Der »Gnadenschuss«: Über aktive Sterbehilfe in militärischen Extremsituationen [1 ed.] 9783428583843, 9783428183845

Mit dem »Gnadenschuss« an Schwerstverwundeten in bewaffneten Konflikten behandelt diese Arbeit einen Bereich der aktiven

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Der »Gnadenschuss«: Über aktive Sterbehilfe in militärischen Extremsituationen [1 ed.]
 9783428583843, 9783428183845

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Schriften zum Strafrecht Band 377

Der „Gnadenschuss“ Über aktive Sterbehilfe in militärischen Extremsituationen

Von

Dominik Kischko

Duncker & Humblot · Berlin

DOMINIK KISCHKO

Der „Gnadenschuss“

Schriften zum Strafrecht Band 377

Der „Gnadenschuss“ Über aktive Sterbehilfe in militärischen Extremsituationen

Von

Dominik Kischko

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2021 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-18384-5 (Print) ISBN 978-3-428-58384-3 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

In memoriam Felix Thiemann (1924–2020)

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2020/2021 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Dissertation angenommen. Sie lag dem Fachbereich seit Ende Mai 2020 vor; später erschienene Literatur konnte – trotz eingeschränkter Recherchemöglichkeiten aufgrund der COVID‑19‑Pandemie – zu einem großen Teil noch bis März 2021 berücksichtigt werden. Ich möchte mich zunächst herzlich bei Herrn Prof. Dr. Martin Böse für seine Aufgeschlossenheit meinem Thema gegenüber, die Betreuung dieser Arbeit sowie seine lehr- und hilfreichen Anmerkungen hierzu bedanken. Herrn Prof. Dr. Torsten Verrel danke ich für die freundliche Erstellung des Zweitgutachtens. Besonderer Dank gilt meinen Eltern, Ulrike und Joachim Kischko, für ihre unbedingte, ausdauernde und überhaupt großartige Unterstützung in allen Dingen. Ohne stunden- und tagelange Diskussionen mit meinem Vater wäre diese Arbeit nicht nur um einiges ärmer, sondern vermutlich nie entstanden. Darüber hinaus gilt mein Dank Nena Husemann und Jan Gocha, deren Zuverlässigkeit und kurzfristige Bereitschaft zum Korrekturlesen alles andere als selbstverständlich waren. Für ihre Unterstützung auf fachlicher, organisatorischer und menschlicher Ebene danke ich insbesondere auch Vanessa Lempke und Dr. Yannik Frese sowie allen anderen Freunden, Kommilitonen, Arbeits- und Referendarkollegen, die, im Kleinen wie im Großen, zum Gelingen meiner Dissertation beigetragen haben. Essen, im April 2021

Dominik Kischko

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung und Problemdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sterbehilfe als rechtliches Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begrifflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Überblick: Ärztliche Sterbehilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aktive Sterbehilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Indirekte Sterbehilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sterbehilfe durch „Behandlungsabbruch“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Mitwirkung am Suizid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abgrenzung zwischen ärztlicher und „militärischer“ Sterbehilfe . . . . . III. Sterbehilfe im militärischen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Praxisrelevanz und historischer Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Historische Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) In der Bibel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Antike und Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Neuzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) 20. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Erster Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zweiter Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Konflikte nach 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) „Gnadenschüsse“ bei militärischen Hinrichtungen . . . . . . b) Moderne Fälle: Irak und Afghanistan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sergeant MacLachlan (GB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Captain Maynulet (USA)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Staff Sergeants Alban-Cardenas und Horne (USA) . . . . . . . . dd) Captain Semrau (Kanada) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Special Warfare Operator Chief Gallagher und Special Warfare Operator 1st Class Scott (USA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zwischenergebnis und Relevanz für Soldaten der Bundeswehr . . . . . . IV. Zu untersuchende Fallkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tötung auf Verlangen des Verwundeten (Fall 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tötung ohne vorherige Willensäußerung (Fall 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Freund/Feind/Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17 17 20 20 21 22 23 25 29 29 33 34 36 36 37 39 41 42 43 48 50 51 51 52 53 55 56 57 58 59 59 60

B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten im Kontext militärischer Operationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 I. Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf „Gnadenschuss“-Fälle . . . . 62

10 Inhaltsverzeichnis 1. Taten deutscher Soldaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inlandstaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsatz: § 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Flaggenprinzip des § 4 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Taten im Auslandseinsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Taten nichtdeutscher Staatsbürger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inlandstaten/Deutsche Schiffe und Luftfahrzeuge . . . . . . . . . . . . . . b) Auslandstaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Schutz Verwundeter durch das humanitäre Völkerrecht . . . . . . . . . . . 1. Überblick: Humanitäres Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ziel, Schutzzweck und Grundprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entwicklung und Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ius in bello  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anwendbarkeit: Bewaffneter Konflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Geschützte Personen im „Haager“ und „Genfer“ Recht . . . . . . . . . aa) „Haager Recht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) „Genfer Recht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der Verwundete als geschützte Person in der „Gnaden­ schuss“-Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einhaltung, Verstöße und Verfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Humanitäres Völkerrecht im deutschen Strafrecht – VStGB . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis: Humanitäres Völkerrecht und der „Gnadenschuss“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Strafbarkeit nach StGB oder VStGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einschlägige Straftatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) §§ 211, 212, 213 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 216 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erfüllung des Tatbestandes des § 216 StGB beim „Gnadenschuss“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Tötung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Durch ausdrückliches und ernstliches Verlangen bestimmt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Legitimation und Schutzzweck  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Individuell-paternalistische Legitimation . . . . . . . . . . . . . . (2) Überindividuell-tabuisierende Legitimation . . . . . . . . . . . . (3) Eigene Ansicht: Primärer Tabuschutz mit Übereilungsschutz-Aspekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis: § 216 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erfüllung des Tatbestandes des § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB . . . . .

62 62 62 63 64 66 66 66 67 67 67 70 72 75 77 79 80 82 83 85 88 91 91 92 92 92 92 94 94 98 98 98 99 103 108 110 110 110

Inhaltsverzeichnis11 (1) Tauglicher Täter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 (2) Tötung einer nach humanitärem Völkerrecht geschützten Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (3) Im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt . . . . 113 (4) Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 (5) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 bb) Legitimation und Schutzzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 cc) Zwischenergebnis: § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB . . . . . . . . . . . . . . . 121 2. Zum Verhältnis von StGB und VStGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 a) Fall 1: bei ernstlichem Verlangen – Sperrwirkung des § 216 StGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 aa) § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB lex specialis zu § 216 StGB? . . . . . . 123 (1) Historische Hintergründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 (2) Verringerte Einsichtsfähigkeit im Konflikt? . . . . . . . . . . . 128 (3) Drohende Strafbarkeitslücken bei Anwendung des § 216 StGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (4) Keine Berücksichtigung des Tötungsverlangens vor dem IStGH? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 bb) Fallkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (1) Opfer Kamerad – Schutz im Verhältnis zur eigenen Konfliktpartei? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (2) Opfer Feind oder Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 b) Fall 2: Tötung ohne geäußertes Verlangen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 aa) § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB lex specialis zu den §§ 211, 212 StGB?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 bb) Fallkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 (1) Opfer Kamerad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 (2) Opfer Feind oder Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 IV. Zuständigkeit des IStGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 C. Fall 1: Tötung auf Verlangen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 I. Denkbare Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 1. Auf Tatbestandsebene  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 a) „Keine Tötungshandlung im Rechtssinne“, „Sozialadäquanz“, „erlaubtes Risiko“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 b) Rechtsfreier Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 c) Teleologische Reduktion des Tatbestandes bei objektiv vernünftigem Verlangen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 2. Auf Rechtfertigungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 a) Gewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 b) Rechtfertigende Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 c) § 34 StGB – Rechtfertigender Notstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

12 Inhaltsverzeichnis 3. Auf Schuldebene: (übergesetzlicher) Notstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 4. Auf Ebene der Rechtsfolgen/prozessual . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 a) § 60 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 b) §§  153 ff. StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 c) Begnadigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 5. Regelungsbedarf für den Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 6. „Nichtlösung“ – Berücksichtigung lediglich im Strafmaß  . . . . . . . . . 179 II. Eigene Lösung: § 34 StGB beim verlangten „Gnadenschuss“ . . . . . . . . . 181 1. Allgemeine Kritik an der Zulassung aktiver Sterbehilfe . . . . . . . . . . . 181 a) Tötungsverbot und „Dammbruch“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 aa) Tötungsverbot bzw. -tabu  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 bb) „Dammbruch“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 cc) Relevanz solcher Gefahren beim „Gnadenschuss“  . . . . . . . . . 186 b) Weitere Gegenargumente im Hinblick auf den „Gnadenschuss“ . . 189 aa) Zweifel an der Praxisrelevanz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 bb) Hypothetische Rettungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 cc) Sinn und Zweck von Leid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 2. Anwendbarkeit des § 34 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 a) Tötungen im Rahmen des § 34 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 b) § 34 StGB bei intrapersonellen Interessenkollisionen . . . . . . . . . . . 195 aa) Kollidierende Interessen einer Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 bb) Zusätzlich betroffene gesellschaftliche Interessen . . . . . . . . . . 198 c) Einwilligungssperre des § 216 StGB und rechtfertigender Notstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 3. Notstandslage: Gefahr für ein notstandsfähiges Rechtsgut  . . . . . . . . . 201 a) Notstandsfähiges Rechtsgut („Erhaltungsgut“) . . . . . . . . . . . . . . . . 201 aa) Schmerzfreiheit im Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 (1) Kein „Erhaltungsgut“ bei Tötung des Subjekts? . . . . . . . . 203 (2) Schmerzfreiheit im Tod als Beendigung eines negativen Zustandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 bb) Selbstbestimmtes Sterben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 cc) Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 b) Gegenwärtige Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 4. Notstandshandlung: Gefahr nicht anders abwendbar . . . . . . . . . . . . . . 214 a) Zur Gefahrenabwehr geeignet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 b) Mildestes Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 aa) Tötung als mildestes Mittel der Schmerzbeendigung . . . . . . . 215 bb) Mildestes Mittel und Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 5. Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 a) Betroffene Rechtsgüter auf beiden Seiten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 b) Abwägung zwischen „Eingriffs-“ und „Erhaltungsgut“ . . . . . . . . . 221

Inhaltsverzeichnis13 aa) Abwägung mit dem subjektiven Lebensinteresse . . . . . . . . . . 221 (1) Subjektives Lebensinteresse als Basis der Abwägung . . . 221 (2) Objektive Qualifikation der subjektiven Interessenbewertung („Extremfall“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 (3) Zur Bedeutung eines „nullwertigen“ Interesses in der Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 bb) Abwägung mit gesellschaftlichen Interessen . . . . . . . . . . . . . . 230 cc) Ergebnis der Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 dd) Wesentliches Überwiegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 c) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 6. Subjektives Rechtfertigungselement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 III. Ergebnis zu Fall 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 D. Fall 2: Tötung ohne ausdrückliches Verlangen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überprüfung denkbarer Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auf Tatbestandsebene  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auf Rechtfertigungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) (Mutmaßliche) Einwilligung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) § 34 StGB – Rechtfertigender Notstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auf Schuldebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Auf Ebene der Rechtsfolgen/prozessual . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 60 StGB, §§ 153 ff. StGB, Begnadigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Rechtsfolgenlösung“ – § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB analog . . . . . . . . . 5. Regelungsbedarf für den Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. „Nichtlösung“ – lebenslange Haft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Exkurs: §§ 212, 213 StGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Eigene Lösung: § 34 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Notstandslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Erhaltungsgut“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gegenwärtige Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sonderfall: Unklare Empfindungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 3. Notstandshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Betroffene Rechtsgüter auf beiden Seiten der Abwägung . . . . . . . . b) Abwägung zwischen „Eingriffs-“ und „Erhaltungsgut“ . . . . . . . . . aa) Abwägung mit dem subjektiven Lebensinteresse . . . . . . . . . . (1) Kein geäußertes Tötungsverlangen . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kommunikationsfähiger Verwundeter . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Sonst: Ermittlung des mutmaßlichen Willens . . . . . . . . . . (4) Sonderfall: Unklare Empfindungsfähigkeit . . . . . . . . . . . .

239 240 240 241 241 241 242 242 243 243 243 245 247 247 248 248 249 249 249 249 249 250 250 250 251 251 253 254 254 259

14 Inhaltsverzeichnis (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Abwägung mit dem überindividuellen Konfliktbegrenzungsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis der Abwägung, wesentliches Überwiegen, Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Subjektives Rechtfertigungselement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis zu Fall 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

260 261 263 263 264

E. Einzelprobleme und Sonderkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 I. Unterlassungsstrafbarkeit – Pflicht zum „Gnadenschuss“? . . . . . . . . . . . . 265 1. § 323c StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 2. Unechte Unterlassungsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 II. Fehlende Rechtfertigungselemente und Irrtümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 1. Fehlende Elemente der Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 a) Handeln trotz erkannten Fehlens eines Extremfalls . . . . . . . . . . . . 269 b) Fehlender (mutmaßlicher) Wille des Opfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 c) Fehlendes subjektives Element – Tötung aus anderer Motivation . 271 aa) Berücksichtigung der Motivation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 bb) Fehlende Kenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 2. Irrtumsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 a) Erlaubnistatbestandsirrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 aa) Bei § 216 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 bb) Bei § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 b) Erlaubnisirrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 III. Der „Gnadenschuss“ im Zusammenhang mit der militärischen Befehlskette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 1. Gehorsamspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 2. Strafrechtliche Verantwortlichkeit des Befehlsempfängers . . . . . . . . . . 280 3. Strafrechtliche Verantwortlichkeit des militärischen Vorgesetzten . . . . 282 a) Anstiftung; §  33 f. WStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 b) §§ 4, 14 VStGB; § 41 WStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 IV. Übertragbarkeit der gefundenen Lösungen auf andere Konstellationen . . 284 1. Zukünftiges Leid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 a) Drohende Gefangennahme, Folter etc. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 b) Feststehendes Schicksal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 2. Fälle ohne (direkten) Bezug zu Kampfhandlungen  . . . . . . . . . . . . . . . 288 a) „LKW-Fall“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 b) Außergewöhnliche, „konfliktähnliche“ Katastrophenfälle . . . . . . . . 290 c) Hinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 aa) Als staatliche Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 bb) „Gnadenschüsse“ bei strafbaren Tötungen . . . . . . . . . . . . . . . . 292 F. Exkurs: Triage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 I. Begriff und Verfahren im Überblick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295

Inhaltsverzeichnis15 II. Strafrechtliche Probleme der militärischen Triage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kollidierende Handlungspflichten – Pflichtenkollision? . . . . . . . . . . . . 2. Unzulässige Abwägung Leben gegen Leben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Lösungsvorschlag  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sonderfälle  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

297 298 299 302 305

G. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 I. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 1. Praktische Relevanz und Abgrenzung der „militärischen“ Sterbehilfe . 309 2. Anwendbare Normen und humanitäres Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . 310 3. „Gnadenschuss“ – Tötung auf Verlangen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 4. „Gnadenschuss“ – Kriegsverbrechen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 5. Einzelprobleme im Umfeld des „Gnadenschusses“ . . . . . . . . . . . . . . . 314 6. Sonderkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 7. Exkurs: Triage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 II. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 I. Erläuterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 II. Tabellarische Aufstellung bekannter „Gnadenschuss“-Fälle . . . . . . . . . . . 319 1. Fälle im militärischen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 2. Vergleichbare Fälle jenseits von (militärischen) Kampfhandlungen . . 331 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376

A. Einleitung und Problemdarstellung „[…] Saul lehnte sich auf seinen Spieß, und die Wagen und Reiter jagten hinter ihm her. Und er wandte sich um und sah mich und rief mich. Und ich sprach: Hier bin ich. […]. Und er sprach zu mir: Tritt her zu mir und töte mich; denn mir wird schwarz vor den Augen, aber mein Leben ist noch ganz in mir. Da trat ich zu ihm und tötete ihn, denn ich wusste, dass er nicht leben könnte nach seinem Fall […].“ (2. Samuel 1, 6–10)1

I. Einleitung Wer vorsätzlich einen anderen Menschen tötet, wird wegen Totschlages bestraft, bei Vorliegen von Mordmerkmalen wegen Mordes. Hat der Getötete2 ernstlich und ausdrücklich sein Verlangen zu sterben geäußert, so wird der Täter, der ihm seinen Wunsch erfüllt, wegen Tötung auf Verlangen bestraft – mit erheblich reduzierter Strafe. Tötet ein Soldat, als rechtmäßiger Kombattant,3 im bewaffneten Konflikt einen anderen Soldaten, so ist er nach einhelliger Ansicht weder Mörder noch Totschläger, sondern handelt im Rahmen des völkerrechtlich Erlaubten und kann dafür nicht bestraft werden.4 Die Tötung ist rechtmäßig, solange 1  Bibelübersetzung

hier und im Folgenden: Lutherbibel 2017. Folgenden wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet; sämtliche Personenbezeichnungen beziehen sich gleichermaßen auf alle Geschlechter. 3  Vgl. zum Kombattantenstatus etwa Ipsen, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S.  79 ff. 4  T. Fischer, StGB67, § 212 Rn. 17; Generalbundesanwalt, NStZ 2010, 581 (583); Kreicker, in: Eser/Kreicker, Nationale Strafverfolgung völkerrechtlicher Verbrechen, Deutschland, S. 79, 399; Ipsen, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S. 82; ausführlich Jähnke, in: LK-StGB11, § 212 Rn. 16 ff.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht2, S. 258, 261; Keller, in: Jeßberger/Geneuss, Zehn Jahre Völkerstrafgesetzbuch, S. 141 (155); Kreicker, in: Eser/Sieber/Kreicker, Nationale Straf­ verfolgung völkerrechtlicher Verbrechen, Ländervergleich, S. 114, 321; Kühl, in: Lackner/Kühl29, Vor § 32 Rn. 24; Ladiges, JuS 2011, 879 (883); Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 32 ff. Rn. 91b; ausführlich Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 111, S.  37 ff.; Müssig/Meyer, in: FS Puppe, S. 1501 (1506 ff.); Oeter, in: Weingärtner, Die Bundeswehr als Armee im Einsatz, S. 61 (71); Richter, in: Forster/Vugrin/Wessendorff, Das Zeitalter der Einsatzarmee, S. 220 (230); Rönnau, in: LK-StGB13, Vor §§ 32 ff. Rn. 202 ff., insb. 302c; Safferling, Internationales Strafrecht, S. 323; Safferling/Kirsch, JA 2010, 81 (85); Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht9, 2  Im

18

A. Einleitung und Problemdarstellung

sie sich im Rahmen des humanitären (Kriegs-)Völkerrechts hält.5 Der Soldat erfüllt hier die seinem Berufsstand seit Urzeiten obliegende Aufgabe, er kann für rechtmäßige Schädigungshandlungen nicht belangt werden („Schädigungs­ privileg“).6 Tötet er aber einen Gegner, der aufgrund einer Verwundung bereits kampfunfähig ist, so stellt diese Tat grundsätzlich einen schweren Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht dar.7 Er begeht damit ein Kriegsverbrechen, dass nach dem deutschen Völkerstrafgesetzbuch („VStGB“) mit ­lebenslanger Haft bestraft werden muss.8 Aber gilt dies ausnahmslos? Es versteht sich von selbst, dass es in allen Konflikten Verwundungen gibt, die mit kaum vorstellbaren Schmerzen einhergehen und den sicheren Tod unter Qualen zur Folge haben. Denkbar ist, dass ein Soldat – in Ermangelung anderer Optionen – in höchster Not zum letzten Mittel greift, um das entsetzliche Leid eines schwerstverwundeten Kameraden zu beendeten: Der Tötung aus Mitleid in auswegloser Situation – dem „Gnadenschuss“. In modernen Kriegen und Konflikten bestehen, im Vergleich zu früheren Zeiten, in der Regel erheblich bessere Möglichkeiten zur Versorgung von Verwundeten. Dennoch können solche extremen Situationen auch heute nicht ausgeschlossen werden: Wo es z. B. die Umstände dem medizinischen Personal nicht erlauben, einen Verwundeten zu behandeln und keine Aussicht auf Rettung besteht,9 existiert für die anderen Soldaten ein furchtbares ethisches Dilemma: Sie stehen vor der Wahl, entweder angesichts der Qualen ihres

S. 427; Schlehofer, in: MüKo-StGB4, Vor § 32 Rn. 136; Schwenck, in: FS Lange, S.  97 (109 ff.); Stam, Strafverfolgung bei Straftaten von Bundeswehrsoldaten, S. 31; Steiger/Bäumler, AVR 2010, 189 (209 ff.); Wagner, NZWehrr 2011, 45 (59 ff.); Werle/ Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S. 567; Wolff, NZWehrr 1996, 9 (15); T. Zimmermann, GA 2010, 507 (509 ff. m. w. N.); so i. E. auch die Rspr.: BGHSt 23, 103 (105 f.); auch bereits OLG Dresden, SJZ 1946, 520 (520 f.); OLG Kiel, SJZ 1947, 323 (325); vgl. ferner auch BT-Drucksache 14/8524, S. 13; kritisch zur oft angeführten und selten begründeten „Selbstverständlichkeit“ der erlaubten Tötung im bewaffneten Konflikt aber insbesondere Eser, in: FS Schöch, S. 461 (insb. 478 ff.), m. w. N. 5  Vgl. dazu Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 111, S.  37 ff.; Jähnke, in: LK-StGB11, § 212 Rn. 16 ff.; Rönnau, in: LK-StGB13, Vor §§ 32 ff. Rn. 302 ff., insb. 302c, jeweils m. w. N. 6  Vgl. nur v. Arnauld, Völkerrecht4, S.  555 f.; Ipsen, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S. 82; Krajewski, Völkerrecht2, S.  248 f. 7  Vgl. etwa Stein/v. Buttlar/Kotzur, Völkerrecht14, S. 465; Werle/Jeßberger, Völker­ strafrecht5, S. 572. 8  Vgl. Geiß/Zimmermann, in: MüKo-StGB3, § 8 VStGB Rn. 127 ff. 9  Die Gründe dazu können vielfältig sein: In Betracht kommen u. a. Wetter- oder Terrainbedingungen, die eine Evakuierung nicht erlauben, fehlende Transportfähigkeit des Verwundeten, feindlicher Beschuss, daneben aber auch Ressourcenknappheit, letztere wohl v. a. im Falle eines (internationalen) Krieges, vgl. dazu auch A. II. 3.



I. Einleitung19

verwundeten Kameraden untätig zu bleiben oder aber sein Leid durch den „Gnadenschuss“ zu beenden – und damit eine Strafverfolgung zu riskieren. Der Bundesgerichtshof hat einmal formuliert, dass die Tötung eines unheilbar kranken und schwer leidenden Tieres „mindestens ein sittliches Gebot“ sei.10 Hingegen unterfällt die Tötung eines schwer leidenden Menschen auch in einer aussichtslosen Situation strafrechtlichen Verboten. Nun ist der Mensch natürlich kein Tier11 – er kann und darf mit einem solchen schon aufgrund seiner unveräußerlichen Würde nicht gleichgesetzt werden –, aber folgt daraus auch ein ausnahmsloses Tötungsverbot in allen Situationen, selbst wenn die Tötung gerade dem Willen des Betroffenen entspricht? Oder ist zumindest in gravierenden Extremfällen auch ein anderes Ergebnis denkbar? Entscheidet sich ein Soldat, seinen verwundeten, schwer leidenden Kameraden zu töten, ist eine solche Handlung fraglos schrecklich. Doch handelt es sich dabei auch um Unrecht, das es mit den Mitteln des Strafrechts zu bekämpfen gilt? Wenn ja – was sind die Folgen für den handelnden Soldaten, wie muss er bestraft werden? Wenn nein – wie lässt sich die Straflosigkeit aktiver Sterbehilfe in einer militärischen Extremsituation begründen, was unterscheidet sie von der ärztlichen Sterbehilfe? Welche Rolle spielt dabei das humanitäre Völkerrecht? Berichte über „Sterbehilfe auf dem Schlachtfeld“ finden sich in der Geschichte kriegerischer Auseinandersetzungen bereits seit dem Altertum.12 Als für alle Beteiligten nur schwer rational fassbare Ausnahmesituation sind die Umstände des Einzelfalls bei solchen Taten im besonderen Maße zu berücksichtigen: Wo es schon keine einfache Antwort auf die Frage nach der ethischen Einordnung des „Gnadenschusses“ geben kann, verbietet sich eine simple, schematische Lösung auch im Strafrecht. Vor dem Hintergrund des wachsenden, auch vermehrt mit Kampfeinsätzen verbundenen, internationalen Engagements der Bundeswehr, ist nicht auszuschließen, dass die Frage der Strafbarkeit eines „Gnadenschusses“ künftig auch deutsche Gerichte beschäftigen wird. Angesichts 59 toter deutscher Soldaten allein in Afghanistan, von denen 35 durch Fremdeinwirkung gefallen sind,13 sowie 123 im Rahmen der dortigen Kampfhandlungen (z. T.

10  BGH

NJW 1982, 1327 (1327 f.). Scheffler, in: Joerden, Der Mensch und seine Behandlung in der Medizin, S. 249 (255). 12  Siehe dazu A. III. 1.; ferner die Aufstellung im Anhang. 13  Stand: 21.10.2019, vgl. BMVg, Todesfälle in der Bundeswehr im Auslandsein­ satz. 11  Vgl.

20

A. Einleitung und Problemdarstellung

Schwer-)Verwundeten,14 gewinnen Fragestellungen wie die hier geäußerte für das deutsche Strafrecht an Bedeutung. Es ist Aufgabe und Anliegen dieser Arbeit, diesen bisher in Deutschland wenig beachteten Themenkomplex15 zu untersuchen und ggf. eine Lösungsmöglichkeit zu präsentieren. Zu diesem Zweck gilt es, nach einem Überblick über den Meinungsstand zur ärztlichen Sterbehilfe, die Praxisrelevanz des „Gnadenschusses“ unter Berücksichtigung historischer Fälle16 zu prüfen, um vor diesem Hintergrund Fallkonstellationen zu bilden, die in Zukunft relevant werden könnten (A. II.). Dabei muss zunächst das anwendbare Recht bestimmt werden: Insbesondere ist die Frage nach dem Verhältnis von StGB und VStGB, sowie nach der Bedeutung des humanitären Völkerrechts für die genannten Fälle, zu stellen (Kapitel B.). Im Anschluss daran werden die maßgeblichen Fallkonstellationen nach deutschem Strafrecht erörtert und es wird der Versuch der Darstellung einer sachgerechten Lösung unternommen (Kapitel C. und D.). Um eine umfassende Behandlung des Themenkomplexes zu gewährleisten, wird abschließend auf weitere Besonderheiten und Problemkreise im Umfeld der „Gnadenschuss“-Fälle eingegangen (Kapitel  E.). Im Exkurs wird auch die (militärische) Triage strafrechtlich untersucht (Kapitel F.). Eine Zusammenfassung der Ergebnisse und ein Fazit erfolgen am Ende dieser Arbeit (Kapitel G.).

II. Sterbehilfe als rechtliches Problem 1. Begrifflichkeiten Bevor eine Untersuchung der oben angerissenen Problematik erfolgen kann, müssen zunächst einige Begriffe definiert und eingeordnet werden. Der Begriff Sterbehilfe ist in Teilen unpräzise und umfasst, in einem üblichen, weiten Verständnis alle Formen der Ermöglichung, Erleichterung, Förderung oder das konkrete zur Ausführung bringen des Sterbens.17 Von ähnlicher Reichweite, dabei aber grundsätzlich begrifflich neutraler, ist „Euthanasie“ (altgr.: „schöner, leichter Tod“18). Zu beachten ist jedoch, dass Euthanasie im deutschen Sprachgebrauch oft mit den nationalsozialisti14  Zahlen

S. 2.

nur für Afghanistan, Stand: 06.03.2018, vgl. BT-Drucksache 19/1084,

15  Für das US-amerikanische (Militär-)Recht vgl. etwa Helixon, Mercy Killings in Combat; für britisches Recht vgl. East, Permission To Die. 16  Vgl. dazu auch die Aufstellung im Anhang. 17  Rosenau, in: LK-StGB12, Vor §§ 211 ff. Rn. 34. 18  Duden, Fremdwörterbuch11, „Euthanasie“, S. 323.



II. Sterbehilfe als rechtliches Problem21

schen Verbrechen gleichgesetzt wird.19 Im Folgenden wird der Terminus daher nicht gebraucht, stattdessen wird als übergeordneter Begriff der weniger belastete Begriff „Sterbehilfe“20 verwendet. Der Begriff „Gnadentod“ wird nach Möglichkeit ebenfalls vermieden, um von vornherein jede Assoziation zum Nationalsozialismus auszuschließen.21 Für die Sterbehilfe im militärischen Bereich existiert, wohl aufgrund der Fixierung der Sterbehilfe-Diskussion auf Fälle im Zusammenhang mit ärztlicher Heilbehandlung, bisher kein im rechtlichen Kontext üblicher Sprachgebrauch.22 Zum Teil wurde und wird die Tötung eines Schwerstverwundeten als „Gnadenschuss“23 bezeichnet.24 Für die Zwecke dieser Arbeit wurde dieser Begriff übernommen. Zuzugestehen ist dabei aber, dass auch diese Bezeichnung nicht völlig unproblematisch ist, sondern euphemistische Tendenzen aufweist.25 Indes existiert in der deutschen Sprache wohl kein zur Beschreibung geeigneter, völlig neutraler Begriff, sodass, aus Klarstellungsgründen, in Abgrenzung zum übergeordneten Begriff „Sterbehilfe“, für die „militärische Variante“ auch der Terminus „Gnadenschuss“ verwendet werden soll. 2. Überblick: Ärztliche Sterbehilfe Während hier die Sterbehilfe im Kontext militärischer Operationen untersucht werden soll, liegt in der Literatur der Schwerpunkt der Diskussion im 19  Anders im Englischen, wo „euthanasia“ ein neutraler und wertungsfreier Begriff ist; vgl. allgemein Rosenau, in: LK-StGB12, Vor §§ 211 ff. Rn. 35. 20  Auch dieser Begriff ist nicht unumstritten, vgl. zu den umstrittenen Terminologien Saliger, KritV 2001, 382 (392 ff.); kritisch zum Begriff „Sterbehilfe“ etwa Beckmann, DRiZ 2005, 252 (254); Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 111, S. 25; T. Fischer, StGB67, Vor §§ 211–217 Rn. 33 ff. 21  „Aktion Gnadentod“ war die Bezeichnung für die sog. „Aktion T4“, d. h. die systematische Ermordung von Menschen mit Behinderungen in Deutschland von 1940 bis 1945; vgl. allgemein zu „Euthanasie“ im Nationalsozialismus etwa Benzenhöfer, Der gute Tod?, S. 97 ff. 22  Im Englischen wird in der Regel von „battlefield/combat mercy killing“ oder „(battlefield) euthanasia“ gesprochen, vgl. nur die Verwendung dieser Begriffe bei Helixon, Mercy Killings in Combat, dort insb. auch S. 6 mit Fn. 13; Neuhaus, The Medical Journal of Australia 2011, 307; Perry, Parameters 44 (4) 2014, 119; Swann, Military Medicine 1987, 545; Deakin, Journal of Military Ethics 2013, 162; Sham, Naval Law Review 2020, 1. 23  Ähnlich frz.: „coup de grâce“. 24  So insbesondere bei Herzberg, ZIS 2016, 440 (441, 447); ders., NJW 1996, 3043 (3047); ders., NJW 1986, 1635 (1640). 25  Als „Gnadenschuss“ wird ferner auch die Tötung verletzter Tiere bezeichnet, in diesem Zusammenhang wird auch vom „Fangschuss“ gesprochen.

22

A. Einleitung und Problemdarstellung

Bereich der ärztlichen Sterbehilfe.26 Die Probleme beim Umgang von Pflegepersonal mit schwerstkranken Patienten an deren Lebensende sind im öffentlichen Bewusstsein präsent und werden regelmäßig auch in der Öffentlichkeit diskutiert. Dabei erfolgt eine Auseinandersetzung mit diesem Problemkreis vor allem in der juristischen und medizinischen Fachliteratur, daneben stellen sich hier aber auch ethische, philosophische und theologische Fragen.27 Ferner findet nicht selten, meist angesichts besonders tragischer Einzelfälle, auch eine Beschäftigung der allgemeinen Bevölkerung mit ärztlicher Sterbehilfe statt. Anders ausgedrückt: Fällt der Begriff „Sterbehilfe“, so werden die allermeisten Menschen – so auch der Verfasser dieser Arbeit –, zunächst an Krankenhäuser, Ärzte und schwerste Krankheit denken. Im Hinblick auf die große Praxisrelevanz der „klassischen“ Fälle im Zusammenhang mit einer ärztlicher Heilbehandlung am Lebensende soll hier zunächst ein Überblick über die verschiedenen Formen der (ärztlichen) Sterbehilfe und ihre Behandlung im deutschen Recht erfolgen.28 Bisher wurde in der Literatur regelmäßig zwischen „aktiver“, „passiver“29 und „indirekter“ Sterbehilfe unterschieden, wobei sich eine eindeutige Abgrenzung schwierig gestaltet und vielfach umstritten ist.30 Zu beachten ist, dass die verschiedenen Termini und die Zuordnung verschiedener Formen der Sterbehilfe unter diese nicht immer einheitlich erfolgt. a) Aktive Sterbehilfe Bei der sog. aktiven Sterbehilfe tötet der Täter, i. d. R. ein Arzt oder ein Angehöriger des Patienten, diesen durch eine lebensbeendende Handlung. Es handelt sich regelmäßig um eine direkt vorsätzliche Lebensverkürzung durch aktives Tun.31 Aktive Sterbehilfe in diesem Sinne soll, jedenfalls grundsätzlich, selbst dann strafbare Tötung sein, wenn der Patient zustimmt.32 Dies wird aus der Existenz des § 216 StGB abgeleitet, wonach die Tötung auf 26  Eine Auflistung der mittlerweile fast unüberschaubaren Literatur zur ärztlichen Sterbehilfe bieten etwa Neumann, in: NK-StGB5, Vor § 211; Schneider, in: MüKoStGB3, Vor § 211. 27  Vgl. Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 111, S. 25; Roxin, in: Roxin/Schroth, Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (84). 28  Im Einzelnen sind fast alle Aspekte der ärztlichen Sterbehilfe umstritten. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit den im Einzelnen vertretenen Meinungen kann an dieser Stelle nicht erfolgen. 29  Jedenfalls der Begriff der „passiven Sterbehilfe“ dürfte seit BGHSt 55, 191 überholt sein, vgl. dazu im Folgenden unter A. II. 2. c). 30  T. Fischer, StGB67, Vor §§ 211–217 Rn. 33; zur Kritik an dieser Dreiteilung m. w. N. ebd., Rn.  34 ff. 31  Vgl. etwa Schneider, in: MüKo-StGB3, Vor § 211 Rn. 100. 32  Statt vieler Eser/Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 211 ff. Rn. 25.



II. Sterbehilfe als rechtliches Problem23

Verlangen – wenn auch vergleichsweise milde – bestraft wird.33 Demnach soll selbst bei schwersten Qualen die (direkt) vorsätzliche Tötung auf Verlangen strafbar sein.34 Das Verbot aktiver Sterbehilfe ist zum Teil erheblicher Kritik ausgesetzt. Während verschiedene Autoren sich für eine Neuregelung de lege ferenda aussprechen, wird z. T. auch über eine Möglichkeit der Rechtfertigung oder Entschuldigung de lege lata diskutiert.35 Tatsächlich ist es, auch im Hinblick auf die neuere BGH-Rechtsprechung36, bereits fraglich, ob ein oft behauptete solches „absolutes“ Verbot aktiver Sterbehilfe überhaupt besteht,37 werden doch verschiedene Einschränkungen gemacht.38 Eine vertiefte Auseinandersetzung mit den dazu vertretenen Einzelmeinungen und die Möglichkeit der Übertragung dieser auf Fälle im militärischen Kontext erfolgt in den Kapiteln C. und D. Dem soll an dieser Stelle nicht vorgegriffen werden. b) Indirekte Sterbehilfe Eine Einschränkung des Verbots der aktiven Sterbehilfe gilt für die sog. indirekte Sterbehilfe, bei der es sich tatsächlich um einen Unterfall der aktiven Sterbehilfe handelt.39 Bei der indirekten Sterbehilfe40 verabreicht der Handelnde (i. d. R. ein Arzt) dem Patienten ein Mittel, um dessen Leid zu lindern, obwohl damit eine Lebensverkürzung einhergeht, die der Arzt sicher voraussieht oder, obwohl ihm unerwünscht, als unvermeidbare Nebenfolge der Leidensminderung zumindest billigend in Kauf nimmt.41 In Abgrenzung dazu soll eine verbotene aktive Sterbehilfe erst dann vorliegen, wenn der Handelnde absichtlich den Tod herbeiführt.42 in: Roxin/Schroth, Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (104). in: Roxin/Schroth, Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (111). 35  Vgl. zu den verschiedenen Vorschlägen auch Kapitel C. 36  Vgl. hier insb. BGHSt 55, 191. 37  Dazu sogleich. 38  Vgl. Roxin, in: Roxin/Schroth, Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (104). 39  Vgl. Roxin, in: Roxin/Schroth, Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (104); Rosenau, in: LK-StGB12, Vor § 211 ff. Rn. 43. 40  Kritisch zum Begriff „indirekt“ etwa T. Fischer, StGB67, Vor §§ 211–217 Rn. 56. 41  Vgl. BGHSt 42, 301 (305); Eser/Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§  211 ff. Rn. 26a; T. Fischer, StGB67, Vor §§ 211–217 Rn. 56; Kühl, in: Lackner/Kühl29, Vor § 211 Rn. 7; Schneider, in: MüKo-StGB3, Vor § 211 Rn. 102; Wessels/Hettinger/Engländer, BT 143, S. 57; zur Frage der Vorsatzform vgl. auch Roxin, in: Roxin/Schroth, Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (90 f.); für eine Begrenzung auf dolus eventualis Schöch, NStZ 1997, 409 (411). 42  Statt vieler Rosenau, in: LK-StGB12, Vor § 211 ff. Rn. 42. 33  Roxin,

34  Roxin,

24

A. Einleitung und Problemdarstellung

Die Rechtsprechung hält indirekte Sterbehilfe in dieser Form im Ergebnis für zulässig. Der BGH führt aus, dass eine gebotene Schmerzbehandlung bei einem Sterbenden nicht dadurch unzulässig wird, dass als Nebenfolge eine Lebensverkürzung billigend in Kauf genommen wird.43 Das Handeln des Arztes könne hier jedenfalls nach § 34 StGB gerechtfertigt sein, schließlich sei „die Ermöglichung eines Todes in Würde und Schmerzfreiheit gemäß dem erklärten oder mutmaßlichen Patientenwillen […] ein höherwertiges Rechtsgut als die Aussicht, unter schwersten, insbesondere sog. Vernichtungsschmerzen noch kurze Zeit länger leben zu müssen.“44 Auch in einem weiteren Urteil stützt der BGH die Straflosigkeit der indirekten Sterbehilfe auf den rechtfertigenden Notstand und betont abermals, dass dies nur gelten kann, wenn die Tötung dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Sterbenden entspricht.45 In einer späteren Entscheidung hält der BGH die Rechtfertigung einer medizinisch indizierten Schmerzbehandlung unter Inkaufnahme einer Lebensverkürzung sogar unmittelbar durch die rechtfertigende Einwilligung für möglich.46 Auch in der Literatur besteht weitestgehend Einigkeit über die Straflosigkeit der indirekten Sterbehilfe, wobei sich die Begründungen z. T. erheblich unterscheiden.47 Während einige bereits die Erfüllung eines Tötungstatbestandes verneinen, wird eine Lösung oft auch auf der Rechtfertigungsebene verortet, i. d. R. bei der (mutmaßlichen) Einwilligung oder beim rechtfertigenden Notstand.48 Unabhängig vom Begründungsweg bietet eine Ungleichbehandlung von Fällen der absichtlichen Tötung (= grundsätzlich strafbare aktive Sterbehilfe) und der schwächeren Vorsatzformen (= i. E. straflose indirekte Sterbehilfe) Anlass für Kritik: Eine Unterscheidung zur verbotenen aktiven Sterbehilfe liegt nur in der Vorsatzform; die Grenze zum strafbaren Verhalten ist „hauch­ dünn“.49 Eine vergleichbare Konstruktion findet sich im übrigen Strafrecht

43  Vgl.

BGHSt 42, 301 (305). 42, 301 (305), unter Bezugnahme auf Kutzer, NStZ 1994, 110 (115) und ders., in: FS Salger S. 663 (672). 45  BGHSt 46, 279 (284 f.). 46  BGHSt 55, 191 (204 Rn. 34). 47  Eser/Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 211 ff. Rn. 26; Kindhäuser/ Schramm, BT I9, S.  65 f. m. w. N. 48  Mit einem Überblick über die Vielzahl an vertretenen Ansätzen und m. w. N. Eser/Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 211 ff. Rn. 26; T. Fischer, StGB67, Vor §§ 211–217 Rn. 57; Rosenau, in: LK-StGB12, Vor §§  211 ff. Rn.  44 ff. 49  Schreiber, NStZ 2006, 473 (474 f.), ders., NStZ 1986, 337 (341); Scheffler, in: Joerden/Neumann, Medizinethik 2, S. 45 (51 f.); Hanack, in: Hiersche, Euthanasie, S. 121 (147); auch Rosenau, in: LK-StGB12, Vor §§ 211 ff. Rn. 36. 44  BGHSt



II. Sterbehilfe als rechtliches Problem25

nicht.50 Zu berücksichtigen ist ferner, dass beim heutigen Stand der Schmerztherapie moderne Schmerzmittel nur in sehr seltenen Fällen den Todeseintritt beschleunigen werden, sodass die praktische Bedeutung der indirekten Sterbehilfe heutzutage eher gering ist.51 Von dieser zu trennen ist die unproblematische, straflose Schmerzlinderung ohne eine damit verbundene Lebensverkürzung (auch: „Hilfe im Sterben“), die mit ausdrücklicher oder mutmaßlicher Einwilligung des Patienten erfolgt.52 Sie ist in der Regel geboten, der sie dem leidenden Patienten vorenthaltende Arzt macht sich u. U. sogar wegen eines Unterlassungsdelikts strafbar.53 c) Sterbehilfe durch „Behandlungsabbruch“ Von besonderer Bedeutung in der ärztlichen Praxis ist die Sterbehilfe in Form des „Sterbenlassens“ des Patienten, d. h. ein Verzicht auf die Aufnahme bzw. Fortführung einer lebensverlängernden Behandlung (früher als „passive Sterbehilfe“54 bezeichnet).55 Dabei ist auch der Abbruch einer bereits begonnenen, lebenserhaltenden Maßnahme durch aktives Tun denkbar: Während in den ersten Varianten grundsätzlich eine Unterlassungsstrafbarkeit des (nicht länger) behandelnden Arztes, als Garant für seinen Patienten, in Betracht kommt,56 steht beim tätigen Abbruch einer lebenserhaltenden Maßnahme auch eine Strafbarkeit wegen eines aktiven Begehungsdeliktes im Raum – schließlich stellt sich das Abschalten eines lebenserhaltenden Geräts i. d. R. als ein Tun dar.57 50  R. Merkel,

in: Hegselmann/Merkel, Zur Debatte über Euthanasie, S. 71 (94). in: S/S-StGB30, Vor §§ 211 ff. Rn. 26; Kutzer, in: FS Salger, S. 663 (671); Roxin, in: Roxin/Schroth, Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (90); Schöch, NStZ 1997, 409 (410 f.); Beckmann, DRiZ 2005, 252 (234); Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht7, S. 638. 52  Eser/Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 211 ff. Rn. 23; Roxin, in: Roxin/ Schroth, Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (85); Wessels/Hettinger/Engländer, BT 143, S. 55. 53  Eser/Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 211 ff. Rn. 23; Roxin, in: Roxin/ Schroth, Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (86). 54  Zur Überholtheit dieses Begriffs seit BGHSt 55, 191 vgl. nur T. Fischer, StGB67, Vor §§ 211–217Rn. 61 ff.; Rosenau, in: LK-StGB12, Vor § 211 ff. Rn. 51, 53. 55  Vgl. etwa Eser/Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 211 ff. Rn. 27; Schneider, in: MüKo-StGB3, Vor § 211 Rn. 101. 56  Vgl. nur Eser/Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 211 ff. Rn. 27; Schneider, in: MüKo-StGB3, Vor § 211 Rn. 101. 57  BGHSt 55, 191 (202 Rn. 30): „erlebte […] Wirklichkeit […] eines tatsächlich aktiven Verhaltens“; vgl. auch etwa Schneider, in: MüKo-StGB3, Vor § 211 Rn. 114; Sinn, in: SK-StGB9, § 212 Rn. 27, 50. 51  Eser/Sternberg-Lieben,

26

A. Einleitung und Problemdarstellung

Nach der Grundsatzentscheidung des BGH58 aus dem Jahr 2010 können beide Formen als sog. „Behandlungsabbruch“ über das Rechtsinstitut der Einwilligung gerechtfertigt sein.59 Der „normativ-wertende Oberbegriff“ „Behandlungsabbruch“ umfasst Sterbehilfe durch Unterlassen, Begrenzen oder Beenden einer lebensverlängernden medizinischen Behandlung.60 Unterlassen und aktives Tun werden insoweit gleichgestellt.61 Zwingende Voraussetzung für eine Rechtfertigung ist aber in jedem Fall, dass der „Behandlungsabbruch“ dem (tatsächlichen oder mutmaßlichen) Patientenwillen entspricht und dem natürlichen Krankheitsprozess sein Lauf gelassen wird.62 Hingegen bleiben gezielte Eingriffe in das Leben eines Menschen, die nicht in einem Zusammenhang mit dem Abbruch einer ärztlichen Heilbehandlung stehen, einer Rechtfertigung durch Einwilligung weiterhin nicht zugänglich.63 Mit der Zulassung der rechtfertigenden Einwilligung beim „Behandlungsabbruch“ nimmt der BGH in der Sache wohl eine Normreduktion des § 216 StGB vor, um eine Einwilligung zu ermöglichen,64 wenngleich dies im Urteil nicht so bezeichnet wird.65 Der z. T. geäußerten Kritik66 zum Trotz ist die Entscheidung des BGH zu begrüßen, da sie die Zulässigkeit des Verzichts auf die (Weiter-)Behandlung bzw. deren Beendigung nicht vom wenig zweckmäßigen Kriterium des Erscheinungsbildes der Sterbehilfehandlung als Tun bzw. Unterlassen abhängig macht,67 sondern, davon unabhängig, praxisnah eine Vielzahl von Sterbehilfe-Konstellationen erfasst. 58  BGHSt

55, 191. 55, 191 (202 ff. Rn. 33 f.). 60  BGHSt 55, 191 (202 ff.). 61  BGHSt 55, 191 (202 ff.). 62  BGHSt 55, 191 (191 1. Ls., 202 ff. Rn. 31, 33, 35). 63  BGHSt 55, 191 (202 ff. Rn. 33). 64  Gaede, NJW 2010, 2925, 2927; Knauer/Brose, in: Spickhoff, Medizinrecht3, § 216 StGB Rn. 6; Kutzer, ZRP 2012, 135 (139); vgl. auch Walter, ZIS 2011, 76 (81); ferner Stiller, Sterbehilfe und assistierter Suizid, S. 212; Eidam, GA 2011, 232 (241) spricht von einem „Dispens“; so auch Eschelbach, in: BeckOK StGB48, § 216 Rn. 4.2; z. T. wird insoweit auch darauf verwiesen, dass die rechtliche Zulässigkeit des „Behandlungsabruchs“ nur die Kehrseite des Selbstbestimmungsrechts des Patienten darstelle, vgl. nur Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht8, Kap. VI Rn. 108 m. w. N. 65  BGHSt 55, 191, 205 Rn. 37: „Die tatbestandlichen Grenzen des § 216 StGB bleiben hierdurch unberührt“; vgl. dazu auch Gaede, NJW 2010, 2925, 2927. 66  So z. B. Walter, ZIS 2011, 76 (78 f.), der den „Behandlungsabbruch“ als einen im StGB unbekannten Begriff kritisiert; ähnlich Kubiciel, ZJS 2010, 656 (660); kritisch zu den Implikationen des Begriffs Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht8, Kap. VI Rn. 104; Verrel, NStZ 2010, 671 (673); ferner auch Kahlo, in: FS Frisch, S. 711 (731), der einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG sieht. 67  Insbesondere die früher zum Teil vertretene Konstruktion eines „Unterlassen durch aktives Tun“ aufgrund des sozialen Sinngehalts der die Therapie abbrechende 59  BGHSt



II. Sterbehilfe als rechtliches Problem27

Maßgeblich für die Zulässigkeit ist nach der Grundsatzentscheidung der Wille des Patienten im Hinblick auf den Abbruch der Behandlung.68 Ist er nicht einwilligungsfähig, so entscheidet sein mutmaßlicher Wille.69 Mit Recht rückt der BGH hier das Selbstbestimmungsrecht des Patienten in den Mittelpunkt.70 Denn die (mutmaßliche) Einwilligung des Patienten markiert zwar einerseits den Grund, andererseits aber auch die Grenzen einer zulässigen ärztlichen Behandlung.71 Der Patient hat, in Ausübung seines Selbstbestimmungsrechts, einen Anspruch darauf, dass keine ihm unerwünschten Eingriffe in seine körperliche Integrität (mehr) erfolgen.72 Rechtfertigungsbedürftig ist damit bereits jede Einleitung einer ärztlichen Behandlung bzw. deren Fortführung.73 Verweigert der Patient die Einwilligung, kommt bei eigenmächtiger (Weiter-)Behandlung eine Strafbarkeit des Arztes aus §§ 223 ff. StGB in Betracht.74 Daran vermag auch die Todesnähe eines Sterbenden oder die lebenserhaltende bzw. ‑verlängernde Funktion der beabsichtigten BeHandlung als Unterlassen der Weiterbehandlung ist dogmatisch zweifelhaft. So aber insbesondere noch BGHSt 40, 257 (265 f.); in diesem Sinne u. a. auch Engisch, in: FS Dreher, S. 309 (325 ff.); Geilen, in: FS Heinitz, S. 373 (383 Fn. 22); ders., FamRZ 1968, 121 (126 Fn. 35); Jäger, ZStW 2003, 765 (769); Kühl, Jura 2009, 881 (886); Küper, JuS 1971, 474 (476); Roxin, in: FS Engisch, S. 380 (396 ff.); ders., NStZ 1987, 345 (349); auch Stree/Bosch, in: S/S-StGB30, Vor §§  13 ff. Rn.  160 m. w. N.; Tröndle, ZStW 1987, 25 (31). Kritisch dazu etwa BGH, NStZ 2010, 630 (631 Rn. 30): „Kunstgriff“; auch Brammsen, NStZ 2000, 337 (341); T. Fischer, StGB67, Vor §§ 211–217Rn. 34 f.,  60; Eser, JZ 1986, 786 (793): „[dogmatische] Höchstleistungen mit buchstäblich Orwell’schen Visionen“;·Gropp, in: GS Schlüchter, S. 173 (184); Hirsch, in FS Lackner, S. 597 (605); Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht8, Kap. VI Rn. 100; Rosenau, in: FS Rissing-van Saan, S. 547 (554 ff.); ders., in: FS Roxin (2011), S. 577 (579 f.); Samson, in: FS Welzel, S. 579 (601 f.); Verrel, NStZ 2010, 671 (672); Wessels/Hettinger/Engländer, BT 143, S.  59 f.; m. w. N. auch Otto, Gutachten 56. DJT, S. D43 ff., vgl. dort insb. auch S. D46; ders., ZfL 2002, 42 (44). 68  BGHSt 55, 191 (204 ff.); vgl. dazu auch Klesczewski, BT, S.  111 f. 69  Vgl. BGHSt 55, 191 (191 1. Ls.). 70  Neumann, in: NK-StGB5, Vor § 211 Rn. 128; auch Engländer, JZ 2011, 513 (516 f.). 71  Schneider, in: MüKo-StGB3, Vor § 211 Rn. 115 m. w. N.; zust. Eser/SternbergLieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 211 ff. Rn. 28a. 72  Engländer, JZ 2011, 513 (517); vgl. auch T. Fischer, StGB67, Vor §§ 211– 217Rn.  40 ff. 73  Vgl. nur R. Merkel, ZStW 1995, 545 (559 ff.); zust. Otto, Jura 1999, 434 (436); auch Hufen, NJW 2001, 849 (853); ferner T. Fischer, StGB67, Vor §§ 211–217Rn. 40 ff.; Neumann, in: NK-StGB5, Vor § 211 Rn. 107; Knauer/Brose, in: Spickhoff, Medizinrecht3, § 216 StGB Rn. 13; Schneider, in: MüKo-StGB3, Vor § 211 Rn. 115, jeweils m. w. N. 74  Vgl. Eser/Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 211 ff. Rn. 28a; Neumann, in: NK-StGB5, Vor § 211 Rn. 108.

28

A. Einleitung und Problemdarstellung

handlung nichts zu ändern.75 Maßnahmen zur Verlängerung des Lebens sind kein Selbstzweck und nicht bloß deshalb zu erbringen, weil sie technisch möglich wären.76 Über das vom Patienten gewollte Maß hinaus ist kein Arzt verpflichtet, einen Kranken um jeden Preis und in jeder denkbaren Situation am Leben zu erhalten.77 Hierzu wäre er auch nicht berechtigt, wenn die lebenserhaltende Behandlung nicht (mehr) dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht.78 Eine etwaige Behandlungspflicht setzt also ein an die Einwilligung des Patienten geknüpftes Recht zur Behandlung vo­ raus.79 Besteht ein solches Recht nicht, so handelt der die Behandlung nicht aufnehmende bzw. sie abbrechende Arzt nach den zuvor dargestellten Grundsätzen der Rechtsprechung gerechtfertigt, unabhängig davon, ob sich die Nicht(weiter)behandlung nach ihrem tatsächlichen, „naturalistischen“ Erscheinungsbild als Tun oder Unterlassen darstellt. Anzumerken ist, dass mit dieser Rechtsprechung das immer wieder angeführte „absolute“ Verbot direkter, aktiver Sterbehilfe letztlich gar nicht (mehr) existiert: Unter gewissen Umständen hält der BGH hier, wie im Übrigen auch bei der indirekten Sterbehilfe,80 die rechtfertigende Einwilligung in eine aktive Tötung für zulässig.81 Soweit eine aktive Handlung nach den genannten Kriterien des BGH einen „Behandlungsabbruch“ darstellt, ist sie durch die Einwilligung des Patienten gerechtfertigt.82 Der maßgebliche Unterschied zu anderen Fällen der aktiven Sterbehilfe liegt beim durch aktives Tun vorgenommenen „Behandlungsabbruch“ aber darin, dass der Tod des Patienten stets auf dem zuvor künstlich unterbrochenen natürlichen Krankheitsprozess beruhen muss.83 Vorsätzlich lebensbeendende Handlungen, die außerhalb dieses Behandlungszusammenhangs vorgenommen werden, sind 75  Neumann, in: NK-StGB5, Vor § 211 Rn. 107; Schneider, in: MüKo-StGB3, Vor § 211 Rn. 115; Sinn, in: SK-StGB9, § 212 Rn. 51, jew. m. w. N.; vgl. auch T. Fischer, StGB67, Vor §§ 211–217 Rn. 42. 76  BGHSt 32, 367 (379 f.). 77  Vgl. BGHSt 32, 367 (379); BGHSt 37, 376 (378); T. Fischer, StGB67, Vor §§ 211–217Rn. 39; Schneider, in: MüKo-StGB3, Vor § 211 Rn. 119; Lipp, in: Laufs/ Katzenmeier/Lipp, Arztrecht8, Kap. VI Rn. 100. 78  Vgl. BGHSt 37, 376 (378); Momsen, in: S/S/W-StGB5, Vorbem. §§  211 ff. Rn. 31; Schneider, in: MüKo-StGB3, Vor § 211 Rn. 119. 79  Neumann, in: NK-StGB5, Vor § 211 Rn. 107. 80  Vgl. dazu schon oben unter A. II. 2. b). Nach BGHSt 55, 191 (204 Rn. 34) soll auch bei Inkaufnahme einer Lebensverkürzung bei einer medizinisch indizierten Schmerzbehandlung eine Rechtfertigung unmittelbar durch die Einwilligung in Betracht kommen. 81  Gaede, NJW 2010, 2925 (2927). 82  In BGHSt 55, 191 war die Tötungshandlung das Durchtrennen des Schlauchs einer Magensonde, also unzweifelhaft ein aktives Tun. 83  Vgl. BGHSt 55, 191 (191, 204 f.).



II. Sterbehilfe als rechtliches Problem29

einer Rechtfertigung durch Einwilligung von vornherein nicht zugänglich.84 Auch wertungsmäßig unterscheidet sich beispielsweise das aktive Abschalten eines lebenserhaltenden medizinischen Geräts, genau wie die Verabreichung hochdosierter, in der Nebenfolge ggf. lebensverkürzend wirkender, Schmerzmittel, von einer unmittelbar tödlichen Injektion85 – und erst recht von einem tödlichen Schuss. d) Mitwirkung am Suizid Abzugrenzen von der Sterbehilfe in den oben genannten Varianten ist die straflose Teilnahme an einem fremden Suizid. Mangels Rechtswidrigkeit der Haupttat kommt eine strafbare Beihilfe zum Suizid dann nicht in Betracht.86 Beispielsweise bleibt ein Arzt, der seinem Patienten ein tödliches Gift zur Verfügung stellt, straflos. Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen straf­ loser Teilnahme und strafbarer Tötung ist, dass der Patient selbst „das zum Tode führende Geschehen tatsächlich beherrscht hat“87 und eine freiverantwortliche Willensentscheidung trifft.88 3. Abgrenzung zwischen ärztlicher und „militärischer“ Sterbehilfe Bisher ist in der modernen deutschen Strafrechtsforschung, soweit ersichtlich, keine vertiefte Auseinandersetzung mit Sterbehilfe im militärischen Kontext erfolgt.89 Angeführt und z. T. auch diskutiert wurden solche Fälle hingegen in der strafrechtlichen Literatur des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts: Hier diente der „Gnadenschuss“ teilweise sogar als „typischer“ Bei84  BGHSt

55, 191 (204). auch Verrel, NStZ 2010, 671 (673): „Die […] Verabreichung einer Giftspritze kann schlechterdings nicht als medizinische Behandlung angesehen werden“. 86  Neumann, in: NK-StGB5, Vor § 211 Rn. 47. 87  BGH NJW 1965, 699 (701). 88  Klesczewski, BT, S. 117. 89  Anders im englischsprachigen Raum: vgl. zum US-amerikanischen Militärrecht insb. Helixon, Mercy Killings in Combat; vor ähnlichem Hintergrund, mit Schwerpunkt auf Fragen des Völkerrechts, Sham, Naval Law Review 2020, 1; für Großbritannien mit Ausführungen zu ethischen und moralischen Fragen East, Permission To Die; ferner zu ethischen und philosophischen Problemen auch Bradley, Canadian Military Journal 11 (1) 2010, 7; Caron, Journal of Military Ethics 2014, 228; Cunningham, Parameters 45 (1) 2015, 133; Deakin, Journal of Military Ethics 2013, 162; M. Gross, Bioethics and Armed Conflict, S. 125 ff.; Perry, Parameters 44 (4) 2014– 15, 119; aus medizinischer Sicht Beam, in: Beam/Sparacino, Military Medical Ethics Vol. 2, S. 369 (384 ff.); Neuhaus, The Medical Journal of Australia 2011, 307; Swann, Military Medicine 1987, 545. 85  Vgl.

30

A. Einleitung und Problemdarstellung

spielfall für eine Tötung auf Verlangen.90 Heute beherrscht die ärztliche Sterbehilfe die Diskussion. Sofern „Gnadenschuss“-Fälle in der neueren Literatur überhaupt angesprochen werden, erfolgt dies nur am Rande von Untersuchungen, die rechtliche Probleme in Zusammenhang mit einer ärztlichen Heilbehandlung zum Gegenstand haben.91 Noch am ähnlichsten zu denkbaren Konstellationen beim Militär ist der mehrfach als Beispiel für einen Extremfall aktiver Sterbehilfe angeführte „LKW-Fall“.92 In der Sache geht es dabei um einen LKW-Fahrer, der bei einem Unfall in seinem brennenden Fahrzeug eingeklemmt wird und qualvoll verbrennt. Ein bewaffneter Ersthelfer erschießt ihn in Ermangelung einer Rettungsmöglichkeit.93 Häufiger werden Fälle jenseits der ärztlichen Sterbehilfe überhaupt nicht untersucht, zum Teil wird insofern auch die praktische Relevanz bezweifelt.94 90  So etwa bei Blass, Die Tötung des Verlangenden, S. 20, 58, 61 f. m. w. N., der die Strafbarkeit der Tötung auf Verlangen kritisch sieht und eine solche Tat i. E. wohl nicht für rechtswidrig hält; vgl. exemplarisch für die ältere Literatur ferner Abegg, Archiv des Criminalrechts 1840, 434 (438); Berner, Lehrbuch17, S. 96; Beseler, Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, S. 348 f.; J. Gross, Criminalgesetzbuch Sachsen, S. 137; v. Holtzendorff, Handbuch des deutschen Strafrechts, Bd. 3, S. 445; Mittermaier, Archiv für Preußisches Strafrecht 1861, 433 (438); Sauer, Grundlagen des Strafrechts, S. 338; Spinner, Ärztliches Recht, S. 260  f.; Lieske, Fortschritte der Medizin 1917/18, 126 ff.; Wieman, Tötung auf Verlangen, S. 22; Guderian, Die Beihülfe zum Selbstmord, S. 54, 65; vergleichsweise ausführlich, mit mehreren, wenn auch eher anekdotischen und glorifizierten Beispielen Hilschenz, Die Sterbehilfe, S. 3 f., 23 ff.; allgemein zur Verwendung ähnlicher Fallkon­ stellationen in der Literatur des frühen 20. Jahrhunderts im Rahmen der juristischen „Euthanasie-Diskussion“ vgl. C. Merkel, „Tod den Idioten“, S. 82, m. w. N. in Fn. 667 sowie auf S. 305 ff. 91  Erwähnt in der neueren Literatur wird der „Gnadenschuss“ im militärischen Kontext i. d. R. nur schlagwortartig am Rande der Sterbehilfe-Diskussion, dabei am ausführlichsten bei Herzberg, ZIS 2016, 440 (441, 447); ders., NJW 1996, 3043 (3047); ders., NJW 1986, 1635 (1640); ferner jeweils am Rande bei Chatzikostas, Disponibilität, S. 63, 327; Rissing-van Saan, in: LK-StGB12, § 216 Rn. 7; Landau, ZRP 2005, 50 (54); Scheffler, in: Joerden/Neumann, Medizinethik 2, S. 45 (46); ders., in: Joerden, Der Mensch und seine Behandlung in der Medizin, S. 249 (261); Safferling, in: M/R-StGB2, § 212 Rn. 38 Fn. 152; vgl. auch Braun, Die Strafbarkeit des Überlebenden, S. 26; Brändel, ZRP 1985, 85 (88); Kubiciel, Die Wissenschaft vom Besonderen Teil, S. 226; ferner auch die Begründung des AE-Sterbehilfe, vgl. Baumann u. a., AE-Sterbehilfe, S. 35; nur angedeutet bei Hoerster, Sterbehilfe im säkularen Staat, S. 183; Schork, Ärztliche Sterbehilfe, S. 246. 92  Vgl. nur R. Merkel, JZ 1996, 1145 (1150). Ausführlicher zum „LKW-Fall“ unter E. IV. 2. a). 93  Vgl. R. Merkel, JZ 1996, 1145 (1150). 94  Vgl. etwa Roxin, in: Roxin/Schroth, Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (118).



II. Sterbehilfe als rechtliches Problem31

Eine Befassung der Rechtsprechung mit Fragen der Sterbehilfe im militärischen Kontext ist, soweit ersichtlich, bisher nicht erfolgt. Unabhängig von Fragen der rechtlichen Wertung stellt sich die Situation für einen Soldaten im Einsatz völlig anders dar, als für ziviles ärztliches Pflegepersonal am Krankenbett eines Sterbenden.95 Wenngleich das Grundproblem der (aktiven) Sterbehilfe das gleiche ist, weichen die Umstände und Einflüsse, denen Soldaten ausgesetzt sind, erheblich ab.96 Dasselbe gilt grundsätzlich auch für den Sanitätsoffizier, der durch seine Stellung als Arzt und Soldat insoweit eine besondere Rolle einnimmt und im Einsatz mit den jeweils daraus erwachsenden, ggf. gegenläufigen, Aufgaben und Pflichten konfrontiert wird. Hingegen stehen dem (zivilen) Arzt, der mit einem unheilbar kranken, sterbenden Patienten konfrontiert wird, üblicherweise ganz andere Mittel und Möglichkeiten zur Verfügung, um mit der Situation umzugehen: Zunächst besteht für ihn kein besonderer Zeitdruck um eine Entscheidung für oder wider der Sterbehilfe zu treffen.97 Die medizinischen Hintergründe können in der Regel geklärt und mit Kollegen erörtert werden,98 insbesondere im Hinblick auf alternative Behandlungsmethoden und die weitere Vorgehensweise generell. Ferner kann auch der Wille des Patienten wesentlich genauer und umfassender erforscht werden, als dies in der Situation des „Gnadenschusses“ regelmäßig möglich sein wird.99 Zu beachten ist auch, dass hier die Alternativen „Sterbehilfe“ und „Schmerz“ nur schwer denkbar sind: Der zivile Arzt kann und wird auf alle Mittel der modernen Medizin zurückgreifen, um Schmerzzustände zu kon­ trollieren, selbst dann, wenn durch die Verabreichung der Sterbevorgang unvermeidbar beschleunigt wird (indirekte Sterbehilfe). Im Hinblick auf eine „tödliche Verletzung“ ist ferner auch zu beachten, dass es keine übergreifende Definition einer solchen geben kann: Was mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit „tödlich“ ist, wird immer auch von den konkreten Umständen abhängen, insbesondere von den zur Verfügung stehenden medizinischen Ressourcen und der Kompetenz der behandelnden Ärzte. Hier ist der Arzt im Krankenhaus freilich nicht auf sich gestellt: Je95  Wie hier East, Permission To Die, S. 10, 15, 42, 68, 80; Neuhaus, The Medical Journal of Australia 2011, 307 (307). 96  East, Permission To Die, S. 10. 97  Deakin, Journal of Military Ethics 2013, 162 (172); Swann, Military Medicine 1987, 545 (546). Etwas anderes gilt in der Regel beim militärischen „Gnadenschuss“, vgl. auch East, Permission To Die, S. 71 f. 98  Deakin, Journal of Military Ethics 2013, 162 (172); Swann, Military Medicine 1987, 545 (546). 99  Beam, in: Beam/Sparacino, Military Medical Ethics Vol. 2, S. 269 (393).

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A. Einleitung und Problemdarstellung

denfalls grundsätzlich kann er über sämtliche Möglichkeiten der modernen Medizin verfügen. Dieses Bild ändert sich dramatisch, wenn die Möglichkeit der medizinischen Versorgung nicht mehr den gewohnten Standards entspricht. Noch erheblich weiter wird das Feld „tödlicher Verletzungen“, wenn eine kurzfristige ärztliche Versorgung nicht in adäquater Weise oder überhaupt nicht zu erlangen ist. Bei der Sterbehilfe im militärischen Kontext ist also entscheidend, dass sie gerade „auf dem Schlachtfeld“ geleistet wird.100 Diese Tatsache ist im Folgenden stets zu berücksichtigen – schließlich kann eine Untersuchung des „Gnadenschusses“ nicht erfolgen, ohne die Situation zu betrachten, in der solche Fälle stattfinden.101 Unter widrigsten Umständen muss der Soldat im Einsatz seinem schwer verwundeten Kameraden Hilfe leisten. Die Situation ist oft unübersichtlich, wechselhaft und chaotisch,102 ggf. besteht Feindkontakt, der Helfer befindet sich oft selbst in Lebensgefahr und in einem körperlichen und geistigen Ausnahmezustand.103 Er handelt unter Zeitdruck und kann seine Aufmerksamkeit nicht allein auf den Verwundeten beschränken, sondern hat daneben noch seinen militärischen Auftrag zu erfüllen. So wird er unvermittelt mit einer Situation konfrontiert, für die er so kaum ausgebildet wurde, die ihn überfordert und dennoch zwingt, eine sofortige Entscheidung zu treffen.104 Oft wird darüber hinaus auch eine persönliche Beziehung zu dem verwundeten Kameraden bestehen. Wer hier die Entscheidung trifft, einen „Gnadenschuss“ zu erteilen, trifft sie auf Grundlage einer Ausnahme­ situation unter Einfluss einer Vielzahl von Faktoren, die im zivilen Leben (so) kaum einmal vorliegen werden. Denkbar ist auch, dass sich ein militärischer Vorgesetzter mit der Entscheidung, Sterbehilfe zu leisten, konfrontiert sieht. Er trägt die Verantwortung für eine Vielzahl von Soldaten; von ihm werden letztverbindliche Entscheidungen erwartet. Sofern der Soldat über eine besondere medizinische Ausbildung verfügt, sei es als Sanitäter oder als Arzt, wird oft er derjenige sein, der unmittelbar mit der Situation konfrontiert wird. Seine Mittel, auch zur Schmerzversorgung, sind häufig begrenzt.105 Gegebenenfalls muss er eine große Anzahl 100  Deakin,

Journal of Military Ethics 2013, 162 (172). Permission To Die, S. 15. 102  Beam, in: Beam/Sparacino, Military Medical Ethics Vol. 2, S. 369 (394). 103  Deakin, Journal of Military Ethics 2013, 162 (172). 104  East, Permission To Die, S. 80; vgl. auch Beam, in: Beam/Sparacino, Military Medical Ethics Vol. 2, S. 369 (393 f.). 105  Deakin, Journal of Military Ethics 2013, 162 (172). 101  East,



III. Sterbehilfe im militärischen Kontext33

Verwundeter unter Bedingungen versorgen, die mit denen in einem (deutschen) Krankenhaus wenig gemein haben.106 Unter diesen Umständen sind seine Handlungsalternativen erheblich eingeschränkt: Im Extremfall bleibt auch ihm nur die menschlich schwer erträgliche Wahl, entweder seinen verwundeten Kameraden zu töten, um ihm weitere Qualen zu ersparen, oder aber überhaupt nicht zu handeln. Wenngleich jeder „Gnadenschuss“-Fall individuelle Umstände und Einflussfaktoren aufweisen wird, so kann doch festgehalten werden, dass sich die „Sterbehilfe-Situation“ in militärischen Extremsituationen ganz erheblich von den üblicherweise diskutierten Fallvarianten im Krankenhaus unterscheiden muss.107 Insbesondere der Mangel an Zeit und medizinischen Ressourcen ist bei letzterer entscheidend.108 In Extremfällen werden hier Handlungen in Betracht kommen, die im Kontext medizinischer Heilbehandlung (jedenfalls in dieser Form) undenkbar wären. Denn „die Rechtfertigung eines Gnadenschusses mag auf dem Schlachtfeld in äußerster Not nicht auszuschließen sein, im Krankenzimmer kommt sie nicht in Betracht.“109 Solche Situationen verdienen daher eine nähere Betrachtung aus der Perspektive des Strafrechts, die den besonderen Umständen gerecht wird, mit denen ein Soldat im Einsatz konfrontiert werden kann – einfache Lösungen verbieten sich hier.110

III. Sterbehilfe im militärischen Kontext Wenn also eine Gleichbehandlung von ärztlicher und militärischer Sterbehilfe aufgrund der völlig unterschiedlichen zu Grunde liegenden Situation nicht geboten ist, stellt sich die Anschlussfrage, ob entsprechende Fallkon­ stellationen in der Praxis überhaupt vorkommen. Dazu müssen Häufigkeit und Umstände bekannter „Gnadenschuss-Fälle“ untersucht werden, um die tatsächliche Praxisrelevanz dieser Fallgruppen für das deutsche Recht abschätzen zu können. Eine solche Darstellung kann helfen, die Besonderheiten des „Gnadenschusses“ zu erfassen und damit die tatsächliche Basis für eine folgende strafrechtliche Prüfung hypothetisch denkbarer Fälle bilden.

dazu eindrücklich Swann, Military Medicine 1987, 545 (546). East, Permission To Die, S. 10, 42, 68, 80; Neuhaus, The Medical Journal of Australia 2011, 307 (307). 108  Deakin, Journal of Military Ethics 2013, 162 (172). 109  Treffend Herzberg, NJW 1986, 1635 (1639). 110  Ähnlich Beam, in: Beam/Sparacino, Military Medical Ethics Vol. 2, S. 369 (394). 106  Vgl. 107  Vgl.

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A. Einleitung und Problemdarstellung

1. Praxisrelevanz und historischer Überblick Wie häufig sind „Gnadenschüsse“? Ist Sterbehilfe auf dem Schlachtfeld nicht unüblich, oder handelt es sich dabei um krasse Einzelfälle ohne große Relevanz für die militärische und gerichtliche Praxis in Deutschland? Es ergibt sich aus der Natur der Sache, dass Berichte über derartige Fälle nicht häufig an die Öffentlichkeit gelangen,111 schließlich handelt es sich immer um kaum fassbare menschliche und emotionale Ausnahmesituationen. Es kann davon ausgegangen werden, dass viele Beteiligte bei der Verarbeitung solch traumatischer Erinnerungen nicht die Öffentlichkeit suchen, sondern „die Erinnerung ruhen lassen“.112 Daneben ist gerade die rechtliche Bewertung unklar: Bei der Offenlegung seiner Beteiligung an einem „Gnadenschuss“-Fall setzt sich der Täter dem Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung aus.113 Ferner ist zu berücksichtigen, dass die fraglichen Taten im Kontext militärischer Extremsituationen auftreten: Detaillierte Berichte über Einsätze sind oft gar nicht möglich. Gerade im Umfeld räumlich isolierter Kampfeinsätze mit wenigen Beteiligten ist auch eine (konkludente) Vereinbarung der Soldaten, nicht oder nicht vollständig über die Umstände des Einsatzes zu berichten, naheliegend.114 Zuverlässige Aussagen über die Dimensionen des Dunkelfeldes im Bereich von (Mitleids-) Tötungen auf dem Schlachtfeld sind folglich kaum möglich. Wenn also Berichte aus erster Hand selten sein werden, so hat dies unmittelbare Auswirkungen auf die gerichtliche Aufarbeitung, die daher oft nicht erfolgen kann:115 Im Regelfall ist es den Strafverfolgungsbehörden gar nicht möglich, die Umstände eines Todesfalls im Kontext eines bewaffneten Konflikts objektiv zu ermitteln. Hier ist es, insbesondere dann, wenn der Getötete kein deutscher Soldat, sondern beispielsweise ein Aufständischer war, bereits sehr fraglich, ob dessen Tod überhaupt zur Kenntnis der deutschen Strafverfolgungsbehörden gelangt. Selbst wenn, wird in einem solchen Fall, bei Fehlen weiterer Angaben,116 in der Regel kein Anfangsverdacht vorliegen: Die bloße Tatsache, dass es im bewaffneten Konflikt ein Todesopfer gab, dessen Tod erkennbar durch Fremdeinwirkung mittels einer Schusswaffe 111  Deakin, Journal of Military Ethics 2013, 162 (163); East, Permission To Die, S. 20; vgl. aber auch schon Beseler, Kommentar über das Strafgesetzbuch für die preußischen Staaten, S. 348: Demnach „[…] wird es fast nie zur Untersuchung kommen.“ 112  Vgl. Deakin, Journal of Military Ethics 2013, 162 (163). 113  Deakin, Journal of Military Ethics 2013, 162 (163). 114  Deakin, Journal of Military Ethics 2013, 162 (163). 115  Helixon, Mercy Killings in Combat, S. 16. 116  Etwa durch Mitteilungen Dritter über das Tatgeschehen.



III. Sterbehilfe im militärischen Kontext35

eingetreten ist, wird kaum einen Anfangsverdacht begründen können. Denn die Tötung feindlicher Kräfte ist im bewaffneten Konflikt völkerrechtlich erlaubt,117 woraus sich nach h. M. ein Rechtfertigungsgrund für das deutsche Strafrecht ergibt.118 Eine Untersuchung jeder einzelnen Tötung im Konflikt wäre letztlich nicht zielführend, und schon quantitativ nicht effektiv durchführbar.119 Selbst bei gefallenen deutschen Soldaten werden die genauen Todesumstände nicht immer aufklärbar sein. Dies gilt umso mehr, je größer und unübersichtlicher eine bewaffnete Auseinandersetzung ist: Besonders in einem großen, internationalen Konflikt, mit potentiell tausenden Gefallenen, ist eine genaue Aufarbeitung jedes Falles logistisch kaum denkbar.120 Vor diesem Hintergrund sollen im Folgenden Fälle dargestellt werden, die dennoch bekanntgeworden sind.121 Dies muss aus den zuvor genannten Gründen als Ausnahmefall gelten. Allein aus ihrer relativen Seltenheit lässt sich nicht die Erkenntnis herleiten, dass „Gnadenschuss“-Fälle nur völlig vereinzelt erfolgten.122 Eine beträchtliche Dunkelziffer,123 insbesondere in überregionalen und unübersichtlichen Konflikten, muss vermutet werden. Im Hinblick auf die im Folgenden aufgeführten Vorkommnisse ist es ferner bemerkenswert, dass Berichte und Literatur weit überwiegend aus dem englischsprachigen Raum stammen. Über die Gründe dafür können nur Mutmaßungen getroffen werden. Gewiss spielt ein historisch begründetes anderes Verhältnis der Öffentlichkeit zum Militär, insbesondere in den USA im Vergleich zu Deutschland, eine maßgebliche Rolle. Allgemein sei zu den dargestellten Fällen anzumerken, dass der Wahrheitsgehalt entsprechender Berichte oft nicht verifiziert werden kann. Dass liegt bei lange zurückliegenden Ereignissen in der Natur der Sache. Auch ist nur ein sehr geringer Anteil solcher Vorkommnisse Gegenstand einer öffentlichen 117  Vgl.

auch die Nw. in Fn. 4, S. 17. nur die Nw. in Fn. 4, S. 17. Im Einzelnen ist hier freilich vieles unklar, vgl. dazu etwa Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 111, S.  37 ff.; Jähnke, in: LK-StGB11, § 212 Rn. 16 ff.; Rönnau, in: LK-StGB13, Vor §§  32 ff. Rn.  302 ff. 119  Richter, in: Forster/Vugrin/Wessendorff, Das Zeitalter der Einsatzarmee, S. 220 (236); T. Zimmermann, GA 2010, 507 (514); zu Ermittlungen beim Verdacht von Straftaten deutscher Soldaten im Auslandseinsatz siehe Heinen, in: Forster/Vurgrin/ Wessendorff, Das Zeitalter der Einsatzarmee, S. 241 ff. 120  Vgl. zur Nichtaufklärbarkeit der Todesumstände im Konflikt auch M. Gross, Bioethics and Armed Conflict, S. 133. 121  Vgl. zu vielen der im Folgenden aufgeführten Fällen, m. w. N. und einer z. T. ausführlichen Einordnung in den historischen Kontext Helixon, Mercy Killings in Combat, S. 10 ff., auch Deakin, Journal of Military Ethics 2013, 162 (163 ff.); Perry, Parameters 44 (4) 2014–15, 119 (123 ff.). 122  Deakin, Journal of Military Ethics 2013, 162 (163). 123  Vgl. Deakin, Journal of Military Ethics 2013, 162 (163); East, Permission To Die, S. 20. 118  Vgl.

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A. Einleitung und Problemdarstellung

Untersuchung gewesen – hingegen beruht die große Mehrzahl der Fälle letztlich auf persönlichen Erinnerungen und Biografien Beteiligter. Ferner sei noch darauf hingewiesen, dass der Fokus, insbesondere bei modernen Fällen, hier hauptsächlich auf Konflikte mit Beteiligung „westlicher“ Truppen gelegt wurde, für welche auswertbare Literatur zur Verfügung stand. a) Historische Dimension Berichte über die Tötung Verwundeter existieren, seit es Schlachtfelder gibt.124 Wann immer Menschen gegeneinander Krieg führten, gab es Verwundete, deren Verletzungen so schwer waren, dass sie nicht mehr lange überleben konnten. Deren Leid brachte in allen Zeiten ihre Kameraden dazu, den Sterbeprozess aktiv zu verkürzen.125 Unabhängig von kulturell und zeitlich bedingten Differenzen dürften die einer solchen Tötung zugrundeliegenden Erwägungen (vor allem: Leidensminderung) in vielen menschlichen Gesellschaften anerkannt sein. Freilich gehen „Leidbeendigung“ und (nach heutigen Maßstäben) fraglos verwerfliche „Beseitigung“ des Feindes aus militärischen Nützlichkeitserwägungen, gerade in den historischen Fällen, oft Hand in Hand und sind kaum zu trennen. Die Darstellung im Folgenden bietet einen historisch-chronologischen Überblick, eine Aufstellung weiterer Fälle findet sich im Anhang dieser Arbeit. aa) In der Bibel Die frühesten literarischen Nachweise für Sterbehilfe im Krieg finden sich in der Bibel an zwei Stellen im Buch Samuel. So verlangt König Saul in 1. Samuel 31, 2–5 angesichts einer verlorenen Schlacht, seiner schweren Verwundung und der drohenden Folter durch seine Feinde, dass sein Waffenträger ihn töte. Auf dessen Weigerung hin stürzt sich Saul selbst in sein Schwert. Eine andere Version des Geschehens liefert 2. Samuel 1, 6–10: Hier findet ein Amalekiter126 den verwundeten Saul auf dem Schlachtfeld und tötet ihn nach dessen Bitte.127 Wenngleich sich beide Versionen widersprechen – stirbt Saul nun durch seine eigene Hand oder durch die des Amalekiters? – und historisch nichts davon belegbar ist, so lässt sich doch aus beiden 124  Beam,

in: Beam/Sparacino, Military Medical Ethics Vol. 2, S. 369 (386). in: Beam/Sparacino, Military Medical Ethics Vol. 2, S. 369 (386). 126  Die biblischen Amalekiter sind dort die Feinde des Volkes Israel. 127  Vgl. den oben zitierten Auszug am Anfang dieser Arbeit, vor A. 125  Beam,



III. Sterbehilfe im militärischen Kontext37

Versionen die Erkenntnis ableiten, dass Fälle von Sterbehilfe auf dem Schlachtfeld schon früh in der menschlichen Kulturgeschichte bekannt waren.128 bb) Antike und Mittelalter129 Auch abseits der christlich-jüdischen Religion muss davon ausgegangen werden, dass es schon in antiker Zeit nicht unüblich war, das Leid tödlich Verwundeter auf dem Schlachtfeld zu verkürzen: Im antiken Griechenland und Rom galt der „gute“, würdevolle Tod als besonders erstrebenswert.130 Die Haltung gegenüber aktiver Sterbehilfe war eher tolerant.131 Der römische Geschichtsschreiber Titus Livius berichtet von der Tötung verwundeter Römer durch die Truppen des karthagischen Feldherren Hannibal Barkas nach der Schlacht von Cannae, ca. 216 v. Chr. Einige Römer, die verstümmelt auf dem Schlachtfeld verblieben waren, sollen ihre Kehlen entblößt und die siegreichen Karthager gebeten haben, sie zu töten.132 Drei Jahrhunderte später schreibt Flavius Josephus vom jüdischen Aufstand gegen Rom und dem Fall der Festung Masada 74 n. Chr.: Angesichts der drohenden Eroberung durch die Römer töteten durch Los ausgewählte jüdische Soldaten ihre Kameraden und deren Familien, bevor der letzte Verbliebene Suizid beging.133 Freilich wurden hier nicht (nur) die Verwundeten getötet, sondern, angesichts der zu erwartenden Folter und Sklaverei, die gesamte Bevölkerung in der Festung (insgesamt 960 Personen).134

128  Dies ist im Übrigen nicht der einzige Fall „aktiver Sterbehilfe“ im Alten Testament: vgl. auch Richter 9, 53–54: „Aber eine Frau warf einen Mühlstein Abimelech auf den Kopf und zerschmetterte ihm den Schädel. Da rief Abimelech eilends seinen Waffenträger herbei und sprach zu ihm: Zieh dein Schwert und töte mich, dass man nicht von mir sage: Eine Frau hat ihn erschlagen. Da durchstach ihn sein Waffenträger, und er starb.“ Aus dem Neuen Testament sei auf Johannes 19, 31–33 hingewiesen: Demnach brachen römische Soldaten auf Bitten der Bevölkerung den anderen, neben Jesus Christus, Gekreuzigten die Beine. Mit gebrochenen Beinen kann sich ein Gekreuzigter nicht länger abstützen, der Erstickungstod am Kreuz tritt dann vergleichsweise rasch ein. 129  Vgl. dazu auch die Fälle mit den Nrn. 1–3 im Anhang. 130  Vgl. etwa Benzenhöfer, Der gute Tod?, S. 13 ff. 131  Vgl. nur Downbiggin, A Merciful End, S. 2 f.; Benzenhöfer, Der gute Tod?, S.  19 f. 132  Livius, Römische Geschichte, Buch XXII, 51. 133  Josephus, Geschichte des Jüdischen Krieges, Buch VII, Kap. 9. 134  Josephus, Geschichte des Jüdischen Krieges, Buch VII, Kap. 9.

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A. Einleitung und Problemdarstellung

Zuverlässige Berichte finden sich danach erst wieder mit dem ausgehenden Mittelalter:135 Hier war es, angesichts mangelnder medizinischen Versorgung bei mit den Mitteln der Zeit kaum behandelbaren Verletzungen,136 nicht unüblich, Verwundete auf dem Schlachtfeld zu töten, um ihnen einen qualvollen Todeskampf zu ersparen.137 Fähige Chirurgen waren selten, nach heutigen Maßstäben unproblematisch zu behandelnde Verletzungen oft tödlich, Infektionen der Wunden noch lange die Regel.138 Medizinische Hilfe war regelmäßig nur für Adlige und hohe Militärs zu erwarten, der „einfache Soldat“ wurde häufig seinem Schicksal überlassen – sofern ihm nicht wegen seiner schweren Verwundung der „coup de grâce“, der „Gnadenstoß“, versetzt wurde.139 Verwundungen, die es Soldaten nicht erlaubten, das Schlachtfeld zu verlassen, endeten, angesichts der damaligen medizinischen Möglichkeiten, in der Regel tödlich.140 Entsprechend töteten im Hundertjährigen Krieg die siegreichen englischen Truppen unter Henry V. nach der Schlacht von Azincourt 1415 die verwundeten Franzosen am Morgen nach der Schlacht.141 Im Hinblick auf die Tatsache, dass die auf dem Schlachtfeld verbliebenen Franzosen kaum realistische Überlebenschancen hatten, wird deren Tötung (zumindest auch) aus Mitleid erfolgt sein.142 Für den „coup de grâce“ wurde ein Dolch mit dünner Klinge verwendet, der i. d. R. durch einen Spalt der Rüstung unter der linken Armbeuge ins Herz des Opfers gestoßen wurde.143 Dabei wurde der Dolch als „Misericordia“ bezeichnet,144 wobei diese Bezeichnung auf das lateinische Wort für „Mitleid“ zurückzuführen ist, was bereits auf die Verwendung zum „Gnadenstoß“ hinweist.145 135  Die lange Zeitspanne ohne entsprechende Berichte zwischen Antike und Mittelalter könnte einerseits mit der schlechten Quellenlage zusammenhängen. Zudem kann vermutet werden, dass die Tötung Verwundeter über viele Jahrhunderte in keiner Weise außergewöhnlich war. Mithin dürften fehlende Berichte auch darauf zurückzuführen sein, dass entsprechende Ereignisse als völlig gewöhnlich und nicht „überlieferungswert“ betrachtet wurden. 136  Keegan, The Face of Battle, S. 113. 137  Deakin, Journal of Military Ethics 2013, 162 (164). 138  Vgl. Keegan/Holmes/Gau, Soldiers, S. 145 ff. 139  Keegan/Holmes/Gau, Soldiers, S. 146. 140  Keegan, The Face of Battle, S. 112 f. 141  Keegan, The Face of Battle, S. 113. 142  Curry, Agincourt, S. 273; Keegan, The Face of Battle, S. 113. 143  Deakin, Journal of Military Ethics 2013, 162 (164); DeVries/Smith, Medieval Military Technology2, S. 27. 144  Demmin, Kriegswaffen, S. 758. 145  Demmin, Kriegswaffen, S. 758; Keegan/Holmes/Gau, Soldiers, S. 146; a.  A. aber DeVries/Smith, Medieval Military Technology2, S. 27, die davon ausgehen, dass der Name daher rührt, dass der besiegte Gegner durch den Dolch bewegt werden sollte, aufzugeben und um „Gnade“ zu bitten.



III. Sterbehilfe im militärischen Kontext39

cc) Neuzeit146 Mit Ende des Mittelalters veränderte die Erfindung des Schwarzpulvers die Kriegsführung grundlegend – „Gnadentötungen“ wurden indes weiterhin praktiziert. Der französische Chirurg Ambroise Paré beobachtete 1537 die Tötung entstellter und verbrannter Soldaten in Turin:147 „We […] passed over the dead bodies, and some not yet dead, hearing them cry under our horses’ feet; and they made my heart ache to hear them. […] I entered into a stable […] and found four dead soldiers, and three propped against the wall, their features all changed, […] and their clothes were still smouldering where the gunpowder had burned them. As I was looking at them with pity, there came an old soldier who asked me if there were any way to cure them. I said no. And then he went up to them and cut their throats, gently, and without ill will toward them. Seeing this great cruelty, I told him he was a villain: he answered he prayed God, when he should be in such a plight, he might find someone to do the same for him, that he should not linger in misery.“148

Bis zum 18. Jahrhundert hatte sich die medizinische Versorgung erheblich gebessert, die meisten Armeen verfügten nun über ausgebildete Ärzte.149 Dennoch blieben neben den Verwundungen auch Infektionen und Seuchen stets eine große Herausforderung für das medizinische Personal: Sie waren noch bis ins 20. Jahrhundert für mehr Tote verantwortlich als die eigentlichen Kriegshandlungen.150 Ende des 18. Jahrhunderts brach während Napoléons Feldzug im Orient eine Pestepidemie in der französischen Armee aus. Mangels wirksamer Behandlungsmöglichkeiten ließ Napoléon 1799 in Jaffa etwa 50 seiner nicht transportfähigen, pestkranken Soldaten eine Überdosis Opium verabreichen, um sie nicht in die Hände der osmanischen Armee fallen zu lassen.151 Ob die kranken französischen Soldaten tatsächlich durch das Gift starben, ist allerdings unklar: Als die osmanischen Truppen Jaffa erreichten, fanden sie sieben Überlebende vor,152 das Schicksal der Übrigen ist unbekannt.153

146  Vgl.

die weiteren Fälle im Anhang, Nrn. 4–9. Ambroise Paré and His Times, S. 30 f. 148  Paget, Ambroise Paré and His Times, S. 31 f. 149  Keegan/Holmes/Gau, Soldiers, S. 146 ff. 150  Bennahum, Cambridge Quarterly of Healthcare Ethics 2006, 345 (352); Lock/ Last/Dunea, The Oxford Illustrated Companion to Medicine3, S. 92. 151  de Bourrienne, Memoirs of Napoleon Bonaparte, S. 227 f.; vgl. dazu auch Peterson, American Entomologist 1995, 147 (153); Régnier, Medicographia 2013, 124 (128); ausführlich auch Helixon, Mercy Killings in Combat, S. 21 ff. m. w. N. 152  Peterson, American Entomologist 1995, 147 (153). 153  Vgl. Helixon, Mercy Killings in Combat, S. 26 f. m. w. N. 147  Paget,

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A. Einleitung und Problemdarstellung

„Gnadentötungen“ erfolgten Anfang des 19. Jahrhunderts auch in der Seekriegsführung.154 Nach der Seeschlacht von Trafalgar (1805) rettete die britische Flotte unter Admiral Horatio Nelson unter großem Einsatz verwundete Seeleute der Spanier und Franzosen von deren sinkenden Schiffen.155 Angesichts eines herannahenden Sturms mussten Schwerstverwundete, für die keine Hilfe mehr möglich war, an Bord gelassen werden. Die Schiffe wurden daraufhin von den Engländern versenkt.156 Berichte über Tötungen Schwerstverwundeter finden sich aus dem 19. Jahrhundert u. a. auch für den Krimkrieg157 und den Sardinischen Krieg.158 Solche Fälle fanden auch in Deutschland Eingang in zeitgenössische juristische Fachbeiträge.159 Jenseits der üblicherweise betrachteten Schlachtfelder soll die ­Tötung (eigener und feindlicher) Verwundeter auch von Siedlern im amerikanischen Westen160 sowie bei den amerikanischen Ureinwohnern und den südafrikanischen Zulu praktiziert worden sein.161 Zu erwähnen ist ferner die bis in die Gegenwart erhalten gebliebene japanische (insb. Militär-)Tradition des ritualisierten, „ehrenhaften“ Suizides der Samurai, des sog. „Seppuku“ (切腹)162. Dabei schneidet sich der Suizident 154  Deakin,

Journal of Military Ethics 2013, 162 (164). Men of Honour, S. 309. 156  Nicolson, Men of Honour, S. 310  f.; vgl. auch Deakin, Journal of Military Ethics 2013, 162 (164). 157  Vgl. East, Permission To Die, S. 71, 76 m. w. N. 158  Vgl. Dunant, Eine Erinnerung an Solferino, S. 16, 36. 159  Vgl. nur Mittermaier, Archiv für preußisches Strafrecht 1861, 433 (438 f.): „Wir wollen auf einige derselben [Fälle], wie sie Gegenstände von Strafverhandlungen wurden, aufmerksam machen. […]. In einer Schlacht wurde ein Offizier so schwer verwundet, daß an Rettung nicht zu denken ist. Da er aus dem Getümmel der Schlacht nicht weggebracht werden kann, so standen ihm schwere Leiden bevor; er bittet seinen Freund, ihn zu erschießen, und dieser that es.“; vgl. ferner auch den Redebeitrag eines Abgeordneten in einer Reichstagsdebatte: „Es ist gar keine vereinzelte Erfahrung, daß wenn man […] über ein Schlachtfeld geht oder reitet, man von da und dort um Gottes willen gebeten wird, doch den Martern ein Ende zu machen […].“, Redebeitrag des Abgeordneten v. Steinmetz, in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages des Norddeutschen Bundes 1870, 34. Sitzung am 04.04.1870, S. 637 (659); für weitere deutsche Literatur des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts, in der „Gnadenschuss“-Konstellationen erwähnt werden, vgl. oben Fn. 90, S. 30; hier insbesondere Hilschenz, Die Sterbehilfe, S. 3, die anekdotisch u. a. einen „Gnadenschuß“ an „entsetzlich verstümmelte[n] Kameraden“ während des Herero-Aufstands anführt. 160  Helixon, Mercy Killings in Combat, S. 31 ff. m. w. N. 161  Murchison, Military History 1974, Abschn. II.; vgl. ausführlicher zu solchen Vorkommnissen während der sog. „Indianerkriege“ auch Helixon, Mercy Killings in Combat, S.  29 ff. m. w. N. 162  In der westlichen Welt ist die Bezeichnung als „Harakiri“ (腹切り) geläufig. 155  Nicolson,



III. Sterbehilfe im militärischen Kontext41

(„Seppukunin“ – 切腹人) zunächst eigenhändig mit einem Kurzschwert oder Messer den Bauch auf und fügt sich so äußerst schmerzhafte, aber in der Regel nicht sofort tödliche, Verletzungen zu.163 Der Tod wird dann üblicher­ weise durch einen bereitstehenden Sekundanten („Kaishakunin“  – 介錯人) herbeigeführt, der den sterbenden Samurai mit dessen eigenen Schwert enthauptet und ihm so den „Gnadenstoß“ erteilt, um ihm weitere Qualen zu ersparen und seine „Ehre“ zu bewahren.164 „Seppuku“ war noch im und nach dem Zweiten Weltkrieg bei japanischen Offizieren verbreitet, auch neuere Einzelfälle sind bekannt.165 dd) 20. Jahrhundert Das 20. Jahrhundert brachte mit seiner Vielzahl an Kriegen großen Ausmaßes, insbesondere dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, viele Fälle hervor, von denen hier nur einige exemplarisch dargestellt werden können.166 Sie folgen fast alle einem sehr ähnlichen Schema: Einer oder mehrere Soldaten, der eigenen oder der gegnerischen Partei, erlitten schwerste Verletzungen, die aber nicht sofort tödlich waren (z. B.: Bauchschuss, mehrfache Abtrennung von Gliedmaßen, schwerste Verbrennungen). Eine medizinische Versorgung war nicht möglich, entweder aufgrund der äußeren Umstände (Stellungskrieg, feindliches Feuer, im Rückzug usw.), des Zustandes des Verwundeten (nicht transportfähig, eingeklemmt, unerreichbar usw.) oder mangelnder Mittel und Kräfte (keine Transportmöglichkeit, keine Ärzte, fehlende Ausrüstung der Soldaten bzw. des Feldlazaretts usw.).

163  Zu den Hintergründen vgl. etwa Watanabe/Kobayashi/Hata, Forensic Science 1973, 191 ff.; Fusé, Social Psychiatry 1980, 57 (59 ff.); sowie umfassend Rankin, Seppuku: A History of Samurai Suicide. 164  Im Einzelnen sind hier verschiedenste Abläufe denkbar. Maßgeblich für einen „ehrenhaften Tod“ war die Selbstbeherrschung des Seppukunin. Die wichtigste Aufgabe des Kaishakunin war es letztlich, ihn dabei zu unterstützen, insbesondere indem er verhinderte, dass der Seppukunin sich dadurch „entehrte“, dass er Schmerz zeigte. Zu diesem Zweck konnte der tödliche Schwerthieb zu verschieden Zeitpunkten erfolgen, im Extremfall sogar schon bei Ergreifen des Messers durch den Seppukunin, also bevor der erste Schnitt erfolgte. Vgl. zu den Einzelheiten und der historischen Entwicklung etwa Rankin, Seppuku: A History of Samurai Suicide. 165  Fusé, Social Psychiatry 1980, 57 (57); Watanabe/Kobayashi/Hata, Forensic Science 1973, (192 f.). 166  Vgl. hierzu insbesondere Helixon, Mercy Killings in Combat, S. 34  ff. mit Nachweisen und einer Einordnung in den historischen Kontext; ergänzend auch Deakin, Journal of Military Ethics 2013, 162 (165 ff.).

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A. Einleitung und Problemdarstellung

(1) Erster Weltkrieg167 Der Erste Weltkrieg war geprägt durch den Einsatz neuartiger Waffen, insbesondere von Maschinengewehren, Giftgas und den ersten Panzerfahrzeugen, mit den daraus resultierenden Verwundungen. Charakteristisch für die späteren Kriegsjahre war der Stellungskrieg, indem die Grabensysteme der Alliierten der Entente und der Mittelmächte nur durch einen Streifen „Niemandsland“ getrennt waren. Eine angemessene Versorgung Verwundeter im „Niemandsland“ war meist nicht möglich,168 da die Sanitäter schutzlos dem feindlichen Feuer ausgeliefert waren, weshalb Verwundete und Gefallene, sofern überhaupt, nur unregelmäßig und oft nur nachts erreicht werden konnten.169 Vor diesem Hintergrund war es nicht selten, dass Verwundete, für die es keine Rettungsmöglichkeit mehr gab, aus humanitären Erwägungen getötet wurden. Hier seien nur drei eindrückliche Beispiele genannt: „It seemed to me then as though the dead were luckier than I was. […]. I was tired physically and mentally. I had seen mercy killings, both of our hopelessly wounded and those of the enemy.“170 „Next to me lay a Royal Welch second-lieutenant named O. M. Roberts […]. He told me about High Wood; he had reached the fringe when he got wounded in the groin and fell into a shell-hole. Some time during the afternoon he recovered consciousness and saw a German staff officer […] killing off the wounded with an automatic pistol.“171 „When he took the bandages off we saw the man had no eyes, no nose, no chin, no mouth – and he was alive! The Sergeant called me and said, ‚The doctor says I’ve got to give him four times the usual dose of morphia.‘ And I said, ‚You know what that will do, don’t you?‘ And he said, ‚Yes. And I can’t do it. I’m ordering you to do it.‘ So I had to go in and give him four times the dose of morphia. I laid a clean bandage on his face and stayed with him until he died. That stayed in my memory for a very long time. It stays in it now. […] And I had to do it again after that. A man was brought to us with a piece of steel […] sticking out of his breastbone and sticking out of his back. He also had an arm smashed up and very severe head wounds […]. Well it was quite impossible to do anything for him, and I was only too glad to put him out of his misery. […]. The Officer tells you to do it and you do it – but you don’t forget!“172

167  Vgl. neben den nachstehend aufgeführten auch die weiteren Fälle im Anhang, Nrn. 11–20. 168  Helixon, Mercy Killings in Combat, S. 35. 169  Graves, Goodbye to All That, S. 134; vgl. aber auch Keegan, The Face of Battle, S. 269 zu Feuerpausen in der Schlacht an der Somme. 170  M. Evans, American Voices of World War I, S. 148. 171  Graves, Goodbye to All That, S. 186. 172  MacDonald, 1915, S. 309 f.



III. Sterbehilfe im militärischen Kontext43

Auch abseits des Krieges in Europa wird von vergleichbaren Fällen berichtet. Beispielsweise beschreibt der britische Offizier T. E. Lawrence („Lawrence von Arabien“) in seiner Biographie die Tötung verwundeter Araber, um diese nicht in die Hände der Türken fallen zu lassen, welche die Verwundeten gefoltert hätten:173 „[…] the Turks did not take Arab prisoners. Indeed, they used to kill them horribly; so, in mercy, we were finishing those of our badly wounded who would have to be left helpless on abandoned ground.“174

(2) Zweiter Weltkrieg175 Mit der technologischen und taktischen Weiterentwicklung änderte sich das Erscheinungsbild des Krieges im Vergleich zum Ersten Weltkrieg. Reine Stellungsschlachten waren selten, stattdessen war der Krieg geprägt durch viele, schnelle Feldzüge unter Ausnutzung moderner Waffensysteme und ­einer erstarkten Rolle der Panzertruppe und der Luftstreitkräfte. In der Gesamtbetrachtung stammen mit großem Abstand die meisten bekanntgewordenen „Gnadenschuss“-Fälle aus dem Zweiten Weltkrieg. Versuche von Sol­ daten, das Leid ihrer verwundeten Kameraden, notfalls auch durch deren Tötung, zu beenden, erfolgten hier nicht bloß vereinzelt.176 Entsprechende Berichte finden sich wohl auf allen Seiten der Fronten, an Land, in der Luft und zur See.177 Hier sollen, exemplarisch, einige Berichte Beteiligter angeführt werden, um den Schrecken solcher Situationen angemessen darstellen zu können: Ein japanischer Soldat beschreibt seine Erfahrungen mit Tötungen Verwundeter in Neuguinea im Pazifikkrieg gegen die USA und deren Verbündete wie folgt: „I remember that war as mainly one of suicides and mercy killings. Once, as I was trudging along, a soldier by the road caught my eye. He’d lost his voice. He just pointed at my rifle and with a bent finger signaled that he wanted me to pull the trigger. I couldn’t. […]. Another time I saw a man kill his younger brother. […]. I knew an army doctor, about thirty-five years old, who volunteered to shoot all those who knew they couldn’t survive. This I considered ‚sacred murder.‘ Often

173  Lawrence,

Seven Pillars of Wisdom, S. 363. Seven Pillars of Wisdom, S. 363. 175  Vgl. viele weitere Fälle aus dem Zweiten Weltkrieg im Anhang, Nrn. 21–61. 176  Helixon, Mercy Killings in Combat, S. 37. 177  Vgl. auch die Darstellung weiterer Fälle im Zweiten Weltkrieg bei Helixon, Mercy Killings in Combat, S. 37 ff.; Deakin, Journal of Military Ethics 2013, 162 (166 ff.); Perry, Parameters 44 (4) 2014–15, 119 (124 f.). 174  Lawrence,

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A. Einleitung und Problemdarstellung

subordinates asked their superiors to kill them when the main force was about to depart. If you were left behind, that was the end.“178

Auf Seiten der Alliierten konnte der britische Kommandant der 111. Brigade in Myanmar, Lieutenant Colonel John Masters, bei einem eiligen Rückzug 19 Schwerstverwundete ohne Überlebenschance nicht transportieren.179 Masters erteilte letztlich den Befehl, die Männer zu erschießen, um sie nicht in die Hände der herannahenden japanischen Truppen fallen zu lassen, von denen Gräueltaten befürchtet wurden:180 „The stretchers lay in the path itself, and in each stretcher lay a soldier of 111 Brigade. The first man was quite naked and a shell had removed the entire contents of his stomach. Between his chest and pelvis there was a bloody hollow, behind it his spine. Another had no legs and no hips, his trunk ending just below the waist. A third had no left arm, shoulder, or breast, all torn away in one piece. A fourth had no face and whitish liquid was trickling out of his head into the mud. A fifth seemed to have been torn in pieces by a mad giant, and his lips bubbled gently. Nineteen men lay there. […]. The doctor said, ‚l’ve got another thirty on ahead, who can be saved, if we can carry them.‘ […]. ‚These men have no chance. […]. Not one chance at all, sir, I give you my word of honour. Look, this man’s died already, and that one. None can last another two hours, at the outside.‘ […]. I said aloud, ‚Very well. I don’t want them to see any Japanese.‘ […]. ‚We can’t spare any more morphia.‘ ‚Give it to those whose eyes are open,‘ I said. ‚Get the stretcher bearers on at once. Five minutes.‘ He nodded and I went back up to the ridge, for the last time. One by one, carbine shots exploded curtly behind me. I put my hands to my ears but nothing could shut out the sound. […]. I muttered, ‚I’m sorry,‘ and ‚Forgive me,‘ and hurried on.“181

Vergleichbare Ereignisse erfolgten auch auf den europäischen Kriegsschauplätzen. Wenige Tage nach der alliierten Landung in der Normandie am 6. Juni 1944 („D-Day“) beobachteten britische Soldaten den „Gnadenschuss“ an einem verwundeten Offizier: „Any attempt to breach the wire ended when a section commander attempted to scramble through. A German bullet hit a phosphorus grenade in his ammunition pouch. ‚Struggling in desperation,‘ wrote a corporal watching, ‚he became entangled in the barbed wire and hung there, a living screaming human beacon.‘ Sergeant Partridge heard the man’s ‚anguished cries of ‚Shoot me, shoot me!‘. ‚A single well-aimed bullet from a compassionate but no doubt appalled officer,‘ the

178  Masatsugu,

in: Favreau, A People’s History of World War II, S. 165 (170). The Road Past Mandalay, S. 258 f. 180  Masters, The Road Past Mandalay, S. 258 f. 181  Masters, The Road Past Mandalay, S. 258 f.; vgl. hierzu auch Officer, in: Stone, Crisis Fleeting, S. 201 (221): „Such cases, in view of their serious condition, were put humanely out of their misery“, sowie ebd., Fn. 43: „The 19 hopeless cases were spared from falling alive into enemy hands.“ 179  Masters,



III. Sterbehilfe im militärischen Kontext45 corporal continued, ‚put the lad out of his blazing hell. Even in death the horror continued as the phosphorus burned into the now mercifully lifeless body.‘ “182

Aus derselben Schlacht berichtet ein britischer Militärpfarrer (!), er habe an diesem Tag neben der Bibel immer einen Revolver bei sich gehabt, um Sterbende nach dem letzten Gebet von deren Leid zu erlösen: „[…] if the agony of the young man was too much, I would end the prayers by shooting him through the temple.“183

In Italien erlöste ein kanadischer Soldat einen Soldaten unbekannter Nationalität, der vor Schmerzen schrie, von seinen Qualen: „One night […]we hear this terrible screaming. […]. It went on for two hours and it seemed like ten. […]. Finally a guy says hes’s going out there. […] his name is Cochrane. […]. In about fifteen minutes, all of a sudden the screaming stops. Just like that. […]. The sergeant after a while asks who it was out there and Cochrane says he doesn’t know. Well, was it one of our guys? […]. Was it a German? […]. Then […] Cochrane says, ‚All I know was that there was a dying soldier out there and I just put my hand on his forehead and said a little prayer and then I put the knife right into his throat. I was just helping a poor soldier along the way.‘ “184

Die meisten Berichte von deutscher Seite finden sich von der Ostfront. Seinen Einsatz in der Wehrmacht und die Tötung verwundeter Kameraden an den Ufern des Dnepr beschreibt etwa der Elsässer Guy Sajer: „Die Schreie unserer Kameraden veranlassten uns, aus unserem Schlammloch heraus­zusteigen und den Sterbenden Hilfe zu leisten. Wir bekamen wieder schreckliche, kaum vorstellbare Dinge zu sehen. Trotz des Verbots gab es zahlreiche Gnadenschüsse.“185

Auch in Berichten der Wehrmacht finden sich ähnliche Fälle: In einem Bericht des Grenadier-Regiments 519 heißt es über einen fehlgeschlagenen Bergungsversuch des Leutnants Schimmel: „Daraufhin brach ich den Angriff ab und schoß mit einigen Leuten auf Leutnant Schimmel, um Gewißheit zu haben, daß er nicht verwundet in Feindeshand fällt.“186

Beschrieben werden dort auch die Erlebnisse des Unteroffiziers Kaminsky, der nach schweren Kämpfen versuchte, sich zu den eigenen Linien durch­ zuschlagen:187 182  Beevor,

D-Day, S. 277. The Independent, 24.01.2010. 184  Broadfoot, Six War Years, S. 157 f. 185  Sajer, Der vergessene Soldat, S. 277. 186  Wehrmachtsbericht, zitiert nach Hartmann, Wehrmacht im Ostkrieg, S. 200 Fn. 200 (mit Nachweisen zum Archivmaterial). 187  Hartmann, Wehrmacht im Ostkrieg, S. 200. 183  Wilson,

46

A. Einleitung und Problemdarstellung

„Wieder war das Haus umstellt und er mit dem Verwundeten nun allein. Der Verwundete bat ihn mehrmals, ihn doch zu erschießen, damit er den Russen nicht in die Hände fiele. Kaminsky gab jedoch den Kampf noch nicht auf, versuchte noch mit letzter Munition und letzter Kraft, die Belagerer abzuschütteln. Als ihm das nicht gelang und der Feind wiederum das Haus ansteckte, entschloß er sich, seinen verwundeten Kameraden zu erschießen. Er hat dies seinem Kommandeur […] gemeldet. […]. Für seine fabelhafte Haltung […] hat ihm der Kdr. sofort das E.K. I[188] an die Brust geheftet.“189

Ähnliche Vorkommnisse – auf beiden Seiten der Front – finden sich bei allen Teilstreitkräften190: Lieutenant Munn, Kommandant des britischen Zerstörers „HMS Hereward“, verabreichte seinen Schwerstverwundeten eine Über­ dosis Morphium, als er in einer Seeschlacht vor Kreta das sinkende Schiff aufgeben musste: „[…] I decided to abandon ship to safe as much life as possible. […]. I was horrified at the carnage in the galley flat area and as every officer had been issued with morphine we gave the desperate ones an overdose to put them out of their misery.“191

Stanford Tuck, Pilot der Royal Airforce („RAF“), feuerte die Bordkanonen seiner Spitfire192 auf den einzigen Überlebenden eines zuvor abgeschossenen deutschen Flugzeuges ab, der mehr als 40 Meilen vom nächsten Land entfernt ohne Rettungsmöglichkeit in der winterlichen Nordsee trieb und im kalten Wasser zu erfrieren oder zu ertrinken drohte.193 „The man in the water was a German, the sole survivor of a Ju. 88[194] […]. […]. He was over forty miles from the nearest land and there were no ships in sight. He had no dinghy. He had no hope. He was dying slowly, miserably… the deadly cold squeezing his lungs flat, cramping and crushing his heart […]. He might last another ten, fifteen or twenty minutes – choking, threshing, growing numb and weak […]. Every second would be an eternity of despair and torment.[…]. If that were me, down there […] God knows this is what I would want to happen! […]. And so I will do it. […] He pressed the button. […]. It was the right thing, the only thing to do. But I will tell no one, for some may not understand.“195

188  Eisernes

Kreuz I. Klasse, deutscher Orden. zitiert nach Hartmann, Wehrmacht im Ostkrieg, S. 200 f. (mit Nachweisen zum Archivmaterial). 190  Nach heutigem Verständnis: Heer, Marine, Luftwaffe. 191  A. Evans, Destroyer Down, S. 64. 192  Supermarine Spitfire, britisches Jagdflugzeug. 193  Forrester, Fly For Your Life, S. 175 ff. 194  Junkers Ju 88, zweimotoriger deutscher Bomber. 195  Forrester, Fly For Your Life, S. 176 f. 189  Wehrmachtsbericht,



III. Sterbehilfe im militärischen Kontext47

Der deutsche Jagdflieger Walter Krupinski196 berichtet über einen gemeinsamen Einsatz mit dem späteren Bundeswehr-General und Inspekteur der Luftwaffe Johannes „Macky“ Steinhoff197 gegen russische Flieger, bei dem Steinhoff einen russischen Piloten tötete, um diesen nicht qualvoll in seinem Flugzeug verbrennen zu lassen. „My fighter just happened to pull alongside the left wing of the Yak[198] […], I could clearly see the pilot. He was beating against the canopy, trying to open it as smoke began filling the cockpit, and flames began to erupt from the cowling. […]. The Yak’s canopy must have been jammed shut […]. The man in that plane had no surface control, the elevators were gone […]. He could do nothing but ride out this falmming torch until it crashed, killing him, or he burned to death slowly, or the smoke killed him. He could not bail out, […] and I knew he would not survive a crash landing. Macky knew this also. […] I knew what he was going to do. It was a clear violation of our ethics to kill a disabled opponent […]. But this was not murder. Macky was performing a mercy killing. That pilot was going to burn to death, slowly. Before I pulled away, I saw him [Steinhoff] slip in just behind the Yak. Then the Soviet pilot, who must have known what was going to happen, just relaxed, and gestured with a wave and nodded his head. He knew what was going to happen, and this was simply his way of saying ‚thank you.‘ […]. Macky Steinhoff would not talk to anyone beyond discussing wa business for several days after the event. […]. The only thing he said was: ‚If I am ever in that situation, please do the same. I would not want to burn alive trapped in my fighter.‘ “199

Erwähnt sei noch der, soweit ersichtlich, einzige Fall während des Zweiten Weltkrieges, der Gegenstand eines (Kriegs-)Gerichtsverfahrens war. Gegenstand war die Tötung eines zu verbrennen drohenden Besatzungsmitglieds eines verunglückten B-25 Bombers durch den kommandierenden Offizier eines amerikanischen Militärflughafens in Kunming, China. Trotz mehrerer Versuche gelang es herbeigeeilten Helfern nicht, den Eingeklemmten aus dem brennenden Wrack zu befreien. Auch die versuchte Notfallamputation des eingeklemmten Beines des Soldaten war nicht erfolgreich. Als die Flammen ihn erreichten, die Munition des Bombers zu explodieren drohte und die Hitze so stark wurde, dass die Rettungskräfte zurückweichen mussten, schoss 196  Walter Krupinski, genannt „Graf“, war ein erfolgreicher deutscher Jagdpilot. Später erreichte er in der Bundeswehr den Rang eines Generalleutnants. 197  Johannes Steinhoff, genannt „Macky“, war einer der bekanntesten deutschen Kampfpiloten des Zweiten Weltkrieges. Er selbst zog sich bei einem Startunfall Anfang 1945 schwerste Verbrennungen zu. Nach dem Krieg trat er in die neugegründete Bundeswehr ein und wurde in den 60er Jahren als Generalleutnant Inspekteur der Luftwaffe. 1970 wurde Steinhoff zum General befördert und bekleidete als Vorsitzender des Militärausschusses der NATO das höchste militärische Amt des Verteidigungsbündnisses. Heute trägt das Taktische Luftwaffengeschwader 73 (TaktLwG 73) der Luftwaffe ihm zu Ehren den Beinamen „Steinhoff“. 198  Yak/Jak: Flugzeug des sowjetischen Herstellers Jakowlew (russ.: Яковлев). 199  Heaton/Lewis, The German Aces Speak, S. 29 ff.

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A. Einleitung und Problemdarstellung

der Offizier im Rang eines Lieutenant Colonel dem Eingeklemmten zweimal in den Kopf.200 Der Lieutenant Colonel wurde von einem Kriegsgericht freigesprochen, wobei sich die Verteidigung maßgeblich auf seine emotionale Ausnahmesituation und gerade nicht auf andere denkbare Gesichtspunkte einer solchen „Mitleidstötung“ stützte.201 (3) Konflikte nach 1945202 Seit 1945 erreichte kein bewaffneter Konflikt das Ausmaß der beiden Weltkriege. Bei einer entsprechend sehr viel geringeren Zahl der unmittelbar vom Konflikt Betroffenen wurden im Folgenden auch die Berichte über „Gnadenschüsse“ seltener. Indes sind auch aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mehrere solcher Situationen in der Öffentlichkeit bekanntgeworden, bei Konflikten in Korea, Malaysia, Tibet, Oman, Vietnam, auf den Falklandinseln und im Kosovo: In den 60ern erschoss ein Australischer Soldat während des Vietnamkrieges aus Mitleid einen schwer verwundeten Vietnamesen203: „[…] a quarter of his brain was spilling out of his skull and most of his guts were lying on the ground. I couldn’t handle this. It was too much pain for me knowing that he could not possibly survive. I aimed my rifle and shot him twice through the heart. I hope I gave him the peace that he deserved.“204

Im selben Konflikt tötete ein amerikanischer Soldat einen verwundeten und gefolterten Kameraden auf dessen ausdrücklichen Wunsch: „We recon this area, and we came across this fella, a white guy, who was staked to the ground. […] And he had been peeled from his upper part of chest down to his waist. […] The only thing that I could see that had to be done is that the man’s sufferin’ had to be ended. I put my M-16 next to his head. Next to his temple. I

200  Vgl. Tapert, Lines of Battle, S. 255 ff.; ferner Army News, 12.03.1945, S. 3; sowie Missouri Bar, Journal of the Missouri Bar 1945, 56 (56). Zu bemerken ist, dass der Eingeklemmte, einem in Tapert, Lines of Battle, S. 255 ff. abgedruckten Feldpostbrief eines Anwesenden zufolge, darum gebeten haben soll, ihn nicht zu töten, sondern trotz der Flammen weiterhin seine (wohl unmögliche) Befreiung zu versuchen: „Please Colonel, for the love of God, don’t shoot me, please, please, please. […]. Please, oh God, please let them try just once more“ Woraufhin der Lieutenant Colonel erwidert haben soll „I have to boy, you’ll burn alive. I’m sorry“ und ihn erschoss. In den anderen Quellen finden sich dazu keine Informationen. 201  Missouri Bar, Journal of the Missouri Bar 1945, 56 (56). 202  Vgl. die Aufstellung im Anhang, dort die Nrn. 61–78. 203  Zu „Gnadenschüssen“ im Vietnamkrieg vgl. insb. auch Helixon, Mercy Killings in Combat, S. 45 ff. 204  Buick/McKay, All Guts and No Glory, S. 113.



III. Sterbehilfe im militärischen Kontext49 said, ‚You sure you want me to do this?‘ He said, ‚Man, kill me. Thank you.‘ I stopped thinking. I pulled the trigger.“205

Im Falklandkrieg 1982 erschoss der britische Sanitäter Sergeant Chris Fowler einen argentinischen Kriegsgefangenen, der nach einem Unfall mit Artilleriemunition bei Goose Green zu verbrennen droht, nachdem es den Briten nicht gelang, ihn aus den Flammen zu ziehen.206 Seine Kameraden berichteten wie folgt über den Vorfall: „Because of the fire, we couldn’t get near the other one, who was screaming in the flames. The only thing we could do we did – we shot him.“207 „Under the circumstances it was the only humane thing to do – and tremendously brave.“208 „Even the other prisoners thanked him [Sergeant Fowler] for putting the man out of his misery.“209

Dieser Fall war Gegenstand einer offiziellen Untersuchung, die letztlich zu dem Ergebnis kam, dass kein Kriegsverbrechen begangen worden war.210 Die Tötung des Kriegsgefangenen unter diesen Umständen wurde später von argentinischer Seite ausdrücklich gebilligt.211 Im Falklandkrieg ereignete sich noch mindestens ein weiterer Fall: Nachdem der britische Fallschirmjäger Ken Lukowiak vergeblich versucht hatte, die schwersten Kopfverletzungen eines sterbenden argentinischen Soldaten zu verbinden, trat ein anderer Soldat hinzu und tötete den Verwundeten.212 Eindrücklich ist der Ratschlag zu solchen Fällen, den Lukowiak in seinen Memoiren dem Leser erteilt: „Maybe, at the end of the day, the sergeant did the right thing relieving the boy of his suffering. I do not know. I know this though; please listen. If you ever feel you must take a man’s life, because his cause appears a lost one, try not to shoot him in the back from ten feet. Sit next to him, hold his hand, ask your Lord for understanding and put a bullet through his brain.“213 205  Terry,

Bloods, S. 241 ff. The Scars of War, S. 303; Perry, Parameters 44 (4) 2014–15, 119

206  McManners,

(126).

207  McManners,

The Scars of War, S. 303. The Scars of War, S. 304. 209  McGowan/Hands, Don’t Cry for Me, Sergeant-Major, S. 159. 210  McManners, The Scars of War, S. 305; Perry, Parameters 44 (4) 2014–15, 119 (126). 211  Caron, Journal of Military Ethics 2014, 228 (228); vgl. auch East, Permission To Die, S. 287 m. w. N. sowie Helixon, Mercy Killings in Combat, S. 60 f. m. w. N. 212  Lukowiak, A Soldier’s Song, S. 36 f. 213  Lukowiak, A Soldier’s Song, S. 37 f. An späterer Stelle äußert sich Lukowiak, hierauf bezugnehmend, auch zu dem hier zuvor aufgeführten Fall bei Goose Green: „The medic [Sergeant Fowler, s. o.] could not sit by him. He could not hold his hand, 208  McManners,

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A. Einleitung und Problemdarstellung

Ein ähnlicher Fall ereignete sich 1999 im Kosovokrieg: Der australische Militärarzt Craig Jurisevic fand im Kosovo eine Frau, die von serbischen Soldaten schwer verwundet worden war, um durch ihre Schmerzensschreie Helfer in eine Sprengfalle zu locken.214 „The women herself has been shot in both legs and is partly disembowelled. […]. The wound to her lower abdomen is meant to cause enough pain to make her cry out without killing her too quickly. […]. The Soldier kneels and whispers to me […]. ‚Doctor, she is asking us to kill her.‘ […]. ‚Doctor, I am sorry. I cannot do this.‘ […]. ‚Go outside,‘ I tell him. ‚I will join you shortly.‘ […] She whispers, […] ‚Thank you very much.‘ What I intend to do I will have to do quickly. The Serbs will be back soon. If they find this woman still breathing, they will make her suffer a little more before death. […]. I think she sees clearly enough what is to follow, and she nods and manages something like a smile. I turn her head to one side, gently place the blanket down on it, point the barrel of my pistol down and pull the trigger.“215

(4) „Gnadenschüsse“ bei militärischen Hinrichtungen Auch der „coup de grâce“ hat mindestens bis in das 20. Jahrhundert überdauert:216 Im Rahmen von (militärischen) Hinrichtungen durch ein Erschießungskommando („Hinrichtungspeloton“) wurde Verurteilten, die zunächst nicht unmittelbar tödlich getroffen wurden, aus nächster Nähe der „Gnadenschuss“ versetzt. Als Beispiel sollen hier (1.) die geheime Verfügung für den Vollzug der Todesstrafe der deutschen Kriegsmarine von 1941 sowie (2.) die US-amerikanischen Anweisungen für militärische Hinrichtungen von 1959 dienen: „Der Sanitätsoffizier stellt den Tod fest und meldet ihn dem Kriegsrichter und dem leitenden Offizier. Dieser veranlaßt notfalls die Abgabe eines Gnadenschusses durch einen älteren Unteroffizier, wenn nach der Ansicht des Sanitätsoffiziers die Lage der Schüsse nicht den alsbaldigen Eintritt des Todes gewährleistet.“217 „The officer charged with carrying out the execution will join the medical officer who will examine the prisoner and, if necessary, direct that the ‚coup de grace‘ be administered.“218 he had no time to ask his Lord for understanding and he was unable to shoot him through the brain. I know this though: the medic was a hero, he was the bravest man I had ever seen.“, vgl. ebd, S. 100 f. 214  Sehr eindrücklich Jurisevic, Blood On My Hands, S. 321, 324. 215  Jurisevic, Blood On My Hands, S. 323 ff. 216  Dass in anderen Teilen der Welt entsprechende Abläufe sogar bis in die Gegenwart erfolgen, kann vermutet werden. 217  Zitiert nach Gruchmann, Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 1978, 433 (442, 445), mit Nachweisen zum Archivmaterial. 218  Department of the Army, Army Regulations AR 633-15 v. 07.04.1959, para 12c.



III. Sterbehilfe im militärischen Kontext51

b) Moderne Fälle: Irak und Afghanistan219 Mit dem „War on Terror“ und den Konflikten in Afghanistan und im Irak existieren auch im 21. Jahrhundert bewaffnete Konflikte mit Beteiligung westlicher Truppen, die zum Teil noch andauern. Seit dem 11. September 2001 sind fünf Fälle bekannt geworden, in denen Soldaten einen „Gnadenschuss“ ausgeführt haben (sollen).220 Beteiligt waren fünf US-Amerikaner, ein Brite und ein kanadischer Soldat. Aufgrund der zeitlichen Nähe, der Verbindung zu Konflikten, an denen auch deutsche Truppen beteiligt waren bzw. sind, und der z. T. erfolgten gerichtlichen Aufarbeitung sollen diese Fälle im Folgenden (chronologisch geordnet) näher dargestellt werden: aa) Sergeant MacLachlan (GB) Der ehemalige britische SAS-Soldat221 Sergeant Colin MacLachlan berichtete nach Presseinformationen in einem frühen Entwurf für ein Buch über den SAS, während seiner Dienstzeit im Irak im März 2003 an der Erschießung verwundeter irakischer Soldaten beteiligt gewesen zu sein: „Special Forces operatives quickly put them out of their misery, rather than leaving them to die slowly and in agony.“222 „I didn’t enjoy killing those soldiers at the checkpoint but I had to. I didn’t want them to suffer any more.“223

Ähnlich äußerte er sich später in einem Interview.224 Der Wahrheitsgehalt seiner Darstellung wurde von einigen seiner früheren Kameraden bezweifelt.225 Andere Soldaten bestätigten hingegen, dass vergleichbare Situationen beim SAS vorkommen.226 Nach starker Resonanz in der britischen Presse stellte MacLachlan die Situation anders dar und gab an, dass keine „Gnadenschüsse“ erteilt worden seien; die Schilderungen im Entwurf sollen von einem Ghostwriter stammen.227 Die fragliche Stelle im Manuskript wurde später gelöscht.228 Welche Version der Ereignisse der Wahrheit entspricht, 219  Vgl.

zusf. auch die Nrn. 79–83 im Anhang. zu den Fällen Alban-Cardenas/Horne; Maynulet; Semrau auch Perry, Parameters 44 (4) 2014–15, 119, (126 ff.). 221  Special Air Service, Spezialeinheit der britischen Armee. 222  Zitiert nach BBC, 16.10.2016. 223  Zitiert nach Nicol, Daily Mail Online, 23.10.2016. 224  Vgl. Nicol, Daily Mail Online, 23.10.2016. 225  Ward, Daily Mail Online, 21.10.2016. 226  Nicol, Daily Mail Online, 23.10.2016. 227  Brown, Daily Mail Online, 17.10.2016. 228  Brown, Daily Mail Online, 17.10.2016. 220  Vgl.

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A. Einleitung und Problemdarstellung

bleibt unklar. Der Fall ist den britischen Behörden bekannt und wurde untersucht.229 Ergebnisse sind nicht bekannt, eine gerichtliche Aufarbeitung fand (bisher) nicht statt. bb) Captain Maynulet (USA)230 Am 21. Mai 2004 führte Captain Rogelio Maynulet seine Einheit bei einem Einsatz im Irak.231 Ziel war die Ergreifung oder Tötung einer wichtigen Zielperson.232 Die Details des Einsatzes sind nicht öffentlich, nach Presseinformationen sollte ein radikaler Prediger festgenommen oder getötet werden.233 Captain Maynulets Soldaten eröffneten an einem Checkpoint das Feuer auf ein irakisches Automobil, das daraufhin zuerst gegen eine Wand und anschließend gegen ein Haus prallte.234 Der Fahrer des Wagens wurde schwer verwundet.235 Ein Sanitäter beschrieb dessen Kopfverletzungen später als die schlimmsten, die er jemals gesehen habe:236 Der Fahrer habe eine schwere Schusswunde am Kopf erlitten, Teile seines Schädels seien abgerissen und Hirnmasse im Wagen verteilt gewesen.237 Der Sanitäter erklärte gegenüber Captain Maynulet, nichts für den Verwundeten tun zu können, er gehe auch nicht davon aus, dass dieser noch mehr als zwanzig Minuten zu leben habe.238 Daraufhin erschoss Captain Maynulet, ohne vorherige Rücksprache mit seinen Vorgesetzten, den Verwundeten mit zwei Schüssen.239 Der Vorfall wurde von einer amerikanischen Drohne gefilmt.240 Captain Maynulet BBC, 16.10.2016. hier auch insbesondere Helixon, Mercy Killings in Combat, S. 66 ff. mit Nachweisen zum nicht veröffentlichten Kriegsgerichtsprotokoll. Der Autor Helixon war in diesem Verfahren der Verteidiger von Captain Maynulet. 231  United States Court of Appeals for the Armed Forces, United States v. Maynulet, Case No. 09-0073, S. 2. 232  „Capture or kill“, vgl. United States Court of Appeals for the Armed Forces, United States v. Maynulet, Case No. 09-0073, S. 2. 233  Sadovi, Chicago Tribune, 02.04.2005. 234  United States Court of Appeals for the Armed Forces, United States v. Maynulet, Case No. 09-0073, S. 2; Sadovi, Chicago Tribune, 02.04.2005. 235  Montgomery/Murray, Stars and Stripes, 02.04.2005. 236  United States v. Maynulet, No. 04-9847, S. 336, zitiert nach Helixon, Mercy Killings in Combat, S. 70. 237  United States v. Maynulet, No. 04-9847, S. 247, 291, 450 f., zitiert nach Helixon, Mercy Killings in Combat, S. 69. 238  United States v. Maynulet, No. 04-9847, S. 342, 340, zitiert nach Helixon, Mercy Killings in Combat, S. 70. 239  United States Court of Appeals for the Armed Forces, United States v. Maynulet, Case No. 09-0073, S. 3. 240  Montgomery/Murray, Stars and Stripes, 02.04.2005. 229  Vgl. 230  Vgl.



