Der lange Arm Roms? Globale Verwaltung und Kommunikation im Jesuitenorden 1540-1773 3593393905, 9783593393902

Das 16. Jahrhundert erlebte eine enorme Zunahme von Verwaltungstätigkeiten mit neuen, teilweise bis heute vertrauten For

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Der lange Arm Roms? Globale Verwaltung und Kommunikation im Jesuitenorden 1540-1773
 3593393905, 9783593393902

Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Einleitung
1. Administratives Selbstbild
1.1. Die Ordensleitung »auf dem hohen Turm«
1.2. Der >papierene General

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Der lange Arm Roms?

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EL CO~EGIO DE MEXICO

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Markus Friedrich,Dr. phil. habil., ist wissenschaftlicherAssistent am Historischen Seminar der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Markus Friedrich

Der lange Arm Roms? Globale Verwaltung und Kommunikation im Jesuitenorden 1540-1773

Campus Verlag Frankfurt/New York

Gedruckt mit Hilfe der Deutschen Forschungsgemeinschaftund der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsehe Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-593-39390-2 Das Werk einschließlich aller seiner TeUe ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ühersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Copyright© 2011 Campus Verlag GmbH, Frankfurt am Main Umschlaggcstalrung: Campus Verlag GmbH, Frankfurt am Main Gedruckt auf Papier aus zertifizierten Rohstoffen (FSC/PEFC). Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.campus.de

Inhalt

Vornrort .................................................................................................................... 9 Einleitung ............................................................................................................... 11 1. Administratives Selbstbild: Konzeptionen infonnationsbasierter Herrschaftsausübung ...................................................... ,................................ 41 1.1. Die Ordensleitung »auf dem hohen Turm«: Monarchie und Zentralismus ........................................................................................... 43 1.2. Der >papiereneGeneral>perfekteInformation« erhalten und dürfte tatsächlich gut über die Angelegenheit Bescheid gewusst haben. 6 Der Konflikt um Jacob de Vos ist damit nicht nur eine Auseinandersetzung um Missionsstrategien und (weibliche) Frömmigkeit, sondern auch eine Episode aus dem Alltag der Herrschaftsausübung und des Regierens im Orden. Der Streit um den renitenten Jesuiten lässt erkennen, wie das Verhältnis der verschiedenen Hierarchieebenen in der Gesellschaft J esu war und wie Entscheidungen alltäglich gefällt wurden. Doch de Vos zeigte seinen Oberen und damit auch dem modernen Beobachter - zugleich ganz deutlich die Grenzen der eingespielten Verfahren auf. Estreix oder de Cama:rgo konnten nicht so einfach auf den einzelnen Ordensmann zugreifen, wie sich dies etwa im Ordensgrundgesetz, den Constitutiones,lesen mochte. Das Regieren der Ordensgemeinschaft war vielmehr ein komplizierter Prozess, der mehrere Hiera:rchieebenen über große Entfernungen hinweg koordinieren musste. Schriftlich erfolgende Berichterstattung an die geographisch ferne Ordensleitung in Rom war dabei von größter Bedeutung. Damit sind die hauptsächlichen Interessen der folgenden Kapitel bereits erwähnt. Es geht um Regierungspraxis und Herrschaftsausübung im Jesuitenorden und um die Rolle informationsvermittelnder Kommunikation in diesem Zusammenhang. Es geht um die institutionellen Strukturen und alltäglichen Praktiken der Entscheidungsfindung und um das Zusammenspiel der verschiedenen Hierarchieebenen innerhalb des Ordens. Es geht nicht zuletzt um eine Alltagsgeschichte von Politik, verstanden als Erzeugung bindender Entscheidungen, im Zeitalter der beginnenden Bürokratisierung. Das Vorhaben Hinter diesem Vorhaben steht das Anliegen, die häufig mit dem Schlagwort >Staatsbildung,bezeichneten spät- und nachmittelalterlichen Veränderungen in den Konzeptionen und Praktiken von Herrschaftsausübung noch einmal neu zu betrachten. Innovative Zugriffe auf dieses an sich ehrwürdige und seit langem beackerte Forschungsfeld wurden, nach Abkehr von einer vorwiegend institutionengeschichtlichen Perspektive, lange

6 Estreix an de Camargo, 29.5.1683, RAA Jes 2845, unfol: »perfecta infonnatio«.

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Zeit vor allem über sozialgeschichtliche Ansätze erfolgreich versucht. 7 In jüngsten Arbeiten wird dazu auch eine Reformulierung von Politikgeschichte als Analyse von symbolischem Handeln vorgeschlagen und vielversprechend exerziert.8 Im Unterschied dazu soll im Folgenden der Wandel in der Herrschaftsausübung seit dem Spätmittelalter beschrieben werden als enormer Ausbau von methodisierten Routinen zur Befriedigung obrigkeitlicher Informationsbedürfnisse, und zwar insbesondere auch zur Befriedigung von Informationsbedürfnissen über das eigeneGemeinwesen.9 Systematisierte Selbstbeobachtung ergänzte die Fremdbeobachtung. 10 Ein seit dem 12. Jahrhundert zu beobachtender Aufschwung von Schriftlichkeit im Allgemeinen und ein rasantes Anwachsen administrativer Korrespondenzen im Besonderen waren wichtige Grundlagen dieser Veränderungen. 11 Gründe für das wachsende Bedürfnis nach Information und den zunehmenden Einsatz von Schriftlichkeit zu Herrschaftszwecken wurden und werden in der Forschung viele genannt - die Rezeption des römischen Rechts, die der Schriftlichkeit inhärenten Potentiale zur Kontrolle und Machtsteigerung, die zunehmende ökonomische Aktivität, wachsende Komplexität der Verwaltungstätigkeiten, um nur einige der markantesten Thesen zu nennen. 12 7 Beispielhaft z.B. Rosso, B11rocraz,a. Vgl. Leverotti, Diplomazja.Für Spanien z.B. G6mez G6mez, Actam. Für Deutschland z.B. Holtz, Bildung.Scham-Schütte, Gei.stlithkeit. 8 Vgl. nur als exemplarischen Hinweis Stollberg-Rilinger,Kaiser. 9 Zur Geschichte von Information existieren bisher lediglich wenige umfassendere überblicke, vgl. z.B. Renouard, Information.Burke, Construzfone. Der wichtigste Titel zur Informationsgeschichte (der Frühen Neuzeit) dfufte derzeit Burke, Soda! History,sein. Brendecke/Friedrich /Friedrich, Informationsgeschichte. 10 Die Forschung zu Informationspraktiken der Frühen Neuzeit hat häufig vor allem die systematische Beschaffung von Kenntnissen und Nachrichten über andere, konkurrierende Gemeinwesen und Sozialverbände im Blick, so z.B. Zwierlein, Discorso.Das betrifft insbesondere auch die breite Literatur zur Spionage der Frühen Neuzeit, vgl. z.B. Bely, Espions,v.a. S. 51-287. Preto, I Servizj.Marshall, Intetligence. Praktisch alle Arbeiten zum Gesa.ndtschaftswesen behandeln seit Mattingly, Diplomary,den Botschafter als »10teU:1ge1:1ce officer«, so z.B. Levin, Agents, S. 154--182 oder Lutter, Kommunikatian,v.a. S. 93-122. Vgl. jetzt auch Friedrich, Drehscheibe. Zur Gewinnung von Informationen über das Gemeinwesen vgl. v.a. Arbeiten aus dem Kontext der Policey-Forschung, z.B. Holenstein, J>Gute Simon, J>GutePQ/icry((. Vgl. z.B. Löffler, Amtsträger, S. 185-217. Eine frühe, brilliante Studie bei Brewec, Sinews,v.a. S. 221-250. Vgl. jetzt auch de Vivo, Information. 11 Historisch wegweisend .z.B. Clanchy, Memory,und Keller, Kommunales Schriftgut.Wichtig weiterhin z.B. Schreiner, V ersi:hriftung. Melville,Funktion.Keller, Verändenmg. 12 Vgl. zu diesen Interpretationen und Themen z.B; Nelson, Scharff, SchriftZf'1' Kontrolle.Ders., Häretikeroe,falgung. Kaiser, Mqyen.Lepsius/Wetzstein, Akten.

EINLEITUNG

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Hier soll anhand der Gesellschaft J esu noch ein anderer Erklärungsansatz erprobt werden. Demnach wäre der systematische Ausbau von Machtzentralen zu administrativen Informationszentren zu verstehen als neues V erfahren, Herrschaftsansprüche der Obrigkeiten auch und gerade angesichts geographisch enorm ausgedehnter Einflussbereiche konzeptionell plausibel und praktisch wirksam zu machen. Die vorliegende Arbeit deutet die Investition der Jesuiten in ihr ordenseigenes Informationssystem deshalb in erster Linie als typisch frühneuzeitliche Reaktion auf die neuartig dringliche Erfahrung, dass der geographische Raum, seine herrschaftliche Kontrolle und Überwindung, eine wesentliche Herausforderung für Regierung darstellte.13 Der Aufschwung von Information als Herrschaftsmittel seit dem Spätmittelalter hängt dabei mit einer zunehmenden Abwesenheit der Herrscher zusammen, die sich einerseits aus einer allmählichen Abwendung von itineranter Entscheidungsfindung und Reisekönigtum ergab, andererseits vor allem aber Folge der seit 1492 enorm erweiterten geographischen Horizonte europäischer Herrschaft war, angesichts derer eine Anwesenheit der Letztentscheider vor Ort auch kaum mehr praktikabel gewesen wäre. Diese Entwicklungen sorgten dafür, dass nach neuen Strategien zur Umsetzung bestehender Herrschaftsansprüche gesucht werden musste. Das verstärkte Vertrauen in schriftliche Formen von Informationsakquise und Machtausübung war eine konzeptionelle und praktische Antwort auf diese neue Rolle des Raumproblems. Gerade im Zusammenhang der als atlantichistoryerneuerten Kolonialgeschichtsschreibung sind die Herausforderungen des geographischen Raums für europäische Gemeinwesen in den letzten Jahren intensiv erörtert worden. 14 Die V ersuche der an der europäischen Expansion Beteiligten, insbesondere den atlantischen Raum trotz und wegen seiner geographischen Ausdehnung und kulturellen Differenzierung als Einheit zu begreifen, sind mittlerweile vielfach untersucht worden - wenngleich administrative und politische Aspekte solcher Integrationsbemühungen dabei bisher eine untergeordnete Rolle spielen.15 13 Anregende Bemerkungen Zll1" konzeptionellen Ebene hierzu bei van Laak, IefraStruktu,guchichte.In eine ähnliche Richtung argumentiert auch Jucker, Trust. 14 Als Überblick vgl. Greene/Morgan, Atlantic History.VgLgrundlegend Armitage, Bailyn,Atlantic History.Als Fallstudien nach wie vor anregend Comi!f!,Over,v.a. S. 213-262 und Steele, Atlantic. »Interconnectedness« als Thema und These z.B. bei Altman, LJmrexrnr,u.;,v.a. S. 275. Vgl. das Sonderheft »Oceans connect« der GeograpbicaJ ReviewB9(1999), S. 161-313. Vgl. Pieper, Vermittlung. 15 Vgl. aber nun Banks, Chasing.Bethencourt, Po!iticalCorrupondence.

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Dass »Information« zum entscheidenden Thema politischen Handelns in der Frühen Neuzeit wurde, wird in dieser Arbeit also insbesondere darauf zurückgeführt, dass die Frage danach, wie Obrigkeiten ausgedehnte Räume herrschaftlich durchdringen könnten, im Zuge europäischer Expansion, intensivierter Herrschaftsansprüche und wachsender Immobilität der Herrschaftsorgane eine neue Dringlichkeit erhielt. In der neuen Dringlichkeit des Raumproblems für Herrschaft, so die Annahme und leitende Hypothese, liegt eine ganz entscheidende, bisher aber nicht immer angemessen gewürdigte Herausforderung europäischer politischer Kultur in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Letztlich, so ließe sich die These der Arbeit überpointierend zusammenfassen, ist die enorme Intensivierung bürokratisierter Informationsakquise in Regierungsmodellen der Frühen Neuzeit als Versuch zu werten, die überregionalen oder gar globalisierten politischen Ansprüche zu realisieren. Im Falle des Jesuitenordens wird sich jedenfalls ganz unmissverständlich zeigen, dass der Informationsapparat gerade deshalb in theoretischer wie praktischer Hinsicht überragende Bedeutung erlangte, weil ihm das Potential zugebilligt wurde, den zentralisierten Machtanspruch der römischen Ordensleitung über die global rende Ordensgemeinschaft denkbar zu machen und zu legitimieren. Indem sich Machtzentren wie die römische Ordensleitung der Gesellschaft Jesu- zu administrativen und politischen Informationszentren entwickelten, schien es möglich, dass zusehends immobile Obrigkeiten auch über sehr weit ausgedehnte Regionen herrschen konnten, obwohl (oder, wie zu sehen sein wird, gerade weil) sie selbst nicht regelmäßig oder nie vor Ort anwesend waren. Dass sich frühneuzeitliche Obrigkeiten als Agenten der Informationsakquise und als Informationsverwaltungen oder, im Sinne Bruno Latours, als administrative centm of calculationneu erfanden und dadurch zahlreiche neue Herrschaftspraktiken inaugurierten, ist in der jüngsten Forschung mehrfach bemerkt worden. Arbeiten zur Pressegeschichte beispielsweise haben zuletzt häufig eine Verbindung von Politik und Information hergestellt.16 Daneben haben auch postkolonial inspirierte Studien zur Frühen Neuzeit obrigkeitliche Informationstechnologien in den Blick genommen und diese als dezidiert europäische Herrschafts- und Unterdrück"l.l11gsprakti.ken interpretiert. Eine Reihe von wichtigen und anregenden Arbeiten

16 Ich verweise nur auf Duranton/Retat, Gaz.ettes et information politique.

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wurde aus dieser Perspektive verfasst. 17 Untersuchungsgegenstände und Fallbeispiele sind dabei häufig die großen, repräsentativen Endprodukte solcher Unternehmungen, also Landkarten, illustrierte Prachtpublikationen, Statistiken oder offiziöse Abschlussberichte. Häufig steht inhaltlich dabei die Erzeugung von kartographischem, demographischem und medizinischem oder botanischem Nutzwissen im Vordergrund, das als herrschaftsermöglichend und/ oder -konsolidierend verstanden wird.18 Auf diesen Ansätzen kann im Folgenden aufgebaut werden, doch wird in drei eng miteinander verbundenen Punkten eine kritische Abgtenzung notwendig sein. Zum einen ist vielen Arbeiten der eben erwähnten Ausrichtung entgegenzuhalten, dass sie vorschnell und unkritisch eine Identifikation von Information und Macht vornehmen. Es ist zwar richtig, dass frühneuzeitliche Obrigkeiten anstrebten,durch Informationsakquise ihre Herrschaft zu legitimieren und zu verdichten, doch dies darf nicht mit der faktischen Umsetzung und Umsetzbarkeit dieses Vorhabens verwechselt werden. 19 Information konnte für frühneuzeitliche Obrigkeiten eine wichtige und potentiell enorm herrschaftsfördernde Ressource sein, doch Information war dabei zugleich eine außerordentlich schwer zu kontrollierende, in ihrem tatsächlichen Nutzen kaum vorhersehbare und ohnehin jederzeit manipulierte Ressource. Sie war (und ist) gleichermaßen eine starke und schwache, eine wirksame und kontraproduktive Herrschaftsbasis, deren Effekte äußerst vielfältig und kaum eindeutig prognostizierbar sind. Es wird in dieser Arbeit entsprechend einerseits gezeigt, dass die Ermöglichung von Herrschaft über ausgedehnte Räume ein ganz wesentliches Motiv für die Entwicklung informations- und schriftbasierter Regierungstechnologien war, andererseits aber auch, dass dieser Anspruch aus verschiedensten Gründen zum (partiellen) Scheitern verurteilt war. Gerade die herrschaftsschwächenden und problematischen Implikationen eines papier- und informationsbasierten Herrschaftsmodells sollen im Folgenden besonders betont werden. Die zunehmende Abhängigkeit der Obrigkeiten von Informationspraktiken hatte im Sinne einer Herrschaftsverdichtung auch kontraproduktive Folgen, die freilich häufig erst allmählich sichtbar W7.uden.Ihnen gilt hier besondere Aufmerksamkeit.

17 Z.B. Bayly, Empi11!. Cohn, Colonialism. In postkoloniale:r Perspektive z.B. Guha, Politir:s. Mignolo, Darker Side. Kritisch dazu MacCormack, Wings.Solche Perspektiven prägen viele jüngere Arbeiten zu den Jesuiten, vgl. z.B. Clossey, Salliation.Bailey,Art. 18 Vgl. z.B. Cook, M.attm.Ogbom, IndianInk. Barrera-Osorio, Experiencing Nature. 19 Hierzu nun sehr dezidiert und überzeugend Brendecke, Imperiumund Empirie.

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Noch in einem zweiten Punkt gehen die folgenden Ausführungen über die meisten bisherigen Arbeiten zum Thema hinaus: Nur selten befasste sich die Forschung zur Entstehung des »frühneuzeitlichen Informationsstaates an Tasch, 2.4.1701, BHStAJes 687 I, unfol.: »Optarem certe ut omnes in petendis hinc rebus via ordinaria et consueta utarentur>Indifferenz«auf Anweisungen der Oberen zu warten. Deshalb war Ehrgeiz gefährlich. Viele Autoren erkannten allerdings offen an, dass dieses Laster ebenso ~1.eder Rückgriff auf »weltliche« Regierungspraktiken im Orden sehr wohl vorkam und großen Schaden anrichtete. Viele Jesuiten sahen hier, gerade bei den Oberen und ihrer Regierungspraxis, eine latente, dauerhaft schwelende Krise, der sie mit regelmäßigen Ermahnungen begegnen wollten. Vor allem anderen galt es als Aufgabe der Oberen, die Ordensmitglieder sowohl durch das eigene V o:rbild als auch durch den gezielten Einsatz von Züchtigung oder Ermunterung spirituell anzuleiten.102 Angeleitet durch Gebet, Regeln und eigene Erfahrung müsse ein guter Oberer deshalb immer wieder korrigierend eingreifen, wo Jesuiten vom rechten Weg abwichen. 103 Gerade wegen dieser geistlichen Verantwortung kam, nach Auffassung vieler Jesuiten, den Oberen eine fundamentale Bedeutung für den Orden zu. Ihrer spirituellen Fürsorgepflicht konnten die Oberen aber nur nachkommen, wenn sie die ihnen anvertrauten Jesuiten genauestens kannten. Das »Vordringen in die innersten Seelenwinkel« der einzelnen Ordensleute war für die Gesellschaft Jesu deshalb von besonderer Bedeutung. 104 Es wird noch zu erörtern sein, wie die Oberen diese Kenntnisse über ihre Ordensleute zu erlangen versuchten. An dieser Stelle ist zunächst nur festzuhalten, dass die nüchterne und gründliche Einschätzung der ihnen anvertrauten Jesuiten als grundlegende Voraussetzung für die Amtsführung aller Ordensoberen galt. Ihr Amt sollten die Oberen vorrangig auf »sehr süße Weise« ausüben.1°5 Suaviterwar ein Schlüsselwort für die Jesuiten, das die moralisch, spirituell und pragmatisch wünschenswerte Form der Machtausübung bezeichnete. Suavitersollten Entlassungen erfo]gen, Kollegien aufgelöst und Rektoren ermahnt werden. Die Kommunikation der Ordensoberen untereinander sollte ganz allgemein, besonders aber in kritischen Momenten suavitererfol102 EPG (1711), S. 207 (Acquaviva, 28.3.1587). Zum eigenen Vorbild vgl. Binet, Gouverne• ment,S. 102f. 103 EPG (1711), S. 75: )movitiatuscontinuus«. ebd., S. 209 (Acquaviva,28.3.1587). 104 >)Penetrationemintimicontre-coeur>unterdem Gebot des GehorsamsneuenThema« politischer Refle:xion.156 Doch in den Erfahrungen und Erörterungen der Jesuiten klangen viele Elemente des entstehenden gesetzgeberisch-kybernetischen Sozialverständnisses bereits deutlich an. Gerade Acquaviva griff mit seiner eingangs zitierten Beschreibung des Ordens als Uhrwerk auf die Maschinenmetaphorik voraus, die ,in den Politiklehren des 18.Jahrhunderts die Steuerbarkeit und Steuerungsbedürftigkeit aller Gemeinwesen zum Ausdruck bringen sollte.157

153 Erwähnt (31.7.1598)in ARSI FG 703 2a, fo}, 1lr. »Instruzione« für das Amt (ca. 1598): ARSI FG 678, unfoL (nr. XI/11). Hinweise oder Quellen zut Umsetzung habe ich nicht finden können. 154 Erwähntin RAAJes 249, Teil I, fol. 3v (nr. 37). Oniinationu(1595),S. 22. 155 Vgl. den Protest der Provinzialkongregatioo Toledos von 1603 und die Antwort Roms, die Philippart, Visite,m·,S. 224 aus ARSI Congt 45, fol. 291r zitiert. Aller Wahrscheinlichkeit nach bezog sich dies direkt auf die oben erwähnten >NormkontrolleureGute Policey«, S. 326--332. 157 Simon, );GutePoliCf!Y«, S. 534-539. Allgemein Stollberg-Rilinger,Ma.rchlne.

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Häufig waren es dabei die Jesuiten in den Provinzen, die wn immer neue Instruktionen, Normen und Vorschriften baten. 158 Viele Ordensleute fühlten sich mit klaren Vorgaben sicherer als ohne. 159 Gerade die hohen bürokratischen Ansprüche der Ordensleitung verursachten einen Strom von Anfragen in administrativen Belangen. Die Kurie, so wurde immer wieder gefordert, möge doch detailliertere Regeln erlassen. Statt auf eigenständige Initiative oder kreative Adaption setzten selbst hochrang:ige Jesuiten wie Petrus Canisius besonders in Verwaltungsfragen ihre Hoffnung auf römische Regelungen.160 Verfahrensbezogene Unsicherheit löste auch später Unbehagen aus. Wenn neue Vorgehensweisen eingeführt wurden, herrschte vor Ort oft die Besorgnis, den veränderten Anforderungen nicht mehr gerecht zu werden. 161 Gerade weil man die Vorgaben erfüllen wollte, forderte man präzise Anweisungen. V orschriftslosigkeit löst Unbehagen aus, bürokratische Regeln dienen der Aufhebung von Gewissenszweifeln die Gesellschaft J esu zeigte deutliche Zeichen einer um sich greifenden bürokratischen Mentalität. Alles in allem reflektierten die Jesuiten die Funktionsweise ihres eigenen Gemeinwesens kontinuierlich und gründlich. Die stringenten Constitutiones dienten dazu als Ausgangspunkt. Das Nachdenken über die dort grundgelegten Verwaltungs-, Herrschafts-, Sozial- und Verfassungsstrukturen des Ordens verdichtete sich zu einem administrativen Selbstbild, das nicht nur beschrieb, wie der Orden organisiert war, sondern auch erklärte, weshalb diese Organisationsform gewählt worden war. Dieses Selbstbild wies zwar 158 Drastisch z.B. die böhmische Provinzialkongregation 1693, ÖNB cod 11955, foL [6v]: }}Plerique;am in certis munijs Sodetatis reguntur etiam certis ac peculiaribus legibus, carent vero ijs regentes Convictuum, et Seminariorum: an non e re Societatis foret, si eorum quoque in usum certae Regulae scriberentur?« 159 Vgt z.B. eindringliche Bitten um Detailvorschriften von Canisius und Franz Xavcr, PCE V, S. 385, 389. Sievemich, S. 77. Vgl. zum Thema allgemein mit Blick auf das (späte) 18. Jahrhundert Di Fiore, Ltttere, S. 18-25. Hilfreich auch Pizzorosso, Lt choixindifferent. 160 PCE V, S. 192 (Canisius an Borgia, 14.2.1566). 161 Auf die l!,1t:ltutu:w1g neuer Abrechnungsformalitäten 1659 reagierten die Verantwortlichen in der Provinz mit zahlreichen Rückfragen und Rom klärte diese Punkte auf. Generalprokurator Gherardi an die Rektoren der Alumnate, 15.7.1659, ARSI FG 376, fol 93vf. Ders. an die Regenten von Dillingen, Isaias Molitor, und Prag, Johann Saxio, 8.11.1659, ebd., fol. 103rf.-104v. Georg T alhammer an den Provinzprokurator Tasch. 2.3., 6.4., 1.6. und 13.7.1700, BHStA Jes 687 I, unfol. über die Schwierigkeiten, sich einem neuen Abrechnungsformular anzupassen. Ein Beispiel für eine solche Bitte (mit römischer Ablehnung) in ARSI Congr 73, fol 214r.

