Der Erstunterricht als Weg vom Erlebnis zur Beobachtung [Reprint 2019 ed.] 9783486767575, 9783486767568

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Der Erstunterricht als Weg vom Erlebnis zur Beobachtung [Reprint 2019 ed.]
 9783486767575, 9783486767568

Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Was sagt die Entwicklungsforschung
Komm herein, Kind, wie du bist!
Rund um das Ding herum

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Der Lrstunterricht als TOcg vom Erlebnis zur Beobachtung Von

Josef 6chwägerl

Bilder von Inge Schrvägerl

München und Berlin 1936 Verlag von R. Oldenbourg

Druck von R. Oldenbourg, München.

Vorwort Wie kein anderer Unterricht soll der Erstunterricht aus dem Herzen fließen. Ist er nicht Leben, das aus der Quelle sprudelt, sondern abgestandenes Wasser aus einem Handbuch, das für alle Tage und für alle Verhältnisse die „Lektionen" bereit hält, eben weil es den Schulmeister, den Schablonenmaler im Lehrer voraussetzt, so wird er auch nicht im Innern ansprechen. Die Unterrichtseinheiten, welche hier eingestreut sind, sollen nur Beispiele sein. Auch die Bilder sind nicht bestimmt zur Übernahme in einen anderen Unterricht, weder für Lehrer noch für Kind als Vorlage gedacht. Die Einmaligkeit im Erstunterricht über alles!

Einige Lättchen an eine alte Tafel geheftet, das Lesebrett des Lehrers ist fertig.

Inhalt Seite

Titelbild „Kasperl" Vorwort..............................................................................................................................................

Was sagt die Entwicklungsforschnng......................................................................... Komm herein, Kind, wie du bist!......................................................................... 1. Rudi.................................................................................................................................. Bild: Rudi hat höchste Eile........................................................................................... 2. Sie wollen den Osterhasen sehen............................................................................... 1. Bild: Müller schleicht heran................................................................................... 2. Bild: Hans hängt am Zaun................................................................................... 3. Der 1. Mai...................................................................................................................... 4. Auf der Gasse.................................................................................................................. Bild: Anschlagversteckeles............................................................................................... 5. Muttertag.......................................................................................................................... 6. In meinem Garten.......................................................................................................... Bild: Lene im Tulpenbeet........................................................................................... 7. Die Maikäfer.................................................................................................................. Bild.................................................................................................................................. 8. Vom Verlieren und Finden........................................................................................... 9. Im Wald.......................................................................................................................... Bild: Rotkäppchen.......................................................................................................... 10. Kasperl bei uns.............................................................................................................. 11. Die Bremer Stadtmusikanten....................................................................................... Bild.................................................................................................................................. 12. Die Soldaten kommen................................................................................................... 13. So ein Sturm.............................................................................................................. 14. Hitzferien.......................................................................................................................... 15. Sonnwend...................................................................................................................... Bild.................................................................................................................................. 16. Baden.............................................................................................................................. Bild.................................................................................................................................. 17. Kirschen .......................................................................................................................... Bild.................................................................................................................................. 18. Der Wolf und die sieben Geißlein............................................................................... Bild.................................................................................................................................. 19. Im Kaufladen.................................................................................................................. Bild.................................................................................................................................. 20. Wir fahren in Ferien....................................................................................................... Überblick. Allgemeine Richtung des Erstunterrichts. Die Stufen des aufbauenden Lesens als Besonderheit herausgehoben ............................................................... Rück- und Ausblick..........................................................................................................

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Rund um das Ding herum!.............................................................................................................. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26.

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Mein Pausebrot, das amApfelbaum gewachsen ist.................................................... 84 Nichts als Regen................................................................................................................ 86 Kommt a Vogerl geflogen............................................................................................... 87 Volksfest................................................................................................................................ 89 Einzug des Artillerie-Regiments....................................................................................... 91 Blättertanz............................................................................................................................ 91 Allerheiligen............................................................................................................................ 94 Aschenputtel............................................................................................................................ 94 Auf der Straße.................................................................................................................... 98 Nebel......................................................................................................................................... 100 Stabschef Lutze in Regensburg............................................................................................101 Auf der Straße (Fortsetzung): 1. Der Verkehrsschutzmann................................................................................................101 Der erste Reif.............................................................................................................................. 102 Auf der Straße (Fortsetzung): 2. Die Straßenbahn............................................................................................................ 102 Der Obstmarkt auf demNeupfarrplatz..................................................................................104 Nikolaus.....................................................................................................................................105 Frau Holle.................................................................................................................................106 Winterhilfswerr.........................................................................................................................110 Christkind kommt.........................................................................................................................111 Nach dem Fest.............................................................................................................................113 Der Jugendherberge-Kalender wird eröffnet.........................................................................116 Ein schweres Rätsel..................................................................................................................... 119 Glatteis......................................................................................................................................... 120 So ein Winter!.........................................................................................................................121 Beim Flickschuster.....................................................................................................................123 Der 30. Januar.........................................................................................................................130 Rück- und Ausblick.................................................................................................................... 131

Was sagt die Entwicklungsforschung Von den drei Hauptfaktoren des erziehlichen Unterrichts: Entwicklungsstufe des Kindes, Eigenart des Lehrers, Eigengesetzlichkeit des Stoffes, fand bisher der Faktor dritter Größenordnung, die Eigengesetzlichkeit des Stoffes, die weitestgehende Beachtung. Der Faktor erster Ordnung, die Entwicklungsstufe des Kindes, wurde in Bausch und Bogen genommen. Nun steht aber gerade die gegebene Entwicklungsstufe in einem besonderen Verhältnis zu den beiden anderen Faktoren und zwar erfährt sie diese Uberordnung dadurch, daß die Förderung der Entwicklung das Ziel der unterrichtlichen Bemühung ist. Gewiß verdienen auch die beiden untergeordneten Faktoren sorgfältigste Beachtung, aber stets in der Abhängigkeit vom dominierenden Faktor. Dr. Albert Huth gibt (Bayerische Lehrerzeitung 1936) über den Stand der gegen­ wärtigen Entwicklungsforschung einen Überblick, welchem wir entnehmen: Tumlirz: „5.-7. Lebensjahr: Eine starke Wendung von innen nach außen, von der schrankenlosen Ichbezogenheit auf Sachliches." Oswald Kroh: „4.-7. Lebensjahr: Entfaltung ... 8.-10. Lebensjahr: Eroberung der realen Umwelt..." (Die Zusammenfassung in diese beiden Überschriften von Huth.) Huth: „6. Lebensjahr: Vorbereitung des Schulalters." - „Das Kind ist also im 6.-7. Lebensjahr noch nicht „schulreif" im Sinne der Volksschule." Aber diese Gesichtspunkte, lediglich aus der Forschung anderer geholt, würden hier, wo es sich um flutendes Leben handelt, hundertprozentigen Mechanismus er­ geben. Das Buch hat ja nur den Blick zu schärfen und die Beurteilung zu berichtigen. Die eigene Beobachtung bleibt das Wirkende. Was sagen uns die eigenen Beobachtungen? Daß das Kind, das von der Kinder­ stube her zur Schule kommt, ebensowenig wie der primitive Mensch sachlich eingestellt ist, sondern höchst unsachlich. Die Phantasie ist Dominante im Seelenleben. Beide, Kind und primitiver Mensch, müssen erst zur Sachlichkeit heranreifen. Es ist durchaus nicht so, daß mit dem Überschreiten der Schulschwelle aus dem phantasiebetonten Kind der Kinderstube schon der sachlich eingestellte Schüler geworden wäre. Ist wohl für den Schuleintritt der Zeitpunkt nicht richtig gewählt? Der Zeit­ punkt dieses Überganges von Phantasiebetontheit zu sachlicher Einstellung wird von der Forschung verschieden angesetzt. Individuelle Unterschiede können sich, da doch Tausende von Untersuchungen zugrunde liegen (bei Huth z. B. 80000), in den Ab­ weichungen der Ergebnisse nicht auswirken. Wohl aber kann die Verschiedenartigkeit der Volksstämme - es ist an Rasse zu denken - hereinspielen. Doch einhellig ergibt sich, daß dieser Entwicklungsübergang um das 6. und 7. Lebensjahr herum sich be­ sonders ausdrückt. Wichtig ist nun der Vergleich siebenjähriger, vom Schuleintritt wegen Krankheit, Schwächlichkeit, wegen noch nicht ganz erreichten Mindestalters abgehaltener Kinder

1. mit ebenfalls siebenjährigen Kindern, welche aber schon ein Jahr die Beeinflussung der Schule erfahren haben, und 2. mit sechsjährig eintretenden Kindern. Er zeigt, daß auch das siebenjährige Kind noch phantasiebetont ist. Daß die Entwicklung ohne fördernde Be­ einflussung durch die Schule, durch ein besonders interessiertes und auch erziehungskun­ diges Elternhaus, rein nach der Wachstumsgesetzmäßigkeit, sehr langsam fortschreitet. Einwandfrei läßt sich sagen: Solange das Kind seine schulfreie Zeit noch ausschließ­ lich mit Spielen füllt, ist es bestimmt phantasiebetont. Greift der Bub zum Werk­ zeugkasten, bereiten dem Mädchen Hilfereichungen beim Geschirreinigen usw. mehr Befriedigung als das Spiel mit der Puppenküche, dann ist die Wende eingetreten. Wir wissen, wie weit das Spielalter, auch wenn es schon im Abnehmen ist, sich in das Schulalter hineinerstreckt. Auch das Spiel mit Hammer und Säge und Bohrer leitet noch die Phantasie, es ist eben noch Spiel. Aber die sachliche Einstellung beginnt sich zu regen. Sie entwickelt sich zusehends, aber noch lange wird das Spiel in die sachliche Einstellung hinein beibehalten. Die Seele des Kindes fühlt sich ja nirgends so daheim wie im Spiel, im Bereich seiner Phantasie. Die Gegebenheit des Schuleintritts ist somit: phantasiebetont kommt das Kind zu uns. Den Wirklichkeitssinn in seinem Keimen zu unterstützen, ist die Aufgabe des Erstunterrichts. Nicht aber, eine nach alter Gewohnheit dem Sachunterricht zuliebe erwünschte, aber noch nicht gegebene Entwicklungsstufe vorauszusetzen. Ob wir das Kind selbständig zur Analyse kommen lassen oder es hinleiten, ist eine ganz untergeordnete Frage. Man hat darüber die Entwicklungsstufe des Kindes übersehen und mit Sachunterricht eingesetzt, als wäre über sachliche oder nicht-sachliche Ein­ stellung des schuleintretenden Kindes kein Wort zu verlieren, oder - als gäbe es keine andere Möglichkeit als Beginn mit Sachunterricht. Tatsächlich ist etwa ein Zehntel dem Durchschnitt der Klasse um eine Entwicklungs­ stufe voraus, ist somit schon merklich sachlich eingestellt. Diese Kinder werden nicht nur die Wortführer, sondern auch die Träger der eigentlichen Leistungen, ihre Beiträge allein fördern den Unterrichtsfortschritt, während die Beiträge der übrigen hemmen, stets abseits liegen. Gerade die neun Zehntel aber bedürfen der Hebammenkunst des Lehrers. Man versucht die Entfremdung, welche der unvermittelte Sachunterricht zwangs­ läufig herbeiführt, durch allerlei Mittelchen wettzumachen, klagt infolge der Unzulänglich­ keit dieser Mittelchen über die Nervenaufreibung der ersten Monate und bleibt schließlich mit den Worten „Sind halt noch rechte Kinder!" hart vor der Erkenntnis stehen. Nein, nein, das Kind, das vor uns sitzt zum ersten Male, es will noch keine Sache. Zum Einbeziehen in sein Phantasiebereich, ja! aber gewiß nicht im Sinne des Sachunterrichts. Es verlangt nur eines: aus dem Daheimsein in seiner Phantasie nicht gerissen zu werden. Gebt dem Kinde Zeit zum Wachsen, blättert doch eine Knospe nicht auf! sagt man und — beginnt mit Sachunterricht. Und zwar mit einem Unterricht, der die Phantasie des Kindes unterdrückt wie etwas Ungesundes, wie einen wilden Trieb, wie etwas, was nicht in der Linie normaler Entwicklung liegt. Wie lange soll dann die Phantasiebetontheit des Unterrichts anhalten? Ebenso wie der Zeitpunkt ist auch das Zeitmaß dieses Überganges nicht für alle Fälle festliegend. Wer zeitlebens phantasiebetont bleiben wird, den wird seine Entwicklung wenig zur Sachlichkeit drängen; wem einmal die nüchterne Überlegung, die Kälte bis ins Herz hinein auf die Stirne geschrieben sein wird, der wird auch früh zur Sachlichkeit durch-

stoßen. Die Keimkraft des Wirklichkeitssinnes ist aber auch hinsichtlich des Zeitmaßes nicht nur individuell verschieden. Der bewegliche, lebhafte Rheinländer wird diesen Durchbruch rascher vollziehen als das nachhaltige, aber auch langsamere Kind des Bayerischen Waldes. Dort mag sachliche Einstellung (des Klassendurchschnitts) schon zur Kirschenzeit erreicht sein, hier wird sie vielleicht erst mit der Wiederkehr der Stare nach langer Winterszeit erfolgen. Doch - sie muß abgewartet werden. Späte Ent­ wicklung bedeutet ja nicht Rückständigkeit für das Leben, übertrifft in der späteren Auswirkung oft die frühe Entwicklung. Daß es sich um Entwicklungsverschiedenartigkeit handelt, muß erkannt sein oder die Beeinflussung der Schule artet in Forcierung aus. Worin besteht denn die Beeinflussung, die Förderung des Entwicklungsganges durch die Schule? Doch nicht darin, daß wir „bildungsbeflissen" stets nach noch nicht gegebenen Entwicklungsstufen zerren, das Kind aus dem Gleichmaß des Wachstums bringen, daß wir seine innere Wandlung stören statt unterstützen! Wohl aber darin, daß wir die gegebene Dominante des Seelischen ansprechen, zur Reife bringen und damit die Weiterleitung des Wachstums betreiben. Wir fördern doch auch ein Organ des Körpers nicht durch Beanspruchung über die gegebene Entwicklung hinaus, sondern durch weise Anpassung. Nehmen wir das Kind, wie es ist, als Kind! Und warten wir, bis aus ihm der „Schüler" wird! Daß die Beachtung der tatsächlichen Gegebenheit nicht Zeitverbrauch, sondern Zeiteinsparung bedeutet, soll der Arbeitsweg selbst ausweisen. Gliedern wir nun den Unterricht nach Entwicklungsstufen, dann steht allerdings das Schuljahr, dem Rhythmus des Kalenders angepaßt, im Widerspruch dazu. Spielt auch der Jahresverlauf in die Entwicklung herein, im wesentlichen folgt ja die Ent­ wicklung eigenem Rhythmus. Doch was schadet es, daß das Schuljahr eine mechanische Einteilung ist? Die Gebundenheit an den Jahresrhythmus ist nicht nur geradezu unvermeidlich, sondern auch wohltuend. Wesentlich aber ist, daß der Lehrplan des Erstunterrichts Gliederung nach Ent­ wicklungsstufen bedeutet, aus dem Mechanismus einer Stoffverteilung herausge­ nommen wird. Er ist ja als Stoffverteilung im Erstunterricht gar nicht möglich; denn Erstunterricht ist Gelegenheitsunterricht. Zum Gelegenheitsunterricht be­ fähigt uns aber nicht die im Jahre einmalige Tätigkeit, durch Jahrzehnte hindurch­ geschleppte Themen zum x.Male auf zehn Monate zu verteilen, sondern die fort­ währende Auseinandersetzung mit den Gegebenheiten, und zwar mit allen. Nur diese Auseinandersetzung verschafft das Gerüstetsein, um Gelegenheiten erkennen und sofort meistern zu können. Der weitere Plan wird dann nicht heißen: das zweite, das dritte Schuljahr usw. sondern: die Grundschule als Weg von der Beobachtung zur Erkenntnis. Und wieder ist die Aufgabe: durch „Reifung" der gegebenen Dominante des Seelischen die Weiter­ leitung des Wachstums zu betreiben. Die Beobachtungsfähigkeit zu einer relativen Höchstmöglichkeit zu fördern, wird somit Aufgabe der Grundschule; die Anbahnung der Abstraktion, während der vorherrschenden Beobachtungspflege schon beginnend mit Einsicht, welche kaum mehr ist als Überblick, wird die Abgrenzung, besser gesagt, Überleitung zur Stufe der Anbahnung der Zusammenschau sein. Nicht daß Abstrak-

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tion, Zusammenschau im Unterricht auftritt, sondern daß davon aus die Anordnung des Stoffes getroffen wird, ist das Bezeichnende. Diese Absteckung des Planes von der Psychologie, vom Kinde her statt vom Stoff, verkennt keineswegs die Bedeutung der Eigengesetzlichkeit des Stoffes, rückt sie ledig­ lich auf die ihr zustehende Stelle. Auch können die Bezeichnungen: Weg vom Erlebnis zur Beobachtung, von der Beobachtung zu Erkenntnis und Zusammenschau nicht als einseitige Verstandeskultur mißdeutet werden, sie sind ja nur als Stufen des unterrichtlichen Geschehens gegeben, nach der Dominante des Seelenlebens, welche für die unterrichtliche Förderung jeweils maßgebend wird. Schon der Ausdruck Dominante läßt auch andere Kräfte noch mitdenken. Die Kräfte, welche die vorhergehende Ent­ wicklung trugen, sind ja nicht geschwunden, nur neben- oder untergeordnet worden. Im Stamm lebt noch der zarte Trieb, der die Keimblätter zur Sonne hob, die Rute, welche die ersten Äste reckte, und nie kann sich die Krone ohne Schaden auf Kosten des Stammes breit machen. Der Reichtum des Wachstums wird sich somit ausweisen in Lebendigkeit der Phantasie, Gewecktheit der Sinne, Geschicklichkeit der Hände, als Organe des Geistes gedacht, das Ganze gespeist aus der Kraft- und Gesundheitsquelle des Körpers, ge­ leitet von einem in harter Zucht stehenden Willen. Und diese Einordnung des Unter» richtlicheu in das Erziehliche führt uns zum allumfassenden Ziel: Einordnung der Einzelentwicklung in den Dienst der Gemeinschaft. Der Plan von der Psychologie her läßt sich aber nur verwirklichen, wenn ein stetes Fragen erfolgt: wo steht nun das Kind? Wie das Experiment hat auch der Unter­ richt zu fragen: wie reagiert die Klasse? So wird der Unterricht zugleich zum „Ver­ such"; ja, ins Leben eingespannt, vermag er nicht selten dem Leben näher zu kommen als die Isolierzelle des Experiments. Dadurch, daß dem Erstunterricht als Aufgabe zufällt, das Keimen des Wirklich­ keitssinnes zu fördern, wird er zu einer Art Vorschule, welche dem folgenden Unter­ richt nicht so sehr Kenntnisse und Fertigkeiten bereitzustellen hat als aus dem Kind der Kinderstube den Schüler zu bilden. Huth führt an: „Der Mensch wird endgültig geboren, wenn er sieben Jahre alt ist!" Der Unterton des Wortes Vorschule mag da und dort eine Nichtvollwertigkeit des Erstunterrichts gegenüber den übrigen Unterrichtsabschnitten heraushören lassen. Aber gewiß nur dort, wo man die verstandesmäßige Stoffbearbeitung als den Unter­ richt betrachtet und das Nachtasten nach der Entwicklung des Kindes nicht ahnt. Aber welche Bewandtnis hat es eigentlich mit der Phantasie des Sechsjährigen? Was kann bei ihrer Berücksichtigung schon herauskommen? Wer die Frage stellt, wem die Phantasie des Sechsjährigen so fremd ist, wem zwischen Phantasie und Phantasterei keine Grenze sichtbar wird - bei dem spricht die Eigenart des Lehrers nicht dafür, daß die Grundschule (Erstunterricht und Grundschule können ja nur in einer Hand gedacht werden), sein Arbeitsgebiet ist. Wozu noch länger theoretisieren? Die Schultüre geht auf. Sie kommen! Funkelnde Augen, deren Blicke schwer aus einer inneren Welt sich losringen. Augen, wie aus Runges Kinderbildnissen, Augen, in deren Blick die Seele in ihrer Plötzlichkeit getreten ist, erstaunt vor der Welt steht und keine Brücke in diese Fremdheit findet.

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Komm herein, Kind, wie du bist! D,--------sagt Heinrich Pestalozzi: alles Lernen wäre keinen Heller wert, wenn Mut und Freude dabei verlorengingen! 2B. Schäfer,

So, Kinder, jetzt schicken wir die Mama heim. Winkt ihr noch nach! Mama, koch uns was Gutes, wir müssen fest lernen! Und einen schönen Gruß an Papa! Nun gilt es aber, die Herzen der Kleinen im Sturm zu erobern. Zum erstenmal sitzen sie vor mir. Unser Lehrer! Welche Erwartung lag seit Monaten in diesen zwei Worten! Nein, nun kann es nicht damit getan sein, daß ich die Kinder in den Hos führe und sage: So, lernt euch kennen! Das wäre ja wieder bloß Kindergarten. Nein, zuerst muß zwischen Kindern und Lehrer Herz zu Herz gefunden haben. Doch wie finde ich den Weg zu euch, Kinder? Euere Augen dürsten nach Farbig­ keit und euer Herz will Wagemut und ein bißchen Bangen und viel, viel Fröhlichkeit. Aber die Wirklichkeit ist euch ein Nichts. Ihr lebt noch nicht in den Dingen. Nur was euere Phantasie die Dinge gelten läßt, ist euch Wahrheit. Nicht einmal in den tat­ sächlichen Beziehungen zu den Dingen lebt ihr. Was ist euch Erleben? Nur ein Sichselbsterleben. Wie die Heuhupfer springt ihr von Erlebnis zu Erlebnis. Was euch nicht Erlebnis wird, ist für euch nicht da. Mein Wort, mein Tun, unser gemeinsames Tun muß euch Erlebnis werden oder - es wird euch nicht beeinflussen. Der Luft Gestalt geben zu wollen wäre mein Bemühen. Was euch Erlebnis ist, das muß ich selbst zuerst euch ablauschen, ich darf nicht auf das Marktgeschrei vom Erlebnisunterricht hören. Eine kleine Sache, dem Erwachsenen ein Nichts, kann euch Erlebnis sein. Daß euere Phantasie sich daran entzündet, daß sie diese Sache gleichsam aus dem Gefüge der Welt herausnimmt und ihrer Selbst­ herrlichkeit unterordnet, ist euer Erleben. Komm herein, Kind, wie du bist! Dein vielgerühmtes Paradies schafft nur deine Phantasie. Ich will nicht die Blumen aus deinem Garten reißen um Kohl zu bauen. Wir wollen uns dieser Farbenpracht freuen und uns ihr hingeben, bis die Natur uns einen Wink gibt, daß die Welt mehr als Farbenpracht und unser Wille mehr als Aben­ teuerlust ist. Aber bis dahin sei die Schule deiner Phantasie nichts anderes als Neu­ land; dann ist sie auch, was sie ihrer Bestimmung nach sein soll, das Kinderland. Mit der Macht des Föhnwindes soll mein erstes Wort das Eis der Fremdheit brechen. Einen Dichter suche ich, der bei aller Einfachheit Kinder, die noch nicht der Sammlung fähig sind, doch mitzureißen vermag. Ja, Gustav Falke, dir waren auch die geheimen Wünsche des Kinderherzens vertraut. Aber es ist nicht damit getan, deine knapp geschürzten Verse in lockerer gebundene Prosa aufzulösen, ttun liegt es an mir, fein auf den Ton unserer Heimat abzustimmen.

