Die Antarktis in der Raum- und Umweltschutzordnung des Völkerrechts [1 ed.] 9783428481590, 9783428081592

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Die Antarktis in der Raum- und Umweltschutzordnung des Völkerrechts [1 ed.]
 9783428481590, 9783428081592

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JÖRN AXEL KÄMMERER

Die Antarktis in der Raum- und Umweltschutzordnung des Völkerrechts

Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht Herausgegeben von Thomas Oppermann in Gemeinschaft mit Heinz-Dieter Assmann, Hans v. Mangoldt Wernhard Möschel, Wolfgang Graf Vitzthum sämtlich in Tübingen

Band 31

Die Antarktis in der Raum- und Umweltschutzordnung des Völkerrechts Von Dr. Jörn Axel Kämmerer

DUßcker & Humblot . Berliß

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Kämmerer, Jörn Axel: Die Antarktis in der Raum- und Umweltschutzordnung des Völkerrechts / von Jörn Axel Kämmerer. - Berlin : Duncker und Humblot, 1994 (Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht ; Bd.31) Zug!.: Tübingen, Univ., Diss., 1993 ISBN 3-428-08159-5 NE:GT

D21 Alle Rechte vorbehalten © 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: W. März, Tübingen Druck: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7654 ISBN 3-428-08159-5

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der EberhardKarls-Universität Tübingen im Sommersemester 1993 als Dissertation angenommen. Für die Druckfassung wurde die Literatur bis Herbst 1993 berücksichtigt. Die Idee zu einer Beschäftigung mit Rechtsfragen der Antarktis entstand in Gesprächen, die Professor Wolfgang Graf Vitzthum, mein späterer Doktorvater, Anfang des Jahres 1991 mit mir führte. Neben der völkerrechtlichen Problemstellung war ein seit langer Zeit bestehendes Interesse an geowissenschaftlichen Fragen ausschlaggebend für meine Entscheidung, die rechtlichen Verhältnisse der Antarktis unter Raum- und Umweltschutzgesichtspunkten zu analysieren. Die neuen politisch-juristischen Entwicklungen, besonders das Madrider Umweltschutzprotokoll vom Oktober 1991, haben die umweltrechtliche Schwerpunktgebung noch akzentuiert. Der sachkundige Rat und der an mich weitergegebene Erfahrungsschatz anderer haben das Entstehen dieses Buches wesentlich erleichtert. An erster Stelle nenne ich Professor Graf Vitzthum, an dessen Lehrstuhl ich als Assistent tätig bin. Graf Vitzthum begleitete meine Arbeit stets mit förderlicher Kritik, er stellte mir weiterführende Literatur zur Verfügung und vermittelte wichtige Kontakte zu Wissenschaftlern und Praktikern. Ich bedanke mich ebenfalls bei Professor Hans von Mangoldt, der das Zweitgutachten erstattet und hilfreiche Ratschläge für die Ausarbeitung der Druckfassung gegeben hat. Fachliche Anregungen, für die ich mich aufrichtig bedanke, erhielt ich darüber hinaus von Professor Rüdiger Wolfrum, damals an der Universität Kiel, sowie von Dr. Blay, Universität von Tasmanien, Hobart. Professor Thomas Oppermann bin ich für die Aufnahme der Studie in die unter seiner Federführung herausgegebenen "Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht" verbunden. Botschafter Granow, Leiter der deutschen Delegation bei den AntarktisKonsultativtagungen, hatte für meine Informationsanliegen stets ein offenes Ohr. Mein Dank geht auch an die Herren von Reibnitz und Breth, die mich über die Verhandlungen von Vifia deI Mar und Madrid unterrichteten. Nicht zuletzt danke ich Botschafter Professor Tono Eitel für vielfältige Hilfe. Das Auswärtige Amt förderte die Publikation dankenswerterweise auch durch Zuerkennung eines Druckkostenzuschusses. Tübingen, im Januar 1994

J. Axel Kämmerer

Inhaltsübersicht

Einführung

23

Erster Teil Raum -

Faktizität. Widmung -

Nutzung

A. Schritte zum polaren Umweltschutzregime

I. Menetekel Spitzbergen?

37 37

38

11. Ein Bergbauverbot als Angelpunkt?

43

III. Der Weg zum Madrider Protokoll .

50

B. Das Antarktische System, Raum und Umwelt .

60

I. Raum und Umwelt . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

11. Morphologie und Ökosystematik der Antarktis

71

III. Determinanten völkerrechtlicher Raumbestimmung in der Antarktis .

71

IV. Das "Antarktische System" und seine Normenpyramide

75

C. Die Widmung der Antarktis und ihre Nutzung ... . . . . . . . . . . . . . .

96

I. Die Antarktis und ihre Widmungszwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

11. Die Qualifizierung von Nutzungsformen im Antarktischen System

100

D. Institutionalisierung des Antarktischen Systems

147

I. Die Institutionenfeindlichkeit des Systems . . .

148

11. Sektoral operierende sekundäre Institutionen . . .

154

10

Inhaltsübersicht

Zweiter Teil Normativität. Umwelt bestimmungen mit Schutzwirkung für die Antarktis A. Bestimmungen des Antarktischen Systems . . . . . . . . . . . .

I. Räumlich determinierter Schutz . . . . 11. Funktional determinierter Schutz

171 172 174 238

III. Modi interner Akkomodation: Inspektion, Information, Konsultation, Konzentration .

281

IV. Haftungsbestimmungen ...

292

B. Extra-antarktische Normen

306

I. Völkervertragsrecht . . . .

308 340

11. Völkergewohnheitsrecht

Dritter Teil Funktionalität. Organisation und Legitimation im Antarktischen System

375

A. Das Forum internum . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

378

I. Souveränität als persistierendes politisches Moment

378

11. CRAMRA: Abkehr vom Bifokalismus? .

382

III. Bifokalismus im Umweltschutzprotokoll

385

B. Das Forum externum: Die Antarktis ein Weltpark?

390

I. Weltpark -

formelle und materielle Komponenten

11. Neue Weltwirtschaftsordnung -

Neue Weltumweltordnung? .

391 396

III. Materialisierung des Weltparkbegriffes und Rezeption durch die Konsultati vstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

400

IV. Weltpark und "umfassendes Schutzkonzept" .

404

Inhaltsübersicht

C. Eine Sachwalterschaft der Konsultativstaaten für die Umwelt?

11 408

I. Die "besondere Verantwortung" der Konsultativstaaten

408

11. Mögliche Legitimationsmodelle . . . . . . . . . . . . . ..

412

Zusammenfassung

441

Literatur

448

Anhang

465

A. Tabellarische Übersichten

467

B. Vertragstexte . . . . . . . . . . . . . .

482

C. Antarctic Mining Prohibition Act (1991) ..

500

Inhaltsverzeichnis

Einführung

23

Erster Teil

Raum -

Faktizität. Widmung -

Nutzung

A. Schritte zum polaren Umweltschutzregime .... I. Menetekel Spitzbergen . . . . . . . . . . . . . . .

37 37 38

11. Ein Bergbauverbot als Angelpunkt? . . . . . .

43

III. Der Weg zum Madrider Protokoll . . . . . . .

50

B. Das Antarktische System, Raum und Umwelt ...

60

I. Raum und Umwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

11. Morphologie und Ökosystematik der Antarktis ...

66

111. Determinanten völkerrechtlicher Raumbestimmung in der Antarktis

71

IV. Das "Antarktische System" und seine Normenpyramide

75

1. Vertragsnorrnen und Empfehlungssätze . . . . . . . . .

76

2. Die Funktionsmechanismen: Bifokalismus und "joint jurisdiction" .

86

Die Widmung der Antarktis und ihre Nutzung . . .

96

I. Die Antarktis und ihre Widmungszwecke . . . . . . . .

96

c.

11. Die Qualifizierung von Nutzungsformen im Antarktischen System

100

1. Privilegierte Nutzungsformen ... . . . .

100

a) Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . .

101

(1) Schutz der Umwelt auf der Grundlage wissenschaftlicher Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

102

Inhaltsverzeichnis

13

(2) Relative Priorität der Forschung gegenüber dem Umweltschutz.

103

(3) Relative Priorität des Umweltschutzes gegenüber der Forschung

106

(4) Forschung als Schutzobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

106

(5) Ökonomische Nutzung auf der Grundlage wissenschaftlicher Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

107

(6) Schutz der Forschung gegenüber ökonomischer Nutzung . . . .

107

(7) Garantie der wissenschaftlichen Forschung durch Institutionen

108

(8) Forschungstätigkeit als Mitgliedschaftsbedingung .

110

b) Umweltschutz

112

c) Fischerei .. .

117

2. Nichtprivilegierte Nutzungsformen . . . . .

119

3. Diskriminierte Nutzungsformen .

126

a) Bergbau

127

............ .

b) Militärische Nutzungen . . . . . . . . . . . . . .

146

D. Institutionalisierung des Antarktischen Systems

147

I. Die Institutionenfeindlichkeit des Systems . . . . .

148

1. Konsultativtagungen als quasiparlamentarisches Moment

149

2. "Leihorganschaft" als interimäre Lösung? - Der Wissenschaftliche Ausschuß für Antarktisforschung (SCAR) ...

151

11. Sektoral operierende sekundäre Institutionen . . . . 1. Schutz lebender Meeresressourcen: Institutionalisierung eines Teilbereiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

154 154

2. Bergbau: Ansätze zu regionaler Institutionalisierung . . . . . .

158

3. Madrider Protokoll: Ende des Institutionalisierungsprozesses?

162

Zweiter Teil

Normativität. UmweItbestimmungen mit Schutzwirkung für die Antarktis A. Bestimmungen des Antarktischen Systems

172 174

I. Räumlich determinierter Schutz . . . .

174

1. Schwerpunkt Meeresumweltschutz a) Verhinderung der Meeresverschmutzung

171

.

178

14

Inhaltsverzeichnis b) Schutz von Flora und Fauna (insbesondere CCAS und CCAMLR)

187

(1) Umweltschutzbestimmungen in der Robben- und der CanberraKonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

192

.......

193

(3) Konvention über die Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis (CCAMLR) . . . . . . . . . . ..

196

(2) Konvention zur Erhaltung der antarktischen Robben

(a) Funktionsprinzipien ....

. . . . . . . . . . ..

196

(b) Theoretische Vorbehalte gegen das ökosystematische Schutzkonzept . . . . . . . .

200

(c) Praktische Erfahrungen mit dem ökosystematischen Ansatz 2. Schutz von Landelebewesen . . . . . . . .

202 212

a) Die Vereinbarten Maßnahmen (1964)

215

b) USP-Anhang 11 . . . . . . . . . . . . . . .

216

3. Antarktisches Schutzzonensystem (Protected Area System)

221

a) Die Phase des abstrakten Schutzes

223

b) Der Schritt zum Einzelfallkonzept

225

(1) Grundlagen . . . . . . . . . . .

225

(2) Erlaubnisse für ASP A ....

231

(3) Antarktische Sondemutzungsgebiete I Antarctic Specially Managed Areas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

231

(4) Historische Stätten und Denkmale . . . . . . .

234

(5) Ergänzungen des Schutzzonensystems durch die Robben- und die Canberra-Konvention

234

11. Funktional determinierter Schutz .. 1. UmweltverträglichkeitspTÜfung

.

238 239

a) UmweItverträglichkeitspTÜfung im Antarktischen System allgemein.

244

b) UmweltverträglichkeitspTÜfung gemäß Empf. XIV-2

247

c) UmweltverträglichkeitspTÜfung nach der CRAMRA

250

d) UmweltverträglichkeitspTÜfung nach dem Madrider Protokoll (Anhang I) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

254

2. Vorgaben für Abfallbeseitigung und Abfallwirtschaft

268

a) Beseitigung von Atommüll . . . . . . . . . . . . . . .

268

b) Beseitigung sonstiger Abfälle . . . . . . .

270

3. Retrospektive: Umweltschutz beim Bergbau

278

15

Inhaltsverzeichnis III. Modi interner Akkomodation: Inspektion, Information, Konsultation, Konzentration

281

I. Inspektion .

283

2. Information

286

3. Konsultation

288

4. Konzentration

291

IV. Haftungsbestimmungen ....

292

I. Das Haftungsregime der CRAMRA

293

a) Der ersatzfähige Schaden . . ...

296

b) Die Haftung des Unternehmens.

298

c) Subsidiäre Staatenhaftung

301

2. Das künftige Haftungsregime nach dem Madrider Protokoll

......

B. Extra-antarktische Normen . . . . . . . . . . I. Völkervertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . .

304 306 308

I. Global wirkende internationale Vereinbarungen

309

a) Meeresumweltschutz . . . . . . . . . . . . . . .

310

(I) Überwiegend präventiv wirkende internationale Vereinbarungen

312

(2) Überwiegend repressiv wirkende internationale Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . .

317

b) Schutz der Luft und Atmosphäre ...... . c) Schutz lebender Ressourcen . . . . . . . . . . 2. Verträge mit regionalem Anwendungsbereich .. . ..

320 326 334

a) Meeresumweltschutz . . . . .

335

b) Schutz lebender Ressourcen

336

11. Völkergewohnheitsrecht

................... .

340

I. Allgemeines völkerrechtliches Unterlassensgebot .. .

341

a) Das (nachbamechtliche) Verbot grenzüberschreitender Umweltschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .

343

b) Quantitative Extension: Geltung für staatsfreie Räume? . . . . . . ..

345

c) Qualitative Extension: Gewohnheitsrechtliche Pflicht zur "Risikovorsorge"? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

351

d) Tragweite und Umfang des Schädigungsverbots . . . . . . . . . . . ..

356

16

Inhaltsverzeichnis 2. Andere gewohnheitsrechtliehe Grundsätze "in statu nascendi"

358

a) Formale Präventions- und Kooperationspflichten

358

b) Nutzung und Schutz gemeinsamer Ressourcen

362

(I) Grundregeln

364

(2) Das Extensionspotential der "Draft Principles" . . . .

366

3. Gewohnheitsrechtliehe Globalisierung des Umweltschutzes und ihre Wirkung auf die Antarktis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

370

Dritter Teil

Funktionalität. Organisation und Legitimation im Antarktischen System A. Das Forum internum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

375 378

I. Souveränität als persistierendes politisches Moment

378

11. CRAMRA: Abkehr vom Bifokalismus? . . . . . . . .

382

III. Bifokalismus im Umweltschutzprotokol1 . . . . . . . . . . .

385

B. Das Forum externum: Die Antarktis ein Weltpark? . . . . . . . . . . .

390

I. Weltpark -

formel1e und materiel1e Komponenten . . . . . . . . .

11. Neue Weltwirtschaftsordnung -

Neue Weltumweltordnung?

391

396

III. Materialisierung des Weltparkbegriffes und Rezeption durch die Konsultativstaaten

400

IV. Weltpark und "umfassendes Schutzkonzept"

404

C. Eine Sachwalterschaft der Konsultativstaaten für die Umwelt?

408

I. Die "besondere Verantwortung" der Konsultativstaaten .

408

11. Mögliche Legitimationsmodel1e . . . . . . . . . . . . . . . .

412

1. Autolegitimation durch einseitiges Handeln? - Kanadas "Arctic Waters Pol1ution Prevention Act" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

413

2. "Völkerrechtliche Prozeßstandschaft" - Die Atomversuche im Südpazifik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . .

419

3. Die Konsultativstaaten -

421

Sachwalter eines "Public Trust"? . . . . . ..

Inhaltsverzeichnis

17

a) Sachwalterschaft oder Treuhandschaft?

421

b) Das Moment des Gemeininteresses

423

c) Vom Gemeininteresse zur Raumnatur: Die "Public Trust Doctrine"

428

d) Auf dem Weg zu einer "Global Trust Doctrine"? . . . . . . . .

431

4. Varianten des Handeins für die "internationale Gemeinschaft

434

5. Ordo venturus? -

437

Die Umwelt als "Trust" . . . . . . . . . . .

Zusammenfassung

441

Literaturverzeichnis

448

Anhang

465

A. Tabellarische Übersichten

467

B. Vertragstexte

482

C. Antarctic Mining Prohibition Act (1991)

500

2 Kämmerer

Abkürzungsverzeichnis AFAR

Australian Foreign Affairs Record

AFAT

Australian Foreign Affairs and Trade

AFDI

Annuaire

AJIL

American Journal of International Law

fran~ais

de droit international

ASEAN

Assoeiation of South-East Asian Nations

ASIL

American Soeiety of International Law

ASMA

Antarctic Speeially Managed Area

ASOC

Antarctic and Southern Ocean Coalition

ASPA

Antarctic Specially Protected Area

ATCM

Antarctic Treaty Consultative Meeting

AV

Antarktisvertrag

AVR

Archiv des Völkerrechts

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGB!.

Bundesgesetzblatt

BRT

Bruttoregistertonnen

[C]CAMLR

[Convention on the] Conservation of Antarctic Marine Living Resources

CCAS

Convention for the Conservation of Antarctic Seals

CEMP

CCAMLR Ecosystem Monitoring Program

CHM

Common Heritage of Mankind

CITES

Convention on International Trade in Endangered Speeies of Wild Flora and Fauna I Übereinkommen über den Internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (1973)

Colum. J. Transnat'l L.

Columbia Journal of Transnational Law

Cong. Rec.

Congress Records

Cornell Int'1 Law 1.

Cornell International Law Journal

CWRJIL

Case Western Reserve Journal of International Law

DVB!.

Deutsches Verwaltungsblatt

EA

Europa-Archiv

Abkürzungsverzeichnis

19

EAMREA

(Group of Specialists on) Environmental Impact Assessment of Mineral Resource Exploration and Exploitation in the Antarctic

EEZ

Exclusive Economic Zone

EG

Europäische Gemeinschaften

EGKSV

Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, 1951

EIA

Environmental Impact Assessment

EJIL

European Journal of International Law

Empf.

Empfehlung( en)

EPIL

Encyclopedia of Public International Law

EPL

Environmental Policy and Law

EuGH

Europäischer Gerichtshof

FAO

Food and Agriculture Organization of the UN

FCKW

Fluorchlorkohlenwasserstoffe

FS

Festschrift

GAIT

General Agreement on Tariffs and Trade

GYIL

German Yearbook of International Law

ICJ (IGH)

International Court of Justice

ICLQ

International and Comparative Law Quarterly

ICRW

International Convention on the Regulation of Whaling

ICSU

International Council of Scientific Unions

IGH (ICJ)

Internationaler Gerichtshof

IGY

International Geophysical Year (Internationales Geophysikalisches Jahr)

ILA

International Law Association

ILC

International Law Commission

ILM

International Legal Materials

IMO

International Maritime Organization

IndJIL

Indian Journal of International Law

IUCN

International Union for the Conservation of Nature and Natural Resources

IWC

International Whaling Commission (Internationale Walfangkommission)

KSZE

Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa



20

Abkürzungsverzeichnis

Law Pol. Int. Bus.

Law and Policy in International Business

LDC

Convention on the Prevention of Marine Pollution by Dumping of Wastes and Other Matter - "London (Anti-)Dumping Convention" / Übereinkommen über die Verhütung von Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen (1972)

LR

Lebende Ressourcen / Li ving Resources

MARPOL

International Convention for the Prevention of Pollution from Ships / Internationales Übereinkommen zur Verhinderung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (1973)

McGill J. Int'l. Law

McGill Journal of International Law

MDR

Monatsschrift für deutsches Recht

MichLR

Michigan Law Review

MPA

Multiple-Use Planning Area

MSY

Maximum Sustainable Yield

NEPA

National Environmental Policy Act (USA)

NILR

Netherlands International Law Review

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NYIL

Netherlands Yearbook of International Law

ODIL

Ocean Development and International Law

OECD

Organization for Economic Co-operation and Development

OlLPOL

International Convention for the Prevention of Pollution of the Sea by Oil / Internationales Übereinkommen zur Verhinderung der Meeresverschmutzung durch Öl (1954)

ppm

parts per million

RA

Republica Argentina

RBDI

Revue beige de droit international

RCADI

Recueil des cours de I' Academie de droit international de La Haye

RCH

Republica de Chile

RDI

Rivista di diritto internazionale

REDI

Revista espafiola de derecho internacional

RGDIP

Revue generale de droit international public

RIAA

Reports of International Arbitral Awards (Recueil des sentences arbitrales)

Abkürzungsverzeichnis

21

SCAR

Scientific Committee on Antarctic Research

sec.

section

SJIR

Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht

sm

Seemeile(n)

SPA

Specially Protected Area

SPREP

Convention for the Protection of the Natural Resources and Environment of the South Pacific Region, 1986

SRA

Specially Reserved Area

SRÜ

VN-Seerechtsübereinkommen von 1982

SSSI

Sites of Special Scientific Interest

StIGH

Ständiger Internationaler Gerichtshof

SVN

Satzung der Vereinten Nationen (United Nations Charter)

UNCED

United Nations Conference on Environment and Development

UNEP

United Nations Environent Program

UNESCO

UN Educational, Scientific and Cultural Organization

UNGA

United Nations General Assembly (Generalversammlung der VN)

USP

Umweltschutzprotokoll zum Antarktisvertrag vom 4.1 O. 1991 (auch Madrider Protokoll genannt)

UTR

Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts

UVP

Umweltverträglichkeitsprüfung

VandJTL

Vanderbilt Journal of Transnational Law

VersR

Versicherungsrecht

VJIL

Virginia Journal of International Law

VM

Vereinbarte Maßnahmen zum Schutze der antarktischen Tier- und Pflanzenwelt (1964)

VN

Vereinte Nationen

VUWLR

Victoria University of Wellington Law Review

WMO

World Meteorological Organization

WVRK

Wiener Vertragsrechtskonvention (Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge, 1969)

ZaöRV

Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

,,[T]he planet Earth, once endowed, pole to pole, with all sorts of imagined abysses and wonderlands, now is seen as the extensive but finite thing it is, the projected outlines of its seven seas and seven continents confirmed by photographs from high in space. The Amazonian jungle, the very symbol of impenetrability, is displayed in the high perspective as fragile, diminishing, and unique, as vulnerable to the human animal as the buffalo, the whale, and the rhinoceros have been, and the ozone over Antarctica. Things in general take on a tragic once-and-doneness, displacing the ancient comedy, bred of ignorance, of infinite possibility and endless cycle."

lohn Updike

Einführung Der Boden ist bestellt. Im Permafrost der Antarktis keimt die Saat eines neuen Umweltschutzregimes für den Südpolarraum. Versuche, die Antarktis für Bergbau, insbesondere die Förderung von Mineralöl und Erdgas, nutzbar zu machen, sind gescheitert, und im mehr als zehnjährigen Konflikt der Verfechter von Schutz- und Nutzungsinteressen scheinen erstere einen Sieg davongetragen zu haben. Das Schicksal der im Jahre 1988 beschlossenen Konvention zur Regelung der Nutzung mineralischer Ressourcen (Convention on the Regulation of Antarctic Mineral Resource Activities, CRAMRA)I war schon wenige Monate später besiegelt, als zwei ihrer einstigen Befürworter erklärten, das Abkommen nicht unterzeichnen zu wollen, und sich in der Folgezeit eine Reihe weiterer Staaten diesem Kurs anschlossen. Nicht einmal zwei Jahre sollten vergehen, bis an die Stelle der CRAMRA das Umweltschutzprotokoll zum Antarktisvertrag (Protocol on Environmental Protection to the Antarctic Treaty, uspf trat, dessen Art. 7 ein zeitlich unbeschränktes I Abgedruckt bei: Burhenne, International Environmental Law - Multilateral Treaties, 988:42. 2 Der Hauptteil des Madrider Protokolls ist im Anhang B abgedruckt. Der vollständige Text findet sich in: ILM 30 (1991), S. 1455 ff., sowie bei Burhenne, 991:74. - Das Protokoll ist noch nicht in Kraft.

24

Einführung

Bergbauverbot für die Antarktis vorsieht. Das Pendel, welches in Richtung Bergbau ausgeschlagen war, schien um ein Gleiches in die entgegengesetzte Richtung zu schwingen. Im Laufe ihrer relativ kurzen Geschichte war die Antarktis Gegenstand mancherlei Begehrlichkeiten. Dabei hat sich die Gewichtung der jeweils angestrebten, miteinander teilweise konfligierenden Nutzungsziele - fischereiund bergbauwirtschaftliche, forschungs- und umweltschutzbezogene und neuerdings auch touristische - in stetem Wandel befunden. Früh war vor allem das Interesse an einer Nutzung der lebenden Ressourcen des Südpolarraumes erwacht. Schon in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts kreuzten die Schiffe von Wal- und Robbenfängern in antarktischen Gewässern. Zu welchem wirtschaftlichen Range die Walindustrie emporwachsen sollte, dokumentieren noch heute die Überbleibsel ehemaliger Verarbeitungsbetriebe und die Wracks von Fangschiffen im Bereich der (nicht von ungefähr mit einem norwegischen Namen ausgestatteten) Siedlung Grytviken auf der Insel Südgeorgien. Überhaupt waren es überwiegend die subantarktischen, also nördlich der als Klimascheide wirkenden Antarktischen Konvergenz, einer Wasserrnassengrenze, liegenden Inseln, die zu Hauptstützpunkten der Wal- und Robbenfänger ausgebaut wurden. Der unzugängliche, zumal von einem auch sommers nicht allenthalben abtauenden Packeisgürtel umgebene antarktische Kontinent interessierte die Walfänger zumeist nicht weiter. Der Eiskontinent wurde zum letzten bedeutsamen "weißen Fleck" auf der Weltkarte, so als sollte die Kapitulation selbst eines James Cook vor dem Ewigen Eis als Fanal gegen weitere Vorstöße in Richtung Südpol verstanden werden: "The risque one runs in exploring a coast, in these unknown and icy seas, is so very great that I can be bold enough to say that no man will ever venture farther than I have done; and that the lands which may He to the South will never be explored."3

Cooks Prognose sollte nur solange ihre Richtigkeit behalten, bis die wissenschaftlich-technischen Entwicklungen des neunzehnten Jahrhunderts eine weitere Annäherung an den Weißen Kontinent ermöglichten. 1821 wurde das antarktische Festland im Bereich der Halbinsel erstmals betreten. Unter den Expeditionen der Jahre 1838-41 besonders erwähnenswert ist diejenige des Engländers James Clark Ross, dessen Gruppe bis 77° südlicher Breite vordrang und unter anderem das transantarktische Gebirge, den Vulkan Erebus sowie den nach ihm benannten Ross-Eisschelf entdeckte. Ross' Expedition war nicht, wie die meisten anderen Forschungsreisen ins Südpolargebiet,

3 A Voyage Towards the South Pole and Round the World, 1777, vol. 2, S. 230 f.

Einführung

25

ozeanologisch motivIert; gleichwohl blieb das Meer die Operationsbasis für die - einstweilen noch zaghafte - Erforschung des Kontinents. Eine regelrechte "Landnahme"4 - Quigg nennt sie "an explosion of exploration"s - erfuhr der antarktische Kontinent erst um die Wende zum 20. Jahrhundert. Kurz vor der Jahrhundertwende schritten Wissenschaftler und Eroberer zahlreicher Nationen zur Erkundung des antarktischen Festlandes. Dies ist auch der Zeitpunkt, da die Regeln des Völkerrechtes - bis dahin nur latent auf dem antarktischen Kontinent anwendbar - dort ihren Einzug hielten. Dabei lag der Befassungsgrund für das Völkerrecht nicht nur in der Anwesenheit von Personen unterschiedlicher Staatsangehörigkeit auf dem Kontinent, deren Rechte und Rechtsbeziehungen geregelt werden mußten, sondern das Völkerrecht sollte auch Antwort auf die in der Hochblüte des Imperialismus gleichsam selbstverständliche Frage geben, wer unter welchen Voraussetzungen Teile des antarktischen Kontinents okkupieren könnte. Auch die im Südpolarraum agierenden Wissenschaftler mußten dabei als Emissäre ihrer Staaten aufgefaßt werden. Der Wille der Staaten, sich eine Aktionssphäre in der Antarktis zu eröffnen, nahm in dem Maße zu, wie die Zugänglichkeit des antarktischen Kontinents verbessert wurde und die Aktivitäten im Bereich der Antarktis eine funktionale Ausdifferenzierung erfuhren. Die Innovationen im wissenschaftlich-technischen Bereich bestimmten auf dem Wege der Steigerung des Befassungsinteresses der Staaten nicht nur das Ob einer Anwendung bestimmter Völkerrechtsregeln, sie bestimmten auch, in welchem Umfang das Völkerrecht Anwendung finden konnte. 1908 verkündete das Vereinigte Königreich als erster Staat die Okkupation antarktischer Gebiete: Der Schritt zur Landnahme war getan. Die Landnahme in der Antarktis folgte der Hochphase des Kolonialismus mit einer gewissen Verspätung - Fremdkörper in einer Epoche, da sich die Völkerrechtspraxis nicht nur vom Eurozentrismus, sondern auch vom Streben nach der Inbesitznahme von Territorien ab- und in zunehmendem Maße der internationalen Kooperation zugewandt hatte. (Es mußte scheinen, als habe die antarktische Kältekammer nicht nur die natürlichen Lebensvorgänge, sondern auch völkerrechtlich bedeutsame Entwicklungen beinahe zum Erstarren gebracht.) Damit fielen die Versuche einer Landnahme in der Antarktis nicht lediglich in eine Phase, da sie die Schwierigkeiten zu überwinden hatten, welche ihnen das Völkerrecht mit seinen Okkupationsregeln bereitete, sondern sie trafen in zunehmendem Maße auch auf den Widerstand einer Vielzahl von Staaten, die den Sechsten Kontinent - anstatt zum Spielball der 4 Zum Begriff der Landnahme vgl. C. Schmitt, Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum, 1950, S. 50. 5 A Pole Apart. The Emerging Issue of Antarctica, 1983, S. 17.

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alten Kolonialmächte und ihrer frühen Rechtsnachfolger - zu einem Raum internationaler Kooperation, einer res omnium oder möglicherweise einem Treugut unter VN-Ägide erklärt wissen wollten. In dieser Situation, die auch von Streitigkeiten um Territorien gekennzeichnet war, schlossen zwölf Staaten - unter welchen sieben territoriale Souveränität in der Antarktis für sich in Anspruch nahmen, während die übrigen fünf diese negierten 6 - am 1.12.1959 in Washington, D.C., den Antarktis vertrag (Antarctic Treaty) ab.? Den unmittelbaren Anstoß zu diesem Vertrag vermittelte das der Forschungsförderung dienende Internationale Geophysikalische Jahr (International Geophysical Year, IGY); konsequenterweise richtet der Antarktisvertrag sein besonderes Augenmerk auf die Belange der in den über den Kontinent verteilten Stationen der beteiligten Staaten betriebenen wissenschaftlicher Forschung (Art. 11, III). Hinter der vertraglichen Einigung der zwölf Staaten standen besonders auf seiten der damaligen "Supermächte" USA und UdSSR auch militärstrategische Erwägungen. Der Kalte Krieg, in dessen Zeit der Vertragsschluß fiel, schürte in Ost wie West die Furcht vor einem Rüstungswettlauf mit ungewissem Ausgang auf dem bis dahin nichtmilitarisierten Sechsten Kontinent. Um einen solchen zu verhindern, erklärt Art. lAbs. 1 des Antarktisvertrages nur "friedliche Nutzungen" für zulässig, was im Sinne eines Verbotes militärischer Aktivitäten und der Errichtung von Militärbasen zu verstehen ist. Umweltschutzbestimmungen enthält der Antarktisvertrag kaum; immerhin verbietet Art. V Abs. 1 das Herbeiführen nuklearer Explosionen und die Endlagerung radioaktiven Abfalls in der Antarktis. Der Antarktisvertrag wurde 1972 um eine Konvention zur Erhaltung der antarktischen Robben (Convention on the Conservation of Antarctic Seals - CCAS -, auch Londoner oder Robben-Konvention genannt) und 1980 um eine solche zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis (Convention on the Conservation of Antarctic Marine Living Resources, CCAMLR oder Canberra-Konvention)8 ergänzt. Jüngstes Glied der Kette ist das eingangs erwähnte UmweItschutzprotokoll zum Antarktisvertrag; Umweltschutz hat jedoch bereits in den mehr als zweihundert auf der Grundlage von Art. IX Abs. 1 des Antarktisvertrages verabschiedeten und als Maßnahmen zur Förderung der Grundsätze und Ziele des Vertrages deklarierten Empfehlungen (recommendations) eine hervorragende Rolle gespielt. Zu Beginn des Jahres 1993 gehörten dem Antarktisvertrag 41 Staaten an, die

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Darunter auch die damaligen Supermächte USA und UdSSR. Der Vertrag ist u.a. bei Burhenne, 959:91, abgedruckt. Abgedruckt bei Burhenne, 972:41 bzw. 980:39.

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zusammen mindestens drei Viertel der Weltbevölkerung und einen noch größeren Anteil an der Weltökonomie repräsentieren.

Anmerkungen zur Terminologie Art. VI des Antarktisvertrages fixiert die Nordgrenze des Anwendungsbereiches dieser Vereinbarung auf 60° südlicher Breite. Damit ist die "Antarktis" als ein Bereich geographisch determiniert, der über den von einer bis zu fünf Kilometer dicken Eiskappe bedeckten Landbereich hinaus auch die umgebenden Seegebiete einschließt. Der Antarktische Kontinent selbst, obschon vielfach gleichfalls "Antarktis" genannt, trägt den Namen "Antarktika" - wenn er denn ein Kontinent ist. Den Eispanzer hinweggedacht, läge Antarktika größtenteils unter dem heutigen Meeresspiegel; indes müßte ein solches Planspiel den durch abgeschmolzenes Eis bewirkten Meeresspiegelanstieg einerseits und die postglaziale Hebung des Landes andererseits ins Kalkül einbeziehen. Sichere Vorhersagen über die Gestalt eines eisfreien "Kontinents" sind unter dieser Prämisse nicht möglich. Ausmaß und Umrisse von Antarktika sind daher nach der Lage des Eispanzers und nach den eisfreien Küstengebirgen zu bestimmen, wobei allerdings jene Bereiche, wo der Eispanzer auf das Meer hinausgreift und dort solide, teils auf dem Wasser schwimmende, teils auf dem Felsgrund aufsitzende Eisschelfe bildet, nicht mehr im engeren Sinne zum Kontinent gerechnet werden können. Ein Schlüsselbegriff für die nachfolgende Untersuchung ist derjenige des

"Antarktischen Systems".9 Dieses umschließt nicht nur die vom Antarktis-

vertrag bis zum Umweltschutzprotokoll reichende Kette der vielfach miteinander verschlungenen und konnexen antarktischen Verträge sowie die Empfehlungen zum Antarktisvertrag, sondern gleichfalls die zu ihrer Kreation berufenen Organe, die Art und Weise sowie die Maximen ihres Handeins, schließlich materielle und Verfahrensgrundsätze als Axiome, die erst das Funktionieren des Systems ermöglichen. Unter den Schöpfern der antarktischen Rechtsbestimmungen können sich die Konsultativstaaten besonderer Privilegien berühmen; die so bezeichneten heute 26 Parteien des Antarktisvertrages, weIche bei den nunmehr jährlich stattfindenden "Konsultativtagungen" (Consultative Meetings) nicht nur Beratungs-, sondern auch Entscheidungsbefugnisse besitzen, stellen die eigentliche "Legislative" des Antarktischen Systems dar. Auf sie gehen nicht nur sämtliche Empfehlungen, sondern in maßgeblichem Umfang auch die antarktischen Konventionen zurück. IO

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Wegweisend Guyer, The Antarctic System, in: RCADI 1973 11, S. 147 ff. Couratier, Le systeme antarctique, 1991, bezeichnet als die drei Hauptfunktionen

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Sieben Konsultativparteien gelten als "Claimants"; sie nehmen für sich territoriale Souveränität über bestimmte Bereiche (Sektoren) des antarktischen Kontinents - die sich zum Teil überschneiden - in Anspruch. Die übrigen Konsultativstaaten, deren Zahl sich seit 1959 von fünf auf neunzehn erhöht hat, negieren als "Non-claimants" die Existenz territorialer Souveränität in bezug auf den Antarktischen Kontinent (nicht jedoch notwendigerweise in bezug auf antarktische Inseln) und beanspruchen für sich selbst auch nicht die Stellung eines Territorialsouveräns auf dem Kontinent. Unbestritten "terra nullius" ist nur ein relativ schmaler pazifischer Sektor des antarktischen Kontinents, unbestritten Staatsgebiet stellen einige subantarktische Inseln dar, was allerdings nur für die Canberra-Konvention Bedeutung hat. Für diese nördlich 60° s.Br. gelegenen Eilande erkennen auch die Non-claimants an, daß die Prämisse der für den originären Souveränitätserwerb erforderlichen Beherrschbarkeit erfüllt sei und darüber hinaus das Gebiet auch tatsächlich beherrscht werde, II territoriale Souveränität mithin bestehe. Ob die Claimants mit ihren Bekundungen, zwischen 1908 und 1959 territoriale Souveränität auf dem Kontinent erlangt zu haben, im Recht sind,12 kann für die Zwecke dieser Untersuchung dahinstehen: Durch den Antarktisvertrag von 1959 hat die Landnahme, wenn sie denn erfolgt ist, eine Metamorphose erfahren. Das Antarktische System ist so gestaltet, daß die Anwendbarkeit seiner Normen nicht vom tatsächlichen Status des antarktischen Kontinents abhängig ist. Andererseits ist dieser Normenkomplex selbst nicht abstrakt vom territorialen Status, sondern baut in kausalem Sinne auf diesem auf. Daß streitig ist, welchen Status - res nullius oder Staatsgebiet - der Kontinent wirklich besitzt, steht dem nicht entgegen, ist doch das Normensystem so gestaltet, daß es auf der Richtigkeit jeder der beiden Hypothesen aufzubauen vermag. FühJ;t aber das Einnehmen zweier diametral entgegengesetzter Positionen zu dem gleichen Ergebnis, dann erübrigt sich eine Positionsbestim-

des Systems im Rahmen dieses organischen Aspekts: Inspektion, Rat und Rechtsetzung. 11 Vgl. dazu den Palmas-Islands-Schiedsspruch (Huber), in: RIAA 11, S. 830 (838, 855,870). 12 Fauchille, Traite de droit international public, 8e edition, tome 1er, 2e partie, 1925, S. 658: "Etant des territorires, les regions polaires sont susceptibles d' appropriation. Mais, etant des territorires glaces, eIles ne sont pas veritablement habitables; elles sont seulement exploitables ... L'occupation que les poles autorisent est une occupation d'exploitation, non pas une occupation d'habitation . ... Mais iJ faut qu'elle existe." Der Autor appelliert jedoch zugleich an die Solidarität der Staaten (S. 658 f.): "La communaute internationale ne peut pas etre un mot vide de sens. C'est donc a tous Ies Etats qu'iJ faut qu'aillent toutes les richesses des poles et c'est a eux tous qu'iJ appartient de les exploiter."

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mung. 13 Bei alledem kreiert das Antarktische System kein "antarktisches Territorium", auch kein funktional verstandenes, wie Orrego Vicufia gleichwohl meint. 14 Der Kunstgriff, durch welchen antarktische Normgebung (allerdings nicht per se ein einheitlicher Normvollzug) möglich wird, ist mit dem Begriff "Bifokalismus"15 verbunden. Seine Basis findet sich in dem (die Positionen im Souveränitätsstreit gleichsam "einfrierenden") Art. IV des Antarktisvertrages. Auch CCAS, CCAMLR und USP sind bi fokal geprägt. Indem er die Versäulung in gegnerische Lager von Claimants und Non-c1aimants zugleich festschreibt und aufbricht, bestimmt der Bifokalismus gleichsam den Herzschlag des Antarktischen Systems, beschreibt er sein Axiom; ihm, dessen Anfechtung das System selbst gefährdet, gebührt daher besondere Aufmerksamkeit. Eines Hinweises bedarf es noch auf die Begriffe "Raumordnung" und "Umweltvälkerrecht". Raumordnung im völkerrechtlichen Sinne ist die aus normativer Verdichtung erwachsene Binnen-, aber auch Außen struktur, die ein dreidimensionales Gebilde (Raum) in ein sinnvolles Gefüge placiert; auf Einzelheiten ist an späterer Stelle l6 einzugehen. Der Begriff des UmweItvölkerrechtes ist weit zu fassen. Er umschließt alle völkervertrags- und ge wohnheitsrechtIichen Bestimmungen, die (zumindest auch) im Schwerpunkt dem Schutze der natürlichen Lebensgrundlagen dienen. Zu diesen zählt - je nach Anknüpfungspunkt der Schutzwirkung - der Raum selbst oder das Raumsubstrat (einzelne Umweltgüter, Ökosysteme). Ferner gehören zum UmweItvöl-

13 Insoweit kann Lefeber, The Exercise of lurisdiction in the Antarctic Region and the Changing Structure of International Law. The International Community and Common Interests, NYIL 21 (1990), S. 81 (87), nicht gefolgt werden. 14 Antarctic mineral exploitation. The emerging legal framework, 1988, S. 83: "The [... ] sphere of validity [of the common regime] is the Antarctic space as a whole so that one may speak of an ' Antarctic territory' in a way which makes it comparable to the 'territory' of the European Economic Community, in the functional sense of the concept ... " - Eine Dualität in statu kann es nicht geben; sie würde dem Wesen der nicht in ihrer Wirkung, aber in ihrem Wesen absolut wirkenden territorialen Souveränität widersprechen. Auch wenn die Herrschaft der Konsultativstaaten, also jener Vertragsstaaten mit Entscheidungsbefugnissen innerhalb des Systems, an ein Kondominium gemahnt, ist die Begründung eines solchen schon kraft des Antarktisvertrages ausgeschlossen. Der territoriale Status des antarktischen Kontinents folgt mithin der Antwort auf die Frage, ob die Claimants sich mit Recht territorialer Souveränität berühmen oder nicht. Nun soll diese Frage gleichwohl nicht beantwortet werden. Die Antwort auf eine völkerrechtliche Kernfrage kann man nur umgehen, wenn es darauf nicht ankommt. 15 Infra Erster Teil B.IV.2. 16 Erster Teil B.II.

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kerrecht die Grundsätze des völkerrechtlichen Nachbarrechtes, soweit dieses auf die territoriale Integrität der Nachbarstaaten abstellt. Bei alledem darf indes nicht übersehen werden, daß das Umweltvölkerrecht weder hinsichtlich seiner Entstehungsweise und seiner Wirkungsmechanismen, noch im Hinblick auf seinen Normenbestand eine Sondermaterie des Völkerrechts darstellt, auch wenn die Bezeichnung dies vielleicht suggerieren könnte; der Terminus "völkerrechtlicher Umweltschutz" wäre wohl präziser, böte jedoch wegen der Ausklammerung der Aspekte ökonomischer Nutzung kein vollständiges Bild. Problemstellung

Diese Arbeit versteht sich zum einen als Versuch einer Bilanz. Es wird eine Bestandsaufnahme und Positionierung des Antarktischen Systems zu einem Zeitpunkt angestrebt, da sich die am Scheideweg stehende antarktische Ordnung gegen Mineralienbergbau und zugunsten des Umweltschutzes entschieden hat. Im Rahmen dieser Standortbestimmung rechtfertigt jedoch nicht nur der eintretende funktionale Wandel, rechtfertigt nicht nur die quantitative Vorherrschaft von Schutzbestimmungen innerhalb des Antarktischen Systems, Umweltschutz zum Schwerpunkt der nachfolgenden Betrachtungen zu machen. Vielmehr wirkt die Erkenntnis einer Schlüsselrolle der Antarktis im Rahmen globaler ökosystematischer Zusammenhänge selbst als Grund für die Befassung mit der Materie. Nicht nur geht es um das Ozonloch, das erstmals über der Antarktis festgestellt worden ist, nicht nur um das Abschmelzen des temperatursensiblen antarktischen Eises, welches geeignet ist, Klimakatastrophen andernorts zu verstärken oder gar auszulösen. Die Ökosysteme der Antarktis befinden sich heute noch in weitgehend intaktem Zustand, so daß die Analyse antarktischen Umweltrechtes schon vom Gesichtspunkt der Schadensprävention von Interesse sein muß. Das Antarktische System, das jahrzehntelang hinter verschlossenen Türen operiert hat, braucht allein deswegen noch kein in sich geschlossenes zu sein. Es findet sich eingebettet in eine völkerrechtliche Ordnung, die es mitgestaltet, der es sich adaptiert, der es aber auch selbst Maßstäbe setzt. Die Standortbestimmung hat damit nicht nur die Evolution, den funktionalen Wandel des Systems während der nunmehr dreißig Jahre seines Bestehens - der Antarktisvertrag ist 1961 in Kraft getreten - einzubeziehen, sondern das Ergebnis dieses Evolutionsprozesses sowie seine Weiterführung durch das Madrider Umweltschutzprotokoll (USP) in Relation zu vollzogenen Entwicklungen des Völkerrechts, insbesondere des Umweltvölkerrechts, zu setzen. So stellen sich, da sich das Antarktische System als final determinierte Ordnung zuletzt immer mehr in Richtung Umweltschutz ausgerichtet hat, vor allem die Fragen nach

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der Positionierung der Umweltfinalität im Antarktischen System innerhalb der überkommenen Völkerrechtsordnung; dem Wechselspiel zwischen Bestimmungen des Antarktischen Systems und sonstigen (hier vereinfachend als "extra-antarktisch" bezeichneten) Normen im Umweltschutzbereich, unter Berücksichtigung ihrer theoretischen Effizienz und ihrer praktischen Anwendbarkeit; der Placierung von Umweltbestimmungen des Antarktischen Systems innerhalb eines "umweltrechtlichen Verlaufsmodells", das auf der Stufe der Territorialität beginnt und über den raumorientierten bis zum funktionsorientierten Umweltschutz vordringt. Anders gefragt: Ist das Umweltrecht der Antarktis rezeptiv oder innovativ, stellt es sich als reaktive Rechtsetzung oder vorausschauende (proleptic laws) dar? Die Positionierung des Antarktischen Systems kann sich jedoch nicht im Normativen erschöpfen. Das System ist mehr als ein Codex; es schließt die Schöpfer der antarktischen Rechtsbestimmungen ein - jene privilegierte Kaste von 26 der 41 Vertrags staaten des Antarktisvertrages, denen dieser Entscheidungs befugnisse zuspricht. Auch für ihr Handeln ist eine Positionierung vorzunehmen. Im Vordergrund steht hier nicht das - kaum zweifelhafte völkerrechtliche Dürfen, vielmehr soll das Handeln der Konsultativstaaten in ein Verlaufsschema eingeordnet werden, das sich von einer solitär-staatlichkeitszentrierten zu einer solidarisch-gemeinschaftszentrierten Völkerrechtsordnung hin erstreckt. Auf die Frage, ob das Antarktische System ein "objektives Regime" hervorgebracht habe oder nicht, soll nicht eingegangen werden. Die Frage nach der objektiven Wirkung ist heute ohne praktische Bedeutung, da nur und einzig jene Staaten, die tatsächlich in der Lage sind, Aktivitäten in der Antarktis durchzuführen, Mitgliedstaaten des Antarktisvertrages sind; allenfalls mag sie im Zusammenhang mit Aktivitäten privater Organisationen einmal eine Rolle spielen. Kern der Untersuchung wird vielmehr sein, in welchem Umfang die von den Konsultativstaaten unter Hinweis auf Gemeinwohlbelange geltend gemachte "besondere Verantwortung" (special responsibility) in Umweltbelangen der Innehabung einer "SachwaltersteIlung" für die Allgemeinheit gleichkommt, inwieweit also ein "dedoublement fonctionnel" (Scelle) besonderer Art vorliegt, unter dem das Handeln eines Staates in seiner Eigenschaft als souveränes Mitglied der Völkerrechtsgemeinschaft sich zugleich unter funktionalen Gesichtspunkten als drittnützig darstellen kann (oder muß). Mag eine solche Analyse nach soziologischen eher denn nach rechtlichen Kriterien durchzuführen sein, mag sie zudem eindeutige Resultate nicht erbringen, so wird ihr doch ein Schluß darauf zu entnehmen sein, ob das Antarktische System von einem breiten Strom in Richtung künftiger Völkerrechtsentwicklungen mitgetragen wird oder angelandetes Treibgut aus der Epoche des jetzt zersprengten "ius publicum europaeum" darstellt.

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Damit ist schon der Blick auf das andere Ziel der Untersuchung eröffnet. Nicht nur wächst in der Antarktis - als Ergebnis funktionalen Wandels - ein neu es Umweltregime heran. Mit der zunehmenden Verfestigung, dem funktionalen Ausgreifen und der immer stärkeren Tendenz zur Universalität könnte das Antarktische System zugleich die Saat einer veränderten völkerrechtlichen Raumordnung eingebracht haben. Im Kern geht es also um die Frage, ob das Antarktische System einen Raum - im Sinne einer völkerrechtlich beachtlichen Wesenheit - hervorbringt, der die in der traditionellen Völkerrechtsordnung stets bestimmende Dichotomie land- und seebestimmter Räume nicht etwa durch bloße Verschiebung der Raumgrenzen in die Ozeane hinein bestätigt, sondern partiell aufhebt. Mit der Feststellung allein, daß die Antarktis eine Raumnatur im völkerrechtlichen Sinne gewonnen habe, kann es nicht sein Bewenden haben. Ein Land, Meer und Eisschelfe gleichermaßen umfassender "Raum Antarktis" wird, da gewillkürt, gewissen - den Raum zugleich prägenden - Grundfunktionen unterworfen sein, die im folgenden - nach dem Vorbild des nationalen Rechts - mit dem Terminus "Widmungszwecke" belegt sein sollen. Dabei wird von besonderem Interesse sein, ob sich im Gefolge des jüngst vollzogenen funktionalen Wandels innerhalb des Antarktischen Systems eine "Umweltwidmung" der Antarktis herauskristallisiert. 17 Zugleich ist festzustellen, in welchem Umfang eine umweltzentrierte Raumordnung der Antarktis auf die ökologisch konditionierte ("ökosystematische") Gliederung im Südpolarraum zurückgeht. Alle diese Untersuchungen dienen dem Versuch einer Beantwortung der Frage, ob das Völkerrecht, materiell ohnehin auf dem Weg zu einer funktionalisierten (also auch in bezug auf die Rolle der einzelnen Staaten ziel- und zweckorientierten) Ordnung, auch seiner Raumordnung neue Marksteine setzt. Waren bislang Nutzbarkeit und Okkupierbarkeit maßgebliche Parameter der räumlichen Grundgliederung auf dem Globus, könnten nunmehr die Lokalisierung von Ökosystemen, Schutzbedürftigkeit und Schutzwirkung, mithin die Umweltnützigkeit, hinzutreten. Mit einem "Raum Antarktis" könnten nicht nur die Schranken zwischen Land und Meer gefallen, sondern auch die potentielle Nichtokkupierbarkeit antarktischer Territorien könnte in die Bedeutungslosigkeit verwiesen sein. Wo der gemeinsame Nutzen in den Vordergrund tritt, verblaßt die Bedeutung der territorialen Okkupation. An die Stelle der Landnahme tritt eine Raumgabe.

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Infra Erster Teil

c.I.

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Gang der Untersuchung

Der erste, "Faktizität" überschriebene Teil der nachfolgenden Untersuchungen stellt ihren "Allgemeinen Teil" dar. Ziel dieses Abschnittes ist es, die Antarktis als Bestandteil der - ihrerseits keineswegs statischen - Raumordnung des Völkerrechtes zu verorten, aber auch, Grundstrukturen des Antarktischen Systems (insbesondere das Phänomen des "Bifokalismus") und der durch dieses geschaffenen "innerantarktischen Raumordnung" aufzuzeigen. Im Mittelpunkt steht insoweit die Analyse der Widmungszwecke, die nicht zuletzt das Verhältnis der Nutzungsformen zueinander zu beleuchten hat. Nicht nur dieses, sondern die Wertigkeit der Nutzungsformen per se - die durch ihre Kategorisierung in privilegierte, nichtprivilegierte und diskriminierte Nutzungen i11ustriert wird - hat sich mit dem Sturz der CRAMRA und dem phönixgleich aus dessen Asche erwachsenen Madrider Umweltschutzprotokoll verschoben: Insoweit ist ein funktionaler Wandel zu dokumentieren, der seinen Abschluß allerdings erst mit dem Inkrafttreten des Madrider Protokolls finden wird. Die hier vorgenommenen Betrachtungen beschränken sich auf qualitative Aspekte; entsprechend knapp stellen sich die Ausführungen zur hinsichtlich der Zahl von Vereinbarungen und Absprachen und hinsichtlich ihrer allgemeinen Bedeutung längst prädominanten Umweltschutz-Materie dar. Den Abschluß des ersten Teiles bildet eine Analyse der Institutionalisierungstendenzen im Antarktischen System. Die aufgrund vertraglicher Vereinbarung, Empfehlung oder Gewohnheit hervorgebrachten Organstrukturen stellen einen integralen Bestandteil des Antarktischen Systems dar. Ihre Betrachtung wurde nur deswegen an den Schluß gerückt, weil sie das Verständnis der vorher abgehandelten wesentlichen materiel1en Weichenstellungen innerhalb des Systems voraussetzt. Die sich nach Wegfal1 der CRAMRA und Entstehung des Madrider Protokol1s präsentierende Sachlage verlangt nach einer erneuten Beantwortung der Frage, inwieweit die Entscheidungsgewalt von den Konsultativstaaten auf organisatorisch verfestigte Entscheidungsträger übergegangen ist. Damit sol1 untersucht werden, ob das bislang eher institutionalisierungsfeindliche Antarktische System im Begriff ist, die Weichen insoweit neu zu stellen und sich der im Völkerrecht al1gemein zu beobachtenden Institutionalisierungstendenz anzupassen. Unter den "Widmungszwecken" genannten funktionalen Bindungen des Raumes Antarktis ist der Umweltschutz besonders hervorzuheben. Nicht nur bedingen die besondere Fragilität der antarktischen Ökosysteme und die Schlüsselrol1e, welche der Antarktis für die globale atmosphärische Zirkulation zukommt, daß dem Umweltschutz im Südpolarbereich de facto eine hervorgehobene Rol1e eingeräumt worden ist und nun auch de iure eingeräumt wird. Die Präponderanz des Umweltschutzes wird auch in den "Empfehlungen" (recommendations) genannten Beschlüssen der Konsultativtagun3 Kämmerer

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gen der Antarktis-Vertragsstaaten manifest, und sie ist noch einmal verstärkt worden durch einen funktionalen Wandel, dessen Marksteine das Scheitern der Mineralienkonvention und die nachfolgende Ausarbeitung des UmweltschutzprotokolIs darsteIlen. Der zweite Teil ("Normativität") enthält eine ausführliche Beschreibung der Umweltbestimmungen mit Schutzwirkungen für die Antarktis bzw. antarktische Ökosysteme. Dabei wird zwischen intra-antarktischen Bestimmungen, die dem Antarktischen System zugehören, und den sonstigem Völkerrecht zuzuordnenden extra-antarktischen Normen unterschieden, wobei letztere der Untersuchung vor alIem als Vergleichsgrundlage dienen. Der Schwerpunkt der Analyse wird auf der Canberra-Konvention sowie den im Schrifttum bisher kaum analysierten Bestimmungen des Madrider UmweltschutzprotokolIs und seiner Anhänge liegen, wobei die Umweltverträglichkeitsprüfung von herausragendem Interesse sein wird. Stets schwingt hier die Frage mit, ob das ProtokoII, das in das Gebäude des Antarktischen Systems nunmehr weitere normativ-verbindliche Verstrebungen einzieht, auch materielI über die Vorgängerbestimmungen (so diese vorhanden sind) von teilweise zumindest zweifelhafter Verbindlichkeit hinausgeht. Die Janusköpfigkeit des Bifokalismus wird bei der vergleichenden Analyse der extra-antarktischen Bestimmungen offenbar. Während der Bifokalismus innerhalb des Antarktischen Systems Bestimmungen hervorbringt, deren materielIer Gehalt auch bei unterschiedlichen Betrachtungsweisen unverändert bleibt, hängt die Anwendbarkeit anderer Normen davon ab, ob sich aus den unterschiedlichen Perspektiven von Claimants und Non-claimants die gewählten "Brennpunkte" (foci) zufällig decken. Konstruktive und ausgrenzende Wirkung, Meriten und Nachteile des Bifokalismus können nicht im ganzen gegeneinander aufgerechnet werden; zu viele Unbekannte enthielte die Rechnung, dächte man die Existenz von "claims" aus dem Antarktischen System hinweg. So ist das Antarktische System nicht ohne Einfluß auf extra-antarktische Normen geblieben, hat diese zugleich aber auch im Laufe seiner über dreißigjährigen Existenz rezipiert. Dies schließt eine kritische Betrachtung der bifokalen Sichtweise im Hinblick auf die Geltung oder den Geltungsanspruch einzelner Regelungen nicht aus. Nicht Rechtsnormen stehen im Mittelpunkt des dritten Teils, sondern das formale sozialerhebliche Handeln der Konsultativstaaten. Hierbei wird zwischen Binnenwirkung (forum internum) und Außenwirkung (forum externum) unterschieden. Bei der Binnenwirkung kann nicht außer acht bleiben, welchen Effekt die modi operandi im Antarktischen System auf die territoriale Souveränität als politischen Faktor (nicht: als rechtliches Faktum) ausüben. Diesem Effekt lassen sich wiederum Schlüsse auf die Stabilität des Bifokalismus und damit des Antarktischen Systems in seiner heutigen Gestalt entnehmen.

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Im Rahmen des "forum externum" soll vor allem eine Auseinandersetzung mit dem "Weltpark"-Begriff erfolgen. Die Frage, ob die Konsultativstaaten die insbesondere von Umweltschutzorganisationen unterbreiteten WeltparkVorschläge en detail rezipiert haben, steht hier nicht im Vordergrund. Vielmehr sollen die Herkunft der Weltpark-Idee und ihre Einbindung in ein Schutz- / Nutzungs-Raster ausgelotet und auf dieser Grundlage Parallelen zwischen der innerantarktischen Qualifizierung von Nutzungsformen einerseits und der Genese der Weltpark-Agenda andererseits deutlich gemacht werden. Der Folgeabschnitt legt das Schwergewicht dagegen auf das Verhältnis der antarktischen Rechtsbildner - der Konsultativstaaten - zur internationalen Gemeinschaft. Unter der bestehenden Völkerrechtsordnung ist der Abschluß von Verträgen, solange er nicht dem "ius cogens" widerspricht, stets legitim - und somit legal. Die Analyse der von den Konsultativstaaten selbst in Anspruch genommenen "besonderen Verantwortlichkeit" muß sich mithin als eine völkerrechtssoziologische verstehen, die sich allerdings der Hinweise auf ein "ius gentium nasciturum" nicht ganz enthalten kann. Mit den materiellen Inhalten der Völkerrechtssätze, mit zunehmendem Gewicht des raum-, ja funktionsorientierten Aspektes gerade im umweltrechtlichen Sektor wird die Notwendigkeit neuer Organisationsformen im Völkerrecht offenbar, wobei ein Rekurrieren auf den Sachwaltergedanken (trusteeship, custodianship) naheliegt, wie ihn etwa Kanada Anfang der siebziger Jahre für seinen Küsten vorgelagerte Bereiche arktischer Gewässer formulierte. 18 Nicht nur sollen Inhalt und Grenzen einer solchen (möglicherweise ja nur nationale Egoismen camouflierenden) "Sachwalterschaft" ermittelt werden - wozu auch das Ausmaß der völkerrechtssoziologisch zu betrachtenden Entscheidungsautonomie des konsultativen Clubs zu rechnen ist -, sondern auch der Kontext zwischen dieser und möglichen künftigen Entwicklungen im völkerrechtlichen Umweltschutz.

*** Wandel und Kontinuität zugleich sind die Charakteristika des Antarktischen Systems. Die Ordnung der Antarktis existiert mithin nur als Aufnahme des eben vergangenen Moments; insoweit stellt sie sich stets als eine neue dar. Im Zuge des funktionalen Wandels ist eine immer stärkere Orientierung des Systems in Richtung Umweltschutz festzustellen. Dabei werden Interdependenzen zwischen globalen und antarktischen Entwicklungen deutlich. In der Antarktis, dies wird zu zeigen sein, ist trotz mancher Spezifika kein völkerrechtlicher Sonderweg beschritten worden. Die Verbindungen zwischen

18



"Arctic Waters Pollution Prevention Act", dazu infra Dritter Teil C.I1.I.

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dem Antarktischen System und der völkerrechtlichen Raum-, Umwelt- und Kompetenzordnung sind eng und mannigfaltig. An die klimatologischen Besonderheiten der Antarktis und ihre relative geographische Isolation hat sich das Völkerrecht angepaßt und spezifisch antarktische Strukturen hervorgebracht, die in der Lage sind, Impulse aufzunehmen, aber auch dem Völkerrecht neue Impulse zu geben. Die Erkenntnis der ökologischen Bedeutung der Antarktis könnte dem Antarktischen System dabei eine Schrittmacherfunktion für den internationalen Umweltschutz vermitteln.

Erster Teil

Faktizität. Raum -

Widmung -

Nutzung

A. Schritte zum polaren UmweItschutzregime Die Idee, ein großräumiges Naturschutzgebiet in der Antarktis l zu schaffen, ist zum mindesten so alt wie dieses Jahrhundert. In seiner 1913 erschienenen Denkschrift "Über die Aufgaben des Weltnaturschutzes" forderte der Schweizer Naturgelehrte Paul Sarasin, in der Arktis ebenso wie in der Antarktis jeweils "absolute Schutzgebiete" zur Rettung der dort heimischen Tierarten einzurichten. Jedoch nicht allein Artenschutz, nicht die bloße Bestandserhaltung der zur Gewinnung von Tranöl rücksichtslos ausgebeuteten Wale, Robben und auch Pinguine sollte damit angestrebt werden, sondern innerhalb der einzurichtenden Reservationen sollte die Biozönose, mithin auch das natürliche Ökosystem, sich regenerieren können? Für Sarasin war Naturschutz infolge der globalen Auswirkungen der zu beobachtenden Eingriffe ein internationales Anliegen, dem die Internationalisierung (dieses Begriffes bedient er sich bereits) der Räume mit besonders bedrohter Fauna und Flora korrespondieren müsse; gleiches müsse mit der "Wildschutzgesetzgebung" in globalem Rahmen geschehen. Die formale Kompetenz sollte jedoch den Territorialstaaten belassen bleiben. Der Internationalisierung könne in der Weise Genüge getan werden, daß ein Staat das antarktische Festland okkupiere und sodann im Interesse aller sich des Naturschutzes annehme. Im maritimen Bereich sollten die Küstenmeere gleichfalls eine deutliche Ausdehnung erfahren und so zu - den Territorien entsprechenden - "Maritorien" werden, welche der Freiheit der Meeresausbeutung entzogen wären. Der Schweizer Wissenschaftler war sich durchaus im klaren darüber, daß diese

I "Antarktis" in dem hier verstandenen Sinne umfaßt den Geltungsbereich des Antarktisvertrages von 1959 (Art. VI), also die Gebiete südlich von 60° S, welche sich auch mit der südpolaren Klimazone weitgehend decken. Hiervon zu unterscheiden ist die eigentliche antarktische Kontinentalmasse (Antarktika). Im englischen Sprachgebrauch bezeichnet "Antarctica" im Gegensatz zu "the Antarctic" gleichfalls nur den Kontinent, doch werden die Termini häufig im übergreifenden Sinne synonym verwendet. 2 Sarasin, Über die Aufgaben des Weltnaturschutzes. Denkschrift gelesen an der Delegiertenversammlung zur Weltnaturschutzkommission in Bem am 18. November 1913, hrsg. 1914, S. 24, 39.

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Erster Teil: Faktizität

Idee einstweilen politisch nicht durchsetzbar sein würde, er wollte jedoch kundtun, "daß die politische Besitzergreifung der Meere sehr wahrscheinlich einmal kommen wird".3 Die Prognose findet heute ihre Bestätigung in den Tendenzen zur ,,Nationalisierung" durch Ausweitung der küsten staatlichen Zonen, wobei dem Küstenstaat weitgehende Umweltschutzbefugnisse zugesprochen werden, und andererseits in der Unterwerfung der Hohen See, ihrer Ausbeutung ebenso wie ihres Schutzes, unter internationale Regimes. 4

I. Menetekel Spitzbergen? Die UnterschutzsteIlung des nordpolaren Spitzbergen-Archipels war Sarasins besonderes Anliegen. 5 Ein dahingehender Vorschlag wurde erstmals im Zusammenhang mit den Spitzbergen-Konferenzen vorgebracht, deren erste beide in den Jahren 1910 und 1912 in Christiania (Oslo) zusammenkamen. Gegenstand dieser Konferenzen war nicht nur die Festlegung eines adäquaten territorialen Status für den Archipel, sondern auch die Lösung eines Nutzungskonflikts zwischen Nutzung der lebenden Ressourcen, soweit diese nicht bereits ausgerottet waren, dem zu jener Zeit recht bedeutsamen und aggressiven Tourismus 6 und schließlich dem Abbau von Bodenschätzen auf Spitzbergen: Anfang dieses Jahrhunderts waren auf Spitzbergen größere Kohlevorkommen entdeckt worden. Norwegen trachtete daher nach der territorialen Einverleibung des Archipels, ein Ansinnen, dem andere europäische Mächte, sie selbst freilich ohne Okkupationsbestrebungen, widersprachen. 7

Sarasin, S. 13 ff. Grundlegend Wolfrum, Die Internationalisierung staatsfreier Räume, 1984 [im folgenden zitiert: Wolfrum (I984a)], insbes. S. 622 ff.; auf dieser Linie auch König, Durchsetzung internationaler Bestands- und Umweltschutzvorschriften auf Hoher See im Interesse der Staatengemeinschaft, 1990, S. 81 ff. 5 Sarasin, S. 23 ff. 6 Vgl. Spethmann, Aus der Geschichte der Entdeckung und Erforschung Spitzbergens, in: Über den Schutz der Natur Spitzbergens. Denkschrift der Spitzbergenkonferenz in Kristiania 1914 überreicht von H. Conwentz, S. 70 (81): "Die zahlreichen Fangfahrten der den verschiedensten Nationen angehörigen Schiffe habe nicht ausschließlich mit den Walen und Walrossen Spitzbergens und der benachbarten Meeresteile aufgeräumt. Renntiere, Seehunde, Bären, Füchse und mancherlei Vogelarten wurden von jeher als erwünschte Nebenbeute betrachtet und nach Möglichkeit erlegt. (... ) Zu einem Teil wird dies von Touristen bzw. von Jagdexpeditionen verübt, die ... ihren jagdlichen Sportgelüsten keine Grenzen zu stecken wissen und planlos niederknallen, was ihnen vor den Lauf der Flinte kommt." 1 Morelli, Il regime giuridico dello Svalbard e il nuovo diritto deI mare, 1988, S. 6 f. m.w.N. 3 4

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Im Vorfeld der zweiten Christiania-Konferenz, die im Januar 1912 tagte, forderten Naturschützer, den gesamten Archipel unter ein Schutzregime zu stellen, das als europäische Reservation den "amerikanischen Großreservationen" gleichgestellt sein solle, mit dem Unterschied allerdings, daß die Inselgruppe ihre terra-nullius-Qualität behalte. (Diese Idee wurde jedoch auch von Naturschützern für unrealistisch gehalten.) Entsprechende Eingaben an die zweite Christiania-Konferenz stießen nicht auf nennenswerte Resonanz oder erreichten die Konferenz nicht mehr rechtzeitig. 8 Die Konferenz von 1912 sprach sich für den Fortbestand der res-nullius-Qualität Spitzbergens,9 für den Erhalt des freien Zugangs aller Staaten zum Archipel und freier Nutzungsmöglichkeiten aus. Es kann zunächst dahingestellt bleiben, ob damit lediglich ein Wille zur Zurückhaltung bei der Verfolgung nationaler Belange kundgetan oder dem Wunsch Ausdruck gegeben wurde, das gesamte Spitzbergen-Regime auf die Interessen der "gesamten internationalen Gemeinschaft" auszurichten. 1O Freilich drängen sich Parallelen zum Antarktisvertrag von 1959, der solche Kommunklauseln enthält, geradezu auf, so daß es nicht abwegig scheint, den Spitzbergen-Entwurf von 1912 als frühes Internationalisierungsmodell und von daher als Vorbild für den Antarktisvertrag anzusehen. ll Übereilte Vergleiche verbieten sich jedoch, da - anders als im Falle der Antarktis - die res-nullius-Natur Spitzbergens unbestritten war. Anders als der Antarktisvertrag sah der Christiania-Entwurf übrigens auch eine Kommission als Verwaltungsorgan vor. Die Folgekonferenz von 1914 konnte sich, unmittelbar vor Kriegsausbruch, nicht mehr auf ein Spitzbergen-Abkommen einigen, und so blieb die Eingabe der Naturschützer unbeachtet. Ob günstigere Umstände diesen einen gewissen Erfolg beschert hätten, könnte nur Gegenstand von Spekulationen sein. Die erkannten Schwierigkeiten, die festgelegten politischen Ziele mit dem res-nullius-Gedanken zu vereinbaren, und eine nach dem Krieg veränderte internationale Lage ließen es angelegen sein, Spitzbergen pro forma norwegischer Souveränität zu unterstellen, zugleich aber die Nichtmilitarisierung festzuschreiben. 12 Der Vertrag von Paris vom 9.2.1920 sah keinerlei Schutzbestimmungen vor; der fast gleichzeitig mit seinem Inkrafttreten erlas-

8 Vgl. Conwentz, Vorbemerkungen, in: ders. (0.1.), S. 67. 9 Art. 1 des Konventionsentwurfs: "Le Spitzberg demeurera terra nullius. 11 ne pourra, ni en tout, ni en partie etre annexe par aucun Etat, ni etre soumis, sous quelle forme que ce soit, ~ la souverainete d'une puissance quelconque." 10 Dies behauptet jedenfalls More/li, S. 11. 11 Vgl. Battaglini, La condizione dell'Antartide nel diritto internazionale, 1971, S. 401 ff. 12 Vgl. Morelli, S. 12 ff.

