er dieselben übernommen hat, wirthschaftlich unterhalten“ (I,21 § 47), Zinsen für auf der Sache haftende Schulden und „aufgekündigte Capitalsposten“ berichtigen (I,21 §§ 70, 75) und „Prozesse, welche die Substanz der Sache, deren Pertinenzstücke und Gerechtigkeiten betreffen“, zunächst auf seine Kosten betreiben (I,21 § 82) sowie „alle übrigen gewöhnlichen und außergewöhnlichen Lasten und Abgaben von der Sache“ tragen (I,21 § 87). III. Rechte und Pflichten des Eigentümers Der Eigentümer muß jedes zulässige Verhalten des Nießbrauchers dulden (vgl. I,19 § 16). Beschränkungen seines Eigentums werden zwar nicht vermutet (I,19 § 14); steht aber fest, daß einem anderen der Nießbrauch gebührt, ist „dabey dahin zu sehen, daß der Berechtigte an dem nützlichen Gebrauche seines Rechts nicht gehindert, oder ihm dasselbe gar vereitelt werde“ (I,19 § 18). Nicht eigens normiert ist, daß der Eigentümer die Sache ohne Zustimmung des Nießbrauchers veräußern kann. Das zeigt im Umkehrschluß die Rechtslage beim geteilten Eigentum, bei welchem

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2. Teil: Der Nießbrauch im Naturrecht

„Ueber die Proprietät der Sache . . . nur der Ober- und nutzbare Eigenthümer gemeinschaftlich . . . gültig verfügen“ können (I,18 § 2).423 Darüber hinaus reichende „Rechte und Pflichten des Eigenthümers während der Dauer des Nießbrauchs“424 enthalten zwei Fundamentalnormen: Der Eigentümer darf „nichts vornehmen, wodurch das Nutzungsrecht des Andern auf irgend eine Art eingeschränkt oder geschmälert wird“ (I,21 § 99), doch steht ihm frei, „solche Veränderungen mit der Sache vorzunehmen, welche ohne Nachtheil des Nutzungsberechtigten ausgeführt werden können“ (I,21 § 100). Das von Wolff beidseitig formulierte allgemeine Rücksichtnahmegebot425 ist damit im ALR nur für den Eigentümer kodifiziert, weil für den Nießbraucher angesichts der detaillierten Bestimmungen seiner Rechte und Pflichten eine solche Generalklausel nicht notwendig wäre. Ist dem Nießbraucher „durch die fehlerhafte Beschaffenheit der Sache ein Nachtheil erwachsen“, haftet der Eigentümer – allerdings nur bei vertraglich begründeten Nutzungsrechten426 – für Verschulden (I,21 § 21). IV. Vertragliche Einflüsse auf das Nießbrauchsrecht Trotz der an das römische Recht angelehnten Nießbrauchsdefinition (I,21 § 22) läßt das ALR in weitem Umfang abweichende Vereinbarungen von Eigentümer und Nießbraucher zu. Über dingliche und persönliche Rechte an fremder Sache bestimmt es allgemein (I,19 § 12): „Bey näherer Bestimmung der Rechte auf fremdes Eigenthum muß zuvörderst auf den Inhalt der Willenserklärungen, wodurch sie bestellt worden; hiernächst aber auf die Natur und den Zweck des Geschäfts, und die darüber ergangenen gesetzlichen Vorschriften gesehen werden.“

Selbst kraft Gesetzes entstandene Rechte richten sich nach diesem nur, „so weit sie durch gültige Willenserklärungen nicht ausdrücklich geändert sind“ (I,19 § 13). Wie bei Wolff ein „ususfructus minus plenus“ kann z. B. ein „eingeschränkter Nießbrauch“ vereinbart werden.427 Gesetzliche Beschränkungen gelten vielfach nur, wenn der Eigentümer nicht in das abweichende Verhalten eingewilligt hat. Bei einer Einwilligung des Eigentümers kann der Nießbraucher daher auch Eingriffe in die Sachsubstanz vornehmen (arg. I,21 § 25), der Sache bleibende Lasten auferlegen (arg. I,21 § 90) und nutznießliche Kapitalien einziehen (arg. I,21 § 101). Die gesetzlichen Rechte und Pflichten des Nießbrauchers erhalten damit den Charak423 424 425 426 427

Vgl. dazu und zur Ausnahme im Lehnsrecht (I,18 § 178) Dany, S. 69 f. So die Überschrift zu ALR I,21 §§ 99 f. Wolff, Jus naturae V, § 1488. C. F. Koch, Allgemeines Landrecht II, S. 911 Anm. 14. Vgl. Grävell, S. 35 Anm. * zu § 23.

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ter von Auslegungsregeln. Vorrang hat eine vertragliche Vereinbarung. Bei vertraglich begründeten Nutzungsrechten richtet sich daher auch die Haftung nach der Natur des zugrundeliegenden Vertrages (I, 21 § 15 i.V. m. I,5 §§ 278–280), so daß der Nießbraucher in der Regel bei gegenseitigen Verträgen für mäßiges, bei begünstigenden Verträgen für geringes Versehen einzustehen hat. Allerdings können die Parteien über den Haftungsmaßstab abweichende Vereinbarungen treffen (I,5 § 283), die dann auch für den Nießbrauch gelten. Neben Zweifelsregeln, in denen der Eigentümer zu einem abweichenden Verhalten des Nießbrauchers seine Einwilligung erteilen muß, kennt das ALR allerdings auch einige gesetzliche Ausnahmen von einzelnen Rechten oder Pflichten. So gehören „Nutzungen, die ohne Verringerung der Substanz nicht gezogen werden können, . . . in der Regel nicht zum Nießbrauche“ (I,21 § 30), doch kommt es für die folgenden Ausnahmen auf den Dispens des Eigentümers entweder gar nicht an oder dieser ist gerichtlich erzwingbar. Dahinter steht der Gedanke, daß der Gesetzgeber den Eigentümer zur Einwilligung in dem Gemeinwohl und der Vernunft entsprechende Eingriffe für verpflichtet ansieht. Daher kann der Nießbraucher, anders als nach gemeinem Recht, unvollendete Gebäude plangemäß fertigstellen (I,21 § 61); ist zum weiteren Gebrauch eines Bauwerks eine Hauptreparatur oder sogar dessen Wiederherstellung erforderlich, muß der Eigentümer einwilligen (vgl. I,21 §§ 55–60). Dabei betrifft das Vorliegen der Einwilligung nicht die Vornahme der Reparatur als solche, sondern nur die Kostentragung (I,21 § 56), so daß letztlich der Eigentümer zur Tragung der Kosten verpflichtet ist, die zur Wiederherstellung des Gebäudes in seinem ursprünglichen Zustand oder zur weiteren wirtschaftlichen Nutzung desselben notwendig sind (I,21 §§ 57 f.). In ähnlicher Weise beschränkt sich das ALR für die im deutschen ius commune umstrittene Frage der Zulässigkeit von Verbesserungen der Sache durch den Nießbraucher auf Bestimmungen zum Verwendungsersatz (I,21 §§ 124 ff.). Ob ein Nießbraucher zur Vornahme solcher Verbesserungen trotz Eingriffs in die Sachsubstanz ohne Einwilligung des Eigentümers berechtigt ist, bleibt damit letztlich offen. Bei schuldhafter Wertminderung der Sache ist der Nießbraucher unabhängig vom konkreten Verschuldensmaßstab des zugrunde liegenden Vertrages zu Schadensersatz verpflichtet (I,21 § 132).428 Verbesserungen sind demgemäß nur solche Veränderungen der Sache, die deren Wert nicht schmälern; von der Kostenlast abgesehen, vermutet hier der Gesetzgeber offenkundig einen Konsens des Eigentümers. Selbst das Schriftformerfordernis für die Einwilligung berührt nur die 428 Es ist eine Spezialregelung zu I,21 § 15 (C. F. Koch, Allgemeines Landrecht II, S. 939 f. Anm. 79).