Da muß ich zuerst dich, lieber Peter, ehe du deine Reise antrittst, in einen Rudi umtaufen; du sollst uns noch viele Abenteuer bestehen und darum lasse ich auch lese­ technische Rücksichten bei der Wahl deines neuen Namens maßgebend sein; außerdem gehört Rudi zu den häufigsten Namen meiner Klasse. Kinder, da war einmal ein Bub, gerade so groß wie ihr. Er hat Rudi geheißen. Einmal ist er ganz allein zuhaus gewesen. Da weiß er gar nicht recht, was er spielen soll. Mit dem Baukasten mag er nicht spielen und mit seinen Soldaten auch nicht. Er schaut so im Zimmer rum - ja, was ist denn da auf dem Kasten! Das alte Kofferl von der Großmama. Was ist denn da drin? Er schiebt einen Stuhl an den Kasten, steigt hinauf und muß sich jetzt noch ordentlich strecken. - Kinder, die Bank ist euer Stuhl! Steigt hinauf, damit ihr's Kofferl erwischt! - So, wir haben's schon. Was ist drinnen? Nichts, gar nichts. Aber wenn man ein Kofferl in der Hand hat, muß man auch fortreisen. Also, Kofferl packen! Hosentaschen ausleeren, Schusser, Schnürln, Gummiringerln, alles ins Kofferl! So - und jetzt? - Die ersten Stimmen durchbrechen die Schüchternheit, jedes Kind fühlt sich ja als Held der Geschichte und „vergißt" sich. Auf' Bahn! rufen einige. Ja, der Zug steht schon da. Sch sch sch sch setzt die ganze Kinderschar ein, hat kaum ein Vorwitziger damit angefangen, und läßt die Kolben­ stangen vor- und zurückstoßen und auch den zwei Burschen, die bis jetzt noch der Mutter nachgeweint haben, leuchtet ein Lachen durch die Tränen. - O! läßt der Zug Dampf aus! - Die erste „Mitteilung" kommt: Amal hat a Zug a soviel Dampf auslassen. Und dann pfeift der Zug. Wir pfeifen aus Leibeskräften. Das will nun gar kein Ende nehmen. Halt, Kinder, der Rudi muß ja einsteigen. Aber schnell, Rudi, gleich fährt der Zug ab. Schnell! Hoppla, da steht ein Mann mit einer blauen Mütze und mit einem großen Schnurrbart und mit einem schiefen Zwicker auf der Nase und fährt den Rudi an: Fahrkarte! Der Rudi hat doch keine Fahrkarte. Da muß er eben eine kaufen. Wir greifen in alle Taschen, stülpen jede um, Brotbröseln, wieder Brotbröseln, aber kein Pfennig Geld. Sch sch sch sch der Zug fährt ab und Rudi steht da und macht ein Gesicht, so lang -! Er mag nicht mehr dem dummen Zug nachschauen. Er geht vor die Häuser, wo die Wiesen und Felder sind und geht einfach zu Fuß. Er braucht gar keinen Zug. Stolz marschiert er mit seinem Kofferl dahin. Was ist denn das, was da mit seinen zwei Hörnern auf ihn losgeht? Und ein ganzes Schneckenhaus trägt es auf dem Rücken? - Ja, ein Schneck! Der Rudi fürchtet sich gar nicht vor seinen Hörnern, er nimmt sein Schnür! aus dem Kofferl und bindet es dem Schneck an die Hörner, dann sucht er sich noch eine schöne Peitsche und setzt sich einfach auf. Hopp, Buben, setzt euch aufs Schneckenhäusl, Zügel in die Hand: Wirrr-wirrr! Schneck, willst laufen! Hopp hopp, Galopp galopp! (Die Kinder reiten in ihren Bänken wie Peer Gynt auf seinem Schemel.) Ah, der Schneck kommt ja nicht vom Platz. Ich mag nimmer! - Ich auch nimmer! Was läuft denn da mit so einem langen Schwänzchen und will gerade in ein Mausloch schlüpfen? - Wer kann denn besser springen, die Maus oder der Schneck? O, kann die Maus laufen! Wir lassen unsere Hand als Mäuschen über die Bank krabbeln. Rudi reitet auf der Maus. Ja, das ist ein Pferdlein! Da darf er Obacht geben, daß er nicht herabfällt. Die Buben reiten tollkühn in den Bänken. Aber da sitzt wer hinterm Hollerbusch! unterbreche ich die laute Lustigkeit mit einer Stimme, die vor Schrecken und Bangen gar nicht mehr angehen will. Wer lauert

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uns da auf? Ganz geduckt. Mit grünen Augen. Die leuchten wie Feuer. Und mit Krallen wie lauter Messer. Die Katz ist's. Die Katz! Schaut nur ihr Gesicht an ! Komm nur ein bissel näher, lustigs Mäusl, denkt sie sich, komm nur näher! Und da macht sie schon einen Sprung aber 's Mäusl macht auch einen Sprung - Buben, hopp, einen Sprung! 's Mäusl ist schon im Mausloch. Habt ihr schon einmal ein Mausloch gesehen? Ja, so groß ist's. Drum ist der Rudi gerade mit dem Kopf stecken blieben. Helft ihm doch raus! Ruck - da steht er ja! Pfui pfui! sagt er und spuckt die Erde aus dem Mund, auf einer Maus mag ich nimmer reiten. Da fliegt ihm ein Schwalberl gerade zwischen die Füß. Er darf sich nur nieder­ setzen und schon geht's dahin. Zuerst übers Hausdach - ah, Buben, da können wir jetzt in den Kamin hinunterschauen! ist's da schwarz! - dann über den Kirchturm so schaut doch auf, Buben, ihr bleibt ja mit der Hosen an der Kirchturmspitz hängen! - uu! noch höher - wird euch noch nicht schwindlig? - ah noch höher, über die Wolken hinaus, jetzt sind wir gleich oben beim lieben Gott. Was hat denn auf einmal unser Schwalberl, das fliegt ja auf und nieder und hin und her, daß man sich kaum mehr halten kann! Was hat es nur? Ach eine Fliege will es fangen und die Fliege will sich nicht fangen lassen. Und wie die Fliege sich gar nimmer auskennt und gar nimmer weiß, was sie tun soll, da macht sie schnell einen Purzelbaum, aber das Schwalberl macht gerade so schnell einen Purzelbaum und - wir lassen von ganz oben die Hände herabklatschen auf den Tisch - rrrums - bums! Rudi fällt herunter. Alle Kinder klat­ schen auf den Tisch, denn an meinem Schmunzeln erkannten sie schon, daß es gar nicht so gefährlich sein kann. Nein, der Rudi ist nicht tot. Er ist bloß aus dem Bett gefallen. Alles hat er bloß geträumt, vom Koffert und vom Zug und vom Schneck und vom Mäuserl und vom Schwalberl. Aber da steht schon die Mutter und sagt: Rudi, du kommst ja zu spät zur Schule. Und in der Schule fragt schon der Lehrer: Wo ist Hans? Wo ist Karl? Wo ist Walter? Alle sind da. Aber wie der Lehrer fragt: Wo ist Rudi? da rührt sich nichts und wie er auf den Platz hinsieht, ist der Platz leer. Der Rudi aber zieht schnell sein Schaukelpferd aus dem Winkel, schwingt sich hinauf und setzt dem Pserdlein die Sporen ein, daß es nur so durch die Straßen saust. Und wie der Lehrer zum zweitenmal fragt: Wo ist Rudi? kommt er gerade zur Tür herein. Ich drehe die Tafel um. Fragt keines der Kinder, spreche ich auch kein Wort zum Bild. In den schüchtern einander zugeflüsterten Bewunderungen „Wie der reit't!" - „Wie der d'Sporn neinsetzt, daß 's Blut rausspritzt!" ist Erleben; mein Fragen würde es nicht steigern, sondern es aus den Worten treiben und mir die Worte als Hülle lassen. Nun aber in den Hof. Und sieh! die Kinder finden sich nicht zufällig zusammen­ gewürfelt, sie begegnen einander in der Gemeinsamkeit des ersten Schulerlebnisses. Nun soll sich Kameradschaft anbahnen. Die Nachahmungsübungen - Krabbeln, Fliegen, Strecken, große Schritte zur Bahn, Reiten, Stoßen der Kolbenstangen und das Katz- und Mausspiel, alles wird verschoben auf die folgenden Tage, nun soll ganz ungestört Kind zu Kind finden.

Kommen wir wieder zusammen, fingen wir: In der Kutsche fahren wir und aus der Schnecke reiten wir ri ra rutsch wir fahren in der Kutsch! Und dann:------ aus dem Mäuschen reiten wir ------ auf dem Sch Wäldchen reiten wir ------ aus dem Bettchen fallen wir ri ra rutsch — die Kutsche hat ein Loch wir fahren aber doch! Das ist unsere Nacherzählung. Und dann greifen wir hinein in die Geschichte und überall tut sich uns das Leben auf. Nur um Gotteswillen noch nicht die Nacher­ zählung der nur technisch eingestellten Schule, die diese flatternden Dinger, die man kaum berühren darf, schon ist der Duft weg, tötet und in ihrer Sammelwut aufsperlt. „Nicht aus dem Gedächtnis, sondern aus den Gedanken", sagt Pestalozzi. Nein, nicht die Nacherzählung, die nur Sprachschulung sein soll, wobei unter Sprachschulung meist nur Wortmacherei gedacht ist. Sie wäre uns aber auch als Ausdruck des Ge­ dankens zu wenig. Ist denn Sprache Ausdruck nur des Gedankens? Ist sie nicht Aus­ druck des ganzen Menschen, seines Fühlens und Wollens, seines Mutes und seiner Kraft? Nicht nacherzählen, nein, nacherleben! Jede Schulfrage würde wie ein Tropfen ätzender, widerlicher Flüssigkeit zer­ störend hineinfallen. Diese Scheinfrage, auf die ein Schulneuling, der das Herz auf dem rechten Fleck hat, antwortet: das weißt ja eh' schon! Als drängte nicht das, was das Leben in uns bewirkte, zur Mitteilung. Es will ja nicht als etwas Totes in uns ruhen, es will weiter wirken von Mensch zu Mensch. Das ist der Sinn des Erlebnisses, daß es, uns gestaltend, Brücke zugleich wird zwischen Mensch und Mensch. Freilich die Mitteilungen des Kindes sind nur Bruchstücke; das Ganze lebt in ihm, unaus­ gesprochen. Darnach frage ich. Und meinem ungeheuchelten Interesse, meinem Mit­ leben antwortet das Kind ganz anders als den Hintergedanken des Unterrichters. Nicht einmal die zeitliche Folge spielt diesem Alter eine Rolle, nur die Nähe, das Wiederaufleben eines eigenen Erlebnisses und wenn es auch nur ein Wunscherlebnis der Phantasie ist, hebt Geschehnisse der Geschichte heraus und nimmt, auch ohne Nacherzählen, davon Besitz. Ich beginne: „Einmal lese ich immer noch, es ist schon lange Nacht und alle andern schlafen schon. Da höre ich was rascheln. Ich schaue über mein Buch hinaus. Sitzt da neben der Standuhr ein Mäuserl und schaut mir gerade ins Gesicht —." Flugs sind wir in nicht endenwollenden Mäusegeschichten; sie be­ stehen wohl aus einförmigen Wiederholungen, doch sind sie ein Mitteilen und deshalb dränge ich nicht davon ab. Mit einem eigenen Erlebnis habe ich sie eingeleitet, die Schulfrage war ganz entbehrlich, und nun, um ihre Eintönigkeit, die sie nicht für mich, wohl aber für die zuhörenden Kameraden haben, zu unterbrechen, flechte ich meine Erlebnisse unter die Erlebnisse der Kinder und so flechte ich mich in ihre Zusammen­ gehörigkeit. Der Übergang zum Sachunterricht liegt nahe. Und doch unterlasse ich es, das Thema Maus ganz abzuhaspeln, jetzt schon zur Vorstellungsnüchternheit, zur Sach­ lichkeit zu drängen. Ich kann nicht mit Sachunterricht beginnen, ich muß zu ihm erst hinleiten.

Rudi. Ja, unbarmherzig setzt Rudi seinem Schaukelpferd die Sporen ein, daß das Blut spritzt. - Sprunghaft, wie das Kind denkt, schwingen wir uns von Höhepunkt des Er­ lebens zu Höhepunkt. - Der Rudi kann nicht anders, was kann er dafür, daß er von den Wolken herabgefallen ist! Aber er will nicht zu spät kommen. Der Lehrer fragt schon: Wo ist Hans? Wo ist Karl? Wo ist Walter? Das wollen wir jetzt spielen. Ein Bub ist der Lehrer und fragt, ob alle Kinder da sind. Der Kasperl fragt auch: Seid ihr alle da? und die Kinder schreien: Ja! Aber der Lehrer muß das ganz genau wissen, ob nicht doch ein Bub im Bett liegen geblieben ist und muß nach jedem Buben besonders fragen. Also: Wo ist Hans? Ja, da stehen gleich so viele auf! Was, jeder von euch heißt Hans? Raus mit euch, damit wir euch gut zählen können. Das wollen wir doch wissen, wieviel Hans heißen. 4 Hans! So finden wir, daß wir 6 Josef, 5 Rudi, 4 Hans, 3 Karl, 2 Günter, 2 Richard, 2 Robert haben. Alle übrigen Namen sind nur einmal da. Wir kontrollieren öfter, ob die Rudi oder Karl alle da sind. Alle Rudi raus zum Abzählen! Alle Walter raus! Halt, da fehlt ein Walter. Ja, das dürfen wir nicht vergessen. Seinen Namen lege ich gleich an die Tafel:

Walter Und ihr legt seinen Namen in euerem Lesekasten auch, dann werden wir ihn gewiß nicht vergessen. Die Kinder haben keine Worttafel und müssen das, was als Ganzes im Lesekasten des Lehrers aufgetreten ist, aus einzelnen Zeichen zusammen­ setzen. Damit ist die Zusammensetzbarkeit und Zerlegbarkeit eines Ganzen wenigstens im Gefühl schon gegeben. Das Heraussuchen der Buchstaben veranlaßt die Kinder, sich diese Zeichen einmal genau anzusehen. Dauert aber nicht lange, dann geht es an: „Meinen Namen auch!" Selbstverständlich. Natürlich prägt sich jedes Kind nur seinen Namen ein. Lege ich dann auch, wie der Lehrer fragt

wo ist fjcms wo ist Hubt wo ist Karl so rufe ich eben vorerst für jedes Sätzchen den entsprechenden Nanrensträger. Und auch das nicht von heute auf morgen. So gewiß das Kind nicht sechsjährig bleiben soll, soll es auch nicht beim Erleben in der Phantasie festgehalten werden. Aber jetzt ist es sechsjährig. Das Wort Anschauungsunterricht war ein Protest. Längst schon bedeutet es Überwindung des Unterrichtsbetriebes, die Dinge nicht aus der Welt der Dinge sondern aus dem Buch, aus dem Leitfaden kennenzulernen. Inzwischen aber ist diese Prägung „Anschauungsunterricht" auch zu einer Gefahr geworden. Ja, insofern, als die Betonung der Tätigkeit des Anschauens (auch im weiteren Sinne) dazu ver­ führt, den Sachunterricht vom Schuleintritt des Kindes an bis zum Einsatz des in mehrere Fächer aufgeteilten Realienunterrichts als stets dieselbe Aufgabe anzusehen.

Ist uns die Sache Ziel, dann fragen wir nicht in erster Linie darnach, ob wir sie sinnes-, verstandesmäßig erfassen, von außen an das Ding herangehen, oder ob wir von den Brunnen unseres Seins heraus uns in das Wesen der Sache, in ihr Inneres hineinleben; daß wir von der Sache Besitz ergreifen, ist das Entscheidende. Die Naturnähe, die einst Völker nicht zur Technik, wohl aber zum Mythus kommen ließ, ist auch des Kindes Vertrautheit mit dem Wesen der Dinge, nicht verstandesmäßig, sondern rein das auf Du-und-Du-stehen mit Tier und Kraut und jeglichem Ding. Das sechsjährige Kind dient nicht dem Ding wie der Erwachsene, es geht nicht um das Ding herum, nein, es geht selbstherrlich mit dem Ding um, seine Phantasie gibt den Dingen Wert und Bedeutung, in seinem „Der Stecken soll jetzt ein Gewehr sein!" überträgt es das Wesen eines Dinges in ein anderes. Was das Ding wirklich ist, gilt ihm nichts; erst in der Umdeutung seiner Phantasie kann es seiner Welt an­ gehören. Der Stecken, der ein Gewehr sein soll, ist ihm echter als das Gewehr des Soldaten. Mit dem Stecken, der etwas sein soll, kann es weiter bauen in seinem Leben von innen heraus, das wirkliche Gewehr kann es nur anstaunen. In dieser Einstellung kommt das Kind zu uns. Unser Anschauungsunterricht aber drängt ihm das Ding in seiner Nüchternheit und Nacktheit, in seiner Sachlichkeit auf. Er duldet nicht, daß ein Ding etwas anderes sein soll, daß eine Kraft aus dem Innersten des Kindes heraus mit darein redet. Er kann mit einem Ding nichts anfangen, soll es nicht auf Beschaffenheit und Zweckmäßigkeit untersucht werden. Das Kind des Erstunterrichts aber kann nicht anders als es muß: es bleibt dem Anschauungsunterricht nicht bei der „Sache", seine Aufmerksamkeit zerflattert im Augen­ blick, es müssen immer wieder Mittel und Mittelchen, besonders Kurzatmigkeit des Unterrichts aufgeboten werden, um noch einigermaßen an ein Ziel zu kommen, ehe das Kind völlig versagt. Nein, wir wollen die Dinge noch nicht zur Hand nehmen, sie sind uns vorerst nur Staffage. Und nicht die Phantasie des Lehrers, von seiner Reife bevormundet, sondern die Leichtbeschwingtheit der Phantasie des Sechsjährigen soll damit walten. Von Ermüden und Zerflattern ist sobald keine Rede. Wer im Kinde nur den „Schüler" sieht, im Schüler nur das Objekt, das nun mit allem Raffinement und aller Kurzsichtigkeit über Entwicklungsstufen hinweggeschleift werden soll, kennt nur die Selbsttätigkeit des Kindes im Bereiche der verstandesmäßigen Erfassung. Man belausche spielende sechsjährige Kinder, ohne sie in ihrer völligen Unbefangenheit zu stören, immerfort ist zu hören: das soll nun ein Gewehr, das soll eine Puppe sein, und der soll nun das tun und jetzt das. Dabei geht dies „soll sein" und „soll tun" fast stets auf einen ulkigen Einfall hinaus. Darin, in dieser selbstherr­ lichen Bestimmung, haben wir die Selbsttätigkeit des Sechsjährigen. Ja, aber der Schulbeginn, wirft man ein, schließt doch das phantasiebetonte Tun des Kindes ab und setzt an Stelle des Spiels die verstandesmäßige, planmäßige Be­ schäftigung, die Arbeit. Nein, der Schulbeginn ist, da nun einmal natürliche Entwicklung keine Sprünge kennt, nicht Ersetzen sondern Überleiten. „Das soll nun Rudi heißen!" liegt dieses erste Lesen nicht ganz in der Richtung des „Das soll nun ein Gewehr sein!" Die Notwendigkeit aber, stets bei der einmal angenommenen Deutung der Zeichen zu bleiben, ist Hinleitung zur Arbeit.

Josef bereitet wegen der Vielheit der Rufnamen: Pepi, Peperl, Sepp, Sepperl Schwierigkeiten. Einmal bringe ich diesen Namen, damit auch die Josef ihre Freude haben, aber für die spätere Auswahl werden lesetechnische Gründe entscheiden. Doch: wo ist Rudi - das kann jedes Kind lesen. Ja, der Rudi! Es genügt aber noch nicht, der Rudi ist trotz allem noch zu papieren. An ihm sollen die Kinder noch sehen, was ein ganzer Kerl ist.

Sie wollen den Osterhasen sehen. Kinder, das war gerade am Ostertag, da wird der Rudi wach und es ist schon ganz hell. Denkt er sich, heut kommt doch der Osterhas in unsern Garten und legt uns die schönen Eier ins Nest, rote, grüne, blaue und gelbe. Vielleicht ist er gerade jetzt da? Wenn ich nun schnell hinuntersause, dann könnt ich ihn noch sehen, das wär noch viel schöner als mit den Eiern spielen. Hans! ruft er zum Gitterbetterl hinüber, Hans, der Osterhas ist in unserm Garten! Raus und nunter über die Stiege. Resi guckt gerade zur Tür heraus, wer denn da so poltert. „Resi, der Osterhas ist in unserm Garten!" Saust die Resi auch gleich mit. Raus in den Garten! St, st! macht Rudi, ihr dürft doch nicht so wild daher­ kommen, ihr verjagt ihn ja. Nun schleichen sie wie die Katz (ich ahme das Schleichen nach), der Rudi voran, dann der Hans, hintennach die Resi und ganz zuletzt der Resi ihr Zöpferl. Ja, wo ist denn dann der Osterhas? Sucht halt! Sie schauen hinter jede Staude, hinter den Rosenstock und hinter den Hollerbusch. Nichts da. Es muß aber der Osterhas da sein, sonst könnte doch nicht Ostern sein. Und es muß Ostern sein, weil die Mutter gestern einen Osterkuchen gerichtet hat. Aber der ganze Garten ist schon abgesucht und nichts gefunden. Da tut auf einmal Hans, als wollte er seine Nase ins Tulpenbeet stecken. Da baba! mehr bringt er vor Freude nicht heraus. Wo? - Da! - Ja was denn? - Na da! Ach ja, richtig, da sind lauter kleine, feine Trittchen. Der Osterhas muß ja ganz samtene Pfoterln haben, meint Resi. Na freilich, sagt Rudi, auf der ganzen Welt hat niemand so samtene Pfoterln wie der Osterhas. Tritterl auf Tritterl ist durchs Tulpenbeet. Die Kinder suchen den Tritten nach, da gehen die Tritte durch die Beete, die noch ganz leer sind und dann zum Zaun und grad durch den Zaun in den anderen Garten hinüber. Ä! sagt Rudi und O je! sagt Hans und Resi nimmt den Schurzzipfel in den Mund. Da stehen nun die Kinder wie die Katz, wenn ihr der Spatz vor der Schnauze weggeflogen ist. Der hat drüben beim Herrn Müller sein Nest gemacht, sagt Rudi. Der dumme Has! schimpft Resi. Da denkt der Rudi lang nach, dann sagt er: Aber eigentlich gehört das Nest uns, weil er zuerst in unserem Garten gewesen ist, der hat sich bloß geirrt. Ja, ja, das glauben Hans und Resi auch. Ich steig nüber, sagt Rudi. - Das darfst net, sagt Resi. - Ich will doch nichts nehmen, sagt Rudi. Da ist er schon oben auf dem Balken, ein Sprung, er ist drüben. Drüben im Garten des Herrn Müller. Nun kommt er sich doch wie ein böser Mensch vor, der was stehlen will. Aber er will ja bloß den Osterhasen sehen. Das darf man etwa doch? Ja ja! rufen begeistert die Kinder. Da sind wieder die Tritterln, die feinen. Da gehen sie mitten durch den Garten des Herrn Müller. Au! da kommt ein Rasen und da ist von den Tritterln nichts mehr

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zu sehen. Aber was ist denn das? Ja was ist denn das? Mitten im Rasen steht ein alter Baum. Ganz schief steht er da und läßt auf einer Seite die Äste tief herunter­ hängen, damit im Sommer die Kinder die Äpfel leichter haben können. Und gerade unter dem Apfelbaum, ganz am Stamm, da sieht Rudi ein Nest. Ah! die schönen Eier! Gelb und blau und rot und grün! Da wollen Hans und Rest auch nicht mehr in ihrem Garten bleiben und klettern auch über den Zaun herüber in den Garten, der dem Herrn Müller gehört. Das sind ja vier Eier, sagt Hans, und wir sind doch bloß drei Kinder! - Ja, sagt Rest, da nehm halt ich zwei. Die Kinder schauen die schönen Eier an und nehmen jedes in die Hand und wissen nicht, daß am Fenster - der Herr Müller steht. Der will gerade seine Kaktusstöckerln gießen, da sieht er fremde Kinder in seinem Garten. Schnell nimmt er einen Stecken, versteckt ihn hinter seinem Rücken, so -, und schleicht ums Haus. Die Rest schaut gerade um, weil sie sagt, wo ein Nest ist, da könnt noch eines sein - da sieht sie den dicken Herrn Müller heranschleichen. Wie die Rest erschrocken ist! Die drei Kinder springen auf und rennen mitten durch die Beete, dem Zaun zu. Rudi ist schon drüben, Rest auch, die zwei kann der dicke Herr Müller nicht mehr kriegen. Aber Hans ist gestolpert, hin­ gefallen, und wie er über den Zaun will, ist der Herr Müller schon ziemlich nah. Da steckt so ein Pflock schnell seine Spitze in die Hose vom Hans, der Hans merkt das nicht, aber wie er vom Balken nunterspringen will, da hält ihn der böse, dumme Pflock fest und läßt nicht los und der Hans hängt in der Luft. Und der dicke Herr Müller kommt schon und schnauft und schimpft: Wart, ich werd euch das Osternest ausstehlen! das gehört meiner kleinen Rosa! Da hört Rudi den Hans schreien. Er schaut um und sieht den Hans am Zaun hängen und mit den Armen und Beinen zappeln. Denkt sich der Rudi: bis der dicke Herr Müller kommt, hab ich den Hans herunten. Er läuft zurück zum Zaun, klettert schnell hinauf, aber der Hans hängt fest. Den muß er bei der Hose fassen, wie einen Sack in die Höhe ziehen und aushängen - hoppla, da zieht wer von hinten den Rudi und schüttelt ihn. Der Herr Müller ist's, der hat den Rudi erwischt. Und jetzt, weil es zu spät ist, jetzt reißt die Hose vom Hans und er fällt in seinen Garten und der Herr Müller kann ihn nicht mehr kriegen. Aber den Rudi hat er und den hält er fest am Kragen. Büberl, sagt der Herr Müller zu ihm, warum wolltest du meiner Rosa die Ostereier stehlen? - Weil i, weil i g'meint hab, die g'hörn uns, sagt der Rudi. - Jetz' da schau! ruft der Herr Müller, wie kannst du denn das meinen? Die liegen doch ganz deutlich in meinem Garten? - Das schon! sagt Rudi, aber der Osterhas ist zuerst durch unsern Garten und hat sich mit dem Nestmachen bloß geirrt. - So, fragt ihn der Herr Müller, wer sagt dir denn, daß der Has zuerst durch euern Garten ist? - Da sind ja die Tritterln, sagt der Rudi und zeigt auf die Tritterln von den samtenen Pfoten. Da muß der Herr Müller lachen und ist gar nimmer zornig. Denn wie er hinsieht, merkt er, daß das Tritterln sind von seiner Katz und nicht vom Osterhasen. Da rufen Hans und Rest von ihrem Garten herüber: Bitt schön, lassen's den Rudi wieder aus, der hat nichts stehlen wollen. Ei, ei, ihr Schlingel! sagt der Herr Müller, glaubt es den Kindern aber doch, daß sie nichts stehlen wollten. Er führt den gefangenen Rudi hin zum Nest und der Rudi muß die vier Eier herausnehmen. Dann gibt der Herr Müller durch den Zaun der Rest das schöne rote Ei, dem Hans das blaue, dem Rudi aber

schenkt er das gelbe und das grüne, gleich zwei. Sagt der Herr Müller: Meiner Rosa wird bis zum Mittag der Osterhas schon nochmals Eier ins Nest legen. Warum kriegt der Rudi zwei? fragen die Kinder. Ich antworte nur: Hm - warum nur? Nein, diese Frage wollen wir nicht auf eins - zwei abtun. Wenn die Kinder nur im Gefühl mit sich tragen: der Rudi ist mal ein feiner Kerl! ist mehr gewonnen. Auch das Bild will ich diesmal vorenthalten. Buben, malt, was euch von der Geschichte am besten gefallen hat! Wollen einige Burschen aus ihrer Schüchternheit - sollen wir nicht sagen: Keuschheit, die ihnen das Sichmitteilen schwer werden läßt? - oder aus der Entmutigung, die sie bereits mit ihren ersten Kritzeleien erfahren haben, nicht heraus, dann plaudern wir weiter, packen die Geschichte wieder mitten an, nicht nacherzählend, sondern bewundernd, nacherlebend: das war was, steigt der Rudi nochmals auf den Zaun — und so nach und nach mischt sich bei allen unter die Mit­ teilung des Wortes auch noch die Mitteilung des Farbstiftes. Ja, ist es ein Mitteilen noch? Die Bäckchen fangen zu glühen an - die Kinder malen nicht mehr für mich, nur für sich - ein Sichselbsterleben wird ihnen dieses Malen, es ist ja keine auftrag­ gemäße Schularbeit, seelenlos wie ein Schulmeisterfrack, da ist jedes Bildchen trotz seiner Unbeholfenheit Antwort des Kindes aus seiner letzten Heimlichkeit. Aus diesen unfrisierten „Äußerungen" lerne ich nicht nur meine Kinder kennen, sondern erfahre auch, wie tief die Wurzel meines Wortes in ihr Erdreich fand. Im Technischen sind sie auf ihrer Stufe. Aber „wieviel" ihnen einfällt, das offenbart, ob die Anregung auch von Durchdringungskraft war. Schlagen wir die Handbücher über den Erstunterricht auf! Was machen sie Ein­ druck mit ihren auf das Äußerste vereinfachten „kindertümlichen" Zeichnungen! Der Lehrer strichelt sie an der Wandtafel dem Buch nach, das Kind strichelt sie ebenso seelenlos auf seiner Schiefertafel dem Lehrer nach. Die Stufe des Kritzelns scheint durch ein Zurückführen auf „Grundformen" überwunden, - ist es nicht eine Unver­ frorenheit, so den Schulmeister im Lehrer vorauszusetzen? Aber wer sich nachstrichelnd damit einverstanden erklärt, ah! er tischt sogleich den Einwand auf, sollen wir die Kinder fördern, dann müssen wir ihnen vorzeichnen, ihnen den Blick für die Grund­ formen in den Dingen öffnen und ihnen technische Fingerzeige bieten, sonst sind wir nach Jahren noch bei den Unbeholfenheiten. Gelegentlich einer Aussprache über Britsch hörte ich sagen: Ist es wirklich so weit, daß wir den Kindern gar nichts mehr einreden dürfen? Es wäre über diese längst widerlegte Ängstlichkeit kein Wort zu verlieren, strotzten unsere gebräuchlichen Handbücher nicht von „kindertümlichen" Zeichnungen, die dem Kind als Vorlage gegeben werden sollen. Da Beispiele mehr überzeugen als Worte, lege ich ein Bild eines noch nicht sechs­ jährigen Mädchens bei, das wohl viel zeichnet, aber nie nach Vorlage oder nach tech­ nischen Fingerzeigen. Dieses Bildchen vom Herrn Müller, der eben heranschleicht (eine Sohle ist sogar schon im Schritt gebogen!) zeigt es nicht, daß nur eines not tut, um Fortschritt zu erzielen: Kraft des Erlebens. Die Erlebniskraft gestaltet. Zeichne demselben Kind dasselbe Bildchen vor oder lasse es seine eigene Zeichnung nachzeichnen, etwas Jämmerliches liefert es, jämmerlich, wie alles, was nicht aus der Seele kam. Pinder sagt von Michelangelos besten Akten, eben weil sie seine besten sind, können sie nicht der Natur nachgestrichelt sondern nur aus der Vorstellungskraft geschöpft sein.