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sene norwegische "Mining Code" gewährt den Vertragsparteien in Ausführung des Vertrages Bergbaufreiheit und setzt ein Verteilungssystem für Schürfplätze sowie Vorschriften für die Vergabe von Lizenzen festY Damit wurde der Nutzung der mineralischen Ressourcen Spitzbergens eine privilegierte Stellung, ja fast ein absoluter Vorrang gegenüber anderen Nutzungsformen eingeräumt. Der bis heute andauernde Steinkohlenbergbau hat der Umwelt Spitzbergens schwere Schäden zugefügt. Das Schicksal Spitzbergens schien sich siebzig Jahre später für die Antarktis zu wiederholen, ja es hatte sich bereits Anfang des Jahrhunderts wiederholt, was die Ausbeutung der lebenden Ressorcen betrifft. Nunmehr jedoch sollten auch die mineralischen Ressourcen der Ausbeutung unterworfen werden. Am 6. Februar 1988 wurde in Wellington die "Convention on the Regulation of Antarctic Mineral Resource Activities" (CRAMRA) verabschiedet, von der sich die Vertrags parteien eine praktische und flexible Rechtsgrundlage für Bergbautätigkeiten in der Antarktis erwarteten. Im Unterschied zu Spitzbergen existierte in bezug auf den Antarktischen Raum bereits zu diesem Zeitpunkt ein Rechtsregime, für das Guyer die Bezeichnung "Antarktisches System" (Antarctic System) populär gemacht hat; 14 Basis dieses Systems ist der Antarktisvertrag vom 10. Dezember 1959. 15 Zum zweiten sind bis heute im antarktischen Raum keine Bodenschätze größeren Umfangs entdeckt worden, die den Abbau lohnen würden. 16 Doch ist die Entdeckung abbaubarer Ressourcen andererseits jederzeit vorstellbar: Wo, wie häufig, mit wissenschaftlichem Ziele etwa seismische Sprengungen vollzogen werden, ist die Entdeckung mineralischer Ressourcen vielfach Nebenzweck, zumindest aber potentieller Nebeneffekt. Nicht überall sind Ressourcen unzugänglich, auch wenn der antarktische Kontinent zu 98% eisbedeckt ist. Auch ist nicht darauf zu hoffen, daß sich allfällige Unzulänglichkeit der Technik in jedem Falle vor dem Beginn der geplanten Bergbautätigkeit herausstellen mäge. Gewiß: bisher ist kein Verfahren entwickelt worden, das es erlaubt, beispielsweise im mineralhöffigen Dufek-Massiv, das unter einem kilometerdicken Eispanzer begraben liegt, Bodenschätze abzubauen. I? Erdölförderung in ma-

Der "Mining Code" ist abgedruckt bei Morelli, S. 333 ff. The Antarctic System, op. eit. 15 In Kraft seit 23. Juni 1961. - Kurzer Überblick bei Wolfrum I Klemm, Antarctica, in: EPIL, vol. I, 1992, S. 173 ff. 16 Vgl. die Analysen in: Splettstoesser I Dreschhoff, Mineral Resources Potential of Antarctica, 1990. I? Ford, The Dufek Intrusion of Antarctica, sowie De Wit/Kruger, The Economic Potential of the Dufek Complex, in: Splettstoesserl Dreschhoff, S. 15 (27 f.) bzw. 32 (44 f.). 13

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ritimen Sedimentbecken (Ross-See) scheint ein realistischeres Szenarium abzugeben. Was den dereinstigen Abbau möglicherweise vorhandener Bodenschätze betrifft, so zielte CRAMRA auf KlarsteIlung einer bis dahin unklaren Rechtslage im Hinblick auf die Steuerung künftiger Entwicklungen - insoweit läßt sie sich als "proleptic law" bezeichnen -, während Spitzbergen bis zum Pariser Vertrag, ohne daß dies ernstlich bestritten worden wäre, als nullius res gegolten hatte, ein Gebiet mithin, in dem zumindest nach damaligem Rechtsverständnis keinem Staat die eigenmächtige Ausbeutung der Bodenschätze hätte verwehrt werden können. Die erwartete Bergbautätigkeit einer Regelung (und womöglich einer Hegung, das heißt einer regulierenden Einbindung) zu unterwerfen, war indes Ziel der CRAMRA wie des Spitzbergen-Vertrages in gleicher Weise. 18 Der wesentliche Unterschied der Regimes indes liegt im territorialen Bereich: Wie dargelegt, unterwirft der Pariser Vertrag Spitzbergen norwegischer Souveränität; die CRAMRA läßt die Souveränitätsfrage hingegen in gleicher Weise offen (Art. 9) wie bereits Art. IV des Antarktisvertrages. Die Möglichkeit zu universaler Partizipation besteht nach beiden Abkommen, so daß die Frage der territorialen Gliederung den Aktivitäten bergbauwilliger Staaten nicht grundsätzlich im Wege steht. Infolge politischen Wandels ist die CRAMRA jedoch mittlerweile obsolet geworden. Im Rahmen der XI. Sondertagung der Konsultativstaaten wurde vielmehr am 4. Oktober 1991 das Umweltschutzprotokoll zum Antarktisvertrag (Protocol on Environmental Protection to the Antarctic Treaty, im folgenden USP) beschlossen, dessen Art. 7 vom - noch ungewissen - Tag des Inkrafttretens der Vereinbarung ein dauerhaftes Bergbauverbot festschreiben wird. Die bis November 1989 erfolgten CRAMRA-Signatarakte von neunzehn Staaten haben sich erledigt, da Art. 7 USP mit dem Grundgedanken der Mineralienkonvention von der Zulässigkeit antarktischen Bergbaues unvereinbar iSt. 19 Zwar ist das Madrider Protokoll noch nicht in Kraft, doch haben die Konsultativstaaten das Bergbauverbot mit Unterzeichnung gebilligt. Damit wurde die Entwicklung in Richtung eines Bergbauregimes zugunsten des Umweltschutzes umgekehrt, und das in Christiania nicht einmal ernstlich

18 Parallelen zwischen Spitzbergen und der Antarktis, insbesondere hinsichtlich der Notwendigkeit, die praktischen Fragen um Regelung und Kontrolle der Mineralienausbeutung zu lösen, sieht Sollie, Problemas jurisdiccionaIes en relaci6n con los recursos minerales antarticos, in: Orrego Vicuiia, La Antartica y sus recursos, 1983,

S. 297 (299 f., 305).

19 Um eine vorläufige Erledigung handelt es sich, wenn man annehmen sollte, daß nach Ablauf der Dauer des vorgesehenen Bergbauverbots mit dem Aufleben der CRAMRA zu rechnen sei. Dies ist nicht nur im Hinblick auf den Wortlaut des Art. 7 des Umweltschutzprotokolls höchst unwahrscheinlich.

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Erster Teil: Faktizität

zur Sprache gebrachte Konzept eines raumumgreifenden Naturschutzgebietes scheint mit Art. 2 USP in bezug auf die Antarktis Gestalt angenommen zu haben; dieser Bestimmung zufolge ,,[t]he Parties commit themselves to the comprehensive protection of the Antarctic environment and dependent and associated ecosystems and hereby designate Antarctica as a natural reserve, devoted to peace and science." Hiermit greift das Madrider Protokoll nicht nur die Vorgaben des Antarktisvertrages zur Nichtmilitarisierung und zum Forschungsprivileg auf, sondern fügt ihnen die Erklärung der Antarktis zum "Naturreservat" hinzu. Insbesondere Naturschutzverbände begrüßten diese prima facie überraschende Entwicklung als "Rettung" der Antarktis vor den Gefahren, denen Bergbauaktivitäten das Südpolargebiet aussetzen würden. 20 In der Tat weist die überwiegend hochpolare und daher durch langsamen Ablauf von Stoffwechselprozessen gekennzeichnete antarktische Umwelt ein äußerst geringes Regenerationspotential und damit eine besondere Empfindlichkeit gegenüber Eingriffen auf. Vermag schon ein Stiefeltritt Flechten und Moose zu zerstören, so lassen sich die Auswirkungen der Installation von Fördereinrichtungen, der Anlage von Häfen, des Baues von Arbeiterunterkünften ermessen. Die in dem rauhen, stürmischen Klima der Antarktis größere Wahrscheinlichkeit von Ölunfällen vermittelte Naturschützern zusätzlich Anlaß zur Sorge. Die relative Intaktheit der antarktischen Umwelt ist, im Gegensatz zur spitzbergischen, aber auch global von großer Bedeutung: Die antarktische Eiskappe, welche 90% des Süßwassers auf der Erde bindet, dient gemeinsam mit dem sie umgebenden Packeisgürtel als Kälteregulator. Ein Ausfallen dieser "Klimamaschine" infolge des Treibhauseffektes würde - eigenartigerweise - dem durch Zusammenwirken von Fluorchlorkohlenwasserstoff-Immissionen und Temperaturminima verursachten Ozonschichtabbau möglicherweise Einhalt gebieten; dem gegenüber stünde jedoch ein beachtlicher Meeresspiegelanstieg und eine mit der Minderung der Abstrahlungswirkung (Albedo) antarktischen, vor allem ozeanischen, Eises und des Verlustes der Fähigkeit des heute noch kalten Südozeans, ein Drittel bis ein Viertel der globalen Kohlendioxidemissionen zu absorbieren, verbundene Forcierung des Treibhauseffekts. Die Agenda "Schutz der antarktischen Umwelt" besitzt also bereits einen Eigenwert. Den Umweltschützern mußte nunmehr scheinen, daß der potentiell verschmutzungs- und

20 Der ASOC-Funktionär Barnes betitelte das Umweltschutz protokoll am Tag seiner Unterzeichnung als einen Sieg für die ganze Welt, da erstmals die Umweltschutzorganisationen und die Regierungen in einer Linie aufgetreten seien; der "Greenpeace"-Vertreter Sawyer betrachtete die Vereinbarung als "riesigen Schritt vorwärts", wies jedoch darauf hin, daß auch fürderhin die Antarktis nicht von den Auswirkungen menschlicher Aktivitäten verschont bleiben würde. Vgl. Rivera, La Antartida, un continente para la ciencia, in: EI Pats vom 5. Oktober 1991, S. 24 (25).

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unfallträchtige antarktische Bergbau nicht nur die empfindliche antarktische Umwelt schädigen, sondern über Verminderung der Eisalbedo auch einen Beitrag zu einer weltweiten Umweltkatastrophe leisten mußte. Das Bild absolut gegenläufiger Tendenzen von CRAMRA und Umweltschutzprotokoll ist jedoch verzerrt: Im Gegensatz zum Spitzbergen-Vertrag sieht die CRAMRA, insbesondere mit der Einführung der obligatorischen Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und einem in seiner Zielsetzung über alle bisherigen völkerrechtlichen Verträge hinausgehenden Haftungskonzept, durchaus respektable Umweltschutzvorkehrungen vor; sie nimmt materiell, wie noch im einzelnen zu zeigen sein wird, sogar einen Teil der ins Protokoll aufgenommenen Bestimmungen vorweg. Dennoch wäre es verfehlt, CRAMRA als Umweltschutzregelung zu bezeichnen: 21 Soweit die CRAMRA Umweltschutzbestimmungen aufgenommen hat, stehen sie dem Bergbau als materielle Schranken entgegen, verfügen jedoch nicht über ein normatives Eigenleben in dem Sinne, daß sie aus sich heraus systembestimmend zu wirken vermögen.

11. Ein Bergbauverbot als Angelpunkt? Rasch, verglichen mit anderen Vereinbarungen des antarktischen Normensystems, wurden die CRAMRA-Verhandlungen vorangetrieben,22 rasch kam es auch zum Scheitern der Konvention. Die an den Tag gelegte Eile im Bemühen um die Errichtung eines Bergbauregimes trägt freilich manchen Kausalfaktor für dieses Scheitern bereits in sich. Manifest wurde es mit der auf einem Kabinettsbeschluß beruhenden Ankündigung des australischen Premierministers Hawke vom 22. Mai 1989, daß Australien die CRAMRA nicht unterzeichnen werde. 23 Bereits am 20. April hatte der französische Premier-

21 Vgl. Bush, Australia and Antarctica: Recent Developments. A New Look at the Minerals Convention and Environmental Protection, 0.1., S. 23. Wolfrums Auffassung, wonach ,,[t]he rules of CRAMRA, concerning the protection of the environment, set new standards in international law in this respect" (The Convention on the Regulation of Antarctic Mineral Resource Activities, 1991 [zit. im folgenden Wolfrum (199Ia)], S. 30), kann nur zugestimmt werden bei abstrakter Betrachtung dieser Standards. Berücksichtigung muß auch finden, daß die CRAMRA ihr Placet zu Umweltgefährdungen ungeklärten Ausmaßes gibt, für die Schutzstandards der erwähnten Art zunächst eine Kompensation darstellen. Ob sich per Saldo durch die CRAMRA ein Mehr an Umweltschutz ergibt, darf mit Recht bezweifelt werden. 22 Die CRAMRA-Verhandlungen dauerten von 1982 bis 1988. 23 Prime Minister, Joint Statement with the Minister of Foreign Affairs and Trade, Senator the Hon. Gareth Evans Qc. and the Minister for Arts, Sport, the Environment, Tourism and Territories, Senator the Hon. Graham Richardson, Presseerklärung vom

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minister Rocard während eines Fernsehinterviews erklärt, Frankreich könne die CRAMRA in ihrer vorliegenden Fassung nicht ratifizieren; die Verhandlungen müßten vielmehr wiedereröffnet werden. 24 Die Regierungen beider Staaten stimmten sich im Juni 1989 auf ein gemeinsames Vorgehen für ein antarktisches Schutzgebiet und gegen CRAMRA ab. Am 18. August bekräftigten Hawke und Rocard in einer gemeinsame Erklärung ihre Ablehnung des für "not compatible with protection of the fragile Antarctic environment" gehaltenen Bergbaues und kündigten eine gemeinsame Initiative zugunsten einer Konvention an, die den Schutz der antarktischen Umwelt unter allen denkbaren Gesichtspunkten berücksichtigen sollte. 25 Damit besiegelten diese beiden Staaten, welche als einzige unter den Claimants die CRAMRA noch nicht unterzeichnet hatten, ihren "Ausstieg" aus der Mineralienkonvention, wiewohl die Konsequenzen dieses Schrittes für das Schicksal der CRAMRA in der Erklärung unausgesprochen blieben. Nach Art. 62 Abs. 1 CRAMRA setzt das Inkrafttreten der Konvention die Ratifikation durch alle sieben Staaten voraus, die territoriale Souveränität über Teile des antarktischen Kontinents für sich in Anspruch nehmen ("CIaimants"); ohne Beteiligung Australiens und Frankreichs konnte das Bergbauregime mithin nicht zustandekommen. 26 Die Verlautbarung dieser beiden Staaten, die CRAMRA nicht ratifizieren zu wollen, wurde von manchen Konsultativstaaten als Bruch des erzielten Konsenses, mithin gleichsam als "Dolchstoß" verstanden. 27 Schon vor der

22. Mai 1989; vgl. auch Blay/Tsamenyi, Australia and the Convention for the Regulation of Antarctic Mineral Resource Activities, in: Polar Record 26 (1990), S. 195 (195,202). 24 Rush (0.1.), S. 4. 25 Abgedruckt in: AFAT 60 (1989), S. 445. 26 Die gängige Umschreibung mit dem Terminus "Bestehen von GebietsanspTÜehen" ist irreführend; leider orientiert sich auch Art. IV des Antarktisvertrages an dieser unkorrekten Terminologie. Rechtsdogmatisch betrachtet ist das Bestehen eines Gebietsanspruchs nur in dem Sinne denkbar, daß ein Staat gegen einen anderen aus einem bestimmten Rechtsgrund den Übergang der territorialen Souveränität in bezug auf einen bestimmten Raum verlangen kann, der bis dahin Bestandteil des anderen Staates gewesen ist. In der Antarktis geht es jedoch um die ganz anders geartete Frage nach gültigem originären Souveränitätserwerb in der Vergangenheit, der genau genommen mit einem gegen einen anderen Staat gerichteten Anspruch nichts zu tun hat. Sollte in der Vergangenheit territoriale Souveränität erlangt worden sein, würde diese per se absolut, also gegen jeden Staat wirken; ein Anspruch kann dann auf Respektierung der bestehenden Souveränität gerichtet sein. 27 Vgl. Comprehensive Protection for Antarctica, EPL 21 (1991), S. 11 (13). - So nannte der neuseeländische Außenminister Marshall Australiens Vorgehen "dictated by political considerations rather than any fine feelings about Antarctica".

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offiziellen Beschlußfassung, die Mineralienkonvention nicht unterzeichnen zu wollen, hatte Australien die Delegationen anderer Vertragsstaaten mittels eines am 11. Mai 1989 auf einem Vorbereitungstreffen zur XV. Konsultativtagung zirkulierenden eigenen Vorschlags für eine Konvention zum Schutze der antarktischen Umwelt unter Einbeziehung aller bestehenden Rechtsinstrumente gleichsam in einen Schockzustand versetzt;28 deutlich wurde, wie wenig man im konsultativen Kreis auf Widerstand aus den eigenen Reihen gefaßt war. Der Vorwurf des Renegatenturns war eher symptomatisch für die angespannte Lage zwischen den Konsultativstaaten, als daß er der Situation wirklich gerecht geworden wäre. Tatsächlich hatte sich das Scheitern der Mineralienkonvention bereits angedeutet, bevor Frankreich und Australien sie offiziell zu Grabe trugen. Es läßt sich auf drei Kausalstränge zurückführen - jeweils ein Bündel rechtssystematischer, politisch-ökonomischer und ökologisch-wissenschaftsorientierter Faktoren -, die zunächst skizzenhaft dargestellt werden: Die Abkehr von der CRAMRA war in wesentlichem Umfang durch ökologisch motivierte Erwägungen bedingt. Daß die Konvention selbst materielle Vorkehrungen für die Reparatur von Bergbauschäden traf, vermochte Umweltschützer nicht zu überzeugen, welche durch Bergbau verursachte Umweltschäden im Bereich der polaren Klimazone für irreparabel hielten. Die von farnes Barnes gegründete "Antarctic and Southern Ocean Coalition" (ASOC) hatte sich daher zum Ziel gesetzt, den Bergbau in der Antarktis zu verhindern; in diesem Bestreben wurde die Koalition durch die in ihr zusammengeschlossenen, rechtlich selbständigen Verbände, ihnen voran "Greenpeace International", bestärkt und erhielt zudem von der nichtgouvernementalen "International Union for the Conservation of Nature and Natural Resources" (IUCN) strategische Rückendeckung. Diese Verbände bemühten sich vor allem, über Einflußnahme auf die öffentliche Meinung auf die Parlamente und Regierungen der Konsultativstaaten einzuwirken. Hierbei kamen ihnen zwei Ereignisse zugute, die kurz nach Paraphierung der CRAMRA ihren Lauf nahmen: Am 28. Januar 1989 lief das argentinische Polar-Passagierschiff "Bahfa Parafso" in der Bismarckstraße zwischen den Palmer-Inseln nahe der Westküste der Antarktischen Halbinsel auf ein Riff. Dabei liefen zwischen 470.000 und 570.000 I Dieselöl aus 29 und verursachten die bis

28 Vgl. Bush (0.1.), S. 9. 29 Vgl. Rigg, Environmentalists' perspectives on the protection of Antarctica, in: Cook (Hrsg.), The future of Antarctica. Exploitation versus preservation, 1990, S. 68 (71), die sich insoweit auf Angaben der US National Science Foundation stützt. Rund 250.000 I Öl befanden sich zu dieser Zeit noch an Bord des Schiffes, das bis jetzt nicht gehoben ist und noch immer Treibstoff ins Meer entläßt. Nach Angaben von Welch (The Antarctic Treaty System. Is It Adequate to Regulate or Eliminate the

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dahin umfangreichste Umweltverschmutzung in der Antarktis. Nur wenige Wochen darauf, in der Nacht zum 24. März 1989, lief die zur US-amerikanisehen Reederei "Exxon Shipping Co." gehörende "Exxon Valdez" im PrinzWilliam-Sund (Südalaska) auf das Bligh-Riff auf; 40 Mio. Liter ausgelaufenes Rohöl verursachten möglicherweise irreparable Schäden. 30 Obwohl die letztgenannte Havarie nicht in der polaren, sondern im Übergangs bereich zwischen gemäßigter und subpolarer Klimazone stattfand, sind die Bedingungen am Unfallort - das Wasser des Sundes ist (da mit Gletscherwasser versetzt) relativ kalt - denen der antarktischen Meere nicht unähnlich. Die Befürchtung wurde geäußert, daß in der Antarktis dereinst ähnliche Vorfälle mit noch erheblich gravierenderen Folgen zu besorgen seien, zumal sich wegen der Eisbedeckung des Kontinents antarktischer Bergbau auf absehbare Zeit primär als Ölförderung in der Schelfrneerzone darstellen würde, jedenfalls wo diese, wie in einigen Bereichen der Ross-See, nicht von Eisschelfen bedeckt ist. Infolge der Eisbergdrift wären Tankschiffe und Förderstationen dort aber besonders großen Gefahren ausgesetzt - Gefahren, welche von den Konsultativstaaten trotz Vorliegens einer Reihe in Auftrag gegebener Gutachten zu Auswirkungen des Mineralienbergbaues niemals offiziell zur Kenntnis genommen worden waren. 31 Der bereits seit längerer Zeit auf der australi-

Environmental Exploitation of the Globe's Last Wildemess?, in: Houston Journal of International Law 14 [1992], S. 597 [635]), sollen 160.000 Gallonen, also mehr als 600.000 I, ausgelaufen sein. 30 Dazu eingehend RestlLeinemann, Die Umweltkatastrophe vor Alaska, in: VersR 40 (1989), S. 653 (653 f.); ferner Francioni, Resource Sharing in Antarctica - For Whose Benefit?, in: EJIL 1 (1990), S. 258 (259). 31 Vgl. Bonner, Conservation and the Antarctic, in: Laws, Antarctic Ecology, vol. 2, S. 821 (826). Eine ausführliche Beschreibung der möglichen Umweltschädigungen insbesondere durch die Förderung von Öl und Gas findet sich bei Parker I Angino, Environmental Impacts of Exploiting Mineral Resources and Effects of Tourism in Antarctica, in: SplettstoesserlDreschhoff, Mineral Resources Potential of Antarctica, 1990, S. 237 (247 ff.). Zur ..Ignoranz" des konsultativen Zirkels vgl. Bush (0.1.), S. 12 f., der im übrigen die CRAMRA wie folgt kritisiert: - Die Auswirkungen des Bergbaues seien zumindest im lokalen Bereich von einiger Erheblichkeit. - Die Konvention bediene sich unklarer Formulierungen, setze insbesondere keine nachvollziehbaren Grenzen für die Zulässigkeit von Bergbaueinwirkungen. - Menschliches Versagen könne auch bei strengsten Sicherheitsvorkehrungen unter den geographisch-klimatischen Bedingungen der Antarktis zu schweren Unfällen führen. - Das hohe Unfallrisiko sei auch durch technischen Fortschritt nicht auszuschließen. - Bergbauschäden, die von der CRAMRA in Kauf genommen werden, würden heute von der Öffentlichkeit nicht mehr hingenommen. - Die Ziele Bergbau und Umweltschutz, welche CRAMRA in Harmonie zueinander bringen wollte, seien in Wahrheit unvereinbar.

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schen Regierung wegen ihrer Pro-CRAMRA-Einstellung lastende erhebliche Druck der Öffentlichkeit wurde durch die Havarien der Bahfa Parafso und der Exxon Valdez gleichsam potenziert und von der parlamentarischen Opposition kanalisiert. In dieser Lage bot sich Rocards Erklärung, die gleichwohl nur auf eine Revision der CRAMRA abzielte, der in die Enge getriebenen australischen Regierung als Gelegenheit an, dem öffentlichen Druck nachzugeben, ohne befürchten zu müssen, mit einer pro-ökologischen Einstellung ohne Bundesgenossen zu bleiben. 32 Schon Anfang Mai 1989 hatten erste Regierungsmitglieder, so etwa der damalige Schatzkanzler Keating, ihre Sympathie mit dem Gedanken bekundet, die Antarktis zu einem "Weltpark" umzuformen. 33 Mit den gegen die CRAMRA gerichteten ökologischen Erwägungen sind solche rechtssystematischer Art eng verbunden. Hierzu gehört insbesondere, daß das Verbot antarktischen Bergbaus in mehreren Vertragsstaaten bereits einfachgesetzlich festgeschrieben wurde; dies gilt jedenfalls für die Nonc1aimants (Staaten, welche staatliche Souveränität in der Antarktis negieren) Belgien und USA. 34 Eine weitere rechtliche Barriere, die das politische Streben nach Inkraftsetzen der CRAMRA dämpfte, ist in der Konvention selbst niedergelegt: Die Ausbeutung von Bodenschätzen, von der Konvention als "exploration" und "development" bezeichnet, setzt erstens die Ausarbeitung eines Protokolls zur Haftung für bergbaubedingte Umweltschäden (Art. 8 Abs. 7 und 9 CRAMRA), zweitens die Festlegung von Förderzonen (Art. 41) zwingend voraus. Damit aber haben die vertragschließenden Staaten die eigentliche Entscheidung über die Durchführung von Bergbaumaßnahmen faktisch vertagt, selbst wenn man berücksichtigt, daß die genannten Entscheidungen im Consensus-Verfahren zu treffen sind, also keine Einigung auch im materiellen Sinne erfordern. 35 Obwohl auf der XV. Konsultativtagung (Pa-

- Die Illusion, daß Bergbau nicht nur möglich, sondern auch umweltverträglich sei, stelle sich als unerwünschter Anreiz zur Ressourcenförderung dar. (S. 41 f.) 32 Vgl. die Erklärung des damaligen australischen Premierministers Hawke, wonach ,,[t]he grounding of the Exxon Valdez is testimony to the damage that an oil spill can do to such an environment" (Hobart Mercury vom 21.7.1989, zit. bei Blay/Tsamenyi, S. 199). 33 Vgl. Canberra Times vom 13. Mai 1989, S. 5 (zit. n. Bush [0.1.], S. 7). 34 Belgien verbot als erster Konsultativstaat seinen Bürgern unter Strafandrohung, Aktivitäten zum Zwecke des Mineralienbergbaus (Prospektion eingeschlossen) in der Antarktis zu betreiben (Gesetz vom 23. Oktober 1989). Ihm folgten der Antarctic Protection Act" der USA und das australische Bergbauverbotsgesetz jeweils ein Jahr später nach. Vgl. Verhoeven, General Introduction, in: Verhoeven/Sands/Bruce, The Antarctic Environment and International Law, London u.a. 1992, S. 11 (16). 3S Im Consensus-Verfahren werden Beschlüsse ohne förmliche Abstimmung gefaßt,

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ris, 9. - 20. Oktober 1989) die Beschlußfassung über ein solches Haftungsprotokoll ("liability Rules") angestrebt wurde,36 war offensichtlich, daß die Zustimmung vieler Staaten zur CRAMRA sich nur als Zustimmung zu einer Vorentscheidung darstellte, darüber hinaus aber wenig zu erreichen war?7 Andere Erwägungen, welche die Anti-CRAMRA-Strömungen beeinflußten, sind primär dem wirtschaftlich-politischen Bereich zuzuordnen. So fiel den wirtschaftlich schwächeren Staaten die Abkehr von der Befürwortung eines alsbaldigen Bergbaubeginns deswegen relativ leicht, weil sie angesichts des beträchtlichen technologischen Vorsprungs der USA (die nicht zuletzt in Alaska Erfahrungen in der polaren Ölförderung gewonnen hatten) einen Alleingang dieses Landes befürchteten. 38 Man mag mit Recht daran zweifeln, ob diese Einschätzung von realistischen Erwägungen bestimmt war: Nach verbreiteter Auffassung wäre die Förderung antarktischer Rohstoffe so lange unwirtschaftlich, als dem Weltmarkt aus anderen Bereichen ausreichend Ressourcen zugeführt werden könnten. 39

doch haben die Parteien ein dem Veto gleichkommendes Einspruchsrecht gegen den Inhalt des zu fällenden Beschlusses. Trotz der Bezeichnung als "Consensus" fehlt es häufig an einem materiellen Konsens bei der Anwendung des Verfahrens, doch liegt formell betrachtet eine Einigung vor. Vgl. infra Zweiter Teil, A.I.l.b.(3).(c). - Daß es einer materiellen Einigung im Consensus-Verfahren nicht bedarf, zeigt etwa Art. 161 Abs. 5 Iit. e (Legaldefinition) des Seerechtsübereinkommens von 1982 (SR Ü) auf; das Übereinkommen ist abgedruckt bei Burhenne, 982:92; auf deutsch bei Platzöderl Grunenberg, Internationales Seerecht, 1990, S. 1 ff. 36 Empf. XV-2 (abgedruckt bei Bush, Booklet AT7, S. 29). 37 Vgl. dazu Hendry, The Antarctic Minerals Act 1989, in: ICLQ 39 (1990), S. 183 (184), der darauf hinweist, daß die britische Ausführungsgesetzgebung zur CRAMRA sich inhaltlich auf den Bereich der Mineralienprospektion beschränkt und die Ausbeutung der Bodenschätze vorerst ausklammert. 38 Vgl. die Äußerung des argentinischen Diplomaten Oscar Pinochet de la Barra anläßlich der Unterzeichnung des Madrider Protokolls: "Ese pafs tiene una capacidad tecnol6gica para extraer allf petroleo, si 10 hubiese, que nosotros no aIcanzaremos en muchos afios." ("Dieses Land verfügt über technische Fähigkeiten, um dort Öl zu fördern, wenn es denn weIches geben sollte, die wir in vielen Jahren nicht erlangen werden.") EI Pars vom 5.10.1991, S.24/25. Orrego Vicuiia (1988), S.472, hatte gerade aus dem Bestreben (freilich mehrerer Staaten) nach Nutznießung an der Antarktis noch den Schluß gezogen: "The establishment of a permanent or lengthy moratorium on mineral activities ... seems most unlikely to be accepted." 39 Pontecorvo, The Economics of the Resources of Antarctica, in: Charney, The New Nationalism and the Use of Common Spaces, 1982, S. 155 (157 ff.); Quilty, Mineral resources of the Australian Antarctic Territory, in: Harris, Australia's Antarctic policy options, 1984, S. 165 (202 f.); Wolf, Internationale Regime zur Verteilung globaler Ressourcen, 1991, S. 239.

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Ob sich hingegen die Gegnerschaft der VN-Gremien zur CRAMRA noch auf die politische Entwicklung nach Paraphierung der Konvention ausgewirkt hat, muß bezweifelt werden. Nach 1983 mußte den Anwürfen zahlreicher (insbesondere blockfreier) Staaten, ein elitärer Verein ökonomisch avancierter und saturierter Staaten wolle sich die alleinige Kontrolle über die Ressourcen der Antarktis sichern, durchaus politisches Gewicht zugeschrieben werden. Obschon die VN-Debatte "Question of Antarctica" Jahr um Jahr neu geführt wurde, war ihr Abebben noch während der CRAMRA-Verhandlungen unverkennbar: Nicht nur wurde ihr die Argumentationsbasis teilweise entzogen, da die Konsultativstaaten den Entwicklungsländern Vorzugsrechte einzuräumen bereit waren, sondern eine Reihe wirtschaftlich bedeutender Entwicklungsländer stiegen während der Debatte zu Vertrags- bzw. Konsultativstaaten auf. Für das Emporschnellen der Zahl der Vertragsstaaten auf zunächst 40, der Konsultativstaaten unter ihnen auf 26, ist vor allem das Partizipationsinteresse zahlreicher Staaten verantwortlich zu machen;40 die partizipatorische Öffnung des Antarktischen Systems und das Prestigestreben allein können das weltweite Interesse an der Beteiligung an bekanntermaßen kostspieligen antarktischen Aktivitäten jedenfalls nicht erklären. Die Gegenbewegung innerhalb des VN-Forums konnte schließlich ob ihrer strukturellen Schwäche die Paraphierung der CRAMRA auch nicht verhindern, mochte auch die alljährliche Debatte noch fortgesetzt werden. 41 In ihrer zuletzt erhobenen Forderung, ein Umweltschutzregime müsse im Rahmen des VN-Forums und unter Beteiligung aller Staaten entwickelt werden, weisen sich die Vereinten

40 Vgl. Darstellung im Anhang A, Tab. I. - Unter den Entwicklungsländern erwarben seit dem Jahr, in das der Beginn der VN-Debatte fällt, folgende Staaten Konsultativstatus: Brasilien und Indien (1983), VR China und Uruguay (1985), Peru und Südkorea (1989), Ecuador (1990). Die beigetretenen Industrieländer sind: DDR und Italien (1987), Spanien und Schweden (1988), Finnland (1989), Niederlande (1990). Angesichts der Tatsache, daß in manchem der beigetretenen südamerikanischen Staaten (insbesondere Uruguay und Peru, aber auch Ecuador) Überlegungen angestellt wurden, auf der Basis der Sektoren theorie bzw. des Vertrages von Tordesillas eigene Sektoren zu definieren (dazu Sahurie, The International Law of Antarctica, 1992, S. 59 ff. m.w.N.), erscheint deren Zurückhaltung gegenüber den VN-Forderungen weniger erstaunlich als der Beitritt zum Antarktischen System. Dieser läßt sich mit einer Kapitulation vor der Faktizität des Art. IV AV (der als inter-partes-Vereinbarung Drittstaaten nicht bindet) ebenso erklären wie mit dem Interesse dieser Staaten an Beteiligung an den in der Antarktis vermuteten mineralischen Rohstoffen. Ohne politische und technische Kooperation mit den Vertragsstaaten mußten sich die ärmeren Länder Südamerikas von der Teilhabe an der Ressourcennutzung ausgeschlossen sehen. 41 Zu den Vorgängen im VN-Bereich in der Zeit vor Unterzeichnung der CRAMRA vgl. Beck, Another sterile ritual? The United Nations and Antarctica 1987, in: Polar Record 24 (1988), S. 207 ff.

4 Kilmmerer

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Erster Teil: Faktizität

Nationen aber nur noch als einen Epigonen der nichtgouvernementalen Umweltschutzverbände aus.

III. Der Weg zum Madrider Protokoll Indem sie die CRAMRA scheitern ließen, versetzten sich Frankreich und Australien selbst in Zugzwang: Ziel der CRAMRA war die "Hegung", die Einbindung des Bergbaus in einen Normenkomplex, also seine formelle und materielle Beschränkung gewesen. 42 Mit dem Scheitern der CRAMRA mußte scheinen, als seien auch die durch sie gesetzten Rechtsbarrieren fortgefallen; es galt, diese angesichts einer zumindest unklaren Rechtslage neu zu errichten. 43 Nicht nur das Fortgelten eines bereits 1979 vereinbarten Bergbaumoratoriums,44 sondern seine Rechtsgeltung an sich waren umstritten; es mußte also befürchtet werden, daß das Scheitern der CRAMRA jene unerwünschte Bergbaufreiheit wieder herbeiführte, die man zu überwinden trachtete, nicht zuletzt im Hinblick darauf, daß die CRAMRA ein einstweiliges Bergbauverbot statuierte. 45 Insoweit mußte die Handlungsweise Frankreichs und Australiens das Bemühen um eine Hegung des Bergbaus geradezu konterkarieren, wenn und solange diese Staaten sich nicht um ein einstweiliges oder ständiges Verbot antarktischen Mineralienbergbaus bemühten. 46 Die latente Gefahr eines "Wettlaufs zu den Ressourcen" bestand fort: In der (das Streben nach Abbau antarktischer Bodenschätze letztlich auslösenden) Ölkrise der Jahre 1973/74 hatte sich gezeigt, daß politische Umwälzungen jederzeit auch zu radikalen Anschauungswandeln führen können. 47 Die Ent-

Dazu Wolfrum (199Ia), S. 11 ff. m.w.N. Vgl. Kämmerer, Das Umweltschutzprotokoll zum Antarktis-Vertrag, in: EA 1991, S. 632 (634 0. 44 Empf. IX-I bzw. XI-I, dazu infra C.II.3.a. 45 Dies folgt insbesondere aus Art. 3 und Art. 8 Abs. 9. 46 Die Stellungnahmen australischer Repräsentanten geben aber zu erkennen, daß ein "umfassendes Umweltschutzkonzept" gleichsam als "Ersatz" für die Mineralienkonvention gedacht war; vgl. etwa Woolcotts Rede vor dem "Australian Institute of International Affairs" vorn 18.11.1989, abgedruckt in: Australian Foreign Affairs and Trade 60 (1989), S. 625 (627). Bereits am 17. August hatten Australiens Außenhandelsminister Evans und die Umweltministerin Kelly einen Kabinettsbeschluß über einen Gesetzesentwurf bekanntgegeben, der Antarktis-Bergbau verbieten sollte. (Das Gesetz - als Modell eines durch einen Claimant erlassenen Bergbauverbots - ist im Anhang C zu dieser Arbeit abgedruckt.) 47 Zumberge, Potential Mineral Resource Availability and Possible Environment Problems in Antarctica, in: Chamey, The New Nationalism and the Use of Common Spaces. Issues in Marine Pollution and the Exploitation of Antarctica, 1982, S. 115 42

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A. Schritte zum polaren Umweltschutzregime

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deckung mineralischer Ressourcen, etwa bei Gelegenheit seismischer Sprengaktionen, vermochte zu keiner Zeit ausgeschlossen zu werden. Frankreich und Australien können zwar nicht als Initiatoren des Umweltschutzprotokolles gelten, doch vermochten sie in der Folgezeit durchzusetzen, daß in diesem Protokoll das erstrebte Bergbauverbot verankert wurde (Art. 7) - eine Bestimmung, die, wie noch zu zeigen sein wird, im Grunde normativ betrachtet ein Fremdkörper auf dieser Stufe des antarktischen Normensystems ist. Vom 9.-20. Oktober 1989, gut ein halbes Jahr nach Bekanntgabe der Entscheidungen Frankreichs und Australiens, die CRAMRA nicht zu unterzeichnen, fand in Paris die XV. Konsultativtagung statt. Obschon das Scheitern der CRAMRA zu diesem Zeitpunkt bereits augenfällig war, wurde es von der Konferenz nicht offen eingestanden. 48 Die Vorbereitungsrunde, die vom 9. -13. Mai 1989 zusammenkam, also nach Bekanntwerden der französischen, aber noch vor demjenigen der australischen Erklärung, hatte immerhin auf einen Vorschlag Chiles hin, der allgemeinen Zuspruch fand, entschieden, das Thema "Comprehensive Measures for the Protection of the Antarctic Environment and its Dependent and Associated Ecosystems" auf die Pariser Tagungsordnung zu setzen. 49 Die vorgesehene Tagesordnung sollte Frank-

(137), weist auf Grönland hin, das an Bodenschätzen verhältnismäßig reich und leichter zugänglich als die Antarktis ist, ohne daß diese Ressourcen jemals in größerem Umfange der Ausbeutung unterworfen gewesen wären. Es geht mithin weniger um die Frage der Entdeckung von Ressourcen (mit der jederzeit zu rechnen ist), als um diejenige ihrer jeweiligen wirtschaftlichen Bedeutung. Insofern könnte eine politische Krise aber zu einem radikalen Wandel führen (S. 124), ganz abgesehen davon, daß sich die Extrapolation von Statistiken bezüglich Rohstoffverbrauch und Rohstoffvorräten bislang zumeist als falsch erwiesen haben, zuverlässige Vorhersagen also auch heute kaum zu treffen sind. 48 In Empfehlung XV-2 (1989) - abgedruckt bei Bush, Booklet AT7, S. 29 - wurden die Regierungen von den Vertretern der Konsultativstaaten (dank dem ConsensusVerfahren einschließlich Frankreichs und Australiens) dazu aufgerufen, daß ,,[a] meeting be held in 1990 to explore and discuss all proposals relating to ArticIe 8 (7) of the Convention on the Regulation of Antarctic Mineral Resource Activities". Zu diesem Zeitpunkt hatten weder Australien noch Frankreich öffentlich den (an sich simplen) Schluß gezogen, daß CRAMRA angesichts der Weigerung dieser beiden Staaten, die Konvention zu unterzeichnen, letztere obsolet geworden sei; vgl. Blay/Tsamenyi, S. 201. Joyner (Anmerkungen, in: ASIL Proceedings 85 (1991), S. 464 (468» hielt dagegen eine Koppelung von CRAMRA und USP in dem Sinne für möglich, daß diese in gewisser Weise subsidiär hinter dem Schutzinstrument stehen könnte: "In effect, then, the WeIlington Convention should be retained as a fail-safe device for regulating minerals development, just in case the international wilderness preserve status is overtaken by economic or political developments. Nevertheless, there is no urgent need at present to bring the minerals convention into force." 49 Vgl. Bush, Antarctica and International Law, 199 I ff., Booklet AT6, S. 25 4"

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Erster Teil: Faktizität

reich und Australien ein günstiges Terrain bieten; ebenso wie eine Reihe anderer Konsultativstaaten präsentierten diese bei den in Paris Arbeitspapiere für einen "umfassenden Schutz" der Antarktis. 50 Ihr Inhalt stand nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den jüngsten Vorgängen, doch vermochten sie sicherlich eine rasche Behandlung des Sujets zu katalysieren. Schon im Juni 1987, noch vor Beschlußfassung über die CRAMRA, hatte der Wissenschaftliche Ausschuß zur Antarktis-Forschung (Scientific Committee on Antarctic Research - SCAR), eine in enger Verbindung mit den Konsultativstaaten operierende Organisation, in einem Gutachten für die Parteien des Antarktisvertrages festgestellt: "It is c\ear, and proper, that the effective protection of the environment in the Antarctic Treaty requires more complex measures than in the past. Neither the Antarctic Treaty organization nor SCAR should shrink from taking the steps necessary to achieve proper environmental protection ... "51 Insoweit folgt die Pariser Tagung formal einer früheren Weichenstellung, mit der auch eine Reihe anderer Umweltschutzmaßnahmen52 konform gehen. Die gemeinsame Zielsetzung, umfassenden Umweltschutz zu bewerkstelligen, vermochte in Paris noch die Unstimmigkeiten zu bemänteln. Unter den zirkulierenden Arbeitspapieren gab auch das franko-australische Konzept einer Umweltschutzkonvention noch nicht unmittelbar der Forderung nach einem Bergbauverbot Ausdruck; stattdessen heißt es dort: "The regime should establish (... ) principles for the regulation or prohibition of human activities harmful to the Antarctic environment or its dependent and associated ecosystems;,,53 während das Streben nach dem Bergbauverbot nur verschlüsselt Eingang findet: "I. The comprehensive convention shall dec\are the Antarctic a ,wilderness reserve'.

(A Joint Australial French Proposal in the Form of a Paper Inc\uding a Draft Recommendation for ATCM XV, S. 23 [25]). 50 Die Arbeitspapiere sind abgedruckt bei Bush, Booklet AT6; es handelt sich dabei um diejenigen Neuseelands (S. 14 ff.), Frankreichs und Australiens (S. 23 ff.), Chiles (S. 31 ff.), der USA (S. 37 ff.) und Schwedens (S. 42 ff.). 51 Das Gutachten vom 22; Juni 1987 zum Schutzzonenregime ist abgedruckt bei Bush, Booklet AT3, S. 1-14. 52 Vgl. etwa die Leitlinien zur UVP in Empf. XIV-2. 53 Empfehlungsentwurf Frankreichs und Australiens für die XV. Konsultativtagung, Abs. 5 lit. a, abgedruckt bei Bush, Booklet AT6, S. 25 (26).

A. Schritte zum polaren Umweltschutzregime

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2. Throughout the Antarctic, human activities having an impact on the environment shall be regulated or, where agreed as necessary, prohibited."54

Damit war der eigentliche Konfliktpunkt - das Bergbauverbot - zunächst diplomatisch ausgegrenzt. Die anstehende Kontroverse wurde auf eine Sonder-Konsultativtagung verschoben, die im chilenischen Vifia deI Mar mehr als ein Jahr später stattfand (16. November bis 6. Dezember 1990). Hier machte sich erstmals Unmut über das Ausscheren Frankreichs und Australiens aus dem Kreis der CRAMRA-Befürworter breit.55 Daß der Claimant Neuseeland, der sich bis dahin als CRAMRA-Befürworter hervorgetan hatte, sich den "Renegaten" spätestens mit der Erklärung des Premierministers Pa/mer vom 26. August 1990, wonach der Inselstaat für einen "Weltpark" Antarktis und ein totales Bergbauverbot im Sinne Australiens eintreten wollte,56 angeschlossen hatte, wurde weniger beachtet; Neuseeland aber hatte - anders als Australien und Frankreich - die CRAMRA bereits unterzeichnet und war außerdem als verhandlungsführender Staat in Erscheinung getreten, der auch als Depositar der Mitgliedschaftsdokumente ausersehen war (Art. 61 Abs. 3 CRAMRA).57 Dennoch endete die Tagung nicht in einem Eklat, sondern mit der Beschlußfassung über ein vom Delegationsleiter Norwegens, Rolf Trolle

54 Franco-Australia Draft Working Paper on Possible Components for a Comprehensive Convention for the Preservation and Protection of Antarctica, Oktober 1989, III I, 2 (abgedruckt bei Bush, Booklet AT6, S.27 (28). [Hervorhebung von mir.] Eine revidierte Fassung des Arbeitspapiers, datiert 16.3.1990, findet sich bei Bush, Booklet AT90A, S. 1 ff. - Deutlichere Worte zum Bergbauverbot wählt Art. VII Abs. 1 Iit. d der "Draft Convention for the Comprehensive Protection of the Antarctic Environment (AUS, F, B, I) vom 16.10.1990 (Bush, Booklet AT90A, S. 21 (30)). 55 Vgl. Comprehensive Protection for Antarctica, in: EPL 21 (1991), S. 11 (13); Blay/Tsamenyi, S. 195. 56 Bereits am 6. Juli hatte Palmer eine Pressemitteilung ähnlichen Inhalts herausgegeben. 57 Podehll Rothwell (New Zealand and the Convention on the Regulation of Antarctic Mineral Resource Activities [CRAMRA]. An unhappy divorce?, in: VUWLR 22 [1992]. S. 23 ff.) untersuchen, ob Neuseeland sich unter diesen Umständen bereits zum genannten Zeitpunkt von CRAMRA lösen durfte, oder ob die Ausarbeitung des Umweltprotokolls hätte abgewartet werden müssen. Sie deuten an, daß Neuseeland wegen seiner Stellung als "principal state" sich Uenseits Art. 18 WVRK) möglicherweise einen Verstoß gegen Treu und Glauben vorhalten lassen müßte. (S. 47 ff.) Ein solches Verdikt kann freilich nicht aus der Annahme einer spezifischen Treupflicht für solche "principal states" folgen, sondern aus dem konkreten Bedeutungsgehalt des allgemeinen Prinzips der "bona fides" für den Verhandlungsführer und Depositar Neuseeland. Auch für einen "principal state" kann aus der Unterzeichnung keine Pflicht zur Ratifikation erwachsen, wohl aber Verhaltenspflichten gegenüber Verhandlungspartnem. Er wird sich von seiner Signatur erst distanzieren können, sobald ein Inkrafttreten der Konvention nicht mehr in Betracht kommt. Ob dies im August 1990 bereits der Fall war, ist in der Tat zweifelhaft.

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Erster Teil: Faktizität

Andersen, vorgelegtes, auf einer Kompilation der Einzelvorschläge beruhendes Kompromißpapier. 58 Zum einen bestand hinsichtlich des Zieles eines "umfassenden Umweltschutzkonzeptes" Einigkeit, nur nicht in bezug auf die Frage des Bergbauverbots, weIche die CRAMRA-Gegner mit dem umfassenden Schutz der Umwelt zu verquicken trachteten. Auch für ein einstweiliges Bergbauverbot bestand aber im Lichte der angestrebten "Hegung des Bergbaus"59 ein ausreichendes Konsenspotential. Zugleich lebte mit der mutmaßlichen Wiederherstellung der materiellen Lage vor Zustandekommen der CRAMRA auch die Gefahr wieder auf, daß den Konsultativparteien, sollten sie keine Einigung erzielen, das Ruder aus den Händen gleiten und in diejenige etwa des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) übergehen könnte, dies insbesondere angesichts der bevorstehenden VN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung (UNCED).60 Mit ihrem Wunsch nach einer Umweltschutzkonvention konnten sich Frankreich und Australien, die schließlich auch von seiten Neuseelands Unterstützung erhielten,61 sowie die Non-c1aimants Belgien und Italien nicht durchsetzen. In einem in Vifia dei Mar vorgelegten gemeinsamen Entwurf für eine Umweltschutzkonvention hatten Australien, Frankreich, Belgien und Italien der Bezeichnung des zu schließenden Vertrages als Konvention angesichts der überragenden Bedeutung des Umweltschutzes in der Antarktis, im Hinblick auf CCAS und CCAMLR und mit Rücksicht auf die psychologische Breitenwirkung der Umweltschutzmaßnahmen den Vorzug vor dem Terminus "Protokoll" gegeben; betont wurde aber auch, daß eine "Konvention" weniger fest an den Antarktisvertrag gekoppelt wäre als ein "Protokoll" und damit größeren Spielraum gewähren könnte. 62 Angesichts des Widerstandes, dem dieser Vorschlag begegnete, kamen die Konsultativstaaten überein, der Vereinbarung den Titel "Protokoll" zu geben. Damit mochte bei manchem Staat die Gegnerschaft zu den beiden "Renegaten" mitschwingen, doch bringt die Bezeichnung "Protokoll" auch die Unterordnung unter die Vorgaben des Antarktisvertrages besonders deutlich zum Ausdruck. Der franko-australische 58 Der "Andersen-Entwurf' ist abgedruckt in: EPL 21 (1991), S. 30 ff., sowie bei Bush, Booklet AT90D, S. 32 ff. 59 Die begriffliche Rechtfertigung einer "Hegung der Naturnutzung" folgt aus der ihr immanenten Einbindung der Kräfte, die (jedenfalls in ihrem Zusammenwirken) zur Zerstörung der Lebensgrundlagen geeignet sind. Die ursprünglich freie, "wilde" Ausbeutung ist einem geordneten System entgegengestellt. 60 Ein "agreement to disagree" mußte daher vermieden werden; vgl. Kämmerer, S. 635. Vgl. auch Bush, Booklet AT91, S. 70. 61 Vgl. PodehllRothwell, S. 33 f. 62 Indicative Draft of a Convention for the Comprehensive Protection of the Antarctic Environment, abgedruckt bei Bush, Booklet AT90A, S. 21 (24).

A. Schritte zum polaren Umweltschutzregime

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sowie der Vier-Staaten-Entwurf hatten sich hiervon inhaltlich abgesetzt, indem Umweltschutzbelange ganz in den Vordergrund gerückt und. Bekenntnissen zum Vorrang der Forschung zum Trotz63 , zum Maßstab für alle übrigen Aktivitäten erklärt wurden (Art. VIII Vier-Staaten-Entwurf). Gegen die von ihm letztlich betriebene faktische Ablösung des Antarktisvertrages durch ein umweltzentriertes Regime, das Aktivitäten in der Antarktis ähnlich wie die CRAMRA Verbote oder zumindest Erlaubnisvorbehalte auferlegte,64 erhob sich jedoch bei den meisten Konsultativstaaten Widerstand. Vor allem die USA und das Vereinigte Königreich strebten nach enger Anlehnung des "umfassenden Umweltschutzregimes" an bestehende Regeln, um die Entstehung neuer Institutionen innerhalb des Antarktisregimes zu verhindern, oder mit Francionis Worten: "per disciplinare un quid novi nella vita dei sistema antartico".65 Die vor allem in Art. 4 USP bestätigte strukturelle Unterordnung unter den Antarktisvertrag wird als "normative Schachtelung" noch an anderer Stelle Gegenstand eingehender Betrachtungen sein; die vertraglich festgeschriebene Normenhierarchie ändert aber nichts daran, daß auch ein Protokoll ein vollwertiger völkerrechtlicher Vertrag ist. 66 Nur findet sich dieser aus den genannten Gründen in das Antarktische System gleichsam eingenistet, was immerhin zum kaum bestreitbaren Vorteil hat, daß Normenkonflikte und

63 Art. V des Vier-Staaten-Entwurfs. Dieser Vorrang sollte gegenüber anderen Nutzungs/ormen bestehen, zu denen Umweltschutz, wie sich schon aus dem Kontext des Entwurfs ergibt, offenbar nicht gerechnet werden sollte. 64 Vgl. z.B. Vorschlag III. 5. des franko-australischen Arbeitspapiers ("The convention shall lay down standards for surveys of the environmental impact on all activities carried on in the Antarctic"); demgegenüber beteuerten die bei den Staaten, daß ihre Vorschläge nur der Stärkung des Antarktischen Systems, nicht aber der Kreation einer parallelen Ordnung dienen sollte. Vgl. Nachweise bei Rush, Booklet AT6, S. 28, 30. 65 11 protocollo di Madrid sulla protezione dell'ambiente antartico, in: RDI 74 (1991), S. 797 (801). 66 Vgl. Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, 3. Auf!. 1990, § 9 Rn. 6. Außer dem Vier-Staaten-Text lagen in Vifia deI Mar u.a. folgende Papiere vor: "Draft Protocol to the Antarctic Treaty on Environmental Protection" (NZ) - Doc. ATSCM 1 2; "Comprehensive Measures for the Protection of the Antarctic Environment and its Dependent and Associated Ecosystems. Outline of a Protocol Supplementing the Antarctic Treaty" (RA, N, GB, USA, Uruguay); "Draft Provisions for a Protocol Supplementing the Antarctic Treaty" (GB) - Doc. XI ATSCM/3; "Protocol Supplementing the Antarctic Treaty" (USA) - Doc. XI ATSCM 14; schließlich "Comprehensive Measures for the Protection of the Antarctic Environment and Dependent and Associated Ecosystems" (Indien). Der Umweltschützerverbund ASOC hatte bereits am 7. November, zwei Wochen vor der Chile-Tagung, einen Entwurf mit dem Titel "The Convention on Antarctic Conservation" vorgestellt (ASOC Information Paper, Doc. ANT 1SCM 1NGO Inf. Paper 1990-1).

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Erster Teil: Faktizität

Unausgewogenheiten im Operationsmechanismus weitgehend vermieden werden. 67 Art. 6 des Andersen-Papiers, der wortgleich in Art. 7 der Endfassung übernommen werden sollte, bestimmte: "Any activity relating to mineral resources, other than scientific research, shall be prohibited."

Die Festschreibung eines Bergbauverbots im Andersen-Entwurf überrascht; indes täuschte sie eine Einigung in diesem Punkt nur vor. Die CRAMRABefürworter wiesen ausdrücklich darauf hin, daß die gefundene Kompromißformel noch keine Zustimmung ihrerseits impliziere. Sie mußte also als Verhandlungsbasis, nicht als Verhandlungsergebnis betrachtet werden. 68 Dennoch konnte auf der nächsten Sitzung der Sondertagung, zu der man vom 22. - 30. April 1991 in Madrid zusammentraf, Einigkeit über ein unbefristetes Bergbauverbot (Art. 7) erzielt werden. Maßgeblich dürfte - neben dem diplomatischen Geschick der insoweit federführenden Länder Norwegen und Spanien - hierfür die Einsicht gewesen sein, daß unter Anlegung realistischer Maßstäbe auch in Jahrzehnten nicht mit Antarktisbergbau zu rechnen war. Art. 7 ist wie jede völkervertragliche Bestimmung änderbar und aufhebbar, dies setzt jedoch bis zum Ablauf von fünfzig Jahren69 nach Inkrafttreten des Protokolls Ratifikation der Aufhebungsvereinbarung durch alle Staaten voraus. Dieser Weg ist völkerrechtlich betrachtet eine Selbstverständlichkeit, wie das Protokoll auch selbst zugibt. 70 Insoweit bleibt aber offen, ob lediglich die Ratifikation der Konsultativstaaten notwendig ist - wofür die Verweisung auf Art. XII Abs. 1 AV spricht, aber auch ein Erst-recht-Schluß aus Art. 25 Abs. 3 und 4 USP - oder nach allgemeinen Regeln diejenige aller Vertragsparteien des Protokolls; in diesem Fall wäre Art. 25 Abs. 1 des Protokolls nur als Verweisung auf die Veifahrensbestimmungen des Art. XII AV zu betrachten. Erst nach Ablauf der Fünfzigjahresfrist werden weniger rigide Änderungsbestimmungen wirksam, was jedoch an der prinzipiellen Unbefristetheit des Umweltprotokolls nichts zu ändern vermag. Um die Abschaffung des Bergbauverbots wirksam werden zu lassen, ist nicht nur eine doppelte, teilweise qualifizierte Mehrheit bei der Beschlußfassung, sondern eine ebenfalls doppelt qualifizierte, teils sogar Einstimmigkeit erfordernde Mehrheit bei

67

Francioni (1991), S. 801 f.

68 Näheres hierzu in: EPL 21 (1991), S. 12 f. So wurde festgehalten, daß der Andersen-Text ,,[would not] prejudice the position of any Govemment with regard to the issues addressed therein nor any proposals already made." 69 Zunächst war über eine dreißigjährige Frist diskutiert worden. 70 Art. 25 Abs. 1: " ... may be modified or amended at any time ... ".

A. Schritte zum polaren Umweltschutzregime

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den Ratifikationen erforderlich. Hinzu kommt - eine Bestimmung, die speziell auf Abschaffungsanträge zu Art. 7 gerichtet ist -: Ohne das gleichzeitige Inkrafttreten eines Mineralienregimes, einer "neuen CRAMRA", kann keine Beseitigung des Bergbauverbots Geltung erlangen. In der Zusammenschau der Art. 7 und 25 des Madrider Protokolls wird der Kompromißcharakter der beschlossenen Regelungen deutlich: Zwar stellt sich das Bergbauverbot, wie von Frankreich und Australien angestrebt, zumindest der Form nach als ein permanentes, nicht erneuerungsbedürftiges dar, doch wurde zugleich auch der unter der Wortführerschaft des Vereinigten Königreiches stehenden Gegenseite, derzufolge "there could be no comprehensive system for the protection of the Antarctic environment that does not deal with the long term issue of minerals·m, Rechnung getragen. Ob im übrigen am Entstehen eines neuen Bergbauregimes alle Vertragsstaaten des Madrider Protokolls zu beteiligen sind, läßt Art. 25 USP offen, doch spricht der Sachzusammenhang mit Art. 7 USP dafür, die für die Änderung dieser Bestimmung notwendigen Mehrheiten auch auf die Beschlußfassung über die "neue CRAMRA" und ihr Inkrafttreten anzuwenden. 72 Der Eindruck, daß die CRAMRA - oder zumindest ihr materieller Inhalt für immer Erledigung gefunden habe, findet prima facie in den genannten Bestimmungen seine Bestätigung, mag Art. 25 Abs. 4 USP auch Aussicht auf eine Renaissance des Mineralienregimes bieten: Die Hürden zur Abschaffung des Art. 7 USP scheinen allzu hochgesteckt. Dies erkannte auch die Regierung der USA, die sich am 22. Juni 1991, kurz nach Beginn der zweiten Madrider Runde der XI. Sondertagung, der vorgesehenen Regelung mit der Begründung widersetzte, diese komme einem permanenten (gemeint war ein faktisch unaufhebbares) Verbot des Mineralienbergbaus gleich. Sie verlangte Nachbesserungen in den Bestimmungen des Art. 25, die niedrigere Hürden für die Abstimmungsmehrheit vorsahen, insbesondere diesen aber nach dem Modell des Art. XII Abs. 2 lit. b AV um die Option einer Lösung vom Bergbauverbot für einzelne Staaten erweiterten, sollte ein Antrag auf Änderung des Umweltprotokolls nicht binnen drei Jahren diese Änderung tatsächlich herbeiführen. Obschon die übrigen Parteien

71 H.C. Deb., vo!. 182, co!. 61 (4. Dezember 1990), zit. nach Redgwell, ICLQ 40 (1991), S. 976 (978). 72 Zum Für und Wider vgl. Bush, Booklet AT91C, S. 72 ff., der mit Recht darauf hinweist, daß "ülust as there is nothing specific in art. 25 to identify the procedure for the adoption of a minerals regime, so there is nothing to stipulate the preconditions for its entry into force." Vg!. auch Redgwell, a.a.O., S. 980 f.

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Erster Teil: Faktizität Übersicht 1

Voraussetzungen für eine Streichung des Bergbauverbots nach Art. 25 USP Stufen Einberufung einer Änderungskonferenz

Verfahrenserfordernisse Voraussetzung: Notifizierung des Wunsches einer Konsultativpartei nach Einberufung der Konferenz.

Bestimmung Art. 25 Abs. 2 und 3 USP

Befugnisse: Entscheidung über Änderungen des Protokolls (einschließlich Art. 7). Mehrheiten: Notwendig ist eine Mehrheit der Vertragsparteien, in der zugleich eine Dreiviertelmehrheit der Parteien eingeschlossen sein muß, die zum Zeitpunkt der Beschlußfassung über das Protokoll (d.i. 4. Oktober 1991) Konsultativstatus innehatten. Konstruktivitätserfordernis: Jnkrafttreten eines Mineralienregimes

Festlegung eines vereinbarten Mittels, "zur Entscheidung der Frage ... , ob und gegebenenfalls unter weIchen Bedingungen" Mineralienabbau vertretbar wäre. (keine Zuständigkeitsmaßgaben)

Art. 25 Abs. 5 USP

Inkrafttreten der Änderung: Ratifikation und Koppelung an Inkrafttreten des Mineralienregimes

1. Voraussetzung: Ratifikation der Änderungsvereinbarung zu Art. 7 durch 3/4 der Konsultativstaaten, darin eingeschlossen sämtliche Staaten, die zur Zeit der Beschlußfassung über das Protokoll (4. Oktober 1991) Konsultativstatus innehatten.

Art. 25 Abs. 5 und 4 USP

2. Voraussetzung: Gleichzeitiges Inkrafttreten des neuen Mineralienregimes. (Vorheriges Inkrafttreten wäre bei auflösend bedingter Bergbausperre denkbar.)

sich gezwungen sahen, dem Druck der USA nachzugeben - wenngleich die vorgesehenen Mehrheitsregeln nur geringfügig geändert wurden -, erbaten sich die USA Bedenkzeit über den 23. Juni 1991, den dreißigsten Jahrestag des Inkrafttretens des Antarktisvertrages, zu dem man das Umweltprotokoll paraphiert zu haben gehofft hatte. 73 Damit endete die zweite Madrider Run-

A. Schritte zum polaren Umweltschutzregime

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de (17.-22. Juni 1991) ergebnislos. Erst am 4. Oktober des Jahres kam es zur Unterzeichnung der in Madrid ausgehandelten Vertragsfassung. Weshalb die USA ihren Widerstand aufgaben, kann hier nur Gegenstand von Spekulationen sein; denkbar ist, daß der öffentlichen Meinung auch hier Rechnung getragen wurde, fernerhin, daß dem Geist des vom Kongreß am 16. November 1990 verabschiedeten Antarctic Protection Act,14 der innerstaatlich bereits die Weichen in Richtung eines strikten Bergbauverbots eingeschlagen hatte, schließlich doch Tribut gezollt wurde. Die auf Druck der USA zuletzt noch eingefügte "Rücktrittsklausel" des Art. 25 Abs. 5 Iit. b jedenfalls wird - dies dürften auch die USA erkannt haben - niemals zum Tragen kommen. Ihre Anwendung setzt voraus, daß (1) eine Änderungskonferenz einberufen wurde, auf der (2) mit den erforderlichen mehrfach qualifizierten Mehrheiten eine Änderung des Protokolls beschlossen worden ist, die dann aber (3) nicht binnen drei Jahren in Kraft tritt. 75 Die Überwindbarkeit dieser drei Hürden erscheint so gut wie ausgeschlossen. Letztlich werden die Absätze 2 - 5 des Art. 25 USP im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vereinbarung bereits "totgeborenes Recht" sein; ihre Einfügung besitzt primär kosmetischen Charakter und gleicht dem Bau einer "goldenen Brücke" für bisherige CRAMRA-Befürworter. Daß Art. 25 dereinst auf Bergbau-Befürworter "stimulierend" wirken könnte, läßt sich nicht ausschließen. Dennoch bestätigt der in Madrid gefeierte Kompromiß das nahezu absolute Obsiegen der franko-australischen Linie. 76

73 Der Sprecher der Organisation "Greenpeace", Bogart, erklärte daraufhin, der amerikanische Präsident Bush habe deutlich gemacht, daß ihm kein Preis zu hoch sei, wenn es der Schutz der eigenen wirtschaftlichen Interessen gebiete. V gl. zum gesamten Komplex Caminas, EI acuerdo de Madrid sobre la Antartida sera modificado, EI Pa{s vom 19. Juni 1991, S. 33, sowie ders., EE UU veta en Madrid el acuerdo para proteger la Antartida / EE UU bloquea el acuerdo que prohibfa por 50 afios la explotaci6n mineral de la Antartida, Ei Pals vom 23. Juni 1991, S. 1 und 20. 74 16 U.S.c. 2461-2466; 104 STAT. 2975 ff. 7S Denkbar wäre allenfalls, in weiter Auslegung der Bestimmung die Rücktrittsmöglichkeit auch dann einzuräumen, wenn die Änderungskonferenz keine Beschlüsse fassen sollte; möglicherweise interpretieren die USA den Passus auch in diesem Sinne. 76 Ebenso Blay, New Trends in the Protection of the Antarctic Environment. The 1991 Madrid Protocol, in: AJIL 86 (1992), S. 377 (395 ff.); Francioni (1991), S. 802, 816 ff.; vgl. auch Lefeber, Nederland en het stelsel van Antarctische verdragen, in: Tijdschrift voor milieu en recht 19 (1992), S. 270 (278). A.A. Welch, S. 644 f., 648. Er sieht die Gefahr, daß bergbaufeindliche Staaten nach Ablauf der Fünfzigjahresfrist wegen des Erfordernisses der einstimmige Ratifikation der 26 Konsultativstaaten von 1991 sich zur Zustimmung zu einem neuen Bergbauregime gezwungen sehen, weil dies der einzige Weg sei, ein "walk-out" eines Staates zu verhindern. Damit würde

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Erster Teil: Faktizität

B. Das Antarktische System, Raum und Umwelt Die Genese des Madrider Umweltschutzprotokolls regt zum Innehalten an: Nach drei Jahrzehnten antarktischer Aktivitäten unter dem Dach des Vertrags von 1959 wurden für die Antarktis zwar scheinbar neue Weichen gestellt. Der Rahmen hierfür war jedoch vorgegeben: das Antarktische System, ein Geflecht aus Normen, Institutionen und Handlungsmaximen. Dieses System findet nicht einfach "auf die Antarktis Anwendung"; es hat die Antarktis in ihrer rechtserheblichen Bedeutung vielmehr geprägt, gestaltet. Die Verbindung zwischen Antarktis und Antarktischem System gilt es im folgenden aufzuklären: Erhebt sie "die Antarktis" zum Raum im völkerrechtlichen Sinne, und auf welche Weise? Und was sind die Komponenten dieses sich immer mehr verdichtenden Antarktischen Systems?

I. Raum und Umwelt Es gibt keine allgemein anerkannte und einheitliche völkerrechtliche Definition des "Raumes". Ein Raum - Begriffe wie "Weltraum" legen dies nahe - ist zunächst nichts weiter als ein dreidimensionales Gebilde beliebiger Ausdehnung. Zum Rechtsbegriff, zum Befassungsobjekt für das Völkerrecht wird der Raum erst dann, wenn er als mathematisch-physikalische Wesenheit einer Finalisierung unterworfen wird. Diese Finalisierung vermag eine Raumordnung zu begründen. Kraft solcher Raumordnungen wird nicht nur der Raum (in abstracto) zum Rechtsbegriff erhoben,77 sondern Räume werden auch in sinnvoller Weise voneinander abgegrenzt, sie werden parzelliert. Damit kommt dem Begriff "Raumordnung" eine Doppelbedeutung zu: Die innere Ordnung im Raum prägend, bezeichnet sie zugleich das übergeordnete Beziehungsgefüge zwischen verschiedenen Räumen. Im folgenden soll untersucht werden, ob vom Vorliegen eines "Raumes Antarktis" im völkerrechtlichen Sinne heute bereits die Rede sein kann. Hierfür sind zunächst zwei allgemeine Vorfragen zu klären: Welche Voraussetzungen muß ein Normenkomplex erfüllen, um als Raumordnung, also raum-

genau das erreicht, was die USA zugunsten der "walk-out"-Regelung vorgebracht hätten, und zwar die Majorisierung der Staatenmehrheit durch ein einziges Vertragsmitglied. Welch übersieht hierbei, daß nach der sehr formal anzuwendenden Regelung des Art. 25 ein Austritt eines Staates den Beschluß über eine Änderung des Protokolls voraussetzt, der aber nur mit der sehr schwer zu erlangenden mehrfach qualifizierten Mehrheit getroffen werden kann. Das Risiko, daß eine Regierung "entgegen ihrem Gewissen" handeln muß, ist mithin äußerst gering. 77 Vgl. auch C. Schmitt (1950), S. 155 ff.