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2. Teil: Der Nießbrauch im Naturrecht

Kostentragungspflicht, so daß der Eigentümer gegen „Veränderungen nach dem Gefallen des Nießbrauchers“429 nicht geschützt ist, solange damit der Sachwert nicht vermindert wird. Solche Verbesserungen können auch nicht reversible Änderungen der Substanz mit sich bringen, wie die Bestimmung erhellt, daß eine Zurücknahme derselben durch den Nießbraucher nur soweit zulässig ist, „als die Sache in denjenigen Stand, in welchem sie vor der Verbesserung befunden hat, wieder gesetzt wird“ (I,21 § 131). Mit diesen Regelungen wählt das ALR einen Mittelweg zwischen dem Meliorationen ablehnenden römischen Recht und der deutschen Rechtspraxis, die vielfach dem Nießbraucher entsprechend einem gutgläubigen Besitzer Ersatz für alle nützlichen Aufwendungen zuerkennt. Im Vordergrund steht für das ALR die nur ausnahmsweise (vgl. I,21 §§ 128 f.) erzwingbare Einwilligung des Eigentümers, die eine Überprüfung der objektiven Nützlichkeit der Maßnahme nicht erforderlich macht, und so dem Wunsch der Gesetzesverfasser nach Rechtssicherheit entspricht.430 Allerdings betreffen die Bestimmungen des ALR immer nur die Kostentragung, nicht hingegen die Zulässigkeit eines mit der Verbesserung verbundenen Eingriffs in die Sachsubstanz. Die Regelungen über die Fertigstellung noch unvollendeter und die Reparatur beschädigter Bauwerke sowie über Verbesserungen orientieren sich am Leitbild objektiver Nützlichkeit. Entscheidend ist nicht die Erhaltung eines status quo ante vor Bestellung des Nießbrauchs, wie sie im römischrechtlichen Gebot des salva rerum substantia enthalten ist. Die Sachsubstanz begrenzt im ALR nur das Wegnahmerecht des Nießbrauchers zum Schutz des Eigentümers, der nicht mit einer drohenden Verschlechterung der Sache nach Wegnahme der Meliorationen zur Übernahme der Kostenlast genötigt werden soll. Es erschien dem Gesetzgeber vernunftwidrig, dem Nießbraucher auch solche Maßnahmen zur Sacherhaltung bzw. Sachverbesserung zu verbieten, die Vermögenspositionen des Eigentümers nicht entwerten. Wie bei einem aus Gründen des Gemeinwohls zulässigen Eingriff in wohlerworbene Rechte gegen Entschädigung431 kann der Eigentümer Eingriffe in seine Rechtsposition nicht verhindern, erhält aber als Ausgleich einen wirtschaftlich mindestens gleichwertigen Ersatz. Daran ändert nichts, daß ein Nutznießer „die Sache während seines Genusses in dem Stande erhalten, in welchem er sie empfangen hat, und sie, nach Endigung seines Rechts, in eben der Beschaffenheit zurückgeben“ muß (I,21 § 12). Dieser Grundsatz wird schon dadurch eingeschränkt, daß der Berechtigte weder die „nach dem natürlichen Laufe der Dinge durch 429

So C. F. Koch, Allgemeines Landrecht II, S. 938 Anm. 76. Vgl. die Ausführungen von Svarez, zit. bei C. F. Koch, Allgemeines Landrecht II, S. 937 f. Anm. 75. 431 Vgl. Willoweit, Die bürgerlichen Rechte und das gemeine Wohl, S. 11 ff. 430

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den ordentlichen Gebrauch entstehenden Verringerungen“ (I,21 § 13) noch „solche Verringerung, oder Vernichtung der Sache, die sich ohne sein Verschulden ereignet“ hat (I,21 § 14), ersetzen muß. Der erforderliche Grad des Verschuldens ist in erster Linie „nach der Natur des Vertrages, aus welchem sein Recht entspringt, . . . zu beurtheilen“ (I,21 § 15). Erst recht fehlt es an einem schuldhaften Fehlgebrauch der Sache, wenn deren Eigentümer mit dem Verhalten des Nießbrauchers einverstanden ist. Eine Konsequenz daraus ist, hier folgt das ALR der Position von Wolff432, die Absage an eine Kautionspflicht des Nießbrauchers auch bei einem quasi ususfructus433: „Eine nicht ausdrücklich vorbedungene Caution ist der Eigenthümer, in der Regel, von dem Nutzungs Berechtigten zu fordern nicht befugt“ (I,21 § 20). Der Vertrag bestimmt auch den Umfang des Nutzungsrechtes, wobei im Zweifel der Eigentümer nicht mehr als ausdrücklich vereinbart von seiner Rechtsstellung hat preisgeben wollen (I,21 § 8), und die vom Nießbraucher zu erbringenden Gegenleistungen, deren Vorhandensein als Ausgleich für die vom Eigentümer zu duldende Einschränkung seiner Berechtigung in einem angemessenen Verhältnis zum Wert des Nutzungsrechts vermutet wird (I,21 §§ 9 f.). Dem gemeinrechtlichen Grundsatz, daß für die Ausübung von Servituten kein Entgelt verlangt werden dürfe, erteilt das ALR damit eine Absage. Die Frage, ob der Nießbrauch aus einem einseitigen oder einem „lästigen“ Vertrage resultiert, die bereits den Haftungsmaßstab beeinflußt, setzt sich fort in den Bestimmungen über eine Aufgabe des Nutzungsrechts. Diese steht dem Nießbraucher, übereinstimmend mit Wolff, bei einem einseitigen Vertrag jederzeit frei, während er von einem „lästigen Vertrag“ nur nach allgemeinen Regeln zurücktreten kann (I,21 §§ 181 f.). Die Befugnis des Nießbrauchers zu Eingriffen in die Sachsubstanz findet ihr Korrelat in einer Einschränkung möglicher Beendigungsgründe. Untergang und wesentliche Veränderung der Sache scheiden aus, weil der Nießbraucher die Sache wiederherstellen oder verbessern darf. Es bleibt vor allem der Tod des Nießbrauchers (I,21 § 176); die Beschränkung eines auch für die Erben bestellten Nießbrauchs „im zweifelhaften Falle“ auf den Erben ersten Grades (I,21 § 178) schließt abweichende Vereinbarungen aber nicht aus. Ohne eine zeitliche Obergrenze ist auch der Nießbrauch zugunsten einer moralischen Person434: Endet dieser im allgemeinen erst mit deren Untergang (I,21 § 179), ist für Nießbrauchsvermächtnisse eine Höchstdauer von 50 Jahren vorgesehen (I,12 § 423).435 Ob hierin wirklich ein 432

