Der Einsatz von Nuklearwaffen nach Art. 51 des I. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen von 1949: Völkerrecht zwischen humanitärem Anspruch und militärpolitischer Notwendigkeit [1 ed.] 9783428458097, 9783428058099

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Der Einsatz von Nuklearwaffen nach Art. 51 des I. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen von 1949: Völkerrecht zwischen humanitärem Anspruch und militärpolitischer Notwendigkeit [1 ed.]
 9783428458097, 9783428058099

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Schriften zum Völkerrecht Band 82

Der Einsatz von Nuklearwaffen nach Art. 51 des I. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen von 1949 Völkerrecht zwischen humanitärem Anspruch und militärpolitischer Notwendigkeit

Von

Horst Fischer

Duncker & Humblot · Berlin

HORST FISCHER

Der Einsatz von Nuklearwaffen nach Art. 51 des I. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen von 1949

S c h r i f t e n zum V ö l k e r r e c h t Band 82

Der Einsatz von Nuklearwaffen nach Art. 51 des I. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen von 1949 Völkerrecht zwischen humanitärem Anspruch und militärpolitischer Notwendigkeit

Von

Dr. Horst Fischer

DUNCKER

&

HUMBLOT

/

BERLIN

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Fischer, Horst: Der Einsatz von Nuklearwaffen nach A r t [ i k e l ] 51 des I. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen von 1949: Völkerrecht zwischen humanitärem Anspruch u. m i l i t ä r p o l i t . Notwendigkeit / von Horst Fischer. — Berlin: Duncker u n d Humblot, 1985. (Schriften· zum Völkerrecht; Bd. 82) I S B N 3-428-05809-7 NE: G T

Alle Rechte vorbehalten © 1985 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1985 bei Buchdruckerei A. Sayffaerth - E. L. Krohn, Berlin 61 Printed in Germany

ISBN 3-428-05809-7

Meinen Eltern

Vorwort Unter dem apodiktischen Einleitungstitel „Die NATO-Strategie w i derspricht dem Völkerrecht" erschien i n der „Zeit" vom 17. Dezember 1984 (Nr. 50, S. 9) ein aufsehenerregender A r t i k e l Rolf Zundels, der sich m i t der beabsichtigten Einlegung eines Nuklearvorbehaltes zum Zusatzprotokoll I zu den Genfer Konventionen von 1949 auseinandersetzte. Der damals noch i m politischen Entscheidungsprozeß angesiedelte Sachverhalt provoziere — so der Journalist — die Frage, „ob die Nuklear-Strategie der NATO mit dem Völkerrecht i n Einklang stehe, genauer: ob Bonn wählen muß zwischen Völkerrecht und Sicherheit durch Abschreckung". Er ist einer jener Fälle, wo die Ratio, die politische Vernunft, erschreckt und ratlos i m Labyrinth der Sachzwänge herumirrt, ohne einen Ausweg zu finden". Damit war ein Problemfeld der öffentlichen Auseinandersetzung eröffnet, das bereits sieben Jahre zuvor i m Fachschrifttum zur Diskussion gestellt worden w a r (vgl. Bothe/Ipsen/Partsch, Die Genfer Konferenz über humanitäres Völkerrecht, ZaöRV 38/1978, insbes. S. 34 f.), ohne indessen darüber hinaus gebührende Aufmerksamkeit zu finden. Der vorliegenden Monographie von Horst Fischer ist es vorbehalten geblieben, die bislang umfassendste und gründlichste Analyse des Problems vorzunehmen, ob und inwieweit der Ersteinsatz von Nuklearwaffen nach Art. 51 des Zusatzprotokolls I — der Zentralnorm dieses völkerrechtlichen Vertrages — verboten ist. Dem völkerrechtswissenschaftlichen Forschungsprojekt war eine mehrjährige Vorbereitung i n den angrenzenden Problembereichen vorausgegangen: Auslandsstudien sowie die Teilnahme an Kongressen und Symposien machten den Verfasser m i t den waffentechnischen Grundlagen, den taktischen, operativen und strategischen Aspekten der Nuklearwaffen sowie mit dem aktuellen sicherheitspolitischen Diskussionsstand über diese Waffenart vertraut — eine unerläßliche Voraussetzung für das anspruchsvolle Unterfangen, die i n Genf kodifizierten Waffenwirkungsverbote zu untersuchen. Das umfangreiche Dokumentenmaterial der Genfer Konferenz über die Neubestätigung und Fortentwicklung des i n internationalen bewaffneten Konflikten anwendbaren humanitären Völkerrechts wurde mit einer i n Bezug auf das Thema bislang nicht erreichten Gründlich-

8

Vorwort

keit systematisch ausgewertet. Das Ergebnis ist ein Werk, das über den deutschsprachigen Bereich hinaus richtungsweisend für die Diskussion eines völkerrechtlichen Erstanwendungsverbotes für Nuklearwaffen sein wird. Die Schrift, der die juristische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum als Dissertation höchstes Lob gezollt hat, ist mit einem Universitätspreis für hervorragende wissenschaftliche Leistungen ausgezeichnet worden. Die Untersuchung ist Bestandteil eines mit dem Zusatzprotokoll I befaßten Rahmenprojektes des Lehrstuhls für öffentliches Recht I I I der Ruhr-Universität Bochum. Sie erscheint zu einem Zeitpunkt, da die Diskussion über die Ratifikation des Zusatzprotokolls und über die Einlegung eines Vorbehaltes, durch den seine Anwendung auf Nuklearwaffen ausgeschlossen werden soll, i n der Bundesrepublik Deutschland beginnt. Ihre Ergebnisse werden auch i n dieser Diskussion nicht zu übersehen sein. Bochum, i m März 1985 Prof. Dr. Knut Ipsen Rektor der Ruhr-Universität Bochum

Vorbemerkung Es ist das Anliegen dieser Arbeit, die rechtlichen Grenzen und Möglichkeiten des Nuklearwaffeneinsatzes darzustellen und damit zur Klärung des Verhältnisses von Sicherheitspolitik und humanitären Völkerrechtsnormen beizutragen. Da die Thematik der Arbeit i m Schnittbereich von völkerrechtlichen, sicherheitspolitischen und humanitären Problemkreisen angesiedelt ist, hätte das Manuskript ohne die wertvolle Hilfe und bereitwillige Unterstützung vieler Beteiligter nicht Zustandekommen können. Besonderen Dank schulde ich meinem akademischen Lehrer, Prof. Dr. K n u t Ipsen, für die von stetigem Interesse geprägte Betreuung der Arbeit und insbesondere für die wissenschaftlichen Anregungen sowie seine fachliche und menschliche Leitung. Herr Prof. Dr. Bodo Pieroth, der Zweitgutachter der Arbeit war, hat m i r ebenfalls mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Vielfältige Anregungen und Diskussionen, die in der Arbeit ihren Niederschlag gefunden haben, verdanke ich den Mitgliedern der Studiengruppe „Europäische Sicherheit" der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler und dabei insbesondere Prof. Dr. Wolf Graf von Baudissin, Prof. Dr. Hans-Peter Dürr, Prof. Dr. Dieter Senghaas und Dr. Horst Afheldt. Wichtige Impulse hat die Arbeit durch Diskussionen mit ausländischen Völkerrechtlern und sicherheitspolitischen Experten erfahren. So verdanke ich viele Anregungen und zahlreiche Hinweise Herrn Prof. Dr. Bert Röling, Prof. Dr. George Bunn, Prof. Dr. A l l a n Rosas und Prof. Dr. George Rathjens. Großen Dank schulde ich dem Auswärtigen A m t i n Bonn und der Ruhr-Universität Bochum, die durch großzügige Druckkostenzuschüsse die Veröffentlichung der Arbeit i n der Reihe „Schriften zum Völkerrecht" ermöglicht haben. Bochum, i m Februar 1985 Horst Fischer

Inhaltsverzeichnis Einführung

21

Erster Teil Die technischen und militärpolitischen Hintergründe bei der Entscheidung über die rechtliche Zulässigkeit des Nuklearwaffeneinsatzes A . Die technischen Aspekte der Nuklearwaffe

24

I. Die W a f f e n w i r k u n g

24

1. Die Druckwelle

25

2. Die thermische Strahlung

26

3. Die radioaktive Strahlung

27

a) Anfangsstrahlung (initial radiation) b) Der „locai f a l l - o u t " c) Der „global f a l l - o u t "

27 28 29

4. Der elektromagnetische I m p u l s (electromagnetic pulse, EMP) I I . Die Neutronenwaffe (enhanced radiation weapon, ERW)

30 31

Β . Die Nuklearwaffe i m K o n t e x t von P o l i t i k u n d Strategie

32

I. Die Bedeutung von P o l i t i k u n d Strategie f ü r die Bewertung des Gefährdungspotentials I I . Die Rolle der Nuklearwaffen i m Spiegel politischer Stellungnahmen 1. Die Nuklearwaffe als „politische Waffe"

32 34 34

2. Die Friedenssicherungskomponente der nuklearen Abschrekkung

36

3. Kriegführungsoptionen i n der politischen Auseinandersetzung

39

4. Die Wertigkeit politischer Aussagen i m Zusammenhang m i t den strategischen Doktrinen

42

I I I . Der Wandel i n den Nuklearstrategien 1. V o n der „massive retaliation" zu Kriegführungsstrategien 2. Die wachsende Bedeutung der Sieg-Kategorien a) Die Sieg-Kategorien i n den Nuklearstrategien

43 ..

43 45 45

12

nsverzeichnis b) Das A i r l a n d Battle-Konzept c) A i r l a n d Battle 2000 u n d die Veränderung des Einsatzfreigabeverfahrens 3. Die Kriegführungsoptionen i m Abschreckungssystem u n d die waffentechnische Entwicklung a) Raketenabwehrwaffen u n d Waffen zur U - B o o t - B e k ä m p fung (ABM-Systeme u n d „ A n t i - S u b m a r i n e Warfare", ASW) b) Weitreichende Marschflugkörper (Long Range Cruise M i s siles) c) Überlebensfähige Kommando-, K o n t r o l l - u n d K o m m u n i kationstechniken (C 3 -Systeme) d) A n t i - S a t e l l i t e n Systeme (ASAT)

45 47 48 49 50 51 52

4. Die neuen Zielvorstellungen von Rüstungskontrolle u n d die Beschaffungsprogramme a) Die Umorientierung der Rüstungskontrolle b) Das neue Konzept i n der amerikanischen P o l i t i k

52 52 55

5. Die sowjetischen Vorstellungen von Kriegführungsabschrekkung

57

C. Die Schlußfolgerungen aus der waffentechnischen u n d strategischen Entwicklung

62

Zweiter Teil Die völkerrechtliche Analyse des Art. 51 Einführung

Die Herleitung eines Nuklearwaffeneinsatzv erbot es aus völkerrechtlichen Verträgen und gewohnheitsrechtlichen Normen

63

A. Die Herleitung eines Nuklearwaffeneinsatzverbotes aus völkerrechtlichen Verträgen

63

B. Das Verbot des „indiscriminate attack"

65

I . Das Unterscheidungsprinzip

65

I I . Die Bestimmung des Zielobjektes I I I . Die Begrenzung des Kollateralschadens

67 68

Erster Abschnitt

Die Entstehungsgeschichte des Art. 51 A. Die Regierungsexpertenkonferenzen von 1971 u n d 1972 I. Der Konferenzverlauf

69 69 69

nsverzeichnis I I . Die Ergebnisse der Regierungsexpertenkonferenzen

70

1. A r t . 45 des I K R K - E n t w u r f s aus dem Jahre 1972

71

2. A r t . 46 des I K R K - E n t w u r f s aus dem Jahre 1973

71

B. Die Diplomatische Konferenz I. Der Konferenzverlauf I I . Die Beratungen zu A r t . 46 i m I I I . Komitee

73 73 74

1. Die Anfangsphase

74

2. Die wesentlichen Änderungen des A r t . 46 i n der Arbeitsgruppe

78

Zweiter Abschnitt

Anwendung des Art 51 auf den Nuklearwaffeneinsatz

81

A . Die Problembereiche

81

B. Die Bedeutung der Abs. 4 u n d 5 f ü r die Auslegung des A r t . 51

82

I. Die Vorrangstellung des Verbots des unterschiedslos wirkenden Angriffs

82

I I . Die Bedeutung des Verbots aus militärpolitischer Sicht u n d die möglichen Auswirkungen auf die Rüstungskontrolle

83

I I I . Einsatzverbot u n d nukleare Abschreckung C. Die Anwendbarkeit der Auslegungsregeln der Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK) I. Die Auslegungsregeln der W V K u n d geltendes Recht I I . Die gewohnheitsrechtliche Geltung der Auslegungsregeln

86

87 87 89

D. Besondere Auslegungsregeln für Verträge des humanitären V ö l k e r rechts

92

E. Das Verbot des unterschiedslos wirkenden Angriffs nach A r t . 51 Abs. 4 und 5 u n d die Anwendbarkeit des Verbots auf Nuklearwaffen

93

I. Der Begriff des Angriffs, die Waffenwirkung u n d der Ausschluß von Waffen

93

I I . Die Einbeziehung der Weltraumproblematik i n den Begriff der Luftkriegsführung nach A r t . 49 Abs. 3

97

1. Die Relevanz der Problematik

97

2. Der Begriff des „ a i r warfare" u n d die Einbeziehung des W e l t raumes

98

nsverzeichnis I I I . Die Herleitung von Aussonderungsargumenten

100

1. Die Berücksichtigung des Kontexts nach A r t . 31 Abs. 2 W V K f ü r die Interpretation des A r t . 51 102 2. Der Wert des A r t . 31 Abs. 2 W V K i m System der Auslegungsvorschriften 103 I V . Die Herleitung der Ausschlußvereinbarung

104

1. Die terminologischen Probleme

104

2. Die Zweigleisigkeit der „consensus"-Argumentation

106

3. Das „consensus agreement"

108

a) Grundlagen des „consensus" b) Die S t r u k t u r u n d Qualität des „consensus" c) Der Nuklearwaffenausschluß als eine dem „consensus" i m manente Entscheidung aa) Das Substanzargument bb) Das Erklärungswert- u n d Interpretationsargument . . d) Zusammenfassung V. Der Beweis des „Nuklearwaffenconsensus"

108 Ill 115 115 116 117 118

1. Die Einführung des I K R K i n den Protokollentwurf als Hilfsargument 119 a) Die Darlegung der Fakten b) Die Einführung i n den Protokollentwurf u n d i h r I n h a l t . . aa) Der Wortlaut der Erklärung bb) Die Resolutionen der Rotkreuz-Konferenzen cc) Das I K R K u n d die Vorbereitungskonferenzen dd) Das Rote Kreuz u n d die militärischen Interessen ee) Der Einfluß pragmatisch bedingter Erklärungen

119 120 120 121 122 123 125

c) Die Einführung i n den Kommentar zum Protokollentwurf u n d ihre Bedeutung 126 d) Zusammenfassung 129 2. Die Erklärungen während der Konferenz als Beweis

130

a) Die Erklärungen der Nuklearwaffenstaaten aa) Die Erklärungen der Vereinigten Staaten u n d Großbritanniens bb) Die E r k l ä r u n g Frankreichs cc) Die Erklärungen der UdSSR, Chinas u n d Indiens b) Die Erklärungen der Nichtkernwaffenstaaten c) Die Repressaliendiskussion d) Die M i t t e ü u n g Frankreichs v o m 24. Februar 1984 e) Zusammenfassung V I . Der Nuklearwaffenausschluß

als zusätzliche Vereinbarung

Sinne von A r t . 31 Abs. 2 a W V K

130 130 136 137 139 142 144 145

im 146

1. Die A n b i n d u n g der Zusatzvereinbarung an den Vertragsschluß 146 2. Die Bestätigung der Zusatzvereinbarung

147

nsverzeichnis 3. Der Zeitfaktor u n d seine Konsequenzen

148

4. Das Reaktionserfordernis

149

5. Der Interpretationswert einer Zusatzvereinbarung

152

6. Die Einführung des I K R K i n den Protokollentwurf als Z u satzvereinbarung nach A r t . 31 Abs. 2 a W V K 153 7. Zusammenfassung

154

V I I . Die Erklärungen der Vereinigten Staaten u n d Großbritanniens als zusätzliche Dokumente i m Sinne des A r t . 31 Abs. 2 b W V K 155 1. Das Problem des materiellen Konsens

155

2. Die Bedeutung des Konsensprinzips nach A r t . 31 Abs. 2, 3 WVK 156 3. Das zusätzliche Dokument als „actual p a r t " des Vertrages . . 158 4. Die Annahme der Erklärungen durch Schweigen

159

5. Zusammenfassung

160

V I I I . Die nachfolgende Praxis nach A r t . 31 Abs. 3 b W V K u n d der Ausschluß der Kernwaffen

160

1. Die B i l d u n g von Praxis vor Ratifikation eines Vertrages

160

2. Die Möglichkeit einer Praxis nach Ratifikation

163

3. Zusammenfassung

166

I X . Die Heranziehung der „traveaux préparatoires" als Beweis für einen Nuklearwaffenausschluß : 167 1. Der Sinn u n d Zweck des A r t . 51

167

2. Das Abrüstungsregime u n d das „absurde" u n d „unvernünftige" Ergebnis nach A r t . 32 W V K 169 3. Der Beweiswert der Konferenzgeschichte

171

4. Zusammenfassung

171

F. Interpretation des A r t . 51 I. Die Nuklearwaffe als Untersuchungsobjekt

172 172

1. Die Verbote des humanitären Völkerrechts u n d die Bedeutung der Waffenterminologie 172 a) Die Aussagefähigkeit der Waffenwirkungsbeschreibung bei Nuklearwaffen 173 b) Das Begriffspaar der strategischen u n d taktischen N u klearwaffen 173 c) Der Angleichungstrend i n der Nuklearwaffentechnik 175 2. Die Ausrichtung der Untersuchung an Szenarien

178

a) Die K r i t i k an der Generalisierungsmethode b) Die Einsatzmöglichkeiten

178 179

nsverzeichnis c) Die Waffenparameter

180

d) Waffenwirkungs verbo te u n d Generalisierungstendenzen . . 180 e) Die Notwendigkeit der Berücksichtigung von Szenarien . . 181 I I . Der Nuklearwaffeneinsatz

als „indiscriminate

attack"

gemäß

A r t . 51 Abs. 4

183

1. Der Rechtscharakter des Abs. 4

183

2. Der „indiscriminate attack" gemäß Abs. 4 l i t . a) a) Die Angriffsabsicht b) Die inhaltliche Ausfüllung der Angriffsabsicht aa) „ m i l i t a r y objective" bb) „specific"

185 185 187 187 188

c) Die Angriffsabsicht als Identifikationspflicht

189

d) Die Bedeutung des „consequently"-Halbsatzes i n Abs. 4 . . 190 e) „Counter value" u n d „counter force" -Angriffe u n d die Nutzung des E M P als „indiscriminate attack" nach Abs. 4 l i t . a) aa) Die „counter value"-Konzepte bb) Der „counter force " - A n g r i f f cc) Der E M P - A n g r i f f . ~ 3. Der „indiscriminate attack" nach Abs. 4 lit. b) a) „cannot be directed"

191 191 191 191 192 192

b) Die Kontrollfähigkeit als Abgrenzungskriterium

192

c) Die Steuerungssysteme der Nuklearwaffen

194

4. Der „indiscriminate attack" gemäß Abs. 4 lit. c) a) Die Stellung des Proportionalitätsprinzips i n A r t . 51 aa) Die Bedeutung der Verknüpfung von Proportionalität u n d „indiscriminate attack" bb) Der relative Standard des Proportionalitätsprinzips . . cc) Die wörtliche Auslegung dd) Die systematische Auslegung ee) Teleologische Überlegungen b) Die Bedeutung von „ l i m i t e d as required"

194 195 195 196 196 197 201 203

c) Die Wirkungen der Nuklearwaffe u n d Abs. 4 l i t . c) 206 aa) Der „locai f a l l - o u t " u n d die induzierte Radioaktivität 206 bb) Das Sonderproblem des „global f a l l - o u t " 207 d) Die „piece of land"-Erklärungen u n d Abs. 4 l i t . c) e) Der „counter force " - A n g r i f f auf die landgestützten I n t e r kontinentalraketen als „indiscriminate attack" nach Abs. 4 l i t . c) aa) „Counter force" -Angriffe u n d die rechtliche Bewertung bb) Die feststehenden Faktoren cc) Der „counter force" -Angriff als „indiscriminate attack"

209

210 210 211 211

f) Der Nuklearwaffeneinsatz i n Mitteleuropa als „indiscriminate attack nach A r t . 51 Abs. 4 l i t . c) 212

nsverzeichnis g) Der Einsatz von Neutronenwaffen i n Mitteleuropa u n d der unterschiedslose A n g r i f f nach Abs. 4 l i t . c) 213 aa) Der Kollateralschaden beim TNW-Einsatz u n d die ERW 213 bb) Die Effektivität des ERW-Einsatzes 214 cc) Die Kontrollfähigkeit beim ERW-Einsatz 214 dd) Der ERW-Einsatz als „indiscriminate attack" 215 I I I . Der Nuklearwaffeneinsatz u n d A r t . 51 Abs. 5 l i t . a)

216

1. Der Begriff des „bombardment"

217

2. „clearly separated and distinct"

217

3. „similar concentration" of civilians

218

I V . Die eingeschränkte Bedeutung des Proportionalitätsprinzips nach A r t . 51 Abs. 5 l i t . b)

219

1. Die Einzelfallentscheidung

219

2. Der subjektive Standard

220

V. Das Verbot des Terrorangriffs nach A r t . 51 Abs. 2 u n d der N u klearwaffeneinsatz 221 1. Der Begriff des „ p r i m a r y purpose"

221

2. Die Ausschaltung objektiver Elemente i n Abs. 2 Satz 2

222

3. Die Beweisschwierigkeit

223

V I . Das Repressalienverbot nach A r t . 51 Abs. 6

224

1. „Just war"-Theorien u n d i h r Einfluß auf die Rechtsverbindlichkeit des Protokolls 224 2. Das Reziprozitätsproblem

225

3. Der Umfang des Repressalienverbots

227

V I I . Der A r t . 51 u n d die Vorbehaltsfrage

227

1. Die Einordnung der amerikanischen u n d britischen E r k l ä r u n gen als Vorbehalte 228 2. Die I n k o m p a t i b i l i t ä t der Vorbehalte

229

3. Die Rechtsfolgen der Vorbehalte

231

a) Die Einordnung unzulässiger Vorbehalte b) Die unterschiedlichen Rechtsfolgen der amerikanischen u n d britischen Erklärungen aa) Die Verbote nach A r t . 51 Abs. 2 u n d A r t . 51 Abs. 5 l i t . a) bb) Der „indiscriminate attack" nach A r t . 51 Abs. 4 l i t . a), b) cc) Der „indiscriminate attack" nach A r t . 51 Abs. 4 l i t . c) . . dd) Der „indiscriminate attack" nach A r t . 51 Abs. 5 l i t . b) . . ee) Das Repressalien verbot nach A r t . 51 Abs. 6 c) Ergebnis 2 Fischer

231 231 232 233 234 234 237 237

18

nsverzeichnis 4. Die Bundesrepublik Deutschland u n d eine „ N u k l e a r - E r k l ä rung" 238 a) Die Einordnung der E r k l ä r u n g als Vorbehalt

238

b) Die Bedeutung einer „ N u k l e a r - E r k l ä r u n g "

240

Dritter Teil Die sich aus der Auslegung von Art. 51 ergebenden Schlußfolgerungen A . Die Folgen des A r t . 51 f ü r P o l i t i k u n d Strategie

242

I. Nuklearwaffen als Kriegführungsinstrumente

242

I I . Die Abschreckungswirkung des „Zweitschlags"

243

I I I . Das Verbot des nuklearen Erstschlags

244

B. Die m i t der Untersuchung des I. Protokolls verbundenen Perspektiven 244 I. Die Signalfunktion des humanitären Völkerrechts

244

I I . Die m i t der Ratifikation verbundenen Perspektiven

246

Literaturverzeichnis

248

Dokumente

266

Abkürzungsverzeichnis ABM AdG AFDI AFLR AIDI AJIL aPZ ASAT ASW

= = = = = = = = =

A n t i - B a l l i s t i c Missile Archiv der Gegenwart Annuaire français de droit international A i r Force L a w Review Annuaire de l ' I n s t i t u t de D r o i t International American Journal of International L a w aus P o l i t i k u n d Zeitgeschichte Anti-Satellite A n t i - S u b m a r i n e Warfare

BT-Dr. BPP BYIL

= = =

Bundestagsdrucksache B u l l e t i n of Peace Proposals B r i t i s h Yearbook of International L a w

CalWIntLJ Case Western Reserve J I L CD CDDH

=

California Western International L a w Journal

= = =

CE

=

CICR Cornell I L J CYIL

= = =

Case Western Reserve Journal of International L a w Committee on Disarmament Diplomatic Conference on the Reaffirmation and Development of International H u m a n i t a r i a n L a w A p p l i cable i n A r m e d Conflicts Conférence d'experts gouvernementaux sur la réaffirmation et le développement dans les conflits armés Comité International de la Croix Rouge Cornell International L a w Journal Canadian Yearbook of International L a w

DOD F Y

=

Department of Defense Report Fiscal Year

EA EGMR EMP ERW EW

= = = = =

Europa-Archiv Europäischer Gerichtshof f ü r Menschenrechte Electromagnetic pulse Enhanced radiation weapon Europäische Wehrkunde

FAZ FM FP

= = =

Frankfurter Allgemeine Zeitung Field M a n u a l Foreign Policy

GYIL

=

German Yearbook of International L a w

HLKO

=

Haager Landkriegsordnung

ICBM ICJ ICNT ICRC IISS IHT IJIL IKRK

= = = = = = = =

Inter-Continental Ballistic Missile International Court of Justice I n f o r m a l Composit Negotiating T e x t International Committee of the Red Cross International Institute for Strategic Studies International Herald Tribune I n d i a n Journal of International L a w Internationales Komitee v o m Roten Kreuz

2*

Abkürzungsverzeichnis

20

=

International L a w Commission International Labour Organization International L a w Review The International L a w y e r I n f o r m a l Single Negotiating Text I t a l i a n Yearbook of International L a w

JSL

=

Journal of Space L a w

KSZE

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KT MAD MLR MT MIRV NATO NILR NYIL NZWehrr NZZ ÖMZ OR PCIJ PD RBDI RdC RDPMG rem RGDIP RHDI R I CR Riv. di. Dir. Int. SAIS SALT SIPRI SLBM START TexILJ TNT TNW UNCLOS I I I UNCTAD U N DOC A UNGA UNSSOD

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= = =

Konferenz f ü r Sicherheit u n d Zusammenarbeit i n E u ropa Kilotonne M u t u a l Assured Destruction M i l i t a r y L a w Review Megatonne M u l t i p l e Independently Targetable Re-Entry Vehicle N o r t h A t l a n t i c Treaty Organization Netherlands International L a w Review Netherlands Yearbook of International L a w Neue Zeitschrift f ü r Wehrrecht Neue Züricher Zeitung österreichische Militärzeitschrift Offical Records Permanent Court of International Justice Presidental Directive Revue Beige de droit international Recueil des Cours Revue de droit pénal m i l i t a i r e et de droit de la guerre roentgen-equivalent m a n Revue générale de droit international public Revue Hellénique de droit international Revue International de Croix Rouge Rivista d i D i r i t t o Internazionale School of Advanced International Studies Strategic Arms L i m i t a t i o n Talks Stockholm International Peace Research Institute Submarine Launched Ballistic Missile Strategic Arms L i m i t a t i o n Talks Texas International L a w Journal Trinitrotoluol Theatre Nuclear Weapons

=

T h i r d United Nations Conference on the L a w of the Sea United Nations Conference on Trade and Development United Nations Documents, General Assembly United Nations General Assembly United Nations Special Session on Disarmament

Virginia J I L

=

V i r g i n i a Journal of International L a w

WVK

=

Wiener Vertragsrechtskonvention

ZaöRV

=

ZLWR

=



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Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht u n d Völkerrecht Zeitschrift für L u f t - u n d Weltraumrecht

Einführung Seit Beginn des 20. Jahrhunderts lassen sowohl die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Staaten als auch die Sezessions- und Befreiungskriege eine gemeinsame Entwicklungslinie erkennen. Die Zahl der Opfer unter der nichtkämpfenden Zivilbevölkerung ist i n den Konflikten stetig angestiegen und hat inzwischen die Zahl der Verluste unter den Kombattanten bei weitem übertroffen. Ein Blick auf die Todesrate der Zivilbevölkerung i n den großen internationalen Konflikten dieses Jahrhunderts macht deutlich, welche dramatische Entwicklung sich insbesondere seit dem II. Weltkrieg vollzogen hat. Während der A n t e i l der Toten der Zivilbevölkerung an der Gesamtzahl i m I. Weltkrieg noch bei 5 an. Den vorläufigen Höhepunkt dieser Entwicklung bildet der Vietnamkrieg, in dem über 90 % der Opfer Zivilisten gewesen sind 1 . Diese, die waffentechnischen und taktischen Änderungen auf dem Kriegsschauplatz widerspiegelnden Zahlen, geben jedoch nur Aufschluß über einen Aspekt der Bedrohung der Zivilbevölkerung i n bewaffneten Konflikten. Die Entwicklung und Lagerung von Massenvernichtungswaffen und die Androhung ihres Einsatzes hat seit dem A b w u r f der ersten Atombombe auf Hiroshima den Fragen nach der Anwendbarkeit, dem Wert und der Durchsetzbarkeit kriegsrechtlicher Schutzvorschriften eine neue Dimension verliehen. Die unvorstellbare Vernichtungskraft nuklearer und chemischer Kampfmittel bedroht nicht nur einen weitaus größeren Teil der Zivilbevölkerung als der Einsatz konventioneller Sprengmittel. Ein Einsatz auch nur eines unwesentlichen Teils der inzwischen angehäuften Vernichtungspotentiale der Nuklearmächte könnte für einen großen Teil der Menschheit den nuklearen Holocaust bedeuten. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat i n seinen Bemühungen zur Bestätigung und Weiterentwicklung humanitärer Normen den veränderten Bedingungen konventioneller Kriege und den Gefahren der nuklearen Abschreckung einen besonderen Stellenwert eingeräumt. Die von i h m unter diesem Gesichtspunkt unterbreiteten Vorschläge zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung i n 1 s. dazu T h i r d Committe of the U N General Assembly, U N Doc A / C 3 / S R 1788, 32. Während des Koreakrieges betrug der A n t e i l der Toten unter der Zivilbevölkerung gemessen an der Gesamttodesrate bereits 84 %.

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Einführung

bewaffneten Konflikten scheiterten jedoch zunächst an der Befürchtung der Staaten, ihre militärischen Optionen i m internationalen und innerstaatlichen Bereich könnten durch die neuen Rechtssätze zu weit eingeschränkt werden. Erst i m Jahre 1977 ist mit den zwei auf der Genfer Staatenkonferenz zur Neubestätigung und Weiterentwicklung des i n bewaffneten Konflikten anwendbaren humanitären Völkerrechts unterzeichneten Zusatzprotokollen zu den Genfer Konventionen von 1949 der Versuch unternommen werden, bereits existierende Rechtsnormen für den bewaffneten Konflikt den veränderten Bedingungen anzupassen und neue adäquate Regeln i m internationalen Vertragsrecht zu verankern. Vor diesem Hintergrund beschränkt sich die vorliegende Untersuchung auf eine der Zentralnormen des Zusatzprotokolls I, das i m internationalen bewaffneten Konflikt Anwendung findet. Der A r t . 51 des I. Zusatzprotokolls 2 definiert die Stellung der Zivilbevölkerung i m Gefüge des humanitären Völkerrechts und umreißt den Verbotsbereich für direkte und unterschiedslose Angriffe. Die sich aus dem A r t . 51 ergebende völkerrechtliche Problematik w i r d unter drei Fragestellungen erörtert, die sich aus der engen Verknüpfung der Rechtsnormen mit waffentechnischen und strategischen Aspekten sowie aus den Vorgaben des völkerrechtlichen Vertragsrechts ergeben. I m ersten Teil der Arbeit werden die zum Verständnis der rechtlichen Überlegungen notwendigen waffentechnischen Grundlagen der Nuklearwaffe dargestellt und ihr Zusammenhang mit neuen, die Zivilbevölkerung gefährdenden politischen und strategischen Überlegungen aufgezeigt. I m Anschluß daran erfolgt i m zweiten Teil nach einer Bewertung der Versuche, den Herausforderungen der nuklearen Abschreckung durch die Anwendung kriegsrechtlicher Prinzipien zu begegnen, die Analyse des A r t i k e l 51. I m Vordergrund steht dabei das Problem der Anwendung des I. Zusatzprotokolls auf die Nuklearkriegsführung. Untersucht w i r d ferner die Ausfüllung des traditionellen Unterscheidungsprinzips durch das Verbotssystem der Abs. 4 und 5 des Art. 51. I n diesem Rahmen w i r d insbesondere der Stellung des Proportionalitätsprinzips i m Gefüge des A r t . 51 Beachtung geschenkt. Der Schlußteil behandelt die Frage nach den politischen und strategischen Konsequenzen der sich aus A r t . 51 ergebenden Verbote für unterschiedslos w i r kende Waffen und Kampfmethoden. Eine Untersuchung humanitärer, für den bewaffneten K o n f l i k t geltender Regeln kann wegen der engen Verzahnung dieser Normen m i t dem vitalen Überlebensinteresse der Völkerrechtssubjekte nicht isoliert 2 A r t i k e l ohne genaue Vertragsbezeichnung sind solche des I. Zusatzprotokolls.

Einführung

nur auf der rechtlichen Ebene verlaufen. Zu beachten sind so vor allem die positiven und negativen Auswirkungen der humanitären Normen auf das Friedenssicherungsgefüge der Staatengemeinschaft. Die Analyse des Art. 51 hat dabei die Möglichkeit neuer rüstungskontrollpolitischer Ansätze ebenso i n Betracht zu ziehen, wie die Gefahr der Entwicklung neuer, den Schutz der Zivilbevölkerung aushöhlender Waffensysteme und Strategien. Unter Berücksichtigung des militärisch politischen Hintergrundes der humanitären Schutzvorschriften ist das Ziel der Untersuchung i n zweifacher Weise angelegt. Einmal soll das geltende und i n der Entstehung befindliche Recht bezüglich der Nuklearwaffen dargestellt werden. Zum anderen soll durch einen Vergleich der Rechtslage m i t den gegenwärtig diskutierten militärischen Optionen ein sowohl den Schutz der Zivilbevölkerung fördernder als auch den legitimen sicherheitspolitischen Interessen gerecht werdender Denkprozeß i n Gang gesetzt werden.

Erster Teil

Die technischen und militärpolitischen Hintergründe bei der Entscheidung über die rechtliche Zulässigkeit des Nuklearwaffeneinsatzes A. Die technischen Aspekte der Nuklearwaffe I n welcher Weise die Nuklearwaffe i n Verbindung mit land-, l u f t und seegestützten Trägersystemen die durch die konventionelle Kriegführung vorgegebenen Gefährdungstatbestände vereinigt und steigert, w i r d anhand der waffentechnischen Grundlagen der Kernwaffe und der Umsetzung der Wirkungsmöglichkeiten i n politische und strategische Konzepte aufgezeigt werden. I m folgenden Abschnitt w i r d darauf verzichtet, aus den zahlreichen Veröffentlichungen der letzten Jahre die Ergebnisse konkreter Anwendungsbeispiele darzustellen 1 . Die Ausführungen zeigen diejenigen Eigenschaften der Kernwaffen und ihrer Trägersysteme auf, deren Kenntnis zum Verständnis der politisch militärischen Entwicklung notwendig und für die rechtliche Analyse von Bedeutung ist.