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schaffende Ordnung, gelten zu können? Und zweitens: Kann die Raumordnung (und damit die Raumabgrenzung) beliebig sein, oder wird sie durch das im Raum Befindliche (das Substrat im Raum) determiniert? Zum Wesen der Raumordnung hat insbesondere C. Schmitt eine Reihe von Kennzeichen herausgearbeitet: Raumordnung sei zunächst ,,[j]ede Ordnung seßhafter, mit- und nebeneinander lebender gegenseitig sich achtender Völker".78 Eine Raumordnung entwickele sich auch dort, wo von einem Staat ("Reich") ausgehende, über eine bloße Interessensphäre hinaus greifende Einflußzonen entstünden, die Grenzen, auch die von Land und Meer, überwänden. Die auf diese Überlegung gestützte Theorie der "Großraumordnung" - wobei der "Großraum" als "aus einer umfassenden gegenwärtigen Entwicklungstendenz entstehender Bereich menschlicher Planung, Organisation und Aktivität" definiert wird _,79 hat sich durch die Verbindung mit den Zielen des Nationalsozialismus desavouiert 80 und ist daher dogmatisch nicht weiterentwickelt worden. Das Konzept schwingt allerdings - ebenso wie verwandte japanische Ansätze für Ostasien - in der heutigen Diskussion über "Globalismus und Regionalismus" mit. 81 Die Aktualität des Konzeptes bewies später die Etablierung der "Breshnew-Doktrin", überhaupt die Aufteilung der Welt in Machtblöcke. Zwar ist die Großraum-These primär politisch-soziologisch determiniert und daher für die Feststellung der Raumqualität der Antarktis nur bedingt geeignet. Doch läßt sich ihr die Erkenntnis entnehmen, daß auch politischer Wille der Völkerrechtssubjekte, daß Machtpositionen zur Ausbildung von Raumordnungen beizutragen vermögen, Raumordnungen also finalen Gesichtspunkten unterstehen können. Eine Raumordnung entsteht, zweitens, durch Festlegung und Abgrenzung von Staatsgebieten. Auch Staatsgebiete sind nach heute allgemeiner Auffassung Räume; sie erfassen die Luftsäule mit. 82 Kennzeichnend für

78 Völkerrechtliche Großraumordnung mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte, 4. Aufl. Berlin 1941 (Nachdruck 1991), S. 11. 79 C. Schmitt (1941), S. 14.

80 Kritische Analyse des Konzeptes bei Gruchmann, Nationalsozialistische Großraumordnung, 1962. - Parallelen weist das Konzept auch zur Idee des Faschismus auf, die antike Einflußsphäre des "mare nostrum" wiederherzustellen. 81 Vgl. Diskussionsbeiträge von Kimminich (S.48) und Skubiszewski (S. 50), in: Wolfrum , Strengthening the World Order. Universalism v. Regionalism, Risks and Opportunities of RegionaIization, 1990. 82 Vgl. nur Epping, in: Ipsen, § 5 Rn. 4. Schmitts Prognose, daß dem Luftraum eigenständige Bedeutung in der globalen Raumordnung zukommen würde ([19501, S. 296 ff.), hat sich nicht bestätigt.

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Erster Teil: Faktizität Staatsgebiete ist, daß hier - kraft staatlicher Souveränität - eine gewilIkürte Raumabgrenzung vorgenommen werden kann. Sie ist aber auf den Landbereich beschränkt; die Okkupation der See ist grundsätzlich ausgeschlossen. Damit erscheint das topographische Substrat (Land und Meer) als Basis und Determinante einer übergreifenden völkerrechtlichen Grundordnung der Räume: Dieses materiale Substrat wird zum eigentlich raumprägenden Moment. Daß tatsächlich zwischen Raum und Substrat unterschieden werden muß, zeigt sich beispielsweise daran, daß Vorgänge auf einem Schiff oder auf einem Flugzeug über dem Atlantik ja nicht "im Meer" erfolgen, sondern Bestimmungen unterliegen, welche die Eigenheiten eines durch das maritime Substrat geprägten Raumes transponieren. Feststellbar ist mithin eine übergreifende räumliche Dichotomie, aufgrund derer sich von einem landbestimmten und einem seebestimmten Großraum sprechen ließe, wären da nicht die schmalen, aber immer bedeutenderen Unschärfezonen. 83

Von der Determinierungsfunktion des topographischen Substrats weicht das Völkerrecht nur in engen Grenzen ab. So ist anerkannt, daß innerhalb eines küstennahen Bereiches (3 oder 12 sm) ein Staat auch über Meeresgewässer (Innere Gewässer) Souveränität beanspruchen kann. 84 Doch wird diese Zone der Inneren Gewässer vom Land prädeterminiert, und mit Rücksicht auf die allgemein anerkannten Grundsätze der Erlangung von Gebiets-

83 Das Substrat im Raum galt über Jahrhunderte als Grundlage der Beherrschbarkeit und war von daher zum entscheidenden Kriterium für Möglichkeit oder Unmöglichkeit der Begründung eines Staatswesens: Auf dem Meer war die Begründung von Staatsgebilden ausgeschlossen, was die FestIegung von Einflußsphären freilich nicht ausschloß. Zum zweiten orientiert sich die Abgrenzung von Staatsräumen - der Staatsraum oder das Staatsgebiet ist nicht der Staat, sondern eines seiner konstituierenden Merkmale - vielfach an geographischen Gegebenheiten: nicht nur an Meeresküsten, auch am Thalweg von Flüssen, an Gebirgskämmen (Wasserscheiden) und Binnenseen. Gemeinsam ist terrestrisch und maritim determinierten Räumen heute, daß sie in die Lufthülle hinein ausgedehnt werden; auch insoweit bildet das terrane Substrat aber die Grundlage, indem es die "Grundfläche" des so bestimmten Raumes bestimmt. Zum Verhältnis Raum - Substrat - Hoheitsgewalt illustrierend Sontag, Der Weltraum in der Raumordnung des Völkerrechts, 1966, S. 2 f. Sontag zufolge ist die Raumordnung des Völkerrechts keine abstrakte Ordnung, sondern "ist auf den Beziehungen zu den in dem jeweiligen Raum oder in bezug auf diesen Raum handelnden Subjekten, d.h. den Menschen oder den Verbänden von Menschen, aufgebaut". Diese Feststellung verdient insoweit eine Erweiterung, als zum Raumsubstrat auch Umweltparameter und nicht zuletzt Ökosysteme gehören. 84 Dazu Lagoni, Internal Waters, in: EPIL, inst. II (1989), S. 153 ff.; Graf Vitzthum, Aquitoriale Souveränität. Zur Rechtsentwicklung bei den inneren Gewässern, in: Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg 12 (1991), S. 121 ff.

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souveränität mag man die "aquitoriale" als juristische Fiktion betrachten. 85 Daß die Anerkennung Innerer Gewässer (und, wenn auch cum grano salis, der Küstengewässer) die Raumordnung auf der Grundlage geographischer Substrate kaum zu erschüttern vermag, zeigt sich darin, daß sie eine lange Tradition im Völkerrecht hat. Im Mittelalter war für Küstengewässer sogar eine Breite von 70-100 sm angenommen worden. 86 Das Phänomen der "Nationalisierung von Meeresbereichen", worunter ihre (sektorieIl abgestufte) Unterordnung unter die Hoheitsgewalt der Küstenstaaten (weniger der Hafenstaaten) verstanden wird,87 vermag die grundlegende Dichotomie gleichfalls nicht wesentlich zu stören, da es hier nicht um die Einverleibung von Meeresbereichen in staatliches "Territorium" geht, sondern um die Ausdehnung einzelstaatlicher Einflußsphären in bestimmten Bereichen. Die terrane Radizierung dieser Einflußsphären ist darüber hinaus ungebrochen. Schmitts Analysen ist zu entnehmen, daß Raumordnungen gewillkürt zu sein pflegen, da sie auf die Willensäußerungen oder Handlungen der Völkerrechtsbildner zurückgehen. Willkürlich aber sind sie nicht, da sie an einem bestimmten Substrat anknüpfen. Dieses Substrat bestimmt über die Nutzbarkeit. Die klassisch-dichotomische Basis-Raumordnung orientiert sich an der grundlegend unterschiedlichen Nutzbarkeit von Land und Meer, die an den materialen Unterschieden dieser Raumsubstrate anknüpft. 88 Für beide Bereiche hat das Völkerrecht Komplexe höchst unterschiedlicher Normen hervorgebracht.

Wenn aber eine Raumordnung durch Verdichtung und Vernetzung von Rechtsvorschriften entsteht, wenn sie in dem Sinne gewillkürt ist, daß unmittelbar die Handlungen der Völkerrechtsbildner, topographische Vorgaben dagegen allenfalls mittelbar ausschlaggebend sind, dann ist auch eine Abkoppelung der Raumordnung von den traditionellen funktionalen Parametern und ihre Ankoppelung an neue denkbar. Durch gewillkürten Akt könnte also eine Raumordnung und damit ein Raum determiniert sein, der nicht ausschließlich auf die Unterscheidung von Land und Meer abstellt. Freilich kann nicht jeder völkerrechtliche Vertrag seinen Anwendungsbereich bereits zum Raum im völkerrechtlichen Sinne erheben. Dies ist erst mit dem Entstehen einer Raumordnung der Fall. Die finalen Determinanten dieser Raumordnung

85 Vgl. Pierre-Marie Dupuy, La frontiere et I'environnement, in: SFDI, La frontiere, Colloque de Poitiers, Paris 1980, S. 268 (269): ,,[Pjar une sorte de fiction juridique, ceux-ci ont toujours ete assimiles a la stabilite inebranlable du territoire terrestre

"

86 Vgl. C. Schmitt (1950), S. 154. 87 Vgl. die in Fn. 4 Genannten. 88

Vgl. auch C. Schmitt, Land und Meer, 3. Aufl. 1981.

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Erster Teil: Faktizität

sollen im folgenden mit dem Begriff "Widmungszwecke" bedacht werden. In der Verdichtung von Regelungen zum Widmungszweck liegt also die Raumgabe. Schon am Beispiel der Inneren Gewässer zeigt sich, daß der Raum in gewissen Grenzen auch ohne Rücksicht auf topographische Parameter normativ festgelegt werden kann: Der Grundsatz, daß allein Landbereiche für die Ausdehnung des Staatsgebietes (also Staatsraumes) bestimmend sein dürfen, wird durchbrochen. Ist wie hier nicht das topographische Substrat allein für die Raumdefinition maßgeblich, so beruht die Raumordnung und damit die FestIegung des Raumes doch auf Zweckerwägungen, denen das Raumsubstrat zu korrespondieren in der Lage ist. 89 Die nachfolgenden Überlegungen sollen nicht nur erweisen, ob die Antarktis in den Grenzen des Art. VI AV im völkerrechtlichen Sinne einen Raum darstellt. Unter den in Betracht kommenden Widmungszwecken für die Antarktis soll ein besonderes Augenmerk auch den Umweltschutzgesichtspunkten gelten, da sie, die seit längerem im Zentrum antarktischer Rechtsetzung stehen, eine Neuorientierung der Raumordnung vorgeben könnten. 90 Insoweit ist auch die Frage von Bedeutung, inwieweit hinter der gewiIIkürten Umweltfinalität ökologische Gegebenheiten stehen, die sich - als Substrat mittelbar auf die Raumgabe auswirken. Dazu bedarf es zunächst einer Definition der Begriffe "Umwelt" und "Ökosysteme". Der Begriff" Umwelt" soll im folgenden verstanden werden als die Gesamtheit der physikalischen, chemischen und lebenden Komponenten eines geographisch-topographischen Bereiches. 91 Ihre Komponenten (z.B. Meer, Fische, aber auch Wassertemperatur) sollen mit dem Begriff "Umweltpa-

89 "Handeln und um eines Zweckes willen handeln ist gleichbedeutend." (von Jhering, Der Zweck im Recht, 4. Aufl. 1904, S. 9) 90 Zur Finalität des Umweltrechts vgl. Kiss, Le droit international de I'environnement, Paris 1989, S. 13 ff. 91 Vgl. die Definition bei Young, Critical ecosystems and nature conservation in Antarctica, in: HarrislStonehouse, Antarctica and Global Climatic Change, London 1991, S. 117 (125), der aber auch auf einen generalisierenden Umweltbegriff hinweist, wonach Umwelt im Sinne der Lebensbedingungen in einem bestimmten Raum zu verstehen sein soll. Die weitere, auch das Ökosystem erfassende Umwelt-Definition bei Kloepfer, Umweltrecht, München 1989, § 1 Rn. 20 ("die natürlichen [elementaren] Lebensgrundlagen des Menschen, namentlich die Umweltmedien Boden, Luft und Wasser, die Biosphäre und deren Beziehungen untereinander sowie zu den Menschen") soll hier nicht zugrundegelegt werden, da sie sich als schwer entwirrbares Konglomerat aus Raumelementen, Substrat und Kausalbeziehungen darstellt; nichtsdestoweniger ist diese Definition enger dem Ziel des Umweltschutzes, auch Ökosysteme zu schützen, verhaftet.

B. Das Antarktische System, Raum und Umwelt

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rameter" belegt werden. Demgegenüber ist mit "Ökosystem" die dynamische Wechselbeziehung zwischen biologischen Gemeinschaften und der physikalisch-chemischen Umwelt sowie untereinander, einschließlich ihrer selbst umschrieben.92 Die Artenvielfalt-Konvention der VN vom 5. Juni 199293 definiert das "Ökosystem" in Art. 2 dementsprechend als " ... a dynamic complex of plant, animal and micro-organism communities and their non-living environment interacting as a functional unit". Beide, Umwelt (als Gesamtheit der Umweltparameter) und Ökosysteme, sind Substrate einer umweltorientierten Raumgliederung (im nichtrechtlichen Sinne). Kaum einordnen läßt sich der Begriff "Biosphäre", hinsichtlich dessen allzu große terminologische Unsicherheit besteht: Streng genommen ist hierunter der relativ schmale Bereich zu verstehen, in dem die Existenz von Flora und Fauna möglich ist - damit wäre die "Biosphäre" ein physikalisch verstandener Raum, doch wird der Terminus heute zumeist im übergreifenden, substratorientierten Sinn verstanden, ja sie wird der Umwelt an sich gleichgesetzt. 94 Die unsichere Einordnung des Begriffes läßt einen Verzicht auf seine Verwendung angelegen erscheinen. Unter den Substraten verdient der Begriff des "Ökosystems" angesichts der weiteren Ausführungen besondere Beachtung. Art. lAbs. 3 CCAMLR definiert das Meeresökosystem als " ... die Gesamtheit der Wechselbeziehungen der lebenden Meeresschätze der Antarktis untereinander und zu ihrer natürlichen Umwelt ... ". Diese an gängigen Formeln orientierte95 Definition ist dem oben zugrundegelegten engen Umweltbegriff verhaftet. Der Kontext "abhängiger und verÄhnlich Young, a.a.O. Die Konvention ist abgedruckt in: EPL 22 (1992), S. 251 ff. 94 Vgl. die dem UNESCO-Programm "Mensch und Biosphäre" (Man Belongs to the Earth. UNESCO' s Man and the Biosphere Program, 1988) zugrundeliegende Begriffsbestimmung, die von KisslShelton (1991), S.9, mit Recht als falsch kritisiert wird: "In fact, [the biosphere] is a very narrow stratum encircling the glohe. It comprises the earth and several hundred meters above and under the surface of the earth and oceans." 95 Schwerdtfeger (Ökologie der Tiere, Band III: Synökologie. Struktur, Funktion und Produktivität mehrartiger Tiergemeinschaften, 1975, S. 11 ff.) vertieft den Ansatz und definiert "Biosphäre" mit Lamarck jedoch als Gesamtheit der Organismen, die in und auf der Oberfläche des Planaten anzutreffen sind - diese Definition wird von manchen Ökologen wegen Ausgrenzung des Raumes für zu eng gehalten -, während die Gesamtheit der Lebensräume als "T0p'0sphäre" gekennzeichnet wird. Zusammen ergeben Biosphäre und Toposphäre die "Okosphäre". Dies findet seine Entsprechungen auf regionalem Niveau (Biom + Bioregion = Ökom) sowie im kleineren Rahmen, wobei Schwerdtfeger unterscheidet zwischen Gemeinschaften von Lebewesen und 92 93

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Erster Teil: Faktizität

bundener Ökosysteme" (CRAMRA, USP) verdeutlicht, daß weltweite Verbindungen von Ökosystemen und weitverzweigte Untergliederungen bestehen. (Insoweit mag man von einem globalen Ökosystem und seiner Aufteilung in wiederum in sich vernetzte Subsysteme sprechen.) Auf dieser Grundlage vermag das Ökosystem über die hierdurch vernetzten Spezies und sonstigen Gegebenheiten, die zugleich Substrat sind, auch Leitlinie für mögliche Raumordnungen zu sein. Dies gilt um so mehr, je stärker das Ökosystem in sich geschlossen wirkt und deshalb das Substrat als Einheit hervortreten läßt. Ein Ziel dieser Untersuchung muß deshalb über die Frage, inwieweit das Antarktische System einen "einheitlichen Schutz- und Planungsraum" festgelegt hat,96 hinaus die Beantwortung derjenigen sein, inwieweit an Ökosystemen orientierte (ökosystematische) Erfordernisse heute als zwingende Vorgabe eines Umweltschutzregimes zu gelten haben. 97 Von einem "antarktischen Ökosystem" im engeren Sinne läßt sich kaum sprechen, mag auch die Antarktische Konvergenz insbesondere als klimatische "Gemarkungslinie" wirken. Die Unterschiedlichkeit der topographischen Substrate Wasser, Fels und Eis und insbesondere die Temperaturdifferenzen führen jedoch zu erheblichen Unterschieden in der Stabilität der jeweiligen Subsysteme und erschweren zugleich die Interaktion zwischen den dem jeweiligen Milieu verhafteten Populationen. 98

11. Morphologie und Ökosystematik der Antarktis Eine Untersuchung der Wechselbeziehungen zwischen natürlichen Gegebenheiten, Raumdefinition und Aktionsbefugnissen99 der am Antarktisvertrag beteiligten Staaten kann nur auf der Basis der Erfassung des Raumsubstrats erfolgen. Wenn Art. 2 des am 4. Oktober 1991 in Madrid von der Mehrheit der Vertragsstaaten unterzeichneten Umweltschutzprotokolls (Protocol on Environmental Protection to the Antarctic Treaty) feststellt: ihrer Lebensstätte allgemein (Zönose + Zönotyp = Ökosystem) und dauerhaft angelegten, selbstregulierbaren Gemeinschaften und ihrer Lebensstätte (Biozönose / Biozön + Biotop = Holozön). 96 Schröder, Instrumente des internationalen Umweltrechts unter Berücksichtigung der Noumea-Konvention vom 24./25.11.1986, in: UTR 3 (1987), S. 273 (274). 97 Das Ergebnis wäre eine globale Dominanz ökosystematisch konditionierter Raumordnungen: "Der alte Nomos ... entfällt und mit ihm ein ganzes System überkommener Maße, Normen und Verhältnisse." (C, Schmitt [1981], S. 107) 98 Vgl. Bericht der Ad-hoc-Gruppe des SCAR "The Protected Area System in the Antarctic", Abschnitt 3 (bei Bush, Booklet AT3, S. 1 [6 f.]). 99 Dazu Dritter Teil, B.

B. Das Antarktische System, Raum und Umwelt

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"The Parties ... hereby designate Antarctica as a natural reserve, devoted to peace and science", so drängt sich - neben der Frage, ob eine raumbestimmende Widmung vorliegt - zunächst diejenige auf, ob und in welchem Umfang derartige Bestimmungen durch das vorgefundene Substrat konditioniert werden. Was mit "Antarktis" gemeint ist, findet sich in Art. VI des Antarktisvertrages von 1959 erläutert, nämlich "the area south of 60° South Latitude, incIuding all ice shelves". Diese Definition bedarf noch des erläuternden Zusatzes, daß "area" auch den Luftraum über der so bezeichneten Fläche umfaßt. lOo Die Definition des Antarktisvertrages nennt mit den Eisschelfen bereits eine morphologische Komponente, eine andere wird mit der Nennung der Meeresgebiete, auf welche die Vertragsbestimmungen scheinbar nicht in vollem Umfang Gültigkeit haben sollen, evoziert; die dritte Hauptkomponente - der Kontinentalbereich - wird bei einem Blick auf die Landkarte sinnfällig. Mit aller Vorsicht läßt sich also (die Inseln einmal außer acht gelassen) von einer morphologischen Dreigliederung der so definierten Antarktis sprechen, die von der "klassischen" Dichotomie von Land und Meer etwas abweicht. Untergliedert man im Vertragsbereich nach Ökosystemen, so läßt sich gleichfalls eine Dreigliederung herstellen. Diese Gliederung stellt eine Typisierung dar und soll nicht den Eindruck vermitteln, es gebe in der Antarktis drei zentrale Ökosysteme. Vincent differenziert allerdings zwischen acht verschiedenen Ökosystemtypen (Schnee und Eis, Seen und Ströme, Boden, Felsen; im Meeresbereich Meereis, Randeis, offene See, Benthos);101 bringt man diese hingegen in eine vertikale Ordnung, so ergibt sich eine Trichotomie zwischen Land- und Süßwassersystemen (Schnee und Eis, eisfreies Land, Seen und Ströme), ozeanischen und Meereissystemen und Inselökosystemen. 102 Hierin zeigt sich, daß zwischen der morphologischen und der ökosystematischen Dreigliederung nicht unbedingt eine Koinzidenz besteht. 103 100 Vgl. Orrego Vicuiia, Air Traffic in Antarctica The Need for a Legal Regime, in: Wolfrum, Antarctic Challenge III, 1988 [zitiert: Orrego Vicuiia (1988a)], S. 387 (408 ff., insbes. 409). Vgl. auch die Erklärung Japans aus dem Jahre 1959 (bei Bush, Antarctica and International Law. A Collection of Inter-State and National Documents, Band I, S. 40), wonach (auch) der Luftraum über den Eisschelfen zum Vertragsbereich gehöre. 101 Vincent, Microbial ecosystems of Antarctica, 1988. 102 Vgl. Young, S. 127 ff. - Parker/Angino, S. 241 ff., nehmen hingegen folgende Grobgliederung vor: ozeanische Ökosysteme, Vögel- und Robben-Ökosysteme, Landökosysteme und Süßwasser-Ökosysteme. Diese Gliederung orientiert sich insbesondere an erheblichen Unterschieden in der Artenvielfalt. 103 Vgl. zu Einzelfragen Benninghoff/Bonner, Man's Impact on Antarctic Environment. A procedure for evaluating impacts from scientific and logistic activities,

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So läßt sich für den Bereich der Eisschelfe kein spezifisches Ökosystem ausmachen. Zudem hängt die Antwort auf die Frage, wie weit Ökosysteme zu untergliedern sind, von der jeweiligen Fokussierung ab: An sich ließe sich die gesamte Antarktis mit einem einzigen komplexen Ökosystem belegen, für das die Faktoren Isolation, Kälte und Eis bestimmend wären. 104 Bemerkenswerterweise erhält damit die ökosystematische Gliederung (die stets eine morphologische Gliederung anhand der Reflexe sein muß, die Ökosystemen im morphologischen Bereich innewohnen) in der Antarktischen Konvergenz eine äquatoriale Barriere, die den Siidpolarraum in gewissem Sinne als ökologische Einheit erscheinen läßt - eine Einheit, die in der Topographie nicht hervortritt. Die im Antarktisvertrag festgelegte Nordgrenze der Antarktis (60 0 S) stimmt mit der Antarktischen Konvergenz weitgehend überein, so daß sich die Vermutung aufdrängt, daß hier die Eigenheiten des Substrates im Raum tatsächlich für die Definition eines "Raumes Antarktis" bestimmend gewesen sein könnten. Den größten Teil der Antarktis nehmen Seegebiete ein, die auch das größte Nutzungspotential enthalten; dies gilt für die lebenden wie für die mineralischen Ressourcen. Ihre Flora und Fauna zeichnen sich durch Artenreichtum und Anpassungsfähigkeit aus; ökologische Nischen sind kaum vorhanden. Bedingt durch die Kapazität des Meeres, Wärme zu speichern, fehlen in diesem Bereich die Temperaturextrema, was dem Ökosystem in diesem Gebiet eine relative Stabilität verleiht. Das führt nicht nur zur Übernahme einer Pufferfunktion, sondern zugleich auch zu einer weitgehenden Regenerationsfähigkeit des Südozeans. Aus dieser Sicht scheint eine generelle Schädigung des maritimen Ökosystems durch menschliche Aktivitäten unwahrscheinlich; 105 zumindest könnten einzelne Beeinträchtigungen wieder ausgeglichen werden. Ob dies auch für Bergbauaktivitäten größeren Umfanges (Erdölgewinnung) gelten könnte, muß allerdings bezweifelt werden. 106

SCAR, ICSU, Cambridge 1985; Banner, S. 821-850; Heap/Haldgate, The Antarctic Treaty System as an Environmental Mechanism - an approach to environmental issues, in: Antarctic Treaty System. An Assessment, Polar Record Board, Washington 1986; IUCN, World Conservation Strategy, 1980; Kerry/Hempel, Antarctic Ecosysterns, 1990; Sahrhage, Antarctic Oceans and Resources Variability, 1988. 104 Yaung, S. 126 f.

Parker/Angina, S. 248 ff.; Banner, S. 826; Zumberge, S. 130 ff., v.a. 145 f. Jedenfalls weisen die Ereignisse im Prinz-William-Sund und in der Bismarckstraße, wo das Ökosystem - gerade angesichts der niedrigen Temperaturen - auf Jahrzehnte hin geschädigt bleiben wird, auf Grenzen der mittelfristigen Regenerierbarkeit maritimer polarer und subpolarer Ökosysteme hin. Welchen Gefahren die den Bohrplätzen benachbarten Gebiete unterworfen sind, hat die Havarie der "Braer" im Bereich der Shetland-Inseln (Januar 1993) erneut drastisch vor Augen geführt. 105

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An zweiter Stelle sind die Eisschelfe zu betrachten, die nicht nur von ihrer Zusammensetzung her eine Zwischenstellung zwischen Land und Meer einnehmen: Nach neuesten Erkenntnissen setzen sie sich überwiegend aus Gletschereis zusammen, während dort, wo sie sich (wie z.B. das Ross- und das Filchner-R!IInne-Schelfeis) auf das Meer ausdehnen, auf der Unterseite der Eiszunge eine massive Schicht Meereis angefroren ist. Das Phänomen der Schelfeise ist dem klassischen Völkerrecht unbekannt. Die Eisschelfe entziehen sich auch weitgehend der Einordnung in die "klassischen" Kategorien von Land und Meer. Aus fester Materie bestehend, erheben sie sich über den derzeitigen Meeresspiegel; eine Grenzlinie zwischen Wasser und Land zu ziehen, ist bei diesen Gebilden, die teils auf dem Felsuntergrund aufsitzen, teils auf dem Meerwasser schwimmen, so gut wie unmöglich. 107 Zieht man in Betracht, daß "Freiheit der Meere" vor allem Freiheit der Handelsschifffahrt und der Fischerei bedeutet, die Schelfeise aber eher wie Land genutzt werden können, müßte ihre Zuordnung zum Meer ausscheiden. Eine Klassifizierung der Eisschelfe als "Land" würde aber Konsequenzen hinsichtlich der FestIegung einer maritimen Basislinie haben. Dabei geht es weniger um die Frage, ob die Abbruchkante der Eisschelfe als Basislinie gelten soll - veränderliche Basislinien sind ein dem Völkerrecht nicht unbekanntes Phänomen -, als um die Voraussetzungen für die Festlegung einer solchen Basislinie: das Vorhandensein von Staatsgebieten. 108 Was die Ökologie der Eisschelfe betrifft, so unterscheiden sie sich erheblich von derjenigen des Meeres. Die Eisfläche selbst ist gegenüber Störungen

107 Dies betrifft zum einen die Ermittlung einer solchen Grenzlinie, die sicherlich variabel ist und im übrigen durchaus nicht mit der mittleren Hochwasserlinie koinzidiert. Chopras Überlegung (Comment: The Legal Consequences of Antarctic Stations, in: Wolfrum, Antarctic Challenge III, 1988, S. 389 [393 f.]), für eine Grenzziehung sich das Eis von der Antarktis hinwegzudenken (mit der Folge, daß der größte Teil des Kontinents möglicherweise unter den Meeresspiegel fiele), ist angesichts der Unmöglichkeit, den Umfang einer postglazialen Hebung bei Wegfall der Eisrnassen vorherzusagen, nicht nur abwegig, sie findet im geltenden Völkerrecht, das offensichtlich auf die aktuelle Situation abstellt, auch keine Grundlage. Angesichts der säkularen Landhebung z.B. in Skandinavien müßten sonst - ein sicher groteskes Ergebnis weite Teile der Ostsee als Staatsgebiet der Anrainerstaaten betrachtet werden. 108 Veränderliche Basislinien sind in DeIta- und Ästuarbereichen (bedeutsam etwa im ölhöffigen Mississippi-Delta) ebenso anzutreffen wie in Gebieten mit starker säkularer Hebung oder Senkung des Landes (Skandinavien, Nordkanada). Die Entstehung einer vulkanischen Insel von I sm Durchmesser vermag dem Staat, der in bezug auf sie territoriale Souveränität erwirbt, bis zu 215.000 km2 ausschließliche Wirtschaftszone (ausgehend von einem 188- bis 200-sm-Standard) zu verschaffen; dies sind nahezu zwei Drittel der Fläche Deutschlands. Diese Küstengewässer gehen allerdings mit dem (nicht selten beobachteten) Verschwinden der Insel wieder verloren.

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unsensibel, doch wirkt sie infolge ihrer Fließrichtung und nach Maßgabe ihrer jeweiligen Fließgeschwindigkeit als Transmissionsriemen für Umweltbeeinträchtigungen in Richtung Meer, so daß sich insoweit eine besondere Variante der Meeresverschmutzung vom "Lande" aus ergeben kann. Von Bedeutung ist die Fauna der Eisschelfe; hier (und ebenso auf dem Packeis) finden sich umfangreiche Kolonien von Meeressäugern und -vögeln (Pinguine).

Endlich ist da der auf den ersten Blick wenig gegliederte antarktische Kontinent, zu mehr als 98% vom Inlandeis bedeckt. Ökologisch zerfällt er in den homogenen Block der eisbedeckten Gebiete, der sich durch außerordentliche Artenarmut auszeichnet und durch Ökosysteme, die in sich durch Eingriffe kaum Beeinträchtigungen erfahren, wohl aber für die weltweite ökosystematische Balance (Kältekammer, Meeresspiegelniveau) von großer Bedeutung sind,l09 und eine Reihe kleiner eisfreier Zonen. Deren Ökosysteme sind ausgesprochen verletzlich. 110 Dies geht auf eine relative Artenarmut zurück, das weitgehende Fehlen natürlicher Ausleseprozesse, gekoppelt mit einer durch die niedrigen Temperaturen bedingten Langsamkeit der Lebensvorgänge (und damit auch des Wachstums und der Regeneration). Darauf beruht, daß bereits minimale (mechanische oder chemische) Einwirkungen

109 Der Eispanzer ist, von wenigen Eisalgen abgesehen, artenfrei. Menschliche Aktivität hinterläßt dort kaum Spuren, wo Schritte schnell verweht, Abfälle durch "Einfrieren" an der Verbreitung gehindert werden. Doch unterliegt die Eiskappe Verschmutzungen aus der Atmosphäre. Dadurch wird sie zwar als Forschungsobjekt interessant (geohistorische Untersuchungen an älteren Eisschichten), doch in größerem Ausmaß verringerte Albedo, möglicherweise in Kombination mit einem weiteren Umwelteinfluß - gestiegene Lufttemperaturen - machen aus dem Eispanzer eine ökologische Zeitbombe (Meeresspiegelanstieg), vom Ozonloch ganz zu schweigen, das nicht entstehen könnte, wenn die Zentralantarktis nicht eisbedeckt wäre und so gleichsam als Kühlaggregat diente. Zweitens wird insbesondere bei küstennahen Stationen (wie McMurdo) durch die Lagerung des Abfalls im Eis die Verschrnutzung nicht verhindert, sondern nur - alles Eis ist in Bewegung Richtung Meer - hinausgezögert. Insoweit ist der Eispanzer zumindest mittelbar von außerordentlichem biologischen Interesse. 110 Dabei ist zu ergänzen, daß terrestrische Vegetation sich in der Tat auf die wenigen eisfreien Gebiete beschränkt; dort finden sich einfache Milben und Insekten. Die klimatisch begünstigteren Gebiete, d.i. v.a. die Antarktische Halbinsel, verfügen im äußersten Norden über Moosgewächse (Bryophyten) und sogar zwei Blütenpflanzen. Höhere Insekten sind dort mitunter anzutreffen. Namentlich im Küstenbereich finden sich auch Süßwasserreservoirs, die eine spezielle Flora und Fauna beherbergen. Schließlich sind vorstehende Felsen Brutplätze für Seevögel und Rastplätze für Robben (vgl. SCAR-Bericht Punkt 3). Dieses Bild ist noch um die "Nunatakker" zu ergänzen, aus der Eiswüste herausragende isolierte Felsgipfel, die aufgrund ihrer ökologischen Nischenposition zumeist eine einzigartige Vegetation beherbergen.

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auf diese Ökosysteme gravierende Veränderungen hervorrufen können. Hinzu kommt - und dies betrifft besonders den Zustrom neuer Spezies (Tier oder Pflanze) - ein weiteres Moment: Bedingt durch die relative Artenarmut bleiben ökologische Nischen offen, die von hinzukommenden Arten III besetzt werden, die in der Folge sich gegen die autochthonen Arten durchsetzen. Hiernach ist die Feststellung erlaubt, daß sich die geo- bzw. topographische Dreiteilung der Antarktis in Land, Meer und eine Reihe kleinerräumige Schelfeise nicht ganz mit den ökosystematischen Gegebenheiten und Empfindlichkeiten deckt. Zugleich läßt sich aber eine weitere Dreistufung in Gebiete geringerer (Eisflächen), mäßiger (Meere) und extremer Empfindlichkeit (eisfreie Landbereiche) der "in den Raum projizierten" Ökosysteme ausmachen. Aus alledem ergibt sich: 1. Die zumeist im Bereich von 60° S verlaufende Antarktische Konvergenz grenzt den Südpolarraum in klimatisch-ökologischer Hinsicht von den nördlich davon gelegenen Gebieten ab. Damit erscheint die Antarktis bereits in einem natürlich-räumlichen Sinne als eine über die Schranken von Land und Meer hinausgreifende, nicht topographisch, aber ökologisch determinierte Wesenheit. 2. Innerhalb des ökologischen Gefüges der Antarktis läßt sich eine "ökosystematische" Dreigliederung ausmachen, die ihrerseits wiederum auf die Besonderheiten der antarktischen Topographie zurückgeht, wie die nachfolgende Darstellung belegt. Die unterschiedlich hohe Störungsanfälligkeit der einzelnen Zonen ändert nichts an der Empfindlichkeit des Ökosystems Antarktis insgesamt, da eine die weniger sensiblen Bereiche kaum tangierende Störung kraft Vernetzung der Subsysteme von dort auszustrahlen und in benachbarten, besonders sensiblen Gebieten Schäden anzurichten vermag.

IH. Determinanten völkerrechtlicher Raumbestimmung in der Antarktis Raumordnungen pflegen geschaffen zu werden, wo Staaten ein Interesse haben, ihre Beziehungen in bezug auf den Raum sowie untereinander in rechtliche Regeln zu gießen. Max Huber hat das Völkerrecht als rechtlichen

III Ein bekanntes Beispiel, wenn auch aus der subpolaren Zone, stellen die nach Südgeorgien eingeführten Rentiere dar.

Erster Teil: Faktizität

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Übersicht 2 Topographische Gliederung und ökologische Sensibilität der Antarktis Topographische Gliederung

Ökologische Sensibilität

Meeresgebiete

Grundsätzlich alle Seegebiete südlich 60° S; Begrenzungslinie entspricht ungefähr der antarktischen Konvergenz

Gebiete stärkerer Störungsanfalligkeit

Eisschelfe

Zum Teil auf Fels aufsitzende, zum Teil auf Meerwasser schwimmende, ins Meer hinausragende Gletscherzungen. Status nach allgemeinem Völkerrecht unklar, "amphibisch"

Gebiete geringerer Störungsanfalligkeit

Land

Antarktischer Kontinent und subantarktische Inseln. Begrenzung des Kontinents zum Meere hin unscharf

Gebiete extremer Störungsanfälligkeit: terrestrische eisfreie Zonen

Niederschlag dauerhafter Ko11ektivinteressen der Staaten bezeichnet. 112 Aus diesem rechtlichen Niederschlag erwachsen die Rechtsverhältnisse zwischen Staaten und Räumen. Was das von Huber angesprochene Ko11ektivinteresse betrifft, wäre noch die FeststelIung hinzuzufügen, daß es sich lediglich auf die Entstehung einer völkerrechtlichen Ordnung bezieht und das Fortbestehen bestimmter konfligierender Einzelinteressen keineswegs ausschließt. Über Jahrzehnte hinweg bestand die Übereinstimmung einzelstaatlicher Interessen in ihrer Kongruenz, die aber gerade deshalb eine Interessenkonkurrenz hervorrief. Norwegen beispielsweise "beanspruchte" in bezug auf das Dronning-Maud-Land territoriale Souveränität, um seine Walfanginteressen zu verfolgen;l\3 damit erwarb es sich die Gegnerschaft a11 jener Staaten, welche, gleich ob in Verbindung mit Souveränitätsprätentionen oder unter Berufung auf die Fischereifreiheit, die gleichen Interessen geltend machten. 112 Die soziologischen Grundlagen des Völkerrechts, in: Gesellschaft und Humanität, Band III der "Vermischten Schriften", 1948, S. 49 (59). 1\3 Vgl. Scovazzi, Les zones cötieres dans I' Antarctique, in: Francionil Scovazzi, International Law for Antarctica / Droit international de I' Antarctique, 1987, S. 291 (301); Reeves, Antarctic Sectors (Editorial comment), in: AJIL 33 (1939), S. 519 (520).

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Die Staaten mit dem größten Fischereivolumen in antarktischen Gewässern sind heute Non-claimants. 114 Die Interessen dieser Staaten an der Fischerei konfligieren latent mit dem Fischereininteresse der Claimants in der prätendierten Ausschließlichen Wirtschaftszone (EEZ) oder Fischereizone. Darin zeigt sich, wie das Interesse an den natürlichen Ressourcen der Antarktis, aber auch ein Streben nach Erweiterung nationaler Territorien, obschon der Natur nach gleichgerichtet, einen Interessenkonflikt zwischen den in der Antarktis aktiven Staaten hervorrufen mußte. Dieser Interessenkonflikt beeinträchtigt nicht das Bestehen einer territorialen Raumordnung in der Antarktis; diese existiert ungeachtet teil weisen Widerspruchs schon kraft der allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts, mag sie staatliche Territorien enthalten oder auch nicht. ll5 Der Interessenkonflikt liegt zum zweiten der Ordnung des Antarktisvertrages gerade zugrunde; ihr Spezifikum ist es nun, den Interessenkonflikt nicht zu lösen, weil gerade die Versteinerung der divergierenden Einzelinteressen dem Kollektivinteresse entspricht. Konkret bedeutet dies, daß unter Berufung auf individuale Nutzungsinteressen einige Staaten Teile der Antarktis zum Staatenraum erklärt haben, ein Vorgang, dessen Rechtmäßigkeit wiederum von anderen Staaten im Hinblick auf ihre eigenen Forschungs- und Nutzungsinteressen bestritten wird. Die so entstandene Gliederung nach Staatsgebiet und Nichtstaatsgebiet wird, da sie selbst einer Anschauungsdifferenz im Völkerrecht unterliegt, durch die Bestimmungen des Antarktischen Systems zwar nicht überwunden, wohl aber neutralisiert. 1l6 (Überblick über die Claimants und ihre territorialen "claims" in Übersichten I und n, Anhang A.) Art. VI des Antarktisvertrages (A V) erstreckt seinen Anwendungsbereich auf alle Gebiete südlich von 60° S, ohne Rücksicht darauf, ob diese Land, Meer oder - eine Besonderheit im südpolaren Bereich - Eisschelfe in sich schließen. Ebensolches gilt für die meisten der auf seiner Grundlage erlassenen Empfehlungen, die CRAMRA (wenn auch mit gewissen Abweichungen) und das Madrider Umweltprotokoll; CCAS und CCAMLR beschränken ihren Geltungsbereich auf das Meer, auch hier jedoch nach Norden hin durch den 60. Breitenkreis oder die Antarktische Konvergenz begrenzt. Alle diese Vereinbarungen sind Teil des (im folgenden Abschnitt zu analysierenden) Ant-

Darunter u.a. Rußland, Korea, Polen. Insoweit ist für eine Raumordnung nicht stets erforderlich, daß sie allgemein akzeptiert werden, sofern nur ein Konsens hinsichtlich der dahinterstehenden allgemeinen Regeln besteht. 116 Dies führt zu einer Überlagerung von Räumen, nicht aber der Entstehung zweier (einer territorialen und einer funktionalen) Raumordnungen; wie die Ausführungen von Fox, The relevance of Antarctica to the lawyer, in: Triggs, The Antarctic Treaty regime, S. 77 ff., gleichwohl andeuten. 114

115

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Erster Teil: Faktizität

arktischen Systems, das die Antarktis gemäß ihrer Definition in Art. VI A V zu einem völkerrechtlichen Raum geformt hat, oder jedenfalls zu einer Wesenheit, die im Begriff ist, zu einem solchen Raum zu werden. Die Annahme, daß die Antarktis ein "Raum" von völkerrechtlicher Relevanz sei, ist auf der Grundlage der starken, für die Annahme einer Raumordnung ausreichenden normativen Verdichtung der dem Antarktischen System entstammenden Rechtsbestimmungen gerechtfertigt. Dieses unterwirft die Antarktis verschiedenen Widmungszwecken, allen voran Forschung und (mit Einschränkungen) Fischerei. Hinzu kommt - möglicherweise erst jetzt - ein "Widmungszweck" Umweltschutz, der für sich allein nicht für die Raumqualität der Antarktis bestimmend zu sein vermag, jedoch einen funktionalen Wandel kennzeichnen kann, dem die Raumordnung obliegt. Die Besonderheiten dieser Raumgabe lassen sich thesenartig wie folgt darstellen: 1. Die Bestimmung eines "Raumes Antarktis" überbrückt die bipolare Ordnung von Land und Meer. Das grotianische Weltbild wird nicht demontiert, sondern von der antarktischen Raumordnung penetriert. 117 Inwieweit nach empirischen Gesichtspunkten sich eine Superiorität der antarktischen Raumbestimmung ergibt, muß sich in Analyse und Vergleich der extra- wie intra-antarktischen Rechtsnormen ergeben. 2. Die Bestimmung eines "Raumes Antarktis" relativiert den gebietsrechtlichen Status von Räumen im südpolaren Bereich. Sieben Staaten (Argentinien, Australien, Chile, Frankreich, Neusee\and, Norwegen, Vereinigtes Königreich) nehmen für sich territoriale Souveränität in bezug auf Bereiche des antarktischen Kontinents und darin wurzelnde Rechte in maritimen Zonen in Anspruch. ll8 Lediglich zwischen 150 0 Wund 90 0 W - eine schwer zugängliche Zone - stellt sich der antarktische Kontinent nach Auffassung aller am Antarktischen System beteiligten Staaten als staats frei dar. Obschon umstritten ist, ob sich der Kontinent aus Staatsgebiet und staatsfreiem Raum zusammensetzt (so die Claimants) oder insgesamt einen staatsfreien Raum bildet (so die Non-claimants), relativiert sich die effektive oder virtuelle Dichotomie, indem der "freie (pazifische) Sektor" mit dem übrigen Kontinent und den (virtuell?) angrenzenden Zonen in ein gemeinsames Regime eingebunden wird. 3. Die Bestimmung eines "Raumes Antarktis" relativiert ihre eigene territoriale Causa. Werkzeug hierfür ist der "Bifokalismus", ein normativer Kunstgriff, der es Claimants und Non-claimants ermöglicht, trotz unterschiedlicher Grundvorstellungen über das Bestehen territorialer Souveräni-

\17 Vgl. - dort allerdings mit etwas anderer Akzentuierung - C. Schmitt (1941), S. 76 f. 118 Vgl. Tab. 11 im Anhang A.

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tät in bezug auf weite Bereiche des antarktischen Kontinents allgemeinverbindliche Rechtsregeln zu erlassen. Dies bedeutet nicht, daß jenseits der territorialen Ordnung des antarktischen Kontinents eine zweite, nicht auf der territorialen Gliederung beruhende geschaffen werde; die Raumordnung im kontinentalen Bereich ist territorial determiniert (selbst dann, wenn es keine territoriale Souveränität geben sollte). Hingegen entfällt die Bedeutung der konkreten Gestalt dieser territorialen Ordnung: Ob territoriale Souveränität in bezug auf Bereiche des antarktischen Kontinents tatsächlich existiert oder nicht, ist für die (innere) Raumordnung der Antarktis ohne Belang. 4. Die Raumbestimmung der Antarktis orientiert sich an funktionalen Kriterien. Dabei konnten die Nutzung des Raumes, seine Nutzbarkeit und in bezug auf den Raum bestehende Nutzungsinteressen nicht außer acht bleiben. Diese Nutzungsvorstellungen werden durch geo- bzw. topographische Wesenheiten determiniert und kreieren ihrerseits das den Anstoß zur Raumgabe vermittelnde politische Interesse. Insbesondere vermag die natürliche Funktion des Raumsubstrates, vermag auch die Positionierung der Ökosysteme, für die Raumgabe wesentlich zu sein. Die 60 0 -Begrenzungslinie des Art. VI AV stimmt nicht nur weitgehend mit der Antarktischen Konvergenz überein, sondern markiert auch eine Linie, südlich derer Klima und Geographie ständige Siedlungen nicht mehr zuließen, so daß die Nutzung sich zunächst auf wirtschaftliche Erwägungen beschränkte. Im Zusammenhang hiermit wird auf die Frage nach einer "Umweltwidmung" der Antarktis einzugehen sein, die sich an einer besonderen Schutzbedürftigkeit des Substrates im Raum orientiert, kraft des Widmungszwecks den Raum (unter anderem) der Nutzungsform "Umweltschutz" vorbehält und so in Wechselbeziehung mit der Raumeigenschaft selbst tritt.

IV. Das "Antarktische System" und seine Normenpyramide Werkzeug zur Herstellung des "Raumes Antarktis" ist das "Antarktische System". Der Argentinier Guyer prägte den Begriff des "Antarktischen Systems" ("Antarctic System") zu einer Zeit, da der Antarktisvertrag die einzige verbindliche völkervertragliche Grundlage für das Handeln der Konsultativstaaten im südpol aren Bereich war. 119 Der Systemcharakter des antarktischen Normenkomplexes ist mittlerweile von dessen Normgebern selbst anerkannt worden; so rekurriert Art. I lit. e USP - ebenso wie zahlreiche Vertreter des Schrifttums - auf den Begriff "Antarctic Treaty system". Im

119

Op. eit.

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Erster Teil: Faktizität

folgenden wird, mag auch die Aussagekraft des Terminus schwächer sein, der Bezeichnung "Antarktisches System" der Vorzug gegeben; damit soll verdeutlicht werden, daß der Systemcharakter nicht nur Rechtsnormen, sondern Organe, Institute und Maximen gleichermaßen erfaßt; Guyer ist hiervon stillschweigend ausgegangen. Dennoch soll zunächst allein die antarktische "Normenpyramide" im Vordergrund stehen, da sie für Raumregimes ausschlaggebend ist. Der argentinische Diplomat legt nicht eingehend dar, worauf er seine Annahme vom Systemcharakter der auf die Antarktis bezogenen Normen gründet; kennzeichnend ist freilich, daß er der These von der "objektiven Wirkung" antarktischer Rechtsetzung anhängt, wonach auch dritte Staaten (unter Aufweichung des Grundsatzes "pacta tertiis nec prosunt nec nocent") an die Rechtsetzung der Konsultativstaaten gebunden sein sollen. l2O Von der Wirkung auf Dritte aber kann der Systemcharakter nicht abhängen. Vielmehr muß er sich daraus ergeben, daß diese erstens in einer bestimmten Beziehung zueinander stehen und zweitens materiell kraft dieser Interrelation der Antarktis zugewiesen sind. 121 Welche Funktion allfällige "Widmungszwecke" in einem solchen Normensystem einnehmen, wird gleichfalls noch zu untersuchen sein. Zunächst sollen die Normen und Funktionsmaximen betrachtet werden. Ein weiterer Systembestandteil, die Institutionen, wird erst auf die Betrachtung der Nutzungsformen folgen, da die Bedeutung der Institutionen sich auch aus der Rangordnung der Nutzungen heraus erklärt. 1. Vertragsnormen und Empfehlungssätze

Ausgangspunkt der Betrachtungen ist der Antarktisvertrag von 1959 (1961). Eine Reihe von Autoren klassifiziert diesen als Rahmenvereinbarung ("traite-cadre", "framework convention"); darunter sei ein Abkommen zu verstehen, das die grundlegenden Prinzipien und Funktionsweisen festlege, detailliertere Bestimmungen aber dem künftigen Handeln der Parteien vorbehalte. 122 Diese - insbesondere bei Umweltvereinbarungen typische -

120 Ein Kompendium der Befürworter bzw. Gegner der These von der "objektiven Wirkung" findet sich bei Simma, Le Traite antarctique. Cree-t-i1 un regime objectif ou non?, in: FrancioniiScovazzi, International Law for Antarctica/Droit international de l'Antarctique, 1987, S. 136 (136 f. Fn. 3 f.). 121 Da "System" die Zuordnung von Normen untereinander kennzeichnet, kommt es auf die Frage nach dem "Status" der Antarktis (vgl. zu diesem Begriff Klein, Statusverträge im Völkerrecht. Rechtsfragen territorialer Sonderregime, 1980, S. 21) nicht an. 122 Vgl. etwa Orrego Vicuiia (1988), S.44; allgemeiner Thierry/Sur/Combacau/

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Normtechnik führt zu einer Struktur, in der idealtypischerweise jeweils ein Abkommen dem anderen untergeordnet, ja eingeordnet ist. Im Extremfall bewirkt sie eine "normative Schachtelung".123 Gerade im Antarktisbereich ist dieses Prinzip weit vorangetrieben worden. Zu bedenken ist aber, daß die Ausfüllung des jeweils generelleren Abkommens nicht nur durch Spezifizierung, also auf vertikaler Ebene, erfolgt, sondern auch horizontal, also durch Verdichtung einer notwendigerweise auf wenige Punkte beschränkten Regelung. 124 Diese Verdichtung führt zur normativen Verhärtung der Rahmenbestimmungen, die man zumindest partiell als "weiches hard law" bezeichnen könnte. 125 Nicht allein Ausfüllung, auch Ergänzung ist daher Wesensmerkmal der normativen Schachtelung. Orrego Vicuiia l26 konstatiert, daß eine Vertragsausfüllung auf drei Ebenen stattfindet: Konkretisierung der allgemeinen Bestimmungen; - Abdecken neuer Bereiche durch Ausfüllung materieller Lücken; Aufstellung von Interpretationsmaximen für die Bausteine der "Rahmenregelung". In bezug auf den letzten Punkt übersieht er jedoch den Grundsatz der Derogation der generellen durch die spezielle Regelung. Wenn die allgemeine Regelung gegenüber der Ausfüllungsnorm noch Wirkung äußern soll, dann doch gerade als Interpretationsmaxime für die Spezialnorm. Es ergibt sich mithin zwischen den Regelungsebenen ein kommunizierender, ein Rückkopplungseffekt. Wenn die Spezialregelungen nicht nur Ausfüllungs-, sondern auch Ergänzungsfunktion haben, dann stellt sich das Antarktische System als dynamisches dar, auch wenn dem Unterordnungsmoment Statisches durchaus eigen

Vallie, Droit international public, 5. Aufl. 1986, S. 46. Die ältere, teilweise ähnlich gelagerte Qualifizierung nach "traite-Ioi" und "traite-contrat", mit unterschiedlichen rechtlichen Konsequenzen, wird heute zumeist abgelehnt (dazu Conforti, Diritto internazionale, 3. Aufl. 1987, S. 58 ff.; VerdrosslSimma, 3. Aufl., S. 339, § 537; Heintschel von Heinegg, in: lpsen, § 9 Rn. 7). 123 Oder: "Prinzip der russischen Puppe". - Vgl. auch (für den Seerechtsbereich) Graf Vitzthum, Friedlicher Wandel durch völkerrechtliche Rechtsetzung, in: Völkerrecht und Kriegsverhütung (Veröffentlichungen des Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel, Nr. 82), 1979, S. 122 (171 ff.). 124 Würden alle Bereiche abgedeckt, dann wäre die Rahmennatur der übergeordneten Vereinbarung nicht mehr gegeben. 125 Vgl. Kiss, Concluding Observations on Transboundary Air Pollution and the Emerging Concepts of International Law, in: FlintermanlKwiatkowskalLammers, Transboundary Air Pollution, 1986, S. 355 (359): Although all these instruments are formally binding, i.e. they are "hard law", their content is very much Iike "soft law". 126 (1988), S. 51.

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Erster Teil: Faktizität

ist. Nachfolgende völkerrechtliche Vereinbarungen können in einem solchen System von den allgemeinen Vorgaben insoweit abweichen, als sie ihnen im Ergebnis nicht zuwiderlaufen. Konkret bedeutet dies, daß Vertragsergänzungen auch dann in einem durch "traites-cadre" bestimmten System möglich sein müssen, wenn sie sich materiell als Vertrags änderungen darstellen. 127 Nicht nur die Konventionen zum Schutz von Flora und Fauna beispielsweise (CCAS, CCAMLR) markieren einen Einschnitt in der Orientierung der antarktischen l':ormgeber. Auch die Verabschiedung von Empfehlungen ist in ihren faktischen Auswirkungen - ungeachtet ihrer noch zu klärenden Rechtsnatur bzw. Bindungswirkung - ein Element der Vertragsergänzung eher als ein solches der (in vorgegebenen materiellen Schienen laufenden) Vertragsausfüllung. So ist im Antarktisvertrag zur Frage des Umweltschutzes nichts bestimmt; allein Art. IX Abs. 1 lit. f nennt unter den "Grundsätzen und Zielen" des Vertrags auch "Erhaltung und [... ] Schutz der lebenden Schätze in der Antarktis". Keine Aussage trifft der Vertrag in bezug auf die Nutzung, aber auch die Bewahrung nichtlebender Ressourcen. Im Lichte des Art. IX Abs. 1 lit. f ließen sich CCAS und CCAMLR also noch als Vertragsausfüllung, als Konkretisierung bezeichnen. Die weitergehenden Ambitionen der Canberra-Konvention, über den Pflanzen und Tierschutz im klassischen Sinne hinaus auch der Bewahrung inner- und außerantarktischer Ökosysteme dienen zu wollen (Art. 11 Abs. 3, sogenannter "ecosystem approach" oder ökosystematischer Ansatz), greifen aber schon über die Bewahrung lebender Ressourcen hinaus. Noch deutlicher war die Abweichung vom Text des Antarktisvertrages im Falle der (nicht in Kraft getretenen) CRAMRA, die den Mineralienabbau bestimmten Regelungen unterwerfen sollte. Versteht man das Schweigen des Antarktisvertrages zum Mineralienabbau in dem Sinne, daß Bergbau unter dem Antarktisregime uneingeschränkt zulässig sein solle,128 wären die Bestimmungen der CRAMRA im wesentlichen als vertragsausfüllend zu qualifizieren. Nach einer Auffassung, welche die Nichtregelung des Sujets im Antarktisvertrag als "pactum de non contrahendo" versteht, als Offen lassen der Mineralienfrage also, wären die Bestimmungen der CRAMRA dagegen vertragsergänzend. Vertritt man schließlich die Meinung, der Antarktisvertrag erlaube nur die enumerativ dort aufgeführten Tätigkeiten, oder Bergbau verstoße gegen einige seiner Grundprinzipien,129 dann wäre die CRAMRA gleichfalls - wenn nicht ohnehin Kollisionen mit dem Grundsatz "pacta sunt

127 Ähnlich Orrego Vicuna (1988), S. 44. 128 Infra C.II.3.a. 129 A.a.O.

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servanda" bestehen sollten - als vertragsergänzend, ja sogar vertragsändernd aufzufassen. Formal dagegen nicht vollständig dem Antarktischen System zugehörig sind auch die Robben- und die Canberra-Konventionen, da sie die Beteiligung von Nicht-Antarktisvertragsstaaten vorsehen und aus diesem Grunde überhaupt als völkerrechtliche Verträge (und nicht lediglich als Empfehlungen) zustande kamen. l3o Die formale Rahmensprengung wird aber nicht nur materiell durch Anerkennung der zentralen Grundsätze des Antarktischen Systems (vgl. Art. III- V CCAMLR) und Bevorzugung der Konsultativstaaten in den Institutionen kompensiert, sondern sie ist bislang auch Theorie geblieben, da alle Vertragsparteien der Robben- und der Canberra-Konvention Mitglieder des Antarktisvertrages sind. 131 Umgekehrt jedoch gibt es einzelne neu hinzugekommene Konsultativstaaten, die nicht an CCAS bzw. CCAMLR gebunden sind. Zu diesen - wenn auch unerheblichen - Inkongruenzen im Mitgliedschaftsbereich kommt das Momentum hinzu, daß die Rechtswirkungen der Canberra-Konvention über die EWG-Beteiligung an dieser auch auf nicht an das Antarktische System gebundene EG-Staaten ausstrahlen. 132 Das jüngste Glied in der Kette völkerrechtlicher Verträge mit Bezug auf die Antarktis ist das - noch nicht in Kraft getretene - Umweltschutzprotokoll zum Antarktisvertrag (USP). Schon mit der Bezeichnung der Konvention soll ihre Subordination unter den - bzw. Kompatibilität mit dem - Antarktisver-

130 Vgl. Barnes, The Emerging Antarctic Living Resources Convention, in: ASIL Proceedings 73 (1979), S. 272 (287). 131 Zwar untersteht die CCAMLR-Mitgliedschaft weniger strengen Voraussetzungen als die antarktis vertragliche, was den Erwerb des Konsultativstatus betrifft. Hier ist aktive Forschungstätigkeit in der Antarktis, dort nur das bloße Interesse an Forschung oder Fischerei Voraussetzung. Polen und die beiden deutschen Staaten etwa konnten - obschon ihnen Auburn, Antarctic Law and Politics, 1982, S. 152, lediglich ökonomische Interessen an den matitimen Ressourcen unterstellt; ihm widerspricht Machowski, Poland's Policies Towards Antarctica, in: GYIL 34 (1991), S.63 (68) angesichts des formalisierten Verfahrens zu Konsultativstaaten erhoben werden. Die Bundesrepublik Deutschland war als einziges der an den CCAMLR-Verhandlungen beteiligten Länder kein AV-Mitgliedstaat, wurde dies aber noch vor Verabschiedung der Konvention und erhielt 1981 Konsultativstatus; die CCAMLR trat ein Jahr darauf in Kraft. Andere Fischereinationen ohne AV-Mitgliedschaft (Südkorea, Republik China) waren aus "politischen Gründen" nicht zu den Verhandlungen eingeladen worden (Barnes (1979), S. 289: " ... and much thought has been given to a justification for not inviting other interested states."). Nicht Mitglieder des Antarktisvertrages, aber Signatarinnen der CCAMLR sind die Europäischen Gemeinschaften, die sich aber strukturell schon nicht mit einem "Nichtvertragsstaat" gleichsetzen lassen. 132 Näheres bei Lefeber (1992), S. 274, 276 f.

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Erster Teil: Faktizität

trag klargestellt werden,133 die freilich ihrerseits mit dem Ziel der Konsultativstaaten kollidiert, das USP zur Grundlage eines "umfassenden Schutzkonzepts" zu erklären - was erfordert hätte, das Protokoll nicht den Konventionen von London und Canberra, sondern dem Antarktisvertrag selbst ebenbürtig zu stellen. Art. 4 Abs. 1 USP definiert die Vereinbarung als Zusatz zum Antarktisvertrag von 1959, der den Vertrag jedoch weder ändere noch ergänze. Mit dem Wortlaut dieser Bestimmung ist noch in Einklang zu bringen, daß das Protokoll und seine Anhänge als spätere Regelungen (leges posteriores) frühere untervertragliche Bestimmungen ablösen; Absatz 2 jedenfalls bezieht sich nur auf Vertragsnormen. Hierin erschöpft sich die Bedeutung des Art. 4 USP aber nicht. Geht man von der wohl überwiegenden Ansicht aus, dergemäß der Antarktisvertrag Mineralienabbau grundsätzlich zulasse, so stellt das Verbot des Mineralienabbaues in Art. 7 dieses Protokolls materiell eine Vertragsänderung dar. 134 Art. 4 Abs. 1, der ebendieses verneint, kann dann nur als eine juristische Fiktion, als "Ausschlußklausel", verstanden werden. 135 Diese Fiktion läßt sich zum Teil aus einem Bemühen um den Erhalt des Antarktischen Systems erklären, das 1989 und 1990 durch die Kontroverse um die CRAMRA heftigen Erschütterungen ausgesetzt war. Ursprünglich war vorgesehen worden, das Protokoll vor dem 23. Juni 1991 zu verabschieden. An diesem dreißigsten Jahrestag des Inkrafttretens des Antarktisvertrags entfaltete die Bestimmung des Art. XII Abs. 2 A V, die den Parteien des Antarktisvertrages erleichterte Rücktrittsmöglichkeiten vom Vertrag einräumt, ihre Bedeutung. 136 Im Jahre 1959 waren die Regeln des Art. XII als tragfähiger Komprorniß zwischen den Extrempositionen - Vertrag mit unbe-

133

Francioni (1991), S. 803.

Der von Bush, Booklet AT9IC, S. 14, angesprochene und nach dem Wortlaut des Art. 4 nicht ausgeschlossene Fall, daß unter Art. IX Abs. 4 AV beschlossene Maßnahmen den Bestimmungen des Protokolls widersprechen, wird schon aus diesem Grunde nicht eintreten können. Im übrigen legen die Art. 2 ff. USP eine Auslegung des Antarktisvertrags im Lichte des Madrider Protokolls nahe mit der Folge, daß sämtliche umweltrelevanten Empfehlungen über Art. 10 Abs. I lit. b USP fürderhin an die Maßgaben des Protokolls gekoppelt werden, eine Empfehlung, welche das Protokoll mißachtet, sich mithin als Verstoß gegen die genannte Bestimmung darstellen würde. 135 Vgl. Kämmerer, S. 635 f. Vgl. auch Francioni (1991), S. 803, der dies gleichfalls andeutet. 136 Voraussetzung hierfür ist: erstens die Einberufung einer Überprüfungs konferenz gemäß Art. XII Abs. 2 des Antarktisvertrages; zweitens der Beschluß dieser Konferenz über die Änderung oder Ergänzung des Vertrages; drittens das Nichtinkrafttreten der geänderten Bestimmungen bis zum Ablauf von zwei Jahren - eine knapp bemessene Frist. - Daß es nicht zu einer Verabschiedung des Protokolls vor dem 23. Juni gekommen war, ging auf die Opposition der USA gegen Art. 24 (Änderungsvoraussetzungen, v.a. im Hinblick auf Art. 7) zurück. 134

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grenzter oder begrenzter Geltungsdauer, erleichterter oder erschwerter Rücktritt - betrachtet worden;137 in der jetzigen Situation ist ihnen die latente Gefahr eigen, das Antarktische System aus den Angeln zu heben,138 obschon gerade dies niemandes Intention war, sondern durch entsprechende Vereinbarungen - ihnen voran die CRAMRA - verhindert werden sollte. Bedeutung könnte die Fiktion des Art. 4 Abs. 1 ferner erlangen, wenn sich nicht alle Nichtkonsultativstaaten dem Protokoll anschließen sollten; ihre Ratifikation ist zum Inkrafttreten des Protokolls nicht erforderlich. Als juristisch selbständiger völkerrechtlicher Vertrag zeitigt das Protokoll jedoch nur Bindungswirkung inter partes. Indem qua Art. 4 Abs. 1 ein Nichtabweichen des Protokolls vom Antarktisvertrag fingiert wird, scheint die Bindung der Nichtkonsultativstaaten an den Vertrag in das Protokoll "hineingezogen" zu werden. Eine solche Aufweichung des Grundsatzes "pacta tertiis nec prosunt nec nocent" wird man jedoch nicht anerkennen können, so daß die Nichtkonsultativstaaten, welche das Protokoll nicht ratifiziert haben, von den unter dem Protokoll getroffenen Maßnahmen rechtlich grundsätzlich nicht tangiert werden. 139 In der Praxis dürfte die Problematik gleichwohl von minderer Bedeutung sein, da in der Antarktis aktive Nichtkonsultativstaaten in aller Regel den - vorteilhaften - Konsultativstatus anstreben und auch erlangen. Auch die "nachvertraglichen Konventionen" werden ihrerseits durch untergeordnete Bestimmungen ausgefüllt und ergänzt. So kann die CAMLR-Kommission Schutzbestimmungen beschließen (Art. IX) und hat von dieser Kompetenz in der Praxis auch bereits mehrfachen Gebrauch gemacht; Schutzmaßnahmen können im Rahmen der Londoner Konvention auch für Robben ergriffen werden. Welche Spezies für besonders schutzwürdig erkannt werden, ist schließlich in Anhängen zu den jeweiligen Übereinkommen aufgelistet. Auch den Vereinbarten Maßnahmen sind solche Anhänge beigefügt, die konkretere Schutzbestimmungen enthalten. Schließlich sind die Anhänge zum Madrider Protokoll zu nennen; sie werden das Protokoll, seinerseits verstanden als Ausfüllung des Antarktisvertrages (Art. 4), normativ ausfüllen. Dem steht nicht entgegen, daß Art. 9 Abs. 1 sie mit dem Protokoll selbst auf eine Stufe stellt - eine Bestimmung, die nur für den Grad der Bindungswirkung ausschlaggebend ist. 140 IJ7 Vgl. Scilingo, EI Tratado Antartico, 1963, S. 67 f. (zit. n. Auburn [1982], S. 143). 138 Das gilt auch dann, wenn der Ruf nach Vertragsänderung ohne Widerhall bleiben sollte; für diesen Fall wäre nicht auszuschließen, daß eine Partei unter Berufung auf den Grundsatz der "cIausula rebus sic stantibus" die Vertragsmitgliedschaft aufkündigt. IJ9 A.A. offenbar Francioni (1991), S. 806. 140 Art. 9 sagt wenig über die Rechtsnatur dieser Anhänge aus. Die vier zusammen mit dem Madrider Protokoll verabschiedeten Anhänge sind Bestandteile eines völker6 Kämmerer

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Erster Teil: Faktizität

Die Bindungswirkung von Empfehlungen bedarf noch näherer Betrachtung. Auf den Terminus "recommendation" als Gegensatz zu "obligation"141 darf dabei nicht abgestellt werden. Der Antarktisvertrag verwendet den Begriff nicht einmal, sondern spricht von "measures in furtherance of the principles and objectives of the Treaty". Das bedeutet, daß der Vertrag den rechtlichen Grundrahmen für solche Empfehlungen absteckt, aber daß diese auch im Vertrag nicht genannte Themata zum Gegenstand haben können, soweit sich eine Rückwirkung auf diese ergibt. Zweitens ergibt sich aus Art. IX Abs. 1, daß Empfehlungen zumindest in dem Maße bindend sind, wie es die Pflicht zur Vertragstreue verlangt;142 diese kann im Einzelfall zu einem Obstruktionsverbot, in Ausnahmefällen sogar einmal zur obligatorischen strikten Beachtung von Sätzen führen, denen unter normalen Umständen keine Bindungswirkung zukäme. Diese Frage würde sich erübrigen, wenn Empfehlungen stets bindend sein sollten; immerhin sind so bezeichnete und für bindend erachtete Rechtsakte auch in anderen Rechtsregimes bekannt (vgl. etwa Art. 14 Abs. 3 EGKSV). Sollte Bindungswirkung bestehen, so muß sie jedenfalls die Konsultativparteien als Urheber einer Empfehlung erfassen. Ferner setzt Rechtsverbindlichkeit einen formalen Zustimmungsakt der jeweiligen staatlichen Organe voraus. Das folgt nicht nur aus einem Vergleich mit dem herkömmlichen völkerrechtlichen Vertrag. Auch der Antarktisvertrag selbst sieht in Art. IX Abs. 4 für das Wirksamwerden ("become effective") von Empfehlungen vor, daß alle KonsuItativstaaten diese genehmigt haben. Dieser Genehmigungsakt wäre jeder Bedeutung beraubt, wollte man die bloße Verabschiedung einer Empfehlung für eine Rechtsbindung ausreichen lassen.

rechtlichen Vertrages (Abs. 1). Das Zustandekommen weiterer Anhänge folgt nach Abs. 3 den Regeln für Empfehlungen (wobei in praxi z.T. nach Ablauf einer gesetzten Frist Schweigen als Zustimmung gewertet wird); Gleiches gilt für eine Änderung der vier bestehenden Anhänge. Empfehlungen stehen jedoch nicht auf der Stufe völkerrechtlicher Verträge. Das Dilemma läßt sich in der Weise auflösen, daß man Abs. 1 im Hinblick auf Abs. 3 als materielle Grundlage für ein vereinfachtes Änderungs- bzw. Ergänzungsverfahren für den völkerrechtlichen Vertrag betrachtet. 141 Zu beachten ist aber, daß der Antarktisvertrag den Terminus "Empfehlung" (recommendation) überhaupt nicht verwendet. 142 Eine Empfehlung, deren Inhalt lediglich allgemeine, dem Gebot der Vertragstreue entspringende Verpflichtungen wiedergibt, ist zwar als deklaratorisch zu werten; nichtsdestoweniger konkretisieren die Konsultativparteien mit ihren Empfehlungen ja den Inhalt der Vertragstreue, so daß eine Annäherung an eine formale Bindungswirkung erreicht wird. Auch der Modus des Zustandekommens solcher Empfehlungen (Consensus) wäre bar jeder Bedeutung, würde er unabhängig vom materiellen Konsens nicht zum mindesten eine fonnelle Bindung herbeiführen.