Vgl. Wolff, Institutiones, § 720. Platz, S. 194. 434 Zu diesem im ALR nicht definierten Begriff Grävell, S. 83 f. Anm. **. 435 Fürstenthal, S. 468 Fn. 15 stellt beide Zeiträume dem gemeinrechtlichen von 100 Jahren gegenüber; ähnlich Grävell, S. 85 ff. 433

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2. Teil: Der Nießbrauch im Naturrecht

Versehen bei Abfassung des ALR zu sehen ist436, erscheint angesichts der unmittelbar zuvor erlaubten Bestellung des Nießbrauchs für mehr als nur einen Erben fraglich. Svarez437 selbst spricht von einer „kleinen Antinomie“ beider Gesetzesstellen438: „Will man beide Stellen conciliiren, so muß man den hier vorliegenden §. 179 von dem Falle erklären, wenn nach dem deutlich erklärten Willen des Verleihers der Ususfrcutus länger oder wohl gar in perpetuum fortdauern soll.“

Demgemäß ist eine Nießbrauchsbestellung zugunsten einer Körperschaft auch auf Dauer zulässig, muß aber deutlich erklärt worden sein. Die Bestimmung einer Höchstdauer für ein Nießbrauchsvermächtnis folgt dagegen systematisch auf eine Bestimmung, daß ein unbefristetes Vermächtnis zugunsten einer natürliche Person als nur auf deren Lebensdauer anzusehen ist. Die im Nießbrauchsrecht mögliche Ausdehung auf deren Erben ist hierfür explizit ausgeschlossen (vgl. I,12 § 421). Unberechtigte Eingriffe verpflichten den Nießbraucher nur zu Kostenersatz für die Wiederherstellung des urspünglichen Zustandes „nach geendigtem Nießbrauche“ oder zu Schadensersatz (I,21 §§ 26 f.). Während des Nießbrauchs kann der Eigentümer den Nießbraucher zu vertragsgemäßem Verhalten anhalten (I,21 § 28), doch ist eine Beendigung des Nutzungsrechts wegen Pflichtverstößen nicht vorgesehen.439 Die Position des Eigentümers ist dadurch ausreichend geschützt, daß er jetzt auch ohne entsprechende Vereinbarung eine Kaution verlangen kann (I,21 § 20). Auch dies zeigt, daß das ALR dem Schutz des Eigentümers in wirtschaftlicher Hinsicht Vorrang vor einer Sicherung der Sachsubstanz gewähren will. V. Gesetzliche Nutznießungsrechte Weil der Eigentümer Gegenstand und Inhalt des Nutzungsrechts abweichend von den gesetzlichen Regeln im Grundsatz frei bestimmen und den Nießbraucher weitgehend von seinen Pflichten befreien kann, gewinnt das Nießbrauchsrecht des ALR mit seinen teilweise in alle Einzelheiten gehenden Regelungen vor allem in zweierlei Hinsicht Bedeutung. Erstens treten die gesetzlichen Rechte und Pflichten von Nießbraucher und Eigentümer an die Stelle fehlender Vereinbarungen und gewinnen dadurch den Charakter 436

So B. Kern, Der preußische BGB-Entwurf von 1842, S. 133, unter Hinweis auf dessen Materialien. 437 Zu diesem E. Wolf, Große Rechtsdenker, S. 424 ff.; B.-R. Kern, JuS 1998, 1085 ff. 438 Zit. nach C. F. Koch, Allgemeines Landrecht II, S. 949 Anm. 3. 439 Auch nicht im Abschnitt über eine „Endigung des Nießbrauchs“ (I,21 §§ 176 ff.).

D. Der Nießbrauch im preußischen Allgemeinen Landrecht

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von Auslegungsregeln, wie er bereits bei Wolff angelegt war. Anders als dieser und vor ihm schon andere Vertreter des Naturrechts anerkennt das ALR aber auch gesetzliche Nutznießungsrechte (I,21 § 1). Bei diesen fehlt eine Vereinbarung zwischen den Beteiligten, so daß das gesetzliche Nießbrauchsrecht nicht nur subsidiär eingreift. Rechte und Pflichten eines Nießbrauchers kraft Gesetzes richten sich, soweit nicht gesetzlich etwas abweichendes bestimmt oder von den Parteien ausdrücklich vereinbart (vgl. I,19 § 13) ist, nach allgemeinem Nießbrauchsrecht. Das ALR gewährt wie das gemeine Recht dem Vater den Nießbrauch am „nicht freyen Vermögen“ des Kindes „so lange die väterliche Gewalt dauert“ (II,2 § 168). Der Mutter steht dieser als Ausfluß der väterlichen Gewalt440 nicht zu, was bei Schaffung des ALR nicht unumstritten war.441 Das ALR postuliert zwar als erste Pflicht der Kinder, sie seien „beyden Aeltern Ehrfurcht und Gehorsam schuldig“ (II,2 § 61). „Vorzüglich aber stehen sie unter väterlicher Gewalt“ (II,2 § 62), die damit in entscheidenden Punkten die elterliche Gewalt überlagert.442 Zugleich erlangt die väterliche Gewalt in Bezug auf den Nießbrauch eine der patria potestas des deutschen ius commune entsprechende Position, die sich auch in der Teilung des Kindesvermögens in ein freies (II,2 §§ 147–155) und ein den bona adventitia entsprechendes nicht freies (II,2 §§ 156–167) niederschlägt.443 Diesem Nießbrauch korrespondiert eine vorrangige Unterhaltspflicht des Vaters, die auch hier durch eine allgemeine Elternpflicht zu Erziehung und Alimentierung der Kinder unterstützt wird (II,2 §§ 64 f.). Demgemäß gebührt dem Vater der Nießbrauch einschließlich eines Gewinnes nur, so lange er den Kindern standesgemäßen Unterhalt leistet (II,2 § 204). Dieser gesetzliche und jeder andere elterliche Nießbrauch am Kindsvermögen endet als Sanktion im Vorfeld von Strafen gegen die Eltern, die sich nicht hinreichend bemühen, ihre Kinder von „fleischlichen Verbrechen“ fernzuhalten, wenn die Eltern ihr Erziehungsrecht verlieren, weil sie „durch ärgerliche Reden und Handlungen zur Wollust reizen, oder ihren Hang zu Ausschweifungen begünstigen“ (II,20 §§ 993 f.). Am eingebrachten Vermögen (vgl. II,1 §§ 210–220)444 der Frau hat der „Mann alle Rechte und Pflichten eines Nießbrauchers“ (II,1 § 231)445; nach herrschender, aber nicht unbestrittener Meinung entsteht dieser Nießbrauch ipso iure mit Eheschließung, ohne daß es einer Vermögensübergabe durch die Frau bedarf.446 Da eine gültige Ehe aber den Konsens beider 440 441 442 443 444 445

Zu dieser im ALR vgl. Roth, S. 282 ff. Vgl. Weber-Will, S. 128 f. Vgl. Schumacher, S. 325 f. Vgl. Schumacher, S. 335. Dazu Malsbenden, S. 131 ff.; Weber-Will, S. 78 ff. Vgl. Malsbenden, S. 162 ff.