I . Die Waffenwirkung

Die bei der Explosion einer Kernwaffe freiwerdende Energie verursacht mehrere, i n ihrer zeitlichen Abfolge und räumlichen Ausdehnung unterschiedliche Gefahren für die Zivilbevölkerung. Die vier Hauptwirkungen einer Kernexplosion sind: — die Druckwelle (explosive blast); — die thermische Strahlung (thermal radiation); — die radioaktive Strahlung (nuclear radiation); — der elektromagnetische Impuls (electro magnetic pulse, EMP) 2 . 1 Z u Beispielen siehe Nuclear Weapons, Report of the Secretary General, S. 63; OTA, The Effects of Nuclear War, S. 13; Haines, S. 273; Lutz, Z u r L e galität u n d Illegalität, S. 19; zu den Folgen eines Nuklearkrieges f ü r die beiden deutschen Staaten siehe A r k i n / v o n H i p p e l / L e v i , S. 231—263.

Α. Die technischen Aspekte der Nuklearwaffe

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Die Sprengkraft der Atomwaffen w i r d i m Verhältnis zur Sprengkraft des chemischen Sprengstoffes Trinitrotoluol (TNT) gemessen. Ein Nuklearsprengkopf mit einer Sprengkraft von 1 K T hat eine Sprengkraft von 1000 Tonnen TNT. I n dieser Größenordnung liegen eine große Zahl der heute i n Mitteleuropa stationierten Gefechtsfeldwaffen 3 . Die für strategische Zwecke verwendeten Sprengköpfe haben zur Zeit i m Durchschnitt eine Sprengwirkung von mehreren hunderttausend Tonnen TNT 4 . 1. Die Druckwelle Ungefähr die Hälfte der Energie einer Nuklearexplosion w i r d i n der Druckwelle freigesetzt. Sie breitet sich unmittelbar nach der Explosion mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit i n alle Richtungen aus und erzeugt sowohl einen statischen Überdruck als auch starke Winde. Beide Elemente der Druckwelle wirken i n Abhängigkeit von der Sprengkraftgröße auf Gebäude und Personen. Die Explosion einer 1 M T Bombe in 2400 m Höhe über dem Boden erzeugt i n 4,8 k m Entfernung vom Bodennullpunkt der Explosion (ground zero) einen Überdruck von 0,7 atü und eine maximale Windgeschwindigkeit von 465 k m / h 5 . Dieser Druck reicht aus, u m die meisten Wohn- und Fabrikgebäude entweder zum Einsturz zu bringen oder schwer zu beschädigen. Obwohl der menschliche Körper einen Überdruck von mehr als 2 Atmosphären überstehen kann, w i r d auch bei geringerem Überdruck die Mortalitätsrate sehr hoch sein 6 . Durch den Einsturz von Gebäuden und umherfliegende Trümmer und Glassplitter sind Menschen auch bei zunehmender Entfernung vom Bodennullpunkt i n normalen Wohngebäuden und i m Freien gefährdet. Bei einer Bombe mit einer Sprengkraft i n Hiroshimagröße werden mit großer Wahrscheinlichkeit die Menschen i n einer Entfernung von 1,5 k m vom Explosionspunkt getötet, unabhängig davon, ob sie sich i n Häusern oder ungeschützt i m Freien aufhalten 7 . 2 Soweit nicht anders vermerkt beziehen sich die Aussagen zu den Waffenwirkungen auf Glasstone/Dolan, S. I f f . ; Rotblat, Nuclear Radiation, S. 11 ff.; OTA, The Effects of Nuclear War, S. 1 ff.; Nuclear Weapons, Report of the Secretary General, S. 54 ff. 3 s. die Tabelle bei Afheld, S. 17. 4 s. The M i l i t a r y Balance 1983—1984, S. 118—123, die größte Bombe des I I . Weltkriegs hatte eine Sprengkraft von 10 Tonnen T N T , Piekalkiewicz, S. 856. 5 s. Lutz, Z u r Legalität u n d Illegalität, S. 12. β Z u r Größe der gefährdeten Zone i m Verhältnis zu den Explosionsparametern vgl. Rotblat, Nuclear Radiation, S. 17. 7 Die Ausdehnung der Druckwelle u n d ihre Stärke sind abhängig von der Höhe der Explosion. Soll die Druckwelle möglichst w e i t reichen, muß für eine 1 K T Bombe eine Explosionshöhe von 320 m gewählt werden. Der f ü r

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I. Teil: Die technischen u n d militärpolitischen Hintergründe

2. Die thermische Strahlung Die von der Explosion ausgehende thermische Strahlung breitet sich i n zwei aufeinanderfolgenden Wellen aus. Die erste Welle mit einer Dauer von wenigen tausendstel Sekunden besteht hauptsächlich aus ultravioletter Strahlung, die imstande ist, Personen erblinden zu lassen. Der weitaus größte Teil der Energie w i r d i n der zweiten Welle freigesetzt, deren Dauer von der Größe des Sprengkopfes abhängig ist. Die Hitzewelle w i r k t auf den Menschen direkt durch Verbrennungen der Haut und indirekt durch die Verursachung von Bränden aller Art. Bei einer 1 M T Bombe können Verbrennungen dritten Grades noch i n einer Entfernung von 8 k m auftreten 8 . Bei einem Sprengkopf mit 10 M T erweitert sich der Radius des Gebietes, i n dem Hautverbrennungen dritten Grades entstehen, auf 22 km, während bei einer Waffe mit 1 K T in 2 k m Entfernung mit diesen Verletzungen zu rechnen ist 9 . Die besondere Gefährlichkeit der thermischen Strahlung liegt i n den Schwierigkeiten, die mit der Behandlung von Brandwunden verbunden sind. Unter den Bedingungen eines Nuklearkrieges w i r d ein hoher Prozentsatz der Verletzten nicht wegen der Schwere der Verletzungen, sondern wegen der fehlenden Behandlungsmöglichkeiten sterben. Eine weitere Gefahr, die von der Hitzewelle ausgeht, liegt i n der Verursachung von Bränden. Der Hitzeimpuls kann alle Arten von brennbarem Material i m Freien und in den Häusern entzünden. Die Kombination von Druckwellenschäden und der Hitzewelle macht es möglich, daß eine Vielzahl von Einzelbränden entsteht, die zu einem Feuersturm oder einem Flächenbrand verschmelzen. Bei einem Flächenbrand w i r d die Zivilbevölkerung durch die Ausdehnung des Brandes und die fehlenden Fluchtmöglichkeiten in diesem Fall i n Mitleidenschaft gezogen. Der Feuersturm, bei dem Temperaturen von mehreren hunderttausend Grad Celsius entstehen, tötet nicht nur durch die große Hitze. Eines der Charakteristika des Feuersturms ist der durch die hohen Temperaturen verursachte völlige Entzug des Sauerstoffs aus der Luft. Menschen, die i m Feuersturm gefangen sind, werden auch, wenn sie sich gegen die direkten Auswirkungen der Hitze schützen können, ersticken 10 . die Zerstörung von gehärteten militärischen Zielen notwendige Überdruck ist n u r dadurch zu erreichen, daß die Explosionshöhe gesenkt w i r d , ibid., S. 18. 8 Lutz, Z u r Legalität u n d Illegalität, S. 16. 9 Vgl. die Aufstellung bei Rotblat, die eine „ v i s i b i l i t y " von 20 k m u n d eine Explosion i n geringer Höhe zur Grundlage hat. Rotblat, Nuclear Radiation, S. 15. 10 Der erste Feuersturm der Geschichte entstand am 27. J u l i 1943 beim A n griff auf Hamburg, s. I r v i n g , Von Guernica bis Vietnam, S. 94; ders., Der Untergang Dresdens, S. 42, 43; zu den Auswirkungen des Feuersturms beim

Α. Die technischen Aspekte der Nuklearwaffe

3. Die radioaktive

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Strahlung

Die radioaktive Strahlung ist i n zwei Kategorien einteilbar. Als Anfangsstrahlung w i r d die Strahlung bezeichnet, die bis zu einer Minute nach der Explosion ausgestoßen wird. Die danach entweichende Strahlung ist die sog. Rückstandsstrahlung. a) Anfangsstrahlung (initial radiation) Die Anfangsstrahlung besteht zum großen Teil aus Beta- und Gammastrahlen und enthält auch durch Neutronen verursachte Radioaktivität". Die Menge des spaltbaren Materials und seine Zusammensetzung bestimmt das Verhältnis von Neutronen und Gamma-Photonen. Radioaktive Strahlung kann den sofortigen Tod oder schwere gesundheitliche Schäden sowie genetische Folgeschäden hervorrufen. Die biologische Schädlichkeit der Strahlung w i r d i n rem (roentgenequivalent man) 12 gemessen. Die dem Menschen durch natürliche Einflüsse während eines Jahres zugeführte Strahlung liegt i n der Größenordnung von etwa ein Zehntel rem. Durch die Explosion einer 1 M T Waffe entsteht bis zu einer Entfernung von ca. 3 k m eine Strahlung von 450 rem. Unter den Bedingungen eines Krieges w i r d für 50 Vo der Erwachsenen diese Dosis als tödlich angesehen13. Der Tod kann bei einer Strahlungsintensität von 10 000 rem innerhalb eines Tages eintreten. Bei Größenordnungen zwischen ca. 500 und 2000 rem verstirbt der Bestrahlte innerhalb weniger Wochen. Liegt die Strahlendosis so niedrig, daß keine sofortigen Symptome 14 zu erkennen sind oder erholt sich die Person von den Sofortwirkungen, kann die Radioaktivität zu schweren Langzeitschäden führen 15 . A n g r i f f auf Dresden s. I r v i n g , ibid., S. 191—203; zu dem schwersten L u f t angriff i m zweiten Weltkrieg m i t Feuersturm am 9./10. März 1945 auf Tokio s. Piekalkiewicz, S. 854. 11 Z u den Auswirkungen der Zusammensetzung der Bombe auf die Radioa k t i v i t ä t siehe Rotblat, Nuclear Radiation, S. 59 ff. 12 roentgen-equivalent-man, zu anderen Berechnungseinheiten s. Rotblat, Nuclear Radiation, S. 27; vgl. Nuclear Weapons, Report of the Secretary General, S. 208. 13 Rotblat legt dieser Z a h l die gleichen Komponenten von Gammastrahlen u n d Neutronen zugrunde. I m Regelfall treten durch die unterschiedliche Dämpfung der Neutronen u n d der Gammastrahlen i n der L u f t verschiedene Strahlungsintensitäten auf. Rotblat, Nuclear Radiation, S. 68; vgl. OTA, The Effects of Nuclear War, S. 19, 20. 14 Symptome sind z.B. Übelkeit, Erbrechen u n d Durchfall, siehe zu den rem-Größenordnungen, die diese Symptome hervorrufen Lindop, Radiation Aspects, S. 88, 89; vgl. für die bei den Hiroshimaopfern auf getretenen Symptome, Sonntag, S. 159, 160. 15 Langzeitschäden sind Krebs, Augenschäden, Verkürzung der Lebenszeit, genetische Veränderungen; Rotblat, Nuclear Radiation, S. 39, 50.

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I . T e i l : Die technischen u n d militärpolitischen Hintergründe

Die Absorbierung der Gammastrahlung und der Neutronen durch die L u f t bewirkt, daß anders als bei der Druck- und Hitzewelle die Größe des Sprengkopfes keine so entscheidende Rolle für den Schadensumfang spielt. Während bei der Hitze- und Druckwirkung m i t der Steigerung der Sprengkopf große um den Faktor 10 das Gebiet der tödlichen W i r kung sich um mindestens das Vierfache vergrößert 16 , w i r d bei der radioaktiven Strahlung das Areal nur etwas mehr als verdoppelt. Bei Sprengköpfen von 1 K T ist das Gebiet, i n dem mehr als 50 %> der betroffenen Personen alleine durch die Strahlung sterben, 2,9 k m 2 groß. A u f 22 k m 2 vergrößert sich das Areal i m Fall einer 1 M T Waffe 17 . b) Der „locai fall-out" Neben der Anfangsstrahlung bildet die Rückstandsstrahlung i n der Form des „local" oder „early fall-out" die größte radioaktive Gefahrenquelle für Kombattanten und die Zivilbevölkerung. Der „locai fall-out" entsteht, indem von der Explosion vaporisierte Bodenbestandteile und andere Materialien mit dem Feuerball i n die L u f t geschleudert werden und sich dabei mit den radioaktiven Partikeln der Explosion vermischen. Die Teilchen werden mit dem Wind verteilt und sinken i n Folge der Erdgravitation zu Boden. Grundvoraussetzung für die Entstehung des „locai fall-out" ist die Bodenberührung des bei der Explosion entstehenden Feuerballs. Ist der Abstand des Explosionspunkts vom Boden größer als der größte Radius des Feuerballs, erfolgt keine Bodenberührung. Da die Größe des Feuerballs von der Sprengkraft der Bombe abhängig ist, kann aus der Relation dieser beiden Komponenten auf die Explosionshöhe geschlossen werden, bei der kein „locai fall-out" entsteht. Für eine 1 M T Bombe liegt die Explosionshöhe bei etwa 860 m und bei einem 1 K T Sprengkopf bei etwa 55 m. A n der Entstehung des „locai fall-out" zeigt sich, welche Bedeutung der Explosionshöhe für die Berechnung der Waffenwirkung von Nuklearexplosionen zukommt 1 8 . Für die Intensität und die Verteilung des „locai fall-out" sind die Witterungsbedingungen entscheidend. Die Windstärke und die Windrichtung entscheiden, i n welchem Ausmaß die radioaktiven Partikel zu 16 Rotblat, The Physical and Medical Effects of Nuclear Weapons, S. 119; vgl. Nuclear Weapons, Report of the Secretary General, S. 202. 17 Ibid., für die Umsetzung der Größenordnungen i n konkreten Fällen siehe die Angaben oben Fn. 1. 18 Z u den verschiedenen A r t e n von L u f t - u n d Bodenexplosionen s. Bright, S. 10, 11; die Explosionshöhe entscheidet auch bei der Druck- u n d Hitzewelle wesentlich über den Schadensumfang, s. Rotblat, Nuclear Radiation, S. 18; i n Hiroshima u n d Nagasaki hat es keinen „locai f a l l - o u t " gegeben, w e n n m a n von Partikeln absieht, die durch Regen ausgewaschen worden sind, Rotblat, The Physical and Medical Effects of Nuclear Weapons, S. 12.

Α. Die technischen Aspekte der Nuklearwaffe

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Boden sinken. I m Normalfall w i r d auf einer in Windrichtung weisenden elliptischen Fläche eine radioaktive Verseuchung stattfinden, wobei wegen der großen Sinkgeschwindigkeit der schweren Partikel die Radioaktivität mit der Entfernung vom Explosionspunkt abnimmt. Die Strahlungsintensität der Teilchen nimmt mit dem Zerfall der radioaktiven Elemente ab 19 . I n den ersten 14 Tagen sinkt sie auf etwa ein Tausendstel der ursprünglichen Dosis ab. Wenn die Anfangsstrahlung stark genug gewesen ist, kann trotzdem das vom „fall-out" betroffene Gebiet für mehrere Jahre unbewohnbar sein 20 . c) Der „global fall-out" Der „global fall-out" gehört zu den am wenigsten berechenbaren Faktoren der Nuklearwaffenwirkung. Die Ursache dafür liegt i n den mit der Verteilung der Radioaktivität zusammenhängenden Unwägbarkeiten. Berührt der Feuerball bei der Explosion nicht den Boden, werden die radioaktiven Teilchen i n die Luft geschleudert. Die Sprengkopfgröße entscheidet dabei, bis i n welche Luftschichten die Partikel gelangen. Steigen die radioaktiven Elemente nur bis i n die unteren Luftschichten der Erde, werden sie sich i n etwa einem Monat durch den Säuberungseffekt von Regen und Schnee auf der Erdoberfläche ablagern. I n diesem Zeitraum w i r d der „fall-out" durch die Luftbewegung i n der Luftschicht um den Erdball getrieben, ohne allerdings die Hemisphäre zu verlassen, i n der die Explosion erfolgte. Bei einer Luftexplosion einer Bombe i m Megatonnenbereich erreicht die Radioaktivität höhere Luftschichten. Der Luftaustausch i n diesen Schichten verursacht eine globale Verteilung des „fall-out". Aus den oberen Luftschichten fallen die radioaktiven Teilchen erst nach Jahren auf die Erde zurück. Eine genaue Vorhersage, wann und wo der „global fall-out" auftritt, ist in keinem der angesprochenen Verteilungsfälle möglich 21 . Der lange Zeitraum zwischen Explosion und dem Erreichen der Erdoberfläche sorgt dafür, daß sich die Radioaktivität der Teilchen abgeschwächt hat. Die größte Gefahr für den Menschen beim „global fall-out" besteht deshalb nicht i n der äußeren Einwirkung von Strahlung, sondern durch die Aufnahme radioaktiver Atome mit der Nahrung. Die A k t i v i t ä t von Atomen mit besonders langen Zerfallszeiten w i r d auch durch einen großen Zeitraum zwischen Explosion und der Einwirkungsphase nicht wesentlich abgeschwächt. Diese Elemente bilden 19 Z u m Einfluß der meteorologischen Umstände s. insbes. Nuclear Weapons, Report of the Secretary General, S. 204, 205. 20 Rotblat, Nuclear Radiation, S. 74. 21 s. dazu die Erfahrungen, die m i t der Verteilung des fall-out bei den Atombombentests der Nuklearmächte gemacht worden sind, Rotblat, Nuclear Radiation, S. 97—99.

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I. Teil: Die technischen u n d militärpolitischen Hintergründe

durch ihre Ablagerung i n Organen und Knochen des Körpers eine besondere Langzeitgefahr 22 . 4. Der elektromagnetische

Impuls (electromagnetic

pulse, EMP)

Seit dem 8. J u l i 1962 ist i n der Wissenschaft eine 4. Wirkung von Kernwaffenexplosionen bekannt. Nach dem Test einer Bombe in 350 k m Höhe in der Nähe von Hawai bemerkte man i n Honolulu Unregelmäßigkeiten i n der Funktionsfähigkeit elektrischer Geräte. Die Störungen wurden durch den EMP der Explosion i m Testgebiet verursacht. Bei jeder Kernwaffenexplosion entsteht ein starker Impuls von Gammaquanten, der in Wechselwirkung mit der Atmosphäre den EMP erzeugt 23 . Dieser intensive Stromimpuls bedeutet i m Gegensatz zu den anderen Wirkungen der Atomwaffe keine direkte Gefahr für den Menschen. Er ist jedoch in der Lage, elektrische und elektronische Bausteine i n zivilen oder militärischen Geräten zu zerstören. Die Auswirkungen des EMP sind i n erster Linie von der Höhe der Kernexplosion abhängig. Bei einer Explosion i n Bodennähe können i n Abhängigkeit von der Sprengkraft und der Empfindlichkeit der Geräte EMP-Wirkungen i n einem Bereich bis zu 10 k m auftreten. Aufgrund der Abhängigkeit von der Dichte der Atmosphäre 24 nimmt die Reichweite des EMP ab. Damit werden bei Explosionshöhen ab 15 k m die größten Effekte erzielt. Die Explosion einer Bombe i n 80 k m Höhe läßt den Impuls i n einem Gebiet mit einem Radius von 1000 k m wirksam werden. Die Verdoppelung der Explosionshöhe bringt eine Erweiterung des Radius auf 1500 km 2 5 . Der EMP einer i n großer Höhe gezündeten Bombe eröffnet eine weitere Möglichkeit, Kernwaffen i n militärisch effektiver Weise einzusetzen. Durch den EMP ist es möglich, die Steuerungssysteme gegnerischer Raketen i n der Aufstiegsphase oder i n einem anderen Abschnitt der ballistischen Bahn zu zerstören. Derselbe Erfolg kann bei einem EMP-Einsatz gegen anfliegende nuklearwaffentragende Flugzeuge erzielt werden. Während i n diesen Fällen gegnerische Waffensysteme beeinträchtigt werden, kann der EMP auch die Wirkung eigener Waffen 22 Z u den A u s w i r k u n g e n des „ f a l l - o u t " auf Pflanzen u n d Tiere siehe die Ubersicht i n SIPRI, Weapons of Mass Destruction and the Environment, S. 16—17; die A u s w i r k u n g e n der Radioaktivität auf Tiere sind unterschiedlich. Schafe sterben bereits an sehr viel kleineren Dosen als der Mensch, während Bienen eine etwa 10 m a l höhere Dosis aushalten, Rotblat, Nuclear Radiation, S. 101. 23 24 25

Ochs/Schmidt, S. 452. Ibid., S. 453, 454. Nuclear Weapons, Report of the Secretary General, S. 200.

Α. Die technischen Aspekte der Nuklearwaffe

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einschränken. Die mit der MIRV-Technologie 28 eröffnete Möglichkeit, mehrere Sprengköpfe über einem Ziel zur Explosion zu bringen, ist durch den EMP dann gefährdet, wenn es auf eine zeitlich präzise aufeinander abgestimmte Explosionswirkung ankommt. Der EMP ist i n der Lage, mit den anderen als „fratricide" bezeichneten Wirkungen der ersten Explosion sowohl das Zielverhalten weiterer einfliegender Sprengköpfe als auch deren generelle Funktionsfähigkeit zu stören 27 . Sieht man einmal von den vielfältigen Möglichkeiten der Zerstörung elektronischen Geräts auf dem Boden ab, ist der EMP ein wesentlicher Faktor der Gedankenspiele des offensiven Teils von Nuklearstrategien geworden. Die umfangreichen Forschungsarbeiten zum Schutz der Führungssysteme und anderer wichtiger elektronischer Komponenten des Waffenpotentials zeigen, welche Bedeutung dieser erst relativ spät entdeckten Wirkung der Nuklearwaffen beigemessen wird 2 8 . I I . Die Neutronenwaffe (enhanced radiation weapon, ERW)

Die Neutronenwaffe ist weder eine völlig neue Waffe noch ein Sprengkörper, dessen Funktionsweise sich entscheidend von anderen Kernwaffen unterscheidet 29 . Wie alle Kernwaffen w i r k t sie durch die Freisetzung von Druck- und Hitzewellen und radioaktiver Strahlung. Durch eine besondere Zusammensetzung des Sprengkopfes 80 w i r d bei einer ERW der Ausstoß der Neutronen erhöht und der Wirkungsgrad der Druckwelle reduziert. 26 M I R V : „ V o n ballistischen Raketen mitgeführte Wiedereintritts-Lenkflugkörper bzw. Mehrfachgefechtsköpfe, von denen jedet unabhängig von den anderen auf ein gesondertes Ziel an jedem beliebigen Ort angesetzt werden kann", E. Lutz, Lexikon, S. 183; Zur Verwendung von M I R V s i n den derzeitigen Waffenprogrammen der USA u n d UdSSR s. Loodgard/ Blackaby, S. 24—27. 27 Bunn/Tsipis, The Uncertainties of a Preemptive Nuclear Attack, S. 38, 39; vgl. auch Bunn/Tsipis, Ballistic Missile Guidance, S. 69—71. 28 s. Fuchs/Landt, S. 455 m. w. N. 29 Die Diskussion über die Neutronenbombe i m Jahre 1977 hat den E i n druck erweckt, es handele sich u m eine v ö l l i g neue A r t von Waffe. Bereits i n den 60er Jahren besaß die US-Armee einen Nuklearsprengkopf i n K i l o tonnengröße, der hauptsächlich gegen Personen durch Neutronen w i r k e n sollte; vgl. Scoville, The Neutron Bomb, S. 66. 30 Die ERW ist eine Fusionsbombe, bei der Materialien verwendet w e r den, die die Absorbierung von Neutronen während des Verschmelzungsprozesses möglichst gering halten. Trotzdem w i r d zur Auslösung des FusionsProzesses eine Fissionsanordnung als „Zünder" benötigt. Bei größeren Bomben k a n n die Materialanordnung u n d der „Zünder" nicht so ausgelegt w e r den, daß keine oder wenig Absorbierung auftritt. Der Größe einer ERW sind so durch die technischen Funktionsvoraussetzungen Grenzen gesetzt; s. Guha, S. 13, 14 m. w. N.

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I. Teil: Die technischen u n d militärpolitischen Hintergründe

Eine ERW, die i n 150 m Höhe zur Explosion gebracht wird, verursacht bis zu einer Entfernung von ca. 700 m eine Strahlung mit einem W i r kungsgrad von 8000 rem. Diese Strahlendosis reicht aus, um Panzerbesatzungen sofort außer Gefecht zu setzen. Selbst i n 1100 m Entfernung w i r d noch eine Dosis von 650 rem erreicht 31 . Die höhere Strahlenintensität reicht aus, um Menschen i n wenigen Stunden oder Tagen zu töten. A b 450 rem t r i t t bei 50 °/o aller Erwachsenen die tödliche Wirkung innerhalb weniger Wochen ein 32 . Stellt man die Auswirkungen einer 1 K T ERW neben die einer 1 K T Kernspaltungsbombe, so muß man feststellen, daß der Radius gleicher rem-Werte bei der ERW doppelt so groß ist wie bei der Kernspaltungsbombe 33 . Vergleicht man einen 1 K T Sprengkopf einer ERW mit einer 10 K T Kernspaltungsbombe, ergibt sich folgendes Bild. A u f kurze Entfernung ist die Intensität der Strahlung bei beiden Waffen gleich. Die oben angegebenen Strahlungsdosen der 1 K T ERW treten auch bei der Explosion eines 10 K T „Normalsprengkopfes" auf 34 . M i t der Zunahme der Distanz vom Explosionspunkt ist die von der ERW ausgehende Strahlung stärker als die einer Kernspaltungsbombe 35 . Die Ursache dafür liegt i n der geringeren Abschwächung der energiereichen Neutronen der ERW. Die Druckwelle einer ERW ist erheblich schwächer als die eines normalen Fissionssprengkopfes mit 10 K T . Der zur Beschädigung eines Panzers benötigte Überdruck 36 w i r d bei dem 1 K T ERW-Sprengkopf nach 280 m nicht mehr erreicht, während eine 10 K T Bombe diesen Druck noch i n einer Entfernung von 640 m bewirkt. I n ähnlicher Weise entwickelt sich das Verhältnis der Druckwellen mit zunehmender Entfernung vom Explosionsort.

B. Die Nuklearwaffe im Kontext von Politik und Strategie I . Die Bedeutung von Politik und Strategie für die Bewertung des Gefährdungspotentials

Wie bei jeder anderen Waffe impliziert bereits die bloße Existenz der Nuklearwaffe ein gewisses Gefährdungspotential für die Z i v i l 31

Scoville, The Neutron Bomb, S. 69. s. insbesondere Lindop, Radiation Aspects, S. 93—101; Guha, S. 15—21. 33 Scoville, The Neutron Bomb, S. 69, 70. 34 Scoville, A Comparison of the Effects of Neutron Bombs and Standard Fission Weapons, S. 138, 139. 35 Rotblat, Nuclear Radiation, S. 70. 36 Scoville, The Neutron Bomb, S. 68. 32

Β . Die Nuklear waff e i m K o n t e x t von P o l i t i k u n d Strategie

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bevölkerung. Erst die Umsetzung und Nutzbarmachung der waffentechnischen Möglichkeiten i n militärischen Konzepten und politischen Zielvorstellungen gefährdet die Zivilbevölkerung i n akuter Weise. Eine Einführung in die waffenspezifischen Überlegungen bliebe deshalb unvollständig ohne die Darstellung der konzeptionellen Vorstellungen. I m Gegensatz zu den konventionellen Waffen, deren Einsatzvielfalt durch die Konflikte dieses Jahrhunderts i n vielfältiger Weise überprüfbar ist, muß den Nuklearwaffen hier besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Wenn man vom A b w u r f der Bomben auf Hiroshima und Nagasaki absieht, sind Nuklearwaffen bis heute nicht eingesetzt worden 1 . Eine Bewertung des m i t den Doktrinen verbundenen Gefährdungspotentials anhand empirischer Daten ist nicht möglich. Zur Grundlage der Bewertung sind somit die Militärstrategien und die politischen Absichtserklärungen zu machen. Das Augenmerk muß i n beiden Bereichen auf zwei Punkte gerichtet sein. Einmal soll festgestellt werden, inwieweit Entwicklungen den Einsatz von Nuklearwaffen wahrscheinlicher machen. Zum anderen muß i m Zusammenhang damit festgestellt werden, welche militärstrategischen Konzepte i m Einsatzfalle die Zivilbevölkerung i n besonderer Weise i n Mitleidenschaft ziehen. Der Politik kommt für die Beschreibung des Gefährdungspotentials i n diesem Sinne eine doppelte Funktion zu. Unter dem Gesichtspunkt des „Primats der Politik" ist anhand der Stellungnahmen aus der Politik feststellbar, welche Rolle den Atomwaffen bei der Friedenssicherung und i m Falle ihres Versagens i m Kriegsfall zugebilligt wird. Politische Äußerungen können darüber hinaus ein deutliches Zeichen für die öffentliche Akzeptierung bestimmter militärstrategischer Pläne sein. Dies muß für die Demokratien des Westens i n besonderem Maße gelten. Die Bedeutung, die der Rolle der Öffentlichkeit zukommt, hat Freedman i m Hinblick auf die Entwicklungen zu Beginn der 80er Jahre so beschrieben: "Democracy is also crucial because i n a real crisis public pressures w i l l affect the implementation and success of any doctrine." 2

Angesichts dieser Aussage ist es nicht verwunderlich, daß die von Präsident Reagan eingesetzte Scowcroft-Kommission, deren Aufgabe es war, Zweck, Art, Stärke und Zusammensetzung der strategischen Streitkräfte der Vereinigten Staaten zu untersuchen, i n besonderer Weise auf die Darstellung der militärstrategischen Probleme i n der 1 Z u den Diskussionen u m den A b w u r f vgl. Kimminich, Völkerrecht Atomzeitalter, S. 49. 2 Freedman, N A T O Myths, S. 48; vgl. dazu Young, S. 212, 213.

3 Fischer

im

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I. Teil: Die technischen u n d militärpolitischen Hintergründe

P o l i t i k eingegangen ist u n d d i e H e r s t e l l u n g eines g r ö ß e r e n n a t i o n a l e n Konsenses b e z ü g l i c h d e r strategischen S t r e i t k r ä f t e b e t o n t h a t 3 .

I I . Die Rolle der Nuklearwaffen im Spiegel politischer Stellungnahmen D i e R o l l e d e r N u k l e a r w a f f e n i m i n t e r n a t i o n a l e n S y s t e m ist seit d e r ersten E x p l o s i o n dieser W a f f e i n A l a m o g o r d o i m F r ü h j a h r 1945 i n u n t e r s c h i e d l i c h e r Weise d e f i n i e r t w o r d e n . 1. Die Nuklearwaffe

als „politische

Waffe"

N a c h d e r Ü b e r w i n d u n g des Hiroshimaschocks i n d e n V e r e i n i g t e n S t a a t e n h a t t e d i e wissenschaftliche U n t e r s u c h u n g d e r m i l i t ä r p o l i t i s c h e n G r ü n d e des A t o m w a f f e n e i n s a t z e s gegen J a p a n eine a n t i - n u k l e a r e H a l t u n g i n d e n p o l i t i s c h e n u n d wissenschaftlichen E n t s c h e i d u n g s z e n t r e n begründet4. Die von den K r i t i k e r n der Atombombe postulierte Forder u n g n a c h e i n e r E i n d ä m m u n g des n u k l e a r e n Schreckens d u r c h Selbstk o n t r o l l e u n d einseitige A b r ü s t u n g e r w i e s sich s e h r s c h n e l l als p o l i t i s c h nicht haltbar. D i e Explosion der ersten sowjetischen Bombe i m Jahre 1949 e t a b l i e r t e d i e N u k l e a r w a f f e i m p o l i t i s c h e n System, aus d e m sie a u f g r u n d des technologischen Wissens n i c h t m e h r z u e l i m i n i e r e n w a r 5 .

3 s. Bericht der v o m Präsidenten eingesetzten Kommission f ü r die Strategischen Streitkräfte unter Vorsitz von General a. D. Brent Scowcroft v o m 6. A p r i l 1983, E A 1983 D 483. 4 s. Myrdal, S. 132 m. w. N.; f ü r den Strategiebereich s. Freedman, The Evolution of Nuclear Strategy, S. 1 ff.; Friedberg, S. 37—71; Kennan beschrieb bereits 1948 die beiden politisch-strategisch offenstehenden Pfade: „Wenn w i r uns entscheiden, Massenvernichtungswaffen n u r zum Zweck der A b schreckung u n d Vergeltung bereitzuhalten, dann würde sich die Zahl u n d Explosivkraft der Waffen i n unserem Besitz danach richten, welches n u kleare Potential nach unserer Einschätzung erforderlich wäre, damit jedem Gegner ein A n g r i f f auf dieses L a n d oder seine Verbündeten m i t Massenvernichtungswaffen als riskantes, wahrscheinlich höchst verlustreiches u n d deshalb unvernünftiges Unternehmen erschiene. Wenn w i r andererseits entschlossen wären, Massenvernichtungswaffen i n einem künftigen K r i e g v o r sätzlich u n d vor ihrem Einsatz gegen uns oder andere Verbündete zu v e r wenden, dann müßte es vermutlich unser Ziel sein, bei möglichst geringem K r a f t a u f w a n d i n vollem Bewußtsein des drohenden Vergeltungsschlages gegen uns u n d i n klarer Erkenntnis aller moralischen u n d politischen E r w ä gungen die Streitkräfte, die Bevölkerung u n d das T e r r i t o r i u m des Feindes so gründlich w i e möglich zu vernichten. I n diesem F a l l w ü r d e uns die Z a h l u n d Explosionskraft der von uns zu entwickelnden Massenvernichtungswaffen wahrscheinlich lediglich von den üblichen militärischen Gesichtspunkten diktiert, w i e etwa Kosten, Wirksamkeit u n d Abschußmöglichkeiten", Kennan, S. 43, 44. 5 Vgl. Rauschning, Die Kernwaffenstrategie der Großmächte, S. 235; K e n nan 1949: „ W i r müssen uns m i t den Massen Vernichtungswaffen als einer der großen u n d traurigen Realitäten unserer Tage abfinden", Kennan, S. 44.