B. Das Antarktische System, Raum und Umwelt

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Ein Minimum an Rechtsbindung entspringt, wie dargelegt, bereits aUgemeinen Treupflichten ("good faith", "bonne foi").143 Primär geht es aber um die Frage, ob einer Empfehlung, deren Inhalt von aUen Konsultativparteien gemäß Art. IX Abs. 4 genehmigt worden ist, Rechtsverbindlichkeit zukommt. Dafür spricht das Erfordernis der Genehmigung,l44 die - der Zustimmung zu völkerrechtlichen Verträgen verwandt - anderenfaUs ihrer Funktion beraubt wäre. 145 Gegen eine positive Verpflichtung läßt sich aber der

143 Im Einzelfall kann nach Treu und Glauben ein Staat, der eine Empfehlung bereits genehmigt hat, gehalten sein, die Ziele einer Empfehlung, die noch nicht von allen Konsultativparteien genehmigt worden ist, nicht zu vereiteln. - Empf. III-IX sieht für die Interimszeit bis zum Inkrafttreten ("become effective") der Vereinbarten Maßnahmen ("Agreed Measures", VM) vor, diese als Richtlinie zu betrachten. Empf. III-IX lautet: "The Representatives recommend to their Governments that until such time as the Agreed Measures on the Conservation of Antarctic Fauna and Flora may become effective in accordance with Article IX of the Antarctic Treaty, these Agreed Measures as far as feasible be considered as guide lines in this interim period." Der Wortlaut spricht allerdings nicht dafür, daß die Parteien über die Maßstäbe von Treu und Glauben hinaus gebunden sein sollen: Im Grundsatz geht es nur um die Pflicht zur Rücksichtnahme bei der Vertragserfüllung. - Die Empfehlung ist abgedruckt bei Bush Antarctica and International Law. A Collection of Inter-State and National Documents, Band I, 1982, S. 143, die VM selbst ebd., S. 146 ff. - Aubum (1982, S. 170) ist der Auffassung, eine Praxis, Empfehlungen auch bei fehlender formaler Zustimmung als bindend anzusehen, stehe im Widerspruch zu den Interessen der Claimants: "Claimants, particulary those for whom sovereignty is a vital issue, cannot publicly renounce the unanimity safeguard in the Treaty without damaging their position". - Das ist nicht korrekt. Folgt eine allfällige Bindungswirkung bereits vor der Genehmigung aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, so findet sie ihre Basis letztlich im Antarktisvertrag selbst. Aubum müßte konsequenterweise den Antarktisvertrag selbst als unvereinbar mit der territorialen Souveränität betrachten, was aber Art. IV AV kaum zulassen dürfte. 144 Wenn diese Bindung ab initio, wie in Empf. III-IX, ausdrücklich festgestellt wird, wird aber gerade bewiesen, daß in den übrigen Fällen ohne Genehmigung durch alle Konsultativparteien Rechtsverbindlichkeit grundsätzlich nicht eintreten soll. Die Vertragsautonomie als Ausfluß staatlicher Souveränität muß sich auf die (prima facie rangniedrigeren) Empfehlungen in gleicher Weise beziehen. Daß Empfehlungen Maßnahmen zur Förderung der Grundsätze und Ziele des Vertrages sein sollen, kann nicht zur Bindung ex ante führen, zumal auch zu deren Ausfüllung verschiedene Wege zur Verfügung stehen können. 145 Wolfrum, Die Internationalisierung staatsfreier Räume. Die Entwicklung einer internationalen Verwaltung für Antarktis, Weltraum, Hohe See und Meeresboden, Berlin et al. 1984. [zitiert: Wolfrum (1984a)], S. 81, weist auch auf Art. V CCAMLR hin; doch scheint dessen Absatz 2, der ja gerade die Nicht-Konsultativstaaten angeht und für diese eine Umsetzung von bestimmten Empfehlungen "as and when appropriate" vorschreibt, als Basis für ein argumentum de minore ad maius doch etwas zu schmal zu sein. - Noch geringere Aussagekraft hat der Hinweis von Orrego Vicuiia (1988), S. 65 f. und Bush I (S. 98) auf die Publikation von Empfehlungen in verschiedenen nationalen offiziellen Anzeigern - die ihren Grund letztlich im innerstaat-

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Erster Teil: Faktizität

Wortlaut des Art. IX Abs. 4 anführen, der sich in bezug auf Empfehlungen nicht des für völkerrechtliche Verträge verwendeten Terminus "entry into force" bedient (vgl. Art. XIII Abs. 5 AV), sondern lediglich von "become effective" spricht. 146 Indes ist auch diese Formulierung - kann eine von den Staaten mißachtete Empfehlung denn "Effektivität" beanspruchen, und würde ein lediglich mit Vorschlagscharakter ausgestattetes Instrument denn effektiviert werden müssen? - nicht geeignet, eine Stütze für die Ablehnung jeglicher Rechtsbindung zu bilden. Deutlicheren Indizcharakter besitzt der Wortlaut einer Reihe von Empfehlungen selbst: Vielfach wird "should" gegenüber "shall" der Vorrang eingeräumt; auch finden sich Appelle an die Konsultativstaaten, freiwillig Regelungen zu erlassen. 147 Andere Empfehlungen scheinen ihrem Wortlaut nach auf Bindungswirkung hinzudeuten. 148 In erster Linie sind die Vereinbarten Maßnahmen zu nennen, die man als "quasivertraglich" bezeichnen könnte. 149 Wenn die bereits erwähnte Empf. III-IX darum ersucht, die "Measures" bis zu ihrem Inkrafttreten ("become effective") als Richtlinie zu betrachten, so läßt dies keinen anderen Schluß zu, als daß sie nach jenem Zeitpunkt Rechtsverbindlichkeit erreichen; andernfalls wäre eine solche Übergangsregelung nicht verständlich. 150

lichen Normengefüge findet - und der Vergleich mit einer entsprechenden Praxis in Internationalen Organisationen. 146 Vgl. Orrego VicU/ia (1988), S. 65; Aubum (1982), S. 165 ff.; Bush I, S. 96 f. 147 In Empf. III-XI wird den Parteien nahegelegt, sie sollten freiwillig Regelungen über Robbenfang ("voluntarily regulate") beschließen; diese ist abgedruckt bei Bush I, S. 96. Vgl. auch Empf. IV-21 und V-7, abgedruckt bei Bush I, S. 190 f. bzw. 206. 148 Besipiele bei Bush I S. 97. 149 Vgl. van der Essen, Les reunions consultatives du Traite sur I' Antarctique, in: RBDI 15 (1980), S. 20 (22 f.): "Bien que divisees en articles, les mesures convenues ne sont pas techniquement une convention internationale mais de simples arrangements pris dans le cadre du Traite." Der Wunsch nach einer Konvention war durchaus lautgeworden; doch hatte man sich nicht auf ihren territorialen Anwendungsbereich einigen können; vgl. Orrego Vicufia (1988), S. 68. - Bis heute ist umstritten, ob die "Agreed Measures" sich auch auf die maritime Antarktis beziehen; Bush I, S. 147, hält eine Beschränkung auf den Kontinent und die Schelfeisbereiche für plausibler. 150 Es sei noch darauf aufmerksam gemacht, daß das gewählte Vokabular auch im Falle der Vereinbarten Maßnahmen nicht dasjenige des Art. XIII ("entry into force"), sondern des Art. IX Abs. 4 AV ist. - Empf. III-IX lautet: "The Representatives recommend to their Governments that until such time as the Agreed Measures on the Conservation of Antarctic Fauna and Flora may become effective in accordance with Article IX of the Antarctic Treaty, these Agreed Measures as far as feasible be considered as guide Iines in this interim period." - Die Empfehlung ist abgedruckt bei Bush I, S. 143, die VM selbst auf S. 146 ff.

B. Das Antarktische System, Raum und Umweh

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Mangels eindeutiger Hinweise im Vertrag erschließt sich der Weg aus dem Dilemma in der Tat über den erkannten Willen der Parteien. Als "Herren dieses Vertrages,,151 steht es ihnen frei, ihren Entschließungen kraft der eigenen Souveränität die Rechtsnatur zu verleihen, die sie im Einzelfall für angemessen halten. '52 Offen für dieses Resultat sind auch die Interpretationsregeln der IV. Konsultativtagung zu Empf. III-VII: ,,1. In becoming Parties to the Antarctic Treaty, States bind themselves to carry out its provisions and to uphold its purposes and principles; 2. Recommendations which become effective in accordance with ArticIe IX of the Treaty are, in terms of that ArticIe, ,measures of the furtherance of the principies and objectives of that Treaty'; 3. Approved Recommendations are an essential part of the overall structure of cooperation established by the treaty; 4. In pursuance of the principles and objectives of the Treaty there should be uniformity of practice in the activity of all Parties active in Antarctica; and 5. Approved Recommendations are to be viewed in the light of the obligations assumed by Contracting Parties under the Treaty and in particular ArticIe X."153

Die Interpretationsregeln stellen primär auf die Pflicht zur Vertragstreue ab, ohne auszuschließen, daß die Parteien die Befolgung einer Empfehlung für fakultativ erklären; insoweit kann sie noch "vertragsgestaltend" wirken. 154 151 Zu den Bedingungen für eine Vertragsänderung vgl. stellvertretend für viele Verdross/Simma, 3. Auf). 1984, S. 507 ff. (§§ 794 ff.). 152 Orrego Vicufia (1988), S. 65, nennt dies in gewisser Weise "hybrid". - In der Praxis sind die Konsultativstaaten auch bereits von der Maßgabe abgewichen, mit Empfehlungen die "principles and objectives" des Vertrages zu implementieren. Ob eine Abweichung von den Zielen und Grundsätzen des Vertrages die Empfehlung rechtswidrig werden läßt, ist zweifelhaft. Immerhin beruht die Geltungskraft einer Empfehlung auf dem übereinstimmenden Willen aller zur Genehmigung befugten Parteien; dies sind aber nur die Konsultativstaaten. - Aubum (1982), S. 262, hält offenbar die Rechtswidrigkeit von Empfehlungen für möglich. So stellt er die Unvereinbarkeit von Empf. IX-I mit Art. 11 und III AV fest und gründet u.a. darauf seine Auffassung vom Fehlen der Bindung der Konsultativparteien durch die Empfehlung. Der Versuch mancher Autoren (Colson, The Antarctic Treaty System. The Mineral Issue, Law Pol. Int. Bus. 12 [1980], S. 841 [883]; Orrego Vicufia [1988], S. 59), eine "norm-crating competence" auf der Grundlage der Lehre von den "implied powers" zu begründen oder zumindest zu erläutern, geht schon angesichts der plenitudo potentatum der beteiligten Staaten fehl. - Zu den dogmatischen Grundlagen dieser Lehre vgl. IGH, IC] Reports 1949, S. 182; Epping, in: Ipsen, § 6 Rn. 10. 153 Abgedruckt bei Bush I, S. 195. 154 Dieser "vertrags gestaltenden" Funktion entspricht die Äußerung von Orrego Vicufia (1988), S. 57, daß sich mit den Empfehlungen eine Ausweitung von Kompetenzen vollzogen habe, die das antarktische "norm-creating system" erst wirklich errichten konnte. - Lefeber (1992), S. 273, hält Empfehlungen demgegenüber grundsätzlich für bindend.

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Erster Teil: Faktizität

Die Bedeutung der Frage, ob Empfehlungen Rechtsgeltung zukommt oder nicht, vermindert sich mit den Anhängen zum Madrider Protokoll erheblich. Anfänglich wichtigstes Werkzeug antarktischer "Normgebung", werden die Empfehlungen spätestens mit Inkrafttreten des Protokolls funktional auf den Rang von Verwaltungs vorschriften reduziert sein. Zusammengefaßt läßt sich sagen, daß die Antarktis (in abstracto gesprochen) Gegenstand eines "Systems" von Normen sowie Verhaltenscodices ist, die sich dank einer Technik "normativer Schachtelung" gegenseitig durchdringen und ihren normativen Ausgangspunkt im Antarktisvertrag haben. Ob den Komponenten dieses Systems raumbestimmende Wirkung beizumessen ist, hängt von der Gestaltung seines normativen Fundamentes ab. Ein System von Normen, die ineinander verschachtelte "traites-cadre" darstellen, ist nach dem Gesagten durch die Merkmale der Ausfüllung wie der Ergänzung jeweils übergeordneter Bereiche bestimmt. Raumbestimmungen sind in einem derartigen System daher nicht nur auf oberster Stufe (Antarktisvertrag) zu erwarten. Von dieser Warte aus wird der im Antarktisvertrag (von den Aspekten der Art. V Abs. 1, 2 und Art. IX Abs. 1 lit. f abgesehen) unerwähnte Umweltschutz zum Gegenstand eines besonderen Interesses. 2. Die Funktionsmechanismen: Bifokalismus und ,,joint jurisdiction"

Manche Autoren stellen für das Antarktische System eine Verdichtung in der Weise fest, daß man heute von einem "antarktischen Territorium" in einem funktionalen Sinne sprechen könnte; dabei werden Vergleiche mit der EG gezogen. 155 Richtig an dieser Feststellung ist, daß in der Antarktis ein Konglomerat von materiellen und Kompetenznormen besteht, das auf einen Anwendungsbereich des Vertrages, ein Kompositum aus Land, Meer und Eisschelfen, Anwendung findet. Nicht zutreffend ist der gezogene Vergleich mit der EG; insofern nämlich ist der räumliche Geltungsbereich des Vertrages nichts als die Summe der Staatsgebiete ihrer Mitgliedstaaten (mit nur geringfügigen Abstrichen).156 Wenig glücklich erscheint auch die Wahl des Begriffes "Territorium" im gegebenen Zusammenhang, zum einen mit Blick auf die weiten Seegebiete, zum anderen angesichts der ungeklärten Souveränitätsfrage.

155 Vgl. nur Orrego Vicufla (1988), S. 83. 156 Vgl. Oppermann, Europarecht, 1991, § 4 Rn. 167: "Die [Europäischen Gemein-

schaften] verfügen nicht über das Attribut einer umfassenden Gebietshoheit. Sie kennen vielmehr im Sinne des für die Gemeinschaft fundamentalen Grundsatzes der beschränkten Einzelzuständigkeiten lediglich einen ,räumlichen Geltungsbereich' der Verträge."

B. Das Antarktische System, Raum und Umwelt

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Orrego Vicuiia gelangt mithin zu folgendem Schluß: "... [T]he Antarctic territory is regarded as a special sphere of validity of the legal order that has evolved under the Antarctic Treaty and related instruments."

Orrego konstatiert, daß nationalen Rechtsordnungen in ihrer Anwendung auf die Antarktis die ihnen sonst immanente Durchschlagskraft fehlt. Darauf gründe sich der hohe Grad internationaler Verflechtung in der Antarktis. 157 Daß sich dieses Phänomen auf die gewandelte funktionale Bedeutung der Souveränität bzw. die postulierte Hierarchie zwischen nationaler und internationaler Rechtsordnung gründe, 158 mag in der Sache zutreffen. Für die Non-Claimants, denen zufolge auf dem antarktischen Kontinent keine territoriale Souveränität besteht, ist aber die Frage der funktionalen Einordnung territorialer Souveränität in concreto ohne Belang. Dennoch trifft zu, daß ein antarktisches Normensystem ohne die Aufweichung der starren Souveränitäts-Konzeptionen im Zuge des völkerrechtlichen Wandels kaum hätte Gestalt annehmen können. Worauf aber vermag dieses System anhand so unterschiedlicher Grundvorstellungen, wie sie zwischen Claimants und Non-claimants bestehen, letztlich aufzubauen? Während die Non-claimants die Antarktis als Nichtstaatsgebiet betrachten, nehmen insgesamt sieben Claimants in bezug auf festgelegte, sich allerdings zum Teil überschneidende, an den Meridianen orientierte Sektoren l59 territoriale Souveränität in Anspruch (vgl. Übersicht II im Anhang A). Nur der relativ schmale "freie" (pazifische) Sektor des Kontinents bleibt von der Kontroverse ausgenommen, was sich - cum grano salis - auch für die subantarktischen Inseln sagen läßt, welche - unbestritten Staatsgebiet - nördlich 60° S liegen, mit ihrem Schelfbereich jedoch zum Teil in das Vertrags gebiet hineinragen und im übrigen durch die Canberra-Konvention an das Antarktis-Regime angekoppelt werden. Die vertrag schließenden Parteien haben die Kluft zwischen beiden Blöcken vermittels eines rechtstechnischen Kunstgriffes überbrückt, der mit dem Schlüsselwort "Bifokalismus" gekennzeichnet werden kann. Laut Frank erlaubt der "bifokale Ansatz" Claimants und Non-Claimants, den gleichen Wortlaut in unterschiedlicher Weise zu interpretieren; freilich beschränkt er den Wirkungsbereich des Bifokalismus auf Art. IV Abs. 2 lit. bund c

151

(1988), S. 79.

158 Dazu etwa Kelsen, Principles of International Law, 2nd edition, revised and edited by R. W. Tucker, 1967, S. 553 ff. 159 Sogenannte "Sektorentheorie"; vgl. dazu Schenk, Kontiguität als Erwerbstitel im Völkerrecht, 1978, v.a. S. 37 ff.

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Erster Teil: Faktizität

CCAMLR. I60 Tatsächlich aber ist die genannte Bestimmung nur eine Facette des Grundprinzips, auf dem das gesamte Antarktische System errichtet ist, und dessen Eigenart darin besteht, daß Claimants und Non-cJaimants die Bestimmungen des Systems in völlig unterschiedlicher Weise funktional einordnen. Ebenso wie bei einem Blick durch die Bifokalbrille ergeben sich zwei verschiedene Brennpunkte, die niemals koinzidieren werden. Das betrachtete Regelungsobjekt bleibt, unabhängig von der gewählten "Brennweite", das gleiche. Der Bifokalismus ermöglicht den Vertragsparteien also, unter Beibehaltung ihres Grunddissenses materielle Bestimmungen erstens zu kreieren und zweitens zu beachten, weil - der Natur der geschaffenen Bestimmungen entsprechend - die Handlungen von Parteien zur Ausführung dieser Bestimmungen von der jeweils eingenommenen Grundposition abstrahiert werden können (was für die dem Vertrag entspringenden Rechte und Pflichten nicht in gleicher Weise gilt). Entscheidend ist nicht die Koinzidenz der Interpretation, sondern diejenige der Handlungsweisen. 161 Auf diese Weise wird ein Funktionieren des Antarktischen Systems erst ermöglicht, doch werden ihm zugleich immanente Grenzen gesetzt: Regelbar ist nur mehr, was einer bifokalen Sichtweise unterworfen werden kann. Andernfalls würde eine Parteinahme zugunsten der Claimants oder der Non-cJaimants erfolgen, der bereits Art. IV A V einen Riegel vorzuschieben trachtet. Das Bifokalismus-Phänomen ist mit den FestIegungen antarktischer Raumregimes eng verquickt. Leitlinie dieses Bifokalismus ist Art. IV AV, den man als "territoriale Generalklausel" bezeichnen könnte. Art. IV stellt die Schlüsselbestimmung des Antarktischen Systems dar. Er folgt insoweit der notwendigen Erkenntnis, daß sich dieses System von der Frage territorialer Souveränität zu emanzipieren hat. Der Konflikt um das Bestehen bzw. den Ausgleich territorialer Souveränität ist neben dem Streben nach Nichtmilitarisierung des Weißen Kontinents eines der Hauptmotive für den Abschluß des Antarktisvertrages gewesen; 162 weil der Vertrag den Konflikt nicht lösen

160 R.F. Frank, The Convention on the Conservation of Antarctic Marine Living Resources, in: ODIL 13 (1983/84), S. 291 (360); vgl. auch Orrego Vicuiia (1988), S. 153. - Art. IV CCAMLR zählt gewiß zu den "raffiniertesten" Bifokalbestimmungen. 161 Ähnlich R.F. Frank, S. 307; vgl. auch Barnes, The Emerging Convention on the Conservation of Antarctic Marine Living Resources. An Attempt 10 Meet the New Realities of Resource Exploitation in the Southem Ocean, in: Charney, The New Nationalism and the Use of Common Spaces, 1982, S. 239 (265 f.); Bush I, S. 429. 162 R.-J. Dupuy, Le Traite sur l'Antarctique, in: AFDI 6 (1960), S. 111 (115 f.), wonach man mit dem Antarktischen System einen besseren Weg beschritten habe als den, auf den Spitzbergen durch seine Neutralisierung gelenkt worden sei: "Alors que le Spitzberg releve d'un statut deja ancien, dont I'application subit les inevitables implications de la guerre froide, ... les signataires du Traite de Washington ont voulu en proteger I' Antarctique et faire en sorte qu'aucun rideau de fer n'y soit jamais etabli."

B. Das Antarktische System, Raum und Umwelt

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konnte, mußte er aus dem Antarktisregime ausgegrenzt werden. Art. IV ordnet nur den Souveränitätskonflikt. Er schreibt weder einen inhaltlichen noch einen Verfahrenskompromiß in bezug auf die Souveränitätspositionen fest. Seine positive Kernaussage wird andererseits durch allerlei gewundene Formulierungen verschleiert, ganz abgesehen von der eher verunglückt wirkenden Begrifflichkeit. So ist von "rights of or ... claims to territorial sovereignty" die Rede; "Ansprüche" auf territoriale Souveränität sind dem Völkerrecht aber grundsätzlich fremd und überhaupt nur für den Fall eines (vertraglichen) Rechtstitels gegen einen anderen Staat auf Abtretung eines bestimmten Gebietes denkbar. Territoriale Souveränität aber wirkt vom Zeitpunkt ihres Bestehens an absolut. 163 Was in Anlehnung an den Sprachgebrauch des Art. IV als "Souveränitätsanspruch" bezeichnet wird, muß korrekterweise als Souveränitätsbekundung gelten, die Rechtswirkungen allenfalls auf den Erhalt der territorialen Souveränität zeitigen kann. Ein anderer rechtlich kaum einzuordnender Begriff ist "basis of claim". In der Tat hatten sich die USA wie die Sowjetunion, welche sich nach einigem Zögern gegen das Streben nach eigener territorialer Souveränität entschieden hatten, nichtsdestoweniger solcher "bases of claims" berühmt. Gemeint war, daß diese Staaten nach ihrer Vorstellung die materiellen Voraussetzungen für spätere Geltendmachung von Hoheitsrechten erfüllten, ohne Souveränität zu postulieren. Das allgemeine Völkerrecht indes mißt dem keine Rechtswirkung bei; insbesondere dürfen diese "bases of claims" nicht mit "inchoate titles" in Beziehung gebracht werden,l64 welche im Falle der Geltendmachung territorialer Souveränität

163 Ohne Staatsgebiet existiert ein Staat nicht. Die Existenz eines Staates impliziert das Bestehen territorialer Souveränität; wirkt sie erga omnes, so muß dies im Grundsatz auch für die territoriale Souveränität - als ein "ius cedendi" auf der einen und ein "ius utendi, abutendi et fruendi" auf der anderen Seite gelten (v gl. etwa Suy, Reflexions sur la distinction entre la souverainete et la competence territoriale, in: FS für Verdross zum 80. Geburtstag, 1971, S. 493 (504). - Das schließt eine Abtretung kraft dieser Souveränität bestehender Rechte nicht aus. Aufschlußreich in diesem Zusammenhang ist Art. III des Abkommens über die Panamakanal-Zone, geschlossen zwischen den USA und Panama am 18. November 1903 (abgedruckt bei Martens, Nouveau Recueil General des Traites, 2e serie, S. 661 ff.) Er lautet: "The Republic of Panama grants to the Uni ted States alt the rights, power and authority within the zone mentioned and described in Art. 11 of this agreement and within the limits of all auxiliary, lands and waters mentioned and described in said Article 11 wh ich the Uni ted Staes would possess and exercise if it were the sovereign 0/ the territory within which said lands and waters are located to the entire exclusion 0/ the exercise 0/ any such sovereign rights, power or authority." [Hervorhebungen von mir] 164 So aber "The Antarctic Treaty" Hearings, Committee on Foreign Relations, U.S. Senate, 86th Congress, 2nd Session (1960), S. 58, abgedruckt bei Bush III, S. 476 f. (Befragung des Leiters der US-Delegation Phleger durch den Senat); mit Recht ablehnend Aubum (1982), S. 105: "This construction is contrary to accepted

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Erster Teil: Faktizität

ohne vollständige Erfüllung der materiellen Konditionen hierfür entstehen, also eine Art "völkerrechtliche Anwartschaft" bezeichnen. "Inchoate titles" sind Vorrechte gegenüber allfälligen nachfolgenden Okkupanten zur Sicherung erstrebten originären Souveränitätserwerbs. Zudem sind "bases of claims" in praxi gegenstandslos: Wegen Art. IV Abs. 2 könnten sie, solange der Antarktisvertrag besteht, nicht zu territorialer Souveränität erstarken und würden nach Ablauf des Antarktisvertrages, da nur inter partes geschützt und im übrigen völkerrechtliches Nullum, ohnehin obsolet. 165 Art. IV Abs. 1 AV (wie auch seine Pendants in Art. IV CCAMLR und Art. 9 CRAMRA) hat - mit Ausnahme vieleicht des insoweit nicht eindeutig formulierten Unterabsatzes b - nicht nur als Interpretationsmaxime für den Vertrag Bedeutung;166 er gibt vor allem die Bedingung bekannt, unter der das Antarktische System erst entstehen konnte: keine Klärung der Souverän itätsjrage. Hierauf baut Abs. 2, der eigentliche Kern der Bestimmung, auf. Dessen Satz 2 setzt ein absolutes Verbot fest, über den Kreis der bisherigen Claimants hinaus Souveränität zu "beanspruchen".167 Weniger klar ist die Bedeutung des ersten Satzes; soll dieser mit Rücksicht auf Satz 2 nicht überflüssig sein, so fingiert er, daß Handlungen oder Erklärungen mit Bezug auf das Antarktische System gegenüber der jeweils anderen Partei keinen Rechtsgewinn oder -verlust herbeiführen können. 168

views of discovery and inchoate title." Vgl. ferner Nußbaum, Rohstoffgewinnung in der Antarktis, 1985, S. 68 ff. - "Inchoate titte[s] for completing the conditions of sovereignty" entstehen, Huber (Palmas Islands Case, RIAA 11, S. 870) zufolge, etwa im Falle von "a commencement of occupation of an island not yet forming part of the territory of aState". In diesem Falle müßte der Staat also, um einen vollen Souveränitätstitel zu erlangen, noch eine entsprechende Erklärung abgeben. 165 Im übrigen sei darauf hingewiesen, daß bei einer streng am Wortlaut des Art. IV AV orientierten Auslegung diese Bestimmung neue "bases of claims" nicht verbietet. 166 Eingehend Auburn (1982), S. 106. 167 Diese Bestimmung spielte beispielsweise für Ecuador bei seinem Vertragsbeitritt 1987 eine Rolle. Ecuador hatte vor 1959 einen territorialen Sektor in der Antarktis (der z.T. in den von keinem Staat für sich sonst in Anspruch genommenen "freien Sektor" hineingreift) definiert, gehört jedoch nicht zu den Gründungsmitgliedern des Vertrages. Je nachdem ob man Art. IV Abs. 2 so interpretiert, als seien "claims" im Sinne der Bestimmung nur diejenigen der Gründungsvertragsstaaten, oder im gegenteiligen Sinn, wäre ein "claim" Ecuadors vom Vertragsbeitritt dieses Landes an als als im Sinne der Bestimmung verboten oder erlaubt anzusehen. Nach der erstgenannten Auffassung hätte Ecuador also 1987 für die Dauer seiner Vertragsmitgliedschaft auf alle allfälligen Souveränitätsrechte verzichtet. 168 Vgl. auch Marcoux, Natural Resource Jurisdiction on the Antarctic Continental Margin, in: VJIL 11 (1971), S. 374 (403): "The 1959 Treaty was astandoff, each party agreeing not to expand its claims or make further claims in return for a guarantee that the Treaty could not jeopardize the claims it had made."

B. Das Antarktische System, Raum und Umwelt

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Damit zeigt sich einmal mehr, daß das Phänomen "Bifokalismus" nur im Bereich der Normanwendung, nicht aber für Rechtsgrund oder Norminhalt greift. Für die einzelne Vertragspartei existiert nur ein einziger Brennpunkt, ihre Rechtsanwendung vollzieht sich nicht nur subjektiv, sondern auch objektiv gesehen - es gibt ja nur eine einzige Rechtslage - monofokal. Ihr kommt es darauf an, ihre jeweilige Rechtsposition weiterhin vertreten zu können, ohne daß der Gegenauffassung rechtlich Tribut gezollt werden müßte. Art. IV AV und die korrespondierenden Bestimmungen hindern die Parteien nicht, ihre jeweiligen Rechtspositionen geltend zu machen und sich auch auf sie zu berufen; nur das Verbot, Gerichte mit dieser Fragestellung zu befassen,169 setzt insoweit eine Grenze. Art. IV ist nur negatorischen Charakters und in bezug auf territoriale Aspekte neutral. 170 Er strebt nichts als eine Positionsbestimmung und eine Positionsabgrenzung an. Auf dieser "Versäulung" in diskrepante Lager 171 beruht aber der antarktische Bifokalismus. Art. IV CCAMLR dehnt die Versäulung auch auf Seebereiche aus. Abs. 2 lit. a erklärt die Prinzipien des Art. IV Abs. 2 AV auch für auf Meeresgebiete anwendbar; Abs. 1 schreibt die Geltung der Art. IV und VI AV für die Vertragsparteien nochmals fest und ist außer für Nichtmitgliedstaaten des Antarktisvertrages nur deklaratorisch. Eigenständige Bedeutung haben hingegen Art. IV Abs. 2 lit. bund c, indem sie auch die Frage der maritimen Zonierung bzw. küstenstaatlicher Rechte der bifokalen Sicht unterstellen. Der Küstenstaat wird ebensowenig daran gehindert, die seiner Position entspringenden Rechte wahrzunehmen, wie Non-claimants zu ihrer Anerkennung ver-

169 Dieses Verbot ist nicht ausdrücklich im Vertrag festgelegt. Würde jedoch die Souveränitätsfrage zum Gegenstand eines Rechtsstreits erhoben, so würde damit gegen Art. IV A V verstoßen, der diesen Streit zwischen den Parteien unausgetragen belassen will, so daß jegliches Initiieren internationaler Gerichtsverfahren über die Souveränitätsfrage als Vertragsverletzung einzustufen wäre. Daß die Souveränitätsfrage (und mit welchen Konsequenzen) für die Verfahrensbeteiligung bedeutsam sein kann, zeigt Auburn (1982), S. 139, 141, auf. 170 Ebenso Marcoux, a.a.O.; zur "Neutralität" Orrego Vicuiia (1988), S. 153. 171 Der Begriff "Versäulung" wurde bislang zur Kennzeichnung der politischen Situation Österreichs insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg benutzt, doch paßt er auch auf den vorliegenden Kontext. Er kennzeichnet eine Situation, in der angesichts diametral entgegengesetzter Auffassungen kein gemeinsames politisches Wirken und eine inhaltliche Annäherung möglich scheint, in der aber auch angesichts des erwarteten Widerstandes keine Seite für sich Handlungen für das Ganze vollziehen kann. Die Polarisierung der Interessen bedingt eine Ausformung gegnerischer, innerlich grundsätzlich homogener Lager (vgl. nur Steininger, Polarisierung und Integration, 1975, S. 39, 284). Versäulung kann nur überwunden werden, indem die substantiellen Unterschiede zwischen den Grundpositionen ausgeklammert werden; einen Weg zu diesem Ziel eröffnet das Proporzwesen, ein anderer führt über den Bifokalismus. In jedem Fall gewinnt das Moment der Konsenserzielung besonderes Gewicht.

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Erster Teil: Faktizität

pflichtet sind; insoweit dürfen Handlungen auf bei den Seiten nicht als Anerkennung gegnerischer Rechtspositionen interpretiert werden. Diese Interpretationsmaximen sind für das Funktionieren des Antarktischen Regimes von zentraler Bedeutung: Sie schaffen Handlungsspielraum, ohne die Gefahr eines Rechtsverlustes in sich zu tragen. Nicht eindeutig geklärt bleibt die im Hinblick auf Art. IV Abs. 2 A V umstrittene Frage, ob die räumliche Ausdehnung küstenstaatlicher Gesetzgebung durch die Claimants auf gewohnheitsrechtlich sich verfestigende 200 sm (EEZ)172 als "Erweiterung bestehender Ansprüche" im Sinne jener Bestimmung aufzufassen sei; der Hinweis in Art. IV Abs. 2 lit. d CCAMLR, daß Art. IV Abs. 2 durch Handlungen im Zusammenhang mit der Canberra-Konvention nicht tangiert würde, scheint eher gegen die Auffassung zu sprechen. I?3

172 Dies gilt für das jeweilige Mutterland uneingeschränkt. Für die Antarktis liegen entsprechende Erklärungen vielfach nicht vor, was im Einzelfall ebenso den Schluß erlauben kann, daß für den Südkontinent die auf das Mutterland anwendbaren Regeln uneingeschränkt gelten, wie auch daraus gefolgert werden könnte, daß in Ermangelung einer ausdrücklichen Erwähnung für die Antarktis keine oder zumindest keine über den völkerrechtlichen Mindeststandard hinausreichenden Küstengewässer bzw. EEZ festgelegt werden sollten. Hinzu kommt, daß allfällige Erklärungen über die FestIegung maritimer Zonen vielfach bereits vor Jahrzehnten abgegeben wurden, so daß festgestellt werden müßte, ob ihr Inhalt den qualitativen wie quantitativen Wandel der maritimen Zonierung mitzutragen vermag. Vgl. dazu Scovazzi, Les zones cötieres dans l'Antarctique, in: FrancionilScovazzi, International Law for Antarctical Droit international de I' Antarctique, 1987, S. 291 (295 ff.); Lagoni, Antarctica. German Activities and Problems of Jurisdiction over Marine Areas, in: GYIL 23 (1980), S. 392 (397); Orrego Vicufia/lnjante, Le droit de la mer dans I' Antarctique, in: RGDIP 84 (1980), S. 340 (344 f.); Bush I, S. 430. 173 Die zweite, allerdings nur für das Zustandekommen der CCAMLR entscheidende Wirkung von Abs. 2 Iit. b, c bestand darin, daß sie die Einbeziehung der EEZ subantarktischer Gebiete in den Anwendungsbereich der Konvention ermöglichen. Auf diese Weise vermochte Frankreich sich, wenn auch mit Vorbehalten, der Einbeziehung der EEZ der unter seiner territorialen Souveränität stehenden Inseln Kerguelen und Crozet zu fügen. Diese Inseln liegen zwar nördlich 60° S und fallen damit nicht in den Geltungsbereich des Antarktisvertrages, wohl aber liegt ihre EEZ überwiegend südlich der in dieser Zone auf 45° S festgelegten, den CCAMLR-Geltungsbereich begrenzenden antarktischen Konvergenz. Da die territoriale Souveränität Frankreichs in bezug auf diese Inseln unbestritten ist, gilt dies auch für alle hiermit verbundenen küstenstaatlichen Rechte. Für die (sub)antarktischen Inseln gilt also Art. IV Abs. 2 Iit. b, c nur als einseitige Interpretationsmaxime mit der Maßgabe, daß die Küstenstaatsbefugnisse durch Handlungen im Zusammenhang mit der Konvention keine Beeinträchtigung erfahren können, andererseits die Non-cIaimants sich der Respektierung dieser Befugnisse nicht verweigern dürfen. Obwohl die - insoweit deklaratorische - auf Verlangen Frankreichs abgegebene Erklärung des Konferenzvorsitzenden den Eindruck erwecken könnte, wird doch diesen Gebieten in keiner Weise ein Sonderstatus eingeräumt: Auch im übrigen existiert ja ein - wenn auch nicht eindeutiger - territorialer Status.

B. Das Antarktische System, Raum und Umwelt

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Übersicht 3 Art. IV AV und seine Pendants

Abkommen

Anzuwendende Bestimmungen

Inhalt bzw. Spezifika

Antarktisvertrag

Art. IV

Basisbestimmung für den bifokalen Ansatz

Vereinbarte Maßnahmen

-

Eine eindeutige Bezugnahme auf Art. IV AV fehlt, auch in Art. I Abs. 2 VM, der mehrere Bestimmungen des Vertrages rekapituliert. Die Bindung an Art. IV AV folgt aber aus dem Modus der Verabschiedung der Vereinbarten Maßnahmen als dem AV untergeordneter Empfehlung gemäß Art. IX Abs. I AV.

Konvention zum Schutze der antarktischen Robben

Art. I Abs. I

Generalverweisung auf Art. IV AV für Meeresgebiete südlich 60° S

Konvention zum Schutze der lebenden Meeresressourcen der Antarktis

Art. IV

Rezeption des Art. IV AV; Ausweitung des bifokalen Ansatzes des Art. IV AV auf Meeresgebiete; keine eindeutige Anerkennung des Rechtes zur Geltendmachung einer kraft intertemporal geänderten Gewohnheitsrechts auf 200 sm ausgedehnten EEZ.

Konvention zur Regelung antarktischer Bergbauakti vitäten

Art. 9

Art. 9 CRAMRA entspricht im wesentlichen Art. IV AV, mit dem aus der Natur der Konvention entspringenden Unterschied, daß auch Nichtmitgliedstaaten des Antarktisvertrages an diesen gebunden werden.

Umweltschutzprotokoll zum Antarktisvertrag

[Art. 4; Art. 20]

Eine eigentliche Verweisung auf Art. IV A V fehlt; im Hinblick darauf, daß Nichtvertragsstaaten dem Protokoll nicht beitreten können, wäre diese auch überflüssig. Beachtenswert Art. 20, der den Gegenstand des Art. IV AV ausdrücklich von der Kompetenz der Schiedsgerichtsbarkeit ausnimmt.

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Erster Teil: Faktizität

Die kraft des Bifokalismus geschaffene Ordnung muß, wenn sie effizient sein will, im Ergebnis, nur gerade nicht in der Rechtsmethodik, die territoriale Ordnung "dahingestellt" sein lassen. Souveränität als politisches (und möglicherweise auch rechtliches) Faktum 174 wird über Art. IV AV erhalten und zur gleichen Zeit relativiert, nicht jedoch, wie gern behauptet wird, "eingefroren". Eingefroren wird allenfalls der Rechtsstreit, aber nicht einmal die divergenten Rechtspositionen und die vorgeblichen Befugnisse, danach zu handeln. 175 Die territorialen Aspekte werden nicht ausgeschlossen, sondern in die Normenkomplexe eingebunden. Insoweit bewirkt das BifokalismusPrinzip, wiewohl ihm gerade die Aussage über die Unvereinbarkeit beider Positionen innewohnt, ein NäheITÜcken der Extrema zueinander: Im vertraglichen Zugeständnis, daß die Gegenposition vertreten werden darf, liegt das stillschweigende Anerkenntnis der Möglichkeit ihrer Richtigkeit. Zugleich muß die von Fox aufgeworfene Frage, ob in der Antarktis zwei Rechtsordnungen nebeneinander existierten, 176 einstweilen jedenfalls dann verneint werden, wenn hierfür allein die Kompetenz zur Rechtsetzung als maßgeblich zugrundegelegt wird: entweder wurzelt diese Kompetenz in der territorialen Souveränität von Claimants oder nicht. Daß das antarktische System funktional gesehen über eine Eigendynamik verfügt, die es zu einer selbständigen Rechtsordnung werden läßt, steht dieser Feststellung nicht entgegen. 177 Freilich müßte die Antwort auf die - hier nicht gestellte - Frage, worauf sich das Antarktische System in Wahrheit gründet, nicht für den gesamten Kontinent auch dann nicht einheitlich ausfallen, wenn man die Möglichkeit des Erwerbs territorialer Souveränität im Südpolarbereich bejaht; auch dann wäre nicht ausgeschlossen, daß der eine oder andere Claimant die Voraussetzungen für das Bestehen territorialer Souveränität nicht oder nicht mehr erfüllte. Diese sektorale Betrachtung steht der übergreifenden Geltung des Bifokalismus jedoch nicht entgegen. Das Paradoxon des Bifokalismus liegt darin begründet, daß die "Versäulung" der Vertrags staaten in zwei prinzipiell gegnerische Lager mittels Festschreibung der inhaltlichen Grundlagen ihrer Gegnerschaft zwar nicht besei-

Orrego Vicuna (1988), S. 76. So zutreffend Pinochet de La Barra, Algunas reflexiones sobre el problema de la Antartica en el afio 2000, in: Orrego Vicuiia, La Antartica y sus recursos. Estudios internacionales, 1983, S. 355 (357): ,,[Njo se congel6 la soberanfa propiamente tal sino ... se mantuvo en statu la situaci6n que se vivfa esos dfas, "sin renuncia ni menoscabo" para nadie, quedando inmovilizado 10 litigioso, para unos y para otros, pero cada pafs sigui6 administrando su sector ... " Ebenso R.-J. Dupuy (1960), S. 123 ff. 176 S. 83. 177 Wolfrum (1984a) spricht bereits von einer "Rechtsordnung für die Antarktis" (S.49). 174 175

B. Das Antarktische System, Raum und Umwelt

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tigt, aber überwunden wird. Kennzeichnend für die Überwindung dieser Barriere ist, daß Rechtsetzung ihrem Grunde nach als gemeinsamer Akt betrachtet wird: Normgebung wird prinzipiell zu ,joint jurisdiction";178 nur der Erlaß von Ausführungsbestimmungen bzw. die Transformation obliegen noch den einzelnen Staaten, die dann entweder territorial staatliche oder quasi-flaggen staatliche Regeln aufstellen. Die Ursache für diese Prävalenz "gemeinsamer Rechtsetzung" erschließt sich, wenn man bedenkt, daß nur von einem oder mehreren Staaten beschlossene Bestimmungen, auch wenn ihr materieller Inhalt von den übrigen Vertragsstaaten akzeptiert werden könnte, allein deswegen auf den grundsätzlichen Widerstand der jeweils gegnerischen Staatengruppe stoßen würden, weil das ausdrückliche oder konkludente Einverständnis mit der vorgenommenen Rechtsetzung nach allgemeinen Regeln 179 die Anerkennung des der Rechtsetzung unilateral zugrundegelegten prätendierten Rechtsposition in sich schließen kann. Auf der Grundlage von Bifokalismus und ,joint jurisdiction" vermochte sich das Antarktische System zu entfalten. Die Antarktische Raumordnung wurzelt damit in der Uneinigkeit über die Gestalt einer territorialen (d.h. am Staatsgebiet anknüpfenden) Raumordnung. Nichtsdestoweniger ist sie von der letztgenannten jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abstrakt: eine der Rechtsauffassungen (sei es die der Claimants, sei es die der Nonc1aimants) vermag sie zu tragen. Welche dies sei, spielt allerdings im Ergebnis keine Rolle mehr. Letztlich erlaubt erst das normative Resultat, von "Bifokalismus" zu sprechen, da dieses das monolithische Produkt diametral entgegenstehender Auffassungen von der antarktischen territorialen Raumordnung ist. Stets muß jedoch im Auge behalten werden, daß der Bifokalismus für diese funktionale Raumordnung, wiewohl existenzentscheidend, so doch nur Interpretationsmaxime ist. Das Antarktische System bindet alle Gebiete südlich 60° S ungeachtet ihres territorialen Status - aber keineswegs ohne seine Berücksichtigung - in ein einheitliches Normensystem ein. Dieses Normensystem findet auf einen "Antarktis" genannten Raum Anwendung, dessen Grenzen in Art. VI AV teilweise festgelegt sind. Die Antarktis ist nicht lediglich der Anwendungsbereich einzelner völkerrechtlicher Verträge. Im Südpolarbereich ist ein Regime entstanden, kraft dessen die Antarktis als völkerrechtlicher Raum ein längst etabliertes Faktum ist.

178 Dazu Orrego Vicuiia (1988), S. 83. 179 Zur Bindungswirkung einseitiger Akte und zu den (eng miteinander verwandten) Rechtsfiguren ..estoppeI" und ..acquiescence" vgl. etwa Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, § 15 Rn. 8, § 16 Rn. 5 ff.

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Erster Teil: Faktizität

c. Die Widmung der Antarktis und ihre Nutzung Es ist gezeigt worden, daß die völkerrechtliche Raumbestimmung sich am Substrat im Raum orientiert, wobei der Antarktisvertrag die räumliche Begrenzung seines Geltungsbereiches wohl mehr aus Opportunitätsgründen in der Nähe der Antarktischen Konvergenz findet, während CCAMLR und CCAS diese Begrenzungslinie bewußt zugrundelegen. Mit der Feststellung, daß die Antarktis ein abgegrenzter Raum des Völkerrechts ist, soll es nicht sein Bewenden haben. Wenn das Substrat bestimmte Eigenschaften aufweist, die den Raum erst prägen, dann stellt sich die Frage, wie die Raumordnung funktional gestaltet ist. Dabei können in einem Raum ganz bestimmte Verwendungsformen derart im Vordergrund stehen, daß diese zum prägenden Bestandteil des Raumes selbst werden.

I. Die Antarktis und ihre Widmungszwecke Die Zwecksetzung geht (in der Antarktis hätte dies jedenfalls für die Nonclaimants zu gelten) über die ihrem Wesen nach wertfreie Ausübung territorialer Souveränität hinaus. Ist ein nicht eindeutig auf territorialen Aspekte fixiertes Normensystem in der Weise hinreichend verdichtet, daß es eine Raumordnung kreiert, dann deswegen, weil es quasi-axiomatische Grundsätze gibt, die diesen Systemcharakter bedingen und von daher in prägender Weise auf das Raumregime einwirken: Durch die von ihnen mitgestaltete funktionale Verdichtung treten sie in eine Wechselbeziehung zur Raumeigenschaft. Die genannten Grundsätze sollen hier mit dem Begriff der Widmungszwecke belegt werden. Derartige Widmungszwecke sind dem Völkerrecht durchaus nicht fremd, wie wohl am besten die für die Himmelskörper geltenden bzw. vorgesehenen Regimes zeigen. 180 Seine Heimstatt findet der Widmungs-Begriff freilich im innerstaatlichen Recht, wo er vor allem im Zusammenhang mit dem Straßenrecht gebräuch-

180 Vgl. z.B. Art. 2 Mondvertrag ("international peace and security"), Art. 6 Mondvertrag ("freedom of scientific investigation"); Art. III und IV Weltraumvertrag (Frieden, Internationale Sicherheit, Nichtmilitarisierung). Besonders der Mondvertrag koppelt diese "Widmungszwecke" nicht nur an die Idee des "Common heritage of mankind" (Überblick: Tab. VII im Anhang A), sondern auch an den Gedanken der "Rechte künftiger Generationen". Kritisch hierzu Bueckling, Das Menschheitssyndrom im Weltraumrecht und das Konsensusprinzip, in: MDR 34 (1980), S. 624 ff. - Auf den Begriff der "Widmung" - dort allerdings im Zusammenhang mit dem Gemeingebrauch am Meeresboden - rekurriert auch Graf Vitzthum, Der Rechtsstatus des Meeresbodens, 1972, S. 239.

C. Die Widmung der Antarktis und ihre Nutzung

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lich ist. Durch die Widmung wird ein Gegenstand oder ein Raum zur öffentlichen Sache. Diese öffentliche Sachen natur überlagert - als Sachen- bzw. Raumordnung - das zivilrechtliche Eigentümerrecht, das als "ius eminens", als Recht, die Sache zu verkaufen bzw. über sie zu verfügen, durchaus fortbesteht. Man spricht zuweilen auch von der Begründung einer öffentlichrechtlichen Dienstbarkeit. 181 Der Begriff des Widmungszwecks läßt sich auch für andere Sektoren nutzbar machen. Funktional nichts anderes als eine Zweckwidmung stellt der "normative Akt der UnterschutzsteIlung" (Ausweisung) bestimmter Räume als Naturschutzgebiete l82 dar, wie sie jedenfalls faktisch auch grenzüberschreitend existieren. 183 Durch normativen oder administrativen Akt wird ein Raum funktional aus seiner Umgebung herausgehoben. 184 Er wird einer bestimmten Zwecksetzung unterworfen, die regelmäßig der Allgemeinheit dienlich ist,185 und aus der schon von daher oder aufgrund normsetzerischer Konkretisierung die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit bestimmter Nutzungsformen folgt. Art. 2 USP bestimmt nunmehr: "The Parties commit themselves to the comprehensive protection of the Antarctic environment and dependent and associated ecosystems and hereby designate Antarctica as a natural reserve, devoted to peace and science." Nicht nur die verwendete Terminologie (to commit, to designate, to devote) erlaubt die Verwendung des Begriffes "Widmung" auch für diesen, wenngleich das internationale Recht betreffenden Bereich, sondern auch die Tatsache, daß Art. 2 USP Systemfundamente zu legen bemüht ist. Der Umweltschutz findet erstmals seine umfassende Geltung beanspruchende normative Verankerung, und er dient zugleich als Basis eines Normenkomplexes, der

181 Vgl. Salzwedel, Wege- und Verkehrsrecht, in: von MünchISchmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 9. Aufl. 1992, 8. Abschnitt, Rn. 1, 15 ff. 182 Vgl. etwa § 12 Abs. 2 BNatSchG; zur Ausweisung von Schutzgebieten Kloepfer, § 10 Rn. 50 ff.; HoppelBeckmann, Umweltrecht, 1989, § 18 Rn. 72 ff. 183 So z.B. die grenzüberschreitenden Naturparks an der deutsch-luxemburgischen und der deutsch-polnischen Grenze. - Vgl. auch BT-Drs. 10/2977, S. 34 ff. 184 Eine Ausnahme bilden insoweit die "Public Trusts" im anglo-amerikanischen Rechtskreis. Eine sie betreffende Lehre besagt in ihren materiellen Aspekten, daß bestimmte Räume (oder Raumsubstrate) kraft ihrer natürlichen Determination und zum Nutzen der Gesamtheit bestimmten ("Geschenk der Natur") Nutzungsformen vorbehalten sein müssen. Insoweit wird die Bedeutung der staatlichen Aktes allerdings auf eine quasi-deklaratorische Ebene reduziert. Vgl. dazu Sax, The Public Trust Doctrine in Natural Resource Law. Effective ludicial Intervention, in: MichLR 68 (1969/70), S. 471 (473 f., 485 f., insbes. Fn. 44 m.w.N.). 185 So § 1 BNatSchG. Vgl. hierzu die Präambel des Madrider Protokolls ("in the interest of mankind as a whole").

7 Kinunerer

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Erster Teil: Faktizität

sich von der GeneralklauseI des Art. 3 (dergemäß der Schutz der antarktischen Umwelt sowie der verbundenen und abhängigen Ökosysteme ein grundlegender Gesichtspunkt bei Planung und Durchführung alIer Aktivitäten im Vertragsgebiet sein solI) zu den Einzelbestimmungen der Anlagen, aber auch zu Art. 7 USP (Bergbauverbot) hin konkretisiert. Damit aber erfüllt der Umweltschutz genau die Funktion eines Widmungszwecks, als normatives "Memento" und Korrektiv auf die Systembestimmungen einzuwirken. Art. 2 USP ordnet sich in ein bestehendes Raumregime ein und ist doch als zusätzliche Stütze dieses stetem funktionalen Wandel unterworfenen Systems zu verstehen. Insoweit transponiert er die Erkenntnis der Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des Substrates sowie diejenige der ökosystematischen Gliederung innerhalb der Antarktis auf die gewillkürte Raumordnung. Die weitreichende Koinzidenz einer ökosystematischen Raumgliederung und des vertraglich festgelegten "Raumes Antarktis" sowie ihrer jeweiligen "Unterräume" (sub-spaces) ermöglicht nicht nur jenen effektiven Umweltschutz, der sich in der Antarktis bis hin zur Zweckwidmung verdichtet. In der zunehmenden Rücksichtnahme des Antarktisregimes auf ökologische Gegebenheiten deutet sich auch eine weitere Abkehr vom dualen, von dem Gegensatz zwischen Land und Meer geprägten Weltbild des Völkerrechts an. An die durch den Aggregatzustand des Substrats vermittelte objektiv bestimmbare Nutzbarkeit treten subjektive Momente, die dennoch von objektiven Determinanten - wie der Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit des Raumsubstrats - mitbestimmt sind. Noch sieht das Völkerrecht keine Pflicht zur UnterschutzsteIlung der Antarktis vor, die ihre Wurzel in der besonderen Schutzbedürftigkeit der antarktischen Gebiete hat, doch deuten sich im Umweltvölkerrecht, wie noch zu zeigen sein wird,186 derartige Entwicklungen zumindest an. Die Raumordnung des Völkerrechts, dies zeigt das Beispiel der Antarktis, eilt solchen möglichen Entwicklungen voraus, indem sie heute bereits mit ihren eigenen Traditionen bricht. Als weiterer Widmungszweck ist wissenschaftliche Forschung herauszustellen, der bereits der Antarktisvertrag in Art. TI und III gebührenden Respekt gezollt hat. Die genannten Widmungszwecke werden durch Kommunklauseln in den Präambeln der jeweiligen Verträge untermauert. 18? "Frie-

186 Infra Dritter Teil C.II.3 - 5. 187 Vgl. Präambel des Antarktisvertrages, Abschnitt 2 ("in the interest of a11 man-

kind"), Präambel der CCAMLR, vorletzter Abschnitt (,,[The Contracting Parties,] ... Believing that it is in the interest of a11 mankind to preserve the waters surrounding the Antarctic continent for peaceful purposes only and to prevent their becoming the scene or object of international discord; ... "); CRAMRA-Präambel (Abschnitt 3: "... that it is in the interest of a11 mankind that the Antarctic Treaty sha11 continue forever to be uses exclusively for peaceful purposes and sha11 not become the scene or object

C. Die Widmung der Antarktis und ihre Nutzung

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den" bzw. Nichtmilitarisierung stellen zwar für Entstehung und Fortbestand des Antarktischen Systems bedeutsame Elemente dar. Wegen des ausgrenzenden Charakters der einschlägigen Bestimmungen (Art. I A V und Art. 2 USP) kann der Vorbehalt friedlicher Nutzungen dennoch nicht als Raumwidmung bezeichnet werden. Sind militärische Nutzungen verboten, so folgt, daß vorbehaltlich weiterer Maßgaben - alle friedlichen Nutzungen gestattet sind. Raumprägend vermögen aber unter diesen friedlichen Nutzungen nur wenige zu wirken; das Verbot unfriedlicher Nutzungen vermag es wegen seines negatorischen Charakters erst recht nicht. Zudem konkretisieren Art. I AV und Art. 2 USP (soweit er das Pendant des ersteren darstellt) im wesentlichen nur Ziele und Grundsätze der VN-Satzung (wie Art. 1 Nr. 1, Art. 2 Nr. 3) in bezug auf die Antarktis. Als condiciones sine qua non für den Normenkomplex des Antarktischen Systems und (insoweit engere) Grundsätze (principIes) vermögen sie dennoch grundlegende Bedeutung zu erlangen. In der Einführung von Widmungszwecken trifft sich das Konzept des Antarktischen Systems mit der Weltparkidee 188 (und möglicherweise auch mit dem "Common-Heritage"-Ansatz.) Es geht mit Art. 211 Abs. 6 SRÜ konform, der den Küstenstaaten die Einrichtung besonderer Schutzzonen zugesteht. 189 Auch die Weltparkidee, nach welcher die Antarktis zu einem der Staatengemeinschaft zugeordneten Schutzgebiet erklärt werden sollte, - sie wird noch Gegenstand späterer Analysen sein - bleibt hinter der universalistischen Konzeption insoweit zurück, als sie nicht die Welt als "Park", als einheitliches, da einheitlichen Regeln unterworfenes Schutzgebiet ansieht. Daß die Weltparkidee auf der Zweiten Weltnationalparkkonferenz (USA, 1972) geprägt worden ist, dürfte mehr als nur eine historische Koinzidenz darstellen.

of international discord; ... "; Abschnitt 13: " ... that the effective regulation of Antarctic mineral resource activities is in the interest of the international community as a whole; ... "; USP-Präambel, vorletzter Abschnitt (" ... that the development of a comprehensive regime for the protection of the Antarctic environment and dependent and associated ecosystems is in the interest of mankind as a whole; ... "). In Anbetracht der Existenz des Art. 7 USP und im Hinblick auf die fast wortgleiche Präambelbestimmung der CRAMRA ist die Kommunklausel der USP-Präambel nicht ganz frei von Pikanterie. Andererseits konnte das Madrider Protokoll nicht nur insoweit in ganz erheblichem Umfang aus dem vorgefundenen CRAMRA-Material schöpfen (vgl. den umfassenden Vergleich von Podehl, Das Umweltschutzprotokoll zum Antarktisvertrag als Ergebnis der Verhandlungen über die Rohstoffnutzung in der Antarktis, 1993, S. 137 ff.). 188 Vgl. infra Dritter Teil, B. 189 Anders verhält es sich mit den ICRW-Walsanktuarien, in denen mit Ausnahme der Walfangbefugnisse ja die Meeresfreiheiten grundsätzlich unberührt bleiben.

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Erster Teil: Faktizität

11. Die Qualifizierung von Nutzungsformen im Antarktischen System Der Widmungszweck selbst trifft noch keine definitive Aussage darüber, welche Aktivitäten bzw. Nutzungen in der Antarktis verboten und welche erlaubt sind. Indessen liegt er einer Rangordnung von Nutzungsformen zugrunde, die bei der Ausfüllung des normativen Rahmens zutage tritt. Den Widmungszwecken lassen sich Aussagen darüber entnehmen, welche Nutzungsformen in der Antarktis privilegiert sind, also Vorrang gegenüber anderen, nichtprivilegierten Nutzungsformen genießen. Zu einem Verbot bestimmter Nutzungsformen wird es nur dann kommen, wenn Aktivitäten dem Widmungszweck offensichtlich zuwiderlaufen und das Privileg für andere Tätigkeiten durch sie unterminiert würde. Die nachfolgenden Analysen beziehen "Schutz der Umwelt" in den Kreis der Nutzungsformen ein. Dies steht im Einklang nicht nur mit traditionellen Völkerrechtsvorstellungen, wie sie etwa im Parallelismus zwischen der territorialen Souveränität und der ihr wesensgleichen territorialen Integrität zum Ausdruck kommen; angesichts der (nicht nur in der CRAMRA) angelegten Tendenzen zur "Monetarisierung des Umweltschadens"l90 wird auch deutlich, daß der Umwelt, und auf dieser Grundlage dem Umweltschutz, eine Wertigkeit zukommt, die aus herrschender anthropozentrischer Sicht Fremdwertigkeit, nach ökozentrischen Maßstäben Eigenwertigkeit darstellt. Handeln im Bewußtsein der Wertigkeit geht einher mit der Nützigkeit des HandeIns, so daß sich auch Umweltschutz als Nutzung betrachten läßt. Der gemeinsame Entwurf Australiens, Frankreichs, Belgiens und Italiens für eine antarktische Umweltschutzkonvention 191 orientierte sich bei der Frage nach der Qualifizierung von Nutzungsformen auch an ihrer Umweltwirkung; die privilegierte Nutzungsform Umweltschutz wurde zum Angelpunkt des Nutzungs-"Gefüges". Diese Maßstabswirkung des Umweltschutzes hat das Madrider Protokoll indes nicht übernommen. 1. Privilegierte Nutzungsformen

Unter "privilegierten Nutzungsformen" sollen hier solche gerechnet werden, die den Widmungszwecken korrespondieren oder aufgrund allgemeiner Grundsätze im Antarktisbereich eine privilegierte Position einnehmen. Aus der Privilegierung folgt eine weitgehende Vorrangstellung, was jedoch

\90 Vgl. dazu Daher, Diskussionsbeitrag, in: Kunig u.a., Umweltschutz im Völkerrecht und Kollisionsrecht (Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, Heft 32), 1992, S. 385. \9\ Abgedruckt bei Bush, Booklet AT90A, S. 21 ff.

C. Die Widmung der Antarktis und ihre Nutzung

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keinen absoluten Durchsetzungsvorrang gegenüber weniger privilegierten Nutzungen impliziert. a) Forschuni 92

Nicht nur historisch, sondern auch organisatorisch betrachtet, ist Forschung das Herzstück des Antarktisregimes. Hieran hält auch das Madrider Protokoll fest. Die antarktischen Stationen sind als Forschungsstationen ausgewiesen, Expeditionen sind regelmäßig wissenschaftlicher Art. 193 Unter diesem Blickwinkel läßt sich der größte Teil antarktischer Tätigkeiten auf Forschungszwecke zurückführen. Die Betrachtung soll sich hier daher auf die Kernaktivitäten wissenschaftlicher Forschung beschränken. Es wäre ein Irrtum, angesichts der Lektüre des Antarktisvertrages - insbesondere seiner Art. 11 und III - anzunehmen, antarktische wissenschaftliche Forschung sei ideologie- bzw. zweckfrei. Nicht nur diente sie bereits im Internationalen Geophysischen Jahr (lGY) dazu, politische Interessen wissenschaftlich zu verbrämen und zu kanalisieren, auch kann sie unmittelbar in den Dienst außerwissenschaftlicher Ziele gestellt werden: Wissenschaftliche Forschung kann ebensogut der Umwelterforschung und letztlich dem Umweltschutz dienen, wie sie zum Aufspüren und Ausbeuten von Lagerstätten dienstbar gemacht werden kann. 194 Diese jedenfalls in Teilbereichen diametral entgegengesetzten Zielsetzungen zeigen an, daß die Forschung, selbst privilegierte Tätigkeit, privilegierte und nichtprivilegierte, widmungsgemäBe und widmungsfremde Tätigkeiten miteinander verklammert. 195 Hinzu 192 Dazu u.a. Gjelsvik, Scientific Research and Cooperation in Antarctica, in: Woltrum, Antarctic Challenge, 1984, S. 41 ff.; Wong/Newman, Restrictions to Freedom of Scientific Research through Environmental Protection, in: Wolfrum, Antarctic Challenge 11, 1986, S. 110 ff.; De Cesari, The Regime of Scientific Research, in: Francioni! Scovazzi, International Law for Antarctical Droit international de l' Antarctique, 1987, S. 246 ff. 193 Zu touristischen und nichtgouvernementalen Expeditionen vgl. Nicholson, Antarctic Tourism - The Need for a Legal Regime?, in: Wolfrum, Antarctic Challenge 11, 1986, S. 191 (193); Roczek, The Legal Status of Visitors, Inc1uding Tourists, and Non-Governmental Expeditions in Antarctica, in: Wolfrum, Antarctic Challenge III, 1988, S. 455 (460 ff.). 194 Die Unterscheidung zwischen wissenschaftlicher, technischer und umweltbezogener Forschung in Art. 18 Abs. 2 CRAMRA ist damit lebensfremd. 195 Vgl. Präambel CCAMLR, Abs.4: ..... daß eine Vertiefung der Kenntnisse des Ökosystems der antarktischen Meere und seiner Bestandteile wesentlich ist, um Entscheidungen über die Nutzung auf fundierte wissenschaftliche Informationen stützen zu können ... "; ähnlich Abs. 5 der CCAS-Präambel. Vgl. auch Reck, The International Politics of Antarctica, 1986, S. 95 ff.

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Erster Teil: Faktizität

kommt die "appeasement"-Funktion, die dem gesamten Antarktisvertrag immanent ist: In gegensätzlichen strategischen und territorialen Interessen nahm das antarktische Vertragsregime gerade seinen Ausgang. Das Antarktische System erfüllt seine Konziliaraufgabe, so daß das Gewicht der genannten Primärziele schwindet. Nichtsdestoweniger geben sie Auskunft über den Grund und gegebenenfalls um die Reichweite der Privilegierung. Insoweit ist Gjelsviks Feststellung 196 zu unterstreichen: "In Antarctica, it is difficult to separate science and politics." Daraus ergibt sich folgendes Bild: Differenziert man nach der finalen Ausrichtung, so kann wissenschaftliche Forschung (von der Selbstnützigkeit abgesehen) die Förderung ökonomischer Belange (Bergbau, Fischerei) wie auch die Ermittlung von Erkenntnissen für ökologische Belange (Umweltschutz) betreiben. Diese Zielbelange sind aber untereinander konfligierend. Konflikte entstehen auch zwischen der wissenschaftlichen Forschung einerseits und den gegensätzlichen Zielbelangen andererseits: Ist ein Areal der Wissenschaft vorbehalten, würde die wissenschaftliche Tätigkeit durch ökonomische Nutzung beeinträchtigt, welche ihrerseits in der Lage ist, die Forschungsergebnisse (sofern nicht gerade nach den Auswirkungen ökonomischer Nutzung gefragt ist) zu verfälschen - und umgekehrt. Zum anderen aber müßten, wie die oft unvermeidlichen ökologischen Schäden im Bereich von Forschungsstationen oder die Folgen seismischer Sprengungen zeigen, auch ökologische Belange in gewissem Umfange zurücktreten. Umgekehrt könnte ein Areal, das ausschließlich dem Umweltschutz diente und daher für nicht mehr zugänglich erklärt wird, der Wissenschaft auch unter Umständen nicht mehr als Forschungsobjekt zur Verfügung stehen. Andererseits wiederum würde ein absoluter Schutz insoweit die Freiheit der Wissenschaft bedingen, als er das Areal potentiell für Forschung "freihält". Betrachtet man das Verhältnis zwischen wissenschaftlicher Forschung und Umweltschutz, so lassen sich die bestehenden Regeln in mehrere Kategorien mit zum Teil einander entgegengesetzter Finalität untergliedern: (1) Schutz der Umwelt auf der Grundlage wissenschaftlicher Forschung

Die Umweltnützigkeit wissenschaftlicher Forschung findet sich in Art. 11 AV (" ... wie sie während des Internationalen Geophysikalischen Jahres gehandhabt wurden ... ") nicht verankert. Die Notwendigkeit, eine Beziehung zwischen Forschung und Umweltschutz zu schaffen, wurde von SCAR 1960 betont und führte gemäß dessen Vorschlag zu einer Empfehlung der ersten

196

S. 42.

C. Die Widmung der Antarktis und ihre Nutzung

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Konsultativtagung (I-VIII), die Vereinbarten Maßnahmen zu erarbeiten. Während diese nicht unmittelbar die Bedeutung der Forschung für Umweltschutzmaßnahmen betonen, finden sich Bestimmungen zur Rolle der Wissenschaft als Schutzgrundlage in den speziellen Konventionen, so in Art. 3 Abs. 2 CCAS, wonach Maßnahmen zu Schutz und Nutzung der Robben die "besten verfügbaren wissenschaftlichen und technischen Erkenntniss[e]" zugrundezulegen sind, und in Art. 11 Abs. 3 CCAMLR: Der "Stand der verfügbaren Kenntnisse" über Einwirkungen auf das Ökosystem ist "in Betracht zu ziehen, um eine dauerhafte Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis zu ermöglichen".197 Dabei muß bedacht werden, daß nach Art. 11 Abs. 2 gilt: "For the purposes of this Convention, the term ,conservation' includes rational use". Die Forschung wird also in den Dienst der ökonomischen Nutzung und des ökologischen Schutzes zugleich gestellt, soweit diese Termini keine Gegensätze darstellen. Keine Gegensätze stellen sie dar, wenn sich die Nutzung im Rahmen des Vernünftigen 198 bewegt. Was unter "vernünftig" zu verstehen ist, sagt die Konvention nicht aus, doch geht dies letztlich aus den Erhaltungsgrundsätzen des Abs. 3 hervor, an denen die Nutzung mithin ihre Grenze findet. (2) Relative Priorität der Forschung gegenüber dem Umweltschutz Von einer "relativen Priorität" der Forschung l99 soll hier gesprochen werden, wenn die Anwendung von Regeln zum Schutze der Umwelt (einschließlich Flora und Fauna) Einschränkungen oder Ausnahmen im Interesse der Forschung unterliegt. Von einem relativen Vorrang der Forschung zeugen insbesondere die Erlaubnisvorbehalte in Art. 4 der Robbenkonvention und Art. 3 Abs. 2 sowie Abs. 5 USP-Anh. 11, der die gleichgerichteten Art. VI Abs. 2, 3 sowie Abs. 7 der Vereinbarten Maßnahmen ablösen wird; Entsprechendes gilt für Art. 7 USP-Anh. V, der an die Stelle von Art. VIII Abs. 3, 4 VM treten soll. Damit ist keine HöhersteIlung der Forschung ausgesprochen, wie etwa Art. 3 Abs. 3 USP-Anh. 11 deutlich macht, der in vielem Art. 11 Abs. 3 der Canberra-Konvention vergleichbar ist: Forschung darf nicht so weit gehen, daß sie den Erhalt der Objekte gefährdet, die letztlich ihr Gegen197 Dies wird konkret z.B. für die CAMLR-Kommission in Art. IX Abs. 1 lit. f CCAMLR bestimmt. 198 Die Übersetzung des Wortes "rational" (frz. "rationnel") mit "rationell" bei Burhenne dürfte den Kern der Sache nicht treffen. 199 Ihre Ausdehnung ist ein besonderes Anliegen von SCAR, das die Wissenschaft durch Radikalökologen bedrängt sieht; vgl. Report from the Scientific Committee on Antarctic Research (SCAR) to the XVIth Antarctic Treaty Consultative Meeting, in: XVIth ATCM, Final Report, Bonn 1991, S. 230 (241).