III. Sterbehilfe im militärischen Kontext53

erklärte während seiner militärgerichtlichen Verhandlung, aus Mitleid mit dem Verwundeten gehandelt zu haben, um ihn von seinen Qualen zu erlösen: „He was in a state that I didn’t think was dignified. I had to put him out of [his] misery. […]. It was the right thing to do. I think it was the honorable thing to do. I don’t think allowing him to continue in that state was proper.“241 „Maybe my mistake was that I knew the Iraqi people as a people. […]. If I ever were in that state, I would hope that someone would afford me the dignity of a quick death.“242

Captain Maynulet wurde am 1. April 2005 von einem Militärgericht in Wiesbaden verurteilt.243 Er wurde aus der US-Armee entlassen, eine weitere Strafe wurde jedoch nicht verhängt.244 cc) Staff Sergeants Alban-Cardenas und Horne (USA)245 Am 18. August 2004 waren US-Soldaten, darunter die Staff Sergeants Jonathan J. Alban-Cardenas und Johnny M. Horne Jr., an einem Kampfeinsatz in Sadr City, einem Vorort von Bagdad, beteiligt.246 Dabei übernahm die Einheit der Staff Sergeants Alban-Cardenas und Horne Sicherungsaufgaben für andere US-Einheiten. Im Laufe des Einsatzes nahmen die Soldaten ein Müllfahrzeug unter Feuer, in welchem Aufständische vermutet wurden, wobei das Fahrzeug in Brand geriet.247 Mindestens vier Personen wurden verwundet, darunter ein 16-jähriger Iraker schwer.248 Ein anwesender US-Soldat beschrieb dessen Wunden wie folgt: „[…] his Torso […] pretty much all tore up, his guts laying on the street, covered in blood.“249

241  United States Court of Appeals for the Armed Forces, United States v. Maynulet, Case No. 09-0073, S. 4. 242  United States v. Maynulet, No. 04-9847, S. 813, zitiert nach Helixon, Mercy Killings in Combat, S. 72. 243  United States Court of Appeals for the Armed Forces, United States v. Maynulet, Case No. 09-0073, S. 2; Sadovi, Chicago Tribune, 02.04.2005. 244  United States Court of Appeals for the Armed Forces, United States v. Maynulet, Case No. 09-0073, S. 2; Sadovi, Chicago Tribune, 02.04.2005. 245  Vgl. auch die ausführliche Darstellung des Falles bei Helixon, Mercy Killings in Combat, S. 61 ff.; sowie bei East, Permission To Die, S. 24 ff. 246  Helixon, Mercy Killings in Combat, S. 61, mit Nachweisen zum nicht veröffentlichten Kriegsgerichtsprotokoll. 247  Helixon, Mercy Killings in Combat, S. 62 m. w. N. 248  Helixon, Mercy Killings in Combat, S. 62 m. w. N. 249  United States v. Alban-Cardenas, S. 102, zitiert nach Helixon, Mercy Killings in Combat, S. 62.

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A. Einleitung und Problemdarstellung

Auch Staff Sergeant Alban-Cardenas stellte die Verletzungen bei einer späteren Befragung als äußerst schwerwiegend dar: „From his feet to his mid-torso, he was burned. […]. Then he had a hole like – well, part of his right shin was missing and you could see the pelvis. […]. Then he had a big hole […] 10 inches in diameter on his lower back. […]. He was missing a lot of tissue, so you could see his spine. You could see everything, it was so big. Then, as you go up, there was another chunk of tissue gone from between his shoulder blades.“250

Nach Aussage von Staff Sergeant Alban-Cardenas war eine adäquate medizinische Versorgung aufgrund der Schwere der Verletzungen und der Einsatzbedingungen nicht möglich.251 Nach Konsultation mit Staff Sergeant Horne feuerte zunächst Staff Sergeant Alban-Cardenas drei Schuss in den Körper des Verwundeten.252 Da dieser auch dadurch noch nicht verstarb, gab Staff Sergeant Horne kurz darauf einen weiteren Schuss in den Kopf ab, wodurch schließlich der Tod eintrat.253 Beide Soldaten gaben an, aus Mitleid gehandelt zu haben: „My intention was just to ease his pain, and that’s how I felt. I felt like it was my brother that was laying there with those wounds […].“254 (Alban-Cardenas) „It’s just not right to let any human just lay there and suffer like that […] that’s why I did it, and I know that’s why Sergeant Alban did it.“255 (Horne)

Die Fälle Alban-Cardenas und Horne wurden separat vor US-Militärgerichten verhandelt. Staff Sergeant Alban-Cardenas wurde zu einem Jahr Haft, der Degradierung in den Rang eines Private, sowie der Entlassung aus der US-Armee verurteilt.256 Staff Sergeant Horne wurde zu drei Jahren Haft, der Degradierung zum Private sowie der Entlassung verurteilt.257 250  United States v. Alban-Cardenas, S. 27, zitiert nach Helixon, Mercy Killings in Combat, S. 64. 251  United States v. Alban-Cardenas, S. 22, 28, 34, zitiert nach Helixon, Mercy Killings in Combat, S. 63, 65. 252  Helixon, Mercy Killings in Combat, S. 63 f. m. w. N. 253  Helixon, Mercy Killings in Combat, S. 64; vgl. zum Ablauf des Geschehens auch Sanders, Los Angeles Times, 11.12.2004. 254  United States v. Alban-Cardenas, S. 124, zitiert nach Helixon, Mercy Killings in Combat, S. 65. 255  United States v. Alban-Cardenas, S. 89 f., zitiert nach Helixon, Mercy Killings in Combat, S. 66. 256  United States v. Alban-Cardenas, S. 138, zitiert nach Helixon, Mercy Killings in Combat, S. 66; vgl. auch Seattle Times, 15.01.2005. 257  Vgl. Sanders, Los Angeles Times, 11.12.2004.



III. Sterbehilfe im militärischen Kontext55

dd) Captain Semrau (Kanada) Der kanadische Offizier Captain Robert Semrau befehligte 2008 in Afghanistan eine aus vier Soldaten bestehende OMLT-Einheit (Operational Mentor and Liaison Team)258. Beim OMLT-Programm handelte es sich um ein Ausbildungs- und Mentorenprogramm der NATO259 für die Afghanische Armee (Afghan National Army – ANA), an dem zur selben Zeit auch die Bundeswehr mit mehreren Teams teilnahm.260 Am 19. Oktober 2008 unterstützte und beriet Captain Semrau einen ANA-Kommandanten bei einem Kampfeinsatz gegen die Taliban in der Provinz Helmand in Südafghanistan.261 Dabei wurden US-amerikanische Apache-Kampfhubschrauber zur Luftunterstützung angefordert, die das Feuer auf die Aufständischen eröffneten.262 Nachdem sich die Situation beruhigt hatte, trafen die ANA und Captain Semraus OMLT-Einheit auf mehrere von den Maschinenkanonen der Helikopter getötete und auf einen schwer verwundeten Taliban-Kämpfer.263 Captain Semrau beschreibt die Situation nach dem Luftangriff in seiner Autobiographie und gibt mehrere Berichte über den Zustand des Verwundeten wieder: „The Apache had just loitered over the enemy and ripped him apart with 30mm high-explosive rounds. […]. My eye caught on something dangling from a tree […]. Then I realized they were human intestines. I looked at the ground and saw big pools of blood, with smaller blood trails leading off […]. […]. What happened next was hotly contested during my court martial […]. One soldier said we came across a wounded insurgent that some ANA soldiers had just finished kicking and spitting on. He had a small, fist-sized hole in his stomach, a partially severed foot, and an injured knee. Another soldier thought the insurgent was already dead, with a hole in his stomach the size of a dinner plate. Captain Shafiq Ullah said the man was torn apart, had lost all his blood in a nearby stream, and was ninety-eight percent dead.“264

Anschließend soll Captain Semrau den Verwundeten mit zwei Schüssen getötet haben, um ihn von seinem Leid zu erlösen.265 Captain Semrau selbst äußerte sich während seiner Militärgerichtsverhandlung nicht,266 deutet einen 258  R

v Semrau, Reasons for Sentence, 2010 CM 4010, Rn. 5. dazu NATO, Fact Sheet OMLTs. 260  Dabei sind in der Vergangenheit mehrere deutsche OMLT-Soldaten im Einsatz gefallen, vgl. Gebauer, Der Spiegel, 15.04.2010. 261  R v Semrau, Reasons for Sentence, 2010 CM 4010, Rn. 5. 262  Semrau, The Taliban don’t wave, S. 266 f. 263  Semrau, The Taliban don’t wave, S. 268 ff. 264  Semrau, The Taliban don’t wave, S. 268 f. 265  R v Semrau, Reasons for Sentence, 2010 CM 4010, Rn. 6 ff., 37. 266  R v Semrau, Reasons for Sentence, 2010 CM 4010, Rn. 29 f.; Semrau, The Taliban don’t wave, S. 270. 259  Vgl.

56

A. Einleitung und Problemdarstellung

„Gnadenschuss“ in seiner später erschienenen Autobiografie aber an mehreren Stellen an: „The truth of the moment will always be between me and the insurgent.“267 „[…] war often leaves us with only one of two choices to make: bad or worse …“268

Captain Semrau wurde nach einem aufwändigen und langwierigen Prozess von einem Militärgericht in Kanada wegen „disgraceful conduct“ verurteilt, hinsichtlich der Anklage wegen „second degree murder“ aber freigesprochen, da – mangels Leiche – nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnte, ob der Taliban gerade durch Captain Semraus Schüsse gestorben ist.269 Das Strafmaß wurde am 5. Oktober 2010 festgesetzt: Captain Semrau wurde in den Rang eines Second Lieutenant degradiert und aus der kanadischen Armee entlassen, ein weitere Strafe erfolgte nicht.270 ee) Special Warfare Operator Chief Gallagher und Special Warfare Operator 1st Class Scott (USA) Special Warfare Operator Chief Edward Gallagher, ein Soldat der USamerikanischen Spezialeinheit Navy SEALs, war (u. a.) angeklagt, 2017 im Irak einen verwundeten IS-Kämpfer nach zuvor noch erfolgter medizinischer Behandlung unvermittelt erstochen zu haben.271 In der Kriegsgerichtsverhandlung am 20. Juni 2019 behauptete der als Zeuge geladene Special Warfare Operator 1st Class Corey Scott, dass er, und nicht Gallagher, den Aufständischen getötet habe.272 Zwar habe Gallagher auf den Verwundeten eingestochen, dessen Messerstich sei aber nicht tödlich gewesen. Gestorben sei der IS-Kämpfer erst, als Scott die Öffnung eines zuvor gelegten Beatmungsschlauchs zugehalten habe.273 Special Warfare Operator 1st Class Scott gab an, aus Mitleid gehandelt zu haben, um zu verhindern, dass der Verwundete später von Mitgliedern der irakischen Armee gefoltert würde: „I knew he was going to die anyway, and I wanted to save him from waking up to whatever would happen to him.“274

267  Semrau,

The Taliban don’t wave, S. 270. The Taliban don’t wave, S. 459. 269  R v Semrau, Reasons for Sentence, 2010 CM 4010, Rn. 1, 34; vgl. auch V. Morris, Canadian Military Journal 17 (2) 2017, 15 (20). 270  R v Semrau, Reasons for Sentence, 2010 CM 4010, Rn. 53. 271  Vgl. zum Ganzen etwa Ripperger, FAZ, 28.12.2019; ausf. Sham, Naval Law Review 2020, 1 (1 f., 22). 272  Philipps, New York Times, 20.06.2019. 273  Philipps, New York Times, 20.06.2019. 274  Vgl. Philipps, New York Times, 20.06.2019. 268  Semrau,



III. Sterbehilfe im militärischen Kontext57

Special Warfare Operator Chief Gallagher wurde daraufhin vom Vorwurf der Tötung des IS-Kämpfers freigesprochen, aber im Rang zurückgestuft, da er auch mit der Leiche des Getöteten für Fotos posiert hatte.275 Special Warfare Operator 1st Class Scott war vor der Verhandlung Immunität für seine Aussage zugesichert worden, sodass auch er für die Tötung nicht strafrechtlich verfolgt werden konnte.276 Ob und in wie fern seine Aussage den tatsächlichen Ablauf des Geschehens wahrheitsgemäß wiedergab, oder ob sie in dieser Form nur erfolgte, um – angesichts der zugesicherten Straffreiheit für ihn selbst – seinen Kameraden Gallagher zu schützen, konnte nicht aufgeklärt werden.277 2. Zwischenergebnis und Relevanz für Soldaten der Bundeswehr Nach dieser Untersuchung können folgende Zwischenergebnisse formuliert werden: –– (Mitleids-)Tötungen unrettbar Verwundeter finden bereits statt, seit es Schlachtfelder gibt. –– Solche „Gnadenschüsse“ haben nicht an Aktualität verloren und treten auch in aktuellen Konflikten auf. –– Sie geschehen sowohl auf Verlangen des Sterbenden, als auch ohne dessen ausdrückliche Bitte. –– Diese Fälle sind nicht beschränkt auf die Tötung verwundeter Feinde, sondern können auch Soldaten der eigenen Seite oder Zivilisten betreffen.278 Die zuvor angeführten Beispielsfälle verdeutlichen die praktische Relevanz des „Gnadenschusses“.279 Wenngleich solche Ereignisse in absoluten Zahlen sicher nicht häufig auftreten, so finden sich entsprechende Berichte doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit in vielen Konflikten. Darunter sind auch Berichte deutscher Soldaten. Eine hohe Dunkelziffer ist anzunehmen. 275  Vgl. Watt/Chavez, CNN, 03.07.2019. Die Zurückstufung wurde später von President Trump zurückgenommen, vgl. etwa Philipps, New York Times, 15.11.2019. 276  Philipps, New York Times, 20.06.2019. 277  Die U.S. Navy erklärte zunächst, den Fall untersuchen zu wollen. Da wegen der zugesicherten Immunität keine Verfolgung Scotts aufgrund der (behaupteten) Tötung möglich war, sollte wegen des Verdachts einer Falschaussage ermittelt werden, vgl. Simon/Hannah/Browne, CNN, 26.06.2019. Die dahingehende Anklage gegen Scott wurde später auf Anweisung des Chief of Naval Operations (= des ranghöchsten Offiziers der U.S. Navy) fallen gelassen, vgl. Dyer, Los Angeles Times, 01.08.2019. 278  So auch Deakin, Journal of Military Ethics 2013, 162 (162). 279  Vgl. auch die weiteren Fälle im Anhang.

58

A. Einleitung und Problemdarstellung

Sicher ist, dass „Gnadenschuss“-Fälle im bewaffneten Konflikt real sind, ihre Existenz kann nicht ignoriert werden.280 Im Hinblick auf die bessere medizinische Versorgung in modernen Konflikten und deren oft eher „begrenzten“ Reichweite kann zwar vermutet werden, dass Situationen, in denen sich ein Soldat motiviert sieht, einen Verwundeten aus Mitleid zu töten, heute seltener als noch etwa in den Weltkriegen vorkommen werden. Dem entgegen steht aber, dass auch und gerade in asymmetrischen Konflikten die grundsätzlich bestehenden Möglichkeiten der modernen Medizin z. T. nicht zum Tragen kommen können. Dies müsste erst recht im hypothetischen Fall eines großen internationalen Konfliktes gelten, schon wegen der zu erwartenden enormen Anzahl Verwundeter und der damit einhergehenden Überlastung des Sanitätswesens. Ferner könnte auch eine, verglichen mit vergangen Konflikten, verbesserte Überwachung und Betreuung der Soldaten, ebenso wie die durch neue Medien und Aufzeichnungsgeräte eröffneten Möglichkeiten der Informationsverbreitung in Zukunft zu einer höheren Rate des Bekanntwerdens von „GnadenschussFällen“ führen.281 Im Hinblick auf die Bundeswehr bleibt festzuhalten, dass seit dem Zweiten Weltkrieg kein Fall mit deutscher Beteiligung bekannt ist. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Bundeswehr im internationalen Vergleich erst seit relativ kurzer Zeit an Auslandseinsätzen teilnimmt. Daneben ist auch die Anzahl der Soldaten im Ausland vergleichsweise klein und eine Beteiligung an Kampfeinsätzen (noch) sehr viel seltener, als dies beispielsweise bei den US‑amerikanischen Streitkräften der Fall ist. Indes ist es, im Hinblick auf aktuelle und zukünftige internationale Einsätze der Bundeswehr, nicht auszuschließen und auch nicht unbedingt fernliegend, dass deutsche Soldaten mit vergleichbaren Fällen konfrontiert werden. Da eine gerichtliche Aufarbeitung in der Bundesrepublik Deutschland bislang nicht erfolgt ist, erscheint es daher notwendig, die Behandlung der „Gnadenschuss“-Fälle nach deutschem Strafrecht zu untersuchen, um die Strafbarkeit solcher Taten bewerten zu können.

IV. Zu untersuchende Fallkonstellationen Basierend auf den zuvor dargestellten historischen Fällen282 lassen sich die „Gnadenschuss“-Fälle in zwei grundsätzliche Kategorien einordnen, für die 280  Caron, Journal of Military Ethics 2014, 228 (228); Helixon, Mercy Killings in Combat, S. 73. 281  East, Permission To Die, S. 20. 282  Eine Auflistung weiterer Fälle findet sich im Anhang.



IV. Zu untersuchende Fallkonstellationen59

im Folgenden eine Lösung entwickelt werden soll. Da der konkrete Sachverhalt und seine rechtliche Behandlung gerade von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängen muss, können die hier zu diskutierenden Fallvarianten nur den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ typischer „GnadenschussFälle“ bilden. Eine Bearbeitung sämtlicher denkbarer Konstellationen mit Berücksichtigung aller potentiell einfließender Faktoren würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Vor einer schablonenhaften Gleichbehandlung aller vergleichbarer Sachverhalte sei gewarnt und auf die unbedingte Notwendigkeit der Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls für jeden „Gnadenschuss“ hingewiesen. Ungeachtet dessen werden einige besondere Fallvarianten in Kapitel E. diskutiert werden, nachdem für die zwei grundlegenden Fallvarianten (dazu sogleich) in Kapitel C. und D. jeweils ein Lösungsvorschlag gebracht wurde. 1. Tötung auf Verlangen des Verwundeten (Fall 1) Die erste Fallvariante (im Folgenden: Fall 1) ist die Tötung eines Schwerstverwundeten auf sein eigenes Verlangen hin. Der Verwundete ist in diesem Fall derart schwer verwundet, dass er mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht zu retten ist und sein Tod nur noch eine Frage der Zeit ist. Aufgrund seiner furchtbaren Schmerzen bittet er ernstlich und ausdrücklich den Täter, ihn zu töten, um ihm so weiteres Leid zu ersparen. In Ermangelung einer rettenden Alternative283 tötet der deutsche Soldat S., motiviert durch dessen Wunsch, den Verwundeten V. mit einem gezielten Kopfschuss. Dieser Fall wird in Kapitel C. untersucht. 2. Tötung ohne vorherige Willensäußerung (Fall 2) In der Abwandlung des ersten Falles ist die gleiche Situation zu Grunde zu legen. Hier ist der Verwundete aber nicht mehr in der Lage, einen Todeswunsch zu äußern. Mangels Rettungsmöglichkeit erschießt Soldat S. den Verwundeten V. aus Mitleid, um ihn von seinem Leid zu erlösen. Diese Fallvariante wird in Kapitel D. untersucht.

283  Für den vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass eine Unterstützung in absehbarer Zeit nicht erfolgen kann. Insbesondere steht keine Luftunterstützung, vor allem aber keine Verwundetenrettung z. B. durch (Rettungs-)Hubschrauber zur Verfügung. Eine adäquate medizinische Versorgung kann nicht erfolgen. Hilfe wird nicht eintreffen, bevor der Verwundete, unter schlimmsten Schmerzen, seinen Verletzungen erliegt.

60

A. Einleitung und Problemdarstellung

3. Freund/Feind/Dritter Zu prüfen ist ferner in jedem dieser Fälle, ob das Verhältnis des Opfers zum Täter relevant ist. In Betracht kommt für beide o. g. Fallvarianten einerseits die Tötung eines Kameraden, anderseits eines Gegners oder einer unbeteiligten Person, insbesondere eines Zivilisten.284

284  Vgl.

dazu B. III. 2. a) bb) und B. III. 2. b) bb).

B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten im Kontext militärischer Operationen Wie bereits dargestellt, ist die Tötung eines Menschen im Konflikt nicht mit der Tötung außerhalb eines solchen gleichzusetzen. Dies gilt auch und gerade bei einer Tötung, die nicht aus militärischer Notwendigkeit, sondern in einer hoffnungslosen Lage angesichts der schwersten Qualen eines Verwundeten erfolgt, um diesem weiteres Leid zu ersparen. Unterschiede bestehen dabei nicht nur hinsichtlich der äußeren Umstände und Gegebenheiten (Krankenzimmer/ Schlachtfeld),1 sondern auch im Hinblick auf das anzuwendende Recht. Auch wenn die Frage nach der Zulässigkeit bestimmter Formen der Sterbehilfe auch im ärztlichen Rahmen unzählige Probleme aufwirft – die Frage nach dem anzuwendenden Recht gehört in der Regel nicht dazu: Wer im Geltungsbereich des StGB einen Menschen tötet, wird grundsätzlich nach den §§ 211 ff. StGB bestraft. Für vergleichbare Handlungen im Kontext eines bewaffneten Konflikts (eben für den „Gnadenschuss“) ist dies keineswegs so eindeutig: Hier ist schon fraglich, ob und unter welchen Voraussetzungen solche Fälle im Ausland überhaupt dem Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts unterfallen. Ferner ist im bewaffneten Konflikt das humanitäre Völkerrecht zu beachten: Hier wird die Frage nach der Reichweite des Schutzes Verwundeter durch das humanitäre Völkerrecht von entscheidender Bedeutung sein.2 Auf Seiten des Strafrechts kommt bei einer Tötung im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt neben oder anstelle der StGB-Tatbestände auch eine Strafbarkeit nach dem VStGB in Betracht. Bevor eine eingehende Prüfung der beiden zuvor genannten Fallkonstellationen erfolgen kann, muss daher zunächst untersucht werden, ob bei Beteiligung deutscher Soldaten an einem „Gnadenschuss“ (auf Täter oder Opferseite) in allen denkbaren Konstellationen deutsches Strafrecht Anwendung finden kann (B. I.). In einem zweiten Schritt ist zu klären, wie und unter welchen Voraussetzungen Verwundete durch humanitäres Völkerrecht geschützt werden (B. II.). Im Anschluss daran ist die Tatbestandsmäßigkeit eines „Gnadenschusses“ nach den einschlägigen Delikten des StGB und ­ VStGB zu untersuchen, wobei auch das Verhältnis von StGB und VStGB zu klären ist (B. III.). 1  Vgl.

2  Zum

oben, A. II. 3. humanitären Völkerrecht in Bezug auf den „Gnadenschuss“ vgl. B. II.

62

B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

I. Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf „Gnadenschuss“-Fälle Bevor eine vertiefte Behandlung der oben unter A. IV. dargestellten Fallkonstellationen nach deutschem Strafrecht erfolgen kann, ist zunächst festzustellen, ob deutsches Strafrecht für solche Fälle überhaupt zur Anwendung kommt. 1. Taten deutscher Soldaten An erster Stelle der Untersuchung steht die Frage nach der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf einen deutschen Soldaten, der einen „­Gnadenschuss“ ausführt. Art. 96 Abs. 2 GG ermächtigt den Bund fakultativ eine besondere Wehrstrafgerichtsbarkeit für die Angehörigen der Streitkräfte im Auslandseinsatz, an Bord von Kriegsschiffen und generell für alle Soldaten im Verteidigungsfall einzurichten.3 Bisher wurde von diesem Kompetenztitel, auch aufgrund der historisch begründeten, negativen Besetzung einer Militärgerichtsbarkeit in Deutschland, kein Gebrauch gemacht.4 Damit ist für Soldaten der Bundeswehr durchgängig die („zivile“) ordentliche Gerichtsbarkeit zuständig.5 Die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts richtet sich also auch für Soldaten nach dem sog. „Strafanwendungsrecht“6 der § 3 ff. StGB. a) Inlandstaten aa) Grundsatz: § 3 StGB Für das deutsche Strafanwendungsrecht ist das sog. „Territorialitätsprinzip“ leitend, wonach für die Strafgewalt des Staates grundsätzlich das Hoheitsgebiet am Tatort maßgeblich ist.7 Nach diesem Grundsatz, der in § 3 StGB zum Ausdruck kommt, ist deutsches Strafrecht immer dann anwendbar, Jachmann-Michel, in: Maunz/Dürig-GG92, Art. 96 Rn. 24 ff. NJW 2013, 905 (905); vgl. auch Stam, Strafverfolgung bei Straftaten von Bundeswehrsoldaten, S. 117 ff.; Jachmann-Michel, in: Maunz/DürigGG92, Art.  96 Rn.  24 m. w. N. 5  T. Zimmermann, NJW 2013, 905 (905). 6  Vgl. etwa Esser, Europäisches und Internationales Strafrecht2, S. 305; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht9, S. 36. 7  Esser, Europäisches und Internationales Strafrecht2, S. 306; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht9, S. 56, vgl. auch S. 51: „partiell erweitertes Territorialitätsprinzip“. 3  Ausführlich

4  T. Zimmermann,



I. Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf „Gnadenschuss“-Fälle 63

wenn der Tatort im Inland liegt. Nach dem weiten Tatortkonzept des § 9 StGB ist Tatort der Ort der Handlung oder der Ort des Taterfolges („Ubi­ quitätsprinzip“).8 Das „Inland“ ist grundsätzlich mit dem Staatsgebiet im völker- und staatsrechtlichen Sinne gleichzusetzen:9 Dazu gehören neben den Landgebieten insbesondere auch die Binnen- und Küstengewässer bis zur Zwölf-Seemeilen-Grenze sowie der Luftraum über diesem Territorium.10 Im Hinblick auf die hier zu behandelnden Fälle kann eine Anwendung deutschen Strafrechts über § 3 StGB nur erfolgen, sollte ein „Gnadenschuss“ im Inland erfolgen. Denkbar wäre eine solche Situation wohl nur bei einem hypothetischen Krieg auf deutschem Boden. bb) Flaggenprinzip des § 4 StGB § 4 StGB erweitert das Territorialprinzip um das „Flaggenprinzip“.11 Demnach unterfallen Taten auf deutschen Schiffen oder Luftfahrzeugen auch außerhalb des deutschen Hoheitsgebietes, gleich den „echten“ Inlandstaten, dem deutschen Strafrecht.12 Dabei bilden deutsche Schiffe/Luftfahrzeuge keine inländische Enklave, stattdessen wird ein zusätzlicher Tatort im Inland fingiert, um Strafbarkeitslücken (etwa im Hinblick auf die Hohe See, die keiner Strafgewalt unterliegt) zu verhindern.13 Voraussetzung ist die Berechtigung eines Schiffs, die Bundesflagge führen zu dürfen.14 Von Bedeutung ist alleine die Berechtigung, ob diese auch tatsächlich ausgeübt wird, ist nicht entscheidend.15 Für Luftfahrzeuge ist maßgeblich, dass diese berechtigt sind, das deutsche Staatszugehörigkeitszeichen16 zu führen.17 8  Böse, in: NK-StGB5, § 9 Rn. 2; Eser, in: S/S-StGB30, § 9 Rn. 3 ff.; Jescheck/ Weigend, AT5, S. 178. 9  Jescheck/Weigend, AT5, S. 180. 10  Dazu ausführlich Ambos, in: MüKo-StGB4, § 3 Rn. 8 ff. 11  Vgl. etwa Ambos, in: MüKo-StGB4, § 4 Rn. 1; Böse, in: NK-StGB5, § 4 Rn. 1. 12  Vgl. Ambos, in: MüKo-StGB4, § 4 Rn. 1; Böse, in: NK-StGB5, § 4 Rn. 2, jeweils m. w. N. 13  Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht9, S. 80. 14  Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht9, S. 81. 15  Böse, in: NK-StGB5, § 4 Rn. 4. Für die (Kriegs-)Schiffe der deutschen Marine folgt die Befugnis zum Führen der deutschen Flagge aus der Anordnung des Bundespräsidenten über die Dienstflagge der Seestreitkräfte der Bundeswehr vom 25.5.1956 (BGBl. I, S. 447), vgl. Ambos, in: MüKo-StGB4, § 4 Rn. 7. Die Schiffe der Marine führen die „Dienstflagge der Seestreitkräfte“, eine gezackte Ausführung der Bundesdienstflagge (sog. „Doppelstander“). 16  Der Buchstabe „D“ sowie die Bundesflagge (als Anstrich); Luftfahrzeuge der Bundeswehr führen zusätzlich zur Bundesflagge als Erkennungszeichen ein schwarzes Kreuz mit weißer Umrandung sowie ein zweiteiliges taktisches Kennzeichen. 17  Ambos, in: MüKo-StGB4, § 4 Rn. 9; Böse, in: NK-StGB5, § 4 Rn. 6.

64

B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

Sofern die hier diskutierten Fälle an Bord von Schiffen oder Luftfahrzeugen der Bundeswehr, von Bord aus oder gegen diese (vgl. § 9 StGB) verübt werden,18 ist folglich deutsches Strafrecht gem. § 4 StGB anzuwenden. b) Taten im Auslandseinsatz Deutsches Strafrecht findet z. T. auch auf Auslandstaten Anwendung. Erforderlich ist dafür, dass ein Anknüpfungspunkt vorliegt, der den Sachverhalt mit den Aufgaben der deutschen Staatsgewalt verbindet, obwohl die Tat einen Bezug zum Ausland hat.19 Ausland ist dabei, als Gegenbegriff zum Inland, jeder Ort, der nicht zum deutschen Hoheitsgebiet gehört.20 Für Taten deutscher Soldaten, die sich dienstlich im Ausland befinden, ist, unabhängig vom Recht des Tatorts, stets deutsches Strafrecht anzuwenden, § 1a Abs. 2 WStG. Begeht ein deutscher Soldat während eines dienstlichen Aufenthalts oder in Beziehung auf den Dienst im Ausland eine Tat, so bleibt er dafür nach deutschem Strafrecht verantwortlich, unabhängig davon, ob die Tat am (ausländischen) Tatort mit Strafe bedroht ist oder nicht.21 § 1a Abs. 2 WStG ergänzt als Sonderregelung für Soldaten den § 5 Nr. 12 StGB, der eine vergleichbare Regelung für deutsche Amtsträger, aber gerade nicht für Soldaten, enthält.22 Daneben kommt eine Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auch gemäß § 6 Nr. 9 StGB in Betracht: Danach findet deutsches Strafrecht immer dann Anwendung, wenn Deutschland aufgrund völkerrechtlicher Abkommen vertraglich verpflichtet ist, Taten unabhängig von ihrem Begehungsort zu verfolgen.23 Im Hinblick auf hier in Betracht kommende Verstöße gegen humanitäres Völkerrecht (Kriegsverbrechen gegen Personen, § 8 VStGB24) 18  Vgl. Werle/Jeßberger, in: LK-StGB13, § 4 Rn. 66: Es genügt wegen § 9 StGB, dass Handlungs- oder Erfolgsort auf oder in dem Fahrzeug liegen. Für historische Beispiele für „Gnadenschüsse“ im Zusammenhang mit Luftfahrzeugen oder Schiffen sei insbesondere auf die Fälle im Anhang mit den Nrn. 6, 15, 27, 31, 32, 38, 58, 74 verwiesen. 19  Vgl. Jescheck/Weigend, AT5, S. 167. 20  Ambos, in: MüKo-StGB4, § 5 Rn. 8; Böse, in: NK-StGB5, § 5 Rn. 2. 21  Vgl. dazu Lingens/Korte, Wehrstrafgesetz5, § 1a Rn. 2, 6  ff.; Dau, in: Erbs/ Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze233, § 1a WStG Rn. 7 f.; ders., in: MüKoStGB3, § 1a WStG Rn. 9. 22  Esser, Europäisches und Internationales Strafrecht2, S.  323 f.; Safferling/Kirsch, JA 2010, 81 (82); Werle/Jeßberger, in: LK-StGB13, § 5 Rn. 187, 195; Dau, in: MüKoStGB3, § 1a WStG Rn. 9. 23  Vgl. ausf. dazu Ambos, in: MüKo-StGB4, § 6 Rn. 17 ff. 24  Dazu B. III. 1. c).



I. Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf „Gnadenschuss“-Fälle 65

trifft § 1 VStGB eine Spezialregelung:25 Die Vorschrift gebietet eine Strafverfolgung der im VStGB geregelten Verbrechen auch dann, wenn eine im Ausland begangene Tat keinen Bezug zum deutschen Inland aufweist.26 Die Zuständigkeit deutscher Gerichte nach § 1 VStGB stützt sich auf das sog. „Weltrechtsprinzip“.27 Die maßgeblichen Straftaten werden unabhängig vom Bestehen eines sonstigen Anknüpfungspunktes verfolgt: Deutschland wird bei Völkerstraftaten zur Verteidigung gemeinsamer Werte im Interesse der Weltgemeinschaft tätig.28 Um aber die deutschen Ermittlungsbehörden nicht mit aussichtslosen Ermittlungen zu überlasten und eine, völkerrechtlich nicht unbedenkliche, uferlose Ausdehnung der deutschen Zuständigkeit zu begegnen, besteht für Delikte des VStGB eine Einstellungsmöglichkeit nach § 153f StPO.29 Für Taten ohne Bezug zu Deutschland ist die Strafverfolgung in erster Linie Sache des Tatortstaates, der Heimatstaaten von Täter und Opfer oder eines zuständigen internationalen Gerichtshofes.30 Die Zuständigkeit Deutschlands, als an sich unbeteiligter Drittstaat, ist nur eine Auffangzuständigkeit, wenn ansonsten die Straflosigkeit der Täter droht.31 Ferner bei den hier zu untersuchenden Tötungsdelikten wird in der Regel eine Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auch über § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB begründet sein: Danach gilt deutsches Strafrecht für deutsche Täter immer dann, wenn die Tat auch am Tatort mit Strafe bedroht ist. Dabei ist „Deutscher“ i. S. d. Art. 116 GG jedenfalls jede Person, die „die deutsche Staats­ angehörigkeit besitzt“. Für den „Gnadenschuss“ kommen die Tötungsdelikte des StGB (und des VStGB) in Betracht, die in ähnlicher Form in den allermeisten Staaten der Erde strafbar sein dürften. Denkbar ist allenfalls, dass eine Tötung auf Verlangen am Tatort nicht strafbar wäre. Im Falle der Tötung eines Kameraden (d. h. bei deutschen Soldaten auf Täter und Opferseite) kommt deutsches Strafrecht ferner auch wegen § 7 Abs. 1 StGB zur Anwendung: Dieses gilt für Auslandstaten „gegen einen Deutschen, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt.“ Daneben gilt gemäß § 5 Nr. 14 StGB deutsches Strafrecht bereits immer dann, wenn die Straftat gegen einen deutschen in: LK-StGB13, § 6 Rn. 12, 137. 26  Safferling/Kirsch, JA 2010, 81 (82). 27  Ambos, in: MüKo-StGB3, § 1 VStGB Rn. 1; vgl. dazu auch Kreß, ZIS 2007, 515. 28  Ambos, in: MüKo-StGB3, § 1 VStGB Rn. 5. 29  BVerfG, NStZ 2011, 353 (354); OLG Stuttgart, NStZ 2006, 117 (119 Rn. 22); vgl. auch Diemer, in: KK-StPO8, § 153 f. Rn. 2; Teßmer, in: MüKo-StPO, § 153 f. Rn. 3. 30  BT-Drucksache 14/8524, S. 37. 31  BT-Drucksache 14/8524, S. 37, Diemer, in: KK-StPO8, § 153 f. Rn. 3. 25  Werle/Jeßberger,

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B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

Soldaten in Ausübung seines Dienstes begangen wurde, unabhängig davon, ob die Tat im In- oder Ausland stattfand:32 Hier erfolgt die Eröffnung des Anwendungsbereichs deutschen Strafrechts primär aus Schutzerwägungen für den Einzelnen in seiner Position als deutscher Soldat.33 2. Taten nichtdeutscher Staatsbürger Freilich sind auch andere Fälle denkbar: So könnte der etwa der Täter kein deutscher Soldat sein, einen solchen aber im Wege des „Gnadenschusses“ getötet haben. Fraglich ist also, ob bei allen hier denkbaren Taten gegen deutsche Soldaten auch deutsches Strafrecht anzuwenden wäre. a) Inlandstaten/Deutsche Schiffe und Luftfahrzeuge Bei Taten im Inland, etwa im Falle eines Krieges auf deutschem Boden, gilt wegen § 3 StGB auch für ausländische Staatsangehörige das deutsche Strafrecht. Dasselbe gilt gemäß § 4 StGB für Taten auf, von oder gegen deutsche Schiffe und Luftfahrzeuge.34 b) Auslandstaten Auch für Taten ausländischer Staatsangehöriger, die im Ausland begangen wurden, kommt eine Strafbarkeit nach dem StGB oder VStGB in Betracht. Wurde die Straftat gegen einen deutschen Soldaten in Ausübung seines Dienstes begangen, so gilt gemäß § 5 Nr. 14 StGB deutsches Strafrecht.35 In allen sonstigen Fällen findet gemäß § 7 Abs. 1 StGB deutsches Strafrecht dann Anwendung, wenn die Tat gegen ein deutsches Opfer begangen wurde, sofern die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt. Erforderlich ist in beiden Fällen, dass sich die Tat jedenfalls auch gegen Individualrechtsgüter eines beliebigen Deutschen (bei § 7 Abs. 1 StGB) bzw. eines deutschen Soldaten (für § 5 Nr. 14 StGB) richtet.36 Ferner kommt eine Geltung deutschen Strafrechts bei Auslandstaten nichtdeutscher Staatsbürger auch über das Weltrechtsprinzip des § 1 VStGB in Betracht.37

in: S/S-StGB30, § 5 Rn. 31. Eser/Weißer, in: S/S-StGB30, § 5 Rn. 31. 34  Vgl. oben B. I. 1. a) bb). 35  Eser/Weißer, in: S/S-StGB30, § 5 Rn. 21. 36  Werle/Jeßberger, in: LK-StGB13, § 5 Rn. 205, § 7 Rn. 69 f. 37  Vgl. oben B. I. 1. b). 32  Eser/Weißer, 33  Vgl.



II. Der Schutz Verwundeter durch das humanitäre Völkerrecht67

3. Zwischenergebnis Mithin ist in sämtlichen praktisch denkbaren Konstellationen mit Beteiligung von Bundeswehrsoldaten deutsches Strafrecht anwendbar: Tötet ein deutscher Soldat im Auslandseinsatz einen deutschen Kameraden, so findet das deutsche Strafrecht jedenfalls gemäß § 1a Abs. 2 WStG Anwendung. Ist der Getötete kein deutscher Staatsbürger, gilt i. E. dasselbe, s. o. Hat der ­Täter hingegen eine ausländische Staatsangehörigkeit und ist das Opfer ein deutscher Soldat, gilt deutsches Strafrecht gemäß § 5 Nr. 14 StGB.

II. Der Schutz Verwundeter durch das humanitäre Völkerrecht 1. Überblick: Humanitäres Völkerrecht Die Gesamtheit der internationalen Regeln, die aus humanitären Gründen in bewaffneten Konflikten die Anwendung von Gewalt einschränken und begrenzen wird als humanitäres Völkerrecht beschrieben38. Es regelt einerseits den Schutz von Personen, die nicht (mehr) direkt am Konflikt beteiligt sind und beschränkt andererseits Art, Umfang und Mittel der Gewaltanwendung auf das nach legitimen militärischen Erwägungen notwendige Maß:39 Die populäre Vorstellung, „im Krieg sei alles erlaubt“ ist (heute) schlicht unzutreffend.40 Humanitäres Völkerrecht kann auch als „Kriegs(völker-) recht“41 beschrieben werden, im Sinne eines im Krieg (besser: im bewaffneten Konflikt)42 anwendbaren Rechts.43 Wo der bewaffnete Konflikt als ein, zumindest teilweiser Zusammenbruch der sonst herrschenden gesellschaftlichen und rechtlichen Ordnung und der Verhaltensregeln des gesellschaftlichen Miteinanders beschrieben werden 38  Gasser/Melzer, Humanitäres Völkerrecht2, S. 23; O’Connell, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S.  11 f.; Kalshoven/Zegveld, Constraints on the Waging of War4, S. 1; Sassòli/Bouvier/Quintin, How Does Law Protect in War?3, S. 67. 39  Kempen/Hillgruber, Völkerrecht2, S. 255; Sassòli/Bouvier/Quintin, How Does Law Protect in War?3, S. 1. 40  Solis, The Law of Armed Conflict2, S.  7 f.; T.  Zimmermann, GA 2010, 507 (507); vgl. auch Art. 22 HLKO: „Die Kriegführenden haben kein unbeschränktes Recht in der Wahl der Mittel zur Schädigung des Feindes.“ 41  Vgl. etwa Herdegen, Völkerrecht19, S. 451; Hobe, Einführung in das Völkerrecht11, S. 463. 42  Hobe, Einführung in das Völkerrecht11, S. 463 f.; zu den Begrifflichkeiten vgl. etwa Heintschel von-Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht7, S.  1290 ff. 43  Vgl. Thürer, Einleitung, in: Gasser/Melzer, Humanitäres Völkerrecht2, S. 1 (1); auch Hobe, Einführung in das Völkerrecht11, S. 463, der darauf hinweist, dass der Terminus „Kriegsvölkerrecht“ heute als überholt gelten muss.

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B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

kann, schafft das humanitäre Völkerrecht als „Notordnung“44 einen recht­ lichen Rahmen, der dieser Situation spezifisch angepasst ist.45 Der Versuch, einen solchen Zustand zu regeln, mag dabei zunächst paradox und wenig aussichtsreich erscheinen, ist aber unabdingbar: Es ist letztlich das Recht, was den Krieg von anarchischen Zuständen, von Massenmord und hemmungsloser Barbarei unterscheidet.46 Dabei ist bereits das Bestehen einer Rechtsordnung gerade für den Kriegsfall eine Negation dieses vollständigen Zusammenbruchs der Ordnung und dient dem Zweck, ein Mindestmaß an Humanität und zivilisiertem Verhalten zu gewährleisten.47 Dazu regelt das humanitäre Völkerrecht das Verhalten der Akteure im Konflikt und gilt dabei, unabhängig von Fragen nach dem Kriegsgrund oder der Kriegsschuld, für alle Parteien, auch dann, wenn die Gegenseite gegen humanitäres Völkerrecht verstößt.48 Erwägungen, Konflikte mittels Recht zu begrenzen, sind dabei keineswegs ein neuzeitliches Phänomen, haben aber im modernen Konflikt ungleich an Bedeutung gewonnen: Historisch trafen die Auswirkungen bewaffneter Konflikte zuerst und vor allem die unmittelbar an diesem beteiligten Soldaten, die sonstige (Zivil-)Bevölkerung war in der Regel nur mittelbar betroffen.49 Krieg war primär Sache des Staates bzw. eine „Privatangelegenheit“ der ­jeweiligen Fürsten oder Könige: Es standen sich (zumindest grundsätzlich) deren Soldaten, und auch diese nur zufällig und nur während des Konflikts, als Feinde gegenüber, in ihrer Funktion als kämpfende Repräsentanten ihrer Konfliktpartei.50 Während die Kriege der Vergangenheit also größtenteils „beschränkt“, im obigen Sinne, waren, veränderten sich die Gegebenheiten ab dem 19. Jahrhundert erheblich. Politische und ideologische Entwicklungen, sowie insbesondere der technologische Fortschritt auf militärischem Gebiet, führten gleichsam zu einer Ausweitung des Kriegszustandes hin zu einem allgemeinen Ausnahmezustand, der oft den Staat (oder eine Mehrzahl von Staaten) als Ganzes betrifft.51 Jeder Bürger nimmt zumindest potentiell

von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht7, S. 1276. IRRC 1992, 363 (371). 46  Vgl. Kalshoven/Zegveld, Constraints on the Waging of War4, S. 2; Solis, The Law of Armed Conflict2, S. 8. 47  Vgl. Kolb/Hyde, An Introduction to the International Law of Armed Conflicts, S. 32. 48  Gasser/Melzer, Humanitäres Völkerrecht2, S. 24. 49  Vgl. Kimminich, Humanitäres Völkerrecht, S. 10 f. 50  Cassese, International Law2, S. 400; Kolb/Hyde, An Introduction to the International Law of Armed Conflicts, S. 29. 51  Kolb/Hyde, An Introduction to the International Law of Armed Conflicts, S.  30 f. 44  Heintschel 45  Maurice,



II. Der Schutz Verwundeter durch das humanitäre Völkerrecht69

am Konflikt teil.52 Im modernen Staat kommen neben den eigentlichen Kombattanten auch die Industrie und Infrastruktur, sowie nicht zuletzt auch die Zivilbevölkerung, als Ziele in Betracht, deren Bekämpfung, aus rein strategischer Sicht, sinnvoll erscheinen kann.53 Auch die fortschreitende Technisierung der Armeen und die, letztlich in Nuklearwaffen mündende, Entwicklung neuer Waffensysteme, welche über große Distanzen wirken und vormals unvorstellbare Zerstörungswirkung entfalten, haben zu einer Ausweitung und Entgrenzung des bewaffneten Konflikts geführt.54 Neben den „klassischen“ Zwei- und Mehrstaatenkriegen nahm gerade in neuerer Zeit die Zahl der nicht-internationalen Konflikte rapide zu, welche sich oft durch besonders chaotische Verhältnisse und eine katastrophale humanitäre Lage auszeichnen.55 Eine Ausweitung des Kriegszustandes auf alle Ebenen der Gesellschaft, in welchem jedes Ziel angegriffen wird, dessen Zerstörung oder Schwächung der anderen Partei irgendeinen Vorteil bringt, in dem jedes Mittel recht ist und auch genutzt wird – ein solcher Konflikt kann als „totaler Krieg“ beschrieben werden.56 Der „totale Krieg“ unterscheidet nicht zwischen Kombattanten und Zivilisten oder zwischen militärischen und zivilen Zielen. Die Kriegsführung dient hierbei der Tötung und Zerstörung von allem, was als „feindlich“ betrachtet wird, ohne Rücksicht auf humanitäre Erwägungen.57 Ein solcher Zustand bedeutet in letzter Konsequenz das Ende jedes zivilisierten, gesellschaftlichen Zusammenlebens, führt zu unermesslichem Leid auf allen Seiten und macht die Hoffnung auf einen baldigen Friedensschluss zunichte.58 Einen „totalen“, ungeregelten Kriegszustand zu vermeiden, die Gewaltanwendung und das damit verbundene Leid auf das unvermeidbare Maß zu begrenzen, sowie einen Ausgleich zwischen militärischer Notwendigkeit und den elementaren Geboten der Menschlichkeit zu schaffen, mit einer absoluten Grenze für die Anwendung bewaffneter Gewalt, ist folglich Aufgabe und Daseinsgrund des humanitären Völkerrechts. 52  Cassese,

International Law2, S. 400. An Introduction to the International Law of Armed Conflicts,

53  Kolb/Hyde,

S.  30 f. 54  Kolb/Hyde, An Introduction to the International Law of Armed Conflicts, S.  30 f. 55  Man denke nur an die Konflikte in Afghanistan und im Irak oder an den syrischen und libyschen Bürgerkrieg. 56  Vgl. zum „totalen Krieg“ Kolb/Hyde, An Introduction to the International Law of Armed Conflicts, S. 30 f. 57  Bassiouni, Introduction2, S. 994. 58  Vgl. Kalshoven/Zegveld, Constraints on the Waging of War4, S. 3; Solis, The Law of Armed Conflict2, S. 10.

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B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

a) Ziel, Schutzzweck und Grundprinzipien Das humanitäre Völkerrecht ist geprägt durch den Grundsatz der Menschlichkeit.59 Dabei soll insbesondere das durch den Konflikt hervorgerufene Leid begrenzt werden,60 Wehrlose und nicht (mehr) unmittelbar am Kriegsgeschehen Beteiligte sind zu schützen.61 Nach den Worten des IGH dient humanitäres Völkerrecht den elementaren Erwägungen der Menschlichkeit („elementary considerations of humanity“)62, wobei zumindest ein unterstes Mindestmaß des Erträglichen festgelegt wird („minimum yardstick“)63, das in keinem Konflikt unterschritten werden darf.64 Zwar unterliegen die zulässigen Schädigungshandlungen an sich dem Gebot der militärischen Notwendigkeit, dies gilt indes nur, sofern es sich um legitime Ziele handelt und die Schranke des humanitären Völkerrechts nicht verletzt wird.65 Mithin ist die Vorstellung einer Nachrangigkeit der Regeln des humanitären Völkerrechts hinter den militärischen Zielen unter keinen Umständen korrekt.66 Der Zweck des humanitären Völkerrechts ist es zunächst, die Auswirkungen militärischer Gewalt im Konflikt auf die notwendigerweise betroffenen Personen zu beschränken und sein Ausmaß absolut zu begrenzen.67 Menschliches Leid soll weitestmöglich vermieden werden.68 Neben diesem Individualschutzaspekt dient das humanitären Völkerrechts auch überindividuellen Interessen der am Konflikt beteiligten Parteien und der Weltgemeinschaft: Das Ziel ist letztlich die Eingrenzung und Einhegung der Kriegsführung durch bestimmte Mindestregeln.69 Ein solcher Schutzzweck ergibt sich u. a. Humanitäres Völkerrecht2, S. 27. etwa Bothe, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht8, S.  817 f.; Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S. 531. 61  Bothe, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht8, S.  835 ff.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht2, S. 255; Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S. 530. 62  IGH, Corfu Channel Case, Judgment, 09.04.1949, ICJ Reports 1949, S. 4 (22). 63  IGH, Nicaragua Case, Judgment, 27.06.1986, ICJ Reports 1986, S. 14 (114). 64  Gasser/Melzer, Humanitäres Völkerrecht2, S. 27. 65  Vgl. O’Connell, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S.  35 ff.; Dinstein, The Conduct of Hostilities3, S.  10 ff. 66  Gasser/Melzer, Humanitäres Völkerrecht2, S. 28; Rogers, Law on the Battlefield3, S.  7 f. 67  Kempen/Hillgruber, Völkerrecht2, S. 253; Gasser/Melzer, Humanitäres Völkerrecht2, S. 22. 68  Gasser/Melzer, Humanitäres Völkerrecht2, S. 22. 69  Vgl. Kempen/Hillgruber, Völkerrecht2, S. 253; Keller, in: Jeßberger/Geneuss, Zehn Jahre Völkerstrafgesetzbuch, S. 141 (155); Stein/v. Buttlar/Kotzur, Völkerrecht14, S. 453. 59  Gasser/Melzer, 60  Vgl.



II. Der Schutz Verwundeter durch das humanitäre Völkerrecht71

auch unmittelbar aus dem Wortlaut der Haager Landkriegsordnung: Diese bezweckt „selbst in diesem äußersten Falle den Interessen der Menschlichkeit […] und der Zivilisation zu dienen.“70 Denn wo allgemeingültige Mindeststandards für die Kriegsführung geschaffen werden, verliert der Konflikt (jedenfalls teilweise) seine chaotische Natur und Unberechenbarkeit. Wenn selbst unter widrigsten Umständen zumindest auf die gegenseitige Einhaltung einiger grundlegender Regeln vertraut werden kann, sinkt die Gefahr einer Ausweitung, Totalisierung und Entmenschlichung des Konflikts, eine Eingrenzung kann gelingen.71 Zumindest im Hinblick auf die elementaren Grenzen der Gewalt besteht dann zwischen den Parteien ein Grundkonsens, der nicht zuletzt auch eine Basis für ein Ende der Feindseligkeiten bilden kann – in diesem Sinne hat das humanitäre Völkerrecht eine friedensfördernde Funktion.72 Die Existenz einer solchen Rechtsordnung im Konflikt ist damit die Antithese zur uferlosen und unbeschränkten Kriegsführung.73 Vor diesem Hintergrund ist ein totaler Krieg (im Sinne einer Kriegsführung ohne jede Beschränkung) in keinem Fall zulässig.74 So paradox es auf den ersten Blick erscheint: Das humanitäre Völkerrecht als „Kriegsrecht“ dient letztlich der Erhaltung eines letzten Rests von „Frieden“ im Konflikt und schützt damit, neben den unmittelbar greifbaren Individualinteressen, auch das überindividuelle, überparteiliche und überstaat­ liche Interesse der Menschheit am (Welt-)Frieden, oder wahrt, wo dieser fernliegt, durch Einschränkung der Gewalt zumindest die Chance auf ein Ende des Konflikts und fördert somit eine Rückkehr zur Normalität.75 70  Erwägungsgrund 2

HLKO. Kempen/Hillgruber, Völkerrecht2, S. 253. 72  Vgl. Bothe, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht8, S.  817 f.; Esser, Europäisches und Internationales Strafrecht2, S. 411. 73  Vgl. Kalshoven/Zegveld, Constraints on the Waging of War4, S.  2 f. 74  Gasser/Melzer, Humanitäres Völkerrecht2, S. 28. 75  Vgl. zum „Weltfriedensschutz“ durch humanitäres Völkerrecht und, darauf aufbauend, durch das Völkerstrafrecht: Ambos, in MüKo-StGB3, Vorbem. § 8 VStGB Rn. 3; ders., Internationales Strafrecht5, S. 102 ff., 289; ders., Treatise, Vol. I, S. 66; Bothe, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht8, S.  817 f.; Esser, Europäisches und Internationales Strafrecht2, S. 411; Gasser/Melzer, Humanitäres Völkerrecht2, S. 22; Heintschel von Heingegg, in: Ipsen, Völkerrecht7, S. 1276; Hobe, Einführung in das Völkerrecht11, S.  524 f.; Kalshoven/Zegveld, Constraints on the Waging of War4, S.  2 f.; Milej, Entwicklung des Völkerrechts, S. 113; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht9, S. 323 f., 429; Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S.  46 ff., 542 f., 557 m. w. N.; vgl. auch den Wortlaut des Abs. 3 der Präambel des IStGH‑Statuts: „Frieden, die Sicherheit und das Wohl der Welt“ (engl.: „peace, security and well-being of the world“); ferner auch die Resolution des UN-Sicherheitsrates zur Errichtung des ICTR: Sicherheitsrat, Resolution 955, 08.11.1994, Präambel Abs. 3, 4: „Expressing once again its grave concern at the reports indicating that genocide and other systematic, widespread and flagrant violations of international humanitarian 71  Vgl.

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B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

Zu berücksichtigen ist, dass das humanitäre Völkerrecht dabei kaum mehr zu leisten vermag, als eine Minimalgrenze für menschliches Verhalten zu ziehen: Im Spannungsfeld zwischen militärischen Zielen, militärischer Stärke und einer diese begrenzenden Rechtsordnung hat letztere einen schweren Stand.76 Verstöße gegen humanitäres Völkerrecht werden in fast alle Konflikten begangen, andauernde Verletzungen können eine Eskalation des Konflikts nach sich ziehen.77 Die Befolgung der Regeln des humanitären Völkerrechts liegt letztlich auch im Interesse aller Konfliktpartien und der beteiligten Einzelpersonen.78 Von besonderer Bedeutung ist entsprechend das Prinzip der Reziprozität: Die Erwartung der gegenseitigen Einhaltung grundlegender Regeln garantiert letztlich deren Geltung.79 Sofern also ein Grundkonsens hinsichtlich des rechtlichen Rahmens im Konflikt besteht, besteht eine Chance, die Schrecken des Krieges zu mildern und zumindest den schlimmsten Auswüchsen militärischer Gewaltanwendung entgegenzuwirken. Damit steigen auch die Aussichten auf einen Friedensschluss, wenn die Beachtung des humanitären Völkerrechts ein gewisses Maß an Vertrauen zwischen den Parteien geschaffen hat.80 b) Entwicklung und Rechtsquellen Kriegerische Auseinandersetzungen sind ein untrennbarer Teil der menschlichen Geschichte. Sie finden sich allen Epochen, nicht selten sind sie es, die diese prägen und der Nachwelt besonders in Erinnerung bleiben. Fast genauso alt sind aber die Versuche, Konflikte rechtlich zu regeln und in ihrem Umfang zu beschränken,81 wenngleich die historischen Versuche zur Regelung der Kriegsführung mit dem heutigen humanitären Völkerrecht zunächst nur wenig gemein hatten.82 Die Anfänge des „modernen“ humanitären Völlaw have been committed in Rwanda, Determining that this situation continues to constitute a threat to international peace and security.“ 76  Cassese, International Law2, S. 399. 77  Vöneky, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S. 649. 78  Vgl. Vöneky, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S. 649. 79  Vöneky, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S. 653, 659; Gasser/Melzer, Humanitäres Völkerrecht2, S. 206; Bothe, in: Graf Vitzthum/ Proelß, Völkerrecht8, S. 818, 845. 80  Gasser/Melzer, Humanitäres Völkerrecht2, S. 206. 81  Vgl. Gasser/Melzer, Humanitäres Völkerrecht2, S. 35; eine Darstellung der historischen Entwicklung bietet etwa Bassiouni, in: Bassiouni, International Criminal Law3, S.  269 ff.; Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S. 522 ff.; vgl. im Überblick auch BMVg, Humanitäres Völkerrecht in bewaffneten Konflikten, S. 11 ff. 82  Vgl. O’Connell, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S.  15 ff.



II. Der Schutz Verwundeter durch das humanitäre Völkerrecht73

kerrechts finden sich im 19. Jahrhundert:83 Als Meilensteine auf diesem Weg können etwa der US-amerikanische „Liber Code“ von 1863 und, in besonderem Maße, die erste Genfer Konvention zum Schutz der Kriegsopfer von 1864, sowie die Gründung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz auf Initiative von Henry Dunant gelten.84 Es folgten vertragliche Beschränkungen des Einsatzes von Kampfmitteln mit der St. Petersburger Erklärung im Jahr 1868 und den Haager Abkommen von 1899 und 1907.85 Die Genfer Konventionen wurden vor dem Hintergrund der Kriege in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts weiterentwickelt, die aktuellste Fassung wurde 1949 verabschiedet.86 Daneben fand (und findet) eine konstante Weiterentwicklung des humanitären Völkerrechts statt, welche u. a. in den drei Zusatzprotokollen zu den Genfer Abkommen 1977 (ZP I und ZP II) und 2005 (ZP III) mündete.87 Das moderne humanitäre Völkerrecht besteht heute aus einer Vielzahl an kodifizierten und gewohnheitsrechtlich anerkannten Regelungen. Zumindest als Erkenntnis- und Auslegungsquellen dienen daneben die Entscheidungen internationaler Gerichte sowie nationale Militärhandbücher.88 Die einzelnen Quellen des humanitären Völkerrechts ergänzen und überlagern sich zum Teil. Maßgeblich sind insbesondere (Auswahl): –– Das „Genfer Recht“: Universell verbindlich sind die vier Genfer Konventionen von 1949, die, neben der Haager Landkriegsordnung (dazu sogleich), heute den Kern des humanitären Völkerrechts bilden.89 Die Genfer Konventionen wurden bis zum Jahr 2020 von 196 Staaten ratifiziert90 und übertreffen damit sogar die UN-Charta mit ihren 193 Ratifikationen.91 83  Vgl. umfassend zur Entwicklung des humanitären Völkerrechts seit dem 19. Jahrhundert etwa Kalshoven/Zegveld, Constraints on the Waging of War4, S.  8 ff.; Solis, The Law of Armed Conflict2, S.  42 ff. 84  Vgl. Gasser/Melzer, Humanitäres Völkerrecht2, S.  38 ff.; Ziegler, Völkerrechtsgeschichte2, S. 186 f.; auch O’Connell, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S.  20 ff.; Solis, The Law of Armed Conflict2, S.  42 ff., 51 ff. 85  O’Connell, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S.  22 f.; Ziegler, Völkerrechtsgeschichte2, S.  187 f.; Solis, The Law of Armed Conflict2, S.  53 ff. 86  O’Connell, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S. 25, Kalshoven/Zegveld, Constraints on the Waging of War4, S. 18 ff.; vgl. dazu auch Solis, The Law of Armed Conflict2, S.  87 ff. 87  Vgl. etwa O’Connell, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S.  28 f.; Gasser/Melzer, Humanitäres Völkerrecht2, S. 19; ausführlich auch Solis, The Law of Armed Conflict2, S.  128 f. 88  Hobe, Einführung in das Völkerrecht11, S. 467, 473. 89  Kempen/Hillgruber, Völkerrecht2, S.  254 f. 90  DRK, Über 150 Jahre Genfer Abkommen. 91  Kempen/Hillgruber, Völkerrecht2, S. 255.

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B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

Ferner kann davon ausgegangen werden, dass die meisten, wenn nicht gar alle Bestimmungen der Genfer Konventionen als Völkergewohnheitsrecht zu betrachten sind.92 –– Das „Haager Recht“: Die Haager Abkommen von 1899 und 1907 binden ihre Vertragsparteien und sind ebenfalls weitgehend gewohnheitsrechtlich anerkannt.93 Von besonderer Bedeutung ist hierbei die Haager Landkriegsordnung (HLKO, Anlage zum IV. Abkommen).94 –– Deren Weiterentwicklung: Eine Weiterentwicklung und Bestätigung des „Genfer Rechts“ und von Teilen des „Haager Rechts“ erfolgte mit den drei Zusatzprotokollen zu den Genfer Abkommen (ZP I und ZP II von 1977, ZP III von 2005). Die Zusatzprotokolle binden die Vertragsstaaten und haben auch darüber hinaus großen Einfluss erlangt.95 –– Sonstige Abkommen: Daneben besteht eine Vielzahl weiterer Abkommen, die Einzelfragen der Kriegsführung betreffen, als Beispiel sei hier etwa das B-Waffen-Übereinkommen von 1977 genannt.96 –– Das Völkergewohnheitsrecht: Einen wesentlichen, völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsatz des humanitären Völkerrechts formuliert die sog. „Martens’sche Klausel“97 („Martens Clause“),98 die auf einem Vorschlag des russischen Abgeordneten Fjodor Fjodorowitsch Martens99 zur Haager Friedenskonferenz von 1899 beruht und der in ähnlicher Form in mehreren späteren Vertragsdokumenten100 festgeschrieben wurde:101 Sie in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S. 27. in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S. 27. 94  O’Connell, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S.  27 f. 95  O’Connell, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S.  28 f. 96  Eine Aufzählung weiterer wichtiger Abkommen bietet etwa O’Connell, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S.  30 f. 97  Aus Abs. 9 der Präambel des Haager Abkommens von 1899, RGBl 1901, 423 (425 f.): „Solange, bis ein vollständigeres Kriegsgesetzbuch festgestellt werden kann, halten es die hohen vertragschließenden Theile für zweckmäßig, festzusetzen, daß in den Fällen, die in den von ihnen angenommenen Bestimmungen nicht vorgesehen sind, die Bevölkerungen und Kriegführenden unter dem Schutze und den herrschenden Grundsätzen des Völkerrechts bleiben, wie sie sich aus den unter gesitteten Staaten geltenden Gebräuchen, aus den Gesetzen der Menschlichkeit und aus den Forderungen des öffentlichen Gewissens herausgebildet haben.“ Zur Funktion der Klausel im humanitären Völkerrecht vgl. Kolb/Hyde, An Introduction to the International Law of Armed Conflicts, S. 61 ff. 98  Dazu Hobe, Einführung in das Völkerrecht11, S. 481. 99  Auch „eingedeutscht“ als „Friedrich (von) Martens“ bekannt, zur Person Martens vgl. Pustovarov, IRRC 1996, 300. 100  Etwa in der Präambel des Haager Abkommens von 1907; in Art. 63 GK I, Art. 62 GK II; Art. 142 GK III; Art. 158 GK IV; Art. 1 ZP I; in der Präambel zum ZP II; sowie in der Präambel zum VN-Waffenübereinkommen von 2001. 92  O’Connell, 93  O’Connell,



II. Der Schutz Verwundeter durch das humanitäre Völkerrecht75

besagt, dass auch in Fällen, in denen ein Verhalten nicht in den Verträgen normiert ist, ein überpositivistischer, elementarer Minimalstandard der Menschlichkeit gilt, der letztlich auf naturrechtlichen Erwägungen beruht.102 Im humanitären Völkerrecht sollen keine rechtsfreien Räume exis­ tieren.103 c) Ius in bello Vor diesem Hintergrund ist der Anwendungsbereich des modernen humanitären Völkerrechts weiter zu präzisieren: Es regelt das ius in bello, d. h. das Recht im Krieg, im Gegensatz zum ius ad bellum104 (heute wohl treffender: ius contra bellum)105, dem Recht zum Krieg.106 Das ius in bello richtet sich an alle kriegführenden Parteien in gleicher Weise, es unterscheidet nicht zwischen dem Aggressor und einer sich rechtmäßig verteidigenden Partei.107 Seine (Nicht-)Anwendung dient nicht der Bestrafung oder Belohnung einer Partei für die Führung eines (nicht) völkerrechtswidrigen Krieges.108 Es trifft keine Aussage über die Zulässigkeit und Rechtmäßigkeit eines Militäreinsatzes,109 und legitimiert den Konflikt in keiner Weise.110 Es dient einzig der Wahrung der menschlichen Würde in der besonderen Situation des Krieges, ohne diesen zu bewerten oder zu qualifizieren.111 Grundsätzlich erfolgt auch keine Unterscheidung zwischen einem „gerechten“ oder „ungerechten“ Krieg, ebenso wenig wie eine Differenziezur Martens’schen Klausel Ticehurst, IRRC 1997, 125. ZaöRV 2008, 111 (113); Ticehurst, IRRC 1997, 125 (133 f.). 103  Gasser/Melzer, Humanitäres Völkerrecht2, S. 41. 104  Vgl. zum ius ad bellum im Überblick z. B. Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht7, S.  1131 ff. 105  So etwa bei Bothe, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht8, S. 762; Gasser/ Melzer, Humanitäres Völkerrecht2, S. 18. 106  Vgl. Kalshoven/Zegveld, Constraints on the Waging of War4, S.  1 f.; Kolb/ Hyde, An Introduction to the International Law of Armed Conflicts, S. 21 f.; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht9, S. 427, dort insb. Fn. 129; Dinstein, The Conduct of Hostilities3, S.  4 f.; Ambos, Internationales Strafrecht5, S. 116. 107  Bothe, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht8, S. 818; O’Connell, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S.  10 f.; Kleffner, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S. 48; Stein/v. Buttlar/Kotzur, Völkerrecht14, S. 453. 108  Hobe, Einführung in das Völkerrecht11, S. 464. 109  Thym, DÖV 2010, 621 (621); Kleffner, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S. 48. 110  Gasser/Melzer, Humanitäres Völkerrecht2, S. 19. 111  Gasser/Melzer, Humanitäres Völkerrecht2, S. 21 101  Allgemein

102  Rensmann,

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B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

rung nach den Parteien.112 Voraussetzung für die Anwendbarkeit des humanitären Völkerrechts ist lediglich das Bestehen eines bewaffneten Konflikts.113 Auch im (illegitimen) Aggressionskrieg ist der Aggressor an das humanitäre Völkerrecht gebunden.114 Andererseits entbindet auch ein völkerrechtlich gerechtfertigter Krieg nicht von der Einhaltung des ius in bello.115 Wenngleich diese unterschiedslose Anwendung auf den ersten Blick un­ logisch erscheinen mag,116 ist eine Gleichstellung der konfliktführenden Parteien vor dem Hintergrund des Schutzes der Opfer eines Konfliktes geboten: Denn diese sind individuell für Angriffsakte eines Staates nicht verantwortlich.117 Hierin lebt ein Verständnis des Krieges primär als „Sache des Staates“118 auf, für welchen selbst die unmittelbar an den Kampfhandlungen beteiligten individuellen Akteure im Grundsatz nicht persönlich verantwortlich sind. Dies muss erst recht für diejenigen gelten, die, als „Opfer des Konflikts“ nicht (mehr) aktiv an den Kampfhandlungen teilnehmen. Sie zu schonen ist das Leitprinzip des humanitären Völkerrechts.119 Das humanitäre Völkerrecht regelt also die Begrenzung der Gewalt, unabhängig vom Kriegsgrund und der Frage seiner Legitimität. Zur Umsetzung dieses Prinzips richtet sich das humanitäre Völkerrecht nicht nur an den Staat, seine Organe und die oberste militärische Führung, sondern bindet, (völker-)strafrechtlich untermauert, auch den Einzelnen.120 112  Vgl. Dinstein, The Conduct of Hostilities, S. 4  ff.; Kleffner, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S. 48. 113  Näher dazu unter B. II. 1. d). 114  Hobe, Einführung in das Völkerrecht11, S. 464; Bothe, in: Graf Vitzthum/ Proelß, Völkerrecht8, S. 818; vgl. auch Kleffner, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S. 48. 115  Ambos, Internationales Strafrecht5, S.  289 m. w. N. 116  O’Connell, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S. 10. 117  Vgl. O’Connell, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S.  10 f.; Dinstein, The Conduct of Hostilities3, S. 5. 118  Vgl. dazu bereits Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag4, 1. Buch Kap. 4 (S. 9): „Der Krieg ist also nicht ein Verhältnis eines Menschen zum andern, sondern eines Staats zum andern, bei welchem die einzelnen nur zufällig Feinde sind, nicht als Menschen, selbst nicht als Bürger, sondern als Soldaten; nicht als Glieder des Vaterlandes, sondern als dessen Vertheidiger. Kurz, jeder Staat kann nur andre Staaten zu Feinden haben und nicht Menschen, insofern zwischen Dingen von verschiedener Natur kein eigentliches Verhältnis stattfinden kann.“ 119  Vgl. nur Kempen/Hillgruber, Völkerrecht2, S. 254 f., siehe auch bereits oben B. II. 1. a). 120  Vgl. O’Connell, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S. 38; Kleffner, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S. 55; Esser, Europäisches und Internationales Strafrecht2, S. 342; auch Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S.  531 ff.



II. Der Schutz Verwundeter durch das humanitäre Völkerrecht77

Schwere Verstöße können (und müssen) vor nationalen oder internationalen Gerichten strafrechtlich verfolgt werden.121 Adressat des Völkerstrafrechts ist, abweichend von der klassischen völkerrechtlichen Konzeption, nach welcher das Völkerrecht die Rechtsverhältnisse der Staaten als Völkerrechtssubjekte untereinander regelt, die einzelne Person und nicht der Staat:122 Damit greift das Völkerstrafrecht tief in den traditionell innerstaatlichen Regelungsbereich ein.123 Die Folgen eines Verstoßes treffen unmittelbar das handelnde Individuum.124 Zwar sind bloße Kriegshandlungen der beteiligten Individuen als solche auch im illegitimen Konflikt (Verstoß der Konfliktpartei gegen das ius ad bellum) nicht per se strafbar – strafbar können aber deren eigenständige Verstöße gegen humanitäres Völkerrecht (ius in bello) sein.125 d) Anwendbarkeit: Bewaffneter Konflikt Humanitäres Völkerrecht findet im bewaffneten Konflikt Anwendung.126 Als ein solcher wird jedenfalls die gewaltsame Auseinandersetzung mit einer gewissen Intensität zwischen militärisch organisierten und bewaffneten Parteien bezeichnet.127 Ein im Grundsatz bis heute gültiges Prinzip des humanitären Völkerrechts ist die Differenzierung der anzuwendenden Regeln hinsichtlich der Art des Konflikts und der daran Beteiligten:128 Zu unterscheiden ist dabei zwischen internationalen einerseits und nicht-internationalen bewaffneten Konflikten andererseits: Der internationale bewaffnete Konflikt entspricht im Wesent­ lichen dem allgemeinsprachlichen „Krieg“, während der nicht-internationale bewaffnete Konflikt untechnisch auch als „Bürgerkrieg“ bezeichnet wird.129 Im ersteren stehen sich zwei oder mehrere Staaten mit ihren Streitkräften geKempen/Hillgruber, Völkerrecht2, S. 269 f.; sowie im Folgenden B. II. 2. Völkerstrafrecht5, S.  72 f.; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht9, S.  326 f.; Safferling, Internationales Strafrecht, S. 37. 123  Tomuschat, Die Friedens-Warte 1998, 335 (347); Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S. 73. 124  Vgl. etwa Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S.  72 ff. 125  Ambos, Internationales Strafrecht5, S. 289. 126  Kempen/Hillgruber, Völkerrecht2, S. 256. 127  Vgl. etwa Herdegen, Völkerrecht19, S. 452; ausf. Kleffner, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S. 43 ff., 49 f.; vgl. auch ICTY, Appeals Chamber, The Prosecutor v. Dusko Tadic a/k/a „Dule“, IT-94-1-AR72, Decision on the Defence Motion for Interlocutory Appeal on Jurisdiction, 02.10.1995, Rn. 70. 128  Vgl. nur Hobe, Einführung in das Völkerrecht11, S.  473 ff. 129  Richter, HRRS 2012, 28 (28 f.); Dreist, in: Schöbener, Völkerrecht-Lexikon, S.  169 f.; Herdegen, Völkerrecht19, S. 452; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht2, S. 256; Kolb/Hyde, An Introduction to the International Law of Armed Conflicts, S. 257. 121  Vgl.

122  Werle/Jeßberger,

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B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

genüber, während in letzterem grundsätzlich die staatlichen Streitkräfte einer bewaffneten nichtstaatlichen Gruppe gegenüberstehen, die ihre Kämpfer im Wesentlichen aus Teilen der Bevölkerung rekrutiert (interner Konflikt).130 Traditionell wurden Regelungen nur für den internationalen Konflikt getroffen, interne Konflikte galten als dem Regelungsbereich des (humanitären) Völkerrechts entzogen.131 Das Verhältnis zu bewaffneten Aufständischen wurde durch das jeweilige nationale (Straf-)Recht bestimmt.132 Während die Mehrzahl der Regelungen des humanitären Völkerrechts vom „klassischen Konzept“ eines internationalen Mehrstaatenkrieges133 ausgeht, entsprechen solche Konflikte seit Ende des Zweiten Weltkrieges oft nicht mehr der Realität.134 Erfasst werden heute deshalb auch die aktuell wesentlich häufigeren Konstellationen, in denen Regierungsstreitkräfte nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen gegenüberstehen, sowie rein innerstaatliche Konflikte zwischen mehreren organisierten bewaffneten Gruppen als sog. „nicht-internationale Konflikte“.135 Das Vorliegen eines internationalen bewaffneten Konflikts ist objektiv, unabhängig von den subjektiven Ansichten der Beteiligten, zu bestimmen, ausreichend ist jedenfalls der Einsatz von Waffengewalt von einiger Intensität, nach überzeugender anderer Ansicht genügt sogar jeder Einsatz bewaffneter Gewalt zwischen Staaten.136 Hingegen ist für einen nicht-internationalen Konflikt, zur Unterscheidung von gewöhnlicher Kriminalität und vereinzelten Aufständen, eine gewisse Intensität, Dauer und Größenordnung der bewaffneten Gewalt, sowie eine militärische Organisationsstruktur der Konfliktparteien erforderlich.137 Vor dem Hintergrund der gesteigerten Häufigkeit solcher Konflikte entwickelte das Zusatzprotokoll II von 1977 hier den Schutz des humanitären 130  Vgl. Richter, HRRS 2012, 28 (29); zum nicht-internationalen Konflikt auch etwa Bothe, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht8, S.  864 ff.; Gasser/Melzer, Humanitäres Völkerrecht2, S.  67 ff. 131  Vgl. Cassese, International Law2, S. 401; Hobe, Einführung in das Völkerrecht11, S. 469, 473; Sivakumaran, The Law of Non-International Armed Conflict, S. 9; Fleck, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S.  589 f. 132  Cassese, International Law2, S. 401. 133  Indes ist eine förmliche Kriegserklärung gemäß Art. 2 GK I‑IV auch für das Vorliegen eines „klassischen“ internationalen bewaffneten Konflikts nicht maßgeblich. 134  Vgl. Herdegen, Völkerrecht19, S.  451 f. 135  Ambos, in: MüKo-StGB3, Vorbem. § 8 VStGB Rn. 23 m. w. N. 136  Kleffner, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S.  44 f. 137  Ambos, in: MüKo-StGB3, Vorbem. § 8 VStGB Rn. 22 f.; Kleffner, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S.  49 f.; Stein/v. Buttlar/Kotzur, Völkerrecht14, S. 472.



II. Der Schutz Verwundeter durch das humanitäre Völkerrecht79

Völkerrechts neben dem auch zuvor bestehenden Minimalschutz des gemeinsamen Art. 3 der Genfer Konventionen weiter.138 Daneben werden bestimmte Grundregeln des internationalen bewaffneten Konflikts auch auf den nichtinternationalen bewaffneten Konflikt übertragen, als wegweisend ist hier die Tadić-Rechtsprechung des ICTY zu nennen.139 Allgemein besteht eine Tendenz, beide Konfliktarten den gleichen Regeln zu unterstellen; die Unterschiede sind in jüngster Zeit geringer geworden.140 Unabhängig von den sich im Detail unterscheidenden Regeln und Schwierigkeiten in der Abgrenzung ist festzuhalten, dass das humanitäre Völkerrecht als Regelungsregime in beiden Konfliktarten Anwendung findet und zumindest seine grundlegenden Regeln unter allen Umständen von allen Beteiligten zu beachten sind, vgl. Art. 3 GK I–IV. e) Geschützte Personen im „Haager“ und „Genfer“ Recht Das humanitäre Völkerrecht lässt sich grob in zwei Regelungsbereiche trennen, die, in Anlehnung an die zugrundeliegenden völkerrechtlichen Verträge, als „Haager“ und „Genfer“ Recht bezeichnet werden.141 Dabei handelt es sich aber keineswegs um zwei völlig separate Regelungsbereiche, in Teilbereichen gibt und gab es immer Überschneidungen.142 Im heutigen humanitären Völkerrecht wurde die klassische Trennung in „Haager“ und „Genfer Recht“ mit den Zusatzprotokollen von 1977, die sowohl Regelungen zum Schutz der Opfer („Genfer Recht“) als auch Normen zur Begrenzung der Kampfmittel und -Methoden („Haager Recht“) enthalten, praktisch aufgehoben,143 sodass das humanitäre Völkerrecht heute eher als v. Arnauld, Völkerrecht4, S. 555; Bothe, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht , S.  866 ff.; Richter, HRRS 2012, 28 (29); zu Art. 3 GK I–IV vgl. auch B. II. 1. e) cc). 139  ICTY, Appeals Chamber, The Prosecutor v. Dusko Tadic a/k/a „Dule“, IT-941-AR72, Decision on the Defence Motion for Interlocutory Appeal on Jurisdiction, 02.10.1995, Rn. 96 ff.; zur Bedeutung der Tadić-Rspr. für das humanitäre Völkerrecht vgl. etwa Greenwood, EJIL 1996, 265; Heinsch, Die Weiterentwicklung des humanitären Völkerrechts, S.  45 f., 145 ff., m. w. N. 140  Vgl. v. Arnauld, Völkerrecht4, S.  549 f.; Herdegen, Völkerrecht19, S. 457; Stein/ v. Buttlar/Kotzur, Völkerrecht14, S. 474. 141  Cassese, International Criminal Law2, S.  66 f.; Gasser/Melzer, Humanitäres Völkerrecht2, S. 23; Kalshoven/Zegveld, Constraints on the Waging of War4, S.  3 f.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht2, S.  253 f. 142  Dinstein, The Conduct of Hostilities3, S. 23. 143  Vgl. nur Dinstein, The Conduct of Hostilities3, S. 24; v. Arnauld, Völkerrecht4, S. 538; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht9, S. 428; aber auch Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S. 528. 138  Vgl. 8

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B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

ein einheitliches, komplexes und zusammenhängendes System zu betrachten ist.144 Entsprechend ist eine Zuordnung einzelner Regelungen zu den beiden Bereichen heute vor allem deskriptiv,145 kann aber hilfreich sein, um deren Hintergründe und ihre Schutzrichtung zu verdeutlichen.146 aa) „Haager Recht“ Das „Haager Recht“, ursprünglich beruhend auf den Haager Abkommen von 1899 und 1907, befasst sich mit den eigentlichen Kampfhandlungen und schränkt die zulässigen Mittel, Methoden und legitimen Ziele der Kriegsführung ein.147 Daneben finden sich vor allem im ZP I zu den Genfer Konventionen viele Bestimmungen des „Haager Rechts“, ferner existieren mehrere spezielle Verträge, die den Einsatz bestimmter Waffen verbieten.148 Grundgedanke des „Haager Rechts“ ist es, die Gewalt, und damit das verursachte Leid, im Konflikt auf das Maß zu beschränken, das notwendig ist, um die Schwächung des Gegners, zu erreichen („limited warfare“)149.150 Verbotene Mittel sind z. B. Hohlmantelgeschosse, Sprengfallen, chemische Waffen sowie diverse andere Kampfmittel,151 die ein höheres Maß an Leid („unnötig Leiden“)152 erzeugen, als es legitime militärische Erfordernisse, 144  Vgl. IGH, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, Advisory Opinion, ICJ Reports 1996, 226 (256 Rn. 75): „These two branches of the law applicable in armed conflict have become so closely interrelated that they are considered to have gradually formed one single complex system, known today as international humanitarian law. The provisions of the Additional Protocols of 1977 give expression and attest to the unity and complexity of that law.“ 145  Cassese, International Criminal Law3, S.  66 f. 146  Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht9, S. 428, 447. So dient etwa die klassische Trennung nach den Schutzgütern des „Haager“ und „Genfer Rechts“ als Ordnungskriterium für die §§ 8–12 VStGB, vgl. Ambos, Internationales Strafrecht5, S.  290 f.; Darge, Kriegsverbrechen, S. 303 f.; Gropengießer/Kreicker, in: Eser/Kreicker, Nationale Strafverfolgung völkerrechtlicher Verbrechen, Deutschland, S.  72, 152 f.; Werle in: MüKo-StGB3, Einl. VStGB Rn. 55 ff.; A. Zimmermann, NJW 2002, 3068 (3070). 147  Vgl. v. Arnauld, Völkerrecht4, S. 565; Cassese, International Criminal Law3, S. 66; Gasser/Melzer, Humanitäres Völkerrecht2, S. 23; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht2, S.  263 ff. 148  Kempen/Hillgruber, Völkerrecht2, S.  264 f. 149  Oeter, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S.  122 f. 150  Kempen/Hillgruber, Völkerrecht2, S. 263; Sassòli/Bouvier/Quintin, How Does Law Protect in War?3, S. 1. 151  Im Einzelnen vgl. Oeter, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S.  132 ff. 152  Vgl. die deutsche Übersetzung von Art. 23 lit. e HLKO.



II. Der Schutz Verwundeter durch das humanitäre Völkerrecht81

wie etwa das Ausschalten des Gegners, rechtfertigen würden,153 sowie, vor dem Hintergrund des Verbots der unterschiedslosen Kampfführung aus Art. 51 ZP I,154 insbesondere solche Waffensysteme, die unterschiedslos auch auf Zivilisten wirken.155 Bemerkenswert ist vor diesem Hintergrund die Feststellung des IGH, dass Nuklearwaffen jedenfalls nicht per se als verboten zu betrachten sind, obwohl sie ihrer Natur nach wohl nahezu immer unterschiedslos wirken.156 Verbotene Methoden157 sind vor allem heimtückische Verhaltensweisen, z. B. der Missbrauch der weißen Flagge oder der Schutzzeichen oder das Vorspiegeln einer Verwundung, um den arglosen Gegner zu überwältigen.158 Legitime Ziele von Schädigungshandlungen sind nur militärische Ziele, Art. 48 ZP I.159 Insbesondere die Zivilbevölkerung ist zu schützen: Die zielgerichtete Waffenanwendung gegen diese ist, ebenso wie unterschiedslose Angriffe, verboten, Art. 51 ZP I.160 Geschützte Personen des „Haager Rechts“ sind also einerseits die (jeweils gegnerischen)161 Soldaten,162 andererseits aber auch die Zivilbevölkerung, 153  Vgl. Oeter, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S.  125 f. 154  Ausführlich dazu Oeter, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S.  129 ff. 155  Henckaerts/Doswald-Beck, Customary International Humanitarian Law, S.  244 ff.; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht2, S.  264 f.; Dinstein, The Conduct of Hostilities3, S. 72. 156  Vgl. IGH, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, Advisory Opinion, ICJ Reports 1996, S. 226 (Rn. 33, 56, 95, 97); vgl. insb. Rn. 105: „However, in view of the current state of international law, and of the elements of fact at its disposal, the Court cannot conclude definitively whether the threat or use of nuclear weapons would be lawful or unlawful in an extreme circumstance of self-defence, in which the very survival of a State would be at stake.“; eher kritisch dazu auch Bothe, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht8, S.  831 ff.; Safferling, Internationales Straf­ recht, S. 214; Solis, The Law of Armed Conflict2, S. 289; umfassend Dinstein, The Conduct of Hostilities3, S.  94 ff. 157  Umfassend zu den Methoden der Kriegsführung Oeter, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S.  166 ff. 158  Kempen/Hillgruber, Völkerrecht2, S. 263. 159  Im Einzelnen dazu etwa Oeter, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S.  166 ff.; Dinstein, The Conduct of Hostilities3, S.  102 ff. 160  Dinstein, The Conduct of Hostilities3, S.  144 f., 146 ff.; Oeter, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S.  178 ff. 161  Vgl. zu der umstrittenen Frage, ob humanitäres Völkerrecht auch zwischen den Mitgliedern ein und derselben Konfliktpartei gilt, B. III. 2. a) bb) (1). 162  Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht9, S. 428; Esser, Europäisches und Internatioanles Strafrecht2, S. 410; Ambos, Internationales Strafrecht5, S. 117; Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S. 527.

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B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

die im Hinblick auf die verbotenen Mittel und Ziele vor direkten oder unspezifischen Angriffen sowie Langzeitfolgen des Konflikts weitestgehend geschützt werden soll.163 bb) „Genfer Recht“ Das „Genfer Recht“ (z. T. auch „Rotkreuzrecht“)164 regelt, basierend auf den vier Genfer Konventionen und den drei Zusatzprotokollen, vor allem den Schutz von Personen, die nicht (mehr) aktiv am Konflikt beteiligt sind.165 Ferner werden Schutzzeichen (Rotes Kreuz, Roter Halbmond etc.) definiert, die es zu respektieren gilt.166 Grundgedanke des „Genfer Rechts“ ist die Vorstellung, dass sich die Beteiligten nicht als Menschen bekämpfen, sondern nur als Glieder verfeindeter Armeen, sodass nicht „der Feind“ als Person Objekt militärischer Gewalt wird, sondern nur in seiner Funktion als Soldat,167 solange dieser selbst an den Feindseligkeiten beteiligt ist.168 Im Hinblick auf den Individualschutz besteht eine grundlegende Unterscheidung zwischen zwei Personengruppen: Auf der einen Seite stehen solche Personen, denen das humanitäre Völkerrecht wegen ihrer besonders verletzlichen Position einen besonderen rechtlichen Schutz zubilligt.169 Auf der anderen Seite stehen, im internationalen wie im nicht-internationalen bewaffneten Konflikt, die Personen, gegen welche, grundsätzlich, unter Beachtung des humanitären Völkerrechts (hier dann i. d. R. des „Haager Rechts“) eine schädigende Einwirkung, d. h. vor allem die Tötung oder Verwundung, zulässig ist.170 Da die Tötung oder Verletzung von Menschen, als untrennbarer Teil jeder kriegerischen Auseinandersetzung, bei Beachtung der Regeln des humanitären Völkerrechts zulässig ist, erfolgt der Schutz hier über die Definition des Personenkreises, gegen den jegliche schädigende Einwirkungen durch die Kriegsparteien verboten sind.171 163  Vgl.

Oeter, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3,

S.  121 ff. 164  Gasser/Melzer, Humanitäres Völkerrecht2, S. 23. 165  Cassese, International Criminal Law3, S. 66; Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S.  567 ff. 166  Vgl. Gasser/Melzer, Humanitäres Völkerrecht2, S. 107 ff., hingegen wird die Parlamentärsflagge („Weiße Flagge“) in Art. 32 HLKO geschützt. 167  Dies entspricht den Vorstellungen Rousseaus, vgl. dazu oben Fn. 118, S. 76. 168  Kempen/Hillgruber, Völkerrecht2, S.  260 f.; v. Arnauld, Völkerrecht4, S. 545. 169  Gasser/Melzer, Humanitäres Völkerrecht2, S. 97. 170  Vgl. nur Darge, Kriegsverbrechen, S. 325; auch Bothe, in: Liber amicorum Delbrück, S. 67 (68). 171  Vgl. Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S. 567.



II. Der Schutz Verwundeter durch das humanitäre Völkerrecht83

Unzulässig sind insbesondere Einwirkungen auf die Opfer des Konflikts, wozu etwa Verwundete, Kriegsgefangene und Zivilisten zählen, unter der Voraussetzung, dass sie nicht oder nicht mehr unmittelbar am Konfliktgeschehen mitwirken.172 cc) Der Verwundete als geschützte Person in der „Gnadenschuss“-Situation Im Hinblick auf die Verwundeten kann hier der Bogen zum „Gnadenschuss“ geschlagen werden: Für die zu untersuchenden Fallkonstellationen sind die Verwundeten als Teilgruppe der nach humanitärem Völkerrecht zu schützenden Personen von besonderer Bedeutung. Ihr Schutz war der historische Ausgangspunkt für die Entwicklung des humanitären Völkerrechts.173 Es war gerade das Leid der Verwundeten beider Seiten in der Schlacht von Solferino, dass Henry Dunant bewegte, sich bei den Mächtigen seiner Zeit für deren Schutz einzusetzen,174 was letztlich in der Unterzeichnung der ersten „Genfer Konvention betreffend die Linderung des Loses der im Felddienst verwundeten Militärpersonen“ von 1864 mündete.175 Verwundete sind unter allen Umständen zu schützen und zu schonen, vgl. insb. Art. 12, 35 GK I; Art. 3 GK I‑IV; Art. 12 GK II; Art. 16 GK IV; Art. 10 ZP I; Art. 7 ZP II.176 Als Verwundung wird allgemeinsprachlich i. d. R. jede kriegsbedingte Verletzung bezeichnet.177 Das humanitäre Völkerrecht fasst dies enger, maßgeblich für die Zugehörigkeit einer Person zu der zu schützenden Gruppe der Verwundeten ist hier, dass sie medizinischen Beistands bedarf und alle feindselige Handlungen unterlässt, vgl. Art. 8 ZP I.178 Im internationalen bewaffneten Konflikt sind Verwundete gemäß Art. 12 GK I/II, Art. 10 ZP I unter allen Umständen zu schonen und zu schützten, mit Menschlichkeit zu behandeln und ohne Rücksicht auf Kriterien wie Nationalität, Rasse etc. zu pflegen. Dabei ist es gemäß Art. 12 GK I/II179 insbesonHumanitäres Völkerrecht2, S. 97. Commentary on the First Geneva Convention2, Rn. 1321. 174  Vgl. Dunant, Eine Erinnerung an Solferino, S. 115 ff. 175  ICRC, Commentary on the First Geneva Convention2, Rn. 1327. 176  Kleffner, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S. 325. 177  Vgl. etwa Duden, Bedeutungswörterbuch4, „verwunden“, S. 1048. 178  Vgl. Bothe/Ipsen/Partsch, ZaöRV 1978, 1 (15); ICRC, Commentary on the First Geneva Convention2, Rn. 1341. 179  Aus Gründen der Lesbarkeit wird bei wörtlichen Zitaten im Folgenden die nicht authentische deutsche Spachfassung der Genfer Konventionen und Zusatzprotokolle verwendet. Der Wortlaut der authentischen englischen Sprachfassung (vgl. insofern Art. 55 GK I, Art. 54 GK II, Art. 133 GK III, Art. 150 GK IV, Art. 102 ZP I, Art. 28 ZP II, Art. 17 ZP III) wird in der jeweiligen Fn. angegeben. 172  Gasser/Melzer, 173  ICRC,

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dere „streng verboten […], ihr Leben und ihre Person anzugreifen.“180 Nach der Kommentierung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz zu Art. 12 GK I soll die Motivation des Täters dabei keine Rolle spielen: Auch die Tötung Verwundeter im Wege eines „Gnadenschusses“ verstößt demnach grundsätzlich gegen Art. 12 GK I.181 Den Schutz von verwundeten Zivilisten im internationalen bewaffneten Konflikt regeln u. a. die Art. 16 GK IV, Art. 8, Art. 10 ZP I. Für nicht-internationale Konflikte gelten in jedem Fall zumindest auch die Grundsätze der o. g. Bestimmungen über den gemeinsamen Art. 3 GK I–IV als „minimum yardstick“182 des humanitären Völkerrechts: „Personen, die nicht direkt an den Feindseligkeiten teilnehmen, einschließlich der Mitglieder der bewaffneten Streitkräfte, welche die Waffen gestreckt haben, und der Personen, die infolge Krankheit, Verwundung, Gefangennahme oder irgendeiner anderen Ursache außer Kampf gesetzt wurden, sollen unter allen Umständen mit Menschlichkeit behandelt werden […].“183

Verboten sind dabei u. a. „Angriffe auf Leib und Leben, namentlich Mord jeglicher Art, Verstümmelung, grausame Behandlung und Folterung“184, vgl. Art. 3 GK I–IV.185 In Bezug auf Verwundete stellt Art. 7 ZP II klar, dass auch im nicht-internationalen bewaffneten Konflikt „[a]lle Verwundeten, […] geschont und geschützt [werden], gleichviel ob sie am bewaffneten Konflikt teilgenommen haben oder nicht.“186 Eine schädigende Einwirkung auf Personen, die aufgrund ihrer Verwundung außer Gefecht gesetzt sind, ist damit letztlich in allen Konfliktarten 180  Art. 12 GK I/II: „Any attempts upon their lives, or violence to their persons, shall be strictly prohibited; in particular, they shall not be murdered or exterminated […].“ 181  ICRC, Commentary on the First Geneva Convention2, Rn. 1404. Die Kommentierung äußert sich nicht zu der Frage, ob dies auch bei ausdrücklich verlangten Tötungen bzw. Tötungen, die dem Willen des Verwundeten entsprechen, der Fall wäre. 182  IGH, Nicaragua Case, Judgment, 27.06.1986, ICJ Reports 1986, S. 14 (114). 183  Art. 3 GK I–IV: „Persons taking no active part in the hostilities, including members of armed forces who have laid down their arms and those placed hors de combat by sickness, wounds, detention, or any other cause, shall in all circumstances be treated humanely […].“ 184  Art. 3 GK I–IV: „[…] violence to life and person, in particular murder of all kinds, mutilation, cruel treatment and torture […].“ Hierzu führt Sham, Naval Law Review 2020, 1 (10 ff., 25 f.) an, dass vom Wortlaut ein „Gnadenschuss“ („battlefield mercy killing“) nicht zwingend erfasst sei. 185  Vgl. dazu auch ICRC, Commentary on the First Geneva Convention2, Rn.  584 ff., insb. 596 ff. 186  Art. 7 ZP II: „All the wounded, sick and shipwrecked, whether or not they have taken part in the armed conflict, shall be respected and protected.“



II. Der Schutz Verwundeter durch das humanitäre Völkerrecht85

unzulässig. Dies gilt im Ergebnis unabhängig davon, zu welcher Partei der Verwundete gehört oder welchen Status er vor seiner Verwundung innehatte. Es existiert insofern ein einheitliches Schutzregime des humanitären Völkerrechts.187 Der unterschiedslose Schutz Verwundeter, insb. vor Tötung, ist auch als Völkergewohnheitsrecht zu betrachten.188 Indes ist der Schutz in jedem Fall begrenzt auf solche Personen, die nicht länger an den Feindseligkeiten teilnehmen.189 Wer trotz seiner Verwundung den Kampf fortsetzt oder sonstige feindselige Handlungen vornimmt, wird nicht geschützt.190 Der Schutzstatus Verwundeter ist also kumulativ abhängig sowohl vom medizinischen Zustand einer Person (Verwundung), als auch von ihrem Verhalten (Einstellen der Feindseligkeiten).191 Folglich gilt der Schutz nicht absolut, sondern kann unter bestimmten Umständen aufgehoben sein.192 In jedem Fall ist es im Kontext eines Gefechts auch erforderlich, dass der Gegner den Schutzstatus einer Person erkennen kann.193 2. Einhaltung, Verstöße und Verfolgung Tatsache ist, dass in fast allen bewaffneten Konflikten Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht erfolgen.194 Zum Teil wird eine Konfliktpartei den unmittelbaren militärischen Vorteil höher bewerten als die Einhaltung der Normen des humanitären Völkerrechts.195 Trotz vieler solcher Rückschläge, auch in neuster Zeit, werden die Regeln aber im Allgemeinen eingehalten196 und bei Entscheidungen militärischer Befehlshaber berücksichtigt.197 in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S. 324. Henckaerts/Doswald-Beck, Customary International Humanitarian Law, S.  306 ff., 311 ff., 403 ff. 189  Kleffner in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S. 324; Rogers, Law on the Battlefield3, S. 76; vgl. insofern auch die Definition in Art. 8 ZP I: „ ‚Verwundete‘ […] die jede feindselige Handlung unterlassen“ (engl.: „ ‚wound­ ed‘ […] who refrain from any act of hostility“). 190  Vgl. Kleffner, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S.  324 f. 191  ICRC, Commentary on the First Geneva Convention2, Rn. 1341. 192  Gasser/Melzer, Humanitäres Völkerrecht2, S.  97 f. 193  ICRC, Commentary on the First Geneva Convention2, Rn. 1344. 194  Vöneky, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S. 649. 195  Bothe, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht8, S. 844. 196  Besondere Akzeptanz finden dabei die (auch historisch) grundlegenden Bestimmungen zum Schutz der Verwundeten. Vgl. dazu auch Rogers, Law on the Battle­field3, S. 67, 71, der überzeugend von einem menschlichen Instinkt ausgeht, für Verwundete und Sterbende zu sorgen, selbst unter widrigsten (Konflikt-)Bedingungen. 197  Bothe, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht8, S.  845 ff. 187  Kleffner, 188  Vgl.

86

B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

Die Mechanismen, die zur Einhaltung führen, sind dabei vielfältig:198 Art. 1 GK I–IV199 verpflichtet die Staaten, die Bestimmungen des humani­ tären Völkerrechts einzuhalten und ihre Einhaltung sicherzustellen.200 Sie müssen schon in Friedenszeiten die notwendigen Vorkehrungen treffen, d. h. insbesondere für eine adäquate Ausbildung und rechtliche Beratung ihrer Streitkräfte Sorge tragen.201 Insbesondere spielen auch Gegenseitigkeitserwartungen bei der Einhaltung eine wesentliche Rolle:202 Bricht eine Partei die Regeln des humanitären Völkerrechts, sind Vergeltungsaktionen denkbar, bei denen eine bisher konform verhaltende Partei dann ggf. ebenfalls völkerrechtswidrig handelt. Spiegelbildlich dazu wird die Beachtung des humanitären Völkerrechts zumindest auch auf die Erwartung gestützt, dass der Gegner das gleiche Verhalten zeigen wird (Gegenseitigkeitserwartung, Reziprozität).203 Auch die strafrechtliche Sanktionierung Einzelner ist für die Gewährleistung des humanitären Völkerrechts von großer Bedeutung:204 Die Genfer Konventionen (Art. 49 f. GK I, Art. 50 f. GK II, Art. 129 f. GK III, Art. 146 f. GK IV, präzisiert in Art. 11, Art. 85 ff. ZP I) enthalten für die Vertragsstaaten die Verpflichtung, schwere Verstöße („grave breaches“)205 mit den Mitteln des (grundsätzlich nationalen) Strafrechts zu verfolgen.206 Ein schwerer Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht unterfällt in der Regel dem völkerstrafrechtlichen Tatbestand eines Kriegsverbrechens.207 Die Strafbarkeit erfolgt dabei akzessorisch zur (schweren) Übertretung einer Regel des humanidazu Bothe, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht8, S.  845 ff. GK I‑IV: „The High Contracting Parties undertake to respect and to ensure respect for the present Convention in all circumstances.“ 200  v. Arnauld, Völkerrecht4, S. 542; O’Connell, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S.  38 f. 201  O’Connell, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S. 39; v. Arnauld, Völkerrecht4, S. 543. 202  Bothe, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht8, S. 845. 203  Vöneky, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S. 653, 659; Bothe, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht8, S. 818, 845. 204  Vgl. nur Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S.  531 ff.; Vöneky, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S.  661 ff. 205  Vgl. dazu Solis, The Law of Armed Conflict2, S.  101 ff.; Dinstein, The Conduct of Hostilities3, S.  299 f.; Vöneky, in: Fleck, The Handbook of International Humanitar­ ian Law3, S. 661 ff., insb. 671 ff. 206  Kempen/Hillgruber, Völkerrecht2, S. 269; Stein/v. Buttlar/Kotzur, Völkerrecht14, S. 476; A. Zimmermann, ZRP 2002, 97 (98); O’Connell, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S. 41. 207  Vgl. Ambos, Internationales Strafrecht5, S. 289; Esser, Europäisches und Internationales Strafrecht2, S.  410 f.; Krajewski, Völkerrecht2, S. 258, 271; Dinstein, The Conduct of Hostilities3, S. 299; umfassend zu Kriegsverbrechen im Völkerstrafrecht mit den historischen Hintergründen Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S.  521 ff.; auch Cassese, International Criminal Law3, S.  63 ff. 198  Ausführlich 199  Art. 1



II. Der Schutz Verwundeter durch das humanitäre Völkerrecht87

tären Völkerrechts.208 Die eine solche Regel übertretende Person ist unmittelbar selbst verantwortlich.209 Strafrechtlich relevante Völkerstraftaten sind im Allgemeinen heute die völkerstrafrechtlichen Kernverbrechen (die sog. „core crimes“)210 Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und das Verbrechen der Aggression, an deren völkergewohnheitsrechtlicher Geltung nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Spruchpraxis internationaler Gerichte sowie der detaillierten Regelung der Tatbestände im Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs211 kaum vernünftige Zweifel mehr bestehen können.212 Die Verfolgung dieser Verbrechen dient letztlich dem Schutz von Frieden und Sicherheit als höchsten Gütern der internationalen Weltgemeinschaft.213 Während die anderen Kernverbrechen nicht zwingend einen bewaffneten Konflikt voraussetzen, handelt es sich bei Kriegsverbrechen gerade um eine Übertretung des ius in bello im internationalen oder nicht-interna­ tionalen bewaffneten Konflikt.214 Traditionell erfolgte die Durchsetzung des humanitären Völkerrechts und die Verfolgung von Verstößen ausschließlich dezentral durch die einzelnen betroffenen Staaten.215 Eine effektive Aufarbeitung dieser Straftaten ist dabei in hohem Maße vom Willen der jeweiligen Staaten und den dort gegebenen politischen Rahmenbedingungen sowie der Implementierung entsprechender Straftatbestände für Kriegsverbrechen abhängig.216 Nicht selten wird Staaten der politische Wille, zumindest im Hinblick auf die Bestrafung eigener Soldaten, fehlen.217 Vor diesem Hintergrund wurde, nach erfolglosen Ansätzen zur Schaffung eines internationalen Strafgerichts in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts,218 erst mit der Errichtung des IStGH (und z. T. bereits zuvor mit den Ad-hoc-Tribunalen ICTY und ICTR) eine internationale InstituWerle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S. 535. in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S. 38; siehe dazu auch bereits oben, B. II. 1. c). 210  Vgl. dazu etwa Ambos, Internationales Strafrecht5, S.  236 ff. m. w. N. 211  Im Folgenden: IStGH‑Statut. 212  v. Arnauld, Völkerrecht4, S. 612 f. m. w. N. Zumindest für das Verbrechen der Aggression ist dies aber wohl nicht völlig unstrittig. 213  Kempen/Hillgruber, Völkerrecht2, S. 322; Krajewski, Völkerrecht2, S.  262 f. 214  Cassese, International Criminal Law3, S. 66; Crowe/Weston-Scheuber, Principles, S. 167; vgl. ferner auch Solis, The Law of Armed Conflict2, S.  102 ff. 215  Esser, Europäisches und Internationales Strafrecht2, S. 349. 216  Esser, Europäisches und Internationales Strafrecht2, S. 352; Stein/v. Buttlar/ Kotzur, Völkerrecht14, S. 476. 217  Bothe, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht8, S. 851; Stein/v. Buttlar/Kotzur, Völkerrecht14, S. 476. 218  Vgl. dazu Meyer, DRiZ 2011, 19. 208  Vgl.

209  O’Connell,

88

B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

tion zur direkten und wirksamen Durchsetzung auf internationaler Ebene geschaffen.219 Dennoch liegt die Hauptlast bei der Durchsetzung des Völkerstrafrechts auch heute noch bei den nationalen Gerichten, da der IStGH gemäß Art. 17 IStGH‑Statut nur nachrangig tätig wird.220 3. Humanitäres Völkerrecht im deutschen Strafrecht – VStGB Als einzige originär völkerstrafrechtliche Vorschrift stellte bis 2002 der § 220a a. F. StGB das Verbrechen des Völkermordes unter Strafe.221 Davon abgesehen war die Verfolgung von Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht bereits vor Inkrafttreten des VStGB mit den Mitteln des allgemeinen Strafrechts möglich, sofern die Verstöße (auch) den jeweils passenden nationalen Tatbestand erfüllten, beispielweise mittels der §§ 211 ff. StGB bei durch humanitäres Völkerrecht verbotenen Tötungen.222 Indes war diese Art der Verfolgung von Verstößen mit den Mitteln des StGB nur bedingt ge­ eignet:223 Eine Verurteilung nach den allgemeinen Tatbeständen bringt nicht das besondere Unrecht eines Verstoßes gegen humanitäres Völkerrecht (eines „Kriegsverbrechens“ im weiteren Sinne) zum Ausdruck.224 Selbst wenn in der Masse der Fälle eine Strafbarkeit vorlag, so war die unrechtserhöhende Wirkung der Begehung gerade im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt nicht erfassbar.225 Ferner verblieben Lücken für Verstöße, die zwar völkerstrafrechtlich relevant waren, für die das nationale Strafrecht aber keine passenden Delikte bereit hielt, z. B. für die Erklärung, es werde kein Pardon gegeben,226 die völkerrechtswidrige Überführung der eigenen Zivilbevölkerung in besetztes Gebiet227 oder für die Verwendung von nicht zulässigen Waffen bei an sich völkerrechtlich zulässigen Tötungen228.229 Europäisches und Internationales Strafrecht2, S. 352. 220  v. Arnauld, Völkerrecht4, S. 621. 221  Werle/Jeßberger, JZ 2002, 725 (726). 222  Vgl. Werle, in: MüKo-StGB3, Einl. VStGB Rn. 27, 29. 223  Werle/Nerlich, HuV-I 2002, 124 (124); vgl. auch Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht9, S. 445. 224  BT-Drucksache 14/8524, S. 12; Werle, JZ 2001, 885 (886); ders., JZ 2000, 755 (757); ebenso auch Grundmann, in: Jeßberger/Geneuss, Zehn Jahre Völkerstrafgesetzbuch, S. 35 (37); Keller, in: Jeßberger/Geneuss, Zehn Jahre Völkerstrafgesetzbuch, S. 141 (154); Kreß, Vom Nutzen eines deutschen Völkerstrafgesetzbuchs, S.  15 ff.; Satzger, NStZ 2002, 125 (126); Weigend, in: GS Vogler, S. 197 (201 f.); Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S.  218 f. 225  BT-Drucksache 14/8524, S. 12; Satzger, NStZ 2002, 125 (126); Werle/Nerlich, HuV-I 2002, 124 (124); Werle/Jeßberger, JZ 2002, 725 (726). 226  BT-Drucksache 14/8524, S. 12. 227  BT-Drucksache 14/8524, S. 12; Kreß, Vom Nutzen eines deutschen Völkerstrafgesetzbuchs, S. 13. 219  Esser,



II. Der Schutz Verwundeter durch das humanitäre Völkerrecht89

Erst mit dem Völkerstrafgesetzbuch von 2002 hat der deutsche Gesetzgeber die Voraussetzungen für eine effektive Verfolgung von Kriegsverbrechen mit Mitteln des deutschen Strafrechts geschaffen und damit die Möglichkeiten zur nationalen Durchsetzung des Völkerstrafrechts erheblich verbessert.230 Dabei setzt das VStGB das IStGH‑Statut möglichst vollständig in deutsches Recht um.231 Es kann vor diesem Hintergrund treffend als „nationale Kodifikation internationalen Rechts“232 beschrieben werden,233 wenngleich keine völlig deckungsgleiche Umsetzung in das nationale Recht erfolgte.234 Mit dem VStGB verfolgt der Gesetzgeber vor allem das Ziel,235 das „spezifische Unrecht der Verbrechen gegen das Völkerrecht“ durch deutsches Strafrecht zu erfassen.236 Weitere Ziele waren die Förderung der Rechtsklarheit durch die Normierung der Tatbestände in einem einheitlichen VStGB sowie die Förderung und Verbreitung des humanitären Völkerrechts durch die Schaffung eines nationalen Regelwerks.237 Ferner wird auch dem Grundsatz der Komplementarität aus Art. 1 i. V. m. Art. 17–20 IStGH‑Statut Rechnung getragen: Demnach hat die nationale Strafverfolgung Vorrang, der IStGH hat lediglich eine „Reservezuständigkeit“ für den Fall, dass der jeweilige Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Völkerstraftaten angemessen zu verfolgen.238 Mit dem VStGB sollte Deutschland in die Lage versetzt werden, Verstöße selbst, d. h. ohne den IStGH, effektiv zu verfolgen.239 Zwar 228  Kreß, Vom Nutzen eines deutschen Völkerstrafgesetzbuchs, S. 17; Darge, Kriegsverbrechen, S.  13 f. 229  Mit weitere Beispielen Werle/Nerlich, HuV-I 2002, 124 (124, 133); vgl. ferner Werle JZ 2000, 755 (757); zu den Strafbarkeitslücken im Einzelnen auch ders., in: MüKo-StGB3, Einl. VStGB Rn. 26 ff.; Kreß, Vom Nutzen eines deutschen Völkerstrafgesetzbuchs, S.  12 ff. m. w. N.; Satzger, NStZ 2002, 125 (126); ders., Internationales und Europäisches Strafrecht9, S. 445; Werle/Jeßberger, JZ 2002, 725 (726); Weigend, in: GS Vogler, S. 197 (202); BT-Drucksache 14/8524, S. 12. 230  Satzger, NStZ 2002, 125 (132); Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S. 218; zur Entstehungsgeschichte des Völkerstrafrechts und zum wechselhaften deutschen Verhältnis dazu vgl. Werle, in: MüKo-StGB3, Einl. VStGB Rn. 4 ff. 231  Werle, in: MüKo-StGB3, Einl. VStGB Rn. 37. 232  Weigend, in: GS Vogler, S. 197 (Titel). 233  Darge, Kriegsverbrechen, S. 15. 234  Vgl. Werle, in: MüKo-StGB3, Einl. VStGB Rn. 37  ff.; ders., JZ 2001, 885 (887 ff.). 235  Eine ausführliche Auseinandersetzung mit den gesetzgeberischen Zielen bietet Kuhli, Das Völkerstrafgesetzbuch, S. 55 ff. 236  BT-Drucksache 18/8524, S. 12. 237  BT-Drucksache 18/8524, S. 12. 238  Werle, in: MüKo-StGB3, Einl. VStGB Rn. 2. 239  BT-Drucksache 18/8524, S. 12.

90

B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

ist das deutsche VStGB formell deutsches Recht, indes sind bei seiner Auslegung stets die völkerrechtlichen Normen, in denen die Regelungen des VStGB ihren Ursprung haben, zu beachten.240 Das VStGB vollzieht im Bereich der Kriegsverbrechen die neuere Entwicklung des humanitären Völkerrechts nach,241 so wird etwa auf die traditionelle Trennung von internationalem bewaffneten Konflikt und nicht-internationalem bewaffneten Konflikt, in deutlicher Abweichung zum IStGH‑Statut, weitestgehend verzichtet.242 Die Schutzzwecke der Normen des VStGB, die Verstöße gegen das ius in bello unter Strafe stellen, folgen den entsprechenden Schutzzielen des humanitären Völkerrechts, da die Vorschriften des VStGB letztlich auch dessen Durchsetzung dienen.243 Dabei ist für die einzelnen Tatbestände übergreifend, wenngleich mit verschiedenen Schwerpunkten,244 hier sowohl von einer starken Individualschutzkomponente245 als auch dem Schutz überindividueller Interessen, im Sinne eines „Friedensschutzes“ durch Einhegung des Kon­ flikts,246 auszugehen.247 Dies gilt insbesondere für die Kriegsverbrechen nach § 8 VStGB, die unmittelbar Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht unter Strafe stellen. Das VStGB besteht aus einem Allgemeinen Teil (§§ 1 bis 5) und einem Besonderen Teil (§§ 6 ff.), der die Straftaten gegen das Völkerrecht enthält. Gemäß § 2 VStGB gilt allgemeines Strafrecht, sofern das VStGB keine speziellen Regelungen trifft: So finden u. a. die allgemeinen Regeln des StGB zum Vorsatz und zu Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen auch in: MüKo-StGB3, Einl. VStGB Rn. 43. S. 12. 242  Ambos, in: MüKo-StGB3, Vorbem. § 8 VStGB Rn. 17; Werle, in: MüKo-StGB3, Einl. VStGB Rn.  55 ff.; Esser, Europäisches und Internationales Strafrecht2, S. 424; Richter, HRRS 2012, 28 (30 f.); Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht9, S. 447. 243  Mithin ergibt sich die Notwendigkeit, die Regeln des humanitären Völkerrechts und die Normen des IStGH‑Statuts bei der Auslegung des VStGB zu berücksichtigen, vgl. Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S. 223; vgl. ferner auch ebd., S. 535. 244  Vgl. im Einzelnen zu den jeweils geschützten Rechtsgütern für die völkerstrafrechtlichen Kernverbrechen Safferling, Internationales Strafrecht, S. 160 f., 184 ff., 222 f., 254. 245  Ambos, Internationales Strafrecht5, S. 289; Safferling, Internationales Strafrecht, S.  222 f. 246  Ambos, Internationales Strafrecht5, S. 289; Keller, in: Jeßberger/Geneuss, Zehn Jahre Völkerstrafgesetzbuch, S. 141 (153 ff.); Stein/v. Buttlar/Kotzur, Völkerrecht14, S. 453, siehe auch oben B. II. 1. a). 247  Vgl. für die Kriegsverbrechen der §§ 8–12 VStGB Ambos, in: MüKo-StGB3, Vorbem. § 8 VStGB Rn. 3; ders., Internationales Strafrecht5, S. 289; ferner auch Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht9, S. 323, 429; allgemein Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S.  46 ff.;  542 f. 240  Werle,

241  BT-Drucksache 14/8524,



III. Strafbarkeit nach StGB oder VStGB91

bei den VStGB-Delikten Anwendung.248 Die einzelnen Straftatbestände in §§ 6–14 VStGB entsprechen im Wesentlichen den Völkerstraftaten der Art. 6–8 IStGH‑Statut, gehen z. T. aber über diese hinaus.249 Neben den Tatbeständen des VStGB bleiben die Straftatbestände des StGB anwendbar, treten aber in der Regel im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter die speziellere VStGB-Normen zurück.250 4. Zwischenergebnis: Humanitäres Völkerrecht und der „Gnadenschuss“ Es wurde festgestellt, dass die Tötung verwundeter Soldaten grundsätzlich gegen die Regeln des humanitären Völkerrechts verstößt. Die gemischt individualschützende und friedenssichernde, konflikteinhegende Schutzrichtung des humanitären Völkerrechts wurde herausgestellt. Die Tötung eines Verwundeten ist grundsätzlich als Kriegsverbrechen zu verfolgen. In Deutschland stellt § 8 Abs. 1 Nr. 1 des VStGB solche Kriegsverbrechen unter Strafe. Diese Norm wird bei der Beurteilung eines „Gnadenschusses“ von maßgeblicher Bedeutung sein.

III. Strafbarkeit nach StGB oder VStGB Für die „Gnadenschuss“-Fälle kommt eine Strafbarkeit nach verschiedenen Strafnormen in Betracht. Die Tötung einer nach humanitärem Völkerrecht geschützten Person ist grundsätzlich nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB als „Kriegsverbrechen gegen Personen“ strafbar. Ferner kommt aber auch eine Strafbarkeit nach den Tötungsdelikten des allgemeinen Strafrechts in Betracht, namentlich gemäß §§ 211, 212 bzw. § 213 StGB. Verlangt der Verwundete die Tötung, ist ggf. § 216 StGB einschlägig. Im Folgenden sollen zunächst (1.) die Voraussetzungen der gegebenenfalls einschlägigen Normen kurz herausgearbeitet werden und sodann (2.) ihr Verhältnis zueinander untersucht werden, um die anwendbare Norm für die verschiedenen denkbaren Fallkonstellationen zu bestimmen und im weiteren Verlauf eine vertiefte Prüfung vorzunehmen, (Kapitel C. und D.)

Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S.  220 f.; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht9, S. 446 f., 449; ausf. zu § 2 VStGB im Einzelnen Weigend, in: MüKo-StGB3, § 2 VStGB Rn. 8 ff. 249  Safferling, Internationales Strafrecht, S. 322 f. 250  BT-Drucksache 18/8524, S. 13 f.; vgl. dazu ausführlich unter B. III. 2. 248  Vgl.

92

B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

1. Einschlägige Straftatbestände a) §§ 211, 212, 213 StGB In jeder denkbaren Fallkonstellation des „Gnadenschusses“ tötet der Täter vorsätzlich einen Menschen. Er verwirklicht damit den Tatbestand des Totschlages, § 212 StGB. Angesichts der tragischen Umstände einer solchen Tat und der regelmäßig gegebenen Mitleidsmotivation des Täters wäre in Fällen, wie sie oben dargestellt wurden, wohl von einem minder schweren Fall des Totschlags, § 213 StGB, auszugehen: Nach der Rechtsprechung des BGH können unter die unbenannten minder schweren Fälle des § 213 Alt. 2 StGB auch Tötungen aus ehrlichen Mitleidsmotiven fallen.251 Dies wird beim „Gnadenschuss“ i. d. R. der Fall sein. Grundsätzlich droht dann eine Freiheitsstrafe zwischen einem und zehn Jahren. Zumindest denkbar ist ferner, dass beim „Gnadenschuss“ ein oder mehrere Mordmerkmale vorliegen. In solchen Fällen wäre der Täter wegen Mordes mit lebenslanger Haft zu bestrafen, § 213 StGB findet dann keine Anwendung.252 Eine vertiefte Auseinandersetzung mit den §§ 211, 212 StGB kann an dieser Stelle aber zurückgestellt werden, wenn im StGB und VStGB mit § 216 StGB und § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB speziellere Tatbestände existieren, die im Falle eines „Gnadenschusses“ erfüllt sein können: b) § 216 StGB aa) Erfüllung des Tatbestandes des § 216 StGB beim „Gnadenschuss“ Wer einen anderen Menschen auf dessen ernstliches und ausdrückliches Verlangen hin tötet, wird gemäß § 216 Abs. 1 StGB wegen Tötung auf Verlangen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Nach der Rechtsprechung handelt es sich bei § 216 StGB um einen eigen27, 298 (299); vgl. Schneider, in: MüKo-StGB3, § 213 Rn. 46; Eser/ Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, § 213 Rn. 13a. 252  So die h. M.: BGH, Beschluss vom 7. Februar 2017 – 5 StR 9/17 (juris); BGHSt 30, 105 (120); Hilgendorf, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht BT3, S. 82; Schneider, in: MüKo-StGB3, § 213 Rn. 2; Mitsch, in: AnwK-StGB3, § 213 Rn. 4; ders., JuS 1996, 121 (121); T. Fischer, StGB67, § 213 Rn. 2; Kühl, in: Lackner/ Kühl29, Vor § 211 Rn. 23; Rissing-van Saan/Zimmermann, in: LK-StGB12, § 213 Rn. 3; Eser, in: S/S-StGB30, § 213 Rn. 3; Sinn, in: SK-StGB9, § 213 Rn. 2; a. A. aber Neumann, in: NK-StGB5, § 213 Rn. 4; ders., in: FS Eser, 2005, 431 (431 ff., zusf. 442); wohl auch Momsen, in: S/S/W-StGB5, § 213 Rn. 2. 251  BGHSt



III. Strafbarkeit nach StGB oder VStGB93

ständigen Straftatbestand,253 nach herrschender Lehre um eine unselbständige Privilegierung.254 Die Auswirkungen dieser divergierenden Ansichten sind sehr begrenzt255 und für die vorliegende Untersuchung unerheblich. Grund der erheblich gemilderten Strafandrohung sind nach überwiegender Meinung das verminderte Unrecht der Tat in Folge der suizidähnlichen „Einwilligung“ des Getöteten sowie die verminderte Schuld des Täters aufgrund einer Mitleidsmotivation bzw. seiner Konfliktlage256.257 Dabei entfaltet § 216 StGB nach h. M. als abschließende Spezialnorm eine Sperrwirkung gegenüber den §§ 211 ff. StGB.258 Ob diese Sperrwirkung auch für das Kriegsverbrechen der Tötung gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB gilt, wenn der Täter das Opfer auf dessen Verlangen hin im Kontext einer Extremsituation im bewaffneten Konflikt tötet, wird noch zu klären sein.259

253  BGHSt 2, 258 (258 ff.); BGHSt 13, 162 (165); so aber auch Eser/SternbergLieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 211 ff. Rn. 7, § 216 Rn. 2; Knauer/Brose, in: Spickhoff, Medizinrecht3, § 216 StGB Rn. 2. 254  Klesczewski, BT, S. 57, 106; Kühl, in: Lackner/Kühl29, Vor § 211 Rn. 24; Maurach/Schroeder/Mailwald, BT 111, S. 34; Momsen, in: S/S/W-StGB5, § 216 Rn. 3; Neumann, in: NK-StGB5, Vor § 211 Rn. 164; Otto, Grundkurs Strafrecht7, S. 32; Rissing-van Saan, in: LK-StGB12, § 216 Rn. 8; Rengier, BT II21, S. 7, 58; Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 1; Sinn, in: SK-StGB9, § 216 Rn. 2; Wessels/Hettinger/ Engländer, BT 143, S. 7. 255  Vgl. dazu Eser/Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 211 ff. Rn. 7; Neumann, in: NK-StGB5, Vor § 211 Rn. 164, § 216 Rn. 4; Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 1 Fn. 1. 256  Dass letzterer Punkt nicht unproblematisch ist, wenden zu Recht insb. Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 1 und Sinn, in: SK-StGB9, § 216 Rn. 2 ein. Schließlich werden Mitleidsmotivation und innere Konfliktlage zwar nahezu immer vorliegen – indes ist dies gerade keine notwendige Voraussetzung einer Tötung auf Verlangen, vgl. dazu auch B. III. 1. b) aa) (2). 257  Vgl. nur Eser/Sternberg-Lieben in: S/S-StGB30, § 216 Rn. 1; Kühl, in: Lackner/ Kühl29, § 216 Rn. 1; Rengier, BT II21, S. 57; Momsen, in: S/S/W-StGB5, § 216 Rn. 3; Wessels/Hettinger/Engländer, BT 143, S. 37; Mitsch, JuS 1996, 309 (309 f.); Kindhäuser/Hilgendorf, LPK-StGB8, § 216 Rn. 1; Kindhäuser/Schramm, BT I9, S.  68 f.; Küpper/Börner, BT 14, S. 30; Klesczewski, BT, S. 106 f.; Wenkel, in: HK-GS4, § 216 Rn. 2. 258  BGHSt 2, 258 (258); RGSt 53, 293 (294); Eschelbach, in: BeckOK StGB48, § 216 Rn. 1; Wenkel, in: HK-GS4, § 216 Rn. 2; Sinn, in: SK-StGB9, § 216 Rn. 22; Hilgendorf, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht BT3 S. 100; Maurach/ Schroeder/Maiwald, BT 111, S.  63 f.; Momsen, in: S/S/W-StGB5, § 216 Rn. 20; Neumann/Saliger, in: NK-StGB5, § 216 Rn. 22; Kühl, in: Lackner/Kühl29, § 216 Rn.  1, Vor § 211 Rn. 24; Rengier, BT II21, S. 58; Rissing-van-Saan, in: LK-StGB12, § 216 Rn. 8; Eser/Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, § 216 Rn. 2, 19; Gössel/Dölling, BT 12, S. 15. 259  Vgl. dazu B. III. 2.

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B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

(1) Tötung Im Rahmen des § 216 StGB tötet der Täter einen anderen Menschen, für die Tötungshandlung gelten die Maßstäbe des § 212 StGB.260 Voraussetzung ist also ein beliebiges Verhalten des Täters, dass den Tod eines anderen Menschen herbeiführt.261 Bittet ein schwerstverwundeter Soldat seinen Kameraden um den „Gnadenschuss“, und erfüllt letzterer ihm diese Bitte, so ist auch der Tatbestand des § 216 StGB insoweit erfüllt. (2) Durch ausdrückliches und ernstliches Verlangen bestimmt In Abgrenzung zu § 212 StGB ist ferner ein ernstliches und ausdrückliches Verlangen erforderlich, durch das der Täter zur Tötung bestimmt wird. Dieses muss objektiv vorliegen262 und auch im Augenblick der Tathandlung noch fortbestehen.263 Der Adressat des Verlangens muss keine konkret bestimmte Person sein,264 Ausreichend ist, dass der Täter zum angesprochenen potentiellen Täterkreis gehört,265 dabei können grundsätzlich sogar unspezifische Aufforderungen an die „Allgemeinheit“ genügen.266 Dies ist etwa denkbar bei einem Verwundeten, der alle in Hörweite Befindlichen um Erlösung von seinen Qualen anfleht.267 Ist indes eine bestimmte Person oder ein bestimmter Personenkreis (etwa: „die Kameraden“) näher bestimmter Adressat des Verlangens, so kann die Privilegierung Außenstehenden nicht zu Gute kommen.268 Entsprechendes gilt ebenso für andere, an das Verlangen ge-

in: NK-StGB5, § 216 Rn. 5. Zur Abgrenzung von der Suizidteilnahme vgl. etwa T. Fischer, StGB67, § 216 Rn. 4 ff.; Neumann/Saliger, in: NKStGB5, Vor § 211 Rn. 50 ff., § 216 Rn. 5 ff.; Sinn, in: SK-StGB9, § 216 Rn. 10 ff. 261  T. Fischer, StGB67, § 216 Rn. 4. 262  Gierhake GA 2012, 291 (300 f.); Eser/Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, § 216 Rn. 4; Kühl, in: Lackner/Kühl29, § 216 Rn. 5; Neumann/Saliger, in: NK-StGB5, § 216 Rn. 17; Küper, Jura 2007, 260 (263); Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 54. 263  Wessels/Hettinger/Engländer, BT 143, S. 38. 264  Eser/Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, § 216 Rn. 6; Sinn, in: SK-StGB9, § 216 Rn. 7; Momsen, in: S/S/W-StGB5, § 216 Rn. 8; Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 15. 265  Momsen, in: S/S/W-StGB5, § 216 Rn. 8. 266  Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 15; Eser/Sternberg-Lieben, in: S/SStGB30, § 216 Rn. 6. 267  Vgl. explizit unter Bezugnahme auf verwundete Soldaten Blass, Die Tötung des Verlangenden, S. 32. 268  Vgl. Eser/Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, § 216 Rn. 6; Rissing-van Saan, in: LK-StGB12, § 216 Rn. 18; Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 15 f.; Sinn, in: SKStGB9, § 216 Rn. 7. 260  Neumann/Saliger,



III. Strafbarkeit nach StGB oder VStGB95

knüpfte Bedingungen,269 etwa für erhebliche Abweichungen hinsichtlich der Tötungsmodalitäten:270 Ist z. B. ein Tod durch eine Überdosierung Morphium gewünscht, wäre das Erschießen nicht von § 216 StGB gedeckt.271 In der Praxis werden hier die Umstände des Einzelfalles maßgeblich sein: In den angesprochenen Fällen wird es dem Verwundeten in der Regel darauf ankommen, dass er möglichst schnell und schmerzlos aus dem Leben scheidet, nicht auf die konkret ausführende Person oder Methode, wenngleich dies freilich nicht ausnahmslos gelten wird.272 Ein „Verlangen“ erfordert mehr als ein bloße Einwilligung,273 das Opfer muss aktiv und zielgerichtet auf die Tötungsmotivation des Täters einwirken.274 Zwar schadet es nicht, wenn die erste Initiative vom Täter ausgeht (als „Anregung“ zur Tötung),275 jedoch muss das „Verlangen“ des Opfers über ein bloßes hinnehmendes Einverständnis bzw. eine passive Duldung der Tötung hinausgehen.276 Das Verlangen muss dabei ausdrücklich sein. Auch ein Verlangen in Frageform kann ausreichen.277 Ein ausdrückliches Verlangen bedeutet indes nicht zwingend „wörtlich“, sondern liegt auch bei unmissverständlichen Ge-

269  Vgl. BGH NJW 1987, 1092 (1092): „Weder der Wortlaut noch der Zweck dieser Vorschrift gebietet die Beschränkung der Privilegierung auf ein bedingungsfreies Verlangen.“, dazu die Anmerkung von Kühl, JR 1988, 338 (339); vgl. ferner auch ders., Jura 2010, 81 (85); ebenso Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 16; Wessels/ Hettinger/Engländer, BT 143, S. 38. 270  Kühl, Jura 2010, 81 (85); Eser/Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, § 216 Rn. 6; Neumann/Saliger, in: NK-StGB5, § 216 Rn. 11 f.; Sinn, in: SK-StGB9, § 216 Rn. 5; Wessels/Hettinger/Engländer, BT 143, S. 38; Ziethen, ZIS 2007, 371 (372). 271  Vgl. Eser/Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, § 216 Rn. 6; Kindhäuser/Schramm, BT I9, S. 70; Krey/Hellmann/Heinrich, BT 116, S. 43; Kühl, Jura 2010, 81 (85); Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 16, Sinn, in: SK-StGB9, § 216 Rn. 5; Wessels/ Hettinger/Engländer, BT 143, S. 38; Ziethen, ZIS 2007, 371 (372). 272  Denkbar wäre etwa, dass der Sterbende eine besondere Beziehung zu einem seiner Kameraden hat und wünscht, gerade bzw. nur von diesem getötet zu werden. 273  BGHSt 50, 80 (92); RGSt 68, 306 (307); Eser/Sternberg-Lieben, in: S/SStGB30, § 216 Rn. 5; T. Fischer, StGB67, § 216 Rn. 7a; Neumann/Saliger, in: NKStGB5, § 216 Rn. 10; Rissing-van Saan, in: LK-StGB12, § 216 Rn. 17; Wessels/Hettinger/Engländer, BT 143, S. 37, jeweils m. w. N. 274  T. Fischer, StGB67, § 216 Rn. 7a; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 111, S. 64; Rengier, BT II21, S. 59; Neumann/Saliger, in: NK-StGB5, § 216 Rn. 10; Eser/Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, § 216 Rn. 5. 275  Hilgendorf, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht BT3, S. 101; Sinn, in: SK-StGB9, § 216 Rn. 5. 276  T. Fischer, StGB67, § 216 Rn. 7a; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 111, S. 64. 277  BGH NJW 1987, 1092 (1092); dazu Anmerkung Kühl, JR 1988, 338 (338 f.); ferner ders., Jura 2010, 81 (85).