Β . Die Nuklearwaffe i m K o n t e x t von P o l i t i k u n d Strategie

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Der Besitz der Waffe durch den politischen Gegner beseitigte ein für allemal die Option, Nuklearwaffen i m S t i l des Abwurfs auf Hiroshima und Nagasaki zu verwenden 6 . Der Verlust dieser Möglichkeit bürdete den Politikern das Problem auf, eine politisch glaubwürdige Rolle der Massenvernichtungswaffen zu entwickeln und der Bevölkerung glaubhaft zu machen7. Unerwarteterweise lieferte eine technologische Entwicklung die Basis für die Ausarbeitung einer akzeptablen und politisch glaubwürdig zu vertretenden Funktion der Atomwaffe i m System der internationalen Beziehungen. Der Start des ersten russischen Satelliten i m Jahre 1957 forcierte die Entwicklung strategischer Trägersysteme durch die Supermächte. Die beiderseitige Möglichkeit, mit weitreichenden Flugzeugen und Raketen das gegnerische Territorium zu verwüsten, trieb die Blöcke i n ein nukleares Patt, dessen Absicherung durch die Vorhaltung von Zweitschlagskapazitäten erfolgte. Die Stationierung von Systemen i n unverwundbarer Position auf See erlaubte es beiden Seiten, jede nukleare Aggression mit einem für den Gegner i n seiner Schadenswirkung nicht akzeptablen Gegenschlag zu beantworten 8 . Die Aufrechterhaltung dieser Zweitschlagsbalance durch die Vorhaltung von nuklearen Systemen eröffnete keine neue einseitige β Es hat Überlegungen gegeben, Atomwaffen i n Korea einzusetzen, siehe dazu O'Brien, S. 218, 219, Halperin, „ I t was the desire to save resources and not the fear of provoking the enemy that was one of the m a i n causes of the American decision not to use nuclear weapons i n Korea", Halperin, L i mited War i n the Nuclear Age, S. 48; vgl. zum gleichen Problem während des Vietnamkrieges Baldwin, der über Pläne zum Einsatz nuklearer Gefechtsfeldwaffen berichtet, Baldwin, New Y o r k Times Magazine 9. J u n i 1968, s. auch Sulzberger i n I H T 3. Februar 1971, S. 4 u n d die N Z Z 24. Februar 1971 über „Nukleare Phantasien am Rande des Vietnamkrieges". 7 s. dazu die von den verschiedenen US-Regierungen unternommenen A n strengungen, Mandelbaum, S. 1 ff. 8 (1) McNamara, Robert, Statement before the Senate A r m e d Services Committee on the Fiscal Years, 1969—1973 Defense Program and 1969 Defense Budget, Washington, D.C., U.S. Government Printing, 1968, p. 47—50 (statement of 22nd of January 1969). Official statement defining the content of deterrence: " . . . i t is the clear and present ability to destroy the attacker as viable 20th century nation and an unwavering w i l l to use these forces i n retaliation to a nuclear attack upon ourselves or our allies that provides the deterrent, and not the a b i l i t y partially to l i m i t damage to ourselves. . . . The first quantitative question which presents itself is: w h a t k i n d and amount of destruction must we be able to inflict upon the attacker i n retaliation to ensure that he w o u l d indeed be deterred from i n i t i a t i n g such an attack? As 1 have explained to the committee i n previous years, this question cannot be answered precisely . . . I n the case of the Soviet Union I w o u l d judge that a capability on our part to destroy, say, one f i f t h to one fourth of her population and and one half of her industrial capacity w o u l d serve as an effective deterrent, such a level of destruction w o u l d certainly represent intolerable punishment to any 20th century industrial nation."

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I. Teil: Die technischen u n d militärpolitischen Hintergründe

militärische Option. Sie dient alleine dem Zweck, einen gegnerischen Angriff unter jeder denkbaren Prämisse abzuschrecken. M i t Beginn der 60er Jahre erhielt die Atomwaffe somit i m System der internationalen Beziehungen die Rolle einer „politischen Waffe" 9 . Die nukleare A b schreckung wurde damit zu einer wesentlichen „Friedenssicherungskomponente" i m Verhältnis der militärischen Blöcke. Die glaubwürdige Vermittlung dieser Komponente durch die Politik hat i n den letzten Jahren Wandlungen erlebt. 2. Die Friedenssicherungskomponente der nuklearen Abschreckung Bis zur Mitte der 70er Jahre ist von den Politikern die politische Wirkung der Nuklearwaffen i n den Vordergrund gestellt worden. Die i n Ost-West-Krisen geübte relative Zurückhaltung mit nuklearen Drohungen 10 hat i n einer für die Öffentlichkeit erkennbaren Weise die Bedeutung der nuklearen Abschreckung als friedenserhaltendes Instrument untermauert. I m Zusammenhang mit dem Fortgang des Rüstungskontrollprozesses und der klimatischen Entwicklung des Ost-West-Verhältnisses hat das Krisenverhalten zur Verankerung eines relativen Sicherheitsgefühls i m öffentlichen Bewußtsein geführt. I n den Entscheidungszentren der Supermächte scheint i n dieser Phase der politische Wille vorhanden gewesen zu sein, gemeinsam die Auswirkungen der technologischen Entwicklung auf die Rüstung einzudämmen. Eine wesentliche Rolle hat dabei die erste Phase des SALTProzesses gespielt 11 . Die Vereinbarung quantitativer Obergrenzen für strategische Waffen i m SALT I-Vertrag brachte zwar keine wirklichen Abrüstungsschritte, vermittelte der Öffentlichkeit aber den Eindruck einer Pause i m Rüstungswettlauf 12 . Die Konzentration auf die Limitierung der zur Abschreckung notwendigen Potentiale hat i m Zusammenspiel mit dem Abschluß des ABM-Vertrages 1 8 ein Festhalten der politischen Entscheidungsträger an der Friedenssicherungskomponente der Abschreckung signalisiert. 9 McNamara: "Nuclear weapons serve no m i l i t a r y purpose whatsoever, they are totally useless-except only to deter one's opponent from using them. This is m y view today. I t was m y v i e w i n the early 1960s", McNamara, S. 78. 10 Die USA sollen 19 m a l i n Erwägung gezogen haben Nuklearwaffen einzusetzen, s. dazu Blechman/Kaplan, S. 47, 48; die Sowjetunion soll ebenfalls einige Male m i t dem Einsatz von A t o m w a f f e n gedroht haben, s. Kaplan, S. 54. 11 Z u r politischen W i r k u n g von Rüstungskontrollabkommen s. Iklé, S. 224; zum SALT-Prozeß Rühl, S. 169 f. 12 von Baudissin/Lutz, S. 33; die Fixierung auf die Vereinbarung von Obergrenzen u n d damit auf den Erfolgscharakter von S A L T hat eine tiefergehende K r i t i k an den m i t dem Vertrag verbundenen Auswirkungen verhindert, s. dazu Senghaas, Aufrüstung durch Rüstungskontrolle, S. 1 ff. 13 Z u m A B M - V e r t r a g ausführlich Fahl, S. 24—30.

Β . Die Nuklear waff e i m K o n t e x t von P o l i t i k u n d Strategie

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Die Glaubwürdigkeit dieser Politik schien durch das am 29. M a i 1972 unterzeichnete „Agreement on Basic Principles of Relations between the USA and the USSR" 1 4 auf Jahre hinaus abgesichert zu sein. Dieser Vertrag legte die Grundsätze der Sicherheitspolitik der Supermächte i m Verhältnis zueinander fest. Als wichtigster Bestandteil der Grundsätze ist der Punkt 2 des Übereinkommens anzusehen. Dort heißt es i m zweiten Absatz: " B o t h sides recognize that efforts to obtain unilateral advantage at the expense of the other, directly or indirectly, are inconsistent w i t h these objectives 1 5 . The prerequisites for maintaining and strengthening peaceful relations between the U S A and the USSR are the recognition of the security interests of the Parties based on the principle of equality and the renunciation of the use or threat of force." 1 6

Die i n diesem A r t i k e l enthaltene Anerkennung der Gleichgewichtspartnerschaft zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion 1 7 eröffnete beiden Supermächten die Möglichkeit, ihre Rüstungskontrollpolitik weiterhin auf die „Friedenssicherungskomponente" der nuklearen Abschreckung zu fixieren. Beide Supermächte schlossen i n Verbindung m i t dem S A L T I - A b kommen und danach Verträge, die auf verschiedenen Ebenen als die Abschreckung begleitende Maßnahmen der „Friedenssicherungskomponente" dienten. Hierzu sind sowohl die Verträge über die Verbesserung der Kommunikation, die Verhinderung eines Nuklearkrieges aus Versehen als auch der Schwellenvertrag zu rechnen 18 . Eine neue Phase leitete das SALT II-Verfahren und der KSZE-Prozeß ein. Das zweite Abkommen über strategische Waffen beschränkte seinen Anwendungsbereich nicht mehr nur auf die Festlegung von Obergrenzen wie der S A L T I-Vertrag. I m Salt II-Vertrag ist versucht worden, trotz der unterschiedlichen geographischen, strategischen und technologischen Ausgangslagen der Supermächte, eine „quantitative Parität" zu fixieren. Zum ersten M a l i n arms control-Verträgen ist die Abrüstung verschiedener Systeme vereinbart und außerdem eine Einbeziehung qualitativer Elemente i n den Rüstungskontrollprozeß versucht worden 10 . I n der politischen Bewertung der SALT-Abkommen und der damit i m Zusammenhang stehenden Verträge ist neben der Regelung der 14

s. zum Text i n Goldblat, Agreements, S. 205—206. Die i m ersten Absatz genannten „objectives" sind u. a. „ . . . to avoid m i l i t a r y confrontations and to prevent the outbreak of nuclear w a r " , s. ibid., S. 205. 16 Ibid., S. 205; Hervorhebung durch den Verfasser. 17 McBundy, S. 9. 18 Goldblat, Agreements, S. 209, 211. 19 Goldblat/Loewenson Jr., S. 236. 15

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I. Teil: Die technischen und militärpolitischen Hintergründe

waffentechnischen Fragen der Wert der Abkommen als vertrauensbildende Maßnahmen besonders hervorgehoben worden 20 . Der vereinbarte Austausch von Daten über offensive Waffensysteme und die Einigung über die Interpretation von Vorschriften des Abkommens sind dabei als besonders wertvolle Maßnahmen angesehen worden. Parallel zu den Vereinbarungen zwischen den Supermächten haben die auf der KSZE-Konferenz i n Helsinki vereinbarten vertrauensbildenden Maßnahmen das Sicherheitsgefühl i n weiten Kreisen der Bevölkerung erhöht 21 . Der in der Schlußakte protokollierte Wille der Konferenzteilnehmer schloß die Ankündigung von militärischen Großmanövern und größeren militärischen Bewegungen ein. A n der Nahtstelle der Systeme i n Mitteleuropa sollte so die Gefahr eines konventionellen Überraschungsangriffs vermindert werden, der i m Rahmen der vorgeplanten Eskalation jederzeit zu einem Einsatz nuklearer Waffen führen kann. Die Maßnahmen zur Absicherung der nuklearen Abschreckung auf bilateraler Ebene wurden i m Rahmen der Vereinten Nationen von Bemühungen begleitet, den zu Beginn der 60er Jahre verlorengegangenen Abrüstungsansatz 22 zurückzugewinnen. M i t der ersten Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen zur Abrüstung i m Jahre 1978 schien die Staatengemeinschaft einen bemerkenswerten Fortschritt i n diese Richtung getan zu haben. Wie das Schlußdokument der U N S S O D I feststellte, hat die Anhäufung der Waffen, insbesondere der Nuklearwaffen, mehr zu einer Bedrohung der Menschheit denn zu ihrem Schutz beigetragen 23 . Das Schlußdokument führt fort: "The t i m e has therefore come to end this situation . . . and to seek security i n disarmament."

Die Absicherung des Ansatzes i n prozeduralen Vorschriften und weiterer Absichtserklärungen hat dann allerdings wie durch die zweite Sondergeneralversammlung i m Jahre 1982 bewiesen worden ist, keine der auf die Rüstung fixierten Maßnahmen zum Ende der 70er Jahre verhindern können. 20 Vgl. Bothe, Z u r Dogmatik eines völkerrechtlichen Kriegsverhütungsrechts, S. 219; vgl. die kritischen Anmerkungen von Sharp, S. 47. 21 Heisenberg, S. 308; vgl. auch Wettig, Sicherheitspolitische Vertrauensbildung, S. 49—67. 22 s. dazu K . Ipsen, Die amerikanischen u n d sowjetischen AbrüstungsVorschläge von 1962/63, S. 478—508. 23 Text siehe U N M o n t h l y Chronicle J u l y 1978, Results of the General Assembly Session on the Questions of Disarmament, S. 1; Schütz, S. 299, 300; vgl. auch Citron, S. 630—640.

Β . Die Nuklear waff e i m K o n t e x t von P o l i t i k u n d Strategie

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Einige dieser Verträge, insbesondere der S A L T II-Vertrag, sind i n der ex-post-Betrachtung zu kritisieren. Einzelne Bestimmungen sind nicht so wirksam geworden, wie es sich die Vertragspartner erhofft hatten. Andere Regelungen sind sogar zur Initialzündung für kontraproduktive Entwicklungen geworden 24 . Festzuhalten bleibt aber für alle Verträge, daß ihr Abschluß i n der Öffentlichkeit als Beweis für den politischen Willen gewertet worden ist, der Friedenssicherungskomponente der nuklearen Abschreckung Priorität i n den internationalen Beziehungen einzuräumen 25 . 3. Kriegführungsoptionen in der politischen Auseinandersetzung Das politische B i l d von der den Nuklearwaffen zugedachten Rolle änderte sich für die Öffentlichkeit erkennbar nicht erst mit der amerikanischen Präsidentschaftswahl 1980. Ausgelöst wurde diese bereits noch während des Entspannungsprozesses anlaufende Veränderung durch die Diskussion über den Bau der Neutronen waffe 26 . Diese für Gefechtsfeldzwecke besonders geeignete Waffe führte das Problem der militärischen Verwendung von Nuklearwaffen erneut i n die öffentliche Diskussion ein 27 . Das auf die Neutronenwaffe bezogene Bahr-Wort von der Perversion des menschlichen Denkens 28 lenkte zwar die A u f merksamkeit für das erste auf die waffenspezifischen Probleme der Neutronenwaffe. Aber die grundsätzliche Frage nach der militärischen Verwendung der Kernwaffen ließ sich nicht mehr aus dem öffentlichen Bewußtsein verdrängen. Ein weiterer Schub für die einmal geweckten Befürchtungen bildete ebenfalls noch i n den 70er Jahren die Direktive Nr. 59 des amerikanischen Präsidenten Carter 29 . Die irrationale Drohung mit dem Angriff auf zivile Bevölkerungszentren i n Verbindung m i t dem System der gesicherten Zweitschlagskapazität hatte stets — wohl gerade wegen der Irrationalität — das Sicherheitsgefühl gestärkt. Die Betonung des Nuklearwaffeneinsatzes gegen militärische Ziele i n der PD59 3 0 ver24

Vgl. Riedel, S. 287; Barnaby/Huisken, S. 144. s. McWhinney, The International L a w of Détente, S. 39 ff., zu einer Bewertung unter europäischen speziell deutschen Gesichtspunkten, s. Haftendorn, S. 227 ff. 28 s. dazu The New Y o r k Times, 2. J u l i 1977, S. 5; The New Y o r k Times, 9. August 1977, S. 7; zum H i n t e r g r u n d der politischen E n t w i c k l u n g s. Guha, S. 9. 27 Vgl. dazu den Beitrag von Graf von Baudissin, i n : Guha, ibid., S. 150, 151, Graf Baudissin: „ I s t diese Schwelle einmal überschritten, entsteht durchaus die Gefahr einer Konventionalisierung dieser Nuklearwaffe", S. 150. 28 Vorwärts, 21. J u l i 1977. 29 K r e l l , Der Rüstungswettlauf bei den nuklearen Mittelstreckensystemen, S. 77. 25

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I. Teil: Die technischen u n d militärpolitischen Hintergründe

setzte dem Sicherheitsgefühl der durch die Neutronenwaffe aufgeschreckten Europäer nun einen neuen Schock31. Obwohl von amerikanischer Seite stets der Einklang der PD 59 mit der bisherigen Doktrin betont worden ist, kam die Feststellung der Einsatzoptionen durch den Präsidenten der Festlegung einer neuen Strategie gleich. I n der Tat ist die Feststellung Carters durchaus in Einklang mit den bereits bestehenden Plänen zu bringen 32 . Die Krise der Entspannungspolitik hat jedoch eine tiefergehende öffentliche Auseinandersetzung mit dieser Frage verhindert, ohne die einmal geweckte Besorgnis ganz zu verschütten. Der amerikanische Präsidentschaftswahlkampf i m Jahre 1980 und danach erfolgte Äußerungen von führenden Regierungsmitgliedern haben dann die strategischen Bedenken sowohl i n den Vereinigten Staaten als auch i n Europa i n verstärktem Maße i n die politische Diskussion eingebracht. Hatten die bisherigen politischen Äußerungen nur für die mit den strategischen Zusammenhängen vertrauten Bürger besorgniserregend geklungen, so lösten die i n zahlreichen Interviews abgegebenen Erklärungen zur „Führbarkeit und Gewinnbarkeit" eines Nuklearkrieges nun eine allgemeine Bestürzung aus. Die neue Administration hatte entweder aus politischer Unerfahrenheit oder aus Überzeugung 33 die zwei Tabus i m öffentlichen Umgang mit der Nuklearwaffe gebrochen: 1. Die militärische Nutzung der Kernwaffen. 2. Die Forderung nach strategischer Superiorität und damit die Aufkündigung des von Präsident Nixon der Sowjetunion zugestandenen „principle of equality". Wenn bis zum Ende der 70er Jahre weder die stetige Erhöhung der Sprengkopfzahlen noch die technologische Eigendynamik des Rüstungswettlaufs die Aufmerksamkeit der Medien auf die sicherheitspolitischen Probleme gelenkt hatte, so gelang dies Äußerungen wie der folgenden: " I t is possible for any society to survive a nuclear war, nuclear w a r is a destructive thing, but still i n large a physics problem." 3 4 80

s. dazu die K r i t i k von Warnke/Schneider, S. 31. Diese w u r d e n verstärkt m i t der Beschreibung von „ W a r Scenarios' 1 durch M i l i t ä r s ; sowohl Hackett als auch Close u n d B i c k w e l l lassen i n ihren Szenarien einen konventionellen K o n f l i k t i n Mitteleuropa i n einen K r i e g m i t Nuklearwaffeneinsatz umschlagen, s. Hackett, S. 326 ff.; vgl. Close, S. 1 ff.; Bidwell, S. 1 ff. 32 Senghaas, Rückblick u n d Ausblick auf Abschreckungspolitik, aPZ 1983, B38, S. 28—38; vgl. die E r k l ä r u n g von Verteidigungsminister B r o w n v o m 8. August 1980, E A 1980, D 475. 33 F ü r diese These spricht die Zusammensetzung des „Committee of the Present Danger", aus dessen Kreis die meisten der dem amerikanischen Präsidenten nahestehenden Berater stammen, vgl. Scheer, S. 144, 145. 34 Scheer, S. 6; vgl. den vollen Wortlaut des Interviews m i t Charles K u p permann, i n dem die Gewinnbarkeit eines strategischen Atomkrieges eindeutig festgestellt w i r d , ibid., S. 130. 31

Β . Die Nuklear w a f f e i m K o n t e x t von P o l i t i k u n d Strategie

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Die besondere Rolle Europas i m strategischen Verhältnis der Supermächte erfuhr besondere Beachtung durch Stellungnahmen, die einen auf Europa begrenzten nuklearen Schlagabtausch als durchaus durchführbares Szenario betrachteten. Präsident Reagan formulierte dies für die Ebene der Gefechtsfeldwaffen so: " I could see where could have the exchange of tactical weapons against troops i n the field w i t h o u t i t bringing either one of the major powers to pushing the b u t t o n . " 3 5

Der frappierende Gegensatz dieser Äußerungen zu der i m öffentlichen Bewußtsein verankerten Rolle der Nuklearwaffen als reine Abschreckungswaffen hat i n den Vereinigten Staaten und Europa eine i n ihren Zielen durchaus unterschiedliche anti-nukleare Bewegung ins Leben gerufen 36 . Die Aktivitäten der verschiedenen^Gruppen haben bei sicherheitspolitischen Entscheidungsträgern zu einer größeren Diskussionsbereitschaft über Sicherheitsfragen geführt 3 7 . Die Frage, ob die i n der politischen Öffentlichkeit geführte Diskussion über die Verwendung der Kernwaffen als Kriegsführungsinstrumente letztendlich Ausdruck einer Veränderung der Ausgangsposition gewesen ist, kann anhand der politischen Äußerungen nicht eindeutig beantwortet werden. Diese Schlußfolgerung drängt sich vor allem deshalb auf, weil i m Jahre 1983 i n den Vereinigten Staaten eine bemerkenswerte Rückkehr zu einem vorsichtigen Umgang mit Nuklearwaffenfragen i n der Öffentlichkeit stattgefunden hat 3 8 . Hätte sich aus den Äußerungen der ersten Zeit der Amtsperiode Reagans eine deutliche Zunahme des i n den Nuklearwaffen liegenden Gefährdungspotenials durch die Diskussion der Kriegführungsmöglichkeiten mit Kernwaffen herleiten lassen, so ist dies heute nicht mehr möglich. Die politische Komponente des Begründungstatbestandes ist weggefallen. 35

Ibid., S. 131. Die Ziele der „Freeze" -Bewegung unterscheiden sich von den Zielen europäischer Gruppen, Holst, E A 1983, S. 215; einen guten Uberblick über die Geschichte u n d die Beweggründe der antinuklearen Bewegungen gibt Lumsden, Nuclear Weapons and the New Peace Movement, S. 101—129; zu einer K r i t i k an der deutschen Friedensbewegung unter Allianzgesichtspunkten s. Griffith, S. 118; zu den Trends i n der amerikanischen Öffentlichkeit siehe Rielly, S. 205—208. 37 Insbesondere die Diskussion über die m i t dem I. Zusatzprotokoll zusammenhängenden Probleme hätte ohne die angesprochenen Äußerungen w o h l nicht stattgefunden, s. die Diskussion i m Bundestag, 14. Oktober 1983, Deutscher Bundestag, Plenarprotokolle 10/29, S. 1925—1954; zum Problem der Konsensfähigkeit der Sicherheitspolitik vgl. Birnbaum, S. 79 m. w. N. 38 I n Europa ist aus verständlichen Gründen stets die Rolle der N u k l e a r waffe als politische Waffe betont worden, s. dazu die A n t w o r t der Bundesregierung auf die Großen Anfragen der Grünen 10/142; 10/143; 10/175; 10/179; 10/180, BT-Drucksache 10/487, S. 9 u n d die Erläuterungen von Staatsminister Mertes i n der Plenarsitzung v o m 14. Oktober 1983, Deutscher Bundestag, Plenarprotokolle 10/29, S. 1925—1932. 38

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I. Teil: Die technischen u n d militärpolitischen Hintergründe

Die Verlautbarungen über die Erringung einer Position der strategischen Überlegenheit sind aus dem Vokabular der Regierungsmitglieder mit der Aufnahme der START-Verhandlungen verschwunden. Stellungnahmen zum Nuklearkrieg lehnen sich an die Aussage Präsident Reagans vor dem koreanischen Parlament an: " A nuclear w a r can never be w o n and must never be fought." 3 ®

Die Kriegführungsoption der Nuklearwaffen ist damit aus der zentralen politischen Diskussion ausgeschieden. 4. Die Wertigkeit politischer Aussagen im Zusammenhang mit den strategischen Doktrinen Rekapituliert man die politischen Aussagen bis i n die jüngste Zeit, so ist eine bemerkenswerte Verschiebung von der Betonung der Nuklearwaffen als reine Abschreckungswaffen zur Nutzung als Kriegführungswaffen festzustellen. Nun beginnt das Pendel zurückzuschwingen, und auf politischer Ebene scheint die traditionelle Rolle der Nuklearwaffen die Oberhand zu gewinnen. Wenn man darin einen Lernprozeß der Politiker und keine wahlkampftaktischen Manöver sieht, so zeigt die Entwicklung, mit welcher Vorsicht politische Äußerungen zu beurteilen sind. Dies w i r d besonders deutlich, wenn man den Entspannungsprozeß der 70er Jahre bewertet. Gerade während dieser Zeit der guten Beziehungen zwischen den Blöcken und dem dadurch erzeugten Sicherheitsgefühl sind weitreichende sicherheitspolitische und m i l i tärische Entscheidungen getroffen worden, die zu verstärkter Instabilität beigetragen haben. A n erster Stelle ist dabei die Stationierung der SS 20 durch die Sowjetunion zu nennen. Auch auf westlicher Seite sind die politischen Entscheidungen für Waffensysteme wie die der Pershing I I und die der Cruise Missile etc. i n diesem Zeitraum gefällt worden 40 . Den Aufschluß über den Gefährdungsgrad der Zivilbevölkerung können nur die Strategien, die Beschaffungsprogramme und der Inhalt der Rüstungskontrollvereinbarungen liefern. Den politischen Aussagen kommt in diesem Zusammenhang kaum eine Bedeutung zu.

39 I H T 12.11.1983; s. auch die Aussagen von Außenminister Shultz u n d anderen Regierungsstellen i m Zusammenhang m i t dem F i l m „The day after", F A Z 22.11.1983 u n d Time-Magazine 5. Dezember 1983, S. 24. 40 Z u r Chronologie der SS 20, Pershing I I u n d Cruise Missile s. Krell, Der Rüstungswettlauf bei den nuklearen Mittelstreckensystemen, S. 23—28.

Β . Die Nuklear w a f f e i m K o n t e x t von P o l i t i k u n d Strategie

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I I I . Der Wandel in den Nuklearstrategien

1. Von der „massive retaliation " zu Kriegführungsstrategien Nach dem Atombomenabwurf auf Hiroshima dauerte es knapp 10 Jahre, bis die Vereinigten Staaten begannen, eine Strategie für diese Waffe zu entwickeln. Die Strategie der „massive retaliation" beantwortete die bisher offen gebliebenen Fragen nach dem Zweck der Nuklearwaffe und ihrer möglichen Einsatzorte. Der Hauptzweck der „massive retaliation" lag nicht nur i n der Verhinderung eines Nuklearkrieges, sondern in der Eindämmung des sowjetischen Expansionismus 41 . M i t der „massive retaliation" behielten sich die Vereinigten Staaten die Möglichkeit vor, sowjetische Expansionsversuche an jeder Stelle der Erde m i t nuklearen M i t t e l n zu begegnen. Ort und Zeit des Einsatzes sollte allein i n das Belieben der amerikanischen Regierung gestellt sein 42 . Solange die Vereinigten Staaten ein Übergewicht i n den nuklearen Potentialen besaßen, erschien diese Strategie zumindest eine geeignete Reaktion für die Fälle eines Angriffs auf die Vereinigten Staaten bereitzustellen. Von Anfang an war jedoch die Drohung mit dem Atomwaffeneinsatz gegen die Sowjetunion für die Fälle expansiven Verhaltens an anderen Stellen der Erde wenig glaubwürdig 4 3 . Z u Beginn der 60er Jahre führte dieses Dilemma der amerikanischen Sicherheitspolitik zu einer Abänderung der Strategie. Die D o k t r i n der flexible response sollte der inzwischen angewachsenen sowjetischen Bedrohung auf strategischer Ebene entgegenwirken und „flexible" Reaktionen i n allen Krisengebieten der Erde, insbesondere i n M i t t e l europa, ermöglichen 44 . I n ihrer ursprünglichen Form war die „flexible response" eine reine Abschreckungsstrategie, die sich mit der Androhung der Zerstörung von Bevölkerungs- und Industriezentren nicht direkt gegen die gegnerischen Streitkräfte richtete. Bis zur Mitte der 60er Jahre lag diese Form der Abschreckung der amerikanischen Nuklearstrategie zugrunde 45 . Von den Nachfolgern von Verteidigungsminister McNamara wurden „counter force "-Optionen verstärkt i n diese Doktrin eingebracht 4®. Auf41

s. dazu ausführlich Mandelbaum, S. 1 ff. So explizit Dulles, zitiert bei Falk/Meyrowitz/Sanderson, S. 546. 43 Rauschning, Die Kernwaffenstrategie der Großmächte, S. 237—247. 44 Taylor, S. 6. 45 Vgl. zu „counter force" -Elementen vor dieser Zeit Senghaas, Rückblick u n d Ausblick auf Abschreckungspolitik, aPZ 1983, Β 38, S. 31. 48 s. McBundy, S. 8—11. 42

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I . T e i l : Die technischen u n d militärpolitischen Hintergründe

bauend auf den Überlegungen Kahns, der eine 44sprossige Eskalationsleiter für den Nuklearkrieg entwickelt hatte, ist das Rüstungspotential stärker auf die Bekämpfung militärischer Ziele ausgerichtet worden. M i t der Ausweitung der Nuklearoptionen auf militärische Objekte war das Ziel verbunden, die Chancen eines selektiven Nukleareinsatzes zu erhöhen und i m Falle eines solchen begrenzten Einsatzes die Wahrscheinlichkeit einer Eskalation zu begrenzen. I n die Zielplanung wurden deshalb verstärkt die taktisch nuklearen und konventionellen Streitkräfte, Startbahnen, Nukleardepots und andere militärische Objekte aufgenommen 47 . Einen weiteren Schub erhielten die Kriegführungselemente i n der Doktrin der „flexible response" Mitte der 70er Jahre durch die sog. „counter-vailing strategy". Diese Strategie des Gleichgewichts war darauf angelegt, allen nuklearen Optionen des Gegners durch die Bereitstellung geeigneter Waffen jeder Größe zu begegnen. Auch i m Falle eines Erstschlages sollten noch so viele Waffen und Einsatzmöglichkeiten übrig bleiben, daß eine politische Erpreßbarkeit i n dieser Situation ausgeschlossen schien 48 . Wenn auch alle Strategievarianten den reaktiv-defensiven Charakter der begrenzten Nuklearoptionen betonen, führt die Bereithaltung von „counter-force" -Kapazitäten i n Präemptionszwänge. Bedrohen die eigenen Potentiale durch ihre technische Kapazität und Einsatzplanung die gegnerischen Kräfte, w i r d dies einen Präventivschlag herausfordern 49 . Zur Vermeidung eigener Verluste kann i n dieser Situation ein Präemptivschlag notwendig werden. Ravenal hat die Counter Force Logik wie folgt beschrieben: „Counter Force u n d nuklearer Erstschlag hängen wechselseitig voneinander ab. E i n Erstschlag impliziert eine counter-force Zielfestlegung, denn der einzige anfängliche A n g r i f f , welcher Sinn macht, besteht i n einem schadensbegrenzenden Schlag, nämlich der Zerstörung eines größtmöglichen Teils der nuklearen Streitmacht des Gegners. U n d die counter-force Zielvorgabe impliziert ihrerseits einen Erstschlag, nämlich einen präemptiven Schlag, w e i l ein Zweitschlag gegen die Raketen des Gegners i n dem Maße nutzlos ist, als die eigenen Raketen leere Löcher treffen w ü r d e n 5 0 . "

Die zur Vermeidung eines strategischen Waffenaustausches entwickelten counter force-Optionen lassen einen Einsatz von Nuklearwaffen insbesondere i n politischen Krisen wahrscheinlich werden.

47 K r e l l , Das militärische Kräfteverhältnis bei den nuklearstrategischen Waffen, S. 161. 48 s. McBundy, S. 10; K e r r / K u p p e r m a n n , S. 120, 121. 49 Ravenal, S. 26—43. 50 Ibid., S. 31.

Β . Die Nuklear waff e i m K o n t e x t von P o l i t i k u n d Strategie

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2. Die wachsende Bedeutung der Sieg-Kategorien a) Die Sieg-Kategorien i n den Nuklearstrategien Neben der Kriegsführungsoption spielt das Denken i n Sieg-Kategorien i n der amerikanischen Strategie seit Mitte der 70er Jahre wieder eine bedeutende Holle. Die Vereinigten Stabchefs der USA und zivile M i t arbeiter des Verteidigungsministeriums haben mehrfach betont, daß für den Fall des Versagens der Abschreckung nicht nur die Kriegführungsfähigkeit sichergestellt sein müsse. Der Konflikt müsse in jedem Stadium unter Bedingungen, die für die USA akzeptabel seien, zu Ende geführt werden können 51 . Ließe sich hinter dieser Äußerung noch die Umschreibung der Fähigkeit verstehen, den Konflikt zu jeder Zeit kontrollierbar zu halten, haben Stellungnahmen jüngeren Datums die Sieg-Perspektive i n den Nukelarstrategien implizit bestätigt 52 . Das Denken i n Sieg-Kategorien potenziert nicht nur die Präemptionsgefahr. Da Kriegführungsoptionen nur bei strategischer Überlegenheit praktisch sinnvoll sind 53 , w i r d eine der Grundsätze des S A L T I - A b kommens — die strategische Parität der Supermächte — i n Frage gestellt 5 4 . Kriegführungs- und Siegstrategien gefährden somit das internationale System nicht erst i n einer Krise. Der Ausbau von counterforce Potentialen unterminiert die Grundprinzipien der nuklearen Abschreckung auf politischer und militärischer Ebene. b) Das Airland Battle-Konzept Seit dem 20. 8.1982 ist die neue amerikanische Heeresdoktrin i m Field Manual 100-5 (FM) festgelegt, die naturgemäß auch Auswirkungen auf die Umsetzung der NATO-Strategie i m Kriegsfall hat. Die mit dem Airland Battle-Konzept verbundenen Probleme sind nur dann verständlich, wenn man sich den ursprünglichen Ansatz der NATO-Doktrin der „flexible response" vor Augen führt. De Maizière hat die NATOStrategie unter der folgenden Prämisse gesehen:

51 K r e l l , Das militärische Kräfteverhältnis bei den nuklearstrategischen Waffen, S. 162. 52 s. dazu Letter from US Joint Chiefs of Staff, i n : S u r v i v a l X I X , 2 (March/ A p r i l 1977), S. 76—78; Statement Malcolm Currie, i n : 94/2 US Congress, Senate A r m e d Services Committee, Hearings Fiscal Year 1977 Authorization for M i l i t a r y Procurement, Research and Development etc., part 4: Research and Development, Washington (GPO) 1976, S. 2074 zitiert bei K r e l l , ibid., S. 162; s. dazu die Beispiele bei Zacharias/Gordon/Davis, S. 6—9; vgl. auch Gray, War Fighting, S. 5—28. 53 Senghaas, Rückblick u n d Ausblick auf Abschreckungspolitik, aPZ, Β 38, S. 35. δ4 McBundy, S. 10.

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I. Teil: Die technischen und militärpolitischen Hintergründe

„Die Strategie des Nichtkrieges — besser noch die Strategie der Kriegsverhinderung — hat Vorrang vor der Strategie der defensiven Kriegsführung 5 5 ."