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Erster Teil: Faktizität

stand sind. In anderer, vielleicht deutlicherer Form räumt Art. 7 USP ("other than scientific research") der wissenschaftlichen Forschung relative Priorität ein; der Vorbehalt ist nur zusammen mit Art. 4 Abs. 1 USP und Art. 11 AV richtig zu verstehen. Die Privilegierung der Forschungstätigkeit2°O hat sicherlich für die Nichtänderungsklausel des USP Pate gestanden. Forschung im Sinne des Art. n AV ist auch solche, die den Abbau von Bodenschätzen im Auge hat. Hierzu gehört auch - jedenfalls materiell - Prospektion im Sinne des Art. 1 Nr. 8 CRAMRA (etwa Probesprengungen). Ein Verbot solcher, nicht wie Bergbau stillschweigend, sondern sogar ausdrücklich erlaubter und privilegierter Tätigkeiten könnte nicht anders denn als Vertragsänderung gekennzeichnet werden. Infolgedessen muß Art. 7 USP so interpretiert werden, daß er nur verbietet, Forschungsergebnisse materiell für Bergbautätigkeiten zu nutzen. Für ein Verbot der bergbaugerichteten Forschung selbst fehlt es an rechtlichen, aber auch - im Lichte der Prospektion - tatsächlichen Anhaltspunkten. 2ot Nach dieser Betrachtung müßte auch Abbautätigkeit in bestimmtem Umfange erlaubt sein, solange sie der Forschung dient und nicht der ökonomischen Ausbeutung. 202 Da Forschung aber auch wirtschaftliche Zielsetzungen haben kann, führt Art. 7 USP in eine Grauzone, innerhalb derer eine Grenzziehung zwischen "erlaubt" und "verboten", zwischen Forschung und Nutzung kaum möglich scheint. Das Motiv, etwa im Hinblick auf Ressourcennutzung in einer noch unbestimmten Zukunft geophysikalische Untersuchungen anzustellen, kann solche Tätigkeiten jedenfalls noch nicht in die Illegalität verweisen; anderenfalls wäre Art. 25 Abs. 5 USP, demzufolge nach Ablauf der 50-Jahres-Sperrfrist ein Rücktritt vom Protokoll möglich ist, eine leere Hülse. Die Gefahr, daß "erlaubte" Prospektion 203 unmittelbar und in Schürf- bzw. Förderaktivitäten einmün-

200 Hambro, Some Notes on the Future of the Antarctic Treaty Collaboration, in: AJIL 68 (1974), S. 217 (222 f.), weist darauf hin, daß eine Unterscheidung zwischen theoretischer und angewandter wissenschaftlicher Forschung weder durchführbar noch dem Vertrag zu entnehmen ist: "Scientific research, which is particularly mentioned, does not exclude scientific exploration for economically exploitable resources. To try to draw a line between pure and applied science would be completely futile, and certainly not warranted by the treaty." Diese Feststellung ist nur zum Teil richtig, bedenkt man, daß Art. IX Abs. 2 AV durchaus zwischen theoretischer und angewandter Forschung unterscheidet. 201 Zur Rolle des "prospecting" vgl. Orrego Vicuiia (1988), S. 216 ff.; Francioni, La convenzione di Wellington sulle risorse minerarie antartiche, in: RDI 72 (1989), S. 27 (29 f.). 202 Ebenso Hambro, S. 222. 203 In bezug auf das Moratorium gemäß Empf. IX-l und XI-l wurde kontrovers behandelt, ob sein Wortlaut die Mineralienprospektion (Art. 1 Nr. 8 CRAMRA) einschließe oder nicht. Dies hat weniger rechtliche als praktische Bedeutung, da erst das Auffinden von Mineralien den befürchteten "Wettlauf zu den Ressourcen" einleiten

C. Die Widmung der Antarktis und ihre Nutzung

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det, wie es Heap für das CRAMRA-Regime unter Hinweis darauf befürchtet, daß die materielle Beschlußfassung über Mineralienabbau nicht vor, sondern nach der erlaubnisfreien Prospektionsphase erfolgen soll - so daß sie für den Fall der Ressourcenentdeckung nur noch einen Formalismus darstellte _,204 besteht somit zwar grundSätzlich fort, wird aber künftig durch die rechtliche Schranke des Art. 7 USP minimiert. Keine relative Priorität, sondern Balance zwischen Umweltschutz und Forschung besteht im Bereich von "Sites of Special Scientific Interest" (SSSI);205 sie wird im Rahmen des neuen Schutzzonenregimes gemäß Anhang V zum Madrider Protokoll zumindest teilweise bestehen bleiben.

würde. Gemäß Art. 3 CRAMRA wäre die Prospektion vom Zeitpunkt des Inkrafttretens der CRAMRA bis zur Festlegung eines Durchführungsmodus ("Management Scheme") gemäß Art. 46 ff, 54 CRAMRA untersagt. Dagegen sieht Empf. IX- I ein Moratorium nur für nur Exploration und Nutzung (exploration and exploitation) von Bodenschätzen vor (vgl. auch Francioni (1989), S. 29 f.) Mit Recht ist darauf hingewiesen worden, daß angesichts der Freiheit wissenschaftlicher Forschungstätigkeit (Art. 11 AV) Prospektionstätigkeit nach dem Antarktisvertrag kaum verboten sein könne. Die Forschung ist auf Probebohrungen (etwa für seismische Sprengungen und paläontologische Untersuchungen, dazu Tessensohn, Geophysical and Geological Data in Antarctica - The Overlap between Science and Protection, in: Wolfrum (Hrsg.), Antarctic Challenge III, S. 179 (182 0; hinzuweisen ist auch auf Empf. XIV -2 und XIV-3) angewiesen und praktiziert diese Probebohrungen auch. Hinzu kommt, daß Art. I Nr. 8 CRAMRA "Prospektion" als "aimed at identifying areas of mineral resource potential for possible exploration and development" definiert. Die reine Forschungsbohrung läßt sich hierunter nicht subsumieren. Das Abgrenzungskriterium fällt jedoch in den subjektiv-intentionellen Bereich; für den Nachweis ökonomischer Zielsetzungen von Forschungsbohrungen fehlt es an kompetenten Organen, aber auch an der Aussicht auf Erfolg. Bereits die begrifflich-systematische Unterscheidung zwischen (Er-)Forschung und Prospektion dürfte schwerfallen (vgl. Tessensohn, a.a.O.) Es ist kaum vorstellbar, daß wissenschaftliche Tätigkeit auf kommerzielle Nutzung mineralischer Ressourcen "abziele"; häufig genug wird diese Neben- oder Sekundärziel sein. Daß das Bergbaumoratorium Prospektion nicht erwähnt, öffnet keine Lücke, sondern es deutet auf eine Grauzone hin, deren Bestehen dem Antarktisregime immanent ist (vgl. Francioni (1989), S. 30. - Dies anerkennt auch das Madrider Protokoll in Art. 7, indem es Bergbauaktivitäten im Rahmen wissenschaftlicher Forschung vom Bergbauverbot ausnimmt.). 204 Heap, The political case for the Minerals Convention, in: Cook, The future of Antarctica, 1980, S. 44 (47). 20S Vgl. Boczek (1983), S. 372; ders., Specially Protected Areas as an Instrument for the Conservation of the Antarctic Nature, in: Wolfrum, Antarctic Challenge 11, 1986, S. 65 (92 f.).

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Erster Teil: Faktizität

(3) Relative Priorität des Umweltschutzes gegenüber der Forschung Nach der hier zugrundegelegten Terminologie soll von einer relativen Priorität des Umweltschutzes gesprochen werden, wenn von Regeln zum Schutze der Umwelt die Forschung ebenso wie jede beliebige andere antarktische Aktivität betroffen ist. Die Privilegierung der Forschung wird dann zugunsten des Umweltschutzes zurückgedrängt. Diese relative Priorität ist sektoral eingegrenzt und erlaubt, wie die obigen Aussagen zur relativen Priorität der Forschung zeigen, keine allgemeingültige Aussage zur Vorrangigkeit eines der Ziele Umweltschutz und wissenschaftliche Forschung. 206 Eingeführt wird sie durch das Umweltschutzprotokoll, das der Forschungstätigkeit erstmals ausdrücklich Schranken setzt. In diesem Zusammenhang muß insbesondere Art. 3 Abs. 4 USP Erwähnung finden, der den materiellen "Grenzwerten" des Art. 3 auch für die Forschung ausdrücklich Geltung verleiht: Solche Tätigkeiten sind trotz Art. 11 AV nicht durchzuführen, wenn die dadurch verursachten Umweltschäden jenseits der "Signifikanzgrenze" liegen. Auch geht aus Art. 8 Abs. 1 USP hervor, daß Forschungsaktivitäten der UVP unterliegen müssen. Ein relatives, wenn auch labiles Gleichgewicht zwischen Forschung und Umweltschutz bestand im Rahmen der "Sites of Special Scientific Interest" (SSSI). Art. 3 Abs. 3 USP-Anh. Verklärt nunmehr alle SSSI und SPA pauschal zu "Antarctic Specially Protected Areas" (ASPA). Man mag hierin das Eingeständnis eines Scheiterns des SSSI-Konzepts sehen; in erster Linie handelt es sich jedoch um eine Akzentverschiebung im Rahmen des Nutzungsschwerpunktes solcher Schutzzonen zugunsten des Umweltschutzes. (4) Forschung als Schutzobjekt Eine Reihe von Bestimmungen haben die Förderung der Forschung zum Gegenstand, ohne daß insoweit eine Abgrenzung zu anderen Nutzungsmöglichkeiten getroffen wird. Dies gilt für Art. 9 Abs. I lit. a CCAMLR, wonach die CAMLR-Kommission Forschung in bezug auf die lebenden Meeresschätze fördern soll; gemäß Art. 9 Abs. 2 lit. g sind der Forschung vorbehaltene (maritime) Zonen gleichfalls durch die Kommission festzulegen. Gemäß Art. 3 Abs. 1 und 3 USP ist nunmehr die Forschung in ihrer Bedeutung für das Verständnis der Umwelt zu schützen: Nicht der Schutz der Umwelt durch Forschungstätigkeit steht hier im Vordergrund, sondern Garantien für die wissenschaftliche Forschung, auf der jener Umweltschutz erst aufbauen kann. 206 Vgl. VialI, Diskussionsbeitrag, in: Wolfrum, Antarctic Challenge 11, 1986, S. 124.

C. Die Widmung der Antarktis und ihre Nutzung

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Rücksicht auf Forschungstätigkeit ist ferner Gegenstand der Prüfungsparameter des Art. 3 Abs. 2 lit. c (ii, iii, v) USP. (5) Ökonomische Nutzung auf der Grundlage wissenschaftlicher Forschung

Dagegen finden sich im Antarktischen Normensystem kaum Bestimmungen, die sich mit der Ausrichtung wissenschaftlicher Forschung auf künftige ökonomische Nutzungsmöglichkeiten befassen. Was Bergbau betrifft, ist diese Zurückhaltung verständlich, war noch unter den Bestimmungen, die entstehungsgeschichtlich der CRAMRA vorausgingen, die Zulässigkeit dieser Nutzungsform umstritten. Aber auch die CRAMRA selbst enthält - von der Definition des "prospecting" in Art. 1 Nr. 8 abgesehen - keinerlei Bestimmungen, deren Gegenstand die Indienststellung der Forschung zugunsten der Nutzung mineralischer Ressourcen wäre. Anderes gilt - unter der Prämisse, daß Schutz lebender Ressourcen deren vernünftige Nutzung einschließe - für entsprechende Bestimmungen der CCAMLR; auf das insoweit Gesagte 207 kann verwiesen werden. (6) Schutz der Forschung gegenüber ökonomischer Nutzung

Wie bereits erwähnt, können durch Bergbau vorgerufene Modifikationen Beeinträchtigungen nicht nur der antarktischen Natur in ihrer Eigenschaft als Forschungsobjekt hervorrufen, sondern Forschungstätigkeiten in diesem Raum gänzlich unmöglich machen. Desgleichen muß verhindert werden, daß ein Raum in einer Weise durch andere Nutzungen "besetzt" wird, daß er für Forschung nicht mehr in Frage kommt. Diese generalpräventive Form des Schutzes der Forschung ist in Art. 9 Abs. 2 lit. g auch im Verhältnis zu ökonomischen Nutzungsformen angesprochen; sie hätte ihre Ergänzung in einem Bergbauverbot für SPA und SSSI finden sollen (Art. 13 CRAMRA). Rücksichtnahme auf Forschung im Rahmen konkreter Vorhaben wäre beispielsweise nach Art. 2 Abs. 3 lit. c, d CRAMRA gefordert und wird künftig von Art. 3 USp208 gefordert.

207 208

Infra Zweiter Teil, A.I.1.b.(3).(a). S.o. (d).

108

Erster Teil: Faktizität

(7) Garantie der wissenschaftlichen Forschung durch Institutionen Stärker als andere Bereiche ist derjenige wissenschaftlicher Forschung institutionell abgestützt. Die einschlägigen Bestimmungen zur institutionellen Anknüpfung lassen sich dabei in drei Bereiche untergliedern: interne Institutionalisierung, assoziierte Institutionalisierung (bzw. interne Assoziierung) und Kooperation mit externen Organen. Zu Organen der internen Kooperation zählen der (bereits eingerichtete) Wissenschaftliche Ausschuß zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze (Art. XIV f. der Canberra-Konvention): "Er ermutigt und fördert die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Forschung, um die Kenntnisse über die lebenden Meeresschätze des antarktischen Meeresökosystems zu erweitern." Ähnliche Aufgaben würde der Ratgeberausschuß nach Art. 23 ff. CRAMRA haben, auch wenn dieser nicht auf wissenschaftliche Funktionen beschränkt ist. 209 Den Bereich der Wissenschaften tangieren auch die Aufgaben der Kommissionen, so Art. 21 Abs. 1 lit. a, b CRAMRA. Die "interne Assoziierung" betrifft im wesentlichen die Zusammenarbeit mit dem 1958 gegründeten Scientific210 Committee on Antarctic Research (SCAR),211 das als wissenschaftliche Schalt- und Schnittstelle des Antarktischen Systems fungiert, sowie dem mit SCAR verbundenen COMNAP (Council of Managers of National Antarctic Programs), eine Austausch- und Schnittstelle bzw. Sitz von "know-how-Potential". Das SCAR ist, juristisch gesehen, "nicht-gouvernementale Organisation" und hat bei Konsultativtreffen Beobachterstatus inne. 212 Dessen ungeachtet ist es heute für das Antarktische System der zentrale Transmissionsriemen für wissenschaftliche Informationen. 213 Es liefert diesen wissenschaftliche Plä-

209 Art. 23 Abs. I: "There is hereby established the Scientific, Technical and Environmental Advisory Committee." Art. 26 Abs. 1 (spezifiziert durch Abs. 2 lit. a und b (ii»: "The Advisory Committee shall advise the Commission and Regulatory Committees ... on the scientific, technical and environmental aspects of Antarctic mineral resource activities." 210 Seit 1961; ursprünglich stand das "S" für "special". 211 Dazu Guyer, S. 168 f.; SCAR Report to the XVIth ATCM, S. 230 ff. 212 Vgl. nur Aubum (1982), S. 170. 213 Das SCAR betrachtet sich nicht als politische Organisation. So wird etwa die Interpretation der Verträge durch die Konsultativparteien von ihm unbesehen übernommen. - Zum Selbstverständnis des SCAR Gjelsvik, S. 42 f., 50 f.; Aubum (1982), S. 100, 182. Nicht zuletzt in dieser "unpolitischen" Ausrichtung grenzt sich SCAR vom Antarktischen System ab.

C. Die Widmung der Antarktis und ihre Nutzung

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ne und Informationen,214 und Entscheidungen werden häufig vom Inhalt der Stellungnahme des SCAR abhängig gemacht. 215 SCAR leistet auf Ersuchen der Konsultativstaaten Vorarbeit für Konventionen und liefert Vorschläge für Empfehlungen. Nicht nur die organisatorische, auch die personelle Verflechtung mit dem Antarktischen System ist eng. Viele Mitglieder der Regierungsdelegationen sind zugleich solche des SCAR. 216 Konsequenterweise befaßte sich bereits Empf. I-I sich mit den Beziehungen zu dieser Organisation. Obwohl SCAR nicht eigentlich Organ des Antarktischen Systems ist, nehmen die antarktischen Konventionen auf das SCAR Bezug und weisen ihm funktional die Rolle eines juristisch unabhängigen Expertenkomitees zu. 217 Bezugnahmen finden sich vor allem in der CCAS, wo dem SCAR (systemwidrigerweise) Aufträge vermittelt werden - hier handelt es sich auch juristisch in der Tat um eine "Organleihe" -, und in wesentlich geringerem Ausmaß in der CCAMLR. 218 In Art. 10 Abs. 2 CRAMRA findet SCAR dagegen keine Erwähnung. Die Kooperation mit externen Organen bzw. Organisationen tritt dahinter in ihrer Bedeutung zurück. Eine institutionelle Verflechtung minimalen Umfangs besteht darin, daß auch die WMO einen Vertreter in das SCAR entsendet. Im übrigen hat - darin besteht ein gewisser Unterschied zu der Kooperation mit Umweltschutzorganisationen - hat die Einschaltung anderer Internationaler Organisationen im wissenschaftlichen Rahmen wenig Bedeutung und vollzog sich, wo sie erfolgte, meist über SCAR als Transmissionsriemen. 219 Es will scheinen, als diente die vor allem dem SCAR zugewiesene Vorrangstellung der Ausgrenzung anderer Organisationen wie etwa UNEP,220 doch muß gerade hier der viel engere Tätigkeitsbereich des

Empf. I-I, I-IV. - Vgl. Auburn (1982), S. 121. 215 Anschauliche Beispiele sind Empf. VIII-3 und VIII-14, abgedruckt bei Bush I, S. 300 bzw. 329. 216 Guyer, S. 191. 217 Guyer, S. 191. 218 CCAS: Präambel, Art. 4 Abs. 2, Art. 5 Abs. 1,2,4-7, Art. 6 Abs. 1,3, Anlage: Nr. 6 lit. c, Nr. 7 lit. b; CCAMLR: Art. XXIII Abs. 3; CRAMRA: Art. 13 Abs. 6, Art. 34 Abs. 1; USP: Art. 10 Abs. 2, Art. 11 Abs. 4, Art. 12 Abs. 2. 219 Auburn (1982), S. 121 f.; Orrego Vicufia (1988), S.464. Die Organisationen von größerer Bedeutung für das antarktische System sind WMO, ITU, FAO, IOC (International Oceanographic Commission), ferner IWC und (die "non-governmental") ICSU (International Council of Scientific Unions). 220 Zu Bemühungen von UNEP, Einfluß auf die Antarktisagende zu erlangen, vgl. Orrego Vicufia (1988), S. 474 f. - Kritik an der "Ausgrenzungspolitik" der Konsultativstaaten übt beispielsweise Barnes (1982), S. 271 f.; ihm widerspricht u.a. van der Essen, Les reunions consultatives du Traite sur I' Antarctique, in: RBDI 15 (1980), 214

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Erster Teil: Faktizität

SCAR, ebenso wie seine tendenziell apolitische Natur, Berücksichtigung finden. Trotz eines institutionellen Ansatzes wird einer institutionalisierten Internationalisierung im Grunde entgegengesteuert. SCAR selbst sieht die Kooperation mit den Konsultativstaaten spätestens seit dem Zeitpunkt im Niedergang begriffen, da die Konsultativstaaten zur SCAR-Expertise über Perspektiven antarktischen Bergbaus (EAMREA-Report, 1979) eine Parallel studie anfertigen ließen. Die Funktionen dieser finanziell schlecht dotierten Organisationen werden in immer größerem Umfang von COMNAP wahrgenommen. 221 (8) Forschungstätigkeit als Mitgliedschaftsbedingung Eine weitere wichtige Funktion der Forschung ist, daß ihre Ausübung für wichtige Sektoren eine Beteiligungsvoraussetzung darstellt. Das wichtigste Beispiel für den Typ von Regelung, der derartige Voraussetzungen aufstellt, ist Art. IX Abs. 2 AV: "Jede Vertragspartei, die durch Beitritt nach Art. XIII Vertragspartei geworden ist, ist zur Benennung von Vertretern berechtigt, die an den in Absatz I genannten Tagungen [Le. Konsultativtagungen, Anm.] teilnehmen, solange die betreffende Vertragspartei durch die Ausführung erheblicher wissenschaftlicher Forschungsarbeiten in der Antarktis wie die Einrichtung einer wissenschaftlichen Station oder die Entsendung einer wissenschaftlichen Expedition ihr Interesse an der Antarktis bekundet. ,,222

Polare Grundlagenforschung reicht nicht aus, wollen Staaten den Erfordernissen des Art. IX Abs. 2 genügen; es muß sich um angewandte Forschungstätigkeit in der Antarktis handeln. Daß der Staat diese Voraussetzung erfüllt, wird in der Praxis jedenfalls bei Einrichtung einer Forschungsstation angenommen. 223 Seit 1989 läßt man für den Erwerb des Konsultativstatus sogar

S. 20 (20 f.), der die Effizienz des Antarktischen Systems gerade in seinen "geschlossenen Türen" (huis clos) sieht. Howard, The Convention on the Conservation of Antarctic Marine Living Resources. A Five-Year Review, in: ICLQ 38 (1989), S. 104 (111), zufolge vermochte das erwachende Interesse von UNEP, FAO und Nichtvertragsstaaten an der Antarktis den Abschluß der CCAMLR-Verhandlungen deutlich zu forcieren. 221 Vgl. SCAR Peport to the XVIth ATCM, S. 234 f., 240 ff. 222 Hervorhebungen von mir. 223 Bush I, S. 333 ff. - Daß in praxi die Errichtung einer Station und wissenschaftliches Interesse nicht zu koinzidieren brauchen, zudem aber das Fehlen einer solchen Koinzidenz trotz der mit Errichtung der Station verbundenen Vermutung vielfach (und möglicherweise zu Unrecht) unterstellt wird, schildert Machowski, S. 64 ff.

C. Die Widmung der Antarktis und ihre Nutzung

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genügen, daß ein Staat konkrete Pläne für wissenschaftliche Polarexpeditionen oder die Errichtung einer Forschungsstation hegt; politische Rücksichtnahmen oder Ressentiments haben in den letzten Jahren im Einzelfall darüber hinaus zu Verschiebungen bei den gestellten Anforderungen geführt. 224 Dabei ist allerdings umstritten, ob die Feststellung der entsprechenden Sonderkonsultativtagungen zur Erfüllung der Voraussetzungen konstitutiven oder deklaratorischen Charakter hat/25 diese Kontroverse geht am Kern der Sache vorbei, handelt es sich doch nicht um eine inhaltliche Voraussetzung der Statuszuerkennung, sondern nur um die Wahrnehmung einer Prüfungskompetenz durch die bisherigen Konsultativstaaten (ohne daß das Ergebnis nachkontrollierbar wäre). Über die Beitritts- und Rechtsetzungsbestimmungen des Madrider Protokolls sowie erleichterte Beitrittsbedingungen der anderen Konventionen wirkt die rechtliche Bedeutsamkeit aktiver Antarktisforschung auch in diese Abkommen hinein. Auch die Mitgliedschaft von Forschungsverbänden im SCAR steht unter nahezu den gleichen Bedingungen wie den von Art. IX Abs. 2 aufgestellten; sie kann daher gleichsam als "Eintrittskarte für den Konsultativstatus" gelten. Alternativ auf Forschung oder Nutzung stellt Art. XXIX Abs. 1 CCAMLR für die Mitgliedschaft ab und läßt insoweit ein bloßes Interesse genügen; anders aber für die Mitwirkung in der CAMLR-Kommission, die aktives Betreiben von Forschung oder Nutzung erfordert. Hinzuweisen ist ferner z.B. auf Art. 18 Abs. 2 CRAMRA, der für die Mitgliedschaft in der Bergbaukommission entweder Konsultativstatus (und damit implizit Forschungstätigkeit), Sponsorenschaft bezüglich Abbau von Bodenschätzen oder aktive Beteiligung an grundlegender wissenschaftlicher, technischer oder Umweltforschung for-

224 Vgl. Le/eber (1992), S. 272. Dieser kritisiert auch, daß etwa bei der Aufnahme Ecuadors und der Niederlande mit zweierlei Maß gemessen worden sei. Die "Bewerbung" bei der Staaten um Konsultativstatus war zunächst zurückgewiesen, dann aber positiv beschieden worden. Zu dieser Zeit hätten, so Le/eber, die Niederlande ihre Antarktisforschung auf ein hohes Niveau gebracht, während Ecuador kaum etwas vorzuweisen gehabt hätte. 225 Der Vertragswortlaut ("shall be entitled") spricht dafür, deklaratorischen Charakter solcher Feststellungen anzunehmen. Für eine konstitutive Wirkung spricht hingegen die zuerst im Falle Polens vorgenommene förmliche Prüfung, ob die Voraussetzungen des Konsultativstatus wirklich erreicht worden seien, der eine einstimmig zu treffende Entscheidung zu folgen hatte; vgl. auch Aubum (1982), S. 148 ff. Es scheint angebracht, Art. IX Abs. 2 AV im Sinne einer "Suspendierungstheorie" zu sehen, wonach der Erwerb des Konsultativstatus zwar "automatisch" erfolgt, Rechte daraus jedoch erst nach förmlicher Feststellung der Konsultativstaaten über die Erlangung dieses Status geltend gemacht werden können. Der Feststellung nur deklaratorisehen Wert beizumessen, erscheint jedenfalls angesichts der Gefahr, daß die Antarktis zum Betätigungsfeld vertragsfremder Interessen werden könnte, nicht sachgerecht.

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Erster Teil: Faktizität

dert; worin der Unterschied der letztgenannten zu wissenschaftlicher Forschung im allgemeinen Sinn bestehen soll, muß freilich offenbleiben. Aus alledem wird deutlich, daß die in Art. 11 und III AV dem Grunde nach angelegte und durch die nachfolgenden rahmenausfüllenden Verträge festgeschriebene Privilegierung wissenschaftlicher Forschung nicht zu einer absoluten Priorität der Forschung führen kann. In ihrer Eigenschaft als Transmissionsriemen zwischen Tätigkeiten und Nutzungsformen unterschiedlicher Rangstufen kann Forschung nicht von diesen abstrahiert betrachtet werden. Zweitens ist dort, wo Forschung gleichzeitig mit anderen privilegierten Nutzungsformen Geltung beansprucht, zwischen diesen eine Abwägung vorzunehmen. Der Vorrang einer Nutzungsform kann in diesem Rahmen bereichspezifisch, aber auch fallspezifisch sein. Die Privilegierung findet ihren Niederschlag aber nicht nur in (relativen) Prioritäten, sondern sie kann, wie dargelegt, auch Grundlage eines erhöhten abstrakten Schutzbedürfnisses der privilegierten Tätigkeit "Forschung" sein und ferner zu einem bestimmenden Moment für die Partizipation werden. Die in Art. 3 USP aufgeführten Umweltschutzgrundsätze erfassen auch die Forschung. Wissenschaftliche Aktivitäten sind somit wie alle anderen Tätigkeiten auf ihre Umweltverträglichkeit zu überprüfen. Dennoch wird man auch hieraus keinen generellen Vorrang des Umweltschutzes vor der Forschung ableiten können. Als vorwiegend als "negatorisch" zu charakterisierende Nutzungsform bedarf Umweltschutz keiner positiven Schranken, wohingegen der Forschung als "aktiver Nutzungsform" solche Schranken zu setzen sind. b) Umweltschutz

Auch Umweltschutz kann als Form der Nutzung betrachtet werden. Der Begriff "Nutzung" impliziert, daß die funktionale Raumunterworfenheit in irgendeiner Weise jemandem zugute kommt; Substanzeingriffe setzt er nicht voraus. Weniger deutlich kommt hingegen die Privilegierung des Umweltschutzes im Rahmen der Bestimmungen des Antarktischen Systems zum Ausdruck. Im Antarktisvertrag selbst finden sich nur wenige Anhaltspunkte, so in Art. V (Verbot der Herbeiführung von Nuklearexplosionen sowie der Lagerung von Atommü1I 226 ) und Art. IX Abs. 1 lit. f (Schutz und Bewahrung lebender Ressourcen als Vertragsziel). Erst die Präambel der für bindend erachteten Vereinbarten Maßnahmen (1964) scheint insoweit eine Änderung herbeizuführen, indem sie die Antarktis zum "Sonderschutzgebiet" ("Special Conservation Area") erklärt. Dieser Begriff läßt an einen umfassen-

226

Vgl. infra Zweiter Teil A.II.2.a.

C. Die Widmung der Antarktis und ihre Nutzung

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den Schutz nicht nur einzelner Arten oder Gebiete, sondern auch an die Bewahrung ökosystematischer Zusammenhänge denken. Indes bleiben die Vereinbarten Maßnahmen im wesentlichen auf den Schutz der Flora und Fauna beschränkt; ein "ökosystematischer" Aspekt ist den Bestimmungen nur in Rudimenten eigen. "Sonderschutzgebiet" ist daher teleologisch nicht nur auf den Schutz von Flora und Fauna zu reduzieren; es wird auch noch darzulegen sein, daß die Seegebiete der Antarktis von den einschlägigen Schutzbestimmungen teilweise ausgeschlossen bleiben. Mit CCAS und CCAMLR ist nicht nur dem Schutz lebender Ressourcen des Meeres völkerrechtliche Vertragsqualität zugewachsen, sondern die CCAMLR enthält in Art. 11 erstmals einen "ökosystematischen Ansatz", d.h. das Schutzobjekt wird auf Ökosysteme und zwischen ihnen bestehende Kausalketten erweitert. Bis 1991 haben über 60% aller Empfehlungen sich in irgendeiner Form auf den Umweltschutz bezogen, und seit zwei Jahrzehnten spielt der Gegenstand "Man' s Impact on the Antarctic Environment" eine gewichtige Rolle. 227 Vertraglich war die Privilegierung des Umweltschutzes an sich bisher nicht festgeschrieben. Abgesehen von den ohnehin spärlichen lebenden Ressourcen auf dem Lande nimmt der Umweltschutz nur in bezug auf die antarktischen Meere dank Art. 11 Abs. 3 CCAMLR eine privilegierte Stellung ein. Diese wird nicht dadurch beeinträchtigt, daß nach Art. 11 ungeachtet des Zieles, die lebenden Meeresschätze zu erhalten (Abs. 1), dieser ErhaltungsBegriff die "vernünftige Nutzung" umschließt (Abs. 2): Auch Art. IX Abs. 1 lit. f AV spricht nicht von "absolutem Schutz", sondern von "Erhaltung". Bewahrung und ökonomische Nutzung lebender Ressourcen stehen also als gleichberechtigte privilegierte Nutzungsformen in einem Balanceverhältnis zueinander, ohne daß eine dieser Nutzungsformen gegenüber der anderen einen absoluten Vorrang beanspruchen könnte. Auch eine relative Vorrangstellung - etwa infolge eines bereichsspezifischen Fangverbots - kann nach Art. 11 Abs. 2 CCAMLR nur zeitlich begrenzter Reflex der Notwendigkeit sein, auch auf längere Sicht dem Erfordernis gleichrangiger Erfüllung beider Ziele Rechnung zu tragen.

227 Vgl. Boczek, The Protection of the Antarctic Ecosystem: A Study in International Environmental Law, in: ODIL 13 (1983), S. 347 ff. m.w.N. Zumindest seit Mitte der siebziger Jahre ist "Man's impact [human impactj on the Antarctic environment" ein ständiger Befassungsgegenstand der Konsultativstaaten. Mit dem Schlagwort "Man's Impact on the Antarctic Environment" wurde erstmals Empf. VI-4 (1970) überschrieben. Hier finden sich auch erste Hinweise auf die später ständig geltend gemachte "besondere Verantwortung" der Konsultativstaaten für die antarktische Umwelt (,,[Tjhe Consultative Parties should assume responsibility for the protection of the environment and the wise use of the Treaty area; ... "); vgl. Bush I,

S. 236 f.

8 Kärrunerer

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Erster Teil: Faktizität

Kann die bisher praktizierte Verbindung von Umweltschutz zielen mit dem Instrument der Empfehlung bereits eine Privilegierung des Umweltschutzes begründen? Gemäß Art. IX Abs. 1 AV sind Empfehlungen - den Terminus selbst verwendet der Vertrag nicht, lediglich von "recommending" ist an einer Stelle die Rede - "Maßnahmen, [... ] durch welche die Grundsätze und Ziele des Vertrages gefördert werden", die in lit. a-f aufgelisteten Gegenstände nicht enumerativ-abschließend, sondern als Inhaltsbeispiele ("including") zu verstehen. Anders als die VN-Satzung enthält der Antarktisvertrag auch keine Liste dieser Grundsätze und Ziele, so daß diese den einzelnen Vertragsbestimmungen, unter Umständen aber auch ihrer Gesamtschau zu entnehmen sind. Maßnahmen zugunsten des Umweltschutzes müßten, da dieser nicht im Vertrag seine Verankerung findet, sich also als Reflexwirkung anderer Ziele und Grundsätze ergeben haben, wie etwa der Bewahrung der Antarktis zu Zwecken der wissenschaftlichen Forschung. 228 Andererseits sind die Konsultativstaaten trotz Art. IX Abs. 1 nicht gehalten, "Empfehlungen" auch in bezug auf Gegenstände auszusprechen, die nicht zu den Zielen und Grundsätzen des Vertrages zählen, da Empfehlungen nach allgemeiner Ansicht grundsätzlich lediglich hortatorischer Charakter zukommt. 229 Doch sind die Parteien an die Grundsätze und Ziele des Vertrages gebunden, so daß sich eine mögliche ansatzweise Bindung an Empfehlungen, die den Erfordernissen des Art. IX Abs. I AV genügen, zumindest aus dem Gebot der Vertragstreue ergeben muß. Weiter geht Boczek, der sich für eine weite Auslegung des Art. IX Abs. 1 lit. f ausspricht, welche den Umweltschutz ganz allgemein erfaßt: Es sei kaum denkbar, daß lebende Ressourcen geschützt würden, ohne daß auch deren natürliche Umwelt geschützt würde?30 So logisch diese Begründung ist, so wenig verträgt sie sich mit dem Wortlaut der Bestimmung und vor allem mit dem Entwicklungsstand des Umweltvölkerrechts im Jahre 1959, das sich mit dem Schutz einzelner Arten begnügte und dem ein ökosystema-

228 Diese Auffassung wurde auf einem Symposium der Fridtjof-Nansen-Stiftung 1973 vertreten (Report from the Meeting of Experts at the Fridtjof Nansen Foundati on at Polhogda, abgedruckt in: Hearing on V.S. Antarctic Policy, Subcommittee on Oceans and International Environment, Committee on foreign Relations, V.S. Senate, 94th Congress, Ist session on V.S. Policy with Respect to Mineral Exploration and Exploitation in the Antarctic, 15 May 1975, Washington 1975, S. 5 [76] - zit. nach Orrego Vicuiia [1988], S. 69 Fn. 1,4, und Boczek [1983], Fn. 136); die Auffassung, daß Bergbau in der Antarktis verboten sein müsse, da Freiheit der Forschung eine unkontaminierte Vmwelt voraussetze, geht jedoch zu weit (ebenso Lagoni [1979], S. 9, der auch darauf hinweist, daß die angeführte Position auch innerhalb der Nansen-Stiftung nicht ganz unumstritten war). 229 Supra B.II1.l. 230

(1983), S. 368; ebenso Blay, S. 379.

c. Die Widmung der Antarktis und ihre Nutzung

115

tisches Schutzkonzept noch fremd war. 231 Auch der Wortlaut von Empf. X-I (Präambel) ist nicht kohärent genug, um diese Auffassung zu stützen. 232 Somit bleibt festzuhalten, daß eine Privilegierung der Nutzungsform "Umweltschutz" bisher im Rahmen von CCAS und CCAMLR, im übrigen jedoch nur im Ansatz vorliegt. Erst mit dem Madrider Umweltschutzprotokoll, dessen Ziel darüber hinaus die Kreation eines "umfassenden" Schutzkonzeptes darstellt, wird der Umweltschutz zur privilegierten Nutzungsform erhoben. Art. 2 USP lautet: "The Parties commit themselves to the comprehensive protection of the Antarctic environment and dependent and associated ecosystems and hereby designate Antarctica as a natural reserve, devoted to peace and science." Der Wortlaut des Art. 4 Abs. I ("This Protocol shall supplement the Antarctic Treaty and shall neither amend nor modify that Treaty") läßt vermuten, daß es sich nur um eine ergänzende KlarsteIlung des Vertrages handelt. Diese Einschätzung kollidiert freilich mit Art. 7 USP, der materiell nicht anders denn als Zusatzbestimmung zum Antarktisvertrag zu qualifizieren ist. 233 Andererseits verändert Art. 2 USP nur die Gewichtung von Grundsätzen und Zielen, die dem Antarktischen System zumindest in Ansätzen seit jeher immanent waren, und mag insoweit als "supplement" betrachtet werden können. Art. 2 erfaßt mit "natural reserve, devoted to peace and science" den Ausschluß nichtfriedlicher Nutzungsformen und die Privilegierung der Wissenschaft, welcher der Umweltschutz als gleichrangig zur Seite gestellt wird.

231 Vgl. Kiss, Droit international de l'environnement, 1989, S.28 ff. - Es sollte nicht vergessen werden, daß die für die Ausformung des Umweltvölkerrechts so bedeutsame "Lac-Lanoux"-Entscheidung erst drei Jahre zurücklag. 232 Abgedruckt bei Bush I, S. 365 ff. Die einschlägige Passage lautet: " ... all the principles and purposes of the Antarctic Treaty system, inc1uding its objectives that activities in Antarctica should not become the cause of international discord, endanger the unique Antarctic environment, or disrupt scientific investigations" [Hervorhebung von mir]. 233 Bush, Tagungsbeitrag, in: ASIL Proceedings 85 (1991), S.470 (471), weist gleichfalls auf den obskuren Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 hin, zieht daraus jedoch einen ganz anderen Schluß, dessen Inhalt gravierender erscheint als die bloße Feststellung, daß Perplexität besteht: Es sei zu befürchten, daß Bestimmungen des USP, falls sie strenger seien als die bislang im Antarktischen System bestehenden, nicht beachtet würden, da nach Art. 4 Abs. 1 die alten Standards in Kraft blieben. Dem ist freilich entgegenzuhalten, daß für die Landgebiete vertraglich festgelegte Schutzstandards bisher nicht existierten, den zahlreichen auf den Umweltschutz bezogenen Empfehlungen aber keine Bindungswirkung zukam. Im Vordergrund steht damit der festgestellte innere Widerspruch zwischen Art. 4 Abs. 1 USP auf der einen und primär Art. 7 USP auf der anderen Seite.

8*

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Erster Teil: Faktizität

Diese Gleichwertigkeit der Nutzungsfonnen Forschung und Umweltschutz wird von Art. 3 Abs. 1 USP noch unterstrichen: "The protection of the Antarctic environment and dependent and associated ecosystems and the intrinsic value of Antarctica, including its wildemess and aesthetic values and its value as an area for the conduct of scientific research, in particular research essential to understanding the global environment, shall be fundamental considerations in the planning and conduct of all activities in the Antarctic Treaty area." Diese Bestimmung gründet sich 'auf einen ungewöhnlich weiten Umweltschutz-Begriff, der auch die Bewahrung der ästhetischen Werte des Raumes einschließt (so bereits Empf. XV -10). Sie bestätigt die schon an anderer Stelle festgestellte Wechselbeziehung zwischen Umweltschutz und Forschung: Nicht nur setzt Forschungstätigkeit eine intakte Umwelt voraus, sondern sie dient zugleich auch der Bewahrung dieser intakten Umwelt. Diese Wechselbeziehung ihrerseits ist sämtlichen Tätigkeiten in der Antarktis zugrundezulegen, das heißt auch solchen, die in Ausführung von Forschungs- oder Umweltschutzprogrammen stattfinden. Die abstrakte Abwägung zwischen Umweltschutz und Forschung, kraft derer die Nutzungsfonnen im Gleichgewicht zueinander stehen (was keine Gleichbehandlung bedeutet), wird um eine konkrete Abwägung ergänzt, innerhalb derer das abstrakte Gleichgewicht gegen die konkreten Ziele des Forschungsvorhabens abgewogen wird. Die Absätze 2, 3 und 4 stellen sich als Ausführung dieser Vorgaben dar, wobei Abs. 3 die Bedeutung der Forschung (für sich selbst, aber auch für den Umweltschutz) umfaßt und Art. 4 in erster Linie auf Abs. 2 zurückverweist, der im wesentlichen (aber nicht nur) auf den Umweltschutz abzielt. Art. 3 folgt letztlich einer "Schaukelhypothese", die sich jedenfalls nicht so in die Praxis umsetzen läßt. Auf die gravierenden Schwächen der Bestimmung, die gleichwohl mit der Berücksichtigung von "dependent and associated ecosystems" einen "transökosystematischen Schutzansatz" kreiert, wird noch im Zusammenhang mit der Umweltverträglichkeitsprüfung einzugehen sein. 234 Bestätigung findet die nunmehrige Privilegierung des Umweltschutzes durch Art. 10 USP, der den Katalog des Art. IX Abs. 1 AV um die Umweltschutz-Agenda ergänzt und damit die bisherige Empfehlungs-Praxis zusätzlich dogmatisch untennauert. Des weiteren wird die Privilegierung des Umweltschutzes durch die Anhänge (Annexes) zum Madrider Protokoll (die in ihrem bisherigen Bestand noch keinen umfassenden Schutz bieten) bestätigt: Alle Tätigkeiten innerhalb der Antarktis unterliegen der Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung (Anh. I) und müssen sich bindenden Abfallbeseitigungs-Bestimmungen (Abs. III) unterordnen. Die Verklappung im

234

Infra Zweiter Teil, A.II.I.

C. Die Widmung der Antarktis und ihre Nutzung

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Meer wird durch Anh. IV erstmals beschränkt. Anh. 11 hingegen und zum Teil auch Anh. V stellen sich als Neufassung der Vereinbarten Maßnahmen von 1964 dar. Alle diese Anhänge sind nach Art. 9 USP wesentliche Bestandteile des Protokolls und implementieren die Wertungen der Art. 2 und 3. Besonders das Erfordernis der Umweltverträglichkeitsprüfung bringt deutlich zum Ausdruck, daß der Privilegierung, wiewohl ein Beachtenserfordernis, so doch im Einzelfall keine absolute Vorrangigkeit der Nutzung folgt, auf die sie sich bezieht. Der Stellenwert der Umweltschutzagende nicht nur im Rahmen der antarktischen Widmungszwecke, sondern auch in jenem des Umweltvölkerrechts wird Gegenstand ausführlicher Analysen im zweiten Teil dieser Abhandlung sein. c) Fischerei

Nicht nur die Privilegierung der Fischerei ist in Art. VI A V verankert, sondern auch diejenige der Schiffahrt, des Überflugs, der Verlegung unterseeischer Kabel und der Errichtung künstlicher Inseln und ähnlicher Anlagen. 235 Während den drei letztgenannten Freiheiten in der Praxis ihrem Wesen entsprechend keine große Bedeutung zukommt,236 hat die Schiffahrt solche aufgrund der geographischen Randlage der Antarktis nicht inne; insoweit geht die Schiffahrtsfreiheit weitgehend in der Fischereifreiheit auf und soll hier nicht eingehender besprochen werden. Die Fischereifreiheit bezieht sich gemäß Art. VI A V zwar nur auf die Hohe See. Dieser Begriff war nicht nur in Rechtsetzung und Lehre einem Bedeutungswandel unterworfen, sondern ihre Ausdehnung wird auch mit Blick auf die Antarktis von den Claimants unterschiedlich beurteilt. Dabei ergibt sich nachstehendes Bild. Die Freiheit der Fischerei ist mit CCAS und CCAMLR noch einmal unterstrichen worden. Mag CCAS noch wesentliche Züge eines Fischereiabkommens im traditionellen Sinn aufweisen, das im Grunde nur quantitative Claims gegeneinander abgrenzt, geht es der CCAMLR um den Erhalt der lebenden Meeresschätze im Rahmen eines bestehenden Ökosystems. 237

235 Vgl. Art. 87 Abs. 1 Iit. a-e SRÜ. In bezug auf die Freiheit wissenschaftlicher Forschung, in Iit. f verankert, wären Art. 11, III AV im Falle des Inkrafttretens des SRÜ leges speciales. 236 Vgl. zu den Meeresfreiheiten etwa Gloria, in: Ipsen, § 49 Rn. 3 ff. 237 Vgl. Howard, S. 113.

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Erster Teil: Faktizität Übersicht 4

Der Begriff der Hohen See im Verhältnis zu Art. IV und VI AV Zugrundeliegende Betrachtungsweise

Konvention über die Hohe See von 1958. Als Hohe See werden alle Gebiete außerhalb des Küstenmeeres betrachtet, auch die Fischereizonen.

Seerechtsübereinkommen von 1982 (noch nicht in Kraft). Als Hohe See werden nur diejenigen Gebiete betrachtet, die sich nach außen an staatliche Einflußzonen (EEZ) anschließen.

Claimants

Soweit der Claimant eine Fischereizone festgelegt hat, sind seine dort ausgeübten Rechte (nicht: Freiheiten) nicht nur durch Art. IV AV, sondern letztlich auch Art. VI AV geschützt, der ja die Rechte (nicht notwendigerweise: Freiheiten) der Hohen See gewährleistet. (Allerdings Problem des intertemporalen Rechts: Gilt dies auch für nach 1958 - und aufgrund neuer Auffassung von der Hohen See - eingerichtete EEZ?)

Soweit eine EEZ (Fischereizone) festgelegt worden ist, wird die Ausübung der Rechte durch Art. IV CCAMLR gewährleistet. Art. VI AV garantiert die Freiheiten der außerhalb solcher EEZ gelegenen Bereiche.

Non-claimants

Die FestIegung von Fischereizonen wird nicht anerkannt (Art. IV AV). Art. VI AV bezieht sich also auf alle antarktischen Meeresgewässer mit dem Inhalt, daß insoweit die Freiheit des Fischfangs herrscht. Auch unter Zugrundelegung des weiten Hohe-See-Begriffs sind Nonclaimants kraft der Wertung in Art. IV nicht zur Respektierung einer Vorrangstellung der Claimants gezwungen.

Die FestIegung von Fischereizonen wird nicht anerkannt. Wegen Art. VI (und Art. IV) A V besteht in allen Meeresgewässern der Antarktis Freiheit der Fischerei.

C. Die Widmung der Antarktis und ihre Nutzung

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Art. VI A V beschränkt die Meeresfreiheiten und mit ihnen die Fischereifreiheit auf den Bereich der "Hohen See". Nicht nur interpretieren Claimants und Non-c1aimants diesen Begriff mit Rücksicht auf das Bestehen und Nichtbestehen maritimer Zonen unterschiedlich, sondern auf der Grundlage unterschiedlicher Auffassungen des Begriffes "Hohe See" wird das Spektrum der von Art. VI umfaßten Freiheiten selbst unter den Claimants variieren. Dies ändert nichts daran, daß die CCAMLR-Bestimmungen sich auch auf Art. IV A V auswirken. Art. IV und VI A V stehen aus bi fokaler Sicht in einem komplementären Verhältnis: Maßnahmen, welche die antarktischen Gewässer betreffen, tangieren Non-c1aimants in ihren angestammten Rechten auf Genuß der Meeresfreiheiten, Claimants dagegen in ihren der (prätendierten) Souveränität entspringenden Befugnissen.

2. Nichtprivilegierte Nutzungsformen Als nichtprivilegiert gelten diejenigen Nutzungen der Antarktis, denen zwar im Antarktisvertrag oder nachfolgenden Vereinbarungen nicht ausdrücklich eine relative Vorrangstellung eingeräumt worden ist, die jedoch als "peaceful purposes" gemäß Art. I Abs. I Satz 1 A V zu den erlaubten Tätigkeiten gerechnet werden. Solche Tätigkeiten sind den "Zielen und Zwecken" des Vertrages gemäß Art. X AV untergeordnet. 238 Eine verbreitete Auffassung definiert als "friedlich" (peaceful) alle Zwecke, die nicht ausdrücklich als militärisch bezeichnet werden;239 dagegen wenden sich manche, die mit Rücksicht auf die Präambel des Antarktisvertrages ("für alle Zeiten ausschließlich für friedliche Zwecke zu nutzen und nicht zum Schauplatz oder Gegenstand internationaler Zwietracht werden zu lassen") als "unfriedlich" jede Zielsetzung ansehen, die internationale Streitigkeiten auslöst. 240 Noch weiter gehen manche, die bereits die Gefahr, eine Tätigkeit könne internationale Zwistigkeiten auslösen, für ausreichend erachten, um die mit ihr verknüpften Ziele als "unfriedlich" anzusehen; hierauf wird die mitunter vertretene Ansicht gestützt, das Verbot des Mineralienbergbaus sei im Vertrag selbst angelegt. 241 Während die letztgenannte Auffassung bereits dem Wortlaut des Vertrages nicht gerecht wird - die bloße Möglichkeit internationaler

238 Vgl. z.B. Empf. VI-7 Abs. 1 (abgedruckt bei Bush I, S. 238) in bezug auf den Tourismus. 239 Hanessian, The Antarctic Treaty 1959, in: ICLQ 9 (1960), S. 436 (468). 240 So etwa Auburn (1982), S. 95. 24\ Vgl. Nansen-Stiftung, S. 79 f.; zu dieser Möglichkeit auch Bilder, The Present Legal and Political Situation in Antarctica, in: Charney, The New Nationalism and the Use of Common Spaces, 1982, S. 167 (186 f.).

120

Erster Teil: Faktizität

Streitigkeiten läßt eine Zielsetzung nicht per se als unfriedlieh erscheinen -, scheint auch der Rückgriff auf eine weite Fassung des "international discord" vom Vertrag nicht gedeckt: Die Verknüpfung des Begriffs "peaceful purposes" in Art. 1 Abs. 1 A V mit einer enumerativen Nennung ausschließlich militärischer Zwecke (die nicht notwendigerweise im Kampfeinsatz militärischen Geräts bestehen) spricht ebenso hiergegen wie die Tatsache, daß es 1959 in erster Linie um die Nichtmilitarisierung der Antarktis ging, um die Nichtausschöpfung ihrer militärisch-strategischen Funktion. 242 Ziel war in allererster Linie, die Antarktis aus der militärischen Blockbildung herauszuhalten. Nach der hier vertretenen Auffassung sind als "peaceful" alle jene Zielsetzungen zu werten, die nicht im Zusammenhang mit möglichen militärischen Einsätzen stehen. Nutzungsformen, die mit einiger, ja hoher Wahrscheinlichkeit internationale Konflikte auslösen, sind nicht aufgrund Art. I A V verboten. Damit allerdings ist noch keineswegs ihre Zulässigkeit garantiert, denn die Pflicht zur Vertragstreue gebietet den Parteien des Vertrages, Streitigkeiten schon in ihrem Frühstadium beizulegen (vgl. die Festschreibung dieses Grundsatzes in Art. XI Abs. 1 A V) und alles zu unterlassen, was zu einer Gefährdung der Vertragsbeziehung führen könnte;243 in dieser Weise läßt sich auch das Streben der Präambel nach Bewahrung der "internationalen Harmonie" interpretieren. Auch Vorbereitung und Führung eines Wirtschaftskrieges wären also beispielsweise in der Antarktis verboten. Auch Tourismus ist als nichtprivilegierte Nutzung einzustufen. Mehr noch als Bergbau, über dessen Möglichkeit gegen Ende der fünfziger Jahre immerhin bereits nachgedacht wurde, ist Antarktis-Tourismus ein "nachvertragliches" Phänomen. Die Regelungsdichte ist in diesem Bereich vergleichsweise gering, was auch darauf zurückzuführen ist, daß die Notwendigkeit des Erlasses kanalisierender Normen nicht einhellig bejaht wurde und manche Länder, insbesondere solche in geographischer Nähe der Antarktis, offenbar auch ein wirtschaftliches Interesse mit "Ausflügen in die Antarktis" verbanden. Ein von Deutschland gemeinsam mit Chile, Frankreich, Italien und Spanien auf der XVII. Konsultativtagung (Venedig, 11. - 20. November 1992) eingebrachter Entwurf eines USP-Anhanges zum Tourismus stieß jedenfalls auf den Widerstand der USA und des Vereinigten Königreichs, aber auch Australiens und Neuseelands. 244 Obschon erste touristische Expeditionen von Südamerika aus bereits in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre stattgefunden hatten, fehlte 1959 insoweit noch das Bewußtsein der RegeVgl. Quigg, S. 144. 243 Vgl. Lagoni (1979), S. 16; Orrego Vicuiia (1988), S. 56 (zum Mineralienbergbau). 244 Die Agende wurde auf die folgende Konsultativtagung (Japan, Frühjahr 1994) verschoben. Vgl. auch Abschlußbericht der XVII. Konsultativtagung, para. 109. 242

C. Die Widmung der Antarktis und ihre Nutzung

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lungsbedürftigkeit. Waren die touristischen Expeditionen der fünfziger Jahre primär als Manifestationen prätendierter Souveränitätspositionen aufzufassen, ist die Tourismus-Welle, deren Beginn mit dem Jahre 1966 anzusetzen ist, durch Veränderungen in MobiIitätsverhalten und Sozialstruktur der Einwohner vieler Länder bedingt - "a natural development" laut der Präambel von Empf. VIII-9 (1975).245 Nach einem steten Anwachsen der Besucherzahl bis etwa 1980 ebbte die Besucherwelle ab, scheint aber seit Mitte der achtziger Jahre und insbesondere in jüngster Zeit wieder im Ansteigen begriffen zu sein. Der zahlenmäßig bedeutende Flugzeugtourismus - in der Regel ohne Landung - erlebte durch das Erebus-Unglück im November 1979 einen empfindlichen Rückschlag. 246 Während Antarktisrundflüge in der Regel, außer durch Mitverursachung des berüchtigten "Polardunstes", andere Nutzungsformen der Antarktis nicht beeinträchtigen, betreten Kreuzfahrttouristen zumeist den antarktischen Kontinent. Mag auch die Gesamtzahl der Antarktistouristen im Vergleich zur Größe des Kontinents zu vernachlässigen sein, birgt ihre Konzentration auf wenige eisfreie Kontinentalrandgebiete - deren Gesamtfläche vielleicht nicht einmal ein Prozent der Kontinentalfläche ausmacht, die aber den überwiegenden Teil der kontinentalen Pflanzen- und Tierwelt und einen Teil der amphibischen Fauna ebenso beherbergen wie fast sämtliche Forschungsstationen - durchaus nennenswerte Kompatibilitätsprobleme, die in den Fragen nach der ökologischen Tragfähigkeit und wissenschaftlicher Leistungsfähigkeit zum Ausdruck kommen. Beeinträchtigungen der Umwelt können durch Störungen der Pflanzenwelt - Vernichtung von Flechten und Moosen vorwiegend durch mechanische Einwirkung, auch etwa im Zusammenhang mit dem Flugzeugverkehr - und Tierwelt - Beeinträchtigung von Robben, Pinguinen, Seevögeln an ihren Rast- bzw. Brutplätzen - verursacht werden. Touristen könnten darüber hinaus durch unbeabsichtigte Einschleppung fremder Spezies, von Bakterien und Viren die ökologische Balance stören. Ferner sind Umweltbeeinträchtigungen durch Unfälle zu befürchten; die havarierte Bah{a Para{so etwa war ein Touristenschiff. Gewiß können Störungen dieser Art auch durch Aktivitäten der Mitglieder von Forschungsstationen ausgelöst werden, können sie in manchen Fällen auch Folge einer Effektkumulation touristischer und wissen-

243 Überblick über die Entwicklung des Tourismus bei Nicholson, Antarctic Tourism - The Need for a Legal Regime?, in: Wolfrum, Antarctic Challenge 11, 1986, S. 191 (191 f.); Boczek, The Legal Status of Visitors, Including Tourists, and NonGovemmental Expeditions in Antarctica, in: Wolfrum, Antarctic Challenge III, 1988, S. 457 ff. - Empf. VIII-9 ist abgedruckt bei Bush I, S. 322 f. 246 Dazu Aubum, The Erebus Disaster, in: GYIL 32 (1989), S. 156 ff. - Empf. XI-3 (bei Bush I, S. 448) erklärte die AbsturzsteIle zum "Grabmal" (tomb) und schuf auf diese Weise ein antarktisches Schutzgebiet sui generis.

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Erster Teil: Faktizität

schaftlicher Aktivitäten sein. Der Wissenschaft wird aber durch Art. 11 AV bereits vertraglich eine Privilegierung eingeräumt, die als Wertung in ihrem Verhältnis zur Wissenschaft Berücksichtigung finden muß. Da Touristen ganz überwiegend von Forschungsstationen betreut werden, scheint die Beeinträchtigung kontinuierlicher Forschungstätigkeit nicht ausgeschlossen. Störungen dieser Art sind auch durch allfällig notwendige Rettungs- und Unterstützungsaktivitäten der Forschungsstationen bedingt. Bis jetzt sind keine Bestimmungen erlassen worden, welche die Absorption der Wissenschaftler durch ihre "Gastgeberrolle" verhindern. 247 Bezeichnend ist allerdings, daß zwar bestimmte Areale als vor allem wissenschaftlichen Zwecken vorbehaltenes Gelände ausgewiesen sind (SSSI) und Touristen Sonderschutzgebiete (SPA) nicht betreten dürfen, während die Festlegung von "Areas of Special Tourist Interest" (Empf. VIII-9 Abs. 2 lit. b LV.m. Annex B) bis heute immer wieder an Bedenken ("whether it would be prudent") der Vertragsparteien scheiterte. 248 Der 1989 neu eingeführten Schutzzonenkategorie der Multiple-Use Planning Area (MPA) kommt eine vergleichbare Bedeutung nicht zu, da in ihnen ein funktionales Gleichgewicht ohne Vorrang einer bestimmten Nutzungsform herrschen soll (Empf. XV-lI Abs. 2249 ). Als zulässige Nutzungsform, als "peaceful pursuit par excellence" (Boczee so ) kann Tourismus nicht ohne Vertragsänderung verboten werden;

nicht diese, aber eine Koordination mit anderen antarktischen Nutzungsformen wurde von den Vertragsparteien 2S1 angestrebt. Nicht nur zu Forschung, sondern auch zu Umweltschutz besteht ein Spannungs verhältnis: "Scientists still know very little about the ecological situation in the Antarctic. At the present stage in research on these matters, some restrietions and precautions may seem unnecessarily harsh, but preliminary studies indicate the need for great caution ...252

247 Vgl. Überblick über die Stellungnahmen der Konsultativstaaten im Abschlußbericht der XV. Konsultativtagung, para. 120-127, abgedruckt bei Bush, Booklet AT4, S. 19 f. Knapper heißt es im Abschlußbericht der XII. Konsultativtagung, para. 27 (abgedruckt bei Bush Booklet ATI, S. 49): "It was agreed that the isolation of the region meant that assistance by national programs to such activities [i.e. tourism and non-governmental expeditions] was expensive, disruptive to research programs and sometimes hazardous to life and equipment." Hierzu auch Nicholson, Antarctic Tourism - The Need for a Legal Regime?, in: Wolfrum, Antarctic Challenge 11, 1986, S. 191 (194). 248 Vgl. Abschlußbericht der XI. Konsultativtagung, para. 16, bei Bush I, S. 439. 249 Abgedruckt bei Bush Booklet ATI, S. 52. 250 (1988), S. 477.

251 Vgl. XIII. Konsultativtagung, Abschlußbericht, para. 70 (bei Bush Booklet AT2, S.44). 252 Parker / Angino, S. 253.

C. Die Widmung der Antarktis und ihre Nutzung

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Erschwert wird diese Koordination durch Schwierigkeiten der begrifflichen Abgrenzung: Als "Besucher" oder "Touristen im weiteren Sinne" kommen alle Personen in Betracht, die der persönlich-hoheitsrechtlichen "Privilegierung" des Art. VIII Abs. 1 A V nicht unterliegen, also nicht nur (wissenschaftlich oder nichtwissenschaftlich tätige) Expeditionsmitglieder aus Nichtkonsultativstaaten und Nichtvertragsstaaten, sondern auch die unter dem Schutz der Konsultativparteien stehenden Journalisten, Regierungs- und Parlamentsmitglieder, Tagungsteilnehmer, konsequenterweise aber auch Forschungspersonal der Stationen, das keinem der Konsultativstaaten zugehört. Damit ist aber noch keine Aussage über den Stellenwert der von solchen Personen ausgeübten Tätigkeiten verbunden. Ihrer Natur nach "nichttouristisch" sind Forschungsaktivitäten nichtgouvernementaler Organisationen sowie solche der Nichtkonsultativ- bzw. -vertragsstaaten, die alle aber Art. VIII Abs. 1 A V nicht unterfallen. Andererseits lassen sich unter diese Bestimmung touristische Randaktivitäten wissenschaftlicher Forschungsgruppen der Konsultativparteien 253 subsumieren. Die Abgrenzungsschwierigkeiten sind nicht nur definitorischer Natur, sondern auch von juristischen Vorgaben der Art. 11 und VIII AV geprägt. Für nicht von Konsultativparteien unterstützte Tätigkeiten sind die Empfehlungen des Antarktischen Systems nicht bindend. 254 Ebensowenig können diese sich auf die vertraglich verankerten Privilegien für Forschungsaktivitäten berufen; allerdings besteht Anlaß zur Annahme, daß gerade die Freiheit wissenschaftlicher Forschung in Gewohnheitsrecht erstarkt ise 55 oder die Vertragsstaaten kraft Estoppels (oder jedenfalls rechtserheblichen Schweigens "acquiescence") bindet. Letzten Endes kristallisiert sich eine Gruppe von Wissenschaftlern heraus, die zwar das Fachprivileg der Wissenschaft für sich in Anspruch nehmen kann, die aber nicht eindeutig einer Hoheitsgewalt zu-

253

Vgl. Boczek (1988), S. 464 f.

Ob Empf. VIII-9 ("Effects of Tourists and Non-Governmental Expeditions in the Antarctic Treaty Area", abgedruckt bei Bush I, S. 322) auch auf Aktivitäten Dritter bezogen werden sollte, geht aus seinem Wortlaut nicht hervor. Zumindest Aktivitäten dritter Staaten in der Antarktis scheinen hiervon nicht berührt zu sein, wie Empf. VIII-8 und die in sehr vorsichtiger Weise an diese Staaten appellierenden para. 15 - 17 des Abschlußberichtes der VII. Konsultativtagung (abgedruckt bei Bush I, S. 266) beweisen. Aus der Sicht der Claimants, die nicht an die quasi-flaggenstaatliche Hoheitsausübung gebunden sind, wäre es durchaus denkbar, Aktivitäten privater wie auch staatlicher Dritter einer Reglementierung und Kontrolle zu unterwerfen.- Die zitierte Empf. VIII-9 differenziert zwischen Touristen und "other persons not sponsored by Consultative Parties" sowie zwischen "those sponsored by Governments" und "those not so sponsored". Zu den Kriterien für diese Unterstützung Boczek 254

(1988), S. 463. 255 Bilder (1982), S. 190.

124

Erster Teil: Faktizität

geordnet sind;256 das angebliche Privileg des Art. VIII Abs. 1 droht zu eIner Art Exterritorialität umzukippen. Art. VIII AV, der das antarktische Forschungspersonal zum Gegenstand hat, nimmt jurisdiktional eine Sonderstellung ein, weshalb er den funktionalen Kategorien räumlich entzogen sein soll. Er unterstellt, vereinfachend gesagt, mehrere Personen gruppen ausschließlich "nationaler Ausübung von Hoheitsgewalt", nämlich Beobachter gemäß Art. VII Abs. 1, ausgetauschtes wissenschaftliches Personal gemäß Art. III Abs. 1 lit. b AV und schließlich ihr wissenschaftliches Begleitpersonal - wie auch immer dieses begrifflich zu erfassen sein mag. 257 Damit ist die Norm in den Dienst der antarktischen Kooperation gestellt: Der Austausch von Wissenschaftlern soll nicht durch legislative Hürden erschwert werden ("in order to facilitate the exercise of their [gemeint ist das wissenschaftliche Personal, Anm.] functions under the present Treaty"). Dabei läßt Art. VIII Abs. 1 es genügen, wenn die in Betracht kommende Handlung bei Gelegenheit der Ausübung wissenschaftlicher Tätigkeit erfolgte; ein Zusammenhang mit letzterer wird nicht verlangt. Der Wortlaut des Art. VIII Abs. 1 ist verwaschen. Da die Vertragsstaaten, ja auch die Claimants untereinander, keine Einigkeit darüber zu erreichen vermochten, auf welches Prinzip die Ausübung von Hoheitsgewalts im antarktischen System zu gründen sei, wurde ein Komprorniß angestrebt, der den ausgetauschten Wissenschaftlern letztlich eine "Art Immunität"258 verleihen sollte. Das muß aber bedeuten, daß die ihnen zuerkannten Privilegien nicht über die einem Diplomaten gewährten hinausgehen dürften. Die Privilegien betreffen mithin die Verantwortlichkeit für "acts or omissions", also Straftaten, Ordnungswidrigkeiten und zivilrechtliche Delikte. Es muß allerdings angemerkt werden, daß die Bezeichnung als Immunität im Lichte des Bifokalismus unzutreffend ist: Immunität setzt die Existenz eines "Gastgeberlandes", also dessen territoriale Souveränität, begrifflich voraus;259 gerade die Befugnis zur territorialen Ausübung von Hoheitsgewalt war und ist aber unter den Vertragsparteien umstritten. In verschiedenen Empfehlungen drückt sich der Wunsch nach einer Differenzierung zwischen nichtgouvernementalen Expeditionen und Tourismus aus, während an anderen Stellen eine pauschale Behandlung beider Gruppen

256 Vgl. Boczek (1988), S. 460 f., 477. m Vgl. Orrego Vicufia (1988), S. 92 f. 258 Vgl. nur Aubum (1982), S. 197 f. 259 Immunität (dazu etwa Fischer, in: lpsen, § 31 Rn. 42 ff.) ist eine Form der Befreiung von der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates. Gerichtsbarkeit setzt aber das Bestehen territorialer Souveränität voraus; sie ist eine Form der ,jurisdiction".

c. Die Widmung der Antarktis und ihre Nutzung

125

im Vordergrund steht. 260 Gouvernementale und nichtgouvernementale Expeditionen werden teils getrennten, teils gemeinsamen Regeln unterworfen (wobei allerdings offenbleibt, ob im konkreten Fall mit "nichtgouvernemental" nur jene Expeditionen bezeichnet werden sollten, deren Initiatoren Staatsangehörige der Konsultativparteien waren).261 Auch der Begriff des "Besuchers" (visitor) spielt eine Rolle. Eine begriffliche Unterscheidung zwischen Besuchern, Touristen und Teilnehmern an nichtgouvernementalen Expeditionen wird jedoch ebenso wenig durchgeführt, wie der Terminus "nichtgouvernemental" eine Abgrenzung findet: Ob er etwa Expeditionen, die von Nichtvertragsstaaten ausgehen, ebenfalls umfaßt, bleibt ungeklärt. 262 Die Betrachtung der materiellen Regeln, die zumeist für Tourismus und nichtgouvernementale Expeditionen in gleicher Weise gelten, steht nach alledem unter dem Vorbehalt eines unsicheren Anwendungsbereichs. Wo es allerdings Bestimmungen gibt, die einen Ausgleich zu Fragen der Wissenschaft und des Umweltschutzes erstreben, bestätigen sich die Vorgaben des Vertrages. Im Verhältnis zur Forschung kommen sie darin zum Ausdruck, daß für den Besuch von Stationen rechtzeitig um eine Erlaubnis nachgesucht werden muß, wobei die Erlaubniserteilung mit Auflagen versehen werden kann. 263 Im Verhältnis zum Umweltschutz ist unter anderem das schon erwähnte Verbot des Betretens von SPA (Art. VIII Abs. 2 lit. c VM und nunmehr Art. 3 Abs. 4 USP-Anh. V) zu nennen. Wirkliche Bedeutung könnte USP-Anhang I zukommen, der die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für alle antarktischen Aktivitäten verbindlich macht. Das UVP-Instrumentarium ist aber zu schwerfällig und allzu einzelfall orientiert, als daß man mit ihm die Lösung der mit dem Tourismus assoziierten Probleme verbinden könnte. Nicht nur Implementierungsfragen stehen seiner Effizienz im Wege, sondern auch strukturelle und sachbezogene Mängel, etwa bei Ermittlung kumulativer Einwirkungen. Der Informationsaustausch über touristische Aktivitäten kann nur innerhalb eines dichten Datenvermittlungsnetzes mit Koordinationsstelle erfolgen; zumindest eine zentrale Registrierung wäre erforderlich. 264 Die Einrichtung eines (kleinen) Sekretariats, das diese Aufgabe erfüllen könnte, konnte aber auch auf der XVI. und XVII. Konsultativtagung nicht durchge-

260 Vgl. einerseits etwa Empf. IV-27 und Empf. VIII-9 Abs. 1 und 2 (abgedruckt bei Bush I, S. 194 f. bzw. 322 f.) und andererseits Empf. X-8, abgedruckt ebd., S. 382 ff. 261 Vgl. einerseits Empf. X-8 a.a.O., andererseits Empf. VIII-9 Abs. 1: "those sponsored by Governments and those not so sponsored". 262 Boczek (1988), S. 465. 263 Empf. VIII-9 Abs. 2 und 3 sowie Annex C, der die Pflicht zur Berichterstattung festschreibt. 264 Nicholson, S. 197.