ADMINISTRATIVES

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Bruchstellen und Widersprüche auf, war aber trotzdem von beträchtlicher Kohärenz. Die U nausgewogenheiten und Ambivalenzen dürften dabei bewirkt haben, dass eine flexible Handhabung von Einzelfällen möglich war. Gerade die konzeptionell außerordentlich schwierige Balance von Zentralisierungsanspruch und notwendiger Dezentralisierung dürfte in einer solchen argumentativen Grauzone erfolgt sein. Auch Apologeten konnten oft erstaunlich offen mit den Beschränktheiten und Leistungsgrenzen der gewählten Strukturen und Verfahren umgehen. Trotzdem gaben sie die Grundüberzeugung nicht auf, dass die Funktionsabläufe innerhalb des Ordens potentiell plan- und steuerbar seien, nicht zuletzt durch intensive Gesetzgebung. Acquaviva wollte dies 1594 durch Architektur- und Uhrwerksmetaphern an seine Zuhörer im CollegioRomano vermitteln. Dass all dies konkret durch eine monarchische und stark hierarchisch strukturierte Ordensverfassung umgesetzt werden sollte, dürfte zwar auch dem Zeitgeist entsprochen haben. Doch diese Präferenz wurzelte nicht nur in vagen kosmologischen Analogien und pauschalen Evidenzen. Eine monarchische Zentralverwaltung erschien Ignatius und Polanco auch ganz pragmatisch als optimale Reaktion auf die konkreten Herausforderungen ihrer Zeit. Eine starke, sesshafte Ordenskurie hatte in ihren Augen entscheidende herrschaftspraktische Vorzüge: Ihr wurde besondere Effizienz zugebilligt bei der Steuerung des Ordens als transpersonaler Einheit, zu deren Vergegenwärtigung die Kurie auf eine besondere, entlokalisierte Perspektive zurückgreifen konnte. Die Voraussetzungen und Konsequenzen dieser Strukturentscheidung wurden dabei ebenso wie ihre Probleme und Grenzen sorgfältig abgewogen.

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1.2. Der >papierene General>llbuon procedere si significa, non con eleganti parole [... ] et il tempo ehe si spende in trovar' scelti vocaboli, sarebbe meglio mettedo in altre cose piu fruttuose>gobiemoparticular« und distanzierten sich damit vom oben skizzierten »gobierno universal« und der dort zugrunde gelegten Wissenskultur gleichermaßen. 363 Damit wandten sie sich gegen die Auffassung von Polanco und Acquaviva, die daran glaubten, dass Information aus zweiter Hand in Briefen Grundlage guter Amtsführung sein konnte. Die Kritiker und die Vordenker der bestehenden Verwaltungsstruktur standen im frühneuzeitlichen Diskurs über die optimale Informationsbasis guter Herrschaft auf gegensätzlichen Seiten. Noch ein ganz konkreter Punkt machte das »Regieren mit Briefen«364 in den Augen der Kritiker grundsätzlich unmöglich - die teilweise enormen Transportzeiten. Viele Te."">Interpreten«der göttlichen Vorsehung. vgl. z.B. BHStA 16, unfoL (11.11.1581 an den Vizeprovinzial Mailands): »Recordet se fecisse votum obedientiae, quod requirit, ut permittat se regi a Divina providentia interpretata sibi per suos superiores.« Vgl. zum Gedanken der Christusstellvertreterschaft der Ordensoberen Höpfl, PoliticalThought,S. 28 mit O'Gorman, Obedience, S. 32, 62f. Blet, Note,S. 1lOf. Bauer, Perspectives, S. SH. 386 »que este vocablo obediencia ciega se muc.iasseen obediencia pertecta«, BNVE Mss Ges 977, fol 168r. 387 Von De Clavehabe ich nur ein handschriftliches Exemplar ausmachen können, vgl. BNE Mss 12156, das aber auf foL 204v mitten im Satz und mitten in Buch IV abbricht. 388 Vgl. zum Folgeoden auch die Zusammenfassungen in ACDF Index, Censura librorum 1570--1606,foL 370rv.

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389 Die notorischer Ungerechtigkeit kirchlicher Richter zu bewahrenoculisnon pateaot«, was sich auf den Besuch anderer Jesuiten bezieht: Institutum(1892) III, S. 64. Zur Entstehung von privaten Klosterzellen im Mittelalter vgl. Lentes, Vita Perfir:ta. 21 Vgl. z.B. BNVE Mss Ges 1172, fol. 95r-96v. Zu den Archiven Friedrich, Archive und Ders., Geog,rapl!J. 22 Gelegentlich (z.B. 1715) wurden zwei Historiographen genannt, ein lateinischer und ein italienischer. Mehrfach erwähnt wurden auch Gehilfen (Sodz)der Historiographen. Zur bisweilen komplizierten Auswahl geeigneter Historiographen vgl. die Schilderung in ARSI Hist Soc 25, fol. 44.r(1689). 23 Es dürfte nicht immer leicht gewesen sein, gutes (Hilfs-)Personal zu finden, vgl. z.B. Friedrich Ampringcr, Rom, ao Sebastian Grueber, München, 17:12.1678,BIIStAJes 655 I, unfoL: »Llberavi me etiam his diebus a molest:issimo Socio Coadiutore Elia du Ponceau; sum iam viduus.« Auch Possevino entlässt erst einmal seine Helfer, als er 1573 Sekretär wird, vgl. Donnelly, Possevino, S. 325. Die apostolische Visitation 1629 erwähnt 100 Menschen in der Casa, das Leitungspersonal besteht aus 24 Personen: General, 5 Assistenten, Sekretär und 5 Helfer, 5 Schreiber, Generalprokurator mit 7 Helfern, ARSI Rom 144, fol. 174fv.

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große Bedeutung für das religiöse und kulturelle Leben der Stadt Rom. 24 Ihr Engagement beispielsweise in der Fürsorge für Prostituierte, Arme und Pestkranke hatte eine lange Tradition, die bis in die Zeit vor der Ordensgründung 1540 zurückreichte. 25 Nach Kräften beteiligten sich die Casaund die Kurie auch an der Gefangenenseelsorge. 26 Bald war das Professhaus zusammen mit den anderen Häusern und Kirchen der Jesuiten außerdem fester Bestandteil der sakralen Topographie Roms geworden. Kardinäle und andere (Kirchen-)Fürsten speisten in den Niederlassungen des Ordens und lasen oder hörten Messen in seinen Kirchen. Prozessionen bezogen häufig die römischen Ordenseinrichtungen in ihren Ablauf mit ein. Im Mai 1700 beispielsweise war nicht nur der (neue) Papst Clemens XI., sondern auch der Großherzog von Florenz zu Gast. Solche prestigeträchtigen Ereignisse wurden enthusiastisch aus Rom in die deutschen Provinzen berichtet, auf dass sich auch die Jesuiten nördlich der Alpen an der Beliebtheit des Ordens erfreuen konnten. 27 Immer wieder ruhten in der Kurie die Amtsgeschäfte, weil solche Besuche und Aktivitäten anstanden. Rom war zudem nicht nur Sitz der Ordenszentrale, sondern auch :Mittelpunkt der 1567 gegründeten römischen Ordensprovinz. 28 Verschiedene Hierarchieebenen der Ordensverwaltung bestanden in Rom damit in unmittelbarer Nachbarschaft und Kontakte direkt mit der Kurie waren sehr leicht möglich. Dies hatte Vor- und Nachteile und verschiedene Regelungen befassten sich deshalb mit diesem Umstand. In Rom musste Kommunikation oft reduziert statt intensiviert werden. Auch der sonst in der Ge-

24 Die Eingebundenheit der Jesuiten in die Geschicke der Ewigen Stadt bedürfte in vielerlei Hinsicht einer genaueren Aufarbeitung. Ansätze dazu bei Lucas, Landmarking.Vgl. Dandelet, SpanishRome,S. 141-146, allerdings ohne Details. Eine hervorragende Quelle, an Hand derer die stadtrömische Dimension bearbeitet werden könnte, und die als Basis für die folgenden Eindriicke dient, ist ARSI Rom 197, fol. 2r-132v (f agebuch von Paolo Ottolin4 Gehilfe des Generalprokurators). Vgl. ARSI Hist Soc 23. Viele Hinweise auch im »Promptuarium« von Gregor Rosephius, vgl Foot Narr III, S. 481-577, z.B. 528f. (Lainez besucht das Collegio Romano 1564). Papst und Großherzog: Franciscus Coballius an Joseph Tasch, 29.5.1700, BHStA Jes 687 I, unfol. 25 O'Malley, Fir.rtJmtits. La.zar, Vin01ardefthe Lord. 26 ARSI Rom 145 II, fol. 398r-401v (undat.) gibt einen Überblick über Kerker und monatliche Gepflogenheiten. 27 Georg Kaut an Veihclin in München, 5.5.1666, dm 26471, fol. 95r-96r über den Besuch des Papst-Bruders und von fünf Kardinälen im "Romano. 28 Der Provinzial der Romanalebte im "Romano, vgl. die Adressen in ARSI Rom 50.

REGIERUNGSALLTAG

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sellschaft Jesu bevorzugte schriftliche Informationsaustausch war angesichts der geographischen Nähe eher kontraproduktiv. 29 Die Versuchung, eigene Angelegenheiten unter Umgehung der Dienstwege jeweils sofort direkt mit dem General zu besprechen, muss für die stadtrömischen Jesuiten groß gewesen sein. Um diesen Ansturm zu kanalisieren, richteten die Generale bereits früh spezielle Audienztage ein und ließen die nachgeordneten Oberen vorab sondieren. Auch wenn das Recht zur direkten Verhandlung mit dem General nicht bestritten wurde, sah man doch die Gefahr, dass die lokalen Angelegenheiten leicht die Aufmerksamkeit der Kurie absorbieren und so zu einer Konkurrenz ffu die Bearbeitung der negotiauniver1alia Jesu werden konnten. 30

Finanzierung der~rie undihreProbleme Eines der größten praktischen Probleme der Ordenszentrale war ihre Finanzierung. Diese Schwierigkeiten sind nicht zu verstehen ohne einen Blick auf die Typologie jesuitischer Niederlassungen. Einem Professhaus war es demnach im Unterschied zu den Kollegien und allen anderen jesuitischen Einrichtungen verboten, eigene Einkünfte zu haben. Die dort lebenden Jesuiten sollten ihren Unterhalt stattdessen durch Almosen bestreiten. Dieser Niederlassungstyp erwies sich langfristig als unpraktisch, das römische Professhaus blieb dem Prinzip aber treu..31 Ein eigener Fonds mit dauerhaften Erträgen konnte und durfte für die Ordensleitung im Professhaus deshalb nicht angelegt werden. Als Ordenskurie war die Ca.ra Profauadarum chronisch unterfinanziert. 32 Tatsächlich erhielt das Professhaus deshalb seit mindestens 1577 vom Generalprokurator Beiträge zur

29 Vgl. z.B. die Anfrage des römischen Provinzials an Acquaviva und dessen Anti.Von ARSI Epp NN 113, S. 199f. Die Regelung betraf das Verhältnis der Jesuiten der Romanazu ihrem Provinzial 30 Siehe »De diebus quibus Nostri P. Generalem adire possint« vom 28.3.1601 in ARSI Epp NN 113, S. 225. Die stadtrömischen Oberen sollten am Sonntag, andere Jesuiten am Freitag vorsprechen. 31 Vgl. z.B. ARSI FG 494, fol. 237r (Breve Relat:ione... ), McCoog, Insti.tutional History, S. 166-192 und BC Mss 2982, fol. 232v mit klaren Darstellungen. Renda, Beni,S. 60--67 zu Problemen und Zahlen. 32 Vgl. z.B. ARSI FG 494, fol. 216r, wo unter Punkt 2 detailliert aufgeführt wird, was man sich sparen könnte, wenn die Kurie nicht in der Ca.talebte. Der g,.nze Band ARSI Rom 144 dokumentiert die chronischen Geldsorgen. Zu Finanzproblemen um 1556/57 siehe Scaduto, LAinez.I, S. 49-59.

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Begleichung dieser Kosten. 33 Der Generalprokurator wiederum wurde von den Provinzen ausgestattet, außerdem durch Einkünfte aus dem in Rom verwalteten Vermögen zahlreicher jesuitischer Kollegien.34 Ein Teil der Kosten der Zentralregierung wurde also zumindest indirekt auf die einzelnen Provinzen oder Kollegien abgewälzt. In grober Missachtung eindeutiger Rechtsnormen legte man mindestens seit der Mitte des 16. Jahrhunderts außerdem einen Teil der Kosten für das Sekretariat auf die Provinzen um.35 Ebenfalls schwierig war angesichts der Finanzmisere oft die Bezahlung der Prokuratoren- und Generalkongregationen. Die angereisten Teilnehmer erstatteten dem römischen Professhaus jeweils die Kosten ihrer Unterbringung und Versorgung, wenngleich es immer wieder zu Streit über die Details kam.36 Oftmals konnte das römische Professhaus solche Versammlungen trotzdem nur durch externe Spenden finanzieren. 37 Um 1700 endete dieses System in einer echten Versorgungskrise der Casa Proftssa.Knapp die Hälfte des Etats war nun ungedeckt. 38 Umstritten war, ob diese Misere nicht Folge eines zu umfangreichen Personalbestan-

33 ARSI Inst 186c, S. 803f. über die Erhöhung auf 500 Scudi pro Jahr, zahlbar in zwei Tranchen. Knappe Notiz auch bei Alden, Making, S. 641. 34 ARSI FG 678, unfol. (nr. XIV: »De sumptibus communibus ortis ex Procuratora Generali An. 1693Amanuensis«,

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Unübersehbar ist, welche zentrale Stellung der Sekretär hatte, auch wenn er nicht unmittelbar selbst Entscheidungen traf. Jer6nimo Nadal hatte dem Amt in seinem Kommentar der Constitutiones zwar nur eine beschränkte und passive Rolle zugestanden. Der Sekretär sollte lediglich »Berichterstatter«, nicht aber Berater sein.88 Nur in unwichtigen und ganz eindeutigen Angelegenheiten dürfe er selbständig vorgehen. Durchgesetzt hat sich Nadal aber nicht. Beginnend mit Polanco erlangten die Sekretäre erheblichen Einfluss auf die Leitung der Gesellschaft Jesu. Gegen Nadals Einwand wurden sie zu wichtigen Beratern der Generale, Als solche scheuten sie sich nicht, offen die Entscheidungsfindung zu lenken und die Oberen zu »überreden«.89 Das Ordenssekretariat der Jesuiten folgte damit einem allgemein zu beobachtenden Trend. Die Sekretärstraktate der Zeit belegen, dass die traditionellen Kompetenzbereiche der Sekretäre Rhetorik und Komposition fürstlicher Korrespondenzen - um neue Aufgaben erweitert wurden. Nicht nur im Jesuitenorden erfolgte ein Ausbau des Amtes zur Schaltstelle der Informationsverwaltung. Darauf aufbauend wurden die Sekretäre bald auch zu politisch erfahrenen Ratgeberfiguren. 90 So war es kein Wunder, dass 1712 der Ordenssekretär als )>dereigentliche Vertrauensmann« beschrieben wurde, »auf den sich der General bei allen wichtigen Ordensangelegenheiten stützt«.91 Immer wieder gerieten die Sekretäre wegen ihres wachsenden Einflusses in Gegensatz gerade zu den Assistenten. Am größeren Prestige des Assistentenamtes bestand zwar kein Z weife!.92 Dennoch (oder gerade während dann keine Schreiber des Sekretärs genannt sind. Meistens aber sind die substitutiunter den Sekretären geführt. Ampringer an Grueber, 9.4.1678, BHStA Jes 655 I, unfol: »Secretarij assistentis officium iam deposui, quia Laus deo P. Assistens convaluit ex integro« (19.3.1678). Eine gewisse Zuordnung auch zu den Assistenten fordern die &gulae.rubstitutorum Setretariiin In.rtltutum(1892) III, S. 479 7): die sHbstitutiarbeiteten »praesente suarum Provinciarum AssistL'fltes,aut Secretario«. Der Sekretär als setzter der .rub.rtitutiin Institutum(1892) III, S. 61 42). 88 Nadal. Scho!ia,S. 288: »Onus hoc est Secretarii, non au[c}toritas«.Ebd., S. 288,497: Der Sekretär sei kein Berater, nur »Purus relator.« 89 Z.B. ARSI Hist Soc 25, fol 35r: »conatus fuit Secretarius persuadere Patti Nostra« (4.11.1691). 90 Dazu etwa Fiorato, Grandeur. 91 »Secretaire, emploi que l'on ne donne qu'a des gens d'une gmnde distinction, puisque c'est proprement l'homme de confiance, sur lequel le General se repose des principales affaires de l'Ordre«, so die Charakterisierung des Amts am Beispiel Possevinos bei Dorigny, Vie, S. 162f. 92 Explizit z.B. in NBPrag cod 2609, fol. r112rJ:»Pro Assistente defuucto dicenda. 3 sacra per Assistentiam, per reliquam Societatem unum, quemadmodum etiam [sc. unumJ pro

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deshalb) fühlten sich die Assistenten, die sich als die eigentlichen Berater des Generals verstanden, oft ausgebotet und übergangen. 93 Während die Macht der Assistenten auf ihrer Funktion als Repräsentanten ihrer Ordensprovi.nzen beruhte, basierte der besondere Einfluss des Sekretärs oft auf seinem Informationsvorsprung. Der Sekretär war in der Konkurrenz um Wissen und Information gegenüber den Assistenten häufig im Vorteil. Bereits in frühen Jahren protestierten die Assistenten hiergegen. Doch solche Proteste halfen nichts, wie ein Brief des Visitators Alessandro Valignano von 1576 aus Indien an den portugiesischen Assistenten Der informationelle Vorsprung des Sekretärs sei ganz natürlich: »Sie müssen nicht befürchten, dass ich Ihnen nicht vertraue oder mich von Ihnen abwende, wenn ich Ihnen weder allgemeine noch besondere Dinge brieflich mitteile, welche die Verwaltung dieser Provinz [sc. Indiens] oder Portugals betreffen. Ich tue dies nicht aus Missachtung, sondern weil ich vor allem mit dem General hierüber kommuniziere. Dieser vliederum entscheidet, welche Nachrichten er mit den Assistenten teilen möchte. Mein Verhalten in diesem Punkt betrifft im Übrigen auch nicht Sie allein, sondern auch alle anderen Assistenten, an die ich ebenso wenig über diese Angelegenheiten geschrieben habe. Und wenn ich bisweilen etwas an Pater Possevino [sc. den ::-,e1cre1tar1 geschrieben habe, dann deshalb, weil dieser mir im Auftrag des Generals geschrieben hatte. Und wenngleich ich ihm also gelegentlich einige Dinge berichtet habe, so war das doch nur selten und betraf besonders Sachverhalte, die ich in meinen Briefen an den General vergessen hatte. Und ich habe ihm [sc. Possevino] nicht als Privatperson geschrieben, sondern gewissermaßen insofern er den General vertritt, in dessen Namen er ja auch Secretario, q non prnpterea aequiparatur Assistentibus. 30 Octobris.« Ähnlich ebd., foL (114v] (9.7.1638) und ARSI Hist Soc 22, fol. 156r. Die Sonderstellung der Assistenten wird durch einen Vergleich ihrer Karrierechancen mit denen der Sekretäre deutlich. Von den 16 Generalen seit Borja, bei deren Wahl das Assisteotenamt bestand, waren 8 vorher Assistenten, aber nur 4 Sekretäre gewesen, nämlich Piccolomini, Gotri&edi, Tamburini und Ricci. Piccolomini und Gotrifredi hatten das Sekretariat lange vor ihrer Wahl niedergelegt und wurden als Provinziale gewählt. Nur Tamburini war aktuell Sekretär, als er 1703 Vikar-General (mit Nachfolgerecht) wurde. Weder Assistent noch Sekretär gewesen waren vor ihrer Wahl Acquaviva (Provinzial), Caraffa (Provinzial und Rektor des Col!egio Romano),Oliva (hatte bei seiner Wahl zum Vikar-General 1661 wohl kein Regierungsamt) und Gonzalez (]Missionar und Theologe, ohne jede Regierungserfahrung). Auch der umgekehrte Fall trat ein: Aussichtsreiche, aber erfolglose Bewerber für das Generalat wurden dem neuen General als Assistenten zur Seite gestellt, etwa 1646: Caraffa wird General, die anderen Prätendenten (Cartasde la Compania VI, S. 256: Pedro de Mendoza, Alessandro Piccolomini und Florent de Montmorency) werden Assistenten. 93 Zusammenarbeit fordern die &gulaeSecreta,iiin Institutum III, S. 60f. (nr. 37-40). Kritiken z.B. in .ARSIFG 700, fol 204r-205r, 208r.

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tnit mir kommuniziert. Und diese Praxis, nur tnit dem General zu kommunizieren, wurde schon vor Jahren in der Gesellschaft Jesu eingeführt.«94

Valignano berief sich korrekt auf das Regelwerk des Ordens. Der General sollte alle Korrespondenz in Rom erhalten. Ein Anspruch der Assistenten auf Information bestand deshalb nicht. Die Generale pflegten ihr Informationsmonopol durchaus bewusst und nutzten ihren \Vissensvorsprung gelegentlich aktiv gegenüber den anderen Kurienmitgliedem, um eigene Anliegen durchzusetzen. 95 Noch weniger bestand selbstverständlich ein Anspruch des Sekretärs auf Information, doch Valignano beschrieb, wie und weshalb das Amt dennoch zu einem außergewöhnlichen Informationszentrum werden konnte: Gerade weil der Sekretär kein eigenständiger Akteur, sondern die Verlängerung des Generals war, musste und sollte ihm mehr oder weniger der ganze Informationsfluss, der den General betraf, zugänglich werden. Die Generale gaben die Bearbeitung der Briefwechsel freilich nicht vollständig aus der Hand. Sie stöhnten zwar über die wachsenden Lektüreanforderungen, viele von ihnen versuchten aber doch, ihrer Rolle gerecht zu werden. Muzio Vitelleschi beteuerte 1621, dass ihm tatsächlich alle Korrespondenz ungeöffnet vorgelegt würde, woraufhin er die Siegel brechen und zumindest bisher auch alle Schreiben selbst lesen ·würde.96 Erst nachdem der General die Post überflogen hatte, wurde sie an die Assistenten,

94 Mon lnd X, S. 666 (6.11.1576):»Ne meno ha V.R. di sospettru:e ehe non confidi o non stia unito con esso lui, non li scrivo oe le cose particulari ne le comuni ehe appartengono al govemo di questa Provinzia o qui o in Portugallo, perche non resto di farlo per discondidaoza, ma perche lo fazo largamente con N. Padre, a1 quale s'appartiene communicare quello, ehe se li scrive e ehe gli pare, con li Padri Assistenti; et in questo io non ho tenuto altro modo eon V.R. di quello ehe ho tenuto con gli altri Padri, alli quali giamai non scrissi veruna di queste eose; e si alcuna volta ho toceato alcuna eosa scrivcndo al P. Possevino, e stato perche egli anchora mi scrive in nome di nostro Padre, e cossi si alcuna volta gli ho scritto alcuna cosa di queste, il ehe c stato molto di raro e de eose ehe mi eran dismenticato de scrivcre nelle lettere di Sua Patemita. E non le scriveva a lui come persona pacticulare, ma come all'istessa persona del Generale in cui nome egli malte mi scrive e mi risponde. Et uso questo di non tmttare le cose si non eon N.P. Generale, si per:ehe molti anni sono fu dato questo ordine nella Compagnia universalmente ehe non si scrivessero simil cosa alli Padri Assistenti ma solo al General.« 95 Informationsvorsprung des Generals (qua sok'-Sehreiben)betont und gegen einen Personalvorschlag von Eusebius Truchsess e1ni~sc~tzt durch General Gonzalez am 16,/17.5.1691, ARSI Inst 119, fol. 11rv. 96 Vgl. die Stellungnahme vom 8.2.1621, ARSI Epp NN 113, S. 340f.

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den Sekretär oder Generalprokurator weitergeleitet.97 Während die Assistenten vermutlich besonders solche Schreiben erhielten, die sich auf ihre Provinzen bezogen, bekam der Sekretär Schreiben mit Bezug auf alle Regionen und Sachfragen zu sehen. Obwohl die Assistenten, wie noch zu sehen sein wird, ihre eigenen Korrespondenzen pflegten, und obwohl der General auch an die Assistenten (und Generalprokuratoren) zahlreiche Schreiben weitergab, ist dennoch von einem Informationsvorsprung der Sekretäre in Rom auszugehen. V alignano erklärte dies, gegen den Protest des portugiesischen Assistenten, zum institutionell vorgesehenen Normal-

fall. Ob das Amtsverständnis und die alltägliche Rolle der Ordenssekretäre langfristig eine signifikante Veränderung durchmachte, ist angesichts der fragmentarischen Überlieferung kaum zu sagen. Nimmt man die vergleichsweise gut dokumentierte Zusammenarbeit von General Thyrso Gonz:ilez und Sekretär Aegidius Estreix am Ende des 17. Jahrhunderts als Maßstab, so scheint das bisher gezeichnete Bild auch damals noch im Großen und Ganzen zuzutreffen. Der erfahrene Estreix unterstützte den General entscheidend und beeinflusste im Detail viele der einzelnen Schriftstücke, Abläufe und Entscheidungen. Doch ist kaum zu entscheiden, ob Estreix tatsächlich zu einem echten Konkurrenten oder Rivalen des Generals geworden ist. Zumindest gelegentlich mag dies aber doch der Fall gewesen sein. Auch unter den Generalen Michelangelo Tamburini (reg. 1706-1730) und Franz Retz (reg. 1730-1750) gibt es heftige und sehr polemische Beschwerden über eine Sekretärsherrschaft in der Kurie. 98 Zumindest aus Sicht der Kritiker wurden die Vorzimmer der Macht in Rom immer größer und die Sekretäre isolierten die Generale mehr und mehr. Dass die Mitarbeiter des Generals tatsächlich ihre entscheidende strategische Position im römischen Kommunikationsgeflecht ausnutzten und sich zu eigenen Machtzentren neben den Ordensoberen entwickelten, die diese potentiell auch in den Schatten stellen konnten, ist demnach nicht auszuschließen, zugleich aber kaum im Einzelnen zu belegen.