Nichts kann die Rolle der NATO als reines Verteidigungsbündnis besser illustrieren als diese Aussage. Die i m F M 100-5 festgelegte Militärdoktrin favorisiert jetzt die „Offensive" als die entscheidende Form des Krieges 56 . Das „secure the initiative" ist dabei die notwendige Voraussetzung der Beherrschung des Gefechtsfeldes 57. Nach F M 100-5 w i r d die Schlacht der 90er Jahre nicht mehr nur auf die eigentliche Kampfzone beschränkt sein. Sie w i r d mit nuklearen und chemischen M i t t e l n geführt werden und Aktionen i n der Tiefe des gegnerischen Hinterlandes gehören zu den wesentlichen Angriffsmitteln 5 8 . Die Rolle der Kernwaffen bei der Offensive w i r d wie folgt beschrieben: "Nuclear . . . weapons dramatically increase the possibilities for sudden alterations on the battlefield, which attacks can e x p l o i t . " 5 9

Für den Einsatz von Nuklearwaffen i n der Tiefe heißt es: "Nuclear weapons are particularly effective i n engaging follow on formations or forces i n depth because reduced concerns about troop safety and collateral damage." 8 0

Sieht man diese Zitate i m Zusammenhang mit der Operationsplanung: "any US Force . . . must secure the i n i t i a t i v e as early as possible," 6 1

so muß man feststellen, daß sowohl die Sieg- als auch die Kriegführungsperspektive ihren Niederschlag i m F M 100-5 gefunden haben. Die Anwendung des Airland Battle-Konzepts i m Kriegsfall schließt durch die i n i h r konsequent umgesetzte Siegperspektive fast alle politischen Lösungsmöglichkeiten zur Beendigung des Konfliktes aus. Wenn man auch nicht Afheldt folgen w i l l , der die Kampfführungsvorschriften von F M 100-5 alleine unter Kriegsverhütungsgesichtspunkten bewertet 62 , so ist folgendes festzuhalten. Die Airland Battle-Doktrin rückt, wie der 55

de Maizière, Z u r strategischen Lage, S. 53, vgl. Stratmann, S. 59—64. F M 100-5/8-1. 57 Ibid., /7-1, 7-2. 58 Ibid., / l - l , 7-13, 7-15. 59 Ibid., /8-6. 60 Ibid., /7-15. 61 Ibid., /7-2. 62 Die These Afheldts ist n u r vor dem H i n t e r g r u n d des von i h m v o r geschlagenen defensiven Verteidigungskonzeptes konsequent, Afheldt, S. 30; s. auch seinen Vergleich m i t dem Rogers-Plan; vgl. Rogers, S. 394—397; eine Darstellung des aktuellen Diskussionsstandes der Thesen Afheldts u n d anderer alternativer Strategien findet man bei Schuster/Wasmuth, S. 2—16. 56

Β . Die Nuklear waff e i m K o n t e x t von P o l i t i k u n d Strategie

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Vergleich mit der Aussage von de Maizière zeigt, von der flexible response ab. Die Beendigung eines Konfliktes durch ein „nukleares Signal" erscheint i n Zukunft ebensowenig möglich zu sein, wie die Beendigung des Konfliktes durch politische Konsultation. Damit w i r d die politische Beherrschbarkeit von Krisen unterminiert und der Ersteinsatz militärischer M i t t e l favorisiert. Dies muß auch für alle anderen Konzeptionen gelten, die die Kriegführungspotentiale ausbauen wollen und damit gefährliche Präemptionszwänge schaffen 63 . c) Airland Battle 2000 und die Veränderung des Einsatzfreigabeverf ahrens Die Doktrin des Airland Battle hat nicht nur ihre Umsetzung i m F M 100-5 gefunden. Ihre Fortschreibung i m A i r l a n d Battle 2000-Konzept ist für die Armee der Vereinigten Staaten und die Bundeswehr inzwischen zur Basis gemeinsamer strategischer und taktischer Überlegungen für die 90er Jahre gemacht worden 64 . Bringt die Erwartung eines „convential-nuclear-chemical-biologicalelectronic battlefield" 6 5 einen erhöhten Präemptionszwang mit sich, so muß die Forderung nach einer Delegation der Einsatzfreigabe von Atomwaffen eine nochmalige Steigerung des Gefahrenpotentials bewirken. Das jetzige Freigabeverfahren sieht als letztendliche Entscheidungsinstanz den amerikanischen Präsidenten vor 6 6 . I n der Diskussion um das A i r l a n d Battie 2000-Konzept ist von amerikanischen Armeestellen eine Delegation der Freigabe für die Kurzstreckensysteme gefordert worden. Als Begründung ist die Gefahr eines Verlustes der grenznah stationierten Systeme und die mit der Einsatzfreigabe verbundene Möglichkeit einer besseren Planung für die Schlacht ins Feld geführt worden 67 . 63 s. z.B. das Konzept Senger/E t t er lins für luftmechanisierte Kräfte, von Senger u n d Etterlin, S. 363—367. 64 So eine Vereinbarung, die i m August 1982 v o m Inspekteur des Heeres, Generalleutnant M. Glanz, u n d dem General der US A r m y , Chief of Staff, E. C. Meyer, unterzeichnet worden ist; s. A i r l a n d Battle 2000, Entwicklung eines Zukunftsprojekts, Ö M Z Heft 3, S. 258, 259. 65 Das A i r l a n d Battle-Konzept schließt den Einsatz biologischer Waffen aus. I m „Hearing of the House Appropriation Subcomittee on Defence" taucht die biologische Kriegführung allerdings als Option auf; s. Pincus, I H T 22. 7.1982. ββ Durch die Richtlinien der Nuklearen Planungsgruppe der N A T O v o m 2.11.1969 ist eine M i t w i r k u n g der nichtatomaren Staaten an der Einsatzentscheidung unter bestimmten Umständen vorgesehen, s. dazu de Maiziére, Führen i m Frieden, S. 204 ff. ; zu den sich aus der Nachrüstung ergebenden Überlegungen hinsichtlich eines atomaren Vetos vgl. Krause, S. 1115 ff.; vgl. dazu auch Stratmann, S. 82—91. 67 s. Fn. 65; vgl. dazu auch Stratmann, S. 82—91.

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I . T e i l : Die technischen und militärpolitischen Hintergründe

Sieht man die Forderung nach der frühen Einsatzfreigabe vor dem Hintergrund der i m Airland Βattle-Konzept aufgeführten Operationsrichtlinien, so ist eine Veränderung des Freigabeverfahrens die notwendige Voraussetzung erfolgreicher nuklearer Aktionen auf dem Gefechtsfeld der 90er Jahre. Der Erringung der Initiative auf dem Gefechtsfeld geht die Verfügbarkeit aller dazu notwendigen Einsatzmittel, inklusive der Nuklearwaffen, voraus. Die Verlagerung der Entscheidungsbefugnis von der politischen auf die militärische Ebene bringt neue Gefahren für die Zivilbevölkerung m i t sich. Der Befehlshaber auf dem Gefechtsfeld w i r d einen Einsatz der Nuklearwaffen an der aktuellen militärischen Lage ausrichten. Politische Gesichtspunkte kann er aus seiner Position heraus nicht berücksichtigen. Damit wird, wenn man einmal von den zusätzlich entstehenden Präemptionszwängen absieht, die Eskalationsschwelle gesenkt. Die militärische Funktion der Nuklearwaffen würde durch die frühe Einsatzfreigabe verstärkt. 3. Die Kriegführungsoptionen im Abschreckungssystem und die waffentechnische Entwicklung Ohne die Entwicklung verläßlicher und zielgenauer Raketensysteme sind Kriegführungsoptionen i m Abschreckungssystem nicht denkbar 68 . Erst die Möglichkeit militärische Ziele, wie ζ. B. die Raketensilos des Gregners 69, zerstören zu können, läßt die Entwicklung von „counter force"-Doktrinen möglich werden. I n den letzten Jahren hat die Ausstattung der ICBMs m i t Mehrfachsprengköpfen (MIRV) und die i m mense Steigerung ihrer Zielgenauigkeit den technologischen Hintergrund für die Kriegführungsabschreckung gebildet 70 . Die Betonung der Sieg-Perspektive i n den Nuklearstrategien macht es notwendig, nicht nur auf einem Gebiet stärker zu sein als der Gegner. Für alle Fälle eines länger andauernden Krieges müssen die M i t t e l bereitstehen, u m i m entscheidenden Moment i m Vorteil sein zu können. ®8 Z u m Zusammenhang von Strategie u n d Technologie s. Thee, S. 103—120. Bei der Zerstörung von Silos spielen die H ä r t u n g der Silos u n d die Zielgenauigkeit der Rakete die entscheidende Rolle. W i r d ζ. B. die Sprengk r a f t einer Rakete u m den Faktor acht erhöht, steigert m a n die Letalität der Waffe u m den Faktor vier. Erhöht m a n dagegen die Zielgenauigkeit der Waffe u m den Faktor acht, w i r d die Letalitätsrate vierundsechzigmal so groß sein, Tsipis, Offensive Missiles, S. 10—19; vgl. auch Bunn/Tsipis, Ballistic Missile Guidance, S. 82—92. 70 s. K r e l l , Das militärische Kräfteverhältnis bei den nuklearstrategischen Waffen, S. 109 ff.; O'Brien: " I f the United States has the capability to inflict unacceptable damage on the USSR through counter-force attacks only, then we are i n a fortunate situation wherein both the deterrent threat and the " f i g h t - t h e - w a r " capability are potentially consonant w i t h just w a r / l i m i t e d w a r standards", O'Brien, S. 342. 69

Β . Die Nuklear w a f f e i m K o n t e x t von P o l i t i k u n d Strategie

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Kriegführungsoptionen gehen somit immer Hand i n Hand mit Waffenentwicklungen in den Kernbereichen der Potentiale, wie bei der M I R V Technik, aber sie treiben auch Forschungsarbeiten i n Nebenbereichen der strategischen Optionen voran. Z u den neuen Risikofaktoren zählen folgende, die Kriegführungsoptionen erweiternden und deshalb besonders destabilisierenden Waffensysteme: a) Raketenabwehrwaffen und Waffen zur U-Boot-Bekämpfung b) weitreichende Marschflugkörper c) für den Nuklearkrieg entwickelte Kommando-, Kontroll- und Kommunikationstechniken d) Anti-Satelliten-Systeme a) Raketenabwehrwaffen und Waffen zur U-Boot-Bekämpfung (ABM-Systeme und „Anti-Submarine Warfare", ASW) Nachdem der ABM-Vertrag und technologische Schwierigkeiten eine Entwicklung von effektiven ABM-Systemen verhindert hatte 71 , sind es heute, wie Lukasik schreibt, neue Aspekte der Nuklearkriegsführung 72 , die die Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Raketenabwehrtechnik vorantreiben. Ein weiterer Grund für die neue Diskussion um die ABM-Techniken sind die Verbesserungen in der Radar- und Computer-Technologie gewesen. Trotzdem scheint bei den auf dem Boden stationierten A B M Systemen das Problem der Blendung durch den EMP-Effekt nicht gelöst worden zu sein 73 . M i t Infrarotsensoren gesteuerte Abwehrsysteme sind heute noch nicht realisierbar, obwohl die Forschungsarbeiten sich auf diesen Bereich konzentrieren 74 . Die i m Weltraum zu stationierenden, mit Laser- oder Strahlenwaffen ausgestatteten Abwehrsysteme unterliegen denselben Realisierungsbedenken wie die Möglichkeit, einer Abwehr von Raketen durch Infrarotsensoren über mehrere tausend Kilometer hinweg. Das angekündigte „ H i g h Frontier"-Programm 7 5 hat deshalb weniger Wirkung wegen seiner technischen Durchführbarkeit erzielt als dadurch, daß nun 71 Die UdSSR haben ABM-Systeme u m Moskau stationiert, vgl. dazu Fahl, S.18/19. 72 Lukasik, S. 182; vgl. auch Heise, S. 401—403. 73 Ibid., S. 183—185. 74 Ibid. 75 s. „ H i g h Frontier" — eine neue nationale Strategie, Ö M Z Heft 6, 1982, S. 539—541; zu den technischen Problemen siehe Tsipis, Directed Energy Weapons, S. 22—33; zur sicherheitspolitischen Bedeutung vgl. auch Heise, S. 404—406.

4 Fischer

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I. Teil: Die technischen u n d militärpolitischen Hintergründe

offiziell ABM-Systemen ein großer Stellenwert bei der Entwicklung von strategischen Waffensystemen eingeräumt wird. A l l e ABM-Systeme bedrohen unabhängig von ihrer Stationierungsweise vom Moment der Stationierung an die strategische Zweitschlagsbalance. I m Stadium der Entwicklung und der Tests steigern sie die politische Verunsicherung. I n dem Maße, i n dem sich die wechselseitige Berechenbarkeit des politischen und militärischen Verhaltens vermindert, vergrößert sich die von den Kriegführungspotentialen ausgehende Gefahr. Die technologischen Entwicklungen bewirken i m Zusammenhang mit den Strategien somit zweierlei. Sie eröffnen einerseits neue militärische Optionen und tragen andererseits zu einem politischen Klimawechsel bei, der Erstschlagsängste schürt und neue Rüstungsanstrengungen m i t sich bringt. Die für die ABM-Systeme geltenden Überlegungen sind ohne Schwierigkeit auf die Waffen zur U-Boot-Bekämpfung übertragbar 76 . Die verbesserte Zielgenauigkeit der SLBM-Systeme hat die von den U Booten abzufeuernden Raketen für „counter force "-Angriffe nutzbar gemacht 77 . Die Gefährlichkeit der SLBMs für die landgestützten Systeme hat zu einer verstärkten Forschungstätigkeit auf dem Gebiet des ASW geführt. Techniken zur weitreichenden Ortung der U-Boote und zu ihrer Bekämpfung über große Entfernungen sind über das Entwicklungsstadium hinaus gediehen und befinden sich i n der Erprobungsphase 78 . Die Ortung und Bekämpfung der U-Boote gefährdet die zur Aufrechterhaltung der Zweitschlagskapazität nötigen Systeme unmittelbar. Sollte es bei den akustischen Ortungssystemen zu einem Durchbruch kommen 79 , wäre nicht nur ein wesentlicher Grundpfeiler der atomaren Abschreckung bedroht, sondern das ganze Abschreckungssystem wäre i n Frage gestellt. AWS-Systeme wirken für das A b schreckungssystem i n höchstem Maße destabilisierend. b) Weitreichende Marschflugkörper (Long Range Cruise Missiles) I m Gegensatz zu den oben angesprochenen Waffensystemen liegen die Schwierigkeiten m i t den „cruise missiles" nicht in der direkten Bedrohung der atomaren Abschreckung. Wie K r e l l bemerkt, werden die „cruise missiles" von einigen Militär expert en als „reserve force in 76

Bertram, New Technology and Deterrence, S. 244. L u k a s i k spricht von einer besonderen F u n k t i o n der U-Boote i n einem „Abnutzungskrieg", Lukasik, S. 180; ein zur Einschränkung der S L B M - Z i e l genauigkeit notwendiges Teststopabkommen scheiterte i m S A L T I I - V e r f a h ren an dem mangelnden W i l l e n der Supermächte, Talbott, S. 161—163. 78 F ü r einen Überblick über die neuesten Möglichkeiten der U - B o o t - O r t u n g u n d U-Boot-Bekämpfung s. The Economist, M a y 21. 1983. 79 Vgl. dazu Lukasik, S. 180. 77

Β . Die Nuklearwaffe i m K o n t e x t von P o l i t i k u n d Strategie

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a protracted nuclear war scenario" angesehen80. I n diesem Sinne w i r d ihnen nicht nur eine destabilisierende Funktion i m Frieden zukommen, sondern sie werden mit ihrer hohen Treffergenauigkeit und großen Eindringfähigkeit 8 1 als land-, luft- oder seegestützte Nuklearwaffen zu einer Ausweitung und Intensivierung eines TNW-Austauschs beitragen. Der eigentliche destabilisierende Effekt der „cruise missiles" liegt i n den mit ihnen verbundenen Verifikationsproblemen. Es scheint kaum möglich, die durch die Größe des Systems und ihre Stationierungsmöglichkeiten bedingten Verifikationsschwierigkeiten technisch oder politisch zu lösen. M i t den „long range cruise missiles" w i r d eine Entwicklung eingeleitet, die an die Einführung der MIRV-Technologie anknüpft und zu einer Erweiterung der nuklearen Kapazitäten führt 8 2 . c) Überlebensfähige Kommando-, Kontrollund Kommunikationstechniken (C 3 -Systeme) Die Stellung der C 3 -Systeme i m Rahmen der Abschreckung ist von General Scowcroft so beschrieben worden: "Let's look at a strategic nuclear conflict. I t h i n k , i n terms of C 3 , we ought to look at its three m a j o r components: preattack, transattack and postattack . . . The requirements for communications are important i n a l l those phases, but they are different." 8 3

Nach dieser Aussage w i r d der Nuklearkrieg wie jeder konventionelle Krieg ein langer, andauernder K o n f l i k t sein, für dessen Führung es notwendig ist, Kontakte sowohl zu den einzelnen Befehlszentralen als auch zu den Waffensystemen aufrecht zu erhalten 84 . Obwohl C 3 -Systemen i n der „preattack"-Phase eine wichtige Funktion bei der Bewältigung nuklearer Krisen zukommen kann, liegt, wie die Bezeichnung „überlebensfähig" dokumentiert, ihre Hauptfunktion i n der Steuerung von Angriffen während eines Nuklearkrieges. Diese Fähigkeit ist neben der Verfügbarkeit über geeignete Waffen eine der Voraussetzungen von Kriegführungsoptionen. Die C 3 -Systeme wirken aber nicht erst i m Krieg. Die Fähigkeit, auch unter den Bedingungen eines Nuklearkrieges Kontroll- und Kommandofunktionen ausüben zu können, mag eine Regierung dazu bewegen, i n den C 3 -Systemen eine Möglichkeit der generellen Kontrollierbarkeit von Nuklearkriegen zu sehen. I n einer so determinierten Krisensituation könnte eher der 80

K r e l l , Neue Technologien u n d Rüstungskontrolle, S. 55. Lukasik, S. 198; s. auch Krell, Das militärische Kräfteverhältnis bei den nuklearstrategischen Waffen, S. 135. 82 K r e l l , Neue Technologien und Rüstungskontrolle, S. 55. 83 Z i t i e r t i n Zacharias/Gordon/Davis, S. 8. 84 Lukasik, S. 187. 81

4*

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I. Teil: Die technischen u n d militärpolitischen Hintergründe

Weg des Waffeneinsatzes gewählt werden, als i n den Fällen, i n denen geringe Kontrollfähigkeiten eine automatische und totale Eskalation des Krieges wahrscheinlich machen. d) Anti-Satelliten Systeme (ASAT) Die Aufrechterhaltung der eigenen Kommunikationsstränge i m nuklearen K o n f l i k t ist nur ein Aspekt der mit der Kommunikationsstruktur zusammenhängenden Probleme. Die Abhängigkeit der Supermächte von der Satellitenaufklärung und Satellitensteuerung ihrer Waffensysteme 85 macht alle der Kommunikation dienenden Objekte zu einem Angriffsziel erster Ordnung. Sowohl i n den Vereinigten Staaten als auch i n der Sowjetunion sind Systeme erfolgreich getestet worden, die als boden- und luftstationierte oder i m Weltraum i n Umlaufbahn gebrachte Waffen gegnerische Satelliten zerstören 86 . Während der Ausbau der C 8 -Systeme die Grundlage für die eigenen Kriegführungsoptionen bildet, nehmen die ASAT-Systeme dem Gegner jede Möglichkeit, kontrollierte Aktionen über einen längeren Zeitraum durchzuführen. Der Einbau von ASAT-Waffen i n die Nuklearstrategien verstärkt damit das durch die C 3 -Systeme erzeugte Gefühl der alleinigen Kontrollfähigkeit eines nuklearen Schlagabtausches. Die Entwicklung von Satellitenabwehrsystemen dient dem Ausbau von Kriegführungsoptionen und ist so i n höchstem Maße destabilisierend. Dieser Effekt w i r d dadurch gesteigert, daß die den Frieden sichernden Frühwarnsysteme bedroht sind. Die Zerstörung der Überwachungs- und Frühwarnkapazitäten des Gegners eröffnet die Möglichkeit von erfolgreichen Erstschlägen. Diese Option w i r k t i n höchstem Maße verunsichernd auf das System der nuklearen Abschreckung i n seiner heutigen Form und fördert den Rüstungswettlauf i n allen mit den ICBMs zusammenhängenden Bereichen. 4. Die neuen Zielvorstellungen von Rüstungskontrolle und die Beschaffungsprogramme a) Die Umorientierung der Rüstungskontrolle Seit der Nichtratifizierung des SALT II-Abkommens sind die Rüstungskontrollbemühungen der Kernwaffenstaaten ins Stocken geraten. 85

Jasani/Stoltenberg-Hansen, S. 298; vgl. auch Jasani/Lee, S. 29—48. Das amerikanische ASAT-System arbeitet von einer hochfliegenden F 15 aus, während das sowjetische System eine Umlaufbahn einschlägt u n d aus dieser Position Satelliten bekämpft. Die bodengestützten Lasersysteme arbeiten noch nicht zuverlässig; vgl. zu den neuesten technischen Entwicklungen, Jasani/Lee, S. I f f . ; Lukasik, S. 194—196; zur Geschichte der AS A T - W a f f e n s. Jasani/Lee, S. 58—70. 86

Β . Die Nuklear waff e i m K o n t e x t von P o l i t i k u n d Strategie

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Die Fortführung des SALT-Prozesses i n den Genfer START-Verhandlungen hat bis zum heutigen Tage keine Erfolge gezeigt 87 . Die Unfähigkeit der Supermächte, sich ζ. Z. auf dem Rüstungskontrollsektor zu verständigen, hat auch zur Unterbrechung der Genfer INF-Verhandlungen geführt 88 . Selbst auf dem Nebengebiet der Teststopverträge sind keine Fortschritte gemacht worden. Ein umfassendes Teststopabkommen ist ebensowenig i n Sicht, wie die Ratifizierung der bereits bestehenden Abkommen durch Frankreich oder China 89 . Diese Entwicklung ist kein Symptom für eine kurzfristige politische Verstimmung. Sie signalisiert eine Veränderung der wesentlichen Grundsätze der Rüstungskontrollbemühungen, die sich mit dem A b schied von der Idee einer allgemeinen und vollständigen Abrüstung entwickelt hatten 90 . Diese traditionellen Ziele der Rüstungskontrolle lassen sich i n drei Punkten zusammenfassen: „1. Die Wahrscheinlichkeit eines Krieges soll durch Erhöhung der Stabilität vermindert werden. 2. Falls der K r i e g ausbricht, soll eine Schadensbegrenzung erreicht w e r den. 3. Die Kosten zur Aufrechterhaltung des militärischen Potentials sollen gesenkt werden 9 1 ."

R. Burt, der als „Assistant Secretary for European Affairs" i m amerikanischen Außenministeriums die Genfer Gespräche überwachte, hat die neue Einstellung zur Rüstungskontrolle während der Verhandlungen so gekennzeichnet: "The purpose of this whole exercise is m a x i m u m political advantage. It's not arms control we're engaged i n it's alliance management." 9 2

M i t dieser polemischen Aussage w i r d die konsequente Umsetzung der strategischen und technologischen Veränderungen i m Rüstungskontrollbereich dokumentiert.

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s. zum Stellenwert der Rüstungskontrolle i n der Reagan-Administration, Barnaby, Die Z u k u n f t der Rüstungskontrolle, S. 15—21; zur Bedeutung des nationalen Interesses bei Rüstungskontrollverhandlungen s. Barton, S. 87— 104. 88 Z u den Hintergründen s. Yost, S. 627—638; Wettig, Das Scheitern der INF-Verhandlungen i n Genf, S. 127—144. 89 s. zur Entwicklung der Verhandlungen Goldblat, Nuclear Explosions, S. 432, 433. 90 Z u r Analyse des letzten Versuchs, eine allgemeine u n d vollständige Abrüstung zu erreichen s. Ipsen, Die amerikanischen u n d sowjetischen A b rüstungsvorschläge 1962/1963, S. 478—509. 91 Vgl. Bertram, Arms Control and Technological Change, S. 157. 92 Time Magazine, No. 49, 5. Dezember 1983, S. 21.

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I. Teil: Die technischen u n d militärpolitischen Hintergründe

Anders als die von Bertram 9 3 und von Graf Baudissin 94 entworfenen Pläne zur Stärkung der Effektivität der Rüstungskontrolle werden i m neuen Rüstungskontrollkonzept Grundpfeiler der Rüstungskontrolle angetastet. Einige der zentralen Punkte aus der Analyse von Burt über „Verteidigungsfähigkeit und Verhandlungen über militärische Sicherheit" 9 5 können dies illustrieren. Eines der wichtigsten M i t t e l zur Erhaltung der Stabilität zwischen den Supermächten ist der ABM-Vertrag von 1972 gewesen. Er hat den Rüstungswettlauf auf dem Gebiet der strategisch destabilisierenden und kostspieligen ABM-Systeme beendet und die Verifikation der Vereinbarung durch Beobachtungssatelliten legalisiert. I m umstrukturierten Rüstungskontrollkonzept soll das ABM-Abkommen revidiert werden, „ u m die Errichtung von Raketenstellungen zum Schutz gehärteter Ziele zu erleichtern" 96 . Der Ausbau von ABM-Stellungen ist mit der Gefährdung der gegenwärtigen Abschreckung eine destabilisierende Maßnahme allerersten Ranges. Die Aufgabe der gemeinsamen Grundsätze aus den Verhandlungen der 70er Jahre zeigt, daß Rüstungskontrolle nicht mehr als Möglichkeit der Stabilitätserzeugung begriffen wird, sondern als Option, die eigene technische Überlegenheit auf Jahre hinaus festzuschreiben 97 . Diese Dimension des neuen Systems w i r d besonders dadurch deutlich, daß einige Entwicklungen ganz aus dem Rüstungskontrollprozeß herausgenommen werden sollen, obwohl sie i n höchstem Grade stabilitätsvermindernd wirken und i m Kriegsfall den Schadensumfang erweitern helfen 98 . So soll das ASAT-System, das den Gegner durch die Zerstörung der für die Raketensteuerung notwendigen 93 Bertram schlägt vor, die Rüstungskontrolle nicht mehr an den Waffen sondern an ihrer „ m i l i t a r y mission" auszurichten, Bertram, A r m s Control and Technological Change, S. 168 ff. 94 Das Konzept von Graf Baudissin beruht auf einer präventiven A r t k o operativer Rüstungssteuerung. Gefährliche Waffenentwicklungen sollen bereits vor Produktionsbeginn offengelegt u n d zur Verhandlung gestellt w e r den, von Baudissin, Bemerkungen zur Sicherheitspolitischen Diskussion, Vortrag vor der SAIS, The John Hopkins University, 4.—8. A p r i l 1983, S. 18. Der Begriff der kooperativen Rüstungssteuerung ist von Graf Baudissin zu Beginn der 70er Jahre i n die sicherheitspolitische Diskussion eingeführt worden, von Baudissin, Grenzen u n d Möglichkeiten militärischer Bündnissysteme, E A 1970, S. 5 A n m . 4; zu einem v ö l l i g anderen Ansatz zur E f f e k t i v i tät von Rüstungskontrolle vgl. Johansen, S. 271—288, insbes. 274—277. 95 Burt, S. 352—374. 06 Vgl. ibid., S. 367; vgl. auch die kritischen Anmerkungen von Ruina zum A B M - V e r t r a g , Ruina, S. 444. 97 Colin S. Gray, der M i t g l i e d des „General Advisory Committee on A r m s Control of the US A r m s Control and Disarmament Agency" ist, hat die Thesen Burts weitestgehend unterstützt, vgl. Gray, Deterrence, Arms Control and the Defense Transition, S. 227—240. 98 B u r t : „ U n k l u g wäre es, das Testen von ASAT-Systemen unterbinden zu w o l l e n . . . , zumal die Vereinigten Staaten auf diesem Gebiet eine klare technologische Überlegenheit besitzen", S. 368.

Β . Die Nuklear w a f f e i m K o n t e x t von P o l i t i k u n d Strategie

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Satelliten der Steuerungsmöglichkeit seiner interkontinentalen Waffen beraubt, i n Zukunft nicht verhandelt werden". Die Umorientierung w i r d auch den Inhalt der Rüstungskontrollgespräche für bestimmte geographische Bereiche betreffen. TNF-Verhandlungen sollen i n Zukunft nicht mehr unter Abschreckungs- und Gleichgewichtsgesichtspunkten geführt werden: „Eskalationskontrolle u n d Gefechtsmanagement rücken mehr i n den M i t t e l p u n k t des Interesses u n d diese beiden Faktoren sollten daher auch i n E n t scheidungen über Größe u n d Zusammensetzung der T N F entscheidendes Gewicht haben 1 0 0 ."

Wie die Beispiele zeigen, werden von der Umstrukturierung i m Sinne Burts radikal alle Bereiche der Rüstungskontrolle erfaßt. Bereits abgeschlossene Verträge sollen revidiert, laufende Verhandlungen i n ihren Zielvorstellungen verändert und neue Rüstungskontrollansätze verhindert werden. b) Das neue Konzept i n der amerikanischen Politik Wer die Ausführungen Burts als die Meinung eines Einzelnen abwerten w i l l , übersieht, in welchem Maße seine Vorstellungen bereits i n die Tagespolitik der Vereinigten Staaten eingeflossen sind. Sowohl der Verteidigungsbericht des Verteidigungsministers Weinberger als auch der Bericht der Scowcroft-Kommission beinhalten wesentliche Elemente der von Burt angesprochenen Veränderungen i n der Rüstungskontrollpolitik. I n dem i m Februar 1983 veröffentlichten Jahresbericht des Verteidigungsministers w i r d der Entwicklung eines modernen und hochwirksamen Abwehrsystems gegen ballistische Flugkörper absolute Priorität eingeräumt. Dabei handelt es sich nicht um die vom ABM-Vertrag nicht erfaßten, i m Weltraum zu stationierenden Laserabwehrsysteme, sondern um ein selbständiges, unter dem Oberbegriff „Abwehr ballistischer Flugkörper" angelegtes Programm. Für die Weltraumverteidigung sind mehrere Programme vorgesehen, die der Erforschung der Abwehrsysteme i m Weltraum und der Schaffung eines Satellitenabwehr-Potentials nach dem Muster des ASAT-Systems dienen. Darüber hinaus soll die Abwehr auch durch Zerstörung feindlicher Satelliten aus der L u f t mit der Entwicklung eines von Flugzeugen aus einsetzbaren Miniatur99

Ibid., S. 368. Die sowjetischen u n d amerikanischen Erklärungen über bilaterale Verhandlungen zur Verhinderung der Militarisierung des W e l t raums aus dem Sommer 1984 können nicht darüber hinwegtäuschen, daß die beiderseitigen, grundsätzlichen Positionen zur Rüstungskontrolle w o h l k a u m den erfolgreichen Abschluß von Verhandlungen erlauben w i r d : vgl. dazu Dokumente zu Verhandlungen über Weltraumwaffen E A 1984, S. D 495—500. 100 Ibid., S. 373, eine ähnliche Grundhaltung ist für andere Gebiete, w i e ζ. B. den Indischen Ozean vorgesehen, ibid., S. 368.

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I . T e i l : Die technischen und militärpolitischen Hintergründe

raumfahrzeugs gefördert werden 1 0 1 . Obwohl i n den Ausführungen über die Rüstungskontrolle die traditionellen Ziele von „arms control"Politik betont worden sind 1 0 2 , zeigt die Parallelität der von Burt vorgeschlagenen Umorientierungsbereiche und der Programme für die Haushaltsjahre 1984—85, i n welchen destabilisierenden Bereichen Rüstungskontrolle auf absehbare Zeit nicht mehr möglich sein wird. Der Jahresbericht enthält auch an anderer Stelle noch einen wichtigen Hinweis auf die Entwicklung der Rüstungskontrolle und der A b schreckungssysteme. Nachdem i n den öffentlichen Äußerungen der Begriff des „protracted warfare" nicht mehr auftaucht, w i r d zu der Entwicklung von C 3 -Systemen folgendes festgestellt: „Die Regierung Reagan hat daher der Steigerung der Fähigkeit der F ü h rungssysteme unserer strategischen Kräfte, eine längere Serie sowjetischer A n g r i f f e nicht n u r zu überleben, sondern auch ihre grundsätzlichen A u f gaben weiter zu erfüllen, höchste Priorität eingeräumt 1 0 3 ."

Diese Feststellung macht i m Zusammenhang mit den Rüstungsprogrammen der nächsten Jahre deutlich, daß neben der Erhaltung der Abschreckungswirkung der Nuklearpotentiale eindeutig ein Kriegführungspotential geschaffen wird, dessen destabilisierende Faktoren nicht durch Rüstungskontrolle aufgefangen werden sollen. Die Scowcroft-Kommission hat unzweifelhaft eine richtungsweisende Bedeutung für die Modernisierung des ICBM-Programms gehabt 104 . Die Hervorhebung der rüstungskontrollpolitischen Aspekte von ICBM-Modernisierungsprogrammen jeder A r t und der Vorschlag, die M X durch die Midgetman zu ersetzen, kann die Stabilität auf dieser Ebene nur erhöhen 105 . Zu den von Burt angesprochenen Bereichen konnte sich die Kommission wegen ihres eingeschränkten Auftrages nicht äußern. Sie hat jedoch, und dies muß man als destabilisierend bezeichnen, nachdrücklich Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der ABM-Technologie gefordert 106 . Dazu soll auch die Verbesserung der Penetrationsfähigkeit der eigenen ICBMs beim Anflug auf ein feindliches ABM-System gehören 107 . 101 Report of the Secretary of Defense Caspar W. Weinberger to the Congress on the F Y 1984 Budget, F Y 1985 Authorization Request and F Y 1984—88 Defense Programs, v o m 1. 2.1983, EA, D 464. 102 Ibid., D 448, 449. 103 Ibid., D 445. 104 Report of the President's Commission on Strategic Forces (Scowcroft Commission) Washington 6. A p r i l 1983, E A 1983 D 470—480; s. dazu Pordzik, S. 384, 385. 105 Die Herabsetzung der Sprengkopfzahl ist dabei der bedeutendste F a k tor zur Herabsetzung der Erstschlagsgefahr, s. Pordzik, S. 385. 108 Report of the President's Commission on Strategic Forces, E A 1983, D 470. 107 Ibid.; vgl. Loodgard/Blackaby, S. 37, 38.