126

Erster Teil: Faktizität

setzt werden. Solange der Staat aber nicht durch konkrete Maßgaben eine unter seiner Flagge durchgeführte Expedition zur Durchführung einer UVP anhält und ihm darüber hinaus durch Umwelteckdaten Orientierungspunkte zur Verfügung stellt, wird sich wohl kein Reiseveranstalter durch USP-Anhang I von der Durchführung seines Projekts in der vorgesehenen Form abbringen lassen. 265 Gerade im Bereich des Tourismus und nichtgouvernementaler AntarktisExpeditionen wird das Antarktische System heute in hohem Maße unter Druck gesetzt. Nichtgouvernementale Expeditionen und Touristengruppen aus Nichtvertragsstaaten können - wenn man nicht den Claimants folgt oder den Befürwortern eines "objektiven Regimes"266 - nicht durch Empfehlungen gebunden werden. In vielen Fällen ist die Ausübung von Hoheitsgewalt über die Teilnehmer an derartigen Aktivitäten in Ennangelung eines sinnvollen Anknüpfungspunktes kaum möglich. 267 Der Vorschlag, ein "antarktisches Internationales Privatrecht" zu schaffen, könnte aber auch nur für die Konsultativparteien von Bedeutung sein. 268 3. Diskriminierte Nutzungsformen

Diskriminierte Nutzungsfonnen sind solche, die den Widmungszwecken - und damit den privilegierten Nutzungen - prinzipiell zuwiderlaufen, und deren Ausübung im antarktischen Bereich daher grundsätzlich untersagt ist. Als diskriminiert haben insbesondere militärische Nutzungen im Sinne des Art. I AV zu gelten; das Madrider Protokoll erklärt nunmehr auch Bergbau

265 Angesichts der immer noch steigenden Besucherraten erscheinen die zaghaften Ansätze etwa der Empf. X-8 (1979) - abgedruckt bei Bush I, S. 382 ff. - oder unverbindliche Leitlinien wie in der Broschüre "Die Antarktis und ihr Lebensraum. Eine Einführung für Besucher", herausgegeben im Auftrag von SCAR vom Alfred-Wegener-Institut (Berichte zur Polarforschung, Sonderheft Nr. 1), 1981, nicht mehr angemessen. 266 Infra Dritter Teil C.II.3.b. 267 Nicholson, S. 201, präsentiert das durchaus realistische Szenario eines Vorfalls, an dem ein in Panama registriertes Schiff mit einem griechischen Kapitän und philippinischer Besatzung beteiligt ist, das eine international gemischte Touristengruppe von Neuseeland zum Ross-Meer und der (bekanntlich von drei Staaten zugleich "beanspruchten") Antarktischen Halbinsel bringt, wobei die Reise von einer Zusammenarbeit von Reiseagenten der verschiedensten Länder getragen wird. 268 Diesen Vorschlag unterbreitet Carl, The Need for a Private International Law Regime in Antarctica, in: Joyner/Chopra, The Antarctic Legal Regime, 1988, S. 65 (88) - "a virgin territory for a private international law regime". Für den Luftsektor Orrego Vicuna (1988a), S. 420 ff.

C. Die Widmung der Antarktis und ihre Nutzung

127

zur diskriminierten Nutzungsform. Verboten wird durch den Antarktisvertrag aber auch die Durchführung atomarer Sprengungen und die Lagerung von Atommüll (Art. V Abs. 1) - was heute als Selbstverständlichkeit erscheint, damals jedoch mit dem Bemühen zusammenhing, die Antarktis aus dem Kalten Krieg herauszuhalten. Die Bestimmung legt aber auch Zeugnis eines erwachenden Umweltbewußtseins ab.

a) Bergbau Der Abbau mineralischer Bodenschätze der Antarktis nimmt eine Mittelposition zwischen nichtprivilegierten und diskriminierten Nutzungsformen der Antarktis ein. Ein ausdrückliches Bergbauverbot findet sich erst in Art. 7 USP, während bis dahin das Antarktische System keine ausdrücklichen Bestimmungen zur Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit des Mineralienbergbaus getroffen hatte. Bis zur Verabschiedung des Madrider Umweltprotokolls war die Zulässigkeit antarktischen Mineralienabbaus umstritten, wobei - wie die Möglichkeit zur späteren Aufhebung des Bergbauverbots gemäß Art. 25 USP sowie die Protokolle der Konsultativtagungen erkennen lassen - die Mehrheit der KonsuItativparteien nicht von einem Verbot des Mineralienbergbaus ausging. 269 Bergbau vermag im Einzelfall als Demonstration territorialer Souveränität aufgefaßt zu werden. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist die Bergbaufrage aus den Vertragsverhandlungen ausgeklammert worden. Als potentielle Souveränitätsmanifestation unterliegt Bergbau dem Art. IV A V, aber zugleich auch dem bifokalen Prinzip. Insoweit steht nicht die Zulässigkeit des Bergbaus per se, sondern die Frage im Vordergrund, ob die "goldene Brücke des Bifokalismus" die Last tragen kann, die Mineralienbergbau ihr aufgebürdet. Das Scheitern der CRAMRA scheint diesen Bedenken recht zu geben. 270 Je nach Zeitabschnitt hat und wird Bergbau als Nutzungsform nach beiden vertretenen Auffassungen unterschiedliche Bewertungen erfahren. Tabellarisch aufgelistet können sie wie folgt dargestellt werden.

269 210

Vgl. Orrego Vicufia (1988), S. 43 m.w.N. Vgl. infra Dritter Teil A.II.

128

Erster Teil: Faktizität Übersicht 5 Rechtliche Schranken für den antarktischen Bergbau Zeitraum

Herrschende Ansicht

Abweichende Ansicht

1959-1977 (Erlaß der Empf. IX-I)

Vertragslücke ist im Sinne prämittierter Zulässigkeit des Mineralienbergbaus aufzufassen, die ihre Grenze an der konkreten Vertragsgefährdung findet (nichtprivilegierte Nutzungsform).

Vertragslücke spricht für Unzulässigkeit des Mineralienbergbaus (arg. e Art. I Abs. I AV oder ex enumeratione), sofern nicht für Forschungszwecke betrieben (i.e. str.). Somit diskriminierte Nutzungsform.

1977 -1991 (Unterzeichnung des USP)

Freiwilliger Verzicht der Konsultativstaaten (befristete Selbstbeschränkung) auf Bergbau bei Fortdauer der prinzipiellen rechtlichen Zulässigkeit (im Rahmen der Nichtprivilegierung).

Deklaratorische Reformulierung des ungeschriebenen Bergbauverbots.

Vorgesehene Regelung nach CRAMRA

Präventives Verbot mit gestaJJelten Ausnahmevorbehalten, Jaktisch also rechtlich abgesicherte Zu lässigkeit. Keine Privilegierung. Prinzipielle Zulässigkeit des Mineralienbergbaus Jolgt nicht aus CRAMRA, sondern ist bereits nach dem A V gegeben.

Ebenso; damit allerdings Wandel des Bergbaus von verbotener (also diskriminierter) NutzungsJorm zu einer grundsätzlich erlaubten (also nichtprivilegierten) NutzungsJorm. CRAMRA ist rechtliche Grundlage für die Zu lässigkeit des Mineralienbergbaus. (Str.; Z. T. wird Unvereinbarkeit von A V und CRAMRA angenommen)

Zeitraum zwisehen Unterzeichnung und Inkrafttreten des USP (1991-)

Grundsätzliche Bindung der Unterzeichnerstaaten an Bergbau verbot des Art. 7 USP (siehe dort).

Grundsätzliche Bindung der Unterzeichnerstaaten an Art. 7 USP, die sich mit Bergbauverbot aus Antarktisvertrag überschneidet.

C. Die Widmung der Antarktis und ihre Nutzung

Zeitraum

129

Herrschende Ansicht

Abweichende Ansicht

Zeitraum von 50 Jahren ab Inkrafttreten des USP

Repressives, außer für Forschungszwecke (i.e. str.) absolutes Bergbauverbot, das nur einstimmig geändert werden kann. Ungeachtet der Fiktion des Art. 4 USP nunmehr diskriminierte Nutzungsform.

Ebenso; Festschreibung des Bergbauverbots allerdings als Reformulierung bereits vertragsrechtIich in Geltung befindlicher Bestimmungen zu werten.

Vom 50. Jahrestag des Inkrafttretens des USP an

Weiterhin repressives, absolutes Bergbauverbot (diskriminierte Nutzungsform). Art. 25 USP läßt aber unter engen Voraussetzungen Umstellung auf nichtprivilegierte Nutzungsform zu.

Ebenso; Wandel zur nichtprivilegierten Nutzung wäre aber als erstmaliger zu betrachten.

Der Antarktisvertrag von 1959 erwähnt Mineralienabbau mit keinem Wort. Daraus wird von einer Auffassung auf die Zulässigkeit des Bergbaus kraft Nichtregelung,271 von der Gegenauffassung auf die implizite Unzulässigkeit geschlossen. Die Mineralienkonvention sollte - ganz im Sinne einer Rechtsprophylaxe - den Bergbau einem geordneten Verfahren unterwerfen, noch bevor der "Wettlauf zu den Ressourcen" und damit auch ein Wiederaufbrechen der Souveränitätsfrage einsetzte. Die Protagonisten eines originären Bergbauverbots könnten sich nunmehr durch Art. 4 Abs. 1 LV.m. Art. 7 USP bestätigt finden. In Art. 7 ist bestimmt: "Any activity relating to mineral resources, other than scientific research, shall be prohibited." Im Zusammenhang mit dem bereits erwähnten Art. 4 Abs. 1 USP, wonach ,,[t]his Protocol shall supplement the Antarctic Treaty and shall neither modify nor amend that Treaty" müßte Art. 7 Abs. 1 streng genommen zu dem Schluß verleiten, daß auch dem Antarktisvertrag bereits ein Bergbauverbot immanent gewesen sein muß. Wäre dies nicht der Fall gewesen, dann wäre Art. 7 nicht anders denn als Vertragsänderung oder -ergänzung zu qualifizieren.

271 Vgl. nur Aubum (1982), S. 256 ff.; Boczek (1983), S. 347 (382); Orrego Vicuiia (1988), S. 41 ff. m.w.N.

9 Kilmmecer

130

Erster Teil: Faktizität

Die herrschende Auffassung kann den Widerspruch zwischen Art. 4 Abs. 1 und Art. 7 USP nur in dem Sinne lösen, daß sie die erstgenannte Norm als juristische Fiktion betrachtet. Als solche hätte sie jedenfalls im Zusammenhang mit Art. XII Abs. 2 AV Bedeutung; diese Norm käme zum Tragen, wenn das Umweltschutzprotokoll (und vor allem sein Art. 7) als nach dem 30. Jahrestag des Inkrafttretens des Antarktisvertrages beschlossene Vertragsänderung zu qualifizieren wären. Tatsächlich konnte angesichts erheblicher Widerstände der USA gegen die Fassung des jetzigen Art. 25 USP keine Verabschiedung des Protokolls vor dem (insoweit als Stichtag relevanten) 23. Juni 1991 erreicht werden. Der Gefahr, daß eine Partei das Madrider Protokoll als Hebel zum Vertragsaustritt benutzen könnte, was die Zerrüttung des Antarktischen Systems zur Folge hätte, scheint infolge von Art. 4 Abs. 1 USP nun gebannt. 272 Allerdings ist nicht sicher, ob sich die Konsuitativparteien dieser Bedeutung des Art. 4 Abs. 1 USP wirklich bewußt waren. Die zweite Bedeutung des Art. 4 Abs. 1 liegt in der Festschreibung der "normativen Schachtelung": Obwohl vollwertiger völkerrechtlicher Vertrag, soll das Protokoll doch dem Antarktisvertrag funktional untergeordnet bleiben. Mit dieser Begründung könnte allfälligen Einwänden der Vertreter eines originären Bergbauverbots begegnet werden. Dagegen läßt der Wortlaut von Art. 25 Abs. 5 USP offen, ob die Abkehr vom Bergbauverbot als Aufhebung einer nur zeitweiligen Beschränkung oder als originäre Neuregelung zu verstehen ist. Sollte sich die Nichtrege1ung der Mineralienfrage als Vertragslücke ("gap in the Treaty") herausstellen,273 müßte die Frage nach Zulässigkeit oder Verbot des Mineralienbergbaus auf dem Wege der ergänzenden Vertragsauslegung beantwortet werden. Die vertragschließenden Staaten könnten die Ressourcenfrage allerdings auch ganz bewußt offengelassen haben. In Ermangelung veröffentlichter Verhandlungsprotokolle zum Antarktisvertrag können hierüber nur Mutmaßungen angestellt werden. So wird behauptet, daß die Parteien dem Sujet angesichts der widrigen geographischen und meteorologischen Umstände für absehbare Zeit keine Bedeutung beimaßen,274 was für das Bestehen einer Vertragslücke spräche; ebenso bestehen aber Indizien für ein bewußtes Ausklammern aus den Verhandlungen, weil in diesem Punkte keine Einigkeit zwischen den Parteien hätte erzielt werden können. 275 Es darf nicht vergessen werden, daß die Souveränitätsbehauptungen damals z.T.

212 273

aus.

274 275

Vgl. Kämmerer, S. 635 f.; ähnlich Francioni (1991), S. 803 ff. Davon geht etwa Beeby, in: Orrego Vicuiia, La Antartica y sus recursos, 1983, Diesen Punkt stellt auch Hambro, S. 221 f., besonders heraus. Vgl. Orrego Vicuiia (1988), S. 39,69 (Fn. 1).

C. Die Widmung der Antarktis und ihre Nutzung

131

relativ neu und das Handeln der Staaten in einem Maße im Denken in territorialen Kategorien verwurzelt war, daß der vorgesehene Abschluß des Antarktisvertrages - mitten im Kalten Krieg - als das eigentliche Phänomen angesehen werden kann, als ein Erfolg, den nicht weitere Kontroversen in Frage stellen durften. Insoweit trifft wohl im großen ganzen nicht zu, daß die Problematik übersehen wurde. 276 Ist demnach von einer bewußten Nichtregelung der Mineralienfrage auszugehen, kann an zweiter Stelle die Frage aufgeworfen werden, ob dem Antarktisvertrag unter solchen Umständen ein Verbot der Mineraliennutzung zu entnehmen sei. Sollte dies zutreffen, so wäre die Mineralienkonvention materiell nicht lediglich als vertragsausfüllend, sondern in der Tat als vertragsändernd zu betrachten, obschon sie den Wortlaut des Antarktisvertrages nicht modifiziert. 277 Wäre die Nichtregelung im Sinne des Fehlens eines Verbots und damit als Indiz für die grundsätzliche Zulässigkeit des Mineralienbergbaues im Antarktisregime zu werten, so hätte die CRAMRA keinen Rechtsgrund für die Zulässigkeit der Nutzung mineralischer Ressourcen setzen können, sondern dieser Nutzungsart Beschränkungen in Form eines Bergbauverbots mit verschiedenen, aneinander gekoppelten und gestaffelten Erlaubnisvorbehalten auferlegt. 278 Der Fortfall der CRAMRA hätte (angesichts seiner Endgültigkeit auch für die Signatarstaaten 279 ) rechtlich bindende Beschränkungen entfallen lassen, während Art. 7 USP erneute, strengere Grenzen gezogen hätte. Der bereits erwähnte Bericht der Nansen-Stiftung (1973) hatte ergeben, daß manche Staaten Mineralienabbau zu kommerziellen Zwecken als Verletzung des Antarktisvertrages betrachten könnten. Die im Bericht aufgeführ-

276

Vgl. Orrego Vicufia (1988), S. 39.

Mit dem Sturz der CRAMRA wäre dann wieder die ursprüngliche, den Mineralienabbau verbietende, Rechtslage bewahrt bzw. "wiederhergestellt" worden. 278 Entsprechendes gilt für den Tiefseebergbau im Verhältnis zum VN-Seerechtsübereinkommen. 279 Dies ergibt sich aus einem Erst-recht-Schluß aus der "clausula rebus sic stantibus": Ist die Abstandnahme von einer vertraglichen Bindung bei tiefgreifenden Änderungen der Vertragsgrundlage möglich (näher: Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht. Theorie und Praxis, 3. Auflage 1984, §§ 832 f.), so muß dies um so eher möglich sein, wenn nur die "mindere Form" der Bindung qua Signatur besteht. Ebenso ließe sich argumentieren, daß der in Art. 18 WVRK verankerte Grundsatz, wenn er denn Bestandteil des Völkergewohnheitsrechtes ist, dem Verbot entspringe, den Vertragszweck nicht zu gefahrden. Ist das Erreichen des Vertragszweckes aber unmöglich geworden, muß auch das Verbot entfallen: Dadurch daß die Signatur hinsichtlich ihrer Bindungswirkung zum rechtlichen Nullum abgesunken ist, kommt eine formlose Abstandnahme vom Vertrag in Betracht. 271

9"

132

Erster Teil: Faktizität

ten Argumente gegen Mineraliennutzung280 wurden allerdings in den kommenden Jahren kaum noch vorgebracht. Dennoch sollen sie hier in knapper Form angeführt werden?81 So wurde behauptet, Mineralienabbau sei implizit durch den Antarktisvertrag verboten, weil durch die dadurch entstehende Verschmutzung bzw. Veränderung des Terrains und anderer äußerer Gegebenheiten wissenschaftliche Forschung unmöglich gemacht werde. Diese gehört aber gemäß Art. 11 zu den Zielen und Grundsätzen des Antarktisvertrages, ist mithin "privilegiert". Hiergegen ist einzuwenden, daß der Privilegierung keine absolute, sondern nur eine relative Vorrangstellung immanent ist, daß Bergbau in dem Maße an ihr sogar teilhat, als wissenschaftliche Forschung vielfach dazu dient, die Höffigkeit geologischer Strukturen zu ermitteln. Im übrigen würden gravierende Umweltbelastungen infolge des Mineralienabbaues wohl zu Veränderungen am Forschungsobjekt führen, doch keineswegs zur Vereitelung der Forschungstätigkeit als solcher. - Einem anderen Ansatz zufolge berge die Ausbeutung der Bodenschätze ein derartiges Konfliktpotential, daß die Antarktis dem Washingtoner Vertrag zuwider zum Objekt eines "international discord" würde, ja Bergbau wurde sogar zu den nicht-friedlichen Nutzungsformen gerechnet. 282 Diese Argumente werden freilich bereits durch das Zustandekommen der CRAMRA in seiner vorliegenden Form entwertet; mit dem Zurücktreten der Souveränitätsfrage scheint nicht ausgeschlossen (wenn auch nicht gerade wahrscheinlich), daß auch außerhalb eines Vertragsregimes ein koordinierter Ressourcenabbau erfolgen kann. Die bloße Gefahr eines "Wettlaufs zu den Ressourcen", der die "antarktische Harmonie" zerstört, die Antarktis also zur "scene or object of international discord"283 macht, kann zur Begründung eines Bergbauverbots nach dem Antarktisvertrag nicht ausreichen. 284

280 Nansen-Stiftung, S. 68 ff. 281 Vgl. auch Francioni, Norme convenzionali e "principi" sullo sfruttamento di

spazi co muni. 11 caso delle risorse minerarie deli' Antartide, in: Etudes en l'honneur de Roberto Ago, 1987, Bd. 11, S. 185 (187); einige der Überlegungen gehen ferner auf Boczek (1983), S. 382, zulÜck. 282 Nansen-Stiftung, a.a.O. 283 Abschnitt 2 der Präambel des Antarktisvertrages - sofern man diesem in der Zusammenschau mit Art. 1 Abs. 1 AV nicht nur Bedeutung für militärische Maßnahmen beimißt. 284 Boczek (1983), S. 382; Aubum (1982), S. 257; Lagoni (1979), S. 9 f.: "Instead of excIuding any economic exploration apriori, one must balance the common interests of all parties in uncontaminated regions for scientific investigation against the specific interests of one or more parties in the exploration of a certain area for economic purposes". Die bloße Gefahr, ein künftiges Regime könne so ausgestaltet werden, daß eine internationale Streitigkeit erwachse, sei zu weithergeholt.

C. Die Widmung der Antarktis und ihre Nutzung

133

Der Ansicht, nach der aufgrund des Antarktisvertrages Mineralienabbau nicht grundsätzlich verboten sei, die CRAMRA also lediglich rechtsbeschränkend (und klarstellend) gewirkt hätte, ist nach alledem der Vorzug zu geben. Für sie spricht vor allem auch, daß die Konsultativstaaten sie offenbar ihrem Handeln zugrunde legen. Anders ließe sich nicht erklären, warum die Konsultativparteien im Jahre 1977 in Empf. IX-l Abs. 8 ein Bergbaumoratorium verankerten,28s denn ein solches Moratorium wäre widersinnig, wenn bereits der Antarktisvertrag selbst ein Bergbauverbot statuiert hätte. Keine andere Konvention des Antarktischen Systems wurde in so kurzer Zeit ausgearbeitet wie das Madrider Umwehschutzprotokoll: Von Empf. XV -1, welche die programmatischen Weichen in Richtung eines "umfassenden Umweltschutzes" stellte, bis zur Unterzeichnung des Protokolls vergingen nicht einmal zwei Jahre. Die an den Tag gelegte Eile ist die Frucht eines bereits auf der Pariser Tagung (und bezeichnenderweise besonders von Frankreich und Australien) festgestellten dringenden Bedürfnisses286 für derartige Regelungen. Das besonders eilige Streben nach einem "umfassenden Umweltschutzkonzept" müßte, wollte man es auf materielle Antworten auf die Herausforderungen der Zeit beschränken, eher befremden, hatten sich bis zu jenem Zeitpunkt doch ca. 70% aller Empfehlungen auf den Umweltschutz bezogen, von den antarktischen Konventionen ganz zu schweigen. Der Regelungsdruck ergab sich vielmehr zum einen aus der öffentlichen Meinung und der Gefahr, daß die Ressourcenagende Gegenstand der VN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED, 1992) werden könnte;287 zum anderen liegt ihm die (uneingestandene) Unsicherheit zugrunde, ob man mit den nach dem Zusammenbruch der CRAMRA bestehenden Bestimmungen noch über eine im Zweifelsfall wirksame Barriere gegen allfälligen "Wild wuchs" beim Mineralienabbau verfügte. Das dritte Motiv liegt in der Befriedungswirkung, die einer an die CRAMRA-Stelle tretenden bindenden Regelung zukommen kann. 288 285 Empf. IX-I Abs. 8 lautet: They [i.e. the Representatives, Anm.] urge their nationals and other States to refrain from all exploration and exploitation of Antarctic mineral resources while making progress towards the timely adoption of an agreed regime conceming Antarctic mineral resource activities. They will thus endeavour to ensure that, pending the timely adoption of agreed solutions pertaining to exploration and exploitation of mineral resources, no activity shall be conducted to explore or exploit such resources ... " 286 Vgl. Bush, Booklet AT6, S. 23 (24) (A Joint Australia/French Proposal ... ): "The need for a comprehensive scheme of protection for the Antarctic environment is now pressing." 287 Vgl. "Comprehensive Protection for Antarctica", in: EPL 21 (1991), S. 11 (13). Vgl. auch Bush, Booklet AT9I, S. 70. 288 Vgl. auch Bush (0.1.), S. 31 f.

134

Erster Teil: Faktizität

Wenn die Gefahr eines "Wettlaufs" zu den Ressourcen mit dem Scheitern der CRAMRA wieder manifest geworden sein sollte, dann müßte dieses Scheitern die einem solchen "Wettlauf' entgegenstehenden juristischen Barrieren umgestoßen haben. Australien und Frankreich war die Gefahr, kontraproduktiv zu handeln, wohl bewußt und daher ein Grund für diese Staaten, ein "umfassendes Umweltschutzkonzept" zu forcieren, mag auch das Bergbau verbot darin anfänglich - scheinbar - keine zentrale Rolle gespielt haben. 289 Folgt man nicht der These, ein Bergbauverbot sei sinngemäß bereits im Antarktisvertrag selbst verankert, dann kam als Rechtsgrund hierfür noch das in Empf. IX-I bzw. XI-I verankerte Bergbaumoratorium in Betracht. Auch dieses ist insoweit "proleptic law", als es eine noch vor Ausarbeitung eines Bergbauregimes, ja vor Beginn der offiziellen Debatte beschlossene Interimsregelung enthält. 290 Im Interesse der beizubehaltenden Vertragsharmonie mußte die Vertragsgefährdung, die einem "Wettlauf zu den Ressourcen" eigen wäre, vermieden werden. 291 Das Moratorium konnte also nach dem endgültigen Scheitern der CRAMRA nur Wirkungen erzeugen, wenn ihm erstens rechtliche Bindungswirkung beizumessen war und diese Rechtswirkung derjenigen der Mineralienkonvention zweitens nicht akzessorisch war. Sollte dies nicht der Fall gewesen sein, konnten in der Interimszeit bis zur Unterzeichnung des Umweltprotokolls nur noch allgemeine Vertragsgrundsätze für ein Bergbauverbot herangezogen werden. I. Auf der Pariser Konsultativtagung, die al1erdings die offiziel1e Feststellung eines Scheiterns der CRAMRA vermied (wie die Bemühungen um ein Haftungsregime gemäß Art. 8 Abs. 7 CRAMRA zeigen), wurde festgestellt, daß die bestehenden Bergbaubeschränkungen fortwirkten;292 den Schluß auf einen mit Empf. IX-I verknüpften Bindungswillen erlaubt diese

289 So ist nur unter 11. 2. der Grundsätze für ein Schutzregime im australo-französischen Arbeitspapier (bei Bush, Booklet AT6, S. 27 (28) niedergelegt: "Throughout the Antarctic, human activities having an impact on the environment shall be regulated or, where agreed as necessary, prohibited". - Ferner ist Bergbau nicht in III. 3. als "activity consistent with the principles of the Antarctic Treaty" aufgeführt. 290 Für die Idee, ein Bergbaumoratorium festzulegen, finden sich bereits in Empf. VII-6 und VIII-14 (bei Bush I, S. 276 bzw. 328 f.) erste Ansätze. 291 Auch wenn Bergbau selbst im Antarktisvertrag nicht angesprochen wird, ergibt sich die Vereinbarkeit der einschlägigen Empfehlungen mit den "principles and purposes" (Art. IX Abs. I AV) schon aus diesem Streben nach Harmonie. Vgl. auch Bush I, S. 276. Auch Art. IX Abs. 4 i.V.m. den Regeln der "Geschäftsordnung", in welchen Aubum (1982), S. 160, nur Vorzugs- und Vetorechte für die Claimants sieht, stehen bei Zusammenschau mit Abs. I im Kontext dieses Harmoniestrebens. 292 Vgl. Comprehensive Protection for Antarctica, EPL 21 (1991), S. 11 (13).

C. Die Widmung der Antarktis und ihre Nutzung

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Feststellung nicht. Zunächst ist auf die Frage einzugehen, ob Empfehlungen überhaupt pflichtenbegründende Wirkung zuzuerkennen sei. Dies ist bereits an anderer Stelle293 grundsätzlich verneint worden. Empf. IX-l Abs. 8 kann also nur dann Bindungswirkung zuerkannt werden, wenn es aus dieser Bestimmung klar hervorgeht. Bereits der hortative Wortlaut ("They urge ... "; "endeavour to ensure") spricht gegen einen dahingehenden originären Willen der Konsultativstaaten. 294 Einige Autoren weisen darauf hin, daß die Begründung einer Rechtsbindung ("binding legal requirements") auch nicht Absicht der Parteien gewesen sei, sondern diese auf eine freiwillige Selbstbeschränkung hinwirken wollten. 295 Eindeutige Hinweise darauf gibt es allerdings nicht, wie auch die Diskussion auf der Pariser Konsultativtagung in der Rückschau bestätigt. Im Ergebnis muß diesen Autoren aber im Hinblick darauf gefolgt werden, daß keine Tatsachen vorliegen, die eine Abweichung vom prinzipiellen Nichtbindungsgrundsatz plausibel erscheinen lassen. Aus dieser Sicht würde das Moratorium die nichtprivilegierte Position des Bergbaus, die ihm gegenüber den in Art. I ff. und IX AV garantierten Nutzungsformen Nachteile zuweist, nur noch unterstrichen haben, anstelle diese zu einer diskriminierten umzupolen. 2. Angesichts der Feststellung, daß Empf. IX-l nicht rechtlich bindet, erübrigen sich umfassende Ausführungen zur Frage des Fortbestehens seiner Wirkungen nach dem Wegfall der CRAMRA. Die Vertreter der gegenteiligen Auffassung 296 müßten - sofern sie dem Antarktisvertrag nicht selbst ein Bergbauverbot entnehmen - untersuchen, ob das Moratorium nicht in der Weise akzessorisch an die CRAMRA gekoppelt war, daß beide Bestimmungen das rechtliche Schicksal teilen. Ein Scheitern der CRAMRA war zunächst nicht einkalkuliert worden. Das Moratorium sollte aber gelten "while

293

Supra B III 1).

Auburn (1982) geht noch weiter und lehnt die Anwendbarkeit von Empf. IX-l Abs. 8 auf die Konsultativstaaten ab. Dieses sei an "their nationals and other States" adressiert und ermahne daher Private zu einem "voluntary restraint". Die allzusehr am Wortlaut hängende Auffassung läuft dem Zweck der Empfehlungen, gerade die Konsultativparteien als "Hüter des Vertrages" zu binden, ebenso zuwider wie der (auch im Falle nichtbindender Bestimmungen zu beachtenden) Mediatisierung von Einzelpersonen (ähnlich Orrego Vicufia [1988], S. 55). 293 Francioni, Legal Aspects of Mineral Exploitation in Antarctica, in: Comell Int'\. Law 1. 19 (1986), S. 163 (166) = ders. (1987), S. 190; Bilder (1982), S. 187; Boczek (1983), S. 383. - In der Tat lassen Beschlüsse im Rahmen des Antarktisregimes mitunter eine Scheu vor dem Eingehen von Rechtsbindungen erkennen. Man wird dieses Phänomen auch mit der für notwendig erkannten Rücksichtnahme auf Positionen der Claimants in Verbindung bringen müssen. 296 Etwa Zegers Santa Cruz, The Antarctic System and the Utilization of Resources, in: University of Miami Law Review 33 (1978), S. 426 (469). 294

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Erster Teil: Faktizität

making progress towards the timely297 adoption of an agreed regime concerning Antarctic mineral resource activities"; in diesem Sinne ist es Platzhalter für eine endgültige Regelung und für den Zeitraum, in dem mit ihrem Erlaß zu rechnen ist. Daher läßt sich von einer vorläufigen, einer durch das Zustandekommen der dauerhaften Bestimmungen auflösend bedingten Regelung sprechen. 298 Infolge der Weigerung Australiens und Frankreichs, die CRAMRA zu unterzeichnen, geschweige denn zu ratifizieren, ist der Bedingungseintritt zwar nicht faktisch unmöglich geworden, aber ernsthaft und dauerhaft vereitelt. Damit ist aber das Motiv für das Moratorium entfallen; andernfalls liefe dieses Gefahr, den damit verbundenen Intentionen zuwider und entgegen dem Willen der souveränen Staaten zu einer dauerhaften Regelung emporstilisiert zu werden. Wer dieser Argumentation nicht folgt, müßte zumindest die Berufung der Staaten auf die "c1ausula rebus sic stantibus" für zulässig erachten;299 die Erklärungen auf der Pariser Konsultativtagung sind nicht so stringent, daß dieser Aspekt außer Betracht bleiben kann. Nach alledem hätte sich jedenfalls eine allfällige Bindungswirkung des Moratoriums mit der endgültigen und ernsthaften Weigerung Frankreichs und Australiens, die CRAMRA zu unterzeichnen, erledigt. 3. Verbot nach alledem keine Vereinbarung der Parteien den Antarktisbergbau, so ist noch die These, daß kraft allgemeiner Grundsätze antarktischer Bergbau nicht im Alleingang einer Partei, sondern nur aufgrund eines konzertierten Vorgehens erfolgen konnte, auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen. Diesem Ansatz folgen in der Tat Art. 8 CRAMRA und (mit Einschränkungen) Art. 25 Abs. 5 USP. Ihrer ungeachtet könnte der Vorbehalt dem - im Grundsatz von "Treu und Glauben" enthaltenen - Gebot folgen, den Vertragszweck nicht zu gefährden, der immerhin ja für die Ausarbeitung der CRAMRA Pate stand. 3°O

297 Was unter "timely" zu verstehen sei, ist nirgendwo niedergelegt. Letztlich wird man "timely" mit der Voraussetzung "while making progress" zusammenlesen müssen (vgl. etwa Colson, S. 890), so daß das Moratorium für den Fall Geltung beanspruchen könnte, daß eine Regelung des Mineralienabbaus noch angestrebt würde. Das Kuriosum, daß die Wirkung des Moratoriums von der Konditionierung durch ein dieses letztlich derogierendes Moment abhängt, liegt in der Natur der Sache. 298 So im Ergebnis Colson, S. 900, der den Fall betrachtet, daß die CRAMRA-Verhandlungen ohne Ergebnis geblieben wären. Seine diesbezügliche Argumentation ist aber auf den vorliegenden Fall übertragbar. Orrego Vicufia (1988), S. 53 f., spricht von "timely agreed solutions" bzw. "timely adoption of an agreed regime". 299 Für einen weiten Anwendungsbereich der "c1ausula" spricht sich auch Nußbaum, S. 151, aus. 300 Vgl. "Affaire du Lac Lanoux" vom 16.11.1957, abgedruckt in: RIAA XII, S. 281 (315).

C. Die Widmung der Antarktis und ihre Nutzung

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Eine Gefährdung des Vertragszwecks 301 durch "Wettlauf zu den Ressourcen" hätte sich ergeben können, wenn etwa infolge von Öl unfällen weite Regionen kontaminiert und besonders für Forschungsaktivitäten untauglich oder größere Bestände an lebenden Ressourcen (CCAS und CCAMLR wären dann tangiert) vernichtet würden. Manifester wäre noch die Gefahr für die interne Akkomodation: 302 Das erneute Aufflammen der (durch Art. AV IV entschärften) Souveränitätskontroverse wäre zu befürchten. 303 Den Claimants ist im Rahmen des Art. IV AV nicht verboten, unter Berufung auf ihre prätendierte Souveränität zu handeln, ebensowenig wie die Non-claimants solche Handlungen als Souveränitäts-Manifestationen anzuerkennen und zu dulden haben. Das Konziliationspotential des Art. IV A V würde im "Wettlauf zu den Ressourcen" aber überbeansprucht, den Spannungen könnte das Antarktische System wohl nicht standhalten. Darüber hinaus könnte ein Bergbau-Boom auch Non-claimants entzweien, und zwar selbst dann, wenn (was wahrscheinlicher ist) nur wenige über das notwenige technische Potential verfügende Staaten, ihnen voran die USA, die Ausbeutung von Bodenschätzen vorantreiben. 304 Wird von manchen Autoren schon - mit Recht angenommen, daß die CRAMRA die "Kontroverse nur aufschiebe", nicht jedoch sachgerecht bereinige (vor allem infolge der zahlreichen in dieser Konvention enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe),305 müßte das unmittelbare Bevorstehen eines systemgefährdenden Konflikts um so mehr anzunehmen sein, wenn ohne Bergbaukonvention Mineralienabbau betrieben würde. Einen "Vorgeschmack" auf solche Konflikte bereitete die argentinischbritische Kontroverse um die Herrschaft über die Falkland/Malvinen-Inseln, bei der es nicht zuletzt um die Ausbeutung der Ölvorkommen östlich von Patagonien geht. Am 4. Februar 1976, sechs Jahre vor Ausbruch des offenen Krieges, war bereits das britische Forschungsschiff Shackleton von dem

301 Vgl. dazu auch Orrego Vicuiia (1988), S. 190. 302 Orrego Vicuna (1988), S. 22, umschreibt den internen Akkomodationsprozeß als "re-adaptation of initial balances" bzw. "how the different positions of the Consultative Parties can adjust to a new situation, without upsetting the balance of their relationship". Vgl. auch Wolfrum, The Use of Antarctic Non-Living Resources. The Search for a Trustee?, in: ders., Antarctic Challenge, 1984 [zitiert: Wolfrum (1984b)], S. 143 (156 ff.); ders. (1991a), S. 13. 303 Quigg, S. 196 f., gibt Zitate einiger Claimants wieder, die solche Befürchtungen zu nähren geeignet sind. Empf. XI-l Abs. 6 gibt aber zu erkennen, daß die Akzeptanz durch Claimants wie durch Non-claimants unverbrüchliche Bedingung für ein effizientes Mineralienregime sein mußte. 304 Vgl. Pinochet de La Barra, zit. in EI Pais, 5.10.1991, S. 24 f. 30S SO Bush (0.1.), S. 28 ff.

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Erster Teil: Faktizität

argentinischen Kriegsschiff Almirante Storni bei Untersuchungen am Kontinentalschelf ca. 130 km südlich der Inselgruppe aufgebracht worden. 306 Der britisch-argen tin ische Souveränitätskonflikt ist deswegen bedeutsam, weil das Vereinigte Köngreich "seinen" antarktischen Sektor östlich von Patagonien über 60° S hinaus nach Norden ausdehnt,307 so daß er die Falklandsl Malvinen und Südgeorgien einschließt. Zudem stützt das Vereinigte Königreich seine "Souveränitäts ansprüche" in der Antarktis unter anderem auf die in früherer Zeit erlangte Herrschaft über die Falklands I Malvinen, Südgeorgien, die Südshetland- und Südorkney-Inseln. 308 Daß beide Staaten noch während des Krieges einträchtig an den CRAMRA-Verhandlungen teilnahmen, unterstreicht wohl mehr ihr gemeinsames Interesse an der Ressourcennutzung - das ein Interesse an der gemeinsamen Ressourcennutzung keineswegs einzuschließen braucht - als den Wunsch, den Konflikt nicht in das Antarktische System hineinzutragen. Auch die Bewahrung des Antarktischen Systems durch "externe Akkomodation" würde für diesen Fall Schwierigkeiten ausgesetzt. Es ist kaum anzunehmen, daß die Staatengemeinschaft, insbesondere aber die Vereinten Nationen, angesichts einer unkontrollierten Bergbautätigkeit in Schweigen verharren würden, da hierin eine quasi-hegemoniale Ausbeutung durch die Industrieländer gesehen würde?l9 Dieser "soziale Sprengstoff' würde von dort

306 Dazu Aubum (1982), S. 54 f. - Zur Souveränitätsfrage in bezug auf die Falklands I Malvinen vgl. Dolzer, Der völkerrechtliche Status der Falkland-Inseln (Malvinas) im Wandel der Zeit, 1986, S. 147 ff., der im Ergebnis die argentinische Souveränität bejaht, was zugleich die Grundlage des britischen "Souveränitätsanspruchs" in der Antarktis schwächt. 307 Vgl. die Darstellung bei Rush III, S. 253. Unter "British Antarctic Territory" werden jedoch nur die Bereiche südlich 60° S verstanden, vgl. § 2 Abs. 1 Uabs. 2 des "Antarctic Treaty Order" von 1962 (abgedruckt bei Rush III, S. 375). 308 Vgl. Shapley, The Seventh Continent. Antarctica in a Resource Age, 1985, S. 69; das "Letters Patent Providing for the Government of the Falkland Islands Dependencies" von 1908 (abgedruckt bei Rush III, S. 251) hatte durch südliche Erweiterung des bestehenden britischen Kolonialbereiches im Südatlantik mit den Malvinen als Schwerpunkt den britischen Antarktis-Sektor geschaffen. Dabei wurden die Rechte des "Governor of the Colony of the Falkland Islands" auf die neu einbezogenen Gebiete ausgedehnt. Erst der "British Antarctic Territory Order" vom 26.2.1962 (bei Rush III, S. 370) beseitigte die administrative Verflechtung, indem er das "British Antarctic Territory" zur eigenständigen Kolonie erklärte. Vgl. hierzu auch Aubum (1982), S. 54 f. Es ist anzunehmen, daß dies einerseits mit Rücksicht auf die Fragwürdigkeit der antarktischen Hoheitsrechte geschah, die man von der "gesicherten" Position weiter im Norden auch räumlich lösen wollte, andererseits aber auch aus der Befürchtung heraus, der Anwendungsbereich des Antarktisvertrages könne auf die Malvinen und Südgeorgien ausgedehnt werden. 309 Zu der Kritik der Entwicklungsländer vgl. Rennejo (1990), S. 34 f., 42 ff.

C. Die Widmung der Antarktis und ihre Nutzung

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aus in das System hineingetragen, an dem selbst einige Entwicklungsländer beteiligt sind. 310 Im Bewußtsein solcher Gefahren hebt Art. 2 Abs. I Satz 1 CRAMRA in Anlehnung an die Präambel des Antarktisvertrages als politisches Ziel einer Mineralienkonvention hervor: ..... Antarctica shall continue forever to be used exclusively for peaceful purposes and shall not become the scene or object of international discord" - ein Ziel, dessen Verfolgung, wenn man der CRAMRA-Präambel Glauben schenken will (Abschnitt 3), im Interesse der gesamten Menschheit liegt. Im Ergebnis ist für Mineralienabbau damit bis jetzt zumindest ein in bestimmtem Umfang konzertiertes Vorgehen (zumindest Notifikation und konkludentes Einverständnis) erforderlich gewesen,3ll während ex ante angesichts der ungewissen Umstände künftiger Umweltgefährdungen noch nicht deshalb eine generelle Gefährdung auch des Vertragszwecks anzunehmen ist. Auch hierin kommt die bisher bestehende Nichtprivilegierung der Bergbautätigkeit letztlich zum Ausdruck. Art. 7 USP erklärt Bergbau zur künftig verbotenen, mithin diskriminierten Tätigkeit. Dies kann nicht erst vom Inkrafttreten des Madrider Protokolls an gelten. Die Madrider Signatarstaaten würden, wenn sie nunmehr den Bergbaubetrieb aufnähmen, den Vertragszweck des Protokolls gefährden; daher muß ihnen Mineralienabbau bereits - ausnahmsweise - kraft ihrer Signatur nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. Art. 18 WVRK) verwehrt sein. Umgekehrt rücken die CRAMRA-Signatarstaaten mit der Unterzeichnung des Madrider Protokolls konkludent von dem in Art. 18 WVRK niedergelegten Grundsatz ab. 312 Die Diskriminierung des Bergbaues ist kraft der vorgezogenen Bindungswirkung auch ihrerseits zeitlich vorgezogen. Die 50Jahres-Sperrfrist des Art. 25 ändert nichts an der Bewertung des Bergbaues als diskriminierte Nutzungsform, da ihrer ungeachtet für das Verbot eine un-

310 Empf. XI-l (abgedruckt bei Bush I, S. 441 ff.) gibt diese Problematik, wenn auch eher verschlüsselt, zu erkennen. So bestimmt Abs. 2: .. A regime on Antarctic mineral resources should be concluded as a matter of urgency." - Im Rahmen der Prinzipien, denen ein solches Regime unterworfen sein soll, werden (neben Umweltschutzbestimmungen) insbesondere hervorgehoben, - daß die Konsultativstaaten ..should continue to play an active and responsible role in dealing with the question of Antarctic mineral resources" (Abs. 5, lit. a), und - daß der Antarktisvertrag in seiner Gesamtheit erhalten werden müsse (lit. b). Empf. XI-l deutet in Abs. 7 11 bereits auf die mögliche Beteiligung von Drittstaaten hin, die den gesteigerten Anforderungen der externen Akkomodation genügen muß. 3ll So im Ergebnis auch Lagoni (1979), S. 16. 312 Vgl. Watts, International Law and the Antarctic Treaty System, Cambridge 1992, S. 287.

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Erster Teil: Faktizität

begrenzte Geltungsdauer vorgesehen ist; die zu einer Aufhebung des Verbots zu überwindenden Hürden sind so hoch, daß es faktisch vom Inkrafttreten des Protokolls an als immerwährendes aufgefaßt werden muß. Indes ist die generelle Diskriminierung des Bergbaus in bezug auf zwei Punkte zu hinterfragen. Der erste betrifft seine inhaltliche Tragweite: Schließt mit Rücksicht auf den Wortlaut des Art. 7 ("other than scientific research") das Bergbauverbot auch die in Art. 1 Nr. 8 CRAMRA als "prospecting" bezeichneten Aktivitäten ein? Diese Frage ist bereits an läßlich früherer Betrachtungen mit einem Nein beschieden worden. 313 Der andere Punkt betrifft die Anwendbarkeit des Bergbauverbots auf die Tiefsee, die durch die Wertung des Art. VI AV i.V.m. Art. 4 Abs. 1 USP in Zweifel gezogen werden könnte. Überaus kompliziert stellte sich der Anwendungsbereich der CRAMRA im Verhältnis zur Seerechtskonvention, aber auch zu Art. VI AV dar. Empf. XI Abs. 7 Uabs. IV (1981) sah - auf den ersten Blick konsequent - vor, daß sich ein Mineralienregime nicht auf den Tiefseeboden erstrecken, sondern auf den Kontinent "and its adjacent offshore areas", was den Kontinentalsockel wohl einschließt,314 beschränkt sein sollte. Diese Vorstellung wurde durch Art. 5 Abs. 2, 3 CRAMRA im Grundsatz rezipiert. Die darin verwendete Terminologie, die Anspielungen auf das mögliche Bestehen territorialer Souveränität, aber auch die Rezeption der im Seerechtsübereinkommen verwendeten Begriffe weitgehend vermeidet, erschwert das Verständnis der Bestimmungen erheblich. Art. 5 Abs. 2, 3 CRAMRA stellt sich nichtsdestoweniger als ein ebenso von der Rücksichtnahme auf die Claimants wie von jener auf das - noch nicht in Kraft getretene - Seerechtsübereinkommen von 1982 geprägter Komprorniß dar. Danach erstreckt sich der räumliche Anwendungsbereich der CRAMRA "up to the deep seabed" (Art. 5 Abs. 2), schließt also den Tiefseeboden nicht ein. Wo der Tiefseeboden beginnt, bestimmt sich aufgrund der bifokalen Sichtweise nicht nach Art. 76 SRÜ, sondern lediglich nach seinem Maßstab, auf den Art. 5 Abs. 3 unter Verwendung des Passus "geographic extent of the continental shelf as the term continental shelf is defined ... " verweist. Dabei wurde allerdings übersehen, daß Art. 76 nur den Rahmen festlegt, innerhalb dessen ein Staat seinen Kontinentalschelf nach freiem Ermessen festlegen kann (Art. 76 Abs. 4 SRÜ: " ... the coastal State

313 Supra I.l.a. - Eines der umfangreichsten Bohrungsprojekte, das .. Dry Valley Drilling Project", war seiner Intention nach wissenschaftlicher Natur; die Auswertung einer solchen mineralogischen Bohrung zu ökonomischen Zielen wäre aber jederzeit möglich. Die Ergebnisse des Trockental-Bohrungsprojektes finden sich in: McGinnis, Dry Valley Drilling Project (Antarctic Research Series, Nr. 31), 1981. 314 Zweifelnd Bush I, S. 444, Anm. 32, der die Empf. auf S. 441 ff. abdruckt. - Zur Problematik auch Couratier, La convention sur la reglementation des activites relatives aux ressources minerales de l' Antarctique, in: AFDI 34 (1988), S. 764 (782 f.).

c. Die Widmung der Antarktis und ihre Nutzung

141

shall establish ... "). Zumindest das Recht auf einen 200 sm breiten Kontinentalschelf ist heute gewohnheitsrechtlich verfestigt. Aus der Sicht der Nonclaimants würde damit der "Kontinental schelf im geographischen Sinne" nicht mehr als 200 sm Breite - von der "Grundlinie im geographischen Sinne" gesehen - umfassen. Keiner der Claimants hat zwar bislang mehr als einen 200 sm breiten Scheltbereich beansprucheis; doch hätten die Clairnants aus ihrer Sicht das Recht, gemäß Art. 76 Abs. 2 ff. ihren Kontinentalschelf bis auf 350 sm auszuweiten. Im Bereich zwischen 200 sm und 350 sm ab der geographischen Grundlinie droht mithin der Bifokalismus zu versagen. Unabhängig hiervon stellt sich der geographische Anwendungsbereich der CRAMRA wie folgt dar: Der Kontinentalschelf wird von der Konvention einschließlich ihrer Umweltschutzbestimmungen - voll erfaßt, und zwar auch dann, wenn er nördlich über 60° S hinausreicht. Das Gegenteil gilt für Scheltbereiche, die nördlich 60° S befindlichen Inseln zugehörig sind: auf sie findet CRAMRA keine Anwendung. 316 Das "deep seabed" bleibt aus dem Bergbauregime ausgeklammert; ob insoweit die Art. 133 SRÜ (Bergbaubestimmungen für das "Gebiet", also den Tiefseeboden) Anwendung finden, ist zweifelhaft: In die Seerechtsdebatte wurde die Antarktis nicht einbezogen; zudem verträgt sich die Bezeichnung des "Gebiets" als "common heritage of mankind" nicht mit dem Selbstverständnis der Konsultativstaaten als Verwalter der Antarktis. Wolfrum ist der Auffassung, daß die den CRAMRA-Anwendungsbereich absteckende Klauselformel "without prejudice to the responsibility of the Antarctic Treaty Consultative Parties under the Antarctic Treaty and the measures pursuant to it" in der Weise auszulegen sei, daß die Umweltschutzbestimmungen des Art. 4 auf jede Tiefseebergbautätigkeit südlich 60° SAnwendung fänden. 317 Der Wortlaut des Art. 5 Abs. 2 stützt diese Annahme nicht: die dort zugrundegelegte "Regelung des Bergbaus" erfaßt die gesamte Konvention. Doch spricht die relative Knappheit unmittelbar anwendbarer Umweltschutzbestimmungen im Seerechtsübereinkommen für diese Position ebenso wie das Streben der Konsultativstaaten nach Erhalt ihrer "special responsibility" im Umweltschutzbereich.

3IS Gemäß Art. 76 Abs. 1 SRÜ endet der Festlandsockel eines Küstenstaates grundsätzlich in einer Entfernung von 200 sm von der Basislinie. Die Ausnahmebestimmungen der Absätze 2 ff. - für die Art. 82 gilt! - könnten angesichts des (eisdruckbedingt) sehr niedrig gelegenen Kontinentalschelfbereichs der Antarktis wohl nur in unbedeutendem Maße greifen. 316 Wolfrum (l991a), S. 32. 317 (l991a), a.a.O.

142

Erster Teil: Faktizität

Das Madrider Umweltschutzprotokoll zeigt sich dem Seerechtsübereinkommen gegenüber eher unsensibel. Seine Bestimmungen gelten, von Art. 4 USP bestätigt, im Grundsatz für das gesamte Vertragsgebiet (Art. 1 lit. b USP). Klargestellt wird dies auch dadurch, daß dem Begriff "Antarctic Treaty area" gegenüber "Antarctica" ein klarer Vorzug eingeräumt wird. Die Grenzen dieser umfassenden Geltung gibt Art. 4 Abs. 2 USP vor. Dabei stellt sich aber auch die Frage, ob insbesondere der Bergbau gemäß Art. 7 USP im gesamten Bereich südlich 60° S untersagt ist, oder aber ob das Verbot durch Art. VI AV, auf den Art. 4 Abs. 1 ("neither modify nor amend") letztlich verweist, derogiert wird, soweit die Freiheiten der Hohen S~e die Zulässigkeit des Mineralienbergbaus gebieten. Offenbar haben sich die Parteien bei Abfassung des Umweltschutzprotokolls nicht mit der Gefahr der Kollision mit Art. VI AV befaßt, dessen Begriff der "Hohen See" nicht auch den Meeresuntergrund zu erfassen vermag. Anders als Art. 5 CRAMRA nimmt das Madrider Umweltschutzprotokoll nach seinem Wortlaut auch die Tiefsee vom Bergbauverbot nicht aus. Damit greift es zwar offenbar nicht in Art. VI AV, wohl aber in den künftigen räumlichen Kompetenzbereich der Meeresbergbaubehörde (Art. 1 Nr. 1, 133 ff. SRÜ) ein. Die Auffassung, daß die Antarktis aus dem Operationsbereich der "Behörde" ausgeklammert sei, dieser mithin seine Begrenzung am 60. Breitengrad finde, wird nicht ernsthaft vertreten, auch wenn der aus Sicht der Non-claimants folgerichtige Schluß, daß das "Gebiet" bis an die Gestade des antarktischen Kontinents reichen müßte, für alle Parteien des Antarktisvertrages inakzeptabel wäre. 318 Eine mögliche Sonderbehandlung der Polargebiete läßt sich indes dem SRÜ - von Art. 234 abgesehen - nicht entnehmen. Die Grenze zwischen den Aktionsbereichen der Meeresbodenbehörde und des "konsultativen Zirkels" ist fließend; hier liegt ein Kompetenzkonflikt begründet, den die CRAMRA zu lösen versuchte, der aber nach ihrem Scheitern weiterschwelt. Im Ergebnis enthält Art. 7 USP also die Selbstverpflichtung der beteiligten Staaten, ungeachtet rechtlicher Möglichkeiten, dies im Rahmen eines internationalen Regimes zu tun, auch in der Tiefsee keine Bodenschätze abzubauen. Selbst wenn man dagegen der Auffassung sein sollte, daß sich die für die Hohe See entwickelten Meeresfreiheiten mit der zunehmenden wirtschaftlichen Ausbeutbarkeit der Meeresgebiete gleichsam auf den Meeresboden "durchpausen", könnte Art. VI AV für Art. 7 USP nur im Rahmen eines weiten und zudem dynamischen Begriffes der Hohen See von Bedeutung sein. Art. VI stipuliert:

318

Vgl. Orrego VicufialInJante, S. 347 m.w.N.

C. Die Widmung der Antarktis und ihre Nutzung

143

,,[N]othing in the present Treaty shall prejudice or in any way affect the rights, or the exercise of the rights, of any State under international law with regard to the high seas within that area."

Damit wird zunächst die Frage nach der (ggfs. intertemporalen Modifikationen unterliegenden) Bedeutung des Begriffes "Hohe See" gestellt. Dies ist nicht der Ort, um dieser Frage en detail nachzugehen. Einen Lösungsansatz bietet die Genfer Konvention über die Hohe See von 1958, die sich auf den Meeresboden nicht bezieht (was angesichts der zu jener Zeit noch schwankenden Terminologie nicht allein ein Momentum der Begriffslogik ist). Nicht das Küstenmeer, wohl aber die Anschlußzone, wiewohl in einer separaten Vereinbarung geregelt, wurden zur Hohen See gerechnet. Die heutigen Betrachter reduzieren die Hohe See überwiegend auf "eine Wassermasse zwischen den Außengrenzen der Ausschließlichen Wirtschaftszonen".3I9 Auch Art. 86 ff. SRÜ beschränken den Begriff der Hohen See auf die Aquisphäre. Nach heutiger Betrachtungsweise würde der Vorbehalt des Art. VI die Schätze des Tiefseebodens nicht einschließen können. Indes muß zunächst von dem Begriff der Hohen See ausgegangen werden, den die Parteien selbst ihren Vereinbarungen zugrundegelegt haben. Einiges spricht dafür, daß die Parteien dem Art. VI AV keine eindeutige Definition der Hohen See zuordnen wollten,320 doch betrifft dies mit Rücksicht auf den Bifokalismus in erster Linie ihre Breite, nicht die Ausdehnung in der Vertikalen. Insoweit bleibt zu vermuten, daß auch der Tiefseeboden als Bestandteil der Hohen See im Sinne des Art. VI AV gelten sollte - zumal es erst das Seerechtsübereinkommen von 1982 war, das den Tiefseeboden ("Gebiet", "area") formal aus dem Begriff der Hohen See ausgliederte und

319 Kritisch Beckert/Breuer, Öffentliches Seerecht, 1991, Rn. 78. Graf Vitzthum, Der Rechtsstatus des Meeresbodens, 1972, S. 236 ff., zufolge lassen sich für die Zeit vor Zustandekommen des Seerechtsübereinkommens drei Haupt-Meinungsströmungen unterscheiden: (1) die Lehre von der Einheit der Hohen See, derzufolge analog der für das Staatsgebiet vertretenen Auffassung auch der Meeres(unter)grund vom Regime der Hohen See miterfaßt sein müsse; (2) eine vermittelnde Auffassung, wonach der Meeresuntergrund (anders als der Meeresboden) nicht zur Hohen See gehöre, somit nicht res omnium, sondern res nullius und mithin okkupierbar sei. Da es im vorliegenden Kontext nicht auf die Frage des Rechtserwerbes, sondern auf diejenige der Freiheit des Bergbaues ankommt, könnte auch nach dieser Auffassung Art. VI AV den Meeresuntergrund sinngemäß einschließen. (3) Nach der dritten Auffassung, die infolge der traditionellen "Vnerreichbarkeit" des Tiefseebodens die Geltung der Meeresfreiheiten für diesen ablehnt (und damit ohnehin eine Einbeziehung des Tiefseebodens in das Regime der Hohen See), bezöge sich Art. VI AV nur auf die Wassersäule. 320 Vgl. Befragung von Phleger durch den VS-Senat, abgedruckt in: V.S. Senate, The Antarctic Treaty, S. 61 f. (zitiert bei Bush I, S. 112 [114]).

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Erster Teil: Faktizität

ihn einem internationalen Regime unterwarf (Art. 133 ff.).321 Schließt Art. VI AV mit "high seas" auch den Tiefseeboden ein,322 könnte auch die Freiheit zum Tiefseebergbau von Art. VI AV umfaßt werden - vorausgesetzt, diese Freiheit war 1959 völkergewohnheitsrechtlich anerkannt. Belege hierfür (aber auch hiergegen) existieren kaum. Das Fehlen solcher Anhaltspunkte läßt auf Bergbaufreiheit schließen. 323 (Die Annahme, daß die Konsultativparteien von einer Bergbaufreiheit im Meer zumindest implizit ausgegangen sind, wird durch die Tatsache gestützt, daß eine Einigung über Bestimmungen, die den Bergbau betreffen, infolge der komplizierten Souveränitätsfrage nicht zustandekam. Diese stellt sich für die Hohe See jedoch nicht.) Der Anwendungsbereich des Art. VI AV könnte sich jedoch mit der inhaltlichen Beschränkung des Begriffes "Hohe See" seinerseits auf die "Wassersäule" reduziert haben. Damit stellt sich die Frage nach der intertemporalen Geltung der Verweisung auf die Freiheiten der Hohen See: Kommt die Grundregel des intertemporalen Prinzips ("that a juridical fact must be appreciated in the light of the law contemoprary with it, and not of the law in force at the time when a dispute in regard arises to it or falls to be settled") oder aber die von Huber im Fall "Islas Palmas" formulierte Ausnahme (wonach zwischen der Entstehung und der Existenz von Rechten unterschieden wird, so daß letztere "shall follow the conditions required by the evolution of law")324 zur Anwendung? Die Grundregel wird anzuwenden sein, wenn sich bei gleichbleibendem Kanon von Rechten und Pflichten nur die Auslegung eines Begriffes - Hohe See - geändert hat; insoweit vermögen den "Freiheiten der Hohen See" diejenigen der "Tiefsee" gleichgestellt zu werden. Dieses Ergebnis kann aber nicht aufrechterhalten werden, wenn die Art. 133 SRÜ ein die Bergbaufreiheit in der Tiefsee derogierendes Gewohnheitsrecht begründet haben. Dies ist aber für diesen besonders umstrittenen Bereich noch nicht anzunehmen. Art. VI AV - und mit ihm Art. 4 Abs. 1 USP - verweist mithin nach wie vor auf die Freiheit, Tiefseebergbau in antarktischen Meeren zu betreiben. Den Non-claimants zufolge würde sich diese Freiheit auf das gesamte Vertragsgebiet beziehen, für die Claimants kämen nur die dem Freien Sektor benachbarten Gewässer sowie die Meeresbereiche jenseits ihres Kontinentalschelfs als Betätigungsbereiche der besagten Freiheit in Betracht: Anders als

321 Nicht die internationale Verwaltung des Tiefseebodens, aber die Scheidung von Wassersäule und Tiefseeboden in unterschiedliche Rechtssphären dürfte dabei gewohnheitsrechtlich verfestigt sein. 322 Auf dieser Linie auch BeckertlBreuer, Rn. 77 f. 323 So auch Bush I, S. 68. 324 RIAA 11, S. 829 (845).

C. Die Widmung der Antarktis und ihre Nutzung

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die CRAMRA kennt das Umweltschutzprotokoll keine (hier freilich negatorisch aufzufassende) ,,Pufferzone" Kontinentalschelf. Mit einem solchen Ergebnis kann es aber nicht sein Bewenden haben. Es wäre nicht nur unter bi fokalen Gesichtspunkten als unerträglich zu werten, war es doch Ziel beider Staatengruppen, Mineralienbergbau in der Antarktis zu unterbinden. Vielmehr würde es die Ziele des Umweltschutzprotokolls überhaupt konterkarieren, zumal Meeresbergbau noch am ehesten technisch durchführbar erschien und daher auf mittlere Sicht die größten Gefahren für die antarktische Umwelt in sich trüge. Das Ziel umfassenden Schutzes der Umwelt, in Art. 3 USP (auch für "dependent and associated ecosystems") festgeschrieben und durch Anhang IV auf die Meeresgebiete übertragen, würde ad absurdum geführt. Art. 7 USP muß mithin, will man Zweck und Zielsetzung des Protokolls gerecht werden, im Sinne einer Derogation der Bergbaufreiheit für den gesamten Vertragsbereich betrachtet werden. 325 Damit kollidiert Art. 7 nicht nur mit Art. VI AV, sondern steht auch im Widerspruch zu Art. 4 Abs. 1 USP; ferner kann Art. 7 USP mit Art. 133 ff. SRÜ konfligieren, die Bergbau in der Tiefsee gestatten, mag auch die Anwendung der Bestimmungen auf die Antarktis umstritten sein. Die Kollision mit Art. VI AV läßt sich - wie im Falle der CCAMLR - in dem Sinne lösen, daß das Umweltprotokoll die Ausübung von Freiheiten nur insoweit gewährt, als es sie nicht selbst verbietet. Was Art. 4 Abs. 1 USP betrifft, muß abennals darauf hingewiesen werden, daß diese Bestimmung nichts als eine juristische Fiktion darstellt und das Umweltschutzprotokoll von Bestimmungen des Antarktischen Systems durchaus Ausnahmen macht. Die Abweichung von Art. 133 ff. SRÜ schließlich kann hingenommen werden - nicht weil das Umweltschutzprotokoll nur inter partes gilt, sondern weil, anders als im Falle der CRAMRA, im Ansatz so etwas wie ein internationaler Konsens über das Verbot des Mineralienbergbaues in internationalen Gewässern des Südozeans existiert, wie auch jüngere VN-Resolutionen bestätigen. 326 Gewohnheitsrecht ist insoweit nicht entstanden, so daß die Konsultativstaaten (besonders wenn das Seerechtsübereinkommen in Kraft getreten sein wird, ab 17.11.1994 also) befürchten müssen, erneut in die Defensive zu geraten.

325 A.A. jedoch die chilenische Verhandlungsdelegation in einer interpretatorischen Stellungnahme zum Madrider Protokoll, wonach sich das Bergbauverbot nicht auf den Tiefseeboden erstrecken soll, soweit er nach Ansicht der Claimants frei von Hoheitsrechten ist. Die Stellungnahme ist abgedruckt bei Bush, Booklet AT91C, S. 3. 326 Für die Annahme, daß Völkergewohnheitsrecht entstanden sei, dürfte dies nicht ausreichen.

10 Kiimmorer

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Erster Teil: Faktizität

b) Militärische Nutzungen Die Problematik militärischer Nutzungen der Antarktis ist heute nur wenig aktuell und soll daher lediglich eine knappe Behandlung erfahren, mag sie auch, mehr noch als das IGY, mitentscheidend für das Zustandekommen des Antarktisvertrages gewesen sein. 327 Gegen Ende der fünfziger Jahre war nicht auszuschließen, daß die Antarktis im Falle unkontrollierter und womöglich nicht ausbalancierter Inbesitznahme zu jenem Ventil würde, durch das der international gestiegene militärisch-politische Druck entwiche. Ungeachtet des strengen Wortlautes von Art. 1 Abs. 1 AV handelt es sich auch bei der Nichtrnilitarisierung nicht um eine allenthalben und ausnahmslos diskriminierte Zielsetzung: Die Wertung des Art. VI scheint die Zulässigkeit von Militäraktionen bis hin zu Manövern in antarktischen Meeresgewässern (jedenfalls im unbestrittenen Bereich der Hohen See) festzuschreiben. 328 Damit in scheinbarem Widerspruch steht, daß die Hohe See ebenso wie die EEZ für "peaceful purposes" verwendet werden soll (Art. 88 sowie 58 Abs. 2 SRÜ) - ein Terminus, dessen sich Art. lAbs. 1 AV nicht nur bedient, sondern der auch von diesem beeintlußt scheint. Gleichbedeutend könnten die Begriffe indes nur sein, wenn das Seerecht jegliche Nutzung der Weltmeere zu militärischen Zwecken unterbinden wollte. Daß dies nicht der Fall ist, zeigt sich etwa an Art. 301 SRÜ, der mit "Peaceful Uses of the Sea" überschrieben ist329 und nicht nur auf die Grundsätze des Kapitels I, sondern auch auf die übrigen in der VN-Satzung niedergelegten Grundsätze verweist, darunter auch Art. 51, der das Recht auf einzelstaatIiche oder kollektive Selbstverteidigung garantiert; somit kann die Hohe See zur Vorbereitung oder Übung von Verteidigungshandlungen genutzt werden. 330

327 Peterson, Managing the Frozen South. The Creation and Evolution of the Antarctic Treaty System, 1988, S. 72 (90 f.), deutet an, daß Nichtmilitarisierung nur den materiellen Kern anderer, stärker im Vordergrund stehender Ziele darstellt, die im (positiven und negativen) SouveränitätsausgIeich zwischen in der Antarktis aktiven Staaten sowie im Machtausgleich zwischen den Blöcken begründet liegen. 328 Bush I, S. 67. Eine Aufzählung der mit den Meeresfreiheiten verbundenen Rechte im Bereich der Hohen See und der maritimen Zonen gibt Rauch, Military Uses of the Oceans, in: GYIL 28 (1985), S. 228 ff. 329 Art. 301 SRÜ: "In exercising their rights and performing their duties under this Convention, States Parties shall refrain from any threat or use of force against the territorial integrity or political independence of any State or in any other manner inconsistent with the principles of international law embodied in the Charter of the United Nations." 330 Vgl. Rauch, Military Uses of the Oceans, in: GYIL 28 (1985), S. 229 (241 f.), der diesen Schluß mit einer Textänderung stützt: Ursprünglich sollte nur auf die "purposes" der VN-Satzung verwiesen werden, was eine Verweisung auf den (enger

D. Institutionalisierung des Antarktischen Systems

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Während Art. lAbs. 1 AV für den antarktischen Kontinent jegliche Militärhandlungen (aber nicht Anwesenheit von Militärpersonal und deren nichtmilitärisches Handeln, Abs. 2) verbietet und mithin eine faktische Nichtmilitarisierung des Kontinents anstrebt,331 erstreckt sich das Militarisierungsverbot nicht auf die antarktischen Meere, wo der Verteidigung dienenden Handlungen letztlich sogar ein Privilegierungsaspekt eigen ist: "Article VI must be superimposed upon each obligation of the Treaty. For this reason naval manoeuvres on the high seas south of 60° S would not contra vene Article I even if they were declared not to be for peaceful purposes ...332 Im Militärbereich wird somit eine "funktionale Teilung" der Antarktis offenbar, die weithin an der Dichotomie von Land und Meer festhält. Hier schlägt also das "Traditionsprinzip" durch. Die "funktionale Teilung" existiert nur in der Theorie. Der Südozean im Bereich südlich des 60. Breitenkreises war niemals Zentrum größerer Flottenbewegungen. Das Verbot militärischer Nutzungen in der Antarktis ist darüber hinaus in den drei Jahrzehnten seit Bestehen des Antarktisvertrages niemals in Frage oder auf die Probe gestellt worden. Auch im Falklands/MalvinasKonflikt erwiesen sich die system tragenden zentripetalen Wirkungen der Art. I und IV des Antarktisvertrages als den souveränitätsorientierten strategischen Ambitionen Argentiniens und des Vereinigten Königreiches überlegen. Ebenso wie das antarktische System allfällig bestehende territoriale Souveränität überlagert, überlagert es auch die der Antarktis ohne Frage immanenten militärstrategischen Aspekte.