97 Weiterleitung an Assistenten erwähnt z.B. in der unten FN 196 zitierten Anweisung. Weitergabe an Generalprokucator z.B. in ARSJ FG 371, unfol (Orta an Truchsess, 8.11.1704): »Da mano superiore m'e stata consegnata aperta una lettere di VR«. In,tit11t11m (1892)III, S. 60 (nr. 33). 98 Ich zitiere noch einmal den polemischen Text aus ASV Fondo Gesuitl 51, unfol. von 1750. Zu den ähnlichen polemischen Klagen gegen Estreix vgl. verschiedene Zitate bei Grandidier, GonZf1k~

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Prokuratoren in derKurie Die Institution der Ordensprokuratoren entstand im hohen I\fittelalter, als sich auch die ersten zentralen Ordenskurien in der Nähe zum Papsthof in Rom bildeten. 99 Der zunehmende Gebrauch römischrechtlicher Verfahrensformen bei den (päpstlichen) Gerichten machte rechtskundige Spezialisten - die Prokuratoren notwendig. Im Zuge ihrer eigenen institutionellen Verfestigung verlangte auch die päpstliche Kurie immer mehr die Einhaltung bestimmter formalisierter Verfahrensabläufe im Umgang mit ihr. Experten für den Austausch zwischen Ordenshauptquartieren und päpstlichen Behörden, die Prokuratoren, wurden unverzichtbar. Andere Repräsentanten lokaler Interessen wurden in Rom bald weitgehend marginalisiert.100 Die Erwirkung päpstlicher Privilegien wurde zur wichtigen Aufgabe der Prokuratoren. Schließlich setzte man diese Spezialisten für administrative Fragen auch dazu ein, die (finanziellen) Forderungen der Ordensleitung gegenüber dem eigenen Orden geltend zu machen. Im Großen und Ganzen fügte sich der jesuitische Generalprokurator in dieses Bild, auch wenn sein Einfluss geringer als in anderen Orden gewesen sein dürfte. 101 Das Amt galt als Vorposten des Ordens im Bereich des Weltlichen. Der Prokurator lebte in einer religiösen >>Grenzregiongeneral►De Consultatione« in AR.SI Inst 119, fol. 2r-3v. Hiernach die weiteren Informationen. Siehe die dazu passende Schilderung bei Pallavicino, Vindicationes,S. 348, was eine Datierung auf vor 1650 möglich erscheinen lässt.

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etablierte sich, der in erster Linie die Assistenten und den Sekretär umfasste, doch konnten weitere Sachverständige bei Bedarf hinzugezogen werden. 186 Wann immer es nötig war, wurde der Generalprokurator einbestellt. 187 Man verzichtete nun auf einen festen Rhythmus, die Treffen sollten nach Bedarf stattfinden. Allerdings mussten alle Zusammenkünfte vorab angekündigt werden, damit sich die Teilnehmer vorbereiten konnten. Die Beratungen waren inhaltlich bis zu einem bestimmten Grad geographisch geordnet, wenngleich dies kein sehr striktes Kriterium war. Häufig wurden aber etwa die Personalentscheidungen einer Provinz zusammen erledigt.188 Von der kollektiven Beschlussfassung in den consuitationes war kein Bereich der Regierungstätigkeit grundsätzlich ausgenommen. Consultationes wurden nicht nur für Fragen der Tagespolitik einberufen, bei solchen Treffen entstanden auch viele Gesetzestexte des Ordens. Die Normgebung der Kurie wurde oft durch umfangreiche Beratungen vorbereitet. 189 Sowohl der Sekretär als auch die Assistenten und häufig weitere, als sachkundig eingeschätzte Jesuiten beteiligten sich intensiv daran. Man tauschte Entwürfe aus, hielt zahlreiche consultationes über diese ab, suchte im Archiv ältere, relevante Schriftstücke. Eine große Sorgfalt herrschte bei der Produktion von Normen. 190 Ehe offizielle Instruktionen oder Regeln verkündet wurden, hatte in Rom meist ein intensiver, kollegialer Diskussionsprozess stattgefunden, bei dem der General nur ein Teilnehmer neben zahlreichen anderen war. Die Veröffentlichung von neuen Normen erfolgte des191 halb oft auch erst nach einer Approbation in den con.rultationes. 186 »Periti« in architektonischen Angelegenheiten erwähnt in ARSI Inst 119, fol. Sr (11.1.1691), ltr (24.3.1691). 187 V gLz.B. ARSI Bist Soc 20, fol. 33r (5.10.1599). 188 ARSI Inst 186c, S. 803 (ao 1577): »II mese di Gennaio si attese a trattare delle cose dell'India Orientale le quali sono al suo libro.« Dieses »Iibro« konnte ich nicht finden. Personalfragen an cinem Tag (17.3.1604, Germaniasuperiol):ARSI Hist Soc 21, fol. 12v. So generell auch in ARS! Rom 193. 189 Vgl. z.B. die Neuordnung der litteraeannuaeum 1650 in ARSI Inst 186a oder die oben bereits angesprochenen Dokumente zur Regulierut1gder Assistenzprokuratoren. Vgl. die Einbeziehung des Novizenmeisters von San Andrea in Rom bei der Neufassung der RBgulae magi'stri notdtiorum, ARSI Inst 119, fol. 19v. 190ARSI Inst 186c, S. 798-805: Sekretär Antonio Possevino zeichnete für 1576 etwa verschiedene Treffen über neue Vorschriften zum Briefverkehr auf. ARSI Hist Soc 20, fol. 35v-36v: Beratungen über Regeln für die Buchzensur (20.L 1600) und über eine Instruktion für den Archivar in Rom. 191 ARSI Hist Soc 21, fol. 31v: "si approvo le lettera di N.P. ad Superiores« (11.8.1604). ARSI Rom 193, fol. 60v: »Circularis de promovendis ad gradum placet« (6.9.1662).

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In der Sitzung selbst sollte der betreffende Sachverhalt vorgetragen werden, und zwar so, dass allen Beteiligten klar war, worum es ging. Dies war meist Aufgabe der Assistenten, die Rolle des Sekretärs war dagegen oft eher passiv.192 Nach dem Sachvortrag sollten alle Anwesenden der Reihe nach kw:z und knapp ihre Ansicht zum Thema äußern. Eine freie Diskussion konnte erlaubt werden, war aber in »christlicher Tugendhaftigkeit« zu führen. Je nach Ergebnis und Qualität der Debatte würde der General seine Entscheidung am Ende sofort kundgeben oder nicht. Die consultationes hatten damit eine klare Struktur, die sich direkt und auch ganz explizit an die Wahlzeit 3a der GeistlichenÜbungenanlehnte: Grundlage war eine klare, informierte und empirische Sachanalyse, deren Implikationen die Redner anschließend reihum abgewogen, ehe auf der Basis dieser Stellungnahmen eine Entscheidung erfolgte. Der methodisierte Entscheidungsfindungsprozess, den die Exerzitien für geistliche Belange vorgeschlagen hatten, ww:de in den consultationes auf den administrativen Bereich übertragen. Viele Beratungstreffen folgten in ihrem Ablauf dem vorgeschriebenen Schema. Am 20. April 1647 geschah etwa Folgendes. Diskussionsgegenstand war ein Streit zwischen den Kollegien in Rom und in Palermo um eine Erbschaft: »Nachdem der General und die Assistenten sowie andere [Jesuiten] in mehreren Sitzungen den Ausführungen der Streitparteien, vertreten durch P. Salernus für Palermo und P. Johann Papa Giattinus für Rom, zugehört hatten und nachdem diese [General und Assistenten] aufmerksam und mit Rechtsbeiständen alle schriftlich vorgebrachten Gründe der beiden Seiten erwogen hatten, stimmten die Assistenten in der letzten Sitzung jeweils einzeln schriftlich ab. Nachdem einer Zweifel äußerte, alle anderen aber offen für Rom \Xraren,wurde die Erbschaft dem römischen Kolleg zugesprochen.«193

192 Vgl. z.B. Institutum(1892) IIJ, S. 120f. (nr. 9, 10, 16). Sekretär »non interrogabatur, sed rogabat audiri« (11.1.1691), ARSI Inst 119, foL Br. So auch Institutum(1892) III, S. 470 (nr. 37). Sekretär als Redner z.B. in ARSI Inst 119, fol. 10r (8.3.1691), 10v (20.3.1691). 193 AR..51Inst 118, fol. 2r: »Postquam in controversia Collegiornm Romani et Panormitani super hereditate D. Vincentij Giastini, a P. N cum Omnibus Assistentibus alijque per plures sessiones auditi fuissent P. Salemus pro Panormitano et P. Jo. Papa Giattinus pro Romano: disceptantes; cumque ab ijsdem dillgenter f... ], et cum Jurisperitis examinate fuisseot ubicunque partis r:ationes, scripto tradite, ultima tandem sessione suffragium in schedula descriptum singuli Assistentes protulerunt; et uno tantum dubio, reliquis aperte faventibus, adiudicata est hercditas Collegio Romano.>einbisschen länger« über die Personalverteilung nachdenken, weil das Personal für Imola anderswo abgezogen werden müsse: »Um einen einzigen Jesuiten zu versetzen, muss man vielen anderen eben225 falls neue Aufgaben geben.,Nostro sa quanto volontiert io darei quesra sodisfatt:ione alle Signorie Vostre se io et havessi questa facolta [sc. der Personenveränderung!, ma questo tocca al Padre Provinciale di questa nostta Provincia di V enetia, il Padre Prospero Malavolti, il quale so ancho:ra ehe grandemente desidera di sodisfare alle Signorie Vostre, ma le necessita di questa Provincia non hanno comportato ehe fin adesso questo si habbi pomto fare.

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Imola erhielt erst einige Jahre später die gewünschte personelle Ausstattung. Doch wichtiger als die Details der Ereignisse sind hier Capraras Bemerkungen zur Provinzverwaltung. Der Bologneser Rektor betonte die hierarchische Struktur der Entscheidungsfindung. Er stellte seine im Vergleich zum Provinzial untergeordnete Position heraus. Doch wenngleich er im konkreten Fall keine Einflussmöglichkeiten für sich selbst sah, so darf die Rolle und die Selbständigkeit der Rektoren insgesamt nicht unterschätzt werden. 226 Provinziale und Rektoren verfügten jeweils über Kompetenzen, deren genaues Verhältnis im Alltag der regionalen Ordensregierung oft nicht einfach vorgegeben war.227 Beide Gruppen von Amtsträgern hatten erheblichen Einfluss auf die Geschicke vor Ort. Die Stadtverwaltung Imolas handelte also nicht unklug, als sie mit ihrem Anliegen auch an einen einflussreichen Hausvorsteher herantrat. Noch etwas anderes brachte Caprara zum Ausdruck. Er betonte die besondere Verantwortung des Provinzials für die Provinz als Ganzes. Der Provinzial sollte, wenn man Polancos Metapher fortdenkt, auf dem höchsten Turm der Provinz sitzen und sich durch diese Perspektive von den Rektoren unterscheiden. Den Provinzialen oblag die »universale« Planung für ihren Regierungsbezirk.228 Dies war ein Blickwinkel, der vor allem ihnen und nicht so sehr den Rektoren zu Eigen sein sollte. Die Rek-

Perche se s'havessero a mandare soggetti ehe non importasse molto di ehe qualitasi fossero, questo saria facile; ma l'havere a mandare persone, ehe habbino a govemare bene, nel spirituale e nel temporale i nostri, et dare aiuto et sodisfattione alla citta, massime nelli primi prindpii, et fondamenti, dove vi sono piu difficulta et temporali, bisogna ehe pensino ehe a questo vi volle un poco piii di tempo, perche bisogna levargli d,altri luoghi, a quali bisogna anco provedere, et alle volte per mutame uno, bisogna mutame moltl«. 226 Rectore.r, Syperioresund Praepositi sind im Orden begrifflich genau unterschieden, je nachdem welchem Typ von Ordensniederlassung sie vorstehen, einem Kolleg, einem Professhaus oder anderen Häusern. Der Einfachheit halber verwende ich die Begriffe »Rektor«, »lokaler Oberer« etc. aber ohne diese Differenzierung, sofern es nicht genau auf den Unterschied ankommt. Zur Terminologie vgl. die Bemerkung in Po-Chfa Hsia, Letters,S. 200: >>nousne nous servons point en Fr:ance parmi nous du terme de Prevost [sondern Supr!rieur, M.F.], quoy que ce soit celui qui repond au latin praeposituSautomatischen< Korrespondenzen aus den Provinzen an die Kurie, die sich dadurch häufig angemessen informiert sah. In den allermeisten Situationen scheint diese gewöhnliche Form der Informationsbeschaffwig die Bedürfnisse Roms ausreichend befriedigt zu haben. Doch gelegentlich reichte dieses Verfahren der Nachrichtenakquise nicht aus. Dann startete die Kurie besondere Informationszyklen. Spezielle Umfragen zu einzelnen Themen wurden in solchen Fällen an die Jesuiten vor Ort gerichtet mit der Aufgabe, wngehend entsprechende Information zu beschaffen und nach Rom zu schicken. Im Unterschied zur Augenscheinnahme durch den Provinzial auf

Dem mobilet1 Charakter entsprechend kamen vielmehr jene Niederlassungen, in denen sich der Obere gerade aufhielt, für alle Bedürfnisse und die Reisekosten auf. Zusätzlich wurden allerdings doch bestimmte Geldsummen, etwa aus Schenkungen, speziell für den Provinzial reserviert. Außerdem kam den ausgezeichneten Kollegien eine besondere Verpflichtung zur Ausstattung des Provinzials zu. Für die geographisch wesentlich stabilere Provinzprokuratur war ohnehin eine U mlagc auf alle Kollegien vorgesehen. Das galt auch für die Ausgaben der Provinz insgesamt, zu deren Begleichung manche Provinzen zudem sogar eigene Güter besaßen, vgl. für Amerika Cushner, Lords,S. 149. Ders., Ranches,S. 127-132. Zur Finanzierung der Provinz gab es in Oberdeutschland Dreijahresbeiträge, vgl. BHStA Jes 995 (1651, 1655, 1658). Viele Niederlassungen blieben hinter ihrer taxa ordinaria zurück oder bezahlten gar nichts. Die Kalkulation ist konfus, die Summe aus Einnahmen und Ausständen ergibt nie den Sollwert von 2.616fl. Speziell zu den (Provinz-)prokuratoren Wielewicki, Diarium (1609-1619), S. 308 (Vitelleschl 1619 an Polen). Galan Garcla, Sevilla,S. 78. dm 24772, S. 107f. CG II D. 82 (p.e.), S. 129, zitiert von Acquaviva 8.10.1588, ARSI Epp NN 113, S. 157. McCoog, InstitutionalHistory,S. 228f.

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seinen Visitacionsreisen wurden die lokalen Verhältnisse hier auf besondere, fallweise Aufforderung der Zentrale hin inspiziert. Solche Enquetes kamen immer wieder vor. 27 Zur punktgenauen Information über lokale Ereignisse forderte beispielsweise General Vincenzo Caraffa 1647 Gutachten ausgewählter Ingolstädter Professoren an, die über den aktuellen Zustand der dortigen Universität berichten sollten, über den man in Rom mehr Klarheit wünschte. 28 Auch zur Aktualisierung der Bibliographie aller jesuitischen Publikationen, die (mindestens) seit der Amtszeit von Nathanael Southwell als Sekretär (um 1650) veröffentlicht wurde, forderte General Gonzalez alle Provinziale zur Hilfe auf.29 Auch die Provinziale waren jederzeit in der Lage, innerhalb ihrer Regierungsbezirke solche Umfragen durchzuführen, \\-"1ebeispielsweise die Versendung von drei Fragebögen zur Ökonomie der Niederlassungen in der Flandro-Belgica 1694/95 zeigt.30 Weit aufsehenerregender sind einige universale Umfragen im gesamten Orden. Zwei solcher Enquetes sind besonders gut dokumentiert, die Nachfrage bei allen Provinzen nach aktuellen Nlissständen (detrimentaSocietatis)von 1606 und die Umfrage zu den Lehrproblemen (de unijörmitate doctrinae) von 1612/13. Es ist gewiss kein Zufall, dass sie unter Claudia Acquaviva stattfanden: Beide bezeugen sowohl die Stärke der zentrifugalen Kräfte gerade während seiner Amtsführung als auch die besondere Vorliebe des Generals aus Atri für administrative V erfahren.'.HIm Folgenden sind vor allem die Vorgehensweisen, weniger die Inhalte der jeweiligen Stellung27 Vgl. für die Rektoren der päpstlichen Alumnate z.B. de Noyelle an Truchsess (und andere Provinziale), 20.2.1683, ARSI Germ Sup 10, foL 445:r.Auch auf Fo:rderung der Päpste hin waren solche Umfragen möglich, z.B. 1640/41 nach den Benefizien, die mit denJesuitenniederlassungen verbunden waren, ARSI Germ 119. 28 Caraffa an Rektor Veihelin, 27.7.1647, dm 26471 II, fol. 3rv. Caraffa an Keppler, 28.9.1647, ebci, fol. 8r-9v. 29ARSI Epp NN 9, S. 60 (18.1. und 15.3.1698), 114 (22.1.1724). Dazu vgl Danieluk. Histon"ouaphie. Was jeweils im Einzel.neo aufzunehmen war, bedw:fte u.U. vor Ort der Klärung. So betonten z.B. die Consuetudines GymnasijSocietatisJesu Constantiaevon 1684, auch die Periochen der Schultheaterstücke sollten in die Publikationskataloge aufgenommen werden, E:rzbischöflichesArchiv Freiburg A 4, ur. 272, S. 26. 30 Material enthalten in RAA Jes 245. 31 Detrimenta;DS VIII, S. 985-994. Mostacdo, )>Gubernatio spiriltlaliSessere1acosa in se impo:rtante per 1anotitia dello stato dela Compagnia«. Acquaviva verteidigte seine Neuordnung, ÖNB cod 11954, foL [Sv]. 102 Monita ad ConJuitores derati'one.rmbendiad RP.N. Generalem, 27.8.1594, ARSI Epp NN 113, S. 194. Oliva an die böhmische Provinz (13.2.1669): Geschrieben werden sollte Ende Dezember, nicht erst im Januar, ÖNB cod 11956, fol. 14r. Schon vorher (1572) in Pol Compl II, S. 145. 103 Briefe vom 8.9. und 11.10.1631, ARSI Germ Sup 6, S. 379, 392. Brunner ist erwähnt in Vitelleschis Dankesbrief an den r:onmltor Paul Zehentner, 19.4.1631, ebd., S. 344. 104 Rosephius an Acquaviva, 15.10.1593,ARSI Germ 171, foL 287rv. 105 Vgl z.B. Theodor Maen, Roremond, an Provinzial van Schoonen, 20.3.1674, RAA Jes 62, unfol. 106 Vgl. v.a. ARSI Germ 110. Häufig wurde zugegeben, dass die Schreiben keiner inhaltlichen Antwort bedürften, z.B. Vitelleschi an Christopher Lutz in AugsbUI"g,22.2.1631, ARSI Germ Sup 6, S. 326. Zwei (nichtssagende) Schreiben des CansultorJohann Rhetius über den Kölner Rektor Kessel an Botjia, 6.12.1570 und 3.9.1572, in Hansen, Akten, s. 590,630.

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im Unterschied zur ausführlichen Reaktion auf die Schreiben der Rektoren und Provinziale - wohl nur selten.1°7 Dies muss nicht unbedingt eine völlige Missachtung dieser Briefwechsel bedeuten, lässt aber doch auf ihren weniger direkten Beitrag zur römischen Entscheidungsfindung schließen. Vermutlich handelte es sich in erster Linie um eine Kontrollkorrespondenz, deren Potential vor allem darin lag, gegebenenfalls als Bewertungsmaßstab der hauptsächlichen Informationskanäle zu dienen. Rom wachte deshalb trotzdem aufmerksam über Inhalte, Form und 108 Fehlende Regelmäßigkeit des Informationstransfers durch die consu!tores. oder unvollständige Briefe wurden beklagt, etwa als die Dillinger consultom 1657 ·versäumten, auch über die Universität zu berichten.1°9 Die Kurie hatte durchaus genaue Vorstellungen, worüber sie informiert werden wollte. Kurz vor der Aufhebung des Ordens, wohl in den 17S0er Jahren, wurde deshalb ein sehr ausführlicher Formularvordruck für diese Korrespondenzen entwickelt, der die Berichterstattung stark formalisierte. 110 Ähnlich präzise insistierte man in Rom auf der korrekten Einhaltung der V erfahren zur Informationsgewinnung. Typischerweise war das Amt dreifach besetzt und jeder consultorhatte einen eigenen Bericht zu schicken. 111 Es wurde ausdrücklich verboten, dass die con.rultores sich über ihre Vorgesetzten austauschten. Drei voneinander unabhängige Stellungnahmen sollten

107 ARS! Germ 110 II, fol. 358v (17.2.1657 an Grandius): »multam hausi notitiam Collegii, qua in eiusdem commodum et omamentum diligenter utarn. ebd., fol. 359r (Nickel an Ernst, .Amberg); Dankt für die Nachrichten, »conabor ea convertere in eiusdem utilitatem«. Theoretisch bedankten sich die Generale bei allen beteiligten Consu/tores,gelegentlich wurden mehrere gleichlautende Antwortschreiben verschickt, z.B. an Joseph Guldiman und Petrus Riederer in Luzern, 12.1.1709, ARS! Germ Sup 12 II, fol. 156v. 10B»argumentum displicet«, so Nickel an Johann Fuchs, Fi::eiburg/Br, 10.2.1657, ARSI Germ 110 II, fol. 357v. 109 Nickel an Heinrich Wagnereck, Dillingen, 17.2.1657, ARSI Germ 110 II, fol. 358v. 110 Erhalten hat sich ein einziges Exemplar, eingebunden am Ende von ÖNB cod 11950. Zu älteren, handschriftlichen Fragelisten eine Bemerkung bei McCoog, Institutionai Hittory,S. 36. 111 Zur Qualitätssicherung bei diesen Schreiben siehe dm 26490, S. 10 (nr. 8). Vitelleschl setzte 1631 gleich den Provinzial auf die Burghausener Consultores an, die hier in Verzug geraten waren, 19.4.1631, ARSI Germ Sup 6, S. 344. Ähnlich an Gerhard Deininger, Rektor in Konstanz, 8.3.1631, ebd., S. 331.

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Rom eneichen. 112 Aus der Kollegialität des Amtes folgte keine kollektive Informationsgenerierung. In der Praxis kollidierte diese Kontrollfunktion der consulto~s-Briefeoft mit einem anderen Prinzip, dem der Dienstwege. Die lokalen consulto~s hatten nicht nur jährlich dem General, sondern halbjährlich auch dem Provinzial zu schreiben, der einschlägige Kritikpunkte unter Umständen an die Verantwortlichen vor Ort zurückleiten konnte.1 13 Die Consultoresdurften heftige und deutliche Kritik üben, sollten dies aber gegenüber der richtigen Stelle tun - und dies war nicht in jedem Fall sofort der General in Rom. Georg Ernst aus Regensburg beispielsweise wurde 1631 hierüber von Muzio Vitelleschi belehrt, nachdem er direkt an den General geschrieben hatte. Ob Ernst etwa dem Provinzial misstraue? 114 Deutlich sichtbar ist an dieser Episode, für die es zahlreiche Parallelfälle gibt, dass Rom die Einhaltung der vorgeschriebenen Verfahrenswege forderte und gleichzeitig den eigenen Anspruch nach Überblick aufrechterhalten wollte. General Vitelleschi und Georg Ernst hatten diesbezüglich allerdings unterschiedliche Vorstellungen, in welchem Verhältnis die Prinzipien von zentralisierter Machtkonzentration und regionalisierter Teilautonomie der Provinziale genau zueinander standen. Die administrativen Brienvechsel dienten demnach in der Gesellschaft Jesu nicht zuletzt auch immer wieder dazu, die genaue Balance zwischen Ordenskurie und den Oberen vor Ort neu zu bestimmen. 1fü den consultores-Briefenwar ein dritter regelmäßiger, formalisierter Informationsstrang vorhanden, der Rom und die Provinzen verband. Er wurde seitens der Generale, die an seinem konekten Funktionieren großes Interesse zeigten, sehr wohl gepflegt, selbst wenn ihre Reaktionen auf die Schreiben meist eher verhalten waren. Das komplizierte System von Bera112 dm 27440 II, fol. 4r. Allerdings sollten die Schreiben in einem Faszikel versandt werden, nicht einzeln und zeitversetzt, so z.B. der po]nische Provinzial Ignatius Moszynski 1758, ÖNB cod 12025, S. [B70]. 113 Mon lnd IX, S. 720. Allerdings hatte Acquaviv-a1600 eine dreimonatige Berichtspflicht für alle Consultores bestimmt, vgl. ARSI Rom 1, unfol. (nr. 17). Rom 205, fol. 22rv. Epp NN 81, fol. 26r. 114ARS1 Germ Sup 6, S. 329 (1.3.1631). CG VII, D 12, S. 252. Gleichwohl benutzte Rom die Infonnationen Ernsts wohl unmittelbar, vgl. Vitelleschis Rüge an Rektor Gall in Regensburg, 15.2.1631, ARSI Germ 111, fol. 124r. Die Informationsquelle hierfür war auf keinen Fall Gall selbst, von dem man seit Juli1630 (!) nichts mehr gehört hatte, so ARSI Germ Sup 6, S. 329, 349. Ob der Provinzial Rom informiert hatte, kann natürlich nicht mehr festgestellt werden, Vitelleschi erwähnte den Fall aber nicht in seinen Schreiben an den Provinzial.

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tungen und Beratern, das sowohl Ratschlag wie Kontrolle erlaubte, 'WUt'de auch an dieser Stelle trotz aller Floskelhaftigkeit ernst genommen.