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Aber was wollen die hier beigegebenen Bildchen? Gewiß nicht, daß sie nach­ gestrichelt werden. Sie wollen nur zeigen, in welcher Richtung die Bebilderung zu gehen hat, um das phantasiebetonte Kind anzusprechen. Was der bebildernde Lehrer an Phantasie in sein Bild legt, ist das Entscheidende, nicht was er an Zeichen­ fertigkeit zu bieten vermag. Else Wenz-Vietor schreibt in einem Brief: „Wichtiger als Technik scheint mir Phantasie und Originalität zu sein." Selbst das primitive Bild von Kindeshand kann vollendete Bebilderung sein. Gemachte Primitivität aber wie Nachstricheln nach Vorlagen des Präparationswerkes kommen nie über das Läppische hinaus. Zeichne ich zu unseren Geschichten, und das gehört dazu wie die Sonne zum blauen Tag, dann so, daß das Kind gar nicht auf den Gedanken kommt, es nachzuzeichnen. Im späteren Unterricht wird mein Zeichnen in der Regel Veranschaulichung sein. Aber auch jetzt schon werde ich erst nach dem Kind bebildern, um seiner Selbständigkeit nicht int Weg zu stehen. Was ist dem Kind ein wirkliches Osternest, jetzt Wochen nach Ostern, gegen das Osternest seiner Phantasie! Was ist überhaupt Erfüllung, das Unerfüllte bleibt doch unser größter Reichtum. Soll ich jetzt noch den Kindern ein echtes Osternest bauen? Nein, aber wollen wir in der Nachwirkung der Geschichte, in welcher nicht der Oster­ hase sondern „ein feiner Kerl" im Vordergrund steht, noch mit Ostereiern uns beschäf­ tigen, dann nicht mit wirklichen. Das Wirkliche, wie nüchtern ist es dem Kind! Was hat seine Phantasie noch zu tun? Ihm ist aber Erleben noch phantasiegebunden. Das Wirkliche ist ihm gut für den Augenblick des Hinnehmens und für die Freude am Besitz, aber für das Tätigsein muß es von der Phantasie erst umgewandelt werden. Und wir suchen unser Glück im Tätigsein! Ins Schussersäckerl haben wir schöne flache Donaukiesel uns gesucht. Schön flach, damit sie uns nicht davonrollen. Die sind uns alles, was uns gerade das Herz bewegt. Menschen im Festzug, Spielkameraden, Maikäfer, Kirschen, Dinge aller Art werden sie uns vorstellen, heute sind sie Ostereier. Günter erzählt, daß er 3 Eier in seinem Nest fand. Gut, in die Mulde des leeren Schussersäckerls zählen wir 3 Eier. In meinem Nest waren 10 Eier, behauptet Helmut. Ja, das müssen wir auch sehen, wie das aus­ sieht, ob das viel oder wenig ist. Das treiben wir, solange es uns Freude bereitet. Der Herr Müller kommt! schreit Rest. Laufen da die Kinder! Zum Zaun, zum Zaun! Ich unterbreche, lege drei Wörter und überlasse die Kinder sich selbst. Sie stutzen. Doch - das ist ja gar nichts Neues! Schon platzen sie los:

wo ist

Rudi

Ja, der ist schon überm Zaun. Und wie das Mädel geheißen hat, das auch dabei war, könnt ihr hier lesen. Natürlich, was jetzt kommt, muß Resi heißen. Mit hellem Jubel wird das neue Wort aufgenommen. Sogleich lege ich weiter

wo ist Resi Die ist auch überm Zaun. Und nun

wo ist ^ans O der hängt am Zaun! der kann nicht los! Wenn nur seine Hose reißen wollt! Sonst ist sie so schnell zerrissen.

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Die Geschichte ermöglicht mir, zur Wiederholung derselben Wortgruppen zwecks Einprägung der Wortbilder neue Ausschnitte heranzuziehen: Am Ostertag kommt die Sonne ganz vorsichtig über den Berg und schaut, ob die Kinder alle noch in ihrem Bettlein schlafen, bis der Osterhas mit seinem Nestlein fertig ist. Sie schaut durch das Fenster:

wo

m

Rudi

O, der schlüpft gerade in die Hose! - Und die Sonne schaut und schaut

w

Hans wo Ja, der ist noch in seinem Gitterbetterl, aber der Rudi hat ihn schon geweckt. wo ist Rest Die schaut gerade, wer denn gar so wild über die Stiege poltert. Nein, wir wollen uns vom Leben nicht trennen, wir wollen nicht losgetrennt von ihm üben, die Wiederholung allein tut es nicht, es ist nicht so, als ob die Eindring­ lichkeit beim Üben nicht nur entbehrlich sondern darüber hinaus auch hinderlich sei. Der Übung die Eindringlichkeit zu erhalten, das soll in dieser Schrift die vordringliche Aufgabe sein. Die Eindringlichkeit des Neuen höchstwertig zu gestalten, davon sprechen Tausende von Büchern, vom Üben kaum ein Dutzend. Kein Wunder, daß man da und dort hört: „Alles nur Feuerwerk! denn hernach folgt die Schulmeisterei genau so und diese nachfolgende, mit keinem Wort erwähnte Schulmeisterei ist allein ausschlag­ gebend für den Erfolg. Ohne Drill gibt es nun einmal keine Sicherheit und keine Fertigkeit usw." Nein, wir wollen nicht blenden, sondern die Übung in den Brennpunkt unserer Überlegungen stellen! Wir wollen Eindringlichkeit dem Lernen erhalten, ohne dem Irrtum zu verfallen, das Lernen müsse durch eine Verquickung mit Spielerei dem Kinde schmackhaft gemacht werden. Spielendes Lernen gibt es nicht. Und Aufgabe des Lernens ist nicht so sehr die Erreichung des Unterrichtszieles als die Erziehung zur Arbeitsamkeit; die Anspannung der Kräfte selbst muß Lebensgenuß sein; die Überwindung, die Ausdauer sollen mehr befriedigen als die Reize der Zerflatterung. Erziehung zur Arbeitsamkeit aber erzielt das Gegenteil, läßt Arbeit zum Fluch werden, wenn sie lediglich Anstrengung ohne Gegenleistung fordert. Wie konnten Menschen schon in eine wahre Arbeitsbesessenheit geraten? Wohl nicht, weil sie in der Arbeit, als Fluch empfunden, Erfüllung fanden, sondern nur, weil ihre Arbeit ihrer Veranlagung im größtmöglichen Maße entgegenkam. Unsere erste Überlegung kann nur die sein, welche Kräfteanspannung kann dem sechsjährigen Kinde auch die „Gegenleistung", einen Genuß der Kräfteanspannung, bieten. Es hat eben den Höhe­ punkt des Spielalters überschritten, es fängt zuhause schon an, wirkliche Arbeit zu verrichten, doch ist es nicht der „Schüler", der sich mit einem Ruck losgerissen hat vom Erleben in der Phantasie. Wir gönnen ihm noch reichlich das Spiel, verquicken es aber nicht mit dem Lernen, weil das Ergebnis ein um seine Zwanglosigkeit gebrachtes Spiel und ein den Zeitaufwand nicht lohnendes Lernen wäre. Sein Lernen aber setzen wir in eine Parallele zu seinem Spiel, auch es soll ihm ein Erleben in der Phantasie sein.

Und damit sind wir nicht nur dem Kind entgegengekommen, sondern auch den Forderungen der Schule: wir behalten dem Lernen, ja auch dem Üben, nicht nur der Erarbeitung des Neuen! die Eindringlichkeit. Es ist nun einmal so, daß Wiederholung und Eindringlichkeit, diese beiden Fak­ toren des Einprägens, einander aufheben. Wiederholung entkräftet die Eindringlich­ keit bis zur Wirkungslosigkeit. Und Eindringlichkeit ist nur dem Einmaligen in besonde­ rem Maße zu eigen. Wir brauchen aber beide Faktoren, möchten auf keinen verzichten. Die Eindringlichkeit, welche dem Einmaligen zukommt, übertrifft an Einprägungs­ kraft die Wiederholung ganz bedeutend. Denken wir an ein außergewöhnliches Er­ eignis, das uns Schreck und Gefahr in die Seele brannte! Keinerlei Wiederholung (wenn wir von den Wiederholungen des Nacherlebens absehen) und doch unauslösch­ lich für das Leben! Könnten wir doch auch durch Freude den Grad der Eindringlichkeit des Schreckens, der Angst, der äußersten Not erreichen! Doch scheint die Einprägungs­ kraft von der Bedeutung für die Selbsterhaltung abzuhängen. Die Eindringlichkeit z. B. des Neuen ist so wenig nachhaltig, daß wir nicht auf Wiederholung, obwohl sie die Eindringlichkeit mindert und bald ganz aufhebt, verzichten können. Ist die Verbin­ dung der wie Feuer und Wasser einander widerstrebenden Elemente überhaupt möglich? Zeppelin sagte: „Wir können die Naturkräfte nicht aufheben, wir können sie lediglich gegeneinander ausspielen." Es ist uns nicht leicht ein größeres Wort gegeben worden. Es zeigt uns den Angriffspunkt: Wiederholung und Eindringlichkeit sind gegeneinander auszuspielen! Wollen wir sie gegeneinander ausspielen, wollen wir diese beiden Faktoren zu­ sammenspannen, dann ist dies nur möglich, wenn wir Wiederholung für Wieder­ holung von einer neuen Blutzufuhr des Lebens gespeist sein lassen, wenn wir jeder Wiederholung unverminderte Eindringlichkeit, also Eindringlichkeit neuer Art, auf­ zuladen verstehen. Nicht anders, als wenn wir die Tonfrequenzschwingungen, die nicht selbst imstande sind, sich durch den Raum genügend auszubreiten, dem „Träger", dem Hochfrequenzstrom, der wohl über große Reichweite verfügt, aber allein im Kopf­ hörer stumm bleiben müßte, aufladen. Es muß aber wirklich Blutzufuhr des Lebens sein, nicht ein Zerreden, ein Gerede ohne Blickrichtung! Scharfe Einstellung des Brenn­ punktes! Das „wo ist" in unseren Geschichten z. B. muß dem Suchenden tatsächlich auf den Nägeln brennen. Diese beiden Wörter können doch ebensowohl ganz gleich­ gültig lassen wie das Vordringlichste des Augenblicks sein. Wenn wir kleine Liedchen eigenmächtig ändern, um sie unseren Geschichten ein­ zuschmelzen, so wollen wir schon noch auf den ursprünglichen Text zurückkommen, vorausgesetzt, daß er gut ist. Jetzt aber singen wir; nicht als Abschluß, sondern als Einlage unserer Hasengeschichte: Rupfe, rupfe Gläschen, es sitzet da ein Häschen, und kommt der kleine Rudi dort, husch! ist es wieder fort! Ist unser Drauflossingen eine Pflege des Liedes? O gewiß, es fließt uns aus dem Herzen und weil es uns gefallen soll, mit jedem Singen immer mehr, wollen wir auch schön singen. Wir schreien nicht, bewegen die Lippen, öffnen weit den Mund - die Kinder hängen mir an Mund und Hand: mehr Technik braucht es noch lange nicht. Wie die fahrenden Sänger, die Väter des Liedes, wollen wir bei der Technik es vor­ erst bewenden lassen, welche das Gefühl allein leitet.

Der 1. Mai. Vom Sinn dieses Tages zu sprechen, muß ich auf spätere Zeit verschieben. Aber den Festzug, den wir gesehen haben, veranstalten wir im Schulhaus. Mit Fahnen ziehen wir durch den Hof, um das Schulhaus. Wir singen dom dom dom dom hei diridiri dom bin dom und trommeln auf gedachten Trommeln. Nicht die begriffliche Erfassung ist die Grundlage des nationalen Erlebens. Ich erzähle nicht vom Führer, ich leite nur ein. Die Kinder brennen ja darnach, selbst von ihm erzählen zu dürfen. Aber dann und wann schalte ich mich ein, ergänzend und vor allem vertiefend; denn so begeistert der kleine Kerl auch erzählt, er vermag auf seine Kameraden nicht in besonderem Maße zu wirken. Dann schmücken wir das Bild des Führers, legen Heil Hitler! Kein Lernen soll die Feierstimmung stören. Doch - in das Aufstellen des Festzuges kommt unabweisbar ein Lernen. Ja, sonst stellt sich die S.A. und die H.J. zu Dreien auf, aber beim Festzug sind sie zu Sechsen marschiert. Ungerufen stellen sich Ordner ein. Daß es das einemal drei, das anderemal sechs sind, ist nun dem Kind eine höchst wichtige Sache. Darauf kommt es aber an, daß es dem Kind im Innern nicht gleichgültig ist, ob drei oder sechs. Die Eindringlich­ keit ist gegeben. Ich bin überrascht, wie nach einem kurzen Durcheinander sogar die Sechseraufstellung ohne mein Dazutun gelungen ist. Mit der Dreieraufstellung wollte ich mich begnügen, aber nein, das wäre kein richtiger Festzug und das Bemühen, aus eigenem Willen heraus, prägt die Zahlreihe und auch schon die Zahlgröße besser ein als viele mechanische Wiederholungen. Mit unseren Steinlein legen wir auch den Festzug, pfundweise schleppen die Kinder Steinlein in der Schultasche mit herein, um ja einen recht langen Festzug legen zu können und nicht leicht wären sie anders zu bewegen gewesen, mit solcher Ausdauer und Gewissenhaftigkeit immer wieder drei oder sechs zu zählen. Der unbeholfene Hansel, dem bisher die Zahlreihe schon bei drei ihr oberes Ende hatte, schaut vom Nachbarn ab, wie sechs aussieht und, mit dieser ersten abgesehenen Reihe vergleichend, legt und zählt er immer wieder bis sechs. Die Zahl, uns bisher an einem Haufen von Dingen gegeben wie im Osternest, ist nun an eine gewollte Ordnung gebunden. Nicht Willkür ist diese Ordnung, sondern Notwendigkeit. Wir müssen diese Ordnung beachten oder es ist nicht der Festzug, den wir darstellen wollen. Aber noch lange werden wir bei einer Vielheit von Zahl­ bildern bleiben. Wir bekommen die reinste Ordnungswut. Die Buben, welche Freimilch trinken, stellen wir anders auf als die bezahlenden Buben, wenn sie zur Milchausgabe vor­ marschieren. Wir ordnen unseren Zug in die Pause den Straßen nach: die Buben vom Fischmarkt, von der Schwibbogenstraße, von der Ostengasse — wieviel jedesmal? Wir ordnen nach dem Beruf des Vaters; von wem ist der Vater Schreiner, Maurer, Schmied, Erdarbeiter, Kaufmann, Eisenbahner —? Wer von den Buben wird Schlosser, Schreiner - -? Wir stellen die guten Läufer zusammen, die guten Springer, und zählen, zählen. Ja unaufgefordert fangen einige zu vergleichen an. Wir zählen so weit, als es gerade die Sache verlangt. Aber die Sache suche ich mir so aus, daß meist die Grenze bei 6 liegt. Ist doch 6 die Grenze der simultanen Zahlauffassung.

Aus der Gasse. Nun, was habt ihr denn getrieben auf der Gasse? Die Kinder erzählen von Räuber und Schänder, von Anschlagversteckeles, vom Versteckspiel ohne Anschlag, von Himmel und Hölle, von Kaiser, König, Bettelmann und Fangeles und vom Drallen und vom „Tormann-trainieren". Wir wählen Anschlagversteckeles. Abzählen! Eine Flut von Abzählreimen. Sogleich gehen wir wieder zu unseren fingierten Kindern über, wir wollen ja jetzt nicht spielen, sondern in der Phantasie nacherleben. - Ha, wer muß anschlagen? Die Kinder legen ihren Namen oder den Namen Rudi. Immer wieder setzen sie aus Einzelheiten zusammen, was als Ganzes sich anhört und im großen Lesekasten als Ganzes gestanden ist. Da muß sich nun ein Bub als Rudi an die Wand stellen zum Anschlag, mit ver­ haltenen Augen bis zehn zählen. In den Bänken machen alle Kinder mit. 7-8-9-10! suchen! Wo stecken sie nur alle? Was spitzt denn dort hinter dem Bretterzaun Rotes vor? Rudi springt hin, da ist schon einer! Wer denn? - Die Kinder legen einen Namen. Aber Rudi denkt sich: ich werd lang herumsuchen. Er flüstert Hans was ins Ohr, ganz leise, niemand darf es hören. Was hat er ihm ins Ohr gesagt? Da steht es:

wo ist Karl Und dann flüstert der Hans dem Rudi was ins Ohr:

Rudi läuft zum Gartenhaus hin und ruft: raus! hab dich schon! Wer ist's? Die Kinder legen ^QrI Wieder flüstert Rudi dem Hans was ins Ohr:

wo ist Rest Was Hans dem Rudi ins Ohr sagt, das legt ihr! - Die Kinder haben sich daheim kleine Zettelchen geschnitten, Blanko-Karten, auf welche sie zeichnen, was sie nicht „legen" können. Diese Zettelchen mit Bildchen stecken sie an Stelle einer Worttafel in den Lesekasten. Wir beschränken uns auf das „im", obwohl die Kinder auch zur Ortangabe das weibliche Dingwort mit „in der" bringen. Ja, das gilt, aber das Sätzchen können wir nicht legen, wir müssen zu einem anderen weitergehen. Neues Abzählen und neuer Anschlag — und dann muß wieder einmal Rudi suchen. Er zählt schön gemütlich bis 10 und denkt sich

wo ist Hans Dann blinzelt er ein wenig nach der Seite und hat schon gesehen, wie Hans ins Faß steigt. Ha, das weiß er schon

Hans ist im

Er denkt sich

wo ist Best wo ist Karl Er blinzelt noch einmal und hat schon gesehen, wie gerade von dem Kasten der Deckel ans und nieder geht.

Best ist im Kart ist im 6-7-8-9-10! suchen! Rudi sucht nicht. Da schaut, was er tut! Tafel um! (Bild 3.) Die Fibel bietet den Anblick einer Gipfelkette, jede Seite bringt neue Wörter, neue Buchstaben. Wie von einem Gipfel zum andern zu gelangen ist, wie Wort­ bilder eingeprägt werden, das ist hier die Aufgabe. Die Stunden der Übung, die zwischen zwei Fibelseiten hineingedacht werden müssen, sollen hier ins Bild treten. Ein andermal setzen wir die Übung fort: Denkt euch nur, der Hans setzt sich in das Auto seines Onkels und der Wind schlägt die Tür zu. Von außen hat er die Tür aufgebracht, von innen wills nicht gehen. Und der Hans hat das Pfund Zucker in der Hand, das er seiner Mutter holen mußte. Die Mutter wartet schon und schaut immer wieder zum Fenster hinab. Was sagt sie immer wieder? - Die Kinder legen:

wo ist Hans Legt doch auch, wo er ist! Dann kann es die Mutter lesen.

Hans ist im Dann sind die Kinder auf der Gasse und wollen wieder Anschlagversteckeles spielen und der Karl hat gesagt, er weiß ein neues Abzählen und jetzt ist^er gar nicht da. Die Kinder warten und schauen:

wo ist Karl Ja, Kinder, der kommt heute überhaupt nicht, der hat die Masern. Jetzt könnt ihr euch denken, wo er ist.

Kart ist im Aber daß auch Rudi nicht da ist? Rudi ist doch immer da, wenn man ihn braucht. Die Kinder schauen nach Rudi.

wo ist Bubt Denkt euch nur, der hat sein Gewehr umgehängt und will heut unbedingt einen Hirschen schießen. Ihr könnt euch denken, wo er ist.

Bubt ist im

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Ja, die Resi ist gestern nach der Schule nicht gleich heimgegangen und darf heute nicht aus dem Haus. Sie muß der Mutter helfen. Das gefällt ihr aber auch recht gut und sie will gar nicht fort. Die Mutter hat ihr ein Licht gegeben und Schlüssel und hat gesagt: hol mir Kartoffeln! Wißt ihr, wo die Resi ist?

Da ruft mich ein ganz stiller Bub, der noch kaum etwas gesprochen hat, zu seinem Lesekasten: Gehe's mal her, da sän zwei gleiche! - Was! zwei gleiche? - Die wieder­ holte Reihung Rudi - Resi muß ja dahin führen, daß ein Kind sagt: da sind zwei gleiche. Im großen Lesekasten stellen wir daraufhin die beiden Wörter so übereinander, daß auch die Blinden sehend werden. Ja ja, kommt es nun von allen Seiten, die zwei sind gleich! und die zwei auch! Wir versuchen, die „Gleichen" vom Wortganzen auch wegzuhören und schneiden sie schließlich mit der Schere, einer möglichst großen, ab. Ein feierlicher Akt! Wie die Kinder beim Spiel zusammenkommen und sich da und dorthin verlieren und wieder kommen, das stellen wir mit unseren Steinlein dar. Aber nicht die ver­ steckten Gleichungen ohne Eindringlichkeit: Auf der Gasse sind zwei Kinder, da kommt noch die Resi dazu —. Das Kind merkt sofort, das ist Mache, die Gleichungen sind nur überzuckert, es will auch vom Zucker nichts wissen, um die bittere Pille nicht mit­ schlucken zu müssen. Gewiß, wir können das Kind auch zwingen, verschmäht es das Zuckerl. Aber wie viele Wiederholungen erfordert der Zwangsunterricht, dem die innere Bereitschaft nicht entgegenkommt! Nur mit dem einen Einprägungsfaktor Wiederholung arbeiten, das heißt: mit der Ausdauer und Zähigkeit eines Trampel­ tieres geistige Wüsteneien zu durchmessen, sich selbst zur Qual. Das Wort „Steinbruch!" drängt sich aus die Lippen. Die Kinder sollen „empfindlich" für die Zahlgröße und ihre Veränderung werden. Das werden sie aber nur, wenn ihnen an der Zahlgröße etwas gelegen ist. Also wieviel Kinder sind uns? l-2-3-^-5-6! Geht schon, Anschlagversteckeles. Unsere Steinlein spielen als Kinder Anschlagversteckeles. - Der Erich muß suchen. Wieviel muß er finden? Er darf doch keines vergessen. - Da stecken gleich zwei im Holler­ busch. Wir denken nach, wieviel noch zu finden sind. - Haben wir einige Zeit so ge­ spielt, dann kommt der Richard auch noch. Fein, jetzt sind es noch mehr. Ja, wieviel denn? - Wir verstecken weiter, au, ein Pfiff, der Erich muß heim. Wieviel sind uns denn noch? - Wir verstecken weiter, da fällt Berta und schlägt sich das Knie aus. Sie kann nicht mehr mittun. O, immer weniger werden es! da können wir bald nicht mehr spielen. Wieviel sind uns denn noch? - Wir verstecken weiter, aber gar nicht mehr schön ist's, wenn so wenig sind. Ha, da kommt der Hans. Der Onkel hat ihn aus dem Auto rausgelassen und er hat der Mutter den Zucker heimgetragen und jetzt ist er da. Fein, wieviel? - Wir verstecken weiter, da schlägt die Glocke. O! 6 Uhr, die Gusti muß heim. Wieviel noch? Geht schon noch. - Da kommt der Rudi mit seinem Gewehr. Wo ist der Hirsch? schreien die Kinder usw. Seit der Festzugsaufstellung suchen die Kinder irgendeine Reihung; die meisten bevorzugen die lineare Anordnung. Solange wir die Zahlgröße immer wieder durch Auszählen ermitteln, genügt sie.