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B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

bärden und Gesten vor,278 so etwa, wenn das Opfer nicht mehr in der Lage ist, sich zu artikulieren – hier kommt es auf die Äußerungsmöglichkeiten im Einzelfall an:279 Maßgeblich ist, dass der Täter den Sterbewunsch des Opfers nicht verkennen kann, das Tötungsverlangen also eindeutig ist,280 da im Verhalten des Opfers „das Gewollte einen klaren, nicht mißzuverstehenden unmittelbaren Ausdruck“281 findet.282 Eine dahingehende Interpretation muss jeweils anhand des Gesamtzusammenhangs aller Umstände erfolgen.283 Gerade bei Verwundungen auf dem Schlachtfeld sind viele Situationen denkbar, in denen der Verwundete sich, aufgrund verschiedenster Umstände, nicht mehr wörtlich äußern kann – hier genügen dann unzweideutige Gebärden.284 Ferner muss das Verlangen ernstlich sein. Ernstlich in diesem Sinne erfordert jedenfalls eine fehlerfreie Willensbildung.285 Die Willensbildung kann etwa bei Unfreiwilligkeit, arglistiger Täuschung, vorgespiegelten Tatsachen oder psychischen Störungen fehlerhaft sein.286 Das Fehlen von Willensmängeln soll nach der Rechtsprechung des BGH zwar notwendiges, aber nicht hinreichendes Kriterium für die Ernstlichkeit des Tötungsverlangens sein.287 Auch bei fehlerfreier Willensbildung wird darüber hinaus eine tiefere, überlegte Reflexion des Todeswunsches verlangt.288 Nicht ausreichend sind etwa beiläufige oder leichthin geäußerte Tötungsverlangen,289 solche unter Einfluss von Alkohol oder Drogen,290 oder Äußerungen in Augenblickstimmungen aufgrund oberflächlicher, depressiver Phasen ohne „innere Festigkeit“.291 Auch Motivirrtümer des Opfers, etwa über Sinn und Qualität seines Weiter278  AG

Berlin-Tiergarten, MedR 2006, 298 (299); T. Fischer, StGB67, § 216 Rn. 8. in: NK-StGB5, § 216 Rn. 13; Sinn, in: SK-StGB9, § 216

279  Neumann/Saliger,

Rn. 8.

in: NK-StGB5, § 216 Rn. 13. 57, 379 (391). 282  Gössel/Dölling, BT 12, S. 99. 283  Safferling, in: M/R-StGB2, § 216 Rn. 8. 284  Explizit für den Fall eines Verwundeten auf dem Schlachtfeld v. Holtzendorff, Handbuch des deutschen Strafrechts, Bd. 3, S. 445; sehr ähnlich auch Maurach/ Schroeder/Maiwald, BT 111, S. 64 mit dem Beispiel der Gebärde eines verwundeten Feindes, der der Sprache des Täters nicht mächtig ist. 285  BGHSt 50, 80 (82); BGH NJW 1981, 932 (932); BGH NStZ 2011, 340 (340); BGH NStZ 2012, 85 (86); T. Fischer, StGB67, § 216 Rn. 9; Rengier, BT II21, S. 59. 286  Vgl. nur T. Fischer, StGB67, § 216 Rn. 9; Mitsch, in: AnwK-StGB3, § 216 Rn. 9. 287  BGH NStZ 2011, 340 (341). 288  BGH NStZ 2011, 340 (340). 289  Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 19. 290  T. Fischer, StGB67, § 216 Rn. 9a; vgl. BGH NStZ 2012, 85 (86). 291  BGH NStZ 2012, 85 (86); BGH NStZ 2011, 340; Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 19. 280  Neumann/Saliger, 281  RGSt



III. Strafbarkeit nach StGB oder VStGB97

lebens, können die Ernstlichkeit des Verlangens ausschließen.292 Für die „Gnadenschuss“-Fälle ist ferner besonders relevant, dass die Ernstlichkeit des Verlangens nicht allein deshalb verneint werden kann, weil es unter dem Eindruck eines mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht beherrschbaren Schmerzzustandes zustande gekommen ist.293 Die Schmerzen sind Umstände der Situation, auf die der Betroffene mit seinem Tötungsverlangen reagiert und nicht etwa Indikatoren für eine fehlerhafte Willensbildung.294 Genauso wenig kann allein die erhöhte (auch psychische) Belastung im bewaffneten Konflikt die Ernstlichkeit eines Tötungsverlangens per se ausschließen.295 Das Opfer muss den Täter durch das ernstliche und ausdrückliche Verlangen zur Tat bestimmt haben. Eine Privilegierung durch § 216 StGB scheidet aus, wenn dieser ohnehin bereits zur Tat entschlossen war,296 oder aber das Verlangen nicht, als der wesentliche Beweggrund zur Tat, „handlungsleitend“ war.297 Vor allem letzteres wird im Bereich der „Gnadenschüsse“ jedenfalls dann aufmerksam zu prüfen sein, wenn der Verwundete aus Sicht des Täters einer feindlichen Konfliktpartie angehört – Erfolgt hier die Tat gerade aufgrund des Tötungsverlangens des verwundeten „Feindes“? Über die Bestimmung zur Tat durch das Verlangen des Opfers hinaus ist keine Mitleidsmotivation erforderlich (wenngleich diese in der Regel vorliegen wird).298 In irgendeiner Weise „ethisch hochwertig“ braucht die Tat nicht zu sein, maßgeblich ist nur, dass der Täter die „Einwilligung“ des Opfers zum Anlass nimmt.299

in: NK-StGB5, § 216 Rn. 14; Sinn, in: SK-StGB9, § 216 Rn. 9; Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 22 f.; Mitsch, in: AnwK-StGB3, § 216 Rn. 9; Eschelbach, in: BeckOK-StGB48, § 216 Rn. 11. 293  Vgl. Neumann/Saliger, in: NK-StGB5, § 216 Rn. 14; Eser/Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, § 216 Rn. 8; Mitsch, in: AnwK-StGB3, § 216 Rn. 9. 294  Neumann/Saliger, in: NK-StGB5, § 216 Rn. 14. 295  Vgl. dazu auch B. III. 2. a) aa) (1). 296  RGSt 68, 306 (307); T. Fischer, StGB67, § 216 Rn. 10; Sinn, in: SK-StGB9, § 216 Rn. 6; Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 24; Wessels/Hettinger/Engländer, BT 142, S. 59. 297  BVerfG NJW 2009, 1061 (1061 f.); BGHSt 50, 80 (91 f.); T. Fischer, StGB67, § 216 Rn. 10; Rissing-van Saan, in: LK-StGB12 § 216 Rn. 23; Sinn, in: SK-StGB9, § 216 Rn. 6; Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 26 ff.; Wessels/Hettinger/Engländer, BT 143, S. 38, jeweils m. w. N.; kritisch aber Mitsch, ZIS 2007, 197 (199). 298  Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 1. 299  Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 1. 292  Neumann/Saliger,

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B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

(3) Subjektiver Tatbestand Subjektiv setzt § 216 StGB Vorsatz300 voraus, der sich insbesondere auch auf das Verlangen des Opfers und dessen Ernstlichkeit beziehen muss.301 Bei irriger Annahme der privilegierenden Tatbestandsmerkmale des § 216 StGB kann der Täter aufgrund des § 16 Abs. 2 StGB nur wegen Tötung auf Verlangen bestraft werden.302 (4) Rechtsfolge Sofern er nicht ausnahmsweise gerechtfertigt oder entschuldigt ist,303 wird der Täter einer Tötung auf Verlangen gemäß § 216 StGB mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände und der Belastung des Täters im „Gnadenschuss-Fall“ dürfte, so es denn zu einer Verurteilung kommt, wohl von einer Strafe am unteren Ende des Strafmaßes auszugehen sein. Auf die bei § 216 StGB stattdessen in Betracht kommenden Möglichkeiten eines Absehens von Strafe i. S. d. § 60 StGB oder einer Einstellung nach §§ 153 ff. StPO wird im Folgenden noch eingegangen.304 bb) Legitimation und Schutzzweck Auf den ersten Blick schwer erklärlich ist die unterschiedliche Behandlung der straflosen Teilnahme am fremden Suizid und der strafbaren Fremdtötung auf Verlangen des Opfers (§ 216 StGB). Bevor mögliche Ausnahmen von der Strafbarkeit bei grundsätzlich erfülltem Tatbestand untersucht werden können, sei die Frage aufgeworfen, wie sich eine solche, die Autonomie des Einzelnen beschränkende, Norm überhaupt legitimiert. Warum ist das Leben desjenigen zu schützen, der darum bittet, getötet zu werden? Wenn der Lebensschutz gegen den erklärten Willen des Rechtsguts300  Nach dem Wortlaut genügt jede Vorsatzform. Indes soll in bestimmten Konstellationen der Sterbehilfe eine Strafbarkeit nach ganz h. M. nur bei direktem Vorsatz gegeben sein. Straflos ist die „indirekte Sterbehilfe“, die den Tod jedenfalls nicht absichtlich herbeiführt, bei welcher die Lebensverkürzung also nur (unbeabsichtigte) Nebenfolge der Schmerzlinderung ist. Vgl. dazu auch oben, A. II. 2. b). 301  T. Fischer, StGB67, § 216 Rn. 11. 302  Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 55; vgl. ausführlich zu § 16 Abs. 2 StGB Gierhake, GA 2012, 291 (302 ff.) sowie Küper, Jura 2007, 260 (260 ff.); vgl. hierzu auch E. II. 2. a) aa). 303  Dazu im Folgenden, C. I. 304  Siehe dazu C. I. 4. a) und C. I. 4. b).



III. Strafbarkeit nach StGB oder VStGB99

inhabers erfolgt, kommen grundsätzlich nur zwei Ebenen in Betracht, auf denen dies zu begründen wäre: –– Auf Ebene des Individuums müsste von der Verfügung über unantastbare Güter oder von einer (drohenden) Mangelhaftigkeit des Willens ausgegangen werden. –– Alternativ könnte die verlangte Tötung die Interessen Dritter berühren, sodass eine rechtfertigende Einwilligung schon deshalb nicht möglich ist. Damit sind die zwei wesentlichen Strömungen in der rechtswissenschaft­ lichen Diskussion benannt: Eine individuell-paternalistische und eine über­ individuelle-tabuisierende Begründung. (1) Individuell-paternalistische Legitimation Teilweise wird § 216 StGB als Ausprägung eines paternalistischen Schutzgedankens unterschiedlicher Reichweite verstanden, wobei sich die Begründungen im Einzelnen z. T. erheblich unterscheiden.305 Dabei dient die Strafbarkeit letztlich dem Zweck, den Einzelnen vor der Verletzung seiner Lebensinteressen durch sich selbst zu schützen.306 Eine starke Ansicht (insb. Roxin) knüpft die Ungleichbehandlung von Selbsttötung und einverständlicher Fremdtötung an ein postulierte Defizite bei verlangten Fremdtötungen an.307 Demnach soll die Selbsttötung ein hö305  Vgl. hier nur exemplarisch Roxin, NStZ 1987, 345 (347 ff.); Jakobs, in: FS Kaufmann, S. 459 (467 f.); ders., Tötung auf Verlangen, S. 22 ff.; Roxin/Greco, AT I5, S.  40 f., 667 f. Pawlik, in: FS Wolter, S. 627 (639 ff.); ders., in: Becker/Roth, Das Recht der Älteren, S. 127 (155  ff.); ders., Das Unrecht des Bürgers, S. 229  ff., insb. 232; R. Merkel, in: Hegselmann/Merkel, Zur Debatte über Euthanasie, S. 71 (82 ff., insb. 86 f.); primär auch ders., Früheuthanasie, S. 408 ff., 418, 425 ff.; Chatzikostas, Disponibilität, S. 265 ff., 324 ff.; Hoerster, NJW 1986, 1786 (1789); Kubiciel, JA 2011, 86 (90 f.); auch v. Hirsch/Neumann, GA 2007, 671 (671 ff.); weitere Nachweise zu den einzelnen Argumentationslinien im Folgenden und etwa bei Kühl, in: Lackner/Kühl29, § 216 Rn. 1. 306  Vgl. Neumann/Saliger, in: NK-StGB5, § 216 Rn. 1 m. w. N. 307  Vgl. Roxin, in: 140 Jahre GA, S. 177 (184); sowie ders., Täterschaft und Tat­ herrschaft10, S. 639: „Denn viele haben sich die Pistole schon an die Schläfe gesetzt, aber wenige haben den Mut gehabt abzudrücken“; ferner ders., in: Roxin/Schroth, Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (117); ders., NStZ 1987, 345 (347 f.); ders., in: FS Jakobs, S. 571 (577); Roxin/Greco, AT I5, S. 667 f.; ähnlich Duttge, ZfL 2004, 30 (35); Engisch, in: FS Dreher, S. 309 (317 f.); Kindhäuser/Schramm, BT I9, S.  68 f.; Verrel, JZ 1996, 224 (226); Dorneck u. a., AMHE-SterbehilfeG, S. 57 mit ähnlichen Erwägungen; vgl. auch Schmitt, in: FS Maurach, S. 113 (118); Chatzikostas, Disponibilität, S.  265 ff., 324 ff.; Hirsch, in: FS Welzel, S. 775 (791), welche die Einwilligung in die eigene Tötung zumindest in der Regel für defizitär halten, wodurch sich § 216 StGB legitimiere; ferner ders., in: FS Lackner, S. 597 (612, 614); vgl. auch Mur-

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B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

heres Maß an Entschlossenheit erfordern als das Verlangen der Tötung durch einen anderen: Nur durch den eigenhändigen Vollzug soll die Ernsthaftigkeit des Todeswunsches zu beweisen sein.308 Wird also die Fremd­ tötung verlangt, so begründet dies Zweifel an der Entschlossenheit des Opfers, was als unwiderlegliche Vermutung309 einer defizitären Einwilligung die Existenz des § 216 StGB rechtfertigt, während andererseits der eigenhändige Suizid den Beweis des beachtlichen Sterbewillens bieten soll.310 Wenngleich die Annahme einer höheren Hemmschwelle zur Selbsttötung im Vergleich zur verlangten Tötung plausibel erscheint, ist sie nicht in allen Fällen zwingend. Zunächst besteht die Gefahr übereilter Entscheidungen ebenso auch beim eigenhändigen Suizid.311 Ferner versagt die angeführte Begründung immer dann, wenn das Opfer physisch gar nicht mehr in der Lage ist, sich selbst zu töten,312 oder aber positiv feststeht, dass das Verlangen nicht defizitär ist.313 Diese Problematik umgehend versteht Jakobs § 216 StGB als „paternalistischen Übereilungsschutz“, der das Opfer zwar vor unüberlegten bzw. unvernünftigen, d. h. „voreiligen“ Entscheidungen hinsichtlich seiner Lebensbeendigung schützen soll, aber Ausnahmen erfordert.314 Konsequenterweise erachtet Jakobs Fälle eines „vernünftigen“ Tötungsverlangens nicht vom Tatbestand umfasst.315 Ähnlich begründet R. Merkel die Existenz des § 216 StGB primär über einen Schutz der wohlverstandenen, zukünftigen Lebensinteressen des Opfers: Selbst wer aktuell ernstlich den Tod verlangt, könnte in Zukunft sein Leben noch als lebenswert begreifen.316 Pawlik spricht, grundsätzlich zustimmend, von einer Legitimation des § 216 StGB über eimann, Die Selbstverantwortung des Opfers, S. 496 ff.; Schroth, GA 2006, 549 (563); weitergehend Jakobs, Tötung auf Verlangen (dazu sogleich). 308  Roxin, in: Roxin/Schroth, Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (117); vgl. auch Roxin/Greco, AT I5, S. 667 f.: „Formvorgabe ist […] die eigenhändige Begehung“. 309  Treffend Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 6. 310  Vgl. insb. Roxin, in: Roxin/Schroth, Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (117); Roxin/Greco, AT I5, S. 667 f.; vgl. auch die weiteren Nw. in Fn. 307, S. 99. 311  Rönnau, Willensmängel, S. 163. 312  Kubiciel¸ JZ 2009, 600 (601); Murmann, Die Selbstverantwortung des Opfers, S. 529; Schoppe, BLJ 2012, 107 (108); Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 6. 313  Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 6. 314  Jakobs, Tötung auf Verlangen, S. 22  ff., zusf. 35; ders., in: FS Kaufmann, S. 459 (467 f.); ähnlich auch Kubiciel, JA 2011, 86 (90 f.); zust. Schroth, GA 2006, 549 (563); grundsätzlich auch Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 8. 315  Jakobs, Tötung auf Verlangen, S. 26 ff., insb. 29, 31 f., zusf. 35; vergleiche dazu unten C. I. 1. c). 316  R. Merkel, in: Hegselmann/Merkel, Zur Debatte über Euthanasie, S. 71 (82 ff., insb. 86 f.): „indirekt paternalistische Norm“; ders., JZ 1996, 1145 (1151); ausf. ders.,



III. Strafbarkeit nach StGB oder VStGB101

nen „indirekten, weichen Paternalismus“, da der Verlangende mittels einer Strafandrohung gegen den Dritten letztlich vor sich selbst geschützt werden soll, sofern – dies mache die Abgrenzung zu einem im freiheitlichen Staat unzulässigen „harten“ Paternalismus317 aus – sein Verlangen nicht ausnahmsweise objektiv sachgemäße Reaktion auf den Leidenszustand ist.318 Hoerster betont zur Legitimation der Norm die Irreversibilität der Entscheidung, die die Verfügung über das eigene Leben von der Verfügung über alle anderen Rechtsgüter unterscheide.319 Soweit auf die Irreversibilität einer Verfügung über das eigene Leben Bezug genommen wird, bleibt aber ungeklärt, wieso andere, ggf. auch irreversible, Verfügungen über die eigenen Rechtsgüter abseits des Lebens i. d. R. zulässig sind.320 Alle paternalistischen Begründungsansätze verstehen § 216 StGB letztlich als abstraktes Gefährdungsdelikt, das eine typischerweise gefährliche Handlung321 unter Strafe stellt.322 Trotz ihrer zumindest vordergründigen Plausibilität spricht gegen alle paternalistischen Begründungsansätze schon der Wortlaut des § 216 StGB, der ja bereits ein „ernstliches“ Verlangen erfordert. Liegt dieses nicht vor, ist der Todeswunsch also so defizitär, dass das Verlangen nicht „ernstlich“ i. S. d. § 216 StGB ist, so ist der Täter nach § 212 StGB zu bestrafen. Der Gesetzgeber hat damit eine abschließende Entscheidung getroffen, unter welchen Umständen ein Tötungsverlangen privilegierend wirken kann. Bei einer leichtfertigen Entscheidung des Opfers ist § 216 StGB von vorneherein nicht einschlägig.323 Es wäre also nicht ohne Widerspruch, die Privilegierung damit zu begründen, dass ein Verlangen vorliegt, das zwar defizitär (weil übereilt) ist, aber eben nicht defizitär genug, um eine Früheuthanasie, S. 408 ff.; ähnlich auch Engisch, in: FS Dreher, S. 309 (317); Hoerster, ZRP 1988, 1 (3). 317  Einen solchen ablehnend auch Eser/Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, § 216 Rn.  1a m. w. N. 318  Pawlik, in: Becker/Roth, Das Recht der Älteren, S. 127 (155 ff.); ders., Das Unrecht des Bürgers, S. 229 ff., insb. 232; ders., in: FS Wolter, S. 627 (639 ff.); von einem „weichen Paternalismus“ sprechen neuerdings auch Roxin/Greco, AT I5, S.  667 f. 319  Hoerster, NJW 1986, 1786 (1789). 320  Zu Recht kritisch mit den Beispielen der karitativen Spende und der Einwilligung in die Zerstörung von Sachwerten Schroeder, ZStW 1994, 565 (569). 321  Vgl. Heine/Bosch, in: S/S-StGB30, Vor §§ 306 ff. Rn. 4. 322  So ausdrücklich Jakobs, Tötung auf Verlangen, S. 19, 23; ders., in; FS Kaufmann, S. 459 (467 f.); ferner auch Antoine, Aktive Sterbehilfe, S. 380 ff., 394; Dreier, JZ 2007, 317 (320); Kubiciel, JA 2011, 86 (90); F. Müller, § 216 StGB als Verbot abstrakter Gefährdung, S. 120 ff.; Murmann, Die Selbstverantwortung des Opfers, S. 497; Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 8; Schroth, GA 2006, 549 (563); ders., GesR 2020, 477 (484). 323  Neumann/Saliger, in: NK-StGB5, § 216 Rn. 1.

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B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

Bestrafung nach § 212 StGB zu rechtfertigen.324 Soll dann eine Ausnahme von der Strafbarkeit bei „plausiblen Tötungsverlangen“ gemacht werden, bietet § 216 StGB dafür zunächst keinen Raum, auch solche Verlangen werden grundsätzlich ausnahmslos erfasst.325 Auf die Möglichkeit etwa einer Rechtfertigung wird aber später noch einzugehen sein. Nicht überzeugen kann auch die von Wilms und Jäger326 vertretene Begründung der Strafbarkeit über einen Schutz der Menschenwürde des Opfers. Demnach soll das Opfer sich bei der verlangten Tötung (unzulässig) zum Objekt des Handelns des Täters machen.327 Diese Behandlung soll dann i. S. d. „Objektformel“328 einen Verstoß gegen die Menschenwürde darstellen, den zu Verhindern die staatliche Gewalt gemäß Art. 1 Abs. 1 GG verpflichtet sei.329 Aufgrund der Irreversibilität der Tötung sei ein paternalistischer Schutz notwendig, „in erster Linie vor sich selbst“.330 Kritikwürdig erscheint hier ferner, neben der allgemeinen Kritik an einer paternalistischen Begründung, dass die Menschenwürde des Einzelnen vom Träger losgelöst und, obgleich dieser gerade einwilligt, gegen diesen selbst in Stellung gebracht wird.331 Tatsächlich aber bewertet der Betroffene als autonomes Subjekt seinen Tod als vorzugswürdig und instrumentalisiert sich mit der Bitte zur Tötung nicht selbst.332 Ferner besteht schon allgemeinsprachlich ein Konflikt zwischen einem oft gewünschten „würdigen Tod“ und der An324  Schoppe, BLJ 2012, 107 (109); vgl. auch Neumann/Saliger, in: NK-StGB5, § 216 Rn. 1. 325  Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 3; Eser/Sternberg-Lieben, in: S/SStGB30, § 216 Rn. 1a; zu entsprechenden Versuchen einer teleologischen Reduktion vgl. C. I. 1. c). 326  Wilms/Jäger, ZRP 1988, 41, (44). 327  Wilms/Jäger, ZRP 1988, 41, (44). 328  Art. 1 Abs. 1 GG verbietet es nach ständiger Rspr. des BVerfG, den Menschen zum bloßen Objekt des Staates zu machen und seine Subjektqualität prinzipiell in Frage zu stellen, vgl. BVerfGE 9, 89 (95); BVerfGE 27, 1 (6); BVerfGE 28, 386 (391); BVerfGE 30, 1 (25 f.); BVerfGE 45, 187 (228); BVerfGE 50, 166 (175); BVerfGE 87, 209 (228); BVerfGE 96, 375 (399); BVerfGE 115, 118 (153); vgl. allgemein zur Objektformel etwa Herdegen, in: Maunz/Dürig-GG92, Art.  1 Abs.  1 Rn.  36 ff. m. w. N. 329  Wilms/Jäger, ZRP 1988, 41, (44 mit Fn. 29); vgl. kritisch dazu auch Schoppe, BLJ 2012, 107 (110). 330  Wilms/Jäger, ZRP 1988, 41 (44). 331  Rönnau, Willensmängel, S. 163; gegen eine solche Verpflichtung zu „würdigem Verhalten“ auch. Sternberg-Lieben, Die objektiven Schranken, S. 47 f., 109 f. m. w. N.; kritisch auch Schroeder, ZStW 1994, 565 (571); Schroth, GA 2006, 549 (561); vgl. auch Roxin, in: Roxin/Schroth, Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (116). 332  Schroth, GA 2006, 549 (561); vgl. auch v. d. Pfordten, in: FS Merkel, S. 1031 (1036): „Es ist kein allgemein anerkannter Fall bekannt, wo der Träger der Menschenwürde selbst seine Würde verletzt.“



III. Strafbarkeit nach StGB oder VStGB103

nahme einer zwingenden Menschenwürdeverletzung bei der Tötung auf Verlangen.333 Damit bleibt festzuhalten, dass allen hier dargestellten Legitimationsversuchen erhebliche Kritik begegnen muss. Soll dennoch an einer paternalistischen (Mit-)Begründung des § 216 StGB festgehalten werden, bedeutet dies aber trotzdem nicht, dass die Tötung auf Verlangen unter allen Umständen strafbar sein muss: Zumindest in Fällen, die so gelagert sind, dass ein Schutz vor übereilten Entscheidungen gar nicht zum Tragen kommen kann, weil das Tötungsverlangen überhaupt die einzig denkbare Reaktion auf den Leidenszustand ist, wird richtigerweise eine Ausnahme von der Strafbarkeit zu machen sein.334 Wo, wie beim „Gnadenschuss“, von einer solchen Situation ausgegangen werden kann, spräche eine individuell-paternalistische Legitimation der Tötung auf Verlangen also nicht per se gegen eine Straflosigkeit des Täters in besonders gelagerten Einzelfällen. (2) Überindividuell-tabuisierende Legitimation Unter Umständen lässt sich § 216 StGB aber besser über die Interessen Dritter bzw. der Allgemeinheit begründen: Zum Teil wird insofern auf Beweislastschwierigkeiten und Missbrauchsgefahren zurückgegriffen.335 Eine Einschränkung des Tötungsverbots würde dazu führen, dass Täter sich der Schutzbehauptung einer Tötung auf Verlangen bedienen könnten – das Opfer wäre, da verstorben, nicht mehr in der Lage zu widersprechen.336 Eine solche Legitimation der Norm erscheint nicht tragbar, da sie eine unzulässige Ver-

333  Sternberg-Lieben, Die objektiven Schranken, S. 111; Schoppe, BLJ 2012, 107 (110); vgl. dazu auch T. Fischer, BLJ 2011, 1 (1): „So erscheint etwa der Topos der Menschenwürde […] zwiespältig, indem er einerseits den Anspruch auf Selbstbestimmung zu stützen scheint, andererseits eine wenig aussagekräftige, das Freiheitsgrundrecht limitierende Wertung einführt“. 334  So i. E. u. a. Jakobs, Tötung auf Verlangen, S. 29; auch R. Merkel, Früheuthanasie, S. 412 f.; vgl. ausführlich C. I. 335  Für eine Legitmation des § 216 StGB (zumindest auch) wegen solcher Missbrauchsgefahren Arzt, ZStW 1971, 1 (36); Detering, JuS 1983, 418 (418); Dreier, JZ 2007, 317 (320); Eser, in: Eser, Suizid und Euthanasie, S. 392 (398); Hirsch, in: FS Welzel, S. 775 (791); ders., in: FS Lackner, S. 597 (613); Hillgruber, Der Schutz des Menschen vor sich selbst, S. 85; auch Kaufmann, in: Meyer, Tagungsbericht, ZStW 1971, 243 (251 f.), der zwar von einer solchen Legitimation ausgeht, sie aber selbst für nicht tragfähig hält und deshalb für die Aufhebung des § 216 StGB plädiert; Kühl, Jura 2010, 81 (84); Kutzer, ZRP 1997, 117 (119); Niedermair, Körperverletzung mit Einwilligung, S. 139; Schreiber, NStZ 1986, 337 (339); Tröndle, ZStW 1987, 25 (38); auch Schreiber, Beiträge zur gerichtlichen Medizin 1975, 37 (40). 336  Arzt, ZStW 1971, 1 (36).

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B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

dachtsstrafe begründet.337 Weiterhin würde die postulierte Gefahr auch de lege lata bestehen: Die im Verhältnis zu §§ 212, 211 StGB erheblich geminderte Strafe bei § 216 StGB müsste solchen Schutzbehauptungen Tür und Tor öffnen,338 auch sind solche Beweisprobleme genauso bei der Abgrenzung von strafbarer Täterschaft und strafloser Teilnahme am Suizid denkbar.339 Mithin vermögen Beweislastschwierigkeiten340 die Existenz des § 216 StGB nicht zu legitimieren, sie können, wenn überhaupt, allenfalls ergänzend heran­gezogen werden.341 Damit bleibt zur Begründung nur ein – wie auch immer gelagertes – gesellschaftliches Interesse an der Aufrechterhaltung eines allgemeinen Tötungsverbots bzw. -tabus. Rein religiöse Begründungen des § 216 StGB aufgrund einer postulierten „Heiligkeit des Lebens“ oder eines religiös geprägten „Sinn des Leidens“342 sind im freiheitlich-säkularen Staat des Grundgesetzes kritisch zu sehen343 und sind auch in sich nicht schlüssig.344 Sicher besteht auch keine Pflicht des Einzelnen, sich um der Gesellschaft willen unter allen

337  So richtig auch Dölling, GA 1984, 71 (85 f.); Engisch, in: FS Mayer, S. 399 (412) „fadenscheinige Begründung der Strafbestimmung“; Eser/Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, § 216 Rn. 1a; Göbel, Die Einwilligung, S. 30; Kaufmann, in: Meyer, Tagungsbericht, ZStW 1971, 243 (252): „nicht schlüssig“; ders., MedR 1983, 121 (124); Marx, Zur Definition des Begriffs „Rechtsgut“, S. 66; Rönnau, Willensmängel, S. 164; Murmann, Die Selbstverantwortung des Opfers, S. 523 f.; Schoppe, BLJ 2012, 107 (110); Schroeder, ZStW 1994, 565 (570); Sternberg-Lieben, Die objektiven Schranken, S. 107. 338  Göbel, Die Einwilligung, S. 30; Kaufmann, in: Meyer, Tagungsbericht, ZStW 1971, 243 (251 f.); ders., MedR 1983, 121 (124); Jakobs, Tötung auf Verlangen S. 21; Rönnau, Willensmängel, S. 164; Schmitt, in: FS Maurach, S. 113 (118); Schoppe, BLJ 2012, 107 (110); Schroeder, ZStW 1994, 565 (570). Ferner müsste das postulierte Beweislastproblem genauso für die Notwehr gelten, vgl. Chatzikostas, Disponibilität, S.  262 f. 339  Krack, KJ 1995, 60 (73 f.). 340  Dass z. T. schon die Behauptung eines Tötungsverlangens des Opfers durch den Täter zu erheblichen Beweisschwierigkeiten führen kann, wird nicht bestritten. Dies wird erst recht im Rahmen militärischer Auseinandersetzungen, deren detaillierter Ablauf der nachträglichen Aufklärung oft nicht zugänglich sein wird, gelten müssen. Letztlich sind ähnliche Beweisschwierigkeiten im Zusammenhang mit vielen Behauptungen denkbar, die für den Täter günstig jeweils sind; dies ist hinzunehmen. 341  Göbel, Die Einwilligung, S. 30; Sternberg-Lieben, Die objektiven Schranken, S. 107 Fn. 158. 342  Vgl. dazu auch C. II. 1. b) cc). 343  Eser/Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, § 216 Rn. 1a; Neumann, in: FS Kühl, S. 569 (576); Schroth, GA 2006, 549 (560). 344  Schwer begründbar bleibt bei einer „Heiligkeit“ des Lebens die selbst von kirchlicher Seite kaum bestrittene Zulässigkeit der tödlichen Notwehr und von Kriegshandlungen, vgl. dazu Hoerster, NJW 1986, 1786 (1787 f.).



III. Strafbarkeit nach StGB oder VStGB105

Umständen am Leben zu erhalten.345 Eine Pflicht zum Weiter­leben ist unserer Rechtsordnung fremd und würde einen bedenklichen Kollektivismus voraussetzen.346 Dennoch lässt sich auch eine stichhaltige Möglichkeit der Begründung des § 216 StGB in überindividuellen (Gesellschafts-)Interessen finden:347 Das grundsätzliche Tötungsverbot ist – unabhängig von der unterschiedlich beantworteten Frage seiner Reichweite – wohl eines der wenigen universell gültigen Tabus in menschlichen Gesellschaften, das auch heute fraglos noch besteht.348 Unklar und wohl letztlich auch von der jeweiligen gesetzgeberischen Entscheidung abhängig ist nur dessen Reichweite. Wird diese gesetzlich bestimmt, so besteht ein, letztlich wohl positiv generalpräventiv begründetes,349 öffentliches Interesse daran, die Fremdtötung in dem durch den Gesetzgeber für notwendig befundenen Ausmaß (wenn auch nicht absolut)350 zu tabuisieren, um die allgemeine Achtung des menschlichen Lebens auf der Makro­ ebene der Gesellschaft zu stärken.351 Umgekehrt könnte bei einer Infragestel345  So i. E. aber Roellecke, in: Eser, Suizid und Euthanasie, S. 336 (340 ff., 345); Schmidhäuser, in: FS Welzel, S. 801 (817 ff.); wie hier ablehnend Chatzikostas, Disponibilität, S.  209 ff.; Dreier, JZ 2007, 317 (319); Ingelfinger, Grundlagen und Grenzbereiche, S. 220; Kaufmann, MedR 1983, 121 (124); Schneider, in: MüKoStGB3, Vor § 211 Rn. 33; Sternberg-Lieben, Die objektiven Schranken, S. 115 f. m. w. N.; vgl. dazu treffend auch bereits Berner, Lehrbuch17, S. 94: „Das Individuum ist dem Staate und Anderen verpflichtet, solange es lebt; es ist ihnen aber nicht verpflichtet zu leben“. 346  Ingelfinger, Grundlagen und Grenzbereiche, S. 220; Kaufmann, MedR 1983, 121 (124); vgl. ausführlich Chatzikostas, Disponibilität, S.  209 ff. 347  Der historische Gesetzgeber ging für § 216 RStGB (im Entwurf: § 211) vom Schutz eines „Sittengesetzes“ aus, vgl. die Motive zum Strafgesetzes für den Norddeutschen Bund, in: Schubert, Entwurf Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund, S. 70; vgl. ferner auch den Redebeitrag des Abgeordneten Evelt, in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages des Norddeutschen Bundes 1870, 34. Sitzung am 04.04.1870, S. 637 (659): „Was strafen Sie denn, meine Herren, wenn Sie die Tödtung des Einwilligenden strafen? […]. Sie strafen nicht den Umstand, daß das Leben des Einzelnen gekürzt ist, sondern vielmehr das Faktum, daß das öffent­ liche Interesse in der Vernichtung des Lebens des Einzelnen einen tiefen Schaden erleidet.“ Zur Entstehungsgeschichte des § 216 StGB ausf. Große-Vehne, Tötung auf Verlangen, S.  37 ff. 348  Dreier, JZ 2007, 261 (262) m. w. N.; Lindner, JZ 2006, 373 (379). 349  Neumann/Saliger, in: NK-StGB5, § 216 Rn. 3; vgl. auch Kubiciel, JZ 2009, 600 (602). 350  Dazu sogleich. 351  Ähnlich wie hier von einem „Tötungstabu“ ausgehend, mit Unterschieden im Einzelnen u. a. Amelung/Eymann, JuS 2001, 937 (940); Detering, JuS 1983, 418 (418); Dölling, in: FS Laufs, S. 767 (771 f.); ders., GA 1984, 71, 86; Dreier JZ 2007, 317 (320); Duttge GA 2001, 158 (171 ff.); Engisch, in: FS Mayer, S. 399 (412 f.); Eschelbach, in: BeckOK-StGB48, § 216 Rn. 2; Eser, Sterbehilfe und Euthanasie – zur

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B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

lung und Schwächung des Tötungstabus durch eine zulässige Tötung auf Verlangen dessen Geltung auch in anderen Fällen (oder sogar generell)352 gefährdet sein.353 Damit hat § 216 StGB für das Tötungsverbot eine doppelte Funktion: Durch die gesetzgeberische Entscheidung, eine Tötung auf Verlangen grundsätzlich unter Strafe zu stellen, wird die Reichweite des Tötungs­ verbots in diesem Bereich bestimmt und zugleich eine Maßnahme zum generalpräventiven Schutz desselben getroffen. Damit soll § 216 StGB letztlich (drittnützig) das Leben aller Mitmenschen schützen.354 Zum Teil wird gegen eine Legitimation des § 216 StGB über das sozial­ ethisches Tötungsverbot oder -tabu angeführt, dass eine Beeinträchtigung eines solchen in gewissen Fällen gar nicht erfolgen könne: Unklar sei z. B., wieso etwa im Rahmen der Notwehr das Tötungstabu unberührt bliebe, die Tötung eines Einwilligenden aber die nicht hinnehmbare Gefahr beinhalten sollte, dass die Achtung vor dem Leben in der Gesellschaft sinke.355 Ein solches Ergebnis wäre tatsächlich kaum erklärlich – entspricht aber auch nicht der Begründung, die hier in Betracht kommt: Denn ohne Zweifel gilt das Tötungsverbot (unabhängig von seiner Begründung)356 eben nicht ausnahmslos, sondern wird an einigen Stellen – jedenfalls in extremen SituatioDiskussion aus rechtlicher Sicht, S. 4; Eser/Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, § 216 Rn. 1a; Göbel, Die Einwilligung, S. 39 ff.; Hauck, GA 2012, 202 (218 f.); Herzberg, NJW 1996, 3043 (3047); Hirsch, in: FS Lackner, S. 597 (612); ders, in: FS Welzel, S. 775 (779, 789 f.); Hufen, NJW 2001, 849 (855 f.); Ingelfinger, Grundlagen und Grenzbereiche, S.  216 ff.; Jakobs, AT2, S. 436; Krey/Hellmann/Heinrich, BT 116, S. 43; Kutzer, MedR 2001, 77 (78); Laber, Schutz des Lebens, S. 17, 133; Landau, ZRP 2005, 50 (51); Leonardy, DRiZ 1986, 281 (290); Lindner, JZ 2006, 373 (379); Neumann/Saliger, in: NK-StGB5, § 216 Rn. 1, 3; Otto, Gutachten 56. DJT, S. D1 (D54); ders., in: FS Tröndle, S. 157 (158 f.); ders., Grundkurs Strafrecht7, S.  34 f.; Rissing-van Saan, in: LK-StGB12, § 216 Rn. 4; Rönnau, Willensmängel S. 165; Roxin, AT I4, S. 558, 560; Safferling, in: M/R-StGB2, § 216 Rn. 2; Schoppe, BLJ 2012, 107 (110 ff.); Schreiber, NStZ 1986, 337 (339); Schroeder, in: FS Deutsch, S. 505 (510); ders., ZStW 1994, 565 (567 f., 573 f.); Sinn, in: SK-StGB9, § 216 Rn. 2; SternbergLieben, Die objektiven Schranken, S. 117 ff.; Stiller, Sterbehilfe und assistierter Suizid, S. 211; Stratenwerth, in: FS Amelung, S. 355 (359); Tröndle, ZStW 1987, 25 (38 ff.); Weigend, ZStW 1986, 44 (62 f., 66 ff.); jedenfalls für die Mitberücksichtigung von „Tabuschutzaspekten“ Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 8; zur Ansicht des historischen Gesetzgebers siehe oben Fn. 347, S. 105. 352  „Dammbruchargument“, auch „Schiefe Ebene“ (slippery slope), vgl. allgemein dazu etwa Chatzikostas, Disponibilität, S. 247 ff. m. w. N.; umfassend Saliger, Jahrbuch für Recht und Ethik 2007, 633 (633 ff.); siehe auch C. II. 1. a). 353  Neumann/Saliger, in: NK-StGB5, § 216 Rn. 1. 354  Sternberg-Lieben, Die objektiven Schranken, S. 120. 355  So etwa Pawlik, in: FS Wolter, S. 627 (637). 356  Selbst die vielleicht restriktivste, christlich-religiös begründete, Auffassung kennt Ausnahmen vom „absoluten“ Lebensschutz, vgl. dazu Hoerster, NJW 1986, 1786 (1787); Dreier, JZ 2007, 261 (261 f.).



III. Strafbarkeit nach StGB oder VStGB107

nen – durch zulässige Tötungen durchbrochen.357 Ein Fehler liegt darin, wenn das Festhalten am Tötungstabu fälschlich mit einem „absoluten Tö­ tungsverbot“,358 im Sinne eines ausnahmslosen Verbots, gleichgesetzt wird. Dies ist gerade nicht der Fall. In diversen (extremen Ausnahme-)Fällen ist die Fremdtötung nicht strafbar. Zulässig können Tötungen etwa im Rahmen der Notwehr, im Krieg, durch öffentlich-rechtliche Erlaubnis („finaler Rettungsschuss“359) und eben auch im Rahmen zulässiger Sterbehilfe sein.360 Gemein ist diesen Konstellationen, dass ihnen Lebenssachverhalte zu Grunde liegen, in denen die Geltung des Fremdtötungsverbots, nicht, oder jedenfalls nicht in einem relevanten Maße, gefährdet wird. Tritt hier die Gefahr der Aufweichung der gesellschaftlichen Geltung des Tötungstabus in den Hintergrund, droht also im Einzelfall keine realistische Gefahr einer Normerosion durch die Tötung, so ist unter hohen Anforderungen an die Begründung und unter großer Zurückhaltung361 auch die Rechtfertigung einer Tötung möglich. Die Möglichkeit solcher Ausnahmen spricht also nicht gegen die Existenz des Tötungsverbots, nur eben gegen dessen absolute Geltung.362 Dass in jeder dieser Ausnahmen – sei es durch nationales Recht (z. B. § 32 StGB) oder auch durch das Völkerrecht – hohe und ausdifferenzierte Anforderungen an die Zulässigkeit einer Tötung gemacht werden, unterstreicht vielmehr den Stellenwert des grundsätzlichen Tötungstabus und seine Geltung und Achtung auch in der modernen Gesellschaft. An seiner grundsätzlichen Existenz kann folglich, trotz der genannten Ausnahmen, kaum gezweifelt werden. Insofern spricht nichts gegen eine Legitimation des § 216 StGB durch den Schutz der Inte­ ressen gesellschaftlicher Dritter an der Aufrechterhaltung eben dieses (nur grundsätzlichen) Tötungsverbots. etwa Di Fabio, in: Maunz/Dürig-GG92, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Rn. 7, 15, 37 ff.; Eser, in: FS Schöch, S. 461, (463); Herzberg, NJW 1996, 3043 (3044); Dölling, GA 1984, 71 (86); Hirsch, in: FS Welzel, S. 775 (779 f.); Engisch, in: FS Schaffstein, S. 1 (8); Hoerster, ZRP 1988, 1 (1); Hauck, GA 2012, 202 (205 f.); Duttge, GA 2001, 158 (170, 175); vgl. auch Murmann, Die Selbstverantwortung des Opfers, S. 519 ff.; Ingelfinger, Grundlagen und Grenzbereiche, S. 15; Ladiges, JuS 2011, 879 (879 ff.); umfassend Dreier, JZ 2007, 261 (261 ff.) und ders., JZ 2007, 317 (317 ff.). 358  Vgl. statt vieler nur Wessels/Hettinger/Engländer, BT 142, S. 1; Wessels/Beulke/ Satzger, AT49, S. 151; Rissing-van-Saan, in: LK-StGB12, § 216 Rn. 1; vgl. ferner auch Hirsch, in: FS Lackner, S. 597 (612). 359  T. Fischer, StGB67, § 212 Rn. 17; vgl. im Zusammenhang mit den Grenzen des Tötungsverbots auch Dreier, JZ 2007, 261 (264 f.) m. w. N. 360  Vgl. etwa Eser, JZ 1986, 786 (789); Kühl, Jura 2009, 881 (881 ff.); umfassend zu den Grenzen des Tötungsverbots Dreier, JZ 2007, 261 (261 ff.) und ders., JZ 2007, 317 (317 ff.). 361  Hauck, GA 2012, 202 (206). 362  Ähnlich wie hier ferner Stiller, Sterbehilfe und assistierter Suizid, S. 210. 357  So

108

B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

Soll dem gefolgt werden, kann aufgrund der bei einer Tötung beeinträchtigten gesellschaftlichen Interessen363 die Einwilligung (allein) nicht rechtfertigend wirken. Stattdessen ist es also erforderlich, die objektiven Umstände jedes Falles angemessen zu berücksichtigen, um zu prüfen, ob im Einzelfall trotz des Fremdtötungsverbots eine Tötung straflos bleiben kann. In Extremsituationen – eine solche ist nach hier vertretener Ansicht eben auch der „Gnadenschuss“-Fall – können die im Kontext der Sterbehilfe gerne angeführten „Dammbruchargumente“364 nicht überzeugen.365 Die Straflosigkeit der Beendigung fremden menschlichen Lebens nur in seltenen, besonderen Situationen (Notwehr, Krieg – ggf. auch: Sterbehilfe in Form des „Gnadenschusses“) wird kaum zu einer allgemeinen Aufweichung des Fremdtötungsverbots führen, für letzteren Fall schon allein deswegen, weil die vorliegende Situation kaum im zivilen Leben auftreten wird und sich ganz erheblich von der ärztlichen Sterbehilfe – die hier außenvorgelassen werden soll – unterscheidet.366 Soll die Existenz des § 216 StGB also überindividuell begründet werden, spricht dies nicht per se gegen eine Straflosigkeit des hier zu untersuchenden Falles, solange nicht fälschlich von einem „absoluten“, also uneingeschränkten, Tötungsverbot ausgegangen wird. Hier kann etwa der rechtfertigende Notstand helfen, die Interessen eines Sterbenden gegenüber gesellschaftlichen Interessen zu verteidigen.367 Darauf ist an anderer Stelle zurückzukommen. (3) Eigene Ansicht: Primärer Tabuschutz mit Übereilungsschutz-Aspekten Indes wird hier die Auffassung vertreten, dass es nicht erforderlich ist, zwingend von (nur) einem Schutzgut des § 216 StGB auszugehen. Denn überzeugender erscheint es, dass § 216 StGB zwar in erster Linie die Inte­ ressen Dritter wahrt – indem das, zweifellos bestehende, aber eben diffuse, Verbot der Fremdtötung gesetzlich umgrenzt und dadurch positiv generalpräventiv gefestigt und vor Erosion geschützt werden soll. Daneben ist aber auch ein gewisser Paternalismus bzw. ein Übereilungsschutz-Gedanke zumindest mittelbar zu berücksichtigen.368 nur Herzberg, NJW 1996, 3043 (3048). für solche Argumente, statt vieler, nur Tröndle, ZStW 1987, 25 (38 ff.); Dölling, in: FS Laufs, S. 767 (771 ff.); Jähnke, in: LK-StGB11, Vor § 211 Rn. 14; Hirsch, in: FS Lackner, S. 597 (613 f.); vgl. ausführlich unter C. II. 1. a). 365  Vgl. ausführlicher zum „Dammbruch“ C. II. 1. a). 366  Ähnlich wie hier insbesondere R. Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (321); ders., Früheuthanasie, S. 416. 367  Vgl. R. Merkel, Früheuthanasie, S. 424. 368  Ähnlich wie hier insbesondere Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (582); auch Dölling, in: FS Laufs, S. 767 (771 f.); ders., NJW 1986, 1011 (1012); R. Merkel, in: 363  Vgl. 364  Vgl.



III. Strafbarkeit nach StGB oder VStGB109

Dass nämlich in unserer, und wohl in allen Gesellschaften, jedenfalls ein grundsätzliches (aber nicht ausnahmsloses!) Verbot der Tötung anderer Gesellschaftsmitglieder besteht, ist unzweifelhaft und muss hier nicht weiter diskutiert werden. Ob man ein solches nun an religiösen Vorstellungen,369 einer Notwendigkeit der soziobiologischen Arterhaltung,370 der Selbsterhaltung der Gesellschaft,371 utilitaristischen Gründen,372 oder rechtsphilosophischen Erwägungen wie der Aufrechterhaltung des Rechtsfriedens festmacht,373 ist letztlich unerheblich. Maßgeblich ist nur, dass, abseits gewisser Ausnahmen, ein Tötungsverbot – oder „Tabu“ besteht.374 Damit sei aber keinesfalls ausgedrückt, dass es sich dabei um eine ausnahmslose oder absolute Regelung handelt. Dem ist nicht so: Zwar ist die Tötung anderer grundsätzlich durch die Tatbestände der §§ 211 ff. StGB verboten, kann aber in einer bestimmten (Extrem-)Situationen durchaus gerechtfertigt sein. Hier sind Notwehr, Krieg, staatliche Erlaubnisnormen – und unter Umständen auch Sterbehilfe – zu nennen.375 Je enger und klarer Ausnahmen definiert werden und je größer die allgemeine Akzeptanz solcher Ausnahmefälle ist, umso weniger kann durch deren Straflosigkeit die gesellschaftliche Geltung des Tötungs­ tabus beeinträchtigt werden.376 Denkbar ist also, dass die Geltung des (eben nicht absoluten) Tötungsverbots dann auch durch eine aktive Tötung in bestimmten, besonders gelagerten Fällen gar nicht in Frage gestellt wird.377 Dass aber, neben dem angeführten Tabuschutz, auch eine paternalistische Komponente vorliegt, die den Einzelnen um seiner selbst willen vor unüberFS Schroeder, S. 297 (306 Fn. 29); einschränkend ders., Früheuthanasie, S. 418, 426 f.; Roxin, AT I4, S. 558, 560; ders., in: FS Fischer, S. 509 (510 ff.); Sinn, in: SKStGB9, § 216 Rn. 2; i. E. wohl auch Tenthoff, Die Strafbarkeit der Tötung auf Verlangen, S. 181; zumindest für die (Mit-)Berücksichtigung von „Tabuschutzaspekten“ auch Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 8; Walter, ZIS 2011, 76 (81). 369  So etwa Eibach, ZfL 2014, 2 (7 f.); vgl. allgemein im Hinblick auf die Sterbehilfe aus katholischer Sicht auch Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung zur Euthanasie. 370  Herzberg, NJW 1996, 3043, 3047; ders., NJW 1986, 1635 (1644); vgl. m. w. N. auch Oduncu, MedR 2005, 516 (520). 371  Laber, Schutz des Lebens, S. 17, 133; Weigend, ZStW 1986, 44 (62 f.); Schmidhäuser, in: FS Welzel, S. 801 (817). 372  Vgl. zur Begründung des Tötungsverbots aus dieser Perspektive Birnbacher, in: Hegselmann/Merkel, Zur Debatte über Euthanasie, S. 25 (34 ff.). 373  Etwa Duttge, GA 2001, 158 (171 ff.). 374  So überzeugend Herzberg, NJW 1996, 3043 (3045, 3047); vgl. ferner auch Dölling, GA 1984, 71 (86); Hirsch in: FS Welzel, S. 775 (779 f.). 375  Vgl. nur Eser, JZ 1986, 786 (789); Kühl, Jura 2009, 881 (881 ff.); umfassend zu den Grenzen des Tötungsverbots Dreier, JZ 2007, 261 (261 ff.) und ders., JZ 2007, 317 (317 ff.). 376  Murmann, Die Selbstverantwortung des Opfers, S. 530. 377  Siehe im Folgenden, C. II. 1. a) cc) und C. II. 5. b) bb).

110

B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

legten, voreiligen und nicht mehr rückgängig zu machenden Entscheidungen schützen soll, überzeugt und soll hier nicht bezweifelt werden – auch wenn gewiss zu fragen wäre, ob dieser Schutz nicht eher ein untergeordneter Reflex des grundsätzlichen Tötungsverbots ist. Jedenfalls wäre im Rahmen einer möglichen Ausnahme von der regelmäßigen Strafbarkeit der Tötung auf Verlangen beim „Gnadenschuss“ gewissenhaft zu prüfen, ob sich ein Verlangen in besonders gelagerten Fällen unter den jeweils gegebenen Umständen nicht nur für den Betroffenen, sondern sogar aus objektiver Perspektive als de facto alternativlos – und damit eben auch nicht übereilt – darstellt. Dieser hier nur angerissene Gedanke wird an anderer Stelle aufzugreifen sein.378 In jedem Fall spräche eine Legitimation des § 216 StGB jedenfalls vorrangig über Tabuschutzaspekte nicht gegen eine Straflosigkeit in gewissen, ex­ tremen Situationen. Ob der „Gnadenschuss“ dazu gehört, wird zu klären sein. cc) Zwischenergebnis: § 216 StGB Der verlangte „Gnadenschuss“ erfüllt den Tatbestand einer Tötung auf Verlangen i. S. d. § 216 StGB und ist grundsätzlich entsprechend zu bestrafen. Betrachtet man die besondere Situation eines Soldaten, der vor der Wahl steht, seinen sterbenden Kameraden zu töten, oder aber, trotz dessen schweren Leids, überhaupt nicht zu handeln, drängt sich die Frage auf, ob eine Bestrafung tatsächlich sachgerecht wäre. Hier muss insbesondere die Möglichkeit einer Rechtfertigung oder Entschuldigung einer solchen Tat diskutiert werden, was – neben anderen denkbaren Lösungsmöglichkeiten –, in Kapitel C. erfolgen soll.379 c) § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB aa) Erfüllung des Tatbestandes des § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB Neben § 216 StGB käme aber auch eine Strafbarkeit des „Gnadenschuss“Täters aus § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB in Betracht. Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB wird mit lebenslanger Haft bestraft, wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nicht-internationalen bewaffneten Konflikt eine nach humanitärem Völkerrecht zu schützende Person tötet. Der Täter ist strafbar wegen eines „Kriegsverbrechens gegen Personen“.

378  Siehe 379  Zu

dazu in insb. C. II. 5. b) aa) (2). möglichen Lösungsansätzen siehe C. I.



III. Strafbarkeit nach StGB oder VStGB111

(1) Tauglicher Täter Während die möglichen Opfer eines Kriegsverbrechens nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB in § 8 Abs. 6 VStGB eingegrenzt sind,380 ist der Kreis der möglichen Täter ungleich weiter: Obwohl der Begriff „Kriegsverbrechen“ eine Beschränkung des Täterkreises vielleicht nahelegt,381 ist tauglicher Täter eines Kriegsverbrechens i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB jedermann, also nicht nur Soldaten oder sonstige unmittelbar an Kampfhandlungen beteiligte Personen, sondern auch Zivilisten.382 § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB stellt folglich, anders als das (weiterhin neben dem VStGB anwendbare) WStG,383 kein „Militärstrafrecht“ im Sinne eines Sonderstrafrechts für Soldaten dar.384 Die Gleichbehandlung aller Personen im Hinblick auf ihre Täterqualität für Kriegsverbrechen folgt dabei schon aus dem gemeinsamen Wortlaut der Art. 49 GK I, Art. 50 GK II, Art. 129 GK III, Art. 146 GK IV, welche die Vertragsstaaten verpflichten, für schwere Verstöße gegen die Genfer Konventionen Strafvorschriften für (sämtliche) „Personen“385, und eben nicht bloß für Militärangehörige, zu schaffen.386 Erforderlich ist aber in jedem Fall ein enger Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt, die Tat darf nicht nur bei Gelegenheit des Konflikts, also ohne Bezug zu diesem, erfolgen.387 Bei den Kriegsverbrechen nach § 8 Abs. 1 VStGB handelt sich i. E. also um Allgemeindelikte.388 Mithin ist der Status desjenigen, der den „Gnadenschuss“ ausführt, nicht entscheidend für § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB.

380  Dazu

B. III. 1. c) aa) (2). JA 2012, 481 (483). 382  BT-Drucksache 14/8524, S. 26; Ambos, in: MüKo-StGB3, Vorbem. § 8 VStGB Rn. 37; Kreicker, in: Eser/Sieber/Kreicker, Nationale Strafverfolgung völkerrecht­ licher Verbrechen, Ländervergleich, S. 113; Geiß/Zimmermann, in: MüKo-StGB3, § 8 VStGB Rn. 59; Safferling, JA 2012, 481 (483); vgl. ferner auch Henckaerts/DoswaldBeck, Customary International Humanitarian Law, S. 573; Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S. 563 f.; kritisch aber T. Zimmermann, GA 2010, 507 (520). 383  Richter, in: Forster/Vugrin/Wessendorff, Das Zeitalter der Einsatzarmee, S. 220 (228). 384  Vgl. Darge, Kriegsverbrechen, S. 250 f., 322 f.; Geiß/Zimmermann, in: MüKoStGB3, § 8 VStGB Rn. 59. 385  Art. 49 GK I, Art. 50 GK II, Art. 129 GK III, Art. 146 GK IV: „The High Contracting Parties undertake to enact any legislation necessary to provide effective penal sanctions for persons committing, or ordering to be committed, any of the grave breaches of the present Convention defined in the following Article.“ 386  Vgl. Ambos, in: MüKo-StGB3, Vorbem. § 8 VStGB Rn. 37; ders., Treatise, Vol. II, S. 145 f. 387  Ambos, in: MüKo-StGB3, Vorbem. § 8 VStGB Rn. 35; Geiß/Zimmermann, in: MüKo-StGB3, § 8 VStGB Rn. 119 ff.; BT-Drucksache 14/8524, S. 25. 388  Ambos, in: MüKo-StGB3, Vorbem. § 8 VStGB Rn. 37. 381  Safferling,

112

B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

(2) Tötung einer nach humanitärem Völkerrecht geschützten Person Im bewaffneten Konflikt ist die Tötung von Menschen völkerrechtlich zulässig, solange die Regelungen des humanitären Völkerrechts beachtet werden.389 Für die „Tötungsvariante“ eines Kriegsverbrechens gegen Personen des § 8 VStGB (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB) ist wesentliches Tatbestandsmerkmal die Tötung einer durch humanitäres Völkerrecht geschützten Person, d. h. die Überschreitung bestimmter Regeln des humanitären Völkerrechts. Im Gegensatz zu den Tötungsdelikten des StGB wird der Kreis tauglicher Opfer modifiziert:390 Taugliches Opfer ist nur eine „nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person“. Die getötete Person muss, neben ihrer Qualität als Mensch, also ein zusätzliches Merkmal aufweisen: Den Schutzstatus nach humanitärem Völkerrecht. Der Begriff der „nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person“ im VStGB orientiert sich an dem durch das „Genfer Recht“ geschützten Personenkreis.391 Hier greift das VStGB die dem humanitären Völkerrecht zugrundeliegende Unterscheidung zwischen Personen, die, jedenfalls grundsätzlich, legitimes Ziel militärischer Schädigungshandlungen sind, einerseits und den schutzbedürftigen Opfern des Konflikts andererseits, auf.392 Die spezifische Schutzbedürftigkeit der nach humanitärem Völkerrecht zu schützenden Personen ergibt sich daraus, dass diese nicht (mehr) an den Feind­ seligkeiten beteiligt sind.393 Ein Schutz dieser Personen erfolgt, mit gewissen Ausdifferenzierungen,394 sowohl für den internationalen, als auch für den nicht-internationalen bewaffneten Konflikt.395 Eine Aufzählung geschützter Personen für das deutsche Strafrecht nimmt § 8 Abs. 6 VStGB vor: Geschützt sind u. a. solche Personen, die aufgrund ihres Gesundheitszustandes schutzbedürftig sind, d. h. insbesondere Verwundete und Kranke,396 im internationalen Konflikt gemäß § 8 Abs. 6 Nr. 1 VStGB, sowie im nicht-internationalen bewaffneten Konflikt gemäß § 8 Abs. 6 Nr. 2 VStGB, jeweils i. V. m. den 389  Vgl. statt vieler Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S. 567; ferner auch die Nw. oben in Fn. 4, S. 17. 390  Vgl. Darge, Kriegsverbrechen, S. 265. 391  Geiß/Zimmermann, in: MüKo-StGB3, § 8 VStGB Rn. 60  ff., vgl. dazu auch oben B. II. 1. e). 392  Darge, Kriegsverbrechen, S. 325. 393  Ambos, in: MüKo-StGB3, § 8 VStGB Rn. 60; Gropengießer, in: Eser/Kreicker, Nationale Strafverfolgung völkerrechtlicher Verbrechen, Deutschland, S. 159; vgl. dazu auch oben B. II. 1. e) bb) und B. II. 1. e) cc). 394  Vgl. dazu Geiß/Zimmermann, in: MüKo-StGB3, § 8 VStGB Rn. 61 ff. 395  Vgl. bereits oben B. II. 1. e) cc). 396  Ob dies auch Verwundete der eigenen Partei gilt, ist umstritten, dazu ausführlich unter B. III. 2. a) bb) (1).



III. Strafbarkeit nach StGB oder VStGB113

einschlägigen Vorschriften der Genfer Konventionen und Zusatzprotokolle.397 Als Auffangklausel dient § 8 Abs. 6 Nr. 3, der alle Angehörigen der Streitkräfte und Kämpfer der gegnerischen Partei umfasst, die ihre Waffen gestreckt haben oder in sonstiger Weise (etwa aufgrund ihrer Verwundung) wehrlos sind („hors de combat“).398 Bei allen hier zu diskutierenden Fällen genießen Verwundete ohne weiteres den Schutz des humanitären Völkerrechts, da sie (schwer) verwundet sind und deshalb nicht länger an den Kampfhandlungen teilnehmen. Tötet der Täter im Rahmen des „Gnadenschuss“ also einen solchen Verwundeten, so liegt darin die Tötung einer nach humanitärem Völkerrecht geschützten Person im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB; eine Ausnahme für verlangte oder jedenfalls im Interesse des Opfers liegende Tötungen ist nicht vorgesehen.399 Die Frage, ob sich ggf. etwas anderes ergeben kann, wenn beide Beteiligte derselben Konfliktpartei angehören, es sich beim Verwundeten also um einen Kameraden des Täters handelt, oder ob auch in einer solchen „parteiinternen“ Konstellation der jeweilige Getötete eine im Verhältnis zum Täter „nach humanitärem Völkerrecht geschützte Person“ i. S. d. § 8 VStGB ist, wird unter B. III. 2. a) bb) (1) ausführlich diskutiert. (3) Im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt Daneben muss ein bewaffneter Konflikt400 vorliegen, in dessen Zusammenhang die Tötung erfolgt. Hier tritt im Vergleich zu „bloßen“ Totschlag des § 212 StGB ein Kontextelement hinzu.401 § 8 VStGB unterscheidet, im Gegensatz zu Art. 8 IStGH‑Statut, grundsätzlich nicht zwischen den verschiedenen Konfliktarten (international/nichtinternational):402 Die Tötung der jeweils geschützten Personen kann in jeder Art von bewaffnetem Konflikt ein Kriegsverbrechen i. S. d. Völkerstrafgein: MüKo-StGB3, Vorbem. § 8 VStGB Rn. 23 ff. 398  Vgl. Geiß/Zimmermann, in: MüKo-StGB3, § 8 VStGB Rn. 95; Gropengießer, in: Eser/Kreicker, Nationale Strafverfolgung völkerrechtlicher Verbrechen, Deutschland, S. 163. 399  Auf die Frage einer teleologischen Reduktion des Tatbestandes des § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB für solche Fälle wird noch eingegangen, vgl. D. I. 1. 400  Vgl. hierzu bereits oben, B. II. 1. d). 401  Vgl. Darge, Kriegsverbrechen, S. 265. 402  Vgl. Esser, Europäisches und Internationales Strafrecht2, S. 424; Richter, HRRS 2012, 28 (30); Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht9, S. 447; Ambos, in: MüKo-StGB3, Vorbem. § 8 VStGB Rn. 17; Werle, in: MüKo-StGB3, Einl. VStGB Rn.  55 ff.; Steiger/Bäumler, AVR 2010, 189 (192); Hobe, Einführung in das Völkerrecht11, S. 475. 397  Ambos,

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B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

setzbuches darstellen, das Schutzniveau des VStGB wird damit im Hinblick auf nicht-internationale bewaffnete Konflikte im Vergleich zum IStGH‑Statut ausgedehnt.403 Vor diesem Hintergrund ist z. B. in mehreren aktuellen Einsatzgebieten der Bundeswehr (u. a. in Afghanistan, Irak/Syrien, Mali)404 zumindest zeitweise405 von bewaffneten Konflikten406 auszugehen.407 Erforderlich ist ferner, dass die Tat gerade funktional im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt und nicht bloß „bei Gelegenheit“ erfolgt.408 Notwendig ist damit ein besonderer Bezug der Tat zum Konflikt, um die Tathandlung von einem allgemeinen StGB-Tötungsdelikt abzugrenzen:409 Erst durch den Bezug zum bewaffneten Konflikt erlangt die Tat den Charakter eines Kriegsverbrechens,410 wodurch das Strafmaß, im Vergleich zum Totschlag, erheblich erhöht wird. Ausreichend ist, dass die Tat durch den Konflikt gefördert oder jedenfalls wesentlich beeinflusst wird. Zu prüfen ist, ob die Tat genauso auch in Friedenszeiten hätte begangen werden können, oder ob der bewaffnete Konflikt die Tatbegehung erleichtert oder die Situation des Opfers verschlechtert hat.411 Nicht erfasst werden jedenfalls solche (gewissermaßen „privaten“ statt „konfliktbedingten“)412 Taten, die völlig unabhängig vom bewaffneten Konflikt ohne funktionalen Bezug zu diesen Europäisches und Internationales Strafrecht2, S. 424. den aktuellen Einsatzgebieten siehe BMVg, Unterrichtung der Öffentlichkeit

403  Esser, 404  Zu

12/2021. 405  Zu berücksichtigen ist, dass gerade in Krisengebieten die Sicherheitslage oft sehr wechselhaft ist. 406  In aller Regel muss der Gesetzesanwender nicht feststellen, ob der Konflikt im Einzelfall international oder nicht-international ist, solange es sich überhaupt um einen bewaffneten Konflikt handelt, vgl. Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S. 690 Fn. 1067. 407  Für Afghanistan: Ambos, NJW 2010, 1725 (1726); Diel, HuV-I 2010, 4 (16 f.); Richter, HRRS 2012, 28 (29); Müssig/Meyer, in: FS Puppe, S. 1501 (1514 ff.); vgl. ferner die Erklärung des damaligen Außenministers Guido Westerwelle: „Die Inten­ sität der mit Waffengewalt ausgetragenen Auseinandersetzung mit Aufständischen und deren militärischer Organisation führt uns zu der Bewertung, die Einsatzsituation von ISAF auch im Norden Afghanistans als bewaffneten Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts zu qualifizieren.“, Westerwelle, Regierungserklärung des Außenministers, 10.02.2010. Für Mali: ICC, Situation in Mali Report, 16.01.2013, S. 4; Stigall, Military Law Review 2015, 1 (31 f.). Für Syrien: BGH, NStZ 2017, 699; BGH, NJW 2017, 3667 (3668 Rn. 11). 408  BT-Drucksache 14/8524, S. 25; Werle, JZ 2010, 885 (894); A. Zimmermann, NJW 2002, 3068 (3070). 409  BT-Drucksache 14/8524, S. 25; Ambos, in: MüKo-StGB3, Vorbem. § 8 VStGB Rn. 34. 410  Vgl. BT-Drucksache 14/8524, S. 25. 411  Ambos, in: MüKo-StGB3, Vorbem. § 8 VStGB Rn. 35. 412  T. Zimmermann, GA 2010, 507 (517).



III. Strafbarkeit nach StGB oder VStGB115

begangen werden.413 In zeitlicher Hinsicht kann der Zusammenhang zum bewaffneten Konflikt auch nach Beendigung der konkreten Kampfhandlungen noch bestehen, wenn eine durch den Konflikt entstandene Situation zur Tatbegehung ausgenutzt wird.414 Nicht maßgeblich ist die persönliche Motivation des Täters: Ein Kriegsverbrechen begeht auch, wer etwa die besondere Situation des bewaffneten Konflikts aus persönlichen Motiven, die als solche nicht in Zusammenhang mit dem Konflikt stehen, zur Tötung ausnutzt.415 Persönliche Motive schaden demnach nicht, wenn sich in der Tat die spezifische Gefahrenlage des bewaffneten Konflikts verwirklicht.416 Die Tat muss nicht zwingend den Zielen einer Konfliktpartei dienen oder „als Teil eines Plans oder einer Politik“417 von dieser gebilligt werden.418 In jedem Fall ist der funktionale Zusammenhang einer Tat zum Konflikt immer objektiv für den Einzelfall zu bestimmen.419 Für die „Gnadenschuss-Fälle“ ist am Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt kaum zu zweifeln. Die dort erfolgte vorherige Verwundung des Getöteten resultiert gerade aus dem Konflikt. Die Tatsituation wäre unter denselben Bedingungen in Friedenszeiten (so) nicht denkbar. (4) Subjektiver Tatbestand Der Tötungstatbestand des § 8 VStGB erfordert zumindest Eventualvorsatz bzgl. der Tötung,420 ferner die Kenntnis der Tatsachen, aus denen sich das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts ergibt421 sowie Vorsatz bezüglich des funktionalen Zusammenhangs zwischen der Tat und dem Konflikt.422 Für die 413  Vgl. BT-Drucksache 14/8524, S. 25; Werle, JZ 2010, 885 (894); A. Zimmermann, NJW 2002, 3068 (3070). 414  Ambos, in: MüKo-StGB3, Vorbem. § 8 VStGB Rn. 35, m. w. N. 415  Ambos, in: MüKo-StGB3, Vorbem. § 8 VStGB Rn. 35; Safferling, Internationales Strafrecht, S. 234. 416  Safferling, Internationales Strafrecht, S.  234; Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S. 564. 417  Vgl. den Wortlaut von Art. 8 Abs. 1 IStGH‑Statut. In der engl. Fassung: „committed as part of a plan or policy“. 418  ICTY, Trial Chamber, The Prosecutor v. Dusko Tadic a/k/a „Dule“, IT-94-1-T, Opinion and Judgment, 07.05.1997, Rn. 573; Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S. 564; Werle, JZ 2001, 885 (894). 419  Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S. 562. 420  Geiß/Zimmermann, in: MüKo-StGB3, § 8 VStGB Rn. 209. 421  Geiß/Zimmermann, in: MüKo-StGB3, § 8 StGB Rn. 207; Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S. 565; A. Zimmermann, NJW 2002, 3068 (3070). 422  Geiß/Zimmermann, in: MüKo-StGB3, § 8 VStGB Rn. 206; Ambos, in: MüKoStGB3, Vorbem. § 8 VStGB Rn. 36, 44.

116

B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

hier diskutierten Fälle wird an der Erfüllung des subjektiven Tatbestandes kaum zu zweifeln sein. (5) Rechtsfolge Sofern im Einzelfall keine Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe greifen – dies wird beim „Gnadenschuss“ zu prüfen sein – ist der Täter eines Kriegsverbrechens in der Variante des § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB zwingend mit lebenslanger Haft zu bestrafen. Ein solches Ergebnis muss für die hier zu diskutierenden Fälle schon deshalb unangemessen erscheinen, weil diese sich in erster Linie dadurch auszeichnen, dass sie, bedingt durch die besonderen Umstände der Tat und der ihr i. d. R. zugrundeliegenden Motivation des Täters, nicht ansatzweise dem „gewöhnlichen“ Fall einer völkerrechtswidrigen Tötung entsprechen. Wenngleich Aussagen über die Häufigkeit solcher Fälle, vor dem Hintergrund des kaum aufzuklärenden Dunkelfeldes, schwierig sind, kann trotzdem festgehalten werden, dass sie unter den denkbaren Verstößen gegen § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB eine Sonderrolle einnehmen. Betrachtet man die strafrechtliche Behandlung von Tötungen im Kontext kriegerischer Auseinandersetzungen, so zeigen sich zwei Extreme: Eine vorsätzliche Tötung im bewaffneten Konflikt kann einerseits gerechtfertigt sein, nämlich dann, wenn sie durch einen Kombattanten unter Einhaltung der Regeln des humanitären Völkerrechts erfolgt.423 Hier ist die Tötung gerade kein Unrecht, sondern völkerrechtlich anerkannte Kriegshandlung, und bleibt folglich völlig straflos. Andererseits kann die Tötung, gleich einem Mord im StGB, nach der Konzeption des VStGB ein Höchstmaß an Unrecht beinhalten, nämlich immer dann, wenn das Opfer einen Schutzstatus nach humanitärem Völkerrecht hat und die Tat im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt erfolgt, § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB. Obgleich die zugrundeliegende Tatsituation (lediglich) einen Totschlag im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt darstellt („Kriegsverbrechenstotschlag“)424 und die Vorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 1

423  Vgl. nur BGHSt 23, 103 (105  f.); Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§  32 ff. Rn.  91b f.; Safferling, in: M/R-StGB2, § 212 Rn. 79; Schlehofer, in: MüKoStGB4, Vor § 32 Rn. 134 ff., insb. 136; Steiger/Bäumler, AVR 2010, 189 (209 ff.); ausführlich und jeweils m. w. N. zur strafrechtlichen Rechtfertigung von Schädigungshandlungen im Konflikt insb. Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 111, S.  37 ff.; Jähnke, in: LK-StGB11, § 212 Rn. 16 ff.; Rönnau, in: LK-StGB13, Vor §§  32 ff. Rn.  302 ff. 424  So sehr treffend Darge, Kriegsverbrechen, S. 264.



III. Strafbarkeit nach StGB oder VStGB117

VStGB ihrer Struktur nach § 212 StGB entspricht,425 ist die Strafe lebenslange Haft. Die Erhöhung des Strafmaßes im Vergleich zum StGB-Totschlag erfolgt aufgrund der äußeren Umstände, wegen der Einbindung des Geschehens in einen bewaffneten Konflikt.426 Es bleibt bei § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB dann kein Raum für die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles im Strafmaß,427 auch eine Regelung für minder schwere Fälle, wie mit § 213 StGB für § 212 StGB, existiert für § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB nicht.428 Der Täter erhält zwingend eine lebenslange Freiheitsstrafe. Inwiefern für die Rechtsprechung in besonders gelagerten Einzelfällen eine Strafmilderung nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB analog in Betracht kommt, war bisher nicht zu entscheiden. Unter Übertragung der Rechtsprechung des BGH zum Mord429 wäre dies wohl zumindest denkbar.430 Bereits an dieser Stelle ist für den „Gnadenschuss“ festzuhalten, dass eine Berücksichtigung der besonderen ethischen Konfliktlage des Täters in § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB selbst nicht erfolgen kann. Im Hinblick auf das geäußerte Tötungsverlangen in Fall 1 existiert ferner keine VStGB-Norm, die bei einer Tötung auf Verlangen den Täter privilegiert, so wie es durch § 216 StGB im allgemeinen Strafrecht erfolgt.431 Muss ein etwaiges Verlangen des Opfers deshalb völlig unberücksichtigt bleiben? Ob § 216 StGB ggf. auch § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB sperrt, wird zu klären sein. Unabhängig davon drängt sich für Fälle extremsten und nicht zu lindernden Leidens auch bei einer nicht ernstlich und ausdrücklich verlangten Tötung (Fall 2) für § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB insbesondere die Frage nach der Möglichkeit einer Rechtfertigung oder Entschuldigung auf.

425  Burghardt, JZ 2016, 106 (108); Darge, Kriegsverbrechen, S.  264 f.; Epik, Die Strafzumessung bei Taten nach dem Völkerstrafgesetzbuch, S. 474; Geiß/Zimmermann, in: MüKo-StGB3, § 8 VStGB Rn. 127. 426  Ambos, in: MüKo-StGB3, Vorbem. § 8 VStGB Rn. 34; vgl. auch BT-Druck­ sache 18/8524, S. 12; Darge, Kriegsverbrechen, S. 13, 264 f.; Kirsch, in: FS Kargl, S.  287 (291 f.). 427  An dieser Stelle sei auch auf die generelle Problematik einer absoluten Strafandrohung hingewiesen, vgl. ausführlich im Hinblick auf die Tatbestände des VStGB Epik, Die Strafzumessung bei Taten nach dem Völkerstrafgesetzbuch, S. 467 ff.; Burghardt, JZ 2016, 106 (108). 428  Eine solche de lege ferenda zu Recht fordernd Epik, Die Strafzumessung bei Taten nach dem Völkerstrafgesetzbuch, S. 482 ff., 521, 525; vgl. dazu auch D. I. 5. 429  Zuerst BGHSt 30, 105 (119 ff.). 430  Vgl. dazu auch unter D. I. 4. b). 431  Zur Privilegierungswirkung des § 216 StGB s. o. B. III. 1. b) aa).

118

B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

bb) Legitimation und Schutzzweck § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB stellt, wie gezeigt, (nur) die Tötung bestimmter Personen unter Strafe. Anders als den §§ 211 ff. StGB kann den Normen des Völkerstrafrechts kein allgemeingültiges Tötungsverbot432 entnommen wer­den:433 Die Tötung feindlicher Kombattanten ist und soll als archetypisches Mittel der Kriegsführung gerade nicht strafbar sein,434 mit Strafe bewehrt sind nur solche Handlungen, die z. B. exzessiv sind oder am Konflikt nicht (mehr) Beteiligte treffen.435 § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB verbietet dementsprechend nicht jede Tötung generell, sondern nur die Tötung derjenigen, die durch das humanitäre Völkerrecht besonders geschützt sind und nicht getötet werden dürfen.436 Hinsichtlich des Opfers erfolgt eine Anknüpfung folglich nicht wie im StGB an die (bloße) Eigenschaft des Opfers als Mensch, sondern darüber hinausgehend mittels der Einbeziehung des am Individualschutz ausgerichteten „Genfer Rechts“ am Schutzstatus im Kontext eines bewaffneten Konflikts.437 Neben dem bloßen „Mensch-Sein“ muss ein taugliches Opfer für § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB also noch unter eine Schutzkategorie des humanitären Völkerrechts zu klassifizieren sein, im Vergleich zum Tötungstatbestand des § 212 StGB wird der Kreis tauglicher Opfer modifiziert und im Ergebnis verengt.438 Vor diesem Hintergrund erfahren die nach humanitärem Völkerrecht geschützten Personen einen (im Vergleich zu anderen am Konflikt Beteiligten) besonderen rechtlichen Schutz, indem ihre Heraustrennung aus dem Kreis legitimer militärischer Ziele mit strafrechtlichen Mitteln durchgesetzt wird. Gleichzeitig statuiert eine Tötung so geschützter Personen im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt aber ein besonders hohes Unrecht, aufgrund des der Tötung innewohnenden Verstoßes gegen das humanitäre Völkerrecht im Kontext eines bewaffneten Konflikts.439 432  Freilich ist auch das Tötungsverbot des StGB nicht absolut in dem Sinne, dass es ohne Ausnahme Geltung hat, vgl. dazu etwa Eser, in: FS Schöch, S. 461 (463), sowie unten C. II. 1. a) aa). Absolutheit vermag das Tötungsverbot der § 211 ff. StGB nur in dem Sinne zu beanspruchen, als dass auf Tatbestandsebene keine Unterscheidung im Hinblick auf das Opfers gemacht wird. Taugliches Opfer für die §§ 211 ff. StGB ist jeder Mensch – anders als im VStGB, dazu sogleich. 433  Vgl. Weigend, in: MüKo-StGB3, § 2 VStGB Rn. 7. 434  S. o., insb. die Nw. in Fn. 4, S. 17. 435  Vgl. etwa Richter, in: Forster/Vugrin/Wessendorff, Das Zeitalter der Einsatz­ armee, S. 220 (230); Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S. 530, 567 ff. 436  Kirsch, in: FS Kargl, S. 287 (295). 437  Vgl. Darge, Kriegsverbrechen, S. 265. 438  Vgl. Darge, Kriegsverbrechen, S. 265. 439  Vgl. Kirsch, in: FS Kargl, S. 287 (291  f.); Darge, Kriegsverbrechen, S. 13, 264 f.; auch BT-Drucksache 14/8524, S. 12 ff.; Ambos, in: MüKo-StGB3, Vorbem. § 8 VStGB Rn. 34.



III. Strafbarkeit nach StGB oder VStGB119

Mit dem dadurch erhöhten Unrecht lassen sich die im Vergleich zu den korrespondierenden Tatbeständen des StGB grundsätzlich strengeren Strafen rechtfertigen.440 Wo im StGB, bei fehlenden Mordmerkmalen, eine Tötung (in der Regel) gemäß § 212 StGB mit zeitiger Freiheitsstrafe geahndet wird, verwirkt der Täter bei § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB zwingend eine lebenslange Freiheitsstrafe. Die absolute Strafandrohung begründet sich hier, ähnlich wie bei den Mordmerkmalen der zweiten Gruppe bei § 211 StGB aus einer vertypten Verwerflichkeit der Tat. Anders als dort erfolgt eine Anknüpfung für den erhöhten Unrechtsgehalt bei den Kriegsverbrechen allgemein und bei § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB im speziellen aber nicht an einer besonders verwerf­lichen Ausführungshandlung, sondern an den besonderen (äußeren) Umständen der Tat, d. h. dem Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt.441 Dies bedeutet freilich nicht, dass allein der Umstand, dass sich die Tat gegen eine nach humanitärem Völkerrecht geschützte Person richtet, die Unrechtssteigerung auf Grund einer inhärenten, besonderen „Qualität“ dieser Person rechtfertigt (denn schließlich verbietet sich eine qualitative Abstufung menschlichen Lebens), sondern vielmehr die Umstände des bewaffneten Konflikts mit seinen besonderen Risiken, in deren Zusammenhang die Tat erfolgt.442 Mithin liegt zwar zunächst das Opfer als Zugehöriger einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe im Konflikt, im Fokus der Norm, sodass bei der Auslegung des § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB der Schutzzweck im Hinblick auf das Individuum (d. h. hier sein Recht auf Leben) in besonderem Maße zu berücksichtigen sein wird.443 Daneben ist aber, wie generell bei Verletzungen des humanitären Völkerrechts und den völkerrechtlichen Kernverbrechen, zumindest auch von einem überindividuellen Schutzzweck der solche Verletzungen unter Strafe stellenden Normen auszugehen:444 Die geschützten Rechtsgüter sind letztlich der globale Frieden und die internationale Sicherheit, welche bei Verstößen gegen die anerkannten Regeln des humanitären 440  Vgl.

BT-Drucksache 14/8524, S. 12 ff., 18. Ambos, in: MüKo-StGB3, Vorbem. § 8 VStGB Rn. 34; Jeßberger, HRRS 2013, 119 (122); Kirsch, in: FS Kargl, S. 287 (291 f.); ferner Grundmann, in: Jeß­ berger/Geneuss, Zehn Jahre Völkerstrafgesetzbuch, S. 35 (37); auch BT‑Drucksache 18/8524, S. 12. 442  Kirsch, in: FS Kargl, S. 287 (292). 443  Vgl. Geiß/Zimmermann, in: MüKo-StGB3, § 8 VStGB Rn. 1 f., 15. 444  Explizit in Bezug auf § 8 VStGB Ambos, in: MüKo-StGB3, Vorbem. § 8 VStGB, Rn. 3; ferner auch Keller, in: Jeßberger/Geneuss, Zehn Jahre Völkerstrafgesetzbuch, S. 141 (153 ff.); allgemein für Kriegverbrechen Ambos, Internationales Strafrecht5, S. 102  f., 289; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht9, S. 323, 429; Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S. 46 f., 542 f., 557; Esser, Europäisches und Internationales Strafrecht2, S. 411; Kreß, Vom Nutzen eines deutschen Völkerstrafgesetzbuchs, S. 16 f.; vgl. ferner auch BT-Drucksache 15/8524, S. 15; vgl. auch bereits oben B. II. 1. a). 441  Vgl.

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B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

Völkerrecht gefährdet werden:445 Schutzgut des § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB ist damit, jedenfalls auch,446 der „Weltfrieden“447 als idealisiertes Fernziel und, als wohl weit realistischerer Zwischenschritt, das Interesse der Weltgemeinschaft an der Aufrechterhaltung der Normen des humanitären Völkerrechts, und damit an einer Begrenzung und Regelung („Einhegung“) der Friedensstörung angesichts der im Konfliktfall drohenden ausufernden Gewalt.448 Die Regelungen des humanitären Völkerrechts unterstreichen dabei, dass im Krieg eben nicht „alles erlaubt“ ist, sondern dass auch bei grundsätzlich völkerrechtlich erlaubten Tötungen Grenzen gezogen werden, die es nicht zu überschreiten gilt.449 Erfolgt dennoch eine Verletzung dieses „Kriegsrechts“ im Sinne eines „Rechts im Kriege“ so greifen im deutschen Recht die Strafnormen des VStGB und sanktionieren die Normübertretung.450 Da die Normen des VStGB folglich gerade dem Schutz des humanitären Völkerrechts dienen, gelten dessen Schutzzwecke jedenfalls mittelbar (als nationale Umsetzung der Tatbestände des IStGH‑Statuts) auch für das VStGB.451 Wird die Norm verletzt, beeinträchtigt die Tat folglich nicht nur die individuellen ­Lebensinteressen des Opfers, sondern zusätzlich auch das Interesse der Weltgemeinschaft an der universellen Geltung des humanitären Völkerrechts zur Eingrenzung von Konflikten.452 Im Ergebnis ist bei den solche Verletzungen sanktionierenden Normen des VStGB generell – und im speziellen damit auch bei Kriegsverbrechen i. S. d. § 8 VStGB – neben einer starken Individualschutz-Komponente also stets auch von einer „Friedensschutz“- bzw. „Konfliktbegrenzungs-Komponente“ auszugehen. 445  Vgl. Ambos, in: MüKo-StGB3, Vorbem. § 8 VStGB, Rn. 3; ders., Internationales Strafrecht5, S. 102 f., 289; Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S. 542 f., 557; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht9, S. 429. 446  Nach Geiß/Zimmermann, in MüKo-StGB3, § 8 VStGB Rn. 1 ff. sind die Vorschriften primär individualschützend, ein (Welt-)Friedensschutz erfolgt allenfalls sekundär, vgl. auch ebd, Rn. 13 ff., m. w. N.; ähnlich Safferling, Internationales Strafrecht, S.  222 f.; Gropengießer in: Eser/Kreicker, Nationale Strafverfolgung völkerrechtlicher Verbrechen, Deutschland, S. 154. 447  Vgl. bereits oben B. II. 1. a). 448  Vgl. Esser, Europäisches und Internationales Strafrecht2, S. 411; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht9, S. 323, 429; Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S. 542 f., 557; Stein/v. Buttlar/Kotzur, Völkerrecht14, S. 453; Keller, in: Jeßberger/Geneuss, Zehn Jahre Völkerstrafgesetzbuch, S. 141 (153 ff.). 449  Vgl. Kreicker, in: Eser/Sieber/Kreicker, Nationale Strafverfolgung völkerrechtlicher Verbrechen, Ländervergleich, S. 104. 450  Vgl. dazu schon oben B. II. 2. und B. II. 3. 451  Vgl. nur Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S. 535: „Die Strafbarkeit ist im Verhältnis zum humanitären Völkerrecht akzessorisch“. 452  S. o., Nw. insb. in Fn. 444, S. 119.



III. Strafbarkeit nach StGB oder VStGB121

cc) Zwischenergebnis: § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB Der „Gnadenschuss“ im Kontext eines bewaffneten Konflikts erfüllt in beiden zu diskutierenden Varianten grundsätzlich auch den Tatbestand der Tötungsvariante eines Kriegsverbrechens gegen Personen i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB. Bereits hier steht damit fest, dass insoweit für Fall 1, anders als beim nicht ausdrücklich verlangten „Gnadenschuss“ in Fall 2, ein Konflikt zwischen § 216 StGB und § 8 VStGB besteht, den es zu lösen gilt. Vor dem Hintergrund der absoluten Strafandrohung und der fehlenden Berücksichtigungsmöglichkeit besonderer Situationen, gilt es im Folgenden kritisch zu prüfen, ob die „Gnadenschuss-Fälle“, in ihren verschiedenen denkbaren Konstellationen, auch tatsächlich stets § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB unterfallen, oder ob § 216 StGB ggf. eine „Sperrwirkung“ entfalten kann. § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB schützt nach hier vertretener Auffassung nicht nur das individuelle Leben von nach humanitärem Völkerrecht geschützten Personen vor Angriffen, sondern daneben, auch überindividuelle Interessen: Ziel ist es, Störungen des Friedens zu begrenzen und letztlich die Möglichkeit eines Friedensschlusses zu wahren. Welches Gewicht der überindividuellen Schutzkomponente beim „Gnadenschuss“ aber konkret zukommt, wäre insbesondere im Rahmen einer möglichen Rechtfertigung zu diskutieren. 2. Zum Verhältnis von StGB und VStGB Nachdem auch die grundsätzliche Relevanz des Völkerstrafgesetzbuches für die zu untersuchenden Fälle bejaht wurde, stellt sich für beide hier zu behandelnden Fallkonstellationen die Frage nach dem Verhältnis von § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB zu den Tötungsdelikten des StGB. Ein Nebeneinander von StGB und VStGB ist grundsätzlich möglich, die Tatbestände des VStGB sind nicht generell speziell zu den Vorschriften des StGB.453 Das VStGB trifft also, nach ganz überwiegender Ansicht, keine abschließende Regelung für alle Straftaten, die im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt auftreten.454 Auch der Generalbundesanwalt teilte bei 453  BT-Drucksache 18/8524,

S. 13 f. in: MüKo-StGB3, § 8 VStGB Rn. 45; ders., NJW 2010, 1725 (1727); Basak, HRRS 2010, 513 (516 ff.); Bettendorf, Die strafrechtliche Verantwortung deutscher Soldaten, S. 211 f.; v. d. Groeben, German Law Journal 2010, 469 (486); Jeßberger, HRRS 2013, 119 (121); Kaleck/Schüller/Steiger, KJ 2010, 270 (272); Kuhli, Das Völkerstrafgesetzbuch, S.  52 f.; Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§  32 ff. Rn. 91b; Meyer, DRiZ 2011, 19 (24); Müssig/Meyer, in: FS Puppe, S 1501 (1503 ff., 1523, 1527); Safferling, Internationales Strafrecht, S. 323; ders., JZ 2010, 965 (968); Safferling/Kirsch, JA 2010, 81 (85); Stam, Strafverfolgung bei Straftaten von Bundes454  Ambos,

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B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

den Ermittlungen zum „Kunduz-Tanklasterangriff“455 die Auffassung, dass durch das VStGB insbesondere kein abschließendes spezielles Strafrechts geschaffen wurde, sondern nur bestimmte Straftaten spezialgesetzlich herausgehoben werden sollten.456 Die z. T. vertretene Gegenauffassung457 widerspricht dem erklärten und eindeutigen Willen des Gesetzgebers.458 Dementsprechend sind für das Verhältnis von VStGB und StGB die allgemeinen Konkurrenzregeln anzuwenden,459 wobei zumindest im Regelfall die jeweils einschlägige Regelung des VStGB die speziellere sein wird.460 Fehlt es an einzelnen Merkmalen eines VStGB-Tatbestandes, tritt dann der Tatbestand des StGB wieder hervor.461 a) Fall 1: bei ernstlichem Verlangen – Sperrwirkung des § 216 StGB? Wird der Täter durch das ernstliche Verlangen des Opfers zur Tötung motiviert, so richtet sich im allgemeinen Strafrecht die Strafe nach § 216 StGB. Diese privilegierende Vorschrift sperrt hier die Tötungsdelikte der §§ 211, 212 StGB,462 die Tat ist grundsätzlich allein nach § 216 StGB zu beurteilen. Da eine vergleichbare Regelung im VStGB nicht existiert, ist zu untersuchen, wehrsoldaten, S. 33; Steiger/Bäumler, AVR 2010, 189 (206 ff.); Weigend, in: MüKoStGB3, § 2 VStGB Rn. 7; Werle, JZ 2012, 373 (376); ders., in: MüKo-StGB3, Einl. VstGB Rn. 52; Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S. 220; Werle/Nerlich, HuV-I 2002, 124 (129); A.  Zimmermann, NJW 2002, 3068 (3069); ders., ZRP 2002, 97 (100); vgl. auch Generalbundesanwalt, NStZ 2010, 581 (zum „Kunduz-Tanklasterangriff“). 455  Dabei hatten amerikanische Jagdflugzeuge auf Befehl des deutschen Oberst Klein zwei von Taliban-Kämpfern entführte Tanklaster angegriffen. Bei dem Angriff wurde eine mittlere zweistellige Zahl an Taliban-Kämpfern und Zivilisten getötet. Das Verfahren gegen Oberst Klein wurde eingestellt, vgl. dazu Generalbundesanwalt, Einstellungsvermerk im Ermittlungsverfahren gegen Oberst K.; ders., NStZ 2010, 581. 456  Vgl. Generalbundesanwalt, Einstellungsvermerk im Ermittlungsverfahren gegen Oberst K., S. 25 f. 457  Darge, Kriegsverbrechen, S. 408; Hertel, HRRS 2010, 339 (341 f.); Richter, in: Forster/Vugrin/Wessendorff, Das Zeitalter der Einsatzarmee, S. 220 (222 ff.); ders., HRRS 2012, 28 (35 ff.); Thym, DÖV 2010, 621 (626); T. Zimmermann, GA 2010, 507 (513 f.). 458  Vgl. BT-Drucksache 18/8524, S. 13 f.; wie hier Werle, JZ 2012, 373 (376). 459  BT-Drucksache 18/8524, S. 13. 460  BT-Drucksache 18/8524, S. 13; Ambos, in: MüKo-StGB3, § 8 VStGB Rn. 45; ders., NJW 2010, 1725 (1727); Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S. 220; Werle/ Nerlich, HuV-I 2002, 124 (129). 461  Generalbundesanwalt, Einstellungsvermerk im Ermittlungsverfahren gegen Oberst K., S. 26. 462  Vgl. nur Eschelbach, in: BeckOK StGB48, § 216 Rn. 1; Wenkel, in: HK-GS4, § 216 Rn. 2; Sinn, in: SK-StGB9, § 216 Rn. 22; vgl. auch bereits oben B. III. 1. b) aa).



III. Strafbarkeit nach StGB oder VStGB123

ob § 216 StGB auch die Bestrafung nach der Tötungsvariante eines Kriegsverbrechens i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB sperrt und ob dies für alle denkbaren Fallkonstellationen gelten kann. aa) § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB lex specialis zu § 216 StGB? Regelmäßig wird die VStGB-Norm spezieller sein als ihr StGB-Gegenstück.463 Nach der Konzeption des Gesetzgebers soll das StGB vor allem dann Anwendung finden, wenn andernfalls Strafbarkeitslücken zu befürchten wären.464 Unklar ist, ob für die Tötungsvariante des § 8 VStGB überhaupt Fälle denkbar wären, in denen das StGB, trotz grundsätzlich erfülltem VStGB-Tatbestand, auf Konkurrenzebene spezieller wäre. Für den Fall, dass das Opfer bei § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB ernstlich und ausdrücklich den Täter zur Tötung bestimmt hat, ist insofern fraglich, ob § 216 StGB nicht auch im Konflikt die „Tötung auf Verlangen“ abschließend regelt, d. h. ob auch in Bezug auf § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB eine Sperrwirkung eintritt. Eine solche Sperrwirkung des § 216 StGB besteht „StGB-intern“ jedenfalls hinsichtlich des Totschlags aus § 212 StGB und wohl auch für den Mord in § 211 StGB.465 Ungeklärt ist indes das Verhältnis zwischen Tötung auf Verlangen und dem „Kriegsverbrechenstotschlag“ i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB.466 Die Gesetzgebungsmaterialien äußern sich zu dieser Frage nicht. Wenn durch das humanitäre Völkerrecht bestimmten Personengruppen, insbesondere den Verwundeten, ein besonderer Schutz zugestanden wird, der ansonsten (für die an den Feindseligkeiten teilnehmenden Personen) im Zusammenhang mit kriegerischen Auseinandersetzungen so nicht besteht,467 so bleibt fraglich, ob der Einzelne auf diesen Schutz auch verzichten kann. Da bereits nach dem StGB ein völliger Verzicht auf den Lebensschutz der §§ 211 ff. StGB wegen des insofern eindeutigen Wortlautes des § 216 StGB grundsätzlich ausgeschlossen ist, sofern dem Opfer sein Leben durch fremde Hand genommen werden soll, kann zunächst nichts anderes im Hinblick auf § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB gelten. Ferner kommt hier ein Verzicht (also eine rechtfertigende Einwilligung in die völkerrechtswidrige Tötung) auch deswegen grundsätzlich nicht in Betracht, weil zusätzlich zum Lebensinteresse des 463  BT-Drucksache 18/8524,

S. 13. 18/8524, S. 13. 465  S. o., Fn. 462, S. 122. 466  Soweit ersichtlich beschäftigen sich bisher ausschließlich Geiß/Zimmermann, in: MüKo-StGB3, § 8 VStGB Rn. 209 mit dem Verhältnis dieser Normen, dazu sogleich. 467  Die Tötung feindlicher Kräfte ist grundsätzlich völkerrechtlich erlaubt, vgl. insb. die Nw. in Fn. 4, S. 17. 464  BT-Drucksache

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B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

Einzelnen auch das zwischenstaatliche Interesse an einer Eingrenzung der Kriegsführung geschützt wird.468 Ist ein geäußertes Tötungsverlangen deshalb letztlich völlig belanglos? Im StGB weist die im Vergleich zu §§ 211, 212 StGB erhebliche Absenkung des Strafrahmens bei § 216 StGB auf das im hohen Maße verringerte Unrecht einer verlangten Tötung im Vergleich zum Totschlag hin.469 Das allgemeine Vertrauen in die Geltung eines grundsätzlich bestehenden Tötungsverbots wird bei ernstlichem Verlangen (wenn überhaupt) nur in wesentlich geringerem Maße erschüttert, als bei den „ungewollten“ Tötungen.470 Nichts anderes wird aber auch bei den Tatbeständen des VStGB gelten: Auch die Akzeptanz der die den besonderen Schutz Verwundeter471 statuierenden Regelungen des humanitären Völkerrechts wird, bei geäußertem ernstlichen Verlangen, wenn überhaupt, nur in einem sehr viel geringeren Maße beeinträchtigt als bei einer Tötung ohne Verlangen. Soll, wie hier, als Schutzinteresse der grundsätzlich individualschützenden Normen des VStGB (mittelbar, als Umsetzung des IStGH‑Statuts in deutsches Recht),472 jedenfalls auch die „Konfliktbegrenzung“ gelten,473 so droht im Hinblick auf eine Tötung Verwundeter bei ernstlichem Verlangen kaum der befürchtete Verrohungs- und Eskalationseffekt. Wo eine Ausweitung der Kriegshandlungen zu einem „totalen“, d. h. hemmungslosen, keine Grenzen kennenden, Krieg unterbunden werden soll, muss letztlich auf das den jeweiligen Zuwiderhandlungen innewohnende Eskalationsrisiko abgestellt werden: Ein hohes Risiko besteht überall dort, wo eine Handlung eines Beteiligten aus Sicht der anderen Seite als Missachtung der Subjektivität des Opfers erscheint. Wird der Getötete nicht mehr als Mensch, sondern als Objekt betrachtet, erfolgt also eine „Entmenschlichung“ in diesem Sinne, so erreicht die kriegerische Auseinandersetzung regelmäßig eine höhere Eskalationsstufe. Damit einher geht die Gefahr, dass der Konflikt seine bisherigen Begrenzungen verliert. Durch eine Entgrenzung wird auch ein sonst gegebenenfalls möglicher Waffenstillstand oder Friedensschluss unterminiert, der Weltfrieden wird nachhaltig und in höherem Maße beeinträchtigt, eine Rückkehr zur Friedensordnung erschwert. Darüber hinaus kann auch eine Nachahmungswirkung von Verstö468  Vgl.

dazu auch oben B. III. 1. c) bb). in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 1 m. w. N.; vgl. bereits B. III. 1. b) aa). 470  Vgl. dazu oben B. III. 1. b) bb) (2); B. III. 1. b) bb) (3). 471  Diese sind schon deshalb besonders schutzwürdig, da sie aufgrund ihrer Hilflosigkeit anderen am Konflikt Beteiligten ausgeliefert sind. 472  Angesichts der völkerstrafrechtlichen Prägung des VStGB ist eine Einbeziehung dieser Normen bei der Auslegung unabdingbar, vgl. Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S. 223; A. Zimmermann, NJW 2002, 3068 (3069). 473  Vgl. oben B. III. 1. c) bb). 469  Schneider,



III. Strafbarkeit nach StGB oder VStGB125

ßen nicht ausgeschlossen werden. Vor diesem Hintergrund gilt es die Gefahr einer Eskalationsspirale von vornherein zu vermeiden, wodurch sich letztlich die bei § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB im Vergleich zur StGB-Tötung erhöhte Strafe rechtfertigen lässt – schließlich kann das spezifische Unrecht eines Kriegsverbrechens, also eines Verstoßes gegen humanitäres Völkerrecht, regelmäßig nicht durch die Tatbestände des StGB erfasst werden.474 Wer aber einem Schwerstverwundeten auf dessen Verlangen den sprichwörtlichen „Gnadenschuss“ erteilt, verwirklicht auch unter diesem Gesichtspunkt nicht dasselbe Unrecht, wie es einer Tötung gegen seinen Willen zugrunde läge. Dies gilt auch und gerade im Konflikt. Es fehlt schon deshalb an der beschriebenen Entmenschlichung des Opfers, weil der Täter gerade den Sterbewunsch des Verwundeten erfüllt. Wer die Wünsche eines anderen achtet und ihnen zum Vollzug verhilft, achtet diesen auch als Menschen. Dies gilt insbesondere, wenn der Täter seine Handlung gerade aus Humanitätsgründen für geboten erachtet. Jede Gefahr für überindividuelle Schutz­ güter bleibt in diesem Fall völlig abstrakt, es droht kaum die oben geschilderte Eskalationsspirale. Das Verhalten des Täters stellt sich als menschlich verständliche und nicht als per se unethische Handlung dar. Hier unterscheidet sich der verlangte „Gnadenschuss“ ganz erheblich von den „üblichen“ Fällen eines VStGB- Kriegsverbrechens. Denn die spezifische Besonderheit einer Tötung auf Verlangen besteht gerade in dem geäußerten Tötungsverlangen des Opfers. Dies ergibt sich für das allgemeine Strafrecht ohne weiteres aus dem Tatbestand und schon aus der Bezeichnung der Norm des § 216 StGB. Aber auch für die gleiche Tat, die kontextuell im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt erfolgt, und deswegen vordergründig nach den dafür regelmäßig speziellen Tatbeständen des VStGB zu beurteilen wäre, gilt im Ergebnis nichts anderes. § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB würde nach seinem Wortlaut zwar auch die „Tötung auf Verlangen“ im Konflikt erfassen, hat aber eigentlich gänzlich anders gelagerte Taten im Blick: Nämlich solche, in denen die Tötung einerseits (zumindest prima facie)475 dem Willen des Opfers entgegenläuft und andererseits (und gerade auch deswegen) die Geltung der Regeln des humanitären Völkerrechts in Frage stellt. Dass sogar bei solchen Tötungen ggf. noch „minder schwere“ Konstellationen denkbar wären, in denen eine lebenslange Freiheitsstrafe unangemessen erscheint, lässt sich in § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB tatbestandlich nicht abbilden. Im Einzelfall käme ggf. eine analoge Anwendung des § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB in Betracht, um einem insofern geminderten Unrecht Rechnung zu tragen und Härten auszugleichen.476 474  Vgl.

oben B. II. 3. aber auch D. II. 4. b) aa) ff. 476  Vgl. dazu ausführlich D. I. 4. b). 475  Vgl.

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B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

Für den „Gnadenschuss“, der aufgrund eines geäußerten ernstlichen Verlangens des Opfers erfolgt, hilft das aber kaum weiter. Es ist nicht einsichtig, wieso ein solches Verlangen im StGB letztlich „nur“ eine Mindeststrafe von sechs Monaten zur Folge hat, während das Tötungsverlangen bei der gleichen Tat unter dem Regelungsregime des VStGB grundsätzlich völlig unbeachtlich ist und dort lebenslange Haft droht. Selbst bei einer „Behelfslösung“ über § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB analog wären drei Jahre Haft unumgänglich. Die hier verbleibende Differenz lässt sich nicht schlüssig erklären. Stattdessen ist es sachgerecht, das prägende Element des verlangten „Gnadenschusses“ bereits bei der Untersuchung des Verhältnisses der in Frage kommenden Straftatbestände im Fokus zu behalten. Nicht anders als bei der „zivilen“ Tötung auf Verlangen ist dies das ernstliche Tötungsverlangen, das durch das Opfer selbst geäußert wird und welches die Tat – nicht nur im Ergebnis, sondern bereits dem ersten Anschein nach – erheblich von allen anderen Tötungen unterscheidet. Die spezifische Besonderheit der Tat liegt also im erheblich unrechtsmindernden Tötungsverlangen. Der (eben nur grundsätzlich) unrechtserhöhende Zusammenhang der Begehung in einem bewaffneten Konflikt,477 tritt demgegenüber völlig in den Hintergrund. Mithin erfasst der explizit auf verlangte Tötungen zugeschnittene § 216 StGB den hier diskutierten Fall sehr viel spezieller, als es die insofern dann allgemeinere Norm des § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB vermag, die unspezifisch eine Vielzahl verschiedener Taten erfasst, sofern diese nur im Kontext eines bewaffneten Konfliktes gegen ein taugliches Opfer erfolgten. Eine Ungleichbehandlung der Tötung auf Verlangen „zu Hause“ und „im Felde“ wäre vor diesem Hintergrund kaum zu begründen. Folglich spricht viel dafür, § 216 StGB auch bei verlangten Tötungen im Konflikt als die speziellere Norm anzusehen.478 Nach hier vertretener Auffassung entfaltet § 216 StGB also für § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB im gleichen Maße eine Sperrwirkung, wie dies „StGB-intern“ gegenüber den §§ 211 ff. StGB gilt und erfasst damit sämtliche Tötungen auf Verlangen, unabhängig ihres Begehungskontextes im Einzelfall. (1) Historische Hintergründe Für eine abschließende Regelung des § 216 StGB bei allen denkbaren Tötungen auf Verlangen, unabhängig vom situativen Kontext (ärztlich/militärisch), spricht nicht zuletzt auch die Intention des historischen Gesetzgebers: 477  Kirsch,

in: FS Kargl, S. 287 (292). Geiß/Zimmermann, in: MüKo-StGB3, § 8 VStGB Rn. 209, die eine Sperrwirkung des § 216 StGB für § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB ablehnen, dazu sogleich. 478  A. A.



III. Strafbarkeit nach StGB oder VStGB127

In der Diskussion um die Strafbarkeit einer Tötung auf Verlangen im Deutschland des 19. Jahrhunderts gehörte die Tötung eines auf dem Schlachtfeld verwundeten Kameraden zu den klassischerweise diskutierten Fällen,479 und gerade nicht die heute in der Diskussion völlig dominierende ärztliche Sterbehilfe.480 Während der Reichstagsdebatte um die Schaffung des § 216 RStGB481 wurde explizit auf „Gnadenschuss“-Situationen auf dem Schlachtfeld Bezug genommen, um das geminderte Unrecht einer Tötung auf Verlangen im Vergleich zu den anderen Tötungsdelikten aufzuzeigen. Die Vorschrift wurde erst in der zweiten Beratung in das Reichstrafgesetzbuch von 1871 aufgenommen, nachdem der Abgeordnete von Steinmetz482 in einem Redebeitrag einen „Gnadenschuss“-Fall zur Begründung der Notwendigkeit einer solchen Privilegierung anführte:483 „Ich führe Sie auf’s Schlachtfeld. Es ist gar keine vereinzelte Erfahrung, daß wenn man nach einem heißen Kampfe über ein Schlachtfeld geht oder reitet, man von da und dort um Gottes willen gebeten wird, doch den Martern ein Ende zu machen, unter denen Dieser oder Jener dem sicheren Tode entgegengeht. […]. Es ist ein Akt der Humanität, wenn sich Jemand dadurch hinreißen läßt.“484

Für den historischen Gesetzgeber ist § 216 RStGB also auch und gerade auf die hier zuvor angesprochenen „Gnadenschüsse“ anzuwenden, für die ein im Vergleich zu den anderen Tötungsdelikten geringeres Maß an Unrecht angenommen wird. Dieser Grundgedanke lässt sich auch heute auf das Verhältnis des § 216 StGB zum vergleichsweise „neuen“ Tötungsdelikt des § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB übertragen: Zwar ist es richtig, dass der historische Gesetzgeber des RStGB im Jahre 1870, d. h. zu einem Zeitpunkt, in dem das humanitäre Völkerrecht allenfalls in Ansätzen ausgebildet war, die weitere Entwicklung, die viele Jahre später schließlich im VStGB münden sollte, unmöglich voraussehen konnte. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass die im RStGB explizit für verlangte „Gnadenschüsse“ getroffene Regelung, mit einer erheblich geringe479  Vgl. Blass, Die Tötung des Verlangenden, S. 58: „Das Beispiel von verwundeten Soldaten ist neben dem des Doppelselbstmordes ein typisches“; vgl. auch die bereits oben angeführten weiteren Nw. aus dieser Zeit in Fn. 90, S. 30, 159, S. 40. 480  Vgl. Schumann, Dignitas – Voluntas – Vita, S. 15 f. 481  Im Entwurf dort noch § 211. 482  Karl Friedrich v. Steinmetz war ein erfolgreicher preußischer General im Preußisch-Österreichischen Krieg von 1866. 483  Schumann, Dignitas – Voluntas – Vita, S. 15 f.; ausführlich zur Entstehung des § 216 RStGB und zum Gesetzgebungsverfahren im Reichstag Große-Vehne, Tötung auf Verlangen, S.  37 ff. 484  Redebeitrag des Abgeordneten v. Steinmetz, in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages des Norddeutschen Bundes 1870, 34. Sitzung am 04.04.1870, S. 637 (659).

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B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

ren Bestrafung im Vergleich zu einer Tötung gegen den Willen, rund 130 Jahre Bestand hatte. Es ist kaum einsichtig, wieso seit der Einführung des VStGB für eine Tat, die zuvor nach § 216 StGB mit zwischen sechs Monaten und fünf Jahren Freiheitsstrafe bestraft worden wäre, „über Nacht“ eine lebenslange Freiheitsstrafe nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB zu verhängen wäre. Sollte eine solche extreme Änderung des Strafmaßes für einen „Gnadenschuss“ beabsichtigt gewesen sein, wäre sie kaum ohne nachvollziehbaren Grund und ohne Erklärung erfolgt. Es wäre dann davon auszugehen, dass der Gesetzgeber seine Erwägungen hierzu in den Gesetzesmaterialien dargelegt hätte. Tatsächlich findet sich in der Gesetzesbegründung zum VStGB aber nicht einmal ein Hinweis auf verlangte Tötungen. Entsprechend kann argumentiert werden, dass sich an der grundsätzlichen Beurteilung verlangter Tötungen im bewaffneten Konflikt durch den Gesetzgeber nichts geändert hat, diese Taten also weiterhin § 216 StGB unterfallen sollen. Mithin spricht viel dafür, dass § 216 StGB alle Fälle einer Tötung auf Verlangen, d. h. auch auf dem Schlachtfeld, abschließend regelt und eine Sperrwirkung für § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB entfaltet. So ließe sich die Absicht des historischen Gesetzgebers, „Gnadenschuss“-Fälle zu privilegieren, in Einklang mit der heutigen Rechtslage bringen. Keine Aussage des – historischen oder aktuellen – Gesetzgebers findet sich aber darüber, ob es nicht Fälle geben kann, in denen selbst eine erheblich geminderte Strafe entfallen müsste. Hier wird eine Lösung insbesondere auf Ebene der Rechtswidrigkeit oder Schuld zu suchen sein.485 (2) Verringerte Einsichtsfähigkeit im Konflikt? Sofern Geiß und Zimmermann eine Sperrwirkung des § 216 StGB für § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB mit der Begründung ablehnen, dass im bewaffneten Konflikt die Einsichtsfähigkeit des Opfers besonders stark beeinträchtigt sein wird,486 so geht dieser Gedanke fehl: Ob sich die Schmerzen einer schweren Verwundung stets stärker auf die Einsichtsfähigkeit des Moribunden auswirken, als ein beispielsweise durch schwere Krankheit hervorgerufenes Leid, ist zu bezweifeln, aber letztlich auch nicht relevant: Maßgeblich für § 216 StGB ist ein „ernstliches“ Verlangen des Opfers: Ein solches setzt aber die mangelfreie Willensbildung, und damit Einsichtsfähigkeit gerade voraus.487 Fehlt es, auch im bewaffneten Konflikt, egal aus welchen Gründen, wegen 485  Zu

verschiedenen Lösungsvorschlägen siehe C. I. in: MüKo-StGB3, § 8 VStGB Rn. 209. 487  BGH NJW 1981, 932 (932); BGH NStZ 2011, 340 (341); BGH NStZ 2012, 85 (85 f.); ferner Rissing-van-Saan, in: LK-StGB12, § 216 Rn. 20 f.; Jähnke, in: LK486  Geiß/Zimmermann,



III. Strafbarkeit nach StGB oder VStGB129

beeinträchtigter Willensbildung an einem ernstlichen Verlangen, so ist schon der Tatbestand des § 216 StGB nicht erfüllt,488 der Täter wäre dann also nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB zu bestrafen. Wieso aber ein – nur unterstellt – höheres Risiko einer (unerkannt) fehlerhaften Willensbildung im Konflikt per se (also selbst bei im Einzelfall völlig sicherer Mangelfreiheit) jede Privi­ legierung ausscheiden lassen soll, vermag ich nicht zu erkennen. (3) Drohende Strafbarkeitslücken bei Anwendung des § 216 StGB? Ferner führen Geiß und Zimmermann an, dass die grundsätzliche Möglichkeit der Anwendung von StGB und VStGB nebeneinander lediglich zur Vermeidung von Strafbarkeitslücken dient, sodass eine Privilegierung des Täters schon deswegen nicht in Betracht käme.489 Richtig ist, dass der Gesetzgeber eine mögliche Konfliktsituation zwischen § 216 StGB und § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB nicht erwähnt. In der Regel geht er von einer Spezialität des VStGB aus, wobei das StGB dann mögliche Lücken schließen soll.490 Indes lassen sich daraus keine Schlüsse für § 216 StGB ziehen: Bei einer „Sperre“ des § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB bei Vorliegen eines ernstlichen Tötungsverlangen entsteht gerade keine Strafbarkeitslücke. Die Tötung auf Verlangen ist grundsätzlich strafbar.491 Dass ihr aber im Vergleich zu einer Tötung gegen den Willen des Opfers ein verminderter Unrechtsgehalt zukommt, kann nicht ernstlich bezweifelt werden. An dieser Erkenntnis vermögen auch die äußeren Umstände der Begehung im Kontext mit einer kriegerischen Auseinandersetzung nichts zu ändern. Auch wenn das Unrecht des „Kriegsverbrechenstotschlags“ aus § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB im Vergleich zur Parallelnorm des § 212 StGB gerade aufgrund der Konnexität zum Konflikt höher zu bewerten ist (was schon der Strafrahmen zeigt),492 kann daraus nicht geschlossen werden, dass dies für jede denkbare Tötung gelten muss. Eine Tötung, die auf Verlangen im Zusammenhang mit dem Konflikt erfolgt, beinhaltet kein höheres Maß an Unrecht als die gleiche Tat außerhalb des Konflikts. Schließlich richtet sich der „Gnadenschuss“ als Tötung auf Verlangen auch und gerade im Konflikt nicht gegen den Verwundeten, sondern verhilft dessen (einzigen verbleibendem) Wunsch zur Geltung. Durch eine Tat, die wohl nur als „Gnadenakt“ verstanden werden kann, wird aber weder StGB11, § 216 Rn. 7; Eser/Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, § 216 Rn. 8, Wessels/ Hettinger/Engländer, BT 143, S. 37, jeweils m. w. N. 488  Vgl. BGH NStZ 2011, 340 (341). 489  Geiß/Zimmermann, in: MüKo-StGB3, § 8 VStGB Rn. 209. 490  Vgl. BT-Drucksache 14/8524, S. 13. 491  Zur Frage einer möglichen Rechtfertigung siehe insb. C. II. 492  Vgl. Ambos, in: MüKo-StGB3, Vorbem. § 8 VStGB Rn. 34.

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B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

die Geltung der Regeln des humanitären Völkerrechts in Frage gestellt, noch droht realistisch eine Eskalation des Konflikts. (4) Keine Berücksichtigung des Tötungsverlangens vor dem IStGH? Auch der Einwand, dass dem Statut des IStGH und der internationalen Rechtsprechung eine Privilegierung der Tötung auf Verlangen nicht zu entnehmen sei,493 kann so nicht bestehen: Unabhängig von der bei Geiß und Zimmermann unklar bleibenden Frage, welche unmittelbare Relevanz dies für das Verhältnis von VStGB und StGB haben sollte – schließlich handelt es sich bei ersterem gerade nicht um eine buchstabengetreue Umsetzung des IStGH‑Statuts –,494 kann der Feststellung, dass ein Tötungsverlangen vor internationalen Gerichten unberücksichtigt bliebe, auch inhaltlich nicht gefolgt werden: Im Gegensatz zum deutschen VStGB kennt das IStGH‑Statut kein festes Strafmaß für die einzelnen Delikte, sondern ermöglicht es dem Gericht abhängig von den Einzelheiten des Falles eine bis zu dreißigjährige zeitige oder eine lebenslange Freiheitsstrafe zu verhängen, vgl. Art. 77 Abs. 1 IStGH‑­ Statut. Dass eine Privilegierung des aufgrund eines Tötungsverlangens des Opfers handelnden Täters nicht ausdrücklich im Statut festgeschrieben ist, ist diesem System geschuldet – eine festgeschriebene Privilegierung wäre, gerade angesichts der Seltenheit entsprechender Fälle, auch eher überflüssig. Bei der Strafzumessung „berücksichtigt der Gerichtshof in Übereinstimmung mit der Verfahrens- und Beweisordnung Faktoren wie die Schwere des Verbrechens und die persönlichen Verhältnisse des Verurteilten“,495 vgl. Art. 78 Abs. 1 IStGH‑Statut.496 Übergeordnetes Prinzip der Strafzumessung des in: MüKo-StGB3, § 8 VStGB Rn. 209. Bestrafung des völkerrechtswidrig tötenden Täters nach § 216 StGB wäre im Hinblick auf den IStGH auch völlig unproblematisch: Die Staaten haben einen weiten Spielraum bei der Umsetzung des IStGH‑Statuts, insbesondere besteht keine vertragliche Verpflichtung, die völkerstrafrechtlichen Tatbestände in das nationale Recht umzusetzen, vgl. Werle, JZ 2001, 885 (887). Die Vorstellung, dass der IStGH aufgrund der (zu) milden Strafandrohung des § 216 StGB der deutschen Justiz ein Unvermögen einer effektiven Strafverfolgung bescheinigt und den Fall gemäß Art. 17 IStGH‑Statut übernimmt, erscheint abwegig. 495  In der gem. Art. 128 IStGH‑Statut verbindlichen englischen Sprachfassung lautet Art. 78 Abs. 1 wie folgt: „In determining the sentence, the Court shall, in accordance with the Rules of Procedure and Evidence, take into account such factors as the gravity of the crime and the individual circumstances of the convicted person.“ 496  Ähnliches gilt auch für die Adhoc-Tribunale, vgl. hier Art. 24 Abs. 2 ICTY‑Statute und Art. 23 Abs. 2 ICTR‑Statute sowie für den SCSL Art. 19 Abs. 2 SCSL‑Statute. 493  Geiß/Zimmermann, 494  Eine



III. Strafbarkeit nach StGB oder VStGB131

IStGH ist, dass die Strafe stets einzelfallabhängig zu bestimmen ist und die Schuld des Verurteilten widerspiegeln muss.497 Diverse straferhöhende oder -mildernde Faktoren werden in der Verfahrens- und Beweisordnung (rules of procedure and evidence – „RPE‑IStGH“) konkretisiert. Gemäß Rule 145 Nr. 1c RPE‑IStGH sind u. a. die Art und Weise der Tatausführung und das Ausmaß des verursachten Schadens zu berücksichtigen. Ferner beinhaltet Rule 145 Nr. 2 RPE‑IStGH eine Liste der bei der Strafzumessung zu berücksichtigenden Faktoren, die straferhöhend oder -mildernd wirken können. Die Auflistung dieser Faktoren ist nicht abschließend („inter alia“, „such as“).498 Als mildernde Umstände gelten nach der Rechtsprechung internationaler Gerichte auch „acts of mercy“.499 Wo z. T. bereits das geringste Aufflackern von Humanität500 und einfachste Gesten menschlichen Anstands auch ohne direkten Bezug zur Tat honoriert wurden,501 müsste dies erst recht gelten, wenn die Tat selbst aus humanen Erwägungen erfolgt. Sowieso sind bei der Ermittlung des Strafmaßes gemäß Rule 145 Nr. 1b RPE‑IStGH alle relevanten Faktoren zu berücksichtigen, insbesondere auch die Umstände der Tat („all the relevant factors, including any mitigating and aggravating factors and […] the circumstances both of the convicted person and of the crime“). Hier ist also auch die Motivation des Täters für die Begehung der Tat zu berücksichtigen.502 Nach der Rechtsprechung des ICTY503 ist diese zwar nicht maßgeblich dafür, ob die entsprechende Straftat vorliegt, kann aber, in einem zweiten Schritt, im Strafmaß berücksichtigt werden und

497  Ambos, Treatise, Vol. II, S. 283; Safferling, Internationales Strafrecht, S. 148; vgl. auch den Wortlaut von Rule 145 Nr. 1 lit. a RPE‑IStGH: „[…] must reflect the culpability of the convicted person.“ 498  Ambos, Treatise, Vol. II, S. 280; Schabas, The International Criminal Court2, S. 1168. 499  Book, Appeal and Sentence in International Criminal Law, S. 84 ff. 500  So wurde etwa bereits strafmildernd berücksichtigt, dass der Angeklagte Kolundzija Gefangenen (u. a.) Decken zur Verfügung stellte und ihnen erlaubte, die Toiletten aufzusuchen, vgl. ICTY, Trial Chamber, Prosecutor v. Dusko Sikirica, Damir Dosen, Dragan Kolundzija, Sentencing Judment, IT-95-8-S, 13.11.2001, Rn. 67–73, 75–77, 229; für einen ähnlichen Fall auch ICTY, Trial Chamber, Prosecutor v. Zejnil Delalic et al., IT-96-21-T, Judgment, 16.11.1998, Rn. 1270. 501  Epik, Die Strafzumessung bei Taten nach dem Völkerstrafgesetzbuch, S. 360 f. mit vielen Nachweisen zur Rechtsprechung internationaler Gerichte; vgl. auch, mit weiteren Beispielen, Book, Appeal and Sentence in International Criminal Law, S.  84 ff. 502  D’Ascoli, Sentencing in International Criminal Law, S. 201. 503  ICTY, Trial Chamber, Prosecutor v. Zejnil Delalic et al., IT-96-21-T, Judgment, 16.11.1998, Rn. 1269, 1235; ICTY, Appeals Chamber, The Prosecutor v. Dusko Tadic, IT-94-1-A, Judgment, 15.07.1999, Rn. 269; ferner auch ICTR, The Prosecutor versus Jean Kambanda, ICTR 97-23-S, Judgment and Sentence, 04.09.1998, Rn. 35.

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B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

so, für oder gegen den Täter, erhebliche Bedeutung erlangen.504 Dabei kommt für den ICTY etwa das Motiv „Mitleid“ als mildernder Faktor in Betracht: „The offences charged are violations of international humanitarian law. It is, therefore, essential to consider the motives of the accused. The motive for committing an act which results in the offence charged may constitute aggravation or mitigation of the appropriate sentence. For instance, where the accused is found to have committed the offence charged with cold, calculated premeditation, suggestive of revenge against the individual victim or group to which the victim belongs, such circumstances necessitate the imposition of aggravated punishment. On the other hand, if the accused is found to have committed the offence charged reluctantly and under the influence of group pressure and, in addition, demonstrated compassion towards the victim or the group to which the victim belongs, these are certainly mitigating factors which the Trial Chamber will take into consideration in the determination of the appropriate sentence.“505

Damit richtet sich die Rechtsprechung des IStGH (und der Adhoc-Tribunale), wie auch die nationale deutsche Rechtsprechung, letztlich nach dem verwirklichten Unrecht der Tat. Die Strafe muss auch hier, soweit möglich, proportional zur Schwere der konkreten Tat sein.506 Im Falle einer Tötung auf Verlangen wäre, unterstellt diese erfolgt beim „Gnadenschuss“ aus Mitleid507, folglich auch vor dem IStGH eine geringere Strafe zu erwarten. Dies entspricht letztlich der Konzeption des deutschen § 216 StGB, wenngleich auf Ebene der Rechtsfolgen und nicht bereits im Tatbestand.508 Im Ergebnis kann aus dem Fehlen einer dem § 216 StGB entsprechenden Regelung im IStGH‑Statut nicht geschlossen werden, dass keine Privilegierung des Täters, der im Einklang mit dem geäußerten Willen des Opfers tötet, erfolgen soll. (5) Zwischenergebnis Im Ergebnis lässt sich der Konflikt zwischen § 216 StGB und § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB lösen, wenn die bei beiden Normen neben dem Tatbestandselement der Tötung hinzutretenden besonderen Umstände (Verlangen bzw. bewaffneter Konflikt) betrachtet werden. Wo dann im Einzelfall eine Beeinträchtigung internationaler Kollektivinteressen von vornherein kaum denkbar 504  Vgl. auch D’Ascoli, Sentencing in International Criminal Law, S. 202 f.; Schabas, The International Criminal Court2, S. 1173. 505  ICTY, Trial Chamber, Prosecutor v. Zejnil Delalic et al., IT-96-21-T, Judgment, 16.11.1998, Rn. 1235; diese Sichtweise bestätigend auch ICTY, Appeals Chamber, The Prosecutor v. Dusko Tadic, IT-94-1-A, Judgment, 15.07.1999, Rn. 269. 506  Nemitz, YIHL 2001, 87 (108 f., 127). 507  Was in den praktischen Fällen wohl nahezu ausnahmslos der Fall sein dürfte. 508  Abermals sei auf die obligatorische lebenslange Strafe des § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB hingewiesen: Trotz gemilderten Unrechtes bliebe das Tötungsverlangen bei Vorrang des VStGB ggf. gänzlich unberücksichtigt.