Β . Die Nuklear waff e i m K o n t e x t von P o l i t i k u n d Strategie

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Die Ausführungen der Scowcroft-Kommission zeigen, daß es zur Zeit i n den USA eine breite Übereinstimmung über die Notwendigkeit eines Ausbaus von ABM-Systemen gibt 1 0 8 . Die anderen destabilisierenden Entwicklungen werden in Regierungsprogramme umgesetzt oder sind der Anknüpfungspunkt großer Forschungsvorhaben. Auf dem Rüstungskontroll- und Beschaffungssektor ist der gleiche Trend festzustellen, wie i n den strategischen Doktrinen. Kriegführungsoptionen beginnen auf Dauer und i n einem gefährlichen Umfang zu einem wesentlichen Teil der nuklearen Gesamtproblematik zu werden 1 0 9 . 5. Die sowjetischen Vorstellungen von Kriegführungsabschreckung I n der Diskussion um die Stationierung von neuen Mittelstreckenraketen i n Europa sind in der sicherheitspolitischen Diskussion die amerikanischen Strategievorstellungen, insbesondere die durch das A i r land Battle-Konzept eingetretenen Veränderungen eingehend gewürdigt worden. A u f eine Untersuchung der sowjetischen Strategie Vorstellungen wurde dagegen weitgehend verzichtet. Dies mag verwundern, da die Sowjetunion mit der schnellen und umfangreichen Stationierung von Raketen des Typs SS 20 die Debatte über die sog. „Nachrüstung" i n Westeuropa erst i n Gang gesetzt hatte. Selbst wenn man jedoch darauf verzichtet, die Kausalverläufe bei der Stationierung von Raketen und Cruise Missiles i n Europa genau zu bestimmen, so hätte eine Bewertung der amerikanischen Haltung auch eine Untersuchung der sowjetischen Aktionen nach sich ziehen müssen. Herman Kahn hat die Wechselwirkung von amerikanischen Überlegungen und sowjetischen Reaktionen wie folgt beschrieben: " I am convinced that whether or not the book is w i d e l y read i n the United States and Europe, i t w i l l be read b y some Russians at least and i t w i l l be taken into account by some Soviet m i l i t a r y planners. Whether this is a 108

s. dazu insbesondere die Stellungnahme von K e r r / K u p p e r m a n , S. 127. Gray: "The United States needs a hard target counterforce capability that enjoys enduring s u r v i v a b i l i t y ; a National Command A u t h o r i t y that is t r u l y survivable . . . , survivable and or reconstitutable overhead surveillance and reconnaissance assests for target identification for controlled and discriminating attack purposes i n the course of w a r ; a survivable attack assessment system; and nuclear and conventional warheads so designed, and so navigated that they w o u l d pose a t r u l y credible threat to the deep underground bunker complexes of the Soviet Leadership and to other very high-value super-hard targets", War Fighting, S. 24; f ü r Harold Brown, V e r teidigungsminister der Vereinigten Staaten von 1977—1981, muß die Rüstungskontrolle vor allem ausgestattet sein „to improve the overall survivability of the nuclear forces on both sides"; vgl. seine Auseinandersetzung m i t den Rüstungskontrollansätzen der USA u n d der UdSSR, Brown/Davis, S. 146— 155. 109

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I. Teil: Die technischen und militärpolitischen Hintergründe

good or a bad thing I can hardly know for it is important that the United States and Russia have certain views i n common about strategic m i l i t a r y problems." 1 1 0

Die Aussage Kahns macht deutlich, daß eine isolierte Betrachtung der Nuklearstrategie nur einer Supermacht weder den tatsächlichen sicherheitspolitischen Interessen der beiden Militärblöcke, noch der Wechselwirkung der von ihnen entwickelten Nuklearstrategien gerecht w i r d 1 1 1 . Eine völkerrechtliche Analyse des Nuklearwaffeneinsatzes, die die militärpolitischen Rahmenbedingungen berücksichtigt, würde deshalb ohne eine Darstellung und Bewertung der wichtigsten Aspekte der sowjetischen Nuklearstrategie ein verfälschtes B i l d der Gesamtproblematik zeigen. Bei der Überprüfung der amerikanischen Nuklearstrategie ist ein wachsender Einfluß der Sieg- und Kriegführungsperspektive festgestellt worden 1 1 2 . Dabei ist die besondere Bedeutung des A i r l a n d BattieKonzepts betont worden, das die Erringung der Initiative auf dem Schlachtfeld zu dem frühstmöglichen Zeitpunkt und den Kampf i n der Tiefe des gegnerischen Raumes als entscheidende Voraussetzung des Sieges postuliert. Dieser Kernaussage des A i r l a n d Βattle-Konzepts ist folgende Feststellung gegenüberzustellen: „Der künftige Weltkrieg w i r d schon gleich bei Kriegsbeginn, buchstäblich i n den ersten Stunden und Minuten, auf Seiten der sowjetischen Streitkräfte und des gesamten sozialistischen Lagers die größten militärischen Anstrengungen erfordern, u m innerhalb kürzester Zeit entscheidende E r folge zu erringen. Diese Forderung der Strategie resultiert daraus, daß bereits die ersten massierten Kernwaffenschläge des Aggressors i m H i n t e r land und bei den Truppen zu Verlusten führen können, die die Bevölkerung und das ganze Land i n eine außerordentlich schwierige Lage versetzen. Daher ist nicht nur ein hoher Grad der Gefechtsbereitschaft der Streitkräfte erforderlich, sondern auch eine besondere Vorbereitung des ganzen Landes auf den Krieg gegen den Aggressor. Ein m i t den oben untersuchten M i t t e l n und Methoden geführter Krieg kann die bisherigen Vorstellungen vom Ablauf eines bewaffneten Kampfes i n einzelnen Phasen oder Stadien völlig über den Haufen werfen. Dabei

deutet alles darauf hin, daß sich die Bedeutung der Anfangsperiode Krieges außerordentlich erhöhen wird.

des

Die i m Frieden angehäuften Vorräte an Kernwaffen und ihren Trägern können von den kriegführenden Parteien schon i n den ersten Minuten des Krieges zur Zerstörung und Vernichtung der wichtigsten Objekte des Gegners in der ganzen Tiefe seines Territoriums i n vollem Umfang zum Einsatz gebracht werden, um schon bei Kriegsbeginn innerhalb kurzer Zeit

die politischen und militärstrategischen Hauptziele durchzusetzen. Daher wird die Anfangsphase des modernen Raketen- und Kernwaffenkrieges wahrscheinlich die wichtigste und entscheidende Phase sein, die für Verlauf 110 111 112

Kahn, S. I X . Zur Wechselwirkung der Nuklearstrategien s. Hanson, S. 63 ff. s. oben Β I I I .

Β . Die Nuklear waff e i m K o n t e x t von P o l i t i k u n d Strategie

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u n d Ausgang des ganzen Krieges ausschlaggebend ist. Offensichtlich w i r d der bewaffnete K a m p f i n dieser Phase m i t allergrößter E r b i t t e r u n g geführt werden u n d die meisten Zerstörungen verursachen.

Eine der charakteristischen Besonderheiten des zukünftigen Krieges wird seine gewaltige räumliche Ausdehnung sein. Die Entschlossenheit in der politischen u n d militärischen Zielsetzung der Gegner hat zur Folge, daß sich die Auseinandersetzungen nicht auf den Bereich der Gefechtsberührung der Parteien beschränkt, sondern sich i m Grunde auf das gesamte T e r r i t o r i u m der Staaten erstreckt, die den kriegführenden Koalitionen angehören, da beide Parteien bestrebt sein werden, das feindliche H i n t e r land v ö l l i g zu desorganisieren. Der Masseneinsatz der Vernichtungsmittel, ihre hohe strategische Beweglichkeit u n d ihre große Reichweite ermöglichen die Bekämpfung des Gegners auf seinem gesamten T e r r i t o r i u m einschließlich der entlegensten Gebiete 1 1 3 ."

Die der dritten Auflage des militärstrategischen Handbuchs von Sokolowski aus dem Jahre 1969 entnommene Textstelle belegt, daß die Sieg- und Kriegführungsperspektive bereits i n den 60er Jahren ein elementarer Bestandteil der sowjetischen Nuklearstrategie gewesen ist. Hollo way, der die Entwicklung der sowjetischen Militärdoktrin seit dem zweiten Weltkrieg untersucht hat, beschreibt die Einstellung sowjetischer Militärs zum Nuklearkrieg i n den 50er und 60er Jahren m i t den Worten: "Whatever their disagreements about force structure, the different school of thoughts i n the A r m e d Forces agreed that the problem they had to solve was how to wage and w i n a nuclear w a r . " 1 1 4

Über die Formulierung der strategischen Zielvorstellungen hinaus sind die Nuklearwaffen zu einem integralen Bestandteil der Offensivplanung der sowjetischen Militärdoktrin geworden. So diskutiert Sidorenko in seinem Buch „The Offensive" die Charakteristika der Offensive i m Nuklearkrieg unter ausdrücklicher Einbeziehung des offensiven Nuklearwaffeneinsatzes als M i t t e l zur Erringung des Sieges 115 . Seine Ausführungen über die Voraussetzungen, Angriffsziele und taktischen Zielvorgaben des Nuklearwaffeneinsatzes orientieren sich nicht am Abschreckungseffekt der nuklearen Kapazitäten 116 . Sie dokumentieren vielmehr das sowjetische Bestreben, die Nuklearwaffen als Kriegführungsinstrumente zu begreifen und nutzbar zu machen. Das Kriegführungselement der sowjetischen Militärstrategie ist i m westlichen Schrifttum vornehmlich i m Zusammenhang mit der These sowjetischer Militärs und Politiker vom Automatismus des „globalen 113

Sokolowski, S. 289 ; Unterstreichungen durch den Verfasser. Holloway, S. 40; s. dazu auch Douglass/Hoeber, S. 10 m. w. N.; McNamara, S. 66. 115 Sidorenko, S. 57—64. 11β Ibid., s. insbes. S. 109—132; vgl. Douglass/Hoeber, S. 72—88; Martin, S. 882—888. 114

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I. Teil: Die technischen u n d militärpolitischen Hintergründe

Nuklearkriegs" beurteilt worden 1 1 7 . Dieser Ansatz und die fehlenden sowjetischen Aussagen zu „concepts like controlled response and restrained nuclear targeting" 1 1 8 haben zu einer Unterbewertung des Kriegführungselementes geführt 1 1 9 . Erickson, der die Entwicklung und Vorhaltung von sowjetischen „ w a r fighting capabilities" und die Umsetzung von Prinzipien wie „speed, surprise, shock, firepower and winning of the initiative" auf die sowjetische Auffassung der nuklearen Abschreckung zurückführt 1 2 0 , übersieht, wie die Studie Sidorenkos beweist, daß die Kriegführung m i t nuklearen M i t t e l n ein eigenständiges Strategieelement der sowjetischen Militärdoktrin ist. Den schwerwiegendsten Beweis für die hier vertretene These von der Bedeutung der Kriegführungsabschreckung liefert der Verlauf der Stationierungsmaßnahmen der UdSSR seit Mitte der 70er Jahre. M i t der Produktion und Stationierung von mehr als 350 Raketen des Typs SS 20 und der Verlegung der Kurzstreckensysteme SS 21, SS 22 und SS 23 i n den mitteleuropäischen Bereich werden die Optionen abgedeckt, die Sidorenko i n seiner Studie der offensiven nuklearen Kriegführung zur Erringung des Sieges für notwendig erachtet 121 . Die Beweiskraft der Stationierungsmaßnahmen kann auch nicht damit geleugnet werden, daß der Sowjetunion eine Kriegführungskonzeption i m amerikanischen Sinne fehlt 1 2 2 . Unterstellt man einmal, daß die theoretischen Überlegungen zur nuklearen Kriegführungsabschreckung i n der Sowjetunion tatsächlich nicht den Standard der amerikanischen Überlegungen erreicht haben, so kann dies nur ein unterschiedliches Grundverständnis von der Bedeutung und Wertigkeit konzeptioneller Vorstellungen dokumentieren. Die Bedeutung der Konzeption an sich w i r d dadurch nicht i n Frage gestellt. Von sowjetischer Seite aus ist i n der Nachrüstungsdebatte die westliche Bewertung der eigenen Nuklearstrategie zurückgewiesen worden. Sowjetische Militärs haben darauf hingewiesen, daß eine Beurteilung der aktuellen sowjetischen Sicherheitspolitik nicht auf der Grundlage der militärtheoretischen Literatur der 60er Jahre erfolgen dürfe 1 2 8 . Von sowjetischen Politikern ist dagegen i n den letzten Jahren versucht worden eine veränderte Einstellung zum Problem der Gewinn117

s. Kolkowicz, S. 311 f f m. w. N. Ibid. 119 Vgl. K r e l l , Das militärische Kräfteverhältnis bei den nuklearstrategischen Waffen, S. 158. 120 Erickson, S. 247. 121 Sidorenko, S. 109—132. 122 Vgl. die sowjetische K r i t i k an westlichen Strategievorstellungen K o l kowicz, S. 311 ff. m. w. N. 123 s. dazu die Nachweise bei Lange, S. 179. 118

Β . Die Nuklear w a f f e i m K o n t e x t von P o l i t i k u n d Strategie

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barkeit eines Nuklearkriegs glaubhaft zu machen. So hat i m Jahre 1981 der damalige Staats- und Parteichef Breschnew festgestellt: " . . . i t is dangerous madness to t r y to defeat each other i n an arms race, to count on victory i n a nuclear w a r . " 1 2 4

I m westlichen Schrifttum sind die Äußerungen aus dem Staats- und Parteiapparat durchaus als Zeichen einer veränderten Einstellung gewertet worden 1 2 5 . Dagegen sprechen nicht nur die bereits bei der Untersuchung der Stellungnahmen amerikanischer Politiker formulierten Bedenken 120 . I n der sowjetischen Literatur zu sicherheitspolitischen Fragen gibt es eine Reihe von Äußerungen, die eine Kontinuität der sowjetischen Nuklearstrategie belegen. Diese Aussagen stammen aus den Jahren der Nachrüstungsdebatte. Die entkräften dadurch das Argument, es gäbe keine aktuellen und damit verwertbaren Aussagen zur sowjetischen Nuklearstrategie. I m siebten Band der 1979 erschienenen sowjetischen M i l i t ä r enzyklopädie schreibt Marschall Ogarkov: „Die sowjetische Militärstrategie basiert auf der Realität, daß, sollte man der USR einen Nuklearkrieg auf zwingen, das Sowjetvolk u n d seine Streitkräfte auf die härtesten u n d am längsten anhaltenden Belastungen v o r bereitet sein müssen. I n dieser Hinsicht haben die USR u n d brüderliche sozialistische Staaten — i m Vergleich zu den imperialistischen Staaten — gewisse Vorteile, die sich aus den gerechten Kriegszielen u n d der fortentwickelten N a t u r ihres sozialen Staatssystems ergeben. Das verschafft ihnen objektive Möglichkeiten, den Sieg zu erzwingen. U m jedoch diese Möglichkeiten zu v e r w i r k l i c h e n bedarf es rechtzeitiger u n d umfassender Vorbereitung des Landes u n d der Streitkräfte 1 2 7 ."

Die Feststellung Ogarkovs und andere gleichlautende Erklärungen desselben und anderer Autoren 1 2 8 knüpft an die Aussagen Sokolowskis zur Führbarkeit und Gewinnbarkeit eines Nuklearkriegs an. Sieht man die jüngsten Aussagen i m Zusammenhang m i t der Stationierung von Raketen mittlerer und kurzer Reichweite, so muß man feststellen, daß die nukleare Kriegführung als M i t t e l zur Erringung des Sieges nichts von ihrer Bedeutung i n der sowjetischen Militärstrategie eingebüßt hat 1 2 9 . 124 Z i t i e r t bei Strode/Strode, S. 91, s. dort die weiteren Nachweise i n Fußn. 2 u n d 5; vgl. die östlichen Erklärungen zu Fragen der Rüstungskontrolle und Sicherheit, E A 1983, D 493—514. 125 McNamara, S. 66; Holloway, S. 55. 126 s. oben Β I I 4; vgl. Lange, S. 184, 185. 127 Sowjetische Militär-Enzyklopädie, S. 558; s. Holloway, S. 54; Unterstreichungen durch den Verfasser. 128 s. dazu die Nachweise bei Strode /Strode, S. 92. 129 s. dazu die Ausführungen über die nukleare Zielplanung der Sowjetunion bei Douglass/Hoeber, S. 72—88; vgl. die Stellungnahme Ericksons zur sowjetischen Auffassung eines „protracted nuclear w a r " , Erickson, S. 246.

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I. Teil: Die technischen u n d militärpolitischen Hintergründe

Vor dem Hintergrund der Kontinuität der sowjetischen Militärstrategie können die oben besprochenen 130 Entwicklungen der amerikanischen Strategie nicht als völlig neu und bisher unbekannt angesehen werden. Die amerikanischen Pläne sind nur ein Zeichen für die zunehmende Konvergenz der Nuklearstrategien der Supermächte 131 .

C. Die Schlußfolgerungen aus der waffentechnischen und strategischen Entwicklung Seit den 50er Jahren hat die Bedeutung der Waffentechnologie und der Nuklearstrategien für das System der gegenseitigen Abschreckung stetig zugenommen. Die jahrelang als reine Abschreckung^ waffe verstandene Atomwaffe entwickelt sich in zunehmendem Maße zu einem Kriegführungsinstrument. Die Verbesserung der Zielgenauigkeit der Trägersysteme und die neu angelaufene Entwicklung von ABM-Systemen lassen einen erfolgreichen „Erstschlag" auf das gegnerische Territorium in nicht allzu ferner Zukunft als realistisch erscheinen. Die strategischen Konzepte über die Kontrollierbarkeit und Gewinnbarkeit eines Nuklearkrieges erweitern darüber hinaus den Bereich der Situationen, für den ein Einsatz von Nuklearwaffen vorstellbar wird. Die Staatengemeinschaft ist nicht i n der Lage gewesen, die destabilisierenden Entwicklungen durch Rüstungskontrollmaßnahmen aufzufangen. M i t der Abänderung der Zielvorstellungen des Rüstungskontrollregimes ist eher der gegenteilige Effekt eingetreten. Rüstungskontrolle w i r d i n der Zukunft die technologische Eigendynamik der Rüstung nicht hemmen, sondern eher fördern. Die besondere Gefährlichkeit aller dieser Entwicklungen liegt i n ihren negativen Auswirkungen auf die politische Beherrschbarkeit von Krisen. M i t der Entwicklung und Stationierung neuer Waffensysteme sind „Präemptionszwänge" verbunden, die den militärischen Sachzwängen einen zunehmenden Einfluß bei politischen Entscheidungen i n Krisensituationen geben können. Das angewachsene Spektrum nuklearer Einsatzmöglichkeiten verlangt nach einer Überprüfung der rechtlichen Grundlagen des Einsatzes von Kernwaffen. Besondere Beachtung ist dabei den völkerrechtlichen Verträgen zu schenken, aus denen sich Einsatzrestriktionen ergeben können und deren aktuelle Diskussion i m nationalen und internationalen Bereich das Problem der rechtlichen Regelung des Nuklearwaffeneinsatzes erneut ins politische Bewußtsein gerückt hat. 130

s. oben Β I I I . Vgl. Hanson zur These von der „reverse convergence", Hanson, S. 63—83; Afheldt, S. 29. 131

Zweiter

Teil

D i e völkerrechtliche Analyse des A r t . 5 1 Einführung

Die Herleitung eines Nuklearwafleneinsatzverbotes aus völkerrechtlichen Verträgen und gewohnheitsrechtlichen Normen A . D i e H e r l e i t u n g eines N u k l e a r w a f f e n einsatzverbotes aus völkerrechtlichen V e r t r ä g e n

Die Diskussion über die Illegalität der Nuklearwaffen ist nach der ersten Atombombenexplosion vornehmlich unter dem Gesichtspunkt bereits existierender Verträge geführt worden. Zur Begründung eines Verbotes ist auf folgende Verträge zurückgegriffen worden: — die Erklärung von St. Petersburg von 1868, — die Haager Landkriegsordnung von 1907, — das Genfer Giftgasprotokoll von 1925, — die Völkermordkonvention von 1948. Die Anwendung der vor der Entwicklung der Nuklearwaffe abgeschlossenen Verträge macht Analogien erforderlich, deren Berechtigung i m Schrifttum umstritten geblieben ist 1 . I m Hinblick auf A r t . 23 der Haager Landkriegsordnung ist diskutiert worden, ob die Radioaktivität als „ G i f t " i m Sinne von Art. 23 angesehen werden könne 2 . Eine ähnliche Frage stellt sich bei dem Genfer Giftgasprotokoll. Es blieb für lange Zeit umstritten, inwieweit die Radioaktivität eine chemische Struktur habe, die eine Anwendung des Protokolls auf die Nuklearwaffen erlaube 3 . 1 Vgl. die Zusammenstellung der Argumente bei Menzel, Atomwaffen u n d völkerrechtliches Kriegsrecht, S. 148—229; Bright, S. 1—35; F a l k / M e y r o w i t z / Sanderson, S. 558—575; Rauschning, Nuclear Warfare, S. 45—50. 2 s. dazu insbesondere Menzel, ibid., S. 165, 166; Bright, S. 17, 19. 8 Vgl. Menzel, Atomwaffen u n d völkerrechtliches Kriegsrecht, S. 167—169 m. w. N.

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I I . Teil, Einführung: Verträge u n d Gewohnheitsrecht

Obwohl die überwiegende Anzahl der Völkerrechtler zumindest einige der Vertragsvorschriften für anwendbar hielt, haben die Argumente i n der internationalen Staatengemeinschaft nur eine unwesentliche W i r kung erzeugt 4 . Keine Unterstützung auf Regierungsebene fand auch der vom I K R K 1957 auf der New Delhi-Konferenz vorgelegte Entwurf „Draft Rules for the Limitation of the Dangers incurred by the Civilian Population i n Time of War". Die vorbereitenden Arbeiten für den Entwurf begannen 1954 durch eine Expertengruppe, die sich zum ersten M a l kurz nach der Explosion der ersten Wasserstoffbombe traf 5 . Die von der neuen Entwicklung auf dem Gebiet der Kernwaffen beeindruckten Wissenschaftler regten an, i n den Entwurf ein Einsatzverbot für Kernwaffen aufzunehmen®. Die von den verschiedenen nationalen Rot Kreuz-Organisationen begutachteten Zwischenentwürfe enthielten jeweils ein Einsatzverbot, das i n der endgültigen Fassung wie folgt lautete: " A r t . 14 — Prohibited methods of warfare. W i t h o u t prejudice to the present or future prohibition of certain specific weapons, the use is prohibited of weapons whose h a r m f u l effects — resulting i n particular f r o m the dissemination of incendiary, chemical, bacteriological, radioactive or other agents — could spread to an unforeseen degree or escape, either i n space or i n time, from the control of those who employ them, thus endangering the c i v i l i a n population." 7

Die Umsetzung der sog. Delhi-Regeln i n eine internationale Konvention hätte durch den Art. 14 ein weitgehendes Einsatzverbot für die Nuklearwaffen mit sich gebracht 8 . Die Entscheidung der Rot KreuzKonferenz i n New Delhi, die Draft Rules für weitere Erwägungen an die Regierungen weiterzuleiten, konnte, wie Baxter schreibt: „ . . . be understood to be a form of burial" 9 . I n der Tat ist erst Mitte der sechziger Jahre auf der Rot Kreuz-Konferenz i n Wien erneut versucht worden, den Nuklearwaffeneinsatz rechtlichen Regelungen zu unterwerfen 10 , ohne auch i n diesem Zeitraum politisch wirksam werden zu können. 4

Falk/Meyrowitz/Sanderson, S. 542—545. I K R K , Draft Rules for the L i m i t a t i o n of the Dangers incurred by the Civilian Population i n Time of War, S. 21. 6 " . . . the meeting having taken place shortly after the hydrogen bomb experiment, the Experts faced w i t h the t e r r i f y i n g developments i n weapons of mass destruction, felt that attempts to produce a code of rules w o u l d be a l l the more effective i f States w o u l d agree to renounce the use of such weapons", ibid., S. 22. 7 Ibid., S. 101. 8 s. Fleck, S. 116. 9 Baxter, H u m a n i t a r i a n L a w or H u m a n i t a r i a n Politics?, S. 3. 10 Vgl. Best, S. 316, 317. 5

Β . Das Verbot des „indiscriminate attack"

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Ohne Einfluß auf die politischen Entscheidungen blieb auch die Resolution des Institut de Droit International aus dem Jahre 1969. Die mit großer Mehrheit auf der Edinburgh Session angenommene Resolution lautet i n Abs. 7: "Existing international l a w prohibits the use of a l l weapons which, by their nature, affect indiscriminately both m i l i t a r y objectives and n o n - m i l i t a r y objects, or both armed forces and c i v i l i a n populations. I n particular, i t prohibits the use of weapons the destructive effect of which is so great that i t cannot be l i m i t e d to specific m i l i t a r y objectives or is otherwise uncontrollable (self-generating weapons), as w e l l as of " b l i n d " weapons." 1 1

Obwohl die Resolution nicht ausdrücklich auf die Nuklearwaffen Bezug nahm, war i n der Diskussion auf die Einbeziehung dieser Waffen i n den Bereich der Resolution hingewiesen worden 12 . Einige der Kommissionsmitglieder kritisierten allerdings, daß die Nuklearwaffen nicht unter allen Umständen als Massenvernichtungswaffen bezeichnet werden könnten und daß das Völkerrecht den Gebrauch dieser Waffen nicht verbiete 13 . Trotz der zahlreichen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen zur Widerrechtlichkeit des Nuklearwaffeneinsatzes 14 ist es bis heute nicht gelungen, ein ausdrückliches Einsatzverbot vertraglich zu fixieren. B. Das Verbot des „indiscriminate attack" I. Das Unterscheidungsprinzip

Von den gewohnheitsrechtlichen Normen und Prinzipien, aus denen sich ein Einsatzverbot für Nuklearwaffen herleiten läßt, interessiert i m Hinblick auf das Untersuchungsziel das auf dem Unterscheidungsprinzip aufbauende Verbot des „indiscriminate attack". Bis weit i n die Neuzeit hinein war die Zivilbevölkerung i n der Stammes·, Volks- und Staatengemeinschaft ein legitimes Angriffs- und Schädigungsobjekt i n bewaffneten Auseinandersetzungen. Kampfhandlungen durften nicht nur gegen die bewaffneten Kräfte des Feindes, sondern auch gegen einzelne nichtkämpfende Zivilisten oder die Z i v i l bevölkerung als solche gerichtet werden. So wurden i n damaligen Konflikten Frauen, Kinder und alte Menschen während und nach 11

A I D I Vol. 53 (1969 II), S. 377. von der Heydte, A I D I Vol. 52 (1967 II), S. 82, 83. 13 Kunz, ibid., S. 124, Chaumont, ibid., S. 229. 14 s. die Zusammenstellung i n A/9215 (Vol. I I ) A n n e x I u n d i n den Resolutionen 33/71-B v o m 14. Dezember 1978 u n d 35/152-D vom 12. Dezember 1980. 12

5 Fischer

I I . Teil, Einführung: Verträge u n d Gewohnheitsrecht

66

Beendigung der Feinseligkeiten getötet, gefoltert oder anderen physischen und psychischen Grausamkeiten ausgesetzt15. Alle Überlegungen, diese A r t der Ausübung militärischer Gewalt zum Schutze bestimmter Personengruppen einzuschränken 1®, zeigten keine Wirkung. Obwohl i n Einzelfällen Restriktionen für die Kampfhandlungen entwickelt und umgesetzt worden waren, blieb die Institutionalisierung eines besonderen und allgemein anerkannten Schutzstatus der Zivilbevölkerung aus. Erst Rousseau entwickelte 1762 die geistesgeschichtliche Grundlage für die Anerkennung einer Sonderstellung der Zivilbevölkerung i m bewaffneten Konflikt. Seine These: „ L a guerre n'est donc point une relation d'État à État, dans laquelle les particuliers ne sont ennemies qu'accidentellement, non point comme hommes, n i même comme citoyens, mais comme soldats; non point comme membre de la patrie, mais comme sa défenseur" 17 , diente m i t der strikten Anbindung des Kriegszustandes an den Staatsverband und dessen Kombattanten als Ausgangspunkt für die Verpflichtung, i m Krieg zwischen den Kämpfenden und militärischen Objekten einerseits und Zivilisten und zivilen Ob-: jekten andererseits zu unterscheiden. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Unterscheidungsprinzip zu einem der fundamentalen Grundsätze des Kriegsrechts 18 . Die A n erkennung des Prinzips als wesentlicher Bestandteil des Konfliktrechts durch die Völkerrechtssubjekte konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die militärische Interessenlage i n der jeweiligen Kampf situation das größte Hindernis für eine tatsächliche Umsetzung der Unterscheidungsverpflichtung sein und bleiben würde. Die zu Ende des 19. Jahrhunderts und zu Beginn dieses Jahrhunderts auf den Ausbau der Kombattantenschutzregelungen 19 fixierte Staatengemeinschaft versäumte es, den dem Unterscheidungsprinzip innewohnenden Widerspruch zwischen humanitärem Anspruch und militärischer Notwendigkeit aufzuklären oder zumindest zu verringern. 15

s. Friedman, S. 3—15, Best, S. 63—67. Best, S. 59 ff. 17 Z i t i e r t bei Best, S. 336 Fn. 41, vgl. die K r i t i k von Best an der Rigidität der These Rousseaus, der er den Ansatz von Vattel entgegenhält. Vattel hatte eine Kategorie v o n „semi-combatants" eingeführt, die die K o m b a t t a n ten bei Kampfhandlungen unterstützen. Best hält diese Kategorisierung i n Kombattanten, Semi-Kombattanten u n d Zivilisten für praktikabler als die strikte Unterscheidung Rousseaus, Best, S. 58—59. 18 Vgl. Obradovic, S. 134—139; Rousseau, S. 81, 82; Rosenblad, International H u m a n i t a r i a n L a w , S. 53, 54; K i m m i n i c h , Schutz der Menschen i n bewaffneten Konflikten, S. 131. 19 s. Best, S. 147. 16

Β . Das Verbot des „indiscriminate attack"

67

I I . Die Bestimmung des Zielobjektes

Die Wirksamkeit des sich aus dem Unterscheidungsprinzip ergebenden Verbots des unterschiedslosen Angriffs hängt i n wesentlichem Maße von der Bestimmung von Abgrenzungskriterien ab. Für die Bewertung der Nuklearkriegsführung sind insbesondere die Versuche der Staatengemeinschaft von Interesse, den Angriff auf bestimmte Ziele zu verbieten 20 . Zum Ausgangspunkt derartiger Überlegungen ist Art. 25 der H L K O gemacht worden, der bestimmt: "The attack or bombardment, by whatever means, of towns, villages . . . which are undefended is prohibited." 2 1

Die Vorschrift geht von dem Begriff des „unverteidigten" Zieles aus, der an die Möglichkeiten der Landkriegsführung des 19. Jahrhunderts anknüpft 2 2 . Eine sorgfältige Interpretation des A r t . 25 H L K O zeigt, daß der räumliche Anwendungsbereich der Norm auf die Orte beschränkt ist, die eine Konfliktpartei kampflos einnehmen kann 2 3 . Dadurch fallen alle Orte nicht i n den Schutzbereich des Artikels, deren räumliche Entfernung von der eigentlichen Kampfzone eine Zugriffsmöglichkeit i m oben genannten Sinne bereits ausschließt 24 . Der Art. 25 der H L K O konnte somit keine Bedeutung für die durch die Luftkriegsführung zunehmende Gefährdung der Zivilbevölkerung gewinnen. Den veränderten militärischen Gegebenheiten ist i n den Haager L u f t kriegsregeln von 192326 dadurch Rechnung getragen, daß i n A r t . 24 nur solche Angriffe als zulässig erachtet werden, die gegen „ m i l i t a r y objectives" gerichtet sind 28 . I n Abs. 2 des Artikels sind zusätzlich die Objekte aufgeführt, die als „military objectives" anzusehen sind. Obwohl die Haager Luftkriegsregeln nicht geltendes Völkerrecht geworden sind, hat der i n A r t . 24 festgelegte Ansatz die Diskussion um die Illegalität von Angriffen bis heute geprägt. Die fehlende Übereinstimmung über die genaue Definition des „military objective" hat die Brauchbarkeit des Begriffs als Abgrenzungskriterium aber stark eingeschränkt 27 . 20 s. Rosenblad, International Humanitarian L a w , S. 66—69; M i r i m a n o f f Chilikine, Protection, S. 649—656. 21 R G B l 1910, S. 107. 22 Rosenblad, International H u m a n i t a r i a n L a w , S. 68. 23 So richtigerweise Ipsen, Offene Stadt, S. 154, 155; vgl. dazu Greenspan, S. 332, 333. 24 Vgl. Rosenblad, International H u m a n i t a r i a n L a w , S. 68. 25 Roberts/ Guelff, S. 121. 20 Z u r Einführung des Begriffs des militärischen Objekts i n A r t . 24 bem e r k t Rousseau: „C'est l'abandon complet de la distinction de 1907 entre les villes ouvertes et les villes défendues", Rousseau, S. 362. 27 s. zur geschichtlichen Entwicklung Adler, S. 304—308; zur Wirksamkeit des Begriffes i n den militärischen K o n f l i k t e n s. B l i x , Area Bombardment, S. 29—43.

5*

68

I I . Teil, Einführung: Verträge u n d Gewohnheitsrecht

I n der Staatenpraxis sind Angriffe grundsätzlich als legitim angesehen worden, solange sie sich gegen militärische Objekte richteten. Positive Auswirkungen für die Ausfüllung des Unterscheidungsprinzips hatte dies nur insoweit, als der direkte Angriff gegen die Zivilbevölkerung als verboten erachtet wurde 2 8 . I I I . Die Begrenzung des Kollateralschadens

Da bei der Durchführung von Angriffen gegen militärische Objekte i n Wohngebieten Kollateralschäden auftreten, war i n A r t . 24 der Haager Luftkriegsregeln ein Absatz eingefügt worden, der bei einer strikten Anwendung den Schutz der Zivilbevölkerung gegen diese Schäden verbessert hätte. Der Abs. 3 von A r t . 24 bestimmt: " T h e bombardment of cities, towns . . . not i n the immediate neighbourhood of the operations of land forces is prohibited."