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2. Teil: Der Nießbrauch im Naturrecht

Partner voraussetzt (II,1 § 38) und dabei bestimmt werden kann, welches Frauengut als eingebrachtes der ehemännlichen Verwaltung und Nutznießung unterliegen soll (vgl. II,1 §§ 208–210), und auch während der Ehe die Eheleute Abreden hierüber treffen können (II,1 § 215), besteht kein Automatismus, daß bestimmte Güter in jedem Fall dem Nutzungsrecht des Mannes unterliegen. Nach Eheschließung fehlt der Frau allerdings die Möglichkeit, abgesehen vom Rückforderungsrecht bei Unfähigkeit des Mannes zur Leistung standesgemäßen Unterhalts (II,1 § 258), einseitig Änderungen des Güterstandes herbeizuführen.447 Doch ist dies aus naturrechtlicher Sicht nur konsequent; jede Änderung der Güterzuordnung bedeutet eine Abweichung von der Vertragsgrundlage der Ehe und bedarf daher der Zustimmung beider Partner. Das erwähnte Rückforderungsrecht resultiert aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis von Unterhaltslast und Nießbrauch (II,1 § 256). Von seiner naturrechtlich begründeten Unterhaltspflicht kann sich der Mann auch nicht durch Aufgabe des Nießbrauchs lösen (I,21 § 183). Ausgehend vom Prinzip des „pacta sunt servanda“ bewirkt die Rückforderung des Nießbrauchs durch die Frau auch nur eine Suspension ihrer vertraglichen Pflichten zur Überlassung der vereinbarten Nutzungsrechte, solange die geschuldete Gegenleistung nicht erbracht werden kann448; der Mann kann den Nießbrauch daher erneut fordern, wenn er wieder zur Unterhaltsleistung in der Lage ist (II,1 § 264), es sei denn, er hat seine vorherige Unfähigkeit durch „nachlässige oder verschwenderische Wirthschaft“ verursacht (II,1 § 265). Der ehemännliche Nießbrauch endet mit dem Versterben eines Ehegatten (II,1 § 614). Bezüglich des Verwendungsersatzes auf ein Grundstück der Frau und des Vertretenmüssens von Verringerungen verweist das ALR auf allgemeines Nießbrauchsrecht (vgl. II,1 §§ 586, 589 f., 595). Einen weiteren gesetzlichen Nießbrauch kennt das ALR als Nachwirkung einer durch den Tod aufgelösten Gütergemeinschaft. Ist der überlebende Ehegatte neben anderen nahen Verwandten als den Kindern am Nachlaß des Verstorbenen beteiligt, „behält er den Nießbrauch des gesammten gemeinschaftlich gewesenen Vermögens auf Lebenslang“ (II,1 § 645). Allerdings ist die Gütergemeinschaft im ALR nur als Ausnahme konzipiert und besteht nur, „wo sie durch Provinzialgesetze oder Statuten eingeführt ist“ (II,1 § 345), oder aufgrund vertraglicher Vereinbarung vor der Eheschließung (II,1 § 354). Anderenfalls gilt der allgemeine Güterstand ehemännlicher Verwaltung und Nutznießung (vgl. II,1 § 205), wobei der Nießbrauch mit 446

Vgl. Esser, S. 45 m. N. zum Streitstand. Vgl. Weber-Will, S. 88 ff. 448 Unwilligkeit zur Unterhaltsleistung trotz Möglichkeit dazu berechtigt die Ehefrau nicht zur Rückforderung des Nießbrauchs, wohl aber zur Scheidung (II,1 §§ 711 ff.; vgl. Esser, S. 53 f.). 447

D. Der Nießbrauch im preußischen Allgemeinen Landrecht

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dem Tod eines Ehegatten endet. Allerdings gilt das ALR hier nur subsidiär neben Provinzialgesetzen oder Statuten (II,1 §§ 495, 500), die aber in der Tradition der gemeinrechtlichen Statutentheorie „genau nach dem Wortlaut angewendet“ und „nach den Grundsätzen dieses allgemeinen Gesetzbuchs erklärt werden“ müssen (II,1 §§ 537 f.).449 Außerdem geht eine vertragliche der testamentarischen und diese der gesetzlichen Erbfolge vor (vgl. II,1 §§ 438, 481, 495). Der Vorrang vertraglicher Vereinbarungen vor gesetzlichen Pflichten entspricht Naturrecht, dürfte aber stärker von den vielfach inhaltsgleichen Bestimmungen in den Stadt- und Landrechten des usus modernus beeinflußt gewesen sein; das legt die häufige Verwendung älterer deutscher Begriffe (Morgengabe450, Leibgedinge, Witthum etc.) nahe. So nennt das ALR als mögliche Regelungen eines Erbvertrages das den „Nießbrauch gewisser Güter oder Capitalien“ beinhaltende Leibgedinge der Witwe (II,1 § 457) und ihr „Witthum“, eine im Zweifel am „nothdürftigen Unterhalt“ orientierte, jährliche Rente aus dem Nachlaß des Mannes (II,1 §§ 458, 462). Die Bestimmungen des ALR über gesetzliche Nutzungsrechte entsprechen damit weitgehend denen der Partikularrechten des usus modernus, die zumindest vorehelichen Verträgen über das Güterrecht Vorrang gegenüber statutarischen Nutznießungsrechten zubilligen. Indem das gesetzliche Ehegüterrecht subsidiär gegenüber jederzeit möglichen Abweichungen durch die Eheleute ausgestaltet ist, vereinbart das ALR das naturrechtliche Ideal der Ehe als einer Vertragsgesellschaft mit herkömmlichen Rechten des Ehemannes. VI. Janusköpfiges Nießbrauchsrecht? Demgemäß stehen sich im ALR zwei Gruppen von Nutzungsrechte gegenüberer, die mit den beiden von Dilcher mit dem Begriff der „Janusköpfigkeit“451 überschriebenen Teilen dieser Kodifikation korrespondieren. Der Nießbrauch als Institut des Sachenrechts ist Bestandteil des an den naturrechtlichen Postulaten der Vertragsfreiheit und des Eigentumsschutzes orientierten ersten Teiles des ALR. Über die Anerkennung gesetzlicher Nutzungsrechte ist er aber zugleich mit dem Ehegüter- und Familienrecht des zweiten Teiles verbunden, der einer konservativ-patriarchalischen Grundausrichtung verhaftet geblieben ist. Dem weitgehend vom Willen des Eigentümers und seiner Vereinbarung mit dem Nießbraucher abhängigen ver449 Nach P. Krause, Das gemeine Recht, S. 94, setzt sich das ALR aber gegenüber dem Provinzialrecht weitgehend durch. Ähnlich Wagner, S. 122 f. 450 Hierzu Esser, S. 40 f. 451 Dilcher, ZEuP 1994, 446.