III. Strafbarkeit nach StGB oder VStGB133

ist, ist das (denkbar höchste) Strafmaß eines Kriegsverbrechens gegen Personen im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB keinesfalls angemessen. Da das VStGB gerade keine abschließende Regelung für alle Straftaten, die im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt begangen werden, trifft, ist dort, wo ein Verhalten nicht dem VStGB unterfällt, allgemeines Strafrecht anzuwenden.509 Beim verlangten „Gnadenschusses“ im militärischen Kontext ist dem geminderten Unrecht einer solchen Tat Rechnung zu tragen, was auf Tatbestandsebene durch § 216 StGB gewährleistet werden kann. Nach hier vertretener Ansicht ist § 216 StGB für alle Fälle eines ausdrücklichen, ernstlichen Tötungsverlangens lex specialis zu § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB und entfaltet damit die Privilegierungswirkung auch für den Täter des verlangten „Gnadenschusses“. bb) Fallkonstellationen Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen § 216 StGB und § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB ist zu untersuchen, ob und in wie fern der Status des Getöteten nach humanitärem Völkerrecht eine Rolle für die Anwendbarkeit der jeweiligen StGB- oder VStGB-Norm hat. (1) Opfer Kamerad – Schutz im Verhältnis zur eigenen Konfliktpartei? Für den gedanklich naheliegenden Fall eines Soldaten, der seinen schwerstverwundeten Kameraden auf dessen ausdrückliches Verlangen hin erschießt, ist es fraglich, ob sich die oben diskutierte510 Frage nach dem Verhältnis von § 216 StGB und § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB überhaupt stellt: Zwar ist der Kamerad, bedingt durch seinen Zustand als Verwundeter, eine durch das humanitäre Völkerrecht geschützte Person, deren Tötung im bewaffneten Konflikt nicht mehr zulässig ist, und damit grundsätzlich taugliches Opfer eines Kriegsverbrechens gegen Personen im Sinne des VStGB. Insoweit wird er ab dem Moment seiner Verwundung (und der Einstellung von Kampfhandlungen seinerseits) aus dem Kreis der legitimen Ziele herausgenommen. Seine Tötung wäre damit grundsätzlich unzulässig und strafbar. Damit konstituiert das humanitäre Völkerrecht Ausnahmen von der im Konflikt grundsätzlich bestehenden Verletzungs- und Tötungserlaubnis.511 Während im bewaffneten Konflikt eine Tötung des Gegners grundsätzlich zulässig ist, verbietet das humanitäre Völkerrecht diese bei Vorliegen eines solchen Schutzstatus.512 509  Werle,

JZ 2012, 373 (376). B. III. 2. a) aa). 511  Vgl. nur Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht5, S. 567. 512  S. o. B. II. 1. e) cc). 510  S. o.,

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B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

Dieses Regel-Ausnahme-System könnte aber dann nicht greifen, wenn der Getötete zur selben Konfliktpartei wie der Täter gehört. Der einzelne Soldat wird kultur- und zeitübergreifend nur als legitimes Ziel für den Gegner, und gerade nicht für die eigenen Kameraden betrachtet.513 Aus traditioneller Sicht wird, gestützt auf zwei niederländische Urteile aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Pilz514 und Motosuke515), vertreten, dass ein Soldat im Verhältnis zu seinem Kameraden von vornherein keine geschützte Person im Sinne des humanitären Völkerrechts ist.516 Seine Tötung sei entsprechend kein Kriegsverbrechen, sondern die Strafbarkeit der Tat nach dem allgemeinen Strafrecht des jeweils zuständigen Staates zu beurteilen.517 Den kriegführenden Staat (bzw. die nichtstaatliche Konfliktpartei) sollen keine Pflichten aus dem humanitären Völkerrecht im Hinblick auf seine eigenen Soldaten treffen. 518 Zum selben Ergebnis kam auch der Sondergerichtshof für Sierra Leone im RUF-Verfahren.519 Ein Kriegsverbrechen käme danach nur in Betracht bei Taten gegen Personen, die nicht derselben Konfliktpartei (oder eiHow Does Law Protect in War?3, S. 3. 514  Hermann Pilz war ein deutscher Wehrmachtsarzt und befahl die Tötung eines Niederländers, der in der Wehrmacht diente und beim Versuch der Desertation verwundet wurde. Da dieser vor seiner Verwundung derselben Konfliktpartei wie der Täter angehörte, entschied das niederländische Gericht, dass ihm kein Schutz durch humanitäres Völkerrecht zuteilwurde. Vgl. zusf. Special Court of Cassation, In re Pilz, Judgment, International Law Reports 1950, 391 (392); vgl. auch die Darstellung bei Cassese, The Oxford Companion to International Criminal Justice, S. 872. 515  Susuki Motosuke, ein japanischer Offizier, war u. a. angeklagt, ohne vorherigen Prozess die Exekution eines Niederländers befohlen zu haben, der sich während der Besetzung niederländischer Kolonien in Indonesien den japanischen Besatzungstruppen angeschlossen hatte. Nach Auffassung des Gerichts handelte es sich dabei nicht um ein Kriegsverbrechen, da der Getötete auf Seiten der japanischen Truppen stand. Vgl. zusf. Trial of Susuki Motosuke, Netherlands Temporary Court-Martial at Amboina (Judgment delivered on 28th January, 1948), in: The United Nations War Crimes Comission, Law Reports of Trial of War Criminals, Volume XIII, S. 126 ff.; vgl. zum Fall auch die Darstellung in Cassese, The Oxford Companion to International Criminal Justice, S. 816 f. 516  Cassese, International Criminal Law3, S. 67; Focarelli, International Law as Social Construct, S. 392; im Ergebnis so wohl auch Solis, The Law of Armed Conflict2, S. 578, der nur für den Fall der Tötung eines „Feindes“ von einem Verstoß gegen humanitäres Völkerrecht ausgeht; i. E. ähnlich Ambos, NJW 2010, 1725 (1727); nicht eindeutig aber ders., Internationales Strafrecht5, S. 289. 517  Vgl. Cassese, International Criminal Law3, S. 67. 518  Rowe, YIHL 2006, 3 (23 f.). 519  Angeklagt waren führende Mitglieder der Revolutionary United Front (RUF) wegen der Tötung von drei Personen während des Bürgerkriegs in Sierra Leone. Dabei kämpften die Getöteten auf Seiten der RUF. Nach Auffassung des Gerichts handelte es sich bei den Tötungen aus diesem Grund nicht um Kriegsverbrechen, vgl. SCSL, Trial Chamber, Prosecutor v. Issa Hassan Sesay, Morris Kallon and Augustine Gbao, SCSL-2004-15-T, Trial Judgment, 02.03.2009, Rn. 1451 ff. 513  Sassòli/Bouvier/Quintin,



III. Strafbarkeit nach StGB oder VStGB135

ner alliierten Partei) angehören.520 Nach Auffassung des SCSL war das humanitäre Völkerrecht also nie dazu bestimmt, auch Taten innerhalb einer Partei zu verbieten.521 Demnach fände humanitäres Völkerrecht nur im Verhältnis zur jeweils anderen Konfliktpartei Anwendung. Hierfür spricht, dass, bei oberflächlicher Betrachtung, die überindividuellen, überstaatlichen Schutzgüter des humanitären Völkerrechts nicht betroffen sind, wenn sich das Tatgeschehen lediglich innerhalb der eigenen Partei abspielt („intra-force“)522 und eine unmenschliche, letztlich friedensgefährdende, Behandlung des Gegners bzw. Dritter, mangels ihrer Beteiligung, aus­scheidet. Indes ist auch vor allem der, zumindest im Hinblick auf die völkerrechtswidrige Tötung besonders maßgebliche, Individualschutzaspekt523 des humanitären Völkerrechts zu berücksichtigen, der einen umfassenden und ausnahmslosen Schutz aller Verwundeter erfordert.524 Zweck des humanitären Völkerrechts „Genfer Ausprägung“525 ist es nämlich, sämtliche Personen, die nicht (mehr) aktiv am Konfliktgeschehen mitwirken, vor Einwirkungen zu schützen.526 Im Hinblick auf Verwundete ist der Schutz zwar üblicherweise nur gegenüber den jeweils feindlichen Kräften erforderlich, schließlich erfolgt eine gewaltsame Einwirkung im Regelfall durch diese.527 Im Hinblick auf die geschützte Person ist die Richtung, aus der eine Einwirkung erfolgt, aber unerheblich: Die Tötung eines Verwundeten durch seinen Kameraden verletzt sein Leben in genau dem selben Maße, wie eine Tötung durch einen Angehörigen der anderen Konfliktpartei. Das humanitäre Völkerrecht trennt bezüglich des Schutzes Verwundeter gerade nicht zwischen den verschiedenen Konfliktparteien, sondern nur zwischen geschützten und nicht geschützInternational Criminal Law3, S. 67. Trial Chamber Prosecutor v. Issa Hassan Sesay, Morris Kallon and Augustine Gbao, SCSL-2004-15-T, Trial Judgment, 02.03.2009, Rn. 1453. 522  So bezeichnet in IStGH, Appeals Chamber, Prosecutor v. Bosco Ntaganda, ICC-01/04-02/06-1962, Judgment on the appeal of Mr. Ntaganda against the „Second decision on the Defence’s challenge to the jurisdiction of the Court in respect of Counts 6 and 9“, 15.06.2017, Rn. 62. 523  Geiß/Zimmermann, in: MüKo-StGB3, § 8 VStGB Rn. 1. 524  ICRC, Commentary on the First Geneva Convention2, Rn. 1451. 525  Siehe dazu oben, B. II. 1. e) bb). 526  Kempen/Hillgruber, Völkerrecht2, S. 255; Nicholson, ICD Brief 16, Dez. 2015, S. 5; Sivakumaran, The Law of Non-International Armed Conflict, S. 248; siehe auch bereits oben B. II. 1. 527  IStGH, Appeals Chamber, Prosecutor v. Bosco Ntaganda, ICC-01/04-02/061962, Judgment on the appeal of Mr. Ntaganda against the „Second decision on the Defence’s challenge to the jurisdiction of the Court in respect of Counts 6 and 9“, 15.06.2017, Rn. 57. 520  Cassese, 521  SCSL,

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B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

ten Personen, ohne Rücksicht auf deren Zugehörigkeit.528 Dies ergibt schon aus dem Wortlaut des Art. 6 der ersten Genfer Konvention von 1864, deren maßgebliches Ziel gerade die Gleichbehandlung aller Verwundeter war: „Die verwundeten oder kranken Militärs sollen ohne Unterschied der Nationalität aufgenommen und verpflegt werden.“529

Zwar gibt es Bereiche, in denen eine Verletzung humanitären Völkerrechts durch einen Angehörigen der selben Konfliktpartei begriffslogisch nicht denkbar ist und eine Anknüpfung an die Zugehörigkeit zu einer anderen Partei gerade zwingend ist.530 So ist es wohl nicht denkbar, Kriegsgefangener seiner eigenen Konfliktpartei zu sein,531 ferner erfordern auch die Vorschriften über verbotene Mittel der Kriegsführung („Haager Recht“) die klassische Betrachtungsweise mit mindestens zwei sich gegenüberstehenden Konfliktparteien, schließlich ist bereits unabhängig vom Mittel nur der „Feind“ ein legitimes militärisches Ziel.532 Hingegen lässt sich daraus kein allgemeines Prinzip, dass das humanitäre Völkerrecht nie vor Verletzungen durch Angehörige der eigenen Konfliktpartei schütze, herleiten.533 Im Gegenteil dienen andere Vorschriften sogar ausdrücklich dem Schutz vor der eigenen Partei: So betrifft etwa das Verbot der Verwendung von Kindersoldaten in Art. 77 ZP I evident eine intra-force Konstellation.534 Der Schutz Verwundeter umfasst (u. a.) alle Angehörige bewaffneter Kräfte der am Konflikt beteiligten Parteien, vgl. insb. Art. 13 GK I. Eine Unterscheidung oder Limitierung des Schutzes aufgrund ihrer Zugehörigkeit erfolgt nicht.535 Zu beachten ist im Hinblick auf Verwundete in erster Linie das 528  Maßgeblich ist lediglich, dass der Verwundete sich nicht mehr am Konflikt beteiligt, vgl. ICRC, Commentary on the First Geneva Convention2, Rn. 1313. 529  Art. 6 GK-1864, in deutscher Übersetzung. 530  Kleffner, in: Liber Amicorum McDonald, S. 285 (291 f.); Sivakumaran, The Law of Non-International Armed Conflict, S. 249. 531  SCSL, Trial Chamber, Prosecutor v. Issa Hassan Sesay, Morris Kallon and Augustine Gbao, SCSL-2004-15-T, Trial Judgment, 02.03.2009, Rn. 1453; Kleffner, in: Liber Amicorum McDonald, S. 285 (291 f.). 532  Kleffner, in: Liber Amicorum McDonald, S. 285 (292). 533  Kleffner, in: Liber Amicorum McDonald, S. 285 (294); so i. E. auch Sivakumaran, The Law of Non-International Armed Conflict, S. 246 ff. 534  Sivakumaran, The Law of Non-International Armed Conflict, S. 248 f.; (nur) hier akzeptiert auch Rowe, YIHL 2006, 3 (17 f., 23) eine intra-force Wirkung. 535  IStGH, Appeals Chamber, Prosecutor v. Bosco Ntaganda, ICC-01/04-02/061962, Judgment on the appeal of Mr. Ntaganda against the „Second decision on the Defence’s challenge to the jurisdiction of the Court in respect of Counts 6 and 9“, 15.06.2017, Rn. 59 ff.; auch ICRC, Commentary on the First Geneva Convention2, Rn. 1353,  1451; Kleffner, in: Liber Amicorum McDonald, S. 285 (295); Nicholson,



III. Strafbarkeit nach StGB oder VStGB137

Gebot der humanen Behandlung, ohne jede Aufweichung und Unterminierung dieses Schutzes durch eine Abgrenzung anhand der Nationalität bzw. der Zugehörigkeit zu der einen oder anderen Partei.536 Schließlich erfolgt der Schutz Verwundeter gerade „unter allen Umständen“ und „ohne jede Benachteiligung aus Gründen des Geschlechtes, der Rasse, der Staatsangehörigkeit, der Religion, der politischen Meinung oder aus irgendeinem ähnlichen Grunde“537, Art. 12 GK I. Ab dem Moment seiner verwundungsbedingten Kampfunfähigkeit ist jeder Soldat unverletzlich. Eine Trennung zwischen dem verwundeten „Freund“ und „Feind“ erfolgt nicht, beide sind unterschiedslos human zu behandeln.538 Ebenfalls verlangt der gemeinsame Art. 3 der Genfer Konventionen, als absoluter Mindeststandard, eine menschliche Behandlung von Personen, die nicht (mehr) an Kampfhandlungen teilnehmen „einschließlich der Mitglieder der bewaffneten Streitkräfte“539, ohne Beschränkung auf Verwundete nur einer Seite.540 Eine Limitierung des Schutzes nur für „den Feind“ besteht nicht.541 Derselbe unterschiedslose Schutz wird explizit auch in Art. 10 ZP I verankert: „Alle Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen, gleichviel welcher Partei sie angehören, werden geschont“542, was ebenfalls die Anwendbarkeit auch bei konfliktparteiinternen Situationen impliziert.543 Im Ergebnis bestehen nach hier vertretener Auffassung die Pflichten der beteiligten Parteien bezüglich des Schutzes der Verwundeten genauso gegenüber den eigenen Verwundeten, wie gegenüber denen einer feindlichen Kon-

ICD Brief 16, Dez. 2015, S. 5; Sivakumaran, The Law of Non-International Armed Conflict, S.  247 ff. 536  Kleffner, in: Liber Amicorum McDonald, S. 285 (300). 537  Art. 12 GK I: „Members of the armed forces and other persons mentioned in the following Article, who are wounded or sick, shall be respected and protected in all circumstances. They shall be treated humanely and cared for by the Party to the conflict in whose power they may be, without any adverse distinction founded on sex, race, nationality, religion, political opinions, or any other similar criteria.“ 538  ICRC, Commentary on the First Geneva Convention2, Rn. 1313, 1337, 1353. 539  Art. 3 GK I‑IV: „Persons taking no active part in the hostilities, including members of armed forces who have laid down their arms and those placed hors de combat by sickness, wounds, detention, or any other cause, shall in all circumstances be treated humanely, without any adverse distinction founded on race, colour, religion or faith, sex, birth or wealth, or any other similar criteria.“ 540  Sivakumaran, The Law of Non-International Armed Conflict, S. 248. 541  Ausführlich Sivakumaran, The Law of Non-International Armed Conflict, S.  247 f. 542  Art. 10 ZP I: „All the wounded, sick and shipwrecked, to whichever Party they belong, shall be respected and protected.“ 543  Sivakumaran, The Law of Non-International Armed Conflict, S. 248.

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B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

fliktpartei.544 Dies entspricht letztlich dem grundlegenden Gebot der unterschiedslosen Humanität, welches seit der ersten Genfer Konvention von 1864 die Basis des humanitären Völkerrechts bildet.545 Eine vergleichbare Argumentation vertrat auch die Anklage beim IStGH im Ntaganda-Prozess: „[…] it has always been clear that this Court has jurisdiction […] over war crimes committed against victims with the same affiliation as the perpetrator – even within international armed conflict, and potentially between members of State armed forces. Wilfully killing a wounded comrade […] – there is nothing controversial in recognising this conduct, in principle, as a potential war crime.“546

Das Gericht folgte dieser Auffassung: „[…] the Appeals Chamber is persuaded that international humanitarian law does not contain a general rule that categorically excludes members of an armed group from protection against crimes committed by members of the same armed group.“547

Mithin kann nichts anderes gelten, als dass der Schutz Verwundeter nicht limitiert ist, sondern auch auf Verwundete der eigenen Konfliktpartei anwendbar sind.548

544  I. E. wie hier Sivakumaran, The Law of Non-International Armed Conflict, S. 248; Rodenhäuser, JICJ 2016, 171 (188 ff.); Kleffner, in: Liber Amicorum McDonald, S. 285 (295 ff.); Nicholson, ICD Brief 16, Dez. 2015, S. 5. 545  Die Gründung des Roten Kreuzes und die „Genfer Konvention betreffend die Linderung des Loses der im Felddienst verwundeten Militärpersonen“ von 1864 waren letztlich eine Reaktion auf das Leid der Verwundeten (beider Seiten) in der Schlacht von Solferino im Sardinischen Krieg und deren völlig ungenügende medizinische Versorgung, vgl. dazu die drastischen Schilderungen bei Dunant, Eine Erinnerung an Solferino. 546  IStGH, Appeals Chamber, Prosecutor v. Bosco Ntaganda, ICC-01/04-02/061794, Prosecution’s Response to Ntaganda’s Appeal from the Second Decision on the Defence’s Challenge to the Jurisdiction of the Court in respect of Counts 6 and 9, 17.02.2017, Rn. 63. 547  IStGH, Appeals Chamber, Prosecutor v. Bosco Ntaganda, ICC-01/04-02/061962, Judgment on the appeal of Mr. Ntaganda against the „Second decision on the Defence’s challenge to the jurisdiction of the Court in respect of Counts 6 and 9“, 15.06.2017, Rn. 63. 548  Vgl. ICRC, Commentary on the First Geneva Convention2, Rn. 1313, 1353, 1451. In Sachen Pilz, Motosuko, RUF (s. o. Fn.  514, 515, 519, S. 134) muss also von Fehlurteilen gesprochen werden, vgl. dazu auch IStGH, Appeals Chamber, Prosecutor v. Bosco Ntaganda, ICC-01/04-02/06-1794, Prosecution’s Response to N ­ taganda’s Appeal from the Second Decision on the Defence’s Challenge to the Jurisdiction of the Court in respect of Counts 6 and 9, 17.02.2017, Rn. 66 ff., insb. Rn. 63, s. o.; dem folgend der IStGH, Appeals Chamber, Prosecutor v. Bosco Ntaganda, ICC-01/0402/06-1962, Judgment on the appeal of Mr. Ntaganda against the „Second decision on the Defence’s challenge to the jurisdiction of the Court in respect of Counts 6 and 9“, 15.06.2017, Rn. 61 f., welcher für Pilz und Motosuke von politischen motivierten



III. Strafbarkeit nach StGB oder VStGB139

Bei der gebotenen Übertragung dieses Ergebnisses auf das deutsche Völkerstrafrecht stellt damit auch der verwundete Kamerad im Verhältnis zum Täter eine „nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person“ im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 VStGB dar. Dementsprechend wird für das deutsche Strafrecht die zuvor diskutierte Frage nach dem Verhältnis von § 216 StGB zu den Tatbeständen des VStGB relevant. Wenn, wie hier vertreten, von einer Spezialität des § 216 StGB für alle Fälle eines ausdrücklichen Tötungsverlangens ausgegangen wird,549 kommt auch für den Fall, in dem ein verwundeter Kamerad des Täters die Tötung verlangt, i. E. nur eine Strafbarkeit nach § 216 StGB in Betracht. (2) Opfer Feind oder Dritter Handelt es sich bei dem auf Verlangen Getöteten indes um eine „externe“ Person, also entweder um einen verwundeten Gegner oder eine sonstige geschützte Person, so ist dieser fraglos ein taugliches Opfer im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB und wird entsprechend durch das humanitäre Völkerrecht gegen schädigende Einwirkungen geschützt. Dabei ist der Status vor der Verwundung unbedeutend, das humanitäre Völkerrecht schützt sowohl reguläre Kombattanten, sowie verwundete Zivilpersonen.550 Nichts anderes gilt für die „unprivilegierten“ Kämpfer, d. h. für Personen ohne Kombattantenstatus, die aber an den Kampfhandlungen teilnehmen:551 Ohne Ausnahme alle Verwundeten sind in allen Konflikten zu schützen, vgl. Art. 8, Art. 10 ZP I, Art. 7 ZP II sowie den gemeinsamen Art. 3 GK I–IV. Maßgeblich ist lediglich, dass der Verwundete die Kampfhandlungen einstellt und allgemein feindselige Handlungen unterlässt.552 § 8 Abs. 6 VStGB erfasst entsprechend für das deutsche Strafrecht explizit alle Verwundeten in beiden Konflikt­ arten.553 Damit kommt beim „Gnadenschuss“ in einer Konstellation, in der sich Täter und Opfer auf verschiedenen Seiten des Konflikts befinden, zunächst sowohl eine Strafbarkeit gemäß § 216 StGB als auch gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB in Betracht. Mit der hier vertretenen Meinung ist aber § 216 StGB Fehlurteilen ausgeht; ähnlich auch Nicholson, ICD Brief 16, Dez. 2015, S. 9, 15; für den Fall RUF auch Kleffner, in: Liber Amicorum McDonald, S. 285 (301). 549  Siehe dazu oben unter B. III. 2. a) aa), zusf. B. III. 2. a) aa) (5). 550  Vgl. Kleffner, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S. 323 ff.; vgl. auch oben B. II. 1. e) cc). 551  Zu dieser Personengruppe im humanitären Völkerrecht vgl. etwa Ipsen, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S.  82 ff. 552  Kleffner, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S.  324 f.; Sivakumaran, The Law of Non-International Armed Conflict, S. 248. 553  Dazu Geiß/Zimmermann, in: MüKo-StGB3, § 8 VStGB Rn. 68 ff., 89 ff., 95.

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B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

für alle Fälle einer ernstlich verlangten Tötung, unabhängig von den äußeren Umständen der Tat, die speziellere Norm.554 Mithin wäre auch hier die Strafbarkeit des Täters nach § 216 StGB zu beurteilen. b) Fall 2: Tötung ohne geäußertes Verlangen Für den zweiten oben geschilderten Fall, in dem der Verwundete gerade ohne sein vorheriges, ausdrückliches Verlangen getötet wird, scheidet § 216 StGB mangels Erfüllung des Tatbestandes aus. Ein ggf. bestehender, aber nicht geäußerter, Sterbewille des Getöteten wird auf Ebene des Tatbestandes nicht berücksichtigt, die Tat ist grundsätzlich strafbar als Totschlag i. S. d. § 212 StGB. Daneben ist, bei Vorliegen der Voraussetzungen, auch eine Strafbarkeit gemäß § 211 StGB wegen Mordes zumindest nicht ausgeschlossen. Ist die getötete Person indes eine geschützte Person im Sinne des humanitären Völkerrechts, kommt bei einer Tat im bewaffneten Konflikt insbesondere eine Strafbarkeit gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB, als der regelmäßig spezielleren Norm,555 in Betracht. aa) § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB lex specialis zu den §§ 211, 212 StGB? Im Anwendungsbereich des VStGB entspricht § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB strukturell dem Totschlag aus § 212 StGB.556 Indes ist der Opferkreis auf nach humanitärem Völkerrecht geschützte Personen beschränkt – im bewaffneten Konflikt besteht, jedenfalls für rechtmäßige Kombattanten, kein allgemeines Tötungsverbot.557 Im Fall 2 ist der Getötete als Verwundeter im bewaffneten Konflikt eine nach humanitärem Völkerrecht zu schützende Person i. S. d. § 8 Abs. 6 VStGB. § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB ist für solche Tötungen regelmäßig die speziellere Norm zu den §§ 211, 212 StGB.558

554  Dazu

bereits oben, B. III. 2. a) aa), zusf. B. III. 2. a) aa) (5). BT-Drucksache 14/8524, S. 13. 556  Burghardt, JZ 2016, 106 (108); Darge, Kriegsverbrechen, S.  264 f.; Epik, Die Strafzumessung bei Taten nach dem Völkerstrafgesetzbuch, S. 474; Geiß/Zimmermann, in: MüKo-StGB3, § 8 VStGB Rn. 127. 557  Nw. dazu bereits in Fn. 4, S. 17. 558  Vgl. BT-Drucksache 14/8524, S. 13, Weigend, in: MüKo-StGB3, § 2 VStGB Rn. 7; vgl. auch bereits oben B. III. 2, insb. die Nw. in Fn. 454, S. 121; im Hinblick auf den Mord soll jedenfalls in bestimmten Konstellationen auch Tateinheit mit § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB möglich sein, wenn die Tötung völkerrechtlich nicht zulässig war, vgl. BGH, Beschluss vom 3. Februar 2021 – AK 1/21 (juris), Rn. 14 ff.; BGH, Beschluss vom 21. September 2020 – StB 28/20 (juris), Rn. 38; auch Generalbundesanwalt, NStZ 2013, 644 (646, Rn. 12 ff.). 555  Vgl.



III. Strafbarkeit nach StGB oder VStGB141

Im Hinblick auf die besonderen Schutzzwecke des humanitären Völkerrechts (und des VStGB) wird in Fall 2 also nichts anderes gelten können als in Fall 1: Der „Gnadenschuss“, auch wenn er wie hier nicht auf ein ausdrückliches und ernsthaftes Verlangen des Getöteten hin erfolgt, entspricht nicht dem „typischen“ Fall einer völkerrechtswidrigen Tötung, überindivi­ duelle Interessen werden realistischer Weise kaum berührt. Indes bleibt als wesentlicher Unterschied die Tatsache, dass gerade kein geäußertes Verlangen des Opfers erfolgt. Anders als bei Fall 1 kollidieren hier nicht die tatbestandlichen Anknüpfungspunkte „bewaffneter Konflikt“ und „Tötungsverlangen“. Insbesondere kann hier auch keine andere Norm zur Anwendung kommen (wie zuvor § 216 StGB), die einen vorrangigen Anknüpfungspunkt (dort am „Verlangen“) bietet und so eine Sperrwirkung entfalten könnte. Damit kann im Ergebnis kein Zweifel daran bestehen, dass der „Gnadenschuss“ ohne geäußertes Verlangen des Opfers zunächst ein Kriegsverbrechen gegen Personen i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB darstellt. bb) Fallkonstellationen Auch für Fall 2 kommen verschiedene Varianten in Betracht, je nachdem, zu welcher Konfliktpartei der Getötete gehört. Wie zuvor bei Fall 1 ist zu klären, ob die Zugehörigkeit des Opfers maßgeblich ist. (1) Opfer Kamerad Verwundete sind, nach hier vertretener Meinung, entgegen der traditionellen Sichtweise, auch gegen Einwirkungen der eigenen Konfliktpartei durch das humanitäre Völkerrecht geschützt.559 Maßgeblich ist lediglich die Eigenschaft als Verwundeter, nicht die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Konfliktpartei: Das humanitäre Völkerrecht schützt Menschen, ungeachtet ihrer Herkunft und ihrer Beziehung zum Täter. Mithin kommt auch bei der Tötung eines Kameraden eine Strafbarkeit wegen eines Kriegsverbrechen gegen Personen i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB in Betracht. Aufgrund des Zusammenhangs mit einem bewaffneten Konflikt ist § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB hier lex specialis. (2) Opfer Feind oder Dritter Tötet der Täter eine Person, die als verwundeter Gegner (oder Dritter) durch humanitäres Völkerrecht geschützt ist, so ist damit grundsätzlich der 559  S. o.,

B. III. 2. a) bb) (1).

142

B. Vorfragen und strafrechtliche Besonderheiten

Tatbestand eines Kriegsverbrechens i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB erfüllt. Im Hinblick auf das Verhältnis der Tötungsdelikte der §§ 211 ff. StGB zum Tötungstatbestand des § 8 VStGB ist in der Regel von einer Spezialität des § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB auszugehen. c) Zwischenergebnis Im Falle eines ernstlichen Tötungsverlangens (Fall 1) ist, unabhängig davon, ob es sich bei dem Getöteten um einen Kameraden des Täters handelt oder nicht, § 216 StGB einschlägig. Findet die Tötung ohne Verlangen des Opfers statt (Fall 2), so ist in allen Fällen § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB die maßgebliche Norm.

IV. Zuständigkeit des IStGH Neben deutschem Strafrecht ist im Zusammenhang mit der Tötung Verwundeter grundsätzlich auch an eine Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs zu denken. Dabei hat die Strafverfolgung durch nationale Strafgerichte grundsätzlich Vorrang vor der internationalen durch den IStGH.560 Dieser übt seine Gerichtsbarkeit nicht aus, wenn ein nationales Verfahren wegen Kriegsverbrechen (im weiteren Sinne) in effektiver Weise stattfindet oder stattgefunden hat.561 Eine Ausnahme von der vorrangigen nationalen Strafverfolgung gilt für den Fall, dass der Staat, der die Gerichtsbarkeit über die Sache hat, nicht willens (Art. 17 Abs. 1 lit. a, Abs. 2 IStGH‑Statut) oder nicht dazu in der Lage ist (Art. 17 Abs. 1 lit. a, Abs. 3 IStGH‑Statut) diese ernsthaft und wirksam auszuüben.562 Mit dem VStGB hat der deutsche Gesetzgeber das IStGH‑Statut im Wesentlichen in das deutsche Strafrecht überführt.563 Ferner ist auch die Strafverfolgung in Deutschland als hinreichend effektiv einzuschätzen. Damit erscheint eine Einschätzung der Strafverfolgung in Deutschland als „unfähig“ bzw. „unwillig“ als fernliegend.564 Im Hinblick auf die hier zu untersuchenInternationales und Europäisches Strafrecht9, S.  356 f. Internationales und Europäisches Strafrecht9, S.  356 f. 562  Vgl. etwa Meyer, DRiZ 2011, 19 (22). 563  Vgl. Werle, in: MüKo-StGB3, Einl. VStGB Rn. 37 ff. 564  So wohl auch Klip, in: Jeßberger/Geneuss, Zehn Jahre Völkerstrafrecht, S. 241 (242 f.); zu möglichen Konflikten zwischen VStGB und dem IStGH‑Statut vgl. aber Safferling, Internationales Strafrecht, S. 319 ff., 323 f.; ferner Esser, Europäisches und Internationales Strafrecht2, S. 425 ff., der eine Auslösung des Grundsatzes der Komplementarität für Deutschland als „praktisch kaum vorstellbar“ betrachtet, vgl. dort S. 427. 560  Satzger, 561  Satzger,



IV. Zuständigkeit des IStGH143

den Fallkonstellationen ist eine Zuständigkeit des IStGH bei Beteiligung Deutscher entsprechend nur schwerlich denkbar, sodass im Folgenden auf die Untersuchung der Behandlung solcher Taten nach den Regeln des IStGH‑Statuts verzichtet wird und die Untersuchung sich auf das deutsche Strafrecht beschränkt.

C. Fall 1: Tötung auf Verlangen I. Denkbare Lösungsansätze Im Hinblick auf den „Gnadenschuss“ wird im Folgenden untersucht, ob dieser im oben dargestellten Fall 1 tatsächlich wegen (des hier grundsätzlich erfüll­ten)1 § 216 StGB zu bestrafen wäre. Hier kommen unterschiedlichste Lösungsmodelle auf verschiedenen Ebenen der Prüfung in Betracht, die im Folgenden kritisch untersucht werden sollen. 1. Auf Tatbestandsebene a) „Keine Tötungshandlung im Rechtssinne“, „Sozialadäquanz“, „erlaubtes Risiko“ Dass zumindest die aktive, direkte Sterbehilfe, unabhängig von den situativen Umständen, eine tatbestandsmäßige Tötung i. S. d. §§ 212 ff. StGB darstellt, kann kaum ernstlich bezweifelt werden.2 Wenn aus dem älteren Schrifttum insbesondere Binding schon die Tatbestandsmäßigkeit verneint,3 da „eine Tötungshandlung im Rechtssinne“ nicht vorliege und nur eine „Vertauschung dieser vorhandenen Todesursache durch eine andere von der gleichen Wirkung“ erfolge,4 so geht dies evident fehl. Die aktive, direkte Tötung eines Menschen kann zwar im Kontext einer Heilbehandlung erfolgen, und wird in bestimmten Fällen diesem willkommen sein. Nicht ausgeschlossen ist, dass sie, unter extremen Umständen, sogar gerechtfertigt sein kann:5 Trotzdem stellt die Tötung aber keine „reine Heilbehandlung“6 bzw. „unverbotenes Heilwerk“7 dar. Sie ist, jedenfalls in ihrer unmittelbaren Wirkung, gerade das Gegenteil davon. Das gilt auch für den „Gnadenschuss“. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit Binding soll, vor dem Hintergrund, 1  Siehe

oben, B. III. 1. b) aa). schon oben B. III. 1. a). 3  Binding/Hoche, Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens, S. 17 ff. 4  Binding/Hoche, Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens, S. 17. 5  Auf die Möglichkeit einer Rechtfertigung des „Gnadenschusses“ wird an späterer Stelle eingegangen, dazu C. I. 2. und insb. C. II. 6  Binding/Hoche, Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens, S. 17. 7  Binding/Hoche, Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens, S. 18. 2  Vgl.



I. Denkbare Lösungsansätze145

dass dessen Gedanken dem nationalsozialistischen Massenmord an Behinderten bereits früh geistig den Weg bereiteten,8 nicht erfolgen.9 Vielmehr sei auf die zutreffende zeitgenössische Kritik von v. Liszt und Schmidt verwiesen: „Die Versuche […], um die Notwendigkeit einer Rechtfertigung der Euthanasie herumzukommen, sind vergeblich, weil eine Leugnung der Tatbestandsmäßigkeit einfach unmöglich ist.“10

Entsprechend finden sich in der neueren Literatur auch keine in ihrer Reichweite vergleichbaren Ansichten. Soweit ersichtlich nicht für Fälle der direkten (d. h. zielgerichteten, absichtlichen) aktiven Sterbehilfe, aber z. T. zur Begründung der Straflosigkeit der indirekten Sterbehilfe herangezogen, werden u. a. die „Sozialadäquanz“11 bzw. der „sozialen Gesamtsinn“12 oder ein „erlaubtes Risiko“13 der Sterbehilfe. Eine weitere Erörterung ist nicht angezeigt,14 da eine Übertragung auf die „Gnadenschuss“-Fälle unmöglich ist. Wo für Fälle der Schmerzlinderung unter der Gefahr der Lebensverkürzung eine Verschiebung in den außerstrafrechtlichen Bereich „sozialer Adäquanz“ jedenfalls nicht unplausibel erscheint, muss diese jedenfalls dort versagen, wo der Tod zielgerichtet herbeigeführt wird.15 Denn sozialadäquat sind solche Handlungen, die „völlig im Rahmen der ‚normalen‘, geschichtlich gewordenen sozialen Ordnung des Lebens“ ablaufen.16 Beim „Gnaden8  Leonardy, DRiZ 1986, 281 (282); C. Merkel, „Tod den Idioten“, S. 47; Naucke, Einführung, in: Binding/Hoche, Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens, S. V (XXXVII); vgl. auch Große-Vehne, Tötung auf Verlangen, S. 89 ff. 9  Vgl. ausführlich zu Binding/Hoche und der Bedeutung ihrer Schrift etwa Benzenhöfer, Der gute Tod?, S. 89 ff.; C. Merkel, „Tod den Idioten“, S. 47 ff., insb. auch 64 ff.; vgl. ferner Naucke, Einführung, in: Binding/Hoche, Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens, S. V ff. 10  v. Liszt/Schmidt, Lehrbuch25, S. 203 Fn. 8; kritisch zu Binding/Hoche ferner bereits Ebermayer, Arzt und Patient, S. 262 f. 11  Herzberg, NJW 1996, 3043 (3048 f.), aber gerade nicht für „Gnadenschussfälle“ und ähnliche Konstellationen., vgl. ebd., 3049. 12  Wessels, BT I21, S. 7; zust. Ingelfinger, Grundlagen und Grenzbereiche, S. 273; ähnlich u. a. auch Jäger, ZStW 2003, 765 (770 Fn. 14 m. w. N.). 13  So insbesondere Eser, in: S/S-StGB28, Vorbem. §§ 211 ff. Rn. 26; Engisch, in: FS Bockelmann, S. 519 (532); Knauer/Brose, in: Spickhoff, Medizinrecht3, § 216 StGB Rn. 23; vgl. auch v. Dellingshausen, Sterbehilfe und Grenzen, S. 211 ff., insb. 236. 14  Für berechtigte Kritik an solchen Lösungen für die indirekte Sterbehilfe vgl. insb. R. Merkel, ZStW 1995, 545 (569 f.); ders., in: FS Schroeder, S. 297 (299 ff.); ders., JZ 1996, 1145 (1148 ff.); ders., Früheuthanasie, S. 200 ff.; auch Dölling, JR 1998, 160 (161); Rosenau, in: FS Roxin (2011), S. 577 (582 f.); Otto, Gutachten 56. DJT, S. D1 (D55). 15  Vgl. R. Merkel, in: Hegselmann/Merkel, Zur Debatte über Euthanasie, S. 71 (92 f.). 16  Welzel, Das Deutsche Strafrecht11, S. 56.

146

C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

schuss“ handelt es sich gerade nicht um eine gebotene, sozialadäquate „Schmerzbehandlung“,17 sondern um einen unmittelbar lebensbeendenden Akt, der sich zielgerichtet gegen das Leben richtet.18 Eine solche Handlung ist unbestreitbar Tötungshandlung.19 Des Weiteren kommt „sozialadäquates Verhalten“ o. ä. auch schon deshalb nicht in Betracht, weil zumindest die absichtliche Tötung das grundsätzlich bestehende Tötungstabu grundsätzlich in hohem Maße berührt.20 Ihr sozialer Sinn ist eindeutig auf die Beendigung des Lebens gerichtet und entspricht der Tathandlung des § 212 StGB.21 Dass die Tötung gerade „Mittel zum Zweck“ der Beendigung des Leidenszustandes ist, ändert nichts daran. Tod und Schmerzbeendigung treten untrennbar zeitgleich ein. Abzulehnen ist auch ein „erlaubtes Risiko“: Jedenfalls in Fällen der direkt vorsätzlichen aktiven Sterbehilfe handelt der Täter nicht bloß risikoreich, sondern führt den Erfolg gerade absichtlich herbei.22 b) Rechtsfreier Raum Lindner führt die vor allem von Kaufmann thematisierte Figur eines „rechts­ freien“ bzw. „rechtswertungsfreien“ bzw. „unverbotenen“ Raumes23 für Ex­ tremfälle der Tötung auf Verlangen in die Diskussion ein.24 Herzberg, NJW 1996, 3043 (3049). R. Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (320). 19  Vgl. R. Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (320). 20  Vgl. R. Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (320); ferner Herzberg, NJW 1996, 3043 (3049), der zwischen „taburespektierender“ indirekter Sterbehilfe und „tabuverletzender“ gezielter Tötung unterscheidet. 21  Anders als ggf. die indirekte Sterbehilfe, vgl. etwa Herzberg, NJW 1996, 3043 (3048 f.); Wessels/Hettunger/Engländer, BT 142, S. 12. 22  Vgl. Eser, in: Auer/Menzel/Eser, Zwischen Heilauftrag und Sterbehilfe, S. 75 (91); zu den Legitimationslücken des „erlaubten Riskos“ für die indirekte Sterbehilfe R. Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (299 f.). 23  Vgl. allgemein für einen „rechtfreien Raum“ insb. Kaufmann, in: FS Maurach, S.  327 (336 ff.); ders., JZ 1992, 981 (983 ff.); ders., Rechtsphilosophie2, S.  226 ff., insb. 231 ff.; ders., Grundprobleme der Rechtsphilosophie, S. 204 f.; Schild, JA 1978, 449 (449 ff.), 570 (570 ff.), 631 (631 ff.); Dingeldey, Jura 1979, 478 (482 ff.); Koriath, Jahrbuch für Recht und Ethik 2003, 317 (325 ff.); vgl. insb. auch bereits Binding, Handbuch des Strafrechts I, S. 765 f.; für weitere Nw. zur Vielzahl im Detail divergierender Ansichten siehe Paeffgen/Zabel, in: NK-StGB5, Vor §§ 32 ff. Rn. 55; Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 32 ff. Rn. 8; Rönnau, in: LK-StGB13, Vor §§  32 ff. Rn.  32 ff. 24  Lindner, JZ 2006, 373 (382); vgl. auch ders., JZ 2006, 902 (902 f.), in Erwiderung auf die Replik von Duttge, JZ 2006, 899 ff. Allerdings geht Lindner auch auf Lösungen auf Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsebene bzw. auf die Schaffung eines Ausnahmetatbestandes für Extremfälle ein, vgl. Lindner, JZ 2006, 373 (381). 17  Vgl. 18  Vgl.



I. Denkbare Lösungsansätze147

Ziel einer solchen Konstruktion ist es, Ausnahmen vom Verbot aktiver Sterbehilfe zuzulassen, ohne dass der Gesetzgeber eine Bewertung der Tat in Kategorien von „Richtig“ oder „Falsch“ vornehmen muss, um so der besonderen Gewissensentscheidung des Täters Rechnung zu tragen.25 So könne für Extremfälle durchaus eine Kapitulation der Rechtsordnung vor der Bewertung einer Tat erfolgen.26 Kritisch zu hinterfragen wäre, ob es sich das Recht, schon aus rechtspolitischen Gründen, wirklich leisten kann, sich gerade in nicht eindeutigen Konstellationen einer Beurteilung zu enthalten und damit letztlich ohnmächtig die Segel zu streichen.27 Unabhängig von der allgemeinen Kritik, der sich die Figur des „rechtsfreien Raumes“ ausgesetzt sah und sieht,28 bemerkt aber auch Lindner selbst, dass die Annahme eines solchen nicht davon befreien kann, dessen Umfang, wohl in Form einer gesetzlichen Definition für Extremfälle, die ausnahmsweise „unverboten“ wären, aber eben nicht für rechtmäßig erklärt würden, zu regeln.29 Denn dass sich das Recht jeder Regelung enthält, ist zumindest dort schwer denkbar, wo ein tatbestandsmäßiges Verhalten im Raum steht: Die Tatbestandsmäßigkeit impliziert gerade die rechtliche Relevanz.30 Auch ein „unverbotener“ Bereich müsste – als Ausnahme zur durch den Tatbestand aufgestellten Regel – zunächst zu einem solchen erklärt werden, was einen Vorgang recht­ licher Wertung erfordern würde.31 Der Unterschied zwischen „unverbotenem“ und rechtmäßigem Handeln ist dann aber kaum noch begründbar.32 Überlegungen zu „rechtsfreien“ Räumen sollen hier nicht weiter vertieft werden. Jedenfalls muss noch auffallen, dass die im Zusammenhang mit diesen aufgeführten „unlösbaren“ Konflikte im Bereich der Rechtfertigung („Brett des Karneades“; Pflichtenkollisionen; Schwangerschaftsabbruch) nicht ohne weiteres mit der hier diskutierten „Gnadenschuss“-Konstellation 25  Lindner,

JZ 2006, 373 (383). JZ 2006, 373 (383). 27  Vgl. ähnlich Hirsch, in: FS Bockelmann, S. 89 (103): „rechtliches Chaos“; zust. Roxin, JuS 1988, 425 (430); vgl. auch BVerfGE 39, 1 (44) im Zusammenhang mit dem Schwangerschaftsabbruch: „Der Staat darf sich seiner Verantwortung nicht durch Anerkennung eines ‚rechtsfreien Raumes‘ entziehen […].“ 28  Umfassende Kritik etwa bei Hirsch, in: FS Bockelmann, S. 89 (89 ff.); Roxin, JuS 1988, 425 (429 f.); Rönnau, in: LK-StGB13, Vor §§  32 ff. Rn.  32 ff. m. w. N.; ablehnend auch Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 32 ff. Rn. 8; Lenckner, Notstand, S. 19 ff.; kritisch gerade in Bezug auf Extremfälle aktiver Sterbehilfe v. Dellingshausen, Sterbehilfe und Grenzen, S. 299 ff. 29  Lindner, JZ 2006, 373 (382). 30  Rönnau, in: LK-StGB13, Vor §§  32 ff. Rn.  33 m. w. N. 31  Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 32 ff. Rn. 8; v. Dellingshausen, Sterbehilfe und Grenzen, S. 305; Rönnau, in: LK-StGB13, Vor §§ 32 ff. Rn. 33; Lenckner, Notstand, S.  19 ff.; Hirsch, in: FS Bockelmann, S. 89 (99). 32  Lenckner, Notstand, S.  20 f. 26  Lindner,

148

C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

vergleichbar sind, in welcher ein interner Konflikt zwischen Leben und Leiden einer Person besteht.33 Sicherlich enthält auch der „Gnadenschuss“, aus einer menschlichen Perspektive betrachtet, eine mit diesen Fällen vergleichbare Tragik. Eine auch rechtlich „unlösbare Konfliktsituation“ liegt beim „Gnadenschuss“ aber nicht vor: Die denkbaren Alternativen heißen (1.) „nicht handeln“ oder (2.) „töten“, ohne dass aus der gewählten Entscheidung unmittelbar Folgen für andere Personen als das Opfer selbst erwachsen.34 Im Hinblick auf die beiden Alternativen gilt nun Folgendes: Während erstere Variante grundsätzlich strafrechtlich irrelevant ist, steht (nur!) bei der zweiten ein Tötungsdelikt im Raum. Hier muss es richtigerweise Aufgabe der Gerichte sein, anhand bestehender Normen eine Entscheidung über die (Un-) Zulässigkeit für den konkreten Einzelfall zu finden. Es wäre schlicht unerträglich, würde das Recht angesichts solcher Fragestellungen kapitulieren, sich jeder Verantwortung entziehen und die Entscheidung über die Zulässigkeit einer Tötung letztverbindlich dem Gewissen des Einzelnen überlassen.35 Das muss schon aufgrund des Stellenwerts des grundsätzlich bestehenden Tötungsverbots gelten.36 Allein deshalb erscheint die Einordnung des „Gnadenschusses“ in einen „rechtsfreien Raum“ letztlich nicht sinnvoll. c) Teleologische Reduktion des Tatbestandes bei objektiv vernünftigem Verlangen Einige Literaturstimmen unter der Führung von Jakobs setzen sich, basierend auf einer paternalistischen Übereilungsschutz-Legitimation des § 216 StGB als abstraktem Gefährdungsdelikt,37 für eine Restriktion des Tatbestandes in Fällen aktiver, direkter Sterbehilfe auf Verlangen ein, in denen das Interesse des Sterbenden an der aktiven Lebensbeendigung objektiv vernünftig ist.38 In solchen Fällen bestehe dann eine Vermutung der Vollzugsreife 33  Vgl. Koriath, Jahrbuch für Recht und Ethik 2003, 317 (335), der für den „rechtfreien Raum“ eine Beschränkung auf „echte Kollisionsfälle“ fordert. 34  Demgegenüber bedeutet beim „Brett des Karneades“ die Rettung des einen zwingend den Tod des anderen. Ein solcher Konflikt besteht hier gerade nicht: Die Rettung des Verwundeten vor seinen Schmerzen ist notwendig nur mit dem Ende seines eigenen Lebens verknüpft. 35  v. Dellingshausen, Sterbehilfe und Grenzen, S. 308 f. Vgl. auch allgemein die ausführliche Kritik am „rechtfreien Raum“ im Zusammenhang zur direkten, aktiven Sterbehilfe von v. Dellingshausen, ebd., S.  299 ff. 36  Vgl. v. Dellingshausen, Sterbehilfe und Grenzen, S. 309. 37  Dazu vgl. Jakobs, Tötung auf Verlangen, S. 22 ff.; ähnlich aber auch Pawlik, Das Unrecht des Bürgers, S. 229 ff.; vgl. auch bereits oben B. III. 1. b) bb) (1) für weitere Nw. zu einer entsprechenden Legitimation der Tötung auf Verlangen. 38  Jakobs, Tötung auf Verlangen, S. 29 ff., vgl. insb. S. 31: „Der objektiv vernünftige Grund schließt […] schon den Tatbestand der Tötung auf Verlangen aus.“; ähn-



I. Denkbare Lösungsansätze149

des Todeswunsches, entsprechend soll keine Bestrafung aus § 216 StGB für den Ausführenden erfolgen.39 Neben dem ernstlichen Verlangen, welches allein nur die Strafmilderung zur Folge hätte, sei für einen völligen Unrechtsausschluss zusätzlich zu prüfen, ob „sich im Verlangen nicht bloße individuelle Willkür artikuliert, sondern objektiv Vernünftiges“.40 Erforderlich sei, dass das Tötungsverlangen eine „sachgemäße Reaktion auf den Leidens­ zustand“41 darstelle, also (1.) inhaltlich überzeugend und (2.) nicht voreilig ist.42 Da die Legitimation der Tötung auf Verlangen in der erhöhten Gefahr eines unüberlegten bzw. „unvernünftigen“ Todes bei Einschaltung eines Dritten gesehen wird,43 bestehe konsequenterweise kein Unterschied zum straflosen Suizid in Fällen, in denen, wegen „objektiver Vernünftigkeit“ des Sterbeentschlusses, diese Gefahr keine Bedeutung erlangt.44 Wenngleich sich die Vertreter solcher Lösungsvorschläge in der Regel ausdrücklich nur auf die ärztliche Sterbehilfe beziehen, ist nicht ersichtlich, weshalb sich diese Überlegungen nicht auch auf die „Gnadenschuss“-Fälle übertragen ließen. Gerade hier wird es sich doch oft um Verwundungen handeln, die derart schwer sind, dass bei geäußertem Verlangen auch aus objektiver Sicht gar kein positiv bezifferbares Interesse des Verwundeten am leidvollen (kurzfristigen) Weiterleben bestehen wird.45 Ein Tötungsverlangen wäre dann kaum „übereilt“, sondern wohl „vernünftig“ im Sinne der zuvor dargestellten Lösung. Der seinen Kameraden auf dessen Verlangen hin in auswegloser Situation tötende Soldat bliebe bei einer solchen Reduktion des lich auch Pawlik, in: FS Wolter, S. 627 (630 f., 639 ff.); ders., Das Unrecht des Bürgers, S.  229 ff.; ders., in: FS Kargl, S. 407 (417); ders., in: Becker/Roth, Das Recht der Älteren, S. 127 (157); im Wesentlichen zust. Kubiciel, JZ 2009, 600 (605, 607); ders., Die Wissenschaft vom Besonderen Teil, S. 226; ders., JA 2011, 86 (91); nur für Fälle der Suizidunfähigkeit des Opfers Freund, in: FS Herzberg, S. 225 (237 f.); ähnlich Schmitz, Rechtfertigender Notstand bei internen Interessenkollisionen, S.  190 ff.; vgl. auch Walter, ZIS 2011, 76 (81 f.); alternativ für eine teleologische Reduktion des § 216 StGB oder eine Rechtfertigung über § 34 StGB Jakobs, in: FS Kaufmann, S. 459 (470 Fn. 34); ähnlich Murmann, Die Selbstverantwortung des Opfers, S. 529 ff.; für eine teleologische Reduktion des § 216 StGB bei ausgeschlossenen Entscheidungsdefiziten im Einzelfall auch Grünewald, Das vorsätzliche Tötungsdelikt, S.  300 f. 39  Jakobs, Tötung auf Verlangen, S. 29, 32. 40  Jakobs, Tötung auf Verlangen, S. 32. 41  Pawlik, in: FS Wolter, S. 637 (641); ders., Das Unrecht des Bürgers, S. 232; ders., in: Becker/Roth, Das Recht der Älteren, S. 127 (157). 42  Pawlik, in: FS Kargl, S. 407 (414 ff.); ders., in: FS Wolter, S. 637 (641); Kubiciel, JA 2011, 86 (91). 43  Zu einem solchen Verständnis des § 216 StGB siehe bereits oben B. III. 1. b) bb) (1). 44  Vgl. Jakobs, Tötung auf Verlangen, S. 29 ff. 45  So überzeugend auch Herzberg, NJW 1996, 3043 (3048).

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

§ 216 StGB letztlich straffrei, es würde dann bereits an der Verwirklichung des Tatbestandes fehlen. Das erscheint zwar im Ergebnis sachgerecht, dennoch bietet eine Reduktion des § 216 StGB Angriffsfläche für Kritik: Zunächst basiert etwa Jakobs’ Lösung auf einem rein individualschützenden Verständnis des § 216 StGB, indem es die Verwirklichung des Tatbestandes im Einzelfall von einer real bestehenden Gefahr übereilter Entscheidungen des Verlangenden abhängig macht. Dass § 216 StGB (stattdessen oder daneben) nicht (auch) überindividuellen Interessen dient, ist aber keineswegs selbstverständlich, sondern, wie zuvor dargestellt, hoch umstritten.46 Ferner ist Jakobs zu widersprechen, wenn er anführt, es handle sich bei der aktiven Sterbehilfe „nicht um ein Notrecht (Rechtfertigung) […], sondern um generell Erlaubtes“47. Gerade das Gegenteil ist der Fall: Die Tötung eines Menschen ist grundsätzlich unzulässig. Schon die tatbestandliche Normierung der Tötungsdelikte in den §§ 212 ff. StGB zeigt eindeutig die grundsätzlich negative Bewertung von Tötungen in abstrakt-genereller Form.48 Nichts anderes gilt für verlangte Tötungen, wie § 216 StGB zeigt. Jede aktive Verkürzung eines Menschenlebens ist auch im Rahmen der Sterbehilfe zunächst tatbestandsmäßig49 und bedarf, vor dem Hintergrund des hohen Stellenwertes des Rechtsguts Leben, einer besonderen Rechtfertigung. Anders bei Jakobs: Er begrenzt in seinem Modell die zulässige aktive Sterbehilfe gerade nicht auf eng umgrenzte Extremfälle, sondern erstreckt im Ergebnis bereits den Tatbestand nur noch auf die, wohl tatsächlich seltenen Fälle50 in denen ein ernstliches Tötungsverlangen dennoch aus objektiver Sicht „unvernünftig“ wäre. Das würde letztlich eine weitestgehende Freigabe aktiver Sterbehilfe bedeuten.51 Nicht nur erscheint es schon kontraintuitiv, die absichtliche aktive Herbeiführung des Todes (beim „Gnadenschuss“: i. d. R. durch Erschießen!) nicht nur als ggf. ausnahmsweise rechtlich zulässiges, sondern sogar als üblicherweise bereits nicht tatbestandliches Handeln zu qualifizieren. Vielmehr besteht, ohne jede Beschränkung auf besondere Extremfälle, hier die nicht zu unterschätzende Gefahr, die Ansicht zu vermitteln, dass die Tötung kranker, verletzter (bzw. hier: verwundeter) Menschen üblicherweise normal und gesellschaftlich anerkannt, ja ein Tötungsverlan46  Vgl.

zur umstrittenen Legitimation des § 216 StGB oben B. III. 1. b) bb). Tötung auf Verlangen, S. 32. 48  Vgl. nur (dort im Zusammenhang mit dem „rechtsfreien Raum“) Paeffgen/Zabel, in: NK-StGB5, Vor §§ 32 ff. Rn. 55. 49  Vgl. nur etwa R. Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (302 ff.). 50  Roxin, in: FS Jakobs, S. 571 (575); ähnlich auch bereits ders., in: 140 Jahre GA, S. 177 (187). 51  Roxin, in: Roxin/Schroth, Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (113). 47  Jakobs,



I. Denkbare Lösungsansätze151

gen von diesen geradezu erwartbar sei52 – solange die Entscheidung zu sterben eben noch (irgendwie) „vernünftig“ ist. Ohne Einschränkung auf ex­ tremste Fälle wirkt das „Dammbruchargument“ in Bezug auf eine befürchtete Ausweitung zulässiger Tötungen und einer damit einhergehenden Aufweichung des allgemeinen Tötungsverbots weit weniger konstruiert als bei einer Beschränkung zulässiger aktiver Sterbehilfe auf extreme Grenzfälle in einem bestimmten Kontext.53 Denn der Weg vom „Vernünftigen“ zum „Sinnvollen“ und dann zum „Nützlichen“ ist nicht weit, die Übergänge sind fließend. Letztlich bleibt auch unklar, wann genau ein Todeswunsch „objektiv“ (un) vernünftig sein soll: Das Gesetz bietet dazu keinen Anhaltspunkt. Jakobs nennt – sehr weitgehend – „schwerste Krankheiten“ oder ein „extrem reduziertes Leben“ als Beispiel für vernünftige Tötungsverlangen in diesem Sinne,54 an anderer Stelle auch „schwere Schmerzen“ und einen „Zustand irreversibel schwerer Hinfälligkeit“.55 Hingegen sei „unvernünftig“ etwa ein Tötungsverlangen aus Liebeskummer.56 Bei der Bewertung soll es letztlich auf allgemein anerkannte Vorstellungen im Sinne einer „üblichen Standardansicht“ ankommen.57 Ob ein solcher Standard für alle Fälle besteht, kann bezweifelt werden58 – denn oft ist die Kategorisierung von Sterbeverlangen kaum so einfach möglich: Zwar wird es durchaus klare Fälle geben, in denen mit Gewissheit kein Interesse am Weiterleben bestehen wird – so mag dies etwa für den tödlich Verwundeten gelten können, der in seinem Restleben nur noch Leid erfahren kann. Hier wäre ein Tötungsverlangen aus Sicht der Allermeisten wohl „objektiv vernünftig“. Ebenso gibt es klare Fälle offensichtlicher Unvernünftigkeit, etwa vorübergehende Verstimmungen u. s. w. Doch dazwischen liegt ein weites Feld.59 Allgemeingültige Regeln werden sich entsprechend schwer finden lassen.60 Gerade der „Gnadenschuss“ ist ein Extremfall, der als solcher nicht verallgemeinert werden kann61 und 52  Roxin, in: Roxin/Schroth, Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (116); Eser, in: Eid, Euthanasie, S. 45 (69). 53  Vgl. ausführlich zum „Dammbruch“ unter C. II. 1. a). 54  Jakobs, Tötung auf Verlangen, S. 30 f. 55  Jakobs, in: FS Kaufmann, S. 459 (470). 56  Jakobs, Tötung auf Verlangen, S. 31. 57  Jakobs, Tötung auf Verlangen, S. 27, 29, 32. 58  Im Ergebnis wie hier Borttscheller, Die Bedeutung des Patientenwillens, S. 61. 59  Ein Beispiel wäre etwa eine Querschnittslähmung, die zwar grundsätzlich schmerzfrei sein kann, aber mit einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität verbunden ist – wäre ein Tötungsverlangen eines Betroffenen hier „objektiv vernünftig“? 60  Roxin, in: FS Jakobs, S. 571 (575). 61  So allgemein für Extremfälle überzeugend Kutzer, MedR 2001, 77 (78); Ingelfinger, Grundlagen und Grenzbereiche, S. 340.

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z­wingend einer einzelfallabhängigen Abwägung aller Umstände bedarf. Ein solcher Extremfall sollte er auch bleiben. Stattdessen geht ein bloßes „objektiv vernünftig“ deutlich zu weit: Wenn davon ausgegangen werden muss, dass in der Praxis sehr viele, wenn nicht sogar die meisten, Tötungsverlangen irgendwie „vernünftig“ im Sinne Jakobs’ sind, entzieht seine Res­ triktion dem § 216 StGB den Kernbereich seiner Anwendbarkeit.62 Dies sprengt die Grenzen der Auslegung und hebt die Norm praktisch auf.63 Hätte der Gesetzgeber beabsichtigt, die Tötung auf Verlangen nur auf „unvernünftige“ Tötungen zu begrenzen, so wäre ein entsprechender Absatz aufgenommen worden.64 Selbst eine weniger weitgehende Beschränkung, die – anders als Jakobs – nur eng umgrenzte Ausnahmefälle vom Tatbestand ausnehmen würde, wäre kaum damit ein Einklang zu bringen, dass § 216 StGB gerade ein ausdrückliches und ernstliches Verlangen erfordert: Zu behaupten, ein „bloßes“ ernstliches und ausdrückliches Verlangen erfülle den Tatbestand, ein solches aber, das, aufgrund bestimmter Umstände „ganz besonders ernstlich“ sei, nicht, dürfte die Grenzen zulässiger Auslegung überschreiten.65 Letztlich erscheint die Verortung jeder Lösung auf Tatbestandsebene nicht ideal.66 Hier können viele Argumente angebracht werden, die bereits bei der indirekten Sterbehilfe gegen eine Einordung auf Ebene des Tatbestandes sprechen. Richtigerweise bedarf, vor diesem Hintergrund, die ausnahmsweise Erlaubtheit von Tötungen67, als Ausnahme zur gesetzgeberischen Regel, einer besonderen Begründung. Diesem Regel-Ausnahme-System in Bezug auf erlaubte Tötungen68 wird eine Lösung auf Ebene der Rechtfertigung weit eher gerecht, da bei Anwendung der einschlägigen Rechtsinstitute (insb. § 34 StGB) die Grenzen, die notwendigen differenzierten Abwägungen ­sowie der Einzelfallcharakter solcher Ausnahmen erheblich deutlicher zum 62  Richtig Roxin, in: FS Jakobs, S. 571 (575), ähnlich bereits ders., in: 140 Jahre GA, S. 177 (187). 63  Roxin, in: FS Jakobs, S. 571 (575). 64  Roxin, in: FS Jakobs, S. 571 (575). 65  Allgemein in Bezug auf eine Tatbestandsreduktion Scheffler, in: Joerden, Der Mensch und seine Behandlung in der Medizin, S. 249 (258). 66  Allgemein gegen Tatbestandslösungen, mit Fokus auf der indirekten Sterbehilfe insb. R. Merkel, ZStW 1995, 545 (569 f.); ders., JZ 1996, 1145 (1148 ff.); ders., Früheuthanasie, S. 200 ff.; vgl. auch Dölling, JR 1998, 160 (161). 67  Etwa Notwehr, öffentlich-rechtliche Erlaubnis zum tödlichen Waffengebrauch, (kriegs)völkerrechtliche Rechtfertigung, vgl. dazu etwa Eser, JZ 1986, 786 (789); Kühl, Jura 2009, 881 ff.; umfassend Dreier, JZ 2007, 261 (261 ff.) sowie ders., JZ 2007, 317 (317 ff.). 68  Vgl. Herzberg, NJW 1986, 1635 (1644); zust. E. Fischer, Recht auf Sterben?!, S. 251.



I. Denkbare Lösungsansätze153

Tragen kommen können69 als bei einer diffusen Beschränkung des Tatbestandes.70 Selbst wenn für den „Gnadenschuss“ eindeutige Fälle noch gut denkbar sind, gilt es auch dort in jedem Einzelfall zunächst festzustellen, dass ein solcher Extremfall auch tatsächlich vorliegt, wofür eben alle äußeren, situativen Umstände von entscheidender Bedeutung sind. Die Umstände des konkreten Einzelfalls rücken zwar auch bei einer Tatbestandlösung in den Fokus, schließlich sind sie es, die die „objektive Vernünftigkeit“ des Tötungsverlangens qualifizieren. Wo immer es um die (zwangsläufig unwiderrufliche) Beendigung eines Menschenlebens geht, muss klar betont werden, dass zusätzlich zum autonomen Willenselement des ernstlichen Verlangens des Sterbenden eine besondere objektive Komponente, begründet aus den Umständen der Situation, hinzutreten muss. Insofern bietet der Vorschlag durchaus richtige Ansätze. Indes: Ohne Abwägung der konkreten Interessen und ihres Gewichts vor dem Hintergrund der äußeren Umstände wird sich auch auf Ebene des Tatbestandes nicht feststellen lassen, ob ein Verlangen ausnahmsweise beachtlich ist, weil es objektiv „vernünftig“ oder gar „alternativlos“ ist. Damit nähert man sich der Sache nach aber einer Notstandsabwägung an. Tatsächlich kommt aktiver Sterbehilfe – egal auf welcher Ebene – nur als Resultat eines solchen, komplexen Abwägungsprozesses in Betracht.71 Wo eine Abwägung also vorzunehmen ist, wäre es ehrlicher und auch naheliegender, diejenigen Instrumente des StGB zu bemühen, die eine solche Abwägung auch vorsehen – in erster Linie also § 34 StGB. Stattdessen leiden ausnahmslos alle Tatbestandslösungen im Bereich der Sterbehilfe unter dem strukturellen Begründungsdefizit, keinen Anhaltspunkt im Gesetz zu finden.72 Was bei der indirekten Sterbehilfe kritisiert wird, muss erst recht da gelten, wo eine direkte, aktive Tötung vorliegt. Eine Prüfung der besonderen Umstände, die letztlich zur Straflosigkeit führen können, kann im Rahmen des Tatbestandes nicht auf ein schrittweises Abwägungssystem, wie etwa in § 34 StGB angelegt, zurückgreifen, sondern muss zwangsläufig losgelöst vom Gesetz vorgenommen werden und hängt rechtlich und logisch in der Luft.73 Erfolgt die 69  Vgl. R. Merkel, ZStW 1995, 545 (570), ders., JZ 1996, 1145 (1149); ähnlich Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (576 f.). 70  Vgl. R. Merkel, ZStW 1995, 545 (569 f.); ders., JZ 1996, 1145 (1148 ff.); vgl. auch Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (577) zu einer tendenziellen Abwertung des Rechtsguts Leben bei Abkehr von einem System von Tatbestand und Erlaubnisnorm. 71  R. Merkel, JZ 1996, 1145 (1148 f.); ders., Früheuthanasie, S. 428; wie hier auch Stiller, Sterbehilfe und assistierter Suizid, S. 223; ausführlich zur Abwägung im Rahmen des rechtfertigenden Notstandes im Folgenden, C. II. 5. 72  Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (576). 73  Vgl. Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (577); vgl. auch R. Merkel, ZStW 1995, 545 (570).

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

unvermeidbare Abwägung aber bereits auf Ebene des Tatbestandes, so wird auf ein Kriterium zurückgegriffen, das systematisch in die Rechtswidrigkeitsprüfung gehört.74 Hier würde nur das Ergebnis der Abwägung unmittelbar auf den Tatbestand projiziert – deren Hintergründe, d. h. die kollidierenden Inte­ ressen des Betroffenen im Einzelfall, drohten aus dem Blick zu schwinden.75 Im Ergebnis sind Tatbestandslösungen in allen Fallkonstellationen aktiver Sterbehilfe daher abzulehnen. Eine tragfähigere Lösung wird auf Ebene der Rechtfertigung zu suchen sein, die dort, wo eine umfassende Berücksichtigung der Situation unter Abwägung verschiedener Interessen vorzunehmen ist, Raum für eine strukturierte Prüfung und einzelfallangemessene Gewichtung bietet, ohne sich dabei vom Gesetzeswortlaut zu entfernen.76 2. Auf Rechtfertigungsebene a) Gewohnheitsrecht Teile der älteren Literatur77 berufen sich auf ein vermeintlich bestehendes Gewohnheitsrecht zur (ärztlichen) Sterbehilfe78 und auf die Rechtfertigung Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (577). ZStW 1995, 545 (570). 76  Mit ähnlicher Begründung entschieden gegen alle Tabestandslösungen, dabei mit Fokus auf der indirekten Sterbehilfe Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (577); Dölling, JR 1998, 160 (161); R. Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (305); ders., JZ 1996, 1145 (1148 ff.); insbesondere auch ders., ZStW 1995, 545, (569 f.). Nur für die (hier relevanten) Fälle direkter, aktiver Sterbehilfe in Extremfällen gegen eine Lösung auf Tatbestandsebene aufgrund der dort akzeptierten Abwägung auch Herzberg, NJW 1996, 3043 (3047 ff.). 77  Vgl. für weitere Nw. zur älteren Literatur Engisch, Euthanasie, S. 14; Geilen, Euthanasie und Selbstbestimmung, S. 25 mit Fn. 44; ausführlich zur Euthansie-Diskussion in der Literatur des frühen 20 Jahrhunderts C. Merkel, „Tod den Idioten“, S.  64 ff. 78  So ausdrücklich A. Köhler, AT, S. 400 f., der aber selbst angibt, dass das Bestehen eines Gewohnheitsrechts „unsicher“ sei; ferner Allfeld, Lehrbuch AT9, S.  145 f.; Bötel, Die Rechtmäßigkeit der Euthanasie, S. 24 f.; Ebermayer/Lobe/Rosenberg, Das Reichs-Strafgesetzbuch2, S. 12; Klee, in: Gürtner, Das kommende deutsche Strafrecht, S. 71; ders., Ärztliche Sachverständigenzeitung 1921, 1 (2 f.); Oppenheim, Das ärztliche Recht, S. 30, wenngleich aber wohl nur bzgl. indirekter Sterbehilfe; nicht eindeutig, aber unter expliziter Nennung des „Gnadenschusses“ Spinner, Ärztliches Recht, S.  260 f.; i. E. ähnlich Sauer, Grundlagen des Strafrechts, S. 338, der von einem obersten Prinzip des „Mehr-nützen-als-schaden“ für das Strafrecht ausgeht, wodurch die Sterbehilfe, auch im Zusammenhang mit tödlichen Verwundungen, zu rechtfertigen sei; vgl. ferner mit Verweis auf die angebliche gewohnheitsrechtliche Akzeptanz der Sterbehilfe auch den Redebeitrag von Nagler im Protokoll der 21. Sitzung der Strafrechtskommission vom 17.04.1934, abgedruckt in Regge/Schubert, Quellen zur 74  Vgl.

75  R. Merkel,



I. Denkbare Lösungsansätze155

durch anerkannte Normen „unsere[r] Kultur“79 zur „Wahrung berechtigter Interessen“80. Unter „Gewohnheitsrecht“ ist ein Recht zu verstehen, das nicht durch formelle Rechtssetzung, sondern langfristig durch eine dauernde und ständige, gleichmäßige und allgemeine, tatsächliche Übung entstanden ist und allgemein als verbindlich anerkannt ist.81 Die Bildung eines rechtfertigenden Gewohnheitsrechts ist zumindest denkbar und verstößt grundsätzlich nicht gegen Art. 103 Abs. 2 GG.82 Wenngleich sich etwa in einer repräsentativen Befragung aus dem Jah­re 2014 sogar eine Mehrheit der Bevölkerung unter bestimmten Umständen für die Zulässigkeit aktiver Sterbehilfe ausspricht,83 kann nicht von einer entsprechenden gleichmäßigen, allgemeinen und andauernden Übung ausgegangen werden. Konsens besteht schon nicht in der Allgemeinheit, insbesondere aber nicht im Hinblick auf die deutsche Gerichtspraxis, ebenso wenig besteht Einigkeit unter Rechtswissenschaftlern oder Ärzten.84 Die bloße Tatsache, dass es zum Themenkomplex (ärztlicher) Sterbehilfe eine Vielzahl von Literaturmeinungen gibt und das Thema in der heutigen und früheren Diskussion, freilich mit unterschiedlichen Schwerpunkten, immer wieder präsent ist, spricht schon gegen eine gewohnheitsrechtliche Rechtfertigung.85 „Anerkannte Kulturnormen“ bezüglich der aktiven Sterbehilfe existieren geReform des Straf- und Strafprozessrecht, Abteilung II., Bd. 2.1, S. 541 (549); daneben auch den Beitrag von Klee im Protokoll der 90. Sitzung der Strafrechtskommission vom 28.10.1935, abgedruckt in: Regge/Schubert, Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozessrechts, Abteilung II., Bd. 2.4, S. 120 (138); vgl. aber aus der neueren Literatur für eine Straflosigkeit der Sterbehilfe unter Berufung auf ein „Gewohnheitsrecht“ Wimmer, FamRZ 1975, 438 (439). 79  Mayer, Deutsches Strafrecht AT2, S. 290. 80  Mayer, Deutsches Strafrecht AT2, S. 290 f., der ferner sogar daran zweifelt, dass die Einwilligung des Sterbenden selbst in jedem Fall notwendige Voraussetzung wäre. 81  Vgl. nur Hassemer/Kargl, in: NK-StGB5, § 1 Rn. 65; Krebs/Becker, JuS 2013, 97 (98 ff.); Schmitz, in: MüKo-StGB4, § 1 Rn. 31; Jäger, in: SK-StGB9, § 1 Rn. 39; Jescheck/Weigend, AT5, S.  111 f. 82  Hecker, in: S/S-StGB30, § 1 Rn. 12 m. w. N. 83  IfD Allensbach, Umfrage 2014, S. 1 f.; eine Darstellung und Auswertung diverser ähnlicher Umfragen aus den Jahren 1969 bis 2001 findet sich bei E. Fischer, Recht auf Sterben?!, S. 222 ff. 84  Chatzikostas, Disponibilität, S. 59 f.; v. Dellingshausen, Sterbehilfe und Grenzen, S. 282; Laber, Schutz des Lebens, S. 192; Möllering, Schutz des Lebens – Recht auf Sterben, S. 39; Muschke, Gesetzliche Regelung der Sterbehilfe?, S. 29; Antoine, Aktive Sterbehilfe, S. 69. 85  Laber, Schutz des Lebens, S. 192; v. Dellingshausen, Sterbehilfe und Grenzen, S. 282; dazu zust. auch Schreiber, NStZ 1986, 337 (339).

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

rade nicht,86 völlig unbestimmte „berechtigte Interessen“ können hier keine Rolle spielen.87 Dies muss erst recht für den in der Diskussion kaum präsenten Fall der Sterbehilfe auf dem Schlachtfeld gelten. Soweit ersichtlich, wurde ein so gelagerter Fall bisher nicht durch deutsche Gerichte entschieden. Es wäre völlig abwegig, hier von einer allgemeinen Überzeugung eines gerechtfertigten Verhaltens auszugehen. Zwar mag, zumindest unter Soldaten, hinsichtlich der Tötung eines verwundeten Kameraden ein gewisses Maß an Verständnis und Akzeptanz, etwa als Abwandlung der „goldenen Regel“,88 unterstellt werden. Von einer allgemeinen „Gnadenschuss-Praxis“ im (modernen)89 Militär auszugehen, wäre dennoch unhaltbar. Dass auch im militärischen Bereich bei weitem keine Einigkeit über die (rechtliche) Behandlung solcher Fälle besteht, zeigen schon die Verurteilungen von Soldaten (z. T. eben auch durch andere Soldaten im Rahmen von Militärgerichten) in den USA und in Kanada.90 Nichts anderes dürfte für Deutschland gelten – es darf für die Zwecke dieser Arbeit davon ausgegangen werden, dass die genannten Staaten einen mit Deutschland hinreichend vergleichbaren kulturellen Hintergrund haben. Ungeklärt muss ferner bleiben, was eine solche „Kulturnorm“ auszeichnet und ob eine solche überhaupt, und, wenn ja, unter welchen Umständen und mit welcher Reichweite, eine rechtfertigende Wirkung entfalten könnte. ­Jedenfalls besteht für die hier maßgeblichen Fragestellungen keine entsprechende Norm. Alle Lösungsansätze, die auf eine gewohnheitsrechtliche ­Akzeptanz abstellen, können beim „Gnadenschuss“ nicht überzeugen.

86  v. Dellingshausen,

Sterbehilfe und Grenzen, S. 282. Disponibilität, S. 60 m. w. N.; Schreiber, NStZ 1986, 337 (339); v. Dellingshausen, Sterbehilfe und Grenzen, S. 282; Muschke, Gesetzliche Regelung der Sterbehilfe?, S. 30. 88  Im Sinne eines klassischen „Wie du mir, so ich dir“, vgl. East, Permission To Die, S.  64 f., 267 f.; Helixon, Mercy Killings in Combat, S. 21; ferner auch Herzberg, NJW 1986, 1635 (1644); siehe dazu auch die oben genannten Fälle Paré (A. III. 1. a) cc), S. 39), Steinhoff (A. III. 1. a) dd) (2), S. 47) und Maynulet (A. III. 1. b) bb)) in welchen ausdrücklich eine solche Gegenseitigkeitserwartung eine Rolle spielte. 89  Vgl. aber auch die in A. III. 1. a) und im Anhang dargestellten historischen Fälle. Zu anderen Zeiten mag also anderes gegolten haben. 90  Vgl. zu diesen Fällen oben A. III. 1. b) sowie allgemein auch die englischsprachige Literatur zu „battelfield mercy killing“, Nw. hierzu in Fn. 89, S. 29. 87  Chatzikostas,



I. Denkbare Lösungsansätze157

b) Rechtfertigende Einwilligung Das kaum zu überwindende Problem jeder (reinen) Einwilligungslösung im Bereich der Sterbehilfe generell und beim „Gnadenschuss“ im speziellen findet sich im Wortlaut des § 216 StGB. Explizit ergibt sich daraus, dass nicht bloß die Einwilligung, sondern sogar das darüber hinausgehende91 ernstliche Verlangen keine rechtfertigende Wirkung hat.92 Wenn selbst ein ernstliches, ausdrückliches Verlangen (als „Plus“ zur bloßen Einwilligung) nur im Hinblick auf das Strafmaß privilegierend wirkt, gilt dies erst recht für die bloße Einwilligung: Sie vermag die Tötung auf Verlangen nicht zu rechtfertigen („Einwilligungssperre“).93 Damit bildet § 216 StGB eine Ausnahme vom Grundsatz „volenti non fit iniuria“.94 Für den „Gnadenschuss“ bedeutet das, dass ein durch den Verwundeten geäußertes Tötungsverlangen grundsätzlich für die Frage nach der Strafbarkeit gemäß § 216 StGB unbeachtlich ist. Das Gesetz drückt insofern unmissverständlich aus, dass (nur) die Einwilligung, sei sie auch noch so intensiv, in keinem Fall ausreichend ist, um die Tötung auf Verlangen zu rechtfertigen.95 Vor diesem Hintergrund begegnen einer (reinen) Einwilligungslösung96 bereits bei der indirekten Sterbehilfe erhebliche Bedenken.97 Umso mehr muss dies aber für den aktiven, direkten „Gnadenschuss“ gelten, bei dem der Täter mit direktem Vorsatz den Tod eines Verwundeten herbeiführt. Letztlich wäre, um den „Gnadenschuss“ de lege lata allein mittels Einwilligung zu rechtfertigen,98 eine solche entgegen dem insofern eindeutigen

91  Vgl.

oben B. III. 1. b) aa) (2). in: FS Schroeder, S. 297 (306); Neumann, in: FS Herzberg, S. 575

92  R. Merkel,

(578). 93  BGH NStZ 2016, 469 (470); BGH NStZ 2003, 537 (538); BayObLG NJW 1957, 1245 (1246); R. Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (306); Mitsch, in: AnwK-StGB3, § 212 Rn. 10, § 216 Rn. 13, dort bezeichnet als „Einwilligungsschranke“; T. Fischer, StGB67, § 216 Rn. 13; Eser/Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, § 216 Rn. 15 f.; Rissingvan Saan, in: LK-StGB12, § 216 Rn. 47; Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 56. 94  Neumann/Saliger, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 1; Pelzl, KJ 1994, 179 (185). 95  BGHSt 4, 88 (93); BayObLG NJW 1957, 1245 (1246); Neumann, in: NKStGB5, § 34 Rn. 18; R. Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (306 f.); Walter, ZIS 2011, 76 (78); Schneider, in: MüKo-StGB3, Vor § 211 Rn. 47, § 216 Rn. 56; Rönnau, in; LK-StGB13, Vor §§ 32 ff. Rn. 177; Rosenau, in: FS Roxin (2011), S. 577 (583); Herzberg, NJW 1986, 1635 (1643), Roxin, in: FS Fischer, S. 509 (516). 96  Verrel, JZ 1996, 224 (226 f.); vgl. aber auch BGHSt 55, 192 (204). 97  Vgl. Rosenau, in: LK-StGB12, Vor §§ 211 ff. Rn. 47; Neumann, in: NK-StGB5, Vor § 211 Rn. 103; Schneider, in: MüKo-StGB3, Vor § 211 Rn. 109 m. w. N. 98  Was aber, soweit ersichtlich, in dieser Konsequenz bisher nicht vertreten wird. Vgl. aber auch die Reformvorschläge zu § 216 StGB, dazu C. I. 5.

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

Wortlaut99 des § 216 StGB zuzulassen. Um das notwendige Korrektiv eines besonders gelagerten Extremfalles zu berücksichtigen wäre es ferner, analog zu § 228 StGB, wohl erforderlich, dass eine Einwilligung im konkreten Fall aufgrund besonderer Umstände nicht sittenwidrig wäre.100 Kein maßgeblicher Unterschied bestünde dann noch zu einer Restriktion des Tatbestandes des § 216 StGB bei objektiv „vernünftigen“ Sterbeverlangen, wozu bereits zuvor Stellung genommen wurde.101 Letztlich bleibt für eine teleologische Reduktion aber kaum Raum. De lege lata wäre eine rechtfertigende Einwilligung in die eigene Tötung schlicht contra legem – allenfalls wäre der Gesetzgeber gefragt, § 216 StGB entsprechend zu ändern.102 Ferner müsste auch hier letztlich eine irgendwie geartete Abwägung anhand der objektiven Situation des Sterbenden erfolgen, um festzustellen, ob ein besonderer Ausnahmefall vorläge, der ausnahmsweise die Einwilligung in die eigene Tötung beachtlich erscheinen ließe. Gerade für die „Gnadenschuss“-Fälle spielen hier eine Vielzahl von äußeren Faktoren eine Rolle. Wo all diese Faktoren umfassend zu gewichten sind, erscheint die (dort auch normierte) Interessenabwägung des § 34 StGB als natürlicher Weg, diese zu berücksichtigen, ohne losgelöst vom Gesetz argumentieren zu müssen. Im Ergebnis verbietet sich eine Rechtfertigung des „Gnadenschusses“ (­allein) aufgrund einer Einwilligung103 auch in besonders gelagerten Grenzfällen angesichts des eindeutigen und kaum anders zu verstehenden Wortlauts des § 216 StGB.104 99  Rosenau, in: FS Roxin (2011), S. 577 (583); zust. Roxin, in: FS Fischer, S. 509 (516). 100  Explizit mit Verweis auf die guten Sitten in einem Vorschlag zur Reform des § 216 StGB Kaufmann, MedR 1983, 121 (124); vgl. ferner auch v. Hirsch/Neumann, GA 2007, 671 (683 Fn. 24). 101  S. o., C. I. 1. c). 102  Zu den diesbezüglichen Vorschlägen vgl. C. I. 5. 103  Hingegen für eine Rechtfertigung der indirekten aktiven Sterbehilfe allein durch die Einwilligung des Patienten Verrel, JZ 1996, 224 (226 f.); in diese Richtung neigend offenbar auch BGHSt 55, 192 (204); für eine „Kombination“ von Einwilligung und § 34 StGB bei indirekter Sterbehilfe aber etwa Schöch/Verrel, AE-StB, GA 2005, 553 (574); Dölling, in: FS Gössel, S. 209 (212); ders., JR 1998, 160 (161); ders., MedR 1987, 6 (7); Erb, in: FS Schünemann, S. 337 (346), ders., in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 37; dabei explizit auch für direkte, aktive Tötungen insb. Mitsch, in: AnwK-StGB3, § 212 Rn. 10, 12, ders., in: FS Weber, S. 49 (66); Stiller, Sterbehilfe und assistierter Suizid, S. 241. In der Sache wird es sich bei der angesprochenen „Kombination“ aber um eine Notstandsabwägung handeln, in deren Rahmen dann das Einwilligungselement zum Tragen kommt, vgl. auch R. Merkel, Früheuthanasie, S. 163 f.; Neumann, in: NK-StGB5, Vor § 211 Rn. 103, 141 m. w. N. Eine solche Lösung käme auch für den „Gnadenschuss“ in Betracht, vgl. dazu ausführlich im Folgenden, C. II. 104  Vgl. R. Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (306); Erb, in: FS Schünemann, S. 337 (344).



I. Denkbare Lösungsansätze159

An dieser Stelle abermals erwähnt sei noch das wegweisende Urteil des BGH zum „Behandlungsabbruch“, dessen Straflosigkeit der BGH gerade auf die rechtfertigende Einwilligung stützt.105 Dabei werden auch Fallgestaltungen umfasst, die zuvor noch als „aktive Behandlungsabbrüche“ gemäß § 216 StGB strafbar waren.106 Wäre es also denkbar, in Fortsetzung des vom BGH beschrittenen Weges, eine solche Lösung auch für den „Gnadenschuss“ zuzulassen? Dagegen spricht schon der Begriff „Behandlungsabbruch“, aus dem der BGH die Einzelkriterien für zulässige Sterbehilfe ableitet:107 Zulässig ist nur ein Behandlungsabbruch, der kumulativ (1.) dem Patientenwillen entspricht und (2.) dem natürlichen Krankheitsprozess seinen Lauf lässt.108 Das Erschießen eines Menschen unterscheidet sich fundamental von der Nichtaufnahme bzw. Nichtweiterführung einer medizinischen Behandlung. Auch auf dem Schlachtfeld ist der „Gnadenschuss“ kein Abbruch einer lebensverlängernden ärztlichen Behandlung109, sondern schlicht eine gezielte, aktive Tötung.110 Kein unterbrochener Krankheitsverlauf lebt wieder auf, wo der Tod die unmittelbare Folge der Handlung selbst ist, durch welche die eine Todesursache (die zukünftig tödlich wirkende Verwundung) durch eine andere (den sofort tödlichen Schuss) ersetzt wird. Mithin vermag die Rechtsprechung zum „Behandlungsabbruch“ im vorliegenden Fall nicht weiterzuhelfen. c) § 34 StGB – Rechtfertigender Notstand Wie bereits angedeutet, scheint der rechtfertigende Notstand nach dem bisherigen Gang der Untersuchung die aussichtsreichste Möglichkeit zu bieten,111 den „Gnadenschuss“ sachgerecht zu behandeln und die besonderen 105  BGHSt

55, 191, vgl. auch oben A. II. 2. c). Gaede, NJW 2010, 2925 (2927). 107  Gaede, NJW 2010, 2925 (2928). 108  BGHSt 55, 191 (204). 109  Welche bereits als solche stets der Einwilligung des Patienten bedürfte. 110  Vgl. hierzu bereits A. II. 2. c), insb. auch Fn. 85, S. 29. 111  Nicht weiterhelfen kann hingegen der gewohnheitsrechtlich anerkannte Rechtfertigungsgrund der rechtfertigenden Pflichtenkollision (zur Einordnung als Rechtfertigungsgrund nach der h. M. exemplarisch nur BGHSt 47, 318 (322); BGHSt 48, 307 (311); ausf. Rönnau, in: LK-StGB13, Vor §§ 32 ff. Rn. 115 ff. m. w. N.). Beim „Gnadenschuss“ kollidiert in jedem Fall eine Unterlassungspflicht („Tötungsverbot“ aus § 216 StGB) mit einer ggf. bestehenden Handlungspflicht (etwa: „Leidensminderung“). Soweit Handlungspflichten nur unter Verletzung von Unterlassungspflichten erfüllt werden können, bestimmt sich die Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens nach zustimmungswürdiger herrschender Ansicht unmittelbar nach § 34 StGB; für die rechtfertigende Pflichtenkollision ist nur bei kollidierenden Handlungspflichten Raum, vgl. Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 46; Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 126; Rönnau, 106  Vgl.

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

situativen Umstände eines solchen Falles zu berücksichtigen.112 Ob und unter welchen Umständen hier eine Notstandsrechtfertigung tatsächlich möglich wäre, wird nach einer Darstellung weiterer Lösungsmöglichkeiten unten unter C. II. eingehend untersucht. Dem soll an dieser Stelle nicht vorgegriffen werden, die Erwähnung des § 34 StGB erfolgt hier zunächst nur aus systematischen Gründen. Dennoch sollen hier bereits die wesentlichen Eckpunkte skizziert werden, auf die sich eine Lösung nach § 34 StGB stützen könnte: Die Anwendbarkeit des § 34 StGBin den maßgeblichen Fällen zunächst unterstellt,113 kommt eine Rechtfertigung nur in Betracht, wenn eine Tötung gerade der Erhaltung eines zu schützenden „Erhaltungsguts“ dient. Hier wird die beim „Gnadenschuss“ mit der Tötung zu erreichende Schmerzfreiheit – durch und im Tod – maßgeblich sein.114 Da im Rahmen des rechtfertigenden Notstandes stets das relativ mildeste Mittel zu wählen ist, eine Tötung aber den wohl denkbar einschneidensten Eingriff überhaupt darstellt, wird diese nur in Betracht kommen können, wenn alle anderen Mittel versagen.115 Der Großteil der Argumentationsarbeit für eine Notstandslösung wird aber im Rahmen der in § 34 StGB normierten Interessenabwägung zu leisten sein.116 Da hier erforderlich ist, dass sämtliche betroffenen Interessen auf der Eingriffsseite von den Interessen auf der Erhaltungsseite „wesentlich“ überwogen werden, müssen diese kleinschrittig herausgearbeitet werden: Neben dem offensichtlich betroffenen Lebensinteresse des Verwundeten selbst117 könnten – angesichts der bereits zuvor angeführten Legitimation des § 216 StGB und auch angesichts des Konfliktzusammenhanges – auch überindividuelle Interessen der Gesellschaft eine Rolle spielen.118 Dass ein Überwiegen des Sterbeinteresses des Betroffenen nur vor dem Hintergrund einer objektiv vorliegenden, extremen Ausnahmesituation, die als solche gerade die Interessengewichtung prägt, denkbar ist, liegt auf der Hand.119 Dasselbe gilt für in: LK-StGB13, Vor §§ 32 ff. Rn. 120; Satzger, Jura 2010, 753 (755), Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 32 ff. Rn. 71/72, jeweils m. w. N. 112  So im Ergebnis u. a. Herzberg; NJW 1986, 1635 (1639 ff.); ders., NJW 1996, 3043 (3047 ff.); ders., ZIS 2016, 440 (441 f., 447); Chatzikostas, Disponibilität, S. 60 ff., 320 ff., 327; vgl. allgemeiner auch R. Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (308 ff., insb. 320 f.); ders., Früheuthanasie, S. 195 f., 412 ff., 591; ders., JZ 1996, 1145 (1150 ff.); Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 16 ff., 38, 85, Vor § 211 Rn. 139 ff., § 216 Rn. 19; ders., in: FS Herzberg, S. 575 (580 ff.); Otto, Gutachten 56. DJT, S. D1 (D58 ff., D92); weitere Nw. unten in Fn. 562, S. 237. 113  Im Einzelnen dazu siehe C. II. 2. 114  Dazu C. II. 3. a). 115  Vgl. hier C. II. 4. b). 116  Ausführlich dazu unter C. II. 5. 117  Zu dessen Gewichtung vgl. C. II. 5. b) aa). 118  Vgl. dazu C. II. 5. b) bb). 119  Vgl. C. II. 5. b) aa) (2).



I. Denkbare Lösungsansätze161

den – nicht oft genug zu betonenden – Punkt, dass der subjektive Wille des Betroffenen unumgänglicher Ausgangspunkt der Interessenabwägung sein muss. Ein „Gnadenschuss“ gegen den Willen des Verwundeten verbietet sich. Auf die insofern bestehenden Bezüge zur Einwilligung, die im Rahmen der hier skizzierten Notstandslösung maßgeblich werden müssen, sei damit bereits hingewiesen. 3. Auf Schuldebene: (übergesetzlicher) Notstand Sofern eine Rechtfertigung abgelehnt wird, muss eine Lösung auf Ebene der Schuld in Betracht kommen. Eine direkte Anwendung des entschuldigenden Notstandes (§ 35 StGB) auf den „Gnadenschuss“ scheitert jedenfalls regelmäßig an der fehlenden Angehörigenstellung des Opfers bzw. an einer damit vergleichbaren persönlichen Nähebeziehung120 zwischen Opfer und Täter.121 Anzudenken wäre aber zumindest eine Entschuldigung über das in der Literatur überwiegend anerkannte Rechtsinstitut des „übergesetzlichen entschuldigenden Notstandes“.122 Ihren Ursprung haben solche Erwägungen in den „Euthanasie-Prozessen“ der unmittelbaren Nachkriegszeit.123 Angeklagt waren Anstaltsärzte, die im begrenzten Maßstab an der durch den NS-Unrechtsstaat unternommenen Tötung geistig behinderter und kranker Menschen mitgewirkt hatten, um eine größere Anzahl der übrigen Anstaltsinsassen zu retten. Hätten die Ärzte sich vollumfänglich geweigert, an solchen „Selektio­ nen“ mitzuwirken, wären aller Wahrscheinlichkeit nach andere, „linientreue“ Ärzte eingesetzt worden, die dann wohl sämtliche Anstaltsinsassen hätten töten lassen.124 Angesichts dieses Gewissenskonflikts wurde bzw. wird hier eine Entschuldigung durch einen übergesetzlichen Entschuldigungsgrund für möglich gehalten.125

etwa Müssig, in: MüKo-StGB4, § 35 Rn. 18 f. 121  Vgl. v. Dellingshausen, Sterbehilfe und Grenzen, S. 340. 122  Allgemein zum übergesetzlichen Notstand etwa Sternberg-Lieben, in: S/SStGB30, Vor §§  32 ff. Rn.  115 ff.; Neumann, in: NK-StGB5, § 35 Rn. 54 ff.; Rönnau, in: LK-StGB13, Vor §§  32 ff. Rn.  354 ff.; ders., JuS 2017, 113 (113 ff.); auch Rogall, in SK-StGB9, Vorbem. § 19 Rn. 58. 123  Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 32 ff. Rn. 115; Rönnau, in: LKStGB13, Vor §§ 32 ff. Rn. 354, jeweils m. w. N. 124  OGHSt 1, 321; OGHSt 2, 117; vgl. zusf. Rönnau, JuS 2017, 113 (113 f.); Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 32 ff. Rn. 115. 125  So etwa Rönnau, in: LK-StGB13, Vor §§ 32 ff. Rn. 361; vgl. auch Paeffgen/ Zabel, in: NK-StGB5, Vor §§ 32 ff. Rn. 292a ff. mit vielen weiteren Nw. in Fn. 1456. In den damaligen Strafverfahren hat der Oberste Gerichtshof für die Britische Zone 120  Vgl.

162

C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

In neuerer Zeit wird, vor dem Hintergrund des 11. Septembers 2001, eine solche Entschuldigung häufig im Zusammenhang mit einem (hypothetischen) Abschuss eines entführten Passagierflugzeuges durch die Luftwaffe in Fällen, in denen dieses als Mittel für einen Anschlag, etwa auf ein vollbesetztes Sportstadium o. ä., dienen soll, diskutiert.126 In den so konstruierten Fällen werden durch den Abschuss des Flugzeuges neben den Entführern auch sämtliche Passagiere an Bord getötet, während die Menschen am geplanten Anschlagsziel dadurch gerettet werden. Dabei überwiegt i. d. R. die Anzahl der Geretteten die der Getöteten zahlenmäßig erheblich. Eine Ermächtigung in § 14 Abs. 3 LuftSiG, die im äußersten Fall einen solchen Abschuss vorsah, hat das Bundesverfassungsgericht 2006 für verfassungswidrig erklärt, die Abschussermächtigung verstößt demnach insbesondere gegen Art. 1 Abs. 1 GG.127 Die Frage nach der individuellen strafrechtlichen Verantwortlichkeit eines Piloten, der in einem solchen Fall ein Verkehrsflugzeug abschießt, hat das Bundesverfassungsgericht aber offengelassen.128 Nach ganz überwiegender Ansicht verbietet sich eine Rechtfertigung im Wege des rechtfertigenden Notstandes für den Luftwaffenpiloten aufgrund einer unzulässigen quantitativen Abwägung der Leben verschiedener Menschen gegeneinander.129 Angesichts der unerträglichen Zwangslage des Piloten soll aber eine übergesetz­ liche Entschuldigung in Betracht kommen.130 Auch abseits dieser prominenten Fälle ist eine Vielzahl weiterer, ähnlich aufgebauter Fallkonstellationen denkbar, in denen eine übergesetzliche Entschuldigung zumindest zu diskutieren wäre. Zu nennen sind hier nur (schlagwortartig und nicht abschlie­ ßend)131 der sog. „Weichenstellerfall“132, der sog. „Bergsteigerfall“133 sowie Fälle im Zusammenhang mit der „Rettungsfolter“134.

einen persönlichen Strafausschließungsgrund angenommen, OGHSt 1, 321 (335); OGHSt 2, 117 (122). 126  Vgl. exemplarisch nur Roxin/Greco, AT I5, S. 1153 ff. m. w. N. zum Meinungsstand. 127  BVerfGE 115, 118. 128  BVerfGE 115, 118 (157). 129  Statt vieler vgl. nur Kühl, in: Lackner/Kühl29, § 34 Rn. 8; Zieschang, in: LKStGB13, § 34 Rn. 100, 110, 145; § 35 Rn. 120; Perron, in: S/S-StGB30, § 34 Rn. 24, jeweils m. w. N. 130  Wohl h. L., vgl. nur Wessels/Beulke/Satzger, AT49, S.  151 f., 242 ff.; Kindhäuser, LPK-StGB8, Vor §§ 32–35 Rn. 94; Rosenau, in: S/S/W-StGB5, Vorbem. §§  32 ff. Rn. 67; Rönnau, in: LK-StGB13, Vor §§ 32 Rn. 356 ff.; weitere Nw., auch zu abweichenden Ansichten, etwa bei Kühl, in: Lackner/Kühl29, § 34 Rn. 8; Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 32 ff. Rn. 117a; Zieschang, in: LK-StGB13, § 35 Rn. 120 ff. 131  Für weitere Fallkonstellationen vgl. die in Fn. 122, S. 161 genannten Nw. 132  Zuerst bei Welzel, ZStW 1951 47 (51); vgl. dazu Mitsch, GA 2006, 11 (11 ff.); Paeffgen/Zabel, in: NK-StGB5, Vor §§  32 ff. Rn.  292 m. w. N.



I. Denkbare Lösungsansätze163

Häufig135 wird eine solche Lösung auch für Extremsituationen aktiver Sterbehilfe, unter welche auch der „Gnadenschuss“ gewiss fallen muss, befürwortet.136 Im Ausnahmefall soll hier eine Entschuldigung in Betracht kommen, wenn die Tötung in der konkreten Situation ultima ratio ist, das Unrecht (aufgrund der Umstände) wesentlich gemindert ist und der Täter subjektiv in schwerer Gewissensnot handelt,137 die hinsichtlich ihrer Schwere der von § 35 StGB erfassten Zwangslage gleichkommt.138 In einer solchen 133  Vgl. dazu etwa Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, Strafrecht AT12, S. 526; Rönnau, in: LK-StGB13, Vor §  32 ff. Rn.  355 m. w. N.; ders., JuS 2017, 113 (114). 134  Vgl. für eine übergesetzliche Entschuldigung in bestimmten Fällen hier etwa Roxin/Greco, AT I5, S.  1152 f.; Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§  32 ff. Rn. 117a; allgemein zur Rettungsfolter vgl. auch Rönnau, in: LK-StGB13, Vor §  32 ff. Rn.  255 ff. 135  Neumann, in: NK-StGB5, Vor § 211 Rn. 139 gibt an, dass es sich hierbei wohl um die „herrschende Meinung“ handle. Tatsächlich erscheint das Meinungsbild zu differenziert, um eine klare h. M. auszumachen; vgl. dazu dann auch die vielen Nw. zu § 34 StGB in Fn. 562, S. 237. 136  Mit z. T. im Einzelnen abweichenden Schwerpunkten Hirsch, in: FS Lackner, S. 597 (609 f., 615); v. Dellingshausen, Sterbehilfe und Grenzen, S. 337 ff., 352 f.; Rönnau, in: LK-StGB13, Vor §§ 32 ff. Rn. 368; Borttscheller, Die Bedeutung des Patientenwillens, S. 63 f.; explizit für Fälle jenseits der ärztlichen Heilbehandlung Roxin, GA 2013, 113 (327); ders., in: Roxin/Schroth, Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (118); Pelzl, KJ 1994, 179 (194 f.); Hoerster, Sterbehilfe im säkularen Staat, S.  183 f.; M. Köhler, Jahrbuch für Recht und Ethik 2006, 425 (444); Küper, JuS 1971, 474 (477); Küpper/Börner, BT 14, S. 14; Hirsch, in: LK-StGB11, Vor § 32 Rn. 216; zust. Tröndle, ZStW 1987, 25 (42); ferner auch Ingelfinger, Grundlagen und Grenzbereiche, S. 340; Rohrer, Menschenwürde, S. 305; Schreiber, Beiträge zur gerichtlichen Medizin 1975, 37 (40); Tolmein, Selbstbestimmungsrecht und Einwilligungsfähigkeit, S. 205; Maatsch, Selbstverfügung, S. 238 f.; ähnlich Engisch, Der Arzt an den Grenzen des Lebens, S. 52, ders., in: FS Dreher, S. 309 (320); Paeffgen/Zabel, in: NK-StGB5, Vor §§ 32 ff. Rn. 296; eher vage, aber unter Verweis auf den „Gnadenschuss“ Safferling, in: M/R-StGB2, § 212 Rn. 38 Fn. 152: „Gnadenschuss […] im Rahmen der Schuld zu diskutieren“; unklar Ulsenheimer/Biermann, in: Ulsenheimer/ Gaede, Arztstrafrecht6, Rn. 738: „nur in Ausnahmefällen […] „Dispens“; ohne klare Entscheidung Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 32 ff. Rn. 117a: „[…] vorrangig wäre allerdings zu prüfen, ob in Extremfällen nicht doch Rechtfertigung über § 34 vorliegt“; für eine (übergesetzliche) Entschuldigung wegen Unzumutbarkeit bereits Hilschenz, Die Sterbehilfe, S. 47 ff.; für einen „Strafbefreiungsgrund“ bei aktiver Sterbehilfe aus Gewissensgründen unmittelbar aus Art. 4 Abs. 1 GG und insofern nicht „übergesetzlich“ hingegen Rudolphi, in: FS Welzel, S. 605 (628 ff.); kritisch zu einem solchen Entschuldigungsgrund aus Art. 4 Abs. 1 GG zumindest bei aktiver Sterbehilfe insb. v. Dellingshausen, Sterbehilfe und Grenzen, S. 331 ff. m. w. N.; unter Hinweis auf eine religiöse „Schuldübernahme“ in Grenzfällen bei gleichzeitiger (weltlicher) Entschuldigung Eibach, ZfL 2004, 38 (47); ders., ZfL 2014, 2 (8). 137  v. Dellingshausen, Sterbehilfe und Grenzen, S. 353; so allgemein für den übergesetzlichen entschuldigenden Notstand auch ohne Bezug zur Sterbehilfe SternbergLieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 32 ff. Rn. 117. 138  Pelzl, KJ 1994, 179 (194).

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

Situation sei zwar „um des Prinzips willen“ am Verbot aktiver Sterbehilfe festzuhalten,139 indes sei die aktive Tötung nicht in allen Fällen widerspruchsfrei zu verbieten und entsprechend, wenn auch nicht rechtmäßig, so zumindest aber nicht strafbar,140 da der Schuldgehalt auf ein Minimum reduziert141 und die Tötung letztlich menschlich verständlich sei.142 Zwar wird auch in der Situation des „Gnadenschusses“ regelmäßig ein nach Art und Intensität mit den zuvor genannten Fällen vergleichbarer „Gewissenskonflikt“ des Soldaten vorliegen, der vor die Wahl gestellt wird, den Verwundeten zu töten, um dessen unerträgliches Leid zu beenden, oder aber gänzlich untätig zu bleiben. Dennoch muss festgestellt werden, dass die üblicherweise bei der übergesetzlichen Entschuldigung diskutierten Fälle sich kaum mit dem „Gnadenschuss“ vergleichen lassen, wenn die jeweils betroffenen Rechtsgüter betrachtet werden: In den o. g. Fallkonstellationen wie dem „Luftsicherheitsfall“ stehen auf Eingriffs- und Erhaltungsseite die Leben verschiedener Menschen, zwischen denen der Täter letztlich abwägt, weshalb nach ganz überwiegender Ansicht eine Rechtfertigung, etwa über § 34 StGB, ausscheidet.143 Verschiedene Menschenleben können weder qualitativ noch quantitativ zueinander ins Verhältnis gesetzt werden, die in § 34 StGB normierte Interessenabwägung muss hier scheitern.144 Auch eine i. d. R. größere Anzahl der Geretteten im Verhältnis zu den Geopferten ändert auf Rechtfertigungsebene an diesem Ergebnis zunächst nichts. Angesichts der „unerträglichen“ Zwangslage und Gewissensnot für den Täter bleibt (lediglich) die übergesetzliche Entschuldigung.145 Anders stellt sich die Situation aber beim „Gnadenschuss“ dar: Hier stehen auf Eingriffs- und Erhaltungsseite gerade nicht die Leben verschiedener Personen.146 Eine wegen Art. 1 Abs. 1 GG unzulässige Abwägung droht dort nicht, wo ein interner Interessenkonflikt des Betroffenen selbst vor139  v. Dellingshausen, Sterbehilfe und Grenzen, S. 342, 353. Dies soll aufgrund des „absoluten Höchstwerts des menschlichen Lebens“ gelten, S. 342. Zu diesem ­Argument vgl. auch C. II. 2. a). 140  M. Köhler, Jahrbuch für Recht und Ethik 2006, 425 (444). 141  v. Dellingshausen, Sterbehilfe und Grenzen, S. 348. 142  Engisch, in: FS Dreher, S. 309 (320). 143  Vgl. die Nw. oben in Fn. 129, S. 162. 144  Vgl. nur Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 147 f.; Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 74; Wessels/Beulke/Satzger, AT49, S.  150 ff.; Stratenwerth/Kuhlen, AT6, S. 191; Roxin/Greco, AT I5, S.  854 ff. 145  Vgl. statt vieler Perron, in: S/S-StGB30, § 34 Rn. 23 f. 146  Vgl. ähnlich Streng, in: FS Frisch, S. 739 (753 f.); auch Schneider, in: MüKoStGB3, Vor § 211 Rn. 111; Bott, In dubio pro Straffreiheit?, S. 30 f.; Rosenau, in: FS Roxin (2011), S. 577 (584 f.); Dreier, JZ 2007, 317 (322); C. Schneider, Tun und Unterlassen, S. 259 ff.; vgl. auch C. II. 2. a).



I. Denkbare Lösungsansätze165

liegt.147 Beim „Gnadenschuss“ besteht zwar ein Konflikt zwischen dem individuellen Interesse am Leben unter den gegebenen (Leidens-)Umständen und der, nur mittels der Tötung erreichbaren, Schmerzfreiheit,148 aber eben kein Konflikt mit dem Leben einer anderen Person. Entsprechend ist die Grundkonstellation des „Gnadenschusses“ letztlich eine andere als in den o. g. Beispielen; diese Fälle sind also nur vordergründig vergleichbar. Ein Rückgriff auf einen „übergesetzlichen“ Notstand wäre beim „Gnadenschuss“ auch gar nicht erforderlich, wenn – was noch näher zu untersuchen ist – sogar eine Rechtfertigung nach § 34 StGB in Betracht kommt.149 Ferner leiden sämtliche Lösungen auf Schuldebene, unabhängig von ihrer Herleitung,150 auch wertungsmäßig an einem gravierenden Mangel: Eine Entschuldigung hat nicht dieselbe Bedeutung und (für den Täter) schlicht nicht denselben „Wert“ wie eine Rechtfertigung: Die Rechtfertigung bringt zum Ausdruck, dass eine solche Tat eines beliebigen Täters unter den gegebenen Umständen, als Ausnahme zu der grundsätzlich bestehenden Regel des Unrechts bei (rechtswidriger) Tatbestandserfüllung, strafrechtlich zulässig ist, also aus Sicht des (Straf-)Gesetzes erlaubt und gebilligt wird.151 Mit der Feststellung der Rechtfertigung wird die konkrete Tat jenseits des strafrechtlichen Unrechts gestellt,152 und die Rechtmäßigkeit (d. h. die Vereinbarkeit mit der Rechtsordnung) erklärt.153 Mithin dienen Rechtfertigungsgründe als „Erlaubnissätze“, bei deren Eingreifen für den konkreten Einzelfall ausnahmsweise das im Tatbestand angelegte Verbot entfällt.154 Demgegenüber beinhaltet die (bloße) Entschuldigung eine Aussage von anderer, geringerer Wertigkeit:155 Auf Schuldebene ist die Frage nach der konkreten, subjektiven Verantwortlichkeit der individuellen Person für die tatbestandsmäßige und rechtswidrige Tat, im Sinne eines individuellen „Da147  Vgl.

dazu im Einzelnen auch unter C. II. 2. a) und C. II. 2. b). den Interessen auf „Erhaltungs“- und „Eingriffsseite“ bei einer Abwägung im Rahmen des § 34 StGB vgl. auch C. II. 3. a) und C. II. 5. a). 149  Dazu ausführlich C. II. 150  Vgl. hier insb. die Darstellung verschiedener Entschuldigungs-Modelle bei v. Dellingshausen, Sterbehilfe und Grenzen, S. 319 ff. 151  Zur Rechtfertigung als Ausdruck rechtlicher Erlaubnis und Billigung eines Verhaltens vgl. nur Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§  32 ff. Rn.  4 f. m. w. N.; Jescheck/Weigend, AT5, S. 323; Hauck, in: AnwK-StGB3, Vor § 32 Rn. 4; vgl. auch Jakobs, AT2, S. 349; Roxin, JuS 1988, 425 (426); Roxin/Greco, AT I5, S. 718; Küper, JuS 1987, 81 (81 ff.). 152  Paeffgen/Zabel, in: NK-StGB5, Vor §§ 32 ff. Rn. 41. 153  Kühl, in: Lackner/Kühl29, Vor § 32 Rn. 2; vgl. auch etwa Roxin/Greco, AT I5, S.  718 ff. 154  Jescheck/Weigend, AT5, S. 323; Paeffgen/Zabel, in: NK-StGB5, Vor §§  32 ff. Rn. 8; Wessels/Beulke/Satzger, AT49, S. 127. 155  Vgl. auch Hauck, in: AnwK-StGB3, Vor § 32 Rn. 4 m. w. N. 148  Zu

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

für-Können“, maßgeblich.156 Die beiden zentralen Elemente der Schuld sind (1.) die Fähigkeit zur Unrechtseinsicht und (2.) die Möglichkeit, entsprechend (d. h. rechtskonform) zu handeln.157 Im letzteren Fall kann es für einen Entfall der subjektiven Vorwerfbarkeit genügen, wenn die individuelle Möglichkeit zu rechtmäßigem Verhalten in besonderen Motivationslagen stark reduziert ist („Unzumutbarkeit“).158 Eine Entschuldigung bedeutet in jedem Fall, dass die Tat zwar unvereinbar mit der Rechtsordnung, also rechtswidrig, war, aber, wegen besonderer individueller Umstände, dem Täter für sein verwirklichtes Unrecht ausnahmsweise kein Schuldvorwurf gemacht werden kann.159 Im Hinblick auf den Soldaten, der vor der Entscheidung steht, den „Gnadenschuss“ auszuführen, würde dies – trotz Straflosigkeit im Ergebnis – bedeuten, dass er davon ausgehen müsste, dass sein Handeln von der Rechtsordnung als unzulässig (als Unrecht) erachtet wird.160 Im Umkehrschluss hätte dies zur Folge, dass der Soldat, um „rechtskonform“ zu handeln, gezwungen wäre, seinen verwundeten Kameraden unter Qualen sterben zu lassen. Handelt er aber dennoch, so würde ihm nur aufgrund seiner individueller Zwangslage und Motivation „mit Nachsicht“ begegnet und ihm dennoch bescheinigt, unrecht gehandelt zu haben.161 Maßgeblich für die Entschuldigung wäre in jedem Fall die innere Lage des Täters. Aber tatsächlich ist der Täter des „Gnadenschusses“ nicht nur subjektiv, aufgrund der durch die Situation hervorgerufenen seelischen Konfliktlage, nicht in der Lage, rechtskonform zu handeln, sondern die Tat selbst erscheint schon nicht notwendigerweise als unrechte Tat.162 Es sind gerade die situativen (also gerade die äußeren!) Umstände der ausweglosen Situation, und damit die objektiven Gegebenheiten, die den Täter zur Tötung veranlassen. Es ist dann keine individuelle (nur im Einzelfall subjektiv unüberwindbare) menschliche Schwäche, die ihn zur „bösen Tat“ treibt, sondern, unter bestimmten Umständen, liegt schon gar keine „böse Tat“ als solche vor.163 156  Paeffgen/Zabel, in: NK-StGB5, Vor §§ 32 ff. Rn. 208; Rönnau, in: LK-StGB13, Vor §§ 32 ff. Rn. 320, jeweils m. w. N. 157  Vgl. etwa Rönnau, in: LK-StGB13, Vor §§ 32 ff. Rn. 329. 158  Rönnau, in: LK-StGB13, Vor §§  32 ff. Rn.  329, 334 ff. m. w. N. 159  Jescheck/Weigend, AT5, S. 325; Hauck, in: AnwK-StGB3, Vor § 32 Rn. 4. 160  Vgl. Pelzl, KJ 1994, 179 (194). 161  Schneider, in: MüKo-StGB3, Vor § 211 Rn. 100, dort Fn. 368; Scheffler, in: Joerden/Neumann, Medizinethik 2, S. 45 (46); vgl. auch Sternberg-Lieben, in: S/SStGB30, Vor §§ 32 ff. Rn. 108. 162  Richtig Herzberg, NJW 1986, 1635 (1643). 163  Überzeugend Herzberg, NJW 1986, 1635 (1643). Eine weitere Folge der Entschuldigungslösung wäre, dass dann eine vorsätzliche rechtswidrige Tat vorläge, sodass jede Teilnahme eines Dritten selbst rechtfertigungsbedürftig wäre.



I. Denkbare Lösungsansätze167

Dies zu beurteilen macht aber eine Abwägung der betroffenen Interessen, unter Berücksichtigung der konkreten Umstände der Tat, wie sie in § 34 StGB angelegt ist, unabdingbar.164 Eine Lösung mittels übergesetzlicher Entschuldigung erscheint damit nur als „Notbehelf“165, der der besonderen Situation nicht gerecht wird und vage und unbefriedigend bleibt.166 Ferner leidet bei einer übergesetzlichen Entschuldigung die Rechtssicherheit – letztendlich wäre die Straflosigkeit nur vom richterlichen Ermessen abhängig und fände keinen unmittelbaren Anknüpfungspunkt im Gesetz.167 Damit erscheint die Einordnung einer Lösung auf Schuldebene falsch verortet.168 Wenn nämlich – wie hier – davon ausgegangen wird, dass es sich bei der Tat nicht zwangsläufig um Unrecht handelt, so ist ein Versuch einer Lösung auf Ebene der Rechtfertigung angezeigt, um gerade auf einer anderen strukturellen Ebene als der Schuld169, eine denkbare strafrechtliche Erlaubnis170 zum „Gnadenschuss“ in Extremfällen zum Ausdruck zu bringen. 4. Auf Ebene der Rechtsfolgen/prozessual Soll keine Rechtfertigung oder Entschuldigung erfolgen, ist der „Gnaden­ schuss“‑Täter grundsätzlich zu bestrafen. Dennoch verbleiben verschiedene Möglichkeiten, die letztlich zu einer Straflosigkeit171 führen könnten: 164  Herzberg,

NJW 1986, 1635 (1643). Roxin, GA 2013, 113 (327). 166  Vgl. ähnlich auch Schneider, in: MüKo-StGB3, Vor § 211 Rn. 100 mit Fn. 368, § 216 Rn. 61; ablehnend zur Entschuldigungslösung ferner Sinn, in: SK-StGB9, § 212 Rn. 55. 167  Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 61; ferner v. Dellingshausen, Sterbehilfe und Grenzen, S. 350 f., die diesen Einwand aber für entkräftet hält, da sich jede Analogie zu § 35 StGB auf besondere Extremfälle beschränken müsse. 168  So auch R. Merkel, Früheuthanasie, S.  216 ff. 169  Neben den hier diskutierten Entschuldigungsgründen käme grundsätzlich noch § 20 StGB in Betracht. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall ein Täter, etwa als Reaktion auf die enorm belastende Extremsituation, in seiner Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit eingeschränkt wäre (tiefgreifende Bewusstseinsstörung als Belastungsreaktion); eine Exkulpation ist vor dem Hintergrund einer insofern sehr restriktiven Anwendung (vgl. m. w. N. etwa Roxin/Greco, AT I5, S. 1019 ff.) aber praktisch kaum denkbar (vgl. aber den oben unter A. III. 1. a) dd) (2) auf S. 47 beschriebenen Fall aus den USA). Allenfalls dürfte hier eine verminderte Steuerungsfähigkeit mit der Folge einer fakultativen Strafmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB anzunehmen sein. 170  Ein diesbezüglicher (entschuldigender) unvermeidbarer Verbotsirrtum nach § 17 S. 1 StGB ist ebenfalls kaum denkbar, vgl. dazu unten unter E. II. 2. b). Insofern kommt allenfalls eine (fakultative) Strafmilderung nach §§ 17 S. 2, 49 Abs. 1 StGB in Betracht; zu § 5 WStG beim Handeln auf Befehl vgl. E. III. 2. 171  Statt der Straflosigkeit kommt in bestimmten Konstellationen eine Strafmilderung in Betracht, etwa nach § 17 S. 2 StGB oder § 21 StGB i. V. m. § 49 Abs. 1 StGB 165  Vgl.

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

a) § 60 StGB Auf Rechtsfolgenebene wäre, grundsätzlich auch bereits de lege lata,172 ein Absehen von Strafe i. S. d. § 60 StGB denkbar.173 Gemäß § 60 StGB sieht das Gericht im Einzelfall von der Strafe ab, wenn die Folgen der Tat, die den Täter getroffen haben, derart schwer sind, dass die Verhängung einer Strafe offensichtlich verfehlt wäre.174 § 60 StGB kommt bei allen Deliktsarten in Betracht175 und wird von der Rechtsprechung auch bei vorsätzlichen Tötungen, insbesondere bei einer Mitleidsmotivation, angewandt.176 § 60 StGB mag in bestimmten Konstellationen177 – zumindest im Ergebnis – schon de lege lata eine angemessene Behandlung besonders gelagerter Sterbehilfe-Fälle bieten. Für den „Gnadenschuss“ begegnen einer solchen Lösung aber zwei grundlegende Probleme: Erstens erscheint es aus Gerechtigkeitsgesichtspunkten kaum angemessen, dem „Gnadenschuss“-Täter zu bescheinigen, rechtswidrig und sogar schuldhaft gehandelt zu haben, nur um ihm dann, ausnahmsweise, eine tatsächliche Bestrafung zu ersparen – wobei

(oder ggf. unmittelbar unter analoger Anwendung von § 49 Abs. 1, vgl. dazu D. I. 4. b)). Auch die Milderung der Strafe, die im Übrigen nur in einem (kleinen?) Teil der denkbaren Fälle zum Tragen käme, ändert aber nichts daran, dass bereits Verurteilung und Bestrafung als solche beim „Gnadenschuss“ regelmäßig unangemessen erscheinen müssten. 172  Zu Reformvorschlägen de lege ferenda sogleich unter C. I. 5. 173  Dafür in Extremfällen, z. T. auch schon de lege lata, insb. Rissing-van Saan, in: LK-StGB12, § 216 Rn. 56; Wilms/Jäger, ZRP 1988, 41 (46); Pelzl, KJ 1994, 179 (195); Eser, in: S/S-StGB28, Vorbem. §§ 211 ff. Rn. 25; ders., in: Eser, Suizid und Euthanasie, S. 392 (400); ders., JZ 1986, 786 (793); ders., in: Auer/Menzel/Eser, Zwischen Heilauftrag und Sterbehilfe, S. 75 (90 ff.); Nußbaum, The Right to Die, S. 41; auch Eschelbach, in: BeckOK-StGB48, § 216 Rn. 22, der aber in extremen Ausnahmefällen „allenfalls ausnahmsweise“ eine Rechtfertigung über § 34 StGB für denkbar hält, vgl. ebd., Rn. 14; vgl. ferner auch das Urteil des AG Berlin-Tiergarten, MedR 2006, 298 zu einem fehlgeschlagenen Doppelsuizid. Hier kam § 60 StGB in einem Fall zur Anwendung, in dem eine Mutter ihren schwerstbehinderten Sohn auf dessen Verlangen hin tötete. Ihr eigener Suizid schlug fehl. Einer solchen Lösung grundsätzlich zust. auch Jacob, Aktive Sterbehilfe im Rechtsvergleich, S. 41 ff.; Küpper/Börner, BT 14, S. 14; Zahn, Aspekte der terminalen Sedierung, S. 170, 172; ferner auch Vöhringer, Tötung auf Verlangen, S. 107. Zu Reformvorschlägen im Zusammenhang mit einem Schuldspruch unter Strafverzicht de lege ferenda vgl. ebd., S. 99 ff., sowie unten unter C. I. 5. 174  Allgemein zu den Voraussetzungen von § 60 StGB etwa Kinzig, in: S/SStGB30, § 60 Rn. 2 ff. 175  BGH NStZ-RR 2015, 109; vgl. Kühl, in Lackner/Kühl29, § 60 Rn. 4. 176  Vgl. etwa BGH NJW 1978, 768; AG Berlin-Tiergarten, MedR 2006, 298; AG Köln, StV 2015, 572. 177  Vgl. AG Berlin-Tiergarten, MedR 2006, 298.



I. Denkbare Lösungsansätze169

ihm aber kein Freispruch zuteilwird.178 Wie bereits angeführt ist aber schon mehr als fraglich, ob seine Tat überhaupt als rechtswidrig, d. h. als von der Rechtsordnung als unzulässig bewertet (also „falsch“ in diesem Sinne), anzusehen wäre. Im nächsten Schritt zusätzlich auch noch die besondere Zwangslage, in der sich der Täter regelmäßig befindet, nicht entschuldigend zu berücksichtigen, verschärft das Problem und erscheint unbefriedigend:179 ­ Letztlich bliebe die Tat nach wie vor schuldhaftes Unrecht, die besondere Situation des Täters (bei § 60 StGB: nach der Tat bzw. durch die Tat!) würde nur im Ergebnis Niederschlag in einer Strafbefreiung finden.180 Wo aber jede Strafverhängung auch ein sozialethisches Unwerturteil beinhaltet,181 bleibt trotzdem der unangemessen erscheinende Makel des Schuldspruches, selbst wenn den Täter daneben keine weitere Sanktion trifft.182 Ferner rückt § 60 StGB, angesichts der weitgehenden Beurteilungsspielräume des Gerichts bei der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen, zumindest in die Nähe eines – wenig verlässlichen – gerichtlichen „Gnaden­ erweises“.183 Für außergewöhnliche Fälle ist es aber erforderlich, dass nicht nur ein „gnädiger“ Strafverzicht, sondern ein Freispruch ergeht.184 Wer sich angesichts des Leids eines Kameraden dazu entschließt, dessen Qualen ein Ende zu bereiten, verdient es, auch vom Makel eines Schuldspruches verschont zu bleiben und eine klare Antwort darauf zu erhalten, ob er mit seiner Entscheidung zum „Gnadenschuss“ eine rechtlich verantwortbare Wahl getroffen hat.185 § 60 StGB geht hier nicht weit genug. Auch bliebe ein Ausweg über § 60 StGB immer dann versagt, wenn der Täter nicht im notwendigen Maß unter den Folgen seiner Tat zu leiden hat.186 Die Anforderungen des § 60 StGB sind insofern hoch:187 Der Täter 178  v. Dellingshausen, Sterbehilfe und Grenzen des Lebens, S. 350; Engisch, Der Arzt an den Grenzen, S. 52; vgl. auch Herzberg, NJW 1986, 1635 (1643). 179  Vgl. Hirsch, in: FS Lackner, S. 597 (618). 180  Scheffler, in: Joerden/Neumann, Medizinethik 2, S. 45 (46). 181  Vgl. etwa BVerfGE 96, 245 (249); BVerfGE 118, 212 (231); Eschelbach, in: S/S/W-StGB5, § 46 Rn. 46; T. Fischer, StGB67, § 46 Rn. 2. 182  Vgl. kritisch zum Absehen von Strafe in vergleichbaren Fällen Herzberg, NJW 1986, 1635 (1643); v. Dellingshausen, Sterbehilfe und Grenzen, S. 350. 183  Hassemer, in: FS Sarstedt, S. 65 (77); zust. Albrecht, in: NK-StGB5, § 60 Rn. 3; vgl. auch (im Ergebnis ablehnend) Maiwald, ZStW 1971, 663 (681 ff.), m. w. N. zum älteren Schrifttum. 184  Vgl. Engisch, Der Arzt an den Grenzen des Lebens, S. 52. 185  Vgl. überzeugend Herzberg, NJW 1986, 1635 (1643). 186  De lege ferenda wird eine Erweiterung des § 60 StGB auf Extremfälle der Sterbehilfe vorgeschlagen, vgl. dazu C. I. 5. 187  Vgl. hierzu im Einzelnen etwa v. Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB48, § 60 Rn. 5 ff.

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

muss die Folgen der Tat als einen derart „einschneidenden Schicksalsschlag“ empfinden,188 dass die Strafe, im Hinblick auf die Strafzwecke,189 offensichtlich verfehlt wäre, weil der Täter sich gewissermaßen durch die Tat schon selbst bestraft hat.190 Davon auszugehen, dass der „Gnadenschuss“Täter stets in diesem Maße von seiner Tat verfolgt wird, geht fehl:191 Ohne Zweifel ist eine solche Tat auch für den Ausführenden schrecklich. Das bedeutet aber nicht, dass sie stets besondere (psychische) Folgen für ihn hat. Die Annahme, dass der den „Gnadenschuss“ ausführende Soldat stets schwer traumatisiert wird, mag teilweise, wenn nicht sogar oft,192 zutreffen – zwingend ist sie aber eben nicht. Vielmehr wird der Täter seine Tat nicht selten, auch später noch, als unter den gegebenen Umständen für richtig – weil unvermeidlich – erachten. Wer davon überzeugt ist, korrekt gehandelt zu haben, sich in der umgekehrten Situation sogar dasselbe für sich wünschen würde, wird nicht stets im für § 60 StGB erforderlichen Maß unter seinem „Gnadenschusses“ zu leiden haben. Mithin leidet eine Lösung über § 60 StGB, neben den zuvor angeführten Bedenken, auch darunter, dass mit ihr allenfalls die Erfassung einer Teilmenge der denkbaren „Gnadenschuss“-Fälle möglich wäre. Sie ist deshalb (zumindest de lege lata) abzulehnen. b) §§ 153 ff. StPO Als weiterer Vorschlag wird von manchen Autoren auf die auf dem Opportunitätsprinzip beruhenden Einstellungsmöglichkeiten der §§ 153 ff. StPO verwiesen.193 Regelmäßig wird nur eine Einstellung nach § 153 StPO wegen in: MüKo-StGB4, § 60 Rn. 15. in: MüKo-StGB4, § 60 Rn. 18 ff. 190  Maiwald, ZStW 1971, 663 (664). 191  Vgl. ähnlich, aber allgemeiner Hanack, in: Hiersche, Euthanasie, S.  121 (155 f.), der § 60 StGB (ebenso wie §§ 153 ff. StPO) in tragischen Extremfällen de lege lata für „nicht recht passend“ hält. 192  Wobei z. T. zumindest zweifelhaft wäre, ob hierfür tatsächlich die singuläre Tat ausschlaggebend war und nicht ganz allgemein ein „Kriegstrauma“ vorläge. 193  So vor allem Rissing-van Saan, in: LK-StGB12, § 216 Rn. 46, die – freilich ohne nähere Begründung – davon ausgeht, dass „die Behandlung der Tat nach § 153 StPO […] der Tragik der Situation […] am ehesten gerecht [wird].“; ebenso bereits Jähnke, in: LK-StGB11, § 216 Rn. 17; auch Tröndle, ZStW 1987, 25 (42); ders., Referat 56. DJT, S. M29 (M39, M52); auf die Möglichkeit der Einstellung weist auch Krey, in: DGHS, 5. Europäischer Kongreß für Humanes Sterben, S. 145 (146) hin; Sinn, in: SK-StGB9, § 216 Rn. 19 hält eine Einstellung zumindest für „denkbar“, zieht aber letztlich § 34 StGB vor; Streng, in: FS Frisch, S. 739 (739 f.) hält die Einstellung zwar für „dogmatisch sauberer“, weist aber auf eine Problematik „vom Rechtsgefühl […] her“ hin; auch Hanack, in: Hiersche, Euthanasie, S. 121 (155 f.) spricht neben § 60 StGB auch die §§ 153 ff. StPO an, zweifelt aber an deren sinnvoller Nutzbarkeit in den relevanten Fällen. 188  Groß/Kulhanek, 189  Groß/Kulhanek,



I. Denkbare Lösungsansätze171

Geringfügigkeit in Betracht kommen. Sofern materiell-rechtlich ein Absehen von Strafe i. S. d. § 60 StGB denkbar ist, wäre auf prozessualer Ebene eine Einstellung nach § 153b StPO möglich.194 Eine Einstellung nach § 153a StPO ist zwar nicht ausgeschlossen, wird aber, mangels spezialpräventiv sinnvoller Auflagen oder Weisungen, beim „Gnadenschuss“ kaum von Bedeutung sein. Für eine Einstellung wegen Geringfügigkeit i. S. d. § 153 StPO gilt im Wesentlichen die bereits zuvor bei § 60 StGB angeführte Kritik.195 Sie setzt ebenfalls voraus, dass sehr wohl eine „geringe Schuld“ des Täters vorliegt, seine Tat also i. E. als rechtswidrig und schuldhaft zu beurteilen wäre. Denn bei völlig fehlender Schuld kommt § 153 StPO nicht in Betracht.196 Nun ist im Rahmen des § 153 StPO zwar kein Schuldnachweis zu erbringen, indes setzt die „hypothetische“ Schuldbeurteilung nach Aktenlage eine gewisse, prognostizierte Wahrscheinlichkeit voraus, dass auch nach Abschluss aller erforderlichen Ermittlungen eine geringe Schuld bestünde.197 Zumindest aber muss ein Freispruch bei Durchführung des Verfahren als unwahrscheinlich zu beurteilen sein.198 Eine solche Prognose wäre aber kaum haltbar: Schließlich ist sehr zweifelhaft, ob beim „Gnadenschuss“ überhaupt eine rechtswidrige, geschweige denn schuldhafte, Tat vorläge.199 Daneben ist schon fraglich, ob die weiteren Voraussetzungen des § 153 StPO überhaupt gegeben wären. Zwar kommt eine Einstellung nach § 153 StPO auch bei § 216 StGB ohne Weiteres in Betracht und ist in der Praxis auch nicht unüblich.200 Jedoch weist der „Gnadenschuss“ auch insoweit einige Besonderheiten gegenüber einer „zivilen“ Tötung auf Verlangen auf: Zunächst setzt § 153 StPO voraus, dass „kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht“. Belange der Öffentlichkeit können der Einstellung entgegenstehen, etwa dann, wenn eine Tat ein großes Interesse in der Öffentlichkeit findet.201 Die mediale Berichterstattung ist dafür ein vergleichsweise zuverlässiges Indiz.202 Sollte in zukünftigen Konflikten ein „Gnadenschuss“ durch oder an einem deutschen Soldaten erfolgen, ist davon auszugehen, dass dies in 194  Konsequent weist Pelzl, KJ 1995, 179 (195), der eine Lösung über § 60 StGB favorisiert, dann auch auf die Einstellungsmöglichkeit nach § 153b StPO hin. 195  S. o. C. I. 4. a), kritisch ferner auch Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 61, der eine prozessuale Lösung zutreffend für „verschämt“ und „vage“ hält. 196  Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt-StPO62, § 153 Rn. 3. 197  Diemer, in: KK-StPO8, § 153 Rn. 11; Schmitt, in: Meyer-Goßner/SchmittStPO62, § 153 Rn. 3. 198  Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt-StPO62, § 153 Rn. 3. 199  Siehe dazu bereits die Kritik an einer Lösung auf Schuldebene, oben C. I. 3. 200  Vgl. nur die Beispiele bei Guddat/Tsokos, BRJ 2008, 63 (63 ff.). 201  Diemer, in: KK-StPO8, § 153 Rn. 15. 202  Diemer, in: KK-StPO8, § 153 Rn. 15; Peters, in: MüKo-StPO, § 153 Rn. 31.

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

Öffentlichkeit und Medien große Resonanz erfährt und auch abseits des juristischen Fachpublikums intensiv diskutiert wird.203 Allein vor diesem Hintergrund erscheint es schon sehr fraglich, ob das öffentliche Interesse in einem solchen Fall nicht die gerichtliche Aufarbeitung gebieten würde. Dafür spricht auch die bisher gerichtlich ungeklärte Rechtslage in einem solch außergewöhnlichen Fall,204 wie der „Gnadenschuss“ ihn wohl darstellt; ferner auch der Stellenwert des strafrechtlichen Lebensschutzes, sowie die generelle Diskussion um Sterbehilfe, sodass in allen denkbaren (Extrem-)Fällen ein öffentliches Interesse nur schwerlich zu verneinen wäre.205 Des Weiteren rückt eine Einstellung nach § 153 StPO die Tat zumindest in die Nähe der Bagatellkriminalität, was wertungsmäßig nicht unproblematisch erscheint.206 Hinzu kommt, dass die Einstellung nach § 153 StPO im Ermessen der Staatsanwaltschaft bzw. des Gerichts steht;207 insoweit mangelt es auch hier an Rechtssicherheit für den Täter, der sich auf eine Einstellung gerade nicht verlassen kann. Im Ergebnis werden die §§ 153 ff. StPO für den „Gnadenschuss“ also kaum weiterhelfen. c) Begnadigung Nur am Rande erwähnt sei die in der Literatur des frühen 20. Jahrhundert z. T. vertretene Auffassung, dass das Strafmaß des § 216 StGB dem (wohl bis auf „Null“) reduzierten Unrecht des „Gnadenschusses“ nicht gerecht würde und eine Lösung über das Begnadigungsrecht angebracht wäre.208 Zwar wäre grundsätzlich auch heute eine Begnadigung, im Falle des § 216 StGB dann nach dem jeweils einschlägigen Landesrecht, möglich.209 Einer solchen Lö203  Einen Vergleichsmaßstab kann hier etwa die Diskussion um den „KunduzTanklasterangriff“ des Oberst Klein bieten, vgl. dazu auch B. III. 2., dort insb. auch Fn. 455, 456, S. 122 mit den dortigen Nw. Der Fall „Klein“ hat in der Öffentlichkeit erhebliche Resonanz gefunden. Auch der (hypothetische) „Gnadenschuss“ eines deutschen Soldaten wäre gewiss nicht weniger kontrovers. 204  Diemer, in: KK-StPO8, § 153 Rn. 16. 205  Vgl. ähnlich Pelzl, KJ 1987, 179 (195). 206  Auch Streng, in: FS Frisch, S. 739 (739 f.) weist, trotz grundsätzlicher Zustimmung, darauf hin, dass eine Einstellung nach § 153 ff. StPO „vom Rechtsgefühl her problematisch“ wäre. Dies müsste freilich für jede Opportunitätseinstellung bei Tötungsdelikten gelten. Zu beachten ist aber, dass der „Gnadenschuss“ eine weitaus „drastischere“ Maßnahme darstellt als die üblicherweise anfallenden Formen einer Tötung auf Verlangen, bei denen Einstellungen nach §§ 153 ff. StPO in Betracht kommen werden. 207  Peters, in: MüKo-StPO, § 153 Rn. 7. 208  Etwa Berner, Lehrbuch17, S. 96. 209  Allgemein zum Gnadenrecht und den Zuständigkeiten Birkhoff/Lemke, Gnadenrecht, S.  24 ff.