D. Institutionalisierung des Antarktischen Systems Nachdem die Widmungszwecke im Antarktischen System herausgearbeitet, seine Rechtsquellen und Strukturprinzipien vorgestellt sind, soll ein Blick auf die Institutionen den Abschluß der Faktenanalyse bilden. Auch die Institutionen sind ein Bestandteil des Antarktischen Systems; sie tragen zur Ausformung, aber auch zur Umsetzung von Rechtsbestimmungen bei und unterliegen ihrerseits, ebenso wie diese Normen, dem bifokalen Ansatz. Im fol-

gefaßten) Art. 1 SVN gewesen wäre. - In den rechtlichen und intertemporalen Grenzen des Art. IV AV können sich auch die Claimants auf gewohnheitsrechtlich verbürgte Befugnisse zur Verteidigungsvorbereitung berufen, was freilich von den Nonclaimants bestritten würde. 331 Aubum (1982), S. 97: "The measures specified in Article I convey an objective test. Military fortifications cannot be for peaceful purposes." 332

10"

Aubum (1982), S. 138.

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Erster Teil: Faktizität

genden soll untersucht werden, ob sich der an den Widmungszwecken vollziehende funktionale Wandel, ob der Zuwachs an Vertragsstaaten auch auf institutioneller Ebene Änderungen bedingen.

I. Die Institutionenfeindlichkeit des Systems Es entspricht der Natur der Sache, daß mit zunehmender Verdichtung eines Normensystems auch eine V,erstärkung des zu seiner Durchsetzung bestellten institutionellen Apparates einhergeht. Dieses Phänomen läßt sich auch am Antarktischen System nachvollziehen: Während der Antarktisvertrag keine Institutionen im engeren Sinn errichtete, stellten die Londoner und die Canberra-Konvention, dann auch die Mineralienkonvention und das Umweltschutzprotokoll, Weichen für eine immer intensivere Institutionalisierung, also Kreation überstaatlicher Entscheidungs-, Kontroll- und Koordinationsmechanismen. Die Besonderheit dieser Entwicklung ist allerdings, daß sie die normative Schachtelung nicht mitvollzieht. Es existiert keine Instanz, der sich die im Antarktischen System geschaffenen Institutionen hierarchisch unterzuordnen hätten; die Arbeit der Organe vollzieht sich auf der Basis der Gleichrangigkeit auf einer sekundären Ebene. Der Kompetenzbereich einer Institution ist also materiell durch den Anwendungsbereich der sie hervorbringenden völkerrechtlichen Vereinbarung prädeterminiert. Die folgenden Ausführungen sollen auf die Fragen hinleiten, inwieweit die Kompetenzbereiche der Organe einander überschneiden, fernerhin, inwieweit die sektorale Institutionalisierung der Funktionsweise des Antarktischen Systems entspricht und durch eine institutionelle Klammer (Sekretariat) der traite-cadre-Natur des Systems angepaßt werden könnte. Das Völkerrecht hat seit etwa einem Jahrhundert eine intensive Institutionalisierung erfahren. An die Stelle der im 19. Jahrhundert noch vorherrschenden Koordination über diplomatische Kanäle treten in zunehmendem Maße - funktional gesehen - gemeinsame Organe der Staaten, seien es Internationale Organisationen oder auch nur Sekretariate zur Kontrolle der Vertragsdurchführung. Den erwähnten Organen ist gemeinsam, daß sie über keine Exekutivgewalt verfügen; ihre Befugnisse beschränken sich auf den legislativen oder nur auf den koordinatorischen Bereich. Eine Reihe von Internationalen Organisationen (wie z.B. Schiffahrtkommissionen, aber auch die "supranationalen" Europäischen Gemeinschaften) verfügen immerhin im Ansatz über Exekutivbefugnisse, doch bedarf es zur Durchsetzung getroffener Administrativentscheidungen regelmäßig der Organe von Staaten. Dies ist vorab in bezug auf alle Formen internationaler Institutionalisierung festzuhalten. Wo keine Institution besteht, wird mitunter ein Vakuum in der Rechtsdurchset-

D. Institutionalisierung des Antarktischen Systems

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zung beschworen,333 doch werden solche Bedenken angesichts des Grundsatzes "pacta sunt servanda" und der damit verbundenen gegenseitigen Kontrolle und Sanktionsmöglichkeit keinen hohen Stellenwert einnehmen können. Evidentermaßen verkörpert die Unterstellung eines Raumes unter ein internationales Organ aber einen höheren Grad an Internationalisierung als eine bloße Verwaltungsgemeinschaft im Drittinteresse. Wie stellt sich nun der "Mittelweg" des Antarktischen Systems dar, das zwar keine "Antarktisbehörde" hervorgebracht hat, welche die Oberaufsicht über die Region ausgeübt hätte, doch in Teilbereichen durch eine ausgeprägte Tendenz zur Institutionalisierung gekennzeichnet wird? Die Schaffung von Institutionen geht in der Regel einher mit entstehendem Verwaltungsbedarf. Verwaltungsbedarf besteht, wo Normen bestimmte Verhaltensweisen zum Ziel haben und die Einhaltung dieses Zieles zu überwachen ist. Die Normsetzung beruht, wie im Fall der Antarktis, auf faktischen Notwendigkeiten, konkret: der Notwendigkeit, einer veränderten geopolitischen Lage Rechnung zu tragen. Diese Phase wurde mit den Vereinbarten Maßnahmen eingeleitet, doch bevorzugten diese noch das System der dezentralisierten Verwaltung durch Einzelstaaten (vgl. etwa Art. III, XIV VM). Dabei darf nicht vergessen werden, daß die Vereinbarten Maßnahmen dem Wesen nach eine Empfehlung sind, als solche die institutionellen Gegebenheiten des Antarktisvertrages also nicht durchbrechen können. 1. Konsultativtagungen als quasiparlamentarisches Moment

Der Antarktisvertrag selbst versagt sich jeder institutionellen Verdichtung. Er enthält nicht einmal Bestimmungen, über deren Anwendung eine gewisse Institutionalisierung herbeigeführt werden könnte, sieht man einmal von Art. XII ab. 334 Dies ist bedeutsam als Leitprinzip für die weiteren Stufen des Antarktischen Systems, also die Fortführung der "normativen Schachtelung", was noch im Zusammenhang mit Art. 4 USP nachzuweisen sein wird. Das originäre Fehlen von Institutionen wird zumeist zurückgeführt auf eine ausgeSo Orrego Vicufia (1988), S. 351. Zu Unrecht betrachtet Scully (lnstitutionalization of the Antarctic Treaty Regime, in: Wolfrum, Antarctic Challenge 11, 1986, S. 282 [285 f.]) neben Art. XII auch Art. IX und Art. III Abs. 2 AV als Ansatzpunkte für eine Institutionalisierung: "It is from these three Articles in large degree that the institutional development of the Treaty proceeded." Beide Vorschriften deuten gerade in die entgegengesetzte Richtung: Art. IX AV überträgt die zentralen Entscheidungsbefugnisse ja gerade den Konsultativstaaten, und auch die kompetenziellen Regelbeispiele sehen keine Institutionalisierung vor. Art. III Abs. 2 AV hingegen ist eine Bestimmung, deren Anwendung eher Defizite aus der fehlenden Institutionalisierung kompensieren soll. 333

334

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Erster Teil: Faktizität

prägte Institutionalisierungsfeindlichkeit mancher Konsultativparteien, die sich jeder Idee einer "internationalen Verwaltung" widersetzten und mehrere Vorstöße anderer Konsultativstaaten in diese Richtung abblockten. 33S Mit dem Interesse an Sicherung von Souveränitätspositionen läßt sich diese Haltung nicht erklären, denn unter den Staaten, die selbst ein Sekretariat ablehnten, fanden sich mit Belgien und den zwei Supermächten auch Non-claimants. 336 Aber zwei wesentliche Aspekte dürfen nicht übersehen werden: Erstens fehlte es an der Notwendigkeit, die wenigen Rechtsvorgänge im tiefen Süden administrativer Kontrolle zu unterstellen,337 zweitens intendierten die Vertragsstaaten, mit einem möglichst flexiblen System jeder unnötigen Konfrontation aus dem Wege zu gehen, ihm so eine Dynamik zu verleihen, die eine schwerfällige Internationale Organisation ohne eigene Rechtspersönlichkeit meist nicht aufzubringen vermag. 338 Diese Dynamik erlaubte in einer späteren Phase die Institutionalisierung von Teilbereichen, während das prägende Moment der Frühzeit der Grundsatz der Kooperation ist, wie sie vor allem während der Konsultativtagungen, aber vor allem auch im wissenschaftlichen Bereich erfolgte. Dies konnte ausreichend erscheinen, solange kein erhöhter Verwaltungsbedarf entstanden war und sich der antarktische "Club" die paralysierten Vereinten Nationen als abschreckendes Beispiel vorhalten konnte. Die Konsultativtreffen fanden von 1959 bis 1991 grundsätzlich alle zwei Jahre, seither jährlich statt. Ihre Zusammenkünfte gleichen turnusgemäß anberaumten Parlamentssitzungen, weswegen sie (cum grano salis) als "quasiparlamentarisch" bezeichnet werden könnten. In wichtigen Angelegen-

33S Quigg, S. 145; Aubum (1982), S. 155. Dieser kritisiert diese Attitüde wie folgt: Wollten die Konsultativstaaten alle Rechtsbeziehungen auf dem Kontinent regeln, so müßten sie eine Organisationsstruktur aufbauen; andernfalls wären sie der berechtigten Kritik von Drittstaaten ausgesetzt. - Sehr plausibel kann dies aber schon im Hinblick auf die ähnliche Situation Spitzbergens nicht scheinen. Außerdem würde gerade eine mitgliedschaftlieh limitierte Institutionalisierung die Kritik anderer Staaten provozieren. 336 Auch diese hegten freilich Anfang der sechziger Jahre Furcht vor Majorisierung durch die jeweilige Gegenseite. 337 Gleichwohl waren von Anfang an Zweifel an der Effizienz der Konsultativtagungen vorgebracht worden, vgl. Guyer, S. 185. 338 Van der Essen (1980), S. 20 f. ("Pareil etat d'esprit est exceptionnel dans les assises internationales ... "), der zudem vor allem der Nichtöffentlichkeit der Konsultativentscheidungen große Bedeutung für den Erfolg des Systems beimißt (,,[L]'art. IV ... fonctionne depuis pres de vingt ans. Et cela, a cause du huis-clos."); Guyer, S. 176: ,,[Tlhere was the need for a smaller, more workable and confidential forum in wh ich understanding could be reached and by which Antarctica could be withdrawn from the Cold War."

D. Institutionalisierung des Antarktischen Systems

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heiten werden sie noch durch Sonder-Konsultativtreffen (special consultative meetings) ergänzt sowie im Rahmen mehrerer Arbeits- bzw. Vorbereitungstreffen (dieses ca. ein halbes Jahr vor dem Konsultativtreffen) ausgelotet. Sie markieren somit das hohe Maß an erreichter Kontinuität, doch stehen sie nach wie vor für Kooperation, nicht für Institutionalisierung. Es mag wohl sein, daß die Rotationspraxis im Hinblick auf die Organisation von Konsultativstaaten dem jeweiligen Gastgeberstaat eine Art Sekretariatsfunktion aufbürdet,339 doch ist diese Funktion durch Diskontinuität geprägt und verfügt nicht über die Institutionen eigene Dauerhaftigkeit; vor allem verdrängt dieses Phänomen nicht die Primärentscheidungsbefugnis der Konsultativstaaten in Sach- und Organisationsfragen. Nicht übergangen werden darf auch, daß die an der Konsultativtagung beteiligten Staatenvertreter allein für ihren Entsendestaat handeln, nicht aber für eine allfällige eigenständige Wesenheit. 2. "Leihorganschaft" als interimäre Lösung? Der Wissenschaftliche Ausschuß für Antarktisforschung (SCAR)

Man kann sagen, daß im Verhältnis zwischen SCAR und dem Antarktischen System dieses als eine Art Leihorgan für das Antarktische System fungiert, dem die Förderung von Forschung und in gewissem Umfang auch Umweltschutz anvertraut ist. Juristisch betrachtet ist das SCAR "nicht-gouvernementale Organisation" und hat bei Konsultativtreffen Beobachterstatus inne. 340 Eine organisatorische Verflechtung zwischen SCAR und dem Antarktischen System besteht nicht, wiewohl eine Reihe von SCAR-Delegierten zugleich auch als Staaten vertreter im Antarktischen System fungieren, dies besonders in Gremien, zu deren Aufgabenbereich die Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse gehört, wie im Wissenschaftlichen Ausschuß oder in der Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze, ferner auch COMNAP. Die antarktischen Konventionen nehmen auf SCAR Bezug, doch findet sich lediglich in der Robbenkonvention eine Kompetenzzuweisung: SCAR ist

339 Scully (1986), S. 287, wonach die Rotation der Gastgeberrolle in der Praxis Rotation des Sekretariats bedeute. Quigg, S. 45: ,,[Tlhe rotation of personnel through foreign offices causes an absence of continuity and ensures that preparation for each consultative meeting becomes an on-the-job training program. It may be time to reconsider the need for some central organization, even if its function is only archival." 340 Vgl. Aubum (1982), S. 170. Näheres im SCAR Report to the XVIth ATCM, in: XVIth ATCM, Final Report, S. 230 ff. - Nach Couratier (1991), S. 143 ff., ist das Verhältnis zwischen SCAR und dem Antarktischen System durch Komplementarität und Autonomie gekennzeichnet.

152

Erster Teil: Faktizität

aufgerufen - wenn auch nicht verpflichtet -, Infonnationen der Mitgliedstaaten auszuwerten, den Bestand der Robben zu überwachen und Prognosen über die Entwicklung der Bestände abzugeben. 341 Nach dem Grundsatz des Verbots von Verträgen zu Lasten Dritter (wobei als Dritter nicht nur Staaten, sondern auch Internationale und selbst nichtgouvernementale Organisationen in Frage kommen 342) kann SCAR hierdurch in keiner Weise gebunden sein; es handelt sich mithin nicht um eine Kompetenzzuweisung, sondern ein Angebot zur Kompetenzübernahme, das SCAR in jedem Einzelfall unterschiedlich beantworten könnte. Diese Kompetenzzuweisung führt in der Tat zu einer "Leihorganschaft": Unter allen im Rahmen des Antarktischen Systems abgeschlossenen Konventionen weist die Robbenkonvention den geringsten Institutionalisierungsgrad auf, für die Etablierung einer Kommission wurde zwar eine Option offengelassen, bisher jedoch noch nicht wahrgenommen (Art. 6 Abs. 1 lit. b CCAS). Die anderen Konventionen erwähnen SCAR nur im Zusammenhang mit Bestimmungen zur Kooperation und Infonnation 343 und damit als potentiell begünstigte Drittorganisation. Fonnaljuristisch gesehen bleibt es also dabei, daß SCAR den Platz eines juristisch unabhängigen Expertenkollektivs einnimmt, wozu es nicht zuletzt sein unpolitisches Selbstverständnis prädestiniert. 344 Ein ganz anderes Bild ergibt sich bei funktionaler Betrachtung. Hier erweist sich SCAR als unentbehrlicher Bestandteil des antarktischen Systems. Die zentrale Rolle ergibt sich daraus, daß SCAR nicht etwa selbst Forschung betreibt, sondern den institutionellen Rahmen nicht nur für Koordination, Auswertung und Präsentation, sondern auch für die Weitergabe von Forschungsergebnissen bereithält: "SCAR is a scientific committee of ICSU charged with the initiation, promotion, and coordination of scientific activity in the Antarctic, with a view to framing and reviewing scientific programmes of circumpolar scope and significance."345 Dieser Klammerstellung ist es zu verdanken, daß SCAR für die Konsultativstaaten zum zentralen Transmissionsriemen für wissenschaftliche Infonnationen wurde. Das SCAR betrachtet sich nicht als politische Organisa-

341 Art. 5 sowie Art. 6 Abs. 3 CCAS. 342 Das gilt jedenfal1s dann, wenn keine Kongruenz zwischen den vertragschließenden Staaten und denjenigen besteht, aus denen sich die Mitglieder der (nichtgouvernementalen) Organisation rekrutieren, was bei SCAR der Fall ist. 343 Vgl. etwa Art. XXIII Abs. 3 CCAMLR, Art. 34 Abs. 1 CRAMRA, Art. 10 Abs. 2, 11 Abs. 4 und Art. 12 Abs. 2 USP. 344 Guyer (1973), S. 191; vgl. auch Aubum (1982), S. 180, 182. 345 Auszug aus der SCAR-Satzung, zitiert bei Gjelsvik, S. 42 f.

D. Institutionalisierung des Antarktischen Systems

153

tion. 346 Doch hat es in wenigstens zweierlei Hinsicht großes politisches Gewicht: Zum einen geht seine Tätigkeit über die eigentlich wissenschaftliche Kompilation und Empfehlungstätigkeit hinaus und erstreckt sich überall dort in den politischen Bereich hinein, wo es dem Antarktischen System an geeigneten Institutionen fehlt. Damit muß SCAR in manchen Bereichen über die satzungsgemäße Transmission hinaus auch die Transformation des Wissenschaftlichen ins Politische übernehmen. Es leistet auf Ersuchen der Konsultativstaaten Vorarbeit für Konventionen und liefert Vorschläge für Empfehlungen. Die andere Säule, auf der des SCAR politisches Gewicht ruht, ist die partizipatorische. An die SCAR-Mitgliedschaft werden nahezu die gleichen Ansprüche gestellt, wie sie Art. IX AV vorsieht, so daß sie gleichsam eine "Eintrittskarte für den Konsultativstatus" vermittelt. 347 Die politische Funktion des SCAR hat noch einen weiteren, drittgerichteten Aspekt, der freilich in den letzten Jahren an Gewicht verloren hat: Wird SCAR ein Monopol im Bereich wissenschaftlich-politischer Vorarbeit zugewiesen, kann dies dazu verwendet werden, andere Organisationen auszugrenzen; insbesondere UNEP ist auf diese Weise an einer "Einmischung" gehindert worden. 348 Daß SCAR selbst sich nicht nur aus nationalen Delegierten zusammensetzt, sondern auch aus Vertretern der nichtgouvemementalen ICSU (International Council of Scientific Unions) und der darin vereinigten wissenschaftlichen Verbände sowie einem Delegierten der "World Meteorological Organization" (WMO), fällt dabei nicht wirklich gegen die Ausgrenzungsthese ins Gewicht. Der (quasi-)institutionelle Ansatz steuert einer institutionalisierten Internationalisierung geradezu entgegen. Wo das Antarktische System eigene Institutionen hervorgebracht hat, wird indes eine gewisse Einbeziehung außerantarktischer Internationaler Organisationen angestrebt; ausdrücklich genannt werden FAO und andere Sonderorganisationen der VN. 349 Auch der zunehmende Einfluß nicht-gouvernementaler Umweltverbände, denen teilweise Beobachterstatus zuerkannt worden ist,350 und der

346 So wird etwa die Interpretation der Verträge durch die Konsultativparteien von ihm unbesehen übernommen. 347 Aubum (1982), S. 174. - Dieser Aspekt ist in den achtziger Jahren in den Hintergrund getreten, als es den Konsultativstaaten auch darum ging, die Mauem der "Festung Antarktis" durch die Aufnahme neuer Mitglieder gegen den Widerstand insbesondere der Blockfreien zu stärken. Dazu Aubum (1988), S. 209. 348 Orrego Vicufia (1988), S. 474 f. 349 Art. XXIII Abs. 2 CCAMLR, Art. 34 Abs. 2 CRAMRA. 350 So waren ASOC und IUCN Beobachter der XI. Sonderkonsultativtagung (Vifia deI Mar / Madrid), waren Mitglieder nationaler Umweltschutzverbände (CousteauStiftung, Überseeinstitut u.a.) in nationalen Delegationen vertreten, haben die Mitglieder nichtgouvernementaler Umweltverbände die Möglichkeit, den Konsultativtagungen Vorschläge und Entwürfe zur Kenntnis zu bringen. Dazu Blay, S. 397 f.

154

Erster Teil: Faktizität

Aufbau kooperativer Strukturen vor allem zwischen SCAR und IUCN (International Union for the Conservation of Nature and Natural Resources, nichtgouvernemental) spricht für eine allmähliche Dynamisierung des Systems.

11. Sektoral operierende sekundäre Institutionen Die Institutionalisierung des Antarktischen Systems ist nicht nur eine sekundäre, sie ist auch eine unvollständige. Hierzu trägt nicht nur bei, daß die Claimants notwendigerweise jeder Institutionalisierung zurückhaltend gegenüberstehen mußten, da sie eine zusätzliche Minderung ihrer Befugnisse zur Kompetenzwahrnehmung bedeutete. 351 Die sekundär-sektorale Institutionalisierung ist zugleich auch Folge der Technik normativer Schachtelung, nach der sich die Konventionen dem Antarktisvertrag grundSätzlich strukurell unterzuordnen haben. Festgeschrieben ist dieses Prinzip im bereits mehrfach angesprochenen Art. 4 Abs. 1 USP, demzufolge ,,[t]his Protocol shall supplement the Antarctic Treaty and shall neither modify nor amend that Treaty". Die grundSätzliche Institutionenfeindlichkeit des Antarktisvertrages setzt sich also in den sekundären Konventionen fort, räumt insoweit jedoch die Möglichkeit ein, eine auf ihren Anwendungsbereich beschränkte Institutionalisierung herbeizuführen. Gewiß hat die zunehmende Komplexität der Materie wie ein Katalysator auf die Internationalisierungstendenzen eingewirkt. Zudem ist bereits die CCAMLR auf einen größeren Kreis als denjenigen der Konsultativstaaten ausgelegt, wobei dem Zugang zum Abkommen kaum Schranken gesetzt sind; es stand also zu befürchten, daß die herkömmlichen Koordinationsmechanismen ihre Zugkraft verlieren würden. Je größer und heterogener der Kreis der Beteiligten, desto eher haben gemeinsame Institutionen eine zentrale Koordinations- und Konziliationsfunktion wahrzunehmen. 352 1. Schutz lebender Meeresressourcen: Institutionalisierung eines Teilbereiches

Obschon bereits die Robbenkonvention Voraussetzungen für die Etablierung einer Kommission schuf, trat das Antarktische System erst mit der Konvention zum Schutze der lebenden Meeresressourcen in die Phase der selbständigen Internationalisierung ein. Art. 6 der Robbenkonvention - er

351

Ebenso etwa Wolfrum (1991a), S. 39.

m V gl. auch Scully (1986), S. 292 f.

D. Institutionalisierung des Antarktischen Systems

155

bestimmt unter anderem, daß nach Aufnahme des kommerziellen Robbenfangs auf Verlangen eines Vertragsstaats und mit Zustimmung von einem Drittel der Vertragsparteien auf einer Tagung über die Einsetzung eines wissenschaftlichen Beratungsausschusses entschieden wird - darf in seinem Bedeutungsgehalt dennoch nicht unterschätzt werden. Die Norm ist richtungweisend fUr eine institutionelle Verdichtung des antarktischen Systems. 353 Wenn die Robbenkonvention dennoch keine Institutionen hervorgebracht hat, so liegt es daran, daß Art. 6 der Robbenkonvention die Schaffung von Institutionen an einen vorhandenen Bedarf koppelt. 354 Die Canberra-Konvention überschreitet dagegen die Schwelle in Richtung einer unbedingten und ständigen Institutionalisierung. Als ständige Organe wurden die Kommission (Art. VII), der Wissenschaftliche Ausschuß (Scientific Committee, Art. XIV) und das Sekretariat (Art. XVII) eingerichtet. 355 Die CAMLR-Kommission besitzt nach Art. VIII Rechtspersönlichkeit. Ihre Befugnisse liegen teils im Bereich der empirischen Bestandsaufnahme (Art. IX Abs. 1 lit. a - c), teils in der wertenden Analyse (lit. d - e), teils aber auch in der Ausarbeitung (lit. e, t) und Durchsetzung (Abs. 1 lit. f - h, Abs. 2) von Erhaltungsmaßnahmen. Damit sind ihr die wesentlichen Legislativ- und Exekutivbefugnisse im Bereich des Schutzes lebender Ressourcen übertragen. In Art. IX Abs. 6 CCAMLR ist festgelegt, daß die Normsetzungstätigkeit der Kommission durch ein staatliches Veto aufgehalten werden kann, doch mit Wirkung nur für den notifizierenden Staat. Dieses "opting out", das nach dem Vorbild anderer Schutzkonventionen ausgestaltet ist, enthält keine echte Mitwirkungsbefugnis der Mitgliedstaaten, da diese auf den Inhalt der Erhaltungsmaßnahme nicht unmittelbar Einfluß nahmen können. Als eigentlicher "Gesetzgeber" erweist sich damit in der Tat die CAMLR-Kommission. Dabei ist nicht wesentlich, ob die Kommission als Internationale Organisation aufzufassen ist oder nicht. 356

Zu dieser Einschätzung gelangt auch Orrego Vicufia (1988), S. 352 f. Dieses Spezifikum betrifft nicht nur die Kreation von Organen, sondern auch ihr spätere Zusammentreten; vgl. Orrego Vicufia (1988), S. 383 f. m Orrego Vicufia (1988), S. 353. 356 Schwarzenberger (International Law As Applied by International Courts and Tribunals, Vol. III: International Constitutional Law, 1976) definiert "international institutions" als "organisations for the attainment of common ends which are created by and open to sovereign States and other entities co-opted by such sovereign States." Andere verlangen die Betrauung der Organisation mit eigenen, selbständig wahrzunehmenden Aufgaben (z.B. Epping, in: Ipsen, § 6 Rn. 5 ff.). Auch wenn diesem Erfordernis Genüge getan sollte, fragt sich doch, ob die CAMLR-Kommission nicht ein Organ ohne institutionellen Unterbau ist, der eine Organisation kennzeichnet. 353 354

156

Erster Teil: Faktizität Übersicht 6

Das Rechtsetzungsverfahren gemäß Art. IX CCAMLR Kommission FestIegung der Erhaltungsmaßnahmen; Notifikation an Mitgliedstaat

Mitgliedstaat -+.+.+.+.~

Schweigen des Mitgliedstaates

J.J,J.J,J.J,J.J,

Notifikation der vollständigen oder teilweisen Nichtakzeptanz binnen 90-Tages-Frist nach Mitteilung durch Kommission