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2. Teil: Der Nießbrauch im Naturrecht

traglichen Nießbrauch stehen damit gesetzliche Nutznießungsrechte gegenüber, deren Inhalt und Umfang im einzelnen normiert sind.452 Das relativiert die Unterschiede des ALR zum gemeinen Nießbrauchsrecht. Beispielhaft ist die grundsätzliche Befreiung des Nießbrauchers von der gemeinrechtlichen Kautionspflicht. Der Eigentümer kann bei Einräumung eines Nießbrauchs Sicherheit verlangen, so daß lediglich bei gesetzlichen Nutzungsrechten den Nutznießer grundsätzlich keine Kautionspflicht treffen kann. Das betrifft aber gerade die Konstellationen, in denen auch das deutsche ius commune den Nießbraucher von seiner Kautionspflicht freistellt; ähnliche Regelungen finden sich in zahlreichen Partikularrechten, in denen dann zumeist auch die Gefahr einer Verschlechterung der nutznießlichen Sache eine nachträgliche Pflicht zur Sicherheitsleistung rechtfertigen kann. Explizit auf die Unterschiede zwischen vertraglichen und gesetzlichen Nutzungsrechten stellt das ALR in Bezug auf den Haftungsmaßstab des Nutznießers ab. Während es für den „Grad des Versehens“ für jene zunächst auf die „Natur des Vertrages“ ankommt (I,21 § 15), haftet der Inhaber eines gesetzlich oder letztwillig eingeräumten Nutzungsrechts „in der Regel für mäßiges Versehen“ (I,21 § 16). Damit entspricht der Haftungsmaßstab bei einem gesetzlichen Nießbrauch dem allgemein im ALR für eine Haftung erforderlichen „mäßigen Versehen“453 (vgl. I,3 §§ 21–23), während die zum Teil abweichende Haftungsregelungen für das Vertragsrecht (I,5 §§ 277–284) auf vertraglich begründete Nutznießungsrechte durchgreifen. Demgemäß steht es den Parteien frei, den Verschuldensmaßstab zu bestimmen (I,5 § 283), der dann auch für Nießbrauch gilt, doch können auch hierzu abweichende Vereinbarungen getroffen werden.

E. Zusammenfassung Der Nießbrauch im frühneuzeitlichen Naturrecht unterscheidet sich im Ergebnis nicht wesentlich von demjenigen im usus modernus. Der Nießbrauch wird immer als das umfassende dingliche Recht zur Benutzung einer fremden Sache verstanden. Während aber für den usus modernus der römischrechtliche usus fructus den Ausgangspunkt bildet, grenzt sich das frühere Naturrecht und auch das ALR bewußt vom römischen Recht ab. Entscheidend ist nur der Umfang der vom Eigentümer durch Übertragung einzelner Befugnisse an seiner Sache zu duldenden Beschränkung seiner 452 Das entspricht dem Spannungsverhältnis zwischen Eigentums- und Vertragsfreiheit im ersten und ständischen Bodenverkehrsbeschränkungen im zweiten Teil des ALR (vgl. dazu Grimm, S. 183). 453 Wenn der Schaden „bey einem gewöhnlichen Grade von Aufmerksamkeit vermieden werden konnte“ (I,3 § 20); dies entspricht der culpa levis des gemeinen Rechts (dazu Hoffmann, Fahrlässigkeit, S. 160 ff.).

E. Zusammenfassung

261

Rechtsstellung. Ausgehend vom Eigentum und dessen Erwerbsformen wird der Nießbrauch wegen des originären Eigentumserwerbs an den Früchten im früheren Naturrecht zumeist bei den originären Erwerbsarten behandelt, während das ALR den Fruchterwerb als originären vorab und ohne Bezug zum Nießbrauch regelt. Ein weiterer Unterschied ergibt sich daraus, daß im Naturrecht nach Aufhebung des im Naturzustand gemeinschaftlichen Eigentums zunächst jedem Privateigentümer alle Rechte, die der Gegenstand vermittelt, zustehen. Damit ist der im usus modernus vielfach bemühten Vorstellung der Boden entzogen, volles Eigentum sei aus einem Verfügungsund einem Nutznießungsrecht zusammengesetzt, mithin nur ein Bündel zweier begrifflich zu trennender Rechtspositionen mit einem grundsätzlich jeweils eigenen Inhalt. Das natürliche Nießbrauchsrecht beruht weitgehend auf den Grundsätzen der Vertragsfreiheit und – damit korrespondierend – des „pacta sunt servanda“. Dies wird besonders deutlich bei Wolff, der Entstehung, Inhalt und Umfang sowie auch teilweise die Beendigung eines Nießbrauchs dem Willen der Beteiligten überlassen will, wobei jede Partei an das Vereinbarte gebunden ist. Das ALR folgt dem für das allgemeine Nießbrauchsrecht, indem es die meisten Bestimmungen letztlich als bloße Auslegungsregeln ausgestaltet, so daß die für das gemeine Recht wesenstypischen Merkmale eines Nießbrauchs weitgehend zur Disposition des Eigentümers stehen. Da es aber – anders als die naturrechtliche Lehre bis Wolff – gesetzliche Nutzungsrechte im Familienrecht in dem aus den Partikularrechten des usus modernus bekannten Umfang normiert, entsteht im ALR eine Mischung vertraglich begründeter und somit frei gestaltbaren Nießbrauchsrechte auf der einen und gesetzlich begründeter Nutznießungsrechte auf der anderen Seite, deren Inhalt durch das Nießbrauchsrecht des ALR bestimmt wird. So ist das vertragliche Nießbrauchsrecht weitgehend naturrechtlich bestimmt, während der Nießbrauch kraft Gesetzes dem gemeinen Recht verhaftet bleibt. Ein als „Nießbrauch“ bezeichnetes, vertraglich begründetes Institut kann einen vollkommen anderen Inhalt haben als ein gesetzlicher Nießbrauch z. B. des Vaters. Diese begriffliche Gleichsetzung beider Rechtsinstitute setzt die gemein- und partikularrechtlich anzutreffende Unterstellung überkommener familien- und erbrechtlicher Nutzungsrechte unter dem Begriff „ususfructus“ fort, obwohl die Vertragsfreiheit der Parteien dem Nießbrauch ein völlig anderes Gesicht verleihen kann. Während im usus modernus der Inhalt eines Nießbrauchs weitgehend feststeht und auf partikularrechtliche Nutzungsrechte übertragen wird, gilt dies im ALR nur für einen gesetzlichen Nießbrauch; im übrigen obliegt seine Bestimmung grundsätzlich privatautonomer Vereinbarung. Das BGB grenzt dann in seiner ursprünglichen Fassung auch sprachlich den Nießbrauch (§§ 1030 ff.) von der Nutznießung des Ehemanns (§§ 1363 ff.) und Vaters (§§ 1649 ff.) ab, ohne