I. Denkbare Lösungsansätze173

sung begegnen aber dieselben Bedenken wie dem Heranziehen von § 60 StGB oder den §§ 153 ff. StPO:210 Mangels gerichtlicher Überprüfbarkeit einer abgelehnten Gnadenentscheidung211 bestünde keine Rechtssicherheit, dem Täter würde die Strafe nur im Einzelfall aus Nachsicht erlassen, obwohl seine Tat gerichtlich zuvor als rechtswidrig und schuldhaft bewertet wurde.212 Ferner ist Zweck des Gnadenrechts heute nur noch, etwaige Irrtümer bei der Urteilsfindung oder Unbilligkeiten bei nachträglich veränderten Verhältnissen zu mildern.213 Es vermag eine angemessene gerichtliche Behandlung nicht zu ersetzen. Eine mehr oder weniger willkürliche Notlösung „an den Gerichten vorbei“ bietet keine tragfähige Basis für den Umgang mit dem „Gnadenschuss“. Sie wäre nach hier vertretener Auffassung auch nicht erforderlich. Eine Lösung wird bereits auf Rechtfertigungsebene im Rahmen des § 34 StGB zu suchen sein.214 5. Regelungsbedarf für den Gesetzgeber Vielmals ist vorgetragen worden, dass § 216 StGB angesichts der Sterbehilfe-Problematik einer Reform bedürfe. Ob dem so ist, oder ob sich alle denkbaren Problemfälle, auf Basis des geltenden Rechts und der höchstrichterlichen Rechtsprechung sachgerecht lösen lassen, kann und soll hier nicht abschließend beurteilt werden. Dass für die „klassischen“ Fälle, d. h. für die ärztliche Sterbehilfe, nicht dieselben Maßstäbe gelten können, wie für die – eben nur prima facie gleichgelagerten – Fälle im militärischen Kontext, ist bereits herausgearbeitet worden.215 Hier kann nur ein geraffter Überblick über die bisher vorgeschlagenen Gesetzesänderungen zur aktiven, direkten Sterbehilfe erbracht werden; auch dies nur insoweit, als dass sich daraus Auswirkungen auch für den „Gnadenschuss“ ergeben würden. Inhaltlich reichen die Vorschläge zur Änderung des § 216 StGB von dessen ersatzloser Streichung,216 über Straflosigkeit im Falle eines ernstlichen 210  S. o.

und C. I. 4. a) und C. I. 4. b). NJW 2001, 3771. 212  Vgl. Scheffler, in: Joerden/Neumann, Medizinethik 2, S. 45 (46). 213  Birkhoff/Lemke, Gnadenrecht, S. 13. 214  Ausführlich dazu sogleich, C. II. 215  Vgl. A. II. 3. 216  Schmitt, in: FS Maurach, S. 113 (117 f.); einschr. aber ders., JZ 1979, 462 (466 f.); Marx, Zur Definition des Begriffs „Rechtsgut“, S. 66; Kaufmann, in: Meyer, Tagungsbericht, ZStW 1971, 243 (252); Leitmeyer, NStZ 2020, 508 (514); Zehetgruber, HRRS 2017, 31 (33); zurückhaltender Dreier JZ 2007, 317 (320); ferner auch bereits Keßler, Die Einwilligung des Verletzten, S. 82 ff.; ohne abschließende Entscheidung Krack, KJ 1995, 60 (75 f.). 211  BVerfG

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

und ausdrücklichen Verlangens,217 einer Strafrahmenverringerung des geltenden § 216 StGB,218 der Schaffung von Ausnahmen von der Strafbarkeit auf verschiedenen Ebenen und mit unterschiedlicher Reichweite unter bestimmten Bedingungen,219 bis hin zu ausdifferenzierten Neuregelungen des Komplexes „Sterbehilfe“ insgesamt.220 Eine vollständige oder auch nur weitestgehende Freigabe der Tötung auf Verlangen in allen Situationen ist nicht angezeigt und hätte potentiell uner217  So ein Gesetzesvorschlag der Humanistischen Union aus 2011, vgl. Humanistische Union, Selbstbestimmung am Lebensende, S. 6. 218  Birkner, ZRP 2006, 52 (54) für eine Ersetzung der Mindestfreiheitsstrafe durch Geldstrafe; zust. Tondorf in der Diskussion des 66. Deutschen Juristentages mit einem entsprechenden, letztlich abgelehnten Beschlussantrag, vgl. 66. Deutscher Juristentag, Sitzungsberichte – Diskussion und Beschlussfassung, S. N178, N207; ähnlich auch Hirsch, in: FS Welzel, S. 775 (796); Schreiber, Beiträge zur gerichtlichen Medizin 1975, 37 (41); eine Herabsetzung des Strafmaßes war auch im AlternativEntwurf eines Strafgesetzbuches von 1970 vorgesehen, vgl. Baumann u. a., AE-StGB, BT I, S. 7, 21; vgl. ferner auch Duttge, JZ 2006, 899 (902) für einen neuen § 216 Abs. 3, der einen minder schweren Fall enthält, bei dessen Vorliegen eine Verurteilung mit Strafvorbehalt nach § 59 StGB möglich sein soll; so auch ders., GA 2006, 573 (577); eine Milderungsmöglichkeit nach § 49 Abs. 2 StGB ist bei Lackner, JZ 1977, 502 (503) vorgesehen. 219  Vgl. die unterschiedlichen Reformvorschläge bei Hoerster, NJW 1986, 1786 (1792); ders., Sterbehilfe im säkularen Staat, S. 169 f.; ders., ZRP 1988, 1 (4); Geilen, Euthanasie und Selbstbestimmung, S. 29 f.; v. Dellingshausen, Sterbehilfe und Grenzen, S. 490; T. Fischer, StGB67, Vor §§ 211–217Rn. 72; Kusch, NJW 2006, 261 (262 f.); Lüderssen, JZ 2006, 689 (695); Wolfslast, in: FS Schreiber, S. 913 (924 ff.); Kaufmann, MedR 1983, 121 (124 f.); Czerner, Das Euthanasie-Tabu, S. 11; Dölling, MedR 1987, 6 (11 f.); Wilms/Jäger, ZRP 1988, 41 (46); die Ergebnisse eines Seminars vorstellend Lackner, JZ 1977, 502 (503); Lindner, JZ 2006, 373 (381 f.); vgl. ferner Rosenau, in: FS Roxin (2011), S. 577 (590 f.); Simson, in: Eser, Suizid und Euthanasie, S. 322 (334); vgl. auch den (im AE-Sterbehilfe nicht aufgegriffenen) Vorschlag des damaligen Vorsitzenden der Humanistischen Union Klug in Baumann u. a., AE-Sterbehilfe, S. 36, sowie den Vorschlag der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) von 1986, abgedruckt in 56. Deutscher Juristentag, Sitzungsberichte, S. M55 f.; ferner einen weiteren Vorschlag und (abgelehnten) Beschlussantrag der DGHS auf dem 66. Deutschen Juristentag 2006, vgl. 66. Deutscher Juristentag, Sitzungsberichte – Diskussion und Beschlussfassung, S. N205, N207 f. 220  Vgl. hier insb. den AE-Sterbehilfe von 1986, der in § 216 Abs. 2 des Vorschlags die Möglichkeit eines Absehens von Strafe vorsah, Baumann u. a., AE-Sterbehilfe, S. 12, 34 ff.; vgl. auch die umfassenden Neuregelungen des gesamten Pro­ blemkomplexen im Alternativentwurf-Sterbebegleitung von 2005, Schöch/Verrel, AE-StB, GA 2005, 553 (553 ff.); vgl. ferner Baumann u. a., AE-StGB, BT I (1970), S. 7, 21 sowie insb. den aktuellen AMHE-SterbehilfeG von 2021, Dorneck u. a., AMHE-SterbehilfeG, S. 1 ff., nach welchem zwar der aktuelle § 216 StGB aufgehoben werden, dafür aber eine Strafvorschrift für aktive Sterbehilfe, die unter Nichtbeachtung des im Entwurf vorgesehenen Verfahrens erfolgt, einführt werden soll (vgl. im Entwurf die dortigen §§ 6, 15).



I. Denkbare Lösungsansätze175

wünschte Folgen – zumindest hier drohen durchaus realistische Gefahren.221 Nicht per se abzulehnen wäre allerdings eine Ergänzung des § 216 StGB: Viele, insbesondere der neueren vorgebrachten Vorschläge, knüpfen an die Einhaltung bestimmter prozeduraler Anforderungen an:222 Eine solche Reform mag für viele Konstellationen sachgerechte Ergebnisse ermöglichen, bietet jedoch abseits der (zivilen) ärztlichen Sterbehilfe keinen Mehrwert. Der „Gnadenschuss“ kann nie Teil eines von vornherein geplanten und normierten Vorgangs sein223 und erfolgt auch üblicherweise nicht als Teil einer ärztlicher Behandlung. Einer prozeduralen Absicherung durch Einhaltung bestimmter Verfahren und durch Kontrollmechanismen ist er evident nicht zugänglich.

221  Kritisch zu einer Totalabschaffung u. a. etwa Krey/Hellmann/Heinrich, BT 116, S. 43; Otto, Grundkurs Strafrecht7, S. 34; ders., Gutachten 56. DJT, D1 (D90); Möllering, Schutz des Lebens – Recht auf Sterben, S. 93 ff.; Hirsch, in: FS Welzel, S. 775 (775 ff.); ders., in: FS Lackner, S. 597 (610 ff.); Dölling, in: FS Laufs, S. 767 (771 ff.); Krey/Esser, AT6, S. 12; i.  E. auch Eser/Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, § 216 Rn. 1b; Rissing-van-Saan, in: LK-StGB12, § 216 Rn. 6 f.; Hoyer, in: SK-StGB9, § 216 Rn. 2. 222  Vgl. nur die Vorschläge von Lüderssen JZ 2006, 689 (695), der einen „Unrechtsausschluss“ an die schriftliche Bestätigung des Vorliegens eines unerträglichen Leidenszustandes durch zwei Ärzte knüpft; für einen Rechtfertigungsgrund unter sehr ähnlichen Vorausssetzungen Hoerster, Sterbehilfe im säkularen Staat, S. 169 f.; so wohl auch T. Fischer, StGB67, Vor §§ 211–217Rn. 72; vgl. auch Kusch, NJW 2006, 261 (262 f.), der die notarielle Beurkundung des Tötungsverlanges für einen Tatbestandsausschluss fordert; Czerner, Das Euthanasie-Tabu, S. 11 schlägt Straflosigkeit vor, wenn der Sterbewunsch nach einem ausdifferenzierten Prüfungsprozess von drei Richtern einstimmig genehmigt wird; ferner noch Wolfslast, in: FS Schreiber, S. 913 (924 ff.) für einen Strafausschließungsgrund bei vorheriger Genehmigung der Sterbehilfe durch eine Ethikkommission; grundsätzlich für ein entsprechendes „Erprobungsgesetz“, aber ohne Festlegung auf die genauen verfahrensrechtlichen Flankierungen eines möglichen Ausnahmetatbestandes auch Lindner, JZ 2006, 373 (381 f.); ähnlich ders., NStZ 2020, 505 (508); für eine gesetzliche Regelung mit „prozeduraler Sicherung“ Rosenau, in: FS Roxin (2011), S. 577 (590 f.); auch Hoven, MedR 2018, 741 (748 f.); generell auf eine Notwendigkeit „prozeduraler Regelungen“ weist Hörnle, JZ 2020, 876, 878 hin; ferner Weigend, in: FS Kindhäuser, S. 841 (846). Jüngst sieht auch der AMHE-SterbehilfeG die Rechtfertigung aktiver Sterbehilfe (nur) in schwersten, unerträglichen, nicht anders abwendbaren Leidenszuständen vor, wenn sie durch einen Arzt erfolgt, der Leidenszustand durch einen weiteren Arzt bestätigt wurde, eine umfassende Beratung des Betroffenen stattgefunden hat, eine unabhängige Kommission die Freiverantwortlichkeit des Sterbewillens bestätigt hat und eine umfassende Dokumentation erfolgt ist, vgl. Dorneck u. a., AMHE-SterbehilfeG, S.  4 ff., 58 ff. 223  Eine (für die deutsche Rechtsordnung glücklicherweise irrelevante) Ausnahme davon mag allenfalls im Rahmen der Vollstreckung von Todesstrafen gelten, bei der u. U. der „coup de grâce“ fester Bestandteil der Hinrichtung war bzw. ist, vgl. oben die Beispiele in A. III. 1. a) dd) (4).

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

Viel Zuspruch haben auch Entwürfe erfahren, die de lege ferenda die Möglichkeit eines Absehens von Strafe in Extremfällen aktiver Sterbehilfe vorschlagen:224 Beispielsweise sah der Alternativentwurf Sterbehilfe von 1986 (AE-Sterbehilfe) die Neufassung des § 216 Abs. 2 StGB vor, mit der Folge, dass „das Gericht […] von Strafe absehen [kann,] wenn die Tötung der Beendigung eines schwersten vom Betroffenen nicht mehr zu ertragenden Leidenszustandes dient, der nicht durch andere Maßnahmen behoben oder gelindert werden kann.“225 Dass ein Absehen von Strafe schon de lege lata keine sachgerechte Lösung für den „Gnadenschuss“ bietet, wurde bereits dargestellt – im Wesentlichen nichts anderes gilt de lege ferenda.226 Zwar wäre eine Neuregelung insofern sachgerechter, als dass ein Absehen von Strafe dann nicht mehr von einer, eben nicht zwangsläufig bestehenden, schweren Folge der Tat für den Täter selbst abhängig wäre.227 Im Hinblick auf die unangemessene Bewertung des „Gnadenschusses“ als rechtswidrig und schuldhaft und den nur ungewissen „gerichtlichen Gnadenerweis“ muss aber weiterhin oben Angeführtes gelten. Auch bei einer Neuregelung hinge 224  Für eine solche Regelung in § 216 Abs. 2 StGB insb. Baumann u. a., AESterbehilfe, S. 12, 34 ff.; zust. insb. Wassermann, DRiZ 1986, 291 (297); Schreiber, NStZ 1986, 337 (345); auch Eser, JZ 1986, 786 (794 ff.), Roxin, in: 140 Jahre GA, S.  177 (189 f.); ders., in: Blaha, Schutz des Lebens, S. 85 (93 f.); Roxin/Greco, AT I5, S. 864; dafür grundsätzlich auch Kaufmann, in: FS Roxin (2001), S. 841 (852); Hanack, in: Hiersche, Euthanasie, S. 121 (156); vgl. auch Bioethik-Kommission Rheinland-Pfalz, Sterbehilfe und Sterbebegleitung S. 71 f., 132; mit einem Vorschlag zur Einführung eines § 216 Abs. 3 StGB Simson, in: Eser, Suizid und Euthanasie, S. 322 (334); vgl. auch den entsprechenden Beschluss des 56. DJT, der die Einführung des im AE-Sterbehilfe vorgeschlagenen § 216 Abs. 2 StGB empfiehlt, 56. Deutscher Juristentag, NJW 1986, 3069 (3073); einen ähnlichen Vorschlag aus einem Seminar stellt Lackner, JZ 1977, 502 (503) vor; hingegen mit dem Vorschlag der Erweiterung des § 60 StGB anstatt der Lösung des AE-Sterbehilfe Dölling, MedR 1987, 6 (11 f.); ähnlich auch Wilms/Jäger, ZRP 1988, 41 (46); eine Regelung im Allgemeinen Teil wird auch bereits im Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches von 1970 vorgeschlagen, vgl. Baumann u. a., AE-StGB, BT I (1970), S. 7, 21; einer solche Erweiterung i. E. zust. auch Vöhringer, Tötung auf Verlangen, S. 105 f.; für das österreichische Strafrecht siehe Schmoller, ÖJZ 2000, 361 (370). 225  Baumann u. a., AE-Sterbehilfe (1986), S. 12, 34. Im späteren Alternativ-Entwurf Sterbebegleitung (AE-StB) von 2005 wurde dieser Absatz unter unter Hinweise auf die „Möglichkeiten der Palliativmedizin“ gestrichen und auf eine Regelung für Extremfälle verzichtet, vgl. Schöch/Verrel, AE-StB, GA 2005, 553 (583); zust. insoweit Roxin, in: Roxin/Schroth, Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (118): kritisch etwa Neumann, in: NK-StGB5, Vor § 211 Rn. 147; Neumann/Saliger, HRRS 2006, 280 (285 f.). Eine Rechtfertigung extremer Fälle über den rechtfertigenden Notstand wird von den Verfassern des AE-StB aber für möglich gehalten, Schöch/ Verrel, AE-StB, GA 2005, 553 (583 Fn. 161). 226  Kritisch zu solchen Vorschlägen insb. Herzberg, NJW 1986, 1635 (1643); vgl. auch bereits oben C. I. 4. a). 227  Dazu bereits oben, C. I. 4. a).



I. Denkbare Lösungsansätze177

die Gewährung der Straflosigkeit letztlich vollständig vom Ermessen des Gerichtes ab,228 angesichts des Wortlauts „kann […] absehen“ im AE-Sterbehilfe sogar in einem stärkeren Maße als de lege lata bei § 60 StGB („sieht von Strafe ab, wenn“).229 Soweit, was grundsätzlich vorzugswürdig erscheint, eigenständige Rechtfertigungsmöglichkeiten für die Tötung auf Verlangen geschaffen werden sollen, sind entsprechende Vorschläge ebenfalls kritisch zu sehen: Zum Teil sind sie in ihren Voraussetzungen zu eng, wenn beispielsweise die Rechtfertigung davon abhängig gemacht wird, dass ein Arzt handelt und sie an ein ausdifferenziertes, dokumentiertes Verfahren geknüpft wird.230 Andere Vorschläge wiederum sind unbestimmt und (zu) weit, etwa wenn bereits eine Tötung gerechtfertigt sein soll, wenn sie „der Herbeiführung eines menschenwürdigen Todes […] dient“231. Solche Formulierungen verschleiern, dass der Sache nach immer eine Interessenabwägung erforderlich sein wird, in der sämtliche Umstände der konkreten Situation zu berücksichtigen wären. Aber auch dort, wo diese Extreme vermieden werden, und gerade eine Interessenabwägung für Grenzfälle deutlicher in § 216 StGB verankert werden soll,232 besteht Anlass für Kritik: Denn dann ist nicht ersichtlich, welchen echten Mehrwert eine solche Festschreibung im Tatbestand des § 216 StGB gegenüber der flexibleren, weil allgemeingültigen, Norm des § 34 StGB haben sollte.233 Soweit ersichtlich bietet letztlich keiner der vorgebrachten Reformvorschläge auch für Extremfälle der aktiven Sterbehilfe gerade abseits der ärztlichen Heilbehandlung eine befriedigende Lösung.234 Damit sind solche Reformvorschläge im Hinblick auf den „Gnadenschuss“ abzulehnen. 228  Chatzikostas,

Disponibilität, S. 55; Schroth, GA 2006, 549 (561 f.). zu Recht hinweisend Muschke, Gesetzliche Regelung der Sterbehilfe?, S. 154; zust. E. Fischer, Recht auf Sterben?!, S. 309. 230  So etwa Hoerster, Sterbehilfe im säkularen Staat, S. 169 f.; die Ergänzung des § 216 StGB durch eine „Rechtfertigungsnorm für Ärzte“ fordert aber auch T. Fischer, StGB67, Vor §§ 211–217 Rn. 72; ferner Coenen, medstra 2020, 85 (91); vgl. insb. auch Dorneck u. a., AMHE-SterbehilfeG, S. 4 ff., 59 f., in dem die Rechtfertigung auf Ärzte beschränkt und an die Einhaltung eines ausdifferenzierten Verfahrens geknüpft wird. 231  So der (dort letztlich nicht aufgegriffene) Vorschlag von Klug, in: Baumann u. a., AE-Sterbehilfe, S.  36. 232  Vgl. insb. den Vorschlag bei Hoerster, ZRP 88, 1 (4); dazu auch ebd.: „Die in dem Vorschlag zum Ausdruck kommende normative Bewertung erweist sich damit als besonderer Anwendungsfall eines Grundgedankens, der auch in der allgemeinen Rechtfertigungsnorm des § 34 StGB seinen Niederschlag gefunden hat“; vgl. ferner auch ders., NJW 1986, 1786 (1792). 233  Vgl. Otto, Gutachten 56. DJT, D1 (D92): „Die Ausformulierung […] bietet nicht mehr, als der rechtfertigende Notstand, § 34 StGB, aufweist“; vgl. ferner noch Herzberg, NJW 1986, 1635 (1643). 234  I. E. wie hier Chatzikostas, Disponibilität, S. 59. 229  Darauf

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

Eine gesetzliche Neuregelung ist auch nicht erforderlich, wo schon die bestehenden Instrumentarien des Strafrechts eine sachgerechte Lösung erlauben:235 Angesichts einer Vielzahl denkbarer Einzelkonstellationen wird jede Normierung kaum überwindbare Probleme bereiten. Insbesondere birgt sie die Gefahr zufälliger und nicht sachgerechter Abgrenzungen: Denn es liegt gerade in der Natur der Sache, dass extreme Ausnahmefälle kaum ­typisierbar und folglich kaum normierbar sind.236 Auslegungs- und Abwägungsprobleme sowie Missdeutungen wären vorgezeichnet, es drohten neue Rechtsunsicherheiten.237 Nichts anderes dürfte auch für den „Gnadenschuss“ gelten, schließlich muss schon beim Vergleich der bekannten Fälle auffallen, dass diese sich im Einzelnen erheblich unterscheiden. „Extrem“ sind die Umstände hier in jedem Fall, identisch sind die Fälle aber fast nie.238 Wo es gerade maßgeblich auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankommen muss, wird jeder Versuch einer abschließenden und trennscharfen Normierung zum Scheitern verurteilt sein. Indes kann, bei entsprechender Auslegung, § 34 StGB eine adäquate Lösung bieten, um durch eine sorgfältige und umsichtige Abwägung der betroffenen Interessen im Einzelfall eine angemessene und gerechte Lösung zu finden.239 Einer wohlmöglich unbefriedigenden Neuregelung ist sie in jeder Hinsicht vorzuziehen.

235  Gegen eine gesetzliche Neuregelung mit deutlichen Unterschieden im Einzelnen etwa Dölling, in: FS Laufs, S. 767 (780); Otto, Grundkurs Strafrecht7, S. 35; ders., Gutachten 56. DJT, D1 (D92); ders., NJW 2006, 2217 (2222); Hirsch, in: FS Lackner, S. 597 (615 ff.); Herzberg, NJW 1986, 1635 (1643); Kutzer, MDR 1985, 710 (715 f.); ders., ZRP 1997, 117 (119); Schreiber, Beiträge zur gerichtlichen Medizin 1975, 37 (41); Roxin, in: Roxin/Schroth, Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (118); unter Hinweis auf § 34 StGB im Extremfall jetzt auch der ders., in: FS Fischer, S. 509 (518, 522); im Hinblick auf Extremfälle gegen eine gesetzliche Neuregelung i. E. aber auch Schöch/Verrel, AE-StB, GA 2005, 553 (583), unter Hinweis auf die Möglichkeit gerichtlicher Einzelfallentscheidungen und den rechtfertigenden Notstand, vgl. ebd., S. 583 Fn. 161. 236  Vgl. Otto, Gutachten 56. DJT, D1 (D92); Tröndle, ZStW 1987, 25 (41 f.); ders., Referat 56. DJT, S. M29 (M38 f., M59); zust. Verrel, Gutachten 66. DJT, S. C1 (C68); Dölling, in: FS Laufs, S. 767 (780); Borttscheller, Die Bedeutung des Patientenwillens, S. 63; Hirsch, in: FS Lackner, S. 597 (617); Schreiber, Beiträge zur gerichtlichen Medizin 1975, 37 (41). 237  Vgl. Verrel, Gutachten 66. DJT, S. C1 (C68); Kutzer, MDR 1985, 710 (716); ähnlich Herzberg, NJW 1986, 1635 (1643). 238  Vgl. dazu die Fälle in A. III. 1. sowie die Aufstellung im Anhang. 239  Otto, Gutachten 56. DJT, D1 (D92); ders., Grundkurs Strafrecht7, S. 35, 42; ähnlich Kutzer, MDR 1985, 710 (716); ders., ZRP 1997, 117 (119).



I. Denkbare Lösungsansätze179

6. „Nichtlösung“ – Berücksichtigung lediglich im Strafmaß Die schärfste Folge für den „Gnadenschuss“-Täter ergäbe sich, wollte man unter allen Umständen für eine Strafbarkeit der Tötung auf Verlangen plädieren, d. h. sich auch in extremen Ausnahmefällen gegen sämtliche der zuvor vorgestellten Lösungsvorschläge sperren.240 Tatsächlich wird z. T. die im Vergleich zu Mord und Totschlag gesetzlich gemilderte Strafe der Tötung auf Verlangen als ausreichend bezeichnet241 oder auf die Möglichkeit einer Bewährungsstrafe242 verwiesen. Letztlich wäre eine Berücksichtigung der Besonderheiten des „Gnadenschusses“ dann nur noch im Strafmaß möglich: De lege lata drohen bei § 216 StGB zwischen sechs Monaten und fünf Jahren Haft.243 Die wohl am weitesten gehende Ansicht spricht jedem Tötungswunsch stets die „Ernstlichkeit“ im Sinne des § 216 StGB ab und will (mangels realen Anwendungsbereichs des § 216 StGB) entsprechende Tötungen zumindest nach geltendem Recht nach §§ 212, 211 StGB bestrafen.244 Dieser Befund ist generell anzuzweifeln; für den „Gnadenschuss“ geht er evident fehl. In bestimmten Fällen, wie sie zuvor und im Anhang aufgeführt sind, liegt keinesfalls eine „pathologische Fehlmotivation“245 vor, sondern es äußert sich regelmäßig der einzig noch erfüllbare Wunsch, den ein Mensch in solchen Situationen realistischer Weise überhaupt noch haben wird. Dass die Existenz besondere Extremfälle verkannt wird, dürfte überhaupt nicht selten Grundlage für Forderungen nach einer ausnahmslosen Strafbarkeit sein. Generell ist auffällig, dass die z. T. strikte Ablehnung aktiver Sterbehilfe im Schrifttum kaum anders zu erklären ist, als dass die Vertreter nicht erkennen,246 oder jedenfalls nicht erkennen wollen, dass der Komplex Sterbehilfe sich nicht nur auf Fälle im Kontext ärztlicher Heilbehandlung 240  Hier nur exemplarisch Dölling, in: FS Laufs, S. 767 (780); Laber, Schutz des Lebens, S. 191 ff., insb. 198 f.; zumindest grundsätzlich auch Rissing-van-Saan, in: LK-StGB12, § 216 Rn. 7; vgl. auch Spaemann, in: Spaemann/Fuchs, Töten oder sterben lassen?, S. 12 (27), der es für ausreichend hält, dass „in einer Extremsituation, die vom Gesetz nicht gedeckt ist“ der Täter bereit sein wird, „für seinen Freundschaftsdienst die vom Gesetz vorgesehene Strafe auf sich zu nehmen.“ 241  Vgl. Giesen, JZ 1990, 929 (935, 943). 242  Etwa Bockelmann, Wiener Medizinische Wochenschrift 1976, 145 (151); alternativ zu § 60 StGB auch Nußbaum, The right to die, S. 41. 243  Zu Reformvorschlägen im Hinblick auf das Strafmaß siehe oben Fn. 218, S. 174. 244  Bringewat, in: Eser, Suizid und Euthanasie, S. 368 (368 ff., insb. 375 f.). 245  Vgl. Bringewat, in: Eser, Suizid und Euthanasie, S. 368 (368). 246  Dies ist bei der Vielzahl an Autoren anzunehmen, die sich überhaupt nicht mit Grenzfällen auseinandersetzen.

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

erstreckt,247 wo i. d. R. zumindest die, wenn auch notfalls lebensverkürzende Schmerzstillung möglich ist. Auch wird z. T. als Alternative zur Sterbehilfe neben der Schmerzbehandlung auch auf eine seelsorgerische Zuwendung und die Verbesserung der palliativen Pflege hingewiesen.248 Das ist sicherlich eine legitime und unterstützenswerte Forderung: Im hier diskutierten Fall besteht diese Möglichkeit allerdings gerade nicht. Die Tat eines Soldaten, der in höchster Not seinen Kameraden von schwerstem Leid erlöst, dennoch mit (Freiheits-)Strafe zu sanktionieren, d. h. nicht nur seine Tat als rechtswidrig und schuldhaft zu verurteilen, sondern sogar ihn tatsächlich treffende strafrechtliche Konsequenzen (also bei § 216 StGB: nicht unter sechs Monaten Freiheitsstrafe) zu fordern, erscheint unangemessen. Würde man dann, entgegen der hier vertretenen Meinung, von einer Spezialität des VStGB ausgehen, wäre konsequenterweise249 sogar die lebenslange Freiheitsstrafe zu verhängen. Ein solches Urteil als absurd zu bezeichnen, wäre noch zu milde – hier läge wohl ein klarer Verstoß gegen elementare Verfassungsnormen vor. Mit „schuldangemessener“ Strafe hätte das alles nichts mehr gemein. Richtigerweise muss im Ergebnis gelten: Wer auch in ganz extremen Fällen in einer tatsächlich erfolgenden Bestrafung ein tragfähiges Ergebnis sieht, irrt! Er verurteilt nicht nur den Täter zu einer kaum zu rechtfertigenden Strafe, sondern (mittelbar) auch den Verwundeten zu einem qualvollen Tod, sofern der (potentielle) Täter nicht bereit wäre, das persönliche „Opfer“ der Strafverfolgung auf sich zu nehmen. Will er aber kein „Unrecht“ begehen und straflos bleiben, so zwingt man ihn – drastisch formuliert – seinem Kameraden beim qualvollen Sterben zuzusehen.250 Den seelischen Konflikt, der sich dann abspielen würde, kann man nur erahnen. Wer selbst hier ernsthaft die ausnahmslose Strafbarkeit der Tötung auf Verlangen fordert,251 möge sich dies vor Augen führen. 247  An der praktischen Relevanz von Fallgestaltungen außerhalb des ärztlichen Bereiches zweifelt insbesondere Roxin, in: Roxin/Schroth, Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (118), regt aber dennoch jedenfalls die Möglichkeit einer übergesetzlichen Entschuldigung an. 248  Etwa Dölling, in: FS Laufs, S. 767 (780); Giesen, JZ 1990, 929 (935); Schreiber, in: FS Rudolphi, S. 543 (551); Wallenburg, in: Knopp/Schluchter, Sterbehilfe, S.  103 (103 ff.). 249  Hier wäre zu überlegen, ob die Rspr. des BGH zur absoluten Strafanrohung des § 211 StGB auf besonders gelagerte Fälle des § 8 VStGB übertragbar wäre, vgl. dazu insb. D. I. 4. b). 250  Vgl. ähnlich wie hier in Bezug auf den „LKW-Fall“ Schneider, in: MüKoStGB3, § 216 Rn. 61. 251  Zugegeben sei, dass solche Forderungen in letzter Konsequenz auch kaum erhoben werden: In der Regel werden zumindest ein Absehen von Strafe, eine Einstellung nach § 153 ff. StGB oder ähnliche Ansätze für möglich gehalten; hierzu wurde bereits Stellung genommen, siehe oben C. I. 4. Dort, wo schon de lege lata die



II. Eigene Lösung: § 34 StGB beim verlangten „Gnadenschuss“ 181

II. Eigene Lösung: § 34 StGB beim verlangten „Gnadenschuss“ Als Ergebnis der oben geführten Untersuchung kann festgehalten werden, dass de lege lata keine der neben § 34 StGB angeführten Lösungen vollständig zu überzeugen vermag. Mithin soll hier versucht werden, auf Basis des § 34 StGB eine Möglichkeit zur Rechtfertigung des Täters zu finden, die den besonderen Umständen der direkten aktiven Sterbehilfe im Kontext militärischer Extremsituationen gerecht wird. Im Unterschied zu Lösungen auf Schuld- oder Rechtsfolgenebene handelt es sich bei § 34 StGB um eine „echte“ Rechtfertigung, die dem Handelnden ein Eingriffsrecht gewährt.252 1. Allgemeine Kritik an der Zulassung aktiver Sterbehilfe An dieser Stelle seien zunächst zwei wesentliche Kritikpunkte aufgegriffen, die nahezu immer angeführt werden, wenn eine (beschränkte) Zulassung aktiver Sterbehilfe im Raum steht: a) Tötungsverbot und „Dammbruch“ aa) Tötungsverbot bzw. -tabu Vielfach erfolgt der Hinweis auf ein bestehendes, angeblich „absolutes“, Tötungsverbot oder -Tabu, dass es, sei es aus religiösen, ethischen, biologischen oder soziologischen Gründen, unbedingt zu bewahren gelte.253 Bereits zuvor ist darauf hingewiesen worden, dass ein uneingeschränkt gültiges, ausnahmsloses Tötungsverbot ohne Rechtfertigungsmöglichkeit weder besteht, noch jemals bestanden hat.254 Das gilt nicht nur für die deutsche Rechtsordnung, sondern, mit Unterschieden, in wohl sämtlichen menschliche Gesellschaften. Keinesfalls kann aber bestritten werden, dass ein grundsätzliches Fremdtötungsverbot/Tabu als solches besteht: Dieses ist schon – aber wohl nicht nur – biologische Notwendigkeit. Nur seine Reichweite ist eben alles andere als selbstverständlich. jeweiligen Voraussetzungen vorliegen, käme man im praktischen Fall an einer solchen gerichtlichen „Lösung“ wohl kaum vorbei – ob diese ausreichend wäre, ist freilich eine andere, hier letztlich verneinte, Frage. 252  Vgl. nur Perron, in: S/S-StGB30, § 34 Rn. 1. 253  Statt vieler Rissing-van Saan, in: LK-StGB12, § 216 Rn. 1; Wessels/Hettinger/ Engländer, BT 142, S. 1 m. w. N.; vgl. auch bereits oben B. III. 1. b) bb) (2). 254  Man denke nur an Notwehr, Krieg, öffentlich-rechtliche Erlaubnis und die zulässigen Formen der Sterbehilfe, vgl. etwa Eser, JZ 1986, 786 (789), sowie oben B. III. 1. b) bb) (2).

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

Als zwingende Gesetzmäßigkeiten lassen sich wohl nur die allergröbsten Grenzen ziehen: Einerseits ist die völlige Freigabe der Fremdtötung undenkbar, andererseits wäre ein „absolutes“, ausnahmsloses Tötungsverbot, dass in krassester Form auch Selbsttötung, Notwehr und kriegerische Handlungen verböte, de facto nicht denkbar und auch nicht umsetzbar. Nur insoweit wird sich ein übergreifender Grundkonsens finden lassen. Alle Positionen, die die Reichweite des Tötungsverbots zwischen diesen Extremwerten verorten– und das sind wohl sämtliche – beruhen also nie auf einer inhärenten Gesetzmäßigkeit, sondern auf einer genuin menschlichen Beurteilung, unabhängig davon, worauf sich diese nun konkret stützt. Wie weit in bestimmten Konstellationen eine ausnahmsweise Straflosstellung reicht – man denke hier etwa an den feinen Unterschied zwischen der Beihilfe zur Selbsttötung und der Tötung auf Verlangen – ist letztlich immer eine bewusste und wandelbare Entscheidung der jeweiligen Gesellschaft, und eben kein Naturgesetz.255 Belegen lässt sich die konkrete Reichweite des „Tötungstabus“ sowieso niemals auf einer übergeordneten Ebene. Hier wird es immer auf die kultur-, zeit- und gesellschaftsbezogene Beurteilung durch die Mehrheitsgesellschaft – auch vermittelt durch den Gesetzgeber – ankommen. Im deutschen Strafrecht prägt auch § 216 StGB die Grenzen des Tötungsverbots, so wie es der Gesetzgeber versteht. Indem die Tötung auf Verlangen grundsätzlich für strafbar erklärt wird, wird insoweit auch die Reichweite des Tötungsverbots bestimmt und mit den Mitteln des Strafrechts geschützt. Dagegen ist nichts einzuwenden – unlauter wäre es aber, allein aufgrund des grundsätzlichen Verbots der Tötung auf Verlangen von festen oder unverrückbaren Grenzen auch für extreme Fälle auszugehen. Solche bestehen weder „übergesetzlich“ aus sich selbst heraus, noch gibt § 216 StGB sie zwingend vor. Für Grenzfälle bietet das bestehende deutsche Strafrecht Spielräume, die es zu unter­ suchen gilt, insbesondere im Rahmen einer möglichen Rechtfertigung nach § 34 StGB. bb) „Dammbruch“ Eine absolute Grenzziehung müsste aber unter Umständen erfolgen, wenn nachgewiesen werden könnte, dass ein bestimmtes Verhalten sicher unerträgliche gesellschaftliche Folgen mit sich brächte – oder aber zumindest ein entsprechendes, untragbares Risiko dafür schaffen würde. Auf diesem Gedanken basiert ein in der gesamten Sterbehilfe-Diskussion häufig angeführtes (behauptetes) Argument, das oft bildhaft mit den Begriffen des „Damm255  Ähnlich mit Hinweis auf die jeweils herrschende „Zeitmoral“ bei der Beurteilung einer verlangten Tötung bereits Blass, Die Tötung des Verlangenden, S. 61 f.



II. Eigene Lösung: § 34 StGB beim verlangten „Gnadenschuss“ 183

bruchs“ oder der „schiefen Ebene“ (slippery slope) beschrieben wird.256 Hier besteht eine enge Verknüpfung zur Legitimation des § 216 StGB über den Schutz eines grundsätzlichen Tötungsverbots bzw. -Tabus.257 Im Kern geht es beim „Dammbruch“ um die postulierte Gefahr jeder Aufweichung des Tötungsverbots durch aktive Sterbehilfe: Eine solche soll die Gefahr beinhalten, dass, vermittelt über den ersten Schritt der aktiven Sterbehilfe in besonders gelagerten Grenzfällen, eine schrittweise oder schleichende Aufweichung des Lebensschutzes und damit eine Ausweitung von Tötungen erfolgt.258 Am unteren Ende dieser „schiefen Ebene“ sollen dann etwa die wahllose und missbräuchliche Tötung Alter und Kranker, etwa aus ökonomischen Nützlichkeitserwägungen und mit der Folge der Entstehung eines ­gesellschaftlichen Erwartungsdrucks zur verlangten Tötung259, oder, wenig differenziert, direkt eine „Neuauflage“ der nationalsozialistischen Verbre­ chen,260 gewissermaßen als „Totschlagargument“261, stehen. Wichtig und richtig ist es, die nationalsozialistischen Verbrechen, die unter dem Deckmantel der „Euthanasie“ begangen wurden, bei jeder Diskussion in diesem Bereich im Blick zu behalten. Sie sind aber kein unwiderlegbares Argument gegen die Zulässigkeit aktiver Sterbehilfe in bestimmten Fällen. Es sei da­ rauf hingewiesen, dass die Verbrechen im „Dritten Reich“ gerade nicht der Verwirklichung bestehender Sterbewünsche von Sterbenden dienten, sondern, einer verachtenswerten Ideologie folgend, den betroffenen Menschen aus 256  Vgl. umfassend zum „Dammbruchargument“ in all seinen Facetten Saliger, Jahrbuch für Recht und Ethik 2007, 633 (633 ff.); ferner Chatzikostas, Disponibilität, S.  247 ff. m. w. N.; Ingelfinger, Grundlagen und Grenzbereiche, S. 191 ff. 257  Vgl. dazu oben, B. III. 1. b) bb) (2) und B. III. 1. b) bb) (3). 258  Nur exemplarisch für die das „Dammbruchargument“ in unterschiedlicher Reichweite vortragenden Literaturstimmen Tröndle, ZStW 1987, 25 (38 ff.); ders., Referat 56. DJT, S. M29 (M36 ff., M51 f.); Schöch/Verrel, AE-StB, GA 2005, 553 (582 f.); 340; Dölling, in: FS Laufs, S. 767 (771 ff.); Jähnke, in: LK-StGB11, Vor § 211 Rn. 14; Schreiber, in: FS Hanack, S. 726 (738); Oduncu, MedR 2005, 437 (444 f.) und 516 (522 ff.); Roxin, in: Roxin/Schroth, Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (116 f.); Schroth, GA 2006, 556 (562 f.); Hirsch, in: FS Lackner, S. 597 (613 f.); v. Dellingshausen, Sterbehilfe und Grenzen, S. 297 ff., Ingelfinger, Grundlagen und Grenzbereiche, S. 340; Ulsenheimer/Biermann, in: Ulsenheimer/Gaede, Arztstrafrecht6, Rn. 738. 259  Vgl. nur Tröndle, ZStW 1987, 25 (38 ff.); Dölling, MedR 1987, 6 (8); Geilen, in: FS Bosch, S. 277 (289); Schreiber, in: FS Hanack, S. 726 (738); Roxin, in: Roxin/ Schroth, Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (116 f.); ferner auch Kutzer, NStZ 1994, 110 (113), der aber auch eine abweichende Beurteilung „ganz außergewöhnlicher Situationen“ für möglich hält. 260  Einen solchen Gedankengang vollziehen etwa die Deutschen Bischöfe in DBK, Das Lebensrecht des Menschen, S. 8 ff.; vgl. auch Fuchs, in: Spaemann/Fuchs, Töten oder Sterbenlassen?, S. 31 (63); Oduncu, MedR 2005, 516 (522). 261  Zum „Nazi-Argument“ als Unterfall des „Dammbrucharguments“ vgl. Saliger, Jahrbuch für Recht und Ethik 2007, 633 (637).

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

„sozialhygienischen“ Erwägungen ihr Lebensrecht abgesprochen und sie gegen ihren Willen der Vernichtung preisgegeben wurden.262 Je nach Standpunkt des jeweiligen Autors steht ein drohender „Dammbruch“ generell jeder verlangten aktiven Fremdtötung entgegen oder gibt, wo Ausnahmen von der Strafbarkeit gemacht werden, die rechtliche Behandlung solcher Taten vor: So soll sich z. T. aufgrund der postulierten Gefahr (nur) die Rechtfertigung in solchen Fällen verbieten, eine Entschuldigung aber möglich bleiben.263 Für andere ist sogar eine (übergesetzliche) Entschuldigung ausgeschlossen und jede Lösung auf prozessualer Ebene oder bei den Rechtsfolgen zu verorten.264 Wieder andere wollen die Rechtfertigung zwar zulassen,265 schränken diese aber, i. d. R. unter Verweis auf den sonst drohenden „Dammbruch“, auf Extremfälle ein – oft auch, ohne näher zu erläutern, was genau diese auszeichnet. Zum Extremfall kann bereits an dieser Stelle festgehalten werden, dass der „Gnadenschuss“ in Ermangelung anderer Optionen (außer dem qualvollen Sterbenlassen) wohl das Paradebeispiel eines Extremfalls darstellen dürfte. Ob daneben noch andere denkbar sind, die gleich zu behandeln wären (vor allem im medizinischen Bereich), ist im Rahmen dieser Arbeit nicht abschließend zu klären. Wenn also – für unsere Zwecke – an dieser Stelle auf eine übergreifende Definition von „Extremfällen“ zunächst noch verzichtet werden kann,266 ändert dies nichts an der relativen Beliebigkeit und mangelnden Aussagekraft des „Dammbrucharguments“. Hier wird eine hypothetische Gefahr mit dem immer gleichen Argumentationsmuster in den Rahmen ganz verschiedener Meinungen gezwängt. Überzeugen kann das selten. Selbst wenn angenommen werden soll, dass die jeweils behauptete „Dammbruch“-Gefahr (so) besteht, bleibt unklar, warum sie bei verschiedenen Autoren eine Einschränkung unterschiedlicher Reichweite erforderlich machen soll. Warum soll die 262  Hufen, NJW 2001, 849 (856); vgl. auch Wolfslast, in: FS Schreiber, S. 913 (916) m. w. N. gegen eine die Argumentation mit dem Nationalsozialismus. 263  Statt vieler Hirsch, in: FS Lackner, S. 597 (609 f., 614 f.); Roxin, GA 2013, 313 (327); ders., in: Roxin/Schroth, Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (118); Ingelfinger, Grundlagen und Grenzbereiche, S. 340; v. Dellingshausen, Sterbehilfe und Grenzen, S. 297 ff., 352 f.; allgemein für weitere Nw. zur Entschuldigungslösung s. o. Fn.  136, S. 163. 264  Etwa Rissing-van Saan, in: LK-StGB12, § 216 Rn. 56; Tröndle, ZStW 1987, 25 (38 ff., 42); weitere Nw. zu solchen Ansichten bei C. I. 4. 265  Hier nur exemplarisch für die Lösung im Wege des rechtfertigenden Notstands Herzberg, NJW 1986, 1635; R. Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (308 ff., insb. 320 f.); Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (580 ff.); Otto, Gutachten 56. DJT, S. D1 (D58 ff., D92); viele weitere Nw. zur Notstandslösung unten in Fn. 562, S. 237. 266  Auch wenn eine übergreifende, alle denkbaren Fälle umfassende, Definition kaum möglich erscheint, soll an anderer Stelle aber zumindest eine Umschreibung der Merkmale solcher „Extremfälle“ versucht werden, siehe dazu C. II. 5. b) aa) (2).



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„Damm­bruch“-Gefahr gerade ab dem jeweils abgelehnten Verhalten bzw. bei der jeweils abgelehnten rechtlichen Behandlung eines Falles bestehen – oder besteht die Gefahr generell, und sie wird nur ab einem gewissen (beliebigen?) Punkt unvertretbar, der – reichlich willkürlich – von der jeweiligen Grenzziehung des betreffenden Autors abhängt?267 Letztlich handelt es sich stets um persönliche Risikoeinschätzungen, auf welchen die jeweiligen Rechtsauffassungen beruhen.268 Gewonnen ist damit aber noch nichts. Denn es stellt sich die Frage, ob die beschworenen Gefahren im freiheitlichen demokratischen Deutschland des 21. Jahrhunderts (so) tatsächlich bestehen269 – Anzeichen für eine Bedrohung der gesellschaftlichen Geltung des Tötungsverbots sind kaum erkennbar.270 Selbst wenn: Wäre es dann nicht Sache des Staates, Maßnahmen gegen einen Missbrauch zu ergreifen?271 Stünden hier nicht mildere und geeignetere Mittel als die des Strafrechts zur Verfügung? Denn die Gefahr des „Dammbruchs“ müsste nicht nur im Bereich der Sterbehilfe272, sondern ganz grundsätzlich gelten.273 Konsequenterweise wäre jeder täterbegünstigenden Regelung mit Missbrauchs- und Dammbruchargumenten entgegenzutreten.274 Willkürlich wäre es, eine aktive Sterbehilfe mit dieser Begründung per se zu verweigern, wenn die behaupteten Gefahren ansonsten hingenommen werden.275 Völlig zu Recht wird auch eingewandt, dass es sich beim „Dammbruchargument“ um ein empirisches – und nicht etwa um ein grundsätzliches – Argument handelt,276 für das belastbare Nachweise fehlen und auch kaum zu erbringen sind.277 267  Ähnlich wie hier Herzberg, NJW 1996, 3043 (3044  f.); zust. Ingelfinger, Grundlagen und Grenzbereiche, S. 194. 268  Vgl. ähnlich auch Herzberg, NJW 1996, 3043 (3044 f.); ferner Neumann, in: Alexy/Dreier/Neumann, Rechts- und Sozialphilosophie, S. 248 (255). 269  Zweifelnd insb. T. Fischer, in: FS Roxin (2011), S. 557 (575); ders., StGB67, Vor §§ 211–217, Rn. 72; auch R. Merkel, Früheuthanasie, S.  599 ff. 270  Vgl. R. Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (321). 271  Denn selbst ein solcher „Dammbruch“ wäre nicht schlechthin unumkehrbar, sondern zunächst Anlass für eine gesetzgeberische Korrektur, wie Birnbacher, in: Illhardt/Heiss/Dornberg, Sterbehilfe, S. 125 (131) überzeugend ausführt; vgl. ähnlich auch R. Merkel, Früheuthanasie, S. 600; ferner E. Fischer, Recht auf Sterben?!, S.  272 f. 272  Insofern weist Pawlik, in: Becker/Roth, Das Recht der Älteren, S. 127 (153) darauf hin, dass konsequenterweise auch den anerkannten Formen der Sterbehilfe ein gewisses Missbrauchspotential zuzuschreiben wäre. 273  Herzberg, NJW 1986, 1635 (1642, 1644). 274  Vgl. Herzberg, NJW 1986, 1635 (1642, 1644). 275  Vgl. ausführlich Herzberg, NJW 1986, 1635 (1642 f.). 276  Hoerster, NJW 1986, 1786 (1791); ähnlich Rosenau, in: LK-StGB12, Vor §§ 211 ff. Rn. 39; vgl. auch Herzberg, NJW 1996, 3043 (3044 f.); ferner Hegselmann,

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

Das muss nicht heißen, dass, ab einem gewissen Punkt der Zulassung aktiver Sterbehilfe, die postulierten Gefahren nicht ernst zu nehmen wären – völlig unplausibel ist das „Dammbruchargument“ eben doch nicht,278 auch wenn Zweifel bestehen, ob die befürchteten Auswirkungen, so sie denn einträten, sich derart einfach erklären ließen und nicht tiefere gesellschaftliche Ursachen hätten. Trotzdem: Nicht ohne Grund wird schon die Existenz des § 216 StGB am überzeugendsten (primär) mit dem Schutz des grundsätzlich bestehenden Tötungstabus vor Aufweichung begründet.279 Aber deshalb auch in extremsten Fällen, in denen eine Leidminderung nicht anders als durch aktive Tötung möglich wäre, aufgrund diffuser und unbelegter Ängste – und nichts anderes spiegelt das „Dammbruchargument“ letztlich wider – einem Sterbenden die Pflicht zum Erleiden unerträglicher Schmerzen aufzuerlegen, wäre schlicht unmenschlich.280 cc) Relevanz solcher Gefahren beim „Gnadenschuss“ Zu klären ist, ob solche behaupteten Gefahren auch im Hinblick auf den „Gnadenschuss“ überhaupt relevant werden können. An ihrer Relevanz wäre zumindest dann zu zweifeln, wenn feststünde, dass eine Aufweichung der Geltung des gesellschaftlichen Fremdtötungstabus schon aufgrund der äußeren Umstände der Tat realistischer Weise nicht in Betracht käme. Für den „Gnadenschuss“ gilt nämlich die Besonderheit, dass er im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt erfolgt. Eine, ggf. den „Dammbruch“ hervorrufende, allgemeine Freigabe der aktiven, direkten Sterbehilfe steht in dieser Arbeit überhaupt nicht zur Debatte, sondern eben nur die mögliche Rechtfertigung in bestimmten, seltenen Situationen im militärischen Kontext: Der Bürger, als Adressat eines generalpräventiven Tötungsverbots, kann ohne weiteres differenzieren: Etwa zwischen legitimen Tötungen in kriegerischen Auseinandersetzungen und strafbarem Massenmord durch die an sich selbe Tat im zivilen Bereich. Dass es hier die äußeren „Rahmenbedingungen“ sind, die zur unterschiedlichen Bewertung einer Tötung Anlass geben, ist ohne Mühe selbst dem Laien ersichtlich. Hier kann eine Lösung anknüpfen, in: Hegselmann/Merkel, Zur Debatte über Euthanasie, S. 197 (207 ff.); zust. Ingelfinger, Grundlagen und Grenzbereiche, S. 194. 277  Vgl. Rosenau, in: FS Roxin (2011), S. 577 (589); R. Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (321 mit Fn. 87). 278  So dann auch Herzberg/Scheinfeld, JuS 2003, 880 (882). 279  S. o. B. III. 1. b) bb) (3). 280  Vgl. ähnlich R. Merkel, JZ 1996, 1145 (1151); ders., Früheuthanasie, S.  424 f.; auch Herzberg, NJW 1986, 1635 (1644).



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die (nur) für den Bereich des „Gnadenschusses“ das „Dammbruchargument“ auch schon auf Ebene der Anwendbarkeit überwinden kann: Wo die der Tat zugrundeliegende Situation sich derart fundamental vom zivilen Leben unterscheidet, als dass die beim „Gnadenschuss“ gegebenen Umstände keinesfalls auch dort (so) vorliegen werden,281 der Bürger jenseits von bewaffneten Konflikten also wohl niemals mit einer entsprechenden Situation konfrontiert wird (anders als ggf. mit Fragestellungen der ärztlichen Sterbehilfe) – dort besteht überhaupt kein generalpräventives Interesse am Schutz des „Dammes“, da dieser evident nicht gefährdet ist. Denn die allgemeingesellschaftliche Geltung des Tötungsverbots wird durch den im bewaffneten Konflikt unter extremsten Umständen ausgeführten „Gnadenschuss“, wo keine anderen Handlungsoptionen mehr bestehen, kaum in Frage gestellt. Anders ausgedrückt: Wer erfährt, dass Soldat S. in aussichtsloser Lage seinen schwerstverwundeten Kameraden aus Mitleid erschossen hat, wird deshalb nicht auf die Idee kommen, Alte und Kranke zu ermorden, etwa um die unliebsame, alternde Verwandtschaft „aus dem Weg zu schaffen“. Höchstens wird er sich die Frage stellen, ob (die Zulässigkeit des „Gnadenschusses“ in bestimmten Fällen einmal unterstellt) eine ähnliche Konstellation auch im Krankenhaus bei den üblicherweise diskutierten Fällen einer Tötung auf Verlangen denkbar wäre: Sie ist es nicht. Im Bereich der ärztlichen Sterbehilfe existieren für den Arzt andere Mittel und Möglichkeiten, die Fälle sind auch anders gelagert. Eine Vergleichbarkeit der Themenkomplexe „ärztliche“ und „militärische“ Sterbehilfe ist eben nur vordergründig gegeben.282 Auch ohne besonderen Sachverstand ist zu erkennen, dass sich die äußeren Tatumstände „zu Hause“ kaum sinnvoll mit der Situation „im Felde“ vergleichen lassen. Wenn die Geltung des „allgemeinen“ Tötungstabus also nicht bedroht ist, stellt sich die Anschlussfrage, ob es nicht auch im militärischen Kontext einen „Damm“ geben kann, der nicht gebrochen werden darf. Denn schließlich wird die zulässige Gewalt hier durch das humanitäre Völkerrecht begrenzt. Entsprechend ließe sich behaupten, dass durch den (gerechtfertigten) „Gnadenschuss“ dort die Grenze des Zulässigen in untragbarer Weise verschoben würde. Droht nicht gar eine Aufweichung der Geltung des Grundsatzes unbedingten Schutzes Verwundeter und damit letztlich die Entgrenzung von Konflikten, wenn die Minimalstandards des humanitären Völkerrechts nicht ausnahmslos beachtet werden? Das Argument des „Dammbruchs“ und des Tö281  Vgl. ähnlich R. Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (321); ders., Früheuthanasie, S. 416, der die Gefahr einer Erosion des Tötungstabus in Extremfällen schon deshalb für geringhält, weil diese sehr selten sind; ähnlich auch Neumann/Saliger, HRRS 2006, 280 (285). 282  Dazu bereits oben, A. II. 3.

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tungsverbots wäre dann zwar gegenüber dem Argumentationsmuster im zivilen Leben eingeschränkt, aber eben nicht gänzlich unbeachtlich. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass es sich bei den hier (ggf.) zu rechtfertigenden Fällen einer Tötung Verwundeter auch im militärischen Kontext um absolute Ausnahmesituationen handelt. Dies gilt einerseits im Hinblick auf ihre Häufigkeit: Auch für einen Soldaten ist die Chance sicher äußerst gering, mit einer entsprechenden Situation konfrontiert zu werden. Eine Ausnahmesituation liegt aber auch insofern vor, als dass die Tat gerade nicht als Bruch mit dem Prinzip des Schutzes Verwundeter zu verstehen ist – dieses wesentliche Element des humanitären Völkerrechts wird hierdurch keinesfalls in Frage gestellt. Denn schließlich wird mit der Tötung des Verwundeten gerade das von diesem selbst verlangte Ende schlimmster Qualen erreicht, der Betroffene also vor weiter andauerndem, unstillbaren Leid geschützt. Insoweit handelt es sich gerade nicht um eine Tat, die sich gegen das Opfer richtet, sondern um den letzten Dienst an einem schwerstverwundeten Kameraden – und auch dies nur dort, wo jede andere Handlungsoption fehlt oder versagt.283 Beschränkt man die Rechtfertigung auf solche extremen Ausnahmefälle, droht realistischer Weise keine Unterminierung der geltenden Regeln zum Schutz der Opfer von Konflikten. Dementsprechend ist ein „Dammbruch“ kaum zu befürchten, solange eine etwaige Rechtfertigung aktiver Sterbehilfe (nur) für sehr extreme und seltene Fälle in einem sehr spezifischen (hier: militärischen) Umfeld befürwortet werden soll: Eben dort, wo es schon aus Gesichtspunkten der Menschlichkeit keine andere vertretbare Alternative gibt. Eine real nicht bestehende Gefahr kann nicht als Argument gegen eine beschränkte Zulassung aktiver Sterbehilfe in solchen Fällen angeführt werden. Tatsächlich verhält es sich eher so: Würde man mit dem rein formelhaften Verweis auf den Schutz des Tötungsverbots selbst in militärischen Extremsituationen ein Verbot der aktiven Sterbehilfe unter allen Umständen aufrechterhalten wollen, so dürfte dies – vor dem Hintergrund der zu erwartenden medialen Resonanz eines „Gnaden­ schuss“-Falles“ – das allgemeine Vertrauen in die Gerechtigkeit strafrecht­ licher Normen erschüttern. Damit bleibt beim „Gnadenschuss“ vom drohenden „Dammbruch“ nicht viel: Wo im konkreten Fall eine Normerosion oder „Tabuaufweichung“ nicht ernstlich denkbar ist, wird das gesellschaftliche Interesse an der Aufrecht­ erhaltung des Tötungsverbots als ein rein abstraktes bei einer Abwägung in den Hintergrund treten.284 283  Vgl.

dazu auch D. II. 4. b) bb). zumindest im Ergebnis Herzberg, NJW 1996, 3043 (3048); auch Neumann, in: NK-StGB5, Vor § 211 Rn. 140; wohl zust. R.  Merkel, in: FS Schroeder, 284  Ähnlich



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Ob und unter welchen Bedingungen die Gefahr eines „Dammbruchs“ bei der Zulassung aktiver Sterbehilfe im Kontext ärztlicher Heilbehandlung mehr Beachtung verdient, kann und soll hier nicht beurteilt werden – einer solchen Beurteilung bedarf es für die Zwecke dieser Arbeit auch nicht. b) Weitere Gegenargumente im Hinblick auf den „Gnadenschuss“ aa) Zweifel an der Praxisrelevanz Wenn zum Teil die Praxisrelevanz von Fällen jenseits der ärztlichen Sterbehilfe bezweifelt wird,285 so sei auf die vorstehend dargestellten Fälle286 und die Aufstellung im Anhang verwiesen, eine wiederholte Diskussion an dieser Stelle erübrigt sich. Ferner wird bezweifelt, ob es überhaupt solche unstillbaren Schmerzzustände gäbe, die eine Tötung als einziges Mittel erscheinen lassen.287 Diese Frage ist aus medizinischer Sicht gewiss berechtigt und wäre bei optimaler Intensivversorgung u. U. zu verneinen. Für das Schlachtfeld stellt sie sich hingegen nicht – dass hier mit den dort zur Verfügung stehenden Mitteln nicht bekämpfbare Qualen existieren können, ist evident. bb) Hypothetische Rettungsmöglichkeit Erwähnt sei noch die von Rissing-van Saan angeführte, hypothetische Möglichkeit einer Rettung, die „den unwiderruflichen Akt“ der Tötung als verfrüht, also „voreilig“ erscheinen lassen soll.288 Dieses Argument ist zwar nicht in jedem Fall unplausibel, wirkt aber bemüht:289 Denn ohne Zweifel sind gerade in bewaffneten Konflikten Konstellationen denkbar, in denen eine Rettung nach menschlichem Ermessen völlig unmöglich erscheint. Sollte sich die Situation ex post anders darstellen, wäre dies eine Frage der Irrtümer.290 S. 297 (321). Zur Frage, ob im Einzelfall überhaupt noch ein positiv bezifferbares Interesse besteht, siehe C. II. 5. b) bb). 285  Insb. Roxin, in: Roxin/Schroth, Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (118). 286  S. o., A. III. 1. 287  Laber, Schutz des Lebens, S. 195; auch Eser, in: Auer/Menzel/Eser, Zwischen Heilauftrag und Sterbehilfe, S. 75 (91). 288  Rissing-van Saan, in: LK-StGB12, § 216 Rn. 46; so auch bereits Jähnke, in: LK-StGB11, § 216 Rn. 17. 289  Gegen eine solche Argumentation zutreffend auch Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 61 Fn. 171: „Dieser Einwand wirkt gequält, weil situationsgelöst-spekulativ.“ 290  Zu Irrtumskonstellationen siehe E. II. 2.

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cc) Sinn und Zweck von Leid Zuletzt sei noch darauf hingewiesen, dass z. T. angeführt wird, die Leidensvermeidung bzw. -beendigung werde in der Diskussion überbewertet, schließlich handle es sich beim Tod unter Schmerzen um eine „genuin menschliche […] Erfahrung“, ähnlich dem Geburtsvorgang.291 Was an schon sprichwörtlich „unmenschlichen“ Qualen schützenswert seien soll, erschließt sich nicht. Vor dem Hintergrund schwerster Verwundungen und der damit einhergehenden Qualen erscheint dies eher zynisch.292 Nicht weniger abwegig müssen im Rahmen einer rechtlichen Untersuchung religiös motivierte Hinweise auf den „Sinn des Leidens im Blick auf das Leiden und Sterben Christi“293 o. ä. wirken. Dies erscheint rechtlich ­weder maßgeblich noch ernstlich diskussionswürdig.294 Im Übrigen müsste, konsequenterweise, mit demselben Argument sogar die Verabreichung von Schmerzmitteln unterbleiben.295 Es ist das eine, den „Gnadenschuss“ nicht auszuführen, oder ihn sogar (aus ethischer bzw. theologischer Sicht) für „falsch“ oder gar verwerflich zu halten. Wer aber ernstlich selbst den Schwerstverwundeten, der auf dem Schlachtfeld nach Erlösung von seinen Qualen schreit, unter Hinweis auf die Leiden Jesu Christi zu Reflexion und religiöser Entwicklung anhalten möchte,296 muss sich – neben dem Vorwurf eines gewissen, zynischen Fundamentalismus – die Frage gefallen lassen, ob hier nicht sogar das Gebot (christlicher!) Nächstenliebe etwas ganz anderes verlangen würde. Wenn schon nicht den Todesschuss selbst – dann aber jedenfalls eine gewisse Zurückhaltung mit religiösen Lehrmeinungen angein: M/R-StGB2, § 212 Rn. 37. auch das Leid eines im bewaffneten Konflikt schwerst verwundeten Soldaten eine „genuin menschliche Erfahrung“? Jedenfalls hält Safferling, in: M/R-StGB2, § 212 Rn. 38 Fn. 152 für Ausnahmefälle wie den „Gnadenschuss“ wohl eine Entschuldigung für denkbar. 293  Häring, in: Eser, Suizid und Euthanasie, S. 261 (263); ähnlich DBK, Das Lebensrecht des Menschen, S. 5; vgl. ferner Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung zur Euthanasie: „Nach christlicher Lehre erhält der Schmerz jedoch, zumal in der Sterbestunde, eine besondere Bedeutung im Heilsplan Gottes. Er gibt Anteil am Leiden Christi und verbindet mit dem erlösenden Opfer, das Christus im Gehorsam gegen den Willen des Vaters dargebracht hat.“; vgl. allgemein zum katholischen Verhätnis zu Schmerz und Leid auch Johannes Paul II., Salvifici Doloris. 294  Kritisch zu einer pathetischen Überhöhung von Leidenszuständen auch Uhlenbruck, MedR 1993, 296 (296 f.). 295  Vgl. Hoerster, NJW 1986, 1786 (1787). 296  Wobei dieser bekanntlich, angesichts seiner Leiden am Kreuz, sogar selbst (ver)zweifelte, vgl. Markus 15, 34: „Und zu der neunten Stunde rief Jesus laut: Eli, Eli, lama asabtani? Das heißt übersetzt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“; vgl. nahezu wortgleich auch Matthäus 27, 46. 291  Safferling, 292  Ist



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sichts besonders gelagerter Grenzfälle. Denn welcher Gott hätte in einer solchen Situation nicht Verständnis für den Verwundeten, der sich aus seiner Qual zu ihm flüchtet?297 Und würde sein Verständnis nicht auch dem Kameraden gelten, der dem Verwundeten in auswegloser Situation einen Tod ohne weitere Qualen ermöglicht? Etwas anderes vermag ich mir nicht vorzustellen. Damit soll der Exkurs in die christliche Theologie hier auch sein Ende finden – von unmittelbarer Relevanz für die strafrechtliche Behandlung eines „Gnadenschusses“ sind solche Fragen ohnehin nicht: Es ist sicher nicht Aufgabe des Strafrechts, einem Sterbenden religiöse Einsichten näherzubringen.298 2. Anwendbarkeit des § 34 StGB Wenn also im Folgenden die Notstandsrechtfertigung des „Gnadenschusses“ zu untersuchen ist, stellt sich zunächst die Frage, ob § 34 StGB überhaupt auf solche Konstellationen anwendbar ist. Konkret ist zu prüfen, ob (1.) die Rechtfertigung einer Tötung durch § 34 StGB überhaupt möglich wäre, sowie (2.), ob der rechtfertigende Notstand auch in solchen Fallkon­ stellationen einschlägig ist, in denen die Interessen von ein und derselben Person kollidieren. a) Tötungen im Rahmen des § 34 StGB Wenn gegen eine Notstandsabwägung unter Beteiligung des menschlichen Lebens auf der Eingriffsseite angeführt wird, dass das Rechtsgut Leben einer Abwägungsentscheidung nicht zugänglich sei und aktive Tötungen nicht durch § 34 StGB zu rechtfertigen sind,299 so beruht diese Argumentation auf zweifelhaften Prämissen: Das oft und gerne vorgebrachte Argument des Lebens als abwägungsfester „absoluter Höchstwert“300 kann auch hier nicht überzeugen, ein absoluter 297  Vgl. Schreiber, in: FS Rudolphi, S. 543 (550); ders., in: FS Hanack, S. 735 (738); ähnlich Roxin, in: Roxin/Schroth, Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (116); auch Lüderssen, JZ 2006, 689 (694). 298  Duttge, GA 2001, 158 (168). 299  Etwa Wessels/Beulke/Satzger, AT49, S.  150 f.; Hauck, in: AnwK-StGB3, § 34 Rn. 9; Kindhäuser/Zimmermann, AT9, S. 173; Kindhäuser/Hilgendorf, LPK-StGB8, § 34 Rn. 36; im Kontext des VStGB auch Gropengießer in: Eser/Kreicker, Nationale Strafverfolgung völkerrechtlicher Verbrechen, Deutschland, S. 332. 300  So aber, statt vieler, hier nur Perron, in: S/S-StGB30, § 34 Rn. 23; Knauer/ Brose, in: Spickhoff, Medizinrecht3, § 216 StGB Rn. 32; v. Dellingshausen, Sterbehilfe und Grenzen, S. 342; viele weitere Nw. etwa bei Küper, JuS 1981, 785 (785 Fn. 5) und Bott, In dubio pro Straffreiheit?, S. 30.

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

Lebensschutz besteht gerade nicht: Der „Höchstwert“ der Verfassung ist nicht das Leben, sondern die Menschenwürde301 – deren Schutz ist der einzig absolute im deutschen Recht.302 Sie kann nicht als „Eingriffsgut“ im Rahmen der Interessenabwägung gewichtet werden, sondern bildet die absolute Grenze jeder Abwägung.303 Zwar erfährt daneben auch das Leben zu Recht einen besonders hohen Schutz durch die Rechtsordnung,304 indes wird auch verfassungsrechtlich das Leben in Art. 2 Abs. 2 GG nicht schrankenlos gewährt.305 Nicht jede Verletzung des Rechtsguts Leben beinhaltet auch zugleich eine Würdeverletzung.306 Umso mehr kann kein uneingeschränktes Verbot gelten, wo keine staatlichen Eingriffe im Raum stehen, sondern „lediglich“ Private handeln. Andernfalls müsste, in letzter Konsequenz, in Umsetzung eines uneingeschränkten Eingriffsverbots und einer allumfassenden Lebensschutzpflicht, § 32 StGB abgeschafft, die Polizei entwaffnet, die Bundeswehr aufgelöst und ggf. sogar der Suizid, bzw. die Teilnahme daran, unter Strafe gestellt werden.307 Entsprechendes hat, soweit ersichtlich, noch niemand gefordert. Jedenfalls in den genannten drei Bereichen (Notwehr, öffentlich-rechtliche Befugnis, Kriegsvölkerrecht)308 gibt es unstrittig Ausnahmen vom generell bestehenden Tötungsverbot.309 Zwar ist die Fremdtö301  Vgl. nur BVerfGE, 109, 279 (311); Herdegen, in: Maunz/Dürig-GG92, Art. 1 Abs. 1 Rn. 4; Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 71, Vor § 211 Rn. 139; Rosenau, in: FS Roxin (2011), S. 577 (584 f.); Hufen, NJW 2001, 849 (855); Rosenau, in: FS Roxin (2011), S. 577 (584 f.); vgl. auch Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 143. 302  Hufen, NJW 2001, 849 (855); ähnlich wie hier E. Fischer, Recht auf Sterben?!, S. 264. 303  Roxin/Greco, AT I5, S. 880. 304  Vgl. BVerfGE 115, 118 (152): „Das menschliche Leben ist die vitale Basis der Menschenwürde als tragendem Konstitutionsprinzip und oberstem Verfassungswert“. 305  Vgl. exemplarisch für die verfassungsrechtliche Literatur Di Fabio, in: Maunz/ Dürig-GG92, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Rn. 37; Müller-Terpitz, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts3, S.  36 ff.; Dreier, in: Dreier-GG3, Art. 2 II Rn. 61; vgl. ferner. auch Hoyer, in: SK-StGB9, § 34 Rn. 48; Schneider, Tun und Unterlassen, S. 248 f.; Antoine, Aktive Sterbehilfe, S. 161 ff. 306  Vgl. etwa Dreier, in: Dreier-GG3, Art. 1 Rn. 69, 141 m.  w. N.; Murswiek/ Rixen, in: Sachs-GG8, Art. 2 Rn. 170; Herdegen, in: Maunz/Dürig-GG92, Art. 1 Abs. 1 Rn. 96; Di Fabio, in: Maunz/Dürig-GG92, Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 Rn. 14 ff.; Müller-Terpitz, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts3, S. 32 f., 36 ff.; ferner auch Antoine, Aktive Sterbehilfe, S. 161 ff.; Linke, Grundrechtliche Spannungslagen am Lebensende, S. 108; v. d. Pfordten, in: FS Merkel, S. 1031 (1042). 307  Ähnlich wie hier Linke, Grundrechtliche Spannungslagen am Lebensende, S. 108. 308  Nichts anderes wird, jedenfalls in manchen Staaten, auch für die Todesstrafe gelten, vgl. Eser, Sterbehilfe und Euthanasie – zur Diskussion aus rechtlicher Sicht, S. 4; ders., JZ 1986, 786 (789); Engisch, Der Arzt an den Grenzen des Lebens, S. 11. 309  Umfassend zu Ausnahmen vom Tötungsverbot Dreier, JZ 2007, 261 (261 ff.) und JZ 2007, 317 (317 ff.); ferner Eser, JZ 1986, 786 (789); Kühl, Jura 2009, 881 (881 ff.).



II. Eigene Lösung: § 34 StGB beim verlangten „Gnadenschuss“ 193

tung als solche tabuisiert – nur ist, als Ausnahme von der Regel, eben eine Rechtfertigung in besonderen Situationen möglich.310 Diese Möglichkeit ist verfassungsrechtlich auch geboten.311 „Absolut“ geschützt als „Höchstwert“ ist das Leben (nur) in dem Sinne, als dass jedes Leben, im Vergleich mit einem anderen, denselben Wert hat – damit ist eine saldierende Abwägung der Leben verschiedener Personen gegeneinander im Rahmen des § 34 StGB nicht zu rechtfertigen.312 Das gilt sowohl für eine qualitative Abwägung als auch für ein quantitatives InsVerhältnis-Setzen verschiedener Menschenleben,313 und selbst dann, wenn das geopferte Leben in jedem Fall unrettbar verloren ist.314 Der Einzelne kann nicht solidarisch zur Aufopferung seines Lebens gezwungen werden.315 Für solche Fälle, etwa im Zusammenhang mit der vieldiskutierten strafrechtlichen Bewertung eines hypothetischen Abschusses eines entführten Passagierflugzeuges durch die Luftwaffe,316 bleibt nach überwiegender Ansicht kein Raum für eine Rechtfertigung durch § 34 StGB.317 Eine Lösung wird in diesen Fällen im übergesetzlichen entschuldigenden Notstand zu finden sein.318 Sofern hierauf basierend aber eine ausnahmslose Unzulässigkeit von Tötungen im Rahmen des § 34 StGB behauptet wird, wird verkannt, dass es sich dabei nicht notwendig um Tötungen im Rahmen einer Leben-gegenLeben-Konstellation handeln muss. Keine Rückschlüsse lassen sich aus einem Abwägungsverbot zwischen mehreren Leben aber für solche Fälle ziehen, in denen gerade kein inter- sondern nur ein intrapersoneller Konflikt unter Beteiligung des Rechtsguts Leben von nur einer Person besteht.319 310  Vgl.

dazu bereits oben B. III. 1. b) bb) (2). verfassungsrechtlicher Sicht Lindner, JZ 2006, 373 (381, 383); ähnlich Antoine, Aktive Sterbehilfe, S. 387 ff., 394; auch Linke, Grundrechtliche Spannungslagen am Lebensende, S. 121 f. 312  Allgemeine Ansicht; statt vieler nur T. Fischer, StGB67, § 34 Rn. 14; Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 143 ff., insb. 147 f.; vgl. ferner Stiller, Sterbehilfe und assistierter Suizid, S. 236. 313  Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 147 f.; Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 74; Roxin/Greco, AT I5, S. 854 ff.; ausführlich Laber, Schutz des Lebens, S. 151 ff. 314  Zieschang, in: LK-StGB13, § 34 Rn. 110, 145; Wessels/Beulke/Satzger, AT49, S.  150 ff.; Roxin, Roxin/Greco, AT I5, S. 857. 315  Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 73; Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 143. 316  Vgl. hierzu insb. das Urteil zum LuftSiG, BVerfGE 115, 118; siehe auch bereits oben, C. I. 3. 317  Nw. oben in Fn. 129, S. 162. 318  Statt vieler Wessels/Beulke/Satzger, AT49, S. 151 f., 242 ff.; vgl. auch die weiteren Nw. oben in Fn. 130, S. 162. 319  Darauf weist, unter Bezugnahme auf den „LKW-Fall“, zu Recht Bott, In dubio pro Straffreiheit?, S. 30 f. hin; vgl. ferner auch Schneider, in: MüKo-StGB3, Vor § 211 311  Aus

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

Eine Abwägung der Leben verschiedener Menschen gegeneinander findet beim „Gnadenschuss“ überhaupt nicht statt: Vielmehr geht es hier (zunächst)320 um eine interne Kollision von Interessen desselben Rechtsgutsträgers. Hier wird niemand aufgrund der Interessen Dritter solidarisch zur Opferung seines Lebens gezwungen,321 sondern es ist gerade das eigene Interesse an einem vergleichsweise schmerzfreien Lebensende, dem durch die Tat eines Anderen zur Geltung verholfen werden soll. Das Lebensrecht des Sterbewilligen gegenüber Dritten bleibt dabei aber unangetastet.322 Wer dem Rechtsgut Leben indes auch bei intrapersonellen Konstellationen zwangsläufig einen abwägungsfesten „Höchstwert“ im eigenen Interesse des Rechtsgutträgers zumisst, der von keinem noch so gewichtigen Interesse derselben Person überwogen werden kann, muss im hier maßgeblichen Fall zu dem einigermaßen absurden Ergebnis gelangen, dem Verwundeten ein höheres Interesse zuzuschreiben, seine Todesqualen zu durchleben, als diesen durch den vorherigen Tod zu ­entgehen.323 R. Merkel bezeichnet diese Konsequenz treffend als abwegig, ­lebensfremd und inhuman.324 Sollen angesichts der Geltung des gesellschaftlichen „Tötungstabus“ überindividuelle Interessen in die Abwägung Einzug finden, ändert das erstens nichts daran, dass auch dann nur auf einer Seite der Abwägung das Leben des Sterbewilligen steht: Die gefürchtete Abwägung „Leben gegen Leben“ verschiedener Menschen erfolgt gerade nicht. Zweitens steht ein überindividuelles Interesse an der Aufrechterhaltung des Tötungstabus evident auf derselben Seite der Abwägung wie das Leben des Verwundeten, während auf Seite des „Erhaltungsguts“ ausschließlich Interessen des Betroffenen selbst (nämlich am Ende seiner Qualen) stehen, sodass es auch nicht um eine „externe“, qualitative Geringwertung eines Menschenlebens zugunsten der Interessen Dritter geht. Die „Wohltat“ (d. h. hier die Schmerzbefreiung) kommt stets dem Inhaber des betroffenen Lebens selbst zuguRn. 111; Streng, in: FS Frisch, S. 739 (753 f.); Rosenau, in: FS Roxin (2011), S. 577 (584 f.); Dreier, JZ 2007, 317 (322); C. Schneider, Tun und Unterlassen, S. 259 ff. 320  Zu etwaig betroffenen gesellschaftlichen Interessen siehe im Folgenden C. II. 2. b) bb), auch C. II. 5. b) bb). 321  Vgl. insoweit Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 73; ferner Mitsch, in: AnwKStGB3, § 216 Rn. 15. 322  Vgl. Neumann, in: NK-StGB5, Vor § 211 Rn. 139; R. Merkel, Früheuthanasie, S.  395 f.; ders., in: FS Schroeder, S. 297 (310 f.); ders., ZStW 1995, 545 (571 f.); ders., JZ 1996, 1145 (1151 f.); ferner auch Schneider, in: MüKo-StGB3, Vor § 211 Rn. 110. 323  Vgl. unter Bezugnahme auf den Fall eines in seinem Fahrzeug verbrennenden Kraftfahrers R. Merkel, in: Hegselmann/Merkel, Zur Debatte um Euthanasie, S. 71 (93). 324  R. Merkel, in: Hegselmann/Merkel, Zur Debatte um Euthanasie, S. 71 (93).



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te.325 Nochmals: Der richtigerweise als unzulässig betrachtete Fall einer Tötung um der Interessen Dritter willen ist hier nicht denkbar. Damit spricht letztlich nichts für eine ausnahmslose Unzulässigkeit von Tötungen im Rahmen des § 34 StGB. Auch der besondere Wert jedes menschlichen Lebens steht einer solchen nicht entgegen. Im Hinblick darauf wird das grundsätzlich bestehende Tötungstabu im Rahmen der Abwägung eine zentrale Rolle einnehmen müssen.326 Zu Recht führt auch Neumann an, dass auch die Beeinträchtigung der sozialen Geltung des Tötungstabus einer Abwägung nicht entzogen sein kann, sondern, mit dem Interesse des Sterbenden an der Befreiung von seinem Leid ins Verhältnis gesetzt, i. E. deutlich geringer wiegen wird.327 Wo im konkreten Fall eine Normerosion aber kaum denkbar ist, wird das gesellschaftliche Interesse an der Aufrechterhaltung des Tötungsverbots als ein rein abstraktes bei einer Abwägung in den Hintergrund treten müssen.328 Nichts anderes dürfte im militärischen Kontext auch für die Geltung des Schutzregimes des humanitären Völkerrechts im Hinblick auf den Schutz Verwundeter gelten. Eine pauschale Ablehnung von Tötungen im Rahmen des § 34 StGB findet jedenfalls keine tragfähige Grundlage. b) § 34 StGB bei intrapersonellen Interessenkollisionen aa) Kollidierende Interessen einer Person Wie bei allen vergleichbaren Fällen im Kontext der Sterbehilfe besteht für den „Gnadenschuss“ die Besonderheit, dass sich, jedenfalls prima facie, im Rahmen des § 34 StGB nur interne Interessen derselben Person gegenüberstehen. Lebensinteresse und Leidbeendigungsinteresse329 sind hier zwangsläufig gegenläufige Interessen des Verwundeten. Nach einer starken Ansicht soll die Identität des Trägers der widerstreitenden Interessen auf Eingriffsund Erhaltungsseite der Anwendbarkeit des § 34 StGB nach Wortlaut und Gesetzeszweck, zumindest in bestimmten Konstellationen, nicht entgegenstein: AnwK-StGB3, § 216 Rn. 15; ähnlich, wenngleich nur für die indirekte Sterbehilfe Zieschang, in: LK-StGB13, §§ 34 Rn. 147: „allein […] Besserstellung des Betroffenen selbst“. 326  Erb, in: FS Schünemann, S. 337 (345, 350); Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (584); vgl. auch ders., in: NK-StGB5, Vor § 211 Rn. 140; ferner Herzberg, NJW 1996, 3043 (3047). 327  Neumann, in: NK-StGB5, Vor § 211 Rn. 140; vgl. auch ders., in: FS Herzberg, S. 575 (584); zust. R. Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (321). 328  Ähnlich, jedenfalls im Ergebnis, Herzberg, NJW 1996, 3043 (3048); auch Neumann, in: NK-StGB5, Vor § 211 Rn. 140; wohl zust. R. Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (321). 329  Dazu ausführlich sogleich, C. II. 3. a), zusf. auch C. II. 5. a). 325  Mitsch,

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

hen.330 Der Wortlaut erfordert nur „widerstreitende Interessen“, egal welcher Person.331 Es ist durchaus möglich, dass eine Person zugleich über mehrere, gegenläufige Interessen verfügt – etwa im Hinblick auf sein Leben332 einerseits und die Erlangung von Schmerzfreiheit andererseits.333 Wo im Rahmen des § 34 StGB Eingriffe in die eigenen Interessen zugunsten fremder Inte­ resse bei deren wesentlichen Überwiegen zulässig sein können, muss dies erst recht bei Eingriffen zugunsten eigener Interessen des Betroffenen gelten.334 Hingegen lehnt der BGH die Anwendung des § 34 StGB auf einen intrapersonellen Interessenkonflikt ab, allerdings ohne dieses Ergebnis näher zu begründen.335 Literaturstimmen, die ebenfalls die Anwendung des rechtfertigenden Notstandes auf solche Konstellation zumindest im Grundsatz ablehnen,336 stützen sich hier im Wesentlichen auf das dem rechtfertigenden Notstand nach ganz überwiegender Auffassung zugrundeliegende Solidari­ tätsprinzip,337 das nur bei interpersonellen Konstellationen widerspruchslos 330  So die wohl h. L., dabei z. T. aber mit Beschränkung auf bestimmte Fallkonstellationen (dazu sogleich), vgl. nur Kühl, AT8, S. 251; ders., in: Lackner/Kühl29, § 34 Rn. 4; R.  Merkel, Früheuthanasie, S.  154 ff., 528 ff.; ders., in.: FS Schroeder, S. 297 (310); Wessels/Beulke/Satzger, AT49, S. 155; Zieschang, in: LK-StGB13, § 34 Rn. 111; Rengier, AT11, S. 187; Jakobs, AT2, S. 426, 449; Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (582 f., 589); ders, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 14, 16; Perron, in: S/S-StGB30, § 34 Rn. 8a; Roxin/Greco, AT I5, S. 882; Mitsch, in: AnwK-StGB3, § 216 Rn. 15; Bottke, Suizid und Strafrecht, S. 89; vgl. auch Kreicker in: Eser/Kreicker, Nationale Strafverfolgung völkerrechtlicher Verbrechen, Deutschland, S. 332 f., 333 Fn. 1458 mit einem Beispielfall eines Kriegsverbrechens. 331  Kühl, AT8, S. 251; Mitsch, in: AnwK-StGB3, § 216 Rn. 15; Bottke, Suizid und Strafrecht, S. 89. 332  Schon vorweggenommen sei hier, dass in der vorliegenden Situation der Verwundete überhaupt kein positiv bezifferbares Interesse an seiner qualvollen Restexistenz mehr haben wird, vgl. dazu C. II. 5. b) aa). 333  Vgl., wenngleich im Ergebnis eine intrapersonelle Anwendbarkeit des § 34 StGB ablehnend, auch Schmitz, Rechtfertigender Notstand bei internen Interessenkollisionen, S. 195. 334  R.  Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (310); ders., Früheuthanasie, S. 154; Rosenau, in: FS Roxin (2011), S. 577 (584); Zieschang, in: LK-StGB13, § 34 Rn. 111. 335  BGH NStZ 2010, 630, 631. 336  So etwa Duttge, in: HK-GS4, § 34 Rn. 9; Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch/ Eisele, Strafrecht AT12, S.  418 f.; Engländer GA 2010, 15 (21 ff.); ders., GA 2017, 242 (252); ders., in: M/R-StGB2, § 34 Rn. 8; Erb, in: FS Schünemann, S. 337 (350); ders., JuS 2010, 17 (19 f.); i. E. Schmitz, Rechtfertigender Notstand bei internen Interessenkollisionen, S.  181 f.; Pawlik, Der rechtfertigende Notstand, S. 103 Fn. 140; Wessels/Hettinger/Engländer, BT 143, S.  56 f. 337  Näher dazu und zu anderen Begründungen des § 34 StGB vor allem Neumann, in: v. Hirsch/Neumann/Seelmann, Solidarität im Strafrecht, S. 155 ff. (insb. 164 ff.); ders., in: NK-StGB5, § 34 Rn. 7 ff.; Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 9 f., jeweils m. w. N.



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greifen könne. Dieser Einwand überzeugt auch grundsätzlich. Niemand schuldet sich selbst eine „Mindestsolidarität“.338 Ein Akt intrapersoneller Abwägung unterfällt der individuellen Autonomie, die Rechtfertigung einer darauf beruhenden Handlung eines Dritten bestimmt sich, zumindest grundsätzlich, nach den Regeln der rechtfertigenden (tatsächlichen oder mutmaßlichen) Einwilligung.339 Einwilligung und § 34 StGB haben i. d. R. andere Anwendungsbereiche: Während die Einwilligung Ausdruck der autonomen Preisgabe eigener Rechtsgüter ist, schützt § 34 StGB regelmäßig im Konflikt verschiedener Interessen das Überwiegende.340 Indes spräche viel dafür, jedenfalls im Rahmen der Sterbehilfe, auch bei intrapersonellen Konstellationen eine Ausnahme zu machen: Zwar sind intrapersonelle Konflikte üblicherweise nach den Regeln der Einwilligung zu behandeln, um der autonomen Dispositionsbefugnis des Rechtsgutträgers Rechnung zu tragen.341 Im Hinblick auf die Autonomie des Rechtsgutsinhabers kommt bei Interessen ein und desselben Rechtsgutträgers ein Rückgriff auf § 34 StGB dann meist nicht Frage: Die Rechtsordnung kann dem Einzelnen nicht vorschreiben, wie er seine Interessen zu gewichten hat.342 Hier ist grundsätzlich allein die Einwilligung maßgeblich. Im Bereich der verlangten Sterbehilfe muss sich aber etwas anderes ergeben. Wo wegen § 216 StGB über das menschliche Leben nicht im Wege der Einwilligung verfügt werden kann, bestehen die Alternativen „Einwilligung“ und „Notstand“ gerade nicht.343 Da die autonome Interessengewichtung des Einzelnen dann nicht rechtfertigend „nach außen“ treten kann, weil die Einwilligung an der fehlenden Dispositionsbefugnis scheitert (§ 216 StGB), kann ein Ausschluss des Rückgriffs auf den Notstand hier nicht gelten.344 338  Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 33; ders., in: FS Schünemann, S. 337 (342); Duttge, in: HK-GS4, § 34 Rn. 9; Engländer, GA 2010, 15 (15 ff.). 339  Für einen grundsätzlichen Vorrang der Einwilligung vor § 34 StGB dann auch Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 33, 38 f.; Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (581); ders., in: NK-StGB5, § 34 Rn. 14; Mitsch, Rechtfertigung, S. 413 ff.; Kindhäuser/ Zimmermann, AT9, S.  174 f.; Kindhäuser/Hilgendorf, LPK-StGB8, § 34 Rn. 39; Roxin/ Greco, AT I5, S. 882; Perron, in: S/S-StGB30, § 34 Rn. 8a; Rosenau, in: S/S/W-StGB5, § 34 Rn. 15; Wessels/Beulke/Satzger, AT49, S. 155. 340  Kargl, in: Institut für Kriminalwissenschaften, Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts, S. 379 (387 f.); Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 14 ff. 341  Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (583); ders, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 14; Perron, in: S/S-StGB30, § 34 Rn. 8a; Roxin/Greco, AT I5, S. 882; R. Merkel, Früh­ euthanasie, S. 529. 342  Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 14. 343  Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (583); vgl. auch Roxin/Greco, AT I5, S. 882. 344  Vgl. R.  Merkel, Früheuthanasie, S.  154 ff.; Wessels/Beulke/Satzger, AT49, S. 155; Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (583); ders, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 14,

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

Der autonomen Entscheidung des Sterbewilligen kann überhaupt nur noch im Rahmen einer Interessenabwägung unter den Voraussetzungen des § 34 StGB Geltung verschafft werden.345 Die „Einwilligungssperre“ des § 216 StGB ist gerade der Grund, weshalb § 34 StGB anwendbar wird. Im Rahmen des § 216 StGB ist ein autonomes Einwilligungselement aufgrund des „ernstlichen Verlangens“ sowieso zwangsläufig vorhanden und wird notwendigerweise auch Teil der Interessenabwägung sein – eine aufgezwungene Gefahrenabwehr droht hier nicht.346. bb) Zusätzlich betroffene gesellschaftliche Interessen Unabhängig davon, ob man eine Notstandsrechtfertigung bei internen Interessenkollisionen ablehnt, oder, wofür die besseren Argumente sprechen, von deren Anwendbarkeit in besonderen Ausnahmefällen ausgeht, wird es für den vorliegenden Fall maßgeblich auf das Verständnis des § 216 StGB ankommen: Wo, wie hier, von einer primären überindividuellen Schutzfunktion des § 216 StGB im Hinblick auf das Tötungstabu ausgegangen wird, genügt bereits diese Feststellung, um die Anwendbarkeit des § 34 StGB zu begründen: Die verlangte Tötung berührt demnach nämlich auch überindividuelle Inte­ ressen. Insoweit liegt dann beim „Gnadenschuss“, wie bei aktiver Sterbehilfe generell, entgegen dem ersten Anschein, kein rein intrapersoneller Interessenkonflikt vor.347 Das Tötungstabu ist zumindest potentiell betroffen: Bei der Tötung auf Verlangen steht grundsätzlich das gesellschaftliche Normstabilisierungsinteresse dem Interesse des Verlangenden an seiner Tötung entgegen – beim „Gnadenschuss“ kommt noch ein überindividuelles Interesse an der Geltung der Regeln des humanitären Völkerrechts hinzu. Auf Bedeutung und Gewicht dieser gegenläufigen Interessen des Betroffenen und der Gesellschaft im konkreten „Gnadenschuss“-Fall wird im Rahmen einer Interessenabwägung zurückzukommen sein. Letztlich wird die Rechtsordnung aber – solidarisch – auf die Kriminalisierung einer verlangten Tötung verzichten 16, 32; Perron, in: S/S-StGB30, § 34 Rn. 8a; Rosenau, in: FS Roxin (2011), S. 577 (584); ders., in: S/S/W-StGB5, § 34 Rn. 15; Roxin/Greco, AT I5, S. 882; Chatzikostas, Disponibilität, S.  64 f. 345  Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (583, 589  f.); ders, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 16. 346  Mitsch, in: AnwK-StGB3, § 216 Rn. 15. 347  Vgl. allgemein für aktive Sterbehilfe Erb, in: FS Schünemann, S. 337 (345, 350); Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (582 f.); vgl. auch Rieger, Die mutmaßliche Einwilligung, S. 77; ähnlich wie hier E. Fischer, Recht auf Sterben?!, S. 252 f., 261; auch Stiller, Sterbehilfe und assistierter Suizid, S. 224 f.



II. Eigene Lösung: § 34 StGB beim verlangten „Gnadenschuss“ 199

müssen, wenn das Interesse des Verwundeten an der Beendigung seiner Qualen solche Interessen wesentlich überwiegt.348 c) Einwilligungssperre des § 216 StGB und rechtfertigender Notstand Ferner wird angeführt, dass die „Einwilligungssperre“ des § 216 StGB durch Anwendung des § 34 StGB umgangen würde.349 Auch dieses Argument geht fehlt. § 216 StGB verbietet die Einwilligung in die eigene Tötung, und auch nur diese.350 Über andere Rechtfertigungsgründe wird keine Aussage getroffen.351 § 34 StGB gilt grundsätzlich für alle Tatbestände des Besonderen Teils, warum für die Tötung auf Verlangen etwas anderes gelten sollte als für alle anderen Tatbestände, ist unklar.352 Die in § 216 StGB verankerte „Einwilligungssperre“ stellt nur klar, dass eine subjektive Sterbeentscheidung in Form eines Tötungsverlangens allein nicht genügt, um eine Tötung zu rechtfertigen.353 Eine Anwendung des § 34 StGB setzt sich nicht über die Vorgaben des § 216 StGB hinweg, da zwar die Tötung auch bei gesteigertem Konsens, d. h. bei ernstlichem Verlangen, strafbar ist, aber keine Aussage über Konstellationen getroffen wird, in denen zusätzlich zum unerlässlichen Verlangen des Opfers weitere, objektive Umstände in einer außergewöhnlichen Situation hinzutreten.354 Aus § 216 StGB eine vollständige Rechtfertigungssperre abzuleiten, findet keine tragbare Stütze.355 Wer dies behauptet, schließt schon aus der bloßen 348  Vgl. Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (582 f.); ders., in: v. Hirsch/Neumann/ Seelmann, Solidarität im Strafrecht, S. 155 (168); ders., in: NK-StGB5, § 34 Rn. 16, 37 f.; ähnlich Erb, in: FS Schünemann, S. 337 (345). 349  Etwa Ingelfinger, Grundlagen und Grenzbereiche, S. 246; Duttge, in: HK-GS4, § 34 Rn. 9. 350  Ebenso R.  Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (309); vgl. auch ders., JZ 1996, 1145 (1151); Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (584); kritisch zu Ingelfinger auch Neumann, ZStW 2006, 743 (753). 351  Vgl. Geilen, in: FS Bosch, S. 277 (287); ferner ähnlich wie hier Stiller, Sterbehilfe und assistierter Suizid, S. 235, 241. 352  Herzberg, NJW 1986, 1635 (1639); zust. Schneider, Tun und Unterlassen, S.  280 f.; auch Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (580). 353  Vgl. Herzberg, NJW 1986, 1635 (1639); Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 57; Schneider, Tun und Unterlassen, S. 280 ff.; Mitsch, in: AnwK-StGB3, § 216 Rn. 13; Eser/Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, § 216 Rn. 15a; R. Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (309); ders., Früheuthanasie, S. 413. 354  Vgl. ähnlich R. Merkel, Früheuthanasie, S. 413. 355  So im Ergebnis Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (584); ders., ZStW 2006, 743 (753); Herzberg, NJW 1986, 1635 (1639); vgl. auch insb. R.  Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (306, 309): „schon logisch unerfindlich“; ähnlich auch ders., JZ 1996, 1145 (1151).

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

Existenz einer Verbotsnorm (§ 216 StGB), die eine bestimmte Art der Rechtfertigung ausschließt (die Einwilligung), auf ein endgültig feststehendes Unrecht der entsprechenden Tat – das kann nicht richtig sein, will man die Trennung von Tatbestand und Rechtswidrigkeit nicht aufgeben.356 Denn ­allein mit der Verwirklichung des Tatbestandes ist die Unrechtsfrage selbst noch nicht entschieden.357 Ansonsten würde, ohne gesetzliche Basis, dem Täter vorschnell eine Rechtfertigungsmöglichkeit versagt.358 Durch eine Notstandsrechtfertigung wird die „Einwilligungssperre“ auch schon deshalb nicht übergangen, weil Einwilligung und Notstand unterschiedliche Voraussetzungen und Anwendungsbereiche haben und ihnen andere Wertungen zu Grunde liegen.359 Dabei kann im Rahmen der in § 34 StGB erforderlichen Interessenabwägung die besondere Bedeutung des Rechtsguts Leben vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Tötungstabus sachgerecht berücksichtigt werden. In der Interessenabwägung kommt es dann nämlich, anders als bei der gesperrten Einwilligung, zwar maßgeblich, aber eben nicht nur auf die autonome Entscheidung zur Preisgabe des Rechtsguts an. Kumulativ dazu ist auch die Berücksichtigung und Gewichtung betroffener überindividueller Interessen, dies alles vor dem Hintergrund der objektiven Umstände der besonderen Situation des konkreten Falles, möglich. Festzuhalten ist, dass § 34 StGB keinesfalls den subjektiven Willen des Betroffenen überspielen kann,360 sondern nur dazu dient, der subjektiven Präferenz des Betroffenen, trotz der grundsätzlichen Sperre des § 216 StGB, unter bestimmten Voraussetzungen Geltung zu verschaffen.361 Im Ergebnis sperrt § 216 StGB eben nur die rechtfertigende Einwilligung in die eigene Tötung, nicht mehr und nicht weniger.362

356  Richtig Schneider, Tun und Unterlassen, S. 280; ähnlich Schork, Ärztliche Sterbehilfe, S. 249; E. Fischer, Recht auf Sterben?!, S. 251. 357  Herzberg, NJW 1986, 1635 (1639). 358  Herzberg, NJW 1986, 1635 (1639); zust. Schork, Ärztliche Sterbehilfe, S. 249. 359  Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (584); ders., ZStW 2006, 743 (753); Kargl, in: Institut für Kriminalwissenschaften, Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts, S. 379 (387); vgl. ferner Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 57; ders., Tun und Unterlassen, S. 281; Schork, Ärztliche Sterbehilfe, S. 249; siehe zum Verhältnis zwischen § 34 StGB und der Einwilligung auch bereits oben, C. II. 2. b) aa). 360  Dies befürchtet etwa Schmitz, Rechtfertigender Notstand bei internen Interessenkollisionen, S. 196. 361  Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 16; ders., in: FS Herzberg, S. 575 (583); vgl. auch bereits oben, C. II. 2. b) aa). 362  Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 18; R.  Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (309).



II. Eigene Lösung: § 34 StGB beim verlangten „Gnadenschuss“ 201

3. Notstandslage: Gefahr für ein notstandsfähiges Rechtsgut Wenn Zweifel an der Anwendbarkeit des rechtfertigenden Notstandes auf Fälle des „Gnadenschusses“ also unbegründet sind, müssen im Folgenden die Voraussetzungen des § 34 StGB ausführlich geprüft werden. Zunächst muss eine Gefahr für ein notstandsfähiges Rechtsgut vorliegen. a) Notstandsfähiges Rechtsgut („Erhaltungsgut“) Im Rahmen des § 34 StGB ist jedes beliebige Rechtsgut (als „Erhaltungs­ gut“363) notstandsfähig, die Aufzählung in S. 1 (Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Eigentum) ist nur exemplarisch und räumt den genannten Rechtsgütern keine besondere Stellung ein.364 Notstandsfähig ist bereits jedes rechtlich geschützte Interesse des Täters oder eines Dritten (dann: Notstandshilfe), es muss sich nicht zwingend auch um unmittelbar durch das Strafrecht geschützte Rechtsgüter handeln.365 Zumindest primär findet § 34 StGB zum Schutz individueller Rechtsgüter Anwendung.366 Für den hier diskutierten Fall kommen verschiedene Rechtsgüter bzw. rechtlich geschützte Interessen des Verwundeten als „Erhaltungsgut“ im Rahmen des § 34 StGB in Betracht: aa) Schmerzfreiheit im Tod Der „Gnadenschuss“ weist die Besonderheit auf, dass der Erfolg der Notstandshandlung, zumindest auf den ersten Blick, nicht der Erhaltung eines Rechtsguts dient, sondern dass der Verwundete, also der Inhaber aller seiner Rechtsgüter selbst, getötet wird. Wäre darauf abzustellen, dass gerade der Tod als solcher Teil der Notstandsabwägung sei,367 so fiele es in der Tat schwer, überhaupt von einem „Erhaltungsgut“ zu sprechen: Es wäre schon 363  Die Begriffe „Erhaltungs-“ und „Eingriffsgut“ findet sich so nicht im Gesetz, werden aber bei § 34 StGB häufig zur Umschreibung verwendet, vgl. nur bei Perron, in: S/S-StGB30, § 34 Rn. 8; Kühl, in: Lackner/Kühl29, § 34 Rn. 1, 4; Momsen/Savic, in: BeckOK-StGB48, § 34 Rn. 5 f.; Rengier, AT11, S. 183. Nach Ingelfinger, Grund­ lagen und Grenzbereiche, S. 249 Fn. 39 sollen die Begriffe auf Küper, JZ 1976, 515 (516) zurückzuführen sein. 364  Vgl. nur Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 65; T. Fischer, StGB67, § 34 Rn. 5, jeweils m. w. N. 365  Perron, in: S/S-StGB30, § 34 Rn. 9; Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 23. 366  Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 22. 367  Zunächst etwas missverständlich formuliert insofern Herzberg, NJW 1996, 3043 (3043): „[…] nicht die bloße Befreiung von Schmerzen, sondern der Tod selbst oder besser: die Erlösung im Tod […]“.

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

begrifflich absurd, den Tod als „Erhaltungsgut“ zu verstehen – dieser tritt schließlich in jedem Fall ein. Eher wäre es denkbar, auf eine durch die Tötung erreichte Abkürzung und Beendigung des Leidenszustandes abzustellen. „Erhaltungsgut“ ist dann die Freiheit von Schmerzen.368 Auch der BGH bezeichnet „die Ermöglichung eines Todes in Würde und Schmerzfreiheit“ als Rechtsgut bei § 34 StGB.369 Der Gedanke, dass ein „schnelles Ende“ schlimmsten Qualen vorzuziehen wäre, wird ferner nicht nur allgemein akzeptiert, sondern findet sich auch in der Rechtsordnung: Nicht ohne Grund ist eine grausame Tötung, die dem Opfer stärkere bzw. längere Schmerzen bereitet, als zur Tötung erforderlich, als Mord zu bestrafen. Die Rechtsordnung geht also davon aus, dass der Tod unter schlimmsten Schmerzen weitaus schwerer wiegt als der „bloße“ Tod als solcher. In dem hier vorliegenden Fall ist das geschützte Interesse, dem die Tötungshandlung letztlich dient, die alsbaldige Beseitigung der Schmerzen des Sterbenden – mittels seiner Tötung, d. h. die zeitliche Abkürzung – und damit Verringerung – seiner Qualen. Die Freiheit von Schmerzen ist ein durch Art. 2 Abs. 1 S. 1 GG370 und auch strafrechtlich, z. B. mit den §§ 223 ff. StGB, geschütztes Interesse.371 So verletzt insbesondere eine unterlassene Schmerzbehandlung das körperliche Wohl.372 Vorliegend kann aber nicht unterschlagen werden, dass es schon begrifflich, jedenfalls auf den ersten 368  Zu Recht auf die Schmerzfreiheit bzw. das Interesse an der Leidbeendigung als Abwägungsgut verweisen Schmitz, Rechtfertigender Notstand bei internen Interessenkollisionen, S.  58 f.; v. Dellingshausen, Sterbehilfe und Grenzen, S.  291 ff.; Geilen, Euthanasie und Selbstbestimmung, S. 26; Kargl, in: Institut für Kriminalwissenschaften, Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts, S. 379 (384); auch R.  Merkel, Früh­ euthanasie, S. 543; ders., in: FS Schroeder, S. 297 (311 f., 320 f.); ders., in: Hegselmann/Merkel, Zur Debatte über Euthanasie, S. 71 (93 ff., 96); Maurach/Schroeder/ Maiwald, BT 111, S. 26; Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (584 f.); Neumann, ZStW 2006, 743 (753 f.); Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 16 ff., 85, Vor § 211 Rn. 103, 139, § 216 Rn. 19; Dörr, Dogmatische Aspekte der Rechtfertigung, S. 62 f.; Eser/ Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 211 ff. Rn. 25, § 216 Rn. 15a; Schork, Ärztliche Sterbehilfe, S. 250; Sinn, in: SK-StGB9, § 216 Rn. 20; so letztlich auch Herzberg, NJW 1996, 3043, (3047 f.); ders., NJW 1986, 1635 (1639 f.). 369  BGHSt 42, 301 (305), unter Bezugnahme auf Kutzer, NStZ 1994, 110 (115) und dens., in: FS Salger S. 663 (672). 370  Vgl. Di Fabio, in: Maunz/Dürig-GG92, Art. 2 Abs. 2 Satz  1 Rn. 55; Stark, in: M/K/S-GG7, Art. 2 Rn. 194; Murswiek/Rixen, in: Sachs-GG8, Art. 2 Rn. 150. 371  Vgl. Joecks (Hardtung), in: MüKo-StGB3, § 223 Rn. 13; Eser/Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 211 ff. Rn. 23; Roxin, in Roxin/Schroth, Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (85 f.); v. Dellingshausen, Sterbehilfe und Grenzen, S. 291. 372  Vgl. OLG Düsseldorf NStZ 1989, 269 (269); OLG Hamm NJW 1975, 604 (604 f.); Uhlenbruck, MedR 1993, 296 (298); Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, § 223 Rn. 5; Eser/Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 211 ff. Rn. 23; Roxin, in: Roxin/



II. Eigene Lösung: § 34 StGB beim verlangten „Gnadenschuss“ 203

Blick, problematisch erscheint, die Schmerzfreiheit im Tod als ein „körper­ liches Wohl“ zu erfassen, wenn kein (diesseitig) erlebbarer Wohlseins-Zustand mehr folgen kann. (1) Kein „Erhaltungsgut“ bei Tötung des Subjekts? Die größte Schwierigkeit bereitet also die Tatsache, dass durch die Tötung der Rechtsgutträger selbst ausgelöscht wird. In der neueren Literatur unterstellt vor allem Ingelfinger, unter Bezugnahme auf Möllering373 und Eser374, dass bei einer Leidbeendigung durch Tötung überhaupt kein „Erhaltungsgut“ vorläge, da es nicht darum ginge, ein Rechtsgut zu bewahren, sondern nur darum, den Tod schnellstmöglich herbeizuführen, um den aktuellen, als ­beendigungswürdig empfundenen, Lebens-Zustand zu beenden.375 Der Tod als solcher könne dabei aber nur dann als etwas Positives gelten, wenn das ­Leben negativ, also als „lebensunwert“ zu qualifizieren wäre.376 Letztlich soll, jedenfalls bei Annahme der Schmerzfreiheit als „Erhaltungsgut“, ein „normlogischer Widerspruch“ vorliegen, da die Tötung nicht nur die Schmerzen, sondern gerade auch die Person, der die Tat gerade zu Gute kommen soll, beseitigt.377 Tatsächlich greift eine solche Betrachtungsweise aber zu kurz: Finales Ziel der Tötung ist es gerade nicht, die Existenz des Verwundeten als vermeintlich „lebensunwertes Übel“ schnellstmöglich auszulöschen, sondern dessen nicht anders bekämpfbare Schmerzen zu stillen – nur eben mittels seiner Tötung. Natürlich ist der Tod des Verwundeten damit durchaus das Ziel der Handlung im Sinne einer vorsätzlichen Tötung – aber eben nur deshalb, weil diese, auf einer zweiten Ebene, im konkreten Fall das einzige Mittel zum Schroth, Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (85 f.); Knauer/Brose, in: Spickhoff, Medizinrecht3, § 223 StGB Rn. 3. 373  Möllering, MedWelt 1974, 1254 (1257 f.); ders., Schutz des Lebens – Recht auf Sterben, S. 40. 374  Eser, in: Eid, Euthanasie2, S. 45 (63); ders., in: Auer/Menzel/Eser, Zwischen Heilauftrag und Sterbehilfe, S. 75 (91). 375  Ingelfinger, ZfL 2005, 38 (39); ders., JZ 2006, 821 (822); ders., Grundlagen und Grenzbereiche, S. 249 f.; ähnlich ferner auch Laber, Schutz des Lebens, S. 195; Schmoller, ÖJZ 2000, 361 (368). 376  Ingelfinger, Grundlagen und Grenzbereiche, S. 251, 255. 377  Eser, in: Eid, Euthanasie2, S. 45 (63); ders., in: Auer/Menzel/Eser, Zwischen Heilauftrag und Sterbehilfe, S. 75 (91); Möllering, MedWelt 1974, 1254 (1257 f.); ders., Schutz des Lebens – Recht auf Sterben, S. 40; Laber, Schutz des Lebens, S. 195; ähnlich Schmoller, ÖJZ 2000, 361 (367 f.); vgl. auch Hirsch, in: FS Lackner, S. 597 (609); ferner auch Spaemann, in: Spaemann/Fuchs, Töten oder sterben lassen?, S. 12 (19): „Der Versuch sich vom Leid zu befreien, hat immer befreites Leben zum Ziel.“

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

Zweck der Schmerzbeendigung darstellt.378 Die Schmerzfreiheit ist, was letztlich erreicht werden soll. Wenn der Tod im Extremfall gegenüber dem Leben vorzugswürdig erscheint, dann nicht etwa deshalb, weil das Leben des Verwundeten „objektiv lebensunwert“ ist – dies wäre ohne Frage unzulässig –, sondern nur deshalb, weil der aktuelle Zustand subjektiv vom (noch lebenden) Leidenden so eingestuft wird und die entsprechend gewünschte Tötung auch objektiv unter den gegebenen Umständen die einzig verbleibende Möglichkeit der Schmerzbeendigung darstellt, als solche aber den Taterfolg „Tod“ zwingend voraussetzt. Das zu beendende „Übel“ ist tatsächlich der andauernde Schmerz, nicht das Leben als solches. Objekt der subjektiv negativen Bewertung durch den Verwundeten ist zunächst auch nicht sein Leben, sondern sein Leid. Wo sich restliches Leben und ein dieses vollständig ausfüllender Schmerzzustand aber nicht mehr trennen lassen, sondern zu einem einzigen, subjektiv als nicht lebenswert empfundenen Zustand verschmelzen, beendet nur die Tötung – neben dem Leben – auch das Leid. Wenn aufgrund des dabei zwingend eintretenden Lebensendes des Rechtsgutsträgers behauptet wird, auch die Tötung als Mittel der Leidbeendigung, „erhalte“ nichts im Sinne des „Erhaltungsguts“,379 so hilft die begrifflich spitzfindige Gegenüberstellung von „Beendigung“ und „Erhaltung“ nicht weiter. Hier wird dem Begriff des „Erhaltungsguts“, der, obwohl in der Literatur anerkannt, sich nicht im Gesetz findet, zu viel Bedeutung zugemessen. Der Wortlaut des § 34 StGB kennt nur das „geschützte Interesse“. Dieser Begriff lässt sich widerspruchslos auch auf die Leidbeendigung anwenden, der Wortlaut steht dem nicht entgegen.380 Dass durch die Schmerzbeendigung auch der Träger des Interesses, also das Subjekt selbst, ausgelöscht wird, ist nicht notwendigerweise paradox: Wer tot ist, leidet keine Schmerzen. Es handelt sich beim Tod nur vordergründig um einen Zustand, in dem ein „Denken in den Kategorien Schmerz und Wohlbefinden nicht mehr möglich ist.“381 Dass ein Denken in den ge378  Vgl. auch R. Merkel, in: FS Schroeder, S. 299 (311), der (bei indirekter und direkter Sterbehilfe) zwischen der Hauptfolge „Leidbeendigung“ und der, im Falle direkter Tötung zeitgleich eintretenden, Nebenfolge „Tod“ unterscheidet; siehe ferner Rönnau, in: LK-StGB13, Vor §§ 32 ff. Rn. 368: „Der Tod ist hier Mittel zum Zweck der Leidensbeendigung“. 379  Ingelfinger, JZ 2006, 821 (822); ders., ZfL 2005, 38 (39); ders., Grundlagen und Grenzbereiche, S. 249 ff.; vgl. auch Möllering, MedWelt 1974, 1254 (1257 f.); ders., Schutz des Lebens – Recht auf Sterben, S. 40: Eser, in: Eid, Euthanasie2, S. 45 (63). 380  Vgl. Mitsch, in: AnwK-StGB3, § 216 Rn. 15. 381  Möllering, MedWelt 1974, 1254 (1257  f.); Möllering, Schutz des Lebens – Recht auf Sterben, S. 40; zust. Laber, Schutz des Lebens, S. 195; vgl. ferner Ingelfinger, Grundlagen und Grenzbereiche, S. 249 ff.



II. Eigene Lösung: § 34 StGB beim verlangten „Gnadenschuss“ 205

wohnten Kategorien nicht genauso wie in anderen Fällen möglich ist, ist gerade der extremen Situation geschuldet.382 Insofern besteht eben kein zwingender Widerspruch zwischen Schmerz- und Lebensbeendigung.383 Denn die Gegenüberstellung von aktuell empfundenen Schmerz und zukünftig aktiv erlebbarem Wohlbefinden ist wegen Unmöglichkeit letzterer an der Grenze von Leben und Tod nicht mehr möglich.384 Was bleibt, ist nur die gewünschte Schmerzbeendigung allein. (2) Schmerzfreiheit im Tod als Beendigung eines negativen Zustandes Im Hinblick auf das in solchen Fällen zu erreichende „Wohl“ wird es also entscheidend auf den Blickwinkel ankommen: Ein „Wohl“ lässt sich auch so verstehen, dass nicht notwendig ein positiv zu bewertender (wahrnehmbarer!) „Wohlseins-Zustand“ erreichbar sein muss.385 Vielmehr maßgeblich ist doch der Schutz vor (aktueller und zukünftiger) Beeinträchtigung.386 Stellt man entsprechend auf die Beeinträchtigung durch den Schmerz ab, so endet diese fraglos mit dem Tod. Dass dann künftig auch keine (diesseitigen) positiven Empfindungen mehr möglich sind, ist unschädlich: Der Wunsch, sich bestimmte negative Erfahrung zu ersparen, setzt nicht voraus, stattdessen irgendwelche anderen (positiven) zu erleben.387 Die jenseitigen Gegebenheiten, so sie existieren, sind dem Verfasser dieser Arbeit unbekannt. Für unsere Zwecke muss das Diesseitige genügen. Insofern ist die Feststellung aber klar: Wer tot ist, empfindet nichts. Dass er auch keine positiven Erlebnisse v. Dellingshausen, Sterbehilfe und Grenzen, S. 294. v. Dellingshausen, Sterbehilfe und Grenzen, S. 293; R.  Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (311); Chatzikostas, Disponibilität, S. 66. 384  v. Dellingshausen, Sterbehilfe und Grenzen, S. 294; zust. Chatzikostas, Disponibilität, S.  66 f. 385  Schmitz, Rechtfertigender Notstand bei internen Interessenkollisionen, S. 58; erwähnenswert ist noch Dörr, Dogmatische Aspekte der Rechtfertigung, S. 63, die bei einer Tötung von einer Wahrung des „Erhaltungsguts“ für eine juristische Sekunde ausgeht; ablehnend zu einer solchen Konstruktion letztlich zu Recht aber Ingelfinger, Grundlagen und Grenzbereiche, S. 250; ähnlich Chatzikostas, Disponibilität, S. 66. Nicht überzeugen kann ferner ein von Schork, Aktive Sterbehilfe, S. 253 vorgeschlagenes Abstellen auf ein positiv erlebbares Gefühl der Erleichterung aufgrund der nahenden Erlösung durch den Notstandstäter. Denn es ist schon keinesfalls zwingend, dass das seine Tötung verlangende Opfer vor der Tötung stets erkennt und wahrnimmt, dass ihm nun tatsächlich „geholfen“ wird. Genauso gut sind Fälle denkbar, in denen der Täter den Leidenden ohne weitere zeitliche Verzögerung direkt tötet und/ oder die Tötung aus größerer Distanz erfolgt usw. 386  Vgl. Schmitz, Rechtfertigender Notstand bei internen Interessenkollisionen, S. 58; R.  Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (311 f.); Dörr, Dogmatische Aspekte der Rechtfertigung, S.  62 f. 387  So auch Hoerster, NJW 1986, 1786 (1791). 382  Vgl. 383  Vgl.

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

mehr hat – sondern, zumindest auf dieser Welt, überhaupt keine –, steht einem Verständnis der Schmerzfreiheit als geschütztem Interesse i. S. d. § 34 StGB nicht entgegen.388 Das erwünschte „Wohl“ für den Leidenden ist (nur noch) die Beendigung des Leids,389 also die Freiheit von einer Beeinträchtigung – genauer: Die Verkürzung des Leids auf das unvermeidbare Maß. Völlig richtig führt R. Merkel an, dass Kategorien von „Wohl“ und „Übel“ jeweils in zwei Formen auftreten können: (1.) als Handlungen, die ein angenehmes bzw. unangenehmes Erleben schaffen; und (2.) als solche, die einen angenehmen bzw. unangenehmen Zustand beenden, also seine Fortdauer für die Zukunft verhindern.390 Letztere Form ist hier maßgeblich. Die „Beendigung“ des Leidenszustandes, durch Beendigung des Lebens, ermöglicht in Zukunft zwar kein schmerzfreies Leben, aber doch die Schmerzfreiheit als solche (im Tod)– und erhält diese dauerhaft. Jede Beendigung eines negativen Zustandes schafft (und „erhält“) einen neuen Zustand, in dem der zuvor bestehende nicht mehr vorliegt.391 Das „Wohl“ ist hier nichts anders als das Ende der Qualen. Die Tötung schützt das Interesse an der Schmerzfreiheit, indem die Schmerzerfahrung beendet und für alle Zukunft verhindert wird.392 Weiter reicht das Interesse des Sterbenden in den hier diskutierten Fällen auch nicht.393 Zwar ist es richtig, dass Gefühle und Empfindungen ohne die empfindende Person nicht bestehen können.394 Ein Toter hat kein Interesse an der Schmerzfreiheit, sondern ist nicht mehr fähig, überhaupt Interessen zu haben.395 Tatsächlich kommt es hier aber nicht auf irgendwelche hypothetischen Interessen eines Toten an, sondern allein auf das unbestreitbare, aktuell vorliegende Interesse des noch Lebenden an der Beendigung der Schmerzempfindung.396 Im vorliegenden Fall ist das „Nichtempfinden“ im Tod für 388  Dass insbesondere auch der Wortlaut des § 34 StGB diesem Verständnis nicht entgegensteht, führt Mitsch, in: AnwK-StGB3, § 216 Rn. 15 zutreffend an. 389  Ähnlich v. Dellingshausen, Sterbehilfe und Grenzen, S. 293. 390  R. Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (311). 391  Vgl. Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (584 ff.); R. Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (311); ders., Früheuthanasie, S. 198. 392  Vgl. Schmitz, Rechtfertigender Notstand bei internen Interessenkollisionen, S.  58 f.; v. Dellingshausen, Sterbehilfe und Grenzen, S.  293 f.; R.  Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (311); ähnlich Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (584 ff.); zust. Dörr, Dogmatische Aspekte der Rechtfertigung, S. 62 f. 393  Vgl. Chatzikostas, Disponibilität, S. 66. 394  Möllering, MedWelt 1974, 1254 (1257); ders., Schutz des Lebens – Recht auf Sterben, S. 40. 395  Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (584). 396  Vgl. Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (584  f.); ders., ZStW 2006, 743 (753 f.); ferner R. Merkel, Früheuthanasie, S. 198; ähnlich wie hier auch Stiller, Sterbehilfe und assistierter Suizid, S. 226.



II. Eigene Lösung: § 34 StGB beim verlangten „Gnadenschuss“ 207

den Betroffenen subjektiv vorzugswürdig. Es geht dem Verwundeten realistischerweise längst nicht mehr um ein zukünftiges, schmerzfreies (Er-)Leben – angesichts seines Zustandes wäre dies ausgeschlossen – sondern gerade und nur um das alsbaldige Ende seiner Qualen, auch um den Preis seiner (sowieso gewissen) Existenzbeendigung.397 Dass es sich dabei um ein nur allzu reales Interesse des Sterbenden handelt, kann nicht bezweifelt werden, führt man sich seine Qualen vor Augen.398 Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Beendigung des Schmerzzustandes plausibel und widerspruchslos als notstandsfähiges Rechtsgut im Sinne des § 34 StGB betrachtet werden kann. Die Gegenansicht auf Basis eines vermeintlichen begrifflichen Widerspruches wirkt, vor dem Hintergrund der Qualen des um Erlösung flehenden Menschen, bemüht, wenn nicht gar zynisch.399 bb) Selbstbestimmtes Sterben Ferner wäre es denkbar, auch in Fällen aktiver, direkter Sterbehilfe das Selbstbestimmungsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG als geschütztes Interesse zu betrachten.400 Insofern ließe sich gewissermaßen das Sterbeverlangen selbst, angesichts starker Schmerzen, als Ausfluss der Autonomie des Betroffenen verstehen, dem im Wege der Interessenabwägung zur Geltung verholfen werden soll.401 Auch das Bundesverfassungsgericht hat jüngst in seiner Entscheidung zur Nichtigkeit des § 217 StGB aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ein „Recht auf selbstbestimmtes Sterben“ abgeleitet, welches das Recht auf Selbsttötung einschließen soll, gerade auch unter Mithilfe Dritter.402 Indes wird schon durch den Wortlaut des § 216 StGB klargestellt, dass die Selbstbestimmung jedenfalls dort ihre Grenzen erreicht, wo eine direkte, aktiven Tötung durch den Dritten verlangt wird. Eine gewünschte Fremdtötung allein aufgrund der autonomen Entscheidung des Opfers kann nicht zur Rechtfertigung des Täters führen.403 397  Ähnlich Chatzikostas, Disponibilität, S. 66, v. Dellingshausen, Sterbehilfe und Grenzen, S. 293; vgl. auch Hoerster, NJW 1986, 1786 (1791). 398  Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (585); ders., in: ZStW 2006, 743 (753 f.); R. Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (312). 399  So überzeugend Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (584 f.); ähnlich kritisch auch R. Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (312): „Sphäre der blanken Unmoral“. 400  So vor allem Chatzikostas, Disponibilität, S. 317 ff.; auch E. Fischer, Recht auf Sterben?!, S. 257, 260 ff. 401  Vgl. Chatzikostas, Disponibilität, S. 317 ff., insb. 323 ff. 402  BVerfG, NJW 2020, 905 (1. Ls., 907 f.); vgl. auch zuvor bereits BVerwG, NJW 2017, 2215 (2217 f.). 403  Vgl. R. Merkel, in: Heinrich-Böll-Stiftung, Selbstbestimmung am Lebensende, S. 27 (31); weitere Nw. oben in Fn. 353, S. 199.

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

Im Gegensatz zu Fällen im Bereich der ärztlichen Sterbehilfe steht beim „Gnadenschuss“ aber auch keine, ggf. die Autonomie des Betroffenen missachtende Handlung Dritter, etwa durch Fortsetzung einer ungewollten, lebens- und leidensverlängernden Therapie im Raum. Es geht in Fällen aktiver direkter Tötung nicht um eine selbstbestimmte „Behandlungsfreiheit“ oder die persönliche, wunschgemäße Gestaltung des eigenen Lebensendes als Ausdruck des freien Willens.404 Zwar wird es in unserem Fall im Ergebnis durchaus um die Durchsetzung des Sterbeverlangens des Betroffenen gehen, aber eben nicht als „Selbstzweck“ bzw. „Selbstverwirklichung“ oder weil das (im Bereich der Tötung auf Verlangen sowieso begrenzte) Selbstbestimmungsrecht zuvor verletzt wurde, sondern, mangels einer tragbaren Alternative, um schwerstes Leid zu beenden. Nicht die Autonomie, sondern die Schmerzfreiheit (als letztes Ziel) ist maßgebliches Interesse des Verwundeten.405 Sein Selbstbestimmungsrecht findet in der Abwägung dann aber insoweit Berücksichtigung, als dass ein „Gnadenschuss“ ohne den ausdrücklichen (oder, in anderen Fällen, zumindest mutmaßlichen)406 Willen als unverzichtbares Element jeder Lösung nicht zu rechtfertigen ist (und auch schon nicht der Privilegierung des § 216 StGB unterfällt).407 Entsprechend bildet ein subjektive Interesse des Verwundeten an seinem „Restleben“ unter Qualen bzw. an der „Erlösung“ notwendigerweise und ausnahmslos den Ausgangspunkt jeder Abwägung,408 auch wenn – wie hier – vom „Erhaltungsgut“ Schmerzfreiheit ausgegangen wird. cc) Menschenwürde Ferner ist auch das „Erhaltungsgut“ Menschenwürde anzudenken.409 Wo der Verwundete ohne jede Aussicht auf Rettung „totgeweiht“ ist, könnte die 404  Vgl. anders aber Chatzikostas, Disponibilität, S. 323 ff.; ferner Otto, Gutachten 56. DJT, S. D1 (D52). 405  Vgl. R. Merkel, in: Heinrich-Böll-Stiftung, Selbstbestimmung am Lebensende, S. 27 (31). 406  Siehe dazu D. II. 4. b) aa). 407  Vgl. Neumann, in: NK-StGB5, Vor § 211 Rn. 91, 141; ders., in: FS Herzberg, S. 575 (589). 408  So etwa Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 16; Vor § 211 Rn. 91, 103, 139 ff., insb. 141; weitere Nw. dazu im Folgenden, C. II. 5. b) aa). 409  So insbesondere Otto, NJW 2006, 2217 (2222); ders., ZfL 2002, 42 (48); ders., Gutachten 56. DJT, S. D1 (D59, D74); zumindest auch, als Bestandteil des Leidbeendigungsinteresses, Schork, Aktive Sterbehilfe, S. 252 ff.; (nur) für die indirekte Sterbehilfe Kutzer, NStZ 1994, 110 (115); ders., in: FS Salger S. 663 (672); Gössel/Dölling, BT 12, S. 33; Rosenau, in: FS Rissing-van-Saan, S. 547 (560); ders., in: FS Roxin (2011), S. 577 (584); ders., in: S/SW-StGB4, § 34 Rn. 21; vgl. auch BGHSt 42, 301 (305).



II. Eigene Lösung: § 34 StGB beim verlangten „Gnadenschuss“ 209

Verkürzung seiner Leiden (auch) der Ermöglichung eines „menschenwürdigen“ Endes ohne weitere Qualen dienen. Es besteht jedenfalls eine begriff­ liche Nähe zu der unter allen Umständen zu achtenden Menschenwürde. Freilich wird die Menschenwürde sowohl von Befürwortern, als auch von Gegnern als Argument für die verschiedenen Sichtweisen zur Sterbehilfe in Stellung gebracht.410 Auch zur Betroffenheit der Menschenwürde im konkreten Extremfall aktiver Sterbehilfe bliebe vieles unklar: Zum Teil wird angeführt, dass die Menschenwürde jedenfalls dort verletzt sein kann, wo der Sterbeprozess ein Stadium erreicht, indem der „Schmerz jeden anderen Bewusstseinsinhalt ver­ drängt“411 und soweit geht, „dass er die elementare personale Funktion der Menschenwürde, (‚Mensch sein an sich‘) beeinträchtigt“412. In extremen Ausnahmefällen soll § 34 StGB dann der Achtung der Würde des Betroffenen Rechnung tragen können, und dem Sterbenden „eine letzte Möglichkeit eines eigenen [d. h. würdigen] Todes“ eröffnen.413 Ansonsten verkäme der Lebensschutz zu einer verabsolutierten Formel, der Vorrang vor dem „Gebot der Achtung der Würde der Person“ eingeräumt würde.414 Im Rahmen des § 34 StGB solle deshalb eine Abwägung zwischen Lebensinteresse und Würde erfolgen.415 Auch die Rechtsprechung erkennt die „Ermöglichung eines Todes in Würde und Schmerzfreiheit“ als Rechtsgut im Rahmen des § 34 StGB an, und knüpft somit zumindest auch an ein „Würde“-Element an.416 Zwar kann ein gewisser (schon begrifflich und auch intuitiv bestehender) Zusammengang zwischen dem schmerzfreien, „würdigen“ Tod und der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG kaum geleugnet werden.417 Einer fundierten Konkretisierung verschließt sich die Betroffenheit der Menschenwürde aber auch beim „Gnadenschuss“. Eine Heranziehung der „Objektformel“ des Bundesverfassungsgerichts418 wäre problematisch: Schließlich sind es (beim 410  Duttge,

GA 2001, 158 (159 f.). NJW 2006, 2217 (2222); ders., ZfL 2002, 42 (48); ders., Gutachten 56. DJT, S. D1 (D59, D74). 412  Hufen, NJW 2001, 849 (851); ähnlich Kutzer, NStZ 1994, 110 (115). 413  Otto, Gutachten 56. DJT, S. D1 (D60.). 414  Vgl. Otto, Gutachten 56. DJT, S. D1 (D59 f.). 415  Rosenau, in: FS Rissing-van Saan, S. 547 (560); ders., in: FS Roxin (2011), S. 577 (584) m. w. N.; vgl. auch Otto, Gutachten 56. DJT, S. D1 (D59, 74 f.); für indirekte Sterbehilfe Kutzer, NStZ 1994, 110 (115); ders., in: FS Salger S. 663 (672); Gössel/Dölling, BT 12, S. 33; vgl. ferner BGHSt 42, 301 (305). 416  BGHSt 42, 301 (305), unter Bezugnahme auf Kutzer, NStZ 1994, 110 (115); ders., in: FS Salger S. 663 (672). 417  Vgl. Hufen, NJW 2001, 849 (851) mit Bezugnahme auf die „Verbindung von Schmerzfreiheit und Menschenwürde“. 418  S. o., Fn. 328, S. 102. 411  Otto,

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

„Gnadenschuss“) die Qualen selbst, und keine wie auch immer geartete Behandlung durch Dritte, die der Verwundete erleidet.419 Es geht hier nicht um ein ggf. menschenunwürdiges „Am-Leben-erhalten“, etwa mit den Mitteln der Intensivmedizin,420 sondern um eine Beeinträchtigung durch den Schmerzzustand als solchen: Aus dem Leidenszustand selbst wird sich aber keine Würdeverletzung ergeben können.421 Soweit ein Sterben „als Person“ und nicht nur als ein „vom Schmerz beherrschtes Wesen“ als Ausdruck der Menschenwürde betrachtet wird,422 ergibt sich daraus kein Erkenntnisgewinn: Denn unklar bleiben Reichweite und Bedeutung dieser als gegensätzlich verstandenen Begriffspaare.423 Abstraktionshöhe und Undeutlichkeit des Inhalts der Menschenwürde bergen das Risiko willkürlicher Konkretisierungen und ihr inflationärer Gebrauch das Risiko einer Entwertung.424 Vor diesem Hintergrund wird zu Recht davor gewarnt, die Menschenwürde „gegen alles und jeden in Stellung zu bringen“.425 Anzudenken wäre aber, ob ein ausnahmsloses Verbot aktiver Sterbehilfe unter allen Umständen den Sterbenden nicht zum Objekt diffuser gesellschaftlicher Lebensschutzinteressen degradieren würde.426 Zu Recht wird die Möglichkeit aktiver, direkter Sterbehilfe in Extremfällen als verfassungsrechtlich geboten betrachtet.427 Indes folgt auch aus einer etwaigen verfas419  Hier besteht ein Unterschied zur ärztlichen Heilbehandlung, bei der eine Menschenwürdeverletzung durch die Weiterführung der Behandlung in Betracht käme, wenn diese den Menschen zum Objekt erniedrigt, vgl. nur Höfling, JuS 2000, 111 (114). 420  Vgl. etwa Hufen, NJW 2001, 849 (850); Höfling, JuS 2000, 111 (114). 421  Vgl. überzeugend Rieger, Die mutmaßliche Einwilligung, S. 36  f.; Schmitz, Rechtfertigender Notstand bei internen Interessenkollisionen, S. 60; Kahlo, in: FS Frisch, S. 711 (722); auch Kaufmann, JZ 1982, 481 (485); Otto, Gutachten 56. DJT, S. D1 (D25); gerade abstellend auf einen menschenunwürdigen Zustand (!) aber Hufen, NJW 2001, 949 (851, 855 f.); ähnlich Kutzer, NStZ 1994, 110 (115); auch v. d. Pfordten, in: FS Merkel, 1031 (1039 f.); ferner Stiller, Sterbehilfe und assistierter Suizid, S. 204; zweifelnd Weigend, in: FS Kindhäuser, S. 841 (843 Fn. 13). 422  Otto, Gutachten 56. DJT, S. D1 (D56, D59). 423  Schneider, in: MüKo-StGB3, Vor § 211 Rn. 112. 424  Schneider, in: MüKo-StGB3, Vor § 211 Rn. 112; ausführlich R. Merkel, Früh­ euthanasie, S. 314 f. m. w. N.; vgl. zur Gefahr einer Trivialisierung und Inflationierung insb. Dreier, in: Dreier-GG3, Art. 1 Rn. 48 ff. 425  Hufen, NJW 2001, 849 (850); vgl. allgemein kritisch zu solchen Tendenzen mit Beispielen aus der Rechtsprechung Dreier, in: Dreier-GG3, Art. 1 Rn. 49 f. 426  Ähnlich Schork, Ärztliche Sterbehilfe, S. 250: „In einem Fall unerträglicher Qualen würde es gegen seine von ihm bestimmte Menschenwürde verstoßen, wenn er nicht von seinen Qualen befreit werden könnte.“ 427  Vgl. etwa Lindner, JZ 2006, 373 (381, 383); R. Merkel, Früheuthanasie, S. 427; Antoine, Aktive Sterbehilfe, S. 387 ff., 394; vgl. auch unter Hinweis auf die Möglichkeit einer verfassungskonformen Interpretation des § 216 StGB bei Hinzuzie-



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sungsrechtlichen Erforderlichkeit der Zulässigkeit aktiver, direkter Sterbehilfe in Grenzfällen nicht zwingend, dass im konkreten Einzelfall die Würde auch tatsächlich unmittelbar das „Erhaltungsgut“ im Rahmen des § 34 StGB darstellt. Jedenfalls erscheint es vor diesem Hintergrund nicht ohne weiteres möglich – und auch nicht zielführend –, die Menschenwürde selbst als das „Erhaltungsgut“ zu bemühen. Festgehalten werden kann aber, dass im Extremfall, in dem ein überwältigendes Interesse des Betroffenen am Ende seiner Qualen besteht, die Menschenwürde zumindest mittelbar Berücksichtigung findet. Denn fraglos gilt: Wird der Leidenszustand durch den Tod beendet, endet auch jede denkbare Beeinträchtigung der Würde durch den vormalig bestehenden Schmerzzustand. Ohne inhaltlichen Verlust, aber unter Gewinn erheblicher Klarheit, kann auf speziellere Interessen zurückgegriffen werden. Die auf Art. 1 GG folgenden Grundrechte konkretisieren und spezialisieren die Menschenwürde,428 dabei umfasst Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG gerade auch die Freiheit von Schmerzen.429 Vor diesem Hintergrund kann der problematische, weil schwer greifbare, Rekurs auf den Schutz der Menschenwürde hier unterbleiben, und auf ein spezielleres, klar benanntes (Schmerzbeendigungs-) Interesse des Betroffenen abgestellt werden.430 Für die Gewichtung der Interessen bedeutet der Verzicht auf ein In-Stellung-bringen der Menschenwürde im Ergebnis auch nichts anderes: Die unantastbare Menschenwürde müsste, sofern sie selbst auf einer Seite der Abwägung stünde, stets alle anderen Interessen überwiegen.431 In bestimmten Extremfällen wird dies – wenn auch nur im Ergebnis – aber genauso für die „Schmerzfreiheit“ gelten: Wo das Interesse des Sterbenden an der Schmerzfreiheit, auch um den Preis seines Todes, tatsächlich besteht und der „Gnadenschuss“ angesichts der Umstände die einzig denkbare Handlungsoption ist, wird sich auf der anderen Seite der Abwägung kaum ein Interesse finden lassen, dass noch maßgeblich ins Gewicht fallen könnte. Damit wäre bedenkenswert, ob in der geschilderten Situation, in der das Leid ein solches Maß erreicht, dass es „quasi-absolutes“ Gewicht erhält, dies nicht gerade deshalb der Fall ist, weil jedenfalls im Extremfall die Menschenwürde zumindest hen des § 34 StGB Kämpfer, Die Selbstbestimmung Sterbewilliger, S. 358 f.; ähnlich Linke, Grundrechtliche Spannungslagen am Lebensende, S. 121 f. 428  Höfling, in: Sachs-GG8, Art. 1 Rn. 67; Jarass, in: Jarass/Pieroth-GG16, Art. 1 Rn. 5; Hofmann, in: SB-GG14, Art. 1 Rn. 8. 429  Di Fabio, in: Maunz/Dürig-GG92, Art. 2 Abs. 2 Satz  1 Rn. 55; Stark, in: M/K/S-GG7, Art. 2 Rn. 194; Murswiek/Rixen, in: Sachs-GG8, Art. 2 Rn. 150. 430  Vgl. ähnlich wie hier Rieger, Die mutmaßliche Einwilligung, S. 36 ff., insb. 38. 431  Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 71.