Muttertag. Auch hier handelt es sich darum, den Sinn eines Grundsatzes zu erfüllen und nicht das Wort. Lasse ich nur diese Schulneulinge von der Mutter erzählen, ohne mich selbst erzählend einzuflechten, werde ich eine tiefere Wirkung nicht erzielen. Nicht ver­ standesmäßig wollen wir ein Bild von der Mutter „erarbeiten", nein, nur im Herzen fühlen, was uns das Wort Mutter sagt. Da sitzen aber auch Kinder aus dem Waisenhaus, glücklicherweise ihres Verlustes kaum bewußt, da sitzt aber auch das Büblein, das die Fürsorge bald der pflichtvergesse­ nen, erziehungsunfähigen Mutter nehmen wird. In das Bild der leiblichen Mutter muß uns auch das Bild der Mutter der Tat einschmelzen. Der eigentliche Sinn des Wortes Mutter, die Mutter als Lebensspenderin, ist dem Kinde noch Geheimnis. Es kennt die Mutter nur als Lebenshüterin. Das Kind in Not, das Kind in seinen täglichen Bedürfnissen, das Kind, das ein guter und tüchtiger Mensch werden will, das Kind, das nach einer lieben Hand verlangt, die vor dem Ein­ schlafen noch über das Gesicht streicht, ja, darin strömt Nacherleben und mündet in das eine uferlose Glück: meine Mutter. Ich kleiner Bursch soll meiner Mutter eine Freude bereiten? Ich habe ja nichts als meinen guten Willen! Die Mutter will aber nichts als deinen guten Willen. Wenn man deiner Mutter alles Geld der Welt schenkt und alle schönen Sachen und alles, was sie gern hätte, sie könnte nicht glücklich sein, solange du nicht den guten Willen hast, ihr Freude zu bereiten. Deine Mutter fragt nicht, wieviel hat das gekostet, was du ihr schenkst, sondern nur, wie groß ist dein guter Wille, der ihr was schenken will. Wir wollen ihr ein recht schönes Bildchen malen. Freilich kann das Bildchen ver­ lorengehen und dann hätte die Mutter von uns wieder nichts. Wir wollen ihr auch einen recht schönen Blumenstrauß pflücken. Freilich in einigen Tagen wird der Blumen­ strauß welken. Aber dann wollen wir der Mutter was versprechen und das soll für immer gelten.

In meinem Garten. Klein ist mein Schrebergarten, aber vielleicht haben 50 Kinder darin Platz. Ist der Rasen nicht für ihre Purzelbäume als Polster ausgebreitet? Ja, meine Buben sind dieser Meinung. Im Nu kugeln sie darauf herum. Das ist nun einmal ein Rasen ohne Allee-Aufseher, ein Rasen, in den man hinein darf. Halt, da entdeckt einer im Gartenhäuschen das Werkzeug. Zum Glück habe ich noch ein leeres Beet. Da wird nun gegraben und gerecht. Dann sieht einer beim Nachbar das Windrad mit dem immer zielenden Jäger, eben dreht es der Wind. Und ganz zuletzt entdecken die Buben, daß ein Tulpenbeet auch da ist. Eigentlich hieß mein Thema: das Tulpenbeet. Aber das Leben diktiert. Die Kinder tragen ihre eigene Wertstufigkeit in die Dinge. Wie sieht mein Garten nach dem Abzug der 50 Gäste aus! Der Rasen wie gewalzt, in jede Tulpe hat ein Finger gegriffen und dunklen Staub herausgewischt, bis aus ihrem Kelch eine flache Schüssel wurde. Aber in der Schule, welche Flut von Erinnerungen! Und diese Erinnerungen wecken noch frühere Erinnerungen. Bald sprechen wir gar nicht mehr vom Rasen

meines Gartens - denn von der Lustigkeit zn reden, ist dem Kind fad, es will sie leben und dann - wieder weiter, sagt es. „Julchen kann was andres tun." Auf einmal ist die Rede nur mehr vom verbotenen Rasen. Ja, davon läßt sich reden. Freilich mit Schulfragen könnte man eine halbe Stunde und auch länger über das Purzelbaum­ machen herumquatschen. Fällt den Kindern gar nicht ein, davon zu reden, sie erzählen - vom Allee-Aufseher; denn daß ein Rasen einmal nicht verboten war, das war das Haupterlebnis. Und so gehört der Allee-Aufseher zum Thema wie der Pontius zum Credo. Dem Günter ist der Ball in den Rasen gefallen, aber der Allee-Aufseher ist da und geht nicht. Ja, Günter, das ist auch unserm Rudi (unserm Freund in der Phan­ tasie) passiert. - Die Kinder wittern schon, daß sich da was anspinnt. Meine Aufgabe ist, nichts Brauchbares zu überhören. - Nicht wird der Allee-Aufseher mit seinem Plaudern fertig. Rudi kann einfach nimmer warten. Die Kinder lassen den Rudi natürlich über den Draht steigen - halt, werfe ich ein, der Allee-Aufseher hat ihn ge­ sehen, droht mit dem Finger! Ja, was ist da zu machen? Der Rudi geht zum AlleeAufseher und sagt: Darf ich meinen Ball holen? - Wo ist er denn, Buberl? sagt der Allee-Aufseher. Im großen Lesekasten erscheint die Antwort. Das Wort Rasen ist neu, doch es kann gelesen werden, während des Wortlegens wird es schon gerufen:

im Rasen Nun gilt es, sogleich das neue Wortbild zu befestigen. - Ja, die Resi war auch dabei. Die kann nicht so lang warten, bis Rudi sich die Erlaubnis holt. Da, lest einmal!

Resi ist im Rasen O! ruft die ganze Schar über diese Keckheit. - Der Aufseher hat sie schon gesehen. Er fragt Rudi: Wie heißt denn dieses Mädl dort? Wollte ich nun die Antwort legen, so würde ich die Räder zu einem Leerlauf einschalten. Nein, die Antwort legt ihr, Kinder! Dann fragt der Aufseher: Und wie heißt du? - Auch diese Antwort legen die Kinder. Was läuft denn da im Rasen rum? Ja, so ein großer Hund! Wer da noch läuft, das ist die Resi. Sie läuft, was sie kann und ist schon weg. Nun lege ich:

roo ist Resi Da gibt es natürlich viele Antworten. Lassen wir gelten: Sie hat sich hinter dem Auf­ seher versteckt. Der lacht, daß sein Schnurrbart auf und nieder geht. Der Hund aber hat schon den schönen Ball im Maul. Bitte, bitte, mein' Ball! sagt Resi. Da steigt nun der Aufseher selbst über den Draht. O! wo ist nun der Aufseher selbst?

im Rasen Diesmal legen es die Kinder. Ja, er selber darf schon hineingehen, erzählen die Kinder. Dann geht er hin zum Ball und wirft ihn heraus. Wen trifft er auf die Nase? Legt es! Ein Bub legt als Antwort seinen Namen. Er muß unter allen Umständen in der Geschichte sein. Trium­ phierend zeigt er seinen Scherz. Die Kinder erzählen von ihrem eigenen Garten Werkzeug und von dem Gärtchen, das sie in Mutters Garten angelegt haben. Ich finde keine Gelegenheit, zum Lesen

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zu kommen. Aber deswegen sind mir diese Mitteilungen nicht minderwertig, ich räume ihnen dieselbe Zeit ein wie anderen, die unseren Leseaufgaben dienstbar sein können. Da gibt es nun leicht zu zeichnende Sachen: Rechen, Gießkanne, Gartenzaun usw. Aber kann sich die Phantasie daran entzünden? Sie führt die Hand. Verfolge man einmal, wie das Gekrixel Gestalt gewinnt, wenn Begeisterung führt. Wie lebendig wird das Bild: Gartenarbeit! wie reizlos bleibt ein Bild der „leicht zu zeichnenden" Sachen! Das Tulpenbeet - hatte ich mir als Thema gesetzt und nun weiß ich kaum, was es darüber zu diesen kleinen Burschen zu sprechen gibt. Ja, da ist es nun wieder so, was erledigt ist, will das Kind nicht nochmal aufrühren; der Erwachsene will das auch nicht, nur der Schulmeister, der in allem vom Natürlichen das Gegenteil sucht und sich dabei für einen Pionier der Kultur hält. Den dunklen Staub haben wir an den Fingern gehabt, die Stängerln in den Blüten gesehen, sogar gezählt, die Blüte mit einem Wein­ glas verglichen. Aber nicht Erkenntnis sondern Erlebnis suchen wir und so können wir auf diesem Weg nicht weiter. Das Wort Erleben führt mich auf den rechten Pfad. Erleben in der Phantasie! Rudis Mutter hat doch das schönste Tulpenbeet, das es gibt. Das zeichnen wir. Die meisten Kinder zeichnen „Draufsicht", die Tulpen stehen nach vier Richtungen, wie die frühen Meister „wechselt es seinen Standpunkt", um seine Dinge immer senkrecht auf die Grundlage zu bringen. Ihr Tulpenbeet wird ein Paradiesgärtlein. Britsch hat uns dafür die Augen geöffnet. Mit dem Tulpenbeet hat aber auch Rudis Mutter eine Freude! Alle Tage gießt sie selbst ihre Tulpen. Keine schneidet sie für die Vase ab, obwohl die Vase schon so lange leer steht und sie so gerne Blumen in der Vase hat. Rudi, wirf deinen Ball ja nicht ins Tulpenbeet! Wenn eine Tulpe abbrechen würde -! Nein, Rudi gibt sehr acht, läßt seinen Ball nicht hineinfallen und fällt auch selbst nicht hinein. Diese Farben! Wie wird Tante Anna schauen! Und Tante Anna kommt und bringt ihr kleines Mäderl mit, die Lene. Aber mit dem Kind ist es ein Kreuz. Immer wieder läuft es seiner Mama davon.

wo ist Lene Lene ist im wo ist Lene Lene ist im wo ist Lene Lene ist im Rasen wo ist Lene Lene ist im tjaus wo ist Lene Lene ist im Garten Haus und Garten, die beiden Wörter, die sich noch oft wiederholen, wollen wir nicht durch eine Zeichnung ersetzen.

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Kaum spricht die Tante Anna ein paar Wort, ist das kleine Ding schon wieder fort. Und als die Mutter der Tante Anna ihr neues Kleid zeigt, ist Lene schon wieder draußen und da sieht sie die schönen Tulpen. Da will sie der Mutter eine Freude machen, steigt in das Tulpenbeet mitten hinein und köpft eine Tulpe nach der andern und hat säst das ganze Schürzerl voll. Das Kreuz tut ihr schon weh, aber da steht noch eine Tulpe und die will sie auch noch der Mama bringen. Die wird eine Freude haben! Da kommt gerade Rudis Mutter heraus und will die Tulpen gießen. Und die Tante Anna kommt auch und sucht ihre Lene.

Um Gottes Willen! ruft die Mutter, meine schönen Tulpen und schimpft nicht, weil es ja die Lene nicht böse gemeint hat. Haben wir von „Serie" das e abgetrennt, dann fällt uns auf, daß die Tante ein wenig anders spricht als die Mutter. Die Mutter sagt

Befjt

die Tante aber

Lenli

Ref|e Leche

Da heißt es nun aufpassen, wie zu lesen ist.

Die Maikäser. Das Windrad war etwas besonders Feines. Es steht gerade nicht im engsten sachlichen Zusammenhang mit dem Garten, wohl aber uns im Erlebniszusammenhang. Für meine lesetechnischen Ziele eignet es sich auch. Ich habe die Worttafeln für die zu erwartenden Wörter fein sauber mit Tusche gemalt - da, „Herr Lehrer, a Maikäfer!" Ja, auf den Maikäfer warte ich schon lange. Aber augenblicklich ist mir sein unange­ meldetes Auftreten unerwünscht. Ich dränge davon ab, morgen ist auch ein Tag. Doch vom Windrad ist aller Zauber geschwunden. Entweder quatschen und quetschen oder beachten, daß die Herzen der Kinder nun dem Maikäfer zugeflogen sind. Ich schwanke noch, soll ich nachgeben, wie das Kind vom gesetzten Thema abschweifen? Doch wie ich so in diese Kinderaugen sehe, da ist's entschieden. Das sind ja noch gar nicht die „Schüler"! Gut, lassen wir den Maikäfer fliegen, singen wir, während er den Finger erklettert, das Maikäferlied. Die Geschichten vom Maikäferfang, vom Maikäferzirkus, vom Maikäfertausch unterbricht oft das Maikäserlied. Immer wieder lassen wir zwischen hinein einen Maikäfer steigen. Horcht, wie er summt! Vielleicht kommen wir auf „sum" hinaus. Nein, sssss zischt die Kinderschar, den Käfer nach­ ahmend. Ja, Kinder, „so" will er sagen, „so, jetzt fliege ich fort, sssssso!" bringt es aber nicht heraus. . , .

so so so

Das zerfällt uns sogleich in s und o. Wieviel Maikäfer ein Bub hat, ist eine wichtige Sache. Und dann die Maikäfer­ schachtel ! Aber Rudis Freund, der hat eine Maikäferschachtel aus lauter Gitter und

am Türl kann man sogar ein Schlösser! einhängen. Durchs Gitter kann man den Käfern zuschauen und da kriegen sie auch Luft. Der Freund heißt Otto.

lvtto Rudi und Otto lassen die Maikäfer aus ihrem Gitterkästerl heraus und zählen sie. Wir nehmen die Steinchen aus der Rinne, sie sind unsere Maikäfer. Hier ergibt sich die Eindringlichkeit der Zahlvorstellung fast von selbst. Wie die Kinder die Maikäfer beim Seiltanzen verteilen, das zeichnen wir besser, die abfallenden Käfer nimmt der Schwamm weg.

Wieviel Käfer bei jedem Schütteln born Baum fallen, auf welchem Baum viel und auf welchem wenig zu finden waren, wieviel schon in der Schachtel sind und wie es mehr werden und dann beim Spatzenfüttern wieder weniger, das ist einem Buben eine höchstwichtige Angelegenheit, die er todernst nimmt, wenn nicht „zu allen Knopf­ löchern der Rechenunterricht heraushängt". O ja, man kann Kindern auch den Mai­ käfer verleiden. Fein, wenn man ein Gitterkästerl hat mit einem Schlösser!! Da kann niemand einem die Maikäfer auslassen. Rudi und Otto sperren das Schlösser! zu und gehen. Kaum sind sie fort, kommt ein Kind. Das möchte auch die Käfer krabbeln sehen. Aber durch das Gitter ist ihm doch zu wenig zu sehen. Da preßt es seinen Finger an das Gitter und fängt an zu bohren und als das Loch fertig ist, kann es schön hinein­ sehen. Aber da dauert es nicht lange, guckt ein Käfer heraus und denkt sich: Ist das nun wirklich ein Loch? Ich drehe die Tafel um, das Bild erzählt weiter. Wer ist denn das gewesen? Wer hat das Loch gebohrt? Ja, wer? Und nun lege ich Buchstabe für Buchstabe, nicht die Worttafel. R-e-s-i-----Die Kinder haben die Laute ohne Lautübergang mitgesprochen. Aber es dauert nicht lange, da jubeln sie: Resi! Das ist jedem Kind klar, daß das nicht R-e-s-i - heißen kann. Daß die Buchstaben zusammenhängend gelesen werden müssen, ist angebahnt. Und nun wollen wir Wörter, deren Lautbestandteile uns bereits bekannt sind, nur mehr im Aufbau lesen, nicht mehr vom fertigen Wort weg. Im Zeitmaß des Aufbaus lesen wir; zur räumlichen Aneinanderreihung der Buchstaben gesellt sich die zeitliche und zwingt zu Verlangsamung des Sprechens. Ist verlangsamtes Sprechen unnatürlich? Spricht nicht der Redner auch langsamer als der Plauderer? Ist es unnatürlich oder selbstverständlich, daß wir Erwachsenen, sobald wir um Deutlichkeit ringen, verlangsamtes Zeitmaß einschlagen? Was bezweckt dieses aufbauende Lesen? Das Kind weiß den folgenden Laut, die Antwort liegt ja in der Luft, und wechselt mit der Mundstellung in den neuen Laut hinüber. Es hört dabei die Gleitlaute, empfindet die Veränderungen derSprechorgane.

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Noch ein kleiner, praktischer Wink: übersichtlich geordnet breiten wir die Buch­ stabentäfelchen auf dem Tisch nebenan aus, damit der Aufbau flott erfolgen kann, sonst geht uns beim Zusammenlesen „die Luft aus". Aber von der Kanzel der Schlagwort-Beflissenen schallt uns das Anathema schon entgegen. Das ist ja ein Abweichen von der Ganzheitsmethode! Ja, die edelsten Melodien waren vor der Ver-Schlagerung nicht sicher und die wertvollsten Grundsätze nicht vor der Verdehnung zum Schlagwort. Ganzheit! Im Politischen genommen bedeutet dieses einzige Wort die Wende. Alles vom Volke ans gesehen! Es werden nicht mehr die Interessen der Arbeitnehmer gegen die der Arbeitgeber ausgespielt, es gilt nur mehr: was tut dem Volke not? Und wozu ist es gekommen? Die Schlagwortwut will es nicht mehr wahr sein lassen, daß ein Ganzes aus Bestandteilen besteht. Sie verschließt die Augen vor ihren Mißerfolgen und tobt gegen jede Klarheit über Laute und Buchstaben. Wehe, wenn unsere Regierung so verfahren wollte wie unsere Ganzheitsmethodler! Steigt nicht der Staat in seinem Winterhilfswerk in jedes einzelne Dachstübchen! Der Grundsatz von der Ganzheit besagt eben nicht Außerachtlassen des einzelnen Gliedes, sondern im Gegenteil Pflege des einzelnen, aber nicht mehr irrt Dienst der Interessen dieses einzelnen, sondern in der Bezogenheit zum Ganzen. Auch uns ist der Laut in seiner Isolierung tot, er lebt uns nur im ganzen, aber uns gilt, daß die Säule, die nicht fest in sich steht, dem Ganzen nicht Träger sein kann. Wollte der Forscher auf die theoretische Isolierung verzichten, sich nie vom Ganzen zum Teil wagen, um seine Forschung wäre es ebenso schlimm bestellt als würde er vom Teil nicht zum Ganzen zurückkehren. Die Eingeschlossenheit des einzelnen in die Volksgemeinschaft und die Tatsache, daß das Volk mehr ist als eine Summe, heben den Spruch nicht auf, den der Wulfbauer in seinen Türpfosten geschlagen hat: Hilf dir selbst, so helfet dir der Herre Gott! Gerade in der Wechselbeziehung zwischen dem Ganzen und dem Be­ standteil liegt die Dynamik. Das große Dach ist nichts, wenn nicht darunter jeder gewissenhaft seine Pflicht tut. Die Idee ist nichts, wenn ihre Träger nicht auch die sittliche Kraft haben, sie zu tragen. Doch nun zur Begründung von der Lesetechnik her! Experimente ergaben, daß Lesen nicht ein Aneinanderreihen der Buchstaben und Laute, sondern eine Totalaufsassung sei. Also Wortbildlesen! Aber ist bei dem Wortbildlesen im Sinne des fertigen Lesens das Erlesen restlos überwunden? Wie ist es, wenn der Erwachsene auf ein unbekanntes Fremdwort, auf einen sonderbaren Eigennamen stößt, sich also ungefähr den Schwierigkeiten des Leseanfängers gegenüber findet? Dann ist auch der fertige Leser gezwungen, zu erlesen. In den vielen Fällen aber, in welchen Wortbildähnlichkeit nicht sinnaushebend sondern nur sinnändernd wirken würde, erfolgt mit der Totalauffassung eine, aller­ dings sehr rasche, Kontrolle der Wortbestandteile - oder das Verlesen ist ebenso häufig wie das Richtiglesen. Und doch auch noch ein Wort vom Kinde her! Dürfen die Experimente an bereits Lesefähigen ohne weiteres auf den Sechsjährigen übertragen werden? Wollen wir einen Blick in seine geistigen Verhältnisse gewinnen, dann sehen wir uns in erster Linie seine Zeichnungen an. Nein, das Kind sieht noch nicht das Ganze als organisches Ge­ bilde, es addiert! Um mit Birtsch zureden: es setzt auf das Ungemeinte immer wieder

das,Angeschaute auf, auf u das a, indem ihm das Angeschaute selbst zum Ungemeinten werden kann. So fügt es aneinander. Das ist seine Entwicklungsstufe, davon muß unsere Arbeitsweise ausgehen. Das Kind betrachtet das Ganze nicht in seinen Teilen, es sieht das Ganze immer als Ganzes. Sobald es aber darstellt, addiert es. Es ist kein Übertragen von der Zeichentechnik in die Lesetechnik, sondern ein Auf­ bauen auf den Einblick in die geistigen Verhältnisse des Kindes, wenn wir folgern: Wir gehen von der Betrachtung des Wortes aus, in der „Wort­ darstellung" aber gehen wir den Weg des Addierens, des Erlesens. Ausgang von der Betrachtung des Wortes als Ganzes, das heißt Ausgang vom Wortbildlesen. Ja, die Vorteile des Wortbildlesens verkennen wir nicht. Es stellt uns die Ganzheit des Wortes vor Augen, der einzelne Laut wäre tot, sinnlos; es gab Methoden, die ihn als Empsindungsausdruck gelten ließen, um ihn zu beleben, aber auch dann ist er immer noch nicht, was seine eigentliche Aufgabe, besonders im Lesen­ lernen ist: Wortbestandteil. Ein Wort setzt sich ja nicht aus Empfindungsausdrücken zusammen und kann auch dem Kind nicht daraus zusammengesetzt werden. Das Wortbildlesen ermöglicht uns, den Laut geradezu als Organ des Wortes aufzufassen, vom naturgegebenen Ganzen auszugehen und so von der ersten Lesestunde an aus dem Born des Lebens zu schöpfen. In diesen Vorteilen erschöpft sich aber auch die Aufgabe des Wortbildlesens. Eine weitergehende Beanspruchung des Wortbildlesens würde uns auch mit seinen Nachteilen belasten. Es kann doch nicht bestritten werden, daß das reine Wortbildlesen zum Wortraten statt zum sicheren Lesen erzieht und die Wahl läßt nur zwischen den zwei Übeln: entweder nicht tragbare Gedächtnisbelastung durch eine große Wortbilderanzahl oder Beschränkung auf das erträgliche Maß unter Inkauf­ nahme trostlos öder Lesetexte. Ja, sagt man, Erlesen ist freilich das Ziel, aber das letzte, erst sollen die Kinder ohne Dazutun des Lehrers Lautabtrennung und Lautverbindung selbst gefunden haben. Ist diese Verzögerung, die sehr beträchtlich wird, wenn die Anbahnung des Lehrers tatsächlich, nicht nur scheinbar, unterbleibt (ich spreche aus eigener Erfahrung) gerechtfertigt? Zuerst eine andere Frage. Warum wollen wir nicht folgerichtig allen Fächern dem absoluten Selbstfinden zuliebe die gleiche Verzögerung zumuten? Z. B. dem Rechnen; sicher würde das Kind einmal noch auf das Einmaleins selbst kommen, warum ebnen wir ihm die Wege dazu? Ja, das Leben wartet nicht so lange. Wir kämen zu den Aufgaben, die auf das Einmaleins aufbauen, zu spät. Nun, warten auf die Kinder nicht schon die Geschichtenbücher wie ein aufgetanes Paradies? Was kann günstigstenfalls während der Gewinnung der Lautabtrennung und Lautverbin­ dung dem Kind geboten werden! Wenn sie nun gar an mit Stroh gefüllte Krippen gebunden werden, nichts finden als Hans ist brav, Marie ist brav, Fritz ist brav usw. dann fragen wir doch: Ja, um Gotteswillen, heißt denn Selbsttätigkeit des Kindes, verbrenne für einen Taler Licht, um einen Heller zu suchen!*) *) Aber warum nicht warten auf die natürliche Entwicklung wie im Zeichnen, fragt man vielleicht. Ja, beim Lesen handelt es sich eben nicht um ein Denken in erster Linie über Gesichtssinneserlebnisse, sondern um ein Denken anderer Art, um ein Denken, das in sich schließt: Heraussehen aller oder nur der das Wortbild tragenden Bestandteile, um diese sicher auffassen zu können, und Hineinsehen in das Ganze.