262

2. Teil: Der Nießbrauch im Naturrecht

daß hieraus auf einen erheblichen Unterschied des ehemännlichen Nutzungsrechts in ALR und BGB geschlossen werden kann.454 Wolff unterstellt die Pflichten des Nießbrauchers in Ansehung der nutznießlichen Sache weitgehend dem ebenfalls im früheren Naturrecht maßgeblichen Gebot des „neminem laedere“.455 Daher haftet der Nießbraucher nicht nur für schuldhaft verursachte Schäden an der Sache, sondern für jedes Unterlassen einer ihm möglichen Schadensabwendung. Das ALR postuliert im Grundsatz übereinstimmend, sofern nichts anderes vereinbart sei, habe der Nutznießer den erhaltenen Gegenstand nach Ende seiner Berechtigung unversehrt zurückzugeben und Schadensersatz für schuldhafte Verschlechterungen der Sache zu leisten (I,21 §§ 12, 14). Thibaut unternimmt dann eine Synthese von römischem Recht und Naturrecht, indem er die Herkunft der Rechtsbegriffe des römischen Rechts anhand ihrer geschichtlichen Wurzeln zu ermitteln sucht, um sie dann als geschichtlich bedingte Begriffe in sein System des Pandektenrechts einzufügen. Thibaut postuliert damit einen auf den ersten Blick fast begriffsjuristischen Ansatz, wonach der historische Gesetzgeber der römischrechtlichen Normen diese in einem jeweils ganz bestimmten Sinne verstanden haben wollte. Daß es ihm aber weniger auf eine systematisch einwandfreie Einpassung aller Begriffe ankommt, zeigt sein gelegentlicher Wechsel des einem Begriff zu unterlegenden Verständnisses ebenso wie die Prämisse, ein Begriff (z. B. dominium) könne von den Römern in unterschiedlichem Sinne gebraucht worden sein. Entscheidend ist demgemäß für Thibaut nur, welchen Sinn eine konkrete Bestimmung im Corpus iuris für deren ursprünglichen Verfasser hat. Die begriffliche Übereinstimmung mit anderen Normen des römischen Rechts bildet so nur ein Indiz, das den Willen des historischen Gesetzgebers deutlich machen kann.

454 455

Vgl. Malsbenden, S. 164 ff. Dazu Schiemann, JuS 1989, 345, 348 f.

Schluß Der Nießbrauch in der frühen Neuzeit ist durch ein Nebeneinander von usus modernus des römischen Nießbrauchsrechts und naturrechtlichen Systementwürfen geprägt. Der Einfluß des Naturrechts auf den usus modernus ist dabei zunächst gering; erst im späten usus modernus finden sich gelegentlich naturrechtlich begründete Modifikationen des geltenden Nießbrauchsrechts. Gerade das Beispiel von Einschränkungen der im früheren usus modernus für das Nießbrauchsrecht grundlegenden Kautionspflicht des Nießbrauchers z. B. bei Kreittmayr macht allerdings deutlich, daß eine an das Naturrecht angenäherte Rechtsfolge keineswegs auch naturrechtlich begründet sein muß. Folgert das Naturrecht aus dem Postulat der Willensfreiheit des Eigentümers, daß grundsätzlich nur auf dessen Verlangen der Nießbraucher Sicherheit zu leisten hat, gewinnt Kreittmayr das gleiche Ergebnis aus einer extensiven Auslegung des im CMBC als Ausnahme von der grundsätzlich bestehenden Kautionspflicht zugelassenen Verzichts des Eigentümers auf eine Sicherheitsleistung. Auch wenn damit die konkreten Rechtsfolgen im usus modernus vielfach mit dem natürlichen Nießbrauchsrecht übereinstimmen, bleiben die grundsätzlich verschiedenen Ausgangspositionen bestehen. Die unterschiedlichen dogmatischen Grundlagen von usus modernus und Naturrecht sollen daher hier noch einmal einander gegenüber gestellt werden. 1. Der Nießbrauch im usus modernus ist ein Rechtsinstitut mit grundsätzlich feststehendem Inhalt, das klar von anderen dinglichen und obligatorischen Rechten an fremder Sache und von allen Formen des (Nutz-)Eigentums abzugrenzen ist. Im Naturrecht wird ein Nießbrauch dagegen in immer stärkerem Maße zu einem Recht, dessen Inhalt vor allem von der Vereinbarung zwischen Eigentümer und Nießbraucher abhängt. Der Nießbrauch erfaßt nicht mehr denknotwendig das „ius utendi fruendi“ im Sinne von allem Gebrauch und Nutzen, sondern kann als ususfructus minus plenus hinsichtlich einzelner Nutzungen beschränkt werden. Gleiches gilt für die Abgrenzung des echten vom uneigentlichen Nießbrauch, die sich im usus modernus regelmäßig nach der Natur der nutznießlichen Sache richtet: Wird diese bei ihrem Gebrauch verbraucht, ist ein bloßer quasi ususfructus, ansonsten ein ususfructus verus gegeben. Im Naturrecht ist die Figur eines quasi ususfructus als Nießbrauch an verbrauchbaren Sachen zwar anerkannt, doch kann der Eigentümer bestimmen, ob er an einer Sache einen echten oder nur einen uneigentlichen Nießbrauch bestellen will. Folglich