Briefwechsel mit denAuittenten und demGeneralprokurator Zur Kommunikation lokaler und regionaler Amtsträger mit den anderen römischen Kurienmitgliedem kann man nur einige verstreute Informationen zusammentragen. Die (deutschen) Assistenten haben keine geschlossene Überlieferung hinterlassen und die Briefbücher der Generalprokuratoren sind lückenhaft. An eine statistische Auswertung ihrer Kommunikation ähnlich der Generalskorrespondenz ist deshalb nicht zu denken. Die Kommunikationsdichte lokaler und regionaler Amtsträger mit dem Generalprokurator war insgesamt wohl nicht besonders hoch, der Austausch konnte sich aber ad hoc stark verdichten. Bei der relativ intensiven Korrespondenz des Amtsträgers Lorenzo de Paolis 1631 mit Oberdeutschland beispielsweise ging es um eine ganz typische Aufgabe des Prokurators, die Beschaffung von päpstlichen Dokumenten, hier eines propriomotufür Pietro de Malaspina in Innsbruck. 115 Die Besorgung von Privilegien brachte den Generalprokurator immer wieder mit den Jesuiten in den Provinzen in Berührung. 116 Auch die meisten anderen Briefwechsel oberdeutscher Ordensmitglieder mit dem Generalprokurator hatten solche konkreten Einzelanlässe: 1598/99 drängte Rom die Augsburger Jesuiten hektisch zur Beschaffung und Überstellung von Uhren, hundert Jahre später (1696) dominierte der Bollandist Daniel Papebroch in Antwerpen wegen der Verurteilung seiner Werke durch die Inquisition die Korrespondenzen völlig.117 Viel intensiver als mit den Generalprokuratoren waren die Jesuiten der oberdeutschen Provinz wohl mit ihrem zuständigen Provinzoder Assistenzprokurator in Rom verbunden, selbst wenn dies heute nur

115 Briefe an und von Malaspina: ARSI FG 374 II, foL 296v, 299rv, 300v, 302r, 303v etc. In

der gleichen Sache auch Schreiben an Provinzial Welser (ebd., fol. 303rv) und an Johann Mocquetio in Innsbruck (ebd., fol. 302rv). Originale von de Paolis auch in LHA. KO 117/440. 1161715 besorgte Francisco Orta für Grimaldi ein besonderes Missionsprivileg, auf das dieser in Smyrna wartete, ARSI FG 371, unfoL (12.3.1715).Dort weitere Schreiben in dieser Angelegenheit. 117 Augsburg: ARSI FG 373, passim (unpag). Empfang bestätigt am 3.4.1599. Papebroch: ARSI FG 378, unfol.

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mehr in Bruchstücken überliefert ist.118Mindestens in Einzelfällen kam es darüber hinaus auch zu Kontakten von Rektoren mit regional nicht für sie zuständigen römischen Prokuratoren.1 19 Über die Verbindung lokaler und regionaler Amtsträger mit ihren Assistenten in Rom ist noch weniger zu sagen. Dass solche Kontakte bestanden, ist oben schon am Beispiel von Theodor Busaeus und seiner Briefsammlung gezeigt worden. Manche Vorschriften deuten auch hier auf Regelmäßigkeit hin. 120 Nimmt man die wenigen vorhandenen Indizien zusammen, so dürfte es sich um eine einigermaßen konstante Kommunikation mittlerer Frequenz gehandelt haben. 121 Gelegentlich lassen sich auch Verbindungen zu fremden Assistenten in Rom nachweisen, die dann im Einzelfall allerdings oft einer etwas umständlichen Anbahnung bedurften. 122 überhaupt ist zu beobachten, dass Kontakte innerhalb des Ordens, gerade wenn sie außerhalb der eingefahrenen Wege oder über Provinzgrenzen hinweg verlaufen sollten, immer wieder umständlich vermittelt werden mussten. 123 Auch innerhalb des Ordens existierten unterschiedliche Grade nicht nur an geographischer, sondern auch sozialer Nähe. Regelmä118 Es existierten Briefwechsel zwischen lokalen oder provinzialen Prokuratoren in den Provinzen mit provinzialen oder assistenzbezogenen Prokuratoren in Rom, vgl. z.B. Std.AK Jes 1828 Qokale Prokuratoren in Köln mit dem Assistenzprokurntor in Rom), BHStA Jes 655 I/II (provinziale Prokuratoren in GermaniaSuperiormit dem Assistenzprokurator in Rom). 119 Ein Brief des spanischen Prokurators Caneda aus Rom an den Rektor von Ingolstadt, Jakob Willi, ist beispielsweise erwähnt im Schreiben von Gonzalez an Willi vom 9.7.1690, ARSI Epp NN 41, S. 65f. 120 dm 27440, foL 383v: vierteljährliche Sehreihepflicht. Ähnlich auch für den Provinzial ebd., fol. 318v. 121 ln etwa vier Monaten schrieb der Assistent Busaeus z.B. dreimal an den Rektor Ingolstadts, Glückl, nämlich am 29.12.1635, am 1.3.1636 und am 26.4.1636, dm 26471 I, fot 22rv, 26rv, 25rv. Vom Assistenten Schorrer haben sich an den (Sodurdes) Provinzial V eihelin drei Briefe aus 26 Monaten erhalten (BHStA Jes 665, unfol. enthält Briefe vom 12.12.1654 und 26.9.1655, BHStA Jes 256, fol. 32r einen Brief vom 3.2.1657). De Noyelle schrieb an Veihelin 1666 immerhin dreimal, am 8.5., 22.5. und 14.8., siehe dm 26472 II, fol. 91r-93r. Dort noch weitere Einzelstücke. Gelegentlich kam es offensichtlich zu intensiven Kontakten, so werden drei Briefe in kurzer Folge(?) des Assistenten an den Provinzial Rosephius erwähnt im Schreiben Acquavivas an diesen, ARSI Germ Sup 3, fol. 147rv (12.11.1605). Vgl. auch die teilweise häufigen (13 Schreiben 1680) Briefe de Noyelles an Papebroch in Antwerpen, in Joassart, Oliva. 122 Franciscus Roll (Minister Luzerns), bittet den Provinzial Waib~ in Geldangelegenheiten des Kollegs mit dem französischen Assistenten in Rom in Verbindung zu treten, 11.4.1704, BHStAJes 2191, fol. 14r. 123 Ein Beispiel in RAAJes 968, unfol. (Henrl de Lavallee an Oosterlinck, 13.6.1683).

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ßigkeit, gar automatisches Informieren war in vielen Bereichen vorgesehen, ohne dass dies uneingeschränkt alle Korrespondenzpartner betroffen hätte.

Der direkteWeg:EpistolaeSolff24 In den .ro/i-Briefenwurden die organisatorischen Prinzipien der Dienstwege und der hierarchischen Informationsweitergabe außer Kraft gesetzt. Sie sollten demgegenüber eine garantiert ununterbrochene und direkte V erbindung zwischen einzelnen Jesuiten und ihrem General offen halten. 125 Alle Briefe, die auf dem Umschlag mit dem Zusatz »soli« versehen waren, sollten nur vom Adressaten gelesen werden. Eingerichtet wurde diese Briefform für Angelegenheiten, die von solch »geheimer« Qualität waren, dass sie eine Umgehung der normalen Kommunikationshierarchien und -kontrollen erforderten. 126 Zweifelnden Jesuiten wurde die vertrauliche Behandlung der so/i in Rom durch den General immer wieder zugesichert. 127 Im Gegensatz zur sonst üblichen Praxis wurden sie damit als »privat« verstanden. 128 Die Schaffung und Reglementierung eines solchen direkten Kommunikationswegs trug einerseits der Außergewöhnlichkeit bestimmter Situationen Rechnung, andererseits wurden solche Situationen dadurch systemimmanent verarbeitbar. 129 Die soliwaren eine institutionalisierte Form außerordentlicher Korrespondenz. Auch das Brenzlige und

124 Das sample an sob~das den folgenden statistischen Aussagen zu Grunde liegt, besteht im Wesentlichen aus einer vollständigen Auswertung von AR.SI Germ 111. Weitere so!iBände, die ergänzend herangezogen werden, sind ARSI Epp NN 41 und 42, sowie AR.SI Germ Sup 17. Einzelfunde runden das Bild gelegentlich ab. Ganz ausgeschlossen aus der Analyse wurden alle indipetae. 125 Siehe z.B. das einschlägige Kapitel Sacchinis in dm 26490, S. [10f.]. 126 Deutlich ist der Dreischritt von (nicht erwähnten) erbaulichen, geschäftlichen und geschäftlich-geheimen Briefen in ARSI Rom 2, fol 19r (Acquaviva an die italienischen Oberen, 2.9.1600). Die Beschriftung auf dem Umschlag sollte z.B. lauten: »Soli ex Provincia Rhen, Sup.«, dm 27440 II, fol. 1v. dm 26490, S. [11] genaue Hinweise zur Art und Platzierung der »soli«-Etikettierung. 127 Piccolomioi an Vecveaux, 2.7.1650, AR.SI Germ 111, fol 339v. Vitelleschi an John Tomson, 20.3.1621 (ohne expliziten Hinweis auf die soli-Qualität von Tomsons Brief), Dirmeier, QuellentexteI, S. 517. 128 Z.B. in Sacchinis Handbuch, dm 26490, S. [61, »privatas" (im Unterschied zu jenen Briefen, »quae possunt et debent communicari.,propriomotu«: Nickel an Veibelin, 3.2.1657, ebd., foL 353vf. Erneut an Veihelin, 10.2.1657, ebd., fol. 355rv. An 1bebas, 24.2., ebd., fol. 357v; an Veihelin, 17.2., ebd., fol. 356v, daraus ergibt sich: Veihelin an Nickel, 24.L und 25.1. (nicht überliefert).

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Andere Episoden bestätigen den Eindruck, dass die Generale in Rom sehr wohl in der Lage waren, per Briefwechsel lokale Entwicklungen nachhaltig, kontinuierlich und detailliert zu beeinflussen. Der Konflikt um General Thyrso Gonzalez 1691 bis 1693, als es um den Druck seines probabilioristischen Werkes in Dillingen ging, war zwar eine Ausnahmesituation, aber gerade hier zeigt sich die Leistungsfähigkeit des Kommunikationssystems als Regierungsinstrument. Wöchentlich korrespondierte er mit jenen Jesuiten, die in der GermaniaSuperiorauf seiner Seite standen, etwa mit Rektor Eustachius Furtenbacher in Dillingen und Jakob Willi in Ingolstadt. En detailregelte er mit dem Dillinger Oberen den Druck seines Buches, den die beiden in einer zumindest halbwegs geheimen Atmosphäre vorantri.eben.170 Die Ordenskurie tritt uns in ihren Briefen also durchaus immer wieder als zentrale Autorität entgegen, wobei die komplizierten römischen Entscheidungsprozesse oft verschwiegen wurden und die Person des Generals allein im Vordergrund stand. Doch Rom regierte nicht nur durch Anweisungen, sondern auch durch gezielte Informationsverlei/ung.Die Römische Kurie war in großem Stil ein Umschlagplatz für administrative Information. Die Ordensleitung war nicht nur Rezipientin, sondern auch Quelle oder Distributorin für Nachrichten. Häufig wurden Informationen, die man aus einer Quelle in der Provinz erhalten hatte, an andereStellen in derselben Provinz zurückgegeben. Dabei dürften gelegentlich bizarre Situationen entstanden sein, etwa wenn ein Provinzial vom General die Einschätzungen der consultores provinciaemitgeteilt bekam, die doch ganz in der Nähe des Provinzials lebten. 171 Hier lagen Tausende von Kilometern hinter dem Informationstransfer, der doch so leicht hätte vis-a-vi.rerfolgen können. Gerade diese Umwege waren freilich wichtig: Zum einen wurden die lokalen Einschätzungen durch die Kurie zusätzlich autorisiert. Zum anderen wurde auf diese Weise die Grundsatzidee der allwissenden Ordenskurie erfolgreich inszeniert und mit Leben erfüllt. Zugleich ergab sich daraus ein bestimmter Regierungsstil. Im Idealfall ergänzten sich zwei Grundprinzipien jesuitischen Verwaltungshandelns hier produktiv: ::Mitdem Streben nach Informationshoheit Roms verband sich in solchen Fällen die Subsidiarität der Amtsführung. 1709 funktionierte diese Regierungsweise beispielhaft, nachdem es zu Unstimmigkeiten 170 Vgl. ARSI Epp NN 41, passim. Gonzalez war selbst in die kleinsten Details der Drucklegung einbezogen. 171 Z.B. an Tamburini an Sting]haim,24.8.1709, ARSI Germ Sup 12 II, fol. 173v-174r.

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zwischen den Kollegien Eichstätt und Amberg über einen Zahlungsvorgang gekommen war. Der Eichstätter Rektor hatte General T amburini informiert, dieser leitete das Schreiben an den Provinzial Stinglhaim zurück in die Provinz mit der Aufforderung, beide Seiten zu hören und ein Urteil zu fällen.172 Geradezu paradigmatisch funktionierte hier das Zusammenspiel zwischen Provinz und Rom sowie Rom und dem Provinzial Die Kurie war über die Vorgänge informiert worden, hatte die Initiative zur Lösung des anstehenden Problems ergriffen und verließ sich dann zugleich auf die Amtsträger vor Ort. Dieser Infonnationstransfer via Rom zeigt noch einmal, wie sehr die konkrete Herrschaftsausübung in den Provinzen tatsächlich, wie oben angedeutet, als institutionelles Dreieck gesehen werden muss. Das Regieren perfarwardwar dabei eine subtile, aber außerordentlich wirksame Form römischer Einflussnahme auf die lokale Entscheidungsfindung. Diese Regierungsweise wurde systematisch angewendet. Die vielfältigen Informationsstränge, die Rom erreichten, verschafften der Kurie oft einen guten, gelegentlich vielleicht sogar den erwünschten Überblick. Diese Informationen gab man kontrolliert und zielführend an die Provinziale zurück, häufig unter expliziter Angabe der Quellen.173 In gewissem Sinne war das paradox~ denn eigentlich galt es ja als Aufgabe der Provinziale, dem General in ihren Briefen den Zustand ihrer Provinz zu beschreiben - status reddere. Doch nun drehte sich die Richtung um. Die Rede war explizit davon, der General wolle dem Provinzial jetzt >xienStatus der Provinz vor Augen stellen«.174 Dabei beließ man es häufig. General Nickel hatte 1657 beispielsweise kein Interesse, einzelne Anweisungen zu geben, wohl aber lag ihm daran, seinem Provinzial V eihelin vorzuschreiben, wo etwas getan werden müsse: »Ich kopiere hier für Sie einiges, was, nach den Berichten Vieler, in Ihrer Provinz verbesserungsfähig zu sein scheint. Ich schreibe Ihnen dies, damit diesen Problemen durch Sie .Abhilfe bereitet wird. Zunächst müssen Sie aber über die Wahrheit

172 VgLTamburini an Rektor Rassler in Eichstätt und an Provinzial Stinglhaim, 21,12.1709, ARSI Germ Sup 12 II, fot 181v, 181vf. 173 Exemplarisch Acquaviva an Provinzial Alber, 5.6.1593, ARSI Germ Sup 2, fol. 96rv. Erwähnt werden die Briefe Simon Hiendls, 5.6.1593 (ebd., fol. 95v), und Johann Rabenstains, 9.7.1593 (ARSI Germ 171, fol. 199rv). 174»Repraesento RVaeProvinciae istius statum«, de Noyelle an Truchsess, 27.3.1683, ARSI Ge:cmSup 10, fol 446v.

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dieser Anklagen befinden. Denn ich berichte Ihnen hier nichts, das gesichert ist, sondern erzähle nur, was ich aus Berichten Anderer ersehe.«175

Ohne Umschweife brachte Nickel diese Fottn des Regierens auf den Punkt: Rom wollte sich hier in der Bewertung von Einzelfällen zuriickhalten, behielt aber die Definitionshoheit über das provinziale Handlungsfeld. Statt konkreten Anweisungen versandte man eine Mängelliste. Rom regierte durch gezieltes lnfonnationsmanagement. Das Regieren per Weiterleitung als systematisch ausgeübte Regierungsform basierte darauf, dass die Prob~nition zumindest im Ansatz von der Problemlosunggetrennt werden konnte. Erstere verblieb dem General, letztere delegierte man an die Provinziale. oft unter Hinweis auf deren unverzichtbare lokale Expertise. 176Rom handelte hier also nicht so seht: informiert,sondern eher mit Information. Information veränderte nicht nur den eigenen Kenntnisstand, sondern konnte geschickt auch zur Manipulation lokaler Konstellationen gebraucht werden. Information war in diesen Fällen ein Gut, das zur Aufrechterhaltung und Neubestimmung ordensinterner Machtverhältnisse eingesetzt werden konnte. Polanco hat diesen Zusammenhang einmal enpassantsehr klar formuliert: »Und wenn hier [in Rom], auf Grund der Unkenntnis einzelner Details vor Ort, einmal nicht genau festgelegt werden kann, was die beste Lösung [für die lokalen Probleme} ist, so können von hier aus doch zumindest Hinweise dafür gegeben werden, welche Gefahren im Verzug zu sein scheinen oder wo man Vorteile erzielenkönnte. Denn viele Verantwortliche vor Ort sind so sehr in ihren Alltag verstrickt,in die Beichten, das Predigen oder Ähnliches, dass es für sie schwierig ist, ihren Geist über ihre täglichen Beschäftigungen hinaus schweifen zu lassen, um gute Gelegenheiten zu erkennen.«177

17524.3.1657,ARSI Germ Sup 8, fol 359v-361r: »Transcribo RV nonnulla quae ex multonun relationevidentur in ista Pmvincia desidetarl, ut per ipsam convenienti remedio provideatur singulis, eorumdem tarnen veritate prius explorata, cum nih.il adferamcompertum, sed tantum narrem quae ex aliorum delatione accepi.« 176Vgl. z.B. ÖNB cod 11956, foL 11v (Nickel an Johannes Possmumium, 26.10.1658). ARSI Germ Sup 9, fol. 387v-389v (Nickel an Veihelin, 30.3.1658),411r--412v (Nickel an Muglin).ARS! Germ Sup 16, S. 148f. (Riccian Georg Hermann. 25.3.1758). 177 Sca.duto,Smtlo, S. 319: »Y si, pot 1aignorantia de muchas particulares circunstantlas, no constase aca lo que seria mejor, podria da.rseles,a lo menos, este recuerdo: que mirasen este peligro o esta ventaja etc.; porque muchos de los que tratan las cosas, estiintan metidos en los particulares del.las, confessaodo o predicando etc., que les es difficil levantarse con la mente sobre todo lo que tratan, pru:ami.tu por los medios mejores«.

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Noch einmal kommt hier Polancos informationsbezogenes Verständnis der Ordensleitung zum Ausdruck. Diese definiert sich eben nicht ausschließlich als Machtzen~ sondern auch als Informationszentrum, das im Besitz einer besonderen, auf Überblick abzielenden Wissensform war. Das Regieren per Weiterleitung war ein direktes Resultat dieser Idee. Die angeführten Beispiele zeigen, dass späteren Generalen dieses Konzept ebenfalls vertraut war. Das Potential der Kurie, als Umschlagplatz für administrative Information zu dienen, wurde geschickt zur Herrschaftsstrategie ausgebaut. Wer die politische Agenda beeinflussen kann, prägt den tatsächlichen Verlauf des Geschehens bereits erheblich. Durch Selektion und Hervorhebung einzelner Tatbestände entwarf die Ordenskurie eine Art Tagesordnung, die der Provinzial abzuarbeiten hatte und oft direkt an seine lokalen Oberen vor Ort zur Umsetzung weitergab.178 Bis zu einem gewissen Grad bedeutete dieser Regierungsstil den expliziten Verzicht auf ein proaktives Mikromanagement der Ereignisse vor Ort durch Rom. Man könnte das Regieren per Weiterleitung deshalb als vollkommene Umsetzung des Subsidiaritäts-Prinzips deuten, als alltägliche Umsetzung der Einsicht, dass die theoretische Allmacht Roms keineswegs zwingend den praktischen Versuch einer umfassenden Zentralisierung von Entscheidungen nach sich ziehen musste. Eine weniger schmeichelhafte Lesart würde dagegen eher eine (wachsende) administrative oder politische Schwäche der Kurie diagnostizieren, zumindest aber einen geringeren Willen zur direkten Gestaltung lokaler Politik.179 Der quantitative Rückgang der Kommunikation nach 1631 würde gut zu einem solchen Bild passen. Dem Eindruck einer wachsenden Zurückhaltung des Generalats von lokaler Einflussnahme aus eigenem Gestaltungsanspruch kann man sich bei der Lektüre der Generalskorrespondenz auch qualitativ kaum entziehen, beginnend beim Stichjahr 1683 und besonders bezogen auf die Generale de Noyelle, Ricci und Retz. Gerade de Noyelles Korrespondenz (1683) hatte häufig einen wenig konkreten, dafür aber salbungsvollen Ton. Statt konkreter Entscheidungen thematisierte er oft stärker die spirituelle Bewältigung der Umstände oder ihre persönliche Dimension für einzelne Jesuiten vor Ort. Entsprechend nahm gerade dieser General geistliche Bemerkungen verstärkt in die Briefe auf. Das Lob der handelnden Personen hatte bei ihm einen wichtigen Platz. Häufiger als frühere Generale griff er dabei auf 178 Beispiel: Provinzial Valentin Queck an Rektoren, 1.9.1696, ÖNB cod 12025, S. B31. 179 Ein solches Verfallsszenario, wenngleich ohne Bezug auf die Korrespondenzen, bei Boebmer, Jesuiten,S. 227, für die Zeit nach Acquavi.va.

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(vermutlich formelhafte und in jedem Fall ganz unbestimmte) Exhortationen zurück. 180 Einzelne Briefe, die einen andeten, stringent administrativen und hancllungsrelevanten Charakter haben, stechen bei de Noyelle beinahe als Ausnahme hervor. 181 Im Einzelnen beweisen lässt sich diese Entwicklung zwar nicht, doch die serielle Lektüre zahlreicher Briefe über einen langen Zeitraum vermittelt zumindest diesen Eindruck. Vielleicht war es langfristig doch symptomatisch, als General Retz 1735 den Hofbeichtvater Ligeritz in Warschau ermunterte, auf die Hilfe des Generals zurückzugreifen, falls er sich davon (noch?) irgendwelche Wirksamkeit erwarte.182 Noch wichtiger als die Feststellung eines Niedergangs römischer Herrschaftsansprüche, wichtiger also als die Konstati.erung einer faktischen Dezentralisierung im Jesuitenorden ist an dieser Stelle noch einmal die Beobachtung, dass der Keim für derartige Umkehrungen der Machtbalance im administrativen Selbstbild des Ordens von vornherein angelegt war: Das ambivalente Schwanken des administrativen Selbstbildes zwischen monarchischem Zentralismus und emphatisch eingeforderter lokaler Initiative wurde durch das Regieren per farward abgebildet. Diese Herrschaftstechnik schwankte selbst unentschieden zwischen römischer und regionaler Zuständigkeit. Mit ihren Vorzügen und Gefahren passte die Informationsweiterleitung deshalb genau zur konzeptionellen Ambivalenz des administrativen Selbstbildes. Eine abgestufte Skala an Formen römischer Einflussnahme füllte demnach die konzeptionelle Grauzone zwischen zentralisiertem und dezentralisiertem Herrschaftsentwurf aus. Information übersetzte sich entsprechend auf sehr verschiedenen Wegen in römische Regierungspraxis. Zum einen wurde die relativ präzise Kenntnis der Lage vor Ort immer wieder in ein Mikromanagement lokaler Abläufe aus der Feme überführt. Das lässt sich

180 Als Beispiele würde ich anführen: de Noyelle an Rektor Philipp Schad, Feldkirchen, 13.2.1683, ARSI Germ Sup 10, fol. 444v, und an Francisco Demehs, Rektor Solothums, 20.2.1683, ebd., fol. 445c. 181 Z.B. de Noyelle an Truchsess, 20.2.1683, ARSI Germ Sup 10, fol. 445r. 182 Retz an ligeritz, 12.11.1735,ARSI Germ Sup 15 I, S. 176: »Nimirum: Si RV""videretur aliquid circa nostros, singulariter deposcere meam providentiam, curam, correctlonem; aut si adverteret aliqua a nostris intendi, fieri, quae serenissimis Majestatibus suis merito clisplicere possent, maxime si similia, opera mea praeverti, et imped.iri possunt, confidenter mihi aperiat, et matw:e me admoneat.«

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183 Niemand wird bezweihäufig beobachten - hier handelte man infarmiert. feln, dass ein entsprechendes Informationsniveau in der Ordenskurie in Rom zumindest teilweise vorhanden war und sich immer wieder auch mit dem entsprechenden Handlungswillen einzelner Generale verband. Stünde man auf der Seite des Zentrums, so wären diese Episoden als Erfolge zu werten, außerdem als Belege dafür, dass das traditionelle Bild der Gesellschaft Jesu als eines straff organisierten und zentralistisch geführten sozialen Verbandes durchaus der Realität entsprechen konnte. In anderen Momenten war die Verbindung zwischen römischem Informationsstand und Regieren subtiler. Das vorhandene Wissen wurde dann nicht direkt in konkrete Befehle und Anweisungen übersetzt, sondern diente stattdessen dazu, die provinziale Agenda zu beeinflussen. Hier wurde mit Information gehandelt. Dies war ebenfalls eine wirksame Form römischer Machtausübung, wenngleich sie eher indirekt erfolgte. War dieses V erfahren erfolgreich, so konnte sich Rom - wo notwendig auch gegen lokale Widerstände - als allwissende Instanz inszenieren, der nichts verborgen blieb und die lokale Unvollkommenheiten schonungslos erkennen und offenlegen würde. 184

Zweckenifremdung und Versagen Am Anfang dieses Kapitels stand die statistische Auswertung großer Mengen an Briefen. Doch die statistisch ermittelten Normalverhältnisse dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Verwaltungskorrespondenzen häufig ihren Zweck nicht erfüllten. Das Versagen war oft nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass sich die Ordensleute selbst keineswegs einfach passiv als Objekte des Informationssystems verstanden, sondern es kreativ für ihre eigenen Belange zu instrumentalisieren wussten. Die so/i sind ein gutes Beispiel dafür. Die römische Kurie hat immer wieder unterstellt und kritisiert, dass soli entgegen der kurialen Absicht benutzt wurden, um privaten Anliegen größtmöglichen Nachdruck in Rom zu verleihen, selbst wenn diese an sich gar keine Geheimhaltung erforderten. Aus römischer Sicht führte diese Zweckentfremdung zu einer Inflation von so/i-Schreiben,

183 Oder, genauer gesagt: diesen Fällen lag die Annahme zu Grunde, dass man angemessen informiert sei Ob die entscheidungsleitende Information dann faktisch zutraf, ist davon zunächst einmal unabhängig. 184 Kühles und schneidendes Ausspielen der römischen Informationshoheit: Ca.raffa an Provinzial Keppler, 27.7.1647, clm 26471 II, fol. 6r-7v.