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

mittelbar berührt wird und dem Interesse am Ende der Qualen ein entsprechendes Gewicht verleiht. dd) Zwischenergebnis Im Hinblick auf die notstandsfähigen Rechtsgüter („Erhaltungsgüter“), die im Wege des Notstandes geschützt werden sollen, steht hier das Interesse des Verwundeten am Ende seiner Schmerzen völlig im Vordergrund. Die Beendigung des Schmerzzustandes, also die Erlangung von Schmerzfreiheit, ist ein geschütztes Interesse im Sinne des § 34 StGB. Es sind gerade seine Qualen, die dem Verwundeten überhaupt erst den Anlass geben, seine Tötung zu verlangen. Seine Selbstbestimmung, die sich in diesem Verlangen niederschlägt, wird aber insofern eine überragende Rolle spielen, als dass eine gerechtfertigte Tötung gegen seinen Willen nicht denkbar ist.432 Die individuelle, subjektive Bewertung des „Restlebens“ durch den Rechtsgutträger ist in allen „Gnadenschuss“-Fällen die Basis jeder Notstandsabwägung. Ein Abstellen auf Art. 1 Abs. 1 GG liefert, trotz der intuitiven Nähe eines gewünschten „würdigen“ Todes zur Menschenwürde, keinen Mehrwert, da eine Konkretisierung kaum gelingen wird. Zielführender ist es, die Menschenwürde als nur mittelbar betroffen anzusehen: Denn ohne Zweifel endet im hier zu diskutierenden Fall jede denkbare Beeinträchtigung zusammen mit den Qualen, d. h. mit dem Eintritt des Todes. b) Gegenwärtige Gefahr Das „Erhaltungsgut“ muss sich in Gefahr befinden, d. h. es muss ein Zustand vorliegen, in dem aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte eine Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines schädigenden Ereignisses gegeben ist.433 Die Gefahr ist dann gegenwärtig, wenn ein Schaden sicher oder höchstwahrscheinlich ist bzw. jederzeit eintreten kann, sofern nicht alsbald Abwehrmaßnahmen ergriffen werden.434 Dem Schadenseintritt gleich steht dabei die Fortdauer oder Intensivierung einer schädigenden Einwirkung.435 Zu beach432  Vgl. zum Willen des Betroffenen als „Basis“ der Sterbehilfe etwa Neumann, in: NK-StGB5, Vor § 211 Rn. 91, 141; vgl. in Bezug auf den vorliegenden Fall ausf. C. II. 5. b) aa). 433  So und ähnlich etwa bei BGHSt 18, 271 (272); BGHSt 48, 255 (258 f.); T. Fischer, StGB67, § 34 Rn. 4; Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 74 ff.; Zieschang, in: LKStGB13, § 34 Rn. 57, jeweils m. w. N. 434  BGHSt 5, 371 (373); BGH NJW 1979, 2053 (2054); BGH NJW 1989, 176 (176); BGH NJW 1989, 1289 (1289); BGHSt 48, 255 (259); BGH NJW 2016, 2818 (2818); T. Fischer, StGB67, § 34 Rn. 7; Kühl, in: Lackner/Kühl29, § 34 Rn. 2. 435  Zieschang, in: LK-StGB13, § 34 Rn. 63; Perron, in: S/S-StGB30, § 34 Rn. 12.



II. Eigene Lösung: § 34 StGB beim verlangten „Gnadenschuss“ 213

ten ist, dass eine bereits erfolgte Verletzung eines Rechtsguts kein „Aliud“, sondern ein „Plus“ zur bloßen Gefahr darstellt – die Gefahr endet also nicht notwendig mit dem Schadenseintritt.436 Das Vorliegen der Gefahr ist nach wohl überwiegender Ansicht vom Standpunkt eines objektiven Beobachters, dem die wesentlichen Umstände in der jeweiligen Situation bekannt sind, zu beurteilen; maßgeblich soll dabei der Zeitpunkt der Vornahme der Rettungshandlung (ex ante) sein.437 Viel spräche aber dafür, stattdessen eine möglichst weitgehende Objektivierung vorzunehmen, um den Unterschied zwischen wirklicher Gefahr und nur scheinbar vorliegenden Gefahr nicht zu verwischen.438 Dies kann weitestgehend mittels einer möglichst objektiven, nachträglichen Betrachtungsweise erfolgen. Entsprechend wäre im Ergebnis eine Gefahr nie gegeben, wenn sich später herausstellte, dass es zum Schadenseintritt tatsächlich nicht hätte kommen können, unabhängig von der Frage, ob dem Täter diese Erkenntnis zum Tatzeitpunkt subjektiv überhaupt möglich war.439 Dass eine objektive Beurteilung angezeigt ist, lässt sich zum einen bereits auf den Wortlaut des § 34 StGB stützen,440 zum anderen lässt sich so wirksam vermeiden, dass einem Erlaubnistatbestandsirrtum eine unmittelbar rechtfertigende Wirkung im Rahmen des Notstands zukäme.441 Die Gegenansicht lässt die Grenzen zwischen Notstand und Putativnotstand verschwimmen.442 Richtigerweise kann sich eine Notstandsrechtfertigung aber nicht auf eine objektiv falsche Basis stützen. Solche Konstellationen sind vielmehr im Rahmen der Irrtümer zu lösen, ohne dass dabei eine unangemessene Benachteiligung des gewissenhaften Notstandstäters erfolgt.443 in: Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, Strafrecht AT12, S. 416. 437  BGHSt 48, 255 (259); Rosenau, in: S/S/W-StGB5, § 34 Rn. 9; Duttge, in: HKGS4, § 34 Rn. 8; Jakobs, AT2, S. 415; Roxin/Greco, AT I5, S.  848 f.; Momsen/Savic, in: BeckOK-StGB48, § 34 Rn. 4; T. Fischer, StGB67, § 34 Rn. 4; Rengier, AT11, S. 182; Wessels/Beulke/Satzger, AT49, S.  147 f.; Jescheck/Weigend, AT5, S. 361. 438  Diese fordern u. a. Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 78 f.; Neumann, in: NKStGB5, § 34 Rn. 45, 50; Zieschang, in: LK-StGB13, § 34 Rn. 65; Kühl, AT8, S.  255 ff.; grundsätzlich auch Perron, in: S/S-StGB30, § 34 Rn. 13. 439  Im Detail mit unterschiedlicher Reichweite Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 76 ff., insb. 79; Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 45; grundsätzlich auch Perron, in: S/S-StGB30, § 34 Rn. 13; vgl. ferner Zieschang, in: LK-StGB13, § 34 Rn. 64 f. 440  Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 45. Im allgemeinen Sprachgebrauch bezieht sich „Gefahr“ nämlich auf eine tatsächlich vorhandene und nicht bloß vorgestellte Risikosituation. 441  Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 82; vgl. auch Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 50; zu Irrtumskonstellationen im Zusammenhang mit dem „Gnadenschuss“ siehe E. II. 2. 442  Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 50; vgl. auch Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 78. 443  Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 50; Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 82. 436  Mitsch,

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

Im konkreten Fall folgt daraus, dass die schwersten Verletzungen des Verwundeten, als Basis seines Leids, aus objektiver ex-post Betrachtung tatsächlich vorgelegen haben müssen. Insofern ist dann auch an der erforderlichen Gegenwärtigkeit der Gefahr des zukünftigen (hier ja bereits andauernden) Schadenseintritts für § 34 StGB nicht zu zweifeln: Der Verwundete leidet schlimmste Qualen; es steht angesichts der Schwere seiner Verletzungen auch fest, dass er, bis letztendlich der Tod eintritt, weiter leiden wird. 4. Notstandshandlung: Gefahr nicht anders abwendbar Aus der (nicht ganz unmissverständlichen)444 Formulierung der „nicht anders abwendbaren Gefahr“ in § 34 StGB ergeben sich die Anforderungen an die Notstandshandlung: Diese muss (1.) zur Abwendung der Gefahr geeignet sein und dabei (2.) unter mehreren, unterschiedlich eingriffsintensiven Alternativen das relativ mildeste Mittel darstellen.445 Die Beurteilungsper­ spektive wirft dieselben Fragen auf, die sich bereits bei der Feststellung der gegenwärtigen Gefahr stellen.446 Entsprechend der obigen Ausführungen ist auch hier eine weitestgehende Objektivierung angezeigt. a) Zur Gefahrenabwehr geeignet Ein Eingriff, der nicht auf die Gefahrenlage einwirkt oder völlig nutzlos wäre, ist zur Gefahrenabwehr ungeeignet.447 Das ist beim „Gnadenschuss“ nicht der Fall, er beendet die Qualen des Verwundeten endgültig. Die Tat­ sache, dass damit gleichzeitig auch das Leben des Verwundeten endet, ist unvermeidlich, an der Geeignetheit ändert dies freilich nichts. b) Mildestes Mittel Das Mittel zur Beseitigung der Gefahr muss (von mehreren in der konkreten Situation zur Verfügung stehenden), das mildeste gleich geeignete sein.448 444  Erb, 445  Erb,

in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 104. in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 104; Perron, in: S/S-StGB30, § 34 Rn. 18

m. w. N. 446  Ausführlich Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 105 ff.; Lenckner, in: FS Lackner, S.  95 (98 f., 100 f.); Perron, in: S/S-StGB30, § 34 Rn. 18; siehe auch bereits oben C. II. 3. b). 447  Jakobs, AT2, S. 417; Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 110; Zieschang, in: LKStGB13, § 34 Rn. 91. 448  Vgl. statt vieler Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 114; Zieschang, in: LKStGB13, § 34 Rn. 94.



II. Eigene Lösung: § 34 StGB beim verlangten „Gnadenschuss“ 215

Hier ist ein strenger Maßstab anzulegen.449 Ein Eingriff in fremde Rechtsgüter ist, sofern dies im Einzelfall sinnvoll möglich ist, nachrangig zum Ausweichen oder zum Herbeiholen fremder, insbesondere staatlicher, Hilfe.450 Kann eine Gefahrenabwehr nur unter Beeinträchtigung fremder Interessen erfolgen, so ist dasjenige das relativ mildestes Mittel, welches die schonendste Beeinträchtigung eines fremden Eingriffsguts bedeutet.451 aa) Tötung als mildestes Mittel der Schmerzbeendigung Die Tötung als „Mittel“ beseitigt das Leben des Opfers stets vollständig und stellt damit in allen denkbaren Situationen die wohl einschneidendste Maßnahme zur Beendigung eines Schmerzzustandes dar. Mithin kann ein solches Mittel nur unter sehr bestimmten, außergewöhnlichen Umständen das relativ mildeste sein. Das ist zunächst jedenfalls dann der Fall, wenn in der konkreten Situation überhaupt kein anderes Mittel bereitsteht, um die Schmerzen des Betroffenen zu lindern oder zu beenden. Denn schließlich ist jedes geeignete Mittel immer dann das relativ mildeste, wenn es als einziges zur Verfügung steht.452 Eine Aussage über die Zulässigkeit einer Tötung wird mit der bloßen Feststellung, dass es dabei sich um das mildeste Mittel handelt, freilich noch nicht getroffen – eine solche kann nur als Ergebnis der Interessenabwägung erfolgen. Denn mildestes Mittel wäre die Tötung ggf. schon bei nur leichten, nicht lebensgefährlichen Verletzungen, wenn eine Schmerzbehandlung aufgrund objektiver Umstände z. Zt. unmöglich ist. Mangels irgendeiner anderen Möglichkeit der Schmerzbekämpfung käme hier objektiv tatsächlich nur die Tötung in Betracht, um die Schmerzen sofort zu beenden. Dass dies in einem solchen Fall völlig absurd, unangemessen und im Ergebnis undenkbar wäre, ist evident: Indes beinhaltet auch dieser Befund schon ein Abwägungselement. Dasselbe gilt im Hinblick auf noch bestehende Rettungschancen für den Verwundeten (etwa durch Anforderung der Evakuierung): Auch hier bestünde zunächst keine Möglichkeit der Schmerzbeendigung, die Tötung wäre das mildeste (da einzige) Mittel, mit dem dieses Ziel sofort erreicht werden könnte. Trotzdem muss i. E., bei noch realistisch erreichbarer Rettung, eine Tötung natürlich ausscheiden, schließlich stellt sich die Situation dann gerade nicht als „hoffnungslos“ dar. Auch dies ist das Ergebnis einer Abwäetwa bei Hauck, AnwK-StGB3, § 34 Rn. 21. 450  Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 115; T. Fischer, StGB67, § 34 Rn. 9a. 451  Vgl. nur Hoyer, in: SK-StGB9, § 34 Rn. 30; Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 116; Zieschang, in: LK-StGB13, § 34 Rn. 95. 452  Vgl. Hoyer, in: SK-StGB9, § 34 Rn. 29; Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 114; Perron, in: S/S-StGB30, § 34 Rn. 20; Lenckner, in: FS Lackner, S. 95 (97 f.). 449  Nw.

216

C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

gung. In jedem Fall wird die Feststellung, dass eine Situation mit der erforderlichen Hoffnungslosigkeit vorliegt, um ggf. eine Tötung zu rechtfertigen, systematisch in die Interessenabwägung erfolgen müssen. Sofern aber neben einer Tötung tatsächlich noch andere Möglichkeiten der Schmerzbekämpfung, etwa durch Medikation, in Betracht kommen, wird der „Gnadenschuss“ regelmäßig schon auf der Ebene des relativ mildesten ­Mittels ausscheiden müssen.453 Angesichts der Endgültigkeit einer Lebens­ beendigung wird die Tötung nur dann in Betracht kommen, wenn überhaupt kein anderes Mittel zur Schmerzbekämpfung mehr denkbar ist. „Milderes Mittel“ wäre insbesondere auch eine lebensgefährliche medizinische Schmerzbekämpfung, etwa mittels mitgeführter Morphin-Ampullen, notfalls auch um den Preis einer damit einhergehenden Lebensverkürzung (indirekte Sterbe­hilfe).454 Schmerzmittel sind auch (und gerade dann) zu verabreichen, wenn ihre Verabreichung (unbeabsichtigt!)455 letztlich lebensverkürzende Wirkung hätte. Denn ohne Zweifel handelt es sich bei der terminalen Sedierung auch auf dem Schlachtfeld um ein milderes Mittel im Vergleich zum „Gnaden­schuss“.456 Solche Fälle sind nach den allgemein anerkannten Grundsätzen der „indirekten Sterbehilfe“ zu behandeln und i. d. R. gerechtfertigt.457 453  Denkbar ist allenfalls der – freilich sehr konstruiert wirkende – Einwand, dass die Tötung als „sicherstes Mittel“ der Schmerzbeendigung trotz noch denkbarer anderer (medizinischer) Mittel „geeigneter“ ist. Hier kollidiert dann der Grundsatz möglichst geringer Einwirkung mit dem der Auswahl des erfolgversprechensten Mittels. Ein solcher Konflikt wird letztlich bereits hier eine Interessenabwägung erforderlich machen, vgl. ausführlich dazu Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 127 und Rn. 112; ferner Lenckner, in: FS Lackner, S. 95 (101 ff.). Angesichts der Endgültigkeit einer Tötung wird im Ergebnis in solchen Fällen zunächst wohl ein „weniger geeignetes“ (medizinisches) Mittel zu wählen sein – die Tötung muss in solchen Konstellationen schon aus Wertungsgesichtspunkten das letzte denkbare Mittel, also ultima ratio, sein. Indes ist auch zu berücksichtigen, ob das „mildere“ Mittel mit der notwendigen Gewissheit überhaupt zur „Schmerzbeendigung“ führen kann. Insofern dürften eher fernliegende „mildere Mittel“, wie etwa der Versuch des Bewusstlosschlagens mit dem Gewehrkolben, regelmäßig entweder schon generell ungeeignet sein oder jedenfalls die unzumutbare Gefahr beeinhalten, statt der sehr ungewissen Leidensbeendigung noch stärkere Leiden zu verursachen. 454  Freilich ist die Grenze zur direkten aktiven Sterbhilfe hier hauchdünn, dazu bereits oben A. II. 2. b). 455  Jedenfalls bei dolus direktus ersten Grades, d. h. bei einer absichtlich tödlichen Injektion wird die Rechtfertigung meist nicht für möglich gehalten. Diese Fallvariante entspräche aber einem „chemischen Gnadenschuss“ und wäre im militärischen Kontext genauso zu behandeln wie der hier maßgebliche Fall des tödlichen Schusses. 456  Nicht zielführend wäre der Einwand, es fehle aufgrund der Möglichkeiten der Palliativmedizin am mildesten Mittel. Schließlich werden die Möglichkeiten der „adäquaten“ Versorgung Sterbender auf dem Schlachtfeld wenig mit denen im Krankenhaus gemein haben, siehe dazu auch bereits oben, A. II. 3.



II. Eigene Lösung: § 34 StGB beim verlangten „Gnadenschuss“ 217

Freilich ist bei hochdosierten Schmerzmitteln der Übergang zur direkten, aktiven Sterbehilfe fließend. Spätestens dort, wo eine schon alleine tödliche „Überdosis“ verabreicht wird, um den Tod herbeizuführen, entspricht dies im Wesentlichen dem (dann chemischen) „Gnadenschuss“, für den sich, wie im hier zu untersuchenden Fall, die Frage der Notstandsrechtfertigung stellen wird.458 Ferner wird zu Recht darauf hingewiesen, dass in Extremsituationen Schmerzmittel wie Morphin oft ein rares Gut sind. Auch dies ist bei der Wahl des mildesten Mittels zu berücksichtigen. Wo ihr Einsatz bei anderen Verwundeten mit Überlebenschance zu deren Rettung unabdingbar wäre,459 wird es in seltenen Fällen nicht ausgeschlossen sein, trotz (weniger) vorhandener Schmerzmittel zur Waffe zu greifen.460 Ferner sei bei der Ermittlung des relativ mildesten Mittels noch das Verhältnis zwischen aktiver Tötung und Suizid angesprochen. Denn z. T. wird auf eine behauptete Subsidiarität der direkten aktiven Sterbehilfe zum physisch möglichen Suizid (als milderes Mittel) in ausweglosen Situation hingewiesen.461 Daran ist grundsätzlich richtig, dass es im Vergleich zum „Gnadenschuss“ weitaus „milder“ wäre, dem Schwerstverwundeten auf dessen Tötungsverlangen hin die Waffe zu reichen und ihm ggf. zu assistieren – mit anderen Worten: Ihm die Gelegenheit zu verschaffen, sich den tödlichen Schuss selbst zu versetzen. Dann läge im Ergebnis gar keine strafbare Fremdtötung vor, sondern nur straflose Beihilfe zum Suizid. Nicht zu unterschlagen ist aber auch, dass der Suizid, etwa mit der eigenen oder einer vom Kameraden gereichten Waffe, nur dann (gleich geeignetes) „milderes Mittel“ 457  Richtigerweise wird mit der wohl h. M. bei der indirekten Sterbehilfe im Ergebnis eine Rechtfertigung durch den rechtfertigenden Notstand anzunehmen sein, vgl. BGHSt 42, 301 (305); BGHSt 46, 279 (284 f.); R. Merkel, in: FS Schroeder, S.  297 (308 ff.); Roxin, GA 2013, 313 (314); ders., in: Roxin/Schroth, Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (87); mit vielen weiteren Nw. etwa Neumann, in: NKStGB5, Vor § 211 Rn. 103; Schneider, in: MüKo-StGB3, Vor § 211 Rn. 108 ff.; Kühl, in: Lackner/Kühl29, Vor § 211 Rn. 7. 458  Vgl. aus dem Anhang die Fälle mit den Nrn. 5, 13, 19, 27, 35, 57, 66, 75, in denen jeweils eine tödliche Überdosis verabreicht wurde. Nicht selten wird man sich hier freilich im Grenzbereich zwischen „indirekter“ und „aktiver“ Sterbehilfe bewegen, vgl. dazu auch A. II. 2. b). 459  Freilich wird zu fragen sein, ob solche Fälle medizinisch überhaupt realistisch sind. 460  Beam, in: Beam/Sparacino, Military Medical Ethics Vol. 2, S. 369 (390). 461  Chatzikostas, Disponibilität, S. 323 ff., insb. 327; Sinn, in: SK-StGB9, § 216 Rn. 20; Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 60 f.; Hirsch, in: FS Welzel, S. 775 (796); Roxin, in: FS Fischer, S. 509 (518, 522); a. A., zumindest bei „objektiver Plausibilität der Gründe für das Töten auf Verlangen“, aber Jakobs, in: FS Kaufmann, S. 459 (471); wohl zust. R. Merkel, Früheuthanasie, S. 426 mit Fn. 70, 80; zweifelnd auch Scheffler, in: Joerden, Der Mensch und seine Behandlung in der Medizin, S. 249 (261).

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

sein kann, wenn dies in der jeweils vorliegenden Situation überhaupt noch praktikabel ist. Hier läuft man Gefahr, reichlich konstruierte Anforderungen zu stellen, die (so) im praktischen Fall selten zielführend sein werden. Nicht zu vergessen ist eben auch, dass es sich beim „Gnadenschuss“ oft um eine Augenblicksentscheidung handeln wird.462 Zwar mag ein Suizid in manchen Fällen in Betracht kommen – die Vorstellung, eines „Ausdiskutierens“ der Tötungsmodalitäten mit dem nach Erlösung schreienden Verwundeten wäre bizarr und völlig lebensfremd. Steht fest, dass die Tötung im konkreten Fall das relativ mildeste Mittel zur Beendigung der Qualen ist, so kann es hier im Hinblick auf die konkrete Ausführung grundsätzlich noch zu Unterschieden kommen: Auch dabei ist dann das jeweils mildeste Mittel der Tötung zu wählen, also das, das in der konkreten Situation die größte Sicherheit einer möglichst schmerzlosen (d. h. schnellen) Tötung erwarten lässt. Sofern keine (ggf. auch überdosierte) Schmerzmittel verabreicht werden können, wird es sich i. d. R. wohl um einen unmittelbar tödlichen Kopfschuss handeln müssen, wenngleich andere Tötungsmodalitäten je nach Situation463 nicht ausgeschlossen sind. Stehen ausnahmsweise keine Schusswaffen zur Verfügung, käme natürlich auch das bei Rissing‑van Saan im Zusammenhang mit dem „LKW‑Fall“464 erwähnte Erschlagen mit einer Schaufel465 in Betracht. Warum sich, wie dort angedeutet, bereits aus dem Mittel der Tötung die ablehnende Bewertung einer Rechtfertigung ergeben sollte,466 ist nicht einmal im Ansatz nachvollziehbar. Natürlich wäre eine solche Tötung schon aufgrund der Ausführung besonders grauenvoll, auch und gerade im Vergleich zum tödlichen Schuss – wo dieser aber eben nicht zur Verfügung steht, erscheint die Alternative (im von Rissing‑van Saan angeführten Beispiel: lebendig zu verbrennen) noch viel schrecklicher.

462  Beam, in: Beam/Sparacino, Military Medical Ethics Vol. 2, S. 369 (393); East, Permission To Die, S. 71 f., 256: „usually a split second decision“; vgl. auch Deakin, Journal of Military Ethics 2013, 162 (172). 463  Als Beispiel können die zuvor angeführten Fälle der Piloten Tuck und Steinhoff dienen, vgl. Forrester, Fly For Your Life, S. 175 ff. und Heaton/Lewis, The German Aces Speak, S. 29 ff.; Auszüge dazu oben bei A. III. 1. a) dd) (2), S. 46 f. Mittel zur Tötung waren hier die Bordwaffen der Jagdflugzeuge. In anderen Fällen kamen noch andere Mittel, z. B. Messer und Granaten zum Einsatz, vgl. von den Fällen im Anhang insb. die Nrn. 8, 15, 22, 24, 29, 31, 38, 67, 83. 464  Siehe dazu bereits A. II. 3. und ausführlich E. IV. 2. a). 465  Rissing-van Saan, in: LK-StGB12, § 216 Rn. 7. 466  Rissing-van Saan, in: LK-StGB12, § 216 Rn. 7 Fn. 28.



II. Eigene Lösung: § 34 StGB beim verlangten „Gnadenschuss“ 219

bb) Mildestes Mittel und Einwilligung Denkbar wäre ferner, bereits bei der Auswahl des schonendsten Mittels zu prüfen, ob der Inhaber des „Eingriffsguts“ um seine Einwilligung gebeten werden könnte und müsste.467 Ein Eingriff in ein Rechtsgut mit Einwilligung wird grundsätzlich milder sein, als ein vergleichbarer Eingriff ohne Einwilligung.468 Dies kann aber nur dann gelten, wenn überhaupt mehrere, zunächst gleichgeeignete, Handlungsalternativen im Raum stehen: Nur dann vermag die Zustimmung des Rechtsgutsträgers, als seine Entscheidung für eine von zwei oder mehr denkbaren Handlungen, zum Auswahlkriterium gemacht werden, um die so gewählte als das relativ mildestes Mittel zu qualifizieren.469 Ist aber unter den gegebenen Umständen, wie beim vorliegenden Fall, von vornherein nur eine geeignete Handlung denkbar, ändert die Zustimmung (oder deren Fehlen) zunächst nichts daran, dass es sich um das relativ mildeste (weil einzige)470 Mittel handelt: Besteht nur eine einzige geeignete Handlungsmöglichkeit, ist diese stets auch die erforderliche:471 Eine (fehlende) Befragung des Betroffenen vermag daran nichts zu ändern, die Gefahr ist folglich nicht allein deshalb mit einem milderen Mittel abwendbar, weil um Einwilligung hätte ersucht werden können.472 Mit der bloßen Feststellung, dass eine Handlung das mildeste (weil einzige) Mittel war, wird aber noch keine Aussage darüber getroffen, ob eine entsprechende Handlung auch i. E. gerechtfertigt wäre: Die Frage nach dem Vorliegen der Zustimmung des Rechtsgutträgers bei Eingriffen in dessen Autonomiebereich spielt erst auf Ebene der Interessenabwägung eine – dort freilich maßgebliche – Rolle.473 Dass ein „Gnadenschuss“ gegen den Willen strafbares Unrecht darstellt, ist evident.

467  So LG Bonn, JZ 1971, 56, 59; ähnlich Eser/Burkhardt, Strafrecht I4, S. 144; Jescheck/Weigend, AT5, S. 364; Momsen/Savić, in: BeckOK-StGB48, § 34 Rn. 7.1; Hoyer, in: SK-StGB9, § 34 Rn. 35. 468  Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 62. 469  Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 62. 470  S. o., C. II. 4. b) aa). 471  Hoyer, in: SK-StGB9, § 34 Rn. 29; Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 114. 472  Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 119 m.  w. N.; Perron, in: S/S-StGB30, § 34 Rn. 20; Rosenau, in: S/S/W-StGB5, § 34 Rn. 15; Zieschang, in: LK-StGB13, § 34 Rn. 96. 473  Vgl. Zieschang, in: LK-StGB13, § 34 Rn. 96.

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

5. Interessenabwägung Im Rahmen der Interessenabwägung sind alle von der Notstandshandlung unmittelbar und mittelbar betroffenen Rechtsgüter auf beiden Seiten („Eingriffs-“ und „Erhaltungsgut“) abzuwägen.474 Die Abwägung zwischen den betroffenen Rechtsgütern erfolgt umfassend für den konkreten Fall. Aus der allgemeinen Rangfolge der Rechtsgüter allein lassen sich noch keine endgültigen Schlüsse ziehen.475 Eine hieran orientierte Güterabwägung ist nur Ausgangspunkt bzw. erster Schritt der umfassenden Interessenabwägung.476 Entscheidend ist nicht nur der abstrakte Rang des zu schützenden „Erhaltungsguts“ im Vergleich zum „Eingriffsgut“, sondern, neben den in § 34 StGB explizit aufgeführten Abwägungsfaktoren (betroffene Rechtsgüter und Gefahrengrad) auch die jeweilige Schutzwürdigkeit unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände in der konkreten Situation des Einzelfalles.477 Zu prüfen ist, welche berechtigterweise zu berücksichtigenden Interessen die Betroffenen im Einzelfall tatsächlich haben.478 Im Einzelnen können dabei viele Faktoren eine Rolle spielen: Neben Art und Maß der drohenden Beeinträchtigung, dem Gefahrengrad, gesetzgeberischen Vorentscheidungen, sind u. a. auch die verobjektivierten individuellen Interessenpräferenzen des Betroffenen zu berücksichtigen,479 letztere zumindest dann, wenn dieser auf ein Interesse verzichtet.480 Festzuhalten ist für den vorliegenden Fall, dass allein der hohe (aber eben nicht: Höchst-)Rang des betroffenen Rechtsguts „Leben“ nicht bereits das Ergebnis der Abwägung vorwegnimmt.

474  Dazu allgemein etwa Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 130 f., 136 f.; T. Fischer, StGB67, § 34 Rn. 13; Zieschang, in: LK-StGB13, § 34 Rn. 99 ff. 475  Perron, in: S/S-StGB30, § 34 Rn. 22; Zieschang, in: LK-StGB12, § 34 Rn. 58. 476  Perron, in: S/S-StGB30, § 34 Rn. 23; Lenckner, Notstand, S. 90 ff., insb. 96; Zieschang, in: LK-StGB13, § 34 Rn. 104; Jakobs, AT2, S. 419; Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 138; Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, AT12, S. 426. 477  Lenckner, Notstand, S. 96, 127; Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 65; vgl. auch Zieschang, in: LK-StGB12, § 34 Rn. 62; ders., in: LK-StGB13, § 34 Rn. 115 ff. 478  Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 65; Perron, in: S/S-StGB30, § 34 Rn. 22. 479  Umfassend zu den einzelnen Abwägungsgesichtspunkten etwa Roxin/Greco, AT I5, S. 852 ff., dabei insb. S. 869 f.; Perron, in: S/S-StGB30, § 34 Rn. 25 ff.; Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 68 ff. 480  Vgl. Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 82a, 85; Hoyer, in: SK-StGB9, § 34 Rn. 66, 69.



II. Eigene Lösung: § 34 StGB beim verlangten „Gnadenschuss“ 221

a) Betroffene Rechtsgüter auf beiden Seiten Auf der Eingriffsseite stehen im hier diskutierten Fall mehrere Interessen: Durch die Tötung greift der Täter unmittelbar in das Rechtsgut Leben des Verwundeten ein (wenn auch auf dessen Verlangen). Neben dem damit betroffenen individuellen Lebensinteresse müssen aber auch gesellschaftliche Interessen, namentlich an der Tabuisierung von Tötungen und der Aufrechterhaltung des grundsätzlichen Tötungsverbots sowie an der Geltung der Regeln des humanitären Völkerrechts zum Schutzes von Verwundeten im Konflikt, auf Seiten des „Eingriffsguts“ berücksichtigt werden. Hier wird in der Abwägung auch die bereits oben erfolgte Feststellung, dass jedenfalls beim „Gnadenschuss“ der vielbeschworene „Dammbruch“ nicht droht, eine maßgebliche Rolle spielen müssen. „Erhaltungsgut“ ist, wie zuvor angeführt, allein das Interesse des Verwundeten am alsbaldigen Ende seiner Qualen, auch um den Preis seines Todes („Schmerzbeendigungsinteresse“).481 b) Abwägung zwischen „Eingriffs-“ und „Erhaltungsgut“ Im Ergebnis sind also das eigene Interesse des Verwundeten am (Rest-) Leben, sowie die diesbezüglichen Interessen der Gesellschaft ins Verhältnis zu setzten mit dem Interesse des Verwundeten an der (dauerhaften) Beendigung seiner Schmerzen. aa) Abwägung mit dem subjektiven Lebensinteresse (1) Subjektives Lebensinteresse als Basis der Abwägung Entsprechend bleibt für den „Gnadenschuss“ in der Variante des Fall 1 zunächst das subjektive Interesse des Verwundeten an seinem restlichen Leben zu prüfen. Dass im Rahmen des § 216 StGB zunächst sein ernstliches Verlangen erforderlich ist, ergibt sich schon aus dem Wortlaut. Auch darüber hinaus kommt dem subjektiven Willen, im Rahmen der Notstandsabwägung, ein besonderes Gewicht zu.482 Zumindest insoweit ist es richtig, wenn für die Rechtfertigung aktiver Sterbehilfe z. T. von einer „Vermischung“ oder „Kombination“ von § 34 StGB mit Einwilligungselementen gesprochen wird.483 Wenn schon die Privilegierung des § 216 StGB ein Verlangen (und damit sogar ein „Mehr“ zur einfachen Einwilligung) zwingend erfordert, muss dies 481  S. o.,

C. II. 3. a). Rosenau, in: FS Roxin (2011), S. 577 (585); ders., in: FS Rissing-vanSaan, S. 547 (560 f.). 483  Nw. oben in Fn. 103, S. 158. 482  Vgl.

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

erst recht für eine mögliche Rechtfertigung gelten. Liegt kein ernstliches und ausdrückliches Verlangen vor, kommt schon der Tatbestand des § 216 StGB nicht in Betracht. „Gnadenschuss“-Fälle unter bloßer Zustimmung oder ganz ohne Willensäußerung des Getöteten erfüllen grundsätzlich den Tatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB. Die (Un-?)Möglichkeit einer Rechtfertigung dieser Fälle wird in Kapitel D untersucht. Nochmals ist zu betonen, dass ein unabdingbares, bei § 216 StGB bereits im Tatbestand angelegtes, Element jeder Rechtfertigung einer Tötung auf Verlangen die (unmissverständlich geäußerte und ernstliche) subjektive Interessen­ bewertung des Betroffenen selbst ist.484 Diese muss die klare Aussage beinhalten, dass der Verwundete selbst an seinem (Rest-)Leben unter den gegebenen Umständen kein Interesse mehr hat. Der Sterbewille des Rechtsgutsträgers selbst ist also unverzichtbar.485 Denn eine „aufgedrängte“ Tötung, die nicht dem Willen des Betroffenen entspricht, ist selbstverständlich auch im Rahmen einer Sterbehilfe stets unzulässig und strafbar.486 Entspricht ein (auch nur kurzfristiges) Weiterleben, selbst unter Qualen, dem Willen des Sterbenden, so kann die Erlösung davon keinesfalls das Lebensinteresse überwiegen, selbst wenn diese Entscheidung allgemein als unverständlich erscheint.487 Hat der Betroffene aber gerade selbst kein Interesse am Weiterleben mehr, gilt Folgendes: Nur in diesem Sinne gibt es (subjektiv) „lebensunwertes“ Leben.488 Anstößig und unzulässig ist es, ein solches Urteil von dritter Seite auf Basis sozialökonomischer Nützlichkeitserwägungen zu treffen, von Kriterien wie der ethnischen Abstammung bzw. vermeintlicher „Rassenzugehörigkeit“, Religion, Hautfarbe etc. ganz zu schweigen.489 Die Überwindung, 484  Vgl. insb. Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 16; Vor § 211 Rn. 91, 103, 139 ff., insb. 141; auf die überragende Bedeutung des subjektiven Sterbewillens und seine Unerlässlichkeit verweisen zu Recht nahezu alle Vertreter einer Notstands­ lösung, vgl. u. a. R. Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (321); ders., JZ 1996, 1145 (1151 f.); ders., ZStW 1995, 545 (571 f.); ders., Früheuthanasie, S. 426; Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (589); Rosenau, in: FS Roxin (2011), S. 577 (585); ders., in: FS Rissing-van-Saan, S. 547 (560 f.); Chatzikostas, Disponibilität, S.  320 ff.; Herzberg, NJW 1986, 1635 (1639); ders., NJW 1996, 3043 (3047 f.); Hoerster, ZRP 1988, 1 (3 f.). Bei § 216 StGB ergibt sich Unabdingbarkeit des subjektiven Todeswunsches schon aus dem Tatbestand, vgl. Mitsch, in: AnwK-StGB3, § 216 Rn. 15. 485  Vgl. Hoerster, ZRP 1988, 1 (3 f.).; vgl. auch Neumann, in: NK-StGB5, Vor § 211 Rn. 91, 141; Chatzikostas, Disponibilität, S. 48 f. 486  Vgl. nur Neumann, in: NK-StGB5, Vor § 211 Rn. 91, 141; Wessels/Hettinger/ Engländer, BT 143, S. 55; Chatzikostas, Disponibilität, S. 48 f.; Saliger, KritV 2001, 382 (433 f.); T. Fischer, StGB67, Vor §§ 211–217Rn. 38; vgl. auch Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (589); Herzberg, NJW 1986, 1635 (1639). 487  Vgl. Herzberg, NJW 1986, 1635 (1639); Hoerster, ZRP 1988, 1 (4). 488  Richtig Hoerster, ZRP 1988, 1 (3 f.). 489  Vgl. Hoerster, ZRP 1988, 1 (3 f.).



II. Eigene Lösung: § 34 StGB beim verlangten „Gnadenschuss“ 223

die die Benutzung dieses Begriffs richtigerweise kostet, gründet sich in seiner historischen Vorbelastung durch die nationalsozialistischen Verbrechen. Davon gilt es sich strikt zu distanzieren. Völlig anders stellt sich die Situation aber dar, wenn eine dahingehende Bewertung seines Lebens vom Träger des Rechtsguts selbst vorgenommen wird, also nur seine eigene, subjektive „Binnenperspektive“ über den subjektiven „Wert“ entscheidet:490 Denn nur der Betroffene selbst, und nicht seine Umwelt, hat das Recht, sein Leben als für ihn nicht mehr lebenswert zu qualifizieren.491 Die Qualifizierung seines Lebens als defizitär kann, in Wahrung seiner Autonomie, also nur auf Grundlage der subjektiven Vorstellungen des Betroffenen selbst erfolgen492 – unschädlich ist freilich, wenn der Täter diese Bewertung teilt. Zu trennen ist hier also zwischen dem unbedingten Lebensrecht eines Menschen, dass ihm nicht abgesprochen werden kann, und dem subjektiven, situationsabhängigen Lebenswert für ihn selbst, d. h. seinem eigenen Interesse am Weiterleben.493 Die scharfe Ablehnung, der sich eine Notstandslösung teilweise ausgesetzt sieht, wird auch in einer unglücklichen Vermengung dieser grundverschiedenen Ebenen ihren Ursprung haben.494 Wann ist das Leben für den Rechtsgutsträger subjektiv nicht mehr lebenswert? Sogar für den Suizidenten, jedenfalls beim ernst gemeinten Bilanzsuizid, ebenso wie für den ernstlich seine Tötung Verlangenden, kann dessen Leben, aus seiner Sicht in der konkreten Situation, als für ihn selbst „wertlos“ in diesem Sinne bezeichnet werden, ohne ihm von dritter Seite das Lebensrecht abzusprechen.495 Bei seiner internen, individuellen Bewertung sind seine Motivation und seine langfristigen Interessen zunächst sogar unerheblich – in dem Moment, in dem jemand ernstlich seine Tötung verlangt (oder Suizid begeht), macht er deutlich, dass er an seinem Weiterleben, jedenfalls im Moment und unter den gegebenen Umständen, kein Interesse mehr hat. Sein aktuelles subjektives Lebensinteresse ist schon dann nicht mehr positiv bezifferbar. Übertragen auf den vorliegenden Fall existiert erst recht kein positives Lebensinteresse (also kein subjektiver Lebenswert im obigen Sinne) R. Merkel, Früheuthanasie, S. 434, 462 f. Chatzikostas, Disponibilität, S. 49; Neumann, in: NK-StGB3, § 34 Rn. 17; ferner dazu R. Merkel, JZ 1996, 1145 (1152); ders., Früheuthanasie, S. 434. 492  Lorenz, JZ 2009, 57 (57). 493  Vgl. R. Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (310 f.); ders., Früheuthanasie, 393 f., 426, 434, 462 f., 524 f.; ders., in: Heinrich-Böll-Stiftung, Selbstbestimmung am Lebensende, S. 27 (35); ders., ZStW 1995, 545 (571 f.); ders., JZ 1996, 1145 (1151 f.); vgl. auch Herzberg, NJW 1986, 1635 (1639); Neumann, in: NK-StGB5, Vor § 211 Rn. 139; Tolmein, Selbstbestimmungsrecht und Einwilligungsfähigkeit, S. 201 f. 494  Ähnlich wie hier R.  Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (310 f.); ders., JZ 1996, 1145 (1151); ders., Früheuthanasie, S. 426, 524 f. 495  Vgl. ähnlich Hoerster, ZRP 1988, 1 (3 f.). 490  Vgl. 491  Vgl.

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

des Verwundeten beim verlangten „Gnadenschuss“. Sein Lebensrecht bleibt freilich in allen Konstellationen unberührt.496 (2) O  bjektive Qualifikation der subjektiven Interessenbewertung („Extremfall“) Dass allein die subjektive Beurteilung des eigenen Lebens bei der Tötung auf Verlangen selbst dann nicht rechtfertigend wirkt, wenn die entsprechende Äußerung in Form eines „ernstlichen“ Tötungsverlangen erfolgt, ergibt sich eindeutig aus § 216 StGB. Es müssen also weitere Umstände hinzutreten, die über den internen, subjektiven Bereich hinausgehen, um im Rahmen einer Interessenabwägung das Interesse am (Rest)Leben im Vergleich zu Leidbeendigung als zurückstehend zu qualifizieren. Ob man dieses Erfordernis letztlich an paternalistischen Individualschutzgedanken oder an einem besonderen gesellschaftlichen Fremdtötungstabu und einer entsprechend gebotenen restriktiven Vorgehensweise festmacht, oder – wie hier als zweckmäßig erachtet – beide Elemente einbeziehen will, kann dahinstehen.497 Jedenfalls i. E. ist zu fordern, dass im Ausnahmefall einer gerechtfertigten Tötung auf Verlangen die interne, subjektive Gewichtung des Lebensinteresses gerade durch die äußeren Umstände der Situation besonders qualifiziert bzw. dadurch auch nach außen hin verifiziert wird. Eine besondere, über das bloße Tötungsverlangen hinausgehende, objektive „Qualität“ des Sterbewillens ist jedenfalls dort gegeben, wo der interne Abwägungsvorgang des Betroffenen nicht nur ernstlich, sondern sicher fehlerfrei ist, da die objektiv vorliegende Extremsituation das Ergebnis der internen Interessengewichtung ohne realistische Zweifel vorgibt. Dies gilt immer dann, wenn eine Beurteilung des Lebensinteresses eben nicht nur subjektiv aus Sicht des Sterbenden erfolgt, sondern zusätzlich (kumulativ, keinesfalls alternativ!)498 auch die situativen Umstände in ihrer Gesamtbetrachtung objektiv nur dasselbe Urteil zulassen, die Entscheidung des Sterbenden aufgrund des Extremfalles also auch aus objektiver Perspektive de facto als alternativlos erscheint.499 496  Vgl. insb. R. Merkel, Früheuthanasie, S. 393 ff., 426, 434, 462 f., 524 f.; ders., in: FS Schroeder, S. 297 (310 f.); ders., JZ 1996, 1145 (1151 f.); Neumann, in: NKStGB5, Vor § 211 Rn. 139. 497  Dass nichts dagegenspräche, zumindest i. E. beide Aspekte zu berücksichtigen, wurde zuvor ausgeführt, B. III. 1. b) bb) (3). 498  Denn natürlich kann auch eine noch so klare Evidenz des Abwägungsergebnisses aus objektiver Sicht nicht dazu führen, dass die subjektive Abwägung des Betroffenen überspielt wird. 499  Ähnlich Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (590); vgl. auch Pawlik, in: FS Kargl, S. 407 (416 f.); auf ein „nicht nur subjektiv, sondern auch objektivierbar qualvolles und leidvolles Sterben“ weißt auch Stiller, Sterbehilfe und assistierter Suizid, S. 250 zutreffend hin.



II. Eigene Lösung: § 34 StGB beim verlangten „Gnadenschuss“ 225

Wie müssen solche Fälle nun gelagert sein, damit eine auf Basis der dort vorliegenden situativen Umstände getroffene subjektive Bewertung des Lebens als „wertlos“ (im obigen Sinne) beachtlich wird? In Betracht kommt dies nur in äußersten Extremfällen, deren Vorliegen objektiv zu bestimmen ist: Eine Restriktion der Rechtfertigung auf „hoffnungslose“ Fälle extremsten Leids ist ebenso erforderlich wie selbstverständlich. Der Befund, dass sich die Tötung auch objektiv als einzig noch denkbare Handlung darstellt, ist nicht nur für das „mildeste Mittel“ bedeutend,500 sondern, darüberhinausgehend, gerade die tatsächliche Grundlage jeder Abwägung im „Gnadenschuss“Fall. Entsprechend kann auch von der situativen Tatsachenbasis der Abwägung gesprochen werden.501 Denn gerade die äußeren Umstände sind es, die überragenden Einfluss auf die Interessen aller Beteiligten gerade in dieser Situation haben und letztlich auch das Verhältnis ihrer Interessen bestimmen. Entsprechend ist hier zu klären, unter welchen Umständen eine Abwägung zugunsten des Leidbeendigungsinteresses überhaupt relevant für eine Rechtfertigung der Tötung auf Verlangen werden kann. Liegen solche extremen Umstände nicht vor, wird das Ergebnis der Interessenabwägung des § 34 StGB nämlich zugunsten des Eingriffsinteresses „Leben“ ausfallen müssen. Wann ein „Extremfall“ ohne tragbare Handlungsalternative objektiv vorliegt, kann nur schwer allgemeingültig festgehalten werden. Eine abschließende Aufzählung aller maßgeblichen Faktoren erscheint unmöglich, es wird stets auf die Umstände des Einzelfalls ankommen. Trotzdem soll versucht werden, hier einen Katalog der wesentlichen Merkmale solcher Fälle zu bilden.502 –– Schwerstes Leid des Verwundeten. Dieses ist stets notwendig und Ausgangspunkt jeder Prüfung. Es kommt dabei nicht auf das „subjektive Leid“ an, das durch ein Tötungsverlangen zum Ausdruck gebracht wird, sondern gerade auf einen objektiv vorliegenden Leidenszustand.503 Dabei muss es sich objektiv um einen derart unerträglichen Zustand handeln, dass die 500  Dazu

C. II. 4. b). handelt es sich hier um die erforderlichen Voraussetzungen, unter welchen (1.) ausnahmsweise ein subjektives Überwiegen des Erhaltungsinteresses Schmerzfreiheit nach außen mit der erforderlichen Gewissheit feststehen wird und (2.) – insofern ist bereits vorzugreifen – ausnahmsweise auch gesellschaftliche Inte­ ressen keine relevante Rolle mehr spielen werden, vgl. dazu die Ausführungen im Folgenden. 502  Vgl. zu solchen Kriterien (aus ethischer Sicht) Caron, Journal of Military Ethics 2014, 228 (233 ff.); Deakin, Journal of Military Ethics 2013, 162 (173 ff.). 503  Zur Frage, ob es sich dabei in jedem Fall um auch aktuell (noch oder bereits) empfundenes Leid handeln muss, siehe D. II. 2. b) bb), D. II. 4. b) aa), D. II. 4. b) aa) (4), ferner auch E. IV. 1. 501  Systematisch

226

C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

Abwägungsentscheidung zugunsten des Sterbeinteresses schon aufgrund der gegebenen Situation evident erscheint.504 Die zuvor angeführten Fälle können als Richtwert dienen.505 Jedenfalls wird dann von schwerstem Leid auszugehen sein, wenn der Schmerzzustand allumfassend ist,506 dem Verwundeten keine Lebensqualität mehr verbleibt und seine (Rest-)Existenz nur noch leiderfüllt wäre. –– Keine Aussicht auf Besserung der Lage. Bei einer unter adäquater medizinischer Versorgung „überlebbaren“ Verwundung muss diese sicher zum Tod führen, bevor Hilfe erreichbar wäre. Hier muss ein strenger Maßstab gelten. Gleichwohl sind solche Situationen denkbar, etwa dann, wenn die Schwere der Verwundung z. B. eine besondere medizinische Ausstattung erfordern würde, die selbst bei idealem Verlauf nicht in der verbleibenden Überlebenszeit des Verwundeten zu erlangen wäre. Dasselbe gilt bei Verletzungen, die sich per se nicht mit einem Überleben vereinbaren lassen. Die Tödlichkeit der Verwundung muss, unter Berücksichtigung der Lage und der (nicht) zur Verfügung stehenden Behandlungs- bzw. Evakuierungsmöglichkeiten also hinreichend gewiss sein.507 –– Keine Möglichkeit adäquater Versorgung, insbesondere einer Schmerzbekämpfung. Ist eine Linderung der Schmerzen auf andere Art und Weise möglich, ist eine direkte, aktive Tötung nicht zu rechtfertigen. Hier fehlt es regelmäßig bereits am relativ mildesten Mittel. Dasselbe muss auch für den in seltenen Einzelfällen ggf. noch denkbaren Suizid und für die Suizidbeihilfe gelten.508 Jedenfalls dort, wo sämtliche dieser Faktoren kumulativ vorliegen,509 wird im Regelfall von einer situativ bedingten, objektiven „Alternativlosigkeit“ allgemein Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 61. 505  Vgl. dazu die Fälle in A. III. 1; ferner auch die Aufstellung im Anhang. 506  Dabei wird es sich i. d. R. um solche Schmerzzustände handeln, die mit dem Schlagwort „Vernichtungsschmerz“ umschrieben werden können, vgl. nur die Verwendung des Begriffs in BGHSt 42, 301 (305); auch BGHSt 64, 69 (Ls., 76 Rn. 22). 507  Verfehlt wäre es indes, wie Jähnke, in: LK-StGB11, § 216 Rn. 17 und Rissingvan Saan, in: LK-StGB12, § 216 Rn. 46 spekulativ auf abwegige Rettungsverläufe zu verweisen, vgl. dagegen, wie hier, Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 61 Fn. 171. Wäre eine Rettung im Einzelfall, wider aller Wahrscheinlichkeit, erfolgt, liegt ein entsprechender Irrtum des Täters vor. Zu Irrtumskonstellationen im Folgenden unter E. II. 2. 508  Siehe bereits oben, C. II. 4. b). 509  Jedenfalls im Ansatz finden sich einige der hier angeführten Kriterien für die unerlässlichen situativen Umstände bereits bei Hilschenz, Die Sterbehilfe, S. 3: „Unheilbarkeit und Unrettbarkeit, das Vorhandensein unerträglicher Schmerzen eines Sterbenden, sind die Vorbedingungen für die Bewirkung der Sterbehilfe.“ Vgl. auch dort S. 19 ff.: Genannt wird die „Unrettbarkeit des Todgeweihten“, z. B. bei „Verstüm504  Vgl.



II. Eigene Lösung: § 34 StGB beim verlangten „Gnadenschuss“ 227

der Tötung, in Bezug auf noch denkbare Handlungsoptionen, auszugehen sein. Denn hier wäre praktisch nur noch der „Gnadenschuss“ denkbar; als Alternative bliebe lediglich die Möglichkeit, überhaupt nicht zu handeln – mit der Folge, dass der Verwundete unter Qualen verstirbt. Steht fest, dass i. S. d. angeführten Merkmale ein solcher Extremfall vorliegt, der eine Tötung aufgrund objektiver Umstände als einzige Alternative zum Nicht-Handeln erscheinen lässt, ist damit allein noch keine Aussage über die Rechtfertigung des „Gnadenschusses“ getroffen. Denn hinreichend ist dies nicht. Die rein objektive Tatsachenlage kann, unter Berücksichtigung der Autonomie des Verwundeten, niemals ausreichen, um seine Tötung zu rechtfertigen. Unverzichtbar ist das zuvor dargestellte subjektive „Einwilligungselement“ gerade in dieser Situation, um die Gefahr auszuschließen, dass die Tötung zwar objektiv im Interesse des Sterbenden liegt, aber subjektiv gerade nicht seinem Willen entspricht. Eine aktive Tötung kann nur dort in Betracht kommen, wo der Betroffene gerade unter den dargestellten Vo­ raussetzungen eines Extremfalls die Schmerzbeendigung höher wertet als sein (Rest-)Leben. Im vorliegenden Fall hat der Betroffene selbst kein positives Interesse am Weiterleben mehr – das zeigt schon sein ernstliches Verlangen, welches in der gegebenen Situation keinesfalls defizitär ist. Die Entscheidung des Verwundeten gegen sein (relativ kurzes, aber qualvolles) Weiterleben ist hier nicht übereilt: Denn wo angeführt wird, § 216 StGB schützte (zumindest auch) vor einer voreiligen Verfügung über das eigene Leben,510 setzt eine übereilte Entscheidung zwingend eine Situation voraus, in der später, nach Beendigung der suizidalen Phase, noch ausreichend Lebenszeit verbleibt, den vorherigen Sterbewunsch zu revidieren.511 Im Zustand des unvermeidbaren, qualvollen Todes gibt es für den Verwundeten zu Lebzeiten aber kein schmerzfreies „später“, wenn der weitere Verlauf aufgrund der Umstände der Situation feststeht. Subjektiv besteht dann – mit objektiv untermauerter Sicherheit – tatsächlich kein Interesse am Weiterleben.512 Es kann auch nicht auf ein fiktives Interesse am Weiterleben abgestellt werden, dass bestehen würde, wenn die Verwundung und die extremen situativen Umstände nicht vorlägen. Denn ein solches Interesse wäre irreal – es besteht tatsächlich nicht und kann deshalb auch nicht beeinträchtigt werden.513 melungen im Krieg und bei Unglücksfällen, bei denen eine Rettung völlig aussichtslos erscheint“. 510  S. o., B. III. 1. b) bb) (3). 511  Kargl, in: Institut für Kriminalwissenschaften, Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts, S. 379 (390). 512  So i. E. auch Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 85. 513  Herzberg, NJW 1996, 3043 (3048).

228

C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

Im Ergebnis kommt eine Rechtfertigung also dort in Betracht, wo die äußeren Umstände der „Extremsituation“ die subjektive Sterbeentscheidung nicht nur als nachvollziehbare Wahl, sondern als geradezu zwingend erscheinen lassen.514 Mit anderen Worten: Verlangt der Verwundete in aussichts­loser Situation nach Erlösung durch seinen Tod, handelt er so, wie – in der gleichen Situation – wohl nahezu jeder handeln würde. Hier wäre eher das ­Unterbleiben eines Tötungsverlangens völlig außergewöhnlich.515 Wird ein solches Verlangen dann geäußert, so besteht unter den zuvor dargestellten Voraussetzungen an die objektive Lage mit hinreichender Sicherheit subjektiv kein positiv bezifferbares Interesse des Verwundeten an seinem restlichen Leben mehr. Insoweit kann auf Seiten des „Eingriffsguts“ für sein Lebens­ interesse auch der numerische Wert „Null“ gesetzt werden,516 um dieses Interesse ins Verhältnis mit dem Erhaltungsinteresse „Schmerzfreiheit“ setzen zu können. (3) Zur Bedeutung eines „nullwertigen“ Interesses in der Abwägung Dass es sicher nicht unproblematisch ist, im Zusammenhang mit dem menschlichen Leben Begrifflichkeiten wie „Nullwert“ oder gar „Unwert“ zu verwenden oder auch nur allgemein von einem „fehlenden Wert“ zu sprechen, ist dem Verfasser bewusst. In der Literatur werden diese Begriffe freilich verwendet.517 Auch hier kann – schon aus Gründen der Verständlichkeit – nicht völlig auf sie verzichtet werden. Wenn im Folgenden also ein „numerischer“ oder „zahlenmäßiger Nullwert“ angeführt wird, dann ausnahmslos im Sinne einer mathematisch erfassbaren Größenangabe. Ein „Wert“ in diesem Sinne ist nicht zu verwechseln mit einem Qualitätsurteil. Damit stellt sich die Frage, welche Konsequenz dieser zahlenmäßige „Nullwert“ des „Erhaltungsguts“ für die Abwägung im Rahmen des § 34 514  Vgl. insb. Herzberg, ZIS 2016, 440 (447) gerade in Bezug auf den militärischen „Gnadenschuss“: „[…] er kann nichts anderes wollen als den Tod“; vgl. auch Pawlik, in: FS Kargl, S. 407 (416 f.), der zu Recht „Evidenz“ fordert, als eine „sich geradezu aufdrängende Reaktion auf den Leidenszustand“. 515  Vgl. R. Merkel, in: Hegselmann/Merkel, Zur Debatte über Euthanasie, S. 71 (86). 516  Mit Unterschieden im Einzelnen in Extremfällen von keinem bzw. einem zahlenmäßig „nullwertigen“ subjektiven Lebensinteresse des Betroffenen ausgehend, ähnlich wie hier, Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 85; ders., in: FS Herzberg, S. 575 (588); Herzberg, NJW 1996, 3043 (3048); Ingelfinger, Grundlagen und Grenzbereiche, S. 254; R.  Merkel, Früheuthanasie, S. 550 f.; ders., in: FS Schroeder, S. 297 (312 ff.); Rönnau, in: LK-StGB13, Vor §§ 32 ff. Rn. 368. 517  So insb. bei R  Merkel, Früheuthanasie, S. 550  ff.; ders., in: FS Schroeder, S. 297 (313); Neumann, ZStW 2006, 743 (754), ders., in: FS Herzberg, S. 575 (588); Hoyer, in: SK-StGB9, § 34 Rn. 69.



II. Eigene Lösung: § 34 StGB beim verlangten „Gnadenschuss“ 229

StGB hat. Sofern auf einer Seite der Interessenabwägung die Größe „Null“ steht, wird z. T. bezweifelt, dass überhaupt noch eine Abwägung stattfinden kann.518 Insbesondere solle schon begrifflich kein Überwiegen der anderen Seite möglich sein, wenn ein beeinträchtigtes Interesse gar nicht bestehe.519 Nach Herzberg und Ingelfinger sollen „widerstreitende“ Interessen nach dem Wortlaut des § 34 StGB also tatsächlich positiv bezifferbare Interessen auf beiden Seiten erforderlich machen.520 Soll dabei, wie hier unternommen, die Gewichtung des Interesses durch einen numerischen Wert beschrieben werden, müsste nach dieser Auffassung auf beiden Seiten der Abwägung ein Wert größer „Null“ vorhanden sein, um überhaupt abwägen zu können. Zwar geht auch Herzberg davon aus, dass in extremen Fällen das individuelle ­Lebensinteresse numerisch mit „Null“ zu beziffern wäre, ein „Gnadenschuss“ aber stets das gesellschaftliche Tabuinteresse (dem dort entsprechend ein Zahlenwert größer „Null“ zukommen soll) beeinträchtigen müsste. Da das Leidminderungsinteresse des Sterbenden aber i. E. überwiege, gelangt auch Herzberg letztlich zur Rechtfertigung,521 während bei Ingelfinger eine Rechtfertigung über § 34 StGB generell ausscheidet.522 Überzeugend gibt Neumann in einer Rezension zu Ingelfinger zu bedenken, dass bereits die Existenz der Verbotsnorm des § 216 StGB es unmöglich erscheinen lässt, die Anwendbarkeit des § 34 StGB mit der Begründung eines fehlenden Eingriffsinteresses abzulehnen: Eine Handlung könne nicht gerade deswegen rechtswidrig sein, weil sie kein Interesse verletzt.523 In Erwiderung auf Herzberg führt R. Merkel nicht zu Unrecht an, dass dieser von einer sehr begriffsjuristischen Leseart der Norm Gebrauch macht.524 Tatsächlich stellt der Zahlenwert „Null“ das Ergebnis einer vorgelagerten und zunächst noch offenen, internen Interessenabwägung des Be-

518  Herzberg, NJW 1996, 3043 (3048); zust. Ingelfinger, Grundlagen und Grenzbereiche, S.  254 f. 519  Herzberg, NJW 1996, 3043 (3048); zust. Ingelfinger, Grundlagen und Grenzbereiche, S.  254 f. 520  Herzberg, NJW 1996, 3043 (3048); Ingelfinger, Grundlagen und Grenzbereiche, S.  254 f. 521  Herzberg, NJW 1996, 3043 (3048 f.). Damit relativiert sich bei Herzberg – anders als bei Ingelfinger – die Bedeutung seines Einwands gegen die Abwägung mit „Null“, vgl. mit einer Analyse dieser Ansicht Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (586 f.). Vgl. ferner mit a. A. Stiller, Sterbehilfe und assistierter Suizid, S. 229. 522  Vgl. Ingelfinger, Grundlagen und Grenzbereiche, S. 254 ff. 523  Neumann, ZStW 2006, 743 (754 f.); vgl. auch ders., in: FS Herzberg, S. 575 (586). 524  R. Merkel, in: in: FS Schroeder, S. 297 (313); vgl. ähnlich in Bezug auf Herzberg auch Scheffler, in: Joerden, Der Mensch und seine Behandlung in der Medizin, S. 249 (262): „formalistisch“.

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

troffenen dar.525 Eine Abwägung hört nicht deshalb auf Abwägung zu sein, weil ihr Ergebnis völlig eindeutig sein muss.526 Die Tatsache, dass nur noch ein mit „Null“ zu bezifferndes Interesse des Sterbenden an seinem leiderfüllten Restleben besteht und es zu diese subjektiven Entscheidung im konkreten Fall faktisch keine Alternative gibt, ist gerade das Ergebnis seiner (internen) Abwägung. Geht ein solcher Abwägungsfaktor nun mit dem Zahlenwert „Null“ in die Notstandsabwägung ein, ist das nicht dasselbe wie das Fehlen eines Abwägungsfaktors überhaupt.527 Neumann erläutert diesen Unterschied eindrücklich mit dem Bild einer Waage: Ein Gewicht, dass aufgrund seines „Auftriebes“ effektiv „Null“ wiegt, ist nicht dasselbe wie das Leerbleiben der Waagschale.528 Diesen Unterschied verkennt die Gegenauffassung: Der Wert „Null“ eines Parameters ist nicht dasselbe wie das Fehlen des Parameters.529 Für eine Abwägungsfähigkeit spricht auch, dass die „Null“ als Zahl selbstverständlich ohne weiteres ins Verhältnis zu anderen Zahlen gesetzt werden kann: Ordnet man im Rahmen des § 34 StGB den jeweils betroffenen Inte­ ressen, je nach deren Gewicht im konkreten Fall, verschiedengroße Zahlenwerte zu, wird beispielsweise ein Interesse mit dem numerischen Wert „5“ ein solches mit dem Zahlenwert „2“ überwiegen. Wenn hier also 5 > 2 gilt, so muss dasselbe erst recht bei 5 > 0 gelten, wenn dem Erhaltungsinteresse der Wert „Null“ zuzuordnen ist.530 Damit spricht aus hier vertretener Sicht nichts dagegen, auch den Zahlenwert „Null“ bei der Abwägung zu verwenden.531 bb) Abwägung mit gesellschaftlichen Interessen Wenn also das subjektive Lebensinteresse des Verwundeten den Abwägungswert „Null“ hat, die „Null“ nach hier vertretener Ansicht aber dennoch im Rahmen der Abwägung „gewogen“ werden kann, bleibt im nächsten 525  R. Merkel, Früheuthanasie, S. 550; ders., in: FS Schroeder, S. 297 (313); Schneider, in: MüKo-StGB3, Vor § 211 Rn. 110; vgl. ferner Roxin, in: Roxin/Schroth, Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (88); zust. auch Schmitz, Rechtfertigender Notstand bei internen Interessenkollissionen, S. 63; auch Stiller, Sterbehilfe und assistierter Suizid, S. 228. 526  Vgl. treffend R. Merkel, Früheuthanasie, S. 550  f.; ders., in: FS Schroeder, S. 297 (313). 527  Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (588). 528  Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (588). 529  Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (588). 530  Ähnlich R. Merkel, Früheuthanasie, S.  550 f.; ders., in: FS Schroeder, S. 297 (313); vgl. auch Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (588). 531  Wie hier von einem abwägbaren Zahlenwert „Null“ ausgehend R. Merkel, Früh­ euthanasie, S.  549 ff.; ders., in: FS Schroeder, S. 297 (313); Neumann, ZStW 2006, 743 (754), ders., in: FS Herzberg, S. 575 (586 ff., insb. 588); ferner auch Hoyer, in: SK-StGB9, § 34 Rn. 69.



II. Eigene Lösung: § 34 StGB beim verlangten „Gnadenschuss“ 231

Schritt noch zu klären, ob auf Seiten des „Eingriffsguts“ gesellschaftliche Interessen noch als eigenständige Abwägungsposten einzubringen wären, und, wenn ja, welches Gewicht diesen im konkreten Fall beizumessen ist. Denn eine Rechtfertigung kommt nur dort in Betracht, wo das „Erhaltungsinteresse“ bei mehreren beeinträchtigten Interessen diese auch in der Summe überwiegt.532 Auch hier spielt der bereits zuvor angesprochene „Extremfall“ insofern eine maßgebliche Rolle in Form des Lebenssachverhalts, der die Grundlage für die konkrete Interessengewichtung darstellt. Bezüglicher der Kriterien einer solchen Situation gilt das zuvor angeführte.533 Ohne Zweifel besteht, jedenfalls grundsätzlich, ein allgemeines Tötungstabu.534 Aber auch ein gesellschaftliches Interesse an dessen Aufrechterhaltung ist nicht abwägungsfest, sondern muss ins Verhältnis gesetzt werden mit den gegenläufigen Interessen im konkreten Einzelfall, hier also dem Leid­ beendigungsinteresse des Sterbenden.535 Mithin stellt sich die Frage, ob die Gesellschaft auch beim „Gnadenschuss“ ein ins Gewicht fallendes Interesse „größer Null“ an der Aufrechterhaltung des Tabus für diesen konkreten Fall haben kann, obwohl der Todeswunsch des Betroffenen durch die Umstände der Situation („Extremfall“)536 auch nach außen alternativlos wirkt. Dies wäre nur denkbar, bestünden übergeordnete Gefahren auf Gesellschaftsebene, angesichts deren überragender Bedeutung die Interessen des Einzelnen selbst in einer ausweglosen Situation noch zurücktreten müssten. Beim „Gnadenschuss“ würde dies bedeuten, den Verwundeten zu einem qualvollen Tod zu verurteilen. Legitime gesellschaftliche Interessen, die das leidvolle Sterben eines Verwundeten unter Qualen erfordern, vermag ich nicht zu erkennen – hier könnte allenfalls noch auf völlig abstrakte Interessen der „Aufrechterhaltung des allgemeinen Tötungstabus“ angesichts einer „Dammbruch“-Gefahr abgestellt werden.537 Tatsächlich droht hier gar keine Aufweichung oder Infragestellung der Geltung der anerkannten gesellschaftlichen Ordnung in Bezug auf Fremd­ tötungen. Anders als (ggf.) im Umfeld der ärztlichen Sterbehilfe wird der „Gnadenschuss“ im militärischen Extremfall nicht die befürchteten gesellschaftlichen Folgen haben können:538 Eine Tötung des schwerstverwundeten in: NK-StGB5, § 34 Rn. 69. C. II. 5. b) aa) (2). 534  S. o., B. III. 1. b) bb) (2), B. III. 1. b) bb) (3), C. II. 1. a), C. II. 2. a). 535  Neumann, in: NK-StGB5, Vor § 211 Rn. 140; ferner ders., in: FS Herzberg, S. 575 (584); zust. R. Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (321). 536  Vgl. dazu C. II. 5. b) aa) (2). 537  Ähnlich wie hier für den „LKW-Fall“ R. Merkel, Früheuthanasie, S.  415 ff., 422. 538  Vgl. dazu bereits oben, C. II. 1. a) cc). 532  Vgl. Neumann, 533  Vgl.

232

C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

Kameraden wird kaum dazu führen, dass die allgemeine Achtung vor dem Leben herabgesetzt wird, schon allein deshalb, weil eine vergleichbare Situation im zivilen Leben kaum denkbar ist. Hier ist einzig der in der Literatur angeführte Fall eines in seinem Fahrzeug verbrennenden Lastwagenfahrers denkbar, welcher aber situativ im Wesentlichen dem „Gnadenschuss“ im militärischen Kontext entspricht – jedenfalls bestehen auch hier keine tieferen Gemeinsamkeiten mit etwaigen Sterbehilfe-Konstellation im Umfeld von Krankheit und altersbedingtem Lebensende.539 Während in den „klassischen“ Fällen die gefürchteten Ausweitungseffekte, sei es im Hinblick auf die Gefahr einer Tötung aus ökonomischen Erwägungen, sei es im Hinblick auf die Gefahr unüberlegter Entscheidungen, sei es im Hinblick auf die Lehren der jüngeren deutschen Geschichte, zumindest nicht ausgeschlossen wären, birgt der „Gnadenschuss“ keinesfalls dasselbe Gefahrenpotential, wie etwa die allgemeine Freigabe der aktiven ärztlichen Sterbehilfe. Die gefürchtete schiefe Ebene existiert auf dem Schlachtfeld jedenfalls dort nicht, wo nur die Alternativen „Tötung“ oder „Leid“ bestehen und der Sterbewunsch aus objektiver Sicht nicht nur sachgerecht, sondern de facto zwingend ist.540 Nicht zuletzt sind die hier untersuchten Fälle auch um Größenordnungen seltener und betreffen, im Vergleich zu den „üblichen“ Konstellationen der (ärztlichen) Sterbehilfe, auch potentiell nur einen sehr eingeschränkten Personenkreis.541 Hier würde eine Tötung die allgemeine Geltung des „Tötungsverbots“ schon aufgrund völlig des außergewöhnlichen Handlungskontextes nicht in Frage stellen,542 sodass ein entsprechendes gesellschaftliches Inte­ resse bei der Abwägung hier nicht mehr ins Gewicht fallen kann. Wenn beim „Gnadenschuss“ im konkreten Fall also keine bezifferbare Gefahr der Normerosion droht, kann das gesellschaftliche Interesse am Verbot der Fremdtötung im konkreten Fall numerisch mit „Null“ angesetzt werden.543

539  Vgl.

dazu bereits oben A. II. 3 sowie ausführlich unter E. IV. 2. a). Irrelevanz des „Dammbrucharguments“ beim militärischen „Gnadenschuss“ s. o., C. II. 1. a) cc). 541  Vgl. R.  Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (321), der die Gefahr eines „Dammbruchs“ schon aufgrund der Seltenheit solcher Extremfälle als nicht gegeben betrachtet; ähnlich Antoine, Aktive Sterbehilfe, S. 387. 542  Vgl. Pawlik, in: Becker/Roth, Das Recht der Älteren, S. 127 (150); vgl. auch oben, Fn. 541, S. 232. 543  Alternativ zum Einbringen eines numerisch „nullwertigen“ Interesses in die Abwägung wäre es denkbar, bei nicht bestehender Gefahr für die Geltung des Tötungsverbots im Einzelfall die Tötung schon gar nicht als vom Tatbestand des § 216 StGB umfasst zu sehen. Zu den Unzulänglichkeiten einer solchen Tatbestandslösung wurde bereits zuvor Stellung genommen, vgl. C. I. 1. c). 540  Zur



II. Eigene Lösung: § 34 StGB beim verlangten „Gnadenschuss“ 233

Nicht anderes gilt, will man hier zusätzlich auf ein gesellschaftliches Interesse an der Geltung der Grundsätze des humanitären Völkerrechts und auf die dahinter stehengen Schutzgüter („Konfliktbegrenzung“) abstellen. Denn durch eine Tat, die (auch durch den Gegner) nur als zutiefst menschliche „Gnade“ zu verstehen ist und die einzige Möglichkeit der Schmerzbeendigung in einer ausweglosen Situation bietet, wird das grundlegende Prinzip der Schonung der Opfer des Konfliktes überhaupt nicht in Frage gestellt. Hier geht es nicht um einen Angriff auf einen Verwundeten, sondern in einer völlig außergewöhnlichen Situation um die Gewährung der einzigen Hilfe, die unter den gegebenen Umständen noch möglich ist.544 Auch unter diesen Gesichtspunkten lässt sich kein maßgebliches überindividuelles Interesse am Verbot des „Gnadenschusses“ in einer solchen Situation finden. cc) Ergebnis der Interessenabwägung Im Ergebnis steht damit auf Seiten des „Erhaltungsguts“ zweimal der Zahlenwert „Null“, sowohl für das subjektive Lebensinteresse des Verwundeten, als auch für alle denkbaren Interessen der Gesellschaft. Damit sind die beeinträchtigten Interessen auch in der Summe nur mit „Null“ zu beziffern, folglich muss das „Erhaltungsinteresse“ Leidbeendigung überwiegen,545 dem in der gegebenen Situation dann eine alles überragende Bedeutung zukommt.546 Würde man, entgegen der hier vertretenen Auffassung, mit Herzberg547 von einer zwar mit größer als „Null“, aber dennoch denkbar gering zu gewichtenden Beeinträchtigung des Tötungstabus sogar beim militärischen 544  Ausführlicher zur Abwägung mit einem gesellschaftlichen „Konfliktbegrenzungsinteresse“ in D. II. 4. b) bb). 545  Denkbar ist noch der Einwand, dass der Zahlenwert „Null“ auf der Eingriffseite eine Abwertung der Erhaltungsseite impliziere: Ggf. wäre (rein zahlenmäßig) nur ein vergleichsweiser geringer Zahlenwert auf der anderen Seite nötig, um die „Null“ wesentlich zu überwiegen. Zugestanden sei, dass das Bild der Zahlengrößen und der „Abwägungswaage“ hier an seine Grenzen kommt – dennoch verfängt o. g. Einwand m. E. nicht: Schließlich ist, wie mehrfach dargestellt, die „Null“ auf der Erhaltungsseite nur im extremsten Fall überhaupt denkbar und erfordert eine derart aussichtslose Lage, dass in diesen Fällen dann auf der Gegenseite ein denkbar großes, überragendes Interesse am Ende der Schmerzen bestehen muss. Insofern sind beim „gerechtfertigten Gnadenschuss“ die beiden Seiten der Abwägung stets spiegelbildlich miteinander verknüpft und zeichen sich dann durch die jeweiligen Extreme der hier angeführten numerischen Gewichtungsskala aus. Dieselben Umstände, die auf der Éingriffsseite das „Minimum“ jeder denkbaren Gewichtung begründen, führen auf der Erhaltungsseite zum absoluten Gewichtungsmaximum; dort dann bzgl. der Beendigung der Schmerzen als dem maßgeblichen Erhaltungsinteresse. Eine Gewichtung zwischen diesen Extremwerten ist aber – jedenfalls hier – nicht realistisch denkbar. 546  Dazu vgl. auch sogleich C. II. 5. b) dd). 547  Herzberg, NJW 1996, 3043 (3048 f.); dazu oben C. II. 5. b) aa) (3).

234

C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

„Gnadenschuss“ ausgehen, gelänge man dennoch zum selben Ergebnis548: Auch dann bliebe auf Seiten des gesellschaftlichen Interesses eben keine konkrete Erosionsgefahr, sondern allenfalls ein diffuses und unbestimmtes Tabu. Setzt man dieses kaum definierbare, völlig abstrakte „Tabuinteresse“ der Gesellschaft ins Verhältnis zum Interesse des Verwundeten an der alsbaldigen Beendigung seiner Schmerzen, würde letzteres fraglos überwiegen.549 Vor dem gegebenen Hintergrund wäre es in jeder Hinsicht unmenschlich, den Sterbenden dazu zu verpflichten, um eines bloßen Prinzips willen unerträg­ liche Schmerzen zu erleiden.550 dd) Wesentliches Überwiegen Weiter muss das geschützte Interesse die durch die Notstandhandlung beeinträchtigten Interessen auch „wesentlich“ überwiegen. Nach überwiegender Ansicht ist ein deutliches Übergewicht des geschützten Interesses erforderlich.551 Für die Abwägung besteht beim „Gnadenschuss“ die Besonderheit, dass sie gerade nicht graduell erfolgt, sondern in dieser Situation wohl nur binär denkbar ist. Aufgrund des beschriebenen doppelten und summarischen „Nullwerts“ der subjektiven Lebensinteressen und der gesellschaftlichen Tabu­interessen ist ein Fall, im dem das Interesse an der Leidminderung nur knapp, d. h. nicht „wesentlich“ i. S. d. § 34 StGB überwiegt, nicht vorstellbar. Wo objektiver Extremfall und ernstliches Verlangen zusammen vorliegen, besteht sowohl aus individueller Perspektive des Opfers als auch aus Sicht 548  Anders wäre das Ergebnis freilich, wenn man zwar wie hier auf Seiten des Eingriffsinteresses nur von zahlenmäßigen „Nullwerten“ ausgeht, deren Berücksichtigungsfähigkeit in der Abwägung aber verneint. Dann müsste mangels eines Eingriffsinteresses konsequenterweise § 34 StGB abgelehnt und wohl schon von einem Ausschluss der Tatbestandsmäßigkeit ausgegangen werden, vgl. dazu Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (586 f.). Eine solche Sichtweise ändert zwar in der Sache nichts an der Straflosigkeit, indes sind Lösungen auf Ebene des Tatbestandes, wie oben gezeigt (C. I. 1. c)) systematisch nicht unproblematisch und schon deshalb abzulehnen. 549  So konsequenterweise dann auch Herzberg, NJW 1996, 3043 (3048). 550  Ähnlich R. Merkel, in: FS Schroeder, S. 297 (321); vgl. auch ders., Früheuthanasie, S. 421. 551  So etwa Zieschang, in: LK-StGB13, § 34 Rn. 149 m. w. N., vgl. aber insbesondere auch R. Merkel, Früheuthanasie, S. 532 ff., der mit bedenkenswerten Argumenten zumindest bei internen Interessenkollisionen ein schlichtes Überwiegen genügen lässt; so wohl auch Jakobs, AT2, S. 426, 449 f.; allgemein auch Perron, in: S/SStGB30, § 34 Rn. 45 m. w. N. Das kann hier letztlich offenbleiben, wenn ein „wesentliches Überwiegen“ beim „Gnadenschuss“ unproblematisch gegeben ist (dazu sogleich); ferner liegt nach hier vertretener Ansicht aufgrund der betroffenen gesellschaftlichen Interessen auch kein rein interner Konflikt vor, s. o., insb. C. II. 2. b) bb), C. II. 5. b) bb).



II. Eigene Lösung: § 34 StGB beim verlangten „Gnadenschuss“ 235

der Gesellschaft kein positives, sondern lediglich noch ein mit dem Zahlenwert „Null“ zu bezifferndes Interesse am Weiterleben und ‑leiden. Dementsprechend muss das Erhaltungsinteresse „Schmerzfreiheit“ vollständig überwiegen.552 Das Überwiegen des Sterbeinteresses ist, wo die erforderlichen Umstände vorliegen, also auch immer „wesentlich“ i. S. d. § 34 StGB. Denn das Interesse an der Beendigung seiner Qualen ist für den Verwundeten das einzige reale Interesse, dessen Verwirklichung überhaupt noch denkbar ist und für ihn genauso fundamental, wie – unter normalen Umständen – sein Interesse am Weiterleben wäre.553 c) Angemessenheit In § 34 S. 2 StGB wird zusätzlich zur bereits in S. 1 geregelten Interessenabwägung darauf hingewiesen, dass die Tat ein angemessenes Mittel zur Gefahrenabwendung darstellen muss. Nach verbreiteter Ansicht kommt S. 2 aufgrund der bereits erfolgten Interessenabwägung keine eigenständige Bedeutung zu.554 Nach a. A. erfolgt im Rahmen des § 34 S. 2 StGB ein zusätzlicher, zweiter Wertungsakt, der zu einem Ausschluss der Rechtfertigung in bestimmten Fallkonstellationen, insbesondere bei Umgehung rechtsstaatlicher Verfahren, führen soll.555 Diskutiert wird ein Ausschluss der Rechtfertigung auch bei einem Eingriff in elementare Rechtsprinzipien, insbesondere bei Verletzung der Menschenwürde.556 Bereits zuvor wurde herausgearbeitet, dass eine Tötung als solche nicht notwendig auch die Menschenwürde verletzt.557 Ferner entspricht die Tötung hier gerade dem Willen des Getöteten: Die Menschenwürde des Einzelnen kann auch im Rahmen des § 216 StGB schwerlich gegen ihn in Stellung gebracht werden.558 Die mit der h. M. zu Recht als unzulässig erachtete Konstellation einer Abwägung verschiedener Menschenleben gegeneinander liegt ebenfalls nicht vor, nur auf einer Seite 552  Soweit vertreten wird, dass in diesem Fall, in dem das Leid des Verwundeten seine restliche Existenz vollständig ausfüllt, die erstrebte Schmerzfreiheit auf Seiten des „Erhaltungsguts“ jedenfalls auch eine Menschenwürde-Komponente enthält, wäre dies ein weiteres Argument für ein notwendig absolutes Überwiegen, vgl. dazu auch C. II. 3. a) cc), C. II. 3. a) dd). 553  Vgl. Herzberg/Scheinfeld, JuS 2003, 880 (883); R. Merkel, Früheuthanasie, S. 423. 554  Vgl. nur Perron, in: S/S-StGB30, § 34 Rn. 46; Zieschang, in: LK-StGB13, § 34 Rn.  152 ff. m. w. N. 555  Vgl. etwa Jescheck/Weigend, AT5, S.  363 f.; Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn.  243, 249 ff.; Rengier, AT11, S.  189 ff.; Roxin/Greco, AT I5, S. 878 ff. für denkbare Fallgruppen. 556  Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 118 ff.; Roxin/Greco, AT I5, S. 880, 882. 557  S. o. C. II. 2. a). 558  Vgl. schon oben B. III. 1. b) bb) (1), dort insb. Fn. 331, S. 102.

236

C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

der Abwägung steht das Lebensinteresse (zusammen mit dem Tötungstabu), während auf der anderen Seite allein Interessen des Betroffenen selbst stehen. Diffuse „Dammbruch“-Gefahren vermögen, jedenfalls in außergewöhnlichen Situationen, einer Rechtfertigung nicht entgegenzustehen. An der Angemessenheit i. S. d. § 34 S. 2 StGB fehlt es damit im vorliegenden Fall nach keiner der beiden Ansichten. An ihr kann jedenfalls dann nicht ernstlich gezweifelt werden, wenn gar keine anderen Möglichkeiten der Leidbeendigung mehr denkbar sind.559 6. Subjektives Rechtfertigungselement § 34 StGB erfordert ein subjektives Rechtfertigungselement. Im Einzelnen ist umstritten, ob dabei das Handeln in Kenntnis der Notstandslage (und z. T. mit dem Wissen der Wahrung des überwiegenden Interesses) genügt, oder ob darüber hinaus auch ein Handeln des Täters aus einem Rettungsmotiv (z. T. auch: „Rettungswille“) hinsichtlich des zu schützenden Interesses zu fordern ist.560 Für den verlangten „Gnadenschuss“ i. S. d. des hier diskutierten Fall 1 ist bei erfülltem Tatbestand des § 216 StGB schon wegen des Erfordernisses des „Bestimmtwerdens“ des Täters durch das Tötungsverlangen des Opfers kein Fall denkbar, indem das Verlangen nicht auch handlungsleitendes Motiv für die Tötung war.561 Andernfalls kommt schon die Privilegierung des § 216 StGB nicht in Betracht. Wo das Verlangen aber, wie hier, handlungsleitend war, wird – dann auf Rechtfertigungsebene – wohl immer auch ein „Rettungswille“ hinsichtlich der Schmerzfreiheit vorliegen. So ist es jedenfalls im hier geprüften Fall 1, indem die Tötung des Verwundeten gerade aus Mitleid mit diesem erfolgt. Damit erübrigt sich, mangels divergierender Ergebnisse, jedenfalls an dieser Stelle, eine weitere Auseinandersetzung mit den o. g. Ansichten.

559  Chatzikostas, Disponibilität, S. 63; Neumann, in: Alexy/Dreier/Neumann, Rechts- und Sozialphilosophie, S. 248 (259); vgl. ferner auch Herzberg, NJW 1986, 1635 (1640), der bei § 34 S. 2 StGB auf die Tabuisierung der Tötung abstellt, aber gerade beim militärischen „Gnadenschuss“ eine Ausnahme von der grundsätzlichen Unangemessenheit aktiver, direkter Tötungen machen will. 560  Vgl. zum Streit nur Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 106 ff.; ferner ausführlich, E. II. 1. c) aa). 561  Zum Erfordernis des „handlungsleitenden“ Tötungsverlangens im Rahmen des § 216 StGB vgl. insb. BVerfG NJW 2009, 1061 (1062); BGHSt 50, 80 (91 f.); ferner Rissing-van Saan, in: LK-StGB12 § 216 Rn. 23; Sinn, in: SK-StGB9, § 216 Rn. 6; Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 26 ff., jeweils m. w. N.; vgl. auch bereits oben B. III. 1. b) aa) (2).



III. Ergebnis zu Fall 1237

III. Ergebnis zu Fall 1 Es konnte gezeigt werden, dass die Rechtfertigung einer Tötung auf Verlangen in Form des „Gnadenschusses“ durch den rechtfertigenden Notstand in eng umgrenzten Einzelfällen möglich und sachgerecht ist.562 Im Hinblick auf die betroffenen Interessen finden sich auf Seiten des „Eingriffsguts“ sowohl das Lebensinteresse des Verwundeten, sowie, aufgrund des Tabuschutzzweckes des § 216 StGB, das gesellschaftliche Interesse an der Aufrechter562  Im Ergebnis wie hier explizit für eine Rechtfertigung des militärischen „Gnadenschusses“ über § 34 StGB Herzberg; NJW 1986, 1635 (1639 ff.); Herzberg, NJW 1996, 3043 (3047 ff.); Herzberg, ZIS 2016, 440 (441 f., 447); Chatzikostas, Disponibilität, S. 60 ff., 320 ff., 327; wohl auch Scheffler, in: Joerden/Neumann, Medizin­ ethik 2, S. 45 (46); ders., in: Joerden, Der Mensch und seine Behandlung in der Medizin, S. 249 (261); sowie Kubiciel, Die Wissenschaft vom Besonderen Teil, S. 226. Ferner allgemein für eine einzelfallabhängige Rechtfertigung aktiver Sterbehilfe in „Extremfällen“ durch § 34 StGB Antoine, Aktive Sterbehilfe, S. 389, 394; Dreier, JZ 2007, 317 (321 f.); Erb, in: FS Schünemann, S. 337 (344 ff.); in Ausnahmefällen für eine Rechtfertigung statt § 60 StGB Eschelbach, in: BeckOK-StGB48, § 216 Rn. 14, 22; Eser/Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 211 ff. Rn. 25, § 216 Rn. 15a; E. Fischer, Recht auf Sterben?!, S. 270, 274 f.; eher skeptisch T. Fischer, in: FS Roxin (2011), S. 557 (575 f.); wohl auch Geilen, in: FS Bosch, S. 277 (288); Hirsch, in: FS Welzel, S. 775 (795 f.); wohl auch Jakobs, in: FS Kaufmann, S. 459 (470 f.); Kämpfer, Die Selbstbestimmung Sterbewilliger, S. 358 f.; Kargl, in: Institut für Kriminalwissenschaften, Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts, S. 379 (384 ff.; 396); Kühl, Jura 2009, 881 (884); nicht eindeutig aber ders., AT8, S. 420; Kutzer, FPR 2007, 59 (61); ders., FPR 2004, 683 (685); ders., DRiZ 2005, 257 (258); ders., ZRP 2003, 209 (212); ders., MedR 2001, 77 (78); ders., ZRP 1997, 117 (119); ders., MDR 1985, 710 (715 f.); Linke, Grundrechtliche Spannungslagen am Lebensende, S. 121 f.; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 111, S. 26; R. Merkel, ZRP 2020, 162 (164); ders., in: Heinrich-Böll-Stiftung, Selbstbestimmung am Lebensende, S. 27 (36 ff.); ders., in: FS Schroeder, S. 297 (308 ff.); ders., Früheuthanasie, S.  195 ff., 412 ff., 425 ff., 528 ff., 591, 600, 638 f.; ders., JZ 1996, 1145 (1150 ff.); ders., in: Hegselmann/Merkel, Zur Debatte über Euthanasie, S. 71 (93, 97); Mezger/Blei, BT12, S. 16; Mitsch, in: AnwKStGB3, § 216 Rn. 13, 15; ders., in: FS Weber, S. 49 (61); F. Müller, § 216 StGB als Verbot abstrakter Gefährdung, S. 201 ff.; Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 16 ff., 38, 85, Vor § 211 Rn. 139 ff., § 216 Rn. 19; ders., in: FS Herzberg, S. 575 (580 ff.); ders., ZStW 2006, 743 (753 ff.); ders., in: Alexy/Dreier/Neumann, Rechts- und Sozialphilosophie, S. 248 (255 ff., 259); grundsätzlich wohl auch Neumann/Saliger, HRRS 2006, 280 (285 f.); Otto, Grundkurs Strafrecht7, S. 35, 42; ders., NJW 2006, 2217 (2222); ders., ZfL 2002, 42 (48); ders., Jura 1999, 434 (441); ders., Gutachten 56. DJT, S. D1 (D58 ff., D92); zumindest grundsätzlich Rosenau, in: FS Roxin (2011), S. 577 (584 f., 590); wohl auch ders., in: S/S/W-StGB5, § 34 Rn. 15; Roxin, in: FS Fischer, S. 509 (518, 522); Schmaltz, Sterbehilfe, S.  62 ff.; Schneider, in: MüKo-StGB3, Vor § 211 Rn. 100, § 216 Rn. 57 ff.; Schöch/Verrel, AE-StB, GA 2005, 553 (583 mit Fn. 161); Schork, Ärztliche Sterbehilfe, S. 247 ff.; Schroeder, ZStW 1994, 565 (580); Simson, in: FS Schwinge, S. 89 (109 f.); Sinn, in: SK-StGB9, § 212 Rn. 55, § 216 Rn. 20; Stiller, Sterbehilfe und assistierter Suizid, S. 248 ff.; Verrel, Gutachten 66. DJT, S. C1 (C68 f., C119).

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C. Fall 1: Tötung auf Verlangen

haltung des grundsätzlichen Fremdtötungsverbots, ferner auch ein gewisses überindividuelles Interesse an der Geltung der Regeln des humanitären Völkerrechts bezüglich der Schonung Verwundeter. Diesen Interessen steht als zu schützendes „Erhaltungs“-Interesse die Schmerzfreiheit des Betroffenen, d. h. sein Interesse am alsbaldigen Ende seiner Qualen, gegenüber. Notwendige Basis der Abwägung ist das objektive Vorliegen eines Ex­ tremfalls, d. h. einer Situation, die die Tötung schon objektiv als einzig tragbare Handlungsalternative zum Überhaupt-nicht-Handeln erscheinen lässt. Bei der Gewichtung der gegenläufigen Interessen kann nur in einem solchen Extremfall ein individuelles und überindividuelles Interesse am Weiterleben und -leiden des Verwundeten jeweils mit dem numerischen Abwägungswert „Null“ beziffert werden. Mangels Handlungsalternative (zum Nicht-Handeln und einem qualvollen Tod) besteht dann ein völlig überwiegendes Interesse des Verwundeten an der Beendigung seines Leids gerade durch seine Tötung – schließlich kann er aufgrund seiner Lage realistischer Weise überhaupt keine anderen erfüllbaren Interessen mehr haben. Damit ist festzuhalten, dass es sich beim (verlangten) „Gnadenschuss“ zwar um eine furchtbare Tat handelt – aber eben nicht zwingend um Unrecht.563 Im Extremfall ist die aktive Tötung auf Verlangen im Wege des rechtfertigenden Notstands aus § 34 StGB gerechtfertigt564 – das Leidbe­ endigungsinteresse des Verwundeten überwiegt alle denkbaren gegenläufigen Interessen.

563  Völlig richtig deshalb Herzberg, NJW 1996, 3043 (3047): „Darum ist es zwar eine schreckliche Tat, aber kein Unrecht, wenn ein Soldat auf dem Schlachtfeld den qualvollen Todeskampf des gräßlich verwundeten Kameraden auf dessen Flehen hin durch einen Gnadenschuss abkürzt.“ 564  Nichts anderes wird i. E. gelten, wollte man – anders als hier – auch dann von einer Spezialität des § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB ausgehen, wenn der Verwundete seine Tötung ernstlich und ausdrücklich verlangt. Die hier gefundene Lösung über § 34 StGB wird sich in ihrer Grundkonzeption auch dann anbieten. Für Besonderheiten im Hinblick auf § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB sei auf die Ausführungen zu Fall 2 in Kapitel D. verwiesen.

D. Fall 2: Tötung ohne ausdrückliches Verlangen Einziger – freilich gravierender – Unterschied des zweiten Falles im Vergleich zum zuvor erläuterten ist das Fehlen eines ausdrücklichen und ernstlichen Verlangens i. S. d. § 216 StGB. In Fall 2 tötet der Soldat einen Verwundeten, der zu einer solchen Äußerung nicht mehr in der Lage ist. Grund dafür werden in der Regel schwerste Verletzungen sein, die eine Verständigung gar nicht mehr erlauben, wie es etwa bei den dargestellten aktuelleren Fällen in Afghanistan und im Irak der Fall war.1 Ferner kommen ähnliche Fallvarianten in der Praxis vor allem dann vor, wenn es sich um augenblickliche Entscheidungen handelt, die eine auch nur kurzfristige Verzögerung nicht erlauben. Hier vergleiche man etwa den Fall des verbrennenden argentinischen Soldaten im Falklandkrieg.2 Erfolgt der „Gnadenschuss“ in solchen Fällen also nicht als Reaktion auf ein ausdrückliches, ernstliches Verlangen des Verwundeten, so kommt die Privilegierung des § 216 StGB nicht in Betracht. Die Tat erfüllt zumindest den Tatbestand des Totschlags, § 212 StGB. Erfolgt sie, wie hier, im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt gegen ein Opfer, das als Verwundeter eine nach humanitären Völkerrecht geschützte Person i. S. d. § 8 Abs. 6 VStGB darstellt, ist die Tötungsvariante eines Kriegsverbrechens (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB) einschlägig. Im Anwendungsbereich des VStGB entspricht § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB strukturell dem StGB-Totschlag.3 Der Tatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB ist in Fall 2 erfüllt, wenn der Täter im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt einen Verwundeten tötet.4 Dass der „Kriegsverbrechenstotschlag“ auf den hier geschilderten Fall anwendbar wäre, wurde bereits festgestellt.5 Gezeigt wurde ferner, dass es sich bei § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB dann i. d. R. um die speziellere Norm zu den §§ 211, 212 StGB handelt.6 Ob die für Fall 1 gefundene Lösung über den rechtfertigenden Notstand aus § 34 StGB auch hier überzeugen kann, muss im Folgenden überprüft werden. 1  Vgl.

hierzu oben, A. III. 1. b). oben, A. III. 1. a) dd) (3), S. 49. Ähnliche Situationen lagen insb. auch den Fällen im Anhang mit den Nrn. 20, 23, 33, 38, 58, 77 zugrunde. 3  Geiß/Zimmermann, in: MüKo-StGB3, § 8 VStGB Rn. 127. 4  Vgl. ausführlich oben, B. III. 1. c), zusf. B. III. 1. c) cc). 5  Siehe oben, B. III. 1. c). 6  Vgl. dazu bereits oben B. III. 2 und B. III. 2. b) aa). 2  Vgl.

240

D. Fall 2: Tötung ohne ausdrückliches Verlangen

I. Überprüfung denkbarer Lösungsansätze Bevor auf die in Fall 1 favorisierte Lösung über den rechtfertigenden Notstand zurückzukommen ist, sind die weiteren denkbaren Lösungsmöglichkeiten des „Gnadenschusses“ im Hinblick auf den hier maßgeblichen Fall zu überprüfen.7 Im Vergleich zu Fall 1 werden einige denkbare Ansätze schon deshalb wegfallen müssen, weil es sich bei einer Tat nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB – im Gegensatz zu einer Tötung auf Verlangen nach § 216 StGB – um ein Verbrechen handelt. 1. Auf Tatbestandsebene Während bei § 216 StGB eine Tatbestandslösung in Form einer teleologischen Reduktion für bestimmte Fälle der (aktiven) Sterbehilfe Anhänger findet,8 wird, soweit ersichtlich, bisher nichts Vergleichbares bei § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB vertreten. Der hier relevante Fall ist, wie gezeigt, vom Wortlaut des Tatbestandes umfasst – grundsätzlich handelt es sich bei der Tötung eines schwer leidenden Verwundeten auch in einer ausweglosen Situation um die Verwirklichung eines Kriegsverbrechens gegen Personen im Sinne obiger Norm. Aber besteht hier überhaupt Raum für eine Reduktion? Wie dargestellt, ist der erforderliche Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt weit zu verstehen, ferner ist am Vorliegen einer Tötungshandlung nicht zu zweifeln, sodass insoweit keine Ansatzpunkte bestehen. Der Verwundete ist nach humanitärem Völkerrecht umfassend geschützt, sogar vor Schädigungshandlungen der eigenen Partei.9 An seinem Schutzstatus vermögen die besonderen Umstände des „Gnadenschusses“ nichts zu ändern. Allenfalls denkbar wäre es, den Tatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB auf Tötungen gegen den Willen des Opfers zu beschränken. Sinnvoll wird eine solche Einschränkung aber nicht gelingen, es bestünde nicht zuletzt ein Konflikt mit der „Einwilligungssperre“ des § 216 StGB. Denn ohne Frage wird man nicht sämtliche einverständliche Tötungen im Rahmen eines bewaffneten Konflikts freigeben können, sondern höchstens seltene Grenzfälle unter ganz bestimmten, extremen Umständen. Wo aber eine differenzierte Evaluation der äußeren Umstände nebst einer Abwägung der betroffenen ­Interessen vorzunehmen ist, ist nicht der Tatbestand, sondern die Rechtfertigung die richtige Ebene. Es darf an dieser Stelle auf die Ausführungen zu 7  Zu

den Lösungsansätzen in Bezug auf Fall 1 vgl. C. I. oben C. I. 1. c). 9  Vgl. oben B. II. 1. e) cc); B. III. 2. a) bb) (1); B. III. 2. b) bb) (1). Entsprechend kann auch die Tötung der „eigenen“ Verwundeten nicht schlüssig als nicht vom Tatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB erfasst angesehen werden. 8  Vgl.



I. Überprüfung denkbarer Lösungsansätze241

§ 216 StGB verwiesen werden – die dort angeführte Kritik an Tatbestands­ lösungen gilt unverändert.10 2. Auf Rechtfertigungsebene a) Gewohnheitsrecht Unabhängig von der Frage, inwiefern eine gewohnheitsrechtliche Rechtfertigung aktiver Tötungen überhaupt in Betracht käme, steht fest, dass eine allgemeine Akzeptanz der Tötung Schwerstverwundeter im Wege des „Gnadenschusses“ (jedenfalls in der Gegenwart) evident nicht besteht. Zwar kommen solche Fälle auch weiterhin vor, von einer allgemeinen Praxis wird man aber schon angesichts der Seltenheit entsprechender Vorkommnisse kaum sprechen können. Ferner darf zwar von einer gewissen Akzeptanz entsprechender Handlungen (jedenfalls) in militärischen Kreisen ausgegangen werden, Einigkeit wird indes auch hier nicht bestehen. Sowieso ließen sich aus den etwaig bestehenden Wertvorstellungen bestimmter potentiell betroffener Personenkreise keine Schlüsse für die strafrechtliche Behandlung einer Tat ziehen. Hier gilt nichts anderes als bei Fall 1, eine gewohnheitsrechtliche Rechtfertigung entbehrt jeder tragfähigen Grundlage.11 b) (Mutmaßliche) Einwilligung Eine Rechtfertigung eines Kriegsverbrechens i.  S.  d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB durch ausdrückliche Einwilligung ist kaum denkbar: Äußert das Opfer sein Tötungsverlangen in der „Gnadenschuss“-Situation, so wird in der Regel auch ein ernstliches (und handlungsleitendes) Verlangen vorliegen, sodass die Tat dann nach § 216 StGB zu behandeln wäre (s. o.). Damit bleibt im Rahmen des § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB nur insoweit Raum für eine Einwilligung, als dass es sich um eine mutmaßliche Einwilligung handelte. Deren Vorliegen ist durchaus denkbar: Im hier diskutierten Extremfall wird die Tötung des Schwerstverwundeten, mangels Alternative, zumeist entweder seinem wirklichen, aber mangels Fähigkeit nicht geäußerten oder zumindest seinem hypothetischen, aber mangels Fähigkeit nicht gebildeten Willen entsprechen.12 Allerdings sperrt § 216 StGB eindeutig die rechtfertigende Wirkung sogar bei ernstlichem und ausdrücklichem Verlangen, und damit erst recht (allein) 10  Vgl.

oben C. I. 1. c). zum Ganzen oben C. I. 2. a). 12  Vgl. dazu näher im Folgenden, insb. D. II. 4. b) aa). 11  Vgl.

242

D. Fall 2: Tötung ohne ausdrückliches Verlangen

bei einer bloßen (mutmaßlichen) Einwilligung.13 § 216 StGB trifft eine Regelung für die gesamte Rechtsordnung, entsprechend kann auch für das VStGB nichts anderes gelten. Ferner ergibt sich für die Tatbestände des VStGB – abgesehen von den ausdrücklich geregelten Ausnahmen in § 8 Abs. 1 Nr. 8 – die grundsätzliche Unbeachtlichkeit einer Einwilligung des Opfers für die Rechtfertigung des Täters schon daraus, dass die Straftaten des VStGB sich (auch) gegen überindividuelle Rechtsgüter (Friedensschutz, Eingrenzung der Kriegsführung)14 richten, die nicht individuell disponibel und einer (mutmaßlichen) Einwilligung daher nicht zugänglich sind.15 Obwohl somit im Ergebnis eine (mutmaßliche) Einwilligung alleine nicht genügt, eine Tat nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB zu rechtfertigen, bedeutet das nicht, dass eine Rechtfertigung per se ausgeschlossen16 oder die Einwilligung des Opfers in seine Tötung letztlich ohne Bedeutung wäre: Die mutmaßliche Einwilligung wird bei einer möglichen Lösung nach § 34 StGB im Rahmen der Interessenabwägung eine tragende Rolle spielen.17 c) § 34 StGB – Rechtfertigender Notstand Wie bereits zuvor scheint der rechtfertigende Notstand hier die aussichtsreichste Möglichkeit zu sein,18 um den „Gnadenschuss“ in der vorliegenden Variante sachgerecht zu behandeln und die besonderen situativen Umstände eines solchen „Grenzfalles“ zu berücksichtigen. Nur aus Gründen der Systematik ist § 34 StGB bereits hier einzuordnen, eine detaillierte Prüfung des rechtfertigenden Notstandes soll für Fall 2 unter D. II. erfolgen. 3. Auf Schuldebene Eine Anwendung des übergesetzlichen Notstandes19 käme grundsätzlich in Betracht; ihr müssen aber im Rahmen des § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB dieselben 13  Vgl. bereits oben C. I. 2. b), C. II. 2. c) sowie in Bezug auf die mutmaßliche Einwilligung R. Merkel, ZStW 1995, 545 (553); ferner Rönnau/Meier, JuS 2018, 851 (853); Erb, in: FS Schünemann, S. 337 (344). 14  Vgl. dazu B. III. 1. c) bb). 15  BT-Drucksache 14/8524, S. 15. 16  Zur vergleichbaren Argumentation mit betroffenen überindividuellen Interessen im Rahmen des § 216 StGB vgl. oben C. II. 2. b) bb); C. II. 5. b) bb). 17  Vgl. sogleich, D. II. 18  Eine rechtfertigende Pflichtenkollision kommt, wie bereits bei Fall 1, nicht in Betracht, s. o., Fn. 111, S. 159. 19  Eine direkte Anwendung des § 35 StGB wird regelmäßig nicht in Betracht kommen, vgl. oben C. I. 3.; auch über § 17 StGB und § 20 StGB ist eine Entschuldigung des „Gnadenschusses“ i. d. R. nicht zu erreichen, vgl. oben Fn. 169, 170, S. 167 und



I. Überprüfung denkbarer Lösungsansätze243

Bedenken entgegengebracht werden wie zuvor bei § 216 StGB in Fall 1: Eine Lösung ist auf Schuldebene schlicht falsch verortet, da sie dem Täter bescheinigen müsste, zwar rechtlich „falsch“ gehandelt zu haben, nur eben nicht individuell vorwerfbar.20 Eine Entschuldigung ist wertungsmäßig nicht mit einer Rechtfertigung, wie etwa über § 34 StGB, zu vergleichen. Hinsichtlich der einzelnen Kritikpunkte kann nach oben verwiesen werden,21 i. E. ist jede Entschuldigungslösung auch für Fall 2 abzulehnen. 4. Auf Ebene der Rechtsfolgen/prozessual a) § 60 StGB, §§ 153 ff. StGB, Begnadigung Anders als in Fall 1 kommen die bei einer Tötung auf Verlangen grundsätzlich denkbaren Lösungen über ein Absehen von Strafe (§ 60 StGB) oder Einstellungen nach §§ 153 ff. StPO angesichts der obligatorischen lebenslangen Freiheitsstrafe bei § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB nicht in Betracht: § 60 StGB ist gemäß S. 2 nicht anwendbar, wenn der Täter eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verwirkt hat. Eine Einstellung nach §§ 153, 153a StPO ist nur bei Vergehen möglich. Die einzig verbleibende Möglichkeit der Begnadigung des Täters wäre zwar denkbar, indes gilt die im Rahmen von Fall 1 dazu vorgebrachte Kritik unverändert: Die Begnadigung bietet keine überzeugende rechtliche Basis für die Behandlung des „Gnadenschusses“ und reicht über eine „Notlösung“ nicht hinaus.22 b) „Rechtsfolgenlösung“ – § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB analog Angesichts der obligatorischen lebenslangen Freiheitsstrafe und des Fehlens eines minder schweren Falles für den Tatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB wäre eine Übertragung der Rechtsprechung des BGH zum Mord („Rechtsfolgenlösung“23) auf § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB in besonders gelagerten Grenzfällen ggf. denkbar.24 Jede zwingende lebenslange Freiheitsstrafe steht jedenfalls dann in einem Spannungsverhältnis zur Schuldangemessenheit der Strafe, wenn kein geunten E. II. 2. b). Zu § 5 WStG und § 3 VStGB beim Handeln auf Befehl vgl. im Folgenden E. III. 2. 20  Vgl. Schneider, in: MüKo-StGB3, Vor § 211 Rn. 100 Fn. 368. 21  Vgl. zum Ganzen im Rahmen von Fall 1, oben C. I. 3. 22  Siehe dazu oben, C. I. 4. c). 23  So zuerst der Große Senat für Strafsachen, BGHSt 30, 105 (119 ff.). 24  Vgl. kritisch Epik, Die Strafzumessung bei Taten nach dem Völkerstrafgesetzbuch, S. 472 f., 482, 521; ferner auch Burghardt, JZ 2016, 106 (108).

244

D. Fall 2: Tötung ohne ausdrückliches Verlangen

setzlicher Milderungsgrund einschlägig ist.25 Beim Mord können solche besonderen Ausnahmefälle mittels der, vom BGH grundsätzlich nur für das Mordmerkmal der Heimtücke entwickelten „Rechtsfolgenlösung“, bewältigt werden.26 Dabei wird die Strafe im Wege einer verfassungskonformen Rechtsanwendung in „einzelnen Grenzfällen“27 analog § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB gemildert, wenn bei bzw. trotz heimtückischer Begehungsweise besondere Entlastungsfaktoren vorliegen, die eine lebenslange Freiheitsstrafe als mit dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unvereinbar erscheinen lassen.28 Der BGH stellt hohe Anforderungen an mildernde Aspekte, die letztlich zur analogen Anwendung des § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB führen können: Eine Milderung soll eben nur in extrem gelagerten Ausnahmefällen in Betracht kommen, im Wege einer Gesamtabwägung ist zu klären, ob die Umstände derart außergewöhnlich sind, dass die lebenslange Freiheitsstrafe unverhältnismäßig wäre.29 Eine abschließende Definition solcher außergewöhnlicher Umstände hält der BGH für unmöglich.30 Als Ausnahmefall soll aber etwa eine „durch eine notstandsnahe, ausweglos erscheinende Situation motivierte, in großer Verzweiflung begangene Tat“ gelten, ebenso wie Taten „aus tiefem Mitleid“.31 Bei letzteren müssen besondere Umstände vorliegen, die die Einwilligung des Opfers allein genügt nicht.32 Trotz der Fokussierung der „Rechtsfolgenlösung“ auf die Heimtücke wird sie richtigerweise nicht nur beim Heimtückemord, sondern auch bei anderen Mordmerkmale anzuwenden sein, sofern der obligatorische lebenslange Freiheitsentzug im Einzelfall unangemessen wäre.33 Sofern eine solche Lösung beim Mord akzeptiert wird, wäre sie aber auch auf andere Delikte mit obligatorisch lebenslanger Freiheitstrafe anzuwenden: Beim „Gnadenschuss“ steht zwar nicht der Vorwurf eines (Heimtücke-)Mordes im Raum, sondern eine Strafbarkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. VStGB. Am Grundproblem der obligain: MüKo-StGB3, § 211 Rn. 282. 26  Schneider, in: MüKo-StGB3, § 211 Rn. 282. 27  BVerfG NJW 1977, 1525 (1533). 28  BGHSt 30, 105 (118 ff.). 29  Vgl. BGHSt 30, 105 (119 ff.); vgl. auch Schneider, in: MüKo-StGB3, § 211 Rn. 283 mit umfangreichen Nw. zur Rspr. 30  BGHSt 30, 105 (119). 31  BGH NStZ 2016, 469 (470); BGH NStZ 2003, 146 (148); BGHSt 30, 105 (119). 32  BGH NStZ 2016, 469, (470 f.). 33  Vgl. etwa Eschelbach, in: BeckOK-StGB48, § 211 Rn. 123; Gössel/Dölling, BT 12, S. 65; Günther, NJW 1982, 353 (358); Jähnke, in: FS Spendel, S. 537 (545); Lackner, NStZ 1981, 348 (348); Otto, Jura 1994, 141 (144); Rissing-van Saan/Zimmermann, in: LK-StGB12, § 211 Rn. 188 f.; Schneider, in: MüKo-StGB3, § 211 Rn. 40, 282; Sinn, in: SK-StGB9, § 211 Rn. 9. 25  Schneider,



I. Überprüfung denkbarer Lösungsansätze245

torischen lebenslangen Freiheitsstrafe für bestimmte Kriegsverbrechen ändert sich dadurch aber nichts. Im Gegenteil: Wo einzelne Mordmerkmale zumindest teilweise einer restriktiven Auslegung zugänglich sind, um unangemessene Strafen zu verhindern, bietet § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB kaum auslegungsfähige Tatbestandsmerkmale. Hier erschöpft sich der Tatbestand in der Tötung einer geschützten Person im Konflikt.34 Im Ergebnis wäre damit auch beim „Kriegsverbrechenstotschlag“ in besonders gelagerten Ausnahmefällen eine Milderung analog § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB durchaus angezeigt. Beim hier geschilderten Fall handelt es sich fraglos um eine derart außergewöhnliche Situation. Insbesondere liegen hier sogar die exemplarisch vom BGH aufgeführten Umstände, die eine Bestrafung mit lebenslanger Haft schuldunangemessen erscheinen lassen können35, vor: Es handelt sich um eine seltene, ausweglose Situation, in der die Tötung (i. d. R.) aus Mitleid erfolgt. Im Wege der „Rechtsfolgenlösung“ bestünde zwar die Möglichkeit, dem „Gnadenschuss“-Täter zumindest die lebenslange Haft zu ersparen, indes mildert ein abgesenktes Strafmaß36 nur das Unrecht, dass dem Täter mit einer Verurteilung widerführe.37 In Fällen, in denen die Tötung angesichts aussichtsloser Lage und schlimmster Qualen wertungsmäßig überhaupt nur schwerlich als Unrecht zu bezeichnen wäre, erscheint nach hier vertretener Ansicht jede – also auch eine gemilderte – Strafe unbillig.38 5. Regelungsbedarf für den Gesetzgeber Wo also das grundlegende Problem obligatorischer lebenslanger Freiheitsstrafen angesprochen ist, muss auch auf die anhaltende Diskussion hinsichtlich einer Reform des Mordparagraphen verwiesen werden.39 Da sich bei § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB letztlich dasselbe Grundproblem stellt,40 bzw. dieses 34  Vgl.

B. III. 1. c) aa). oben Fn. 31, S. 244. 36  Statt lebenslanger Freiheitsstrafe dann Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB analog. 37  Andere beim „Gnadenschuss“ – allerdings nur in bestimmten Konstellationen – denkbare Milderungsgründe sind § 17 S. 2 StGB und § 21 StGB, jeweils i. V. m. § 49 Abs. 1 StGB, vgl. oben Fn. 169, 171, S. 167. Zu § 5 Abs. 2 WStG und § 3 VStGB vgl. unten E. III. 2. 38  Vgl. bereits die Kritik der diversen Lösungsansätze für Fall 1, oben C. I. 39  Einen Überblick über die neueren Reformvorschläge m.  w.  N. bieten etwa Rissing-van Saan, in: LK-StGB12, Vor §§ 211 ff. Rn. 159 ff.; ausführlich Schneider, in: MüKo-StGB3, Vor § 211 Rn. 199 ff. 40  Ebenso wie bei anderen Tatbeständen des VStGB, vgl. ausführlich Epik, Die Strafzumessung bei Taten nach dem Völkerstrafgesetzbuch, S. 467 ff. 35  Vgl.

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D. Fall 2: Tötung ohne ausdrückliches Verlangen

hier sogar noch verschärft vorliegt, da eine „restriktive“ Auslegung, wie sie beim Mord jedenfalls in der Literatur gefordert wird, beim „Kriegsverbrechenstotschlag“ – wie gezeigt – mangels entsprechend auslegungsfähiger Tatbestandsmerkmale nicht sinnvoll gelingen kann, wäre eine Reform durch den Gesetzgeber dringend angezeigt. Hier bietet sich die Schaffung eines minder schweren Falles des „Kriegsverbrechenstotschlags“ an.41 Eine Reform wäre nicht nur vor dem Hintergrund besonders gelagerter Grenzfälle wie dem „Gnadenschuss“ zu begrüßen, sondern dürfte auch in sehr viel weniger außergewöhnlichen Fällen eine schuldangemessenere Strafe ermöglichen: Strukturell entspricht die Tötungsvariante des § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB zunächst dem „zivilen“ Totschlag aus § 212 StGB.42 Das im Vergleich erhöhte Unrecht ergibt sich aus dem Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt.43 Indes sind auch in diesem Kontext Situationen denkbar, in denen die Tötung einer nach humanitärem Völkerrecht geschützten Person zwar ein hohes, aber nicht notwendig auch jenes höchste Maß an Unrecht und Vorwerfbarkeit bedeutet, das eine lebenslange Freiheitsstrafe rechtfertigen würde.44 Dabei wird es sich – im Gegensatz zum „Gnadenschuss“ – nicht nur um extreme Ausnahmefälle handeln, sondern um Fälle, die nicht einmal besonders unüblich sind.45 Damit wäre die obligatorische lebenslange Freiheitsstrafe nicht nur ausnahmsweise, sondern sogar regelmäßig unangemessen.46 Mithin stößt die „Rechtsfolgenlösung“ des BGH, die gerade nur für seltene, besonders gelagerte (Extrem-)Situationen geschaffen wurde,47 hier an ihre Grenzen.48 Sie hilft jedenfalls dort nicht weiter, wo es 41  So überzeugend Epik, Die Strafzumessung bei Taten nach dem Völkerstrafgesetzbuch, S. 482 ff., 521, insb. 525: „Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren“. 42  Vgl. Burghardt, JZ 2016, 106 (108); Darge, Kriegsverbrechen, S. 264 f.; Epik, Die Strafzumessung bei Taten nach dem Völkerstrafgesetzbuch, S. 474; Geiß/Zimmermann, in: MüKo-StGB3, § 8 VStGB Rn. 127; siehe auch bereits oben B. III. 1. c) aa) (5). 43  Ambos, in: MüKo-StGB3, Vorbem. § 8 VStGB Rn. 34; Kirsch, in: FS Kargl, S. 287 (291 f.); vgl. auch bereits oben B. III. 1. c) bb). 44  Ähnlich Epik, Die Strafzumessung bei Taten nach dem Völkerstrafgesetzbuch, S. 469, 473, 475 ff., 521; Burghardt, JZ 2016, 106 (108). 45  Zu denken ist hier etwa an die Tötung nach humanitärem Völkerrecht geschützter Personen als „Kurzschlussreaktion“ im unmittelbaren Anschluss an schwere Kämpfe oder als direkte Reaktion auf Kriegsverbrechen des Opfers gegen Kameraden des Täters o. ä. Hier sind viele Fälle denkbar, bei denen es sich zwar durchaus um strafwürdige Taten handelt, die aber m. E. nicht denselben Unrechtsgehalt aufweisen wie die „üblichen“ Kriegsverbrechen, die der Gesetzgeber mit § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB zu erfassen beabsichtigt hat. 46  Burghardt, JZ 2016, 106 (108); vgl. auch Epik, Die Strafzumessung bei Taten nach dem Völkerstrafgesetzbuch, S. 477 ff. 47  Schneider, in: MüKo-StGB3, §  211 Rn.  282 ff. m. w. N. 48  Burghardt, JZ 2016, 106 (108); Epik, Die Strafzumessung bei Taten nach dem Völkerstrafgesetzbuch, S. 482, 521.



I. Überprüfung denkbarer Lösungsansätze247

sich nicht mehr um Ausnahmefälle handelt. Das sind freilich andere Fälle als der hier maßgebliche „Gnadenschuss“. Eine Reform des § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB wäre vor diesem Hintergrund zwar wünschenswert, für den vorliegenden Fall ist sie aber nicht unmittelbar erforderlich, wenn bereits die Notstandslösung im Wege des § 34 StGB mit der Möglichkeit der Berücksichtigung aller Umstände im Wege der Interessenabwägung ein sachgerechtes Ergebnis liefern kann. Ferner müsste auch nach einer angenommenen Reform für den „Gnadenschuss“ oben angeführtes gelten: Angesichts der außergewöhnlichen Situation erscheint jede, also auch eine gemilderte Strafe, für den „Gnadenschuss“ dort unbillig, wo dieser die einzige Alternative zu unerträglichem Leid ist. 6. „Nichtlösung“ – lebenslange Haft Eine vollständige „Nichtlösung“, d. h. die zwingende Verhängung einer lebenslangen Haftstrafe für den „Gnadenschuss“ im Sinne des hier geschilderten Falles wäre evident nicht schuldangemessen. Hier kollidiert eine ausnahmslos lebenslange Haft mit dem verfassungsrechtlichen Gebot schuldangemessenen Strafens, da keine gesetzlichen Milderungsmöglichkeiten einschlägig sind.49 Eine Berücksichtigung der besonderen Situation, in der sich Opfer und Täter befanden, könnte durch das Gericht nach dem Gesetz in keiner Weise mehr stattfinden.50 Für den „Gnadenschuss“-Fall bei § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB wäre zumindest eine analoge Anwendung des § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB („Rechtsfolgenlösung“ des BGH) kaum zu umgehen.51 Die Alternative einer „restriktiven“ Auslegung ist mangels sinnvoll auslegungsfähiger Tatbestandsmerkmale (anders als bei § 211 StGB) nicht sinnvoll möglich. Dass indes in bestimmten Situationen – wie dem „Gnadenschuss“ – aber sogar (jede!) zeitige Freiheitsstrafe für eine Tat i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB unbillig wäre, wurde bereits erörtert. 7. Exkurs: §§ 212, 213 StGB Nur der Vollständigkeit halber seien noch im Überblick die Gegebenheiten erläutert, wollte man, anders als hier vertreten, bei „Gnadenschüssen“ zwischen Beteiligten derselben Partei nicht von einer Anwendbarkeit des VStGB ausgehen.52 Ebenso würde sich die Situation darstellen, falls, etwa mangels allgemein Schneider, in: MüKo-StGB3, § 211 Rn. 282. allgemein Epik, Die Strafzumessung bei Taten nach dem Völkerstrafgesetzbuch, S. 479. 51  Zu einer solchen siehe oben D. I. 5. 52  Vgl. dazu ausführlich B. III. 2. a) bb) (1). 49  Vgl. 50  Vgl.

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D. Fall 2: Tötung ohne ausdrückliches Verlangen

Bezug zum bewaffneten Konflikt, eine Strafbarkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB im Einzelfall einmal nicht in Betracht kommen sollte.53 In diesen Fällen wäre der Täter grundsätzlich wegen Totschlages strafbar, angesichts der extremen Situation und i.  d.  R. billigungswerten Motiven dürfte (sofern keine Mordmerkmale verwirklicht sind) nur ein minder schwerer Fall i. S. d. § 213 StGB im Raum stehen.54 Vor dem Hintergrund des dann mit § 216 StGB identischen Strafrahmens (sechs Monate bis fünf Jahren Freiheitsstrafe) kann auf die in Fall 1 erfolgte Darstellung und Kritik weiterer Lösungsansätze (insb. § 60 StGB bzw. §§ 153 ff. StPO), die für § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB nicht denkbar wären, verwiesen werden. Im Ergebnis kann freilich auch hier keiner der angebrachten Vorschläge vollumfänglich überzeugen. Eine Lösung wäre auch bei §§ 212, 213 StGB im Rahmen des § 34 StGB zu suchen, die Ausführungen im Folgenden gelten entsprechend.

II. Eigene Lösung: § 34 StGB Wie bereits in Fall 1 scheint § 34 StGB auch hier die beste Aussicht auf eine angemessene Lösung zu bieten, sodass auch für Fall 2 versucht werden soll, auf Basis des § 34 StGB eine Möglichkeit zur Rechtfertigung des Täters zu finden, die den besonderen Umständen im konkreten Einzelfall gerecht wird. 1. Anwendbarkeit Im VStGB gelten gemäß § 2 VStGB die allgemeinen Vorschriften des StGB, sofern im VStGB keine Sonderregelungen getroffenen werden. Bei einer Tat nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB kommt entsprechend auch der rechtfertigende Notstand in Betracht.55 An der Anwendbarkeit des rechtfertigenden Notstandes auf die „Gnaden­ schuss“-Fälle bestehen i. E. keine Zweifel. Denkbare Problempunkte im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit sind bereits in Fall 1 erläutert worden;56 für Fall 2 gilt hier nichts anderes. 53  Vgl.

etwa den „LKW-Fall“, dazu ausführlich E. IV. 2. a). auch oben, B. III. 1. a). 55  Vgl. Weigend, in: MüKo-StGB3, § 2 VStGB Rn. 17, 19; Geiß/Zimmermann, in: MüKo-StGB3, § 8 VStGB Rn. 258; Kreicker in: Eser/Kreicker, Nationale Strafverfolgung völkerrechtlicher Verbrechen, Deutschland, S. 327 ff. 56  Siehe oben, C. II. 2. 54  Vgl.



II. Eigene Lösung: § 34 StGB249

2. Notstandslage a) „Erhaltungsgut“ Das maßgebliche „Erhaltungsgut“, dem der „Gnadenschuss“ dient, ist auch im Fall 2 die mittels der Tötung zu erreichende Freiheit des Verwundeten von seinen Qualen. Dass es sich bei der Schmerzfreiheit – auch um den Preis des damit Todes – sehr wohl um ein im Rahmen des § 34 StGB berücksichtigungsfähiges Interesse handeln kann, konnte bereits zuvor festgestellt werden.57 b) Gegenwärtige Gefahr aa) Grundsatz Die gegenwärtige Gefahr besteht in den andauernden, unerträglichen Schmerzen des Verwundeten. Hier findet sich grundsätzlich kein Unterschied zu Fall 1, jedenfalls sofern der Verwundete aufgrund objektiv vorliegender schwerster Verwundungen aktuell schwer leidet. bb) Sonderfall: Unklare Empfindungsfähigkeit Etwas anderes kann sich aber in solchen Fallkonstellationen ergeben, in denen der Verwundete entweder aktuell bewusstlos ist, d. h. zurzeit überhaupt nichts mehr empfindet, oder aber etwa derart starke Kopfverletzungen erlitten hat, dass unklar ist, ob er überhaupt noch in der Lage ist, Schmerz zu empfinden (oder im äußersten Fall sogar schon hirntot ist)58. Seine Fähigkeit, aktuell oder während seiner restlichen verbleibenden Lebenszeit noch Schmerz zu empfinden, wird in diesen Fällen auch nachträglich nicht immer feststellbar sein. Ob der „Gnadenschuss“ dennoch in Betracht käme, ist näher zu untersuchen: Denn es wird unter diesen Umständen eine ganz erhebliche Wahrscheinlichkeit bestehen, dass der Verwundete trotz seiner scheinbaren Bewusstlosigkeit tatsächlich schlimmste Schmerzen leidet oder er aber, sofern er das Bewusstsein in seiner kurzen verbleibenden Lebenszeit wiedererlangen würde, jedenfalls dann schlimmste Qualen erleiden müsste. Kaum überprüfbar ist in bestimmten Einzelfällen, ob die Beeinträchtigung bereits eingetreten ist und andauert (aktuelle Schmerzen) oder zurzeit „lediglich“ die 57  Siehe

oben, C. II. 3. a) aa). hier beispielhaft die Fälle, die MacDonald, 1915, S. 309 f. und Masters, The Road Past Mandalay, S. 258 f. schildern. Für Auszüge daraus s. o., A. III. 1. a) dd) (1), S. 42 und A. III. 1. a) dd) (2), S. 44. 58  Vgl.

250

D. Fall 2: Tötung ohne ausdrückliches Verlangen

Gefahr der Empfindung schwersten Leids in naher Zukunft aufgrund tatsächlich gegebener Verwundungen besteht. Pauschal auszuschließen wäre eine Rechtfertigung auch dann nicht. Freilich wird es hier auf die Umstände des Einzelfalles, insbesondere auf die Art der Verletzungen und den allgemeinen Zustand des Betroffenen ankommen. Das „bloße“ Vorliegen einer Leidensgefahr in diesen Fällen unterliegt in jedem Fall dem „Korrektiv“ der Interessenabwägung des § 34 StGB,59 wobei dann auch die Wahrscheinlichkeit der Gefahr vor dem Hintergrund der drohenden Beeinträchtigung (d. h. des Empfindens schwersten Leids) zu berücksichtigen ist.60 3. Notstandshandlung Die Tötung muss das relativ mildeste geeignete Mittel zur Schmerzbeendigung darstellen.61 Ein, in Fall 1 zumindest denkbarer, Suizid (bzw. eine Ermöglichung der Selbsttötung durch Beihilfe) wird hier i. d. R. mangels ­ verbleibender Handlungsfähigkeit des Betroffenen kaum als milderes Mittel zur Tötung in Betracht kommen. 4. Interessenabwägung a) Betroffene Rechtsgüter auf beiden Seiten der Abwägung Zunächst ist auf Seiten des „Eingriffsgutes“ das subjektive Lebensinteresse des Verwundeten selbst betroffen.62 Ferner sind daneben auch überindividuelle Interessen zu berücksichtigen. Anders als bei § 216 StGB kann hier nicht das Interesse der Gesellschaft an der Aufrechterhaltung des grundsätzlichen Tötungsverbots angeführt werden. Ein allgemeines Fremdtötungstabu besteht im Bereich bewaffneter Konflikte grundsätzlich nicht.63 Tötungen im Krieg bilden gerade eine der (wenigen) Ausnahmen vom Tötungstabu. Für den Bereich des bewaffneten Konflikts ist das Regel-Ausnahme-System insoweit gerade umgekehrt: Grundsätzlich sind Tötungen (durch Kombattanten) in diesem Kontext bei Beachtung des humanitären Völkerrechts strafrechtlich zulässig. 59  Dazu

im Folgenden, D. II. 4. zum Korrektiv der Interssenabwägung nur Perron, in: S/S-StGB30, § 34 Rn.  15 m. w. N. 61  Dazu bereits oben. C. II. 4. 62  Vgl. dazu auch die Ausführungen zu Fall 1, C. II. 5. b) aa). 63  Vgl. nur Weigend, in: MüKo-StGB3, § 2 VStGB Rn. 7. 60  Vgl.