O die Spiegelfechterei mit der Selbsttätigkeit des Kindes! Erlesen, auch wenn zur Lautabtrennung und Lautverbindung die Wege geebnet werden, fordert mehr Selbsttätigkeit als das reine Wortbildlesen. Man sehe sich nicht nur das schillernde Gewand der Fibelseiten an, sondern frage nach den unerwähnten Übungen, nicht nach den Übungen, die wieder bloß Spiegelfechtereien sind, sondern nach denen, welchen tatsächlich ein Erfolg zu verdanken ist. Zum Abschluß eine Aufreißung unseres Weges: Wir beginnen mit Wortbildlesen. Aber in dem Maße, in dem sich uns das Erlesen verbreitert, bauen wir das Wortbildlesen ab. Wie ein Keil schiebt sich also das Erlesen unter das Wortbildlesen, drängt es immer mehr zusammen, bis es, entbehrlich geworden, ganz schwindet und zuletzt Wortbild­ lesen im Sinne des fertigen Lesens das Erlesen ablöst. Ach, die Resi steht noch immer am vergitterten Kästchen! Wollen wir uns ihr wieder zuwenden. Resi schaut noch eine Weile zu, wie die Käfer durch das Loch krabbeln, dann

f°9t fie

f|o (Dito

und geht. Warum hat er sie nie mitspielen lassen! Und dann kommt Otto heim und sieht, was geschehn. Er kann es sich gleich denken, wer es gewesen ist.

fjo H|e|f|t

Wenn er die Resi nur jetzt da hätte!

td|o

ijfjt K|ejf|i

Resi aber hat sich versteckt und denkt sich:

rojo ijfjt (Dtto Eigentlich wollte sie gar kein Loch machen, sie wollte nur die Käfer sehen. Denkt sich

0tto* Sie ist aber nicht dort.

Rjejfji ijfjt i|m Garten Denkt er sich:

Rjejfji ijfjt i|m Haus Da ist sie auch nicht.

n>|o ijfjt Rjejfji Rjejfji ijfjt ijm

Nein, da ist sie auch nicht. Ich will es euch verraten, aber dem Otto dürft ihr es nicht sagen: , ,

Rjejfji ijfjt ijm (W

Otto weiß es aber nicht, geht immer daran vorbei. Auf einmal hört er hinter dem Haus husten. Ah, das ist Resi, denkt er. Schnell ist er dort. Wer ist's? Das Mädl vom Herrn Müller. „

Bjojfja

Wortbildlesend wäre wegen des Kontrastmangels die Verwechslung von Resi mit Rosa zu befürchten. Das aufbauende Lesen hat auf Kontraste nicht Rücksicht zu nehmen. (Hier weiß das Kind im vorhinein, daß es Rosa heißen muß.) Es ist ja nur auf Lautverbindung abgesehen. - Otto fragt Rosa:

Rosa - tojo i!s>t R|e|f|t Und Rosa deutet mit dem Finger nach dem Hollerbusch. Da springt Resi vor und droht der Rosa „

f!o R|o|f|a

Und fort ist Resi. Da von Rosa die Laute bis auf a schon bekannt sind, ergibt die Gegenüberstellung der zwei Mädchennamen das a. Ob Steinschrift oder Fraktur als Ausgang, das ist durchaus nicht das Ausschlag­ gebende. Geschulmeistert kann in Steinschrift und in Fraktur werden; umgekehrt erlaubt uns jeder der beiden Ausgänge ein Lesenlernen aus dem Erleben in der Phan­ tasie des Sechsjährigen. Aber für einen Weg von beiden müssen wir uns doch entscheiden. Die Stein­ schrift gestattet uns Schreiben und Lesen in ihrer organischen Verbundenheit, die gemischte Antiqua gleicht darüber hinaus die beiden Alphabete aus und ermöglicht so einen großen Wortschatz bei kleinem Buchstabenvorrat. Aber: der geradlinige Weg führt zur Lateinschrift. Freilich können wir diese bald wieder verlassen und zur Deutsch­ schrift übergehen. Aber das heißt den Sechsjährigen einen Übergang in einen Über­ gang zumuten. Gemacht wurde das, aber das ist kein Beweis dagegen, daß dies eine Gewaltmaßnahme bedeutet. Überspringen wir aber die Lateinschrift überhaupt, wozu dann noch den Ausgang von der Steinschrift? Wir tun dann gut, uns die Ver­ beugung vor der lateinischen Welt zu schenken. Denn was hat Steinschrift dann noch der Fraktur voraus? Wie steht es überhaupt mit dem Vorwurf, der Ausgang von der Fraktur setzt das sekundäre Lesen vor das primäre Schreiben, erst muß etwas geschrieben sein, damit es gelesen werden kann? Wenn der Lehrer das neue Wort in der Steinschrift vor­ führt, ist er es und nicht der Schüler, der es vor dem Lesen schreibt. Von seiten des Schülers bleibt das Lesen vor dem Schreiben. Stehen die Kinder nicht vor der Dampf­ maschine, vor dem Auto, dem, was sich da bewegt, ganz hingegeben, ohne nach dem Primären, nach der Krafterzeugung zu fragen? Das Kind ist eben auf dieser Stufe noch nicht logisch eingestellt. Kommt auch das Wortlegen dem Nachmalen der Stein­ schriftbuchstaben nicht ganz gleich, so ist doch das genaue Ansehen, Vergleichen der Buch­ staben das Wesentliche der Selbsttätigkeit des Kindes. Von einer Unterstützung durch das schreibmotorische Gedächtnis kann bei der Darstellung unzusammenhängender Steinschriftbuchstaben noch kaum die Rede sein. Aber der Unterschied zwischen großem und kleinem Alphabet ist nur in der Steinschrift ausgeglichen! wendet man ein. Aus­ gang von der Offenbach-Schwabacher Fraktur, sagt man weiter, engt in den Lese­ texten ein, wir können die Gelegenheiten, die uns das Leben an den Strand wirft, nicht aufgreifen usw. O unser ganzer Erstunterricht ist nichts als Gelegenheitsunterricht. Wir wählen die Buchstaben nach der Häufigkeit ihres Auftretens, halten uns aber nicht pedantisch-

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ängstlich daran. Am häufigsten treten aber die „kleinen" Buchstaben auf. Ein „großer" Buchstabe ist bis zu seinem nächsten nicht erzwungenen Auftreten wieder vergessen. Wir beschränken uns deshalb im allgemeinen auf die Buchstaben des kleinen Alphabets. Dingwörter! Dingwörter! ruft man, das kleine Alphabet erlaubt ja keine Dingwörter! Ginge es wirklich nicht ohne Dingwörter, dann nähmen wir eben die häufigsten Buch­ staben des großen Alphabets mit herein. Aber ist denn das Dingwort an und für sich nicht ebenso tot für das Kind wie irgendein anderes Wort? Da bringt eine Fibel den Hut, den Ast. Hut, Ast, sie sind wohl Dingwörter, aber sie sind dem Kind nicht leben­ diger als die Drohung „so!" ja nicht einmal im selben Maße lebendig! Das Beziehungs­ wort ist geladen mit Beziehung zum Ganzen, das allein lebenspendend ist. Es käme noch ein Beginn mit der deutschen Handschrift, der ja auch vertreten wird, in Betracht. Lassen wir doch die Kinderhändchen erst in der Darstellung großer Formen und in der Freiheit des Zeichnens mindestens noch einige Monate schwelgen, ehe wir sie an kleine Schriftformen herannötigen. Außerdem bedeutet Beginn mit der deutschen Handschrift entweder Verzicht auf Schönschrift oder - infolge der Rück­ sicht auf die mit der Leseschwierigkeit gleichzeitig auftretende Schreibschwierigkeit eine Einschränkung in der Wortwahl, somit auf trostlos phantasielose „Stoffe". Welche Ode deckt nicht das moderne Mäntelchen so oft zu! Frage man doch immer: wie sieht es da mit der Übung aus? Die Übung charakterisiert die Schule. »In Jesu Namen - schießt!" In Pestalozzis Namen - drillt!

Dom Verlieren und Finden. Das Wort, das wir bisher als Wortbild errieten, lesen wir nun aufbauend. Geben wir uns aber nicht der Täuschung hin, daß dies schon mit dem ersten Gelingen erledigt wäre, sondern dehnen wir diese Übung an denselben Wortgruppen über viele Gebiete des kindlichen Erlebens aus, dann haben wir den kürzesten Weg zum Ziel: Erlesen eines nicht im vorhinein bekannten Wortes, gewählt. Das Wesen des aufbauenden Lesens liegt darin, daß die Antwort (eben das, was nun aufgebaut wird) dem Kind schon „auf der Zunge liegt". Da es den folgenden Laut schon weiß, sucht es mit der Mundstellung hinüber zur Stellung des nächsten Lautes. Dies, das Hören der Gleitlaute und das Empfinden der Veränderung der Sprachorgane, ist nächstes technisches Ziel und sonst nichts. Tränenüberströmt kommt Helmut, sein schöner Bleistiftspitzer ist gestohlen worden. Bald aber ist sein Leid in die Freude des Wiedersehens aufgelöst. Da ist sein Bleistift­ spitzer! ruft Willi. Helmut hatte sich in eine andere Bank gesetzt und seinen Spitzer liegen gelassen. . —.i» ;cji ntiai»itt

Helmut: wo tj|jt m|e|t;n ich: wo tjfjt fjejijn @59 Willi: bja ijfjt ö|ejijn

Herr Lehrer, ich hab mal meinen Lesekasten nicht gefunden, dann war er in der Hilde ihrer Schultasche.

Franz: tojo i|fjt Mutter: rojo i|fjt Jjilöe: ö|o ijfjt

mjejijn [jc|t|n 6|e[t|n

Mein Vater hat einmal seine Brille nicht gefunden und hat sie auf der Nase gehabt.

Vater: ro|o rst m'et'ne

Die Kinder deuten auf seine Nase:

ö|a ijf|t 6Jc|t|n|c ch aujch tojo i|f|t n|u|r ö|e|r ^ Keiner ist zum Schlüssel nunterkommen, bloß mein Bruder,

dja i|fjt ö|e|r Unser „offizieller" Buchstabenschatz ist nun: iResoaeinrtwm WdOuauch. Vorerst ist es nur auf Wiederholung des letzten neuen Buchstaben ch abgesehen. Kommt da so ein grausamer Wind!

f|o ci|n tDji|n|b Walter ist schon ganz blau. Der Vater schickt ihn in die Kabine. Da sperrt der Schlüssel nicht. Und Walter klappert schon mit den Zähnen. Er hört was in der Kabine. Gewiß ist Rudi schon darin.

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tn|a|d| o|ujf R|u|öji so m|a|d) ajujf ro|a|r|t n|ujr ro|a|r|t d>ich t|au|cf) i|d) Da geht die Tür auf. Ein fremder Herr sieht heraus. Ja, was ist denn das! Walter ist an der falschen Türe. Lesetexte, wie Rudi und Hans sind im Wasser Otto und Walter tauchen sind sehr schulgemäß, sie gleichen dem Kind, das nichts bricht und auch nichts macht. Lieber eine Neckerei! Eine Seifenblase nur, aber sie schillert und mit verklärten Augen sieht ihr das Kind nach. Erwin mag mit seinem Wasserball nicht mehr spielen. Er legt ihn in den Rasen und geht ins Wasser wieder. Kommt Willi dazu. A feiner Ball! denkt er sich.

eijtt feiner BaC. Dann wiegt er den Ball so in der Hand. „Ja, der ist so leicht."

s!o leicht Er läßt Luft aus.

[Io feiles) nlchch tDjet|cf)|e|r ijm|m|e|r wlei>chjelr o - leer Gleich platzt die Bombe: den ersten kenn ich schon, l! l! l. Dort oben bei leicht ist er auch. Willi will den Ball wieder aufblasen. Er bläst seine Backen auf, daß sein Kopf wird wie ein Luftballon. Geht nicht. Da soll Walter aufblasen. Aber Walter füllt den Ball mit Wasser.

o m|ijt tD|a|f|f|ejr So, nun haben sie einen Vollball!

wirf tD|ö|I|t|e|r wirf tD|i|I|I|i Auch das f wird sofort unaufgefordert festgestellt. Aber zum Werfen ist der Ball zu schwer. Sie „drallen". Wie ein Fußball wird der Ball hin und her gestoßen.

fl# ro|i|I|l|i

Und jetzt macht der Ball einen Sprung, über die Köpfe der Schwimmer hinweg, hinein ins Wasser. So, wer war das?

b|u tt)|i|I|I|i n|ei|n b|u tO|a|I|t|e|r Der Ball ist verschwunden, untergegangen. Da kommt Erwin und will wieder mit seinem Wasserball spielen.

ro|o i|f|t mein Ball o m|et|n Ball i|f|t f|o|r|t Kje|fji I|a|d)|t tD|o|Ijt|e|r ujn|b tDji|I|I|i I|au|f|e[n f|o|rjt ro|ei|t f|o|r|t m|a|r|u|m Und nun, da Walter und Willi fort sind, erzählt Resi dem Erwin die ganze Ge-

to|a|rjt tD|a|I|t|e|r roja|r|t XD|i|I|I|i so droht Erwin ihnen nach. Aber Tränen rinnen ihm über die Backen. Wenn nur das Wasser dort nicht so tief wäre. Und wenn er nur tauchen könnte!

rojo ijf|t B|u|b|i Ja, da muß der Rudi her. Der wird den Ball gleich bringen.

R|u|b|i f|u|d) m|ei|n|e|n Ball rojo ist bjeijn Ball b|a b|a Wie Erwin auf das tiefe Wasser deutet, fängt er von neuem zu weinen an. Es möcht ihm das Herz abstoßen.

ro|ei|n b|o|d) nicht tlausch H|u|b|i Lausch Kopfüber springt Rudi ins Wasser und ist verschwunden. Das kann noch keiner in seinem Alter. Lange bleibt er aus. Da kommt er. Ha, er hat ihn schon, denn er zieht was unterm Wasser mit. Er will's nnr nicht gleich sehen lassen

b|a lla^t Erwin Die Kinder erschließen das neue Wort und trennen sogleich auch das E ab. Kinder, nun hebt Rudi hoch - einen alten Stiefel! An den Zehen reißt der Stiefel weit sein Maul auf und speit das Wasser aus. Alle Kinder lachen. Nur eines nicht. Wer lacht nicht? - Die Kinder legen

(Elrlrolilit

Aber Rudi ist schon wieder verschwunden und kommt wieder herauf.

(E|r|ro|i|n l|a|d|jt achch o m|ei|n Ball Eine lange Geschichte, wiederholt mußten wir den Lesekasten abräumen, aber den Kindern ist sie noch zu kurz. Und solche Geschichten legen sie, natürlich in Bruchstücken, aus eigenem Antrieb auch zuhause. Dabei bringen sie auch neue, von den Eltern erfragte Wörter. Die an­ fänglich erworbene Sicherheit im Lautabtrennen und in Lautverbindung wurde ihnen zum Stützpunkt, von dem aus sie nun nach allen Seiten vorstoßen. Selten läßt sich eine solche Eindringlichkeit der Zahlveränderung erreichen als beim Fischerlfang. Sollen wir den Fischerlfang ignorieren, weil er verboten ist? Ist denn mit dem Verbot schon etwas aus der Welt geschafft? Ist es nicht besser, wir gehen auf das Spiel, das sich nun einmal nicht abschaffen läßt, ein, klären aber das Kind darüber auf, daß auch ein Fischerl leiden muß, daß es erstickt in einem abgesperrten Wasser. Rudi hat seinen Weiher auf, steht auf der Lauer. Schon ziehen die Fischerin hinein, 4 sind es schon. Noch 2 - unsere Steinlein sind die Fischerin, - schon 6! fein! noch 2, schon 8! o er hat sich gerührt, 3 sind hinaus —. Singen ist uns immer noch in keiner Weise Technik. Es eilt wirklich nicht. Wir wollen der Singfreude keine Zäune errichten. Jedes Lied, das Eingang fand ins Kinder­ herz, das soll auch wieder hinausschmettern, ohne Rücksicht auf Schwierigkeit. Das Neue wollen wir noch lange nur dem Gehör nach singen. Wie Pflanzt sich im Volk ein Lied fort? Doch ohne Noten. Da singt es einer, nicht um es den Zuhörern ein­ zutrichtern, sondern nur zur Freude. Der Zuhörer ist gar nicht bemüht, sich das Lied einzuprägen, er hat nur seine Freude daran. Auf einmal kann er es selbst. Das Lied von den Entlein mit dem Schwänzchen in der Höh sing ich auch ohne Einprägungs­ absichten vor, nur weil es uns Freude macht, wie sich gerade die Gelegenheit bietet.

Kirschen. Was erzählen die Kinder? Was für Erfahrungen sie beim Kirschenkauf gemacht haben, wie man eingehen kann. Vom Kirschbaum des Onkels aber auch. Meinen Kindern ist der Kirschbaum gar nicht so fremd wie ich annahm. Rudi und Karl dürfen Kirschen kaufen. Aber Karl kauft an einem anderen Stand.

B|u|6|i kauft Kirschen K|a|r]I Kauft Kirschen Sagt Rudi

m|ei|n|e Kirschen f|i|n|6 w^ch sagt Karl

m|ei|n|e Kirschen f|i|n|ö n|o|d) w>ei1ch>elr Wie er aber eine in den Mund steckt, spuckt er sie gleich wieder aus.

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o tn|ci|n|c Kirschen f|i|n|ö f|ou|I Das Wort Kirschen, als Wortbild gegeben, lösen wir noch nicht ganz auf - die Be­ gabten tun es auf eigene Faust - wir wollen lediglich das K loskriegen. Kurt, so heißt der ganz kleine Bruder.

to|o ijf|t K|u|r|t Seine Mutter sucht ihn.

f|ei|ne Ht|u|tjt|ejr f[u|d}|t Wegen der Ähnlichkeit mit dem kleinen m wird das große M sofort erkannt. - Die Mutter findet ihn nicht. Er steht unter dem Kirschbaum und macht zum Baum bitte!

6ltte!

fja|l|t rju|nlt|e|r

sagt er zu der Kirsche am Baum.

b|o it|o|m|m|t R|ujb|i R|u|b|t I|a|d)|t T»|ojr|u|m ljchchjt Rjujb|i Rirschen f|a|I|l|c|n b|o|^ n|i|ct)|t r|u|n|t|e|r rojajr|t i|d) ro|e|r|f n|au|f Rudi hat schon einen Prügel, nimmt einen Schwung -

roja|rt bju i;d| ro|e|r|b b|ijr n|au|f n)|e|r|f|e|n Der Onkel ist's, der hat den Rudi beim Kragen gefaßt. So zeichnet ein Bub den Kirschbaum. Daß er den „Einfall" beharrlich durchführt, gibt seinem Bildchen den Wert. Das Bildchen soll aber auch beweisen, daß das Kind ohne technische Anweisungen sich vervollkommnet. Dieser Bub Gipfel! eine Verjüngung! zeichnet bereits einen

Jetzt darf es neue Buchstaben regnen. Sie werden erschlossen und wie alte Be­ kannte eingereiht. Wir beschränken uns nicht mehr darauf, Antworten zu lesen, die in der Luft liegen, wir erlesen Neues. Doch: immer noch aufbauend. Nur was dann und wann noch als Wortbild gelesen wird, erscheint als fertiges Wort. Kinder, da rascheln doch die Blätter? Und die Äste rühren sich?

b|a ijf|t n>|e|r aujf b|ejm Baum o b|e|r R)|ajljt|e|r m|ei|n - hat tDjajlJtjejr Rirschen

Schon ist das h ertappt und festgestellt. Nun handelt es sich darum, die Verbindung des h zu gewinnen.

£|e|nje tD|t|IjI aujch Kirschen n)|i|rjf r|u!n|t|e|r TD|o|I|t|c|r tD|oJIjtjc|r lacht

Er verschwindet hinter dem Laub und dann kommt er wieder hervor und ruft zur Lene

f?l|i|r ro|ei|n|e|n aber b|o|d) Rudi und Walter bewachten vor der Post ein Fahrrad. Der Herr gibt ihnen ein

3e^neiI‘

R|u|b|t u|n|6 tD|a|I|t|e|r fcjau|f|e|n K|ijr|fcf)]e|n

Das wissen einige Buben schon, daß da jeder um ein Fünferl kriegen sollte. Aber die Händlerin will wegen eines Zehnerls nicht zwei Tüten nehmen. Eßt nur aus einer Tüte, sagt sie, und teilt schön. Das merkt sich Walter gut. Immer sagt er zu Rudi, der die Tüte hat: ,, ,,, ,,,,

||o t|Ct|I m|t|t m|t|r

Rudi sagt

hlaM au|f R|u|b|i ro|i|I|l K|i|r|fcf)|e|n au|f|I||e|b|e|n R)|ojI|tje|r to|i|I|I Kjiir|fdj|e|n e|f|fje|n Ja, Kinder, Walter ißt Kirschen für Hunger. Hätte ihnen die Händlerin nicht mehr gegeben als man für ein Zehnerl kriegt, dann wär er schon lang fertig. Immer wieder

^ er

n|oicf) ei|n|e

Da gibt Rudi keine mehr her. Walter aber zupft ihm von der Tüte unten das Zipfel­ chen weg und zupft eine Kirsche nach der anderen heraus. Rudi sagt

I)|ajf|t b|u K|i|r|fd)|e|n i|m RT|u|n|b Walter sagt

l|ou|t|e|r K|c|r|n|c und hat nicht gelogen, weil er das Kirschenfleisch schon hinuntergeschluckt hat. Da erwischt ihn Rudi, wie er wieder eine Kirsche aus der Tüte zupfen will.

R)ja|I|t|e|r r|e|n|n|t fjo|rjt R|u|b|i r|ejn|n|t n|a|d) I||a|I|t l)|e|r b|ojm|i|t b|u ^|a|f|t m|eijn|e K|i|r|j^|e|n

WIHo Mi m|ci|nje K|i|r|f(^|c|n l)|e|r

Da fällt Walter und wie er aufsteht, ist sein Anzug voll Kirschensaft.

f|o r|o|t wie Blut Walter schaut und denkt an die Kirschen gar nicht mehr und weiß nicht, warum er so blutrot

ist.

l|au|t!c!r Blut

sagt Rudi und Walter meint, er muß sterben und heult vor Angst. Der Rudi aber hat gemeint: lauter Kirschenblut. „Offizieller" Buchstabenvorrat: iResoaeinrtwmWdOuauchElfKH L sch M. (Von den kleinen Buchstaben fehlen noch: b g p v z ß ie äu eu.) Der „offizielle" Buchstabenvorrat. Die Begabten sind ja längst vorausgeeilt. Unsere Verbindung von Wortbildlesen und Erlesen hat ihnen die Wege geebnet. Aber zu einer Zerreißung der Klasse, zur Aufsplitterung in „Kleinstaaterei" wollen wir die Beachtung der Begabungsunterschiede nicht führen. Ja, in den Aufgaben wollen wir getrennt marschieren; aber der mündliche Unterricht, er ist doch das Gemeinschaftsleben der Klasse, muß stets die Klasse als ein geschlossenes Ganzes dem unmittelbaren Einfluß des Lehrers aufgeschlossen sein. Oder wir ziehen Unterrichtserfolge Erziehungszielen vor.

Der Wolf und die sieben Geitzlein. Wieder der Wolf? Soll ich nicht Hänsel und Gretel wählen? Da warnt eine sonst nicht ängstliche Stimme vor dem Grausigen der kinderfressenden Hexe; ein Kind erschrak vor einem alten Weiblein, in dem es die Hexe vermutete, derart, daß es in einen Schreikrampf verfiel. - Gott sei Dank! sind dieser übernervösen Kinder so wenig, daß wir uns nicht darauf einzustellen haben. Aber falsch ist es, in der Steigerung des Grausigen die Wirksamkeit des Vortrages oder der Bebilderung zu suchen. Wir sollen das Grausige auch nicht mindern. Es gehört zum Märchen wie die Schlange zum Wald. Aber die Schlange für sich ist nicht der Wald und das Grausige macht nicht das Märchen aus. Es ist wohl das Richtige, das Grausige so selbstverständlich zu geben wie es das Märchen bietet, ohne Akzent. Den schlechten Schauspieler erkennt man am Schreien und Gestikulieren, den schlechten Märchenerzähler am Schwelgen im Grausigen. Nicht das Grausige veranlaßt mich, dieses Märchen noch nicht zu wählen, sondern die Mutter, die ihre Kinder aussetzt, um selbst leben zu können. Das Märchen überbietet hierin durchaus nicht das Leben, was es erzählt, ist das fast alltägliche: die Mutter, die nicht aus noch ein weiß, tötet die Frucht ihres Leibes. Aber dem Kind kann nur das Bild der sich selbst aufopfernden Mutter Sonne sein. Das Märchen vom Wolf und den sieben Geißlein steht dem Märchen vom Rot­ käppchen am nächsten. Es ist noch nicht wie Dornröschen, Aschenputtel usw. in dem Sinne zeitgebunden, daß das Kolorit früherer Jahrhunderte den Rahmen gibt. Auch sein letztes Schatzkämmerlein erschließt es der Phantasie des Sechsjährigen. Auch das, was wir Erwachsenen verstandesmäßig als Hintergrund des Märchens herausholen, findet das Kind im Gefühl - und darauf kommt es an, das Märchen will ja das My­ thische nicht lehren sondern darstellen.