Diese Bestimmung ist ein Versuch, die Luftkriegsführung auf taktische Operationen zu beschränken. Wie die strategischen Angriffe des zweiten Weltkrieges gezeigt haben, hat die Staatengemeinschaft den in A r t . 24 Abs. 3 kodifizierten Ansatz nicht akzeptiert 29 . Die Behauptung, der Inhalt der Haager Luftkriegsregeln sei Völkergewohnheitsrecht geworden, läßt sich mit dieser Praxis nicht i n Einklang bringen. I m „Einsatzgruppen^'-Fall ist die Rechtslage bezüglich der Angriffe m i t Kollateralschäden durch den Satz charakterisiert worden, die Schäden unter der Zivilbevölkerung seien „an unavoidable corollary of battle action" 30 . Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß es der Internationale M i l i t ä r gerichtshof i n Nürnberg vermieden hat, das Problem der unterschiedslos wirkenden Bombardierung aufzugreifen. Nach dem zweiten Weltkrieg hat sich eine allgemein anerkannte Begrenzung des Kollateralschadens nur durch das Verbot des Terrorbombardements entwickeln können 31 . Für alle anderen Angriffsarten, durch die die Zivilbevölkerung i n Mitleidenschaft gezogen wird, bilden die allgemeinen Prinzipien des Völkerrechts, wie ζ. B. das Proportionalitätsprinzip, die einzige Schranke 32 . Folgt man der Staatenpraxis, hat sich der Nuklearwaffeneinsatz nur an den allgemeinen Prinzipien des humanitären Völkerrechts auszurichten. 28

Adler, S. 298. s. Randelzhofer, Flächenbombardement u n d Völkerrecht, S. 478, 479. 30 Z i t i e r t bei Mallison, S. 336. 31 s. Brown, S. 134. 32 Randelzhofer, Flächenbombardement u n d Völkerrecht, S. 490, 491; vgl. Ipsen, i n : Menzel/Ipsen, Völkerrecht, S. 545, zum Verbot der „blinden" Waffen s. Seidl-Hohenveldern, S. 412; Greenspan, S. 368. 29

Erster Abschnitt

Die Entstehungsgeschichte des Art. 51 A . D i e Regierungsexpertenkonferenzen von 1971 und 1972

I . Der Konferenzverlauf

Das I K R K hatte mit der Erarbeitung der sog. Delhi-Regeln von 1957 ein Beispiel für die Möglichkeiten der rechtlichen Erfassimg des Nuklearwaffeneinsatzes gegeben. Die mangelnde Unterstützung des Entwurfs auf Regierungsebene ließ den i n den Delhi-Regeln entwickelten Ansatz jedoch nicht politisch wirksam werden 1 . Für fast eine Dekade geriet das humanitäre Völkerrecht mit seinen den Waffeneinsatz betreffenden Regelungsmöglichkeiten i n Vergessenheit. Die Nuklearwaffenproblematik schien i n vollem Umfang durch das sich entwickelnde „arms control"-Regime abgedeckt zu sein. Erst Mitte der 60er Jahre gerieten die humanitären Probleme bewaffneter Konflikte erneut i n die internationale Diskussion. Einige UN-Resolutionen und die Berichte des UN-Generalsekretärs zum Thema „Respect for Human Rights i n Armed Conflicts" lenkten die Aufmerksamkeit der Staatengemeinschaft auf die mit dem Ausbau humanitärer Regeln verbundenen Möglichkeiten 2 . Das Rote Kreuz reagierte auf die veränderte politische Situation und forderte i m September 1969 das I K R K i n der Resolution X I I I der X X I . Rot Kreuz-Konferenz i n Istanbul auf, neue Anstrengungen zur Ergänzung des geltenden humanitären Völkerrechts zu unternehmen und dazu Regierungsexperten beratend heranzuziehen. I n der Zeit vom 24. Mai 1971 bis 12. J u n i 1971 fand daraufhin i n Genf die erste vom I K R K einberufene Regierungsexpertenkonferenz zur Neubestätigung und Weiterentwicklung des i n bewaffneten Konflikten anwendbaren humanitären Völkerrechts statt. A n dieser Konferenz 1

Mirimanoff-Chilikine, Protection, S. 622. Vgl. Berichte des UN-Generalsekretärs „Respect for H u m a n Rights i n A r m e d Conflicts", U N G A A/7720 v o m 20.11.1969; A/8052 v o m 18.9.1970; A/8383 v o m 15. 6.1971; A/8781 v o m 20. 9.1972; A/9123 v o m 19. 9.1973; A/9669 v o m 12. 9.1974; A/10195 v o m 5. 9.1975. 2

70

I I . Teil, 1. Abschn.: Die Entstehungsgeschichte von A r t . 51

nahmen über 200 Experten aus 40 Staaten sowie Vertreter der Vereinten Nationen teil 3 . A n der zweiten Regierungsexpertenkonferenz i n Genf vom 3. Mai 1972 bis 3. Juni 1972, zu der wiederum das I K R K eingeladen hatte, beteiligten sich mehr als 450 Experten aus 77 Staaten 4 . Aufbauend auf den Beratungen der ersten Konferenz hatte das I K R K für die zweite Konferenz Protokollentwürfe erstellt. Diese Entwürfe für den internationalen und nichtinternationalen bewaffneten Konflikt dienten der zweiten Regierungsexpertenkonferenz als Diskussionsgrundlage. Die überarbeiteten Ergebnisse der Regierungsexpertenkonferenzen faßte das I K R K in zwei Protokollentwürfen zusammen, die als Zusatzprotokolle zu den Genfer Abkommen von 1949 den Schutz der Opfer i n bewaffneten internationalen und nichtinternationalen Konflikten ergänzen sollten 5 . I I . Die Ergebnisse der Regierungsexpertenkonferenzen

Die Diskussionen auf der ersten Regierungsexpertenkonferenz w u r den vornehmlich unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Zivilbevölkerung gegen besondere Arten von Bombardierungen und gegen spezielle Waffenwirkungen geführt. Die Delegierten sprachen sich dafür aus, Angriffe der i n A r t . 10 der „Delhi Rules" und A r t . 18 der Resolution des Institut de Droit International definierten A r t zu verbieten. Der Rückgriff auf die Formulierungen der „Delhi Rules" und der Resolution des Institutes eröffnete der Konferenz die Möglichkeit, Regeln für Terror- und Flächenbombardierungen sowie „indiscriminate attacks" zu entwickeln®. Die Diskussionen fanden ihren Niederschlag i n dem vom I K R K vorbereiteten Entwurf für die zweite Regierungsexpertenkonferenz.

3 Vgl. Conférence d'experts gouvernementaux sur la réaffirmation et le développement d u droit international humanitaire applicable dans les conflits armés (CE), 24. mai—12. j u i n 1971, Rapport sur les travaux de la Conférence, hrsg. v o m I K R K , Genf 1971; Bothe, Krise der Rotkreuz-Idee?, S. 197; D i p l o matische Konferenz über die Neubestätigung u n d die Weiterentwicklung des humanitären Völkerrechts, i n : RICR, Beilage, Band X X V , Nr. 6, 1974, S. 96 ff. 4 Vgl. CE Second Session, 3. mai—3. j u i n 1972, Rapport sur les travaux de la Conférence, Band I, hrsg. v o m I K R K , Genf 1972; CE, second session, 3. mai—3. j u i n 1972, Textes (I) u n d Commentaires (II), T e i l 1 u n d 2, Documentation présentée par le CICR, Genf 1972. δ D r a f t A d d i t i o n a l Protocols to the Geneva Conventions of August 12, 1949 nebst Commentary, hrsg. v o m I K R K , Genf 1973. β Z u den Diskussionen s. CE-Rapport, S. 115 ff.

Α. Die Regierungsexpertenkonferenzen von 1971 u n d 1972

1. Art. 45 des IKRK-Entwurfs

71

aus dem Jahre 1972

Der I K R K - E n t w u r f aus dem Jahre 1972 enthielt i n seinen ersten drei Absätzen allgemein gehaltene Verbotsnormen für den Angriff gegen die Zivilbevölkerung als solche, das Terrorbombardement und den unterschiedslosen Angriff. Der 5. Absatz schränkte die Bedeutung der Verbote ein, indem er bestimmte: "Toutefois les personnes civiles q u i se trouvent à l'intérieur d'un objectif m i l i t a i r e courent les risques résultant d'une attaque dirigée contre cet objectif." 7

I n dieser Fassung enthält der A r t . 45 i n seinem 4. Abs. das Verbot, Angriffe als Repressalie gegen die Zivilbevölkerung durchzuführen. Von den zu diesem A r t i k e l eingegangenen Änderungsvorschlägen bezog sich die Mehrzahl auf das Problem der Konkretisierung von Art. 458. So wurde für das Verbot des Terrorbombardements eine Neuformulierung vorgeschlagen, die den Begriff „les attaques de terrorisation" durch die Worte „pour seul but de semer la terreur" 9 oder „distinées uniquement à terroriser la population civile" 1 0 ersetzen sollten. Die Mehrheit der Regierungsexperten setzte sich i n schriftlichen Stellungnahmen oder Diskussionsbeiträgen für eine ersatzlose Streichung des Abs. 5 ein. Als Begründung wurde dabei angeführt, diese Vorschrift würde ein unüberwindbares Hindernis für die Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung bedeuten 11 . Neben der Abänderung und Präzisierung des Textes von A r t . 46 befürworteten einige Experten die Aufnahme einer Vorschrift zum Schutze der natürlichen Umwelt 1 2 und eines Evakuierungsverbots für die Z i v i l bevölkerung besetzter Gebiete. 2. Art. 46 des IKRK-Entwurfs

aus dem Jahre 1973

Das I K R K legte i m Jahre 1973 einen neuen Protokollentwurf betreffend den Schutz von Opfern internationaler Konflikte vor, i n dem der A r t . 45 des Entwurfs aus dem Jahre 1972 weiterentwickelt worden war 1 3 . 7

CE-Commentaire Vol. I , S. 149. C E / C O M I I I / P C 6, 29. u n d 50. 9 Frankreich C E / C O M I I I / P C 51. 10 Schweden C E / C O M I I I / P C 83. 11 Ungarn, Tschechoslowakei, C E / C O M I I I / P C 33; Italien C E / C O M I I I / PC 50; Ägypten, Mexico, Schweden, Schweiz, Niederlande C E / C O M I I I / P C 61; Spanien C E / C O M I I I / P C 75. 12 C E / C O M I I I / P C 33. 13 D r a f t A d d i t i o n a l Protocol to the Geneva Conventions of August 12, 1949, Draft, June 1973. 8

72

I I . Teil, 1. Abschn.: Die Entstehungsgeschichte von A r t . 51

Aufgrund der K r i t i k der Regierungsexperten waren insbesondere die Verbote des Terrorbombardements, des Flächenbombardements und des unterschiedslosen Angriffs präzisiert und der Abs. 5, der zu umfangreichen Diskussionen geführt hatte, gestrichen worden. Aufgrund der Änderungsvorschläge der Regierungsexperten war i n das Verbot des Terrorangriffs das Wort „intention" aufgenommen worden. I n die redaktionell verbesserte Fassung des Verbots des „indiscriminate attack" hatte das I K R K eine Bestimmung über das Flächenbombardement aufgenommen. Darüber hinaus war i n Art. 46 ein zweites zusätzliches Beispiel für einen unterschiedslosen Angriff eingeführt worden. Abs. 3 b bestimmte, daß Angriffe mit unverhältnismäßigem Schaden als unterschiedslose Angriffe anzusehen seien. Die Vorschrift über das Repressalienverbot hatte das I K R K i n unveränderter Fassung i n den Protokollentwurf übernommen. M i t A r t . 46 führte das I K R K den mit der ersten Regierungsexpertenkonferenz festgelegten Ansatz fort. Obwohl die i m Juni 1973 vom I K R K vorgelegte Fassung 14 die Ergebnisse der beiden Vorkonferenzen präzisiert hatte, gelang es nicht, i n der Vorschrift den Verbotsumfang der relevanten A r t i k e l der „Delhi Rules" beizubehalten oder auszubauen.

14

A r t i c l e 46

Protection of the civilian population 1. The civilian population as such, as w e l l as i n d i v i d u a l civilians, shall not be made the object of attack. I n particular, methods intended to spread terror among the civilian population are prohibited. 2. Civilians shall enjoy the protection afforded by this A r t i c l e unless and for such time they take a direct part i n hostilities. 3. The employment of means of combat, and any methods which strike or affect indiscriminately the civilian population and combatants, or civilian objects and m i l i t a r y objectives, are prohibited. I n particular i t is forbidden: (a) to attack w i t h o u t distinction, as one single objective, by bombardment or any other method, a zone containing several m i l i t a r y objectives, w h i c h are situated i n populated areas, and are at some distance from each other; (b) to launch attacks w h i c h may be expected to entail incidental losses among the civilian population and cause the destruction of civilian objects to an extent disproportionate to the direct and substantial m i l i t a r y advantage anticipated. 4. Attacks against the civilian population or civilians by w a y of reprisals are prohibited. 5. The presence or movements of the civilian population or i n d i v i d u a l civilians shall not be used for m i l i t a r y purposes, i n particular i n attempts to shield m i l i t a r y objectives from attacks or to shield, favour or impede m i l i t a r y operations. I f a Party to the conflict, i n violation of the foregoing provision, uses civilians w i t h the aim of shielding m i l i t a r y objectives from attack, the other Party to the conflict shall take the precautionary measures provided for i n A r t i c l e 50; s. die Kommentierung des I K R K , Commentary S. 56—60.

Β . Die Diplomatische Konferenz

73

Β . D i e Diplomatische Konferenz I . Der Konferenzverlauf

Die zwei Regierungsexpertenkonferenzen von 1971 und 1972 fanden ihre Fortsetzung i n der 1974 einberufenen Diplomatischen Konferenz zur Neubestätigung und Fortentwicklung des i n bewaffneten Konflikten anwendbaren Völkerrechts. Da das Rote Kreuz keine diplomatischen Beziehungen zu den Staaten unterhält, wurde die Konferenz von der Schweiz, i n deren Staatsgebiet das I K R K seinen Sitz hat, einberufen und durchgeführt. Die erste Sitzungsperiode vom 20. Februar—29. März 1974 war von Verfahrensfragen über die Einordnung nationaler Befreiungsbewegungen gekennzeichnet, die ihren Niederschlag i n den Grundsatzdiskussionen über den Geltungsbereich des I. Protokolls und der bellum iustum-Idee fanden 1 . I m Gegensatz zur ersten Session wurden i n der vom 3. Februar— 18. A p r i l 1975 stattfindenden zweiten Sitzungsperiode die Verfahrensfragen i n 3 Tagen gelöst. Deshalb gelang es den Komitees, rund die Hälfte der materiellen Vorschriften der Protokollentwürfe zu beraten 2 . Auch i n der dritten Sitzungsphase vom 21. April—11. Juni 1976 gelang es nicht, die beiden Zusatzprotokolle endgültig fertigzustellen, obwohl i m 3. Komitee die Arbeiten über Methoden und M i t t e l des Kampfes zu Ende geführt werden konnten 3 . I n der abschließenden 4. Konferenzsession vom 17. Mai—10. Juni 1977 billigte das Plenum der Diplomatischen Konferenz am 8. Juni 1977 durch Konsens die beiden Zusatzprotokolle 4 . Seit dem 12. Dezember 1977 liegen das I. und II. Zusatzprotokoll zur Unterzeichnung aus. Nach der Ratifikation durch Ghana und Libyen traten die zwei Zusatzprotokolle am 7.12.1978 i n Kraft 5 . 1 Randelzhofer, Entwicklungstendenzen i m humanitären Völkerrecht f ü r bewaffnete Konflikte, S. 44; Forsythe, The 1974 Diplomatie Conference on Humanitarian L a w , S. 77—91; Baxter, Some Existing Problems of H u m a n i tarian L a w , S. 297—303. 2 s. Bothe, Die Genfer Konferenz über humanitäres Völkerrecht, S. 641— 655; Cantrell, S. 305—328. 3 Forsythe, Three Sessions of Legislating Humanitarian L a w , S. 131—142; de la Pradelle, Réflexions sur la troisième session de la conférence diplomatique de Genève sur la droit international humanitaire, S. 7—15; vgl. zur Sicht der Warschauer Pakt-Staaten Graefrath, D r i t t e Sitzung der Genfer Konferenz zur Weiterentwicklung des humanitären Völkerrechts, S. 1561— 1567. 4 Von den 155 zur Konferenz eingeladenen Staaten nahmen 126 an der ersten, 121 an der zweiten, 106 an der d r i t t e n u n d 109 an der vierten Sitzungsperiode teil, OR, V O L I, S. 4; vgl. auch K i m m i n i c h , Schutz der Menschen, S. 75. 5 A m 12. Dezember 1977 unterzeichneten 46 Staaten die beiden Zusatzprotokolle; die Bundesrepublik Deutschland unterzeichnete am 23. Dezem-

74

I I . Teil, 1. Abschn.: Die Entstehungsgeschichte von A r t . 51 I I . Die Beratungen zu Art. 46 im I I I . Komitee

1. Die Anfangsphase Bereits während der ersten Sitzungsperiode der Konferenz befaßte sich das I I I . Komitee mit Art. 46. Die Diskussionen i m Komitee i n dieser Phase sind i m wesentlichen durch 12 Änderungsvorschläge strukturiert worden®. Die Abänderungsvorschläge bezogen sich fast ausschließlich ber 1977 sowohl das erste als auch das zweite Zusatzprotokoll. Folgende 44 Staaten haben das I. Zusatzprotokoll ratifiziert (Stand August 1984): 1978: Ghana (28. Februar); L i b y e n (7. Juni); E l Salvador (23. November). 1979: Ecuador (10. A p r i l ) ; Jordanien (1. Mai); Botswana (23. Mai); Zypern (1. Juni); Niger (8. Juni); Jugoslawien (11. Juni); Tunesien (9. August); Schweden (31. August). 1980: Mauretanien (14. März); Gabun (8. A p r i l ) ; Bahamas (10. A p r i l ) ; F i n n l a n d (7. August); Bangladesh (8. September); Laos (18. November). 1981: Vietnam (19. Oktober); Norwegen (14. Dezember). 1982: Republik Korea (15. Januar); Schweiz (17. Februar); Mauritius (22. März); Zaire (3. Juni); Dänemark (17. Juni); Österreich (13. August); St. Lucia (7. O k tober); K u b a (25. November). 1983: Tansania (15. Februar); Vereinigte Arabische Emirate (9. März); M e x i k o (10. März); Mocambique (14. März); St. Vincent u n d Grenadien (8. A p r i l ) ; Volksrepublik China (14. September) ; Namibia (Rat der Vereinten Nationen für) (18. Oktober); Volksrepublik Kongo (10. November); Arabische Volksrepublik Syrien (14. November) ; Bolivien (8. Dezember) ; Costa Rica (15. Dezember). 1984: K a m e r u n (16. März); Sultanat von Oman (29. März); Togo (21. Juni); Belize (29. Juni); Guinea (11. Juli); Zentralafrikanische Republik (17. Juli), s. RICR Janvier—Février 1984, S. 29, 30; RICR M a r s — A v r i l 1984, S. 106; RICR M a i — J u i n 1984, S. 164; RICR J u i l l e t - A o û t 1984, S. 238/239; das I I . Z u satzprotokoll ist von 38 Staaten ratifiziert worden. β

Czechoslovakia , German Democratic Republic, Hungary , Poland

Delete sub-paragraph 3 (b) and replace b y a paragraph worded as follows: " T h e employment of means of combat, and any methods w h i c h indiscriminately strike or affect the civilian population and combatants or civilian objects and m i l i t a r y objectives, are prohibited. I n particular i t is forbidden to attack w i t h o u t distinction, as a single objective, by bombardment or any other method, a zone containing several m i l i t a r y objectives i n populated areas and situated at some distance from each other." (In document C D D H / I I I / 8 / C o r r . 1 the opening sentence was amended to read as follows: "Delete sub-paragraph 3 (b) and replace by a paragraph worded as follows.") OR, Vol. I I I , C D D H / I I I / 8 , S. 200.

Romania Redraft A r t i c l e 46 as follows: "1. The civilian population shall always be entitled to general and effective protection against dangers arising from m i l i t a r y operations. 2. The civilian population i n general, and i n d i v i d u a l civilians not t a k i n g a direct and immediate part i n hostilities shall never under any circumstances be made the object of any form of attack. 3. I t is forbidden to employ means of combat and methods which strike or affect indiscriminately the c i v i l i a n population and combatants, or c i v i l i a n objects and m i l i t a r y objectives, and to attack w i t h o u t distinction, as a single objective, by bombardment or any other method, a zone containing several

Β . Die Diplomatische Konferenz

75

auf die Probleme des Terrorangriffs des unterschiedslosen Angriffs, des Flächenbombardements und der Proportionalität. m i l i t a r y objectives w h i c h are situated i n populated areas and are at some distance from each other. 4. Reprisals against the civilian population or civilians and methods i n tended to spread terror among the civilian population are prohibited. 5. (Unchanged). 6. The deportation of the civilian population, i n d i v i d u a l l y or i n groups, beyond the national frontiers of the country of origin is strictly forbidden." OR, Vol. I I I , C D D H / I I I / 1 0 , S. 200, 201.

Finland , Sweden I n paragraph 4, replace the w o r d " o r " by a comma and insert after the w o r d "civilians" the words "or civilian objects". (In document C D D H / I I I / 1 3 / A d d . 1, Sweden joined as co-sponsor.) OR, Vol. I I I , C D D H / I I I / 1 3 , S. 201.

Brazil , Canada, Germany , Federal Republic of, Nicaragua 1. I n paragraph 1, second sentence, for the t w o r d "methods" substitute the w o r d 'attacks". 2. Amend paragraph 2 to read: "Civilians shall enjoy the protection afforded by this Section except w h e n they commit hostile acts or take a direct part i n m i l i t a r y operations." 3. Amend paragraph 3 to read: " I t is forbidden to attack an adversary by using methods or means of combat w h i c h strike indiscriminately at the civilian population and combatants or c i v i l i a n objects and m i l i t a r y objectives. I n particular, i t is forbidden: (a) to attack b y bombardment as a single m i l i t a r y objective a zone comprising a populated area containing several m i l i t a r y objectives i f such objectives are so distant from one another that i t is reasonably possible to attack them i n d i v i d u a l l y ; (b) to attack a m i l i t a r y objective i f the attack may be expected to entail losses among the c i v i l i a n population, or cause the destruction of civilian objects, i n the immediate v i c i n i t y of that objective to a extent disproportionate to the m i l i t a r y advantage sought." 4. I n paragraph 5: i) Amend the first sentence to read: "The presence or movements of the civilian population or i n d i v i d u a l civilians shall not be used i n attempts to shield m i l i t a r y objectives from attack or to shield m i l i t a r y operations." ii) Delete the second sentence. OR, Vol. I I I , C D D H / I I I / 2 7 , S. 201, 202.

Ghana 1. I n paragraph 1 after the w o r d "methods" insert the words " i n c l u d i n g propaganda i n whatever form". 2. I n sub-paragraph 3 (b) after the words "incidental losses", insert the words "or hardship", and for the w o r d " a n d " substitute the w o r d "or". (This amendment was w i t h d r a w n at the seventh meeting of Committee I I I , on 18 March 1974, i n favour of amendment C D D H / I I I / 3 8 . ) OR, Vol. I I I , C D D H / I I I / 2 8 , S. 202.

Ghana, Nigeria, Uganda, United Republic of Tanzania

I n paragraph 1, after the words " I n particular" at the beginning of the second sentence, delete the words "methods intended to spread" and substitute the words "acts capable of spreading". OR, Vol. I l l , C D D H / I I I / 3 8 , S. 203.

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I I . Teil, 1. Abschn.: Die Entstehungsgeschichte von A r t . 51

Wesentlicher Anknüpfungspunkt der Diskussionen u m Abs. 1 war der Begriff der „intention". Einige Delegationen kritisierten die EinbezieAustralia 1. Replace paragraph 2 by the following: "2. Civilians shall enjoy the protection afforded by this Articles unless they are t a k i n g a direct part i n hostilities" 2. Replace paragraph 3 by the following: "3. The employment of means of combat, and any methods which strike at or affect indiscriminately the civilian population and combatants, or c i v i l i a n objects and m i l i t a r y objectives, are prohibited. I n particular i t is forbidden: (a) to attack w i t h o u t distinction, as one single objective, by bombardment or any other method, a zone containing several m i l i t a r y objectives, w h i c h are situated i n populated areas, and are at such a distance f r o m each other that they could reasonably be attacked i n d i v i d u a l l y ; (b) to launch attacks w h i c h may be expected to entail incidental losses among the civilian population and to cause the destruction of civilian objects to an extent disproportionate to the direct and substantial m i l i t a r y advantage anticipated." OR, Vol. I I I , C D D H / I I I / 4 3 , S. 203.

Australia Amend paragraphs 2 and 3 to read: "2. Civilians shall enjoy the protection afforded by this Section unless they are t a k i n g a direct part i n hostilities. 3. The employment of means of combat, and any methods which strike at or affect indiscriminately the civilian population and combatants, or civ i l i a n objects and m i l i t a r y objectives, are prohibited. I n particular i t is forbidden: (a) to attack w i t h o u t distinction, as one single objective, b y bombardment or any other method, a zone containing several m i l i t a r y objectives, which are situated i n populated areas, and are at such a distance from each other that they are capable of being attacked i n d i v i d u a l l y ; (b) to attack a m i l i t a r y objective w h e n the attack may be expected to entail incidental losses among the civilian population or to cause the destruction of civilian objects to an extent disproportionate to the direct and substantial m i l i t a r y advantage sought." OR, Vol. I l l , C D D H / I I I / 4 3 Rev. 1, S. 204.

Sweden Reword sub-paragraph 3 (b) as follows to form a new paragraph 4, and renumber the subsequent paragraphs accordingly: "4. I t is forbidden to launch attacks even upon a m i l i t a r y objective, w h e n such attacks may be expected to entail losses among the c i v i l i a n population or cause the destruction of c i v i l i a n objects beyond the immediate v i c i n i t y of the m i l i t a r y objective or, to cause such losses or such destruction w i t h i n the immediate v i c i n i t y of the m i l i t a r y objective, to an extent disproportionate to the direct and substantial m i l i t a r y advantage anticipated." OR, Vol. I I I , C D D H / I I I / 4 4 , S. 204.

Algeria, Arab Republic of Egypt, Democratic Yemen, Iraq, Kuwait, Libyan Arab Republic, Morocco, Sudan, Syrian Arab Republic, United Arab Emirates 1. I n paragraph 1, second line, delete the words "intended t o " and substitute the w o r d " t h a t " . 2. I n sub-paragraph 3 (b), second line, delete the w o r d " a n d " and substitute the w o r d "or". 3. Insert a f u l l stop after the w o r d "objects" and delete the rest of the paragraph.

Β . Die Diplomatische Konferenz

77

h u n g s u b j e k t i v e r E l e m e n t e i n das V e r b o t des T e r r o r a n g r i f f s u n d e m p f a h l e n stattdessen die F o r m u l i e r u n g „ c a p a b l e of s p r e a d i n g t e r r o r " 7 . Schweden versuchte d u r c h d i e E i n f ü g u n g eines n e u gefaßten 4. satzes das V e r b o t des „indiscriminate attack " z u präzisieren. Z i e l Vorschlages sollte die A n w e n d u n g des P r o p o r t i o n a l i t ä t s p r i n z i p s a u f F ä l l e des K o l l a t e r a l s c h a d e n s „ b e y o n d t h e i m m e d i a t e v i c i n i t y of m i l i t a r y o b j e c t i v e " 8 sein.

Abdes alle the

4. Add a new paragraph reading: "The following acts against the civilian population or i n d i v i d u a l civilians are particularly prohibited i n a l l circumstances: (a) i n d i v i d u a l or mass forcible transfers, deportations or expulsions outside their o w n t e r r i t o r y ; (b) torture, collective punishments, arbitrary administrative detention, family splitting, corporal punishment or any similar act of physical or mental brutality; (c) destruction of houses, shops or buildings, pillage, arbitrary expropriation or any act directed against c i v i l l i a n persons or c i v i l i a n objects." OR, Vol. I I I , C D D H / I I I / 4 8 , S. 205. Algeria, Arab Republic of Egypt, Democratic Yemen, Iraq, Kuwait, Libyan Arab Republic, Mali, Mauritania, Morocco . Sudan, Syrian Arab Republic, United Arab Emirates 1. I n paragraph 1, delete the words "intended to" i n the second line, and replace t h e m by the w o r d " t h a t " . 2. I n sub-paragraph 3 (b) substitute the w o r d " o r " for the w o r d " a n d " i n the second line. 3. P u t a f u l l stop after the w o r d "objects" i n the same line and delete the rest of the paragraph. 4. Add a new paragraph 5: "5. The following acts against the c i v i l i a n population or i n d i v i d u a l civilians are particularly prohibited i n a l l circumstances: (a) i n d i v i d u a l or mass forcible transfers, deportations or expulsions outside their o w n t e r r i t o r y ; (b) torture, collective punishments, arbitrary administrative detention, family splitting, corporal punishment or any similar act of physical or mental brutality; (c) destruction of houses, shops or buildings, pillage, arbitrary expropriation or any act directed against civilian persons or civilian objects." (In document C D D H / I I I / 4 8 / R e v . 1/Add. 1 and 2, M a l i and Mauritania joined as co-sponsors.) OR, Vol. I l l , C D D H / I I I / 4 8 Rev. 1 an Add. 1 and 2, S. 205, 206. Philippines 1. Redraft paragraph 1 as follows: "1. I t is prohibited to attack, or commit acts capable of spreading terror amongst the civilian population and i n d i v i d u a l civilians." 2. Redraft paragraph 2 as follows : "2. Civilians shall enjoy the protection afforded by this A r t i c l e except when they take a direct part i n hostilities." 3. I n sub-paragraph 3 (b), delete the phrase "to an extent disproportionate to the direct and substantial m i l i t a r y advantage anticipated." OR, Vol. I I I , C D D H / I I I / 5 1 , S. 206. 7 OR, Vol. I l l , C D D H / I I I / 3 8 , S. 203; ibid., C D D H / I I I / 4 8 , S. 205; ibid., C D D H / I I I / 5 1 , S. 206. 8 OR, Vol. I I I , C D D H / I I I / 4 4 , S. 204.

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I I . Teil, 1. Abschn.: Die Entstehungsgeschichte von A r t . 51

Während der schwedische Vorschlag die Einbeziehung vor Proportionalitätsgesichtspunkten i n A r t . 46 bestätigte 9 , hat dagegen eine Gruppe von Staaten i n der ersten Session erhebliche Bedenken gegen das Proportionalitätsprinzip geltend gemacht 10 . Insbesondere die osteuropäischen Staaten schlugen vor, den Abs. 3 b ganz aus dem A r t . 46 herauszunehmen 11 . Die Diskussionen bezüglich des Flächenbombardements waren weniger kontrovers und bezogen sich auf die Definition des „area bombardment" sowie auf die Frage der Definition eines Abstandes zwischen den m i l i tärischen Objekten 12 . Der australische Änderungsvorschlag zu Abs. 3 b trug dieser Überlegung mit der Formulierung Rechnung: „and are at such distance from each other that they are capable of being attacked individually" 13. 2. Die wesentlichen Änderungen

des Art. 46 in der Arbeitsgruppe

Noch während der ersten Sitzungsperiode wurde der A r t . 46 an die Arbeitsgruppe zur Beratung verwiesen. Obwohl i n der Arbeitsgruppe nicht zu allen Punkten eine Übereinstimmung hergestellt werden konnte, lag der abgeänderte A r t . 46 dem I I I . Komitee zu Beginn der zweiten Sitzungsperiode zur Begutachtung vor 1 4 . Der Entwurf der Arbeitsgruppe reflektierte die Diskussionen der I. Sitzungsperiode i n den Punkten des Terrorbombardements, des Flächenbombardements und des Proportionalitätsprinzips. Der 1. Absatz war allerdings der einzige Absatz, bei dem i m Hinblick auf diese drei Punkte eine endgültige Neuformulierung stattgefunden hatte. Die strittige Formulierung des Absatzes war durch die Worte „which have the primary object of spreading terror " ersetzt worden 15 . I n den Abs. 3 lit. a) und lit. b) hatte die Arbeitsgruppe eine andere Methode gewählt. Nach einer Überarbeitung der Absätze wurden die wichtigsten Formulierungen aus der 1. Session als Aiternativvorschlag i n den Text des A r t . 46 aufgenommen 16 . Neben den Einfügungen wie „widely separated" oder „distinct", unterschied sich der Abs. 3 lit. a) nur 9

s. die Diskussionsbeiträge OR, Vol. X I V , C D D H / I I I / S R . 7, S. 51. So insbesondere Rumänien i n seinem Vorschlag OR, Vol. I I I / C D D H / I I I / 10, S. 200. 11 s. die Stellungnahme der Delegierten aus der DDR, OR, Vol. X I V , C D D H / I I I / S R . 7, S. 51. 12 Vgl. Canada, ibid.; Schweden OR, Vol. X I V , C D D H / I I I / S R . 8, S. 59. 13 OR, Vol. I I I , C D D H / I I I / 4 3 , S. 204. 14 OR, Vol. X V , C D D H / I I I / 2 2 4 , S. 327. 15 Ibid. 16 OR, Vol. X V , C D D H / I I I / S R . 224, S. 327. 10

Β . Die Diplomatische Konferenz

79

i n einem weiteren wesentlichen Punkt von dem IKRK-Vorschlag. Die Worte „situated i n populated areas" waren gegen die Formulierung „ . . . area containing a concentration of civilians or civilian objects" 17 ausgetauscht worden. Über die Frage, ob das Proportionalitätsprinzip aus dem A r t . 51 herausgenommen werden solle, wurde i n der Arbeitsgruppe keine Einigung erzielt. Der Einführungssatz zu Abs. 3 war i n der i m Februar 1975 vorgelegten Fassung völlig neu gestaltet worden, ohne daß die von der Arbeitsgruppe gewählten Formulierungen Bestandteile der Diskussionen i m I I I . Komitee gewesen wären. Abs. 3 enthielt i n der Neufassung eine Definition des „indiscriminate attack", die auf die Zielrichtung des A n griffs und auf die Unterscheidungsmöglichkeit abstellte. Die Verknüpfung des Einführungssatzes mit lit. a) und b) durch „ i n particular" war durch die Worte „among others" ersetzt worden 18 . Ohne eingehende Beratung i m Komitee wurde dieser Vorschlag zur erneuten Beratung an die Arbeitsgruppe zurückverwiesen. Ohne weitere Änderungen vorgenommen zu haben, legte die Arbeitsgruppe den Entwurf erneut vor. Das Komitee stimmte daraufhin den Abs. 1, 2, 3, 5 und 6 des Entwurfs durch Konsens zu 19 . Der Abs. 3 sollte nach dem Willen des Komitees durch die Arbeitsgruppe eine Neufassung erhalten. Innerhalb eines Monats legte die Arbeitsgruppe dann einen Vorschlag vor, der sich wesentlich von der alten Formulierung unterschied. I n dem Einführungssatz des Absatzes waren die Worte „the effects of which cannot be limited as required by this Protocol" aufgenommen worden 20 . I m Absatz der die Proportionalitätsregelung enthalten hatte, wurde nun auf den A r t . 50 Abs. 2 lit. a) (iii) verwiesen 21 , i n dem inzwischen das Wort „disproportionate" gegen den Begriff „excessive" ausgewechselt worden war 2 2 . M i t dem abgeänderten Abs. 3 wurde der A r t . 46 am 14. M a i 1975 i m I I I . Komitee angenommen. A m 9. Mai 1977 veränderte die Arbeitsgruppe den Art. 46 noch einmal, indem sie den Abs. 3 i n drei Abschnitte untergliederte und die Regelungen des Flächenbombardements und des Proportionalitätsprinzips in einen neuen 5. Absatz zusammenfaßte 23 . 17

Ibid. Ibid. 19 OR, Vol. X I V , C D D H / I I I / S R . 24, S. 217. 20 OR, Vol. X V , C D D H / I I I / 2 6 4 , S. 347. 21 Ibid. 22 OR, Vol. X I V , C D D H / I I I / S R . 31, S. 299. 28 Eine Synopse der verschiedenen Vorschläge, aus dem sich auch der zeitliche Zusammenhang dieser Entwicklung ablesen läßt, findet sich bei Levie, Vol. 3, S. 154—161. 18

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I I . Teil, 1. Abschn.: Die Entstehungsgeschichte von A r t . 51

A m 26. M a i 1977 stimmten i m Plenum bei 16 Gegenstimmen und 1 Enthaltung 77 Staaten für den A r t . 46. I n den nach dem Votum abgegebenen Erklärungen sind zwei Probleme des Art. 51 besonders erwähnt worden. Einige Staaten kritisierten den vagen Wortlaut der Vorschrift und knüpften daran Befürchtungen hinsichtlich ihrer Durchsetzbarkeit i m Konflikt 2 4 . Mehrere der westlichen Staaten wiesen darauf hin, daß der Abs. 4 von A r t . 51 nicht bedeuten könne, „that there are means of combat the use of which would constitute an indiscriminate attack i n all circumstances" 25 . Zusammenfassend ist insbesondere hinsichtlich der i m Plenum abgegebenen Erklärungen festzustellen, daß die Entstehungsgeschichte des A r t . 51 nur eine untergeordnete Rolle bei der Auslegung der Norm spielen kann. Abgesehen von einigen Änderungen i n der Anfangsphase sind die Gründe für die Neueinfügungen und Umstellungen nicht anhand der Protokolle nachvollziehbar, da die wesentliche Arbeit i n der Arbeitsgruppe geleistet worden ist.

24

163. 25

Italien, K o l u m b i e n u n d die T ü r k e i OR, Vol. V I / C D D H / S R 41, S. 164, 182, Großbritannien, Kanada u n d die Bundesrepublik, ibid., S. 164, 179, 186.