II. Eigene Lösung: § 34 StGB251

Unzulässig ist eine Tötung, wenn es sich beim Opfer um eine nach humanitärem Völkerrecht zu schützende Person handelt. Die Tötung einer so geschützten Person berührt neben deren individuellen Interessen (s. o.) auch den besonderen Schutzzweck des humanitären Völkerrechts, dessen Durchsetzung das VStGB gerade dient: Hier sind die Eingrenzung und die Verhinderung einer (qualitativen und quantitativen) Ausweitung eines bewaffneten Konfliktes maßgeblich. Damit steht auf Seiten des „Eingriffsguts“ auch ein überindividuelles „Konflikteingrenzungsinteresse“.64 Welches Gewicht diesem Interesse im konkreten Fall zukommt, wird im Folgenden zu diskutieren sein. Auf Seiten des „Erhaltungsguts“ steht, wie in Fall 1, das Interesse des Verwundeten an der Schmerzfreiheit.65 b) Abwägung zwischen „Eingriffs-“ und „Erhaltungsgut“ aa) Abwägung mit dem subjektiven Lebensinteresse Jede Lösung über § 34 StGB bedarf zwingend der Feststellung, dass das individuelle subjektive Lebensinteresse vom Schmerzbeendigungsinteresse überwogen wird. In Fall 1 war diese Feststellung relativ unproblematisch, da sich das fehlende Interesse am Weiterleben schon durch das ernstliche Verlangen zeigt. Wo eine etwaige Fehlerhaftigkeit des Tötungsverlangens dann durch die äußeren Umstände ausgeschlossen werden kann, d. h. wo die subjektive Bewertung auch objektiv alternativlos erschien, war das subjektive Lebensinteresse des Betroffenen mit dem numerischen Wert „Null“ in die Abwägung einzustellen. Hinsichtlich der Umstände des Einzelfalles gilt auch in Fall 2 grundsätzlich nichts anderes. Der Lebenssachverhalt, der die Tötung letztlich bereits objektiv als einzige Handlungsalternative zum Nicht-Handeln und damit zum qualvollen Sterben erscheinen lässt („Extremfall“),66 bildet die tatsächliche Grundlage, auf der die Notstandsabwägung erfolgt. Diese Qualifizierung der Situation als ausweglose Extremsituation gerade durch die äußeren situativen Umstände spielt dabei zunächst bei der subjektiven Abwägung

64  Vgl. dazu auch oben, B. III. 1. c) bb). Zur Berücksichtigung solcher überindividuellen Interessen bereits in Fall 1 siehe C. II. 2. b) bb). Denn jedenfalls potentiell wird eine Gefahr der Konfliktausweitung bei jeder Verletzung humanitären Völkerrechts denkbar sein – schließlich wird in jedem der hier diskutierten Beispielfälle eine durch humanitäres Völkerrecht geschützte Person getötet. 65  Siehe für Fall 1 oben, C. II. 3. a) aa). 66  Zu den Merkmalen solcher „Extremsituationen“ siehe oben, C. II. 5. b) aa) (2).

252

D. Fall 2: Tötung ohne ausdrückliches Verlangen

zwischen Lebens- und Schmerzbeendigungsinteresse eine unerlässliche Rolle.67 Anders als bei Fall 1 sind im Rahmen des nicht ausdrücklich verlangten „Gnadenschusses“ aber auch Fallkonstellationen denkbar, in denen nicht eindeutig ist, dass der Verwundete auch aktuell schwerstes Leid empfindet. Dies wird vor allem bei (scheinbar) Bewusstlosen, Verwundeten mit schwersten Kopfverletzungen und Personen unmittelbar an der Schwelle zwischen Leben und Tod nicht immer eindeutig sein. Hier ist der entsprechende Leidenszustand zwar in der Situation angelegt, die tatsächliche Empfindung aber nicht unbedingt eindeutig feststellbar. Eine durch § 34 StGB gerechtfertigte Tötung kann hier – wie allgemein – nur unter der Voraussetzung in Betracht kommen, dass sie als einzig tragbare Handlungsalternative erscheint. Dies setzt zunächst voraus, dass alle sonstigen zuvor dargestellten Elemente des Extremfalles (außer dem aktuell empfundenen schwersten Leid) objektiv vorliegen. Es darf (1.) in absehbarer Zeit keine Aussicht auf Besserung der (Versorgungs-)Lage bestehen; (2.) muss die Prognose für den Verwundeten unter den gegebenen Umständen objektiv völlig hoffnungslos sein; (3.) darf keine andere Möglichkeit der Schmerzbekämpfung mehr bestehen. Sind sämtliche dieser Voraussetzungen kumulativ gegeben, ist es im extremen Einzelfall nicht ausgeschlossen, dass anstelle eines bereits aktuellen schwersten Leids auch die Gefahr objektiv unerträglichen Leids ausreichen kann. Dies wird etwa dann der Fall sein, wenn die Verletzungen des Verwundeten derart schrecklich sind, dass zwar gewiss ist, dass solche Verletzungen an sich mit schlimmsten Schmerzen einhergehen, aber unklar ist, ob der Verwundete diese auch tatsächlich noch zu empfinden in der Lage ist.68 Angesichts der Bedeutung des Rechtsguts Lebens sind hier hohe Anforderungen zu stellen; das Erleiden schwerster Qualen im Falle einer Empfindungsfähigkeit bzw. bei ihrer Rückkehr muss also objektiv evident sein. Die Evidenz schwersten Leids wird sich aus Art und Schwere der Verwundung ergeben, für Beispiele können die anfangs69 (und im Anhang) angeführten Fälle herangezogen werden.

67  Nichts anderes wird aber auch bei der Abwägung zwischen individuellem Schmerzbeendigungsinteresse und weiteren gesellschaftlichen Interessen („Konfliktbegrenzung“) gelten müssen, dazu sogleich, C. II. 5. b) bb). 68  Die Überlegung, dass bei Bewusstlosen, die tatsächliche „Empfindung von Qualen“ als grundsätzlich „unerlässliche Voraussetzung“ fehlen kann, findet sich bereits bei Hilschenz, Die Sterbehilfe, S. 23 f. Dennoch will auch sie in Fällen besonderer Tragik die Sterbehilfe „in vorsichtiger Begrenzung“ zulassen, etwa wenn „zu befürchten ist, dass [der Verwundete] auf dem Schlachtfeld elend zu grunde gehen muß“. 69  Vgl. A. III. 1.



II. Eigene Lösung: § 34 StGB253

Wo derartige Verwundungen vorliegen, wird u. U. aber eine niemals völlig auszuschließende Restunsicherheit bzgl. der (aktuellen bzw. zukünftigen) Empfindungsfähigkeit auch bereits gegenüber dem (mutmaßlichen) Interesse des Verwundeten an der Abwehr der Gefahr der Empfindung schrecklichsten Leids in diesen Fällen in der Abwägung zurücktreten können.70 (1) Kein geäußertes Tötungsverlangen In Fall 2 besteht jedoch die Schwierigkeit, dass auch dort, wo die äußeren Umstände grundsätzlich die gleichen sind wie in Fall 1, die Feststellung des verbleibenden subjektiven Lebensinteresses sich gerade nicht auf ein ausdrückliches Verlangen des Verwundeten stützen kann. Eine Willensäußerung erfolgt in Fall 2 nicht. Ob dies im Einzelfall aufgrund der Schwere der Verletzungen, mangels Kommunikationsmöglichkeit, oder aufgrund der „Augenblicklichkeit“ der Situation erfolgt, ist zunächst unerheblich. Etwaige äußerlich vernehmbare Anzeichen schlimmster Qualen (wie etwa Schmerzensschreie) werden, da diese keine zielgerichtete Einwirkung auf den Willen des Täters beinhalten,71 nicht als ein Verlangen i. S. d. § 216 StGB zu qualifizieren sein. Schlussfolgerungen auf Basis der Umstände der Tat – und erst recht bloße Vermutungen – genügen nicht den Anforderungen an die Ausdrück­ lichkeit eines Verlangens.72 Andernfalls müsste § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB auch hinter die nach hier vertretener Ansicht für ernstlich verlangte Tötungen speziellere Norm des § 216 StGB zurücktreten, die dann ihre Sperrwirkung entfalten würde.73 Wenn aus etwaigen körperlichen Anzeichen großer Qualen oder generell aus dem Zustand des Verwundeten der Schluss eines fehlenden subjektiven Interesses des Leidenden an seinem Weiterleben geschlossen wird, bedarf es dazu zumindest prima facie eines wertenden Aktes eines Dritten. Hier könnte sich ein Konflikt mit der Menschenwürde des Opfers ergeben, sofern sein fehlendes Lebensinteresse nicht tatsächlich feststeht. Keinesfalls kann eine Qualifizierung des verlöschenden Lebens des Verwundeten als unter den gegebenen Umständen „lebensunwert“ durch einen anderen erfolgen:74 Maßgeblich ist nur die Interessengewichtung des Betroffenen selbst. Abgewogen werden (zunächst) allein seine eigenen Interessen, anhand ihres jeweiligen Wertes, der ihnen vom Betroffenen selbst in der ge70  Vgl.

dazu D. II. 4. b) aa) (4). Neumann/Saliger, NK-StGB5, § 216 Rn. 10; Eser/Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, § 216 Rn. 5. 72  Rissing-van Saan, in: LK-StGB12, § 216 Rn. 19. 73  Siehe oben, B. III. 2. a). 74  Siehe bereits oben, C. II. 5. b) aa). 71  Vgl.

254

D. Fall 2: Tötung ohne ausdrückliches Verlangen

gebenen Situation zugewiesen wird. Das Lebensinteresse des Sterbenden kann im konkreten Fall nur dann zurücktreten, wenn sein Interesse am Ende seiner Qualen entsprechend seiner eigenen Bewertung (wesentlich) überwiegt. Da eine Willensäußerung nicht erfolgt, ist entscheidend, ob und unter welchen Voraussetzungen die subjektive Interessengewichtung des Verwundeten durch den Täter ermittelbar ist. Damit ist das Grundproblem für Fall 2 erfasst: Wie lassen sich die Präferenzen des Betroffenen bestimmen, ohne einen eigenen Wertungsvorgang vorzunehmen? (2) Kommunikationsfähiger Verwundeter Sofern Situation und Art der Verletzungen dies zulassen, ist der Verwundete schlicht zu fragen. Verlangt er daraufhin ernstlich und ausdrücklich die Tötung, gelten die zu Fall 1 gemachten Ausführungen. Lehnt er ab, wäre eine Tötung gegen seinen erklärten Willen stets strafbares Unrecht. Eine „aufgedrängte“ (aktive) Sterbehilfe gegen den Willen des Opfers ist unter allen Umständen unzulässig,75 auch für den „Gnadenschuss“ darf nichts anderes gelten. (3) Sonst: Ermittlung des mutmaßlichen Willens Sofern im Einzelfall aber keine Kommunikation mit dem Verwundeten mehr möglich ist, muss dessen Wille pro oder contra Tötung möglichst fehlerfrei ermittelt werden. Jeder dahingehende Wille beruht, in einem vorge­ lagerten Schritt, gerade auf einer subjektiven, internen Interessenabwägung des Verwundeten selbst zwischen „Eingriffsgut“ Lebensinteresse und „Erhaltungsgut“ Schmerzfreiheit. Bei der Ermittlung der Präferenz kann nur nach dem Rechtsgedanken der mutmaßlichen Einwilligung verfahren werden:76 Wo eine Notstandsrechtfertigung unter maßgeblicher Berücksichtigung des mutmaßlichen Willens von der wohl herrschenden Meinung für die indirekte nur Neumann, in: NK-StGB5, Vor § 211 Rn. 91, 141; Wessels/Hettinger/ Engländer, BT 143, S. 55; auch Chatzikostas, Disponibilität, S. 48 f.; Saliger, KritV 2001, 382 (433 f.); T. Fischer, StGB67, Vor §§ 211–217Rn. 38; vgl. auch Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (589); Herzberg, NJW 1986, 1635 (1639). 76  Explizit für die Berücksichtigung des mutmaßlichen Willens im Rahmen der Interessenabwägung bei § 34 StGB in bestimmten Grenzfällen aktiver Sterbehilfe Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 16, Vor § 211 Rn. 91, 103, 139, 141; ders., in: FS Herzberg, 575 (589); Erb, in: FS Schünemann, S. 337 (346); vgl. ferner Schneider, in: MüKo-StGB3, Vor § 211 Rn. 113; Gössel/Dölling, BT 12, S. 33; vgl. auch Otto, Gutachten 56. DJT, S. D1 (D60); sowie Rieger, Die mutmaßliche Einwilligung, S. 77; insb. auch R. Merkel, in: Heinrich-Böll-Stiftung, Selbstbestimmung am Lebensende, S. 27 (38); ders., Früheuthanasie, S. 429 mit Fn. 85, 431. 75  Vgl.



II. Eigene Lösung: § 34 StGB255

Sterbehilfe zugelassen wird77 und nach der Rechtsprechung des BGH beim „Behandlungsabbruch“ auch der mutmaßliche Wille des Patienten die Rechtfertigung tragen kann,78 wäre es nur konsequent, in bestimmten Extrem­fällen, in denen neben der aktiven Tötung keine tragbare Alternative (zum NichtHandeln) mehr besteht, auch die direkt vorsätzliche, aktive Lebensbeendigung auf ein Element der mutmaßlichen Interessenpräferenz zu stützen. Bei der Ermittlung des mutmaßlichen Willens (genauer: bereits bei der vorgelagerten Ermittlung der internen Interessengewichtung) besteht keinesfalls eine „Entscheidungskompetenz“ des Ausführenden, sondern nur eine, die Subjektivität des Betroffenen achtende, „Ermittlungskompetenz“.79 Der Unterschied besteht darin, dass der Täter nicht aufgrund eigener Wertvorstellungen das schmerzausgefüllte Restleben des Verwundeten als nicht lebenswert qualifiziert, sondern nur ermitteln darf, ob der Verwundete selbst dergestalt zwischen seinem Lebensinteresse und dem Interesse am Ende seiner Qualen abgewogen hat (wenn er „nur“ unfähig ist seinen Willen zu äußern) oder so abgewogen hätte (wenn auch die Willensbildung nicht mehr möglich war), sodass daraus im Ergebnis ein subjektives Überwiegen des Leidbeendigungsinteresse und daraus letztlich sein Sterbewille folgt. Damit wird das Ergebnis einer tatsächlich erfolgten oder, in der zweiten Variante, hypothetischen internen Interessenbewertung ermittelt und – dann im nächsten Schritt – einem daraus folgenden Sterbewillen ggf. zum Vollzug verholfen. In jedem Fall ist die Interessenabwägung im Rahmen des rechtfertigenden Notstandes untrennbar an die ermittelte (tatsächliche oder hypothetische) ­individuelle Interessenbewertung des Opfers selbst gebunden, mittels § 34 StGB erfolgt nur dort die Objektivierung der subjektiven Abwägung nach außen, wo allein die innere subjektive Wahl (hier als mutmaßliche Einwilligung) wegen der „Einwilligungssperre“ des § 216 StGB zur Rechtfertigung nicht ausreicht.80 Entsprechend ist hier die Ermittlung der Präferenz des Betroffenen im Rahmen des rechtfertigenden Notstandes vorzunehmen.81 Ist eine konkrete individuelle Interessengewichtung, etwa anhand von Indizien82, ermittelbar, muss diese maßgeblich sein: Folgt daraus nämlich, dass vieler Schneider, in: MüKo-StGB3, Vor § 211 Rn. 104, 108, 113; Neumann, in: NK-StGB5, Vor § 211 Rn. 103, jeweils m. w. N. 78  BGHSt 55, 191 (191 ff.); vgl. dazu auch etwa Rosenau, in: LK-StGB12, Vor §§  211 ff. Rn.  60 ff. 79  Hufen, NJW 2001, 849 (855). 80  Vgl. Schneider, in: MüKo-StGB3, Vor § 211 Rn. 113; Neumann, in: NKStGB5, Vor § 211 Rn. 103. 81  Vgl. Rieger, Die mutmaßliche Einwilligung, S. 77. 82  Solche sind in Form von vorherigen Erklärungen, Äußerungen, Stellungnahmen, aber auch durch sonstige Verhaltensweisen des Betroffenen denkbar, vgl. Rönnau/Meier, JuS 2018, 851 (854); Rönnau, in: LK-StGB13, Vor §§ 32 ff. Rn. 223. 77  Statt

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D. Fall 2: Tötung ohne ausdrückliches Verlangen

der Verwundete seine Tötung nicht präferiert, so ist eine solche (tatsächliche oder hypothetische) subjektive Entscheidung des Betroffenen immer zu achten, selbst wenn sie für Außenstehende völlig unvernünftig oder unnachvollziehbar ist.83 Der „Gnadenschuss“ gegen den Willen ist strafbare Tötung, auch dann, wenn er „lediglich“ dem mutmaßlichen Willen widerspricht: Auch eine nicht selbst geäußerte, aber eben festgestellte persönliche Präferenz darf nicht im Wege einer objektiven Interessenbewertung, auch nicht im Rahmen des § 34 StGB, übergangen werden.84 Zielt der anhand besonderer Indizien85 ermittelte (mutmaßliche) individuelle Wille im Ergebnis aber auf die Tötung ab, tritt darin die subjektive Bewertung des Lebensinteresses des Betroffenen selbst zum Vorschein. Dort überwiegt sein Interesse an der Schmerzbeendigung. Problematisch gestaltet sich die Ermittlung der subjektiven Präferenz, wenn keine speziellen Anhaltspunkte für die konkrete individuelle Interessengewichtung erkennbar sind. Liegen keine besonderen Indizien für das Ergebnis der internen Interessenabwägung des Betroffenen vor, so nähert sich die Interessenabwägung im Rahmen des § 34 StGB dem „typischen“ Fall des rechtfertigenden Notstands an:86 Zwar stehen die kollidierenden Interessen weiterhin derselben Person zu, eine subjektive Gewichtung kann aber nur anhand objektiver Umstände ergründet werden. Je weniger Anhaltspunkte bei der Ermittlung eines mutmaßlichen Willens für einen individuellen Willen vorliegen, umso mehr kann nur noch auf das zurückgegriffen werden, woran sich ein verständiger Mensch in einer solchen Situation orientieren würde,87 d. h. (hier mit den Worten des BGH) auf „Kriterien […], die allgemeinen Wertvorstellungen entsprechen“88. Dabei dienen diese „objektive Kriterien […] lediglich der Ermittlung des individu-

allgemein Roxin/Greco, AT I5, S. 933; ferner auch Roxin, in: FS Welzel, S.  447 (450 f.); Jescheck/Weigend, AT5, S. 387; Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 32 ff. Rn. 57; Mitsch, ZJS 2012, 38 (42 f.); ders, in: Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, AT12, S. 457; Geppert, JZ 1988, 1024 (1026); Paeffgen/Zabel, in: NK-StGB5, Vor §§ 32 ff. Rn. 158; Rönnau, in: LK-StGB13, Vor §§ 32 ff. Rn. 217, 223. 84  Vgl. Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 32 ff. Rn. 57; Rönnau, in LKStGB13, Vor §§ 32 ff. Rn. 217, 223; Mitsch, ZJS 2012, 38 (42); Roxin, in: FS Welzel, S. 447 (450 f.); vgl. auch Müller-Dietz, JuS 1989, 280 (281). 85  Praktisch denkbar für die „Gnadenschuss“-Fälle sind hier wohl nur vorherige Äußerungen des (später) Verwundeten gegenüber seinen Kameraden. 86  Vgl. allgemein Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 19 f., Vor § 211 Rn. 120 ff.; Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 42 f.; Schneider, in: MüKo-StGB3, Vor § 211 Rn. 133; vgl. ferner auch R. Merkel, ZStW 1995, 545 (568 f.). 87  Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 43 m. w. N. 88  BGHSt 40, 257 (263). 83  Vgl.



II. Eigene Lösung: § 34 StGB257

ellen hypothetischen Willens“89. Sofern keine Anhaltspunkte für eine individuell abweichende Bewertung vorliegen, ist dann „davon auszugehen […], daß sein (hypothetischer) Wille mit dem übereinstimmt, was gemeinhin als normal und vernünftig angesehen wird“90. Auch bei einer solchen Ermittlung bestehender subjektiver Interessen am verbleibenden Leben (und Leiden!) gerade unter den gegebenen Umständen erfolgt keine „externe“ Bewertung des „Lebenswertes“ durch den Täter. Denn dieser bewertet nicht selbst, sondern interpretiert nur die objektive Situation und schließt aus dem Indiz der objektiven Interessenlage91 – und dem Fehlen entgegenstehender Indizien – auf die konkrete subjektive Interessengewichtung des Betroffenen.92 Ist aber angesichts der Umstände („Extremfall“) nur ein einziger (realistischer) Schluss möglich, entfällt jedes wertende Element. Abermals sind also die besonderen Umstände des Einzelfalls gleich mehrfach maßgeblich: Nur dort, wo die Verwundung des Opfers derart schwer ist, dass ein Überleben undenkbar wäre und er extremste, nicht zu lindernde Qualen leidet, lässt die gegebene Situation, bei Fehlen individueller, die Präferenz des Betroffenen deutlich machender Anzeichen, den hinreichend sicheren Schluss zu,93 dass das Interesse des Betroffenen am weiteren Erleben- bzw. Erleiden seiner verbleibenden Lebenszeit gleich „Null“ ist. Unbestreitbar möchte, in bestimmten Situationen, mutmaßlich kein Mensch freiwillig (derart) leiden.94 Der Verwundete befindet sich in den diskutierten Fallkonstellationen in einer der schlimmsten überhaupt denkbaren Situationen. Wo er vom Leben nichts weiter erwarten kann als den Tod unter schrecklichen Qualen, wo also jegliche erlebbare Existenz hinter einem allumfassenden Schmerz zurücktritt und dies objektiv völlig evident ist (man vergleiche hier einige der in Kapitel A. angeführten Fälle), kann er kaum noch ein reales, anderes Interesse haben, als ein (absolutes) an der Beendigung seiner Schmerzen.95 Alles andere („atypische Fälle“) wäre hier geradezu irreal. Liegen die geschilderten äußeren Umstände der „Gnadenschuss“Situation, aber sonst keine besonderen Indizien für abweichende individuel89  BGHSt

35, 246 (249 f.). 35, 246 (250). 91  Vgl. nur Roxin, in: FS Welzel, 447 (451); Geppert, JZ 1988, 1024 (1026). 92  I. E. ähnlich Dörr, Dogmatische Aspekte der Rechtfertigung, S. 202 f. 93  Absolute Gewissheit kann es natürlich nicht geben. Das ist letztlich hinzunehmen und gilt so auch in allen anderen Fällen, vgl. dazu sogleich. 94  Hufen, NJW 2001, 849 (856). 95  Herzberg, NJW 1996, 3043 (3048); ders., ZIS 2016, 440 (447); vgl. auch Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 84, Vor § 211 Rn. 103; unter Verweis auf die erforderliche Evidenz des Ergebnisses auch Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 61; ferner Pawlik, in: FS Kargl, S. 407 (416 f.), dazu auch bereits die Ausführungen zu Fall 1 oben in C. II. 5. b) aa). 90  BGHSt

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D. Fall 2: Tötung ohne ausdrückliches Verlangen

len Interessen des Betroffenen vor, so kann mit hinreichender Gewissheit also schon aus der Extremsituation selbst (1.) auf den subjektiven, zahlenmäßigen „Nullwert“ des Lebens für den Verwundeten, daraus (2.) auf sein völlig überwiegendes Interesse an der Leidbeendigung und mithin (3.) auf seinen Willen zur Tötung geschlossen werden. Ist die realistischer Weise bestehende subjektive Interessenlage des Betroffenen aufgrund der Situation einmal nicht völlig eindeutig, fehlt es regelmäßig schon auf einer vorgelagerten Ebene an der erforderlichen Ausweglosigkeit, die die Tötung als einzig tragbare Option erscheinen lässt – und damit am Vorliegen des notwendigen Extremfalles. Denn tatsächlich wird es sich in diesen Fallkonstellationen i. d. R. nicht um den – ohnehin kaum ernstlich denkbaren – Fall handeln, dass der Sterbende seinen Qualen mutmaßlich etwas abgewinnen kann und diese dem vorzeitigen und (relativ) schmerzfreien Tod vorzieht, sondern vielmehr um Unsicherheiten hinsichtlich der Ausweglosigkeit der Situation, die z. B. auf einer noch bestehenden Möglichkeit einer Rettung o. ä. beruhen. Mit anderen Worten: Hier bestünde schon kein Ex­ tremfall mit der zwingend erforderlichen „Hoffnungslosigkeit“ für den Verwundeten, sodass sich aus den situativen Umständen dann auch keine belastbaren Schlüsse auf die Interessen des Betroffenen ziehen ließen. Zugegeben sei aber, dass Restzweifel niemals vollständig auszuschließen sind. Absolute Gewissheiten kann es nicht geben, wo es um interne Wertungen anderer Personen geht. Aber das ist letztlich hinzunehmen. Insofern besteht kein maßgeblicher Unterschied zu Fällen eines mutmaßlich dem Willen entsprechenden Behandlungsabbruchs oder einer mutmaßlich erwünschten terminalen Sedierung, ja nicht einmal zur mutmaßlichen Einwilligung in Operationen mit potentiell tödlichem Ausgang. In allen diesen Fällen besteht ein – wie ich meine regelmäßig weitaus größeres – Restrisiko falscher Schlüsse auf die Präferenzen des Betroffenen auf Basis des äußeren, medizinischen Zustandes. Zwar ist der „Gnadenschuss“ wertungsmäßig, das ist kaum bestreitbar, von anderem Gewicht als diese Fälle – aber eben nicht im Ergebnis. In jedem Fall eines Fehlschlusses wäre der Betroffene schlimmstenfalls tot, obwohl die vorzeitige Verursachung des Todes, bzw. bereits die vorgelagerte Lebensgefährdung96, tatsächlich nicht seinem Willen entsprochen hat. Ist der drohende Schaden eines Fehlschlusses derart gravierend, so 96  Natürlich dürfte das Risiko, an einer lebensgefährlichen medizinischen Behandlung zu versterben, eklatant geringer sein, als beim sicher tödlichen „Gnadenschuss“, der dieses Ergebnis ja gerade bezweckt. Mit anderen Worten: Das Ergebnis der gefährlichen medizinischen Behandlung ist natürlich nicht zwangsweise der Tod. Im Falle der indirekten Sterbehilfe nähert sich dies freilich an – hier droht (bei fehlerhaft ermitteltem mutmaßlichen Willen) eine zumindest billigend in Kauf genommene Lebensverkürzung – d. h. eine aktive Tötung –, die nicht dem tatsächlichen Willen des Betroffenen entsprach.



II. Eigene Lösung: § 34 StGB259

muss dessen Wahrscheinlichkeit äußerst gering sein, um zu akzeptablen Ergebnissen zu gelangen.97 Wenn aber unvermeidbare Restrisiken der mutmaßlichen Einwilligung in den „üblichen Fällen“ richtigerweise akzeptiert werden müssen,98 soweit sie hinsichtlich ihrer Wahrscheinlichkeit und ihrer Folgen in keinem Verhältnis zur Alternative des Untätigbleibens stehen,99 so darf erst recht beim „Gnadenschuss“ nichts anderes gelten. Liegt dort objektiv eine „ausweglose“ Situation vor, in der ein Überleben, eine Rettung und sogar die Schmerzlinderung völlig undenkbar ist, ist das Risiko eines Fehlschlusses aus dieser Situation auf die individuellen Interessen des Verwundeten äußerst gering. Hier sind eine Vielzahl von Einzelfällen denkbar,100 in denen die Vorstellung einer abweichenden Präferenz des Verwundeten sehr unrealistisch ist, die Beeinträchtigung seiner Interessen durch das Erleiden weitere Qualen aber denkbar groß wäre. (4) Sonderfall: Unklare Empfindungsfähigkeit Zurückzukommen ist noch auf den besonders problematischen Fall, in dem aufgrund der Verletzungen und des Zustandes des Verwundeten sogar unklar ist, ob er (1.) aktuell schlimmste Schmerzen empfindet, er (2.) bewusstlos bzw. aufgrund einer Hirnschädigung empfindungsunfähig ist und sicher vor seinem Tod keine Schmerzen mehr erleiden wird, (3.) zwar aktuell bewusstlos ist, aber noch vor seinem Ende wieder leiden wird oder er (4. bereits hirntot ist. Solche Unsicherheiten stellen sich insbesondere bei ex­ tremsten Kopfverletzungen. Hier begründen die Verletzungen an sich zwar die Evidenz schwersten Leids, zugleich aber auch Zweifel an der konkreten Fähigkeit des Betroffenen, diese Qualen, aktuell oder im Laufe seiner kurzen verbleibenden Lebenszeit, auch tatsächlich noch erleiden zu können bzw. zu müssen.101 Solche teilweise wohl auch nachträglich nicht mehr ermittelbaren Unsicherheiten müssen vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Interessen des Betroffenen selbst betrachtet werden. Es geht hier nicht um etwaige Rettungsmöglichkeiten, sondern allein um die Frage nach der EmpfindungsRieger, Die mutmaßliche Einwilligung, S. 112, ferner auch S. 149. Restrisiko bestünde z. T. sogar bei einer ausdrücklichen Einwilligung, vgl. nur Mitsch, JZ 2005, 279 (282), zum nie auszuschließenden Risiko ferner Rieger, Die mutmaßliche Einwilligung, S. 64. 99  Hier erfolgt insoweit eine Abwägung zwischen den Risiken der Fehlentscheidung und den Folgen des Untätigbleibens, vgl. Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 32 ff. Rn. 54; Erb, in: FS Schünemann, S. 337 (339 f.); Mitsch, in: Baumann/­ Weber/Mitsch/Eisele, AT12, S. 454 f.; vgl. auch Rieger, Die mutmaßliche Einwilligung, S. 110. 100  Vgl. nur die oben in A. III. 1. und die im Anhang aufgeführten Fälle. 101  Vgl. oben Fn. 68, S. 252. 97  Vgl. 98  Ein

260

D. Fall 2: Tötung ohne ausdrückliches Verlangen

fähigkeit bei eindeutig tödlichen und (bei unterstellt gegebener Empfindungsfähigkeit) mit schwersten Schmerzen einhergehenden Verwundungen. Sofern die aktuelle Empfindungsfähigkeit im Einzelfall nicht feststeht bzw. ihre Rückkehr in der verbleibenden (kurzen) Lebenszeit nicht klar ist, ändert dies tatsächlich aber nichts an den Interessen des Verwundeten: Die geringe und letztlich als unvermeidbar hinzunehmende Restunsicherheit102 dahingehend, dass der Verwundete gar nicht mehr in die Lage gekommen wäre, die in seinen Verletzungen angelegten Schmerzen (oder sonst irgendetwas) tatsächlich zu empfinden, wird gegenüber dem (mutmaßlichen) Interesse des Verwundeten an der Abwehr der Gefahr des Erleidens schwersten Leids („Leidvermeidungsinteresse“) zurücktreten. Denn in tragischen Extremfällen wird bereits das (einzelfallabhängig!) ganz erhebliche Risiko des Empfindens schlimmster Todesqualen zu der (mut­ maßlichen) subjektiven „Null“-Bewertung des kurzen, zunächst ggf. empfindungsfreien, Lebens mit der drohenden Gefahr der Empfindung schlimmster Qualen führen. Im besten Fall droht dem Verwundeten hier ein kurzfristiges Leben ohne jedes Empfinden, im schlimmsten Fall ein kurzfristiges, aber grauenvolles Erleben schlimmster Schmerzen, dann sogar ohne Äußerungsmöglichkeit und ohne Aussicht auf Linderung. Es ist (bei Fehlen entgegenstehender Indizien, s. o.)103 keine realistische Vorstellung, dass der Betroffene ein empfindungsloses, regelmäßig nur minutenlanges Existieren ohne Hoffnung auf Besserung dem äußerst hohen Risiko schlimmster Qualen vorzieht. Nicht zuletzt wäre jedes andere Ergebnis auch kaum erträglich: Abwegig wäre es, demjenigen, der seine Schmerzen herausschreit und sich in Qualen windet, den „Gnadenschuss“ zuteilwerden zu lassen, diese Gnade aber demjenigen versagen zu müssen, der noch schwerer verwundet ist und in seinem Zustand nicht einmal mehr zu klaren Schmerzensäußerungen in der Lage ist – oder sogar dem Tode schon so nahe ist, dass nicht einmal gewiss ist, ob er überhaupt noch lebendig ist. (5) Zwischenergebnis Festzuhalten ist, dass in extremsten Fällen die interne, subjektive Bewertung des Lebensinteresses für den Verwundeten mit der Abwägungsgröße „Null“ schon aufgrund der objektiven Situation i. d. R. mit hinreichender Gewissheit feststeht. Freilich ist jeder Schluss aus dem Objektiven auf das Subjektive nur „letztes Mittel“ und stets subsidiär (1.) zur geäußerten oder 102  Vgl. 103  Vgl.

dazu bereits oben, D. II. 4. b) aa) (3). oben, D. II. 4. b) aa) (3).



II. Eigene Lösung: § 34 StGB261

(2.) zur anhand von Indizien ermittelbaren individuellen Präferenz des Opfers.104 Wo eine solche Vorgehensweise noch möglich ist, bietet sie stets ein (noch) höheres Maß an Gewissheit, als es die Ableitung subjektiver Bewertungen aus den objektiven Umständen gewährleisten kann.105 Andernfalls vermag es aber auch letzteres Verfahren in bestimmten Situationen mit annähernder Gewissheit die Präferenz des Verwundeten zu erfassen. Ein verbleibendes, niemals ausschließbares Restrisiko,106 eines Fehlschlusses aus den objektiven Umständen auf die subjektiven Interessen ist denkbar klein und gehört, angesichts der geschilderten Fälle, auch eher in den Bereich des Ir­ realen. Wer die Rechtfertigung des „Gnadenschusses“ deswegen ausschließen wollte, müsste konsequenterweise die Berücksichtigung des mutmaßlichen Willens in sämtlichen Fällen mit Bezug zum Leben ausschließen. Tatsächlich wird die Wahrscheinlichkeit eines „vom Üblichen“ abweichenden Willens beim „Gnadenschuss“ aufgrund der Umstände um Größenordnungen geringer ausfallen als bei Fällen im Kontext ärztlicher Heilbehandlung. Denn auf dem Schlachtfeld wird sich kaum ein Mensch finden lassen, der sein kurzfristiges Restleben unter schrecklichsten Qualen dem (sowieso unvermeidbaren) Tod vorzieht. Mithin kann hier, unter den dargestellten Voraussetzungen an die Extremsituation, die individuelle Präferenz des Verwundeten, als Basis der Interessenabwägung des § 34 StGB, aufgrund objektiver Umstände regelmäßig festgestellt werden. Sein Lebensinteresse ist dann in die Abwägung mit dem numerischen Wert „Null“ einzubringen, insofern gilt im Ergebnis nichts anderes als bei der in Kapitel C. diskutierten ausdrücklich verlangten Tötung: Subjektiv überwiegt das Interesse des Verwundeten an der Schmerzbeendigung sein eigenes Interesse an seinem restlichen Leben vollständig. Ob es auch insgesamt alle betroffenen Interessen überwiegt, wird noch festzustellen sein. bb) Abwägung mit dem überindividuellen Konfliktbegrenzungsinteresse Das geschützte Interesse muss sämtliche beeinträchtigte Interessen auch in der Summe überwiegen.107 Neben dem individuellen Lebensinteresse sind, ähnlich wie zuvor bei § 216 StGB in Fall 1, auch überindividuelle, gesellschaftliche Interessen zu berücksichtigen. Anders als bei § 216 StGB existiert im Anwendungsbereich des VStGB, d. h. im Kontext eines bewaffneten Kon104  Vgl.

insb. BGHSt 40, 257 (263); BGHSt 35, 246 (249 f.). auch Schlehofer, in: MüKo-StGB4, Vor § 32 Rn. 205. 106  Vgl. Mitsch, JZ 2005, 279 (282); Rieger, Die mutmaßliche Einwilligung, S. 64, aber auch S. 110, 112 zur Ermittlung der Präferenz bei Eindeutigkeit. 107  Vgl. Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 69. 105  Vgl.

262

D. Fall 2: Tötung ohne ausdrückliches Verlangen

flikts, gerade kein allgemeines Tötungsverbot. Lediglich ein begrenztes Tötungsverbot bezüglich der Opfer des Konflikts (etwa bzgl. Verwundeter) lässt sich dem humanitären Völkerrecht entnehmen. Im Hinblick auf die von § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB (ebenfalls) geschützten überindividuellen Interessen stehen dabei die Eingrenzung und Regulierung von Konflikten, und damit, zumindest als idealisiertes Fernziel, der „Weltfriede“, im Fokus.108 Soll dieses Interesse der Weltgemeinschaft an der Geltung der Minimal­ regeln des humanitären Völkerrechts und damit an der Eingrenzung von Konflikten in Relation zum Interesse des Verwundeten an der Leidbeendigung gesetzt werden, sind, in Weiterführung der bisherigen Handhabung, die jeweiligen Abwägungswerte dieser Interessen zu bestimmen. Konkret wird das gesellschaftliche „Konfliktbegrenzungsinteresse“ umso höher zu gewichten sein, je höher die Gefahr einer Ausweitung bzw. Entgrenzung des Konflikts aufgrund einer Tat erscheint. Für den hier geschilderten „Gnadenschuss“ kann aber keine nachvollziehbare Gefahr der Konfliktausweitung bestehen: Es handelt sich wertungsmäßig gerade nicht um eine gegen die Person des Opfers in seiner Eigenschaft als Mensch oder als Angehöriger einer Konfliktpartei gerichtete Handlung, sondern um eine Tat, die seinem (mutmaßlichen) Willen entspricht. Insofern ist die Tötung – jedenfalls aus Perspektive des Opfers – ihrem Sinngehalt nach nicht als Schädigung, sondern als Hilfe zur Beendigung schlimmster Qualen in einer ausweglosen Situation zu verstehen. Im Extremfall109, in dem neben der Tötung zur Schmerzbeendigung objektiv keine Alternative zum Nicht-Handeln bleibt, kann sich aber auch aus Perspektive Dritter bzw. der Weltgemeinschaft als solcher nichts anderes ergeben: Der „Gnadenschuss“ entspricht eindeutig nicht dem „üblichen“ Typus des Kriegsverbrechens einer völkerrechtswidrigen Tötung. Eine Tat (i. d. R.) aus Mitleid in einer ausweglosen Situation wird realistischer Weise nicht zu einer Eskalation des Konflikts führen können, sondern als Zeichen der Humanität (sogar) von der anderen Konfliktpartei zu würdigen sein.110 Umgekehrt mag es im Einzelfall sogar als unnötige Grausamkeit aufgefasst werden, einem (feindlichen) rettungslos Verwundeten, der unter Qualen dem sicheren Tod entgegengeht, den „Gnadenschuss“ zu verwehren, obwohl er entweder unmissverständlich danach verlangt oder dieser jedenfalls völlig eindeutig seinem (zumindest mutmaßlichen) Willen entspräche. Hingegen wird sich 108  Vgl. Ambos, in: MüKo-StGB3, Vorbem. § 8 VStGB, Rn. 3; siehe auch bereits oben B. III. 1. c) bb). 109  Hinsichtlich der Anforderungen sei auf C. II. 5. b) aa) (2) verwiesen. 110  So etwa im Falklandkrieg. Argentinien billigte offiziell die Tötung eines verbrennenden argentinischen Unteroffiziers durch einen britischen Sanitäter, vgl. oben A. III. 1. a) dd) (3), S. 49.



II. Eigene Lösung: § 34 StGB263

keine Partei veranlasst sehen, ihre militärischen Operationen auszuweiten oder sogar ihrerseits gegen humanitäres Völkerrecht zu verstoßen, weil einer ihrer schwerstverwundeten Soldaten in einer hoffnungslosen Situation durch den „Feind“ von seinen Qualen erlöst wurde. Dies gilt erst recht, wenn sich Opfer und Täter auf derselben Seite des Konflikts stehen. Tatsächlich bedroht der „Gnadenschuss“ in einer objektiv vorliegenden Extremsituation unter keinem denkbaren Gesichtspunkt die Geltung der konflikteingrenzenden Regeln des humanitären Völkerrechts und würde auch kaum zur weiteren Eskalation der Lage beitragen, weil er eigentlich ein dem Betroffenen willkommener Gnadenakt in dessen aussichtslosen Lage ist. Damit kann auch dem überindividuellen Interesse im Ergebnis nur der Zahlenwert „Null“ zugeordnet werden. cc) Ergebnis der Abwägung, wesentliches Überwiegen, Angemessenheit Kann dies also für die subjektiven und für die überindividuellen Lebensinteressen festgestellt werden, so muss i. E. das „Erhaltungsinteresse“ Leidbeendigung überwiegen.111 Auch hier besteht die bereits in Fall 1 angesprochene Besonderheit, dass aufgrund des „doppelten Nullwerts“ beider Rechtsgüter (d. h. des Zahlenwertes „Null“ auch in der Summe) auf der Eingriffsseite stets auch ein wesentliches Überwiegen des „Erhaltungsguts“ gegeben ist, wo die erforderlichen Umstände für eine solche Gewichtung der Interessen vorliegen.112 Dass der „Angemessenheit“ i. S. d. § 34 S. 2 StGB keine eigenständige Bedeutung zukommt, wurde zuvor bereits erläutert.113 5. Subjektives Rechtfertigungselement Eine Rechtfertigung nach § 34 StGB erfordert ein subjektives Rechtfertigungselement, wobei im Einzelnen strittig ist, ob ein Handeln in Kenntnis der Notstandslage und mit dem Wissen der Wahrung des überwiegenden Interesses genügt, oder ob ein „Rettungswille“ des Täters, d. h. sein entsprechendes, billigenswertes Motiv, zu verlangen ist.114 Zumindest potentiell ist denkbar, dass der Täter aus anderen subjektiven Motiven als zur „Rettung“ (d. h. hier zur Beendigung des Schmerzzustandes aus Mitleidsmotiven) handelt, etwa indem er die gegebene Extremsituation als willkommene Gelegenheit zur Tötung begreift. Im vorliegenden Fall 2 111  Vgl.

hierzu auch bereits oben, Fn. 545, S. 233. selben Ergebnis in Fall 1 siehe oben, C. II. 5. b) dd). 113  Siehe oben, C. II. 5. c). 114  Vgl. zum Streit etwa Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 106 ff.; ferner auch bereits oben, C. II. 6. 112  Zum

264

D. Fall 2: Tötung ohne ausdrückliches Verlangen

handelt es sich aber gerade um einen Fall, in dem der Täter das schwerstverwundete Opfer tötet, um ihm weiteres Leid zu ersparen, wenngleich ohne dessen ausdrückliches Verlangen. Jedenfalls in diesen Fällen wäre auch der „Rettungswille“ fraglos gegeben, so dass der o. g. Streit – jedenfalls an dieser Stelle – ohne Bedeutung ist.115

III. Ergebnis zu Fall 2 Damit gilt hier letztendlich dasselbe Ergebnis wie zuvor für Fall 1: Voraussetzung einer Notstandsrechtfertigung des „Gnadenschusses“ ist, dass, aufgrund der äußeren Umstände des objektiv vorliegenden Extremfalls, neben der Tötung keine Handlungsalternativen zum Nicht-Handeln mehr bestehen und die Tötung subjektiv derart evident dem (mutmaßlichen) Willen des Verwundeten entspricht, dass im konkreten Einzelfall daran keine realistischen Zweifel bestehen können. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn die Verwundungen so schwer sind, dass unter den gegebenen Umständen keine Rettung mehr möglich ist und die gesamte restliche Existenz des Verwundeten vollständig durch seine Qualen ausgefüllt wird. Wo diese Vo­ raussetzungen vorliegen und keine Indizien für eine abweichende Präferenz bestehen, kann das (mutmaßliche) Lebensinteresse des Verwundeten, angesichts seiner Qualen wie zuvor auch hier mit „Null“ beziffert werden. Daneben besteht angesichts der besonderen Situation auch kein ins Gewicht fallendes überindividuelles gesellschaftliches Interesse: Die Schutzgüter des humanitären Völkerrechts, die durch die Normen des VStGB (jedenfalls auch) geschützt werden, sind im hier maßgeblichen Fall tatsächlich gar nicht bedroht: Der „Gnadenschuss“ in hoffnungsloser Lage wird nicht zu einer Eskalation des Krieges führen können. Damit kann auch auf Seiten überindividueller Interessen nur der Zahlenwert „Null“ stehen, sodass im Ergebnis bei der Abwägung kein Unterschied zu Fall 1 besteht. Das Interesse des Verwundeten am Ende seiner Qualen überwiegt diesen „doppelten Nullwert“. Der Soldat, der in einer ausweglosen Situation einem Verwundeten den „Gnadenschuss“ erteilt, ist somit nach hier vertretener Ansicht auch in Fall 2 durch § 34 StGB gerechtfertigt. Fraglos sind an solche Situationen sehr hohe Anforderungen zu stellen, eine Tötung kann eben nur in völlig außergewöhnlichen Grenzfällen als letztes Mittel gerechtfertigt sein. Dort erlaubt aber einzig § 34 StGB eine angemessene Lösung, die der Tragik der Situation gerecht wird. 115  Zum Streit und zur Frage des Fehlens des subjektiven Rechtfertigungselements vgl. E. II. 1. c).

E. Einzelprobleme und Sonderkonstellationen Im Folgenden wird auf einige Einzelprobleme im Zusammenhang mit einem (nach obiger Lösung gerechtfertigten) „Gnadenschuss“ eingegangen: Dabei handelt es sich um Fragen der Unterlassungsstrafbarkeit (E. I.), fehlender Rechtfertigungselemente und Irrtümer (E. II.), sowie der Auswirkungen der militärischen Befehlskette für die strafrechtliche Behandlung der „Gnadenschuss“-Fälle, die im Überblick dargestellt werden (E. III.). Ferner sind neben den in Kapitel C. und D. angesprochenen Fallkonstellationen noch eine Vielzahl weiterer Abwandlungen möglich, von denen abschließend einige angesprochen werden (E. IV.).

I. Unterlassungsstrafbarkeit – Pflicht zum „Gnadenschuss“? 1. § 323c StGB Soweit in den zuvor dargestellten Fällen der „Gnadenschuss“ im Wege des Notstandes gerechtfertigt wäre, stellt sich die Folgefrage, ob aus der Zulässigkeit des „Gnadenschusses“ in bestimmten Konstellationen auch eine (straf-)rechtliche Pflicht zum „Gnadenschuss“ erwächst. Eine solche könnte potentiell aus § 323c StGB folgen, wonach in einer Notsituation die erforderliche, zumutbare Hilfe zu erbringen ist. „Erforderlich“ in diesem Sinne ist die mögliche Hilfe, die nach den konkreten Umständen geeignet ist, die Notsituation zu beseitigen.1 Da, wie festgestellt, die Tötung in bestimmten Fällen gerade die einzig geeignete Handlung ist, um die Beeinträchtigung, d. h. die Leiden des Verwundeten, zu beenden, handelt es sich beim „Gnadenschuss“ in einer Situation, in der der Ausführende wegen § 34 StGB gerechtfertigt ist, ohne weiteres um eine „erforderliche“ Hilfe in diesem Sinne. Eine Hilfspflicht besteht aber nur, sofern die erforderliche Hilfe dem Helfer auch zumutbar ist („Korrektiv des Tatbestandes“2). Unzumutbarkeit liegt auch dann vor, wenn der Helfer psychisch zur Hilfe nicht in der Lage ist.3 So soll sich etwa im Rahmen einer Nothilfe bei erforderlichen tödlichen AbGaede, in: NK-StGB5, § 323c Rn. 9 m. w. N. BGHSt 17, 166 (170); Hecker, in: S/S-StGB30, § 323c Rn. 18 m. w. N.; Schöch, in: S/S/W-StGB5, § 323c Rn. 17; Stein, in: SK-StGB9, § 323c Rn. 32. 3  Freund, in: MüKo-StGB3, § 323c Rn. 90. 1  Etwa 2  Vgl.

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E. Einzelprobleme und Sonderkonstellationen

wehrmaßnahmen der grundsätzlich Hilfspflichtige vor dem Hintergrund des Art. 4 Abs. 1 GG darauf berufen können, dass er eine tödliche Nothilfe nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann.4 Überzeugend lässt sich dieses Ergebnis auch mit Art. 4 Abs. 3 GG stützen, dem sich (dort für den Kriegsdienst) die Wertung entnehmen lässt, dass niemand gegen seinen Willen zur Tötung anderer Menschen verpflichtet werden kann.5 Nichts anderes wird auch für Extremfälle im Bereich der Sterbehilfe gelten müssen. Zwar ließe sich, zumindest beim „Gnadenschuss“ in den hier vor allem diskutierten Konstellationen, argumentieren, dass bei Soldaten, zu deren Aufgaben gerade auch das Töten gehören kann, erhöhte Anforderungen an die Ablehnung einer Tötung zu machen sind. Für den „Gnadenschuss“ wäre dies aber letztlich ohne Bedeutung. Denn es gehört gerade nicht zu den Aufgaben eines Soldaten, kampfunfähige Verwundete zu töten – im Gegenteil, eine solche Tat ist ihm in den allermeisten Fällen durch humanitäres Völkerrecht verboten und hätte strafrechtliche Folgen. Letztlich ist die Gewissensentscheidung des Einzelnen, der es nicht mit seinen ethischen Überzeugungen vereinbaren kann – oder es jedenfalls schlicht „nicht fertigbringt“ – den „Gnadenschuss“ zu erteilen, rechtlich in jedem Fall zu respektieren. Damit kann der „Gnadenschuss“ in bestimmten Situationen zwar gerechtfertigt sein – daraus darf aber keine Pflicht für den Einzelnen erwachsen, ihn auch auszuführen.6 Die Rechtsordnung, die einerseits ein grundsätzliches Tötungsverbot aufstellt und im Regelfall sogar die Tötung auf Verlangen unter Strafe stellt, kann nicht ohne Wertungswiderspruch auf der anderen Seite eine solche Tat (unter Androhung von Strafe!) verlangen, wenn diese schon nur unter sehr engen Voraussetzungen und nur im äußersten Extremfall überhaupt gerechtfertigt sein kann. Einer solchen Pflicht stünde nicht nur das Gewissen des Einzelnen entgegen, sondern auch die Rechtsordnung selbst, die ansonsten gegen ihre eigenen Grundwerte verstieße. Für § 323c StGB bietet das Tatbestandsmerkmal der Zumutbarkeit den erforderlichen Spielraum, um dieser Wertungsentscheidung zur Geltung zu verhelfen.

4  Engländer, in: FS Roxin (2011), S. 657 (669 ff.); zust. Hecker, in: S/S-StGB30, § 323c Rn. 18. 5  Engländer, in: FS Roxin (2011), S. 657 (669 ff.). 6  Im Ergebnis wie hier Lüderssen, JZ 2006, 689 (693); Otto, NJW 2006, 2217 (2222); vgl. auch Herzberg, NJW 1986, 1635 (1642) sowie Kaufmann, in: FS Roxin (2001), S. 841 (852); R. Merkel, Früheuthanasie, S. 431 mit Fn. 90, 594 f.



I. Unterlassungsstrafbarkeit – Pflicht zum „Gnadenschuss“?267

2. Unechte Unterlassungsdelikte Schwieriger gestaltet sich die Lage, wo unechte Unterlassungsdelikte im Raum stehen. In Fällen, in denen eine Garantenstellung des Täters besteht, wäre, bei nicht anderes als durch Tötung zu beendenden Schmerzzuständen, grundsätzlich eine Strafbarkeit wegen Körperverletzungsdelikten durch Unterlassen denkbar: Wer sehenden Auges unerträgliche Leiden nicht mindert, verletzt seine rechtliche Pflicht, eine Körperverletzung vom Leidenden abzuwenden.7 Doch auch hier muss es, nicht anders als bei § 323c StGB, Grenzen geben. Entsprechend ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass eine Unzumutbarkeit auch im Rahmen unechter Unterlassungsdelikte zu berücksichtigen ist.8 Ein Tätigwerden kann jedenfalls dann nicht verlangt werden, wenn dies mit unverhältnismäßigen Beeinträchtigungen für den Täter verbunden wäre.9 Zumindest in extremen Fällen wird dasselbe auch für ethische bzw. moralische Risiken gelten müssen.10 Eine Pflicht zur Tötung wird dem Garanten vor diesem Hintergrund billigerweise nicht zuzumuten sein.11 Während hinsichtlich der Begrenzung durch die Zumutbarkeit auch bei unechten Unterlassungsdelikten weitestgehend Einigkeit besteht, ist umstritten, ob bei Unzumutbarkeit bereits die Tatbestandsmäßigkeit entfällt,12 eine Rechtfertigung in Betracht käme13 oder, im Hinblick auf die persön­liche Konfliktsituation, eher eine Entschuldigung anzunehmen wäre.14 Einiges Lüderssen, JZ 2006, 689 (693). nur BGHSt 3, 203 (206); BGHSt 4, 20 (23); BGHSt 6, 47 (57 f.); BGH NJW 1964, 731 (732); BGH NStZ 1984, 164 (164); BGH NJW 1994, 1357 (1357); exemplarisch für die Literatur Gaede, in: NK-StGB5, § 13 Rn. 17; Wessels/Beulke/ Satzger, AT49, S. 439; Weigend, in: LK-StGB13, § 13 Rn. 68; Bosch, in: S/S-StGB30, Vor §§ 13 ff. Rn. 155; Tag, in: HK-GS4, § 13 Rn. 9; a. A. aber Jakobs, AT2, S.  842 ff. 9  Gaede, in: NK-StGB5, § 13 Rn. 17. 10  Lüderssen, JZ 2006, 689 (693); zust. Otto, NJW 2006, 2217 (2222). 11  Vgl. auch Engländer, in: FS Roxin (2011), S. 657 (670 f.) im Hinblick auf die Verweigerung tödlicher Nothilfe bei unechten Unterlassungsdelikten. 12  BGH NJW 1994, 1357 (1357); OLG Hamburg, StV 1996, 437 (437); Stree, in: FS Lenckner, S. 393 (393 ff., insb. 401 f.); Gaede, in: NK-StGB5, § 13 Rn. 17; Gercke, in: AnwK-StGB3, § 13 Rn. 18; Weigend, in: LK-StGB13, § 13 Rn. 68; T. Fischer, StGB67, § 13 Rn. 81; Stratenwerth/Kuhlen, AT6, S. 291; Haas, in: M/R-StGB2, § 13 Rn. 29; Bosch, in: S/S-StGB30, Vor §§ 13 ff. Rn. 155; Ransiek, JuS 2011, 585 (586); Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 32 ff. Rn. 120, 125. 13  Küper, Grund- und Grenzfragen, S. 97  ff.; mit Verweis auf auf § 34 StGB; Gropp, AT4, S.  486 f.; M. Köhler, AT, S. 211; unter Bezug auf die Gewissensfreiheit auch Engländer, in: FS Roxin (2011), S. 657 (670 f.). 14  BGHSt 6, 46, (57 f.); Heger, in: Lackner/Kühl29, § 13 Rn. 5; Heuchemer, in: BeckOK-StGB48, § 13 Rn. 91; Kühl, AT8, S. 736; Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch/ Eisele, Strafrecht AT12, S. 577; Rönnau, in: LK-StGB13, Vor §§ 32 ff. Rn. 346; Roxin, AT II, S. 700 f.; Wessels/Beulke/Satzger, AT49, S. 439. 7  Vgl. 8  Vgl.

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E. Einzelprobleme und Sonderkonstellationen

spräche wohl für eine Gleichbehandlung im Hinblick auf § 323c StGB, und damit für die Tatbestandslösung: Beachtliche Gründe für eine Ungleichbehandlung echter und unechter Unterlassungsdelikte sind nicht erkennbar.15 Während einer „Rechtfertigungslösung“ insbesondere diese Ungleichbehandlung entgegensteht, sprechen gegen eine Verortung auf Ebene der Schuld weitere Argumente: Es ist kaum einsichtig, zunächst eine Pflicht zu bejahen, diese dann aber auf Schuldebene für „unzumutbar“ zu erklären.16 Wieso es überhaupt Unrecht sein soll, eine unzumutbare Handlung zu unterlassen, bleibt unklar.17 Die Auffassung, die eine bloße Entschuldigung annimmt, müsste ferner zu dem kaum zu erklärenden Ergebnis gelangen, dass die Anstiftung zum Unterlassen einer für den Garanten unzumutbaren Handlung strafbar wäre.18 Nach alldem erscheint es vorzugswürdig, eine etwaige Unzumutbarkeit der vorzunehmenden Handlung bereits auf Ebene des Tatbestandes zu berücksichtigen. Bei der Frage, wann „Unzumutbarkeit“ vorliegt, wäre demnach ein objektivierter Maßstab anzulegen.19 Auch soweit wie hier individuelle Umstände des Betroffenen maßgeblich werden, sind diese aus objektiver Per­ spektive zu gewichten.20 Für die hier im Raum stehende Tötung kommt es im Ergebnis dann weniger auf die subjektiv empfundene Unmöglichkeit aus Gewissensgründen des Einzelnen an (was eher für eine Entschuldigung spräche), als vielmehr auf die Unzumutbarkeit einer Tötungspflicht aus objektiver Sicht, angesichts einer übergreifenden Wertentscheidung der Rechtsordnung in Bezug auf das menschliche Leben. Wo die Tötung eines Menschen nur in eng umgrenzten Fällen überhaupt zulässig ist, wäre eine strafbewehrte Pflicht zum „Gnadenschuss“ systemwidrig: Die Rechtsordnung hat hier die Entscheidung, nicht töten zu wollen, zu akzeptieren und kann den „Gnadenschuss“, unter den zuvor dargestellten Voraussetzungen zwar erlauben, eine entsprechende Handlungspflicht aber nicht widerspruchsfrei fordern. Festzuhalten ist jedenfalls, dass eine strafrechtlich untermauerte Pflicht zur (aktiven, direkten) Sterbehilfe nicht aufgebbaren Grundsätzen widerspräche.21 15  Bosch, in: S/S-StGB30, Vor §§ 13 ff. Rn. 155; Stree, in: FS Lenckner, S. 393 (397 ff.); vgl. auch Weigend, in: LK-StGB13, § 13 Rn. 68. 16  Ransiek, JuS 2011, 585 (586); ähnlich T. Fischer, StGB67, § 13 Rn. 81. 17  Ransiek, JuS 2011, 585 (586). 18  Weigend, in: LK-StGB13, § 13 Rn. 68 mit Fn. 276; Bosch, in: S/S-StGB30, Vor §§ 13 ff. Rn. 155 unter Hinweis auf ähnliche Konsequenzen in Irrrtumsfällen; vgl. dazu auch Stree, in: FS Lenckner, S. 393 (394, 400 f.). 19  Bosch, in: S/S-StGB30, Vor §§ 13 ff. Rn. 155; vgl. auch Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 32 ff. Rn. 125. 20  Gaede, in: NK-StGB5, § 13 Rn. 17. 21  Birnbacher, in: Illhardt/Heiss/Dornberg, Sterbehilfe, S. 125 (129); vgl. ferner i. E. ähnlich wie hier Otto, NJW 2006, 2217 (2222); Lüderssen, JZ 2006, 689 (693);



II. Fehlende Rechtfertigungselemente und Irrtümer269

Dass sie im Ergebnis nicht bestehen kann, ist letztlich wohl selbstverständlich.22 Nichts anderes sollte auf dem Schlachtfeld gelten. Wer sich veranlasst sieht, den schwerstverwundeten Kameraden von seinem Leid zu erlösen, mag eine entsprechende moralische Pflicht verspüren – eine rechtliche darf es aber nicht geben.

II. Fehlende Rechtfertigungselemente und Irrtümer 1. Fehlende Elemente der Rechtfertigung a) Handeln trotz erkannten Fehlens eines Extremfalls Wie schon mehrfach herausgestellt, ist in den hier maßgeblichen Fällen unabdingbare Grundvoraussetzung für die Rechtfertigung aktiver Sterbehilfe, dass sich die Situation objektiv als so extrem darstellt, dass die Tötung den einzigen Ausweg zur Leidbeendigung bietet. Nur auf dieser Tatsachenbasis ist ein rechtfertigender Notstand denkbar. Eine restriktive Anwendung der hier vertretenen Lösung ist vor dem Hintergrund der Bedeutung des gesellschaftlichen Tötungsverbots auch geboten. Zu untersuchen bleibt aber noch, wie solche Fälle zu behandeln sind, in denen die objektiven Umstände für eine Rechtfertigung nicht gegeben sind, z. B. weil das Schicksal des Opfers nicht sicher feststand oder noch andere Mittel zur Behandlung bzw. Evakuierung verfügbar gewesen wären und diese, trotz Kenntnis,23 nicht ergriffen wurden. Regelmäßig scheitert eine Notstandsrechtfertigung dann bereits an der Wahl des relativ mildesten Mittels; zumindest aber wird in diesen Fällen das Leidbeendigungsinteresse auf Ebene der Interessenabwägung nicht überwiegen können. Der Täter ist dann grundsätzlich entsprechend der jeweils verwirklichten Strafnorm (§ 216 StGB oder § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB) zu bestrafen. Die extremen Umstände der Situation sowie eine i. d. R. gegebene Mitleidsmotivation sollten dennoch strafmildernd Berücksichtigung finden. Dies ist ohne weitere Schwierigkeiten dort möglich, wo der Tatvorwurf der Tötung auf Verlangen im Raum steht. Angesichts des vergleichsweise geringen Strafmaßes und des Vergehenscharakters steht Staatsanwaltschaft und Gerichten eine Vielzahl von Möglichkeiten offen, um solche Faktoren angemessen zu Herzberg, NJW 1986, 1635 (1642); vgl. auch R. Merkel, Früheuthanasie, S. 431 mit Fn.  90, 594 f. 22  So allgemein Kaufmann, in: FS Roxin (2001), S. 841 (852). 23  Anders wäre eine Tat zu beurteilen, die begangen wurde, weil der Täter fälschlich davon ausgegangen ist, dass der Extremfall tatsächlich vorgelegen hat, siehe zu einem solchen Irrtum E. II. 2. a).

270

E. Einzelprobleme und Sonderkonstellationen

berücksichtigen. In erster Linie kann dies im Strafrahmen und bei der Auswahl der Sanktion erfolgen. Daneben ist auch eine Einstellung denkbar, ggf. auch ein Absehen von Strafe.24 Problematisch gestaltet sich eine schuldangemessene Strafe beim nicht ausdrücklich verlangten „Gnadenschuss“, in dem der erforderliche Extremfall nicht gegeben wäre. Schließlich ist gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB stets eine lebenslange Haftstrafe zu verhängen. Eine Berücksichtigung besonderer Umstände, die dazu führen können, dass die (strafbare) Tat im Einzelfall ganz erheblich von Taten abweicht, die der Gesetzgeber bei der Schaffung des Tatbestandes vor Augen hatte, ist angesichts der absoluten Strafandrohung unmöglich. Aber nicht jede Tat, die ein Kriegsverbrechen i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB darstellt, ist zwangsläufig auch im allerhöchsten Maße strafwürdig.25 Es muss davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit besonders gelagerter Fälle nicht gesehen hat. De lege ferenda ist vor diesem Hintergrund entweder für die Abschaffung absoluter Strafandrohungen generell oder jedenfalls für die gesetzlich geregelte Möglichkeit der Strafmilderung für minder schwere Fälle des Kriegsverbrechens der Tötung zu plädieren. Bis zu einer Reform bleibt de lege lata allenfalls eine Übertragung der „Rechtsfolgenlösung“ des BGH zum Mord, mit der Folge einer analogen Anwendung des § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB.26 Dogmatisch sauberer wäre allerdings eine Gesetzesreform.27 b) Fehlender (mutmaßlicher) Wille des Opfers Entspricht die Tötung nicht dem wirklichen oder, nachrangig, zumindest dem mutmaßlichen Willen des Verwundeten, so ist sie grundsätzlich28 strafbare Tötung und als solche zu bestrafen. Auch extremste objektiven Umstände der konkreten Situation finden dann keine Berücksichtigung – eine Sterbehilfe gegen den Willen bleibt auch im Kontext militärischer Extrem­ situationen strafbar. Verbleibende Ungerechtigkeiten im Hinblick auf völlig außergewöhnliche Fälle wären allenfalls im Rahmen der Rechtsfolgen zu berücksichtigen. 24  Vgl.

allgemein die denkbaren Lösungswege für Fall 1 unter C. I. umfassend Epik, Die Strafzumessung bei Taten nach dem Völkerstrafgesetzbuch, S. 472 ff.; auch bereits oben D. I. 5., insb. auch Fn. 45, S. 246. 26  Dazu s. o. D. I. 4. b). 27  Etwa so, wie Epik, Die Strafzumessung bei Taten nach dem Völkerstrafgesetzbuch, S. 480 ff.; 523 ff. sie fordert und vorschlägt. Maßgeblich bei diesem Vorschlag ist die Einführung eines minder schweren Falles (u. a.) für § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB, welcher sich an der Untergrenze des Strafmaßes des Totschlags orientiert. Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. 28  Zu Irrtumsfragen siehe im Folgenden, E. II. 2. 25  Vgl.



II. Fehlende Rechtfertigungselemente und Irrtümer271

c) Fehlendes subjektives Element – Tötung aus anderer Motivation aa) Berücksichtigung der Motivation? Die Rechtfertigung nach § 34 StGB erfordert, dass der Täter handelt, um eine Gefahr für ein zu schützendes Interesse abzuwenden. Die bloße objektive Erforderlichkeit der Handlung lässt die Rechtswidrigkeit nicht entfallen, wenn die Beseitigung der Gefahr nur unwissentlich erfolgt.29 Stattdessen muss für den Täter zumindest ein intentionaler Bezug zwischen Handlung und Rettungserfolg bestehen; ausreichend ist dabei nach einer starken Ansicht ein Handeln in Kenntnis der Notstandslage, jedenfalls bei Bewusstsein der Wahrung des (wesentlich) überwiegenden Interesses.30 Häufig wird ein darüber hinausgehender, zielgerichteter „Rettungs-“ bzw. „Verteidigungswille“ gefordert: Demnach muss der Täter subjektiv gerade die Gefahrenabwehr bezwecken.31 Der „Gnadenschuss“ erfolgt, in den allermeisten Fällen, aus der kameradschaftlichen Motivation, dem Verwundeten, für den jede Rettung zu spät kommt, weitere Qualen zu ersparen. In der Regel handelt der Täter allein aus Mitleid mit dem Sterbenden. Im Hinblick auf das subjektive Rechtfertigungselement liegt ein Abstellen auf die innere Haltung des Täters, in den hier diskutierten Fällen also auf seine „Mitleidsmotivation“, damit intuitiv nahe. Indes wird zu Recht gegen eine Eingrenzung auf billigenswerte Motivationslagen eingewandt, dass mit einer solchen Sichtweise bedenkliche gesinnungsstrafrechtliche Elemente in die Rechtfertigungsvoraussetzungen ein­ geführt würden.32 Soll richtigerweise nur die Kenntnis der Notstandslage gefordert werden, folgt daraus, dass – das Vorliegen der erforderlichen objektiven Umstände unterstellt – auch der Täter eines „Gnadenschusses“ gerechtfertigt wäre, der subjektiv nicht aus Mitleid handelt, sondern z. B. des29  BGHSt 2, 111 (114); Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 106; Perron, in: S/SStGB30, § 34 Rn. 48. 30  Mit Unterschieden im Detail Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 106; Roxin/ Greco, AT I5, S. 752 ff., 884; ferner Kühl, in: Lackner/Kühl29, § 34 Rn. 5; ders., AT8, S. 303; Perron, in: S/S-StGB30, § 34 Rn. 48; auch T. Fischer, StGB67, § 34 Rn. 27; Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 289 f.; Rosenau, in: S/S/W-StGB5, § 34 Rn. 35; E. Fischer, Recht auf Sterben?!, S. 273 f.; vgl. ferner Frisch, in: FS Lackner, S. 113 (133 ff.); vgl. auch OLG Karlsruhe JZ 1984, 240 (241). 31  BGHSt 2, 111 (114  f.); BGHSt 35, 270 (279); Mitsch, in: Baumann/Weber/ Mitsch/Eisele, Strafrecht AT12, S.  432 f.; Jescheck/Weigend, AT5, S. 365; Zieschang, in: LK-StGB13, § 34 Rn. 47, 80 ff.; Duttge, in: HK-GS4, § 34 Rn. 24; Wessels/Beulke/ Satzger, AT49, S. 155; Hauck, in: AnwK-StGB3, § 34 Rn. 23; Rengier, AT11, S. 193. 32  Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 290; Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 107; Kühl, AT8, S. 303; Roxin/Greco, AT I5, S. 754; Engländer, in: M/R-StGB2, § 34 Rn. 44.

272

E. Einzelprobleme und Sonderkonstellationen

halb, weil er das Opfer verachtet, dessen Tod wünscht und die Extremsituation als willkommene Gelegenheit zur Tötung begreift.33 Dass solche Vorkommnisse real sind, zeigt ein Fall unter Beteiligung eines britischen Soldaten, der in den Medien teilweise als „Gnadenschuss“ (mercy killing) bezeichnet wurde: Der Sergeant der Royal Marines Alexander Blackman führte am 15. November 2011 eine Patrouille in der afghanischen Provinz Helmand.34 Dabei traf die Patrouille auf einen zuvor durch den Hubschrauber schwer verwundeten Aufständischen.35 Das weitere Geschehen wurde von der Helmkamera eines anderen Soldaten aufgezeichnet:36 Sergeant Blackman befahl, den Verwundeten aus der Sicht des britischen Kommandopostens zu schaffen, während die Soldaten vorgaben, erste Hilfe zu leisten.37 Nachdem sichergestellt war, dass auch der Apache-Hubschrauber das Geschehen am Boden nicht mehr einsehen konnte, schoss Sergeant Blackman dem Verwundeten in die Brust.38 Dabei deuten seine Aussagen auf eine andere Motivation hin, die mit Mitleidserwägungen nichts gemein hat: „Don’t waste your fucking FFDs[39] on the cheeser. Take it off him.“40 „There you are, shuffle off this mortal coil[41], you cunt.“42 „It’s nothing you wouldn’t do to us. Obviously this doesn’t go anywhere, fellas. I’ve just broke the Geneva Convention.“43

33  Soweit dann niedrige Beweggründe vorlägen, wäre mit der Rspr. ggf. von Tateinheit zwischen § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB und § 211 StGB auszugehen, vgl. BGH, Beschluss vom 3. Februar 2021 – AK 1/21 (juris), Rn. 14 ff.; BGH, Beschluss vom 21. September 2020 – StB 28/20 (juris), Rn. 38; auch Generalbundesanwalt, NStZ 2013, 644 (646, Rn. 12 ff.). 34  R v Blackman, Judgment, [2014] EWCA Crim 1029, Rn. 1 ff. 35  R v Blackman, Judgment, [2017] EWCA Crim 190, Rn. 19. 36  Ein vollständiges Protokoll der Aufnahmen findet sich bei S. Morris, The Guar­ dian, 15.03.2017; die für die Urteilsfindung maßgeblichen Ausschnitte werden auch in R v Blackman, Judgment, [2017] EWCA Crim 190, Rn. 21 f. transkribiert. 37  R v Blackman, Judgment, [2017] EWCA Crim 190, Rn. 21 f.; R v Blackman, Judgment, [2014] EWCA Crim 1029, Rn. 32. 38  R v Blackman, Judgment, [2017] EWCA Crim 190, Rn. 22 (xiv). 39  FFD (First Field Dressing), Verbandsmaterial zur Erstversorgung von Verwundeten. 40  R v Blackman, Judgment, [2017] EWCA Crim 190, Rn. 22 (x). 41  Zitat aus Shakespeare’s Hamlet (3-1) „For in that sleep of death what dreams may come, When we have shuffled off this mortal coil“. 42  R v Blackman, Judgment, [2017] EWCA Crim 190, Rn. 22 (xv). 43  R v Blackman, Judgment, [2017] EWCA Crim 190, Rn. 22 (xvi).



II. Fehlende Rechtfertigungselemente und Irrtümer273

Sergeant Blackman wurde zunächst von einem Militärgericht zu lebens­ langer Haft mit einer Mindestverbüßungszeit von zehn Jahren verurteilt.44 In letzter Instanz wurde das Strafmaß auf sieben Jahre Haft sowie der Entlassung aus dem Dienst festgesetzt.45 Betrachtet man den Fall Blackman im Lichte der zuvor aufgestellten Grundsätze für einen gerechtfertigten „Gnadenschuss“, so wird wohl schon objektiv die für eine Rechtfertigung letztlich erforderliche Extremsituation nicht vorgelegen haben, schließlich erfolgte die Tat in Sichtweite eines Außenpostens. Eine (zumindest schmerzstillende) Behandlung wäre zeitnah zu erreichen gewesen, sodass eine Rechtfertigung nach der oben gefundenen Lösung i. E. scheitern müsste. Tatsächlich nicht maßgeblich wären nach der hier vertretenen Ansicht aber Motivation und Einstellung von Blackman gewesen: Dass auch bei noch so verachtenswerter subjektiver Motivationslage eine Rechtfertigung nicht zwingend ausscheidet, mag zunächst widersinnig erscheinen, ist aber konsequent – und letztlich auch im Interesse des Verwundeten. Wie herausgestellt, besteht in bestimmten Fällen ein alles überragendes Interesse des Verwundeten am Ende seiner Qualen. Dieses Interesse wird in jedem Fall gewahrt – zunächst natürlich dann, wenn der Täter tötet, weil er Mitleid mit dem Opfer hat, aber eben auch dann, wenn er die gegebene und erkannte Lage als günstige Gelegenheit erachtet, das ihm verhasste Opfer „zu beseitigen“. Denn das Ergebnis (Schmerzfreiheit im Tod), auf das es dem Verwundeten selbst einzig ankommt, wird in beiden Fällen gleichermaßen erreicht. Die innere Einstellung des Täters ihm gegenüber spielt für die Interessen des Betroffenen keine Rolle. Eine feindselige Haltung des Täters, die normalerweise ohnehin nicht nach außen tritt, hat keine Auswirkung auf die interne Abwägung des Opfers zwischen Lebens- und Schmerzbeendigungsinteresse. Allenfalls ließe sich noch einwenden, dass die Tötung aus nicht billigenswerten Motiven das Tötungstabu in höherem Maße beeinträchtigt, als die Mitleidstötung. Dass aber ein abstraktes, gesellschaftliches Tabu jedenfalls bei Dualität der Alternativen „vergleichsweise schmerzfreie Tötung“ und „Sterben unter schlimmsten Qualen“ nicht geeignet ist, der Abwägung einen anderen Ausschlag zu geben, als es die interne Abwägung des Verwundeten vorgibt, wurde bereits herausgestellt.46 Selbst im Fall eines aus verachtenswerten Motiven handelnden Täters besteht kein maßgebliches gesellschaft­ liches Interesse, das schwer genug wiegen könnte, um den Verwundeten letztlich zu einem qualvollen Tod unter schlimmsten Schmerzen zu verurtei44  Vgl. dazu R v Blackman, Judgment, [2017] EWCA Crim 190, Rn.  3  f.; R v Blackman, Judgment, [2014] EWCA Crim 1029, Rn. 9. 45  R v Blackman, Sentence, [2017] EWCA Crim 325, Rn. 21. 46  Vgl. dazu insb. C. II. 5. b) bb).

274

E. Einzelprobleme und Sonderkonstellationen

len. Auch im Hinblick auf eine denkbare Beeinträchtigung der „Konfliktbegrenzungsfunktion“ des humanitären Völkerrechts wird das gleiche gelten müssen, wo die Tötung evident dem Willen des Getöteten entspricht und sich aus Sicht eines Dritten regelmäßig auch so darstellt. Das bedeutet im Ergebnis: Wo die sonstigen Voraussetzungen des gerechtfertigten „Gnadenschusses“ vorliegen, der Täter diese erkennt und entsprechend handelt, kann die innere Einstellung zum Opfer keine Rolle für die Rechtfertigung spielen. Dies gilt freilich nur dann, wenn dem Täter Notstandslage und Interessen des Opfers bewusst sind. Die Tat kann nicht aufgrund einer ihm unbekannten Rechtfertigungslage „zufällig“ gerechtfertigt sein.47 Hier bliebe es beim Handlungsunrecht und der Strafbarkeit des Täters wegen Versuchs.48 Daran, dass diese Fallkonstellation eines Zusammentreffens aller erforderlichen Voraussetzungen der Rechtfertigung nach § 34 StGB mit einem Täter, der diese zwar erkennt, aber subjektiv nicht aus billigenswerten Motiven handelt, eher selten sein wird, kann aber kein Zweifel bestehen. bb) Fehlende Kenntnis Fehlt aber bereits die Kenntnis der (gegebenen) Notstandslage, so bleibt die Tat rechtswidrig, wenngleich richtigerweise nur das Unrecht eines Versuchs vorliegt. Dies folgt daraus, dass der Erfolgsunwert der Verletzung des „Eingriffsguts“ kompensiert wird durch die Rettung des „Erhaltungsguts“ – im Ergebnis liegt nur der Handlungsunwert vor.49 Nach zutreffender h. M. wird der Täter bei Fehlen des subjektiven Rechtfertigungselementes und gegebenen objektiven Voraussetzungen einer Rechtfertigung entsprechend nur wegen Versuchs bestraft.50 Für die „Gnadenschuss“-Fälle gilt nichts anderes.

Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 106. Falle des § 216 StGB greift dann § 16 Abs. 2 StGB, sodass auch hier nur eine versuchte Tötung auf Verlangen (und nicht etwa Totschlag) vorläge. 49  Kühl, AT8, S. 130 f., 304; Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 109; Rönnau, in: LK-StGB13, Vor §§ 32 ff. Rn. 82; Roxin/Greco, AT I5, S. 756, 884. 50  BGHSt 38, 144 (155); OLG Naumburg, NStZ 2013, 718 (719); OLG Celle, BeckRS 2013, 7170; T. Fischer, StGB67, § 34 Rn. 28; Jescheck/Weigend, AT5, S. 330; Kühl, in: Lackner/Kühl29, § 34 Rn. 5; Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, Strafrecht AT12, S.  364 f.; Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 109; Perron, in: S/SStGB30, § 34 Rn. 48; Rönnau, in: LK-StGB13, Vor §§ 32 ff. Rn. 82, 90; Roxin/Greco, AT I5, S. 756, 884; Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§  32 ff. Rn.  15 m. w. N. 47  Vgl. 48  Im



II. Fehlende Rechtfertigungselemente und Irrtümer275

2. Irrtumsfälle a) Erlaubnistatbestandsirrtum Denkbar ist ferner, dass sich der Täter über das Vorliegen der Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstandes irrt. Im konkreten Fall kommen dafür mehrere Ansatzpunkte für einen solchen Irrtum in Betracht: Denkbar ist (1.) ein Irrtum über den Sterbewillen des Verwundeten; (2.) ein Irrtum über die objektiven Umstände der Situation („Extremfall“) sowie ferner (3.) ein doppelter Irrtum über beide Anknüpfungspunkte. Grundsätzlich richten sich alle diese Irrtumskonstellationen nach den allgemeinen Regeln; zu unterscheiden ist aber danach, ob § 216 StGB oder § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB die jeweils einschlägige Norm ist. aa) Bei § 216 StGB Nimmt der mit Tötungsvorsatz handelnde Täter irrig an, dass ein ausdrückliches und ernstliches Verlangen vorliegt, so gilt § 16 Abs. 2 StGB51: Der Täter kann in diesem Fall nur nach § 216 StGB bestraft werden und nicht nach dem objektiv vorliegenden § 212 StGB. Bei einem Irrtum, der auf Fahrlässigkeit des Täters beruht, kommt daneben eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung nach überwiegender Ansicht nicht in Betracht, da dieselbe Tat desselben Täters nicht zugleich vorsätzlich und fahrlässig erfolgen kann.52 Nimmt der Täter indes, entweder allein, bei tatsächlich vorliegendem Verlangen, oder zusätzlich zu seinem Irrtum über das Vorliegen eines Tötungsverlangens, Umstände an, die bei ihrem Vorliegen zur Rechtfertigung nach den zuvor dargestellten Maßstäben geführt hätten, so liegt die Konstellation eines Erlaubnistatbestandsirrtums vor. Über die Behandlung des Erlaubnistatbestandsirrtums besteht keine Einigkeit, jedenfalls im Ergebnis soll nach wohl h. M. in diversen Spielarten der sog. „eingeschränkten Schuldtheorie“ der Vorsatz gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 StGB (direkt oder analog) entfallen, NStZ 2012, 85 (86); Eser, in: S/S-StGB30, § 216 Rn. 14; T. Fischer, StGB , § 216 Rn. 11; Neumann/Saliger, in: NK-StGB5, § 216 Rn. 18; Mitsch, JuS 1996, 309 (312); ders., in: AnwK-StGB3, § 216 Rn. 12; Momsen, in: S/S/W-StGB5, § 216 Rn. 9; Rissing-van-Saan, in: LK-StGB12, § 216 Rn. 49; Schneider, in: MüKoStGB3, § 216 Rn. 55; Wenkel, in: HK-GS4, § 216 Rn. 11; Wessels/Hettinger/Engländer, BT 143, S. 38. 52  Eser, in: S/S-StGB30, § 216 Rn. 14; T. Fischer, StGB67, § 216 Rn. 11; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 111, S. 64; Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 55; Sinn, in: SK-StGB9, § 216 Rn. 3; a. A. (im Ergebnis Konsumtion des § 222 StGB) aber bei Küper, Jura 2007, 260 (265 f.) und Gierhake, GA 2012, 291 (304 f.). 51  BGH 67

276

E. Einzelprobleme und Sonderkonstellationen

wenngleich die Details sehr umstritten sind.53 Soll dem gefolgt werden, so kommt es für den hier diskutierten „Gnadenschuss“ in Fall 1 maßgeblich auf die Vorstellung des Täters bezüglich der objektiven situativen Umstände an. Diese sind es, die, in unverzichtbarem Zusammenspiel mit dem Willen des Opfers, ausnahmsweise die Rechtfertigung einer verlangten Tötung ermög­ lichen. Wo der Täter also davon ausgeht, dass eine Extremsituation vorliegt, die den zuvor beschriebenen Anforderungen genügt, und zusätzlich ein ernstliches oder ausdrückliches Verlangen (1.) entweder tatsächlich vorliegt oder (2.) ebenfalls irrig angenommen wird, ist der Vorsatz nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 StGB (direkt oder analog) ausgeschlossen. Denkbare Irrtümer werden sich häufig auf das Vorliegen der situativen Voraussetzungen des Extremfalls beziehen. Da dieser aber insofern die Basis der Abwägung bildet, als dass ein den „Gnadenschuss“ rechtfertigendes Abwägungsergebnis ohne vorliegenden Extremfall wohl nicht denkbar ist, ist im Einzelfall genau zu prüfen, ob der Täter insofern fahrlässig gehandelt hat. Hier kommt sehr wohl eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit (§ 222 StGB) in Betracht, da beim vorgestellt gerechtfertigten „Gnadenschuss“ gerade keine Strafbarkeit wegen einer Vorsatztat vorgelegen hätte (anders als beim vorgestellten „bloßen“ Verlangen, s. o.). bb) Bei § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB Nichts anderes gilt grundsätzlich auch im Rahmen des § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB: Stellt sich der Täter eine Situation vor, in der er nach den zuvor angeführten Voraussetzungen durch Notstand gerechtfertigt gewesen wäre, unterliegt er einem Erlaubnistatbestandsirrtum. Hier gelten im VStGB dieselben Regeln wie im StGB; in einem solchen Fall entfällt der Vorsatz (analog) § 16 Abs. 1 S. 1 StGB. Eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit kommt bei vermeidbaren Irrtümern in Betracht. b) Erlaubnisirrtum Denkbar wäre ferner, dass ein Täter sich irrig vorstellt, „ohne weiteres“ rechtlich befugt zu sein, Verwundete von ihrem Leid „zu erlösen“. In der Sache begründet eine solche irrige Vorstellung eines erlaubten Verhaltens einen Verbotsirrtum im Sinne des § 17 StGB.54 Freilich wird ein solcher Irrtum eines deutschen Soldaten schon deswegen nicht vermeidbar sein,55 weil 53  Vgl. zum Streitstand etwa Sternberg-Lieben/Schuster, in: S/S-StGB30, § 16 Rn. 14 ff. 54  Vgl.

55  Hier

denken.

Sternberg-Lieben/Schuster, in: S/S-StGB30, § 17 Rn. 10. wäre allenfalls an eine Milderung nach §§ 17 S. 2, 49 Abs. 1 StGB zu



III. „Gnadenschuss“ im Zusammenhang mit militärischer Befehlskette277

die Vermittlung von rechtlichen (Grund-)Kenntnissen, insbesondere auch im Hinblick auf die wesentlichen Pflichten nach humanitärem Völkerrecht,56 zur soldatischen Ausbildung gehört (vgl. § 33 SG).57

III. Der „Gnadenschuss“ im Zusammenhang mit der militärischen Befehlskette Jede militärische Ordnung begründet sich auf Befehl und Gehorsam,58 die Gehorsamspflicht ist zentrale Pflicht eines jeden deutschen Soldaten. Vor diesem Hintergrund sei an dieser Stelle ein möglicher Befehl zum „Gnadenschuss“ angesprochen. Aus Berichten vergangener Konflikte ist bekannt, dass entsprechende Befehle in einigen Fällen erteilt – und auch ausgeführt – wurden.59 Hier soll ein Überblick über die strafrechtliche Bedeutung eines solchen Befehls in einem hypothetischen Fall mit Beteiligung deutscher Bundeswehrsoldaten erbracht werden. 1. Gehorsamspflicht Aus § 12 Abs. 1 S. 2 SG ergibt sich die Pflicht des Untergebenen, Befehle seines Vorgesetzten nach besten Kräften vollständig, gewissenhaft und unverzüglich auszuführen. Zu trennen ist zwischen verbindlichen und unverbindlichen Befehlen.60 Grundsätzlich nicht maßgeblich ist die Rechtmäßigkeit des Befehls: Zwar sind rechtmäßige Befehle verbindlich, diese gilt aber grundsätzlich auch für unrechtmäßige.61 Hingegen unverbindlich sind Befehle, wenn sie die Menschenwürde verletzen, nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt wurden (§ 11 Abs. 1 S. 2 SG) oder wenn durch den Befehl eine Straf56  Zumindest die allgemeinen Grundsätze muss jeder Soldat kennen. Ob detaillierteres Wissens erforderlich ist, hängt von seiner Stellung und Funktion innerhalb der Streitkräfte ab, vgl. Gasser/Melzer, Humanitäres Völkerrecht2, S. 217. 57  Aus allen Genfer Konventionen und den Zusatzprotokollen ergibt sich die Verpflichtung, ihren Wortlaut zu verbreiten und ihr Studium insbesondere in die militärischen Ausbildungsprogramme aufzunehmen, vgl. Art. 47 GK I; Art. 48 GK II, Art. 127 GK III, Art. 144 GK IV, Art. 83 ZP I, Art. 19 ZP II, Art. 7 ZP III. Im deutschen Recht ist die Unterrichtung von Soldaten über ihre völkerrechtlichen Pflichten in § 33 SG normiert. 58  Sanne/Weniger, SG2, § 11 Rn. 1. 59  Vgl. die Fälle im Anhang mit den Nrn. 5, 15, 19, 35, 44, 51, 52, 57. Hingegegen berichtet Sajer, Der vergessene Soldat, S. 277 von einem erteilten Verbot, „Gnadenschüsse“ zu erteilen, siehe den Auszug oben unter A. III. 1. a) dd) (2), dort S. 45. 60  Sanne/Weniger, SG2, § 11 Rn. 7; Sohm, in: W/E/S-SG3, § 11 Rn. 43. 61  Sohm, in: W/E/S-SG3, § 11 Rn. 43.

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E. Einzelprobleme und Sonderkonstellationen

tat begangen würde (§ 11 Abs. 2 S. 1 SG); ferner existieren weitere durch die Rechtsprechung entwickelte Unverbindlichkeitsgründe.62 Ein Befehl, durch den eine Straftat (i. S. d. § 12 StGB)63 begangen würde, ist nicht nur unverbindlich und braucht nicht ausgeführt werden, sondern er darf nicht befolgt werden, vgl. § 12 Abs. 2 SG.64 Wenn die zuvor dargestellten Voraussetzungen vorliegen, ist der „Gnadenschuss“ nach hier vertretener Auffassung durch Notstand gerechtfertigt. Der Befehl eines Vorgesetzten an einen Soldaten, den Verwundeten zu erschießen, wäre folglich in diesen Fällen kein Befehl, durch den eine Straftat begangen würde, im Sinne des § 10 Abs. 2 SG. Es bestünde grundsätzlich die Pflicht des Befehlsempfängers, den so lautenden Befehl zu befolgen – d. h. den „Gnadenschuss“ auszuführen. Verweigert der Soldat nun den Gehorsam, weil er (nach hier vertretener Ansicht im Einzelfall dann irrig) davon ausging, dass der „Gnadenschuss“ eine Straftat darstellt, so trägt er das Risiko einer wehrdisziplinarischen oder wehrstrafrechtlichen Sanktionierung der Nichtbefolgung des Befehls.65 Eine mögliche Strafbarkeit wegen Ungehorsam oder Gehorsamsverweigerung entfällt gemäß § 22 WStG aber dann, wenn der Untergebene irrig annimmt, durch die Befehlsausführung eine Straftat zu begehen und er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Unvermeidbar ist ein Irrtum, wenn er trotz Beachtung aller Sorgfalt, die von ihm auf Grundlage seiner Fähigkeiten, geistigen Anlagen und ihm – insbesondere im Rechtsunterricht nach § 33 SG – vermittelten Rechtskenntnisse erwartet werden durfte, die Verbindlichkeit des Befehls nicht hat erkennen können.66 Nicht erforderlich ist eine genaue recht­ liche Analyse: Ausreichend ist, wenn der Untergebene sicher annimmt, dass strafbares Unrecht von ihm erwartet wird.67 Für den „Gnadenschuss“ dürfte in der Praxis die Unvermeidbarkeit eines solchen Irrtums oft gegeben sein, wenn der Untergebene davon ausgeht, dass eine solche Tat unter allen Umständen strafbar wäre. Hier wäre es abwegig, von ihm vertiefte Rechtskenntnisse zur Möglichkeit einer anderen Beurteilung zu erwarten. Unsicherer ist aber die Position desjenigen, der den „Gnadenschuss“ unter den Umständen, die nach hier vertretener Auffassung zu dessen Rechtfertigung führen,68 richtigerweise zwar nicht für strafbares Unrecht hält, sich in: W/E/S-SG3, § 11 Rn. 43, 46. 63  Sanne/Weniger, Soldatengesetz2, § 11 Rn. 10; Sohm, in: W/E/S-SG3, § 11 Rn. 49. 64  Sohm, in: W/E/S-SG3, § 11 Rn. 49. 65  Vgl. allgemein Sanne/Weniger, Soldatengesetz2, § 11 Rn. 10a. 66  Dau, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze233, § 22 WStG Rn. 12. 67  Dau, in: MüKo-StGB3, § 22 WStG Rn. 10. 68  Dazu oben ausf., C. II. und D. II. 62  Sohm,



III. „Gnadenschuss“ im Zusammenhang mit militärischer Befehlskette279

aber schlicht nicht in der Lage sieht, eine solche Tat auch selbst auszuführen. Anerkannt ist, dass die Unverbindlichkeit eines Befehls in § 11 SG nicht abschließend geregelt ist,69 sondern sich auch daraus ergeben kann, dass ein Befehl für den Untergebenen unter Abwägung aller Umstände völlig unzumutbar wäre.70 Die Einzelheiten, insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit der Berufung eines Soldaten auf die Gewissensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG, sind umstritten.71 Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BVerwG zu Gewissensentscheidungen72 spräche viel dafür, parallel zu dem oben angedachten Ergebnissen im Zusammenhang mit einer Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung, den Befehl zum „Gnadenschuss“ jedenfalls dann als „unzumutbar“ in diesem Sinne und damit als unverbindlich anzusehen, wenn der Befehlsempfänger ihn verweigert. Denn der „Gnadenschuss“ unter extremsten Bedingungen kann nach der hier gefundenen Lösung in der bestimmten Situationen zwar gerechtfertigt sein – damit darf aber keine Pflicht für den Einzelnen einhergehen, diesen auch auszuführen.73 Alles andere würde der völlig außergewöhnlichen Situation kaum gerecht werden. Ohne hier näher auf die Frage nach der Möglichkeit eines „rechtmäßigen, aber unverbindlichen“ Befehls einzugehen,74 sollte im praktischen Fall ein solcher Befehl sowieso nicht ergehen: Ein guter militärischer Vorgesetzter, der zu der Überzeugung gelangt, dass der „Gnadenschuss“ ausgeführt werden soll, wird konsequenterweise selbst zur Waffe greifen und die Ausführung nicht auf einen seiner Untergebenen abwälzen. Denn nicht zuletzt soll der Vorgesetzte seinen Untergebenen „in seiner Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben“ (§ 10 Abs. 1 SG). Im konkreten Fall dürfte dazu auch 69  Scherer/Alff/Poretschkin/Lucks, SG10, § 11 Rn. 16; Dau, in: MüKo-StGB3, § 2 WStG Rn. 36; Lingens/Korte, Wehrstrafgesetz5, § 2 Rn. 37 ff.; Sohm, in: W/E/S-SG3, § 11 Rn. 46. 70  BDH NZWehrr 1959, 98; BDH NJW 1962, 1319 (1320); OLG Hamm NJW 1966, 212 (213); BVerwG NJW 2006, 77; BVerwG NZWehrr 2009, 119 (120); Scherer/Alff/Poretschkin/Lucks, SG10, § 11 Rn. 17; Lingens/Korte, Wehrstrafgesetz5, § 2 Rn. 43; Sohm, in: W/E/S-SG3, § 11 Rn. 46; Sanne/Weniger, Soldatengesetz2, § 11 Rn. 8; vgl. auch BT-Drucksache 2/1700, S. 21. 71  Kritisiert wird insbesondere die „Gewissensentscheidung“ des BGH, BGH NJW 2006, 77. Vgl. dazu etwa Sohm, in: W/E/S-SG3, § 11 Rn. 34 ff.; Dau, in: MüKoStGB3, § 2 WStG Rn. 26 m. w. N. zur Kritik. 72  BVerwG NJW 2006, 77. 73  Vgl. i. E. genauso im Zusammenhang mit einer denkbaren Unterlassungsstrafbarkeit bei Nichtausführung des „Gnadenschusses“ bereits oben unter E. I. Der denkbare Einwand, dass es gerade zu den Aufgaben eines Soldaten gehört, („den Feind“) zu töten, verfängt nicht. Denn kampfunfähige Verwundete zu töten ist ihm (in den allermeisten Fällen) durch humanitäres Völkerrecht gerade verboten. 74  Mit gewichtigen Argumenten dagegen Dau, in: MüKo-StGB3, § 2 WStG Rn. 26 m. w. N.

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E. Einzelprobleme und Sonderkonstellationen

gehören, keinen Befehl zu einer Tat zu erteilen, die er selbst auszuführen nicht bereit wäre. Die herausgehobene Stellung des Vorgesetzten bedingt es auch, dass er selbst – allein – die Verantwortung für seine Entscheidung trägt und sich dem, hier sehr relevanten, Risiko der Strafverfolgung aussetzt, ohne einen Untergebenen ohne Not in einen, von diesem wohl noch viel weniger lösbaren Gewissenskonflikt im Dreieck Pflichterfüllung – Strafrecht – Mensch­ lichkeit, zu verwickeln. Wo die eigenhändige Ausführung aber tatsächlich unmöglich ist, etwa weil der um Anweisungen gebetene Befehlshaber nicht vor Ort ist, sollte – die Voraussetzungen des gerechtfertigten „Gnadenschusses“ hier unterstellt – überhaupt kein Befehl ergehen. Hier wird es auf die Entscheidung des Soldaten vor Ort ankommen müssen, der oft sehr viel besser als ein Abwesender die Situation zu beurteilen in der Lage sein wird. Sofern möglich, ist jede erdenkliche Hilfestellung bei der Entscheidungsfindung zu leisten, wozu auch der Hinweis auf die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung gehören dürfte. Die Entscheidung selbst sollte billigerweise aber dem Soldaten vor Ort überlassen werden. 2. Strafrechtliche Verantwortlichkeit des Befehlsempfängers Wird dennoch ein entsprechender Befehl erteilt, und führt ein Soldat diesen aus, so ist seine Tat unter den zuvor aufgestellten Bedingungen nach § 34 StGB gerechtfertigt. Liegen die Voraussetzungen des gerechtfertigten „Gnadenschusses“ indes nicht vor, so kommt eine Strafbarkeit (auch) des Befehlsempfängers aus StGB oder VStGB in Betracht. Wird die Begehung einer Straftat befohlen, darf der Soldat diesen Befehl nicht ausführen, § 11 Abs. 2 S. 1 SG. Befolgt der Untergebene den unverbindlichen, weil strafrechtswidrigen, Befehl trotzdem, so trifft ihn eine Schuld nur, wenn er erkennt oder wenn es nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist, dass dadurch eine Straftat begangen wird (§ 11 Abs. 2 S. 2 SG). Offensichtlich ist, was jedermann ohne weiteres Nachdenken erkennen muss, was also für den pflichtbewussten, gewissenhaften Durchschnittssoldaten völlig außer Zweifel liegt.75 Durch die volle Verantwortlichkeit des Untergebenen bei Offensichtlichkeit einer Straftat soll Rechtsblinden und Rechtsgleichgültigen jeder Einwand abgeschnitten werden.76 Im Hinblick auf Straftaten ist „eine strafrechtliche Norm stets stärker […] als der militärische Befehl“.77 NZWehrr 2009, 78 (78, 84 f.); Lingens/Korte, Wehrstrafgesetz5, § 5 Rn. 13. 2/1700, S. 20 f.; Dau, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze233, § 5 WStG Rn. 3; ders., in: MüKo-StGB3, § 5 WStG Rn. 4. 77  BT-Drucksache 2/1700, S. 20. 75  BGH

76  BT-Drucksache



III. „Gnadenschuss“ im Zusammenhang mit militärischer Befehlskette281

Diese Regelung wird im Bereich des Strafrechts von § 5 WStG und § 3 VStGB aufgegriffen, welche einen Verbotsirrtum begründen, der den auf Befehl handelnden Soldaten gegenüber dem allgemeinen § 17 StGB privi­ legiert:78 Gemäß § 5 Abs. 1 WStG ist für die Strafbarkeit des Untergebenen Kenntnis oder Offensichtlichkeit bzgl. einer rechtswidrigen Tat erforderlich. Sind diese nicht gegeben, wirkt auch ein fahrlässiger Irrtum sowie ein Fürmöglich- oder Für-wahrscheinlich-Halten einer Straftat, anders als bei § 17 StGB, entschuldigend, sofern sich die Strafbarkeit nicht aufdrängen musste.79 Liegen die Voraussetzungen eines (nach obiger Lösung) gerechtfertigten „Gnadenschusses“ nicht vor, ist der Untergebene, der zwar an der Verbindlichkeit eines solchen Befehls zweifelt oder fahrlässig über das Vorliegen einer Straftat irrt, nach § 5 Abs. 1 WStG entschuldigt, sofern sich ihm die Strafbarkeit im Einzelfall nicht aufdrängen musste.80 Dies gilt so jedenfalls für die Straftaten nach dem StGB. Für das VStGB enthält § 3 VStGB eine ähnliche, im Detail aber abweichende, abschließende Spezialregelung:81 Im Hinblick auf Taten nach den §§ 8 bis 15 VStGB handelt der einen Befehl ausführende Täter gemäß § 3 VStGB schuldlos, wenn er nicht erkennt, dass der Befehl rechtswidrig82 war und dies auch nicht offensichtlich war. Die Entschuldigung des § 3 VStGB greift jedenfalls dann, wenn der Täter die Unverbindlichkeit des Befehls zu einer Straftat positiv nicht erkennt.83 Nimmt der Täter im Einzelfall fälschlicherweise s­icher an, dass der „Gnadenschuss“ gerechtfertigt wäre, obwohl die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, und drängt sich die Strafbarkeit nicht auf, so ist er bei Ausführung entschuldigt. Hat er indes Zweifel an der Rechtmäßigkeit des „Gnadenschusses“, so folgt nur aus fehlender positiver Kenntnis der Rechtswidrigkeit im Bereich des VStGB keine Entschuldigung: Anders als in § 5 WStG (Voraussetzung der Schuld ist dort eben die sichere Kenntnis der Unverbindlichkeit) ist die Exkulpation bei § 3 VStGB daran geknüpft, dass der Täter die Unverbindlichkeit des Befehls nicht erkennt. in: W/E/S-SG3, § 11 Rn. 30; Dau, in: MüKo-StGB3, § 5 WStG Rn. 1; Weigend, in: MüKo-StGB3, § 3 VStGB Rn. 13 f. 79  Dau, in: MüKo-StGB3, § 5 WStG Rn. 7; Lingens/Korte, Wehrstrafgesetz5, § 5 Rn. 9. 80  Soweit eine Entschuldigung nach § 5 Abs. 1 WStG nicht greift, kann das Gericht die Strafe nach § 5 Abs. 2 WStG i. V. m. §49 Abs. 1 StGB mildern; bei Vergehen auch von Strafe absehen, wenn die Schuld des Untergebenen mit Rücksicht auf die besondere Lage, in der er sich bei der Ausführung des Befehls befand, gering ist. 81  Weigend, in: MüKo-StGB3, § 3 VStGB Rn. 28. 82  Hier hätte der Gesetzgeber besser den Begriff „unverbindlich“ verwendet. Die bloße Rechtswidrigkeit eines Befehls als solche macht diesen noch nicht unverbindlich für den Untergebenen, vgl. Weigend, in: MüKo-StGB3, § 3 VStGB Rn. 15. 83  Weigend, in: MüKo-StGB3, § 3 VStGB Rn. 20. 78  Sohm,

282

E. Einzelprobleme und Sonderkonstellationen

Diese positive Formulierung spricht dafür, dass eine Entschuldigung schon dann nicht in Betracht kommt, wenn der Täter konkret mit der Möglichkeit der Unverbindlichkeit des Befehls rechnet.84 Ferner kommt die Exkulpation, wie auch bei § 5 WStG nicht in Betracht, wenn im Einzelfall die Strafbarkeit ohne jeden Zweifel vorlag, also offensichtlich war.85 3. Strafrechtliche Verantwortlichkeit des militärischen Vorgesetzten Ist der „Gnadenschuss“ des Untergebenen im Einzelfall wegen Notstand gerechtfertigt (vgl. oben), entfällt mangels rechtswidriger Haupttat jede (Teilnahme-)Strafbarkeit für den Vorgesetzten, der einen entsprechenden Befehl erteilt. a) Anstiftung; § 33 f. WStG Ist die Tat des Untergebenen nicht gerechtfertigt, so liegt jedenfalls eine Konstellation der Anstiftung (§ 26 StGB) vor.86 Der den Tatentschluss des Soldaten hervorrufende Vorgesetzte wäre entsprechend zu bestrafen. Im militärischen Bereich existiert mit § 33 WStG eine wehrrechtliche Sonderbestimmung für militärische Vorgesetzte zu § 26 StGB:87 Wer den Entschluss eines Untergebenen zur Tat unter Missbrauch seiner Befehlsbefugnis oder Dienststellung hervorruft, ist gemäß § 33 WStG wegen Verleiten zu einer rechtswidrigen Tat zu bestrafen.88 Voraussetzung ist, dass der Untergebene zumindest den Versuch einer für ihn vorsätzlichen, rechtswidrigen89 Tat begeht; andernfalls liegt ein Versuch des Verleitens zu einer rechtswidrigen Tat i. S. d. § 33 WStG vor, der von § 34 WStG erfasst wird.90 § 33 WStG in: MüKo-StGB3, § 3 VStGB Rn. 20. in: MüKo-StGB3, § 3 VStGB Rn. 22 f. Eine Strafmilderungsmöglichkeit aufgrund der besonderen Situation des Untergebenen bei Ausführung eines Befehls ist, anders als in § 5 Abs. 2 WStG (dazu oben, Fn. 80, S. 281) nicht vorgesehen, vgl. ebd., Rn. 29. 86  Ob ihm Einzelfall nicht sogar eine mittelbare Täterschaft wegen Tatherrschaft kraft der herausgehobenen organisatorischen Stellung des militärischen Vorgesetzten in Betracht käme, wäre im Einzelfall zu untersuchen. Dieser völlig umstrittene Komplex soll hier aber außen vor bleiben. 87  Vgl. Dau, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze233, § 33 WStG Rn. 3. 88  Vgl. Dau, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze233, § 33 WStG Rn. 5; vgl. auch Lingens/Korte, Wehrstrafgesetz5, § 33 Rn. 2 ff. 89  Die Schuld des Untergebenen ist irrelevant, vgl. dazu Lingens/Korte, Wehrstrafgesetz5, § 33 Rn. 8. 90  Vgl. Dau, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze233, § 33 WStG Rn. 7; Lingens/Korte, Wehrstrafgesetz5, § 33 Rn. 8. 84  Weigend, 85  Weigend,



III. „Gnadenschuss“ im Zusammenhang mit militärischer Befehlskette283

bildet einen eigenen militärischen Straftatbestand,91 die Täterschaft des Vorgesetzten konsumiert die Anstiftung zu der vom Untergebenen begangenen Tat.92 Als Rechtsfolge sieht § 33 WStG eine Bestrafung nach den Vorschriften vor, die für die Tat des Untergebenen maßgeblich sind. § 33 S. 2 WStG eröffnet dabei die Möglichkeit, die Strafe auf maximal das Doppelte der dort geregelten Höchststrafe zu erhöhen, bis zur Grenze des gesetzlichen Höchstmaßes für die jeweilige Art der Strafe.93 b) §§ 4, 14 VStGB; § 41 WStG Nur hingewiesen sei noch für nicht gerechtfertigte Taten nach dem VStGB auf § 4 Abs. 1 S. 1 VStGB. Der militärische Befehlshaber94, der es, trotz Möglichkeit,95 bewusst unterlässt, seinen Untergebenen an einer rechtswidrigen96 Tat nach dem VStGB zu hindern, wird wie ein Täter der vom Unter­ gebenen begangenen Tat bestraft. § 4 VStGB dient dabei der (Teil-)Umsetzung der völkerstrafrechtlichen Vorgesetztenverantwortlichkeit (vgl. Art. 28 IStGH‑Statut) in nationales Recht.97 Subsidiär ist der Befehlshaber strafbar gemäß § 14 VStGB für eigenes Verschulden bei (vorsätzlicher oder fahrlässiger) Verletzung seiner Aufsichtspflicht, wenn der Untergebene eine Tat nach dem VStGB begeht, deren Bevorstehen für den Befehlshaber erkennbar war und die er hätte verhindern können.98 Eine vergleichbare Regelung trifft ferner § 41 WStG. Bestraft wird, wer seine Dienstaufsichtspflicht über seine Untergebenen mindestens leichtfertig (vgl. Abs. 1, 3) verletzt und dadurch jedenfalls fahrlässig eine schwere Folge i. S. d. § 2 Nr. 3 WStG verursacht, sofern die Tat nicht in anderen VorschrifDau, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze233, § 33 WStG Rn. 3; ders., in: MüKo-StGB3, § 33 WStG Rn. 4; Lingens/Korte, Wehrstrafgesetz5, § 33 Rn. 13. 92  Dau, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze233, § 33 WStG Rn. 10; ders., in: MüKo-StGB3, § 33 WStG Rn. 13; Lingens/Korte, Wehrstrafgesetz5, § 33 Rn. 16. 93  Vgl. Lingens/Korte, Wehrstrafgesetz5, § 33 Rn. 14. 94  Militärischer Befehlshaber ist, wer in der militärischen Befehlskette seine Befehlsgewalt auf rechtlicher Grundlage ausübt, vgl. Weigend, in: MüKo-StGB3, § 4 VStGB Rn. 18 ff. Gleichgestellt sind gemäß Abs. 2 Personen, die als „de-facto-Befehlshaber“ die tatsächliche Befehls- oder Führungsgewalt und Kontrolle ausüben. 95  Vgl. Weigend, in: MüKo-StGB3, § 4 VStGB Rn. 48 f. 96  Zum insofern unklaren Wortlaut des § 4 Abs. 1 S. 1 VStGB vgl. Weigend, in: MüKo-StGB3, § 4 VStGB Rn. 43 sowie Bülte, Vorgesetztenverantwortlichkeit im Strafrecht, S. 669. 97  BT-Drucksache 14/8524, S. 18 f. 98  Ausführlich zur Vorschrift Weigend, in: MüKo-StGB3, § 14 VStGB Rn. 1 ff.; vgl. auch BT-Drucksache 14/8524, S. 36. 91  Vgl.

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E. Einzelprobleme und Sonderkonstellationen

ten schwerer bestraft wird (Abs. 4).99 Im Bereich des VStGB ist § 41 WStG also insbesondere subsidiär zu §§ 4, 14 VStGB.100

IV. Übertragbarkeit der gefundenen Lösungen auf andere Konstellationen Nachdem damit für die beiden Beispielfälle eine tragfähige Lösung gefunden wurde, sei abschließend noch auf einige weitere Sonderkonstellationen eingegangen, die beim „Gnadenschuss“ denkbar sind. Eine umfassende oder gar abschließende Behandlung aller auch nur hypothetisch denkbaren Varianten kann hier nicht erfolgen, dargestellt werden hier aber zumindest solche Sonderkonstellationen eines „Gnadenschusses“, die sich aufdrängen müssen. 1. Zukünftiges Leid Zurückzukommen ist an dieser Stelle auf Konstellationen des „Gnadenschusses“, in denen die Tötung nicht, oder zumindest nicht nur, erfolgt, um einen bereits bestehenden unerträglichen Schmerzzustand zu beenden, sondern (auch) um andere, ernstlich drohende zukünftige Gefahren vom Betroffenen abzuwenden, die als „größeres Übel“ als der Tod gelten.101 a) Drohende Gefangennahme, Folter etc. Insbesondere drohende Gefangennahme und damit einhergehende Qual und Folter durch den Gegner können Auslöser solcher „Gnadentötungen“ sein.102 Anders als in den zuvor diskutierten Fällen sind hier nicht die be99  Vgl. allgemein zu dieser Norm etwa Dau, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze233, § 41 WStG Rn. 1 ff.; Lingens/Korte, Wehrstrafgesetz5, § 41 Rn. 1 ff. 100  Dau, in: MüKo-StGB3, § 41 WStG Rn. 16; § 3 WStG Rn. 4. 101  Nicht weiter behandelt wird hier der von Swann, Military Medicine 1987, 545 (546) angesprochene hypothetische Fall, in welchem ein Verwundeter, der besonders wertvolle militärische Informationen besitzt, aus militärischen Nützlichkeitserwägungen getötet wird, um seine Kenntnisse nicht dem Feind zugänglich zu machen. Wie Swann richtig erkennt, handelt es sich um ein völlig anderes Szenario, in dem gerade nicht die Interessen des Verwundeten und dessen Wohl, sondern taktische Erwägungen im Fokus stehen (bei Swann auch so bezeichnet: „tactical euthanasia“). Solche Konstellationen dürften einer Rechtfertigung nicht zugänglich sein; allenfalls in Ausnahmefall wäre eine übergesetzliche Entschuldigung überhaupt in Betracht zu ziehen. 102  Vgl. auch Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 (585 f.), der die Möglichkeit der Rechtfertigung einer verlangten Tötung bei drohender Massenvergewaltigung durch § 34 StGB anspricht. Neumann erwähnt ferner auch „drohende Folter“ und erklärt, dass solche Fälle „strukturell völlig parallel“ zu Fällen gerechtfertigter aktiver Ster-



IV. Übertragbarkeit gefundener Lösungen auf andere Konstellationen285

reits andauernden Schmerzen einer Verwundung, sondern das zu erwartende zukünftige Leid der Anlass zur Tötung.103 Auch für solche Fälle finden sich Beispiele: Beim Aufstand gegen Rom töteten durch Los ausgewählte jüdische Soldaten angesichts der ihnen gewissen Folter und Sklaverei ihre Kameraden und die Zivilbevölkerung in Masada.104 Ähnliche Erwägungen lagen der Tötung Verwundeter unter Napoleon beim Rückzug aus Jaffa zugrun­ de.105 Um sie nicht in die Hände der Japaner fallen zu lassen, ließ Lieute­nant Colonel Masters im Zweiten Weltkrieg 19 Verwundete in Burma erschießen.106 Weitere vergleichbare Fälle107 finden sich vor allem aus dem Zweiten Weltkrieg, insbesondere bei drohender Gefangennahme durch japanische oder russische Truppen. Dass die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung durch den Gegner nicht der Vergangenheit angehört, zeigt sich auch im „Krieg gegen den Terror“ seit 2001. Beispielhaft sei hier die Ermordung eines jordanischen Kampfpiloten erwähnt, die große mediale Aufmerksam erlangte: Oberleutnant Muaz al‑Kasaesbeh wurde nach dem Absturz seines F-16 Kampfflugzeuges bei einem Kampfeinsatz gegen die Terrororganisation IS von deren Kämpfern gefangen genommen. Der IS veröffentlichte später ein Video, in dem zu sehen ist, wie der Pilot in einem Metallkäfig bei vollem Bewusstsein verbrannt wird.108 Angenommen, al‑Kasaesbeh wäre angesichts der Aussicht auf ein solches Ende nach dem Absturz von einem Kameraden erschossen worden: Wäre ein vergleichbarer, hypothetischer Fall (unter Beteiligung behilfe zur Beendigung stärkster Schmerzen liegen. Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. 103  Schon für Hilschenz, Die Sterbehilfe, S. 17 soll Sterbehilfe in Betracht kommen, wenn „in seltenen Fällen ein augenblickliches Leiden zwar nicht vorlieg[t], aber [ein] qualvolles Schicksal unabwenbar bevorsteh[t] – Schändung, Marterung, grausamer Tod“. Ein eher obskures und pathetisch überhöhtes Beispiel von sehr zweifelhafter Historizität führt sie auf S. 4 an: „Während des Indischen Aufstands 1857 war eine Gruppe Engländer in eine Höhle geraten und verteidigte ihr Leben gegen die aufständischen Horden. Als die Munition zu Ende ging und die Eingeborenen sich zum Sturm anschickten, tötete der Offizier die mit ihm eingeschlossene Krankenschwester, die er heimlich liebte, mit der eigens zu diesem Zweck aufgesparten letzten Revolverkugel, – nicht um sie vor dem [grausamen] Tode zu retten, der ihr als Frau nicht unmittelbar drohte, sondern um sie vor Schlimmerem zu bewahren: vor der Schändung.“ 104  Vgl. Josephus, Geschichte des Jüdischen Krieges, Buch VII, Kap. 9. 105  Vgl. de Bourrienne, Memoirs of Napoleon Bonaparte, S. 227 f.; siehe auch oben, A. III. 1. a) cc), S. 39. 106  Vgl. Masters, The Road Past Mandalay, S. 258 f.; siehe auch den zuvor zitierten Auszug oben, A. III. 1. a) dd) (2), S. 44 f. 107  Vgl. ferner auch die in A. III. 1. a) dargestellten Fälle; aus dem Anhang auch die Fälle mit den Nrn. 2, 5, 17, 36, 37, 42, 44, 83. 108  Der Spiegel, 03.02.2015.

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E. Einzelprobleme und Sonderkonstellationen

deutscher Soldaten) nach der oben vorgestellten Lösung unter Umständen zu rechtfertigen? Man muss nur einen zweiten Piloten hinzudenken, der sich retten kann, während sich der erste, beispielsweise wegen erlittener Verletzungen, nicht vor den IS-Kämpfern in Sicherheit bringen kann.109 Bittet dieser seinen Kameraden nun um den „Gnadenschuss“, weil er nicht wie al‑Kasaesbeh enden will, wäre eine Rechtfertigung nach den oben genannten Maßstäben zu prüfen. Spätestens hier gelangt jede Untersuchung an ihre Grenzen, denn die Bildung bzw. Einbeziehung aller hypothetisch denkbarer Konstellationen und Einflussfaktoren ist kaum möglich, Einzelfälle kaum noch eingrenzbar: Wenn, in Übertragung der zuvor aufgestellten Kategorien, zu fordern ist, dass Folter und qualvoller Tod nach weitestgehender Objektivierung gewiss sind, wie könnte der Betroffene oder der potentielle Täter dies sicher feststellen? Während eine unter den gegebenen Umständen tödlich endende Verwundung extremen Ausmaßes noch erkennbar ist, hängen zukünftige Bebzw. Misshandlungen durch Dritte zunächst allein von deren Intentionen ab.110 Selbst wenn die entsprechende Intention des Gegners als sicher unterstellt wird: Wann ist die dadurch drohende Gefahr derart konkretisiert, dass als letztes Mittel nur die Tötung bleibt? Im vorliegenden Fall direkt nach dem Absturz der Maschine? Bei Ergreifung durch die IS-Kämpfer? Erst zu einem (welchen?) Zeitpunkt während der Gefangenschaft? Unmittelbar vor der Hinrichtung? Erst beim Lodern der Flammen? Denn schließlich hatte im Fall al‑Kasaesbeh die jordanische Regierung noch mit dem IS über einen Gefangenenaustausch verhandelt,111 auch die Möglichkeit einer Geiselbefreiung wäre in vergleichbaren Fällen ggf. nicht ausgeschlossen. Ähnliche Probleme dürften sich für den Masters-Fall in Burma bzw. in fast allen ähnlich gelagerten Konstellationen ergeben. War die unmenschliche Behandlung der Verwundeten durch die Japaner sicher? Klare Antworten lassen sich hier nicht finden. Angesichts solcher einzelfallbezogenen Fragen kann eine abschließende, abstrakte Beurteilung hier nicht erfolgen. Festzuhalten bleibt aber, dass zumindest in dem Zeitpunkt, in dem Folter und grausame Tötung durch den Gegner objektiv sicher und unvermeidbar sind, ein gerechtfertigter „Gnadenschuss“ unter Übertragung der zuvor ge109  Völlig abwegig wäre das tatsächlich nicht: Die Bundeswehr beteiligte sich ab 2015 mit zweisitzigen (!) Tornado-Aufklärungsflugzeugen am Kampf gegen den IS in Syrien und im Irak. 110  Vgl. Beam, in: Beam/Sparacino, Military Medical Ethics Vol. 2, S. 369 (391); auch Sham, Naval Law Review 2020, 1 (19) weist auf das Problem der Unsicherheit des zukünftigen Geschehensablaufs in ähnlichen Fällen hin: „[…] raises significant practical concerns, such as how certain the likelihood of torture must be before mercy killing can be justified.“ 111  Der Spiegel, 03.02.2015.



IV. Übertragbarkeit gefundener Lösungen auf andere Konstellationen287

fundenen Lösung nicht ausgeschlossen wäre. Das gilt dann auch unabhängig davon, ob im Einzelfall ein Tötungsverlangen geäußert wurde oder ob (andernfalls) auf den mutmaßlichen Sterbewillen abzustellen ist. Denn bereits zuvor wurde ausgeführt, dass in bestimmten Situationen das Interesse des Betroffenen an der Freiheit von Schmerz und Qual vollständig dessen subjektiv nur noch mit „Null“ zu bezifferndes Interesse am Weiterleben bzw. Weiterleiden überwiegen wird und diese (interne) Bewertung z. T. schon aufgrund der situativen Umstände ohne realistische Zweifel bestehen wird. Dies wird grundsätzlich genauso auch für zukünftige Leidenszustände gelten können: Wer genau weiß, nach kurzer Zeit verbrannt zu werden, wird regelmäßig ein überragendes Interesse daran haben, diesen Qualen von vornherein zu entgehen und hat, bei fehlender Rettungsmöglichkeit, kein bezifferbares Interesse mehr am Erleben seiner restlichen Lebenszeit. Zu verallgemeinern ist dies freilich nicht. Jedenfalls muss die Situation stets derart extrem sein, dass die Tötung die einzig denkbare Handlungsoption (zum Überhaupt-nichtHandeln, mit all seinen Konsequenzen) darstellt und insbesondere auch ein weiteres Abwarten auf eine Änderung der Umstände bzw. eine Rettung im Einzelfall undenkbar wäre. Solche Konstellationen mag es geben – dass sie äußerst selten vorkommen und auch hier stets die Umstände des konkreten Einzelfalles maßgeblich sind, versteht sich von selbst. b) Feststehendes Schicksal Im Detail stellen sich Fälle anders dar, in denen das grausame Schicksal des Betroffenen aufgrund äußerer Umstände feststeht, ohne dass dabei die Erwägungen Dritter (der gegnerischen Truppen, der Geiselnehmer etc.) eine Rolle spielen. Ein Beispiel aus dem Zweiten Weltkrieg liefert der zuvor beschriebene Tod eines Deutschen, der als einziger Überlebender nach dem Absturzes seiner abgeschossenen Maschine fernab vom Land und ohne jede Rettungschance im kalten Wasser zu erfrieren bzw. zu ertrinken drohte.112 Hier wird der „Gnadenschuss“ durch einen gegnerischen Piloten dem langsamen, aber objektiv sicher feststehenden Tod durch Erfrieren bzw. Ertrinken vorzuziehen sein. Die Rechtfertigung eines solchen Verhaltens ist denkbar, wenngleich auch hier im Einzelfall Probleme aufzuzeigen sind: Denn i. d. R. wird der Pilot keine Möglichkeit haben, mit dem Schiffbrüchigen zu kommunizieren. Das Einholen einer tatsächlichen Einwilligung bzw. eines ernst­ lichen Verlangens i. S. d. § 216 StGB dürfte praktisch kaum möglich sein. Mangels zu erlangender tatsächlicher Einwilligung kann sich eine Rechtferti112  Forrester, Fly For Your Life, S.  175  ff., für einen Auszug siehe oben, A. III. 1. a) dd) (2), S. 46; vgl. ferner auch die z. T. ähnlichen Fälle im Anhang mit den Nrn. 6, 15, 27, 31, 32.

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E. Einzelprobleme und Sonderkonstellationen

gung nach der hier vertretenen Lösung nur auf den mutmaßlichen Willen des Ertrinkenden stützen, um dessen subjektives Lebensinteresse zu bestimmen. Wo die Entscheidung des Betroffenen aufgrund der äußeren Umstände aber mit hinreichender Gewissheit besteht – ein solcher Fall dürfte hier wohl vorliegen – ist der „Gnadenschuss“ nicht anders zu behandeln als zuvor Fall 2. Denn hier ist der Tod unter Qualen bereits in der zugrundeliegenden Situation unabänderlich angelegt. Anders als in zuvor behandelten Konstellationen, ist der Eintritt der drohenden Gefahr (d. h. das Erfrieren/Ertrinken) hier sogar völlig sicher. Eine solche Tat ist schrecklich und kann nur das letzte Mittel in völlig außergewöhnlichen Situationen sein: Unrecht ist sie aber nicht zwingend.113 In seltenen Extremfällen wäre eine Rechtfertigung durch § 34 StGB angemessen. 2. Fälle ohne (direkten) Bezug zu Kampfhandlungen114 a) „LKW-Fall“ Bereits erwähnt wurde der oft angeführte, „klassische“ Modellfall der Literatur. Gegenstand dieser Variante ist ein Kraftfahrer, der bei einem Unfall in dem brennenden Wrack seines LKW eingeklemmt wird und qualvoll zu verbrennen droht.115 Nachdem es Ersthelfern nicht gelingt, den bereits in Flammen stehenden Mann zu befreien und Rettungskräfte unerreichbar sind, zieht ein Passant eine mitgeführte Waffe und erschießt den schwer leidenden Mann in höchster Not. So oder so ähnlich sind nahezu alle von Autoren angeführten Literaturfälle aufgebaut, die sich (zumindest im weitesten Sinne) mit dem „Gnadenschuss“ bzw. mit Extremfällen aktiver, direkter Sterbehilfe jenseits des ärztlichen Bereichs befassen.116 Zum Teil wird angeführt, es 113  Ähnlich und sehr treffend für den „Gnadenschuss“ im Allgemeinen Herzberg, NJW 1996, 3043 (3047). 114  Vgl. zusf. auch die Nrn. 84–86 im Anhang. 115  Vgl. etwa R. Merkel, JZ 1996, 1145 (1150). 116  Vgl. u. a.: Baumann u. a., AE-Sterbehilfe, S. 35; Bott, In dubio pro Straffreiheit?, S.  30 f.; Chatzikostas, Disponibilität, S. 63 f., 321, 326; E. Fischer, Recht auf Sterben?!, S. 270; Herzberg, NJW 1996, 3043 (3048); Hoerster, Sterbehilfe im säkularen Staat, S. 183; Lindner, JZ 2006, 373 (381 Fn. 78); R.  Merkel, Früheuthanasie, S.  395 ff., 423 ff., ders., in: Hegselmann/Merkel, Zur Debatte über Euthanasie, S. 71 (93, 96); ders., JZ 1996, 1145 (1150); ders., in: Heinrich-Böll-Stiftung, Selbstbestimmung am Lebensende, S. 27 (38); Mezger/Blei, BT12, S. 16; Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 38 und Fn. 167; Neumann, Jahrbuch für Recht und Ethik 1994, 81 (83); Otto, Gutachten 56. DJT, S. D1 (D60); ders., Grundkurs Strafrecht7, S. 42; ders., Jura 1999, 434 (441); ders., ZfL 2002, 42 (48); Rissing-van Saan, in: LK-StGB12, § 216 Rn. 7, 46; Rönnau, in: LK-StGB13, Vor §§ 32 ff. Rn. 368; Simson, in: Eser, Suizid und Euthanasie, S. 322 (324 f.); Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 61; Schöch/Verrel,



IV. Übertragbarkeit gefundener Lösungen auf andere Konstellationen289

handle sich wohl um eine rein akademische, fiktive Lehrbuch-Konstellation,117 zum Teil wird der „LKW-Fall“ in Schweden verortet.118 Tatsächlich lässt sich ein vergleichbarer Fall jedenfalls 1991 in Südafrika nachweisen.119 Unklar bleibt, ob es sich um ein und denselben, z. T. also falsch verorteten Fall handelt, oder ob es sich um zwei ähnliche Gegebenheiten handelt. Unabhängig von dieser Frage muss aber überraschen, dass angesichts dürftiger Faktenlage und offensichtlicher extremster Seltenheit solcher „ziviler Gnadenschüsse“ gerade dieser Fall Verbreitung gefunden hat. Denn schließlich stammt, wie gezeigt, in der Praxis die überwältigende Mehrzahl vergleichbarer Fälle aus dem militärischen Kontext. Auch hier sind sie zwar gewiss selten und außergewöhnlich, aber eben nicht annähernd so einmalig wie der „LKW-Fall“ o. ä.120 im zivilen Leben. Im Hinblick auf die rechtliche Bewertung dieses Falles wird in der Literatur überwiegend eine Rechtfertigung durch den rechtfertigenden Notstand in Aussicht gestellt.121 Dem ist, angesichts der beim militärischen „GnadenAE-StB, GA 2005, 553 (583 Fn. 160, 161); Schroeder, ZStW 1994, 565 (580); Stiller, Sterbehilfe und assistierter Suizid, S. 227; Tolmein, Selbstbestimmungsrecht und Einwilligungsfähigkeit, S. 198 ff.; mit leichter Abwandlung auch bei Sinn, in: SK-StGB9, § 216 Rn. 20. 117  An der praktischen Relevanz solcher Fälle zweifelnd insb. Roxin, in: Roxin/ Schroth, Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (118); vgl. auch Schöch/Verrel, AEStB, GA 2005, 553 (583 Fn. 160): „der angebliche Fall“; sowie Pelzl, KJ 1994, 179 (192 Fn. 99): „der sich angeblich […] zugetragen haben soll.“ 118  Simson, in: Eser, Suizid und Euthanasie, S. 322 (324 f.); R. Merkel, DIE ZEIT, 23.06.1986; Scheffler, in: Joerden/Neumann, Medizinethik 2, S. 45 (45 f.); ders., in: Joerden, Der Mensch und seine Behandlung in der Medizin, S. 249 (261); vgl. auch Otto, Gutachten 56. DJT, S. D1 (D60): „in Skandinavien“. 119  FAZ, 04.09.1991, S. 12; vgl. dazu auch R. Merkel, JZ 1996, 1145 (1150). 120  Nur am Rande erwähnt sei noch ein Fall aus 1996, in dem ein bayerischer Schüler seinem tödlich verletzten Vater, der sich zuvor mit einem Jagdgewehr in den Kopf geschossen hatte, in die Brust schoss, um ihm Leid zu ersparen, vgl. FAZ, 31.12.1996, S. 10; dazu auch R. Merkel, Früheuthanasie, S. 395. Anhand des o. g. Zeitungsartikels und mangels weiterer Informationen kann nur vermutet werden, dass dem Schüler schon die Kausalität des zweiten Schusses für den Tod des Vaters nicht nachzuweisen war. Ob ansonsten ein gerechtfertigter „Gnadenschuss“ i. S. d. der zuvor aufgeführten Kriterien vorgelegen hätte, muss aber bezweifelt werden: Schließlich ist nicht ersichtlich, warum ein Herbeiholen von Rettungskräften von vornherein unmöglich gewesen wäre. Eine Rechtfertigung nach der hier vertretenen Lösung wäre deshalb kaum in Betracht gekommen. 121  Im Hinblick auf den „LKW-Fall“ etwa R.  Merkel, JZ 1996, 1145 (1150 ff.); ders., Früheuthanasie, S.  395 ff., 423 ff.; ders., in: Heinrich-Böll-Stiftung, Selbstbestimmung am Lebensende, S. 27 (38); Herzberg, NJW 1996, 3043 (3048 ff.); Mezger/ Blei, BT12, S. 16; Chatzikostas, Disponibilität, S. 63, 321, 326; Otto, Gutachten 56. DJT, S. D1 (D59 f.); ders., ZfL 2002, 42 (48); Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 61; Schöch/Verrel, AE-StB, GA 2005, 553 (583 Fn. 161); Stiller, Sterbehilfe und assistierter Suizid, S. 249 f.; a. A. aber etwa Rissing-van Saan, in: LK-StGB12, § 216

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E. Einzelprobleme und Sonderkonstellationen

schuss“ gefundenen Ergebnisse, uneingeschränkt zuzustimmen: Die hier angestellten Überlegungen scheinen grundsätzlich auch auf einen „zivilen“ Fall übertragbar. Insofern ist der gerechtfertigte „Gnadenschuss“ zwar meist, aber eben auch nicht zwingend ein rein militärisches Phänomen – indes werden die spezifischen situativen Umstände, die die Tötung als einzige Alternative zum Nicht-Handeln erscheinen lassen, in nahezu keinem Fall auch im zivilen Lebensbereich vorliegen: So ist in den allermeisten Situationen Hilfe durch die Rettungsdienste kurzfristig erreichbar. Nur wo dies keinesfalls möglich ist, die Qualen des Betroffenen aber gravierend und sein Überleben bis zur Erlangung von Hilfe völlig unmöglich wäre, kann die Tötung als letztes Mittel überhaupt in Betracht kommen. Unter Übertragung der oben angestellten Überlegungen wird eine solche Tat dann über § 34 StGB zu rechtfertigen sein, sofern sie der (geäußerten oder ermittelten) Interessenpräferenz des Betroffenen entspricht. Inwiefern solche Fälle in der Praxis für das deutsche Strafrecht Relevanz erlangen werden, darf bezweifelt werden: Der „Gnadenschuss“ war in dieser Arbeit schon deshalb im militärischen Kontext zu erörtern, weil er fast nur in diesem Kontext auftritt, eine Konfrontation deutscher Soldaten mit dieser Thematik in den Weltkriegen erfolgt ist, und – für Bundeswehrsoldaten – auch in Zukunft durchaus möglich scheint. b) Außergewöhnliche, „konfliktähnliche“ Katastrophenfälle Ferner lassen sich Fälle finden, die zwar nicht unmittelbar in Zusammenhang mit den militärischen Kampfhandlungen stehen, aber durch ihre Einbettung in eine außergewöhnliche Lage gekennzeichnet sind, die sich vollständig vom normalen Lebensalltag unterscheidet. Anders als beim „LWK-Fall“ ist es dabei nicht nur die konkrete Situation, in der sich Opfer und Täter befinden maßgeblich, sondern die Einbindung des Geschehens in einen größeren Katastrophen-Zusammenhang. Hier zeigt sich dann deutlicher die Parallele zu den Konstellationen im Kontext bewaffneter Konflikte. So berichtet etwa Thomas Keneally in seinem Werk Schindler’s List von Ärzten eines Krankenhauses im Krakauer Ghetto, die ihre letzten vier Patienten anlässlich der bevorstehenden Räumung und der damit einhergehenden Exekution durch die SS vergifteten: „It seemed important to [Dr.] D that somehow they [the four patients] be spared the final great affright of a mad volley of fire. […]. This morning, […] D was concerned with the question of cyanide. […]. Looking down from his window he saw the Sonderkommandos assembling by the river and knew they had come to Rn. 46; Tolmein, Selbstbestimmungsrecht und Einwilligungsfähigkeit, S. 205; Ingelfinger, Grundlagen und Grenzbereiche, S. 246; Hoerster, Sterbehilfe im säkularen Staat, S.  183 f.