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In Bildchen erzählen die Kinder wieder die Geschichte nach. Aus den Bildchen lesen wir dann die ganze Geschichte. Wir können sie auch aus dem Lesekasten lesen, da kommt der Wolf er ist schon da macht auf Kinder nein nein du bist der Wolf da schaut der Wolf er ist schon fort und ist schon wieder da Kinder macht auf o dummer Wolf dich kennen wir und machen auch nicht auf da schaut der Wolf er ist schon fort und ist schon wieder da macht auf

macht auf

die Kinder machen auf hu hu der Wolf husch sind alle Kinder fort der der alle ein

Wolf der sucht Wolf der findet alle Kinderlein Kindlein aber nicht

die Mutter kommt die Mutter weint wo sind die Kinderlein Mutter da bin ich wo ist der Wolf wo sind die Kinderlein auf der Wiese ist der Wolf ach in seinem Bauch sind meine Kinderlein und leben alle noch lauf Kindlein lauf hol Scher und Nadel lauf Kindlein laus

alle sieben leben noch und alle sieben lachen der Wolf ist tot der Wolf ist tot mausetot „Kinder, ich hab da eine Zeitung für euch. Da könnt ihr das Geschichtlein lesen." Staunend - was, eine Zeitung für uns?*) - greifen die Kinder nach dem Leseblatt, aber sogleich wird der Lehrer ausgeschaltet, sie lesen zum erstenmal vom fertigen Wort. Vater und Mutter und wer gerade zu Besuch kommt, muß sich diese schöne und lange Geschichte vorlesen lassen. Der Heißhunger nach dem Buch ist geweckt. Die begabteren Kinder brauchen mich nicht mehr, was an Buchstaben noch fehlt, wird erschlossen. Sie lesen das Märchen aus dem Märchenbuch. In dieser Geschichte traten neu auf: ie b B N Sch. Ist das nicht zu viel? ie ist kein neuer Laut, b und B zwei Zeichen für einen Laut und längst vorbereitet (Ball, Baum, aber), N und Sch gleichen dem n und sch so, daß sie gar nicht als etwas Neues betrachtet werden.

Im Kaufladen. Der Wolf beim Krämer bringt uns auf den Kaufladen zu sprechen. Meine Mutter hat einen Laden —. Einmal hab ich meiner Mutter eine Milch holen müssen - -. Die Kinder zählen nicht auf, was es alles gibt, sie schildern nicht die Einrichtung, für sie besteht der Kaufladen aus der Klingel, die so lange läutet als die Tür auf ist, aus der Waage, die auf und nunter hutschert, aus der Dreingab, aus dem Geldwechseln und aus den Fragen: was kriegst denn? was noch? Das sind also die Unterlagen für mein Geschichtchen. Für eines nur? nein für drei: der Wolf im Laden, ja, das ist etwas ganz Feines - dann Hans kaust ein, da darf uns die Wirklichkeit nicht zu nüchtern werden - die Kinder spielen Kaufladen. Der Krämer ist hinten im Hof und packt Kisten aus. Da macht sein Glöckerl kling kling. wer ist da der Wolf was will der will er Kuchen und Wein nein nein hat er Durst will er Fisch oder Wurst was will er kaufen was will er haben Kreide will er essen die Kinderlein will er fressen *) Siehe auch Seite 90.

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Kaufmann: Hans bist da kauf nur fest ein Hans: einen Liter Milch Kaufmann: was noch Hans: Rosinen Kaufmann: was noch Hans: Mehl und Hefe Kaufmann: was noch Hans: das ist schon alles Kaufmann: nein nein halt die Hand auf Hans: danke o eine Schachtel was ist in der Schachtel a ein Hanswurst Im Zwiegespräch gelesen, ein Bub der Kaufmann, einer der Hans, o was löst die kleine Sache für einen großen Jubel aus! Da liegt im Hof eine alte Kiste. Die ist unser Kaufladen, sagte Rudi. Dann suchen die Kinder alte Deckel, Konservenbüchsen, Stanniol, das sie in einem Buch preßten, sie rupfen Blätter vom Busch und ziehen sich auch anders an, damit sie wie die großen Leute aussehen. „Wir haben amal Kaufladen g'spielt Rudi ist der Kaufmann, Lotte kauft ein: ich will Kuchen Kuchen hab ich nicht ich will Wein ei ei so fein nein nein dann will ich Schokolade Kakao oder Kaffee hab ich nicht o weh ich will Rosinen und Reis hab ich leider nicht Seife Soda Sand leider nicht in meinem Stand aber so ein Kaufmann bei dem man nichts kaufen kann Die Kinder bezahlen mit Steinlein und haben noch ihre Phantasiepreise. Da kostet ein Stück Kuchen 5 Mark, eine Waffel 3 Mark. Lene sucht ihr Geld zusammen,

erst 5 Mark, dann noch 3 Mark —. Wir zählen auch, was wir gekauft haben, Rudi zählt, was noch im Laden ist, Lotte hat was liegen gelassen usw. Mit dem Geldverlieren kommen wir auch auf das Spargeld zu reden und augen­ blicklich sind wir in der Wirklichkeit des Erwachsenen; jetzt ist von Pfennigen die Rede, die Kinder erzählen, wieviel der Onkel tatsächlich in die Sparbüchse geworfen hat, wieviel sie herausgenommen haben. So steht das Kind in diesem Übergang an der Grenze zweier Welten, es gehört noch dem Reich der Phantasie, sucht aber schon Stand in der Wirklichkeit des Erwachsenen.

Wir fahren in Ferien. Das Vergangene ist dem Kind gerade gut dazu, die Erwartung zu speisen. Wollen wir nach den Ferien die Ferienerlebnisse auswerten, ist es, als hätte es nichts erlebt. Erst wenn das einzelne frühere Erlebnis zu einem vor der Tür stehenden Erlebnis den Weg finden kann, bricht es wieder als lebhafte Quelle hervor. Sprechen wir vor den Ferien von den Erlebnissen, die nur eine Wiederholung früherer Erlebnisse aus der Bahn, beim Onkel auf dem Land bedeuten! Dann lesen wir: sch sch sch sch da ist schon der Zug das ist unser Zug nicht Gut, dann haben wir Zeit uns den Zug anzuschauen, ihn zu zeichnen. Wir haben sogar Zeit, von unserer Märklineisenbahn zu erzählen. da kommt unser Zug sch sch sch sch rasch den Koffer halt die Karten sind alle da Hans Lotte Rudi wo ist Rudi Rudi ist nicht da wo ist nur Rudi sucht doch sch sch sch sch wein nicht Mutter sch sch sch sch einsteigen Rudi ist nicht da Rudi ist nicht zu finden was tun wir nur sch sch sch sch da schaut er raus o der ist schon im Zug

Wenn der Zug fährt, dann schaut man durchs Fenster. Da laufen die Telegrafen­ stangen davon. Die tun Fangeles. Die Bäume laufen auch. Die Äcker drehn sich allweil so. — Ja was ist in dem Acker los! Lotte schau da ist ein Has und da kommt ein Hund wie die laufen der erwischt den Hasen Has lauf lauf o ein Auto schnell Zug schnell Zug Rudi ein Wettrennen wir gewinnen eine Schranke das Auto kann nicht weiter ein Wald o so finster ist der Wolf in dem Wald o ein Wasser ist das tief da ist ein Schifferl Koffer runter der Onkel ist schon da und Berta und Gusti und Franz und Karl auch Dann beim Onkel Hans, da sagen die Kinder vom Onkel Hans zu unserm Vater Onkel. Sie können es schon gar nicht mehr erwarten, bis er seinen Koffer aufmacht. Er hat ja jedesmal so was Schönes mitgebracht. Was wird es wieder sein? Aber unser Vater macht nicht auf. Er treibt die Kinder recht hinaus. „Mich hat mein Papa mal auch nauftrieben —." Onkel mach auf was soll ich aufmachen den Mund mir tut kein Zahn weh nein Onkel den Koffer was ist drin ein Has nein nein so mach auf Onkel dann rennt der Has fort wir halten ihn schon mach auf

also mach ich auf eins - Nase weg zwei - Augen zu drei - auf ist o lauter Hemden und Hosen wo ist der Has a da ist noch was eine Schachtel Onkel mach auf a ein Flieger Nur die guten Leser dürfen so eine Geschichte im Zwiegespräch lesen. Wer will da nicht ein guter Leser sein! Unser Buchstabenvorrat: iResoaeinrtwmWdOuauchElfKhLsch M ie b B N sch F H Z g. Von den kleinen Buchstaben fehlen noch: p v ß (äu eu ai). Wir durchhasteten nicht die beiden Alphabete. Ziel dieses Jahresdrittels war Erlesen. Hätten wir die Erwerbung aller Buchstaben angestrebt, so könnten die ein­ zelnen nicht gleich gut verankert sein, das Vergessen während der Ferien würde unter ihnen schlimmer aufräumen als unter den wenigen aber fest eingeprägten. Und sollten auch viele verlorengehen, das Erlesen, es ist ja „Einsicht", bleibt erhalten. Gesichert bleibt auch das Vermögen, vergessene und neue Buchstaben aus dem Zusammenhang zu erschließen. Wir können die Leseschwierigkeit als überwunden betrachten und nach den Ferien mit Schreiben beginnen. Warum schreiben wir im Rechnen noch keine Ziffer? Die Ziffer stellt sich der Bildung einer Zahlvorstellung in den Weg. Statt Erinnerungszeichen zu sein wird die Ziffer ein Ersatz der Zahlvorstellung; das Kind rechnet dann nicht in Vorstellungen der Zahlgrößen, sondern in Vorstellungen der Ziffern. Noch weniger als die Ziffer auf dieser Stufe hat die Gleichung und heiße sie auch nur 1 und 1 — 2 eine Berechtigung, auch nicht, wenn von der schriftlichen Darstellung abgesehen ist. Auch die Gleichung ist uns nicht Mittel der Übung, sondern nur kürzeste Fassung, nach der vorerst so wenig als nach der Ziffer als Notiz ein Bedürfnis besteht. Mittel der Übung ist uns die Eindringlichkeit der Ursachen der Zahlgrößenveränderung. Der zu frühe Gebrauch von Ziffer und Gleichung aber ist, wie alle Hast, eine Verlängerung des Weges zum Erfolg.

Überblick. Allgemeine Richtung des Erstunterrichts. Von der Erlebnisgemeinschaft in der Phantasie von der Gemeinschaft tatsächlichen Erlebens zum Sachunterricht. Vom Erzählen der Erlebnisse zum Berichten der Beobachtungen.

Die Stufen des aufbauenden Lesens als Besonderheit herausgehoben. Reines Wortbildlesen: Wortbildvermittlung Wortbildeinprägung. Erlesen eines zu erwartenden Wortes: Lautgewinnung*): Abtrennung durch das Auge (Buchstabengewinnung) durch das Ohr durch die Hand (Schere). Kleinere und bald auch größere Wörter zerfallen dem Kind von selbst in ihre Bestandteile. Lautverbindung: Verwendung des neugewonnenen Lautes. Abbau des Wortbildlesens und Zunahme des Erlesens, vorerst eines zu erwartenden Wortes. Erlesen des nicht zu erwartenden Wortes tritt hinzu, wird vorherrschend. Letztes Leseziel: Wortbildlesen im Sinn des fertigen Lesens löst das Erlesen ab.

*) Lautgewinnung im Wesentlichen nach H. Brückl.

Rück- und Ausblick. Übergang ist alles Wachsen, hier vom Erfühlen zum Denken, zum Erschließen, vom Erleben in der Phantasie zum Erleben in der Beobachtung, von der Gemein­ schaft des Spieles zur Gemeinschaft der Arbeit, vom Sichselbsterleben zur Hingabe an die Pflicht. Doch nicht wie fahles Laub wirft der Mensch seine Kindheit ab, das Kind lebt in ihm weiter als Grundstock seines Werdens. Erfühlen, Erleben in der Phantasie, Sichselbsterleben, sie sind nicht abgetan, aber auch nicht mehr allein maß­ gebend. Mannigfaltiger werden die Äußerungen des Seelenlebens, des Tätigseins. Der Erzieher ist nicht ein Feind des Kindseins, er brennt nicht vor Ungeduld, die Eigenart des Kindes zu unterdrücken, etwa dem Begriff „Schüler" zuliebe. Er weiß es zu achten, daß wie nochmals ein Mutterleib die Welt der Phantasie das Kind um­ schließt, damit es darin reife für die Welt der Dinge und der Pflicht. Es ist nicht der Schritt einer Stunde, wenn es diese Umschlossenheit verläßt. Seiner Phantasiewelt noch hörig, wendet es sich schon den Dingen in ihrer Tatsäch­ lichkeit zu - Lesen und Rechnen wären verfrüht, würde es noch nicht von seiner Phantasieumschlossenheit aus zum Ding in den Dingen tasten. Nun aber wird es wie beim Tagwerden. Ding scheidet sich von Ding und will genommen sein, wie es ist.

Runb um

bas

Ding herum.

Was einmal im Menschen, im einzelnen tote im Volke, wirksam gewesen ist, wird nie mehr so erlöschen, als wäre es nie gewesen, sondern wird, wenn auch in immer schwächerem Grade unter der Überlagerung des Späteren, Kräfte ausstrahlen. Beim sechsjährigen Kind aber wird es sein wie beim Kampf zwischen Winter und Frühling. Ist das Neue schon weit und breit ins Land gezogen, auf einmal tut sich, ungerufen, das Alte wieder auf, ist wieder da und herrscht, als wäre es nie überwunden gewesen und ist dann wieder dahin, als wäre es nie zurückgekommen. Wohl können wir dem zeitlichen Verlauf nach gliedern: 1. die Phantasie des Kindes erfaßt die Dinge von innen her, die Dinge sind den Erlebnissen völlig untergeordnet; 2. die Anschauung geht von außen an die Dinge heran, entdeckt ihre Be­ schaffenheit und Zweckmäßigkeit, die Erlebnisse kreisen um die Dinge wie die Planeten um die Sonne. Doch müssen wir sogleich einräumen, sobald die 2. Stufe einsetzt, ist das Nach­ einander durch Gleichzeitigkeit ersetzt. Es spielt immer wieder das frühere herein, doch bleibt der Schwerpunkt bei dem späteren. Wird auch die Beobachtung der Vor­ gänge, später auch der Zustände und Zweckmäßigkeiten, immer „sachlicher", wird auch die „Unsachlichkeit", die im Hereinspielen der inneren Kräfte beruht, gedämmt, über das Kindesalter hinaus, durch das ganze Leben wirkt „das Kind" in uns weiter. Dann und wann wirft wieder das Ich seine Selbstherrlichkeit über die Welt der Dinge ins Spiel, die Phantasie bricht wie ein kühner Sonnenstrahl durch und - nicht immer ist Phantasie Phantasterei. Es sind, im Gegenteil, die gesegneten Augenblicke unseres Daseins, wenn Ahnung über die Grenzen des Verstandesmäßigen hinausleitet. Es ist die Vorschau, der Einfall. Die Vorschau, die aller „Sachlichkeit" widerspricht. (Weshalb gerade die ersten Bahnbrecher für Narren gehalten wurden!) Ein Bei­ spiel: die Vorschau, daß der Mensch, dieses schollengebundene Wesen, fliegen könne. Erst diese Vorschau weist dem verstandesmäßigen Ausbau Ziel und Weg. Ist auch das „soll sein" des Erfinders weit über das „soll sein" des sechsjährigen Kindes hinaus, es liegt doch in einer Linie damit. Und: nur in dieser Beziehung zur Vorschau, zur Selbstherrlichkeit über das Ding wird der Mensch in seinem Dienst am Ding nicht zum Götzendiener. Gehen wir im Anschauungsunterricht zum Ding, verschwenden wir uns an das Ding, so wollen wir uns doch nicht an das Ding in seiner Vereinzelung verlieren. Wir suchen ja das Leben, auch im Ding. Erst den Überblick, vom Ganzen zum Ein­ zelnen, und auch dann das Einzelne immer in seiner Bezogenheit zum Ganzen! Doch 6*

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soll uns kein vorher zurechtgelegtes, ausgeklügeltes System durch die Welt der Dinge führen, nein, wir wollen am Tisch des Lebens speisen. Aber ehe wir die Stätten der Arbeit des Menschen, des Wirkens und Webens der Natur aufsuchen, wollen wir erst das Kind auf das Neue hungrig machen, es bis an das „Problem" heranführen, so nahe, daß es ihm auf den Nägeln brennt. Denn erst dann tritt das Kind mit geöffneten Augen in diese Stätten ein, wenn das Be­ dürfnis, ja das müssen wir an Ort und Stelle sehen, in seinen Einzelheiten „erforschen", wirklich unabweisbar geworden ist. Anders würde das Kind dem Gänslein gleichen, das sogar übers Meer flog und doch als Gickgack wieder heim kam. Wer in die Welt geht, muß schon wissen, was es in der Welt zu suchen gibt, oder er wird den Wald vor Bäumen nicht sehen. Die Anschauung soll nicht ein Aufgedrängtes sein, nein, das Kind soll zu ihr hindrängen: dann haben wir den rechten „Ausgang von der Anschauung". Seinen Höhepunkt erreicht der Sachunterricht erst in den Werkstättenbesuchen. Jeder Werkstätteninhaber, der ein Büblein in unserer Klasse sitzen hat, wird gebeten, auch einmal uns Lehrer zu sein. Dann ist die Beobachtung nicht mehr einem Erlebnis nur aufgeladen, sie selbst wird Erlebnis.

Mein Pausebrot, das am Apfelbaum gewachsen ist. Der Apfel ist Pausebrot geworden! Schon hat ihn das Scherzchen mitten in das Interesse des Kindes geworfen. Die Äpfel werden verglichen. Da ist einer ganz grün und doch schon reif. Und einer ist ganz hart und doch süß. Und einer ist gar golden. Aber von den Kernen, den braunen Bübchen des Rätsels, von Schale, Stiel usw. reden die Kinder nicht. Sie reden ja nicht lange, sondern sind rasch im Erzählen. Ich hab amal in einen Apfel neinbissen, mitten in'n Wurm ... und ich hab antat ein Kernhaus verschluckt. Das sind die Apfelerlebnisse. Das Bild von Else Wenz-Vietor: „Most", der Jugendlust entnommen, verlegt den Schwerpunkt ganz auf die Betrachtung des Apfels als Gasthaus, der Wurm ist der Wirt. Das Verslein vom spannenlangen Hansel und der nudeldicken Dirn, die nur den kleinen Sack voll Birnen trägt, wird uns zur Szene. Dann singen wir auch noch das Lied vom Butzemann. Aber mit dem Lesegeschichtlein wollen wir noch bescheiden sein, es so leicht als möglich gestalten. Ist vielleicht alles vergessen? Nein, wir setzen das Kind gar nicht dem niederschmetternden Gewahrwerden aus, was uns als Können so erfreute, ist dahin. Wir beginnen wieder mit Wortbildlesen! Was von Erinnerung an Buchstaben nur noch schwach in den Kindern dämmert, wird rasch wieder aufgehellt, bald können wir wieder erlesen. Rudi hat so einen wunderbaren Apfel. Wie er aber hineinbeißt, graust ihm so ein Wurm Aber deswegen wirft er den schönen Apfel nicht weg. weg du Wurm Günter, neben ihm, ißt feinen Apfel ohne Grausen, hast du auch einen Wurnt nein mein Apfel ist fein

Rudi ärgert sich ein bißchen, daß Günter einen Apfel ohne Wurm hat. Da fällt ihm auf, daß Günters Apfel so grün ist. o dein Apfel ist nicht reif mein Apfel ist schon reif Dann ziehen wir unseren Apfel hervor, sagen, gibt es auf der Welt ein schöneres Wirtshaus? und essen das ganze Wirtshaus auf. Wir lesen noch ein Apfelscherzchen: Walter: Rudi: Walter: Rudi:

o mein Apfel hat ein Loch o so ein Apfel ist im Loch ein Wurm nein ein Kamel

Ein Hinweis, daß wir, wenn wir selbst schreiben wollen, etwa einen Brief, die Buchstaben zusammenziehen, daß wir nicht die Buchstaben schreiben, wie sie für die Druckmaschine zum Drucken der Bücher recht gut passen, sondern daß wir die Buch­ staben so nehmen, wie sie sich gut schreiben lassen - und wir probieren es gleich. Wir schreiben eine Warnung:

ö Ja, wenn wir die schiefen Striche herauswischen, haben wir fast die Druckschrift. Und wenn wir in die Druckschrift diese schiefen Striche hineinziehen, dann haben wir - die „Handschrift", sagt das Kind. Aber nun schauen wir unsere Handschrift an. Hm, schön ist sie nicht geworden. Wir überlegen: wo fehlt es? Die Kinder vergleichen ihre Schrift mit meiner und finden, daß sie die Zeilen nicht beachtet haben. O das s (das Erkennen der einzelnen Buchstaben bereitet uns ja keine Schwierig­ keit mehr, wie in Druckschrift zerfallen uns auch die Wörter in Handschrift in ihre Bestandteile) ja das s, rufen die Kinder, stößt mit dem Kopf oben an der Weißdecke an. Es ist auch der einzige, der mit den Füßen auf dem Boden steht. Das t stößt auch an der Decke an, aber es sitzt auf dem Tisch. Nein, nicht auf dem Tisch, sondern auf der Bank. Da gibt es unter den Buchstaben noch so kleine Kinder, die noch nicht auf den Tisch sehen, wenn sie auf der Bank sitzen. Das i, m, e sind so Kinder, die Beine haben sie auch aufgezogen. Um auch schön schreiben zu können, versuchen wir das s allein, dann das i, das n, m und auch das t. Es ist ja immer dasselbe, nur in der Größe verschieden. Zuletzt das e. Meist fällt der Schreibunterricht ganz aus dem Rahmen des Gesamtunterrichts. Ihn einzubauen wie einen Stein in die Mauer, der seine Aufgabe für die Mauer hat, ist aber unsere Absicht. Deshalb binden wir uns auch nicht immer an eine Buch­ stabenfolge nach der Ableitungsmöglichkeit aus einer Grundform, wie es hier beim ersten Schreibversuch noch geschieht, sondern wir nehmen die Buchstaben, wenn sie nicht gerade die schwierigsten sind, wie wir sie brauchen. Es läßt sich da am Anfang des Unterrichts noch nicht sagen, welcher Buchstabe „an der Reihe" ist.

Die Kinder üben mit großem Eifer die Abänderung des Sätzchens, natürlich nach eigenen Einfällen: "WW sl°n°l Vj^ 1VVM-' (im Wirtshaus ist t/VM/

'i'J'i-

ein

Wirt)

'TM/VP

vj^ -JVVW •WM-

vf4

•H^W

cf)

c3 usw.

Im Korb ist ein Apfel nur? Ja, den hat die Mutter übersehen, usw. Wir werden im Anschauungsunterricht zu anderen Dingen gedrängt; unsere Schreibübung können wir bei diesem Umzug mitnehmen: im ... ist ein ...

Nichts als Regen. Wir wollten ausziehen auf Eroberung, aber der fast ununterbrochene Regen bannt uns in das Zimmer. Die Kinder erzählen, wie sie ohne Mantel, ohne Schirm vom Regen überrascht wurden. Von den Haaren tropfte das Wasser auf die Nase, von der Nase auf den Boden. Die Kleider sind naß und in die Stiefel hat das Wasser hineingefunden, aber nicht mehr heraus. Auf der Straße ist das ja ganz lustig. Was es da für Weiherln gibt! Und Kanäle! Da rinnt in den Straßenbahngleisen das Wasser, da spritzt es, wenn ein Auto durch die Weiherln fährt. Die Buben warten natürlich schon darauf, daß es spritzt. Blätter schwimmen Schifferl, recken den Stengel in die Höhe, man könnte ein Segelschifferl daraus machen. Der Vater zieht seinen Leder­ mantel an, aber auch schon mancher Bub hat einen, da geht nichts durch, durch eine Gummihaut auch nicht. Aber die Pferde haben keinen Schirm und keinen Mantel. Der Schutzmann hat auch keinen Schirm, aber einen Mantel hat er schon. Ganz fein ist es, wenn eine Dachrinne verstopft ist, da läuft sie über und die Kinder laufen durch. Wenn es ansgeregnet hat, dann lassen die Kinder regnen: sie locken andere unter ein Bäumerl und schütteln auf einmal so fest sie nur können. Aber der schüttelt, wird selber mit naß. Doch das ist ja nur Wasser! Herr Lehrer, möchten Sie nicht nachsehen, ob mein Bub seinen Schirm nicht in der Schule gelassen hat? kommt eine Mutter. - Buben, seht nach! - So viele Buben, so viele eifrige Sucher. Ja, da ist der Schirm! Ist es wirklich dein Schirm? Diesen Schirm aber sehen wir uns nicht nur nach seinen zufälligen Merkmalen an. Wie praktisch er ist! Man kann ihn groß und klein machen, klein zum Tragen bei trockenem Wetter, groß bei Regen. Die Schnecke kann ein Haus tragen und Fritz ein Dach, beinahe ist er so stark wie das stärkste Tier. Aber wie geht denn das zu, daß der Schirm bald groß, bald klein wird? Nun haben die angehenden Ingenieure das Wort.

Wir lesen in Druckschrift: wo ist dein Schirm in der Schule da ist ja der Schirm Alfred hat einen falschen Mantel nachhause gebracht: das ist doch dein Mantel nicht wer hat deinen Mantel o Hans hat meinen Mantel Ein ganz schlauer ist der Berger Hansel: Das gibt wieder ein Zwiegespräch zum Lesen: Lehrer: du bist ja patschnaß hast du keinen Schirm Hans: ich hab schon einen Schirm Lehrer: hast du den Schirm aufgemacht Hans: nein ich hab vergessen Der Erich sucht auch in allen Winkeln: mein Schirm ist nicht da wo ist mein Schirm ist er in der Schule im Laden beim Onkel bei der Tante beim Nachbar nein Ludwig hat den Schirm Daß wir noch nicht alle Druckbuchstaben erlernt haben, macht uns keine Sorgen. Sie werden im Handumdrehen erschlossen. Es ist nur darauf zu achten, daß sich diese neuen Buchstaben nach Möglichkeit bald wiederholen, um eingeprägt werden zu können. Wir schreiben: (Kasten) ist im

B

sein

ist im

(Schirmständer)

und in Dutzenden von Variationen wird dies abgewandelt und jeder Bub glaubt, die schönsten Einfälle gehabt zu haben. Es wird aber nur vorgelesen, was so schön geschrieben ist, daß ich es lesen kann.