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die nicht ungefährlich war. 185 Die soli waren nicht als Bittschriften oder Suppliken konzipiert worden, wurden aber oft so gebraucht. Die Ordenskurie hatte mit dieser Einschätzung wohl nicht ganz unrecht, denn mittels soliwurde tatsächlich immer wieder versucht, die gewöhnlichen Zuständigkeiten und Verfahrensmodalitäten auszuhebeln. Die Möglichkeit, sich dkekt per soli an den General zu wenden, konnte dazu genutzt werden, einen Keil zwischen verschiedene Amtsträger zu treiben und verschiedene Instanzen gegeneinander auszuspielen.186 Die schreibenden Jesuiten eigneten sich damit einen tragenden Bestandteil des Informationssystems an, entkleideten die soli ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung und gebrauchten sie in eigenem Interesse zur Umgehung eines grundlegenden Strukturprinzips eben dieses Informationssystems, der Dienstwege, Was aus römischer Sicht ein gefährlicher Missbrauch war, erschien aus Sicht betroffener Jesuiten als wirksames und (schein-)legales Mittel zur Artikulation eigener Anliegen. Ihre Erfolgsaussichten sind schwer abzuschätzen. Häufig täuschten sich so/i-Schreiber jedenfalls, wenn sie meinten, dadurch sofort eine (günstige) Entscheidung des Generals in ihrem Fall bewirken zu können. Häufig führte »impertinentes« Insistieren zur »Ermüdung« der Oberen. 187 Oft setzten ihre Briefe eher eine neue Kaskade an Informationsprozessen in Gang und die Sache wurde just an die Provinziale oder Rektoren zurückverwiesen. 188 Bereits dies bedeutete freilich wohl einen Teilerfolg, denn das weitere Vorgehen des Provinzials, das vielleicht nur durch die soliüberhaupt ausgelöst wurde, war jetzt von Rom überwacht.

iss Rundschreiben

Vitelleschis, 18.11.1617 (Wielewicki, Diari,,m (1609-1619}, S. 222), 8.2.1621 (ARSI Epp NN 113, S. 340f.) und Piccolominis, 15.10.1650 (dm 24076, fol. 98r). Kritik an .ro/i-Klassifikatlon:Acquavivas an Gilbert Jobert, 4.6.1613 (MNFr I, S. 284. Joberts indipetae(ebd., S. 280) war Soli adressiert). Retz an Petrus EiseHn, 8.10.1735, ARSI Germ Sup 17, S. 104. Oliva an 1aQuintinye, 17.8.1666, BC Mss 2984, fol. 109r. 186 Vgl z.B. Joseph Dumontcils indipetae,5.1.1611, MNFr I, S. 106, die er zwar explizit von den soliunterschied, dadurch aber zugleich in deren Nähe rückte: »Etsi non dubito quin Vestra Patemitas videat omnes littcras quae ad se destinantur, ut ideo abstinendum sit ab inscriptiones >Soli< in iis quae sectetum non exigunt, visum est tarnen has separatas dare iuxta instructionem.« Dumooteil gab offen zu, dass er auch dem Assistenten und dem Provinzial geschrieben habe, sich von letzerem aber nur abschlägige Bescheide erwarte. 187 Vgl ARSI Franc 8, fol. 334v (Oliva an den Provinzial der Francia, Petrus de Verthamon, 9.4.1680): »Matthaeus Pinault nos perpetuis literis fatigat importunissime, quem salubrioribus monitionibus non potuimus ad saniorem mentem adducere.>verwaltbaren>Quomodoprocedere liceat in pacnalibus ex iure Societatis« (Francisco 0rta, 1697) in ARSI Hist Soc 141 I, fol. 1r-2v. Auch bei den Dominikanern waren Appellationen strikt verboten, siehe Hoyer, Anfängen,S. 2i7. 224 Eine kitchenrecbtsgeschichtliche Darstellung wäre wfutschenswert. Ansätze bei 0livares, Votos. Zur Kontroverse um die Ordenszugehörigkeit der Coadjutomvgl. ACDF S.O. St.St. 0 5 h, fol 544r--635v. 225 Vasquez: Astrain, Historia III, S. 405. Pallavicino: z.B. BC mss 2121, fol. 252r-259v. 'These (254r): »Ex quibus multa inferuntur. Prima, formam iudicialem nullo modo esse necessariam ad dimissionem. Secundo non requiri culpam. sed sufficere aliam rarionabilem causam. Tertia suf:ficerequoad dimissionem eiusque formam id quod in constitutionibus praescribitut absque eo quod aliquid sit immutatum, ut ex: adverso praetenditur. 4. Servandum esse Modum, servatum in Sodetate usque ad tempus praedictae constitutionis, hoc est usque ad annum 1591.« 226 RAA Jes 202 nr 29, unfol. (nr.5).

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Entlassungspraxis dann noch einmal neu bewertet. Die Misere der anderen Orden in den letzten Jahren des 17. Jahrhunderts, die zur Einsetzung der päpstlichen Kongregation Super Disciplina Regulari 1698 geführt hatte, verhalf dem Entlassungsverfahren der Gesellschaft J esu nun allgemein zu größerer Anerkennung. 227 Damals begannen auch andere Orden, den Papst um Privilegien zu bitten, die ihnen die Entlassung unwürdiger Mitglieder erleichtern sollten. Plötzlich wurden die Regelungen der Jesuiten zum Vorbild. Diese komplizierten Überlegungen und Verfahren zeigen, wie stark der Jesuitenorden an der Qualitätskontrolle seiner Mitglieder interessiert war. Sowohl in positiver wie negativer Hinsicht wurde die Zugehörigkeit zum Orden streng überwacht. Der Eintritt wurde durch langwierige Prozesse der Erprobung vorbereitet und etwaige Irrtümer hierbei konnten auch später noch durch relativ leichtes Entlassen unerwünschter Ordensleute korrigiert werden.

3.3.2. Panoptische Personalübersichten: Die Kataloge Ein zweites Indiz für die neuartige Intensität jesuitischer Personalpolitik war die Überführung obrigkeitlicher Ideale vollständigen Wissens in koordinierte Verfahren zur Generierung aktueller Personalübersichten. Auch hier war man wieder der Überzeugung, durch planvoll angelegte Dokumente würde dem General der Zustand des Ordens jederzeit direkt »vor Augen stehen«, was gerade angesichts der großen Mobilität der Jesuiten von besonderer Bedeutung sei.228 Ein komplexes Geflecht von listen- und tabellenartigen Mitgliederverzeichnissen sollte Rom diesen beständig aktualisierten Überblick über den sich dauernd verändernden Personalbestand ermöglichen. Einfache Personallisten und komplexere, auch quantifi227 Hierzu sehr kurz Del Re, Curia, S. 391-393. Zur Vorgängerkongregation Innozenz X., die zur Aufhebung der kleinen Konvente in Italien führte, vgl. Boaga, Sappmsione.Eine allgemeine Neubewertung ihrer Vorgehensweise diagnostizierten die Jesuiten selbst.. vgl BV mss H 76, fol. 80r-168v, hier 136r-137r, ein Gegengutachten gegen die geplante Kanonisierung von Bischof Palafox, mit dem die Jesuiten in Mexiko jahrelang im Streit lagen. Der Text (nach 1727) rekapituliert den Schlagabtausch und erwähnt dabei die Entlassungspraktiken. Vgl. ähnlich auch BNVE Ges 1039, fol. 19r-24v (Brief an die Kardinäle der Ordenskong.regation). 228 Zitat: ARSI Inst 40, fol. 89r (Acquaviva an den Mailänder Provinzial, 27.11.1582). Dort zur Veränderlichkeit. Ebd, fol. 114r (Instruktion von 1589 (= teilweise In.rtitutum (1892) III, S. 309) zum catalogus tertius).

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zierende Übersichten kamen dabei gleichermaßen zum Einsatz und ergänzten einander. Diese »Kataloge« sind durch die Forschung bereits häufiger bearbeitet worden. Dabei stand ihr enormer Quellenwert für sozialhistorische Analysen meistens im Zentrum. Eine wichtige Frage war (und ist) deshalb die nach der Zuverlässigkeit der Angaben in den Dokumenten. Hier bestehen freilich gravierende Probleme. Doppelnennungen einzelner Jesuiten kommen ebenso vor wie Auslassungen. Gerade für entferntere Gebiete konnte Rom die Personalstärke oft nur schätzen. 229 Hinzu kamen Schlendrian und Verfahrensfehler bei der Erstellung der Kataloge, die vor Ort häufig als Nebensächlichkeit angesehen wurde.230 Entlarvend ist etwa die Ermahnung, die Personalübersichten bei jeder Gelegenheit wieder griindlich von Neuem zu erarbeiten, statt sich dabei auf die älteren Kataloge zu stützen und diese nur zu aktualisieren.231 Schon auf provinzialer Ebene verlor man angesichts derartiger Unzulänglichkeiten bisweilen die Übersicht über das eigene Personal. 232 Andere Untersuchungen haben zu Recht betont, dass es sich bei den Katalogen immer auch um Selbstdarstellungen der Provinzen gegenüber der römischen Kurie handelte, an deren Vorgaben man die Realität bisweilen durchaus gewaltsam anpasste. 233 Die Dokumente werden deshalb oft eher als Indikatoren für den Soll- denn für den Ist-Zustand vor Ort gelesen.234 Eine Auswertung dieser Dokumente unter wissens- oder verwaltungsgeschichtlicber Perspektive fand bisher dagegen kaum statt. Dabei sind Tabellen und insbesondere Listen traditionsreiche Medientechniken der (administrativen) Informationsverwaltung, deren Geschichte so alt ist wie

229 Demoustier, Catalogues. Lamalle, Catalogues. McCoog, lnJ'titutional History,S. 43-47. 230 So Daniel Kupsky, Provinzial der Bohemia,an den Rektor von Brünn, 1.1.1666, ÖNß cod 11956, foL 13v. Vgl. ARSI Lus 37 I, fol. 102tv (Vitelleschi sehr kritisch nach Brii-;sel, 14.1.1617), 231 Die Formulierung der Form11fa S cribendi(Mon Ind IX, S. 722 (nr. 32)) »ac si nunquam fuissent missi« wurde zu einem Topos: z.B. StAM SF 9008, unfol. ([lvJ, ))Notandum 3°«, 1696). BHStA Jes 689, fol. 13v (Provinzial Erhard an Amandus Gronner, Superior in Biburg, 1.2.1770). 232 Grueber an Fr. Mülholzer, 1.10.1683, dm 26471 II, foL 193r: »De Jacobo Mair nullam habeo notltiam, quamdiu fuerit Ingolstadiensis Collegii incola, vel ubi ante fuerit, aut coeperit nutare in vocatione, hinc ferre iudicium non possum.« ÖNB cod 11950, fol. 113r (8.1.1740):Unklarheit über den Vornamen eines Jesuiten. 233 Broggio, Evangeliz.zare, S. 87-89. Castelnau-L'Estoile, Ouvrim,S. 234f. 234 Dompnier, Activite.

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die der Schriftkultur an sich (oder sogar älter).235Listen erzeugen Kohärenz zwischen elementaren Einzelbausteinen und schaffen Zusammengehörigkeit diskreter Dinge. Auf diese Weise vermögen sie zu beschreiben, obwohl sie gerade keine Narrative sind. Listen bilden die Welt dabei keineswegs bloß passiv ab, sondern strukturieren sie aktiv236 - etwa nach den Bedürfnissen einer Verwaltung. Nicht nur in der schönen Llteratur,237 sondern insbesondere als Hilfsmittel der Herrschaftsverdichtung sind »Menschen in Listen« mindestens seit dem Spätmittelalter sehr gebräuchlich und in der Frühen Neuzeit allgegenwärtig.Pfarr- und Universitätsmatrikel sind wichtige Beispiele.238 Städtische und territorialstaatliche Bürger-, Diebes-, Mordbrenner- und Flüchtlingslisten gehören genauso in diesen Kontext wie Judenkonskriptionen und gegenreformatorische Hätetikerlisten. Im Reich gab es Listen von steuerpflichtigen Ständen, die seit 1422 zur Reichsmatrikel verdichtet wurden.239 In Spanien legte die Ca1a de Contratacion Passagierlisten für Auswanderer an.240 Mindestens seit 1607 wurden in Italien Bevölkerungszählungen mittels gedruckter Tabellen im Gitternetz-Layout durchgeführt. 241 Die päpstlichen Behörden zogen hier erst später nach.242 Auch die Orden erstellten seit dem hohen Mittelalter vereinzelt Personal- und Konventslisten. 1277 kompilierte Bernardo Gui für die Dominikaner eine erste Statistik, und 1336 wurde vom Generalkapitel der Prediger eine Mitgliederzählung gefordert. Allerdings waren dies nur sporadische Bemühungen - die nächste Übersicht legten die Dominikaner dann erst in den 1570er Jahren an.243 235 ßrendecke, Tabellen.Stciner, Geschi.hte. 236 Dies ist der paradoxe »effet de liste((,der Chisogne, Poitique,beschäftigt. 237 Zu literarischen Listen vgl.Jeay, Cammerce und Belknap, Ust, v.a. S. 1-35. 238 Börsting, Geschichte. Paquet, Matricuks.Schunka, Gäste,S. 87-101 (Zitat). 239 Dinneier, Quelkntexte I, S. 210f., 246 (Llste englischer Katholiken in den spanischen Niederlanden, 1614, 1615). Verbrecherlisten: Blauert/Wiebel, Diebs!isten.Groebner, Schein.Judenkonskriptionen und Protestantenlistt.>n:Tantner, Ordnung,S. 22-34. Reichsmatrikel: Moraw, Wesen.rz!ige, S. 158f. Schulze, Kampf. 240 Demoustier, Catalogues,S. 14f. Siegert, Passagiere.Brendecke, Imperium und Empirie, s. 118f. 241 Landwehr, Erschqjfung, S. 230-232, 553 (Abb. 17). 242 Ein Missionru:skatalogder Propaganda Fideist erst 1747 erwähnt (Co/Jectanea depropaganda fide, S. 204 (nr. 363)), obwohl eine Forderung an die Orden bereits 1641 erging, vgL Cuiia Ramos, Compagnia, S. 164. 243 Zu den Dominilwlem siehe Forte, Province,S. 428f. Hinnebusch, Geschichte, S. 40. Die Generaloberen der Franziskaner forderten während des hier interessierenden Zeitraums nur ein einziges Mal, 1709, einen solchen Katalog an, siehe Melchior a Pobladura, Litterae,S. 168.

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Auf diese lange Tradition administrativer Informationsverarbeitung in Listen und Tabellen griff die Gesellschaft Jesu zurück, um die angestrebte Personalübersicht zu verwirklichen.244 Bemerkenswert ist deshalb weniger die mediale Form an sich, sondern eher die vorbildlose Regelmäßigkeit und Systematik bei der Erzeugung entsprechender Dokumente. Seit etwa 1550 lassen sich einfache Personallisten nachweisen, bei denen alle Jesuiten einer Provinz, nur gegliedert nach Niederlassungen und Ordensgraden, ohne weitere Kommentare aufgeführt wurden. Diese sogenannten kurzen Kat.aloge (catalogibreves)waren jährlich fällig und wurden später auch gedruckt.245 Weitaus komplizierter waren die zusätzlich vorgesehenen tabellarischen Personalkataloge, die schließlich in dreijährigem Rhythmus von den Provinzen zu erstellen und nach Rom zu senden waren (catalogitriennales).Bereits 1545 entwarf Diego Lainez, vermutlich in direktem Auftrag von lgnatius, ein erstes tabellarisches Schema zur Personalerfassung im Jesuitenorden. 246 Mehrspaltige Tabellen waren nötig, weil diese ausführlicheren Kataloge nicht nur einfache Namenslisten sein, sondern außerdem zu jedem Jesuiten Beurteilungen gemäß einer Reihe von Kategorien enthalten sollten: Jede Zeile betraf genau ein Ordensmitglied, jede Spalte exakt ein Beurteilungskriterium.247 Im Einzelnen wurden die abgefragten Merkmale - also die Spaltenüberschriften - im Lauf der Zeit noch verändert Die Constitutionesselbst hatten nur vage darauf verwiesen, dass die Liste aller Ordensmitglieder auch über deren Eigenschaften Auskunft geben sollte, ohne dies näher zu erläutern.248 Lafnez ging 1545 von sieben Kategorien/Spalten aus, Polanco forderte zwei Jahre später bereits neun abzufragende Eigenschaften/Spalten und 1559 schrieb er zehn Urteilskriterien/Spalten vor (»Namen, Dauer der Ordenszugehörigkeit, übernommene Aufgaben im Orden, seit wann die Studien beendet sind, ~,\lter, geistige Entwicklungsrichtung, körperliche sowie geistliche Kräfte, Fä-

244 Zur Geschichte vgL Demoustier, Catalog,ue.r, S. 1-18. Scaduto, Lainez I, S. 218---225. 245 Z.B. in RAA Jes 51 (ab 1731). 246 Hierzu Lukacs, Catalogue-Modele. 247 Mercurian schrieb 1579 das Layout rnr (mit Skizze), ARSI Inst 40, foL 77r-78r. Der catalogu.rsecundussoll allerdings noch nicht in tabellarischer Form, sondern ))per continuatam, ac brcvem narrationem effkiatur« (J7v). 248 Const VIII 1, nr. 676, S. 328; IX 6, nr. 792, S. 394. Hier war ein viermonatiger Rhythmus festgelegt, dies wurde geändert durch CG II D. 48, S. 123.

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hlgkeit zu Exerzitien, Tauglichkeit zu höheren Studien«).249 Im 16. Jahrhundert '\VUtdenmit großer handwerklicher Perfektion Gitternetze gezeichnet, um die Spalten und Zeilen voneinander zu trennen. Spätestens seit 1626 verwendete man gedruckte Gitternetze, die zudem bald die Spaltentitel vorgedruckt enthielten (Abbildung 12):250 Die detaillierten Informationen der Dreijahreskataloge zu den einzelnen Personen waren sehr sensibles Material. Spätestens im Gefolge der zweiten

Abbildung 12:ErsterKatalog(Vordruck)ausBelgien,1685 (Q11e/11: RAA]es49)

249 Lukacs, Catalogue-l'v!.odele. Diese Listen dienten zwar als Anregung, wurden aber in den tatsächlich ausgeführten Katalogen nicht sklavisch umgesetzt, siehe z.B. ARSI Hist Soc 175, fol. 13r (Modena), 18r (Genua). 250 Dies nach der Sammlung früher V ordrocke in ARSI Mex 4. Damit wurden die Tabellen unflexibler, v.a. was die Freiräume für Überschriften anging- diese WUI:dennun in die Tabellenzeilen geschrieben. Zur Verbreitung der Vordrucke innerhalb der Provinzen vgl. BHStA.Jes 691 II, unfol. (20.4.1717,Leonardus Hausmann für Hai.den an Azwager): »P.S. Epistola reticulati catalogi, quae RVa iam admodum huc miserat pro conficiendis informatlonibus, primum elapsa septimana tridento accepi, quo nescio per quas ambages delatae sunt.« Vgl auch RAA Jes 49 (1681).

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Generalkongregation 1565 wurde darum ein einfaches, aber effektives Anonymisierungsverfahren installiert, das auf der Einführung einer zusätzlichen, eigentlich redundanten V erweisstruktur beruhte: Die gesamte Information zu jedem Individuum wurde auf zwei verschiedene Kataloge mit insgesamt nunmehr sechzehn Kategorien-Spalten aufgeteilt (cata!ogus primus und secundus,beide zusammen bildeten den Dreijahreskatalog oder catalogus triennalis).Der erste Katalog enthielt die harmlosen Informationen, etwa Name, Alter sowie die Dauer der Ordenszugehörigkeit, und versah außerdem alle beschriebenen Jesuiten mit einer laufenden Nummer. Der zweite Katalog, der die sensiblen Angaben zu Charakter, Potentialen und Eigenschaften umfasste, führte die beschriebenen J esui.ten dann nicht mehr namentlich auf, sondern verwies stattdessen in seiner linken Spalte nur auf die laufende Nummer des ersten Katalogs. Die Nummerierung, eine an sich weit verbreitete Technik in Aufschreibesystemen, diente hier zur Verschleierung von Identitäten. Absichtlich war die »Entindividualisierung« durch bloße Nummernverweise bis zur Unkenntlichmachung der bezeichneten Person vorangetrieben. 251 Der zweite Katalog verwies selbst nicht eindeutig auf einzelne Menschen, sondern auf ein anderes Dokument. 252 Nur wer über beide Kataloge verfügte, konnte die Inhalte des catalogussecunduseinzelnen Individuen zuordnen. Anders als bei den von Valentin Groebner untersuchten Ausweispapieren dienten solche kaskadenartigen Querverweise hier nicht der Beglaubigung von Information. Die zusätzliche Verweisebene sollte Individuum und administratives Dokument vielmehr voneinander absondern. Diese Kluft zwischen bezeichnetem Ordensmitglied und catalog11s secundu.r diente dem Schutz des Individuums vor J\.fissbrauchsensibler Information. 253 Das administrative Verfahren zur Erstellung der Kataloge folgte insgesamt der schon bekannten Zweistufigkeit: Die lokalen Oberen schrieben die jeweils fälligen Kataloge, die von den Provinzialen gebündelt und weiter nach Rom geschickt wurden. Vor allem in den frühen Jahren gelangten

251 Schunka, Gäste,S. 99 (Zitat). 252 Z.B. in ARSI Rom 2, fol. 90r (De ratione scribendi ex decreto 2ae Congregationis Generalis). 253 Groebner, Schein,passim. Die Jesuiten waren sich allgemein der besonderen Delikatheit von Personalinformatiom„'11bewusst, siehe den beißenden Kommentar über den portugiesischen Assistenten, der in diesem Punkt »parum secreti tenax est ut iam magnae scissiones, et charitatis violationes inde sint ortae«, Florian Bahr an Ricci, 30.9.1764, PoChia Hsia, Letters,S. 340.

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direkt auch noch Kataloge einzelner Niederlassungen nach Rom, 254 die aber bald durch die Kataloge ganzer Provinzen ergänzt und ersetzt wurden. Typischerweise waren diese Provinzkataloge nichts anderes als eine Aneinanderreihung der Kataloge zu den einzelnen Niederlassungen. Dies war explizit so beabsichtigt. Es ginge bei den Personalübersichten, so schrieb General Acquaviva ausdrücklich, um die einzelnen Kollegien und nicht um die Provinz als übergeordnete Einheit. Weniger stand demnach eine Abschätzung der Leistungsfähigkeit ganzer Provinzen denn die Zustandsbeschreibung einzelner Kollegien im Vordergrund. 255 Die Provinz als Ganzes ttat lediglich durch die errechnete Zahl aller zugehörigen Ordensmitglieder in Erscheinung, die in den Katalogen häufig angegeben wurde. Informationstechnisch war >dieProvinz< in erster Linie die Summe der einzelnen Niederlassungen, eine Anthologie der lokalen Kataloge. Solche anthologischen Verfahren darf man in ihrer Komplexität allerdings nicht unterschätzen. Denn die Annahme, dass eine verlässliche Gesamtübersicht durch die schlichte Addition von Teilübersichten tatsächlich erreicht werden könne, ist alles andere als konzeptionell harmlos, wie Bruno Latour gezeigt hat.256 Aneinanderreihung setzt formale und inhaltliche Kombinierbarkeit voraus. Kombinierbar wiederum werden lokale Dokumente nur durch eine hohe Disziplin bei ihrer Erstellung. Kombinierbarkeit Yon Informationen ist für die Arbeit von Wissenssystemen eine anspruchsvolle Voraussetzung und ein hohes Ziel gleichermaßen. In der jesuitischen Ordensverwaltung sollten zahlreiche konkrete Vorschriften, Ermahnungen und Umsetzungsbestimmungen auf allen Ebenen dafür sorgen 257 - nicht ganz ohne Erfolg, denn die Personalkataloge des Ordens erreichten eine beachtliche formale Gleichförmigkeit.