J.J, J,J.J,J.J,J, Rechtsfolgen des mitgliedstaatlichen Handeins: Reaktion der Kommission: Überprüfung der Erhaltungsmaßnahme (sofern ein Mitglied Nichtakzeptanz erklärt hat)

~~~-+.~

Die Maßnahme wird für diesen Mitgliedstaat 180 Tage nach Notifikation verbindlieh.

Die Maßnahme wird für diesen Mitgliedstaat nicht verbindlich. Im übrigen tritt Verbindlichkeit ein.

Das Kommissionsmitglied erklärt während Kommissionstagung oder bis 30 Tage danach, daß es die Erhaltungsmaßnahme nicht mehr akzeptieren kann.

J.J,J.J,J.J,J.J, Rechtsfolgen des mitgliedstaatlichen Handeins:

Die Verbindlichkeit der Maßnahme wird für diesen Mitgliedstaat (ex nunc?) durch diesen Schritt rückgängig gemacht.

Zur institutionellen Struktur der CCAMLR gehört aber auch der Wissenschaftliche Ausschuß (Art. XN ff.), an dessen Struktur sich der Umweltschutzausschuß gemäß Art. 11 f. USP orientiert. Seine Kompetenzen sind beratender und bewertender Natur; in dieser Eigenschaft ist der Ausschuß als Hilfsorgan tätig. Die teilweise Überschneidung der jeweiligen Kompetenzbe-

D. Institutionalisierung des Antarktischen Systems

157

reiche hat allerdings bis ungefähr Mitte der achtziger Jahre zu einem negativen Kompetenzkonflikt zwischen beiden Organen geführt. 357 Ungeachtet der Befugnisse der Kommission stehen Vorzugsrechte, die sich die Konsultativstaaten vorbehalten haben, einer weitgehenden Institutionalisierung entgegen. Zum einen ist das gesamte System an die Ziel vorgaben des Antarktisvertrages und der Konsultativparteien gebunden, was eine de-factoSelektion der Vertragsparteien bewirkt: Zwar steht die Konvention ,jedem Staat, der an Erforschung oder Nutzung der lebenden Meeresschätze interessiert ist, auf die dieses Übereinkommen Anwendung findet, zum Beitritt offen" (Art. XXIX Abs. 1). Doch wird dieser Staat, ohne selbst Vertragspartei des Antarktisvertrages zu werden, den Zielen und Inhalten desselben (Art. I, V, VI, besonders aber Art. IV AV) besonders verpflichtet (Art. III und IV CCAMLR) und hat zudem "the special obligations and responsibilities" der Konsultativparteien anzuerkennen (Art. V Abs. 1). Damit werden letztere - über die Vorgabe von Zielen und Bedingungen in der von ihnen erarbeiteten Canberra-Konvention hinaus _358 zu einer führenden Klasse,359 die in der Lage ist, Mitgliedstaaten dieses Übereinkommens von jenem Teil der Beschlußfassung auszuschließen, der sich innerhalb der Konsultativtreffen abspielt, dessen inhaltlicher Zusammenhang mit der CCAMLR aber offensichtlich ist. Letztlich bestimmen die Konsultativparteien den Kreis der beteiligten Staaten und in gewisen Grenzen damit auch den materiellen Inhalt von Beschlüssen. Daß die Mitgliedschaft in der Kommission an die Durchführung von Forschungstätigkeit oder wirtschaftliche Nutzung der lebenden Meeresschätze gebunden ist, dürfte sich im Ergebnis aber als ebensowenig praxiserheblich erweisen wie die rein formale "Konsultativmitgliedschaft minderen Rechts" für nach Vertragsabschluß hinzugekommene Konsultativstaaten. 360

Vgl. Orrego Vicuiia, in: J~rgensen-Dahl/ (!Jstreng (1990), S. 30 f. Von den Vertragsverhandlungen waren interessierte Staaten ausgeschlossen, unter ihnen die Fischereinationen Südkorea und Taiwan (Auburn (1982), S. 216 f.). Südkorea hat mittlerweile Konsultativstatus erlangt. 359 Vgl. Orrego Vicuiia (1988), S. 355,417. R.-J. Dupuy (1960), S. 118, umschreibt den Sachverhalt folgendermaßen: "L' Antarctique apparait bien comme relevant du domaine reserve des douze .... [L]es parties originaires [... ] se so nt precisement instituees par le Traite en une veritable aristocratie conventionnelle." 360 Während die vertragschließenden Parteien der CCAMLR (welche von den Konsultativparteien des Antarktisvertrages bestimmt werden konnten) ständige Mitglieder der "Kommission" sind, gilt dies für die beitretenden Staaten nur unter den genannten Voraussetzungen (Art. VII Abs. 2 lit. a und b; für die Beteiligung an der Kommission vgl. lit. d). Die "Forschungsklausel" des Antarktisvertrages ist in Art. IX Abs. 2 niedergelegt. 357

358

158

Erster Teil: Faktizität

Die CAMLR-Institutionen sind nicht nur kompetenziell an die Konsultativhoheit angebunden. Art. XXIII Abs. I formuliert ein Kooperationsgebot für die Institutionen (Wissenschaftsausschuß und Kommission) in bezug auf "matters falling within the competence of the latter", womit die Konsultativstaaten gemeint sind. Eine solche Kooperation hat es seit Inkrafttreten der Canberra-Konvention nicht gegeben, doch wird sie im Konfliktfall von Bedeutung sein. 361 Da die "Kompetenzen" der Konsultativstaaten ihrem Selbstverständnis nach "besondere" sind (Art. V Abs. I CCAMLR), also umfassend, hierarchisch übergeordnet und nach Art. IX Abs. 1 lit. f AV gerade auch den Schutz von Flora und Fauna einschließend, strebt Art. XXIII Abs. 1 letztlich für den Konfliktfall die Unterordnung unter den Willen der Konsultativparteien an. Diese Quasihierarchie wird auch von Art. V Abs. 2 CCAMLR noch einmal prononciert. Gewiß trägt auch der Abstimmungsmodus (Consensusi62 zu einer relativen Majorisierung der Konsultativposition bei. Da sämtliche Konsultativstaaten Kommissionsmitglieder sind (Art. VII Abs. 2 lit. a CCAMLR), können sie über das Vetorecht wesentliche Abweichungen von den Leitlinien ihrer Politik verhindern. Andererseits ist diese Majorisierung durch die Konsultativstaaten eben nur eine relative; ihr korrespondiert die Befugnis der übrigen Staaten (insbesondere der - in der Praxis allerdings nicht vorhandenen Nichtvertragsmitglieder), eine absolute Prädominanz der Konsultativpositionen auf gleiche Weise zu verhindern. Die kraft Art. XVII der Canberra-Konvention verfügte Errichtung eines kleinen Sekretariats ist als Unterstützungsmaßnahme, nicht jedoch als Ansatz für eine organisatorische Verse1bständigung zu sehen. 2. Bergbau: Ansätze zu regionaler Institutionalisierung

Nur ein kurzer Blick soll der CRAMRA gewidmet werden, deren Organe sich ja niemals konstituieren werden, die aber als historische Etappe Beachtung verdient. Diese Konvention orientiert sich im Grundsatz an der institutionellen Struktur der Canberra-Konvention, indem eine Kommission (Art. 18 ff.) mit beschließenden Funktionen eingerichtet und dieser ein Beratender Ausschuß (Advisory Committee) zur Seite gestellt wird (Art. 23 ff.). Ein weiteres Organ, das "Special Meeting of Parties", nimmt gewisse Über-

Howard, S. 108. Vgl. dazu supra Zweiter Teil, A.l.l.b.(3).(c); zum Consensus-Verfahren außerdem Zegers Santa Cruz, La Convenci6n de Canberra a la luz de los objetivos y polfticas de su negociaci6n, in: Orrego Vicufia, La Antartica y sus recursos, 1983, S. 213 (219). 361

362

D. Institutionalisierung des Antarktischen Systems

159

wachungsaufgaben in bezug auf Beratenden Ausschuß und Kommission wahr?63 Der Beratende Ausschuß fungiert nicht lediglich als Transmissionsriemen, sondern hat auf sämtlichen Stufen der geordneten Mineralienausbeutung, also bei der Festlegung des Fördergebietes ebenso wie bei der Beurteilung der Bewerbungen um Bergbauerlaubnis, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen (Art. 26 Abs. 4). Erstmals im Rahmen des Antarktischen Systems sollten mit dem Bergbauregime jedoch auch regionale Organe ins Leben gerufen werden, sogenannte Regelungsausschüsse (Regulatory Committees, Art. 29 ff.). Ihre Errichtung schien den Verhandlungspartnern der einzige Weg zu sein, um ein Interessengleichgewicht unter den Claimants und zwischen Claimants und Non-c1aimants herbeizuführen. 364 Die Bildung von Regelungsausschüssen hängt von der Festlegung jeweils zugehöriger Fördergebiete ab; in bezug auf diese haben sie aber die zentralen Funktionen inne (Art. 31 CRAMRA). In der Abhängigkeit von entsprechendem Kreationsbedarf stehen die Regelungsausschüsse den nach der Robeenkonvention einzurichtenden Organen gleich. 365 Der Erkenntnis des Entscheidungsbedarfs folgt eine Dezentralisierung der Entscheidungsebenen; geographisch betrachtet führt dies zu einer Regionalisierung, ist doch jeder Regelungsausschuß nur für eine ganz bestimmte Bergbau zone zuständig. 366 In dieser Regionalisierung des Bergbauregimes drückt sich eine Überlagerung des universal-bifokalen Systems durch einen gleichsam trifokalen Ansatz aus: Nicht nur wird die von den Claimants prätendierte sektorielle Aufteilung der Antarktis durch eine neue räumliche Ordnung überlagert, die nach Bergbauregionen und Nichtbergbauregionen differenziert. Die grundsätzliche Gleichbehandlung der Konsultativstaaten, ihre gemeinsam getragene kollektive Verantwortung, auf welcher sich der

Art. 28 und 40 CRAMRA. 364 Wolfrum (1991a), S. 44. 365 Konkret setzt die Einrichtung eines Regelungsausschusses die vorherige Festlegung einer Bergbauzone voraus (Art. 39, 41). Zu diesem Zweck hat die Kommission unter Mitwirkung des Beratenden Ausschusses eine Vereinbarkeits- und Notwendigkeitsprüfung vorzunehmen (Art. 41 Abs. 1 lit. a-f). 366 Das Konzept der Regionalisierung als Prämisse für Dezentralisierung entspricht bereits den Ideen Fauchilles aus den zwanziger Jahren für die Gestaltung eines Antarktischen Systems (S. 659), die das regionale Prinzip freilich mit einer Art Sektorenlehre koppelt. Aus der angesichts großer Distanzen und Unbewohntheit der Antarktis schon kraft Faktizität notwendig gewordenen "Regionalisierung" sollten allgemeine Schlüsse allerdings nicht gezogen werden. Wolfrum (1991a), S. 40 ff., betrachtet die "Regelungsausschüsse" der CRAMRA - wohl mit Recht - als notwendiges Gegengewicht zum Einflußverlust der Claimants in einer "internationaler gewordenen" Antarktis. So gesehen, stellen sie nur formal ein regionalistisches, in praxi hingegen ein bifokal determiniertes Element dar. 363

160

Erster Teil: Faktizität

Bifokalismus gründet, wird in den Partizipationsbestimmungen des Art. 29 Abs. 2 gleichfalls durchbrochen: Während der oder die Claimants an Entscheidungen mit Bezug auf das Objektgebiet ebenso' zu beteiligen sind wie die USA und Rußland (Sowjetunion) in ihrer Funktion als Inhaber einer - dem Völkerrecht freilich in dieser Form unbekannten - "basis of claim", werden zugleich den Entwicklungsländern, auch Nichtmitgliedstaaten des Antarktisvertrages, ebenfalls Vorzugsrechte eingeräumt (Abs. 3 lit. b).367 Non-c1aimants, die zugleich Industriestaaten sind, werden in ihren Mitwirkungsmöglichkeiten deutlich beschnitten; in vielen Fällen hätten sie nur als Sponsorstaat Eingang in den Regelungsausschuß gefunden (Abs. 6). Wie sich dieses Partizipationsmuster in ausgewählten Fällen dargestellt hätte, zeigt die nachfolgende Tabelle.

Die Institutionalisierung a la CRAMRA hätte außer zu der bereits erwähnten Gefährdung des Bifokalismus zu einer Verlagerung der Machtbalance innerhalb des Antarktischen Systems geführt. Diese ist gekennzeichnet durch die Einführung einer dem bisherigen System fremden Stimmgewichtung, die eine Aufspaltung nach Staatengruppen mit sich bringt. Relativ gesehen würden dabei die USA und Rußland die günstigste Position einnehmen. Während die Institution Regelungsausschuß den latenten Konflikt zwischen Claimants und Non-c1aimants durch "Institutionalisierung dieses Konfikts" abzuschwächen suchte,368 würde sie zugleich den bi fokalen Konziliationsmechanismus sprengen und damit neues Konfliktpotential schaffen. Die traditionell gegen Territorialherrschaft in allen ihren Ausprägungen gerichtete Position der Nonc1aimants wäre in einer Weise pervertiert worden, derer sich die auf der anderen Seite stehenden Claimants nicht leicht erwehren können.

367 Die CRAMRA kennt allerdings die temporäre Kommissionsmitgliedschaft. Dem Hinweis auf die führende Rolle der Konsultativparteien entspricht es, wenn Art. 18 Abs. 2 lit. (a) einer jeden - vorausgesetzt, sie war zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der CRAMRA Konsultativpartei und hat die Konvention ratifiziert - einen Kommissionssitz garantiert. Demgegenüber ist die Repräsentation anderer CRAMRA-Parteien in der Kommission dem Grunde nach zeitlich begrenzt und abhängig entweder davon, daß der Staat im Geltungsbereich der CRAMRA (Art. 5) Forschung betreibt, die Bezug auf antarktische Berbauaktivitäten nimmt, oder aber sich als Sponsor für Bergbauaktivitäten betätigt. Das Erfordernis, sich in dieser Weise zu "qualifizieren", rechtfertigt sich in diesem Fall aber durch die weitreichenden Kompetenzen, die den Organen des Mineralienregimes verliehen werden; vgl. Orrego Vicufia (1988), S. 418. Ob ihm besondere Bedeutung zugekommen wäre, darf bezweifelt werden. 368 Vgl. Wolfrum (199Ia), S. 44.

D. Institutionalisierung des Antarktischen Systems

161

Übersicht 7

Besetzung der Regelungsausschüsse Bereich

Claimants (4)

Non-claimants (2+4) Die Zahl der beteiligten Entwicklungsbzw. Industrie länder ist davon abhängig, ob die Entwicklungsländer RA und RCH in ihrer Eigenschaft als Claimants Mitglieder des Ausschusses sind. Zu beachten ist, daß die Zahl der Entwicklungsländer auch höher sein darf ("at least three developing country members"); in diesem - politisch wohl nicht durchsetzbaren - Fall würden überhaupt keine Industrieländer, die nicht zugleich Claimants sind, zum Zuge kommen.

Freier (Pazifischer) Sektor

Nach freiem Ermessen auszuwählen.

USA und Rußland369 als geborene Ausschußmitglieder; 1 - 3 Entwicklungsländer; 3 - 1 Industrieländer.

Australian Antarctic Territory (AAT)

Australien als geborenes Ausschußmitglied; drei übrige Mitglieder nach freiem Ermessen auszuwählen.

USA und Rußland als geborene Ausschußmitglieder; 1 - 3 Entwicklungsländer; 3 - 1 Industrieländer.

Antarktische Halbinsel, Kembereich

RA, RCH und UK als geborene Ausschußmitglieder; vierter Claimant wird nach freiem Ermessen ermittelt.

USA und Rußland als geborene Ausschußmitglieder; 1 Entwicklungsland; 3 Industrieländer.

369 Die Russische Föderation tritt als Rechtsnachfolgerin an Stelle der untergegangenen Sowjetunion. Damit tritt sie auch in deren Rechtspositionen im Hinblick auf den Antarktisvertrag ein und wäre auch Vertragspartei der CRAMRA geworden. Vg!. - allerdings für die CCAMLR - die Bekanntmachung über eine entsprechende Notifikation der Russischen Föderation vom 20. Mai 1990, abgedruckt in BGB!. 1992 11 S. 1051.

11 Kimmerer

162

Erster Teil: Faktizität

(Fortsetzung Übersicht 7) Weddellmeer, östlicher Teil (Variante 1: Nur UK betrachtet sich als angrenzenden Küstenstaat; Variante 2: Konkurrierende Souveränitätsbehauptungen von RA und UK) - unmittelbare Küstennähe

- Abstand 150 sm von der Küste

Variante 1: UK (das Küstengewässer von 3 sm und eine identische EEZ definiert hat) als geborenes Ausschußmitglied; im übrigen wie bei Mineralienabbau im AAT.

Variante 1: wie Mineralienabbau im AAT.

Variante 2: UK und RA (Küstengewässer und EEZ identisch 200 sm) als geborene Ausschußmi tglieder; übrige Claimants nach freiem Ermessen ermittelt.

Variante 2: USA und Rußland als geborene Ausschußmitglieder; 2 Entwicklungsländer; 2 Industrieländer.

Variante 1: keine geborenen Ausschußmitglieder (Bergbau außerhalb EEZ); im übrigen wie Bergbau im freien Sektor.

Variante 1: wie Bergbau im freien Sektor.

Variante 2: Nur RA geborenes Ausschußmitglied, da Bereich nur von seiner EEZ erfaßt; übrige drei Claimants nach freiem Ermessen ermittelt.

Variante 2: USA und Rußland als geborene Ausschußmitglieder; 2 Entwicklungsländer; 2 Industrieländer.

3. Madrider Protokoll: Ende des Institutionalisierungsprozesses? Obwohl das Madrider Protokoll formal betrachtet ein eigenständiger völkerrechtlicher Vertrag ist, strebt der generalklauselartige Art. 4 USP doch eine engere Bindung dieser Vereinbarung an den Antarktisvertrag an, als sie den übrigen Konventionen des Systems eigen ist. Damit ist zugleich eine Rückwendung zur institutionellen Zurückhaltung verbunden, über deren Ursachen nur spekuliert werden kann. Gewiß mußte die Gefährdung des bifokalen

D. Institutionalisierung des Antarktischen Systems

163

Mechanismus im Zusammenhang mit den exzessiven Institutionalisierungstendenzen der CRAMRA eine Rolle gespielt haben, aber auch das Scheitern des mit der Canberra-Konvention verbundenen Versuches, die Öffnung des Systems mit der Einrichtung transkonsultativer Organe zu verbinden. Von größerem Gewicht jedoch dürfte sein, daß das Umweltprotokoll, anders als vor allem die Mineralien-, aber auch in weitem Umfang die Robben- und die Canberra-Konvention, neue Kompetenzbereiche innerhalb des Antarktischen Systems erschließt, sondern eine Domäne regelt, die bis jetzt Gegenstand von mehr als 60% aller Empfehlungen der Konsultativstaaten gewesen ist. 370 Gerade in bezug auf die Umweltschutz-Domäne haben die Konsultativstaaten aber immer wieder ihre "besondere Verantwortung" betont - und in Art. V Abs. 1 CCAMLR auch ihren "octroi" auf solche Staaten intendiert, die zwar Vertragsstaaten der Canberra-Konvention, nicht jedoch solche des Antarktisvertrages sind (ein Fall, der in der Praxis bislang ohne Bedeutung geblieben ist): "The Contracting Parties which are not Parties to the Antarctic Treaty acknowledge the special obligations and responsibilities of the Antarctic Treaty Consultative Parties for the protection and preservation of the environment of the Antarctic Treaty area." Eine Internationalisierung gerade in diesem Bereich, in dem eine Internationalisierung als unnötig und aus Sicht der Konsultativstaaten unerwünscht erscheint, würde zwischen Konsultativstaaten und Entscheidung eine weitere organisatorische Ebene schalten. In Erkenntnis dessen haben die Konsultativstaaten bei Ausarbeitung des Umweltschutzprotokolls einer begrenzten partizipatorischen Öffnung für Nichtkonsultativparteien gegenüber stärkerer Institutionalisierung den Vorzug gegeben. Als einziges neugeschaffenes Organ präsentiert sich der Umweltschutzausschuß, der zwar lediglich beratende Aufgaben hat, die sich - gerade angesichts des Wegfalls der Bergbauoption jetzt allerdings auf den allergrößten Teil der Konsultativpolitik erstrecken. Streitigkeiten werden nach wie vor grundsätzlich auf dem Schiedswege geregelt. 37I Daß das Umweltschutzprotokoll in seiner Traditionsgebundenheit auf eine institutionalisierte Inspektion verzichtet (Art. 14) und die Implementierung von Vorschriften, insbesondere die UVP, den einzelnen Staaten überläßt, stellt sich als systembedingtes, aber nicht unvermeidliches Manko dar. Der Bifokalismus hätte effizienteren Kontrollinstrumenten durchaus nicht entgegengestanden; so wäre z.B. ein überstaatliches Organ zur Umweltver-

370 Vgl. auch Draft List of Recommendations, Relations between the Madrid Protocol and Recommendations adopted by Antarctic Treaty Consultative Meetings, in: Final Report of the XVIth ATCM, S. 307 ff. 371 Dazu die vergleichende Analyse von Aubum, Dispute Settlement under the Antarctic System, in: AVR 30 (1992), S. 212 ff.

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Erster Teil: Faktizität

träglichkeitsprüfung, wie es mehrere Entwürfe von Mitgliedstaaten vorsahen, mit den Souveränitätsprätentionen der Claimants wohl noch in Einklang zu bringen gewesen. 372 Die jüngste der antarktischen Institutionen, wiewohl noch nicht etabliert, wird der vom Madrider Protokoll vorgesehene Umweltschutzausschuß sein (Art. 11 und 12), der nach den Vorstellungen der Konsultativstaaten jeweils vor deren Jahrestagungen zusammenkommen soll.373. Schon in der ersten Hälfte der achtziger Jahre plädierten Vertreter des Schrifttums und der Umweltschutzverbände für die Errichtung eines solchen Ausschusses. 374 Die auf der Tagung von Vitia dei Mar eingereichten Staatenentwürfe für eine Vereinbarung über umfassenden Umweltschutz sahen die Errichtung dieses oder eines vergleichbaren Ausschusses in seltener Einhelligkeit vor. Ob der Ausschuß lediglich beratende Funktion oder auch Befugnisse zur Beschlußfassung besitzen sollte, war unter den Parteien kaum umstritten; die klare Ausrichtung auf einen weitgehend lediglich in beratender Weise tätigen Ausschuß ("Advisory Committee") war jedoch auch dadurch bedingt, daß zusätzlich die Einrichtung eines koordinatorisch tätigen Sekretariats vorgeschlagen wurde. 37S Auch Frankreich und Australien befürworteten ein solches Sekretariat, das nach ihrem Willen jedoch nicht ein "paralleles System" herbeiführen sollte. 376 Wesentlich darüber hinaus geht ein ASOC-Vorschlag, demzufolge eine ,,Antarctic Conservation Commission" mit Beschlußfassungsbefugnissen eingerichtet werden sollte. 377

Vgl. Bush, AT9IC, S. 134 f. Vgl. Abschlußbericht der XVII. KonsuItativtagung, para. 35 f., demzufolge die Konsultativstaaten darauf hinwirken, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Madrider Protokolls über einen arbeitsfähigen Ausschuß zu verfügen. 314 Vgl. Barnes, Legal Aspects of Environmental Protection in Antarctica, in: Joyner/Chopra, The Antarctic Legal Regime, 1988, S. 241 (245 ff.). 315 So etwa die Entwürfe Neuseelands (Antarctic Treaty, XIth Special Consultative Meeting, Doc. XI ATSCM 12 vom 18.1l.1990, Art. 12 f.), der USA (Doc. XI ATSCM/4, Art. 3 f.) und des Vereinigten Königreichs (Doc. XI ATSCM/3, Art. 3 372 313

f.).

316 Vgl. die Nachweise bei Bush, Booklet AT6, S. 29 f. - Der Vier-Staaten-Entwurf (abgedruckt bei Bush, Booklet AT90A, S. 21 ff.) sah ein mit beschränkten Entscheidungsbefugnissen ausgestattetes "Standing Committee for Environmental Protection" vor (Art. XIX ff.). ln ASOC, Information Paper ANT/SCM/NGO Inf. Paper 1990-1, Art. 17 ff., v.a. Art. 20. Diese Kommission sollte Rechtspersönlichkeit besitzen (Art. 19 Abs. 5) und zudem von einem "Environmental, Scientific, Safety and Technical Committee" assistiert werden (Art. 22 f.). Die Beobachtungstätigkeit sollte dem an anderer Stelle bereits erwähnten Inspektorat übertragen werden (Art. 27 ff.). Dies entspricht Barnes' Vorschlag einer "Antarctic Environmental Protection Agency" ([1988], S. 245 ff.).

D. Institutionalisierung des Antarktischen Systems

165

Zumindest wenn man Ausschuß und Sekretariat als funktional konnex betrachtet, bleibt der Madrider Text noch hinter den im übrigen eher lauen Entwürfen zurück. Der UmweItschutzausschuß hat ihm zufolge den Konsultativtagungen Verbesserungs- und Ergänzungsvorschläge in bezug auf Bestimmungen zum antarktischen Umweltschutz vorzulegen und im übrigen eine RatgebersteIlung im Hinblick auf die Komponenten des Schutzsystems einzunehmen; der umständlichen Enumeration in Art. 12 Abs. 1 lit. a-k sowie einigen Sonderbestimmungen (insbesondere Art. 9 Abs. 3 Anh. III) hätte es dazu wohl nicht bedurft. Ein andere Frage betrifft das Verhältnis zwischen Umweltschutzausschuß und SCAR, das auf den ersten Blick durch eine Funktionenverdoppelung bestimmt zu sein scheint. Dies trifft indes schon deswegen nicht zu, weil die Begründung des Umweltschutzausschusses auch eine Reaktion auf einen gewissen Widerwillen bei SCAR darstellt, neben seinen wissenschaftlichen Funktionen auch die Bekämpfung von - und Vorsorge gegen - UmweItschädigungen zu übernehmen, also eine Doppelfunktion zu erfüllen. 378 Zudem ist das Selbstverständnis des SCAR in Betracht zu ziehen, primär wissenschaftliches und nicht politisches Organ sein zu wollen. Während die Robbenkonvention noch ausdrücklich Kompetenzen an SCAR vergibt, operiert der Verband im Rahmen der nachfolgenden Konventionen nur halboffiziell, also in der Regel im Auftrag der Konsultativtagungen durch Erstellung von Gutachten. Letztlich führt das Umweltschutzprotokoll die implizit angestrebte Trennung von wissenschaftlichem und politischem Organ durch, indem sie diese Funktionen auf SCAR und UmweItschutzausschuß verteilt. Gemäß Art. 12 Abs. 2 hat der Ausschuß SCAR sowie den Wissenschaftlichen Ausschuß der CAMLR zu konsultieren (freilich nur "as appropriate"); die Vorsitzenden beider Gremien sind als Beobachter beizuladen. 379 Außerdem kann der Vertreter einer Vertragspartei im Ausschuß sich dort mit Wissenschaftlern und Ratgebern umgeben (Art. 11 Abs. 2 a.E. USP), die in der Regel SCAR angehören, jedoch im Ausschuß keine Stimme haben werden. Ob eine solche Aufteilung des Transmissionsriemens zwischen Wissenschaft und Politik funktionsfahig sein wird, unterliegt berechtigten Zweifeln; die Effizienz steht und fallt mit der - im Protokoll nicht näher behandelten - Frage der Finanzierung. Je nach dem Umfang der zugewiesenen Mittel wird der operationelle Schwerpunkt entweder auf der Seite von SCAR oder derjenigen des Umweltschutzausschusses liegen.

378 Vgl. van Bennekom, A New Regime to Protect the Antarctic Environment, in: Leiden Journal of International Law 5 (1992), S. 33 (47). 379 Fakultative Konsultations- bzw. Beiladungsbestimmungen gelten für andere im wissenschaftlich-technischen oder Umweltschutzbereich tätige Organisationen. Eine Beiladung ihrer Vertreter kann jeoch nur mit Zustimmung der Konsultativparteien erfolgen - Beweis für ihre Zurückhaltung gegenüber Vorhaben, die Antarktis Drittorganisationen zu öffnen.

166

Erster Teil: Faktizität

Die Mitgliedschaft im Umweltschutzausschuß ist streng am VertragsparteiStatus ausgerichtet; Mitgliedstaaten des Antarktisvertrages, die nicht solche des Madrider Protokolls sind - was auf Konsultativstaaten nicht zutreffen kann -, können Beobachterstatus erhalten. 38o Der Ausschuß ist den Konsultativtagungen für seine Sitzungen und ihren Ablauf berichtspflichtig. Diese Berichte sollen auch an die anderen Vertragsparteien und Beobachter weitergeleitet und sodann veröffentlicht werden (Art. 11 Abs. 5). In diesen Bestimmungen kommt einmal mehr die quasi-hierarchische Ordnung zwischen KonsuItativstaaten, einfachen Mitgliedstaaten und Drittstaaten zum Ausdruck; gleichzeitig sind sie aber Zeichen der Bemühung, die partizipatorisch-institutionelle Intransigenz durch infonnationelle Öffnung zu kompensieren. Die in Vifia deI Mar vorgelegten Staatenentwürfe für ein UmweItschutzprotokoll, eine UmweItschutzkonvention oder Vereinbarte Maßnahmen im Bereich des Umweltschutzes sahen zumeist neben dem Umweltschutzausschuß die Einrichtung eines koordinativ tätigen Sekretariats vor. Daß die SonderkonsuItativtagung dem im Ergebnis nicht folgen wollte, ist insofern sachgerecht, als eine solche Koordinationsfunktion nicht an die Umweltschutzagenda gekoppelt, sondern als übergreifend verstanden werden sollte. Die Einrichtung eines (kleinen) Sekretariats war dennoch von den meisten Delegationen - nicht zuletzt der deutschen - befürwortet worden, dies jedoch im Hinblick auf das international gewachsene Interesse an den Vorgängen im antarktischen Raum, aber auch auf die Vielfalt und Komplexität der vom Antarktischen System gestellten Aufgaben.38I Die Frage wurde allerdings insoweit kontrovers diskutiert, als manche Staaten der Auffassung sind, daß ihr eine Tendenz zur Internationalisierung inhärent sei.382 Doch erscheint ein Zusammenhang von Sekretariat und Internationalisierung konstruiert. 383 Eine Systemgefährdung könnte allenfalls daraus folgen, daß die zentrale Organisationsfunktion eines Sekretariats den für das Antarktische System typischen infonnellen Konsultationen entgegenläuft und so die Fortbildung bifokaler Rechtsstrukturen behindert. Dies führte zu Vorbehalten gegen die Einbindung eines solchen Sekretariats in den Beschlußfassungsmechanismus. 384 Daß diese Vorbehalte nicht die Durchführung materieller Koordina-

Art. 11 Abs. 2 und 3 USP. Vgl. Bush, Booklet AT4, S. 8 (Bericht der XIV. Konsultativtagung, para. 29). 382 Bush a.a.O., para. 30. 383 So auch Macedo-Soares, Diskussionsbeitrag, in: Wolfrum, Antarctic Challenge 11, 1986, S. 302. 384 Bush a.a.O., para. 31; ders., Booklet AT?, S. 7 (Report of the XV. Consultative Meeting, para. 30): Der Erfolg des Vertragssystems beruhe, so einige der Konsultativstaaten, auf seiner Flexibilität; die bestehenden Organe deckten das Bedürfnis nach Institutionalisierung ab. 380

381

D. Institutionalisierung des Antarktischen Systems

167

tionsarbeit betrafen, sondern lediglich die Etablierung einer organisatorisch verselbständigten Entscheidungsebene zum Gegenstand hatten, wird schon deutlich, wenn man berücksichtigt, daß bestimmte Konsultativparteien bereits in der Vergangenheit sekretariatstypische Transmissionsaufgaben übernommen haben; so hatte der ständige VN-Beauftragte Australiens im Zusammenhang mit der internationalen Debatte über das Für und Wider der CRAMRA gleichsam eine Sprecherfunktion für al1e Konsultativstaaten inne. 385 Auch auf der XVI. und XVII. Konsultativtagung in Bonn bzw. Venedig konnte in der Frage der Einrichtung eines Sekretariats keine Einigung unter den Konsultativstaaten erzielt werden. Insbesondere Argentinien, das seine prätendierte territoriale Souveränität über Teile der Antarktischen Halbinsel stets besonders energisch verfochten hatte, widersetzte sich der Errichtung einer solchen Institution, die aus seiner Sicht geeignet gewesen wäre, die argentinische Souveränitätsposition zu beeinträchtigen. Argentinien wäre, worauf Indizien hindeuten, der Einrichtung eines Sekretariats wohl nicht mehr abgeneigt gewesen, wenn es dieses als neuen "Besitzstand" für sich hätte verbuchen können. Das auf der XVII. Konsultativtagung - ergebnislos - vol1zogene "Tauziehen" Argentiniens mit den USA um den künftigen Sitz eines solchen Sekretariats bestätigt diese Annahme. 386 Hinter der Barrikade VOn Souveränitäts belangen spielt sich offenbar ein "Kampf um die Institutionen" ab. Da dem Madrider Protokol1 eine verhältnismäßig ausführlich gestaltete Vereinbarung zum Schiedsverfahren ("Arbitration Schedule") beigefügt ist, sei an dieser Stel1e noch auf die Frage nach dem Stel1enwert der Modi zur Beilegung von Streitigkeiten, insbesondere nach demjenigen der Schiedsgerichtsbarkeit, eingegangen. Die Kürze der folgenden Darstel1ung belegt nicht nur, daß der Schiedsgerichtsbarkeit im Antarktischen System bislang keine Bedeutung zugekommen ist, sondern resultiert auch daraus, daß das System, wo es eigene Streitbeilegungsmechanismen hervorgebracht hat, diese nur mit der Kreation VOn Organen sehr niedrigen Institutionalisierungsgrades einhergehen läßt. Bis auf die Robbenkonvention enthalten aUe dem Antarktischen System zugehörigen Verträge Streitbeilegungsklauseln. Art. XI des Antarktisvertrages nennt das Schiedsverfahren nur als eine unter mehreren Möglichkeiten zur Erfüllung der dort ausgesprochenen Pflicht, sich im Fal1e der Entstehung von (Rechts-)Streitigkeiten über Interpretation oder Anwendung des Vertrages um

385 Vgl. Scully (1986), S. 288; Woolcott - der diese Rolle einnahm -, The Legitimacy of the Uni ted Nations' Challenge to the Antarctic Treaty, in: Wolfrum, Antarctic Challenge III, 1988, S. 229 (239). 386 Vgl. den Abschlußbericht der XVII. Konsultativtagung, para. 41 ff.

168

Erster Teil: Faktizität

deren Beilegung zu bemühen; Absatz 2 eröffnet zudem den Weg zum IGH. Da die Anrufung des IGH nur mit Zustimmung aller Streitparteien erfolgen kann, ist dieser Absatz obsolet: Den streitenden Parteien bleibt es ohnedies unbenommen, sich im Einzelfall oder generell der Gerichtsbarkeit des IGH zu unterwerfen (vgl. insbes. Art. 36 IGH-Statut). Letztlich sieht der Antarktisvertrag einen institutionalisierten Streitbeilegungsmechanismus nicht vor. Auch Art. XXV CCAMLR geht nur wenig über die gesetzten Maßstäbe hinaus, wenn er (in Abs. 2), neben anderen Möglichkeiten zur Streitbeilegung, die ausdrücklich genannten Modi IGH-Entscheidung und Schiedsspruch nebeneinandersteIlt und einen (sehr knapp gefaßten) Anhang zur Schiedsgerichtsbarkeit (nach dem üblichen ,,Drei-Mann-Schema") hinzugesellt. Mehr als eine Empfehlung, Streitigkeiten - inter alia oder beispielsweise - auf dem Schiedswege zu lösen, spricht die Canberra-Konvention nicht aus, und im Wortlaut, wenn auch nicht in der Sache, bleibt sie noch hinter den bis zum Ersten Weltkrieg üblichen kompromissarischen Klauseln zurück. 387 Erst mit Art. 57 CRAMRA wurde der Weg zu einer institutionalisierten, obligatorischen Schiedsgerichtsbarkeit geebnet. Die Streitparteien werden für den Fall, daß sie nicht innerhalb einer Frist von zwölf Monaten auf beliebige Weise ihren Konflikt betreffend Auslegung oder Anwendung untervertraglicher Regeln beigelegt haben, an die Schiedsgerichtsbarkeit gebunden, wobei die Anrufung des Schiedsgerichts durch eine der Streitparteien ausreicht, um das Verfahren in Gang zu bringen (Art. 57 Abs. 3). Was Streitigkeiten in bezug auf die Konvention selbst angeht, besteht in solchem Fall entweder die Zuständigkeit des IGH oder diejenige des Schiedsgerichts, wobei in Zweifelsfällen das letztgenannte kompetent sein soll.388 Die potentielle Teilung des Rechtswegs erscheint schon im Hinblick darauf, daß untervertragliche Regeln oftmals Konkretisierungen von Vertragsbestimmungen darstellen, ungeschickt. Zur Entscheidung über die Souveränitätsfrage ist keines der Gerichte befugt. 389 Diesen Mechanismus greift Art. 18 des Madrider Protokolls nun-

387 Kritisch auch Aubum (1992), S. 212 ff. - Zu den kompromissarischen Klauseln des genannten Inhalts vgl. von Mangoldt, Die Schiedsgerichtsbarkeit als Mittel internationaler Streitschlichtung, 1974, S. 91. 388 Art. 57 Abs. 2 i.V.m. Art. 56 Abs. 4, 5 CRAMRA. - Zur Frage der Alternativität IGH / Schiedsgerichtsbarkeit vgl. von Mangoldt, S. 191 ff. - Der Vorrang der Schiedsgerichtsbarkeit wirkt sich aus, wenn (a) die Partei(en) nicht von vornherein, wozu sie durch den Vertrrag angehalten werden, eine Option entweder zugunsten des IGH oder aber zugunsten des Schiedsgerichtes wahrgenommen haben oder eine diesbezügliche Erklärung keine Geltung mehr besitzt, außerdem (b) wenn die eine Partei die Zuständigkeit des IGH, die andere die des Schiedsgerichts gewählt hat, Art. 56 Abs. 3, 4 CRAMRA. 389 Art. 57 Abs. 4 CRAMRA. Zwar könnte die Frage - mit der in praxi unwahrscheinlichen Zustimmung eines Claimant - vor dem IGH einer Entscheidung zuge-

D. Institutionalisierung des Antarktischen Systems

169

mehr unter wörtlicher Rezeption weiter Passagen aus der Bergbaukonvention auf. Signifikante Unterschiede zwischen der hier und der in der CRAMRA vorgesehenen Regelung bestehen darin, daß - die materielle Entscheidungsbefugnis des Gerichts sich auf Fragen der Auslegung und Anwendung des Bergbauverbots (Art. 7 USP), der UVPRegeln (Art. 8), der Bestimmungen zu Notfallmaßnahmen (Art. 15) und der Einhaltung bzw. Ausführung (Art. 13) dieser Bestimmungen sowie auf die Anhänge zum Protokoll beschränkt, soweit sie nicht - wie das in bezug auf Anhang IV der Fall ist (dort Art. 11 Abs. 4) - ausdrücklich ausgeschlossen wird, - für alle diese Bereiche eine grundsätzlich alternative Zuständigkeit von IGH und Schiedsgericht (drei Schiedsrichter) ausgesprochen wird, für den Fall, daß alle Streitparteien für die "IGH-Variante" optiert haben, das "systeminterne" Schiedsgericht also nicht in Aktion treten kann, - im Blick auf die Lösung aller übrigen Streitfragen, also solche, die nicht Art. 7, 8 und 15 USP betreffen, nur ein dem Art. XI AV vergleichbares Verfahren vorgesehen ist, d.h. es besteht - und auch das nur auf Verlangen einer der am Streit beteiligten Parteien! - eine Verpflichtung, sich um Streitbeilegung zu bemühen. Letztlich bleibt der insoweit einschlägige Art. 18 USP damit sogar noch hinter Art. XI AV, der diese Pflicht ohne Vorbehalte ausspricht, zurück; in bezug auf jenen wirkt die Fiktion des Art. 4 Abs. 1 des Madrider Protokolls "negativ", in bezug auf Art. 19, der ja immerhin neue und obligatorische Streitbeilegungsmechanismen schafft, wirkt sie im "positiven" Sinne. Welche Bedeutung Art. 19 und 20 USP, welche die institutionalisierte ad-hocSchiedsgerichtsbarkeit in das Antarktische System einführen, erlangen werden, ist nicht abzusehen. Denkbar ist, daß das Schiedsgericht (oder der IGH) über Fragen der Art zu entscheiden haben könnte, ob etwa eine Probebohrung im Einzelfall noch wissenschaftlichen Zwecken dient oder aber eine verbotene Bergbautätigkeit einleitet, ob eine UVP ordnungsgemäß durchgeführt, ob der Signifikanzmaßstab adäquat gewürdigt wurde. Auf der anderen Seite liegt Art. 3 USP außerhalb des Aktionsfeldes der Schiedsgerichtsbarkeil. Dies hindert das Schiedsgericht zwar nicht daran, Art. 3 etwa als Interpretationsmaßstab für Anhang I (UVP) heranzuziehen. Doch wird weder die Verletzung der in Art. 3 USP verankerten Fundamentalbestimmungen selbst für justiziabel erklärt, noch kommt eine richterliche Auslegung der relativ

führt werden (was der Antarktisvertrag auch nicht ausdliicklich verbietet). Für die anderen Claimants wäre das Urteil aber schon im Blick auf Art. IV Abs. 2 AV unbeachtlich.

170

Erster Teil: Faktizität

unklar formulierten Generalklausel in Frage. 390 Desungeachtet könnte die obligatorische Streitbeilegung ungeachtet der bei solchen Perspektiven gebotenen Nüchternheit eine Bereicherung nicht nur des Bündels von Kontrollinstrumenten im Antarktischen System, sondern auch eine institutionelle Bereicherung darstellen. 391 Daß angesichts der auf 26 gestiegenen Zahl und einer zunehmenden Heterogenität der Konsultativstaaten ein solcher Streitbeilegungsmechanismus gerechtfertigt ist, belegen die jüngsten, auf der Tagung von Vifia deI Mar zutage getretenen Spannungen im Antarktischen System.

390 Kritisch auch Bush, Booklet AT91C, S. 59 f. - Das Manko wurde von den Konsultativparteien durchaus erkannt, die noch während der Madrider Verhandlungen Abhilfemaßnahmen erörterten (n ... inquiry procedure to be elaborated ... "); vgl. ebd., S.57. 391 Zweifelnd Aubum (1992), S. 219 ff.

Zweiter Teil

Normativität. Umweltbestimmungen mit Schutzwirkung für die Antarktis Die vorangegangene Analyse hat ergeben, daß Umweltschutz in der Antarktis nur eine unter mehreren qualifizierten Nutzungsformen, ein Widmungszweck unter mehreren ist. Nichtsdestoweniger stellt der Umfang der dem Umweltschutz verschriebenen Rechtsetzung innerhalb des Antarktischen Systems die Rechtsetzung in anderen Bereichen in den Schatten. Dieser "Wasserkopf der Umweltagende" hat sich mit dem Scheitern der CRAMRA und dem Aufkommen des - freilich noch nicht in Kraft getretenen - Madrider Umweltschutzprotokolls noch vergrößert. Der zweite Teil dieser Abhandlung soll daher ausschließlich der Umweltmaterie vorbehalten bleiben. Wie das Antarktische System dem Völkerrecht erwachsen ist, so findet es sich nicht zuletzt im Umweltbereich in einer Weise in die Regeln des (herkunfts-, nicht aber notwendigerweise anwendungsbezogen) extra-antarktischen Völkerrechts eingebettet, daß es diesem Anstöße gibt, von diesem Anstöße erhält, infolge sich mitunter überschneidender Anwendungsbereiche zu diesem aber auch in Idealkonkurrenz treten kann. Auch dieses komplizierte Beziehungsgeflecht zwischen intra- und extra-antarktischen Normen ist vom Bifokalismus geprägt - vor allem insoweit, als die nicht dem Antarktischen System zuzurechnenden Bestimmungen am Moment der territorialen Souveränität anknüpfen (was vielfach der Fall ist). Die bi fokale Sichtweise des Antarktischen Systems ergreift auch die extra-antarktischen Bestimmungen; alles andere würde die Preisgabe der jeweiligen Grundpositionen von Claimants und Non-claimants bedeuten. Allerdings wirkt der Bifokalismus sich auf dem Feld extra-antarktischer Bestimmungen in ganz anderer Weise aus als innerhalb des Antarktischen Systems, dessen Bestandteil er ist: nicht normbildend (konstruktiv), sondern normausgrenzend, mithin destruktiv. Die Anwendung vieler umweltrelevanter Bestimmungen des Völkervertragsund -gewohnheitsrechts auf die Antarktis wird durch ihn erschwert, ja vereitelt. Denn die effiziente Umsetzung und Anwendung solcher Bestimmungen kommt nur in Betracht, wenn Claimants und Non-claimants hinsichtlich des Geltungsanspruchs der jeweiligen Norm und somit der Anwendbarkeit auf antarktische Gebiete zum gleichen Ergebnis gelangen.

172

Zweiter Teil: Normativität

Von dieser normausgrenzenden Wirkung des Bifokalismus zehrt jedoch wiederum das Antarktische System: Gerade weil zahlreiche Bestimmungen, auch Umweltschutzbestimmungen, nicht greifen, ist das System gezwungen, eigene Normen zu schaffen. Das Antarktische System bezieht also aus der destruktiven Wirkung des Bifokalismus ein Gutteil seiner normativen Kraft. Das hierbei geschaffene Recht erscheint vielfach als an eine bifokale Sicht adaptierte "Neuauflage" systemfremder Bestimmungen. Andererseits ist das System in der Lage, ohne daß allzugroße Rücksichtnahme auf entgegenstehende internationale Vertragsbestimmungen erforderlich wäre, Normen zu schaffen, die auf die spezifischen, vor allem ökologischen Verhältnisse der Antarktis angepaßt sind. Inwieweit das außer- dabei das innerantarktische Recht beeinflußt, inwieweit zugleich aber dem Recht des Antarktischen Systems Modellcharakter für andere regionale oder globale Normsetzungsprozesse zukommt, soll anhand einer Reihe von Bestimmungen untersucht werden. Der erste, den Schwerpunkt bildende Hauptabschnitt des zweiten Teils dieser Untersuchung gilt den umweltbezogenen Bestimmungen des Antarktischen Systems, in denen sich Umweltschutz als Vertragsgegenstand und nunmehr auch als Widmungszweck verkörpert. Ihnen soll im zweiten Hauptabschnitt eine repräsentative Auswahl extra-antarktischer Vertragsbestimmungen und Gewohnheitssätze in der Weise gegenübergestellt werden, daß diese auf ihre - dem Bifokalismus unterliegende, also faktische - Anwendbarkeit überprüft und, wo möglich, einem Vergleich mit intra-antarktischen Normen unterzogen werden. Anders als bei den Bestimmungen des Antarktischen Systems, die ja für sich bereits das Ergebnis bifokal determinierter Normgebung sind, müssen die extra-antarktischen Bestimmungen einer "zweispurigen", nach Claimimts und Non-cIaimants getrennten Analyse unterworfen werden.

A. Bestimmungen des Antarktischen Systems Man mag das Umweltvölkerrecht ein Panoptikum nachbarrechtlicher, raumorientierter und funktionsorientierter Bestimmungen nennen. 1 Mannigfaltig sind seine Schutzobjekte, mannigfaltig die Schutzziele. Nichts anderes kann für die Bestimmungen des Antarktischen Systems gelten, die - selbst zum Teil völkerrechtliche Umweltschutzverträge - nicht nur im Laufe von Jahrzehnten entstanden sind und somit unterschiedliche Entwicklungsstufen der Umweltschutzagende verkörpern, sondern auch unterschiedliche Ansatz-

I

Zur Begrifflichkeit vgl. supra Einführung zu dieser Arbeit.

A. Bestimmungen des Antarktischen Systems

173

punkte haben und mitunter - CCAS und CCAMLR finden auf den Kontinent keine Anwendung - ganze Großräume aus ihrem geographischen Anwendungsbereich herausschneiden. Dieser Multipolarität der Ansatzpunkte soll zum mindesten im folgenden durch eine Differenzierung zwischen räumlich und funktional determinierten Schutzbestimmungen Rechnung getragen werden, die weithin, keineswegs aber in allen Fällen, mit den durch die Raumbzw. Funktionsorientiertheit der Schutzbestrebung gekennzeichneten oberen Stufen des bereits dargestellten "umweltrechtlichen Verlaufsmodells" koinzidiert. Zugleich soll Aufschluß darüber erlangt werden, ob, wie und in welchem Umfange die Konsultativstaaten das von den in Paris vorgelegten Staatenentwürfen angestrebte und in die Zielsetzung des Madrider Protokolls eingegangene "umfassende Umweltschutzsystem" für die Antarktis umgesetzt haben. Ein solcher "umfassender Ansatz" sollte verstreute und inkohärente Umweltschutzbestimmungen bündeln und einander angleichen,2 allf

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Vereinbarte Maßnahmen (Agreed Measures, 1964)

Übersicht III

Erhaltung der einheimischen Fauna. Die Schutzbestimmungen sind außer in Sonderschutzbereichen auf die Bewahrung antarktischer Säugetiere und Vögel beschränkt

sachlicher Anwendungsbereich

umstritten; nach verbreiteter Auffassung nicht auf Meeresbereiche anwendbar

geographischer Anwendungsbereich direkte Eingriffe nur mit Erlaubnis; indirekte Eingriffe auf ein Minimum zu beschränken

Grad der Nutzungsfreiheit

Für ,,Besonders geschützte Arten" engere Voraussetzungen (kumulativ): - zwingende wissenschaftliche Zwecke - keine Gefährdung der Art und des bestehenden Ökosystems

Grenze: Reproduduktion der Art und ökologisches Gleichgewicht müssen gesichert bleiben.

Grundvoraussetzungen (alternativ): - unerläßliche Nahrungsmittelversorgung - Beschaffung von Exemplaren für wissenschaftliche Studien etc. sowie für Museen, Zoos und ähnl. kulturelle bzw. Bildungseinrichtungen.

Voraussetzungen für Erlaubniserteilung

Zulässigkeit von Eingriffen in die antarktische Pflanzen und Tierwelt

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Die Erlaubnisse werden durch nationale Organe erteilt.

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(1991)

Anhang 11 zum Madrider Protokoll

Erhaltung der antarktischen Flora und Fauna, wobei Säugetiere, Vögel und Pflanzen im Vordergrund stehen

prinzipiell gesamter Vertragsbereich, also Land und Meeresgebiete; Pflanzen und Invertebraten nur auf Land und im Süßwasser (Eisschelfe!) Direkte ebenso wie indirekte Eingriffe nur mit Erlaubnis, außer im Notfall

Für besonders geschützte Arten engere Voraussetzungen (kumulativ): - zwingende wissenschaftliche Zwecke - keine GeflÜlrdung der Art und des bestehenden Ökosystems - möglichst kein Töten von Tieren

Grenze: Strenger Erforderlichkeitsmaßstab im Hinblick auf das erstrebte Ziel, aber auch auf die Reproduktionsrate und die Artenvielfalt im zu erhaltenden ökologischen Gleichgewicht.

Grundvoraussetzungen (alternativ): - Beschaffung von Exemplaren für wissenschaftliche Studien etc. sowie für Museen, Zoos und ähnl. kulturelle bzw. Bildungseinrichtungen. - unvermeidliche Folgen wissenschaftlicher oder mit ihnen verbundener Aktivitäten.

Die Erlaubnisse werden durch "geeignete Behörden" erteilt; mangels institutioneller Strukturen sind dies nationale Organe

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Robbenkonvention (CCAS, 1972)

Erhaltung der Bestände antarktischer Robben

sachlicher Anwendungsbereich

( Fortsetzung Übersicht 1lI)

antarktische Meeresgebiete (d.h. südlich 60 0 S) ausschließlieh Eisschelfe

geographischer Anwendungsbereich Nutzung grundsätzlich zulässig; jedoch können auf Basis der CCAS erhebliehe Beschränkungen zum Schutz der Arten auferlegt werden

Grad der Nutzungsfreiheit

zuständige Organe Inhalt der Anlage wird von (Konsultativ-) Parteien bestimmt und modifiziert; für Erlaubniserteilung sind nationale Organe zuständig

Voraussetzungen für Erlaubniserteilung Zulässigkeit des Fangens und Tötens von Robben nach Maßgabe der Anlage (d.h. quantitative, artspezifische und gebietsspezifisehe Beschränkung) oder mit Sondererlaubnis; letztere kann erteilt werden für - Beschaffung unbedingt notwendiger Nahrung für Menschen und Hunde - Bedarf der wissenschaftlichen Forschung - Beschaffung von Exemplaren für Museen, Bildungs- und kulturelle Einrichtungen

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CCAMLR (1980)

Erhaltung der Meeresfauna der Antarktis, Invertebraten und Vögel eingeschlossen; implizit ErhaltUng des Meeresökosysterns überhaupt

antarktische Meeresgebiete (südlich 60 0 S bzw. südl. der Antarktischen Konvergenz) ausschließlich Eisschelfe Nutzung grundsätzlich zulässig ("Erhaltung" definiert als vernünftige Nutzung). Beschränkungen quantitativer, regionaler, temporaler, artspezifischer Natur können festgelegt werden (Art. IX Abs. 2). Grundlegend ökosystematisehe Erhaltungsgrundsätze (Art. 11 Abs. 3)

Die Erteilung von Erlaubnissen ist in der CCAMLR nieht vorgesehen. Von Bedeutung aber ökosystematisehe Erhaltungsgrundsätze: (1) Sicherung optimaler Bestanderhaltung (2) Bewahrung ökologischer Interdependenzen (3) Verhinderung längerfristig irreversibler Modifikationen des Meeresökosystems

Festlegung von Erhaltungsregeln durch die CCAMLR-Kommission; Mitwirkungserfordernis der Vertragsstaaten, die in der Kommission vertreten sind

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Anhang Übersicht IV

Zusammenfassung zu Prinzip 21 der Stockholmer Deklaration Rechtliche Ausgangsposition für Konsultativstaaten nach Prinzip 21 der Stockholmer Erklärung:

kraft Innehabung von "Kontrollbefugnissen" bzw. Territorialhoheit

kraft ihrer staatlichen Souveränität

Daraus potentiell entspringende Verpflichtungen mit Bezug auf die Antarktis:

Verpflichtung, durch Aktivitäten in der Antarktis keine Verschmutzungen antarktiseher oder außerantarktischer Räume hervorzurufen.

Verpflichtung, von ihrem staatlichen Territorium aus die Antarktis nicht zu schädigen* (Claimants: Keine Geltung dieses Satzes, falls Schädigung vom Claimant selbst ausgeht und sich nur auf das von ihm "beanspruchte" Gebiet auswirkt - Souveränität als "ius abutendi"?)

Daraus potentiell entspringende Ansprüche mit Bezug auf die Antarktis:

Anspruch gegenüber anderen Staaten auf Unterlassung der Verschmutzung antarktischer Gebiete (Nur für Claimants; im Hinblick auf eventuelle korrespondierende Verpflichtungen "erga ornnes" aber zweifelhaft.)

Anspruch auf Unterlassung der Verschrnutzung der Antarktis? Für Claimants würde sich dieser Anspruch aus der territorialen Souveränität ergeben. Die Non-c1aimants könnten einen solchen Anspruch allenfalls unter der (nicht allgemein akzeptierten) Prämisse der Anerkennung von Verpflichtungen "erga ornnes" geltend machen. Andernfalls fehlte es an der Einklagbarkeit der Erfüllung derartiger völkerrechtlicher Verpflichtungen.

* Es liegt auf der Hand, daß derartige Pflichten, die ja allen Staaten hypothetisch in gleicher Weise oblägen, sich in "gebündelter" Form dereinst zu einer "Verpflichtung zum Schutze der Umwelt" verdichten können; vgl. auch Pineschi, S. 197.

A. Tabellarische Übersichten

475

Übersicht V Einführung fremder Species Vereinbarung

Bestimmungen zur Einfuhr fremder Species

Voraussetzungen für Erteilung von Erlaubnissen

Vereinbarte Maßnahmen (1964)

Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Ausgenommen ist die Einfuhr zum Verzehr bestimmter Tiere und Pflanzen, die unter kontrollierten Bedingungen bewahrt werden. Maßnahmen zum Schutz von Parasiten bzw. Krankheiten können aber auch i.e. zu Einfuhrverboten führen (so in Anhang D für lebendes Geflügel)

• inhaltliche Beschränkung auf die in Anlage C genannten Arten (Schlittenhunde, heimische Tiere und Pflanzen, Labortiere und -pflanzen) • bei Gefahr von "harmful interference" Koppelung mit Überwachungsbestimmungen

Anhang II zum Madrider Protokoll (1991)

Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Die Erlaubnis soll zeitlich offenbar begrenzt und an ein Restitutionsgebot gekoppelt sein. Eine Erlaubnis kann für die Einfuhr von Hunden nicht erteilt werden. Ausgenommen von der Erlaubnispflicht sind unter bestimmten Bedingungen Nahrungsmittel, solange es sich nicht um lebende Tiere handelt (Zum Schutz vor Parasiten bzw. Mikroorganismen können aber Verbote festgelegt werden; Näheres in Anlage C - Verbot der Einfuhr z.B. lebender Vögel-)

• inhaltliche Beschränkung auf die in Anlage B genannten Arten (heimische Pflanzen, Labortiere und -pflanzen, einschließlich Viren, Bakterien und Pilze) • Spezifizierung der Arten, Zahl der eingeführten Exemplare, möglichst auch Alter und Geschlecht • Koppelung mit Bestimmungen, die zur Vermeidung des Entweichens oder des Kontakts dieser Exemplare mit einheimischer Flora und Fauna beitragen

Weitgehende Handlungsbefugnisse kraft Küstenstaatskompetenz

Ölunfälle auf See; gilt nicht für Meeresverschrnutzung vom Lande aus

Zivilrechtliehe Haftung für ÖIverschmutzungen bei Schiffshavarien

Beschränkung der Müllversenkung im Meer; gilt nicht für das unmittelbare Einbringen vom Lande aus

Beschränkung der Meeresverschrnutzung durch Schiffe

Internationale Bekämpfung der Luftverunreinigung

Intl. Übereinkommen über Maßnahmen ... bei Ölverschrnutzungs-Unfällen (1969)

Intl. Übereinkommen über die zivilrechtliehe Haftung bei Ölverschrnutzungsschäden (1969)

Londoner Antidumping-Konvention (1972)

MARPOL (1973, 1978)

Übereinkommen über weiUäumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung (1979)

Nur mittelbare Schutzwirkung für die Antarktis und ihre Ökosysteme; unmittelbare Anwendung auf die Sektoren der Claimants GB, N und F praktisch nicht möglich

Umfassende Anwendbarkeit

Umfassende Anwendbarkeit

Anwendung auf den antarktischen Kontinent (ausschließlich des "freien" Sektors) und einen bis 200 sm breiten Meeresgürtel

Claimants

Geltungshereich

Völkerrechtlicher Vertrag

Schutzwirkung völkerrechtlicher Verträge rlir die Antarktis

Übersicht VI

Nur mittelbare Schutzwirkung für die Antarktis und ihre Ökosysteme

Grundsätzliche Anwendbarkeit; zweifelhaft jedoch Geltung der Abstandsvorschriften für Verklappungen in der Nähe des antarktischen Kontinents

Hinsichtlich der Versenkung von Müll antarktischer Herkunft im Geltungsbereich des Antarktisvertrages oder außerbaib dieses Gebiets entweder keine Anwendbarkeit der LDC oder keine Anwendbarkeit der Erlaubnisvorschriften, mit der Folge der Erlaubnisunfähigkeit solcher Abfallversenkung. Denkbar auch (in Analogie zu Art. VI Abs. 2 Iit. b Gleichstellung der Antarktis mit einem Nichtvertragsstaat.

Keine Anwendbarkeit in der Antarktis, ausgenommen die Inseln

Anerkennung von Handlungsbefugnissen nur für Souveräne der Inseln und außerantarktischer Gebiete

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Schutz der Ozonschicht in ihrer Bedeutung für weltweite Ökosysteme ("global commons")

Schutz bedrohter Tierarten durch Handelsbeschränkungen; betrifft bislang nur wenige antarktische Species

Schutz bedrohter wandernder Tierarten; betrifft antarktische Species bislang kaum

Schutz der Wale gegen Ausrottung durch Fangbeschränkungen

Ausbalancierung der Fischereibefugnisse; Erhaltung der Bestände kraft küstenstaatlicher Gesetzgebung

Schutz der Pazifildctiste Südamerikas gegen Verschmutzungen (regionaler Vertrag)

Schutz der südpazifischen Ökosysteme (regionaler Vertrag)

Wiener Übereinkommen zum Schutze der Ozonschicht (1985) und Montrealer Protokoll (1987)

Washingtoner Artenschutzübereinkommen (1973)

Übereinkommen zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten (1979)

Internationales Übereinkommen zur Regelung des Walfangs (1946)

Genfer Übereinkommen über die Fischerei und die Erhaltung der biologischen Reichtümer der Hohen See (1958)

Konvention über den Schutz der Meeresumwelt und des Küstengebiets des Südostpazifiks (1981)

Übereinkommen zum Schutz der natürlichen Ressourcen und der Umwelt im Südpazifikbereich (1986)

Nur mittelbare Schutzwirkung denkbar

Nur mittelbare Schutzwirkung denkbar; mögliche Anwendbarkeit durch Chile auf die (gefahrexponierte) Westküste der Antarktischen Halbinsel würde durch GB und RA rechtlich bestritten

Umfassende Anwendbarkeit; Schutzwirkung aber nur, soweit nicht Nutzungsbefugnis im Vordergrund steht

Umfassende Anwendbarkeit

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Nur mittelbare Schutzwirkung denkbar

Nur mittelbare Schutzwirkung denkbar, keine unmittelbare Geltung für die Antaiktische Halbinsel

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Keine Anwendbarkeit, die Inseln aus genommen

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Umfassende Anwendbarkeit ("ldassische" Anenschutzkonvention)

Findet keine Anwendung auf dem antarktischen Kontinent und den Eisschelfen

Gilt nicht für Ausfuhr vom antarktischen Kontinent oder den Eisschelfen aus

Prinzipiell umfassende Anwendbarkeit

Prinzipiell umfassende Anwendbarkeit

Mittelbare Schutzwirkung für die Antarktis und ihre Ökosysteme

Mittelbare Schutzwirkung für die Antarktis und ihre Ökosysteme

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Inhalt

CHMTheorien

Übersicht VII

Als Vorgabe wird mitunter auch betrachtet, daß ein Raum staatsfrei sein muß.

Nach dieser Theorie ist die CHM-Qualität eines Raumes oder Schutzobjektes vorgegeben; hiernach richten sich formelle und materielle Ausgestaltung des Schutz- bzw. Nutzungsregimeso

Modale Theorie

Nach der finalen Theorie ist CHM das zu erreichende Ziel, nicht jedoch vorgegeben. Damit erscheint CHM mehr als politisches Ziel denn als juristisches Postulat.

Finale Theorie

Final-kausal orientierte Betrachtungsweisen

o

Die in den fraglichen Räumen vorhandenen Ressourcen unterstehen internationaler Kontrolle bzw. Leitung und Überwachung.

o

Die Völkerrechtsgemeinschaft wird zum Titularinhaber des fraglichen Gutes proklamiert.

Es besteht für alle Staaten ein Nutzungsrecht, wobei Territorialherrschaft ausgeschlossen bleibt. Die der Nutzung entspringenden Vorteile I Gewinne sind aufzuteilen. o

Theorie der institutionalisierten Internationalisierung

o

Teilweise wird freie Partizipation aller interessierten Staaten am Regime gefordert.

o Bei Berücksichtigung dieses Erfordernisses kann das Gut der (auch territorialsouveränen) Herrschaft von Einzelstaaten unterworfen bleiben, da das CHM nur das zu erreichende materielle Ziel, nicht aber die formellen Komponenten der Zielerreichung bezeichnet.

o Die Interessen der Weltgemeinschaft finden Berücksichtigung; die Gewinne aus der Nutzung sind im Interesse der gesamten Menschheit zu teilen.

Theorie der unvollkommenen Internationalisierung ("funktionales CHM")

Institutionalisierungsorientierte Betrachtungsweisen

Die Elemente des "gemeinsamen Menschheitserbes" (Systematischer Überblick)

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Bedeutung für die Antarktis

Die Antarktis ist hiernach von vornherein CHM. Daraus ergibt sich die Pflicht, bei ihrer Nutzung das Interesse der gesamten Menschheit zu berücksichtigen (ökonomische oder ökologische Nutzung) und im Rahmen des Geforderten [rechte Kolonnen] deren Internationalisierung zu bewirken. Nach dieser Auffassung wäre die Antarktis zwar nicht CHM, doch könnten die Konsultativstaaten (rechtlich oder moralisch?) verpflichtet sein, diese in ein solches zu überführen, ihr Handeln also zumindest an den Weltinteressen auszurichten [rechte Kolonnen]. Hiernach käme nur die vollständige Internationalisierung der Antarktis in Frage (nicht mit res-nullius-Hypothese identisch); da die Völkerrechtsgemeinschaft nicht verfaßt ist, mittels eines Ersatzregimes: (a) Verwaltung durch die VN oder analog zum Tiefseeboden durch einen Verwaltungscorpus unter deren Aufsicht, oder (b) Verwaltung durch die Staatengesamtheit (in praxi nicht durchführbar), oder (c) Verwaltung durch eine große Staatenmehrheit (unter Berufung umstrittene Passagen des BarcelonaTraction-Urteils des IGH); möglicherweise auch (d) Verwaltung durch eine interessierte Staatenminderheit, solange freie Partizipationsmöglichkeiten bestehen. Nur Hypothese (d) käme für das bestehende Konsultativregime in Frage. Die prätendierte Souveränität der Claimants wird in ihrem Bestand nicht beeinträchtigt, jedoch im Hinblick auf die "funktionale Internationalisierung" (Delbez) gleichfalls funktionalisiert.

Die Konsultativstaaten müssen sich bei der Ausgestaltung ihres Regimes am Gesamtinteresse orientieren.

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Sind weniger als geringfügige bzw. vorübergehende Auswirkungen zu erwarten, so kann die Tätigkeit ausgeführt werden.

Ergibt sich, daß die Tätigkeit wahrscheinlich nur geringfügige oder nur vorübergehende Auswirkungen haben wird, kann die Tätigkeit ausgeführt werden. Sie unterliegt aber der Notwendigkeit der Überprüfung und Überwachung ihrer Auswirkungen.

Andernfalls, d.h. wenn wahrscheinlich nicht nur vorübergehende oder geringfügige Auswirkungen sich ergeben werden, ist eine umfassende UVP durchzuführen.

• Betrachtung von Alternativen

• Betrachtung der (auch kumulativen) Auswirkungen

• Beschreibung der Parameter der Tätigkeit

• Aus der Vorprüfung hat sich die Notwendigkeit der summarischen UVP ergeben.

Feststellung, ob mehr als geringfügige oder vorübergehende Auswirkungen zu erwarten sind. Dazu müssen Informationen in ausreichendem Maße vorliegen. Die UVP muß genügend Daten enthalten.

• Die summarische UVP wurde von vornherein erstrebt.

Inhalt:

Fälle:

Ziel:

2.1 Summarische UVP (Initial Environmental Evaluation)

2. Andernfalls ist eine summarische (2.1) oder umfassende (2.2) UVP durchzuführen.

Im Vorprüfungsstadium werden Tätigkeiten ausgesondert, von denen bereits nach bisherigen Kenntnissen keine wesentlichen Auswirkungen zu erwarten sind.

1. Vorprüfungsstadium

Schema der Umweltverträglichkeitsprufung

Übersicht Vlll

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• Aus der summarischen Prüfung hat sich die Notwendigkeit einer umfassenden Prüfung ergeben.

Primär evaluierend: • Beschreibung von (auch indirekten und sekundären) Auswirkungen der Tätigkeit durch ihre Parameter, ebenso das Zusammenwirken mit anderen, auch geplanten Aktivitäten (kumulative Kausalität) • Mögliche Maßnahmen zur Reduzierung oder Milderung von Auswirkungen, Frühwamsysteme • unvermeidbare Auswirkungen • Auswirkungen auf die wissenschaftliche Forschung und andere Nutzungen der Antarktis • Wissenslücken und Unwägbarkeiten

UVP-Entwurf ist zu veröffentlichen und an Parteien sowie Umweltschutzausschuß mindestens 120 Tage vor der Konsultativtagung weiterzuleiten

Primär deskriptiv: • Beschreibung der Parameter der Tätigkeit • Mögliche Alternativen und ihre Konsequenzen • Beschreibung des ursprünglichen Zustands der Umwelt und Vergleich mit potentieller Lage bei Unterbleiben der Tätigkeit • Beschreibung von Methoden und Daten zur Vorhersage von Auswirkungen

Die Tätigkeit ist im Falle ihrer Durchführung nach Maßgabe von Art. 5 Anh. I zu überwachen.

Die Parteien veröffentlichen die UVP

Die UVP wird an die Parteien spätestens 60 Tage vor Beginn der Tätigkeit weitergeleitet



Die genannten Stellungnahmen werden in die UVP ("fmal C.C.E.") eingebaut



Auf Empfehlung des Umweltschutzausschusses kann sich die Konsultativtagung mit dem UVP-Entwurf befassen. Dadurch darf die Entscheidung über Durchführung der Tätigkeit bis zu 15 Monate ab Verbreitung des UVP-Entwurfs hinausgezögert werden

Parteien sorgen für Veröffentlichung und dürfen UVP-Entwurf binnen 90 Tagen kommentieren



Verfahren:

Inhalt

Die Tätigkeit unterbleibt bei entsprechender Entscheidung der nationalen Organe.

• Die umfassende Prüfung wurde von vornherein erstrebt.

• Die Wahrscheinlichkeit erheblicher Umweltauswirkungen hat sich auf andere Weise gezeigt.

Fälle:

Ziel:

Feststellung des Ausmaßes der Umweltauswirkungen von Aktivitäten als Entscheidungsgrundlage.

2.2 Umfassende UVP ("Comprehensive Environmental Evaluation")

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B. Vertragstexte I. Antarktisvertrag (Original: englisch, französisch, russisch, spanisch) Die Regierungen Argentiniens, Australiens, Belgiens, Chiles, der Französischen Republik, Japans, Neuseelands, Norwegens, der Südafrikanischen Union, der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland und der Vereinigten Staaten von Amerika, in der Erkenntnis, daß es im Interesse der ganzen Menschheit liegt, die Antarktis für alle Zeiten ausschließlich für friedliche Zwecke zu nutzen und nicht zum Schauplatz oder Gegenstand internationaler Zwietracht werden zu lassen; in Anerkennung der bedeutenden wissenschaftlichen Fortschritte, die sich aus der internationalen Zusammenarbeit bei der wissenschaftlichen Forschung in der Antarktis ergeben; überzeugt, daß die Schaffung eines festen Fundaments für die Fortsetzung und den Ausbau dieser Zusammenarbeit auf der Grundlage der Freiheit der wissenschaftlichen Forschung in der Antarktis, wie sie während des Internationalen Geophysikalischen Jahres gehandhabt wurde, den Interessen der Wissenschaft und dem Fortschritt der ganzen Menschheit entspricht; sowie in der Überzeugung, daß ein Vertrag, der die Nutzung der Antarktis für ausschließlich friedliche Zwecke und die Erhaltung der internationalen Eintracht in der Antarktis sichert, die in der Charta der Vereinten Nationen niedergelegten Ziele und Grundsätze fördern wird sind wie folgt übereingekommen: Artikel I (1) Die Antarktis wird nur für friedliche Zwecke genutzt. Es werden unter anderem alle Maßnahmen militärischer Art wie die Einrichtung militärischer Stützpunkte und Befestigungen, die Durchführung militärischer Manöver sowie die Erprobung von Waffen jeder Art verboten.

(2) Dieser Vertrag steht dem Einsatz militärischen Personals oder Materials für die wissenschaftliche Forschung oder für sonstige friedliche Zwecke nicht entgegen. Artikel II

Die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung in der Antarktis und die Zusammenarbeit zu diesem Zweck, wie sie während des Internationalen Geophysikalischen Jahres gehandhabt wurden, bestehen nach Maßgabe dieses Vertrages fort.

B. Vertragstexte

483

Artikel 1/1 (1) Um die in Artikel 11 vorgesehene internationale Zusammenarbeit bei der wissenschaftlichen Forschung in der Antarktis zu fördern, vereinbaren die Vertragsparteien, daß, soweit möglich und durchführbar,

a) Informationen über Pläne für wissenschaftliche Programme in der Antarktis ausgetauscht werden, um ein Höchstmaß an Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit der Unternehmungen zu ermöglichen; b) wissenschaftliches Personal in der Antarktis zwischen Expeditionen und Stationen ausgetauscht wird; c) wissenschaftliche Beobachtungen und Ergebnisse aus der Antarktis ausgetauscht und ungehindert zur Verfügung gestellt werden. (2) Bei der Durchführung dieses Artikels wird die Herstellung von Arbeitsbeziehungen auf der Grundlage der Zusammenarbeit mit denjenigen Sonderorganisationen der Vereinten Nationen und anderen internationalen Organisationen, die ein wissenschaftliches oder technisches Interesse an der Antarktis haben, auf jede Weise gefördert. Artikel IV (1) Dieser Vertrag ist nicht so auszulegen,

a) als stelle er einen Verzicht einer Vertragspartei auf vorher geltend gemachte Rechte oder Ansprüche auf Gebietshoheit in der Antarktis dar; b) als stelle er einen vollständigen oder teilweisen Verzicht einer Vertragspartei auf die Grundlage eines Anspruchs auf Gebietshoheit in der Antarktis dar, die sich aus ihrer Tätigkeit oder derjenigen ihrer Staatsangehörigen in der Antarktis oder auf andere Weise ergeben könnte; c) als greife er der Haltung einer Vertragspartei hinsichtlich ihrer Anerkennung oder Nichtanerkennung des Rechts oder Anspruchs oder der Grundlage für den Anspruch eines anderen Staates auf Gebietshoheit in der Antarktis vor. (2) Handlungen oder Tätigkeiten, die während der Geltungsdauer dieses Vertrages vorgenommen werden, bilden keine Grundlage für die Geltendmachung, Unterstützung oder Ablehnung eines Anspruchs auf Gebietshoheit in der Antarktis und begründen dort keine Hoheitsrechte. Solange dieser Vertrag in Kraft ist, werden keine neuen Ansprüche oder Erweiterungen bestehender Ansprüche auf Gebietshoheit in der Antarktis geltend gemacht. Artikel V (1) Kernexplosionen und die Beseitigung radioaktiven Abfalls sind in der Antarktis verboten.

(2) Werden internationale Übereinkünfte über die Nutzung der Kernenergie einschließlich von Kernexplosionen und der Beseitigung radioaktiven Abfalls geschlossen, denen alle Vertragsparteien angehören, deren Vertreter zur Teilnahme an den in Artikel IX vorgesehenen Tagungen berechtigt sind, so finden die durch solche Übereinkünfte festgelegten Vorschriften in der Antarktis Anwendung.

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484

Anhang

Artikel VI

Dieser Vertrag gilt für das Gebiet südlich von 60° südlicher Breite einschließlich aller Eisbänke; jedoch läßt dieser Vertrag die Rechte oder die Ausübung der Rechte eines Staates nach dem Völkerrecht in bezug auf die Hohe See in jenem Gebiet unberührt. Artikel VII (1) Um die Ziele dieses Vertrages zu erreichen und die Einhaltung seiner Bestimmungen zu gewährleisten, hat jede Vertragspartei, deren Vertreter zur Teilnahme an den in Artikel IX vorgesehenen Tagungen berechtigt sind, das Recht, Beobachter zu benennen, welche die im vorliegenden Artikel erwähnten Inspektionen durchführen. Die Beobachter müssen Staatsangehörige der sie benennenden Vertragspartei sein. Die Namen der Beobachter werden jeder anderen Vertragspartei mitgeteilt, die das Recht hat, Beobachter zu ernennen; ihre Abberufung wird ebenfalls mitgeteilt.

(2) Jeder nach Absatz I benannte Beobachter hat jederzeit völlig freien Zugang zu allen Gebieten der Antarktis. (3) Alle Gebiete der Antarktis einschließlich aller Stationen, Einrichtungen und Ausrüstungen in jenen Gebieten sowie alle Schiffe und Luftfahrzeuge an Punkten zum Absetzen oder Aufnehmen von Ladung oder Personal in der Antarktis stehen jedem nach Absatz 1 benannten Beobachter jederzeit zur lnspetion offen. (4) Jede der Vertragsparteien, die ein Recht auf Benennung von Beobachtern haben, kann jederzeit Luftbeobachtungen über einzelnen oder allen Gebieten der Antarktis durchführen. (5) Jede Vertragspartei unterrichtet zu dem Zeitpunkt, zu dem dieser Vertrag für sie in Kraft tritt, und danach jeweils im voraus die anderen Vertragsparteien a) über alle nach und innerhalb der Antarktis von ihren Schiffen oder Staatsangehörigen durchgeführten Expeditionen und alle in ihrem Hoheitsgebiet organisierten oder von dort aus durchgeführten Expeditionen nach der Antarktis; b) über alle von ihren Staatsangehörigen besetzten Stationen in der Antarktis und c) über alles militärische Personal oder Material, das sie unter den in Artikel I Absatz 2 vorgesehenen Bedingungen in die Antarktis verbringen will. Artikel VIII (1) Um den nach Artikel VII Absatz 1 benannten Beobachtern und dem nach Artikel III Absatz 1 Buchstabe b ausgetauschten wissenschaftlichen Personal sowie den diese Personen begleitenden Mitarbeitern die Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Vertrag zu erleichtern, unterstehen sie - unbeschadet der Haltung der Vertragsparteien bezüglich der Gerichtsbarkeit über alle anderen Personen in der Antarktis - in bezug auf alle Handlungen oder Unterlassungen, die sie während ihres der Wahrhehmung ihrer Aufgaben dienenden Aufenthalts in der Antarktis begehen, nur der Gerichtsbarkeit der Vertragspartei, deren Staatsangehörige sie sind.

(2) Unbeschadet des Absatzes 1 werden bis zur Annahme von Maßnahmen nach Artikel IX Absatz 1 Buchstabe e die Vertragsparteien, die an einer Streitigkeit über

B. Vertragstexte

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die Ausübung von Gerichtsbarkeit in der Antarktis beteiligt sind, einander umgehend konsultieren, um zu einer für alle Seiten annehmbaren Lösung zu gelangen. Artikel IX (I) Vertreter der in der Präambel genannten Vertragsparteien halten binnen zwei Monaten nach Inkrafttreten dieses Vertrags in der Stadt Canberra und danach in angemessenen Abständen und an geeigneten Orten Tagungen ab, um Informationen auszutauschen, sich über Fragen von gemeinsamem Interesse im Zusammenhang mit der Antarktis zu konsultieren und Maßnahmen auszuarbeiten, zu erörtern und ihren Regierungen zu empfehlen, durch weIche die Grundsätze und Ziele des Vertrages gefördert werden, darunter Maßnahmen

a) zur Nutzung der Antarktis für ausschließlich friedliche Zwecke; b) zur Erleichterung der wissenschaftlichen Forschung in der Antarktis; c) zur Erleichterung der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit in der Antarktis; d) zur Erleichterung der Ausübung der Inspektionsrechte nach Artikel VII; e) im Zusammenhang mit Fragen betreffend die Ausübung von Gerichtsbarkeit in der Antarktis; f) zur Erhaltung und zum Schutz der lebenden Schätze in der Antarktis. (2) Jede Vertragspartei, die durch Beitritt nach Artikel XIII Vertragspartei geworden ist, ist zur Benennung von Vertretern berechtigt, die an den in Absatz 1 genannten Tagungen teilnehmen, solange die betreffende Vertragspartei durch die Ausführung erheblicher wissenschaftlicher Forschungsarbeiten in der Antarktis wie die Einrichtung einer wissenschaftlichen Station oder die Entsendung einer wissenschaftlichen Expedition ihr Interesse an der Antarktis bekundet. (3) Berichte der in Artikel VII genannten Beobachter werden den Vertretern der Vertragsparteien übermittelt, die an den in Absatz 1 genannten Tagungen teilnehmen. (4) Die in Absatz 1 genannten Maßnahmen werden wirksam, sobald sie von allen Vertragsparteien genehmigt worden sind, deren Vertreter zur Teilnahme an den zur Erörterung dieser Maßnahmen abgehaltenen Tagungen berechtigt waren. (5) Einzelne oder alle der in diesem Vertrag vorgesehenen Rechte können vom Tag des Inkrafttretens des Vertrags an ausgeübt werden, gleichviel ob Maßnahmen zur Erleichterung der Ausübung solcher Rechte nach diesem Artikel vorgeschlagen, erörtert oder genahmigt worden sind. Artikel X

Jede Vertragspartei verpflichtet sich, geeignete, im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen stehende Anstrengungen zu unternehmen, um zu verhindern, daß in der Antarktis eine Tätigkeit entgegen den Grundsätzen und Zielen dieses Vertrags aufgenommen wird. Artikel XI (I) Entsteht zwischen zwei oder mehr Vertragsparteien eine Streitigkeit über die Auslegung oder Anwendung dieses Vertrags, so konsultieren die betreffenden Ver-

486

Anhang

tragsparteien einander, um die Streitigkeit durch Verhandlung, Untersuchung, Vermittlung, Vergleich, Schiedsverfahren, gerichtliche Beilegung oder sonstige friedliche Mittel ihrer Wahl beilegen zu lassen. (2) Jede derartige Streitigkeit, die nicht auf diese Weise beigelegt werden kann, wird - jeweils mit Zustimmung aller Streitparteien - dem Internationalen Gerichtshof zur Beilegung unterbreitet; wird keine Einigkeit über die Verweisung an den Internationalen Gerichtshof erzielt, so sind die Streitparteien nicht von der Verpflichtung befreit, sich weiterhin zu bemühen, die Streitigkeit durch eines der verschiedenen in Absatz I genannten friedlichen Mittel beizulegen. Artikel XII (I) a) Dieser Vertrag kann jederzeit durch einhellige Übereinstimmung der Vertragsparteien, deren Vertreter zur Teilnahme an den in Artikel IX vorgesehenen Tagungen berechtigt sind, geändert oder ergänzt werden. Eine solche Änderung oder Ergänzung tritt in Kraft, wenn die Verwahrregierung von allen diesen Vertragsparteien die Anzeige erhalten hat, daß sie sie ratifiziert haben.

b) Danach tritt eine solche Änderung oder Ergänzung für jede andere Vertragspartei in Kraft, wenn deren Ratifikationsanzeige bei der Verwahrregierung eingegangen ist. Jede Vertragspartei, von der binnen zwei Jahren nach Inkrafttreten der Änderung oder Ergänzung nach Buchstabe a keine Ratifikationsanzeige eingegangen ist, gilt mit Ablauf dieser Frist als von dem Vertrag zurückgetreten. (2) a) Eine Konferenz aller Vertragsparteien wird so bald wie möglich abgehalten, um die Wirkungsweise dieses Vertrags zu überprüfen, wenn nach Ablauf von dreißig Jahren nach Inkrafttreten des Vertrags eine der Vertragsparteien, deren Vertreter zur Teilnahme an den in Artikel IX vorgesehenen Tagungen berechtigt sind, durch eine Mjtteilung an die Verwahrregierung darum ersucht. b) Jede Änderung oder Ergänzung dieses Vertrags, die auf einer solchen Konferenz von der Mehrheit der dort vertretenen Vertragsparteien einschließlich einer Mehrheit derjenigen genehmigt worden ist, deren Vertreter zur Teilnahme an den in Artikel IX vorgesehenen Tagungen berechtigt sind, wird von der Verwahrregierung allen Vertrags parteien sofort nach Abschluß der Konferenz mitgeteilt und tritt gemäß Absatz I in Kraft. c) Ist eine solche Änderung oder Ergänzung nicht binnen zwei Jahren nach Mitteilung an alle Vertragsparteien gemäß Absatz I Buchstabe a in Kraft getreten, so kann jede Vertragspartei jederzeit nach Ablauf dieser Frist der Verwahrregierung ihren Rücktritt von diesem Vertrag mitteilen; der Rücktritt wird zwei Jahre nach Eingang der Mitteilung bei der Verwahrregierung wirksam. Artikel Xlii (I) Dieser Vertrag bedarf der Ratifikation durch die Unterzeichnerstaaten. Er liegt für jeden Staat zum Beitritt aus, der Mitglied der Vereinten Nationen ist, sowie für jeden anderen Staat, der mit Zustimmung aller Vertragsparteien, deren Vertreter zur Teilnehme an den in Artikel IX vorgesehenen Tagungen berechtigt sind, zum Beitritt eingeladen wird.

(2) Die Ratifikation dieses Vertrags oder der Beitritt dazu wird durch jeden Staat nach Maßgabe seiner verfassungsrechtlichen Verfahren durchgeführt.

B. Vertragstexte

487

(3) Ratifikationsurkunden und Beitrittsurkunden werden bei der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika hinterlegt, die hiermit zur Verwahrregierung bestimmt wird. (4) Die Verwahrregierung teilt allen Unterzeichnerstaaten und beitretenden Staaten den Tag der Hinterlegung jeder Ratifikations- oder Beitrittsurkunde sowie den Tag des Inkrafttretens des Vertrags und etwaiger Änderungen oder Ergänzungen desselben mit. (5) Nach Hinterlegung der Ratifikationsurkunden durch alle Unterzeichnerstaaten tritt dieser Vertrag für jene Staaten und für Staaten in Kraft, die Beitrittsurkunden hinterlegt haben. Danach tritt der Vertrag für jeden beitretenden Staat mit Hinterlegung seiner Beitrittsurkunde in Kraft. (6) Die Verwahrregierung läßt diesen Vertrag nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen registrieren. Artikel XIV

Dieser Vertrag, der in englischer, französischer, russischer und spanischer Sprache abgefaßt ist, wobei jede Fassung gleichermaßen verbindlich ist, wird im Archiv der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika hinterlegt; diese übermittelt den Regierungen der Unterzeichnerstaaten und beitretenden Staaten gehörig beglaubigte Abschriften. Zu Urkund dessen haben die unterzeichneten, gehörig befugten Bevollmächtigten diesen Vertrag unterschrieben. Geschehen zu Washington am 1. Dezember 1959

11. Protocol on Environmental Protection to the Antarctic Treaty (Umweltschutzprotokoll, ohne Vereinbarung über das Schiedsverfahren und Anhänge) Preamble

The States Parties to this Protocol to the Antarctic Treaty, hereinafter referred to as The Parties, Convinced of the need to enhance the protection of the Antarctic environment and dependent and associated ecosystems; Convinced of the need to strengthen the Antarctic Treaty system so as to ensure that Antarctica shall continue forever to be used exclusively for peaceful purposes and shall not become the scene or object of international discord; Bearing in mind the special legal and political status of Antarctica and the special responsibility of the Antarctic Treaty Consultative Parties to ensure that all activities in Antarctica are consistent with the purposes and principles of the Antarctic Treaty;

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Anhang

Recalling the designation of Antarctica as a Special Conservation Area and other measures adopted under the Antarctic Treaty system to protect the Antarctic environment and dependent and associated ecosystems; Acknowledging further the unique opportunities Antarctica offers for scientific monitoring of and research on processes of global as weIl as regional importance; Reaffirrning the conservation principles of the Convention on the Conservation of Antarctic Marine Living Resources; Convinced that the development of a comprehensive regime for the protection of the Antarctic environment and dependent and associated ecosystems is in the interest of mankind as a whole; Desiring to supplement the Antarctic Treaty to this end; Have agreed as folIows: Article 1. Definitions

For the purposes of this protocol: a) "The Antarctic Treaty" means the Antarctic Treaty done at Washington on 1 December 1959; b) "Antarctic Treaty area" means the area to which the provisions of the Antarctic Treaty apply in accordance with Article VI of that Treaty; c) "Antarctic Treaty Consultative Meetings" means the meetings referred to in Article IX of the Antarctic Treaty; d) "Antarctic Treaty Consultative Parties" means the Contracting Parties to the Antarctic Treaty entitled to appoint representatives to participate in the meetings referred to in Article IX of that Treaty; e) "Antarctic Treaty system" means the Antarctic Treaty, the measures in effect under that Treaty, its associated separate international instruments in force and the measures in effect under those instruments; f) "Arbitral Tribunal" means the Arbitral Tribunal established in accordance with the

Schedule to this Protocol, which forms an integral part thereof;

g) "Committee" means the Committee for Environmental Protection established in accordance with Article 11. Article 2. Objective and Designation

The Parties comrnit themselves to the comprehensive protection of the Antarctic environment and dependent and associated ecosystems and hereby designate Antarctica as a natural reserve, devoted to peace and science.

B. Vertragstexte

489

Article 3. Environmental Principles (1) The protection of the Antarctic environment and dependent and associated ecosystems and the intrinsic value of Antarctica, including its wilderness and aesthetic values and its value as an area for the conduct of scientific research, in particular research essential to understanding the global environment, shall be fundamental considerations in the planning and conduct of all activities in the Antarctic Treaty area.

(2) To this end: a) activities in the Antarctic Treaty area shall be planned and conducted so as to limit adverse impacts on the Antarctic environment and dependent and associated ecosystems; b) activities in the Antarctic Treaty area shall be planned and conducted so as to avoid: (i) adverse effects on climate or weather patterns; (ii) significant adverse effects on air or water quality; (iii) significant changes in the atmospheric, terrestrial (including aquatic), glacial or marine environments; (iv) detrimental changes in the distribution, abundance or productivity of species or populations of species of fauna and flora; (v) further jeopardy to endangered or threatened species or populations of such species; or (vi) degradation of, or substantial risk to, areas of biological, scientific, historic, aesthetic or wilderness significance; c) activities in the Antarctic Treaty area shall be planned and conducted on the basis of information sufficient to allow prior assessments of, and informed judgments about, their possible impacts on the Antarctic environment and dependent and associated ecosystems and on the value of Antarctica for the conduct of scientific research; such judgments shall take full account of: (i) the scope of the activity, including its area, duration and intensity; (ii) the cumulative impacts of the activity, both by itself and in combination with other activities in the Antarctic Treaty area; (iii) whether the activity will detrimentally affect any other activity in the Antarctic Treaty area; (iv) whether technology and procedures are available to provide for environmentally safe operations; (v) whether there exists the capacity to monitor key environmental parameters and ecosystem components so as to identify and provide early warning of any adverse effects of the activity and to provide for such modification of operating procedures as may be necessary in the light of the results of monitoring or increased knowledge of the Antarctic environment and dependent and associated ecosystems; and (vi) whether there exists the capacity to respond promptly and effectively to accidents, particularly those with potential environmental effects;

490

Anhang

d) regular and effective monitoring shall take place to allow assessment of the impacts of ongoing activities, including the verification of predicted impacts; e) regular and effective monitoring shall take place to facilitate early detection of the possible unforeseen effects of activities carried on both within and outside the Antarctic Treaty area on the Antarctic environment and dependent and associated ecosystems. (3) Activities shall be planned and conducted in the Antarctic Treaty area so as to accord priority to scientific research and to preserve the value of Antarctica as an area for the conduct of such research, including research essential to understanding the global environment. (4) Activities undertaken in the Antarctic Treaty area pursuant to scientific research programmes, tourism and all other governmental and non-governmental activities in the Antarctic Treaty area for which advance notice is required in accordance with Article VII (5) of the Antarctic Treaty, including associated logistic support activities, shall: a) take place in a manner consistent with the principles in this article; and b) be modified, suspended or cancelled if they result in or threaten to result in impacts upon the Antarctic environment or dependent and associated ecosystems inconsistent with those principles.

Article 4. Relationship with the Other Components

0/ the Antarctic Treaty System

(1) This Protocol shall supplement the Antarctic Treaty and shall neither modify nor amend that Treaty. (2) Nothing in this Protocol shall derogate from the rights and obligations of the Parties to this Protocol under the other international instruments in force within the Antarctic Treaty system.

Article 5. Consistency with the Other Components

0/ the Antarctic Treaty System

The Parties shall consult and co-operate with the Contracting Parties to the other international instruments in force within the Antarctic Treaty system and their respective institutions with a view to insuring the achievement of the objectives and principles of this Protocol and avoiding any interference with the achievement of the objectives and principles of those instruments or any inconsistency between the implementation of those instruments and of this Protocol.

Article 6. Co-operation (1) The Parties shall co-operate in the planning and conduct of activities in the Antarctic Treaty area. To this end, each Party shall endeavour to:

a) promote co-operative programmes of scientific, technical and educational value, concerning the protection of the Antarctic environment and dependent and associated ecosystems;

B. Vertragstexte

491

b) provide appropriate assistance to other Parties in the preparation of environmental impact assessments; c) provide to other Parties upon request information relevant to any potential risk and assistance to minimize the effects of accidents which may damage the Antarctic environment or dependent and associated ecosystems; d) consult with other Parties with regard to the choice of sites for prospective stations and other facilities so as to avoid the cumulative impacts caused by their excessive concentration in any location; e) where appropriate, undertake joint expeditions and share the use of stations and other facilities; and f) carry out such steps as may be agreed upon at Antarctic Treaty Consultative

Meetings.

(2) Each Party undertakes, to the extent possible, to share information that may be helpful to other Parties in planning and conducting their activities in the Antarctic Treaty area, with a view to the protection of the Antarctic environment and dependent or associated ecosystems. (3) The Parties shall co-operate with those Parties which may exercise jurisdiction in areas adjacent to the Antarctic Treaty area with a view to ensuring that Activities in the Antarctic Treaty area do not have adverse environmental impacts on those areas. Article 7. Prohibition 01 Mineral Resource Activities

All activity relating to mineral resources, other than scientific research, shall be prohibited. Article 8. Environmental Impact Assessment (1) Proposed activities referred to in paragraph 2 below shall be subject to the procedures set out in Annex I for prior assessment of the impacts of those activities on the Antarctic environment or on dependent and associated ecosystems according to whether those activities are identified as having:

a) less than a minor or transitory impact; b) a minor or transitory impact; or c) more than a minor or transitory impact. (2) Each Party shall ensure that the assessment procedures set out in Annex I are applied in the planning processes leading to decisions about any activities undertaken in the Antarctic Treaty area pursuant to scientific research programmes, tourism and all other govemmental and non-govemmental activities in the Antarctic Treaty area for which advance notice is required under Article VII (5) of the Antarctic Treaty, including associated logistic support activities. (3) The assessment procedures set out in Annex I shall apply to any change in an activity whether the change arises from an increase or decrease in the intensity of an

492

Anhang

existing activity, from the addition of an activity, the decommissioning of a facility, or otherwise. (4) Where activities are planned jointly by more than one Party, the Parties involved shall norninate one of their number to coordinate the implementation of the environmental impact assessment procedures set out in Annex I.

Article 9. Annexes (I) The Annexes to this Protocol shall form an integral part thereof.

(2) Annexes, additional to Annexes I-IV, may be adopted and become effective in accordance with Article IX of the Antarctic Treaty. (3) Amendments and modifications to Annexes may be adopted and become effective in accordance with Article IX of the Antarctic Treaty, provided that any Annex may itself make provision for amendments and modifications to become effective on an accelerated basis. (4) Annexes and any amendments and modifications thereto which have become effective in accordance with paragraphs 2 and 3 above shall, unless an Annex itself provides otherwise in respect of the entry into effect of any amendment or modification thereto, become effective for a Contracting Party to the Antarctic Treaty which is not an Antarctic Treaty Consultative Party, or which was not an Antarctic Treaty Consultative Party at the time of the adoption, when notice of approval of that Contracting Party has been received by the Depositary. (5) Annexes shall, except to the extent that an Annex provides otherwise, be subject to the procedures for dispute settlement set out in Articles 18 to 20.

Article 10. Antarctic Treaty Consultative Meetings (I) Antarctic Treaty Consultative Meetings shall, drawing upon the best scientific and technical advice available:

a) define, in accordance with the provisions of this Protocol, the general policy for the comprehensive protection of the Antarctic environment and dependent and associated ecosystems; and b) adopt measures under Article IX of the Antarctic Treaty for the implementation of this Protocol. (2) Antarctic Treaty Consultative Meetings shall review the work of the Committee and shall draw fully upon its advice and recommendations in carrying out the tasks referred to in paragraph I above, as weil as upon the advice of the Scientific Committee on Antarctic Research.

Article 11. Committee for Environmental Protection (I) There is hereby established the Comrnittee for Environmental Protection.

B. Vertragstexte

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(2) Each Party shall be entitled to be a member of the Committee and to appoint a representative who may be accompanied by experts and advisers. (3) Observer status in the committee shall be open to any Contracting Party to the Antarctic Treaty which is not a Party to this Protocol. (4) Tbe Committee shall invite the President of the Scientific Committee on Antarctic Research and the Chairman of the Scientific Committee for the Conservation of Antarctic Marine Living Resources to participate as ob servers at its sessions. Tbe Committee mayaiso, with the approval of the Antarctic Treaty Consultative Meeting, invite such other relevant scientific, environmental and technical organisations which can contribute to its work to participate as observers at its sessions. (5) Tbe Committee shall present areport on each of its sessions to the Antarctic Treaty Consultative Meeting. Tbe report shall cover all matters considered at the session and shall reflect the views expressed. Tbe report shall be circulated to the parties and to ob servers attending the session, and shall thereupon be made publicly available. (6) Tbe Committee shall adopt its rules of procedure which shall be subject to approval by the Antarctic Treaty Consuitative Meeting. Article 12. Functions 01 the Committee (1) Tbe functions of the Committee shall be to provide advice and formulate recommendations to the Parties in connection with the implementation of this Protocol, including the operation of its Annexes, for consideration at Antarctic Treaty Consultative Meetings, and to perform such other functions as may be referred to it by the Antarctic Treaty Consultative Meetings. In particular, it shall provide advice on:

a) the effectiveness of measures taken pursuant to this Protocol; b) the need to update, strengthen or otherwise improve such measures; c) the need for additional measures, including the need for additional Annexes, where appropriate; d) the application and implementation of the environmental impact assessment procedures set out in Article 8 and Annex I; e) means of minimising or mitigating environmental impacts of activities in the Antarctic Treaty area; f) procedures for situations requiring urgent action, including response action in envi-

ronmental emergencies;

g) the operation and further elaboration of the Antarctic Protected Area system; h) inspection procedures, including formats for inspection reports and checklists for the conduct of inspections; i) the collection, archiving, exchange and evaluation of information related to environmental protection; j) the state of the Antarctic environment; and

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k) the need for scientific research, including environmental monitoring, related to the implementation of this Protocol. (2) In carrying out its functions, the Committee shall, as appropriate, consuIt with the Scientific Committee on Antarctic Research, the Scientific Comrnittee for the Conservation of Antarctic Marine Living Resources and other relevant scientific, environmental and technical organizations.

Article 13. Compliance with this Protocol (I) Each Party shall take appropriate measures within its competence, including the adoption of laws and regulations, administrative actions and enforcement measures, to ensure compliance with this Protocol.

(2) Each Party shall exert appropriate efforts, consistent with the Charter of the Uni ted Nations, to the end that no one engages in any activity contrary to this Protocol. (3) Each Party shall notify all other Parties of the .:leasures it takes pursuant to paragraphs 1 and 2 above. (4) Each Party shall draw the attention of all other Parties to any activity which in its opinion affects the implementation of the objectives and principles of this Protoc01. (5) The Antarctic Treaty Consultative Meetings shall draw the attention of any State which is not a Party to this Protocol to any activity undertaken by that State, its agencies, instrumentalities, natural or juridical persons, ships, aircraft or other means of transport which affects the implementation of the objectives and principles of this Protocol.

Article 14. 1nspection (I) In order to promote the protection of the Antarctic environment and dependent and associated ecosystems, and to ensure compliance with this Protocol, the Antarctic Treaty Consultative Parties shall arrange, individually or collectively, for inspections by observers to be made in accordance with Article VII of the Antarctic Treaty.

(2) Observers are: a) observers designated by any Antarctic Treaty Consultative Party who shall be nationals of that Party; and b) any observers designated at Antarctic Treaty ConsuItative Meetings to carry out inspections under procedures to be established by an Antarctic Treaty ConsuItative Meeting. (3) Parties shall co-operate fully with observers undertaking inspections, and shall ensure that during inspections, observers are given access to all parts of stations, installations, equipment, ships and aircraft open to inspection under Article VII (3) of the Antarctic Treaty, as weIl as to all records maintained thereon which are called for pursuant to this Protocol.

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(4) Reports of inspections shall be sent to the Parties whose stations, installations, equipment, ships or aircraft are covered by the reports. After those Parties have been given the opportunity to comment, the reports and any comments thereon shall be circulated to all the Parties and to the Committee, considered at the next Antarctic Treaty Consultative Meeting, and thereafter made publiciy available. Article 15. Emergency Response Action (I) In order to res pond to environmental emergencies in the Antarctic Treaty area, each Party agrees to: a) provide for prompt and effective response action to such emergencies which might arise in the performance of scientific research programmes, tourism and all other governmental and non-governmental activities in the Antarctic Treaty area foe which advance notice is required under Articie VII (5) of the Antarctic Treaty, inciuding associated logistic support activities; and b) establish contingency plans for response to incidents with potential adverse effects on the Antarctic environment or dependent and associated ecosystems. (2) To this end, the Parties shall: a) co-operate in the formulation and implementation of such contingency plans; and b) establish procedures for immediate notification of, and co-operative response to, environmental emergencies. (3) In the implementation of this Articie, the Parties shall draw upon the advice of the appropriate international organisations. Article 16. Liability Consistent with the objectives of this Protocol for the comprehensive protection of the Antarctic environment and dependent and associated ecosystems, the Parties undertake to elaborate rules and procedures relating to Iiability for damage arising from activities taking place in the Antarctic Treaty area and covered by this ProtocoI. Those rules and procedures shall be inciuded in one or more Annexes to be adopted in accordance with Articie 9 (2). Article 17. AnnUllI Report by Parties (1) Each Party shall report annually on the steps taken to implement this ProtocoI. Such reports shall inciude notifications made in accordance with Article 13 (3), contingency plans established in accordance with Article 15 and any other notifications and information called for pursuant to this Protocol for which there is no other provision concerning the circulation and exchange of information.

(2) Reports made in accordance with paragraph 1 above shall be circulated to all Parties and to the Committee, considered at the next Antarctic Treaty Consultative Meeting, and made pubIicly available.

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Article 18. Dispute Settlement

If a dispute arises concerning the interpretation or application of this Protocol, the parties to the dispute shall, at the request of any one of them, consult among themselves as soon as possible with a view to having the dispute resolved by negotiation, inquiry, mediation, conciliation, arbitration, judicial settlement or other peaceful means to which the parties to the dispute agree. Article 19. Choice 01 Dispute Settlement Procedure (1) Each Party, when signing, ratifying, accepting, approving or acceding to this Protocol, or at any time thereafter, may choose, by written declaration, one or both of the following means for the settlement of disputes concerning the interpretation or application of Articles 7, 8 and 15 and, except to the extent that an Annex provides otherwise, the provisions of any Annex and, insofar as it relates to these Articles and provisions, Article 13:

a) the International Court of lustice; b) the Arbitral Tribunal. (2) A declaration made under paragraph 1 above shall not affect the operation of Article 18 and Article 20 (2). (3) A Party which has not made a declaration under paragraph 1 above or in respect of which a declaration is no longer in force shall be deemed to have accepted the competence of the Arbitral Tribunal. (4) If the parties to a dispute have accepted the same means for the settlement of a dispute, the dispute may be submitted only to that procedure, unless the parties otherwise agree. (5) If the parties to a dispute have not accepted the same means for the settlement of a dispute, or if they have both accepted both means, the dispute may be submitted only to the Arbitral Tribunal, unless the parties otherwise agree. (6) A declaration made under paragraph 1 above shall remain in force until it expires in accordance with its terms or until three months after written notice of revocation has been deposited with the Depositary. (7) A new declaration, a notice of revocation or the expiry of a declaration shall not in any way affect proceedings pending before the International Court of lustice or the Arbitral Tribunal, unless the parties to the dispute otherwise agree. (8) Declarations and notices referred to in this Article shall be deposited with the Depositary who shall transmit copies thereof to all Parties. Article 20. Dispute Settlement Procedure (1) If the parties to a dispute concerning the interpretation or application of Articles 7, 8 or 15 or, except to the extent that an Annex provides otherwise, the provisions of any Annex or, insofar as it relates to these Articles and provisions, Article 13, have not agreed on a means for resolving it within 12 months of the

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request for consultation pursuant to ArticIe 18, the dispute shall be referred, at the request of any party to the dispute, for settlement in accordance with the procedure determined by ArticIe 19 (4) and (5). (2) The Arbitral Tribunal shalI not be competent to decide or rule upon any matter within the scope of ArticIe IV of the Antarctic Treaty. In addition, nothing in this Protocol shalI be interpreted as conferring competence or jurisdiction on the International Court of lustice or any other tribunal established for the purpose of settling disputes between Parties to decide or otherwise rule upon any matter within the scope of ArticIe IV of the Antarctic Treaty. Article 21. Signature

This Protocol shall be open for signature at Madrid on the 4th of October 1991 and thereafter at Washington until the 3rd of October 1992 by any State which is a Contracting Party to the Antarctic Treaty. Article 22. Ratification. Acceptance. Approvat or Accession (1) This Protocol is subject to ratification, acceptance or approval by signatory

States.

(2) After the 3rd of October 1992 this Protocol shalI be open for accession by any State wh ich is a contracting Party to the Antarctic Treaty. (3) Instruments of ratification, acceptance, approval or accession shall be deposited with the Government of the United States of America, hereby designated as the Depositary. . (4) After the date on which this Protocol has entered into force, the Antarctic Treaty Consultative Parties shall not act upon a notification regarding the entitlement of a Contracting Party to the Antarctic Treaty to appoint representatives to participate in Antarctic Treaty Consultative Meetings in accordance with ArticIe IX (2) of the Antarctic Treaty unless that Contracting Party has first ratified, accepted, approved or acceded to this Protocol. Articte 23. Entry

infO

Force

(1) This Protocol shalI enter fnto force on the thirtieth day folIowing the date of deposit of instruments of ratification, acceptance, approval or accession by all States wh ich are Antarctic Treaty Consultative Parties at the date on which this Protocol is adopted.

(2) For each Contracting Party to the Antarctic Treaty which, subsequent to the date of entry into force of this Protocol, deposits an instrument of ratification, acceptance, approval or accession, this Protocol shall enter into force on the thirtieth day following such deposit.

32 Kämmerer

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Article 24. Reservations

Reservations to this Protocol shall not be permitted. Article 25. Modification or Amendment (I) Without prejudice to the provisions of ArticIe 9, this Protocol may be modified or amended at any time in accordance with the procedures set forth in ArticIe XII (I) (a) and (b) of the Antarctic Treaty.

(2) If, after the expiration of 50 years from the date of entry into force of this Protocol, anY of the Antarctic Treaty Consultative Parties so requests by a communication addressed to the Depositary, a conference shall be held as soon as practicable to review the operation of this Protocol. (3) A modification or amendment proposed at any Review Conference called pursuant to paragraph 2 above shall be adopted by a majority of the Parties, incIuding 3 / 4 of the States which are Antarctic Treaty ConsuItative Parties at the time of adoption of this Protocol. (4) A modification or amendment adopted pursuant to paragraph 3 above shall enter in force upon ratification, acceptance, approval or accession by 3/4 of the Antarctic Treaty Consultative Parties, incIuding ratification, acceptance, approval or accession by all States which are Antarctic Treaty ConsuItative Parties at the time of adoption of this Protocol. (5) a) With respect to ArticIe 7, the prohibition on Antarctic mineral resource activities contained therein shall continue unless there is in force a binding legal regime on Antarctic mineral resource activities that incIudes an agreed means for determining whether, and, if so, under which conditions, anY such activities would be acceptable. This regime shall fully safeguard the interests of all States referred to in ArticIe IV of the Antarctic Treaty and apply the principles thereof. Therefore, if a modification or amendment to ArticIe 7 is proposed at a Review Conference referred to in paragraph 2 above, it shall incIude such a binding legal regime. b) If any such modification or amendment has not entered into force within 3 years of the date of its adoption, any Party may at any time thereafter notify to the Depositary of its withdrawal from this Protocol, and such withdrawal shall take effect 2 years after receipt of the notification by the Depositary. Artkle 26. Notifications by the Depositary

The Depositary shall notify all Contracting Parties to the Antarctic Treaty of the following: a) signatures of this Protocol and the deposit of instruments of ratification, acceptance, approval or accession; b) the date of entry into force of this Protocol and any additional Annex thereto; c) the date of entry into force of any amendment or modification to this Protocol; d) the deposit of decIaratioos and notices pursuant to ArticIe 19; and e) any notification received pursuant to ArticIe 25 (5) (b).

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Article 27. Authentie Texts and Registration with the United Nations (1) This Protoeol, done in the English, Freneh, Russian and Spanish languages, eaeh version being equally authentie, shall be deposited in the archives of the Gov-' ernment of the Uni ted States of America, which shall transmit duly certified copies thereof to all Contraeting Parties to the Antarctic Treaty.

(2) This Protocol shall be registered by the Depositary pursuant to Article 102 of the Charter of the United Nations.

32·

C. Antarctic Mining Prohibition Act 1991 (Australien) No. 43 of 1991 An Act to prohibit mining activities in the Australian Antarctic Territory, and for related purposes

[Assented to 27 march 1991]

The Parliament of Australia enacts:

Short title 1. This Act may be cited as the Antarctic Mining Prohibition Act 1991.

Commencement 2. This Act commences on the day on which it receives the Royal Assent.

Definitions 3. In this Act: "Antarctica" means: (a) the land and ice shelves south of latitude 60° south; and (b) the areas of continental shelf adjacent to that land and south of latitude 60° south;

"Antarctic Treaty" means the Treaty whose English text is set out in the Schedule to the Antarctic Treaty Act 1960; "Australia" includes the extemal Territories; "Australian Antarctic Territory" means the territory defined in section 4 of the Australian Antarctic Territory Act 1954, together with the adjacent continental shelf south of latitude 60° south; "Australian national" means: (a) an Australian citizen; and (b) a body corporate that is incorporated in Australia or carries on its activities mainly in Australia; "continental shelf" has the same meaning as in the Seas and Submerged Lands Act 1973; "country 0/ nationality", in relation to a person who is not an Australian national; means: (a) if the person is an individual - the foreign country of which he or she is a citizen; and (b) if the person is a body corporate - the foreign country in which it is incorporated or mainly carries on its activities;

C. Antarctic Mining Prohibition Act 1991 (Australien)

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"mineral" means any non-living, non-renewable natural resource; "mining activity" means an activity carried out for, or in connection with, the recovery or exploitation of minerals (including prospecting and exploring for minerals), but does not include: (a) an activity that amounts to, or is connected with, scientific investigation or scientific research within the meaning of the Antarctic Treaty; or (b) an activity that is necessary for building or maintaining in Antarctica scientific research stations or facilities for the supply of such stations. Extension to external Territories 4. This Act extends to every external Territory.

Act binds the Crown

5. (1) This Act binds the Crown in right of the Commonwealth, of each of the States, of the Australian Capital Territory, of the Northern Territory and of Norfolk Island. (2) Nothing in this Act renders the Crown liable to be prosecuted for an offence. Mining in the Australian Antarctic Territory 6. A person must not engage in a mining activity in the Australian Antarctic Territory. Penalty: $ 100,000.

Mining in Antarctica 7. An Australian national must not engage in a mining activity in Antarctica outside the Australian Antarctic Territory. Penalty: $ 100,000.

Prosecution of offences 8. (1) An offence against section 6 or 7 is an indictable offence. (2) Despite subsection (1), a court of summary jurisdiction may hear or determine proceedings in respect of an offence against section 6 or 7 if satisfied that it is proper to do so and the defendant and the prosecutor consent. (3) Where, under subsection (2), a court or summary jurisdiction convicts a person of an offence against section 6 or 7, the penalty that the court may impose is: (a) in the case of an individual - a fine not exceeding $ 10,000; and (b) in the case of a body corporate - a fine not exceeding $ 50,000.

Restriction on prosecution 9. Proceedings cannot be started against a person who is neither an Australian national nor ordinarily resident in Australia in respect of: (a) an offence against section 6 of this Act; or

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(b) an offence against section 5, 6, 7 or 7A, or subsection 86 (1), of the Crimes Act 1914 that relates to an offence rnentioned in paragraph (a); if the act constituting the offence would also constitute an offence against a law of the person's country of nationality for which the person would be liable to be prosecuted. Mining Act 0/ A.c.T. not to apply

10. On the cornrnencernent of this Act, the Mining Act 1930 of the Australian Capital Territory ceases to be a law in force in the Australian Antarctic Territory.