Zweiter Abschnitt

Anwendung des Art. 51 auf den Nuklearwafleneinsatz A . D i e Problembereiche M i t d e m A r t . 51 ist es d e r Staatengemeinschaft z u m e r s t e n M a l e seit B e g i n n des h u m a n i t ä r e n Rechtsbildungsprozesses gelungen, die w e s e n t lichen, d e n Schutz der Z i v i l b e v ö l k e r u n g b e t r e f f e n d e n P r i n z i p i e n i n e i n e r V e r t r a g s v o r s c h r i f t zusammenzufassen. D e r Schutz d e r Z i v i l b e v ö l k e r u n g a u f v e r t r a g l i c h e r Basis ist seit d e m D e z e m b e r 1977 i n f o l g e n d e r Weise ausgestaltet: " A r t i c l e 51 — Protection of the c i v i l i a n population 1. The c i v i l i a n population and i n d i v i d u a l civilians shall enjoy general protection against dangers arising f r o m m i l i t a r y operations. To give effect to this protection, the f o l l o w i n g rules, which are additional to other applicable rules of international law, shall be observed i n a l l circumstances. 2. The c i v i l a n population as such, as w e l l as i n d i v i d u a l civilians, shall not be the object of attack. Acts or threats of violence the p r i m a r y purpose of which is to spread terror among the c i v i l i a n population are prohibited. 3. Civilians shall enjoy the protection afforded b y this Section, unless and for such time as they take a direct part i n hostilities. 4. Indiscriminate attacks are prohibited. Indiscriminate attacks are: (a) those which are not directed at a specific m i l i t a r y objective; (b) those which employ a method or means of combat which cannot be directed at a specific m i l i t a r y objective; or (c) those which employ a method or means of combat the effects of which cannot be l i m i t e d as required by this Protocol; and consequently i n each such case, are of a nature to strike m i l i t a r y objectives and civilians or c i v i l i a n objects w i t h o u t distinction. 5. A m o n g others, the following types of attacks are to be considered as indiscriminate: (a) an attack b y bombardment by any methods or means which treats as a single m i l i t a r y objective a number of clearly separated and distinct m i l i t a r y objectives located i n a city, town, village or other area containing a similar concentration of civilians or c i v i l i a n objects; and 6 Fischer

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz (b) an attack which may be expected to cause incidental loss of c i v i l i a n life, i n j u r y to civilians, damage to c i v i l i a n objects, or a combination thereof, which w o u l d be excessive i n relation to the concrete and direct m i l i t a r y advantage anticipated. 6. Attacks against the c i v i l i a n population or civilians by w a y of reprisals are prohibited. 7. The presence or movements of the c i v i l i a n population or i n d i v i d u a l civilians shall not be used to render certain points or areas i m m u n e f r o m m i l i t a r y operations, i n particular i n attemps to shield m i l i t a r y objectives f r o m attacks or to shield, favor or impede m i l i t a r y operations. The Parties to the conflicts shall not direct the movement of the c i v i l i a n population or i n d i v i d u a l civilians i n order to attempt to shield m i l i t a r y objectives f r o m attacks or to shield m i l i t a r y operations. 8. A n y violation of these prohibitions shall not release the Parties to the conflict from their legal obligations w i t h respect to the c i v i l i a n populat i o n and civilians, including the obligation to take the precautionary measures provided for i n A r t i c l e 57." 1

D e r A r t i k e l e n t h ä l t n e b e n der B e s t ä t i g u n g des U n t e r s c h e i d u n g s prinzips i n Abs. 1 Regelungen zu den Problembereichen a) des T e r r o r a n g r i f f s i n A b s . 2, b) des unterschiedslos w i r k e n d e n A n g r i f f s i n A b s . 4 u n d A b s . 5, c) des F l ä c h e n b o m b a r d e m e n t s i n A b s . 5 a, d) des P r o p o r t i o n a l i t ä t s p r i n z i p s i n A b s . 5 b, e) d e r Repressalie i n A b s . 6. D i e Z u s a m m e n f a s s u n g dieser ζ. T . aus d e m G e w o h n h e i t s r e c h t b e k a n n t e n u n d i n i h r e m V e r h ä l t n i s zueinander u m s t r i t t e n e n Rechtsfigur e n 2 i n e i n e m A r t i k e l u n d die d a m i t i m R a h m e n d e r V e r t r a g s i n t e r p r e t a t i o n h e r g e s t e l l t e A b h ä n g i g k e i t v o n e i n a n d e r gebieten es, nach d e r S t e l l u n g d e r e i n z e l n e n A b s c h n i t t e i m Gesamtgefüge des A r t . 51 z u fragen. B . D i e Bedeutung der Abs. 4 u n d 5 für die Auslegung des A r t . 51 I . Die Vorrangstellung des Verbots des unterschiedslos wirkenden Angriffs N a c h v ö l k e r g e w o h n h e i t s r e c h t l i c h e n G r u n d s ä t z e n i s t d e r A n g r i f f gegen e i n m i l i t ä r i s c h e s O b j e k t ohne d i e V e r u r s a c h u n g v o n B e g l e i t s c h ä d e n b e i d e r Z i v i l b e v ö l k e r u n g eine e r l a u b t e K r i e g s h a n d l u n g 1 . 1

OR, Vol. I, S. 147; s. ZaöRV 1978, S. 86. s. dazu Kaishoven, The L a w of Warf are, S. 24 ff.; F u r e t / M a r t i n e z / D o r a n deau, S. 125 ff. 1 Z u r Begriffsbestimmung des militärischen Objekts i m Protokoll siehe A r t . 52; s. Rousseau, S. 130, 131. 2

Β . Die Bedeutung der Abs. 4 u n d 5 f ü r die Auslegung des A r t . 51

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Demgegenüber soll der Angriff auf Zivilisten oder die Zivilbevölkerung als solche absolut verboten sein 2 . Der Begriff des unterschiedslos wirkenden Angriffs ist zwischen diesen beiden Extremfällen angesiedelt, die keine tiefergehenden rechtlichen Probleme aufwerfen. Treten bei einem Angriff gegen ein militärisches Objekt Begleitschäden bei der Zivilbevölkerung auf, so stellt sich die Frage, bis zu welchem Umfang und bis zu welcher Intensität dieser Angriff noch als erlaubt zu gelten hat oder ob es sich bereits um einen unterschiedslos wirkenden und deshalb verbotenen Angriff handelt. Die Definition des unterschiedslos wirkenden Angriffs t r i f f t durch die Festlegung des erlaubten und verbotenen Handelns i n einem kritischen Grenzbereich eine grundsätzliche Entscheidung für den Schutz der Zivilbevölkerung i n bewaffneten Konflikten. Die Auswahl der Verbotskriterien bestimmt, i n welchem Umfang andere Prinzipien des Kriegsrechts, wie etwa das Proportionalitätsprinzip, zur Abgrenzung des Verbotsbereichs herangezogen werden müssen oder konstitutiver Bestandteil des Verbotes selbst sind. Eine vertragliche Festlegung, wie der i n den Abs. 4 und 5 vorliegenden A r t , leistet somit zweierlei: Sie stellt die Verbindung zwischen den beiden Extrempositionen des erlaubten und verbotenen Angriffs her. Durch die Ausfüllung der rechtlichen Grauzone präzisiert sie außerdem den Anwendungsbereich anderer kriegsrechtlicher Prinzipien. M i t dieser Doppelfunktion erhält das Verbot des unterschiedslos wirkenden Angriffs eine Vorrangstellung vor den anderen Regelungen des Art. 51. I I . Die Bedeutung des Verbots aus militärpolitischer Sicht und die möglichen Auswirkungen auf die Rüstungskontrolle

Der besondere Wert der Abs. 4 und 5 für die Interpretation des A r t . 51 w i r d nicht alleine durch die rechtliche Vorrangstellung der Absätze begründet. Die Abgrenzung der erlaubten Angriffsmöglichkeiten von dem verbotenen Einsatz bestimmter Waffen- und Kampfmethoden kann nicht ohne Auswirkung auf viele Bereiche der internationalen Politik und des Völkerrechts bleiben. Diese Auswirkungen sind es, die dem Verbot des unterschiedslosen Angriffs eine zusätzliche Sonderstellung einräumen. Die Darlegung der mit der Interpretation verbundenen Er2 Gegen die Geltung dieses Prinzips sind Vorbehalte aufgrund der E r fahrungen der bewaffneten K o n f l i k t e dieses Jahrhunderts geltend gemacht worden, vgl. dazu Rosenblad, International H u m a n i t a r i a n L a w , S. 55; Pokstefl, S. 608.

6*

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

Wartungen zeigt, in welchem Spannungsverhältnis sich das Ergebnis der Interpretation zu bewähren hat. Der gemeinsame Ausgangspunkt der mit der Interpretation des A r t . 51 zusammenhängenden politischen Auswirkungen ist die Frage nach einem sich aus A r t . 51 ergebenden Einsatzverbot für Nuklearwaffen. Die Befürchtungen konzentrieren sich dabei auf die Frage, inwieweit das System der Rüstungskontrolle und die nukleare Abschreckung durch ein Einsatzverbot gefährdet werden könnten. Bereits vor Beginn der Genfer Staatenkonferenz bemerkte Baxter zu den Implikationen einer die Nuklearwaffenfrage betreffenden Vertragsvorschrift: " I f an attempt is made to prohibit some or a l l use of nuclear weapons, either b y express reference or by prohibition of weapons having specified effects or by regarding them as weapons which are indiscriminate or cause unnecessary suffering, then the idea must be accepted that the route to control of these weapons lies through treaty prohibitions on use rather through the process of arms control. That v i e w w o u l d be a dramatic departure f r o m the present process of seeking a solution to the nuclear problem through agreements about arms control and disarmament." 3

Diejenigen, die i n die Rüstungskontrollgespräche der 70er Jahre besondere Erwartungen gesetzt hatten, mögen eine Unterminierung des Rüstungskontrollsystems durch den Einfluß humanitärer Regelungen befürchtet haben. I n der Tat ist Waffen- und Waffenwirkungsverboten eine rüstungskontrollpolitische Komponente beizumessen4. I n der Vergangenheit haben Waffenverbote zu einem Verzicht auf Produktion und Einsatz noch existierender Vorräte geführt 5 . A u f der anderen Seite sind trotz des Verbots, chemische Waffen® einzusetzen, immer noch Gespräche unter rüstungskontrollpolitischen Gesichtspunkten i m Gange 7 . Gerade das Beispiel der chemischen Waffen zeigt, daß man Waffeneinsatzverbote nicht so ohne weiteres mit einer „dramatischen Abwendung" vom Rüstungskontrollgedanken gleichsetzen sollte. Dieses U r t e i l kann nur anhand des konkreten Interpretationsergebnisses gefällt werden. 3

Baxter, Criteria for the Prohibition of Weapons, S. 50. Z u r grundsätzlichen Bedeutung von völkerrechtlichen Verträgen f ü r die Rüstungskontrolle s. Dahlitz „Nuclear Arms Control w i t h Effective I n t e r national Agreements, S. 1 ff. 5 s. Greenspan, S. 354—359; vgl. Röling, The Significance of the Laws of War, S. 155. β s. das Protokoll v o m 17. 6.1925 über das Verbot der Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen M i t t e l n i m Kriege, R G B l 1929 I I 405, vgl. Bothe, Chemical Warfare, S. 83—85. 7 s. Wegener, S. 585—588. 4

Β . Die Bedeutung der Abs. 4 u n d 5 f ü r die Auslegung des A r t . 51

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Die Ausführungen Baxters machen noch einen zweiten Hintergrundbereich deutlich. Gesteht man humanitären Vorschriften tatsächlich einen Einfluß auf die Rüstungskontrolle zu 8 , so betrifft dies nicht nur den politisch militärischen Aspekt. I n gleicher Weise sind auch die völkerrechtlichen Grundlagen der Rüstungskontrolle i n die Wirkung miteinbezogen. Auf dieser Ebene stellt sich damit die Frage nach dem Verhältnis des Friedenssicherungsrechts zum Recht des bewaffneten internationalen Konflikts. Wie K . Ipsen als erster nach der Unterzeichnung der beiden Zusatzprotokolle festgestellt hat, erfordert die Fortentwicklung des i n bewaffneten Konflikten anwendbaren Völkerrechts systematische Korrekturen 9 . Die zwei traditionellen Bereiche des Völkerrechts könnten seiner Meinung nach in Kürze i n ein zusammenfassendes Friedenssicherungsund Konfliktrecht übergehen. Nach Ipsens Vorstellung wäre diese Systemkorrektur eine „ A n t w o r t auf die Herausforderung des Völkerrechts durch das Faktum, daß neuzeitliche K o n f l i k t e zumeist stufenlos zahlreiche Phasen von der p o l i tischen Kontroverse über Spannungen u n d Pressionen bis zu verdeckten u n d schließlich offenen Formen der Gewaltanwendung durchlaufen 1 0 ."

Würde man aufgrund der offensichtlichen Beeinflussung des Friedenssicherungsrechts durch humanitäre Normen 1 1 die vorgeschlagene Systemkorrektur vornehmen, wäre die längst überfällige Abstimmung der konfliktregelnden und konfliktverhütenden Völkerrechtssätze zu bewerkstelligen. Über eine bloße Abstimmung hinaus ließe die Änderung eine A u f wertung der konfliktregelnden Vorschriften i m Normensystem des 8 Die Frage der Einwirkungsmöglichkeit w i r d zum Ausgangspunkt einiger Überlegungen zum Einsatzverbot f ü r Nuklearwaffen gemacht: „ E n affermissant le m u r entre la dissuasion et l'emploi des armes atomiques le consensus de Genèva a rappelé — et le Protocol de 1977 continue à rappeler — l'antinomie irréductible entre ces armes et le droit de la guerre", Meyrowitz, L e statut des armes, S. 226. 9 Ipsen, i n : Menzel/Ipsen, Völkerrecht, S. 519; Der größte T e i l der sich aus den Zusatzprotokollen ergebenden dogmatischen Überlegungen ist zum V e r hältnis des Haager zum Genfer Recht angestellt worden, vgl. dazu Nahlik, Droit d i t de Genève, S. 9—17; ders., The Role of the 1977 Geneva Protocols i n the Progress of the L a w of A r m e d Conflict, 11—29; vgl. zum Verhältnis des humanitären Rechts zum Schutz der Menschenrechte Mushkat, S. 154, insbes. S. 157—168; Schindler, S. 327—349; einen Überblick über die Berührungspunkte der beiden Rechtsbereiche gibt Meron, S. 589—606; zum V e r hältnis ius ad bellum — ius i n bello, s. die Ausführungen von Rosas, Negative Security Assurances, S. 213. 10 Ipsen, i n : Menzel/Ipsen, Völkerrecht, S. 519. 11 Auch anderen Vorschriften des Protokolls ist eine Beeinflussung des Rüstungskontrollprozesses inhärent. Dazu zählen vor allem folgende Regelungen: A r t . 35, 55; s. Krüger-Sprengel, Grundsätze des neuen humanitären Kriegsvölkerrechts, S. 127.

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

Völkerrechts erwarten. Die damit verbundene Befreiung vom Odium einer Sonderrechtsmasse, die mit einem zweifelhaften Rechtsbefolgungsmechanismus versehen ist, könnte i n eine neue Wertigkeit dieser Regeln i m aktuellen Konflikt überleiten. I I I . Einsatzverbot und nukleare Abschreckung

Die Interpretation des Art. 51 t r i f f t neben den praktischen politischen Fragen und den dogmatischen Völkerrechtsproblemen auch d'en Kernbereich der nuklearen Abschreckung und die damit verwobenen M i l i t ä r strategien. Die Befürchtungen hinsichtlich einer Einschränkung militärischer Optionen stehen dabei an erster Stelle. O'Brien hat i n Bezug auf das gewohnheitsrechtlich bereits geltende allgemeine Unterscheidungsprinzip die Befürchtungen der Nuklearmächte deutlich gemacht: " A dilemma exists. I f the principle of discrimination is taken seriously and adhered to, the M A D threat of countervalue destruction must be abandoned. B u t if i t were abandoned, the possibilities for agressive w a r and nuclear blackmail w o u l d be grave and immediate." 1 2

Man muß sich nicht O'Briens Schlußfolgerungen anschließen, um seine Befürchtungen über ein sich auf die Nuklearwaffen erstreckendes Verbot des unterschiedslosen Angriffs i n seiner Gefährlichkeit für das Abschreckungssystem zu begreifen 13 . I n der Tat würde das Verbot unterschiedsloser Angriffe die Bedrohung des potentiellen Gegners mit Waffen, die ab einer bestimmten Größe und bei bestimmten Einsatzumständen unterschiedslos wirken, fragwürdig erscheinen lassen. Der i n den Militärstrategien vorgesehene Einsatz dieser Waffen wäre i n vielen Bereichen nicht durchzuführen, ohne gegen das Verbot des unterschiedslos wirkenden Angriffs zu verstoßen. Sieht man die völkerrechtlichen und militärpolitischen Problembereiche i n ihrem Zusammenhang, so kann die Einbeziehung der Nuklearwaffen i n den Verbotsbereich des A r t . 51 i n der Tat weitreichende Folgen auf vielen Ebenen haben 14 . Die Schlüsselstellung dieser 12

O'Brien, S. 138; s. auch Kaishoven, The L a w of Warf are, S. 64. s. dazu auch Carnahan: „ . . . the United States is concerned about the possibility that the Protocol m i g h t be used as a propaganda weapon against maintenance of its strategic nuclear deterrent forces", Carnahan, S. 45; Ralshoven weist i n diesem Zusammenhang auf private Gespräche hin, die er während der Genfer Konferenz m i t dem französischen Delegierten Gerard geführt hat: „ . . . indeed i t seems to be a constant fear of the nuclear powers that the rules adopted i n the C D D H and notably those relating to the protection of the civilian population, w i l l have a direct impact on their powers of deterrence b y the threat of nuclear retaliation", Ralshoven, Reprisals i n the CDDH, S. 212. 13

C. Die Anwendbarkeit der Auslegungsregeln der W V K

87

Frage f ü r einige G r u n d p f e i l e r des i n t e r n a t i o n a l e n Systems r e c h t f e r t i g t es, die F r a g e nach der E i n b e z i e h u n g a n d e n A n f a n g d e r I n t e r p r e t a t i o n z u stellen. A u f die Frage, i n w e l c h e m U m f a n g u n d m i t w e l c h e r I n t e n s i t ä t das W a f f e n w i r k u n g s v e r b o t g i l t , w i r d erst später a n h a n d w e i t e r g e h e n d e r I n t e r p r e t a t i o n e n e i n z u g e h e n sein.

C. D i e A n w e n d b a r k e i t der Auslegungsregeln der W i e n e r Vertragsrechtskonvention ( W V K ) I . Die Auslegungsregeln der W V K und geltendes Redit D i e A u s l e g u n g d e r z w i s c h e n d e n V ö l k e r r e c h t s s u b j e k t e n abgeschlossen e n V e r t r ä g e m u ß a u f d e r Basis d e r g e w o h n h e i t s r e c h t l i c h g e l t e n d e n oder b e r e i t s k o d i f i z i e r t e n I n t e r p r e t a t i o n s r e g e l n erfolgen. F ü r die I n t e r p r e t a t i o n zwischenstaatlicher A b k o m m e n g i l t m i t d e m I n k r a f t t r e t e n d e r W V K das i n d e n A r t . 31 ff. W V K festgelegte I n s t r u m e n t a r i u m 1 . 14

Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, i n welchem Ausmaß der A r t . 51 selbst oder seine möglichen A u s w i r k u n g e n i n der jüngsten Diskussion u m die Illegalität der Nuklearwaffen übersehen werden, s. Akehurst, A Modern Introduction to International L a w , S. 233; Völkerrecht Bd. 2 (Autorenkollektiv), S. 232; D i n h / D a i l l i e r / P e l l e t , S. 896; von Glahn, S. 651; Menon, S. 26, 27; Starke, S. 584; Blackaby/Goldblat/Lodgaard, S. 6, 7; Röling weist n u r darauf hin, daß die Frage der Anwendbarkeit des I. Zusatzprotokolls beantwortet werden müsse, Röling, The Impact of Nuclear Weapons, S. 15, 16. 1 Wiener Vertragsrechtskonvention v o m 23.5.1969: A r t i c l e 31 General rule of interpretation 1. A treaty shall be interpreted i n good f a i t h i n accordance w i t h the ordinary meaning to be given to the terms of the treaty i n their context and i n the l i g h t of its object and purpose. 2. The context for the purpose of the interpretation of a treaty shall comprise i n addition to the text, including its preamble and annexes: (a) any agreement relating to the treaty which was made between all the parties i n connexion w i t h the conclusion of the treaty; (b) any instrument w h i c h was made b y one or more parties i n connexion w i t h the conclusion of the treaty and accepted b y the other parties as an instrument related to the treaty. 3. There shall be taken into account, together w i t h the context: (a) any subsequent agreement between the parties regarding the interpretation of the treaty or the application of its provisions; (b) any subsequent practice i n the application of the treaty w h i c h establishes the agreement of the parties regarding its interpretation; (c) any relevant rules of international l a w applicable i n the relations between the parties. 4. A special meaning shall be given to a term i f i t is established that the parties so intended.

88

I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

Die Anwendbarkeit der W V K unterliegt jedoch einer zeitlichen Einschränkung. Gemäß Art. 4 W V K kann die Konvention nur auf solche Verträge Anwendung finden, die nach dem Inkrafttreten der W V K abgeschlossen wurden 2 . Die W V K ist am 27.1.1980 i n Kraft getreten 8 . E i n Rückgriff auf die Auslegungsregeln der W V K würde demnach ihre rechtliche Geltung voraussetzen. Die Völker rechts Wissenschaft hat bis jetzt bei der Frage nach der rechtlichen Geltung der W V K eine eher abwartende Stellung bezogen. Dabei mag die lange Zeit zwischen Unterzeichnung der W V K und ihrem Inkrafttreten zu der eher vorsichtigen Bewertung der Rechtsqualität der Auslegungsregeln in Monographien und Lehrbüchern beigetragen haben 4 . Die Voraussetzungen für die Feststellung der Gewohnheitsrechtsqualität der Auslegungsregeln der W V K müssen die gleichen sein, wie beim Normalfall der Gewohnheitsrechtsbildung 5 . Der I G H hat i n den „ N o r t h Sea Continental Shelf Cases" dabei insbesondere auf die Unverzichtbarkeit der „opinio juris" hingewiesen. Bei der Beurteilung der Frage, ob dem i n A r t . 6 der Genfer Konvention über den Festlandsockel enthaltenen Äquidistanzprinzip Gewohnheitsrechtsqualität zukommt, stellte das Gericht fest: "State practice . . . should . . . have occured i n such a w a y to show general recognition that a rule of l a w or legal obligation is involved." 6

A r t i c l e 32

Supplementary means of interpretation Recourse may be had to supplementary means of interpretation, including the preparatory w o r k of the treaty and the circumstances of its conclusion, i n order to confirm the meaning resulting from the application of article 31, or to determine the meaning w h e n the interpretation according to article 31: (a) leaves the meaning ambiguous or obscure; or (b) leads to a result w h i c h is manifestly absurd or unreasonable. Authentischer W o r t l a u t : United Nations Conference on the L a w of Treaties, Official Records (UN Doc. A / C o n f 39/11/Ad. 2), S. 287 ff. 2 Akehurst: „ A s a Convention, therefore its value is rather limited". A k e hurst, S. 121 ; zur Frage der R ü c k w i r k u n g der W V K s. Sinclair, S. 9. 3 U N S T / L E G / S E R . D/13, S. 597, sowohl die Unterzeichnung als auch die Ratifikation des I. Zusatzprotokolls liegen vor dem 27.1.1980. Das I. Z u satzprotokoll ist durch die Ratifikationen Libyens u n d Ghanas am 7.12.1978 i n K r a f t getreten, s. RICR 1978. 4 Viele Autoren vermeiden es, eine Entscheidung über die Rechtsqualität einzelner Regeln zu treffen. Vielfach w i r d aber darauf hingewiesen, daß die W V K als „ p r i m a r y source" f ü r das Vertragsrecht gilt, s. dazu Brownlie, Principles of Public International L a w , S. 583; vgl. Lagoni, i n : Menzel/Ipsen, Völkerrecht, S.321; Berber, Bd. I, S. 461; Völkerrecht Teil 1 (Autorenkollektiv), S. 178; Talalajew, S. 16; s. aber Seidl-Hohenveldern, S. 53. 5 s. dazu Thode, i n : Menzel/Ipsen, Völkerrecht, S. 79 ff. 6 I C J Reports 1969, S. 43.

C. Die Anwendbarkeit der Auslegungsregeln der W V K

89

I I . Die gewohnheitsrechtliche Geltung der Auslegungsregeln

Einer der Ausgangspunkte für die Feststellung der Gewohnheitsrechtsqualität einer vertraglichen Norm ist die Untersuchung des Entstehungsprozesses des Vertrages. Erklärungen i n den „travaux préparatoires" über die Rechtsqualität der kodifizierten Norm kommt dabei ebenso Indizwirkung zu, wie der A r t der Normengestaltung und der damit verbundenen Akzeptierungsmöglichkeit durch die Staatengemeinschaft 7 . I n den vorbereitenden Arbeiten auf der Wiener Vertragsrechtskonferenz sind zur Frage der gewohnheitsrechtlichen Geltung der Interpretationsvorschriften unterschiedliche Meinungen bezüglich der Rangordnung der kodifizierten Prinzipien vertreten worden, ohne die Geltung der einzelnen Prinzipien selbst i n Frage zu stellen 8 . Die I L C hatte sich sehr sorgfältig dem Rangordnungsproblem gewidmet und mit den Art. 31, 32 W V K der Konferenz ein Normensystem vorgelegt, das letztendlich den Willen der Mehrheit der auf der Konferenz vertretenen Staaten widerspiegelt. Die eindeutige und überwältigende Ablehnung des amerikanischen Antrages, die von der I L C vorgegebene hierarchische Ordnung der A r t . 31 und 32 abzuändern 9 , zeigt, welche breite Zustimmung unter den Konferenzparteien die von der I L C favorisierte Lösung gefunden hat. Neben der Festlegung der „piain meaning rule" als dem Herzstück des Interpretationsinstrumentariums ist ein weiteres Ergebnis des Konferenzverlaufs bemerkenswert. Der ILC-Entwurf der A r t . 31 und 32 W V K ist nur von zwei Stellen durch eine Einfügung und den Austausch eines Wortes verändert worden 10 . Die breite Zustimmung der Konferenzparteien zum I L C - E n t w u r f umfaßte so nicht nur die Ausgestaltung der hierarchischen Struktur der Auslegungsregeln, sondern auch die Auswahl und Formulierung der anzuwendenden Prinzipien 1 1 . Die Beschränkung der W V K auf einige wenige i n ihrem Wesensgehalt unumstrittene Interpretationsregeln hat das Abstimmungsergebnis i n der Schlußabstimmung entscheidend beeinflußt 12 . Die A r t i k e l sind bei nur einer Gegenstimme und 19 Enthaltungen angenommen worden. 7

Vgl. Akehurst, Custom as a Source of International Law, S. 45. Vgl. zu den Diskussionen u n d Amendments: Nahlik, L'interprétation des traités internationaux à la lumière de la codification de droit des traités, S. 106—113; Elias, S. 82, 83. 9 Vgl. Marsh, S. 80. 10 Elias, S. 83. 11 Darauf stellt auch Bruha ab, Bruha, Die normative S t r u k t u r des S A L T Prozesses, S. 184, Fn. 173. 12 Vgl. K a r l , S. 361; Rosenne, S. 22. 8

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

Nahlik, der alle A r t i k e l der W V K auf ihre Akzeptanz durch die Konferenz untersucht hat, bescheinigt den Interpretationsvorschriften i m Hinblick auf das Abstimmungsergebnis einen der höchsten Akzeptanzkoeffizienten des gesamten Vertragswerkes 13 . Bemerkenswert ist i n diesem Zusammenhang, daß Nahlik die A r t . 31, 32 W V K nicht zu den Vorschriften zählt, zu denen die Ostblockstaaten seiner Meinung nach einen Vorbehalt einlegen sollten 14 . Die bisherige Abneigung der östlichen Staaten, die W V K zu ratifizieren, scheint somit, wenn man dem Urteil des polnischen Delegationsmitgliedes Nahlik besondere Bedeutung beimessen w i l l , nicht auf den Interpretationsvorschriften zu beruhen 15 . Diese Tatsache könnte i m Zusammenhang mit dem Rechtsetzungsprozeß und dem Inhalt der Interpretationsvorschriften dazu führen, eine Rechtsüberzeugung der Staaten hinsichtlich der gewohnheitsrechtlichen Geltung der Art. 31, 32 W V K bereits bei Abschluß der W V K anzunehmen 16 . E i n solches Urteil stößt jedoch auf Bedenken. Staatenpraxis, die vor der endgültigen Formulierung oder Annahme der Art. 31, 32 W V K ausgeübt worden ist, kann schwerlich als Beweis für die Akzeptierung der hierarchischen Ordnung i n der W V K angesehen werden. Dieses Problem taucht in seiner allgemeinen Bedeutung bei jedem Rechtserzeugungsprozeß durch Verträge auf, die neben der Rechtsfortbildung auch gewohnheitsrechtsbestätigende Wirkung haben. M i t Scheuner ist davon auszugehen, daß bei der Rechtserzeugung i m Wege internationaler Konventionen die formale Deklaration der Rechtsüberzeugung am Anfang steht und sich erst aus der nachfolgenden Übung die Geltung des vereinbarten Rechts als allgemeines Gewohnheitsrecht ergibt 1 7 . Für die Bewertung der nachfolgenden Übung bilden die zum Rechtserzeugungsprozeß auf der Wiener Vertragskonferenz genannten Umstände eine fundierte Basis. I n den letzten 15 Jahren hat die W V K Eingang i n den Rechtsetzungsprozeß der Staatengemeinschaft gefunden. Staaten und internationale Institutionen benutzen in zunehmender Weise die Regeln der W V K bei der Auslegung von Verträgen 18 . Darum sind nicht nur die Verträge betroffen, die nach 1969 abgeschlossen worden sind. Miehsler schreibt dazu: 18

Nahlik, Kodeks Prawa Traktatow, S. 461. Ibid., S. 475. 15 Der Abdruck der W V K i m sowjetischen Jahrbuch für Völkerrecht 1977 (1979) signalisiert die weitgehende B i l l i g u n g der Vorschriften; vgl. Schweisfurth, S. 360 ff. 16 So Farer, S. 20; Rosenne, S. 22. 17 Scheuner, S. 424. 18 Ibid. 14

C. Die Anwendbarkeit der Auslegungsregeln der W V K

91

"Neither is there any doubt that since its opening for signature the Vienna Convention has created increasingly strong expectations of behaviour conforming to i t even i n respect of treaties which were concluded before that date." 1 9

Zwei Beispiele aus der jüngsten Spruchpraxis internationaler Gerichte beweisen die Beachtung der Auslegungsregeln der W V K durch die Staaten und die Anwendung durch die Gerichte bei der Entscheidung von Streitfragen. I m Beagle-Kanal-Fall hatte Argentinien einen wesentlichen Teil seines Vorbringens auf den A r t . 31 Abs. 3 b W V K gestützt 20 . Das Gericht hat die Regeln der W V K für anwendbar gehalten, obwohl ein wesentlicher Teil der Auslegung Vorgänge betraf, die sich vor 1969 abgespielt hatten 21 . Wenn i m Beagle-Kanal-Fall ein ausdrücklicher Hinweis auf die gewohnheitsrechtliche Geltung der Auslegungsregeln der W V K fehlt, so findet sich eine solche Aussage i m Young-Anleihe-Fall. Das Schiedsgericht hat dort festgestellt: " t h a t the Convention properly reflects both the present and the past state of international treaty l a w since, as regards interpretation at least, i t is restricted to the codification of customary l a w i n force." 2 2

Das Schiedsgericht hat damit nicht nur eine Bestätigung einer bereits früher getroffenen Feststellung gegeben 23 , sondern auch die Meinung der am Verfahren beteiligten Parteien formuliert 2 4 . Betrachtet man i n den beiden Fällen das Verhalten der beteiligten Staaten, so muß man feststellen, daß die Staatengemeinschaft ausdrücklich oder stillschweigend die Auslegungsregeln der W V K als Gewohnheitsrecht ansieht 25 . Einer Anwendbarkeit der Art. 31, 32 W V K auf das I. Protokoll steht somit unter dem Gesichtspunkt der Geltung der Vertragsvorschriften kein Hindernis entgegen. 19

Miehsler, S. 565. I L R 52 (1979), S.223; Chile hatte die W V K auch zum Z e i t p u n k t des Schiedsspruches nicht ratifiziert, s. M u l t i l a t e r a l Treaties i n respect of which the Secretary General Performs Depositary Functions, List of Signatures, Ratifications, Accessions etc. as at 31. December 1979, S. 588. 21 s. I L R 52 (1978), S. 224. 22 I L R 59 (1980), S. 529. 23 s. I L R 47 (1974), S. 418 ff. The K i n g d o m of Greece. The Federal Republic of Germany, i n : A r b i t r a l T r i b u n a l and M i x e d Commission for the Agreement on German External Depts, Decisions and Opinions. 24 "This is a v i e w subscribed to . . . by a l l parties to these proceedings", I L R 59 (1980), S. 529. 25 Vgl. Akehurst, A Modern Introduction to International L a w , S. 121 ; Verdross /Simma, Universelles Völkerrecht, S. 346; K a r l , S. 361; s. a u d i die Rechtsprechung, EGMR i m F a l l Golder u n d i m F a l l Luedicke, Belkacem u n d Koc, Serie A Bd. 18, S. 17 u n d Bd. 29, S. 16; vgl. auch die Übersicht bei Ress, i n : Ress/Schreuer, Wechselwirkungen zwischen Völkerrecht u n d Verfassung bei der Auslegung völkerrechtlicher Verträge, S. 11. 20

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 und der Nuklearwaffeneinsatz D . Besondere Auslegungsregeln für Verträge des humanitären Völkerrechts

Die Wiener Vertragsrechtskonvention sieht i n ihrem Abschnitt über die Auslegung weder Sondervorschriften noch eine Beschränkung der Auslegungsregeln für Verträge eines bestimmten Rechtsbereichs vor. Die Auswirkungen von Verträgen des humanitären Völkerrechts auf die Rüstungen der Staaten könnte aber solche Sonderregelungen nahelegen. Bos hat aus grundsätzlichen Erwägungen zur Wirksamkeit von „treaties of actual warfare" eine Beschränkung der Vertragsauslegung auf die grammatische Methode hergeleitet 1 . Diesen Verträgen soll damit bei ihrer ohnehin beträchtlichen Verletzungsanfälligkeit i m Kriegsfall zu einer größeren Wirksamkeit verholfen werden. Eine Beschränkung der Interpretation auf die grammatische Methode begegnet grundsätzlich Bedenken. Den Staaten bleibt es unbenommen, bei der Formulierung des Vertragstextes auf größtmögliche Klarheit und Präzision zu achten2. Ist dies der Fall, so w i r d auch ein nach den Auslegungsregeln der W V K erzieltes Ergebnis kein die Vertragsparteien überraschendes Resultat bringen 3 . Neben diesem mehr politisch-pragmatischen Grund ist der Vorschlag nicht i n Einklang mit dem System der Vertragsrechtsinterpretation zu bringen. Die Interpretation ist mehr als nur der Vorgang über „Vorgedachtes nachzudenken", sondern sie ist darüber hinaus eine rechtsschöpfende Tätigkeit, indem „Gedachtes zu Ende gedacht" wird 4 . Dazu werden alle den Vertrag betreffenden Informationen benötigt, die zu einem Gesamtbild zusammengefaßt die Interpretation ergeben. Alle Versuche, die Auslegung auf den „textual approach" zu beschränken, der die Heranziehung der Systematik der Vertragsvorschriften und des Ziels und Zweckes des Vertrages ausschließt 5 , verhindern den Rechtsschöpfungsprozeß. Das Vertragsrecht würde damit die rechtstheoretische Entwicklung der letzten Jahrzehnte verleugnen und deren Ausformung i n den Regeln der W V K ignorieren. 1