254 Beispiele aus Frankreich bei Zapico, Aquitaine, S. 269 (1555, 1560). 255 Gegen Castelnau-L'Estoile, Ouvrim, S. 176, 222. Offensichtlich anders Acquavivas Bemerkung vorn 14.8.1592, ARSI Rom 1, fol. 153r: »_i\liaeporro quaedam non miserunt distinctos catalogos singulorum Collegiorum, sed unicum totius provinciae distributum in certos ordines iuxta gradum pcrsonarum, sed quod duplex error admittitur. Nam Padri Nostro non exhibet p[raese]ntem statum, numerum, ordinem, et condiriones subditorum cuiusque Collegij, qui tamen praecipuus est finis catalogos personalium. Deinde huiusmodi catalogi iuxta ordinem graduum etsi speciosum aliquod habent, sunt tarnen alioqui prorsus inutiles.« 256 Latour, S cimce.Zur Übertragbarkeit auf die Verwaltungsgeschichte Becker, Beschreiben. 257 Beispiele:Alphabetische Ordnung, StAM SF 9008, unfol (Albert Mechtl, 28.7.1704). Zu Layout und Inhalt ebd., unfol. (1696). Doppelte Ausfertigung für Assistenten und General, ARSI Rom 1, fol. 153rv. ARS! Insr.81, unfol. (Resolutiones post CG VII, nr. 15, 34).

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Bei den provinzialen Kompilationen war dabei noch nicht Schluss. Mehrfach erzeugte und publizierte die römische Kurie sogar universale, zahlenbasierte Gesamtstatistiken des Ordens, die erkennbar durch eine Zusammenführung der lokalen Übersichten entstanden. 258 Das zeitgenössisch verbreitete Bedürfnis nach möglichst exakten Bevölkerungszahlen und nach statistischer Selbstbeschreibung fand hier im Jesuitenorden eine Entsprechung. 259 Die handschriftlichen Entwürfe dieser Generalkataloge zeigen freilich sehr deutlich, welch enormer Bearbeitungsaufwand trotz fortgeschrittener Vercinheitlichung hierzu vonnöten war.260 In mehreren Arbeitsschritten wurden in Rom Ergänzungen gesammelt und in eine erste Fassung eingetragen. Gerade bei fernen Gebieten wie Japan, das durch die Christenverfolgung zudem besonders veränderungsanfällig war 1 wusste man ganz genau um die Vorläufigkeit der eigenen Übersicht. Das Verfahren, durch hierarchische Kompilation einen universalen, panoptischen Gesamtüberblick über alle Ordensmitglieder zu erzeugen, stieß schnell an praktische und konzeptionelle Grenzen. Und doch - so ungenau oder gar fiktiv der Gesamtkatalog gewesen sein mochte, er gewährte Rom zumindest ansatzweise so etwas wie sofortige Verfügbarkeit handlungsrelevanter Daten. Leicht konnten auf Grund des vorhandenen Überblicks beispielsweise ungewöhnliche Spezialkataloge kompiliert werden, wenn dies nötig war.261 Diese Universalstatistiken zeigen schließlich auch, dass solche Kataloge keineswegs nur ein obrigkeitliches Herrschaftsinstrument waren. Das Gegenteil war der Fall: Es waren mehrfach die Provinzen selbst, die nach aktuellen quantifizierenden Gesamtübersichten über den Orden verlangten. Österreich begründete eine entsprechende Forderung 1660 damit, dass die Zahl der Niederlassungen und Ordensleute weiter stark ansteige.262 Alle drei Jahre wurden diese Vorschriften emeuert, z.B. durch den polnischen Provinzial Andreas Dabrovski, 22.6.1761, ÖNB cod 12025, fol. 210rv. 258 Kompilation: Instruktion Polancos (18.10.1564), PCE N, S. 720. Bibliographie: Lamalle, Catalogues. Exemplare: ARSI Hist Soc 10-19. ARSI FG 624. 259 Vgl. dazu z.B. Dupaquier, Invention.Dupaquier/Dupaquier, Histoire.Pitz, Entstehung. Rusnock, Vita/Accou11t1. Tantner, Ordnung.Landwehr, Bevölkerung. 260 AR.SI Hist Soc 14 enthält ein Manuskript von 1704, in das verschiedene Zettelchen eingelegt sind, die Verbesserungs- und Korrektumotizen beinhalten, u.a. den oben erwähnten Nachtrag zu Japan. 261 Z.B. für die päpstlichen Behörden: siehe den :Missionarskatalog(1632) in ACDF S.O. StSt. E 4 s, fol. 394r-396v (zusammenfassende Statistik), 399r-437r (Namensliste). 262ARSI Congr 75, fol. 231v (Provinzialkongregation Austria 1660). Die Antwort des Generals macht den ausschließlich rekombinierenden Charakter der Gesamtübersichten

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Offensichtlich sollten und konnten (statistische) Übersichten dabei helfen, das wachsende Gemeinwesen für die einzelnen :M1tgliederanschaulich und begreiflich zu machen. Das Ganze des Ordens, das ansonsten kaum vorstellbar war, konnte durch Zahlenangaben über :M:itgliederstärke und Niederlassungen veranschaulicht werden und wurde somit erfassbar. Beispiele zeigen, dass dies durchaus funktionierte. Einfache Jesuiten notierten solche l\1itgliederzahlen etwa in ihre privaten Tagebücher. 263 Die Statistiken gewährleisteten demnach nicht nur die Steuer- und Regierbarkeit des Ordens, sondern leisteten auch einen Beitrag zur Einheitsstiftung einer global wachsenden Organisation, indem sie diese repräsentierten, konkretisierten und vorstellbar machten.

3.3.3. Bürokratisierte Personalentscheidungen: Die »Informationes« Allein, der systematische Überblick über Zahl und Tätigkeitsfelder der Ordensmitglieder erfüllte noch immer nicht alle Bedürfnisse der römischen Kurie in Sachen Personalinformation. Der entscheidende Aspekt, der das Verhältnis der Jesuiten zur eigenen :Mitgliederschaftzu einem ganz besonderen machte, war die versuchte Umstellung aller wichtigen Personalentscheidungen auf normierte Verwaltungsabläufe, in denen dann Qualitätskriterien eine entscheidende Rolle spielen sollten. Aus mündlichen Diskussionen mit vorwiegend spontanem Charakter, die Personalentscheidungen in anderen Orden prägten, wurden bei den Jesuiten Verwaltungsabläufe. 264 Das oben angesprochene »Durchdringen« der einzelnen Individuen, das als ein entscheidendes Prinzip der Personalführung galt, sollte deshalb systematisiert werden. Wieder trat dabei die schon bekannte, für die Gesellschaft J esu so typische Situation ein, dass in Rom einerseits alle Entdeutlich (ebd., fol. 239r): »Propediem aderunt recentes Catalogi e quibus personarum nuroerum depromemus, et novum Catalogum imprimemus.« Der nächste Katalog wurde allerdings erst 1679 gedruckt, 263 VgL die Aufzeichnungen von Antonio Tresutto aus Tivoli, der beispielsweise ffu: 1600 und 1608 genaue Mitgliederzahlen des Ordens vermerkte (8,000 bzw. 10.501), BNVE Mss Ges 361, fol. 28r, 51r. Offenbar war dieses Wissen vorhanden und ein wichtiger, notierenswerter Gegenstand. 264 Einspruchsmöglichkeiten: Statuten der Zisterzienser von 1601, Canivez, StaMa VII, S. 229: »Quando erit aliquis promovendus denuntiabitur palam in capitulo ab eo qui praesidet., ut si quis labem aut vitium aliquid in eo sciat, propter quod ordinari debere non videtur, indi.cetnon quidem publice, sed privatim uni supcriori vcl alicui seniorum.« Zu den Jesuiten auch Sacchinis Vita Acquavivas, ed. Guerra, Acq11aviua, S. 220f.

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scheidungen getroffen werden mussten und auf einer intensiven, empirischen Analyse der betroffenen Individuen beruhen sollte, ohne dass die Verantwortlichen die entsprechende Person andererseits noch persönlich kannten oder kennenlernen konnten. 265 Wieder musste Rom in schriftlicher Form mit der notwendigen, entscheidungsleitenden Information versorgt werden. Die regelmäßig in den gewöhnlichen Geschäftsbriefen enthaltenen Hinweise über die einzelnen Ordensmitglieder reichten dazu offensichtlich nicht aus. Deshalb konstruierten die Nachfolger des Ignatius ein spezielles Informationsverfahren zur Beurteilung der Personalqualität, das weit über zeitgenössisch Vergleichbares hinausging.266 Direkte Vorläufer oder Entsprechungen sind nur schwer zu finden. Obwohl auch der Abt von Cluny aus eigener Machtfülle die Abte und Priore seines Ordens ernannte, fehlen Hinweise darauf, wie und ob er sich von der Qualität dieser Männer überzeugte. Augustinermönche von den Philippinen, die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Spanien tauglichen Nachwuchs für ihre Mission rekrutieren wollten, beschrieben anschaulich die enormen Schwierigkeiten bei ihren wenig formalisierten Auswahlbemühungen. 267 Bei den Franziskanern war seit 1621 die Selektion der Missionare immerhin an zwei schriftliche Gutachten gebunden, doch war auch hier der Formalisierungsgrad weit geringer als in den jesuitischen Verfahren. 268 Wohl erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts verfügten die Franziskaner über institutionalisierte und vorfonnulierte Korrespondenzformen zur Personalbeurteilung, die allerdings weit hinter dem zeitgenössisch möglichen Grad an Formalisierung

265 Bei den Dominikanern wurde demgegenüber 1259 etwa festgelegt, dass die ;ährlichen Visitatoren vor Ort über die potentiellen Kandidaten für Studien entscheiden sollten, Hinnebusch, Geschichte, S. 54. Die wachsende Anonymität der Personalentscheidungen \\,ird auch sehr schön deutlich aus den oft hilflosen Schreiben der Provinziale zur Bestätigung von Assistenten, die dec General verfassungsgemäß zwischen den Generalkongregationen selbst vorschlagen durfte, ARSI Hist Soc 135 und 136. 266 Es gibt kaum Literatur hierzu. Moulin, Monde vivant,S. 158-170 bietet nur eine knappe, vage Skizze. Zu moralischen Problemen aus heutiger Sicht Keenan, I,iformationeJ'. 267 Bericht des Prokurators P. Alvaro de Benevente OSA (1690/95), ecL Merino, Alütamunta.,v.a. s.328f. 268 Borges Mocin, Envio, S. 314f., 316f. Chronologi.a Historico,S. 667b: ))Ut autem idonei Religiosi mittantur ad Indos, qui eos, vita, exemplo, & doctrina valeaot erudite, Commissarijs stricte praedpitur, ut nullum mittendum admittant, nisi per Ministrom Provincialem, & unum ex Diffinitoribus eiusdem Provindae, vel per unum Pattern, simul cum altern provinciae Discreto fuerit probarus cum testimonio laudabili scripto, & subscripto ab eitlem.{
formandus iuxta informationem. differendus ex privaris literiSdifferatur et moneatur.;DePetro Wagner tametsi informat:io huc non sit bona, tarnen quia Ra Va nuper aliam hie dedit:,pe:rmitto RaeVae,ut formatur si satis ernendatus videatur«). 337 Z.B. Acquaviva an den Provinzial von Atutria, Carillo, 20.10.1601, bzgl. P. Nicolaus Coronius, ARSI FG 624, unfol. (Faszikel A2). lnforroationsverwimmg z.B. bei Marsilius Contzen, Johannes Busch und Johannes Llmbucg aus der niederrheinischen Provinz, ARSI Rom 193, fol. 2rv (22.7.1661). Die Entscheidung in ARSI Germ 112 II, fol. 380r (23.7.1661).Analog auch der Fall des Eusebius de Matteo aus Brasilien, ARSI Rom 193, fol. 71r (20.12.1662). 338 Über die Promotion von P. Ferdinand Gallus habe er »diu multumque cogitavi; ac tandem consulto deo, et :recum PP Assistenribus meditate collata((,so General Nickd an den Provinzial der GermaniaSuperior,4.2.1662, ARSI Germ 112 I, fol. 256r (Siehe auch AR.SI Rom 193, 35r (1.2.1662)). Die Entscheidung wurde offensichtlich dadurch nahegelegt, dass der betroffene Kandidat seine Tugendhaftigkeit bereits durch eine großzügige Schenkung seiner Güter an den Orden gezeigt habe und außerdem adelig war. »Del P. Sebastiano Pennoni sto coll'animo ancora perplesso«, so Oliva an den Prnvinzial der Romanaam 18.12.1675, ARSI Rom 50, fol. 184r.

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der Verwaltungsabläufe aus. Alle Arten von Verzögerungen und Beeinträchtigungen des römischen Ablaufs kamen vor. 339 Provinziale mussten immer wieder auf ihre Fehler hingewiesen werden.340 Sehr häufig notierten die Sekretäre, dass »wegen des Fehlens sachgemäßer Infarmationesim konkreten Fall nichts entschieden werden kann«.341 Von einer Integration der Hierarchieebenen durch Informationsfluss konnte dann nicht mehr die Rede sein. In vielen Fällen schien der fehlerhafte Austausch zwischen Ordenskurie und Provinzen im Gegenteil die Distanz zwischen beiden nun eher zu vergrößern denn zu überbrücken. Informationelle Unzulänglichkeiten behinderten sofort die fein abgestimmten Abläufe. SerielleInformation Die letzten beiden Abschnitte haben anhand der infarmationes noch einmal illustriert, wie fragil die Konstruktion des jesuitischen Informationssystems war. Zwei Problemfelder stachen dabei eben besonders ins Auge: die vollständige Abhängigkeit der Kurie von lokalem input und die jederzeitige Anfälligkeit für absichtliche Zweckentfremdung oder sonstige Irritationen. Anhand der infarmationes kann nun aber auch noch einmal gezeigt werden, wie und weshalb die Jesuiten glaubten, zumindest ein Stück weit gegen diese Gefahren gefeit zu sein. Noch einmal ist dazu auf das Vertrauen des Ordens in die korrektive Kraft des Archivs und das selbstevaluative Potential mehrsträngiger oder serieller Information zu verweisen. Genau darum, um absichtsvoll seriell produzierte Nachrichten, handelte es sich nämlich bei den infarmationes. Auf den ersten Blick mag diese Feststellung überraschen, erscheinen die informationesdoch, gerade in ihrer maximal konzentrierten Form der vorgedruckten Formulare, zunächst als entkontextualisierte Momentaufnahmen. Doch bei genauerer Betrachtung trügt dieser Eindruck. Über jeden Jesuiten traf im Lauf seines Lebens nämlich eine Vielzahl dieser Schriftstücke in Rom ein. Bis zum Lebensende wurde auf diese Weise kontinuierlich an seinem ordensinternen Persönlichkeitsbild weiterge339 Beispiele: General an Jakob Ugoski, Iithuania, 17.12.1667,ARSI Germ 112 II, fol. 348r. Vitelleschi an Premislao Rudnicki in Polen, 17.1.1643, ebd., fol. 354r. 340 Beispiele: Vitelleschi an Provinzial der Romana,5.4.1625, ARSI Rom 50, fol. 60r. Tamburini an Rektor Ingolstadts, Joseph Preiss, 31.8.1709, ARSI Germ Sup 12 II. fol. 174r. Vitelleschi an Vizeprovinzial der Lithuania,Melchior Schmoelling, 21.7.1646, ARSI Germ 112 II, fol. 338r. Sarkastisch:ARSI Rom 193, fol. 2r. 341 Beispiel: General an den Provinzial von Polen, 19.2.1656,ARSI Germ 112 II, fol. 363v.

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schrieben. Der serielle Charakter dieses Verfahrens war eine seiner wichtigsten Eigenschaften. 342 Dadurch war einerseits eine Relativierung einzelner infarmationes möglich (dies war, wie das oben erwähnte Beispiel Lamacensis zeigte, ein sehr verständliches Anliegen), andererseits sollte auf diese Weise die langfristige Persönlichkeitsentwicklung erfassbar werden (dies war ebenfalls eine wichtige Hoffnung). Die regelmäßige vergleichende Durchsicht der vielen Dokumente zu einer Person galt deshalb als wichtiger Verfahrensschritt. 1706 beschwerten sich beispielsweise amerikanische Jesuiten gegenüber der Kurie darüber, »dass man in Rom die neuen informationes aus den Provinzen nicht mit den alten abgleicht.« Das müsse aber geschehen, >>umdie Entwicklung der einzelnen Kandidaten zwischen früher und heute zu erkennen«. Entscheidende Voraussetzung dafür war die sorgfältige Archivierung der Stücke. Darum empörte man sich gleichzeitig auch darüber, »dass die informationes aus den Provinzen in Rom nicht gut aufbewahrt werden und unter Thyrso Gonzalez sogar verloren gingen.«343 Noch einmal wird an dieser Klage deutlich, dass viele Jesuiten papierbasierter Information tatsächlich eine gewisse Fähigkeit zur Selbstbewertung zusprachen. Der angewachsene Schatz an schriftlichen Repräsentationen der Welt, der im Ordensarchiv zur Verfügung stand, hatte das Potential, einzelne Dokumente auf ihre Richtigkeit hin zu bewerten. Das

342 Dies wurde freilich konterkariert durch die schnell wechselnde Zusammensetzung der Informatorengruppe. Es waren immer wieder neue Bewertungsteams, welche die einzelnen Jesuiten bei den verschiedenen Anlässen beurteilten. Beispiele aus dem Vergleich von ÖNB cod 12363 (1726), 12365 (1730) und 12364 (1734): Adam Lotynski (fol 4r5v, fol. 4rv und fol. 25rv) erhielt 1730 vier neue, 1734 zwei seiner alten Informatoren von 1730 (nr. 3, 4). Es kommt zu ganz unterschiedlichen, teilweise gegensätzlichen Bewertungen. Bei Adrian Miaskowski (fol. 8r-9v, foL 27rv und fol. 27rv) waren die Bewertungen von 1726 und 1734 identisch, während 1730 sehr viel differenzierter und kritischer geurteilt wurde. Drastisch ist der Fall von Casimir Raytarowicz (fol. 261r-262v, fol. 7rv und fol. 28rv), der offensichtlich auf Grund der hannonischen informatiovon 1726 erstmals zum Rektor (von Bidgostiense) gemacht wurde. Die vier neut."tl Informatores von 1734 charakterisierten Raytarowicz nicht mehr harmonisch, sondern in sehr widersprüchlichem Licht, was sich bereits 1730 abzuzeichnen begann. Reflexionen der Ocdensleute auf dieses Phänomen habe ich nicht finden können. 343 ARS! FG 770, unfol (nr. 36): »quod Romae aliquando non conferantu.r novae informationes missae ex Provinciis cum antiquis, quod videtur necessarium ad cognoscendum differentiam status eorum, de quibus informatur, et qualiter se gesserint praeteritis annis usque ad praesentem [... ] quod Informationes missae ab illis Provinciis non bene asserventur Romae, et propterea aliquando amissae fuerint tempore R.P. Thyrsi Gonzale-.rn. Tatsächlich sind die inj01"!!1ationes nur unvollständig, für das 17. Jahrhundert fast überhaupt nicht überliefert.

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Informationssystem erlaubte, auch ohne eigene Augenscheinnahme über den Wahrheitsgehalt mancher Nachrichten zu befinden. Was sich einzelne Jesuiten von einer langfristigen Persönlichkeitsbeurteilung tatsächlich erhoffen konnten, lässt sich nur in Einzelfällen überprüfen. 344 Klar ist aber, dass bereits die Informatoren selbst häufig nicht nur den momentanen Zustand, sondern auch die Entwicklung der letzten Jahre überblickten und explizit mit bewerteten. Immer wieder finden sich schon in den einzelnen i~rmatir;ne.rausdrücklich Vergleiche nach dem Schema »früher«-»heute«.345 Und durch die vergleichende Lektüre verschiedener infarmationes zu einer Person konnte der General wohl tatsächlich ein stabiles Bild vom betreffenden Ordensmann und seinen Eigenschaften gewinnen. Nehmen wir Joseph Diousidon aus der Provinz Aquitanien als Beispiel.346 Auf die Frage vier ad gubernand11m, ob er seine Begierden im Griff habe, antworteten 1734 die meisten Informatoren positiv. Ein abweichendes Urteil war allerdings verräterisch: Diousidon habe seine Begierden nicht wirklich überwunden, vielmehr >>Unterdriickeer seine brennenden Affekte nur gewaltsam«. 1740 war das Lob in diesem Punkt einhellig, doch 1746 gab es wieder eine Minderheite1uneinung, die erneut auf Diousidons Schwierigkeiten an diesem Punkt hinwies. Der Hinweis zur »mansuetudo« in diesem Jahr liest sich ganz ähnlich wie die frühere Kritik: er sei »mild nicht von Natur, sondem durch Tugend«. Schon 1734 hatte es hierzu geheißen: >>erübt sich in Milde und Demut, die ihm aber nicht von Natur aus gegeben sind«. Hält man diese Beurteilungen nebeneinander, so ergibt sich der Eindruck einer langfristig konstanten Persönlichkeitsstruktur bei Diousidon. Die serielle

344 Z.B. am 11.8.1661 (Bartholomaeus Sanchez, Philippinen). ARSI Rom 193, fol. 12r: »nihil dicitur de studiis ipsius [in den aktuelk'tl infarmaliones]. tantum fuerat 7 a.nnis in Sodetate quando informationes sunt missae 1658>dasKreuz des Herrn« zu tragen hatten, waren das erbauliche Verhalten der Betroffenen und die Wirksamkeit göttlichen Handelns oft nicht zu übersehen. 400 Freilich war manchmal hier doch eine gewisse Vorsicht geboten, denn was den einen Leser erbaute, wirkte anderswo erschreckend. 40 1 Rückschläge waren nicht uneingeschränkt zur Veröffentlichung tauglich, selbst wenn die Jesuiten sich in den Widrigkeiten vorbildlich ◊>er­ baulich«) verhalten hatten. Erst mit einem gewissen zeitlichen Abstand oder wenn sich die Umstände wieder gebessert hatten, konnten solche 395 Am 10.12.1542,Epp Ign I, S. 236-239. 396 Negrone, Rlgulae,S. 574 im Kommentar zur Reguia38 (=- Institutum (1892) III, S. 12). Vgl. diefarmu/ascribendi von 1560, ARSI Inst 117, fol. 180rv. 397 FormulaScribe11di 1573: Mon Ind X, S. 721 (§28). Totengedächtnis: Ordin,uz'oner (1595), unfol. (A2v). 398 Beispiele Qapan 1601), De Rebus Iaponiris,S. 143: »Iam multa particulatim cum magna aedificatione commemorari possent de Christ:ianis,qui in illis regnis commorantur.«

399 Castelnau-L'Estoile, OJJ11riers, S. 352-359, ebenfalls mit Hinweis auf GÜ S. 127-132 (nr. 313-327). VgL Berthiaume, Aventure,S. 258.JR XLVIII, S. 58. 400 Ignatius an Robert Clayssone, 13.3.1555, VllI, S. 540. lgnatius an Bobadilla, 1543, Epp lgn I, S. 277-282. Vgl. Martin,JesuitMind,S. 128--141. 401 LQ II, S. 484: »Nec minus quod jam nuoc nru:raboalios ter:ruit,alios etiam aedificavit.die »puncta«, ist wenig in Erfahrung zu bringen. 422 Acquaviva sprach 1595 vom Amt eines »investigator rerum notabilium«, der mit einem komplizierten System von Papieren alle wichtigen Dinge festhalten sollte. Ob diese Anweisung jemals umgesetzt wurde, ist aber unklar.423 Auf jeden Fall dürfte es sich bei den puncta um kurze, oft stichpunktartige Notizen gehandelt haben. 424 Die überlieferten Beispiele der holländischen :Missionen enthalten weitgehend gleichförmige Angaben zu einer Reihe von wiederkehrenden Themen. Vermutlich 1675 wurden in Belgien detaillierte Hinweise samt einer Frageliste erlassen, um die punctazukünftig zu vereinheitlichen. 425 Die Schilderungen waren meist sehr knapp und ergebnisorientiert, Erfolge wurden in ihrer Quantität erfasst. Der Unterschied dieser puncta zum normalen Geschäftsschrifttum war gering. Die Erbaulichkeit der Information war demnach keineswegs von Anfang an narrativ entfaltet, sondern wurde vielmehr erst in verschiedenen Überarbeitungen literarisch erzeugt, häufig an 421 Li, Lettr,.rirlzJiantes, S. 40, 21Df.,219. Vgl. dazu van Damme, Temple,S. 53-57. 422 Zumindest phasenweise scheint man auf lokaler Ebene nur noch p1mcta gesammelt zu haben, vgl. Acquaviva an den Provinzial von Neapel, 20.1.1582, BHStA Jes 16, Teil II, fol. 4v: »Videtur mihi omnino sufficere ut R" Va mittat puncta annalium, et non curet alios laborare describendis litteris so1itis,nam puncta supplebunt.« Ähnlich an den Provinzial Siziliens, 14.9.1585, ebd., Teil 1585, fol. 4-r. Zur Rolle der puncla auch RAA Jes 7/1, S. 424: ))Junctapuncta, qua de hac statione Ao 1669 missa sunt, perre:x.itnoster Missionarius [... ]

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Missionsberichte Der besondere Charakter der litteraeannuaewird noch deutlicher erkennbar durch einen kurzen vergleichenden Seitenblick auf zwei andere, verwandte Genres: die viel bekannteren Missionsberichte aus Übersee und die regelmäßig fälligen Rechenschaftsberichte der Missionare an die päpstliche

Propaganda-Kongregation. 'i\fissionsberichte und litteraeannuae hatten zwar denselben Ursprung und teilten etliche Gemeinsamkeiten, doch bis spätestens 1600 entwickelten sie sich schleichend zu selbständigen Gattungen auseinander.531 Gemeinsam war beiden insbesondere ihr Qährlicher) Rhythmus sowie die vorwiegend erbauliche Perspektive auf die berichteten Ereignisse. Doch darüber hinaus überwiegen vor allem die Verschiedenheiten. Bereits auf den ersten Blick fällt auf, dass die litteraeannuaemeist auf Latein waren, während die Berichte der :Missionare sehr häufig in den jeweiligen Volkssprachen abgefasst und in andere übersetzt wurden. \Vährend die Drucklegung bei den litteraeannuaeletztlich nur Episode blieb, wurden Überseebriefe langfristig gleichermaßen in Druck- und Manuskriptform verbreitet. 532 Häufig war bei den Missionsberichten auch die provinziale Eigenständigkeit in Sachen Drucklegung und Textgestaltung viel größer. Die kanadischen Relationsbeispielsweise waren eine rein französische Unternehmung~ auf welche die Ordenskurie in Rom kaum Einfluss hatte. Die beiden Genres sprachen auch verschiedene Leserschaften an. Während die (gedruckten) europäischen litteraeannuaeexplizit von einem externen Publikum abgeschottet werden sollten, hatten zahlreiche Missionsberichte auch, wenn nicht sogar vorrangig Laien als Leser im Visier.533 Ignatius selbst befürwortete die Weitergabe ausgewählter Informationen aus fernen Ländern. Bei manchen Überseeberichten trat diese Adressierung im Lauf der Zeit eindeutig in den Vordergrund und die Texte entwickelten sich zu einer Art Bilanz vor Gönnern und Freunden. Paul Lejeune beispielsweise, der Obere der kanadischen !vfission nach 1631, bezeichnete

531 Negrone, Tractatus,S. 130f. Vgl. Shoce,JesuitsandTransyllJania, S. 67. 532 Zur Verbreitung im Druck vgl. z.B. Wicki, Gelegentliche V eröjfentlichungen. Ferro, A epistologr#-a. de Lima Durval, As Cartas.Manuskripte z.B. BHStAJes 579, 587, 589-591, 593-598, 607-609, 614-616, 625, 626, 630 (nach Elisabeth Noichl, Jesuitica.Missionarsbnefe,München 2002). chn 26472. RAA Jes 3388-3486. BRB cod 3861-81, 4169-71. ASV A.A. Arm 1-XVIII, 1831-1839 (u.v.m.). Fallstudie bei Okamoto, Letten 533 Ordinationes(1595), S. 39. Präzisiert am 14.1.1597, Mon Ind XVI, S. 1043. Negrone, Tractatus,S. 131. Gegenteilige Praxis Po-Chia Hsia, Lettm, S. 271-290.