264

Schluß

beschränkt sich das ALR auf entgegengesetzte Auslegungsregeln: An verbrauchbaren Sachen ist im Zweifel ein uneigentlicher, an nichtverbrauchbaren im Zweifel ein echter Nießbrauch anzunehmen. Im ALR wird sogar die zwingende zeitliche Beschränkung eines Nießbrauchs auf maximal eine Generation nach dem Nießbraucher zur Disposition gestellt; der Eigentümer muß nur seinen darüber hinausgehenden Willen deutlich erklären. Bestimmt sich der Inhalt und zum Teil auch die Entstehung eines Nießbrauchs im usus modernus vor allem nach dem gemeinen oder partikularen Nießbrauchsrecht, ist im Naturrecht für Begründung und Inhalt eines Nießbrauchs die Vereinbarung zwischen Eigentümer und Nießbraucher maßgebend. Das natürliche Nießbrauchsrecht wie auch das des ALR ist demgemäß weitgehend dispositiv; die Parteien können vor und während eines bestehenden Nießbrauchs jederzeit von diesen Regeln abweichende Vereinbarungen treffen. Dem Rechtsverhältnis zwischen Eigentümer und Nießbraucher liegt jedenfalls im Normalfall ein Vertrag zugrunde, der wechselseitig die Rechte und Pflichten bestimmt und durch allgemeine Postulate wie das Gebot des „alterum non laedere“ abgestützt wird. Dieser Vorstellung wechselseitiger Rechte und Pflichten entspricht, daß im Naturrecht – anders als im usus modernus – auch für die Ausübung eines Nießbrauchs eine Gegenleistung verlangt werden darf. Der Vorrang vertraglicher Vereinbarungen vor nahezu allen gesetzlichen Vorgaben kommt im ALR selbst für gesetzliche Nutzungsrechte dadurch zum Ausdruck, daß auch deren Inhalt sich vorrangig nach der Vereinbarung der Parteien richten soll. 2. Der Nießbrauch ist bis in den späteren usus modernus vor allem ein objektives Recht, die persönliche Dienstbarkeit, welche allen Gebrauch und Nutzen einer fremden Sache zu ziehen erlaubt. Diesem objektiven Verständnis von „ususfructus“ liegt die Vorstellung zugrunde, volles Eigentum setze sich aus den beiden Komponenten „nuda proprietas“ und „ususfructus“ zusammen. Letzterer Teil erfaßt Gebrauch und Nutzen, während das „bloße Eigentum“ die Sache mit allen Dispositionsrechten dem Eigentümer zuordnet; daher kommt dem Nießbraucher das ius utendi fruendi und dem Eigentümer das ius abutendi bzw. disponendi an der Sache zu. Auch wenn im späteren usus modernus diese Trennung in Bezug auf das Nutzeigentum aufgegeben wird – dem Nutzeigentümer wird nunmehr auch eine Mitberechtigung an der Proprietät zugesprochen –, bleibt die Vorstellung für den Nießbrauch leitend, daß mit dem „ususfructus“ ein „pars dominii“ vom Eigentümer auf den Nießbraucher auf Lebenszeit übertragen wird; das zeigt die Figur eines „ususfructus causalis“, den auch die Juristen des usus modernus nicht als einen Nießbrauch im eigentlichen Sinne ansehen. Erst im CMBC tritt mit der Befugnis des Nutznießers zu Gebrauch und Nutzen der Nießbrauch als subjektives Recht in den Vordergrund, wenngleich in Kreittmayrs „Anmerkungen“ weiterhin auch noch von einem „ususfructus causalis“ die Rede ist.

Schluß

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Im Naturrecht bildet die Duldungspflicht des mit einem Nießbrauch belasteten Eigentümers den Ausgangspunkt. Deren Inhalt bestimmt sich nicht mehr nach dem beschriebenen Eigentumsverständnis; vielmehr ist der Eigentümer zunächst zu jedem Verhalten in Bezug auf seine Sache befugt. Daraus folgt, daß er die Nutzungsbefugnis auch losgelöst vom Eigentum einem anderem einräumen kann. Es ist nicht mehr der „ususfructus“ als einer von zwei Bestandteilen des vollen Eigentums, der in seinem Umfang unverändert auf den Nießbraucher übergeht. Der Eigentümer kann im Naturrecht frei bestimmen, welche seiner Befugnisse in Ansehung der Sache er übertragen will und welche nicht. Mit Konstituierung eines Nießbrauchs verliert er nicht einen Bestandteil seines Eigentums; seine ursprüngliche Nutzungsbefugnis ist nur suspendiert. Der Eigentümer darf von ihr keinen Gebrauch mehr machen und muß dulden, daß der Nießbraucher die Sache im vereinbarten Umfange gebraucht und nutzt. Umgekehrt verstößt der Nießbraucher nicht gegen das Verbot des „neminem laedere“, wenn er sich im Umgang mit der fremden Sache an die Vereinbarung hält. 3. Eine wesentliche Zäsur, die sich auch in von usus modernus und früherem Naturrecht abweichenden Rechtsfolgen niederschlägt, bildet dann das Nießbrauchsrecht bei Thibaut. Vor allem seine Neubestimmung des Verhältnisses von usus zu fructus stellt weder eine Fortschreibung des früheren Naturrechts dar, noch ist sie zwingend aus den römischen Quellen abzuleiten; vielmehr nimmt Thibaut hier das Privatrecht in die Pflicht, ständische Auslegungsmaßstäbe zugunsten einer an der Gleichheit der Bürger orientierten Ausgestaltung ihrer Rechtsverhältnisse aufzugeben.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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B. Literatur

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Thieme, Hans: Art. „Allgemeines Landrecht“, in: HRG, Bd. I, Sp. 99–108. – Das heilige Römische Reich und seine Glieder. Ein Beitrag zum Problem des Föderalismus, in: JuS 1981, S. 549–556. – Das Naturrecht und die europäische Privatrechtsgeschichte, 2. Aufl., Basel 1954. – Die preußische Kodifikation, in: ZRG (GA) 57 (1937), S. 355–428. – Die Zeit des späten Naturrechts, in: ZRG (GA) 56 (1936), S. 202–263. – Natürliches Privatrecht und Spätscholastik, in: ZRG (GA) 70 (1953), S. 230– 266. – Zum 175. Geburtstag des Allgemeinen Landrechts, in: JuS 1969, S. 359–362. Thümmel, Hans-Wolf: Stichwort „Württembergisches Landrecht“, in: HRG, Bd. V, Sp. 1573–1580. Troje, Hans Erich: Zur humanistischen Jurisprudenz, in: Festschrift für Hermann Heimpel zum 70. Geburtstag am 19. September 1971, hrsg. von Mitarbeitern des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Zweiter Band, Göttingen 1972, S. 110–139. Trusen, Winfried: Römisches und partikuläres Recht in der Rezeptionszeit, in: Kurt Kuchinke (Hrsg.), Rechtsbewahrung und Rechtsentwicklung, Festschrift für Heinrich Lange zum 70. Geburtstag, 25. März 1970, München 1970, S. 97–120. Van der Walt, A. J.: Der Eigentumsbegriff, in: Robert Feenstra/Reinhard Zimmermann (Hrsg.), Das römisch-holländische Recht, Fortschritte des Zivilrechts im 17. und 18. Jahrhundert, Berlin 1992, S. 485–520. Voppel, Reinhard: Der Einfluß des Naturrechts auf den Usus modernus, Köln u. a. 1996. Wächter, Carl Georg von: Handbuch des im Königreich Württemberg geltenden Privatrechts, 1. Bd., Stuttgart 1839; 2. Bd., Stuttgart 1842. – Zur Lehre von den Früchten einer Sache, in: Erörterungen aus dem Römischen, Deutschen und Württembergischen Privatrechte, Erstes Heft, Stuttgart 1845, S. 55–87. Wagner, Wolfgang: Die Wissenschaft des gemeinen römischen Rechts und das Allgemeine Landrecht für die Preussischen Staaten, in: Helmut Coing/Walter Wilhelm (Hrsg.), Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Bd. I, Frankfurt a. M. 1974, S. 119–152. Waitz, Georg: Lehnwesen, in: Abhandlungen zur deutschen Verfasungs- und Rechtsgeschichte, herausgegeben von Karl Zeumer, Göttingen, 1896, S. 301–317. Weber-Will, Susanne: Die rechtliche Stellung der Frau im Privatrecht des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794, Frankfurt a. M. u. a. 1983. Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Erster Band, 1700–1815, 3. Aufl., München 1996. Weishaar, Jakob Friedrich von: Handbuch des Württembergischen Privatrechts. Dritte umgearbeitete Ausgabe, Erster Theil, Stuttgart 1831; Zweiter Theil, Stuttgart 1833.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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B. Literatur