Kommt a Dogerl geflogen. Herr Lehrer, schauens hin, ein Kanarienvogel! Tatsächlich, was für ein lieber Besuch. Mächens schnell die Fenster zu! Ja, aber ihr müßt euch ganz ruhig halten, sonst hat das Vogerl so angst. Und nun geht es an: ach ist der nett! ist der grusel­ gelb? Karl weiß sogar, daß dies ein Weibchen ist, „weil dies die Leute auslasten".

Haben wir uns an dem lieben Kerl, der zum Fenster statt zur Türe hereinkam, satt­ gesehen, dann übergeben wir ihn der Frau Hausmeister. Zum Abschied singen wir ihm: Kommt a Vogerl geflogen ... Nun aber wird erzählt vom Vogerl zuhause. So manche Erzählung wäre nieder­ geschrieben ein schönes Aufsätzchen. Dann lesen wir in Druckschrift: kommt so ein Vogerl so nett so lieb so gelb die Fenster zu so er kann nimmer fort Vielleicht aber ist er einer Frau ausgekommen. Wie sie sich ängstigt um ihr Vogerl! wo ist mein Vogerl ist mein Vogerl nicht da ist mein Vogerl nicht zu finden ist mein Vogerl fort o wer hat mein Vogerl Die Frau Hausmeister bringt den Vogel zurück. Der Hansi ist gar nicht mehr so zutraulich, seit er fort war. Frau: komm her Hansi Vogel: nein ich will wieder fort Frau: ist mein Hansi wieder da war mein Hansi in der Schule ja will mein Hansi lernen lesen und rechnen Wirschreiben: ...

*) -vtatr -v]4 -wvtwvu

Der Vogel sagt im Schulzimmer:

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•wvrvv-w 'Vt/t/fl/WVIV

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it (Zuckerl)

Wl/TVl/W

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r

H

(Badewannerl)

(Futtertrögerl)

Unsere Rechenstunde führt uns zum Vogelhändler. Der Vogelladen, ein'^Paradies für Kinder!~ *) Der neu auftretende Buchstabe ist durch Unterstreichung gekennzeichnet.

Volksfest. Eine Kette von Lesegeschichtlein fällt ab: schau ein Neger wie der die Augen rollt o der riecht schon Menschenfleisch Die Zauberstiege: o so finster komm nur immer weiter o wir fallen aber wir lachen da kommt der Teufel den lachen wir aus Kindereisenbahn: Paul ist im Zug die Mutter winkt die Mutter sagt komm wieder Paul da bin ich schon wieder aber ich will nochmal Rodelachterbahn: komm mit Paul o so hoch hinauf und dann so weit hinab so wild um die Kurve o wie wir sausen fall nicht raus immer rund um auf und ab mich hebt es vom Rodel immer wieder auf und nieder aber das war fein Dann schreiben wir das Gespräch zwischen Vater und Paul: Paul sagt Der Vater sagt Wir üben

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und möchte nochmal

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und läßt den Paul nicht mehr.

denn ohne Üben des einzelnen Buchstabens läßt sich eine

Schönschrift nicht erreichen. Unsere Schreibbuchstaben: s i m n t e w o f

Je weniger wir die Kinder zum Wiederkäuen der Lesegeschichtlein zwingen, je mehr Geschichten wir bieten, desto mehr steigern wir die Leselust. Freilich haben wir auch ein Lesebuch, aber das Lesebuch kann nur Notbehelf sein, für keinen Fall kann der Unterricht seinen Weg nach den Lesestücken des Lesebuches einschlagen. Unsern Weg schreibt das Leben vor; findet sich etwas Einschlägiges im Buch, wie z. B. für das Regenwetter, so nehmen wir es, wenn nicht, dann schreiben wir uns unsere Geschichtchen an die Tafel. Reichen die Tafeln nicht, gut, dann eine Kinderzeitung! Mit dem Druckstempel für Gummitypen ist sie rasch und billig hergestellt, sie kostet nur das Papier, die einmalige Anschaffung des Druckkastens (12 M.) und einen humorvollen Einfall. Diese Kinderzeitung wird von den Kindern in Heftumschlägen gesammelt und ermöglicht Stillbeschästigung und Heimarbeit. Das schönst bebilderte Buch reicht nicht heran an den Zauber dieser Erinnerungen, die aus diesen Geschicht­ chen sprechen. Sie wurden ja erlebt. Am Lebkuchenstand: bitte Mutter kauf mir ein Herz Mutter: Robert: Mutter: Robert: Mutter:

du hast doch schon ein Herz aber nicht aus Schokolade da kauf dir eines so gut so fein so rot gib der Resi auch was

Am Schießstand: schießen kleiner Herr sagt das Fräulein am Schießstand zum Willi. Da schmunzelt Willi. Ein Zehnerl ruckt schon raus aus seiner Hosentasche. Jetzt Kinder gebt acht, jetzt legt er an, jetzt drückt er los daneben nochmal sagt das Fräulein und hat das Gewehr schon wieder geladen und hat doch Willi noch gar nicht gesagt, daß er nochmal will. Muß halt nochmal ein Zehnerl raus. Aber jetzt hat er getroffen. o eine Blume so schön Das Fräulein sagt nochmal schießen Nun muß ein Ballon her, sagt Willi, zielt hin auf das weiße Stängelchen, da verreißt es ihm das Gewehr o mitten in den Ballon Keine Geschichte ohne Jllustrationspausen! Auch in der Wiederholung schalten wir sie ein, denn sie erhöhen die Eindringlichkeit ganz bedeutend. Es kommt nicht darauf an, wie lange ein Kind liest, sondern mit welcher Sammlung und Hin­ gabe.

Einzug des Artillerie-Regiments. Im Tagesbericht unserer Zeitung lesen wir: die Soldaten kommen Hurra so viele Kanonen so viele Auto die Leute werfen Blumen da scheuen die Pferde aber die Reiter lachen die Musik kommt sie reiten und blasen dazu tra ra voraus reitet der Pauker bum bum ich möchte gleich mit Franz liest „die Musik kom-mt". Er meint, es ganz gut zu machen. Endlich der „Fehler", auf den ich schon einige Zeit warte. Wir überlegen, ob wir auch so lesen sollen wie Franz. Sagt die Mutter, Kinder, der Vater kom-mt? Sagt ihr, ein Reiter kom-mt? Nein, nein! Aber warum schreibt man denn dann so? Vielleicht soll das etwas bedeuten, daß das m doppelt geschrieben ist. Manchmal nimmt der Vater eine Schnur doppelt. Ja, damit sie besser hält. Manchmal helfen auch zwei zu einer Arbeit zusammen. Ja, daß sie mehr Kraft haben! Ist es vielleicht da auch so? Ja, die zwei m haben auch mehr Kraft als eines. Brauchen sie denn so viel Kraft? Ja, spricht man denn ein Wort wie das andere? Da ruft einer: Der Wagen mit Kohlen kommt! Wir vergleichen die Aussprache von Kohlen und kommt. Ah, das kommt sagen wir ganz schnell. Da schieben die zwei m so fest an! Sie geben dem o einen „Schubser". Aber darf man die zwei m auch im Sprechen hören? Nein. Doch beim Schreiben wollen wir sie nicht vergessen, damit der Onkel, wenn er unser Geschichtlein liest, auch daran denkt, wie er das Wort zu sprechen hat.

Blätterlanz. Den ganzen Sommer hat der Baum auf seine Blätter acht gegeben. Die Blüten hat er alle fallen lassen, aber von seinen Blättern will er keines fortlassen. Meine lieben Kinderlein, hatte er gesagt, als der Gewittersturm gesaust kam, bleibt nur schön bei mir. Nein, mit dem wilden Gewittersturm wollten sie gar nicht fort. Da blieben sie schon lieber am Baum. Freilich, wenn die Vögel so lustig und leicht sich von Ast zu Ast und von Baum zu Baum schwangen und den Blättern vorzwitscherten, wie es in der weiten Welt draußen so wunderschön wäre, und sogar der Käfer, der Dickkopf, umherschwirren konnte, da wollten die Blätter gar nicht mehr bleiben. Sie steckten die Köpfe zusammen und flüsterten ganz leise, damit nur ja der Baum nichts hören konnte. Gerade wir sollen immer zuhause bleiben, immer schön auf dem gleichen Platz sitzen, sagten sie. Nein, das Bravsein geht gar nimmer schön. Wir wollen fort. Der Wind streichelte sie und tat ihnen schön und sagte, wer wird denn immer so lang­ weilig auf dem gleichen Fleck sitzen! Ihr wackelt ja nur mit dem Kopfe, wenn ich meine schönen Liedlein euch pfeife. Kommt doch herunter und tanzt einmal euch ordentlich

aus. Ja, das wollten die Blätter. Aber der Baum hatte alles gehört und sagte: geht nur zu, wenn ihr euch nicht fürchtet vor dem Gewittersturm! Da blieben die Blätter alle wieder schön sitzen, jedes an seinem Zweiglein. Aber der Sommer ist um und ein Gewittersturm kann nicht mehr kommen. Nur der Wind kommt und jetzt alle Tage und hört nicht auf, zu locken: So kommt doch! Wollt ihr denn da sitzen, bis der Winter da ist und euch zusammenfriert! Sterben müßt ihr ja doch! Wollt ihr nicht wenigstens einmal zuvor fröhlich sein? Ja das wollen sie. Sie ziehen ihre schönen Kleider an. Es geht doch keine Frau in ihren Werktagskleidern zum Tanz. Ein Blatt malt in sein Kleid allerlei Tupfen, ein anderes macht sich ganz braun, ein anderes so rot wie Feuer und die meisten sogar golden wie die Königstöchter. Dann springt eines nach dem andern vom Zweig, der Baum soll es nicht merken. Aber der Baum merkt es doch. Ganz traurig und langsam schüttelt er den Kopf, immer so hin und her, und denkt sich schließlich, nun ja, wenn sie nochmal lustig sein wollen! Schon im Hinunterfliegen fangen die Blätter zu tanzen an. Immer im Kreise drehen sie sich und viele geben vor lauter Tanzfreude gar nicht acht, wohin die Reise geht. O da ist eines gerade in eine Pfütze gefallen, eines dem Herrn Maier auf den Hut, eines der Frau Huber in die Markttasche zum Käse, die können was erleben! Sie können schon nicht mehr mittun, wenn alle andern aufspringen und zuerst ein Stück durch die Allee rennen, als hätten sie Angst vor dem Allee-Aufseher, dann aber rund um den Wind herumhopsen. O wie lustig, o wie ist das schön! O es gibt nichts Schöneres als Tanzen! rufen sie. Wenn sie sich nicht mehr drehen mögen, dann spielen sie auf dem Studentenwiesel Fangeles und lachen das große alte Ahornblatt aus, weil es immer hintennach kommt wie eine Tante. Wie es aber am lustigsten ist, geht der Wind nachhause und sogleich fallen die Blätter um und aus ist es mit dem Tanz und jedes muß liegen bleiben, wo es gerade liegt. So, nun liegen sie mitten im Weg, da kommt schon so ein großer Stiefel, was hat der für große Nägel in seiner Sohle - oweh, schon tritt er dem Blatt auf den Bauch, tritt es in den Boden, daß es nie mehr herauskommen kann. Und die Blätter, die der Wind auf die Straße gelockt hat, die liegen nun da, schon kommt das Auto, schon sind sie überfahren, Pferde traben heran und zerstampfen die Blätter, die dem Auto noch ausgekommen sind. O wären wir doch zuhause geblieben! Aber nun ist es zu spät. Die Straßenkehrer ziehen heran, so viele, da kann kein Blatt auskommen. Mit dem Besen fahren sie den Blättern über das Gesicht, mit einer großen Gabel spießen sie die Blätter auf und werfen sie auf einen Wagen. Der Baum aber steht da wie ein Besen und als die Blätter an ihm vorbei zur alten Kiesgrube gefahren werden, da verzieht er sein Maul von einem Ohr bis zum andern. Nicht immer sollen die Kinder mir erzählen, mitunter sollen sie auch hören. Und nach dem Geschichtchen erst ziehen wir hinaus in Allee und Villagarten, nun sind die Augen geöffnet. Denn nicht die Herbstpracht, wie sie draußen prangt, soll auf dies Geschichtchen vorbereiten, nein, dem Geschichtchen kommt die dienende Rolle zu. Tragen die Kinder ein Geschichtchen im Herzen mit, dann sehen sie mehr als die Augen wahrnehmen.

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rufen die Blattkinder einander beim Fangeles zu.

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Unser Lesegeschichtlein soll wieder ein Gespräch sein. Anderntags erzählen die Kleinen, daß die Mutter den Baum und der Vater den Wind gemacht hat. Blätter: wir wollen auch fliegen wir wollen auch in die weite Welt Baum: liebe Kinder bleibt doch da Wind: kommt doch und tanzt kommt ich mache euch Musik Blätter: ja wir kommen blase nur blase Wind wir kommen Baum: o meine Blätter meine lieben Kinder alle fliegen fort nun bin ich wie ein Besen und bin so schön gewesen Blätter: (nach der Melodie „Kommt a Vogerl geflogen" das ein wenig ver­ änderte Liedchen von den lustigen Tirolern) wir wir wir und

Blätter sind lustig Blätter sind froh drehn uns im Kreise machens a so

Wir schreiben:

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erst dreht sich das Weibchen dann dreht sich der Mann dann tanzen wir beide juch heisasa sa nochmal Wind

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Wie prächtig zeichnen die Kinder den Blättertanz, welche Einfälle! Doch dann und wann gibt es auch Kritik. O ja! „Kinder, ihr müßt so zeichnen, daß ich mich aus­ kenne." Damit ist das Geschmier unterbunden und das Kind angehalten, um Klar­ heit zu ringen. Mehr braucht es auch nicht. Schöne Legeaufgaben: was für Kleider ziehen wir an (sagen die Blätter) Das legen die Kinder nach; die Antwort, in welcher schwierige Wörter nicht zu er­ warten sind, legen die Kinder selbständig, im Zweifelsfalle fragen sie. Ebenso: wo tanzen wir am Boden im Hof im Garten Was fragen die Kinder? Ob t oder d, ob b oder p, ob k oder g, hauptsächlich aber ob groß oder klein. Nun gilt es, dahinter zu kommen, daß das Dingwort großgeschrieben wird.

Wir legen nach Angabe der Kinder, wohin die Blätter fliegen: auf das Dach auf den Hut auf den Boden auf einen Wagen auf ein Auto auf die Wiese auf den Hof in den Garten. Wir suchen die Wörter mit großem Buchstaben heraus, schauen nach, wo im Wort der große Buchstabe steht (ah der ist zu stolz, auch einmal in der Mitte oder gar am Schluffe zu marschieren!) wir lesen die Wörter mit großem Buchstaben, lesen die Wörter mit kleinem Buchstaben, und stellen fest, welche uns besser gefallen. Da sind wir einer Meinung: die Wörter mit kleinem Buchstaben (hier aus dem Zusammenhang ge­ nommen) sind langweilig. Tafel heraus, zeichnen, was sich zeichnen läßt! Ja, nur die „schönen" Wörter kann man zeichnen. Ah, darum kriegen sie auch den großen Buch­ staben. Das wollen wir gleich ausprobieren! wo liegen die Blätter: die Antwort legen wir gemeinsam, doch ohne Vorlegen; unser Augenmerk ist darauf gerichtet, was wir zeichnen können.

Allerheiligen. Wie der Neupfarrplatz jetzt aussieht: Kränze aus Tannenzweiglein, Blumen­ stöcke darin, die meisten Kränze sind an Gestellen aufgehängt, die Gestelle schauen aus wie Zelte. Die Kinder erzählen, wie die Mutter einen Kranz aussuchte. Andere aber er­ zählen, wie sie zum Kranzbinden helfen durften. Wir lesen: die Mutter holt einen Kranz der ist aus lauter Tannenzweigen schöne Blumen stecken darin wir vergessen die Toten nicht Wir schreiben:

Aschenputtel. Später, bei Frau Holle und anderen Märchen, lassen wir das Stiefkind das fremde Kind sein. Dieser Eingriff in die ungeschminkte Darstellung des Märchens kann an­ gesichts der Kinder, die schon in so frühen Jahren das Schicksal getroffen hat, ver­ antwortet werden. Bei Aschenputtel ist diese „Umschreibung" nicht möglich, denn das Grab der Mutter ist der eigentliche Schauplatz des Märchens. Wir wollen den Kleinen, die nur vom Sonnenschein leben, nicht Grau in Grau malen, aber was der Verlust der guten Mutter bedeutet, soll sie einmal bewegen.

Nein, das Kind hat seine Mutter nicht vergessen. Freilich möchte es auch gerne schöne Kleider und Gold und Edelstein. Aber was wünscht es sich vom Vater? „Ich weiß schon, warum es sich ein Zweiglein wünscht. Daß sie's aufs Grab der Mutter stecken kann." Und dann kommt der Vater zurück. „Die stolzen Schwestern könnens schon gar nimmer erwarten, bis der Vater das Austeilen anfängt." „'s Aschenputtel kriegt zuletzt was." Es macht sich aber nichts draus. „Weil sie's schon gewöhnt ist." „Wie sie's Zweigerl hat, geht sie gleich naus auf den Friedhof." „Das Zweiglein steckt sie ganz nah beim Kreuz ein. Wenn's ein Baum wird, dann hängen die Äste so übers Kreuz runter, das ist recht schön." „Ja, das hab ich schon gesehn am Friedhof. So weit hängen die Äste runter." Ob das Zweigerl auch bekommt! „Ja ja, 's Aschenputtel hat ja so viel daraufgeweint, daß 's schon wachsen kann." „Da hats alle Tage nachge­ schaut, wie die Blätterln kommen." „Da hats eine Freud gehabt, wenn die Blätterln gewachsen sind." „Die Mutter hätt auch eine Freud gehabt, wenn sie's gesehn hätt'." Unter das Tafelbild: Aschenputtel am Grab, schreibe ich

Das Bildchen zum Erbsenlesen zeichnen die Kinder selbst. Wir wollen nicht so sehr nacherzählen, als nacherleben, einander anregend die Szene weiterspinnen. Zuletzt halten wir dies in einem Lesegeschichtlein fest: Täubchen kommt und helft mir da setzt sich ein Täubchen auf den Topf ein Vöglein fliegt dem Kind auf den Kopf ein Vöglein setzt sich auf die Hand eines auf das Gewand sie nicken mit dem Köpflein und picken mit dem Schnäbelein Aus unserm Geschichtlein schreibe ich euch nun etwas in Handschrift. Wir lesen nochmal in Druckschrift: kommt und helft mir. Schreibe ich dann

so ist der neue Schreibbuchstabe k ebenso zu erschließen als wäre ich vom gesprochenen Wort ausgegangen. Über die Szene vom Bäumchen aber wollen wir gar nicht reden, Lesen läßt sie uns inniger empfinden. Nur kein Schema, stets der innern Forderung lauschen! Bäumchen rüttel dich und schütte! dich wirf Gold und Silber über mich da rüttelt sich das Bäumchen da schüttelt sich das Bäumchen da kommt ein weißes Vögelein und wirft ein Kleid herab ein Kleid aus Seide Schühlein aus Gold O wie ist das Aschenputtel fein

Welches Glück löst das einfache Verslein aus! Nein, das Lernen muß durchaus nicht trostlos sein, es zerstört das Märchen wirklich nicht! Wir schreiben:

-irvv44ivE.

-vVvi/P'

4iv6 -frA/iß

Was wollte das Kind lieber schreiben! Fühlt es sich nicht selbst als Aschenputtel, das allen Widerwärtigkeiten zum Trotz zu Glanz und Glück kommt? Unser nächstes Zwiegespräch läßt nicht mehr die Sätzchen auf die Zeilen verteilt sein: liebes Vöglein wo bist du da bin ich auf dem Baum woher kommst du ich flieg über Wald und Berg wer gibt dir die schönen Sachen sag ich nicht „Herr Lehrer, das Geschichterl wär so schön, aber Sie müssens wieder anders schreiben, da kennt man sich ja gar nicht aus." Ja, Kinder, unsere Geschichten werden immer länger, da müssen wir Platz sparen. Was tun? Wir lesen im Zwiegespräch. Es geht kaum. „Herr Lehrer, machens halt einen Strich 'nein, wenn der andere dran kommt!" Das tun wir, aber weil die großen Leute keinen Strich sondern einen Punkt hineinsetzen, machen wir es auch so. (Einige Zeit noch setzen wir auch nach Frage- und Rufesätzen einen Punkt, aus ihm haben sich beide Zeichen ja erst herausdifferenziert.) Was wir bis zu einem Punkt lesen, heißen wir einen Satz. Aber immer wieder überlesen Buben den Punkt, lesen noch weiter, wenn schon „das Vöglein" an der Reihe ist. Da müssen wir noch was machen. Wißt ihr was, Kinder! Wir machen den Anfang des neuen Satzes recht auffallend. „Ja, da malen wir eine Farbe hin!" Das wäre gut. Aber wir haben nicht immer eine Farbe bei uns, wenn wir auf der Post oder irgendwo was schreiben müssen. Schreiben wir einen großen Buchstaben am Anfang von jedem Satz. „Ja, das tun wir!" Also, gleich los! Aber jetzt ist unser Geschichterl schön zu lesen. Liebes Vöglein wo bist du. Da bin ich auf dem Baum. Woher kommst du. Ich flieg über Wald und Berg. Wer gibt dir die schönen Sachen. Sag ich nicht. Wie will denn der Königssohn seine Tänzerin heiraten, wenn sie ihm immer davonläuft! „Ha, der hats schon kriegt ..." Nochmals schreiben wir ein Lesegeschichtlein ohne Interpunktion: lauf nur ich bring es doch heraus wer du bist ach die Treppe ist voll Pech so da hat sie den Schuh verloren so ein goldener Schuh ist der klein und so fein Die Kinder wollen gar nicht dran. „Nein, Herr Lehrer, erst müssen Sie wieder die Punkte 'nein machen!" Gut! Aber wieder gibt es Unzufriedenheit. „Die Punkte sind zu weit auseinander!" Ja, das kann man nicht alles in eins lesen von einem Punkt bis zum andern. Kinder, so oft sich der Königssohn was Neues gedacht hat, setzen wir einen Punkt. Das probieren wir aus und nun kommt ein kleiner Streit, ob nach „laus nur" auch ein Punkt gehört. Ihr habt beide recht. Absetzen müssen wir da schon, aber es gehört das, was noch kommt, noch dazu. Da setzen wir statt eines Punktes einen Strich. Aber weil es im Zwiegesprächlesen doch noch ein Überlesen der Rede gibt, setzen wir bei jedem Wechsel noch einen Gedankenstrich. „Jetzt ists praktisch!" Lauf nur, ich bring es doch heraus, wer du bist. - Ach die Treppe ist voll Pech. So, da hat sie den Schuh verloren. So ein goldener Schuh. Ist der klein und so fein.

(Einmal können wir es wohl in Kauf nehmen, den neuen großen Buchstaben an einem Wort, das kein Dingwort ist, zu bringen. Ängstliche Gemüter können auch das ver­ meiden. Es darf ja nur ein Dingwort an den Satzanfang gebracht werden. Mir ist mehr daran gelegen, daß der Satz in seinem Bau nicht verschoben ist und daß er nicht „an den Haaren" herbeigezogen wird.) Natürlich lesen die Kinder das h am Schluß des Wortes Schuh. Was plagt ihr euch denn? Habt ihr denn schon gehört, daß jemand so Schuh spricht wie ihr beim Lesen! „Ja, warum steht denn dann ein h da?" Gleich kommt der Einfall, da hat das Wort wieder zu wenig Kraft. Wir vergleichen Schuß mit Schuh und finden, daß es im Gegenteil langsam gesprochen wird. Da helfen nicht zwei gleiche Kameraden wie bei „kommt" zu einer Arbeit zusammen, nein, das h macht seine Sache ganz allein, es will ja auch nicht das Wort recht schnell machen. Das h hängt sich hinten an das u und zieht es in die Länge wie ein Gummibänderl. Von da an bleibt dieses h bei den Kindern das Gummibänderl-H. Wenn später wieder eines auftritt, dann nehmen sie vom Arm, wo ja immer einige Gummibänderln zum Tändeln bereit sind, ein Gummi­ bänder! und begleiten das Dehnen des Wortes mit dem Dehnen des Gummibänderls. Ein Scherzchen nur. Aber einprägsam! Warum soll ich es verschmähen? In gemeinsamer Arbeit (im Gegensatz zu den Lesegeschichtlein, die wie die Lese­ stücke des Lesebuches als ein Fertiges dem Kind gegeben werden) legen wir, wie wir es schon bei der ähnlichen Übung beim Blättertanz vornahmen: Wo sitzen die Täubchen. Auf dem Bäumchen, auf dem Dach, auf dem Topf, auf dem Kopf, auf der Hand, auf dem Gewand, im Nest, am Fenster, auf dem Flugbrett, auf der Schulter der bösen Schwestern. Wir schreiben:

Nun ein Wort zur Folge der Schreibbuchstaben! Sie ist bis jetzt:

4 -iV

T 'S# *> -fr %

Worauf kommt es an, daß nun in strenger Folge der Entwicklung alles aufmar­ schiert, was aus einer Grundform gewonnen werden kann, z. B.