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seine berühmten Relationsmehrmals als >>Tribut«,den er an die Förderer abzuliefern habe. Andere Autoren folgten diesem Sprachgebrauch oder sahen ihre Berichte sogar als »Rechnung«..534 Aus der Rechenschaftslegung des Ordens vor sich selbst zum Ziele der Selbstvergewisserung wurde hier die Rechenschaftslegung vor Gönnern zum Zwecke der Selbstvermarktung. Diese war nötig, weil die jesuitischen 1\1..issioneneng mit weltlichen Potentaten und deren Kolonialprojekten verflochten waren. Die Beziehungen zu den weltlichen Mächten waren deshalb stets zu pflegen und die Missionarsberichte stellten eine Gelegenheit dar, das produktive ....... ~,,1=,..,,"' ...ment des Ordens zu belegen. Bei manchen Texten verschwamm deshalb die Grenze zu offener Kolonialpropaganda. 535 Dass weltliche Förderer die Jesuitenmission oftmals aus (macht-)politischen Erwägungen heraus unterstützten, darf vorausgesetzt werden. Doch bei vielen Laien war das Interesse am Missionsprojekt auch mit einer echten Anteilnahme am Fortschritt des Glaubens verbunden. Eine >>globale Soteriologie« prägte Missionare und Gönner(innen) gleichermaßen - die Rettung der Heiden in Übersee und des eigenen Seelenheils in Europa galten als Bestandteile desselben umfassenden, globalen Erlösungsgeschehens, zu dessen Unterstützung jeder Christ aufgerufen war. Deshalb kam es zu einer ständeübergreifenden ivfitwirkung am weltumspannenden Heilsprojekt. 536 Zahlreiche Laien unterstützten die jesuitischen Unternehmungen in verschiedenster Weise. Dieses starke Engagement'insbesondere »devoter« Kreise erzeugte ein kontinuierliches Interesse an erbaulichen Missionsberichten, das durch den beständigen Strom an Überseenachrichten bedient wurde und diese für Drucker und Verleger auch zum kommerziellen Erfolg machte. 537 Gräfin Maria-Thetesia von Fugger-Wellenburg (1690-1762), die intensiv mit den Jesuiten in China korrespondierte, ist für die Nachfrage nach Missionsberichten und die dahinterliegenden geistlichen Motive ein gutes Beispiel. Ihr christliches Weltbild war ohne jeden Zweifel global, sie attestierte sich selbst einen »vorwis[z] [... ,]welcher sich bis an das endt der welt erstreckhet«. 538 Ihre Wissbegier wurde von der Kaiserin, deren Hofmar534 JR VIII, S. 213. JR XIV, S. 121. »Tribut« und »compte exact«: NouveauxMemflires I, S. 2. 535 Pouliot, Etude, S. 257-261, mit Beispielen aus kanadischen Texten. 536 Grundlegend zur Globalität der Soteriologie sowie zur Finanzierung Clossey, Salvation. 537 Der Drucker Martin Nutius bat selbst um eine Kompilation von Texten aus Japan, so De RebusIaponidt,fol. Aa2v. Manche Relatz'ons aus Kanada erlebten mehrere Nachdrucke, vgl. z.B. Wroth, &lations. 538 Po-Chla Hsia, Letters,S. 61-73, 113.

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schallin die Fuggerin in späteren Jahren war, geteilt - wöchentlich wurde sie von ihr nach den neuesten Texten aus China gefragt.539 Der Gräfin war dabei die Beschränktheit ihres eigenen (keineswegs unbeträchtlichen) Engagements klar doch was sie materiell nicht leisten konnte, wurde durch ihre sorgenvolle Anteilnahme am Missionsprojekt mehr als wettgemacht. Sie wusste zwar, dass sie für die Patres in Ostasien »nit thuen kann als vil ich wollte((. Dennoch meinte sie, »ich müesse [das] übel und wohl ergehen aller lieben patres missionarijs~J als umb welch alle mich interessiere, wissen«.540 Immer wieder forderte sie von ihren Briefpartnern darum detaillierte Informationen über die Asienmission und wartete begierig auf die neuesten Publikationen solcher Berichte. Das Beispiel der Gräfin macht also deutlich, in welch erheblichem Maße die erbaulichen Texte aus den !\fissionsgebieten eine geistig-geistliche Verbundenheit europäischer Sponsoren mit den Aktivitäten in Übersee einerseits voraussetzten, andererseits erzeugten und aufrechterhielten. Sie dokumentierten und kreierten missionarische Begeisterung gleichermaßen. Der unterschiedliche Adressatenkreis von /itteraeannuaeund Missionsberichten machte sich auch inhaltlich bemerkbar. Die :Missionsberichte fügten dem >ErbaulichenWissenswerten< die Lettres idifianteset curieusesbrachten beides dann im 18. Jahrhundert titelgebend zusammen. 541 Die grundsätzliche Bereitwilligkeit und die infrastrukturelle, intellektuelle und kulturelle Fähigkeit zu Sammlung, Deutung und Verbreitung von ethnographischen, geographischen und landeskundlichen Informationen zeichnete die Gesellschaft Jesu aus und machte den Orden für alle entlegenen Gebiete außerhalb, aber auch innerhalb Europas zum vielleicht wichtigsten Lieferanten einschlägiger Kenntnisse.542 Schon Ignatius selbst forderte 1554 den :Missionar Gaspar Barzaeus in Indien dazu auf, »Außergewöhnliches>abergläubische«religiöse Grundierung dieser Berichte übersehe oder gleich ganz weglasse.552 Die Royal S ocie!Jdruckte in :ihren Transactionshäufig jesuitische Nachrichten. Obwohl :ihr Sekretär Henry Oldenburg von den Jesuiten glaubte, dass >>esdas vorrangige Ziel bei den Reisen dieser Leute ist, :ihren Glauben zu verbreiten und sich zu bereichern«, so musste er doch zugeben, dass >>einigevon ihnen sehr bewandert in philosophischen Angelegenheiten sind«.553 Und der berühmte Geograph Bernhard Varenius, der 1649 in Amsterdam unter starker Heranziehung jesuitischer Autoren zwei Werke zur Geschichte und Religion Japans veröffentlichte, beklagte sogar offen, dass zu wenige Texte des Ordens veröffentlieht und zugänglich seien.ss4 Auch für die Jesuiten selbst war die Balance von aedificatio und curiositas nicht immer leicht zu halten. Ebenso \\i.e bisweilen die erbauliche Dimension die nüchterne Beschreibung verdrängte, 555 so konnte umgekehrt auch das curieuseInteresse leicht die religiöse Perspektive überwuchern. Der chilenische Jesuit .Alonso de Ovalle etwa, Autor einer umfassenden Historica&lacionder Andenregion, sprach dies 1646 direkt an. Das Hauptanliegen seiner Abhandlung sei selbstverständlich die Bekanntmachung der geistlichen Arbeit, die seine Ordensbrüder bei der Heidenbekehrung leisteten - die erbauliche Dimension, für die er praktisch ausschließlich auf die litteraeannuaezurückgriff. Allerdings widmete er diesem Aspekt nur die beiden letzten der insgesamt acht Bücher seines Werkes. Die ausführliche

gions they visit; the Opportunities they have, by their Skill in the Arts aod Sciences, as weil as by their insinuating Address, to glide into Court, where Access is often dt.'fliedto all but themsclves: Their Famlliarity with the Inhabitants; thcir mixing with, and, often, very long Abode among them; these, I say, must necessarily give our Jesuits a much more perfect Insight into the Genius and Character of a Nation, thao others who visit Coasts only«. Über die Wunder siehe ebd., S. vi, xii. 552 Vgl. die Introduction von The travelsoJ 1everal /eamedmissioners. Der anonyme Übersetzer von Alonso de Ovalle, Historicarelaciondel reynode Chile,Rom 1646 betonte z.B., der jesuitische Autor »deserved the character of a candid inquisitive philosopher«, siehe Churchill, Coller:tion III (n.p., The Translator's Preface). 553 Vgl. die Liste bei Reilly, Catalogue. Zitat ebd., S. 340f. (1640, an Robert Boyle). Die Royal Society förderte auch die Übersetzung von Churchill, Collection. 0,l'gl.ebd., III, n.p., Tue Translator's Pteface). 554 Über die Manuskripte Varenius, Descriptio,S. ***7rv. Dcrs., Tractatus.Beide Bücher kompilieren jesuitische Texte und fügen holländische Quellen hinzu. 555 Sehr deutlich hierzu und skeptisch bzgl. Franz Xaver Berthiaume, Aventure,S. 246.

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Schilderung von Land und Leuten in den vorhergehenden sechs Teilen sei freilich unverzichtbar, um dem Publikum die ungewöhnlichen Adressaten und Umstände jesuitischen Handelns vertraut zu machen. Die umfangreiche Landeskunde diene somit letztlich doch einem erbaulichen Zweck, denn so >>scheintdie Kraft und Wirksamkeit der göttlichen Gnade umso deutlicher«.556 Doch zumindest rein quantitativ überwog der curieuseTeil hier deutlich und nur mit einiger Mühe konnte de Ovalle glaubhaft machen, dass sein Buch die Harmonie beider Darstellungsprinzipien nicht verletzte. Die Konkurrenz von curiositasder Leser und aedfficatio als Hauptzweck der Publikationen wurde für manche Autoren richtiggehend zur Last. Ordensleute stöhnten immer wieder über die inhaltlichen Erwartungen des Publikums. Französische Jesuiten in Syrien beschwerten sich gelegentlich ganz offen darüber, dass das beständige V erlangen der Leser nach landeskundlicher Information in diesem Fall ging es in erster Linie um Ruinen und Monumente - nur mit einem enormen Forschungsaufwand zu stillen sei, der aber nicht gut mit den zeitraubenden und vorrangigen Missionsbemühungen zu vereinbaren sei.557 Doch an einen Verzicht auf das curieu.re Element war nicht zu denken, ganz im Gegenteil: Die Erwartungen des Publikums wurden weiter bedient. Bisweilen nahm dies makabere Züge an. Dies war etwa der Fall, als die blutigen Verfolgungen der Jesuiten in China geradezu als Werbung für den 27. Faszikel der Lettres idifiante.reingesetzt wurden, das dadurch »noch curieuser als die übrigen« sei.558 \Vährend manche Autoren über die Anforderungen stöhnten, nur um sich ihnen dann doch zu unterwerfen, waren andere Jesuiten offenbar pragmatischer und erkannten die Notwendigkeit offen an, den curieusen Geschmack der Leserinnen und Leser direkt zu bedienen. Diese Beispiele illustrieren noch einmal, dass sich die Missionsberichte sowohl durch ihre Adressierung an Leser außerhalb des Ordens als auch durch die (damit eng verbundene) offensive Aufnahme landeskundlicher und ethnographischer Inf onnationen deutlich von den vor allem ordens556 Churchill, Collection III (Preface). Zitat: >>thatthe force and efficacy of the divine grace might shine out the more«. De Ovalles Bücher 7 und 8 wurden bemerkenswerterweise von Churchill gar nicht erst aufgenommen (ebd., n.p., »To the Reader>Assistenzen«, ein. Die Vorgehensweise der Jesuiten war noch stärker eurozentristisch als die der Propaganda.Alle Assistenzen orientierten sich an Europa und trugen entsprechende Namen: Portugal, Spanien, Frankreich, Italien, Deutschland und Polen. Nur die

15 Pizzorusso, Congregazjone e rJrdini, S. 222f. 16 BV tfss I 20, fol. 243r-246v. Zu den Aposteln ebd., foL 245rv. 17 Dazu Pizzorusso, Per servitio,S. 207-21 O. Zuständigkeitslisten z.B. in APF Seconda Serie Sacra Congregazione 1, passim (gedruckt z.B. fol. 238r) und APF Acta 24, foL 37r-38r (1655, dort auch »Provinzen«).

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ersten drei verfügten jemals in größerem Maßstab und längerfristig über außereuropäische Regionen, insofern ihnen jeweils die Kolonialgebiete der namensgebenden europäischen Monarchie zugeordnet waren. 18 Wie bei der päpstlichen Kongregation dominierten hier politische Loyalitäten über geographische Kriterien - Brasilien gehörte etwa zur portugiesischen, während der Rest von Südamerika zur spanischen Assistenz gehörte. Die gesamte Welt wurde einerseits in Zuständigkeitsbereiche und Großregionen eingeteilt, die sich aber andererseits nur als konzeptionelle Anhängsel an europäische Faktoren erwiesen und nicht durch die Verhältnisse vor Ort begründet waren. Dabei fehlte es nicht an Bestrebungen, diese eurozentristische Gliederungslogik zurückzudrängen. Immer wieder gab es Versuche, zusätzliche, außereuropäische Assistenzen zu gründen, was die rein europäische Perspektive durchbrochen hätte. Besonders im Umfeld der fünfzehnten Generalkongregation 1706 forderten amerikanische Provinzen eine Ausgliederung der spanischen Ordensgebiete in Mittel- und Südamerika sowie im 19 Eine neue, amerikanische Assistenz sollte aus Pazifik aus der Hispania. diesen Regionen gebildet werden. Dieser Vorschlag wurde gemacht, weil die Interessen der Jesuiten in Übersee durch die vorhandenen Verwaltungsstrukturen und -abläufe nicht angemessen innerhalb der römischen Ordensleitung zur Geltung gebracht werden könnten. Ein eigener Assistent in Rom sollte ihre Anliegen zukünftig besser an die Kurie vermitteln. Die Argumentation der amerikanischen Jesuiten hatte somit in erster Linie den Charakter einer (moderaten) Kritik der Ordensverwaltung und der Kurie. Nur vereinzelt wurden dagegen kulturelle, geographische und räumliche Begründungen im eigentlichen Sinn vorgebracht. Davon, dass die Provinzen in Amerika ein eigener Handlungsrawn mit eigenen Charakteristika seien, dessen Eigenart institutionell durch eigenständige Vertreter abgebildet werden müsse, war kaum die Rede. Nur nebenbei erwähnte man auch die enorme geographische Ausdehnung und die große Zahl an Niederlassungen und Personen, die in den fraglichen Gebieten zu regieren war - eine Aufgabe, die wegen der Entfernung Amerikas von Europa noch schwieriger zu bewältigen sei als in europäischen Vergleichsfiillen.20 18 Ausnahmen: die sehr kleinen englischen und niederländischen Missionen in Maryland und Curac;ao waren Teil der deutschen Assistenz. 19 ARSI Congr 17, fol. 280r-283v. 20 AR.SI Congr 17. fol. 280r, 282t.

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Die Generalkongregation ließ sich von diesen Argumenten nicht überzeugen. Das lag zum einen sicherlich an der Annahme, dass die spanische Kolonialmacht einer Eigenständigkeit Amerikas - und sei es nur im Rahmen der Ordensverwalru.ng - kaum zugestimmt hätte. Zum anderen waren die vorgebrachten Gründe nicht überzeugend, weil man leicht argumentieren konnte, dass sich die innerkurialen Abläufe auch ohne eigenen amerikanischen Assistenten optimieren ließen und ein solcher Amtsträger in der Ewigen Stadt außerdem vor denselben infrastrukturellen Problemen stehen ,vürde wie der spanische Assistent. 21 Weil die Assistenzen vor allem als innerkuriale Verwaltungsebene existierten, konnten die realen Schwierigkeiten der amerikanischen Jesuiten nicht auf diesem Weg beseitigt werden. Damit machen die Diskussionen von 1706 schlaglichtartig noch einmal klar, worum es sich bei den Assistenzen des Jesuitenordens (nicht) handelte. Sie erfüllten erstem eine koordinierende Aufgabe innerhalb der Ordensverwaltung, vor allem in der römischen Zentrale. Das wird schon daran deutlich, dass die mit Abstand wichtigste institutionelle Manifestation der Assistenzgliederung eine Gruppe von römischen Amtsträgern war: die Assistenten. Deren entscheidendes Handlungsfeld war die Ordenskurie, gegenüber den Jesuiten in >ihremProvinzen traten die Assistenten, ,·vie gesehen, dagegen kaum als Leitungspersonen aktiv in Erscheinung. Zweitens bedeutete die Assistenzgliederung auch eine ausdrückliche Anerkennung der politischen Realitäten Europas im administrativen Selbstbild.22 Die Assistenten brachten die Tatsache, dass die Gesellschaft Jesu in einem mächtepolitisch differenzierten und regionalisierten Kontext agierte, in der Ordensleiru.ng direkt instiru.tionell zur Geltung. Die wichtigsten Machtsphären Europas waren in der Kurie organisatorisch abgebildet. Selbst in 21 So die Gegenseite in ARSI FG 770 nr. 36. 22 Zwar hatte die 12. Generalkongregation klargestellt, dass Assistenzen keine nationetseien (formuliert als Frage »an synonymac, Natio etAssi.rtentia?« in CG XII D. 5, S. 334), denn allein die Provinzzugehörigkeit (und nicht die regionale oder kulturelle Herkunft) eines Jesuiten bestimmte die Assistenzzugehörigkeit. Doch das verhinderte entsprechende Konfliktlinien keineswegs. Die Polen wollten z.B. auf der Generalkongregation 1652 unbedingt einen Polen als deutschen Assistenten sehen. Als dennoch der »Deutsche« Nickel bestätigt wurde, kamen erneut ältere Forderung nach einer polnischen Assistenz zur Sprache. Sollte sich dieser Wunsch nicht erfüllen lassen, schlug man zumindest die Angliederung der polnischen Ordensgebiete an die französische Assistenz vor, vgl. die Briefe von Georg aus Rom, ed. Döllinger, Geschichte II, S. 327, 330f. Gefordert bereits 1651 auf der Provinzialkongregati.on,vgl ARSI Congr 73, fol. 200.r, 201r (negative Antwort).

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den Augen der amerikanischen Jesuiten waren die Assistenzen dagegen drittenskeine geostrategischen Gliederungseinheiten im eigentlichen Sinn. Bei ihrer Einrichtung ging es kaum darum, die kulturelle und geographische Gliederung des Globus zur Grundlage von Planungs- und Entscheidungsfindungsprozessen zu machen.

Die Geographie derrömischen Vewaltungsat'.fmerksamkeit Es lässt sich statistisch überprüfen, ob die amerikanischen Provinzen in Rom tatsächlich nur eine Nebenrolle spielten, wie sie selbst 1706 meinten. Legt man die Sitzungsmitschriften der römischen consultatione.r aus dem 17. Jahrhundert zugrunde, so wird die geographische Schwerpunktsetzung dieser Beratungen und ihrer Entscheidungen quantitativ erfassbar. Dadurch kann man die regionale Verteilung der römischen Verwaltungsaufmerksamkeit messen. 23 Dabei zeigt sich: Rom verteilte seine Aufmerksamkeit regional ungleichmäßig und bevorzugte dabei nahegelegene Gebiete. Nur ein Sechstel bis maximal ein Drittel aller Beratungen betraf außereuropäische Gebiete. Dabei ist freilich zu bedenken, dass der Orden trotz der globalen Ausweitung seiner Tätigkeiten weiterhin und unangefochten Europa als Zentrum seiner Aktivitäten ansah. Die Dominanz Europas in den römischen consuitationes muss deshalb in der rechten Perspektive gesehen werden. Die Gesellschaft J esu war ein europäischer Orden. Neun von zehn Ordensleuten wurden durchschnittlich in Europa eingesetzt, lediglich ein gutes Zehntel aller Jesuiten war gleichzeitig in Übersee tätig.24 Im Vergleich zu diesem Prozentsatz ist der Anteil außereuropäischer consultatione1-Gegenstände sogar recht hoch. Die Klage der amerikanischen Jesuiten von 1706 traf damit durchaus ins Schwarze: Rom war in erster Linie am Nahbereich interessiert. Dieser Eindruck wird noch verstärkt, wenn man die Beratungsgegenstände nach Assistenzen aufteilt (Abbildung 19). Italien war überproportional repräsentiert. Die untergeordnete Rolle Frankreichs dürfte einerseits mit der geringen geographischen Größe dieser Assistenz, andererseits mit den gallikanischen Absonderungstendenzen von Rom zusammenhängen. Weitaus auf-

23 Die Statistik basiert auf der Auszählung des (verlässlichen) Registers zu ARSI Inst 118, das Ende des 19. oder Anfang des 20. Jahrhunderts angefertigt wurde. Zur den Mitschriften siehe bereits oben, S. 181, FN 178. 24Laut Harris, Mapping,S. 217, schwankte der Anteil von Ordensleuteo in Übersee zwischen 8 und 12 Prozent.

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fälliger ist demgegenüber die nachgeordnete Bedeutung Deutschlands, das nicht nur als Schauplatz der Gegenreformation für den Orden von zentraler Bedeutung war, sondern auch die mitgliederstärkste Assistenz war.

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Abbildung19:Geographische Verteilung derBeratungsgegenstände in Rom:Assistenz,n Dieses Bild wird allerdings erheblich nuanciert, wenn man die Beratungsgegenstände nicht den Assistenzen zuordnet, sondern sie in feinerer Gliederung nach Provinzen aufschlüsselt. Hier zeigt die folgende Abbildung 20 eine wesentlich weniger eindeutige Struktur: Nun ist offensichtlich, dass einzelne Provinzen aus dem Schema der Assistenzen ausbrachen. Mit Abstand die größte Aufmerksamkeit erhielten erwartungsgemäß vier italienische Provinzen (außerhalb Roms), Sizilien, Mailand, Neapel und Venedig. Auffällig ist dann aber schon die große Bedeutung der Francia,die in deutlichem Gegensatz zur sonst nachgeordneten Rolle der französischen Regionen steht. Klar erkennbar ist außerdem der rasante Abfall der Aufmerksamkeitskurve, schon die achtplatzierte Provinz Brasilien erhält weniger als die Hälfte an Beratungsterminen der führenden sizilianischen Provinz. Die beiden am besten repräsentierten deutschen Provinzen, die niederrheinische und böhmische, erhalten gerade noch ein Viertel der sizilianischen Aufmerksamkeit. Im Gegensatz zur teilweise extrem unterschiedlichen Berücksichtigung portugiesischer (Lusitania:31; Transtagena-. 3) oder französischer (Francia:26; Campania:3) Provinzen erhielten die deut-

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sehen Regionen allerdings alle in etwa ähnliche Aufmerksamkeit. Deutlich ist außerdem zu sehen, dass die insgesamt tatsächlich geringe Relevanz überseeischer Gebiete keineswegs bedeutete, dass nicht einzelne Provinzen starke Beachtung fanden. Über einige von ihnen wurde im Gegenteil viel intensiver beraten als über manche wichtige europäische Region. Japan oder China übertrafen alle deutschen Provinzen mit Ausnahme des Niederrheins. Gerade die spanischen Gebiete in Amerika dürften sich 1706 allerdings nicht ganz ohne Grund beklagt haben. Sie erhielten nur wenig römische Aufmerksamkeit, sowohl im Vergleich zu manchen europäischen spanischen Provinzen als auch im Vergleich zu anderen Überseeprovinzen, die häufiger Thema der Beratungen waren.