IV. Übertragbarkeit gefundener Lösungen auf andere Konstellationen291 take some decisive action in the ghetto. He rushed to the hospital and found Dr B and the nusing staff already working there on the same premise […]. […].122 Dr B nodded at him, walked to the small locked pharmaceutical chest […] and came back with the bottle of hydrocyanic acid. […] B called the nurse. ‚ Give each patient forty drops in water.‘ […]. When the nurse came with four medicine g ­ lasses none of them even asked her what she was bringing them. D would never know if any of them understood. […]. It was all as gentle as D had hoped. He looked at them […] with the envy any ghetto dweller would feel for escapees.“123

Angesichts der allgegenwärtigen Verfolgung durch die Nationalsozialisten und der unmittelbaren Bedrohung durch die SS lagen hier Umstände vor, die den zuvor dargestellten im Kontext militärischer Operationen sehr ähneln. Bemerkenswert ist allerdings, dass die Tötung ohne Einwilligung – und wahrscheinlich auch ohne Kenntnis – der Patienten erfolgt. Beurteilt man diesen Fall nach geltendem Recht, würde eine Rechtfertigung daran wohl scheitern müssen.124 Zwar zeugt das Handeln der Ghettoärzte von einer ausweglosen Zwangslage und einer zutiefst menschlichen Motivation. Dennoch ist eine solche Tat strafbares Unrecht, schließlich wäre die Einholung des Einverständnisses der Patienten wohl ohne weiteres möglich gewesen. Verbleibende Ungerechtigkeiten im Hinblick auf die völlig außergewöhnliche Situation der Ghettoärzte wären eher auf Seite der Rechtsfolgen zu lösen. Ein im weiteren Sinne vergleichbarer Fall entstammt der jüngeren Geschichte: Nachdem weite Teile von New Orleans durch den Hurrikan „Ka­ trina“ verwüstet und überflutet wurden, war ein Krankenhaus (das Memorial Medical Center) tagelang von der Außenwelt abgeschnitten. Als Wasser, Strom und Medikamente zur Neige gingen, sollen einige125 der nicht evakuierten Patienten von den Ärzten durch Injektion von Morphium und Benzodiazepinen getötet worden sein. Die Einzelheiten wurden nie umfassend aufgeklärt, eine Grand Jury lehnte die Erhebung einer Anklage ab.126 Unterstellt, dass die Tötungen erfolgt sind, zeigt sich auch hier eine gewisse Nähe zu den oben diskutierten Fällen. Mangels eines belastbaren Sachverhalts fällt die rechtliche Bewertung schwer. Eine Notstandsrechtfertigung der handelnden Ärzte käme in einem gleichgelagerten Fall nach deutschem Straf122  Keneally,

Schindler’s List, S. 193 ff. Schindler’s List, S. 196 ff. 124  Der höchst umstrittene Problemkomplex der hypothetischen Einwilligung muss hier außen vor bleiben. 125  Zur Anzahl gibt es widersprüchliche Angaben: Fink, New York Times, 25.08. 2009 geht von mindestens 17 getöteten Patienten aus. 126  Vgl. ausführlich die erschütternden Ausführungen bei Fink, New York Times, 25.08.2009. 123  Keneally,

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E. Einzelprobleme und Sonderkonstellationen

recht wohl nicht in Betracht: Weder waren alle Patienten in einem hoffnungslosen Zustand, noch war eine Evakuierung in absehbarer Zeit völlig unmöglich.127 Auch wenn die zuvor für militärische „Gnadenschüsse“ vorgeschlagene Notstandslösung für die beiden hier vorgestellten Fälle im Ergebnis nicht verfängt, lässt ihre Existenz doch den Schluss zu, dass es auch abseits von Kampfhandlungen außergewöhnlichen Katastrophensituationen geben kann, in denen die aktive Tötung Schwerverletzter ggf. gerechtfertigt sein kann. Hier werden freilich dieselben Maßstäbe gelten müssen, wie sie zuvor für den militärischen Bereich aufgestellt wurden. Dass solche Situationen ä­ ußerst selten auch im zivilen Leben eintreten, kann jedenfalls nicht völlig ausgeschlossen werden; angesichts ihrer offenkundigen völligen Außer­ gewöhn­ lichkeit wird an dieser Stelle auf eine weitere Erörterung verzichtet. Eine solche liefe letztlich auf die Konstruktion hypothetischer Katastrophenszenarien hinaus. c) Hinrichtungen aa) Als staatliche Strafe Der „Gnadenschuss“ war z. T. im Rahmen von Hinrichtungen vorgesehen.128 Jedenfalls dort, wo er normiert ist, wird sich die Rechtfertigung des Ausführenden aus öffentlich-rechtlicher Vorschrift ergeben.129 Zumindest heute sind solche Fallkonstellation in Deutschland glücklicherweise ohne jede Relevanz, sodass auf eine Erörterung verzichtet werden kann. bb) „Gnadenschüsse“ bei strafbaren Tötungen Wesentlich relevanter gestaltet sich die Frage nach dem „Gnadenschuss“ im Rahmen von Tötungen, die als solche fraglos Unrecht darstellen. Angenommen, ein Täter versucht, einen Menschen (strafbar) zu töten. Das Opfer ist aber nicht auf der Stelle tot, sondern leidet, verursacht gerade durch den Tötungsversuch, schwerste Qualen. Wäre hier, angenommen Hilfe ist nicht verfügbar, nicht nur der „Gnadenschuss“ eines Dritten,130 sondern sogar der 127  Zumindest einer der Patienten war ansprechbar und nicht derart schwer verletzt, dass sein Tod unmittelbar drohte, eine Evakuierung war auch nicht völlig ausgeschlossen, vgl. Fink, New York Times, 25.08.2009. 128  Vgl. etwa oben A. III. 1. a) dd) (4). 129  Vgl. hier etwa die oben zitierte Verfügung für den Vollzug der Todesstrafe in der deutschen Kriegsmarine, siehe oben A. III. 1. a) dd) (4). 130  Vgl. hier etwa die Fälle mit den Nrn. 26, 53, 83 im Anhang.



IV. Übertragbarkeit gefundener Lösungen auf andere Konstellationen293

„Gnadenschuss“ durch den Totschläger oder Mörder selbst gerechtfertigt? Diese ­Konstellation mag konstruiert wirken; bei Betrachtung der deutschen Geschichte131 ist sie es leider nicht.132 Bei einer Untersuchung nach aktuellem deutschem Strafrecht hätte sich der Täter zunächst eines versuchten Totschlages bzw. Mordes strafbar gemacht. Erteilt er seinem verletzten Opfer nun den „Gnadenschuss“, so konstituiert diese Tat, für sich alleine betrachtet, ebenfalls zumindest einen Totschlag, der als solcher aber ggf. – die oben diskutierten Voraussetzungen unterstellt –133 gemäß § 34 StGB gerechtfertigt sein kann. Folgt daraus nun, dass der Täter letztlich nur wegen Versuchs zu bestrafen wäre?134 Dieses Ergebnis ließe sich mit dem Rechtsgefühl schwer vereinbaren. Tatsächlich wird dem auch nicht zwingend so sein: Denn dass der unmittelbar tödlich wirkende Schuss durch einen hinzutretenden Dritten keine atypische Abweichung vom Geschehensablauf darstellt, hat der BGH zutreffend festgestellt.135 Nicht anders gilt aber erst recht dann, wenn für beide Taten dieselbe Person verantwortlich wäre.136 In Fällen, in denen erst die 131  Man denke an die Massaker unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. An Beispielen für solche Verbrechen wird es nicht mangeln. Vgl. nur exemplarisch die Schilderungen in BGH NJW 2004, 2316 (2316): „In den frühen Morgenstunden des 19.5.1944 wurden die ausgewählten Gefangenen […] zu der ausgehobenen Grube geführt. An deren Rand wurden sie in Gruppen von mindestens vier, höchstens acht Gefangenen von zwei Kommandos, die sich abwechselten, erschossen. Die Opfer stürzten in die Grube; wer noch Lebenszeichen von sich gab, erhielt mit einer Pistole den ‚Gnadenschuss‘.“ 132  Als prominentes Beispiel kann auch der Tod von Generaloberst a. D. Ludwig Beck am 21.07.1944 angeführt werden: Beck gehörte zum militärischen Widerstand um Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg und war von den Widerständlern als Staatsoberhaupt nach Hitlers Tod vorgesehen. Nach dem gescheiterten Attentat verurteilte Generaloberst Fromm, selbst Mitwisser des 20. Juli, Stauffenberg und seine Offiziere standgerichtlich zum Tode und ließ sie im Innenhof des Bendlerblocks in Berlin erschießen. Beck wurde als Alternative zur Erschießung auf eigene Bitte die Gelegenheit zum Suizid eingeräumt. Nachdem dieser sich durch einen selbst zugefügten Kopfschuss lediglich schwer verletzte, befahl (nach anderen Quellen: erteilte) Fromm den tödlichen „Gnadenschuss“. Vgl. etwa die Schilderungen bei K.-J. Müller, Generaloberst Ludwig Beck, S. 528 f.; Hoffmann, Claus Schenk Graf von Stauffenberg4, S.  473 f., jeweils m. w. N. 133  Dies wird freilich nur äußerst selten der Fall sein, da insb. die Möglichkeit medizinischer Versorgung i. d. R. bestehen wird. 134  Ob dies tatsächlich so dramatisch wäre, sei dahingestellt: Jedenfalls im Hinblick auf das Strafmaß ist das nicht notwendig so; gemäß § 23 Abs. 2 StGB kann ein Versuch milder bestraft werden als eine vollendete Tat. Zwingend ist die mildere Bestrafung nicht. 135  BGH, Urteil vom 6. Juli 1956 – 5 StR 434/55 bei Dallinger, MDR 1956, 525 (526); OGHSt 2, 352 (354 f.); vgl. auch BGH NStZ 2001, 29 (30). 136  Vgl. BGH NStZ 2001, 29 (30); BGHSt 39, 195 (197 f.); BGHSt 7, 325 (328 f.).

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E. Einzelprobleme und Sonderkonstellationen

eine Tötungshandlung die spätere, dann tatsächlich zum Tötungserfolg führende Handlung (den „Gnadenschuss“) veranlasst, ist der Ersttäter wegen vollendeter erster Tat zu bestrafen, auch wenn die Bestrafung wegen der zweiten Tötungshandlung ausscheidet.

F. Exkurs: Triage Zumindest am Rande mit den zuvor diskutierten „Gnadenschüssen“ vergleichbar sind die strafrechtlichen Fragestellungen, die sich im Umfeld der Triage1 im militärischen Kontext stellen. Zwar steht hier keine aktive Herbeiführung des Todes im Raum, sondern „bloß“ die Festlegung der Reihenfolge medizinischer Versorgung und damit einhergehend ggf. ein Sterbenlassen zurückgestellter Verwundeter trotz grundsätzlich bestehender Rettungsmöglichkeit. Bei der Verteilung knapper medizinischer Ressourcen kommen aber Szenarien in Betracht, die dem „Gnadenschuss“ in Tragik und Ausweglosigkeit kaum nachstehen. Auch hier sind Extremfälle denkbar, die insofern spezifisch militärisch sind, als dass sie in einem anderen Kontext, wenn überhaupt, dann nur äußerst selten auftreten werden. Damit lässt sich die Brücke zum „Gnadenschuss“ schlagen. Mithin sollen die maßgeblichen strafrechtlichen Probleme der Triage im folgenden Exkurs – wenn auch nur im Überblick2 – beleuchtet werden.

I. Begriff und Verfahren im Überblick Als „Triage“ oder „Sichtung“ bzw. „sorting“3 wird – sowohl im zivilen als auch im hier maßgeblichen militärischen Bereich – das Verfahren zur Beurteilung und Einstufung von Verletzen bzw. Verwundeten4 hinsichtlich

1  Dass Fragen der Triage im Laufe des Jahres 2020 traurige Aktualität auch für das zivile Leben erlangen würden, war zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Arbeit so nicht absehbar. In diesem Kapitel wird explizit nur auf die Triage im Militär eingegangen, wenngleich sich viele Erwägungen ggf. auch auf eine Anwendung im zivilen Bereich übertragen ließen. Für Einzelprobleme im Zusammenhang mit der COVID19-Pandemie muss auf die zahlreiche, ab 2020 erschiene, diesbezügliche Literatur verwiesen werden, die hier nur noch teilweise berücksichtigt werden konnte. Einen Überblick über den Meinungsstand bietet etwa Busch, ZStW 2020, 742. 2  Ausführlich zur Strafbarkeit im Zusamenhang mit der Triage insb. Scholten, Triage; sowie Brech, Triage und Recht, jeweils m. w. N.; vgl. auch die umfangreiche Diskussion im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. 3  Vgl. Spöttl/Ziegler, Medizinische Klinik – Intensivmedizin und Notfallmedizin 2015, 9 (9). 4  Auch: Kontaminierten nach Angriffen mit A/B/C-Kampfstoffen bzw. nach entsprechenden Unfällen.

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F. Exkurs: Triage

der Priorität ihrer Versorgung bezeichnet.5 Die Triage (und damit eine Abkehr von der Individualmedizin)6 erfolgt dort, wo, unter Berücksichtigung der spezifischen Bedingungen der Situation, Aufkommen und Versorgungsbedarf der Verwundeten bzw. Verletzten die verfügbaren Ressourcen, also Mittel und Kräfte, übersteigen (MASCAL – Massenanfall von Verwundeten bzw. MANV – Massenanfall von Verletzten).7 Im Grundsatz handelt es sich beim MASCAL/MANV also um ein Verteilungsproblem: Um eine möglichst effektive Verteilung knapper Ressourcen zu gewährleisten, erfolgt vor der Behandlung,8 abhängig von deren Dringlichkeit und der verfügbaren Behandlungskapazitäten, eine Priorisierung der medizinischen Hilfe, i. d. R. mit dem Ziel der größtmöglichen Anzahl Überlebender.9 Unterschieden wird dabei zwischen denjenigen Verwundeten, die auch ohne medizinische Versorgung überleben werden, denen, die auch mit medizinischer Versorgung sterben werden und denen, die nur mit medizinischer Versorgung überleben werden.10 Die Sichtung eines Verwundeten erfolgt im Wege einer Kurzbeurteilung und wird regelmäßig wiederholt;11 bei Änderungen des Zustands erfolgt eine Zuordnung zu einer anderen Kategorie („dynamischer Prozess“)12. Aus der Einstufungskategorie ergibt sich dann die Dringlichkeit der Behandlung, Reihenfolge und Art der medizinischen Versorgung bzw. Evakuierung. Zur Einstufung existieren verschiedene Verfahren, die sich z. T. im Hinblick auf die Einteilungskategorien und Kriterien unterscheiden. Weitestgehend etabliert hat sich aber ein Triagesystem mit vier Sichtungskategorien. Für den militärischen Bereich existiert ein NATOnur Kern, in: Leitfaden Katastrophenmedizin6, S. 43 (51); zur Geschichte der Triage im Überblick etwa Mitchell, Disaster Medicine and Public Health Pre­ paredness 2008, S. S4 ff.; Eckart, ZFME 2020, 431 (433 ff.); Scholten, Triage, S.  18 ff. 6  Vgl. auch Huster, in: Hörnle/Huster/Poscher, Triage in der Pandemie, S. 83 (95). 7  Dazu Ladehof, in: Neitzel/Ladehof, Taktische Medizin2, S. 222 (222 f.). 8  Mithin geht es vorliegend um die z. T. als „ex-ante“ (in Bezug auf die Behandlung) beschriebene Form der Triage, bei der die Frage der Behandlungsreihenfolge bisher nicht behandelter Patienten im Mittelpunkt steht. Die davon abzugrenzende Fallvariante, bei der eine bereits begonnene Behandlung eines Patienten zugunsten eines anderen abgebrochen wird (z. T. als „ex-post“-Triage bezeichnet) muss in diesem Exkurs größtenteils außenvorbleiben, vgl. dazu im Folgenden auch Fn. 58, S. 308 und die dortigen Nw. Zur Abgrenzung der Triage-Formen in der Diskussion im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie vgl. nur etwa Busch, ZStW 2020, 742 (742 f.); Palsherm, GesR 2020, 545 (546). 9  Ladehof, in: Neitzel/Ladehof, Taktische Medizin2, S. 222 (222, 231). 10  Adams, in: Allhoff, Physicians at War, S. 215 (218). 11  Ladehof, in: Neitzel/Ladehof, Taktische Medizin2, S. 222 (230 ff.). 12  Vgl. etwa NATO, AMedP-1.10 (A V1), S. 2–5; Spöttl/Ziegler, Medizinische Klinik – Intensivmedizin und Notfallmedizin 2015, 9 (11). 5  Vgl.



II. Strafrechtliche Probleme der militärischen Triage297

Standard mit den farblich kodierten Dringlichkeitsstufen T1 bis T4, ferner werden Tote gesondert gekennzeichnet:13 –– T1 (rot) – Sofortige Behandlung: bei akuter, vitaler Bedrohung, aber hoher Überlebenschance bei sofortiger Behandlung. –– T2 (gelb) – Aufgeschobene Behandlung: bei Schwerverletzten, bei denen eine operative Versorgung erforderlich ist, aber eine gewisse Verzögerung nicht lebensbedrohlich wäre. –– T3 (grün) – Spätere/Minimale Behandlung: bei Leichtverletzten nur spätere Behandlung, ggf. zunächst nur durch Hilfspersonen oder Anleitung zur Selbsthilfe. –– T4 (weiß; oft auch blau) – Abwartende bzw. betreuende Behandlung: bei „hoffnungslos“ Verwundeten ohne derzeitige Überlebenschance (ressourcenabhängig!), da ihre Behandlung zeitraubend und kompliziert, aber nur sehr eingeschränkt erfolgversprechend wäre und zu Lasten derjenigen ginge, die bessere Überlebenschancen haben. Zunächst nur abwartende/ betreuende Behandlung, insbesondere palliative Schmerzbehandlung.14

II. Strafrechtliche Probleme der militärischen Triage Bei der rechtlichen (und auch ethischen) Beurteilung der militärischen Triage bereitet vor allem die letztgenannte Kategorie der „Hoffnungslosen“ Probleme.15 Gerade hier kommt hinsichtlich eines nicht-behandelten Verwundeten eine Unterlassungsstrafbarkeit in Betracht: Jedenfalls steht eine unterlassene Hilfeleistung im Raum, bei Garantenstellung auch eine Körperverletzung durch Unterlassen aufgrund der Nichtbehandlung, ggf. ein Totschlag oder sogar das Kriegsverbrechen der Tötung i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB durch Unterlassen, § 13 StGB,16 wenn ein T4-Verwundeter aufgrund der unterlassenen Behandlung verstirbt.

13  Vgl. die NATO-Standards AJP-4.10 (B V1), S. 2–10  f.; sowie AMedP-1.10 (A V1) S. 2–6. 14  Vgl. die tabellarische Übersicht bei Ladehof, in: Neitzel/Ladehof, Taktische Medizin2, S. 222 (232); NATO, AJP-4.10 (B V1), S. 2–10 f.; sowie Brech, Triage und Recht, S.  52 ff.; Scholten, Triage, S. 48 ff., jeweils m. w. N. insb. aus der medizinischen Literatur. 15  Kern, in: Leitfaden Katastrophenmedizin6, S. 43 (52); wie hier auch Brade/ Müller, NVwZ 2020, 1972 (1972). 16  Das Kriegsverbechen der Tötung (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB) kann – bei gegebener Garantenstellung – auch durch Unterlassen begangen werden, vgl. Geiß/Zimmermann, in: MüKo-StGB3, § 8 VStGB Rn. 129.

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F. Exkurs: Triage

1. Kollidierende Handlungspflichten – Pflichtenkollision? Für den behandelnden (Militär-)Arzt kollidieren hier mehrere Handlungspflichten – schließlich ist er grundsätzlich verpflichtet alle Verwundeten zu behandeln. Freilich ist ihm dies aufgrund knapper Ressourcen gerade nicht möglich. Eine Lösung für solche Fälle kann ggf. in der Figur der rechtfertigenden Pflichtenkollision gefunden werden. Von mehreren möglichen, aber nur alternativ erfüllbaren Handlungspflichten ist die höherrangige zu erfüllen, bei Gleichrangigkeit eine von beiden (oder mehreren).17 Die Befolgung der einen (gleichrangigen) Handlungspflicht rechtfertigt dann die Nichtbefolgung der anderen (h. M.).18 Die Rangfolge kollidierender Handlungspflichten bestimmt sich nach dem Wert der gefährdeten Rechtsgüter, der rechtlichen Stellung des Verpflichteten, der Nähe der Gefahr und der Wahrscheinlichkeit des Gefahreintritts19.20 Dabei kommt es auf die Schutzwürdigkeit gerade in der konkreten Lebens­ situation an.21 Angeführt wird, dass auch bei kollidierenden Lebensinteressen diejenige Handlungspflicht vorrangig zu erfüllen sei, die unter Abwägung aller Umstände die bessere Erfolgsaussicht im Hinblick auf die größte Anzahl Überlebender hat. Es seien dann „Dringlichkeit, Erfolgsaussicht und Aufwand der medizinischen Behandlung in Bezug auf die Maximierung der Überlebendenzahl in ein optimales Verhältnis zueinander“ zu bringen.22 Der Handlung, mit statt vieler Rönnau, in: LK-StGB13, Vor §§  32 ff. Rn.  115 ff. m. w. N. 47, 318 (322); BGHSt 48, 307 (311); Busch, ZStW 2020, 742 (748); Rönnau, in: LK-StGB13, Vor §§ 32 ff. Rn. 116; Kindhäuser/Hilgendorf, LPK-StGB8, § 34 Rn. 60; Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 124; Rosenau, in: S/S/W-StGB5, Vorbem. §§  32 ff. Rn.  59 f.; Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 32 ff. Rn. 73; Roxin/ Greco, AT I5, S. 888, 891; Ulsenheimer/Biermann, in: Ulsenheimer/Gaede, Arztstrafrecht6, Rn. 1783, jeweils m. w. N.; a. A. (nur Entschuldigungsgrund) aber etwa Paeffgen/Zabel, in: NK-StGB5, Vor §§  32 ff. Rn.  171 ff.; T. Fischer, StGB67, Vor § 32 Rn. 11a. Zum Meinungsstand im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie vgl. etwa Busch, ZStW 2020, 742 (745 ff.). 19  In der Triage-Diskussion vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie ist insofern regelmäßig von „Dringlichkeit der Behandlung“ die Rede. Abzugrenzen davon sind die Erfolgsaussichten der Behandlung, welche als solche keine Aussage über die Dringlichkeit dieser treffen, vgl. dazu ausf. Engländer/Zimmermann, NJW 2020, 1398 (1401 f.); Fateh-Moghadam/Gutmann, in: Hörnle/Huster/Poscher, Triage in der Pandemie, S. 291 (303 ff.); Busch, ZStW 2020, 742 (745 ff.); Jansen, ZIS 2021, 155 (160 ff.); Sowada, NStZ 2020, 452 (455 ff.); Palsherm, GesR 2020, 545 (547, 550); Gerson, in: Esser/Tsambikakis, Pandemiestrafrecht, S. 56 ff. 20  Wessels/Beulke/Satzger, AT49, S. 438; vgl. auch Kindhäuser/Hilgendorf, LPKStGB8, § 34 Rn. 61; Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§  32 ff. Rn.  74 m. w. N. 21  Lenckner, Notstand, S. 107; Rönnau, in: LK-StGB12, Vor § 32 Rn. 122 m. w. N. 17  Vgl.

18  BGHSt



II. Strafrechtliche Probleme der militärischen Triage299

der die größere Anzahl an Leben gerettet würde, korrespondiere die höherrangige – und damit vorrangig zu erfüllende – Pflicht.23 Nach dieser Ansicht kollidieren also keine gleichwertigen Handlungspflichten.24 Die Behandlungsreihenfolge würde dann entsprechend durch die Überlebenswahrscheinlichkeit der größten Anzahl unter den gegebenen Umständen, die sich gerade in der Einstufung der Einzelpatienten widerspiegelt, vorgegeben. Im Ergebnis wäre es dann rechtmäßig, den T1-Verwundeten vorrangig zu behandeln, auch wenn dies den sicheren Tod des T4-Verwundeten bedeuten würde. Denn ersterer hat bei Abwägung der Schwere seiner Verletzungen und der zur Verfügung stehenden Ressourcen die größere Überlebenswahrscheinlichkeit, seine Behandlung erfordert weniger Ressourcen und ermöglicht damit letztlich das Überleben einer insgesamt größeren Anzahl an Verwundeten. Hingegen wäre mit dieser Ansicht eine vorgezogene Behandlung von T4-Patienten zulasten von T1-Patienten strafbar, wenn dadurch insgesamt weniger Menschenleben gerettet werden.25 2. Unzulässige Abwägung Leben gegen Leben? Dass sich solche utilitaristischen Erwägungen bei der Rangermittlung nur schwerlich mit einem Verbot der Abwägung verschiedener Menschenleben 22  Brech, Triage und Recht, S. 389; zust. Kern/Rehborn, in: Laufs/Kern/Rehborn, Handbuch des Arztrechts5, § 21 Rn. 53; Kern, in: Leitfaden Katastrophenmedizin6, S. 43 (63); vgl. ferner auch Mitsch, in: FS Werber, S. 49 (64 f.); ähnlich Brade/Müller, NVwZ 2020, 1792 (1796 f.). 23  So Mitsch, in: FS Werber, S. 49 (64 f.); ders., in: Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, Strafrecht AT12, S.  619 f.; Brech, Triage und Recht, S. 351; ähnlich R. Merkel, JZ 2007, 373 (380); wohl auch Delonge, Die Interessenabwägung, S. 126; aktuell mit einer ähnlichen „Maximierungsformel“ Busch, ZStW 2020, 742 (764 ff.); Brade/Müller, NVwZ 2020, 1792 (1796); Streng-Baunemann, ZIS 2021, 170 (187 f.); Taupitz, MedR 2020, 440 (444); wohl auch Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht8, Kap. IV Rn. 28; dagegen zu zu Recht insb. Engländer, in: Hörnle/Huster/Poscher, Triage in der Pandemie, S. 111 (127 f.); Fateh-Moghadam/Gutmann, in: Hörnle/Huster/Poscher, Triage in der Pandemie, S. 291 (314 ff.); Jansen, ZIS 2021, 155 (163); Merkel/Augsberg, JZ 2020, 704 (705, 708 f.); Augsberg, in: Hörnle/Huster/Poscher, Triage in der Pandemie, S. 3 (12 f., 17 ff.); Sternberg-Lieben, MedR 2020, 627 (631 f.); Gerson, in: Esser/Tsambikakis, Pandemiestrafrecht, S. 72 f. 24  Vgl. Mitsch, in: FS Werber, S. 49 (64 f.); ders., in: Baumann/Weber/Mitsch/ Eisele, Strafrecht AT12, S.  619 f.; Engländer, in: Hörnle/Huster/Poscher, Triage in der Pandemie, S. 111 (121); ähnlich auch Busch, ZStW 2020, 742 (748 f.). 25  Schließlich wäre die Rettung der größeren Anzahl nach dieser Ansicht die „höherwertigere“ Pflicht – die Nichterfüllung der „geringwertigeren“ Pflicht bliebe demnach rechtswidrig, vgl. Engländer, in: Hörnle/Huster/Poscher, Triage in der Pandemie, S. 111 (121); allgemein Mitsch, in: FS Werber, S. 49 (64 f.); ders., in: Baumann/ Weber/Mitsch/Eisele, Strafrecht AT12, S. 619 f.; vgl. dazu ferner auch Merkel/Augsberg, JZ 2020, 704 (708 f.).

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F. Exkurs: Triage

gegeneinander vereinbaren lassen, kann nicht verborgen bleiben.26 Will man daran festhalten, dass sich Menschenleben auch „für das größere Wohl“ nicht verrechnen lassen, kann der Quantitätsaspekt für eine Rechtfertigung nicht ohne weiteres maßgeblich werden.27 Tatsächlich ist aber zwischen zwei Konstellationen zu differenzieren: Ist eine Rettung eines T4-Patienten unter den gegebenen Umständen tatsächlich unmöglich – oder zwar (vor Beginn der Behandlung) zunächst theoretisch möglich, aber „schlechtere Wahl“ im Hinblick auf die Vielzahl besser zu versorgender Verwundeter und so erreichbare größere Gesamtzahl Überlebender? Berücksichtigt man, dass die T4-Einstufung gerade abhängig von den verfügbaren Ressourcen ist, wird man zu dem nur scheinbar paradoxen Ergebnis gelangen, dass gerade bei besonders schlechter Versorgungslage die hypothetische Überlebenschance eines als „Hoffnungslos“ Eingestuften (isoliert betrachtet) regelmäßig noch vergleichsweise hoch wäre: Man denke beispielsweise an einen Patienten, der nur bei sofortiger, aber mehrstündiger, mehrere Ärzte erfordernder Operation mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu retten wäre. Erlaubt die Masse an anderen Schwerverletzten, die mit erheblich schnelleren Eingriffen zu versorgen wären, eine solche Operation aktuell nicht, wird der erste Patient als T4 einzustufen sein und mit großer Wahrscheinlichkeit unbehandelt sterben. Dabei wäre seine Rettung zunächst gar nicht „unmöglich“, sondern hätte „nur“ die in der Praxis kaum hinnehmbare Folge, dass eine Vielzahl anderer unversorgt bliebe und an seiner Stelle sterben müsste. Will man hier in der Versorgung der T1‑Patienten nun die höherrangige Pflicht sehen, steht dies im Konflikt mit der Gleichrangigkeit aller Leben. Das gilt überall dort, wo den zurückgestellten T4-Verwundeten bei hypothetischer sofortiger Behandlung mit allen zur Verfügung stehenden Kräften noch irgendeine Überlebenschance verblieben wäre,28 sodass sich das Problem nicht mit dem Hinweis auf eine angebliche Unmöglichkeit der Rettung umgehen lässt: Die Unmöglichkeit der Behandlung der T4-Patienten 26  Vgl. dazu Kern/Rehborn, in: Laufs/Kern/Rehborn, Handbuch des Arztrechts5, § 21 Rn. 34 ff.; Augsberg, in: Hörnle/Huster/Poscher, Triage in der Pandemie, S. 3 (12 f.); Merkel/Augsberg, JZ 2020, 704 (705, 708 f.); Fateh-Moghadam/Gutmann, in: Hörnle/Huster/Poscher, Triage in der Pandemie, S. 291 (305, 314 ff.); Sternberg-Lieben, MedR 2020, 627 (631 ff.); allgemein auch Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 32 ff. Rn. 74. 27  Küper, Grund- und Grenzfragen, S. 25, vgl. auch Sternberg-Lieben, MedR 2020, 627 (631 ff., insb. 633); Augsberg, in: Hörnle/Huster/Poscher, Triage in der Pandemie, S. 3 (12 f., 17 f.); Engländer, in: Hörnle/Huster/Poscher, Triage in der Pandemie, S. 111 (127 f.); Fateh-Moghadam/Gutmann, in: Hörnle/Huster/Poscher, Triage in der Pandemie, S. 291 (314 ff.); a. A. offenbar Taupitz, MedR 2020, 440 (444): „Und gerade wenn man davon ausgeht, dass jedes Leben eines Menschen für sich genommen gleich wertvoll ist, folgt daraus, dass zwei Leben wertvoller sind“. 28  Kern/Rehborn, in: Laufs/Kern/Rehborn, Handbuch des Arztrechts5, § 21 Rn. 45.



II. Strafrechtliche Probleme der militärischen Triage301

ist dann erst die Folge der getroffenen Behandlungsentscheidung zugunsten der T1‑Patienten. Ist die Versorgungslage indes vergleichsweise gut, sodass Ärzte auch für solche Fälle zur Verfügung stehen, werden nur diejenigen als T4-Patienten einzustufen sein, für die es selbst bei optimaler Versorgung überhaupt keine Überlebenschance mehr gibt. Ist eine Rettung im Einzelfall, selbst bei Widmung aller zur Verfügung stehenden Ressourcen nur diesem einen Patienten, von vornherein tatsächlich unmöglich, so besteht insoweit schon keine auf Heilung ausgerichtete29 Behandlungspflicht.30 Damit liegt schon überhaupt keine Pflichtenkollision vor. Was von vornherein unmöglich war, bedarf nicht erst der Rechtfertigung – ultra posse nemo obligatur.31 In allen anderen Fällen, wie sie in der Praxis wohl häufiger vorkommen werden, bleibt es aber im Rahmen der Pflichtenkollision bei der zahlenmäßigen Abwägung mit dem Ziel der Rettung der größtmöglichen Anzahl zulasten der als T4-Patienten. Unvermeidbar stehen sich dort verschiedene Leben gegenüber, die – nach ganz überwiegender Ansicht unzulässig – gegeneinander abgewogen werden müssten.32 In Umgehung dieser Problematik wird entsprechend überlegt, ob bei der Triage nicht nur eine (übergesetzliche) Entschuldigung des Arztes in Betracht kommt.33 Hinzunehmen wäre, neben der aus Gerechtigkeitsgesichtspunkten unbefriedigenden Wirkung einer „blo-

29  Natürlich besteht weiterhin eine Pflicht möglichst weitreichender palliativer Versorgung. 30  Vgl. dazu auch Fateh-Moghadam/Gutmann, in: Hörnle/Huster/Poscher, Triage in der Pandemie, S. 291 (302); Merkel/Augsberg, JZ 2020, 704 (709); ferner Sternberg-Lieben, MedR 2020, 627 (629); Lindner, MedR 2020, 723 (728); Palsherm, GesR 2020, 545 (546). 31  Im Wesentlichen wie hier Brech, Triage und Recht, S. 343; Scholten, Triage, S. 208 f.; vgl. allgemein auch Gaede, in: NK-StGB5, § 13 Rn. 12; Freund, in: MüKoStGB4, § 13 Rn. 10 Fn. 19, Vor § 13 Rn. 135; im Hinblick auf ärztliche Hilfeleistung vgl. Ulsenheimer, in: Laufs/Kern/Rehborn, Handbuch des Arztrechts5, § 21 Rn. 28; bezüglich der rechtfertigenden Pflichtenkollision auch Kindhäuser/Zimmermann, AT9, S. 181, die richtig darauf hinweisen, dass ein Tatbestandsausschluss wegen Unmöglichkeit nicht in Betracht kommt, wenn zunächst noch die Möglichkeit bestand, jeder von zwei Pflichten nachzukommen. Umgekehrt wird also etwas anderes gelten müssen, wenn von Anfang an nur eine Pflicht erfüllbar ist; vgl. so auch Kindhäuser/Hilgendorf, in: LPK-StGB8, § 34 Rn. 57. 32  Vgl. zur Unzulässigkeit einer solchen Verrechnung von Leben, auch im Kontext der rechtfertigenden Pflichtenkollision, etwa Rönnau, in: LK-StGB12, Vor § 32 Rn. 123; Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 132; Roxin/Greco, AT I5, S.  890 f.; Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 32 ff. Rn. 74; Satzger, Jura 2010, 753 (756). 33  So etwa Knauer/Brose, in: Spickhoff, Medizinrecht3, §§ 211, 212 Rn. 22, die aber zutreffend auf die unbefriedigende Konsequenz der dann vorliegenden rechtswidrigen Tat hinweisen.

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F. Exkurs: Triage

ßen“ Entschuldigung, dass Notwehr bzw. Nothilfe zugunsten des zurückgestellten Patienten gegen den Arzt möglich blieben.34 3. Lösungsvorschlag Gegebenenfalls lässt sich eine Lösung über die rechtfertigende Pflichtenkollision aber trotz dieser Problematik fruchtbar machen, wenn den Arzt tatsächlich gar keine Rechtspflicht trifft, eine zahlenmäßige Abwägung Leben gegen Leben zu treffen, seine strafrechtliche Rechtfertigung also nicht von der quantitativ „besseren“ Wahl abhängt. Zunächst ist festzuhalten, dass ohne Frage Schwerverletzte vor Leichtverletzten zu behandeln sind.35 Im Hinblick auf die kollidierenden Pflichten ist die entsprechende Handlungspflicht bei Ersteren höherrangig.36 Damit macht sich ein Arzt strafbar, der T3 oder T2-Patienten vor T1‑Patienten behandelt. Innerhalb der einzelnen Kategorien (eine noch denkbare „Feinabstufung“ einmal außenvorgelassen) werden aber gleichrangige Pflichten vorliegen. Alle T1-Patienten bedürfen sofortiger Hilfe. Egal, ob sich der Arzt nun entscheidet, den T1 Patienten A oder den T1-Patienten B zu behandeln, er ist gerechtfertigt, wenn er sich für einen entscheidet und der jeweils andere daraufhin verstirbt. Er kann eben nur eine seiner beiden, gleichrangigen Pflichten erfüllen. Nichts anderes gilt aber tatsächlich auch im Verhältnis zwischen T1- und T4-Patienten (mit verbleibenden Rettungschancen). Denn für letztere liegt in Wirklichkeit keine höhere Dringlichkeit der Behandlung vor, als für die ­T1-Patienten:37 Beide bedürfen der sofortigen Behandlung, um zu überleben.38 Insofern handelt es sich um gleichrangige Plichten. Die Gesamtan34  Knauer/Brose, in: Spickhoff, Medizinrecht3, §§  211, 212 Rn. 22; Scholten, Triage, S. 112 f. Dasselbe Problem würde sich immer stellen, wollte man die Pflichtenkollision, entgegen der h. M., stets erst auf Ebene der Schuld berücksichtigen, vgl. Busch, ZStW 2020, 742 (746 f.); Gaede/Kubiciel/Saliger/Tsambikakis, medstra 2020, 129 (132); Jäger/Gründel, ZIS 2020, 151 (152 f.). 35  Vgl. Brech, Triage und Recht, S. 350 f.; allgemein Roxin/Greco, AT I5, S. 890; Kindhäuser/Zimmermann, AT9, S. 182; Stratenwerth/Kuhlen, AT6, S. 146. 36  Wie hier auch Hoven/Hahn, JA 2020, 481 (482); Sternberg-Lieben, MedR 2020, 627 (630). 37  Wie hier Taupitz, MedR 2020, 440 (444); vgl. richtig auch Kern/Rehborn, in: Laufs/Kern/Rehborn, Handbuch des Arztrechts5, § 21 Rn. 39 „auch bei ihnen besteht konkrete vitale Not“; so auch Kern, in: Leitfaden Katastrophenmedizin6, S. 43 (59); ferner Scholten, Triage, S.  212 f. 38  Nur ist die Überlebenschance der T4-Patienten freilich erheblich geringer, wenn nicht sogar nicht existent. Ist in letzterem Fall eine kurative Behandlung aber tatsächlich unmöglich, so besteht schon keine entsprechende Handlungspflicht, vgl. oben, F. II. 2. Vgl. auch Fateh-Moghadam/Gutmann, in: Hörnle/Huster/Poscher, Tri-



II. Strafrechtliche Probleme der militärischen Triage303

zahl der Geretteten bzw. Sterbenden ist wegen der Unzulässigkeit einer entsprechenden quantitativen Abwägung im Rahmen einer rechtfertigenden Pflichtenkollision nicht maßgeblich.39 Im Hinblick auf Patienten der Kategorien T1 und T4 ist der Arzt konsequenterweise gerechtfertigt, egal wie er sich entscheidet.40 Dasselbe gilt (zu einem späteren Zeitpunkt) auch im Verhältnis zu den T2‑Patienten: Schließlich werden diese erst nachrangig, nach „Abfertigung“ der T1-Patienten behandelt. Zu diesem Zeitpunkt besteht dann aber, wegen der verstrichenen Zeit ohne Behandlung, i. d. R. sofortige Behandlungsbedürftigkeit bei den T2-Patienten und damit Gleichrangigkeit zu den T4-Pa­ tienten. Patienten beider Kategorien bedürfen (nun) sofortiger Hilfe. Auch hier trifft der Arzt mit der Behandlung der T2-Patienten dann eine gerechtfertigte Entscheidung, wobei dasselbe gelten würde, wenn er sich den T4ern zuwendet. Etwas anderes gilt selbstverständlich dann, wenn die T2-Patienten auch noch bis zur Beendigung einer hypothetischen Behandlung der T4-Pa­ tienten warten können. Hier wäre die Behandlung (nicht völlig aussichtsloser) T4-Patienten höherrangige Pflicht. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass die Triage kein einmaliger Prozess ist, sondern, gerade im Hinblick auf solche Konstellationen, kontinuierlich neu eingestuft werden muss. Sind alle T1-Patienten behandelt, können durchaus bisher als T4 eingestufte Patienten in diese Kategorie nachrücken. Hier kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere auch auf die Änderung der Kapazitäten, eine mögliche Evakuierung, die Ankunft weiterer Verwundeter etc. Wenn damit festgestellt wurde, dass die Pflichten des Arztes in den problematischen Konstellationen tatsächlich gleichrangig sind, folgt daraus nicht etwa, dass die Einstufung in Triage-Kategorien jeden Sinn verliert. Die ihr innewohnenden utilitaristischen Erwägungen mit dem Ziel des größten Wohls der größten Anzahl aufgrund der gewählten Handlung sind in der Praxis age in der Pandemie, S. 291 (304): „Vorausgesetzt, dass der Patient überhaupt eine realistische Rettungschance hat, ändert der Grad seiner Überlebenswahrscheinlichkeit nichts an der Dringlichkeit seiner Behandlung.“ 39  Vgl. nur Roxin/Greco, AT I5, S.  890 f.; Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 132; ferner Gerson, in: Esser/Tsambikakis, Pandemiestrafrecht, S. 55; a.  A. aber insb. Mitsch, in: FS Werber, S. 49 (64 f.); ders., in: Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, Strafrecht AT12, S. 619 f.; vgl. auch die Nw. in Fn. 20, S. 298. 40  I.  E. wie hier Scholten, Triage, S. 212 ff.; vgl. auch allgemeiner Engländer/ Zimmermann, NJW 2020, 1398 (1400, 1402); Engländer, in: Hörnle/Huster/Poscher, Triage in der Pandemie, S. 111 (136); ferner Küper, Grund- und Grenzfragen, S. 25; a. A. Brech, Triage und Recht, S. 351, 389, der stets diejenige Pflicht für höherrangig hält, bei deren Erfüllung insgesamt die größte Zahl an Menschenleben gerettet werden kann, unter Bezugnahme auf Mitsch, in: FS Werber, S. 49 (64 f.); vgl. auch die weiteren Nw. oben in Fn. 23, S. 299 zu einer solchen „Maximierungsformel“ in der Triage-Diskussion zur COVID-19-Pandemie.

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F. Exkurs: Triage

trotzdem maßgeblich: De facto ist kaum denkbar, dass der Arzt sich auf Kosten vieler T1-Patienten mit ungewissem Erfolg auf eine komplizierte, ressourcenintensive Versorgung eines T4-Patienten einlässt.41 Die Triage nach den dargestellten Kategorien bietet hier dem Arzt ein sachgerechtes (aber eben „außerrechtliches“!) Werkzeug, um einer chaotischen Lage Herr zu werden, wo das Strafrecht ihm keine Vorgaben machen kann und einen Entscheidungsspielraum vorsieht.42 Dass er dabei subjektiv natürlich eine entsprechende interne quantitative Abwägung verschiedener Menschenleben gegeneinander (anhand zuvor ermittelter Triage-Kategorie) vornimmt, ist irrelevant und unschädlich43 – sowieso kommt es bei der recht­ fertigenden Pflichtenkollision bei Handeln in Kenntnis der rechtfertigenden Lage nicht auf die Motive des Täters an.44 Ist bei mehreren Patienten aufgrund gleichrangiger Behandlungsbedürftigkeit und entsprechend gleichrangiger Behandlungspflicht des Arztes jede Entscheidung rechtmäßig, sind die Hintergründe der konkret getroffenen Wahl nicht weiter bedeutsam.45 Es handelt sich bei der internen Abwägung durch den Arzt dann eben nicht um einen rechtlich maßgeblichen Punkt, da ihn das (Straf-)Recht gerade nicht verpflichtet, seine Entscheidung anhand utilitaristischer Maßstäbe zu treffen, sondern ihm – angesichts gleichrangiger Pflichten – gerade die Wahl lässt. Der Arzt trifft rechtlich in jedem Fall eine verantwortbare Entscheidung, indem er von zwei nur alternativ zu erfüllenden gleichrangigen Pflichten die eine oder die andere wählt. Damit handelt er in allen zuvor angeführten Konstellationen gerechtfertigt im Hinblick auf die „vernachlässigten“ Patienten, unabhängig von deren Zahl.46

41  Vgl. ähnlich wie hier Jäger/Gründel, ZIS 2020, 151 (153): „Allerdings sind diese Überlegungen theoretischer Natur, weil sich der Arzt in der kritischen Situation selbstverständlich dafür entscheiden wird, eine möglichst große Zahl der Patienten zu retten.“ 42  Im Grundsatz wie hier (in Bezug auf fachgesellschaftliche Empfehlungen) Engländer/Zimmermann, NJW 2020, 1398 (1400): „Empfehlungen [bleiben] rechtlich unverbindlich“; vgl. auch ebd. (1402) sowie Engländer, in: Hörnle/Huster/Poscher, Triage in der Pandemie, S. 111 (136). 43  Ähnlich wie hier Neumann, in: NK-StGB5, § 34 Rn. 132a; Engländer/Zimmermann, NJW 2020, 1398 (1400). 44  Sternberg-Lieben, in: S/S-StGB30, Vor §§ 32 ff. Rn. 77; Satzger, Jura 2010, 753 (757); Jansen, ZIS 2021, 155 (158); Jäger/Gründel, ZIS 2020, 151 (161); Sternberg-Lieben, MedR 2020, 627 (634); Rönnau, in: LK-StGB12, Vor 32 Rn. 127 m. w. N. 45  Ähnlich wie hier Busch, ZStW 2020, 742 (770 f.): „Auswahlmotive […] liegen gewissermaßen außerhalb des Sichtfeldes der Rechtsordnung“; vgl. ferner auch Hoven/Hahn, JA 2020, 481 (482). 46  Vgl. auch Sternberg-Lieben, MedR 2020, 627 (633): „Der Wert menschlichen Lebens steigt im Kollisionsfall eben nicht mit der Zahl“.



III. Sonderfälle305

Die Gefahr ethisch zu missbilligender Motive (etwa: Rassismus) bei der konkreten Auswahlentscheidung ist real, aber de lege lata hinzunehmen.47 Sie besteht bei jeder Kollision gleichwertiger Pflichten. Eine strafrechtliche Gewissenskontrolle im Hinblick auf die Willkürfreiheit hat zu unterbleiben, eine solche wäre letztlich reines Gesinnungsstrafrecht.48 Maßgeblich ist ausschließlich das Ergebnis: Wer bei zwei gleichrangigen Pflichten, die nur alternativ erfüllt werden können, eine erfüllt, handelt selbst dann gerechtfertigt, wenn seine Auswahl auf einer auch noch so verwerflichen Gesinnung beruht.49

III. Sonderfälle Erwähnt sei noch, dass sich bei der Triage in einer Schlachtfeldumgebung weitere Szenarien abspielen können, die der zuvor dargestellten Lösung nicht zugänglich sind: Denn es sind z. B. Fälle denkbar, in denen die Behandlung eines Leichtverwundeten vorgezogen wird, um diesen möglichst schnell wieder kampffähig zu machen, was bei einem, an sich vorrangig zu behandelnden, Schwerverwundeten keinesfalls mehr möglich wäre. Eine solche, gewissermaßen „umgekehrte“ Triage und Behandlung mit dem Ziel der Maximierung der Anzahl der Kampffähigen war in vorherigen Jahrhunderten üblich50 und soll auch im Ersten Weltkrieg zumindest teil47  Insofern wird z.  T. für einen neuen Straftatbestand plädiert, vgl. Engländer/ Zimmermann, NJW 2020, 1398, 1402; Merkel/Augsberg, JZ 2020, 704 (714); Augsberg, in: Hörnle/Huster/Poscher, Triage in der Pandemie, S. 3 (22 f.). 48  Umfassend dazu Scholten, Triage, S. 216  ff., 222; Brech, Triage und Recht, S.  356 ff. m. w. N.; vgl. auch Engländer, in: Hörnle/Huster/Poscher, Triage in der Pandemie, S. 111 (136 ff.); Küper, Grund- und Grenzfragen, S. 28; Satzger, Jura 2010, 753 (757); Roxin/Greco, AT I5, S. 889; Rönnau, in: LK-StGB12, Vor 32 Rn. 127; Busch, ZStW 2020, 742 (770 f.); Jäger/Gründel, ZIS 151 (161); Soweda, NStZ 2020, 452 (455); Sternberg-Lieben, MedR 2020, 627 (634). 49  Wie hier in Bezug auf die Triage insb. Engländer, in: Hörnle/Huster/Poscher, Triage in der Pandemie, S. 111 (137 ff.); Scholten, Triage, S. 230; Busch, ZStW 2020, 742 (770 f.); Hoven/Hahn, JA 2020, 481 (482); Jäger/Gründel, ZIS 151 (161); Sternberg-Lieben, MedR 2020, 627 (633); Fateh-Moghadam/Gutmann, in: Hörnle/Huster/ Poscher, Triage in der Pandemie, S. 291 (327 f. Fn. 132); Jansen, ZIS 2021, 155 (158 f.); Rönnau/Wegner, JuS 2020, 403 (404); Palsherm, GesR 2020, 545 (547); ferner Waßmer, JA 2021, 298 (299); vgl. allgemein auch Rönnau, in: LK-StGB12, Vor § 32 Rn. 127; Satzger, Jura 2010, 753 (757); Küper, Grund- und Grenzfragen, S. 28; Roxin/Greco, AT I5, S. 888 f. Nach Lindner, MedR 2020, 723 (726 f.) soll hingegen eine rechtfertigende Pflichtenkollision bei einer willkürlichen oder diskriminierenden Auswahlentscheidung aufgrund der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte ausscheiden. 50  Mitchell, Disaster Medicine and Public Health Preparedness 2008, S4 (S4); vgl. ferner Dolev, Israel Journal of Medical Sciences 1996, 785 (785 f.).

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F. Exkurs: Triage

weise eingesetzt worden sein.51 Nach demselben Prinzip wurde z. T. noch im Zweiten Weltkrieg von Ärzten der Wehrmacht, insbesondere an der Ostfront, verfahren52 – mit dem Ergebnis einer, verglichen mit amerikanischen Truppen, höheren Rückkehrrate (leicht) verwundeter Soldaten an die Front, unter Inkaufnahme einer höheren Sterblichkeitsrate schwerer Verwundeter.53 Bei den Alliierten sind Fälle bekannt, in denen knappe Penicillin-Vorräte vorrangig zur Behandlung von Soldaten mit Geschlechtskrankheiten (!) anstatt zur Versorgung Verwundeter eingesetzt wurden, da erstere schnell einsatzfähig zu machen waren.54 Noch zur Zeit des Kalten Krieges wurde in der Zentralen Dienstvorschrift 49/50 der Bundeswehr (in Kraft bis 1983) die „Behandlung möglichst vieler Verwundeter mit guter Überlebenschance und zu erwartender Dienstfähigkeit“ zum Ziel erklärt.55 Denkbar wären auch hypothetische Fälle, in denen ein Verwundeter aufgrund seiner militärisch unersetzlichen Position bzw. seiner besonderen Fähigkeiten bevorzugt behandelt wird. Eine ähnliche Problemstellung kann dort bestehen, wo eigene Kräfte vor den verwundeten feindlichen Soldaten behandelt würden. Alle diese Fallvarianten weisen rechtliche Probleme auf, die hier nicht im Detail behandelt werden können. Gemein ist ihnen aber, dass schon der Konflikt mit den Vorgaben des humanitären Völkerrechts56 und mit der Men51  Lee, American Medical Association Journal of Ethics 2010, 466 (467); vgl. auch Iserson/Moskop, Annals of Emergency Medicine 2007, 275 (277) jeweils m. w. N.; Ladehof, in: Neitzel/Ladehof, Taktische Medizin2, S. 222 (231); Eckart, ZFME 2020, 431 (436). 52  Ausf. Eckart, ZFME 2020, 431 (437  f.), auch darüberhinausgehend: „Erstes Ziel der Behandlung von Verwundeten im Zweiten Weltkrieg unter den Bedingungen des totalen Krieges war die Wiederherstellung für die Front.“ 53  Beam, in: Beam/Sparacino, Military Medical Ethics Vol. 2, S. 369 (383); Iserson/Moskop, Annals of Emergency Medicine 2007, 275 (277); Dolev, Israel Journal of Medical Sciences 1996, 785 (787); vgl. auch Bellamy, Military Medicine 1985, 405 (407). 54  Beecher, Research and the Individual, S. 209 f.; vgl. ferner Beam, in: Beam/ Sparacino, Military Medical Ethics Vol. 2, S. 369 (383); Adams, in: Allhoff, Physicians at War, S. 215 (221 ff.); ausführlich M. Gross, Bioethics and Armed Conflict, S.  138 ff. jeweils m. w. N. 55  Zentrale Dienstvorschrift der Bundeswehr 49/50 von 1961 „Dringliche Kriegschirurgie“, zitiert nach Eckart, ZFME 2020, 431 (439); vgl. dazu auch Ellebrecht, Sociologia Internationalis 2009, 229 (243) m. w. N. 56  Auch das humanitäre Völkerrecht erlaubt nur eine Unterscheidung anhand medizinischer Kriterien, vgl. insb. Art. 12 GK I/II, Art. 10 ZP I, Art. 7 ZP II sowie dazu ICRC, Commentary on the First Geneva Convention2, Rn. 1425; ferner Kleffner, in: Fleck, The Handbook of International Humanitarian Law3, S. 327; Rogers, Law on the battlefield3, S. 78 f.; insb. auch M. Gross, Bioethics and Armed Conflict, S.  138 ff.



III. Sonderfälle307

schenwürdegarantie der Verfassung evident ist, was auch auf die strafrechtliche Bewertung solcher Priorisierungsentscheidungen des verantwortlichen (Militär-)Arztes durchschlagen wird. In der Regel wird eine solche Entscheidung nach den o. g. dargestellten Grundsätzen unzulässig sein und erhebliche strafrechtliche Folgen haben. Indes kann dieses Ergebnis nicht ausnahmslos gelten. Eine einfache rechtliche Lösung verbietet sich jedenfalls in besonders gelagerten Ausnahmefällen. Einige Beispiele für solche Grenzfälle seien angeführt: –– ­(A.) Dr. A. behandelt seinen nur leicht verwundeten Kollegen Dr. B. vorrangig, sodass dieser alsbald selbst wieder Verwundete behandeln kann. Aufgrund der verzögerten Behandlung verstirbt der Verwundete V; indes können fünf andere aufgrund der nun verdoppelten Behandlungskapazität (von Dr. A. und Dr. B. gemeinsam) gerettet werden.57 –– ­ (B.) Die Fregatte F. wurde im Gefecht schwer beschädigt; das Schiff brennt, hat mehrerer Lecke und droht zu sinken. Der Schiffsarzt Dr. A. behandelt die Leichtverwundeten vorrangig, sodass diese zur Brandbekämpfung und Leckabwehr eingesetzt werden können, um das Schiff (und damit die gesamte Besatzung) zu retten. –– (C.) Dr. A. behandelt die Leichtverwundeten vor den Schwerverwundeten, um diesen die weitere Teilnahme am Kampf um das Dorf D. zu ermöglichen. Diese Priorisierung erfolgt vor dem Hintergrund, dass die feindlichen Truppen zahlenmäßig weit überlegen sind und anzunehmen ist, dass sie im Fall ihres Obsiegens die ihnen verhasste Zivilbevölkerung von D brutal ermorden würden. –– (D.) Dr. A. behandelt den Oberst O. vorrangig, damit dieser weiterhin seine Leitungsaufgaben wahrnehmen kann. –– (E.) Dr. A. behandelt im Verteidigungskrieg auf deutschem Boden die Leichtverwundeten vor den Schwerverwundeten, um diesen die weitere Teilnahme am Kampf zu ermöglichen. Eine Niederlage im betroffenen Frontabschnitt hätte mit einer Gewissheit die Eroberung Deutschlands zur Folge.

57  Vergleichbare Fallkonstellationen werden auch als „Rettung der Retter“ beschrieben, vgl. etwa Brech, Triage und Recht, S 291 m. w. N.; so auch Busch, ZStW 2020, 742 (753) die insoweit eine priorisierte Behandlung fordert, ebd., 742 (769, 779), m. w. N. zum Meinungsstand; ähnlich Taupitz, MedR 2020, 440 (449); dagegen insb. Sternberg-Lieben, MedR 2020, 627 (633); Engländer/Zimmermann, NJW 2020, 1398 (1401); Jäger/Gründel, ZIS 2020, 151 (162).

308

F. Exkurs: Triage

Diese Fälle sind nur Beispiele und wirken, dass sei zuzugeben, z. T. recht konstruiert.58 Völlig abwegig sind sie leider nicht: Zumindest im hypothetischen Kriegsfall können sich ähnliche Fragen stellen. Gerade hier lassen sich nahezu beliebig viele Fälle konstruieren. Einfache Lösungen bieten sich nicht an: An eine rechtfertigende Pflichtenkollision oder den rechtfertigenden Notstand wäre aufgrund verschiedenrangiger Handlungspflichten und der letztlich erfolgenden Abwägung verschiedener Menschenleben gegeneinander kaum zu denken. Dient die Priorisierung letztlich der Rettung einer größeren Anzahl an Leben (Fälle A., B., C.), wird in bestimmten, tragischen Einzelfällen, ähnlich wie beim viel diskutierten „Luftsicherheitsfall“,59 ggf. eine Lösung über den übergesetzlichen Notstand zu sachgerechten Ergebnissen führen können. In anderen Fällen, in denen die „umgekehrte Triage“ nur militärischen Interessen (Erhaltung der Kampffähigkeit der Truppe, Erreichung militärischer Ziele) dient (Fall D.), wird, vor dem Hintergrund der zuvor dargestellten Grundsätze und der Bestimmungen des humanitären Völkerrechts (insb. dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Art. 12 GK I/II60, Art. 10 ZP  I, Art. 7 ZP II61) zumindest grundsätzlich von einer unzulässigen62 – und i. E. auch strafbaren – Priorisierung auszugehen sein. Ob eine Strafbarkeit aber auch dann zwingend gegeben wäre, wenn überragende Gemeinschaftsinteressen, etwa der Bestand des Staates in Gefahr sind (Fall E.), wäre näher zu prüfen. Eine tiefergehende Untersuchung würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen und muss hier unterbleiben. Genügen muss, dass auf die Probleme im Zusammenhang mit der Triage hingewiesen wurde. 58  Ähnliche Probleme wie hier dürften sich auch im Zusammenhang mit einer „ex-post“-Triage stellen, bei der der Arzt in eine bereits begonnene Behandlung eines Patienten eingreift, um (stattdessen) einen anderen zu behandeln. Richtigerweise dürfte hier von einer rechtswidrigen und allenfalls im Ausnahmefall (übergesetzlich) entschuldigten Tat auszugehen sein, vgl. Engländer/Zimmermann, NJW 2020, 1398 (1401 f.); Busch, ZStW 2020, 742 (775 ff.); ausf. Lindner, medstra 2020, 199 (199 ff.); R. Merkel, ZRP 2020, 162 (165): Merkel/Augsberg, JZ 2020, 704 (711 ff.); Rönnau/ Wegner, JuS 2020, 403 (405 f.); Soweda, NStZ 2020, 452 (456 ff.); Sternberg-Lieben, MedR 2020, 627 (635 ff.); Waßmer, JA 2021, 298 (302 f.); Deutscher Ethikrat, Ad‑hoc‑Empfehlung Corona, S. 3; a.  A. aber Gaede/Kubiciel/Saliger/Tsambikakis, medstra 2020, 129 (134 f.); Jäger/Gründel, ZIS 2020, 151 (154 ff.); Hörnle, in: Hörnle/Huster/Poscher, Triage in der Pandemie, S. 149 (185); Hoven, JZ 2020, 449, 453 f.; Hoven/Hahn, JA 2020, 481, 483 f.; Taupitz, MedR 2020, 440 (446 f.). 59  Vgl. dazu auch oben, C. I. 3. 60  Art. 12 GK I/II: „Only urgent medical reasons will authorize priority in the order of treatment to be administered.“ 61  Art. 10 ZP I, Art. 7 ZP II: „There shall be no distinction among them founded on any grounds other than medical ones.“ 62  ICRC, Commentary on the First Geneva Convention2, Rn. 1425.

G. Ergebnisse I. Zusammenfassung 1. Praktische Relevanz und Abgrenzung der „militärischen“ Sterbehilfe a) „Gnadentötungen“ Verwundeter in bewaffneten Konflikten erfolgen seit jeher. Verlässliche Aussagen über ihre Häufigkeit lassen sich nicht treffen, das Dunkelfeld ist kaum aufzudecken. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass nur ein sehr geringer Prozentsatz der Taten überhaupt bekannt wird. Immer wiederkehrende Berichte aus diversen Konflikten zeugen aber davon, dass solche Fälle zumindest nicht völlig außergewöhnlich sind. Gerade in massiven Konflikten mit schlechter Versorgungslage (etwa in den beiden Weltkriegen) häufen sich entsprechende Berichte. Vergleichbare Vorkommnisse gibt es aber auch in modernen, asymmetrischen Konflikten. b) Im Hinblick auf deutsche Soldaten existieren diverse Berichte aus dem Zweiten Weltkrieg. Aus neuerer Zeit sind bei Einsätzen der Bundeswehr bisher keine vergleichbaren Fälle bekannt. Etwas anders gilt bei verschiedenen NATO-Bündnispartnern in aktuellen Konfliktgebieten, in denen z. T. auch deutsche Soldaten eingesetzt waren und sind. Die Möglichkeit, dass einer der hier dargestellten Fälle auch für Bundeswehrsoldaten Realität wird und die deutschen Strafgerichte beschäftigt, kann vor diesem Hintergrund weder aktuell noch für die Zukunft ausgeschlossen werden. c) Bei oberflächlicher Betrachtung scheint sich der „Gnadenschuss“ nicht wesentlich von den üblicherweise diskutierten Fällen der (ärztlichen) Sterbehilfe zu unterscheiden. Tatsächlich aber liegen der ärztlichen und der „militärischen“ Sterbehilfe zwei völlig unterschiedliche Situationen zu Grunde, die nur sehr eingeschränkt miteinander verglichen werden können. Der Soldat, der sich im Einsatz mit einer der geschilderten Situationen konfrontiert sieht, erfährt eine andere und weitaus höhere unmittelbare Belastung als der Arzt im Krankenhaus, seine Handlungsoptionen sind wesentlich stärker eingeschränkt. Im Hinblick auf die Versorgungslage und die äußeren Umstände im Konflikt sind „ausweglose Situationen“ hier unschwer denkbar.

310

G. Ergebnisse

2. Anwendbare Normen und humanitäres Völkerrecht a) Das humanitäre Völkerrecht verbietet die Tötung Verwundeter, die nicht (mehr) aktiv am Konflikt teilnehmen. Dies gilt unter allen Umständen, d. h. sowohl im internationalen als auch im nicht-internationalen bewaffneten Konflikt. Dabei erstreckt sich der Schutz des humanitären Völkerrechts insoweit entgegen traditioneller Auffassung nicht nur auf den Gegner und auf die Zivilbevölkerung, sondern z. T. auch auf Soldaten der eigenen Partei: Die Tötung verwundeter Kameraden verstößt gegen den Grundsatz der unterschiedslosen Schonung Verwundeter und kann als Kriegsverbrechen durch nationale oder internationale Gerichte geahndet werden. b) Das VStGB stellt eine modifizierte nationale Kodifikation des IStGH‑Statuts dar und ermöglicht eine effektive Verfolgung von Völkerstraftaten durch deutsches Strafrecht. Es trifft aber keine abschließende Regelung für sämtliche Straftaten im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten. Grundsätzlich bleibt das StGB anwendbar, wenngleich dessen Tatbestände im Regelfall auf Konkurrenzebene durch die spezielleren Regelungen des VStGB verdrängt werden. c) Im Hinblick auf die Tötung auf Verlangen trifft das VStGB keine dem StGB vergleichbare Regelung. Da für diesen speziellen Fall der besondere Schutzzweck des Völkerstrafrechts („Konfliktbegrenzung“) keine maßgebliche Rolle spielen kann, der Begehungszusammenhang im Konflikt also völlig in den Hintergrund tritt und vielmehr der geäußerte Todeswunsch des Opfers das prägende Element der Tat ist, muss § 216 StGB nach hier vertretener Ansicht auf alle Fälle eines ernstlichen und ausdrücklichen Tötungsverlangens angewendet werden. Dies gilt dann auch für Taten im bewaffneten Konflikt, bei denen ein Verwundeter auf sein Verlangen hin getötet wird. § 216 StGB entfaltet dann eine Sperrwirkung für § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB, im selben Maße, wie dies „StGB-intern“ gegenüber den §§ 211 ff. StGB gilt. d) Erfolgt die Tötung hingegen ohne ernstliches und ausdrückliches Verlangen i. S. d. § 216 StGB, ist § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB lex specialis für die Tötung einer nach humanitären Völkerrecht zu schützenden Person, unabhängig von deren Zugehörigkeit zu einer bestimmten Konfliktpartei. 3. „Gnadenschuss“ – Tötung auf Verlangen? a) Tötet ein Soldat einen Verwundeten auf dessen Verlangen, erfüllt er grundsätzlich den Tatbestand des § 216 StGB. Die Einwilligung des Opfers allein vermag die Tat nicht zu rechtfertigen („Einwilligungssperre“),



I. Zusammenfassung311

mindert aber (bei ernstlichem und ausdrücklichem Verlangen) das Unrecht erheblich, sodass der Täter nur vergleichsweise milde bestraft wird. Der Zweck des § 216 StGB ist mehrschichtig – es wird vor allem das gesellschaftliche Interesse am grundsätzlichen Verbot der Tötung anderer Menschen („Tötungstabu“) geschützt; ferner ist auch, jedenfalls als „Reflex“ dieses Tötungsverbots, von einem individualbezogenen Schutz vor übereilten Entscheidungen auszugehen. b) In Extremfällen wie dem „Gnadenschuss“ erscheint aber selbst eine milde Strafe unter Wertungsgesichtspunkten kaum erträglich. Jede Bestrafung wäre letztlich inhuman und ethisch schwer vertretbar: Sich rechtmäßig zu verhalten hieße im Ergebnis, dem Verwundeten einen qual­vollen Tod aufzwingen.1 Im Hinblick auf die rechtliche Behandlung des verlangten „Gnadenschusses“ können die z. T. vertretenen Lösungsansätze auf der Tatbestandsebene, mittels einer Einwilligung, mittels (übergesetzlicher) Entschuldigung oder auf Rechtsfolgenseite letztlich nicht überzeugen. c) Eine Neuregelung de lege ferenda wäre zwar nicht grundsätzlich abzulehnen, sieht sich aber der kaum lösbaren Problematik ausgesetzt, dass eine trennscharfe Normierung aller denkbaren Extremfälle kaum gelingen kann. Tatsächlich ist eine Neuregelung auch nicht erforderlich: Ex­ tremsituationen im Bereich der (außerklinischen, militärischen) direkten aktiven Sterbehilfe lassen sich sachgerecht über § 34 StGB erfassen: d) Die wesentlichen gegen eine solche Lösung vorgebrachten Argumente verfangen nicht. Ein „absolutes Tötungsverbot“ besteht keinesfalls uneingeschränkt, ferner ist auch das Leben kein unter allen Umständen „abwägungsresistenter“ Höchstwert. Die Menschenwürde wird durch Tötungen nicht notwendig verletzt. Das vielfach vorgetragene „Dammbruchargument“ kann, trotz vordergründiger Plausibilität, jedenfalls für die hier diskutierten Fälle nicht überzeugen. Die Geltung des grundsätzlich bestehenden Fremdtötungsverbots in der Gesellschaft wird durch den „Gnadenschuss“ in ausweglosen, militärischen Situationen, die so kaum im zivilen Leben relevant werden können, nicht realistisch in Frage gestellt. Für den militärischen Bereich gilt im Hinblick auf die allgemeine Akzeptanz des Gebots der Schonung Verwundeter nichts anderes, wenn die Tat gerade der Verwirklichung des Willens eines schwer verwundeten Kameraden dient und sogar ausdrücklich von diesem verlangt wird. e) Für die Interessenabwägung des § 34 StGB ist auf Seiten des zu schützenden „Erhaltungsguts“ das Interesse des Verwundeten am Ende seiner Schmerzen maßgeblich. Es konnte gezeigt werden, dass es sich bei diesem „Leidbeendigungsinteresse“ sehr wohl um ein rechtlich geschütztes 1  Vgl.

Schneider, in: MüKo-StGB3, § 216 Rn. 61.

312

G. Ergebnisse

Interesse im Sinne des § 34 StGB handelt. Demgegenüber stehen auf Seiten des „Eingriffsguts“ zunächst das Lebensinteresse des Betroffenen selbst und ferner die gesellschaftlichen Interessen am grundsätzlichen Tötungstabu sowie an der Geltung der Regeln des humanitären Völkerrechts. Nur in einem objektiv gegebenen Extremfall kommt eine Rechtfertigung des „Gnadenschusses“ aber überhaupt in Betracht. Insbesondere muss es sich bei der Tötung um das einzige verbleibende Mittel handeln, mit dem eine Schmerzbekämpfung noch möglich ist. Der Verwundete muss, unter den gegebenen Umständen, „unrettbar“ verloren sein und unter schlimmsten Qualen seinem sicheren Tod entgegengehen. f) Unter diesen Voraussetzungen ist im konkreten Fall sowohl den individuellen Interessen als auch den gesellschaftlichen Interessen auf der „Eingriffseite“ letztlich der numerische Abwägungswert „Null“ zuzuordnen: Dass der Verwundete selbst unter den gegebenen Umständen kein Interesse an seinem Leben mehr hat, zeigt sein ausdrückliches und ernstliches Verlangen in der objektiv ausweglosen Extremsituation. Das gesellschaftliche Tötungsverbot tritt ebenfalls völlig in den Hintergrund, da eine allgemeine Normdestabilisierung auf Gesellschaftsebene durch den militärischen „Gnadenschuss“ nicht droht. Auch die Geltung der Regeln des humanitären Völkerrechts zum Schutz Verwundeter werden nicht unterminiert, schließlich richtet sich der „Gnadenschuss“ gerade nicht gegen den Verwundeten, sondern dient, als Akt der Gnade, der Verwirklichung seines Todeswunsches. Im Ergebnis kann den Interessen auf der „Eingriffsseite“ also auch in der Summe nur der Zahlenwert „Null“ zugeordnet werden. Für die Abwägung ergibt sich damit die Besonderheit, dass dort, wo ernstliches Verlangen und objektiv vorliegende Extremsituation zusammentreffen, das subjektive Interesse am Ende der Qualen das völlig reduzierte individuelle und gesellschaftliche Interesse am Weiterleben vollständig, und damit auch „wesentlich“ i. S. d. § 34 StGB, überwiegt. g) Festzuhalten ist, dass der verlangte „Gnadenschuss“ in einer aussichts­ losen Lage, in der nach menschlichem Ermessen keine Rettung des schwer leidenden Verwundeten mehr möglich ist, kein Unrecht darstellt. Nur durch die Tötung kann dessen Leid beendet werden, ansonsten wäre ihm ein Tod unter unmenschlichen Qualen gewiss. In solchen Fällen bietet der rechtfertigende Notstand, § 34 StGB, eine überzeugende, sachgerechte und im Ergebnis auch wohl die einzig tragbare Lösungsmöglichkeit. 4. „Gnadenschuss“ – Kriegsverbrechen? a) Erfolgt die Tötung eines Schwerverwundeten hingegen ohne ausdrück­ liches und ernstliches Verlangen, so begeht der Täter grundsätzlich das



I. Zusammenfassung313

Kriegsverbrechen der Tötung einer nach humanitärem Völkerrecht zu schützenden Person i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB. Ihm droht lebenslange Haft, eine Berücksichtigung der besonderen Situation des „Gnadenschusses“ auf Tatbestandsebene ist, angesichts der absoluten Strafandrohung des § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB, de lege lata nicht möglich. Allenfalls denkbar wäre eine Übertragung der sog. „Rechtsfolgenlösung“ des BGH zum Mord auf den Tötungstatbestand des § 8 VStGB. Eine Reform, etwa mit Einführung eines minder schweren Falls, wäre zu begrüßen. b) Unabhängig davon bietet sich auch für den nicht ausdrücklich verlangten „Gnadenschuss“, nicht anders als in Fall 1, eine Lösung über den rechtfertigenden Notstand an. Auch hier ist erforderlich, dass die Tötung dem Willen des Verwundeten entspricht. Anders als zuvor kann aber regelmäßig nur auf den mutmaßlichen Willen zurückgegriffen werden. In einer völlig aussichtlosen Situation („objektiver Extremfall“) ist, bei Fehlen entgegenstehender Indizien, die Schmerzbeendigung, auch um den Preis der Tötung, das einzige realistisch noch denkbare Interesse eines derart schwer Verwundeten. Im Extremfall können seine Interessen und damit sein Todeswunsch aufgrund der objektiven Lage de facto feststehen: Ein nie auszuschließendes Restrisiko eines Fehlschlusses ist dort denkbar klein und – angesichts des Leidenszustandes des Betroffenen – letztlich hinzunehmen. Auch in diesen Fällen steht dann in der Abwägung auf Seiten seines eigenen, subjektiven Lebensinteresses ein numerischer „Nullwert“. Nichts anderes ergibt sich auch im Hinblick auf überindivi­ duelle Interessen, die potentiell durch die Tat verletzt werden könnten: Ein „Gnadenschuss“ in einer völlig aussichtlosen Lage, der dem (mutmaßlichen) Willen des Opfers entspricht, wird realistischer Weise nicht zu einer „Eskalation“ eines Konflikts führen können, sondern ist gerade ein Zeichen konfliktparteiübergreifender Humanität, durch den die Geltung der Regeln des humanitären Völkerrechts in keiner Weise in Frage gestellt wird. Letztlich besteht damit auch auf überindividueller Ebene kein positiv bezifferbares Interesse am restlichen Leben und Leiden des Verwundeten. Im Ergebnis überwiegt damit, wie in Fall 1, sein Interesse am Ende seiner Qualen alle gegenläufigen Interessen vollständig. c) Im äußersten Fall kann sich dasselbe Ergebnis sogar dann ergeben, wenn nicht mehr eindeutig feststellbar ist, ob der Verwundete tatsächlich leidet, oder aber, etwa aufgrund schwerster Kopfverletzungen, zu solchen Empfindungen gar nicht mehr in der Lage wäre (oder sogar schon hirntot ist). Hier vermag in extremen Einzelfällen bereits die Gefahr des Empfindens schlimmster Qualen in der restlichen (geringen) Überlebenszeit als solche die subjektiv empfundene „Nullwertigkeit“ des eigenen Lebensinteresses unter diesen Umständen mit hinreichender Gewissheit zu begründen.

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G. Ergebnisse

5. Einzelprobleme im Umfeld des „Gnadenschusses“ a) Aus der Möglichkeit einer Rechtfertigung des „Gnadenschusses“ darf keine korrespondierende Tötungspflicht erwachsen. Im Hinblick auf § 323c StGB bietet bereits das Tatbestandsmerkmal der „Zumutbarkeit“ den erforderlichen Spielraum. Im Ergebnis kann aber auch beim unechten Unterlassungsdelikt nichts anderes gelten, aus Gründen der Gleichbehandlung echter und unechter Unterlassungsdelikte bietet sich eine Lösung auf der Tatbestandsebene an. Eine Pflicht zur aktiven, direkten Sterbehilfe kann es auch auf dem Schlachtfeld letztlich nicht geben. b) Fehlen einzelne Rechtfertigungselemente, sind verschiedene Konstellationen denkbar, in denen regelmäßig die allgemeinen Grundsätze gelten. Zunächst ist die Rechtfertigung richtigerweise nicht an billigenswerte subjektive Motive zu knüpfen. Fehlt dem Täter aber sogar die Kenntnis der gegebenen Notstandslage, so liegt das Unrecht eines Versuchs vor. Besteht hingegen schon objektiv keine (Extrem-)Situation, in der die Tötung als einzige Option gegenüber einem Nicht-Handeln erscheinen muss, so ist der „Gnadenschuss“, wenn der Täter dies erkennt, strafbare Tötung. Dasselbe gilt bei fehlendem (geäußerten oder mutmaßlichen) Sterbewillen des Opfers. Nimmt der Täter hingegen irrig eine Situation an, bei deren Vorliegen er nach der hier vertretenen Notstandslösung gerechtfertigt gewesen wäre, liegt ein Erlaubnistatbestandsirrtum vor, sodass i. E. die Vorsatzstrafbarkeit entfällt. c) Zu berücksichtigen ist, dass der „Gnadenschuss“ gerade im Kontext militärischer Operationen erfolgt – auf tatsächliche und rechtliche Besonderheiten im Zusammenhang mit der militärischen Befehlskette ist hinzuweisen. Ein Untergebener ist grundsätzlich verpflichtet, Befehle eines Vorgesetzten auszuführen. Unter den zuvor dargestellten Voraussetzungen wäre der „Gnadenschuss“ gerechtfertigt, ein entsprechender Befehl wäre also grundsätzlich zu befolgen. Dennoch spricht viel dafür, auch im militärischen Bereich letztlich keine Pflicht zur Tötung Verwundeter anzunehmen. Einen möglichen Ansatzpunkt bietet die Rechtsprechung, die die Verweigerung eines Befehls erlaubt, wenn dieser völlig unzumutbar ist. d) Führt der Soldat einen solchen Befehl aber aus, so ist die Tat, bei Vorliegen der o. g. Voraussetzungen, gemäß § 34 StGB gerechtfertigt. Ist dies nicht der Fall, so ist der Untergebene grundsätzlich selbst strafrechtlich verantwortlich für ihm befohlene Straftaten, wenn er erkennt oder es offensichtlich war, dass durch den Befehl eine Straftat begangen würde, vgl. § 11 Abs. 2 S. 2 SG, § 5 Abs. 1 WStG. Andernfalls handelt er entschuldigt. Eine vergleichbare Regelung im VStGB trifft § 3 VStGB.



I. Zusammenfassung315

e) Für den Vorgesetzten entfällt beim nach obigen Grundsätzen gerechtfertigten „Gnadenschuss“ mangels rechtswidriger Haupttat jede Strafbarkeit, wenn er einen Befehl dazu erteilt. Greift die Rechtfertigung nach § 34 StGB nicht, liegt der Sache nach eine Anstiftung vor, wobei § 33 WStG eine wehrrechtliche Sonderbestimmung für militärische Vorgesetzte enthält. Auch kommt eine Strafbarkeit gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 VStGB in Betracht, wenn der Befehlshaber einen Untergebenen nicht an der Ausführung eines rechtswidrigen „Gnadenschusses“ hindert; ferner gemäß § 14 VStGB bei Verletzung seiner Aufsichtspflicht. 6. Sonderkonstellationen a) Neben den zuvor genannten Konstellationen sind noch andere denkbar, in denen der wegen Notstands gerechtfertigte „Gnadenschuss“ im Einzelfall in Betracht käme: Anzudenken wäre eine solche Lösung etwa in bestimmten Fällen sicherer Gefangennahme und zukünftiger, letztlich tödlicher Folter. Freilich ist es kaum möglich, alle denkbaren Fallkonstellationen abstrakt zu behandeln. Abermals wird es also auf die Umstände des Einzelfalles ankommen müssen. Wo aber jede Rettung unmöglich ist, wird eine Rechtfertigung des „Gnadenschusses“ auch abseits der „üblichen Fälle“ zumindest nicht auszuschließen sein. b) Angemerkt sei an dieser Stelle abermals, dass sich die gefundene Lösung grundsätzlich nur auf Extremfälle im militärischen Kontext bezieht. Vergleichbare Situationen im „zivilen“ Leben, bei denen ggf. an eine Übertragung der hier gefundenen Lösung zu denken wäre, sind zwar nicht völlig ausgeschlossen,2 zumindest aber sehr außergewöhnlich.3 Nur in seltensten Fällen wird eine Rechtfertigung außerhalb der hier diskutierten militärischen Extremsituationen erfolgen können. In der Regel sind die situativen Umstände eine „zivilen“ Tat nicht vergleichbar, schließlich bestehen dort regelmäßig andere Handlungsoptionen, insbesondere wäre meist ein Hinzuziehen der Rettungsdienste möglich. Explizit keine Aussage soll in dieser Arbeit über etwaige Extremfälle der zivilen, ärztlichen Sterbehilfe getroffen werden. Denn dort weichen sowohl die zugrundeliegende Situation, als auch die medizinischen Möglichkeiten der Schmerzbekämpfung stark von denen des „Gnadenschuss“-Falles ab. Ferner wären 2  Vgl.

insb. den „LKW-Fall“, oben E. IV. 2. a). im militärischen Kontext so nicht gelten kann: Zwar sind solche Fälle in absoluten Zahlen selten (oder werden jedenfalls selten bekannt) und es darf für den einzelnen Soldaten als unwahrscheinlich gelten, dass er mit einer solchen Situation konfrontiert wird. Indes zeigt die Aufstellung bekannter Fälle in A. III. und im Anhang, dass es sich durchaus um ein zeitübergreifendes und wiederkehrendes „Phänomen“ in bewaffneten Konflikten handelt. 3  Was

316

G. Ergebnisse

hier ggf. („Dammbruch-“)Erwägungen zu berücksichtigen, die im militärischen Fall (so) nicht von tragender Bedeutung sind. 7. Exkurs: Triage a) Eine ähnlich dramatische Situation wie beim „Gnadenschuss“ kann bei Priorisierungsentscheidungen im Rahmen der (militärischen) Triage auftreten. Grundsätzlich rechtfertigt sich die Reihenfolge der Behandlung nach den Grundsätzen der rechtfertigenden Pflichtenkollision. Insoweit ist die (dringlichere) Behandlung schwererer Verletzungen vor leichteren die höherrangige Pflicht; bei gleicher Behandlungsdringlichkeit liegen gleichrangige Pflichten vor. b) Probleme bereitet dabei aber die Nichtbehandlung von Patienten in der Kategorie der „Hoffnungslosen“ und ihre Zurückstellung zugunsten schwer verletzter, aber mit vertretbarem Aufwand zu rettender Verwundeter. Denn Betroffene beider Kategorien bedürften eigentlich, jedenfalls sofern noch irgendeine Rettungschance bestünde, einer sofortigen Behandlung. Das Ziel des Überlebens der größten Anzahl kann wegen der damit unvermeidbar einhergehenden quantitativen Abwägung verschiedener Leben gegeneinander keine rechtfertigende Wirkung entfalten. c) Tatsächlich kann das Strafrecht im Hinblick auf die Schwerstverletzten einerseits und die „Hoffnungslosen“ andererseits keine verpflichtende Behandlungsreihenfolge vorgeben: Bei gleich dringlicher Erforderlichkeit der Behandlung steht es dem Arzt frei zu wählen, welchen Patienten er behandelt. In jedem Fall handelt er dann gerechtfertigt. Dass seine Entscheidung in der Praxis aber durch die Einstufung in die Triagekategorie vor dem Hintergrund der größtmöglichen Anzahl Geretteter vorgegeben wird, ist unschädlich, solange keine entsprechende rechtliche Pflicht konstruiert wird. d) Eine nicht an der Behandlungsdringlichkeit ausgerichtete Behandlungsreihenfolge wird allenfalls in seltenen Sonderfällen (übergesetzlich) zu entschuldigen sein, eine Rechtfertigung kommt dort nicht in Betracht.

II. Fazit Was bleibt? Zum einen die unbestreitbare Erkenntnis, dass Fälle, wie sie hier unter dem Schlagwort des „Gnadenschusses“ beschrieben werden, real sind. Dies gilt nicht nur historisch, sondern auch für die Gegenwart und – so viel ist wohl sicher – auch für die Kriege und Krisengebiete der Zukunft.



II. Fazit317

Zum anderen die wenig überraschende Erkenntnis, dass in extremen Situationen einfache Lösungen – und erst recht unreflektierte Forderungen nach ausnahmsloser Strafbarkeit – nicht überzeugen können. Nach hier vertretener Ansicht wäre eine Rechtfertigung in ausweglosen Fällen möglich und auch sachgerecht. Diese Notstandslösung bietet nicht die einzige – wohl aber tragfähigste Möglichkeit der rechtlichen Behandlung eines „Gnadenschusses“. Die dritte, und wohl unbequemste, Erkenntnis ist die der Unmöglichkeit einer abschließenden Untersuchung. Hier gilt es noch, einem Kritikpunkt präventiv zu begegnen: Richtig ist, dass in der vorstehenden Untersuchung häufig auf die besonderen objektiven Umstände einer „Extremsituation“ verwiesen wird. Es ist versucht worden, insoweit zumindest eine grobe Umschreibung vorzunehmen. Schwerste Verwundungen, eine sicher tödliche Prognose angesichts der allgemeinen Versorgungs- und Gefährdungslage und selbstverständlich schlimmste Qualen des Betroffenen sind im Regelfall erforderlich, um eine Rechtfertigung des „Gnadenschusses“ überhaupt nur denkbar erscheinen zu lassen. Dass eine abschließende Umschreibung all dieser Faktoren – abseits der angeführten historischen Fälle – nicht umfassend erfolgt, ist weniger Nachlässigkeit als Notwendigkeit: Denn dass es sich bei den „Gnadenschuss“-Fällen letztlich um seltene Konstellationen handelt, die schon bei geringfügig geänderten Faktoren kaum noch einer übergreifenden Betrachtung zugänglich sind, ist evident. Weder können hier sämtliche denkbaren Fälle aufgeführt – und erst recht nicht schematisch gelöst – werden, noch wird eine vollständige Aufzählung aller zu berücksichtigenden Faktoren in den verschiedenen denkbaren Situationen gelingen. Die bekannt gewordenen Fälle werden als Beispiele dienen können, sie werden ggf. Richtwerte liefern – tatsächlich aber bleibt, das ist unvermeidlich, im Ernstfall die Beurteilung der Situation denjenigen aufgebürdet, die eine konkrete Entscheidung treffen müssen: Zunächst den Soldaten und Offizieren vor Ort; in einem nächsten Schritt dann denjenigen, die ein gerechtes Urteil über die getroffene Entscheidung zu finden haben. Keiner dieser Personengruppen kann und soll diese Arbeit eine definitive Anleitung bieten. Wohl aber bleibt die Erkenntnis, dass das Strafrecht mit dem rechtfertigenden Notstand ein geeignetes Instrument bereithält, um zu rechtlich und menschlich vertretbaren Ergebnissen zu gelangen. Es bleibt zu hoffen, dass der „Gnadenschuss“ zumindest für das deutsche Recht noch lange Zeit eine rein akademische Fragestellung bleibt – Verlass ist darauf nicht.

Anhang I. Erläuterung Nachstehend folgt eine tabellarische Übersicht über alle im Rahmen dieser Arbeit auffindbaren Einzelfälle1 eines „Gnadenschusses“ mit einer Kurzbeschreibung und Quellennachweis(en), soweit möglich chronologisch sortiert nach den jeweiligen Konflikten.2 Die hier aufgestellte Liste ist recht umfassend; vollständig ist sie freilich nicht. Schließlich konnten nur solche Fälle aufgenommen werden, die in irgendeiner Weise literarisch veröffentlicht wurden oder (dies ist sehr selten) Gegenstand offizieller Untersuchungen waren. Wie bereits zuvor angeführt, muss davon ausgegangen werden, dass nur ein geringer Prozentsatz aller tatsächlich erfolgten Vorkommnisse überhaupt bekannt bzw. veröffentlicht wurde. Aussagen über die Dunkelziffer müssen letztlich reine Mutmaßung bleiben, anzunehmen sind aber ganz erhebliche Unterschiede zwischen Dunkel- und Hellfeld. Aber auch bezüglich veröffentlichter Quellen kann angesichts der unüberschaubaren Fülle an Autobiographien, Kriegstagebüchern, Zeitungsartikeln, militärhistorischen Abhandlungen, archivierten Armeeunterlagen und anderen vergleichbaren Werken, insbesondere zum Ersten und Zweiten Weltkrieg, Vollständigkeit nicht ansatzweise erreicht werden. Dies gilt insbesondere für solche Werke, die keine große Verbreitung gefunden haben. Die Ausarbeitung einer vollständigeren Liste sei einer (militär-)historischen Untersuchung vorbehalten; sie kann und soll im Rahmen einer juristischen Arbeit nicht umfassender erfolgen. Für die hiesigen Zwecke muss genügen, wenn die nachfolgende Aufstellung zu verdeutlichen vermag, dass „Gnadenschüsse“ (1.) nicht der Fantasie des Verfassers entspringen, sondern, mit all ihren rechtlichen Problemen, Realität sind und (2.) erheblich häufiger auftreten, als zunächst vermutet werden könnte. Ferner sei darauf hingewiesen, dass die meisten Fälle auf autobiographischen Berichten von Betroffenen oder Zeitzeugen beruhen. Aufgeführt werden hier im Wesentlichen nur solche Quellen, die im Druck 1  Nicht in die Tabelle aufgenommen wurden hier nur schwer einzuordnende „Praktiken“, d. h. etwa die „Gnadenschüsse“ im Rahmen von staatlichen Exekutionen oder der ritualisierte Selbstmord der Samurai, vgl. dazu A. III. 1. a) dd) (4) und A. III. 1. a) cc), dort S. 40 f. 2  Innerhalb der einzelnen Konflikte ist eine chronologische Sortierung regelmäßig kaum möglich; insofern erfolgt die Darstellung nach Autoren in alphabetischer Reihenfolge.



II. Tabellarische Aufstellung bekannter „Gnadenschuss“-Fälle319

erschienen sind; Internetquellen nur, sofern sie hinreichend zuverlässig erscheinen. Bereits zuvor wurde erwähnt, dass die große Mehrzahl aus dem englischsprachigen Bereich stammt. Deutschsprachige Berichte sind erheblich seltener. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dürften jenseits des dem Verfasser zugänglichen deutschen und englischen Sprachraums noch weitere Fälle zu finden sein, insbesondere im Hinblick auf die Vielzahl der an den Weltkriegen beteiligten Staaten. Unabhängige Belege für die im Folgenden geschilderten Geschehnisse sind in der Regel nicht vorhanden, oft bleiben (für eine rechtliche Bewertung maßgebliche) Einzelheiten unklar. Mithin soll die folgende Aufzählung nicht unterstellen, dass diese Fälle auch nach deutschem Recht „gerechtfertigte Gnadenschüsse“ im Sinne dieser Arbeit darstellen würden. Vielmehr handelt es sich (nur) um eine Aufstellung solcher Fälle, in denen die hier gefundene Lösung nach deutschem Strafrecht zumindest potentiell denkbar und zu prüfen gewesen wäre.

II. Tabellarische Aufstellung bekannter „Gnadenschuss“-Fälle 1. Fälle im militärischen Kontext 1.

Zweiter Punischer Krieg (Schlacht von Cannae, um 216 v. Chr.): Der römische Geschichtsschreiber Titus Livius berichtet von der (z. T. verlangten) Tötung römischer Verwundeter nach der Schlacht von Cannae durch die siegreichen karthagischen Truppen unter ihrem Feldherren Hannibal Barkas.3

2.

Jüdischer Krieg (Belagerung von Masada, 74 n. Chr.): Angesichts der drohenden Eroberung der Festung Masada durch die Römer töteten durch Los ausgewählte jüdische Soldaten ihre Kameraden und deren Familien, bevor der letzte Verbleibende Suizid beging. Ziel war es, der Folter und Sklaverei durch die Römer zu entgehen.4

3.

Hundertjähriger Krieg (Schlacht von Azincourt, 1415): Nach der Schlacht von Azincourt wurden auf dem Schlachtfeld verbliebene Verwundete getötet.5

4.

Italienische Kriege (Turin 1537): Der französische Chirurg Ambroise Paré war Zeuge der Tötung entstellter und verbrannter Soldaten.6

3  Livius,

Römische Geschichte, Buch XII, 51. Geschichte des Jüdischen Krieges, Buch VII, Kap. 9. 5  Curry, Agincourt, S. 273; Keegan, The Face of Battle, S. 113. 6  Paget, Ambroise Paré and His Times, S. 30 f. 4  Josephus,

320 Anhang

5.

Napoleonische Kriege (Jaffa 1799): Auf Befehl von Napoléon Bonaparte erfolgte, angesichts der herannahenden türkischen Armee, die Tötung von ca. 50 transportunfähigen Pestkranken durch eine Überdosis Opium beim Rückzug aus Jaffa.7

6.

Napoleonische Kriege (Seeschlacht von Trafalgar, 1805): Angesichts eines aufziehenden Sturms wurden nach der Seeschlacht von Trafalgar französische und spanische Schwerverwundete, für die keine Hilfe mehr möglich war, an Bord ihrer Schiffe belassen, welche daraufhin von den Engländern versenkt wurden.8

7.

Napoleonische Kriege (Waterloo 1815): Preußische Soldaten erschossen nach Ende der Kampfhandlungen die auf dem Schlachtfeld verbliebenen Verwundeten beider Seiten, denen nicht mehr geholfen werden konnte. Viele von ihnen baten darum, von ihrem Elend erlöst zu werden.9

8.

Krimkrieg: Der englische General Henry Clifford, berichtet aus dem Krimkrieg, dass französische Zuaven Schwerverwundete mit Messern und Bajonetten getötet haben.10

9.

Sardinischer Krieg (Solferino 1859): Der spätere Gründer des Roten Kreuzes Henry Dunant schildert die Schrecken der Schlacht; Verwundete baten um ein schnelles Ende, z. T. erfolgte deren Tötung noch während der Kämpfe.11

10. Herero-Aufstand (1904–1908): In einer juristischen Dissertation von 1936 wird anekdotisch u. a. auf „Gnadenschüsse“ an verstümmelten deutschen Soldaten durch deren Kameraden während des Herero-Aufstands Bezug genommen.12 11. Erster Weltkrieg (Frankreich): Ein britischer Corporal erschoss einen verwundeten Deutschen, um ihm einen qualvollen Tod im Giftgas zu ersparen.13 12. Erster Weltkrieg: Ein amerikanischer Soldat berichtet, viele „Gnadenschüsse“ auf beiden Seiten beobachtet zu haben.14 7  de Bourrienne, Memoirs of Napoleon Bonaparte, S. 227 ff.; Peterson, American Entomologist 1995, 147 (153); Régnier, Medicographia 2013, 124 (128). 8  Nicolson, Men of Honour, S. 310  f.; vgl. auch Deakin, Journal of Military Ethics 2013, 162 (164). 9  Hay/Bamford, Reminiscences 1808–1815 Under Wellington, S. 118. 10  Clifford, His Letters and Sketches from the Crimea, S. 59. 11  Dunant, Eine Erinnerung an Solferino, S. 16, 36. 12  Hilschenz, Die Sterbehilfe, S. 3. 13  Clapham, Mud and Khaki, S. 151 f. 14  M. Evans, American Voices of World War I, S. 148.



II. Tabellarische Aufstellung bekannter „Gnadenschuss“-Fälle321

13. Erster Weltkrieg (Frankreich): Ein britischer Offizier verabreichte einem Soldaten mit Bauchschuss eine Überdosis Morphium.15 14. Erster Weltkrieg: Ein verwundeter Brite berichtete dem Autor Graves von einem deutschen Stabsoffizier, der verwundete Briten erschossen habe.16 15. Erster Weltkrieg (Skagerrakschlacht): In einer juristischen Dissertation von 1936 wird die Versenkung eines U-Boots während der Skagerrakschlacht erwähnt, die auf Befehl des Kommandanten einen Kreuzers erfolgt sein soll, um der Besatzung des U-Boots einen grausamen Erstickungstod zu ersparen.17 16. Erster Weltkrieg: Der ehemalige schottische Offizier Norman Collins erläutert detailliert den Ablauf von „Gnadenschüssen“ an Kameraden, gibt aber an, selbst nie „den Mut“ zu einer solchen Handlung gehabt zu haben.18 17. Erster Weltkrieg (Arabien): Der britische Offizier T. E. Lawrence („Lawrence von Arabien“) beschreibt in seiner Biographie die Tötung verwundeter Araber, um diese nicht in die Hände der verfeindeten Türken fallen zu lassen, welche die Verwundeten gefoltert hätten.19 18. Erster Weltkrieg (Frankreich): Der britische Sergeant James Payne erschoss, selbst schwer verwundet, in der Schlacht an der Somme einen schreienden Kameraden, dem ein Arm und ein Bein und ein Auge weggeschossen worden waren.20 19. Erster Weltkrieg (Frankreich): Ein britischer Sanitäter berichtet von mehreren Fällen, in denen er auf Anordnung eines Sanitätsoffiziers unrettbar Verwundeten die vierfache (d. h. eine tödliche) Dosis Morphium verabreichen musste.21 20. Erster Weltkrieg (Belgien): Britische Soldaten erschossen bei Passchendaele einen ihrer Kameraden, der von einer Phosphorgranate getroffen und in Brand gesetzt worden war.22 21. Zweiter Weltkrieg (Indien): Während der Schlacht um Imphal in Nordindien tötete ein britischer Soldat seinen verwundeten Kameraden. 15  Graves,

Goodbye to All That, S. 134. Goodbye to All That, S. 186. 17  Hilschenz, Die Sterbehilfe, S. 3 f., 24. 18  Kyle, Scottish Daily Mail, 10.11.2012, S. 38 (39). 19  Lawrence, Seven Pillars of Wisdom, S. 363. 20  Levine, Forgotten voices of the Somme, S. 134. 21  MacDonald, 1915, S. 309 f. 22  Steel/Hart, Passchendaele, S. 227. 16  Graves,

322 Anhang

Über 70 Jahre später trafen sich Angehörigen beider Soldaten am Ort der Schlacht und hielten eine Trauerfeier für den Getöteten ab.23 22. Zweiter Weltkrieg (Elsass): Amerikanischen Soldaten gelang es erst nach mehreren Anläufen, einen schwer verwundeten Deutschen auf der anderen Seite eines Flusses mit Handgranaten zu töten, um ihn von seinen Qualen zu erlösen.24 23. Zweiter Weltkrieg (Normandie): Britische Soldaten beobachteten einige Tage nach dem „D-Day“ einen „Gnadenschuss“ an einem ihrer Offiziere. Dieser war durch eine Phosphorgranate in Brand gesetzt worden und verlangte schreiend seine Tötung; ein anderer Offizier erschoss ihn.25 24. Zweiter Weltkrieg (Italien): Ein kanadischer Soldat erlöste einen vor Schmerzen schreienden Soldaten unbekannter Nationalität mit einem Messerstich von dessen Qualen.26 25. Zweiter Weltkrieg (Normandie): Kurz nach der alliierten Landung töteten Donald Burgett und ein weiterer amerikanischer Soldat zwei von einer Artilleriegranate verstümmelte Deutsche, die in einem Einschlagskrater lagen.27 26. Zweiter Weltkrieg (Ardennen): Während der amerikanische Soldat Donald Burgett einen deutschen Soldaten gefangen nahm, schoss ein anderer Amerikaner zu seinem Entsetzen auf den Deutschen, welcher einen Bauchschuss erlitt und starke Schmerzen hatte. Burgett ging davon aus, dass der Verwundete keine Überlebenschance mehr hatte. Ein weiterer Schuss tötete schließlich den Deutschen. Es bleibt offen, ob Burgett selbst geschossen hat.28 27. Zweiter Weltkrieg (Mittelmeer, vor Kreta): Lieutenant Munn, Kommandant des britischen Zerstörers „HMS Hereward“, verabreichte seinen transportunfähigen Schwerstverwundeten eine Überdosis Morphium, als er sein sinkendes Schiff vor Kreta aufgeben musste.29

23  Agarwala,

The Indian Express, 02.09.2020. Band of Brothers, S. 233. 25  Beevor, D-Day, S. 277. 26  Broadfoot, Six War Years, S. 157 f. 27  Burgett, Currahee!, S. 80 f. 28  Burgett, Seven Roads to Hell, S. 106. 29  A. Evans, Destroyer Down, S. 64. 24  Ambrose,



II. Tabellarische Aufstellung bekannter „Gnadenschuss“-Fälle323

28. Zweiter Weltkrieg (Okinawa): Eine zuvor irrtümlich durch Handgranaten schwer verwundete japanische Zivilistin auf Okinawa erhielt von amerikanischen Soldaten den „Gnadenschuss“.30 29. Zweiter Weltkrieg (Niederlande): Ein ehemaliger kanadischer Soldat schildert, wie ein Sanitäter gegen Kriegsende einen verwundeten deutschen Panzersoldaten mit einem Messer tötete, um diesen von seinem Leid zu erlösen.31 30. Zweiter Weltkrieg (Deutschland): Ein Soldat der Alliierten gab verwundeten SS‑Angehörigen nahe der deutsch-luxemburgischen Grenze den „Gnadenschuss“.32 31. Zweiter Weltkrieg (Nordsee): Der Pilot der Royal Airforce Stanford Tuck feuerte die Bordwaffen seiner Spitfire auf einen Überlebenden eines zuvor abgeschossenen deutschen Flugzeuges ab, der mehr als 40 Meilen vom Ufer entfernt und ohne Aussicht auf Rettung in der kalten Nordsee trieb und zu erfrieren drohte.33 32. Zweiter Weltkrieg (Ostsee): Während des Untergangs der „Wilhelm Gustloff“ erkannten viele der an Bord befindlichen, oft amputierten, Verwundeten, dass sie keine Chance hatten, dem qualvollen Tod durch Ertrinken zu entgehen. Manche gaben ihren hilflosen Kameraden den „Gnadenschuss“, andere erschossen sich selbst.34 33. Zweiter Weltkrieg (Saipan): Auf Saipan tötete ein amerikanischer Soldat drei Japaner, die zuvor durch einen amerikanischen Flammenwerfer in Brand gesetzt worden waren. Ein anderer amerikanischer Soldat betrachtet dieses Tat, angesichts der Qualen der Japaner, rückblickend als „Gnadenschuss.35 34. Zweiter Weltkrieg (Borneo): Der Autor Griffiths-March beschreibt, wie er als australischer Soldat im Zweiten Weltkrieg auf Borneo einen sterbenden japanischen Soldaten erschoss. Er bereut, einige Zeit zuvor, bei einem italienischen Verwundeten in Tobruk nicht genauso gehandelt zu haben.36 35. Zweiter Weltkrieg (Nordafrika): Der Sanitäter Harry Day spritzte während einer Schlacht in Nordafrika auf Anweisung seines vorgesetzten 30  Feifer,

The Battle of Okinawa, S. 373 f. Canada Free Press, 09.07.2010; Gunter, National Post, 09.06.2010. 32  Foley, Visions From a Foxhole, S. 195. 33  Forrester, Fly For Your Life, S. 175 ff. 34  Fuhrer, Die Todesfahrt der „Gustloff“, S. 109. 35  Goldberg, D-Day in the Pacific, S. 126. 36  Griffiths-March, The Sixpenny Soldier, S. 318. 31  Field,

324 Anhang

Sanitätsoffiziers zwei hoffnungslos verwundeten Offizieren eine tödliche Dosis Morphium.37 36. Zweiter Weltkrieg (Ostfront): Der deutsche Unteroffizier Kaminsky tötete an der Ostfront nach vergeblichen Rettungsversuchen seinen verwundeten Kameraden in einem brennenden und von Feinden umstellten Haus.38 37. Zweiter Weltkrieg (Ostfront): Der verwundete Leutnant Schimmel wurde von einem Kameraden erschossen, um ihn nicht verwundet in Feindeshand fallen zu lassen.39 38. Zweiter Weltkrieg (Ostfront): Der deutsche Jagdflieger Krupinski berichtet über einen gemeinsamen Einsatz mit dem späteren BundeswehrGeneral Steinhoff gegen russische Flieger, bei dem Steinhoff einen russischen Piloten tötete, um diesen nicht qualvoll in seinem Flugzeug verbrennen zu lassen.40 39. Zweiter Weltkrieg (Deutschland): Gegen Kriegsende erschoss ein amerikanischer Soldat einen Deutschen, der von einer Artilleriegranate schwer verwundet worden war und vor Schmerzen stöhnte.41 40. Zweiter Weltkrieg (Stalingrad): Der Wehrmachtsarzt Dr. Weber beobachtete, wie russische Soldaten die schwerverwundeten, nicht gehfähigen deutschen Soldaten nach der Gefangennahme erschossen, die angesichts der Versorgungslage der Roten Armee keine Überlebenschance hatten. Dr. Weber nimmt an, dies sei „wahrscheinlich alles sogar richtig so“ gewesen.42 41. Zweiter Weltkrieg (Belgien): Nach einem amerikanischen Artillerieangriff auf deutsche Stellungen traf der amerikanische Captain Leinbaugh auf einen schwer verwundeten deutschen Major, der bat, ihn zu erschießen. Während Leinbaugh die Bitte ignorierte, berichtete ihm später ein Sergeant, dass er den deutschen Major, nachdem dieser ihn ebenfalls darum gebeten habe, erschossen habe.43

37  Hart,

The South Notts Hussars, S. 212. Wehrmacht im Ostkrieg, S. 200 f., mit Nachweisen zum Archiv­

38  Hartmann,

material. 39  Hartmann, Wehrmacht im Ostkrieg, S. 200 Fn. 200, mit Nachweisen zum Archivmaterial. 40  Heaton/Lewis, The German Aces Speak, S. 29 ff. 41  Irgang, Etched in Purple, S. 222. 42  Lehmann, in: Wette/Ueberschär, Stalingrad, S. 178 (179 f.). 43  Leinbaugh/Campbell, The men of Company K, S. 181  f.; Ambrose, Citizen Soldiers, S. 390.



II. Tabellarische Aufstellung bekannter „Gnadenschuss“-Fälle325

42. Zweiter Weltkrieg (Frankreich): Nach einem Überfall britischer SASSoldaten und der Résistance auf einen deutschen Konvoi nahmen diese einen verwundeten russischen Offizier gefangen, der zur Wehrmacht übergelaufen war. Die Franzosen planten, den Russen zu foltern, um an Informationen zu gelangen. Dieser bat die Briten, ihn zu töten, anstatt ihn den Franzosen zu überlassen. Ein SAS-Soldat erschoss ihn daraufhin.44 43. Zweiter Weltkrieg (Neuguinea): Ein japanischer Soldat erinnert sich in Bezug auf den Rückzug der japanischen Truppen aus Neuguinea vor allem an viele Gnadentötungen.45 44. Zweiter Weltkrieg (Myanmar): Lieutenant Colonel Masters, Kommandant einer britischen Brigade in Myanmar, erteilte beim Rückzug den Befehl, 19 nicht transportfähige Verwundete zu töten, um sie nicht in die Hände der Japaner fallen zu lassen.46 45. Zweiter Weltkrieg (Belgien): Ein amerikanischer Fallschirmjäger erschoss einen schwer verwundeten, polnisch sprechenden Soldaten, der große Schmerzen litt.47 46. Zweiter Weltkrieg (Ostfront): Ein deutscher Gefreiter mit schwersten Bauchverletzungen bat seine Kameraden, ihn zu erschießen. Viele gingen vorbei; ein anderer deutscher Soldat brachte die Tötung nicht über sich. Erst ein unbekannter Leutnant der Pioniere erteilte dem Verwundeten den gewünschten „Gnadenschuss“.48 47. Zweiter Weltkrieg (Normandie): Nach einem Gefecht zwischen amerikanischen und deutschen Fallschirmjägern blieb ein sterbender Deutscher in einem Schützenloch zurück. Angesichts seiner stundenlangen Schmerzensschreie entschloss sich ein amerikanischer Soldat schließlich, den Verwundeten zu töten.49 48. Zweiter Weltkrieg (Am Dnepr, Ostfront): Der Wehrmachtssoldat Guy Sajer erlebte, trotz eines Verbots, viele „Gnadenschüsse“ an seinen verwundeten Kameraden beim Kampf gegen die Rote Armee an den Ufern des Dnepr.50 44  Macintyre,

SAS, S. 232 f. in: Favreau, A People’s History of World War II, S. 165 (170). 46  Masters, The Road Past Mandalay, S. 258 f.; Officer, in: Stone, Crisis Fleeting, S. 201 (221). 47  Megellas, All the Way to Berlin, S. 211. 48  Rees, World War Two, S. 266. 49  Rice, Trial by Combat, S. 146. 50  Sajer, Der vergessene Soldat, S. 277. 45  Masatsugu,

326 Anhang

49. Zweiter Weltkrieg (Normandie): Der britische Sergeant Thom erschoss einige Tage nach der Landung in der Normandie nach einem Gefecht den schwer verwundeten Lieutenant Mitchell.51 50. Zweiter Weltkrieg (Ostfront): Der Wehrmachtssoldat Günter Fiedler schreibt in seinem Tagebuch, im Sommer 1941 einen verwundeten russischen Infanteristen erschossen zu haben, der sich leidend auf einem Feld wälzte. Er bezeichnet diesen Tag noch fast fünf Jahrzehnte später als den schrecklichsten seines Lebens.52 51. Zweiter Weltkrieg (Ostfront): Oberleutnant Heinz Reisig berichtet in einem Feldpostbrief, einigen Soldaten befohlen zu haben, einen schwer verwundeten Russen, der nach deren Hinweis schon seit zwei Tagen blutüberströmt in einem Graben lag, wahlweise den „Gnadenschuss“ zu geben oder ihn zu den anderen Verwundeten ins Haus zu bringen. Reisig ging weiter, ohne abzuwarten, was nach dem Befehl geschah; der „Gnadenschuss“ wird impliziert.53 52. Zweiter Weltkrieg (Frankreich): Der britische Lieutenant Williamson befahl dem Soldaten Crossley, einen deutschen Soldaten zu erschießen, der zuvor an einer britischen Straßensperre durch Maschinengewehrfeuer verwundet wurde und stöhnend und schreiend neben seinem Motorrad lag. Crossley erschoss den Mann mit seinem Revolver.54 53. Zweiter Weltkrieg (Peleliu): Während ein amerikanischer Plünderer versuchte, einem sterbenden japanischen Soldaten Goldzähne aus dem Kiefer zu brechen und diesem dabei weitere Qualen bereitete, eilte ein anderer Soldat herbei und erschoss den leidenden Japaner.55 54. Zweiter Weltkrieg (Okinawa): Eine schwer verletzte Frau auf Okinawa gestikulierte dem US-Soldaten Eugene Sledge, sie zu erschießen. Obwohl Sledge sich weigerte und einen Sanitäter herbeiholen wollte, erschoss ein anderer Soldat die Frau.56 55. Zweiter Weltkrieg (Südostasien): Ein Mitglied der pazifistischen Hilfsorganisation Friend’s Ambulance Unit (FAU) war an der Tötung eines Verwundeten beim Kampf der Alliierten gegen Japan in Südostasien beteiligt.57 51  Scannell,

Argument of Kings, S. 166. „Du sollst nicht morden“, S. 247 ff. m. w. N. zu den Tagebuchauf-

52  Schmiedel,

zeichnungen. 53  Schmiedel, „Du sollst nicht morden“, S. 424 f. m. w. N. zu den Feldpostbriefen. 54  Sebag-Montefiore, Dunkirk, S. 462. 55  Sledge, With the Old Breed, S. 129 f. 56  Sledge, With the Old Breed, S. 313 f.; ders., in: Favreau, A People’s History of World War II, S. 177 (182 f.). 57  Smith, in: Brock/Socknat, Challenge to Mars, S. 243 (252).



II. Tabellarische Aufstellung bekannter „Gnadenschuss“-Fälle327

56. Zweiter Weltkrieg (Burma): Soldaten des japanischen Offiziers Tadashi Suzuki töteten bei einem Angriff einen verwundeten Lieutenant Colonel der Briten, nachdem dieser ihnen signalisierte, ihn zu erschießen. Tadashi Suzuki bewundert den Briten für diese Entscheidung.58 57. Zweiter Weltkrieg (Burma): Ein Sanitäter in einem japanischen Feldlazarett im burmesischen Dschungel verteilte tödliche Injektionen an Verwundete, die am Rande des Todes standen. Er gab an, auf Befehl gehandelt zu haben.59 58. Zweiter Weltkrieg (China): Ein Lieutenant Colonel der U.S. Airforce erschoss ein Besatzungsmitglied eines in Flammen stehenden, beim Landeanflug auf eine vorgeschobene Basis der U.S. Airforce in China verunglückten, B-25 Bombers, nachdem Versuche scheiterten, den Soldaten zu befreien oder seine eingeklemmten Beine zu amputieren. Der Lieutenant Colonel wurde von einem Kriegsgericht freigesprochen.60 59. Zweiter Weltkrieg (Ostfront): Ein deutscher Soldat erschoss seinen schwer verwundeten Kameraden, der sonst hätte zurückgelassen werden müssen, auf dessen nachdrückliche Bitte.61 60. Zweiter Weltkrieg (Normandie): Während der Invasion in der Normandie beendete ein britischer Militärpfarrer das letzte Gebet für schwerstleidende Verwundete in einigen Fällen mit einem Schuss in deren Schläfe.62 61. Zweiter Weltkrieg (Ostfront): Der deutsche Artillerieoffizier Wigand Wüster erlebte den „Gnadenschuss“ an einem russischen Soldaten, der mit schweren Verbrennungen neben seinem zerschossenen Panzer lag.63 62. Koreakrieg: Ein ehemaliger kanadischer Soldat berichtet, dass zwei seiner Kameraden einen chinesischen Soldaten erschossen haben, dem eine Handgranate zuvor beide Beine und den Unterleib weggerissen hatte.64 63. Koreakrieg: Ein amerikanischer Unteroffizier erschoss in Korea einen schwer verwundeten nordkoreanischen Soldaten.65 58  Tamayama/Nunneley,

Tales by Japanese Soldiers, S. 33 f. Tales by Japanese Soldiers, S. 209. 60  Tapert, Lines of Battle, S. 255 ff.; Army News, 12.03.1945, S. 3; Missouri Bar, Journal of the Missouri Bar 1945, 56. 61  Wacker, Im Auge des Jägers, S. 80 f. 62  Wilson, The Independent, 24.01.2010. 63  Wüster, Von Charkow bis Stalingrad, S. 669. 64  Kidd, Toronto Star, 19.06.2010. 65  Spring, Voices Almost Lost, S. 140. 59  Tamayama/Nunneley,

328 Anhang

64. Guerillakrieg in Malaysia (1952): Der britische Autor und ehemalige Lieutenant der Royal Marines Neal Ascherson erklärte, 1952 in Malaysia zwei schwer verwundete Guerilla-Kämpfer getötet zu haben.66 65. Tibetaufstand (nach 1958): Ein tibetischer Widerstandskämpfer berichtet in einem Interview, während der Kämpfe gegen die Chinesen im besetzten Tibet verwundete Kameraden erschossen zu haben, wenn er keine Aussicht mehr für deren Überleben sah.67 66. Dhofar-Krieg (Oman 1968): Lieutenant Colonel Ewen Southby-Tail­ your erklärte, 1968 einem sterbenden Kameraden während des DhofarKrieges eine tödliche Überdosis Morphium verabreicht zu haben.68 67. Vietnamkrieg: Ein ehemaliger US-Soldat berichtet von Verwundeten der vietnamesischen Armee, die von ihren eigenen Sanitätern, denen kein Morphium mehr zur Verfügung stand, mit Messern getötet wurden. Dies erfolgte wohl auch, um deren Schmerzensschreie zu stoppen, um nicht die Aufmerksamkeit amerikanischer Mörsereinheiten zu erregen.69 68. Vietnamkrieg: Ein Soldat einer US-amerikanischen Spezialeinheit wurde während des Vietnamkriegs schwer verwundet, eine Evakuierung war nicht möglich. Er bat einen Kameraden, ihn zu erschießen; dieser erfüllte ihm seinen Wunsch.70 69. Vietnamkrieg: Ein Sergeant der US-Armee erschoss einen vietnamesischen Soldaten, dessen Schädel von einem Schuss mit einer Schrotflinte größtenteils weggerissen worden war.71 70. Vietnamkrieg: In den 1960ern erschoss ein australischer Soldat aus Mitleid einen schwer verwundeten Vietnamesen während des Vietnamkrieges.72 71. Vietnamkrieg: Beim Kampf gegen nordvietnamesische Truppen griffen US-Soldaten einen Bunker mit Handgranaten an. Ein Sanitäter räumte einer dabei verwundeten Vietnamesin angesichts ihrer extremen Verletzungen keine Überlebenschance ein. Mehrere Soldaten erschossen sie daraufhin.73 66  Ascherson,

The Herald, 29.01.2017. Der Lebenszyklus eines dPon, S.  114 f. 68  Greenhill/White/Payne, Daily Mail Online, 15.09.2015. 69  Arthur, Land With No Sun, S. 109. 70  Bishop, Journal of Medical Ethics 2006, 225 (225). 71  Bradfield, The Blue Spaders, S. 129. 72  Buick/McKay, All Guts and No Glory, S. 113. 73  Clark, Guns Up!, S. 187 f. 67  Salomon,



II. Tabellarische Aufstellung bekannter „Gnadenschuss“-Fälle329

72. Vietnamkrieg: Der amerikanische Scharfschütze Dave Nelson berichtet in einem Interview, einen amerikanischen Piloten, der nach dem Abschuss seines Helikopters in Vietnam sterbend in einem Baum hing, erschossen zu haben.74 73. Vietnamkrieg: In Vietnam erschoss ein amerikanischer Soldat einen zuvor grausam gefolterten Kameraden auf dessen ausdrücklichen Wunsch.75 74. Vietnamkrieg: Der amerikanische Pilot Captain Lyon erlitt beim Absturz seines Hubschraubers schwerste Verletzungen. Während die anderen Überlebenden von nordvietnamesischen Truppen gefangengenommen wurden, erschoss ein unbekannter vietnamesischer Soldat Captain Lyon. Dessen Kameraden betrachten dies rückblickend als „Gnaden­ schuss“.76 75. Vietnamkrieg/Libanon: Der ehemalige französische Gesundheitsminister und Mitgründer der „Ärzte ohne Grenzen“ Bernhard Kouchner erklärte, während der Kriege in Vietnam und im Libanon schwer leidenden Patienten eine Überdosis Morphium verabreicht zu haben; die weiteren Hintergründe sind unbekannt.77 76. Falklandkrieg: Der britische Soldat Ken Lukowiak versuchte vergeblich, einen sterbenden argentinischen Soldaten, der schwerste Hirnverletzungen erlitten hatte, zu verbinden. Ein anderer britischer Soldat erschoss den Verwundeten.78 77. Falklandkrieg: Bei einem Unfall mit Munition wurden mehrere argentinische Kriegsgefangene getötet oder verwundet. Nachdem der britische Sanitäter Sergeant Fowler mehrfach erfolglos versuchte, zu einem brennenden argentinischen Soldaten zu gelangen, erschoss er diesen.79 78. Kosovokrieg: Der australische Arzt Craig Jurisevic fand im Kosovo eine Zivilistin, die von serbischen Soldaten schwer verwundet worden war, um durch ihre Schmerzensschreie Helfer in eine Sprengfalle zu locken. Unfähig ihr zu helfen, erschoss er sie auf ihren Wunsch hin.80 74  Hansen/Owen/Madden,

Parallels, S. 26. Bloods, S. 241 ff. 76  Siehe P.O.W. Network, James Michael Lyon; auch Vietnam Helicopter Pilots Association, Helicopter UH-1H 68-16441. 77  BBC, 24.07.2001. 78  Lukowiak, A Soldier’s Song, S. 36 f. 79  McManners, The Scars of War, S. 303; McGowan/Hands, Don’t Cry for Me, Sergeant-Major, S. 159; vgl. ferner Helixon, Mercy Killings in Combat, S. 56 ff.; East, Permission To Die, S. 277, beide m. w. N. 80  Jurisevic, Blood On My Hands, S. 323 ff. 75  Terry,

330 Anhang

79. Irak (2003): Der ehemalige britische SAS-Soldat Sergeant Colin Mac­ Lachlan berichtet in einem Entwurf zu seinem Buch über den SAS, während seiner Dienstzeit im Irak 2003 an der Erschießung mehrerer verwundeter Iraker beteiligt gewesen zu sein. Später stritt MacLachlan dies ab. Der Fall wurde – bisher ohne Ergebnis – von den britischen Behörden untersucht.81 80. Irak (2004): Der amerikanische Captain Rogelio Maynulet erschoss 2004 einen schwerstverwundeten Iraker, dem ein Sanitäter keine Überlebenschance mehr einräumte. Der Fall wurde vor einem US-Militärgericht verhandelt, Maynulet wurde aus der Armee entlassen, eine weitere Strafe wurde nicht verhängt.82 81. Irak (2004): Die Staff Sergeants Jonathan J. Alban-Cardenas und Johnny M. Horne Jr. erschossen, angesichts extremer Verletzungen und einer hoffnungslosen Prognose, einen 16‑jährigen Iraker, der zuvor bei einem Feuergefecht verwundet wurde. Beide Soldaten wurden von USMilitärgerichten verurteilt: Alban-Cardenas zu einem, Horne zu drei Jahren Haft. Zusätzlich wurden beide degradiert und aus der Armee entlassen.83 82. Afghanistan (2008): Der kanadische Captain Robert Semrau soll einen verwundeten Taliban-Kämpfer, der durch das Feuer eines Kampfhubschraubers extremste Verletzungen erlitten hatte, erschossen haben. Nach einem langwierigen und aufwendigen Prozess wurde Semrau, der sich zu den Vorwürfen nicht direkt äußerte, von einem Militärgericht degradiert und aus der Armee entlassen. Daneben erfolgte keine weitere Bestrafung.84 83. Irak (2017): Der Navy SEAL Special Warfare Operator 1st Class Corey Scott erklärte als Zeuge während einer Kriegsgerichtsverhandlung, einen verwundeten IS-Kämpfer im Irak getötet zu haben, indem er dessen Beatmungsschlauch zuhielt. Scott erklärte, dass die Tötung aus Mitleid erfolgt sei, da dem Verwundeten Folter durch Soldaten der irakischen Armee gedroht habe.85 Da Scott zuvor für seine Aussage Immunität zugesichert worden war, wurde er nicht strafrechtlich für die (behauptete) Tat verfolgt.

81  Nachweise

zu zu 83  Nachweise zu 84  Nachweise zu 85  Nachweise zu 82  Nachweise

MacLachlan s. o. bei A. III. 1. b) aa). Maynulet s. o. bei A. III. 1. b) bb). Alban-Cardenas und Horne s. o. bei A. III. 1. b) cc). Semrau s. o. bei A. III. 1. b) dd). Scott s. o. bei A. III. 1. b) ee).



II. Tabellarische Aufstellung bekannter „Gnadenschuss“-Fälle331

2. Vergleichbare Fälle jenseits von (militärischen) Kampfhandlungen 84. Krakauer Ghetto (1943): Ärzte eines Krankenhauses im Krakauer Ghetto töteten ihre letzten vier Patienten, anlässlich der bevorstehenden Räumung und einer damit einhergehenden Exekution durch die SS, ohne deren Wissen mit Zyankali.86 85. Südafrika (1991): Ein Unbekannter erschoss einen Autofahrer, der nach einem Unfall in seinem Fahrzeug verbrannte.87 86. New Orleans (2005): Nach dem Hurrikane „Katrina“ war ein Krankenhaus in New Orleans weitestgehend von der Außenwelt abgeschnitten. Mehrere Patienten sollen von Ärzten mit Injektionen getötet worden sein.88 Auf eine Aufstellung von „Gnadenschüssen“ im Kontext von Hinrichtungen sowie im Anschluss an offensichtlich verbrecherische Erschießungen etc., insbesondere während des Nationalsozialismus, muss verzichtet werden.

86  Keneally,

Schindler’s List, S. 192 ff. 04.09.1991, S. 12. 88  Fink, New York Times, 25.08.2009. 87  FAZ,

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Sachwortverzeichnis Absehen von Strafe  168 ff., 176 f., 243 Afghanistan  19 f., 51 ff. Alban-Cardenas, Jonathan  53 f. al‑Kasaesbeh, Muaz  285 f. Arzt  21 ff., 31 ff. Ärztliche Heilbehandlung  21 ff., 144 Auslandseinsatz  19 f., 58, 62 ff. Auslandstaten  64 ff. Befehlsempfänger  278 ff. Befehlskette  277 ff. Begnadigung  172 f., 243 Behandlungsabbruch  25 ff., 159 Bewaffneter Konflikt  34 f., 67 ff., 77 ff., 113 ff. Blackman, Alexander  272 f. Bundeswehr  19 f., 57 ff., 114, 277 ff. Coup de grâce  38, 50 Dammbruch  106 ff., 181 ff., 231 f. Dunkelfeld  34 f. Eingriffsgut  191 ff., 219 ff., 250 ff. Einstellung  170 ff., 243 Einwilligung  24 ff., 157 ff., 197 ff., 219, 241 f. Einwilligungssperre  157, 199 ff., 241 f. Empfindungsfähigkeit  249 f., 252 f., 259 f. Entschuldigung  161 ff., 242 f., 267 f. Erhaltungsgut  201 ff., 220 f., 230 ff., 249 Euthanasie  20 f. Extremfall  184, 224 ff., 231 ff., 251 ff. Folter  284 ff. Friedensschutz  70 ff., 120

Gallagher, Edward  56 f. Genfer Recht  73 f., 79 ff. Geschütze Person  79 ff., 112 ff., 133 ff. Gewohnheitsrecht  73 f., 154 ff., 241 Haager Recht  71 ff., 79 ff. Hinrichtung  50, 292 Historischer Gesetzgeber  126 ff. Horne, Johnny  53 f. Humanitäres Völkerrecht  67 ff., 112 f., 261 ff. Inlandstaten  62 ff. Interessenabwägung  195 ff., 220 ff. 250 ff. Interessenkollision, intrapersonelle  193 ff. Internationaler Strafgerichtshof  87 ff., 130 ff., 142 f. Intra-Force Konstellationen  135 f. Irak  51 ff. Irrtum  269 f., 275 ff. Islamischer Staat  285 ff. Ius in bello  75 ff. Katastrophen  290 ff. Konfliktbegrenzung  120 ff., 261 f. Kriegsverbrechen  86 ff., 110 ff., 239 ff. Kriegsverbrechenstotschlag  116, 245 f. Lebensinteresse  195 ff., 221 ff., 250 ff. Leidbeendigungsinteresse  195, 201 ff., 221 ff., 251 ff. LKW-Fall  30, 232, 288 f. Luftsicherheitsgesetz  162 ff., 193 MacLachlan, Colin  51 f. Mali  114

Sachwortverzeichnis377 Maynulet, Rogelio  52 f. Menschenwürde  102 f., 192, 208 ff. Mildestes Mittel  214 ff., 250 Mutmaßlicher Wille  24 ff., 241 ff., 254 ff., 270, 287 f. Neuregelung  23, 173 ff. Nullwert  228 ff., 251 ff. Pflichtenkollision  159, 298 ff. Rechtfertigender Notstand  159 f., 177, 181 ff., 242, 248 ff. Rechtsfolgenlösung  243 ff. Rechtsfreier Raum  146 ff. Reform  173 ff., 245 ff., 270 Schiefe Ebene  106, 182 ff. Schmerzbeendigung  145 f., 201 ff., 215 f., 250 f. Scott, Corey  56 f. Selbstbestimmtes Sterben  207 f. Selbstbestimmungsrecht  26 f., 207 f. Semrau, Robert  55 f. Sozialadäquanz  144 ff. Sperrwirkung  93, 121 ff., 141 Sterbehilfe, ärztliche  19 ff., 29 f., 187 ff., 231 f.

Sterbehilfe, indirekte  22 ff., 216 f. Sterbehilfe, militärische  21, 29 ff., 186 ff. Subjektives Rechtfertigungselement  236, 263 f., 271 ff. Suizid  29, 100, 217 f. Syrien  114, 286 Tatbestandslösung  144 ff., 240 f., 268 Teleologische Reduktion  148 ff., 158, 240 Tötungspflicht  265 ff. Tötungstabu  103 ff., 182 ff., 194 ff., 231 ff. Triage  295 ff. Triage, umgekehrte  305 ff. Übergesetzlicher Notstand  161 ff., 242 f., 308 Unterlassung  25 ff., 265 ff., 297 Vorgesetzter  32, 277 ff. Weltfrieden  71, 120, 262 Weltkrieg  41 ff. Wesentliches Überwiegen  234 f., 263 Zusatzprotokolle  73 f., 78 f.