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Sachwortverzeichnis Adventitiengüter s. bona adventitia Altenteil 120 Antichrese 63 Anwachsungsrecht 83 Beisitz 123 Besitz s. possessio bona adventitia 78 ff. Corpus iuris 24 custodia-Haftung 67 Darlehen 94 ff. Dienstbarkeit s. Servitut Dispositionsnießbrauch 55 dominium 194 – directum 194 – quasi dominium 61 – utile 194 Ehegüterrecht 118 ff. – deutsches Ehegüterrecht 117 ff. – Gütergemeinschaft 119 – römisches Ehegüterrecht 121 – Verwaltungsgemeinschaft 118 Eigentum 62 f. s. auch dominium und proprietas Emphyteuse 61 Erbrecht 117 ff. – im deutschen Recht 117 ff. – im römischen Recht 121 Ersatzpflicht 67 f.

favor – coniugis 193 – liberorum 193 Fruchtbegriff 48 ff. Fruchtziehungsrecht 50 f. fructus 48 ff. – industriales 48 – naturales 48 Früchte s. fructus fundata intentio 115

Gebrauch 65 s. auch usus Gegenseitigkeit von Rechten und Pflichten im Lehnsrecht 111 ff. Gemeines Recht 24 Grunddienstbarkeiten s. Praedialservituten Güterrecht, eheliches s. Ehegüterrecht

habitatio 60 Hausvater s. pater familias Herausgabepflicht 68

Inventarisierungspflicht 70 Ius 35 ff. – abutendi 54, 62 f. – ad rem 75 – in re 62 – in rebus alienis 39 – utendi fruendi 48 ius commune 24

Sachwortverzeichnis Kaution 69 – durch Bürgschaft 68 – durch Eidesleistung 69 – durch Pfandbestellung 68 – Verzicht 69 Kautionspflicht 68 ff. – Befreiung 69 f. – beim quasi ususfructus 94 – im Naturrecht Kodifikation 192 Konfusion 89 Konsolidation 89 Landrecht 114 Lastantragungspflicht 70 Lehen 102 f. Lehnsherr 109 f. Lehnsmann 104 ff. Lehnsrecht 102 ff. – Einfluß des Zivilrechts 108 f. Lehnsrechtsbücher s. Libri Feudorum Leibzucht 119 Libri Feudorum 101 Meliorationen 56 ff. Miete 63 – eines Nießbrauchs 63 Naturrecht 198 ff. – frühneuzeitliches 198 Nichtgebrauch 86 Nießbrauch 24 ff. – Abgrenzung zu anderen Rechtsinstituten 58 ff. – an den Adventitiengütern 78 ff. – Beendigung 83 ff. – der armen Witwe 82 – des überlebenden Ehegatten 82 – deutscher Nießbrauch 100 f. – Entstehung 72 ff. – Gegenstände eines Nießbrauchs 52 ff.

– – – – –

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im BGB 21 kraft Gesetzes 77 ff. nach der Emanzipation 81 Nießbrauchsdefinitionen 31 ff. uneigentlicher Nießbrauch 92 ff. s. auch ususfructus Nießbraucher 64 ff. – Dispositionsbefugnis 55 f. – Pflichten des Nießbrauchers 66 ff. – Rechte des Nießbrauchers 64 ff. – Rechtsschutz 90 ff. – Statusveränderung 85 non usus s. Nichtgebrauch Nutzeigentum s. dominium utile Nutznießung 173 ff. Nutzpfand s. Antichrese Obereigentum s. dominium directum pacta sunt servanda 232 Partikulargesetzgebung 114 f. Partikularrecht(e) 114 f. – Verhältnis zum gemeinen Recht 115 f. pater familias 78 ff. Personalservituten 28 – Arten 28 – irreguläre Personalservituten 61 Pflichten – des Eigentümers 71 – des Lehnsmannes 109 f. – des Nießbrauchers 66 ff. possessio 65 f. – civilis 65 – naturalis 65 – quasi possessio 65 Praedialservituten 30 proprietas 194 – nuda proprietas 109, 194

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Sachwortverzeichnis

quasi ususfructus 92 ff. – Abgrenzung vom Darlehen 94 ff. – Beendigungsgründe 99 – Entstehungsgründe 98 f. – Gegenstände 96 f. Recht 35 ff. – objektives 35 ff. – subjektives 35 ff. Rechte – des Eigentümers 71 – des Lehnsmannes 104 ff. – des Nießbrauchers 64 ff. Rechtsschutz 90 ff. – des Eigentümers 91 – des Nießbrauchers 91 f. Reparaturpflicht 67 f. Rezeption 24 f. – des Lehnsrechts – des römischen Rechts 24 f. – Gegenstand der Rezeption 25 – Methodenrezeption 24 – (Voll-)Rezeption 24 Servitut 28 ff., 35 ff., 43 f. Servitutenregeln 44 f. Stadtrecht 114 Stadtrechtsreformation 114 Standesgebundenheit 244 ff. Statutentheorie 115 f. Substanzerhaltungsgebot 52 ff. Superfizies 62 Systematik des Nießbrauchsrechts 28 ff.

usus 58 ff. ususfructus 21 – als Rechtsbegriff 27 f. – quasi ususfructus 92 ff. – ususfructus causalis 40 ff. – ususfructus feudalis 101 ff. – ususfructus formalis 42 – ususfructus iuris Germanici 100 f. – verus ususfructus 34 s. auch Nießbrauch ususfructus-Definition 31 – Deutschsprachige Varianten 32 – Kritik 32 – Präzisierungen 33 – Weiterungen 34 usus modernus 25 f. Vasall s. Lehnsmann Verbesserungen des nutznießlichen Gegenstandes s. Meliorationen Vernunftrecht s. Naturrecht Vertragsfreiheit 232 – Einfluß auf den Nießbrauch 232 – im Naturrecht 232 Vindikationslegat 74 Vindikationsrecht 108 Zweckmäßigkeit als Erfordernis eines Nießbrauchs 47