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Abbildung20: Geographische VerteilungderBeratttngJgegenstände in Rom:Provinzen Auch wenn die absoluten Zahlen vielleicht nicht verlässlich sind, so lassen sie doch zumindest das relative Gewicht verschiedener Regionen erkennen. Die Vorrangstellung des Nahbereichs ist eindeutig, wenngleich nicht absolut. Einzelne wfissionsgebiete wurden durchaus sehr intensiv verfolgt. Die geographische Nähe war offensichtlich ein wichtiger, aber nicht der einzige Faktor bei der Verteilung römischer Aufmerksamkeit. Internationale Konflikte wie in China oder Japan spielten hier vermutlich eine Rolle,

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während umgekehrt die souveräne Amtsführung vor Ort wohl die Notwendigkeit für römische Beratungen verringert haben dürfte. Dennoch, bei aller Differenzierung im Einzelnen zeigen die Statistiken ganz klar, dass Rom regional sehr ungleichgewichtig und häufig mit größerer Aufmerksamkeit auf nahe- und nähergelegene Regionen regierte. Aufs Ganze gesehen blieb die Gesellschaft J esu schwerpunktmäßig ein europäischer Orden.

Der Zugriffa'!fden Verwaltungsraum: Provinzgrenzen und ihreKriterien Unterhalb der Assistenzen etablierten die Jesuiten, genauso wie die meisten anderen Orden seit dem hohen Mittelalter, die sogenannten »Provinzen« als wichtigste regionale Verwaltungseinheiten. Suarez hatte unterstellt, die Raumgliederung der Gesellschaft Jesu sei beinahe nur ein oberflächliches Phänomen. Doch damit unterschätzte er ihre Rolle erheblich. Raumgliederung ist nämlich niemals ein neutraler Vorgang, denn Grenzen sind soziale, politische und kulturelle Phänomene mit räumlichen Wirkungen und nicht andersherum. 25 Das gilt auch für die Provinzgrenzen der Jesuiten, um deren Festlegung unter Einsatz verschiedener Kriterien gerungen wurde. Woran man sich im Einzelnen orientierte ist aufschlussreich, um zu sehen, wie der Orden selbst in der Praxis die Regionalisierung des globalen Aktionsraums vornahm. Dabei zeigt sich, dass der Raum auf ganz verschiedene Weise für die Ordensverwaltung erfassbar und relevant war. Auf mindestens fünf unterschiedliche Arten imaginierten und strukturierten die Jesuiten der deutschen Assistenz den administrativ durchdrungenen Raum. Der Stellenwert der verschiedenen Kriterien war dabei keineswegs unumstritten, sondern selbst Gegenstand der Debatte. Keines der Kriterien war eindeutig dominierend, so dass die ordensinterne Grenzziehung insgesamt keinem klaren und widerspruchsfreien Prinzip folgte. Besonders wichtig war erstensein Zugriff, der Räume durch die jesuitische Siedlungsgeographie entwarf. Als 1622 die Rhenanageteilt werden sollte, beschrieben die Jesuiten die beiden prospektiven neuen Provinzen ausschließlich durch Listen der zugehörigen Niederlassungen. 26 Die Kurie erklärte 1649 ebenfalls in diesem Sinn: >xlieOrdensprovinzen werden nicht

25 So formuliert Simmel, Soziologie,S. 467. Fallstudien: Sahlins, Boundaries.Stauber, Zentralstaat.Begriffsgeschichte: Medick, GmzZ!ÜberbevölkerungI

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den, brauchte die niederrheinische Karte auch keine linienartigen Außengrenzen der Provinz einzuzeichnen, obwohl man die politischen Herrschaftsbezirke sehr wohl auf diese Weise graphisch kenntlich machte. Der Raum der Provinz wurde weniger durch eine eindeutig eingezeichnete Grenze in derKarte, sondern allenfalls durch die Grenze derKarte selbst,also durch den Abbildungsausschnitt umrissen. 45 Etwas anders verhält sich dies auf einer 1669 gedruckten Karte der GermaniaSuperior(Abbildung 22).

Abbildung 22: Karte der GermaniaSuperior,1669 /Quelle:ARST Germ Sup -+7,foL362ar)

Auch hier waren zwar der Karte im Druck ursprünglich keine Provinzgrenzen eindeutig eingeschrieben. Vorhanden waren nur gestrichelte Linien, die verschiedene Landschaften abgrenzen: Alsatia, Helvetia, Bavaria und die Ita/iae Pars. Diese Linien wurden später von Hand mit roter Farbe nachgezogen. Mit anderer, violetter Farbe wurde dann zusätzlich die ge45 Dies im Gegensatz zur Auffassung von Schmidt,Raumgliederung, vgl. oben FN 7.

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den, brauchte die niederrheinische Karte auch keine linienartigen Außengrenzen der Provinz einzuzeichnen, obwohl man die politischen Herrschaftsbezirke sehr wohl auf diese Weise graphisch kenntlich machte. Der Raum der Provinz wurde weniger durch eine eindeutig eingezeichnete Grenze in derKarte, sondern allenfalls durch die Grenze derKarteselbst,also durch den Abbildungsausschnitt umrissen.45 Etwas anders verhält sich dies auf einer 1669 gedruckten Karte der GermaniaSuperior(Abbildung 22).

Abbildung22: KartederGermaniaSuperior,1669 (Quelle: ARSI GermS up47,fal. 362ar)

Auch hier waren zwar der Karte im Druck ursprünglich keine Provinzgrenzen eindeutig eingeschrieben. Vorhanden waren nur gestrichelte Linien, die verschiedene Landschaften abgrenzen: Alsatia, He!vetia,Bavaria und die Ita!iaePars.Diese Linien wurden später von Hand mit roter Farbe nachgezogen. Mit anderer, violetter Farbe wurde dann zusätzlich die ge45 Dies im Gegensatz zur Auffassung von Schmidt,Raumgliederung, vgl. oben FN 7.

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meinsame Außengrenze dieser Landschaften, die offensichtlich mit der Provinzgrenze zu identifizieren war, eingetragen. Eine lineare (fehlerhafte) Außengrenze der Provinz wurde somit in der Karte markiert, deren V erlauf dabei allerdings nur den bekannten Landschaftsgrenzen folgte.46 Nur in vergleichsweise seltenen Fällen scheint demnach von vornherein eine linienfönnige Markierung eindeutiger Provinzgrenzen in den Karten zur Ordensgeographie vorgenommen worden zu sein. Das eindrucksvollste Beispiel dafür ist die Karte der deutschen Assistenz, die Frantz Hartzhei:m 1725 produzierte. Sie markierte lediglichdie Ordensgrenzen, nicht aber politische oder kulturelle Grenzen (Abbildung 23).47 Drittens,wenngleich selten, wurde die räumliche Ausdehnung der Provinzen auch mathematisch erfasst oder eine Provinzteilung anhand abstrakter geometrischer Kriterien vorgeschlagen. Besonders der Tymauer Rektor Zacharias Trinckell tat sich hier im österreichischen Fall 1660 hervor. 48 Er argumentierte für die Abtrennung Ungarns nicht nur allgemein mit der vastitasder Provinz, sondern präzisierte, dass diese 10.400 deutsche oder 41.600 italienische Meilen umfasste. Diese genaue Größenangabe wiederum ermöglichte Trinckell die vergleichende Feststellung, die Austria sei größer als vier andere Provinzen gemeinsam.49 Im Anschluss stellte er weitere Berechnungen und Vergleiche an, die sich alle durch denselben mathematischen Zugriff auf den Raum auszeichneten. Trinckell zog für seine Angaben sogar einen Mathematiker seines Kollegs hinzu, der diese Berechnungen auf der Basis einer kürzlich publizierten Landkarte der Region vornahm.

46 Fehler auf der Karte: Straßburg gehörte zur Domäne der Molsheimer Jesuiten, die zur oberrheinischen Provinz gehörten, während Ensisheim weiter im Süden zur oberdeutschen gehörte. Auf der Karte sind aber beide von derselbt:n roten und (schlecht zu erkennen) vermutlich violetten Grenze umfangen. Trient, das zur GermaniaSuperiorgehört, liegt hier außerhalb der südlichsten eingezeichneten Grenze. 47 Meurer, Kartographm,S. 110f. Allerdings ist hier zusätzlich ein Zugriff über die Siedlungsgeographie auf den Raum parallel zur Llniengrenze erkennbar: Hartzhcim kartierte nur solche Orte, an denen Jesuitenniederlassungen waren - alle protestantischen Städte und manche wichtige katholische Siedlung fehlen deshalb! 48 Lulcics, Fiiggetlen, S. 46-57. 49 Lukacs, Fiiggetlen, S. 47: »quatuor nobilissimarum Societatis nostrae provinciarum Galliae, Hispaoiae, Portugalliae, ltaliae>einfache« Abtrennung Ungarns erfolgen, doch für die Ungarn war ihre kulturelle Eigenart samt den resultierenden österreichischen Anfeindungen gerade der entscheidende Punkt. Der Ungar Gabriel Kapi gab dies 1700 wie folgt zu Protokoll: Der Hauptgrund für diese Trennung »liegt darin, dass sich der österreichische und der ungarische Teil der Provinz niemals wohlwollend gegenübergestanden haben, und keine Hoffnung besteht, dass sich dies jemals ändern wird.«57 Offensichtlich waren es auch innerhalb des Ordens oft handfeste kulturelle Diskrirninierungserfahrungen und polemische Differenzkonstruktionen, die das Bedürfnis einzelner Regionen nach institutioneller Unabhängigkeit erzeugten. Bei den kulturellen Kriterien für Grenzziehungen spielten Sprachunterschiede eine ganz besondere Rolle. Bei der Teilung der belgischen Provinz 1612 beispielsweise hatte man zunächst verschiedene Möglichkeiten erwogen, sich dann aber dafür entschieden, »dass alle Kollegien einer Sprache zu einer Provinz zusammengefasst werden«.58 Allerdings stieß das Kriterium sprachlicher Einheitlichkeit anderswo auf heftige Kritik. Mehr als einmal sah man in der Beibehaltung mehrsprachiger Provinzen sogar einen großen Vorteil, denn dadurch erhielten die Ordensmitglieder ein internationales Gepräge. 59 Auch im Falle der österreichischen Provinzteilung war 56 Lulcics, Független, S. 72, 82f. 57 Lulcics, Független,S. 99: »At potissima mea ratio pro hac forma divisionis, et simul divisione, est haec, quod pars austriaca huius provinciae ungaricam, et haec vicissim alteram nunquam sincero oculo aspexit: nec est spes, quod unquam aspectut'.a sit.« Anschließend weiter in anklagender Diktion. Shore, Jesuitsand Transylvania,S. 16f. betont allerdings im Gegensatz zur ungarischen Selbstwahrnehmung: >>HungarianJesuits played a key roh.'.amultis iam annis nulla inter nos fuerit consuetudo aut scribendi aut Joquendi«. In diesem Kodex dann die erwähnte Briefüberlieferung. Auch Hansen, Akten vermittelt - immer noch für Köln - im Wesentlichen dieses Bild. 98 EPG (1711), S. 477f.: »Principio videlicet nostrae Societatis nullum apparebat discrimen Collegiorum, aut Provinciarum, sed ne quidem nationum, regnorum, aut regionum; ounc tarnen negari non potest, quin se prodat in nonnullis nescio quis affectus, & zelus illius particu1aris boni, quod ad suas ipsi putent spectare Provincias; indeque sensim sine sensu minuatur in iis, atque intepescat amor communis boni omnium Provmciarum«. 99Vgl. schon &gulaeSocietatt"s Iesu, S. 25: »Caveaot sibi omnes ab illo affectu. quo aliae de alijs nationibus sinistre sentire, aut loqui solent, quin potius & bene sentiant, & peculiari affectu diversas a sua nationes prosequantur in Domino: ac p:roinde nemo bella, contentioncsve inter Christianos principes in colloquium inducat.« Vgl. auch Negrone, Tractatur,S. 512f.

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her unglücklich.100 Ganz allgemein ging man davon aus, dass Deutsche deutsche Interessen vertraten, Franzosen französische. Mehr noch: Italiener unterstellten Spaniern Unterdrückungsabsichten genauso wie sich polnische durch deutsche und ungarische durch österreichische Jesuiten übervorteilt sahen. Ordensprovinzen waren oft skeptisch gegenüber Mitbrüdern aus anderen Regionen, die ihrerseits oft Schwierigkeiten hatten, sich in der Fremde zurechtzufinden, sei es aus praktischen, sei es aus ideologischen Gründen. 101 Als 1618 cin Italiener, Giovanni Argenti, Provinzial der Poloniawurde, führte dies zu »Ereiferungen«. Man fühlte sich nicht nur zurückgesetzt, weil Rom offensichtlich dachte, es gäbe keine geeigneten Kandidaten unter den Polen. Beleidigt fühlte man sich auch, weil der General einfach unterstellt habe, >>diePolen und vor allem der König hätten nichts dagegen«. Nationale Zugehörigkeiten spielten eine Rolle wer das übersah, handelte mit einer Naivität, die selbst bereits Empörung auslöste. 102 Das Ideal des Igoatius von einer internationalen Gemeinschaft, die über derartige Konflikte erhaben sein sollte, schien nicht in Erfüllung zu gehen. 103 Suarez hatte dieses Ideal beinahe gleichzeitig zu Vitelleschis resignierter Bestandsaufnahme noch einmal beschrieben. Der Austausch von Führungspersonal über Landes-, Sprach- und politische Grenzen hinweg sollte unproblematisch möglich sein. Der Orden war als Gemeinschaft geplant, in der »keine nationalen Unterschiede entstehen sollen«.104 Viele Obere kämpften bis 1773 hartnäckig dafür, den Orden diesem Ideal zumindest (wieder) ein Stück anzunähern. Ein beständiger Strom an Vorschriften versuchte, den Jesuiten die Diskrepanz zwischen Ideal und Realität vor Augen zu führen. Den Jesuiten wurde andauernd vermittelt, dass das

l00L. Mansio an P. Spinelli, 8.4.1617, zur Wahl Vitelleschis, Mon Mol III, S. 333. 101 Skepsis gegenüber italienischen und belg1schen Professoren in Polen und ein Scheitern dieser Ausländer auch an den Lebensumständen z.B. in Wielewicki, Diarium (16091619), s.109 (1613), 182 (1616). 102Wielewicki, Diarium (1609-1619), S. 238f.: Der (italienische) General Vitelleschi habe angenommen, >)1lullumesse apud nos, pm isto officio idoneum, et Polonos ac ma.xime Regem Poloniae, non curarc, ut aliquis suae nationis hoc munus peragat.« Dies erzeugte »motus in provincia« und »animorum motus«. 103 All dies verband sich mit einem wachsenden Rassismus gegenüber jüdischstämm.igen Neuchristen, die anfangs einen wichtigen Bestandteil des jungen Ordens ausmachten, vgl. Maryks, ,vnagt>gue. Cohen, Minorities.Vgl. z.B. ASV A.A. !-XVIII 3523, fol. lrv. 104 Für Suarez siehe oben, S. 391. ARSI Hisp 143, fol. 25v: »como es no hazer differencia de naciones«.

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»Laster der Nationalität« den Orden bedrohe und womöglich zerstöre. 105 Eine ununterbrochene Serie von Ermahnungen zur Einheit, zwn Zusammenhalt und zur »wechselseitigen Liebe« erging.106 Der bekannte Schriftsteller Eusebius Nieremberg et:\vareformulierte 1664 das biblische Gebot, in allen Dingen und Menschen immer Gott zu lieben (das sein Echo auch im jesuitischen Credo von der Suche nach Gott »in allen Dingen« fand), als Kritik aller Loyalitäten gegenüber »Heimat und Verwandtschaft«.107 Auch Giulio Negrone schlug einen scharfen spirituellen Ton an, als er die regionalen Antagonismen gleich zur Folge der Erbsünde erklärte.108 Die Vehemenz dieser Einheitsrhetorik unterstreicht eindrücklich, welche Lautstärke die regionalistischen oder (proto-)nationalen Stimmen bereits hatten. Auf die Worte folgten Taten. Viele Orden reagierten auf derartige Probleme mit geographischen Rotations- oder Proporzsystemen bei der Besetzung von Führungsämtern. 109 Für die Jesuiten sind solche V erfahren zwar nicht bekannt. Doch an einer internationalen Personalplanung hielt der Orden ebenfalls fest, soweit das ging. General Acquaviva und andere machten aus der absichtlichen Rochade einzelner Jesuiten über etablierte Kulturgrenzen hinweg geradezu ein Prinzip ihrer Amtsbesetzungen. 110 Manche Erfolge konnte der Orden dabei vorweisen, beispielsweise erreichte man die Lockerung des spanischen Monopols auf die Missionarsposten in Amerika. Auch viele deutsche Jesuiten waren im 18. Jahrhundert dort tätig.111 Und Giovanni Argenti blieb in Polen trotz aller Widerstände bis 1622 Provinzial und eine (kleine) Gruppe von Jesuiten unterstützte diesen internationalen Austausch sogar.112

105 »nationalitatis vitium«: ARSI Congr 74, fol. 171r (1651). 106 Z.B. BNVE Mss Ges 750, fol. 109r-116r (Ansprache Mercurians im ColkgioRomano). 107 Nieremberg, DoctrinaeA.rceticae, S. 553-580 (next:ialis«,580; »patriam genteroque«, 579). 108 Negcone, Tractatus,S. 502. 109 Faber, Bo,;ghm,S. 44 (die Dominikanerprovinz S. Pietro Martire musste das Provinzialat einmal mit einem Piemonteser, einmal mit einem Lombarden besetzen), 82 (das Generalat der Olevitaner rotierte durch die sechs Ordensprovinzen). Elliott, Empires,S. 201 (zwei- bzw. dreijährige Rotation zwischen europäischen und kreolischen Oberen bei Franziskanern und Dominikanern in Lateinamerika). Vgl. eine parallele Klage über onale Konflike bei den Zisterziensern in Canivez, StatutaVII, S. 221 (1601). 110 Guerra, Acquaviva,S. 98 mit starkem Zitat Acquavivas von 1583. 111 Rekonstruiert in Nebgen, Mi.uionarsberufangen. 112 Zugegeben bei Wielev.'icki,Diarium(1609-1619), S. 240.

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Langfristig erwies sich jedoch die Regionalisierung trotz solcher Gegenwehr als unumkehrbar. 113 Ein starkes Indiz dafür ist, dass die Einteilung des Verwaltungsraumes in Ordensprovinzen zu einer derart brisanten Angelegenheit wurde, wie in diesem Abschnitt zu sehen war. Suarez hatte .Argumente administrativer Nützlichkeit in den Vordergrund gestellt, doch diese wurden leicht von anderen Kriterien überlagert. Konkrete Unterschiede in der kulturellen, linguistischen und politischen Zugehörigkeit der betroffenen Jesuiten bestimmten bald die Überlegungen. Zur Vorliebe für diese eher konkreten Raumvorstellungen passt, dass die Jesuiten ihre Provinzen umgekehrt vergleichsweise selten in abstrakter, mathematischer oder zumindest flächiger Weise begriffen. Ein weitaus direkterer Zugriff dominierte, der über die jesuitische Siedlungsgeographie. Damit war die Beschreibung kultureller oder politischer Grenzen recht leicht vereinbar, leichter jedenfalls als mit der ganz unkonkreten Idee einer Teilung etwa am 41. Breitengrad. Die Geschäftskorrespondenzen unterstützten diese parti.kularisierende Entwicklung oder trugen zumindest nicht dazu bei, die Jesuiten vor Ort mit den global verstreuten anderen Ordensmitgliedem in enger V erbindung zu halten. Ein sehr beschränkter Informationshorizont herrschte in den Briefen aus Rom, die in erster Linie zur punktgenauen Detailsteuerung einzelner Niederlassungen dienten. Übergeordnete Repräsentationen des Ordens als globale Handlungseinheit waren hier dagegen nicht zu finden, und genau genommen haben die vorstehenden Kapitel überhaupt gezeigt, dass die Jesuiten in ihren administrativen Dokumenten meistens mit der einfachen Addition und Summierung einzelner Betriebseinheiten zufrieden waren wenn es darum ging, das Ganze zu repräsentieren. Interprovinziale Korrespondenzen waren zwar vorhanden, aber zu wenig systematisiert, um hier Abhilfe zu schaffen. Der universale Aktionsraum des Ordens begann auf diese Weise bald in ein Nebeneinander von mehr oder weniger isolierten, zugleich aber häufig emotional aufgeladenen Ordensprovinzen und nationaätates zu zerfallen, die sich verstärkt als eigenständige Handlungsräume begriffen und einander im

113 Viele Versuche zur Bekämpfung regionaler Identitäten wirken im Rückblick hilflos, etwa die Vorschrift, alle Gespräche dariiber einfach abzubrechen oder auf die regionale Zuordnung einzelner Patres ganz zu verzichten, vgL dazu Guerra, Acquaviva,S. 223f. Negrone, Tractatus, S. 517-520. Vgl. StAM SF 2941, fol. 21r (1645, nr. 5/7).

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entscheidenden Moment oft auch die Kooperation versagten. 114 Die litterae annuaealleine konnten sich dem nicht entgegenstemmen. Das Informations- und Kommunikationssystem des Ordens, dessen globales Agieren damals wie heute so viel Bewunderung erregte, konnte diese Entwicklung nicht umfassend verhindern.

114 Dies ist die These von Thompson, Leadersund Dies., Lavalette zum Untergang des Ordens in Frankreich. Man kann, gerade am Beispiel der französischen Provinzen, auch in der Missionspolitik zentrifugale Tendenzen erkennen. 1672 entschied man sich beispielsweise in Frankreich, die Missionen auf die fünf Provinzen aufzuteilen, also nicht mehr wie bisher bei der Organisation und Verwaltung zu kooperiert-'11,vgl. das (sorgenvolle) Schreiben von Raguneau an den General, 20.5.1672, ARSI Gai 110, fol. 61r: »Res una in Congregatlone nostra Provinciali hoc mense maio fuit proposita circa Missiones, Canadensem, Americanas meridionales, Constantinopolitanam aliasque Orientales Graeciae ac Suriae, ut videlicet inter quinque Provincias Galliae singulae missiones singulis Provincijs distribuerentur. Itum est a plerisque in hanc sententiam, & conclusum ut rogaretur Patemitas vestra id ut ita vcllet statuere. Ego vero existimavi id obfuturum vehementer missionibus nostris, adeoque rationes in contrarium proposui, quas exscribo ad R.dwn Patrem Assistentem, aliasque addictis privatis ad ipsum literis, ut eas communicet Patemitati vestrae.«

Schluss

1595 erwarb das Koblenzer Jesuitenkolleg im nahegelegenen Güls verschiedene Besitzungen vom Maastrichter St Servatius-St:ift.Zwanzig Jahre später, 1617, machte das Maastrichter Domkapitel den Jesuiten den Besitz wieder streitig, indem man auf ein rechtliches Versäumnis des Kollegs hinwies: Die Koblenzer hatten seinerzeit vergessen, eine (notwendige) päpstliche Genehmigung für die Transaktion einzuholen. Es folgte ein langer Rechtsstreit in Rom, der schließlich für den Orden verloren ging. Am 16. August 1628 konnte das Maastrichter Stift die Güter zurückkaufen.1 In Rom nahm Generalprokurator Lorenzo de Paolis diese Rechtsangelegenheit wie selbstverständlich in die Hand. All dies ereignete sich lange vor dem Aufstieg der Assistenzprokuratoren und der resultierenden regionalen Aufsplitterung seiner Kompetenzen. Die Jesuiten vor Ort sah de Paolis in erster Linie als passive Zuarbeiter und Informationslieferanten. Entsprechend kamen seine Anliegen bei den Koblenzern wohl vor allem als Befehle und brüske Aufforderungen an. Als es beispielsweise darum ging, Zeugenaussagen für die Verwendung vor Gericht aufzunehmen, entwickelte de Paolis eine Frageliste, die er dem Rektor Johann Kessel zur Anwendung überschickte. 2 :Minutiös legte er die Verfahrensweise fest und

1 Die Prozessakten befinden sid1 in ARSI FG 398, fol. 1r-1196v, die Korrespondenzen in ARSI Rhen Inf 6 (General) und ARS! FG 374 I (Generalprokurator). StdAK Jes 686 enthält nur wenige Blätter zum Thema. Die Koblenzer Akten sind in LHA KO 117/ 115, 117/ 155, 117/ 440: Aus ihnen wird deutlich. dass lokale Konflikte zwischen Gillser Bauern und den Jesuiten bereits um 1600 ausbrachen und den Hintergrund des gesamten Konflikts darstellen. Zur Notwendigkeit einer päpstlichen Erlaubnis für Güterveräußeruogeo. »in evidentem utilitatemOC>.' Fortis in negotiis tractandis xxx 6. Charitatem & sua,iitatem in subditos exer~x Discretionem habet xxx 7. Religiosam disciplinam & obserYantiam cum rectitudine & constantia 8. Juxta nostrarum constitut. & Regul. spiritum subditos ad perfectionem guber-

4. Habet mortificatas passiones x:x:x. Est humilis. >.xx. mansuetus .x:,cx, ama.ns pauper-

tatis ~ est singularis circa propria commoda.xxx 5. Est vigilans. xxx prudens x:x·x.fortis innegotijs tractandis xxx 6. Exercet in subditos charitatem, XXX & suavitatem, x:x:xhabet discretionem. 7. Promovet religiosam disciplinam cum rectitudine & constantia. xxx 8. Est intelligens Nostra.rum :XXX Constitutionum & regularum. :x::xxdiriget ex earundem spiritu subditos ad perfectionem, ;...xx:absque humana, & politica ratione gubernandi. 7 9. Est affectus ad externas nationes & Provincias. x:x:xvidetu.r ita particulares retinere affectiones ad personas particulares ut idcirco cum aliorum offensione gubemare notatus sit.

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