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Q1 OL

oder daß der Schreibunterricht funktioneller Bestandteil des Gesamtunterrichtes ist? Selbstverständlich kommt das k nicht vor dem t, das g nicht vor dem o, aber es besteht kein Grund, warum die Buchstaben einer Entwicklungsreihe ununterbrochen in Reih und Glied aufmarschieren sollen. Und noch ein Wort zur Buchstabenbehandlung. Spreche ich z.B. bei -H' von einer Wellenlinie, dann habe ich das Gegenteil einer Veranschaulichung erreicht. Das Kind sieht ein Wellengekräusel auf der Donau, an der Steinernen Brücke ein Wellen­ gedränge, aber nirgends die schematische Darstellung. Muß denn der erste Teil dieses Buchstabens unbedingt eine Wellenlinie heißen? Er braucht gar keinen Namen. Rundet den Abstrich des ab! Fertig. Daß dies zu geschehen hat, sieht das Kind selbst, - wenn es der Lehrer mit seiner Wellenlinie nicht vom Naheliegenden abdrängt. Und warum sollen wir nicht, sechsjährige Kinder sitzen ja vor mir, in die Schlingen „Luft einblasen", nicht zu viel und nicht zu wenig? Sofort findet damit das Kind das richtige Maß. Und noch eines: halten wir uns doch an kleinen Abweichungen des Kindes vom Duktus nicht zu sehr auf; entscheidend für die Schönschrift sind doch gleicher Ab­ stand, gleiche Richtung: eben der Rhythmus.

Auf der Straße. Was es auf der Straße zu sehen gibt, wollen wir einmal recht genau zeichnen. Ja, das ist wirklich schön zu zeichnen! Aber genau soll es werden. Ziehen wir hinaus! Da heißt es nun: Augen auf! Zuerst beschäftigt uns nur der Verlauf unserer Wanderung. Die Straßenüber­ querung beim Bischofshof, na, das war so eine Sache. Sogar in unserem Tagesbericht lesen wir davon. Unsere Zeitung schreibt: Wir stehen am Bischofshos und wollen über die Straße. Jetzt! Nein, da kommt ein Auto. Aber jetzt! Nein, da sausen so viele Radfahrer daher. Los jetzt! Nein, da kommt ein Lastauto mit Balken. Wenn dies vorbei ist - dann brummt die Straßen­ bahn heran. Gleich zwei Wagen. Der Schutzmann gibt uns die Straße frei. Wir wollten ja gar nicht früher hinüber. Wir wollten dem Schutzmann zusehen. „Jetzt!" wie ich das gerufen habe! Da setzen wir ein eigenes Zeichen: ! ein Rufezeichen. Wir schreiben: '$UU

^Uy\AAAAAA

'MAA/

OLV\A\y !

Es dauert nicht lange, sprechen wir nur mehr vom Auto. Ich vergleiche mit unserer Fahrradunterhaltung im ersten Jahresdrittel. Ohne Erfragen erzählen die Kinder, vom Richtungszeiger, vom Steuer, wie es der Vater beim Gasgeben, beim Gang-

Wechsel macht, vom Schlußlicht, vom Benzin, vom Kühler, von der Autonummer, vom Autoschlüssel, vom Reifenplatzen, vom Klappsitz, vom Fensterwischer, und endlos von Zusammenstößen. Welche Sachlichkeit bereits! Noch sind die Beobachtungen erlebnisgebunden, doch ist eine Schwerpunktverschiebung eingetreten, vom Erlebnis ist er hinübergeglitten zur Beobachtung. Das Erlebnis ist nur mehr der Träger der Beobachtung. Wie ist diese rasche Entwicklung zu erklären? Ja, erlebt das Kind, das täglich in der Schule seine Erlebnisse mitteilt, noch etwas Besonderes, ohne zu denken, das muß ich morgen in der Schule erzählen, da werden sie horchen! Und da die Zu­ hörer, Kinder wie Lehrer, auf Genauigkeit, Klarheit, dringen, sie wollen sich ja aus­ kennen, sieht sich das Kind gehalten, nicht nur so von ungefähr wie früher hinzusehen. Ist der Entwicklungsweg zur Beobachtung nicht derselbe wie der zur Darstellung: Klarheit wird gefordert, weiter nichts, sie ist das A und O jeder Mit-Teilung, diese Forderung allein fördert. Ein Mehr an Forderung ist ein Weniger. 4 Buben, von 50! sind noch nie in einem Auto gefahren. Dagegen haben schon viele selbst steuern dürfen. Es sind auch schon Bürschchen darunter, die fremde Auto haben anlaufen lassen. Was Paul schon alles kann, lesen wir sogar im Tagesbericht: Paul ist bei seinem Onkel im Auto. Er kann schon die Fenster auf und nieder drehen, hupen und die Zeiger stellen. Wohin geht die Reise? An das Ende der Welt. So weit? Ja, noch weiter! Oho, laß mich auch mit! Solche Fragen verdienen auch ein eigenes Zeichen. Wir werden aber künftig jeder Frage ein Fragezeichen geben. Wir schreiben:

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Über Paul lesen wir nochmals im Tagesbericht: Paul kann auch schon steuern. Aber sein Onkel muß dabei sein. Paul dreht nach links. Das Auto läuft nach links. Paul macht einen Ruck nach rechts. Das Auto läuft nach rechts. Wie ein braves Hunderl folgt das Auto dem Paul. Aber wenn er einen Ruck zu stark nimmt, o weh! Dann folgt das Auto auch und rennt an einen Baum. Wir schreiben:

Solange es sich vor allem um Sicherung des erworbenen Buchstabenschatzes handelt, Rechtschreiben nur so nebenher läuft, wollen wir auch das Abschreiben nach dem Druck fleißig pflegen. Denn es stellt nicht nur die Verbindung zwischen dem ge«

druckten und geschriebenen Buchstaben her, sondern ist uns auch auf dem Weg vom Abschreiben zum Gedächtnisschreiben insofern ein wertvolles Zwischenglied, als es nur mehr einen Anhalt bietet. (Ist aber einmal die Buchstabenerwerbung und -sicherung abgeschlossen, bann lassen wir das Abschreiben nach dem Druck ganz hinter das Abschreiben nach Hand­ schrift zurücktreten; Rechtschreiben tritt in den Vordergrund; ihm dient aber, wie Lay nachgewiesen hat, vor allem, ja fast ausschließlich das Abschreiben nach Handschrift. Meine Kinder sagen „Handschrift", auf die häßliche Bildung Schreibschrift sind sie nicht gekommen. Muß Handschrift unbedingt in der Einengung persönliche Schrift im Umlauf sein? Wohin kommen wir, wenn wir überall, wo es einen engeren und einen weiteren Sinn gibt, ein Sprachscheusal eintauschen!) Im Lesen: viel Wechsel, jetzt täglich eine neue Geschichte, das treibt die Leselust bis zur Lesewut. Im Schreiben: wenig Wechsel, viele Wiederholungen, das sichert das Schriftbild.

Nebel. Heute aber ist die Straße verzaubert. Es sind die Domtürme verschwunden, die Buben vom Unteren Wöhrd sahen die Brücke erst, als sie mit der Nase davorstanden, die Straßen, meint man, sind ganz leer, auf einmal kommt ein Auto raus, es ist aber gleich wieder verschwunden. Nein, erfolgt gleich der Einwurf, zuerst sieht man bloß so ein gelbes Licht. Ein Bub möchte uns weismachen, daß er beinahe die Schule nicht gefunden hat. Was ist davon zu lesen? Alles ist voll Nebel. O, da sind zwei Augen aus Feuer. Was kommt nur da aus dem Nebel heraus! Ein Auto. So gelb ist das Licht. Ganz langsam fährt das Auto. Da kann ich fast mitlaufen. Nein, es ist ja schon wieder verschwunden. Nur einen roten Punkt sehe ich noch. Und jetzt ist der auch weg. Wir schreiben:

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Die kleinen Buchstaben wiederholen sich so häufig, daß wir auf ihre bewußte Wiederholung nicht bedacht zu sein brauchten. Anders mit den Großbuchstaben. Ihre Wiederholung, ehe sie vergessen sind, müssen wir uns sehr angelegen sein lassen. Aber es muß der „Fleck" im Geschichtchen nicht schon von weitem sichtbar sein.

Stabschef Lutze in Regensburg. Die Kinder erzählen nicht nur, was sie gesehen haben, sondern auch schon, was der Vater aus der Zeitung vorgelesen hat. Natürlich hängen sie vor allem an den Ein­ drücken des Gewaltigen, so viele Menschen haben sie noch nie marschieren sehen, und des Schönen. Auf die schöne Musik kommen sie immer wieder zu sprechen. Unser „Tagesbericht" meldet: Die Straße frei! Viele Tausend marschieren. Die Musik spielt. Wie schön ist der Schellenbaum. Nun kommt eine Standarte. Und nun so viele Fahnen! Immer hören wir den gleichen Schritt rom dom. Sie singen: Für Adolf Hitler kämpfen wir. Wir schreiben: tv !

Der Derkehrsschutzmann. Fortsetzung der Einheit: die Straße. Lange haben wir ihm am Bischofshof zugesehen. Die Buben haben diesmal wirklich scharf beobachtet. Ich kann sagen, nichts ist ihnen entgangen. Wir machen in der Schule den Verkehrsschutzmann nach. Freilich am Bischofshof ist das nicht so gemütlich. Wenn er nicht wäre, gäbe es noch viel mehr Unglück. Wir sprechen von den Straßenunfällen, die Kinder waren ja schon sehr oft Zeugen und manchmal auch ein wenig Leidtragende. Von den Vorsichtsmaßregeln sprechen wir nicht nur, wir üben auch. Was ist vom Verkehrsschutzmann zu lesen? Da steht einer mitten in der Straße. Er hat weiße Handschuhe an. Aus dem Kopf hat er einen Helm mit einer Spitze. Nun hebt er den Arm hoch. Da halten die Auto und alle Wägen. Nur der Toni auf seinem Rad will nicht warten. Da faßt ihn aber der Schutzmann. O weh, er zieht sein Buch aus der Tasche. Toni aber zieht zuerst ein langes Gesicht. Dann zieht er auch was aus der Tasche - seine Geldbörse. Wir lesen auch diese Geschichten immer noch mit Jllustrationspausen. Im Sätzlein „Da faßt ihn aber der Schutzmann" wagen wir zum erstenmal dieses Fürwort. Wir denken wieder an das Dehnen des Gummibänderls. Wir schreiben:

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Dann bringen wir, wie in der echten Zeitung, eine Geschichte in zwei Fortsetzungen. Da ist man natürlich gespannt, wie geht das naus; ja das wissen die Kinder von der Mutter, wie man auf eine Fortsetzung gespannt ist.

1. Teil. Da steht ein Auto. Niemand ist darin. Erich denkt sich, da steige ich ein. Im Nu sitzt er im Auto. Er hupt und drückt mit Händen und Füßen. Auf einmal läuft das Auto. Erich steuert und lacht. Aber halten will das Auto nicht mehr. Immer weiter geht die Reise, über die Berge, durch die Wälder. 2. Teil. Erich ruft voll Angst, haltet mich auf. Niemand will sein Auto aufhalten. Die Straße hat kein Ende. Ein Dorf nach dem andern kommt. Endlich bleibt das Auto stehen. Das Benzin ist aus. Erich lacht. Aber wo ist er? Er hat Hunger. Die Leute verstehen kein Wort von ihm. Er möchte wieder heim. Da braucht er Benzin. Er hat kein Geld. O er ist im fremden Land und hat kein Geld. Da wird er wach. Wir schreiben:

Der erste Reis. „Bloß die Dächer sind weiß..." Der flüchtigen Erscheinung wird auch nur eine flüchtige Besprechung zuteil. Wir lesen: Heute nacht hat es gereift. Alle Dächer sind weiß. Erich holt seinen Schlitten vom Keller. Da lachen alle. Die Mutter sagt, willst du auf den Dächern fahren!

Die Straßenbahn. Straßenbahnfahren ist halt was Schönes! Sogleich sind wir mit unserer Unter­ redung bei den langen Strecken. Aber als Nächstes tritt der Zusammenstoß auf den Plan. Dann: der Draht ist gerissen. Der hohe Wagen mit der Leiter kommt. Warum diese Arbeiter den Draht anrühren dürfen? Meist ist aber bloß die Stange ausge­ sprungen. Wie die Straßenbahn Kehrt macht. Der Schaffner an der Kurbel. Jeder Bub möchte Schaffner sein. So an einer Kurbel zu drehen! Sehr schön wäre auch der Fahrkartenverkauf. Da macht der Schaffner immer einen blauen Strich, „wo man hinfahren will". Wenn man nicht umsteigen muß, dann macht er einen Riß in die Fahrkarte. Erst das Geldwechseln! In einer Röhre sind bloß die Zehnerln, in der andern bloß die Mark ... Zweierlei Glockenzeichen. Die Glocken, die der Schaffner an der Kurbel tritt, ist laut; die sagt, obacht, die Straßenbahn kommt! Die andere Glocke, die der Schaffner mit den Fahrscheinen am Riemen zieht, sagt bloß zum andern Schaffner: Abfahren! Und wie praktisch das Reinigen der Gleise gemacht wird!

Wir lesen: Halt, meine Tante will auch noch mit! Der Schaffner hört nicht mehr. Er ist schon im vollen Saus. O ein blaues Feuer! Die Stange ist weg vom Draht. Ruck! steht der Wagen. Der Schaffner springt aus dem Wagen und zieht an der Schnur. Das Rädchen an der Stange springt ein. Aber nun ist meine Tante auch im Wagen. Ich schaue durch das Fenster hinein. Tante! rufe ich. - Willst mitfahren? sagt sie. Ja, gerne, Tante! sage ich. - Steig schnell ein! ruft sie. - Und gleich sitze ich bei ihr und sage zum Schaffner: So, abfahren! Wir schreiben:

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Beim gemeinsamen Abschreiben richten wir den Blick besonders auf die Deh­ nungen und Schärfungen. Wir schreiben die Sätzchen je nach Schwierigkeit „dosiert", erst wenn anzunehmen ist, daß die Wortbildaufnahme erfolgt ist, schreiben wir, zur letzten Befestigung das ganze Sätzchen auswendig. Wir lesen: O der Draht ist ab! Vorsicht! ruft der Schutzmann. Da kommt schon der hohe Wagen mit der Leiter. Die Männer steigen auf das Dach. Zuerst ziehen sie den Draht heran. Dann schrauben sie ihn fest. Warum tut dir der Blitz nichts, fragt Willi den Mann. - Weil ich ihn eingesperrt hab, sagt der Mann und lacht. Wir schreiben:

Der Obstmarkl auf dem Neupfarrplatz. Da haben die Marktfrauen geschaut, als gleich 50 Buben auf einmal kamen. Na, haben sie gedacht, da machen wir heute ein Geschäft, denn die Buben mögen alles, was wir haben. Damit sind wir schon in der Fahrrinne. Alles haben die Kinder beobachtet. Alles, was in der Farbenpracht des Standes prangte, sie haben auch gesehen, daß jede Frucht schön ordentlich in einem Kistchen oder in einem Körbchen lag. Auf der Waage stand schon das Pfundgewicht; wir hätten bloß zu sagen brauchen: Geben Sie mir ein Pfund! Ja, Herr Lehrer, Habens denn die Geldkasse net gesehn. - Rot oder blau gestreiftes Zelttuch war das Dach. Da geht kein Wasser durch. An den Stangen hängen die Tüten. Eigentlich ist der Stand gar kein Tisch. Aber das meint man, weil die Frau die Räder mit einem Tuch verdeckt hat. „Das ist recht praktisch." Abends steckt sie die Deichsel wieder an und fährt weg. Wir haben gleich kalte Füße bekommen. Die Frau sitzt den ganzen Tag dort. Sie hat einen Lehnstuhl, der ist aus einer Kiste gemacht. Ein Hafer! mit Glut hat sie auch. „Das ist so praktisch" wird zur stehenden Redensart der Buben. Sie fangen an, das Praktische zu sehen und: zu lieben. Wir lesen: O so feine Sachen! Apfel und Birnen, Weintrauben und Nüsse, alles in Kistchen. Einkäufen! sagt die Obstfrau. Ein Fräulein kauft Äpfel. Fritz langt auch in die Tasche. Keinen Pfennig hat er, nur ein Loch in der Tasche und ein Loch im Schuh. Da gibt das Fräulein dem Fritz einen Apfel. Danke! sagt Fritz und beißt ab. Wir schreiben:

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Im Rechnen geht uns nun das Steinchenlegen zu langsam. Wir greifen zu Kühnels Hunderter-Tafel. Da können wir natürlich nicht sofort mit unseren Rechengeschichten weiterfahren. Erst müssen wir uns einige Fertigkeit im Gebrauch des Deckblattes erwerben. Was am beweglichen Zahlbild (Steinchen) „kinderleicht" war, z. B. 5 + 3, erfordert am starren Zahlbild Überlegung. Den Rechengeschichten fügen wir nun der Annäherung an sachliche Einstellung entsprechend reine Geläufigkeitsübungen bei, aber immer an Hand der Anschauung. Wir fangen auch an, was wir auf der HunderterTafel gelegt haben, uns aufzuschreiben. Noch eine Obstmarktgeschichte: Nehmens was mit, Herr! sagt die Obstfrau. Da kommt der Spatz geflogen und nimmt ein Weinbeerl mit. Nicht einmal danke sagt er. Die Frau sagt auch nicht, kommens nur wieder. Da ärgert sich der Spatz und fliegt zur Nachbarin. Da probiert er, ob die Feigen süß genug sind. Ja, sind schon süß, sagt er und kauft umsonst ein. Jetzt erst beginnen wir, zu basteln. Denn erst, wenn die Kinder zu beobachten beginnen, sind sie in der Lage sich auszudenken, wie packe ich das „praktisch" an. Das

Basteln stellt ja andere Aufgaben als das Zeichnen. Freilich, wenn es in einer Leier fortgeht, „so, jetzt macht ihr das und jetzt das" und das Kind gar keinen Einfall nach Herzenslust ausführen darf, dann besteht keine Notwendigkeit, diesen Zeitpunkt ab­ zuwarten. Wir wollen einen Obststand machen! Was brauchen wir? Einen Pappdeckel, leere Zündholzschachteln, Steckerln, Plastilin, einen alten Fleck. Das bringt ihr mit. So, nun baut! Die schönste Arbeit wird im Tagesbericht verherrlicht: Josef hat einen schönen Stand gemacht. Ein Deckel ist der Tisch. Ein alter Fleck ist das Dach. Durch den Deckel hat er vier Löcher gestoßen. In den Löchern stecken die Stangen. So schön hat Josef den Stand eingerichtet. He, ich möchte ein Pfund Msse. Da gibt mir Josef kleine Steinchen und sagt, da, du alter Nußknacker! Wir schreiben:

Nikolaus. Eine kleine Reimerei zur Erwartung: Nikolaus, komm ins Haus, aber ohne Stecken, sonst tust du uns erschrecken. Bring lieber einen großen Sack und schütt ihn bei uns aus! Hast du aber weg den ganzen Pack, dann hau den bösen Fritz noch aus. Steck ihn in den Sack hinein! Doch der Fritz, der hat ein Messerlein, das schneidet in den Sack ein Loch. Loch im Sack, Fritz im Loch, raus kommt er doch! Dazu das Bild, wie Fritz gerade durch das Loch sich zwängt.

Und dazu schreiben wir:

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Ja, bisher machten wir zwischen k und cf so wenig einen Unterschied wie zwischen

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und /J und >j3. Einige Buben vergessen den Abstrich vor dem k. „Der ist ja

bloß a so da", bemänteln sie ihre Nachlässigkeit. Wir vergleichen „Sack" mit „sagen". Ja, da sollten wieder zwei gleiche Kameraden zusammenhelfen. Zwei k sollten wir schreiben. Aber das erste k schickt seinen Stellvertreter, den Abstrich. Nach dem Nikolaustag. Im Tagesbericht bringen wir, was unsere Gassenhauer erzählen konnten. So viele Kinder waren auf der Gasse. Sie haben geschrieen, in dem Haus ist er! Auf einmal kommt er schon raus. Mit seiner Laterne leuchtet er uns in das Ge­ sicht. Die bösen Kinder schreien, Nikolo bumbum, kehr dich um! Da kehrt er sich um und haut mit der Rute nach uns. Die Buben schreien wieder. Da rennt er uns nach. Bald hätte er mich erwischt. Hat mir mein Herz gewackelt! Aber da hat er seinen Sack verloren! Da haben die Kinder ihn ausgelacht und ich bin ausgekommen*).

Frau Holle. Immer wieder schneit es. Die Kinder rufen in ihren Jubel hinein: jetzt schüttelt die Frau Holle die Betten! Ja, so zum Schneien ließe sich gut von der Frau Holle erzählen. Wenn nur die Spindel nicht wäre! Kinder, habt ihr eurer Mutter schon zugesehen, wie sie euch ein Pullover! strickt? Die Buben wissen auch schon was von Maschen fassen. Sie haben auch schon die Wolle *) Wir fingen: Morgen kommt bei Weihnachtsmann . . .

zum Aufwickeln halten dürfen. Da muß man die Arme strecken und muß sie immer gleich weit auseinander halten. Die Wolle, nun, die kauft die Mutter. Aber früher, Kinder, da konnten die Frauen nicht nur stricken sondern auch den Wollfaden sich selbst machen. „Wie Habens denn das gemacht?" Das hab ich auch noch nicht gesehen. Denn als ich ein kleiner Bub war, da hat es schon keine einzige Frau mehr gemacht. „Ja, ich weiß schon, die Wolle macht jetzt die Fabrik." Ja, ja, aber die Fabrik macht nur den Faden aus der Wolle. Die Wolle selber können wir Menschen gar nicht machen. „Ja, die kriegen wir von den Betzerln hinter der Zuckerfabrik." Wie man nur aus der Wolle einen Faden machen kann? - Einer kommt doch drauf: die muß man so zusammenzwirln. Kinder, meine Mutter ist jetzt eine sehr alte Frau. Sie erzählt mir oft vom Waberl, das im Hausgang gesessen ist, als sie selber noch ein Mäderl war. Das alte Waberl konnte aus Wolle einen Faden machen. Meistens aber machte sie aus solchen Fasern, wie ich da ähnliche habe, einen Faden. „Die kenn ich schon, die macht mein Vater in die Wasserleitung nein, daß sie nicht tropfen kann." Das Waberl hat auch allweil so weggezwirlt, so, wie ich es mache. Aber das Waberl hat einen langen Faden zu­ sammengebracht. Das hat ein Hölzerl gehabt, so wie ich es jetzt zeichne, vorne und hinten ganz spitz und in der Mitten ein wenig dick. Um das Hölzerl hat sie die Fasern numgezwirlt und dann das Hölzerl so zwischen den Händen gedreht, wie die Mutter die Schopperln dreht, und mit einem Schwung hat das Waberl das Hölzerl auf den Boden geworfen, aber genau auf die Spitze, daß es getanzt hat wie euer Kreisel. Da hat das Hölzerl die Fasern immer weiter zusammengezwirlt und ist ein langer Faden geworden. So, spinn nur recht fleißig, hat meine Großmutter zu dem alten Waberl gesagt und das Waberl hat die Spindel tanzen lassen von aller Frühe an bis in die Nacht hinein. Und einmal war eine Frau, die hat zwei Mädchen gehabt, eine, die war ihr eigenes Kind und mochte nur in den Spiegel oder zum Fenster hinaus sehen, und eine, die war ein fremdes Kind und mußte vom frühen Morgen bis zum Abend spinnen. Da ist das Mädchen am Brunnen vor dem Haus gesessen, und wenn die anderen Mädchen mit den Eimern gekommen sind und mit einer Stange aus dem Brunnen das Wasser geholt haben, da hat das Mädchen keine Zeit gehabt, mit ihnen zu plaudern. Da sitzt es wieder und spinnt und spinnt und von dem vielen Zwirln werden die Finger schon ganz offen und das Blut rinnt heraus und der Faden wird blutig und die Spindel auch... Nun sind wir in der Gegenwartsform und Spindel und die Tätigkeit des Spinnens, die beide nur durch das Wort veranschaulicht werden können, sind uns wenigstens so vertraut geworden, daß wir dem Märchen in das „Es war einmal" folgen können. Und nicht nur diesem Märchen, immer wieder spielt die Spindel eine Rolle. Es ist nicht unser Ehrgeiz, durch Anleitungen am laufenden Band Plastilmarbeiten zu erzielen, die in einem Handbuch wiedergegeben, Eindruck machen. Wir beschreiten auch hier den Weg des Zeichnens. Die Kinder stellen das Häuschen dar, die Frau Holle, das Mädchen, einen Baum, den Gartenzaun, kurz, nicht Grundformen, die es ab­ stumpfen, sondern eine Szene, die es aufleben läßt. Wenn dem Lehrling in der Werkstätte nur technische Anleitungen gegeben werden, so ist zu bedenken, daß er auf einer anderen Entwicklungsstufe steht.

Wir lesen: Ich weiß, wer heute bei der Frau Holle ist. Das faule Mädchen. Schau nur, wie faul es die Betten schüttelt! Nur ein paar Flocken tanzen in der Luft herum. Wenn die Fleißige wieder hinkommt, dann fahren wir Schlitten. Du Faule, geh heim! Bitte, bitte, Fleißige, geh wieder zur Frau Holle! Aber fest schütteln, gelt! Wir schreiben:

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In „paar" haben wir wieder zwei gleiche Kameraden. Aber die helfen nicht zum Anschieben zusammen wie in „pappen" die zwei p, sondern zum Dehnen. Sie machen eine Ausnahme wie der Gustl, der beim Spielen auch eine Ausnahme macht und ißt. Da fängt es ganz dick zu schneien an. Das muß in unseren Tagesbericht: O die Luft ist ganz weiß! Lauter Schnee! Hin und her fliegen die Flocken. Warum gehen sie nicht gleich nieder? Ja, sie suchen sich ein gutes Plätzchen aus. Eine Flocke will durch das Fenster zu uns in die Schule, eine will auf ein Auto, eine auf die Straßenbahn, eine auf das Haus, eine auf deine Haube, eine auf deine Nase. Wir schreiben:

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