Bos, S. 164. Die Bedenken bezüglich der K l a r h e i t eines Begriffs sind trotzdem nicht ganz auszuschalten, vgl. dazu Voicu, S. 149, 150, der auf die Definition von Zucker i n der International Sugar Convention hinweist. 3 Darauf zielt Bos m i t seinem 2. Beispiel ab: „Another observation m a k i n g sense is that never again they w i l l be brought to agree on any m i l i t a r y subject at all i n case their agreements, instead of being interpreted i n the strictest manner possible, w o u l d be construed on different lines, such as by analogy reading "cylinders" for "projectiles", for example, Bos, S. 164. 4 s. dazu die Hinweise bei Lagoni, i n : Menzel/Ipsen, Völkerrecht, S. 316, 317; vgl. auch Müller, S. 153 m i t den Anmerkungen zur Interpretation durch internationale Gerichte. 5 s. dazu Bos, S. 136, 1937, vgl. auch Sinclair, S. 70, 71; Lagoni, i n : Menzel/ Ipsen, Völkerrecht, S. 319. 2

E. Der unterschiedslose A n g r i f f nach A r t . 51 Abs. 4 u n d 5

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E i n weiteres gewichtiges Argument gegen die Auffassung von Bos liefert die Rechtsnatur von Verträgen „of actual warfare". Bewertet man unter Berücksichtigung der Schwierigkeiten, die klare Bedeutung eines Wortes aus sich selbst heraus zu entnehmen®, die sog. Waffenverbotsverträge, so mag die m i t der Konstruktion erhoffte W i r k u n g eintreten. Die Einbeziehung neuer Waffensysteme oder von Waffen mit veränderter Waffenwirkung w i r d an der terminologischen Festlegung des Waffenverbots scheitern. Anders liegt der Fall bei den Verträgen, die Waffenwirkungsverbote enthalten. Hier führt die Beschränkung auf die grammatische Methode i m Sinne von Bos zu einem weiten Verbotsumfang, Die notwendigen Definitionen, die bei Waffenwirkungsverboten generalklauselartig formuliert sein müssen, können nicht über die Systematik, Ziel und Zweck des Vertrages oder die anderen Hilfsmittel der Vertragsauslegung eingegrenzt werden 7 . Das daraus resultierende absurde Ergebnis ist, daß eine Methode, die eigentlich zur Beschränkung des Vertragsumfangs beitragen soll, dessen Erweiterung bewirkt. Die Auffassung von Bos kann insbesondere wegen der dogmatischen Bedenken für die vorliegende Untersuchung keine weitere Berücksichtigung finden. E. Das Verbot des unterschiedslos w i r k e n d e n Angriffs nach A r t . 51 Abs. 4 und 5 und die A n w e n d b a r k e i t des Verbots auf N u k l e a r w a f f e n I . Der Begriff des Angriffs, die Waffenwirkung und der Ausschluß von Waffen

Das beherrschende Thema aller Diskussionen u m den Art. 51 ist bisher die Frage nach der Anwendbarkeit der i n den Abs. 4 und 5 festgelegten Verbote auf die Nuklearwaffen gewesen. Vor dem oben dargelegten militärpolitischen Hintergrund 1 ist die Präferenz der Politiker und Juristen für diesen Fragenkomplex verständlich. Aus dem Wortlaut des A r t . 51 Abs. 4 und 5 ergibt sich die Frage nach einer Einschränkung der Vorschrift auf bestimmte Waffen nicht so ohne weiteres. Weder i n Abs. 4 noch Abs. 5 sind Nuklearwaffen oder Waffen 6

s. Fn. 2. Selbst der Rückgriff über A r t . 31 Abs. 2 a W V K auf von den Vertragsparteien ausdrücklich geschlossene Einschränkungsvereinbarungen wäre u n möglich. F ü r die Konsequenzen auf den F a l l des Nuklearwaffeneinsatzverbots siehe die Untersuchung über die Erklärungen der Vereinigten Staaten u n d Großbritanniens unten E V 2. 1 s. ο. Erster T e i l Β I. 7

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 und der Nuklearwaffeneinsatz

anderer A r t ausdrücklich genannt. Die i n den Absätzen verwendeten Begriffe „attack" und „method and means of combat" schließen vom Wortlaut her keine Waffenarten aus dem Verbotsbereich aus. Die Wortbedeutung von „method" and „means" läßt keine Rückschlüsse auf eine bestimmte Waffenart zu. Beide Ausdrücke sind in Bezug auf Waffenarten neutral. Das Wort „attack" w i r d i n militärischen Handbüchern zur Bezeichnung aller Möglichkeiten des aktiven, nicht reaktiven Handelns i m Kampf verwendet 2 . Das Field Manual der Vereinigten Staaten F M 100-5 vom 20. August 1982 bezieht i n seinen allgemeinen Ausführungen zum Angriff stets die nuklearen und chemischen Kampfmittel mit ein 3 . Werden Hinweise zu speziellen Angriffsarten gegeben, die nur eine Waffenart umfassen oder bestimmte Kombinationen von Waffen beinhalten, werden diese Waffenarten i m Zusammenhang mit dem Begriff des Angriffs deutlich benannt. Spezifikationen oder Erläuterungen, die den Begriff des Angriffs auf bestimmte Waffenarten beschränken, gibt es i n den Abs. 4 und 5 nicht. Der Angriffsbegriff ist, wenn man i h n isoliert auf den Absatz bezieht, außerdem nicht Bestandteil eines Waffenverbots. I n Kombination mit den anderen Voraussetzungen dient er zur Festlegung eines Waffenwirkungsverbots. Spezifikationen zur Einschränkung des Anwendungsbereichs müßten sich auf die Wirkung einer Waffe beziehen. Diese A r t von Zusätzen gibt es i n den Abs. 4 und 5 ebenfalls nicht. Auch die anderen Vorschriften des Protokolls, die zur Bestimmung der gewöhnlichen Wortbedeutung des Begriffs „Attack" herangezogen werden, geben keine Hinweise auf eine Herauslösung der Nuklearwaffen aus dem Verbotsbereich der Abs. 4 und 5 4 . Die Definition des Angriffs i n A r t . 49 beinhaltet folgende Aussagen: ,,a) i n Abs. 1 zum Begriffsumfang ( . . . acts of v i o l e n c e . . . i n offence or i n defence . . . ) ; b) i n Abs. 2 zur territorialen Anwendbarkeit ( . . . all attacks i n whatever territory conducted . . . ) ; c) i n Abs. 3 zur Kriegsführungsart ( . . . any land, air or sea warfare which may affect the c i v i l i a n population . . .)." 5 2

s. Lutz, Lexikon, S. 27 m. w . N. F M 100-5, Chapter 8, Operational Concepts for the Attack, 8-5, 8-8; Weißbuch 1983, Z u r Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, S. 144 Rdn. 263. 4 Z u m Zusammenhang der „ordinary meaning rule" u n d dem Einfluß des Vertragszusammenhangs s. die ILC-Kommentierungen zum W V K - E n t w u r f , insbesondere den sechsten Report von Waldock, abgedruckt bei Wetzel/ Rauschning, S. 244. 3

E. Der unterschiedslose A n g r i f f nach A r t . 51 Abs. 4 u n d 5

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Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die Festlegung des Begriffsumfangs in A r t . 49 Abs. 1 mit der Verwendung des Begriffs „acts of violence" etwas anderes bedeutet als die Feuereinwirkung auf den Gegner und die Ausführung militärischer Manöver®. Der A r t i k e l t r i f f t in seinem Abs. 3 konkrete Aussagen über die Anwendbarkeit der Vorschriften der A r t i k e l der „section I " des IV. Teils des Protokolls. Damit werden die Kriegsführungsarten, für die die Vorschrift des Art. 51 gelten soll 7 , festgestellt. Zur Abgrenzung werden dabei nicht spezielle raumübergreifende Kampfführungsarten wie die Guerilla- oder Nuklearkriegsführung benutzt. Die i n Abs. 4 weiter vorgenommene Bestimmung des Verhältnisses vertraglicher oder gewohnheitsrechtlicher Regeln für bestimmte Kampfführungsarten zu den Vorschriften des Protokolls enthält ebenfalls keine Hinweise auf die Nuklearkriegsführung. Da an dieser Stelle keine Ausnahme von der Anwendbarkeit der Vorschriften auf die Land-Luft- oder Seekriegsführung gemacht worden sind, kann dem systematischen Zusammenhang des A r t . 51 mit A r t . 49 kein Hinweis auf einen Ausschluß der Nuklearwaffen aus dem Anwendungsbereich des I. Protokolls entnommen werden. Neben der Begriffsbestimmung des Angriffs i n A r t . 49 enthält das I. Protokoll weitere Vorschriften, deren Wortlaut Hinweise auf eine einschränkende Auslegung des A r t . 51 liefern könnten. I n den Artikeln, die neben der Definitionsregel des A r t . 49 den Begriff „attack" enthalten, werden keine über den Wortlaut des Art. 49 Abs. 3 hinausgehenden Einschränkungen getroffen 8 . Dies t r i f f t auch für den A r t . 55 5

A r t . 49

Definition of attacks and scope of application 1. "Attacks" means acts of violence against the adversary, whether i n offence or i n defence. 2. The provisions of this Protocol w i t h respect to attacks apply to a l l attacks i n whatever territory conducted, including the national territory belonging to a Party to the conflict but under the control of an adverse Party. 3. The provisions of this Section apply to any land, air or sea warfare w h i c h may affect the c i v i l i a n population, i n d i v i d u a l civilians or civilian objects on land. They further apply to a l l attacks f r o m the sea or f r o m the air against objectives on land but do not otherwise affect the rules of international l a w applicable i n armed conflict at sea or i n the air. 4. The provisions of this Section are additional to the rules concerning humanitarian protection contained i n the F o u r t h Convention, particularly i n Part I I thereof, and i n other international agreements binding upon the H i g h Contracting Parties, as w e l l as to other rules of international l a w relating to the protection of civilians and civilian objects on land, at sea or i n the air against the effects of hostilities." 6 Vgl. Soif, i n : Bothe/Partsch/Solf, New Rules, S. 289. 7 „Section I " des I V . Teils erstreckt sich bis zu A r t . 68. 8 A r t i c l e 52

General protection of civilian objects 1. Civilian objects shall not be the object of attack or of reprisals. Civilian

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

zu, d e r d e n Schutz d e r U m w e l t gegen b e s t i m m t e W i r k u n g e n v o n M e t h o den u n d M i t t e l n der K r i e g f ü h r u n g regelt9. U n t e r Berücksichtigung der r a d i o a k t i v e n W i r k u n g v o n N u k l e a r e x p l o s i o n e n w ä r e a n dieser S t e l l e m i t e i n e r B e s c h r ä n k u n g des A n g r i f f s b e g r i f f s z u r e c h n e n gewesen. D i e objects are a l l objects w h i c h are not m i l i t a r y objectives as defined i n paragraph 2. 2. Attacks shall be l i m i t e d strictly to m i l i t a r y objectives. I n so far as objects are concerned, m i l i t a r y objectives are l i m i t e d to those objects which by their nature, location, purpose or use make an effective contribution to m i l i t a r y action and whose total or partial destruction, capture or neutralization, i n the circumstances r u l i n g at the time, offers a definite m i l i t a r y advantage. A r t i c l e 54 Protection of objects indispensable to the survival of the civilian population 1. Starvation of civilians as a method of warfare is prohibited. 2. I t is prohibited to attack , destroy, remove or render useless objects i n dispensable to the s u r v i v a l of the civilian population, such as foodstuffs, agricultural areas for the production of foodstuffs, crops, livestock, d r i n k i n g water installation and supplies and irrigation works, for the specific p u r pose of denying them for their sustenance value to the civilian population or to the adverse Party, whatever the motive, whether i n order to starve out civilians, to cause them to move away, or for any other motive. Artice 56 Protection of works and installations containing dangerous forces 1. Works or installations containing dangerous forces, namely dams, dykes and nuclear electrical generating stations, shall not be made the object of attack , even where these objects are m i l i t a r y objectives, i f such attack may cause the release of dangerous forces and consequent severe losses among the c i v i l i a n population. Other m i l i t a r y objectives located at or i n the v i c i n i t y of these works or installations shall not be made the object of attack i f such attack may cause the release of dangerous forces from the works or installations and consequent severe losses among the c i v i l i a n population. 2. The special protection against attack provided by paragraph 1 shall cease: (a) for a dam or a dyke only i f i t is used for other than its normal function and i n regular, significant and direct support of m i l i t a r y operations and i f such attack is the only feasible w a y to terminate such support; (b) for a nuclear electrical generating station only i f i t provides electric power i n regular, significant and direct support of m i l i t a r y operations and i f such attack is the only feasible w a y to terminate such support; (c) for other m i l i t a r y objectives located at or i n the v i c i n i t y of these works or installations only i f they are used i n regular, significant and direct support of m i l i t a r y operations and i f such attack is the only feasible w a y to terminate such support. 9 A r t i c l e 55 Protection of the natural environment 1. Care shall be taken i n warfare to protect the natural environment against widespread, long-term and severe damage. This protection includes a prohibition of the use of methods or means of warfare which are intended or may be expected to cause such damage to the natural environment and thereby to prejudice the health or survival of the population. 2. Attacks against the natural environment by w a y of reprisals are prohibited.

E. Der unterschiedslose A n g r i f f nach A r t . 51 Abs. 4 u n d 5

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unveränderte und nicht eingeschränkte Übernahme der i n A r t . 49 Abs. 3 gegebenen Definition zeigt die Einheitlichkeit der Terminologie i n den Kampfführungsbestimmungen 10 . Eine Bestätigung für die weite Auslegung des Begriffs „attack" ergibt sich aus A r t . 57. I n dieser Vorschrift, die Vorsichtsmaßnahmen für alle Kampfführungsbestimmungen festlegt, ist der Angriffsbegriff ebensowenig auf bestimmte Waffenarten beschränkt, wie i n den anderen einschlägigen Artikeln. Aus den Vorschriften m i t generellerem Charakter lassen sich keine Anhaltspunkte für eine abweichende Meinung gewinnen. Die Grundregel des A r t . 48 ist mit der Festlegung der Unterscheidungsverpflichtung „at all times" ein weiterer Beweis für die uneingeschränkte Anwendung des Angriffsbegriffs i n A r t . 51 Abs. 4 und 5. Weder i n der Präambel noch i n A r t . 1 finden sich Hinweise auf ein einschränkendes Verständnis des Angriffs i n A r t . 51 Abs. 4 und 5. Die Wortlautinterpretation und der Zusammenhang m i t den anderen Vertragsvorschriften gibt keine Hinweise, die eine Beschränkung des A r t . 51 auf die konventionelle Kriegführung als gerechtfertigt erscheinen lassen. I I . Die Einbeziehung der Weltraumproblematik in den Begriff der Luftkriegsführung nach Art. 49 Abs. 3

Der einzige Bereich, für den die Anwendbarkeit der Vorschriften des I. Abschnitts des IV. Teils des Protokolls nicht ausdrücklich festgestellt wird, ist der Weltraum. Unter dem Eindruck verstärkter Rüstungsanstrengungen für die Kriegführung i m Weltraum 1 1 muß die Frage geklärt werden, ob sich durch A r t . 49 Abs. 3 ein rechtliches Sonderregime herausgebildet hat oder ob ein rechtsfreier Raum entstanden ist, für den A r t . 51 keine Anwendung findet. 1. Die Relevanz der Problematik Die praktische Relevanz des Problems ist durch die physikalischen Eigenschaften des Weltraumes und die technischen Möglichkeiten seiner 10

A r t i c l e 59

Non-defended localities 1. I t is prohibited for the Parties to the conflict to attack , b y any means whatsoever, nondefended localities. 11 Z u den technischen Fragen der Weltraumaufrüstung s. Jasani/Stoltenberg-Hansen, S. 291—304; Jasani, S. 427—445; Goedhuis, S. 13—30; von den restlichen Abhandlungen, die sich m i t den Problemen des Weltraumververtrages befassen, s. vor allem Dahlitz, Arms Control i n Outer Space, S. 154— 160; Dauses, S. 29—46; zur Frage der Notwendigkeit von neuen Ansätzen i m Rüstungskontrollrecht hinsichtlich der Weltraumrüstung s. Gorove, S. 191— 206; Fischer, S. 154—168; vgl. auch den E n t w u r f eines Vertrages zur Begrenzung der militärschen Nutzung des Weltraums, ibid., S. 175—188. 7 Fischer

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

Nutzung beschränkt. Da das Bezugsobjekt der Normen des IV. Teils des Zusatzprotokolls die Zivilbevölkerung ist, sind nur solche Aktivitäten überprüfungsfähig, die einen Bezug zur Zivilbevölkerung haben. Als Handlungen kommen der Angriff auf die Zivilbevölkerung aus dem Weltraum und die Zündung von Nuklearsprengköpfen i m Weltraum i n Frage. Während i m ersten Fall eine unmittelbare Einwirkung gegeben ist, kann bei der zweiten Möglichkeit sowohl eine direkte als auch eine indirekte Beeinflussung auftreten. Direkte Schäden bei der Zivilbevölkerung sind je nach Explosionshöhe durch die Freisetzung von „fall-out" zu erwarten 1 2 . Die Schäden können auch auf indirekte Weise verursacht werden, indem auf die technischen Funktionen von Satelliten i n der Umlaufbahn oder von Raketen i n der Aufstiegsphase eingewirkt wird. Unter Einwirkung ist dabei sowohl die Zerstörung der gegnerischen Waffensysteme 13 als auch die Nutzbarmachung des EMP-Effekts zu verstehen 14 . Durch die Zerstörung von C 3 -Systemen oder von Leitsystemen der Raketen ist dabei mit Schäden bei der Zivilbevölkerung zu rechnen, die durch Explosionen der Raketen oder dem Ausfall technischer Geräte entstehen. 2. Der Begriff des „air warfare" und die Einbeziehung des Weltraumes Eine Einbeziehung der Weltraumaktivitäten i n den Anwendungsbereich des Protokolls könnte mit der Verwendung des Begriffs „air warfare" gegeben sein. Traditionell w i r d m i t dem Begriff des L u f t krieges sowohl die Einwirkung auf Objekte und Personen aus der L u f t als auch die Durchführung von Kampfmaßnahmen gegen feindliche Flugzeuge i n der L u f t verbunden 15 . Die Bombardierung von militärischen Objekten i m Hinterland des Gegners hat sich dabei zum Kernbereich der Luftkriegsführung entwickelt. Die rechtliche Regelung dieser A r t von Kampfhandlungen muß i m Vergleich mit der Bedeutung, die die Luftkriegsführung durch tech12 Dies setzt allerdings voraus, daß die Grenzziehung zwischen L u f t - u n d Weltraum die Entstehung von „global f a l l - o u t " überhaupt zuläßt. Z u m A b grenzungsproblem grundlegend siehe Kish, S. 42; Ogunbanwo, S. 50; zur neuesten Entwicklung Benkö, S. 338, 339 m. W. N. 13 Das i n den Vereinigten Staaten diskutierte „ H i g h Frontier"-System geht von einer Zerstörung der Raketen i n der Aufstiegsphase aus, vgl. I H T 24. März 1983, s. Report of the Secretary of Defense Caspar W. Weinberger to the Congress . . . , E A 1983, D 464. 14 Vgl. zum E M P - E f f e k t oben Erster T e i l A I 4. 15 Castrén, The Present L a w of War and Neutrality, S. 385; vgl. Berber, Bd. I I , S. 180, 181.

E. Der unterschiedslose A n g r i f f nach A r t . 51 Abs. 4 u n d 5

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nische Innovationen erhalten hat, als rudimentär angesehen werden 16 . Spezielles Vertragsrecht zur Luftkriegsführung existiert nicht. Die Haager Luftkriegsregeln von 1923, die eine erhebliche Verbesserung der rechtlichen Situation bewirkt hätten, sind nicht i n Kraft getreten. Die IV. Deklaration zur Haager Konvention von 1907 hat wegen ihres eingeschränkten Anwendungsbereichs i n der Staatenpraxis wenig Bedeutung erlangt 17 . Obwohl das humanitäre Vertragsrecht bis zur Unterzeichnung des I. Protokolls keine spezifischen Regeln für den Luftkrieg bereitstellen konnte, blieb diese Kriegführungsart nicht frei von rechtlichen Restriktionen. Für die Luftkriegsführung gelten die Rechtsgrundsätze, die für alle Arten der Kriegführung angewendet werden, so auch insbesondere das Unterscheidungsprinzip 18 . Die Anwendbarkeit der allgemeinen Prinzipien auf die Luftkriegsführung hat dazu geführt, auch ballistische Raketen, die für ihren Zielanflug den Weltraum benutzen, an diesen allgemeinen Prinzipien zu messen19. Greenspan, der seine Ausführungen vor Abschluß des Weltraumvertrages gemacht hat, geht sogar von einer Anwendbarkeit der Prinzipien beim Abschuß der Raketen von Plattformen i m Weltall aus 20 . Wenn auch i n diesen Fällen die Raketen nicht vom Boden aus gestartet werden und damit eine Analogie mit Flugzeugen oder „Artillerie mit besonders großer Reichweite" ausscheidet, so behalten sie trotzdem ihren Charakter als „particular means of conducting hostilities" 2 1 . Aus dem Wortlaut des Art. 49, dem systematischen Zusammenhang und dem Ziel und Zweck der Vorschriften w i r d die Einbeziehung auch neuerer Weltraumkampftechniken, soweit sie die Zivilbevölkerung betreffen, i n den Anwendungsbereich des Protokolls deutlich. 16

Vgl. Rousseau, S. 357—359. Vgl. Berber, Bd. I I , S. 180, 181; Rosenblad, International H u m a n i t a r i a n L a w , S. 134. 18 Rousseau, S. 359; vgl. von der Heydte, A i r Warf are, S. 7; Greenspan, S. 354; vgl. auch Bruha, Bombardement, S. 55; die Feststellung de Saussures über die Probleme der Luftkriegsführung: „The first of these dilemmas is the permissible scope of the m i l i t a r y objective. Inherent i n this problem is whether i n air warfare, there is a realistic distinction to be made between combatants and non combatants", zeigt, daß nicht die Übernahme des Unterscheidungsprinzips i n das Luftreòht sondern seine rechtliche Abgrenzung große Schwierigkeiten bereitet, de Saussure, The Laws of A i r Warfare, S. 532. 19 Greenspan, S. 366. 20 Ibid., vgl. aber auch Berber, der i n Bezug auf den Begriff des Kriegsgebiets eine bedenkliche Lücke sieht, Berber, Bd. I I , S. 116; zu den Verboten des Weltraumvertrages insbesondere i m Hinblick auf die ballistischen Raketen s. Christol, S. 58; Brennan, S. 145. 21 So ausdrücklich f ü r die Luftkriegsführung, Greenspan, S. 364. 17

7*

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

Der Verwendung der Begriffe „land, air and sea warfare" könnte bei isolierter Betrachtung ein Ausschlußcharakter beigemessen werden 22 . Der Zusammenhang mit „which may affect the civilian population" deutet aber darauf hin, daß alle Kriegführungsarten i n ihrer Wirkung auf die Zivilbevölkerung an Land erfaßt werden sollten 23 . Warum dabei nicht auf die speziellen Begriffsbestimmungen für die Kriegführung verzichtet worden ist und eine generelle Begriffsbestimmung gewählt wurde, ergibt sich aus dem darauffolgenden Satz. Dort werden die Fälle der See- und Luftkriegsführung geregelt, die keine Auswirkungen auf Objekte an Land haben. Die Aufführung spezifischer Kriegsführungsarten i m 1. Satz dient zur Verdeutlichung der Einschränkung der Regeln des Protokolls für Angriffe auf Objekte an Land und als A b grenzung für die Fälle des 2. Satzes. Für Angriffe gegen Schiffe auf See oder Flugzeuge i n der L u f t sollen nach Abs. 3 Satz 2 weiterhin nur die Gewohnheitsrechtssätze gelten 24 . Der erste Satz des 3. Absatzes regelt somit i n umfassender Weise die Angriffe gegen die Zivilbevölkerung an Land, während der zweite Satz Einschränkungen des Anwendungsbereichs für die L u f t - und Seekriegsführung, soweit sie sich auf diese Räume beschränken, enthält. Wenn es also der Zweck des Abs. 3 ist, den Schutz der Zivilbevölkerung an Land zu gewährleisten, muß unter Berücksichtigung des Grundes für die Aufführung spezieller Kriegsführungsarten auch die Weltraumkriegsführung von A r t . 49 Abs. 3 erfaßt sein 25 . I I I . Die Herleitung von Aussonderungsargumenten

I n der Beurteilung der Wortlautinterpretation der Abs. 4 und 5 i m Zusammenhang mit den anderen Vertragsvorschriften sind sich einige Befürworter und die Gegner eines Einsatzverbots für Nuklearwaffen einig 26 . Meyrowitz stellt das Ergebnis dieses Prüfungsteils folgendermaßen fest: 22

Z u m Text des A r t . 49, s. i n diesem Abschnitt Fn. 5. Kaishoven, „ . . . the conference d i d not even contemplate the possibility of m a k i n g different sets of rules, say, for traditional land warfare, air w a r fare, guerilla warfare . . . the rules i t designed were . . . expected to be applicable to a l l these different types of warfare", Ralshoven, Reaffirmation and Development, S. 109. 24 s. m i t Hinweis auf die Konferenzgeschichte Soif, i n : Bothe/Partsch/Solf, New Rules, S. 290. 25 Draper: „The Protocol purports to give a comprehensive definition of 'indiscriminate attacks' i n all forms of warfare", Draper, Indiscriminate Attack, S. 219. 28 Vgl. Randelzhofer, Das Kriegsrecht zwischen Bewahrung u n d Veränderung; von der Heydte, Humanisierung des Kriegsrechts, S. 553; Goeckel, S. 32; Graefrath, Z u m Anwendungsbereich der Ergänzungsprotokolle, S. 138; w o h l 23

E. Der unterschiedslose A n g r i f f nach A r t . 51 Abs. 4 u n d 5

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«Rien absolument rien, dans le texte d u Protocole I n'indique que les prescriptions et les interdictions q u i y sont formulées ne s'appliquent pas aux armes nucléaires.» 27

Diese Bemerkung erfordert deshalb besondere Beachtung, da sie die Ausgangsposition der Befürworter einer Einschränkung des Einsatzverbots illustriert. Folgt man dem Ergebnis der Wortlautinterpretation i m Kontext der anderen Vertragsvorschriften, ist die Begründung für die Nichtanwendbarkeit der Abs. 4 und 5 auf die Nuklearwaffen nur mittels eines Ausklammerungsarguments 28 zu gewinnen. Über die Zulässigkeit, Herleitung und W i r k u n g dieser Ausklammerung i m Rahmen der Interpretationsregeln der W V K bestehen unterschiedliche, z. T. konträre Meinungen. I n wenigen Stellungnahmen werden die Aussonderungsgründe organisch i n das System der Auslegungsregeln der W V K eingebettet. A n vielen Stellen werden politische Begriffe m i t rechtlichen Argumenten vermischt oder der Wert von zusätzlichen Auslegungsmitteln i m Normensystem verkannt. Vorab soll deshalb das Bündel der i n der Diskussion befindlichen Ausklammerungsbegründungen aufgelistet werden. Eine Anwendbarkeit der Verbote i n den Abs. 4 und 5 auf Atomwaffen soll ausgeschlossen sein, weil — durch die Vertragsparteien von vornherein ein Ausschluß der Kernwaffenproblematik aus dem Protokoll vereinbart worden sei, — Erklärungen der Kernwaffenmächte während und beim Abschluß der Konferenz i m Zusammenhang mit den Reaktionen der anderen Vertragsstaaten einen Ausschluß der Kernwaffen aus dem Regelungsbereich des Protokolls bewirkt habe, — auf der Genfer Konferenz nie über Nuklearwaffen verhandelt worden sei, — durch die Einleitung des I K R K zum Protokollentwurf die Kernwaffenproblematik aus dem Protokoll herausgenommen worden sei, — das Rüstungskontrollregime eine Regelung von Nuklearwaffen i n humanitären Verträgen ausschließe, auch Aldrich, New L i f e for the Laws of War, S. 780; Cassese, Means of Warfare, S. 155; Gierycz, S. 69, 70; Rosas i n seiner Aussage k l a r : Rosas, I n ternational L a w and the Use of Nuclear Weapons, S. 87; Rosenblad, I n t e r national H u m a n i t a r i a n L a w , S. 51; Seidl-Hohenveldern, S. 412; Rauschning, Nuclear Warfare, S. 49. 27 Meyrowitz, Stratégie nucléaire, S. 913, 914. 28 Die S t r u k t u r der Argumente hätte Pilloud nach seiner Aussage: Les Protocoles additioneis . . . ne font aucune allusion aux armes nucléaires" zum gleichen Ergebnis bringen müssen, w i e es Randelzhofer feststellt, s. P i l loud, S. 172.

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 und der Nuklearwaffeneinsatz

— die nachfolgende Praxis eine Interpretation mit dem Ausschluß der Nuklearwaffen bestätige, — die Vollmacht der Staatenvertreter zum Abschluß der Protokolle nicht die Nuklearfrage umfaßt habe, — die Einbeziehung der Nuklearwaffen i n das Verbot der Abs. 4 und 5 offensichtlich absurd und vernunftwidrig sei 29 . Bringt man diese Argumente in Zusammenhang m i t den Regelungen der A r t . 31, 32 W V K , so ist festzustellen, daß einige der vorgebrachten Gründe an mehreren Stellen der Interpretationsabfolge von Bedeutung sein können. Die Einordnung und Bewertung der Gründe w i r d deshalb i m folgenden strikt auf das sich an die Wortlautinterpretation anschließende Instrumentarium der A r t . 31, 32 W V K ausgerichtet sein. 1. Die Berücksichtigung des Kontexts nach Art. 31 Abs. 2 WVK für die Interpretation des Art. 51 Für K . Ipsen werden nach dem Wortlaut, dem systematischen Ineinandergreifen und dem Regelungszweck der relevanten Vorschriften auch Nuklearwaffen vom Verbot des unterschiedslosen Angriffs erfaßt 80 . Durch die Konzentration Ipsens auf den klaren Wortlaut und auf das systematische Ineinandergreifen der Vertragsvorschriften könnte man den Eindruck gewinnen, andere zum Kontext gehörende M i t t e l seien bei der Interpretation außer acht zu lassen. Solf hat dann auch i n seiner Kommentierung zu Art. 35 des Protokolls auf die Notwendigkeit hingewiesen, den A r t . 31 Abs. 2 a W V K für die Interpretation des I. Zusatzprotokolls fruchtbar zu machen 31 . M i t dem ausdrücklichen Hinweis darauf, daß die Entscheidung für ein Nuklearwaffeneinsatzverbot gegen die Konferenzgeschichte gefällt worden sei, unterstellt er den Befürwortern des Verbots eine Außerachtlassung wesentlicher, i n der W V K enthaltener Regeln. Einen Eindruck in ähnlicher Richtung erzeugt Rauch, wenn er nach der Aufzählung und Interpretation der relevanten Vertragsvorschriften feststellt: „Pour Ipsen, c'est la fin de V interprétation ® 2."

29 s. dazu Kimminich, Der Einfluß des humanitären Völkerrechts auf die Kernwaffenfrage, S. 420; Randelzhofer, Das Kriegsrecht zwischen Bewahrung u n d Veränderung, S. 734; sowie die Hinweise bei der Besprechung der A r g u mente. 30 Ipsen, i n : Bothe/Ipsen/Partsch, Die Genfer Konferenz über humanitäres Völkerrecht, S. 43. 81 Solf, i n : Bothe/Partsch/Solf, New Rules, S. 191. 82 Rauch, L'emploi d'armes nucléaires, S. 10.

E. Der unterschiedslose A n g r i f f nach A r t . 51 Abs. 4 u n d 5

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2. Der Wert des Art 31 Abs. 2 WVK im System der Auslegungsvorschriften Folgt man dem Wortlaut des A r t . 31, so bewirkt die Benutzung des Begriffs „context" i n beiden Absätzen die Inkorporation der i m 2. Abs. genannten M i t t e l i n die generelle Auslegungsregel des 1. Absatzes. Die I L C hat diese Verbindung besonders hervorgehoben, indem sie den Auslegungsvorgang als einen „einheitlichen" Vorgang, als „single combined operation" aufgefaßt hat 8 3 . Die klare Aussage der W V K für die gleichrangige Beachtung der i n A r t . 31 Abs. 2, 3 genannten Auslegungsmittel scheint auf den ersten Blick der K r i t i k an der Feststellung Ipsens und anderer 84 Recht zu geben. Solf und auch Rauch übersehen jedoch, i n welcher Weise die Einbeziehung des Kontextes i n seiner Gesamtheit i n die Beurteilung eingeflossen ist. Darauf deutet bereits Ipsens Zitat aus dem Gutachten des I G H i m „Admission"-Fall hin: " I f the relevant words i n their natural and ordinary meaning make sense i n their context, that is an end of the m a t t e r . " 8 5

Der Kontext ist hier nicht i n einem engen, auf den Zusammenhang der Vertragsvorschriften beschränkten Sinne gebraucht. Zur Erläuterung seiner Feststellung verweist der I G H auf die Entscheidung des StIGH i m „Polish Postal Service "-Fall. Dort ist die Vorrangstellung der Wortlautinterpretation unter Einbeziehung des Wortzusammenhangs festgestellt worden, insoweit diese A r t der Interpretation nicht zu einem „absurden" oder „unvernünftigen" Ergebnis führt 8 6 . Die Bezugnahme auf den nur i n A r t . 32 W V K geregelten Fall dieser „absurden" und „unvernünftigen" Wortlautinterpretation zeigt, daß eine Einengung der Interpretation auf solche Auslegungsmittel beabsichtigt war, die nicht zu den „traveaux préparatoires" gehören. Die i n den Abs. 2 und 3 des A r t . 31 W V K aufgeführten Auslegungsinstrumente zählen nicht zu den vorbereitenden Arbeiten und werden deshalb bereits auch vom Zitat des I G H mit dem von i h m dort verwendeten „context"-Begriff erfaßt. I n seiner Stellungnahme gibt Ipsen aber auch selbst den Hinweis auf die Berücksichtigung der Konferenzerklärungen i n seinem Urteil. Als 88

I L C - K o m m e n t a r zu A r t . 31, s. Wetzel/Rauschning, S. 252. Insbesondere Graefrath hat i n einer längeren Stellungnahmen die A r gumentation Ipsens nachvollzogen, Graefrath, Z u m Anwendungsbereich der Ergänzungsprotokolle, S. 138; Goeckel, S. 32; von der Heydte, Humanisierung des Kriegsrechts, S. 553; vgl. auch K i m m i n i c h , Schutz der Menschen, S. 264, 265. 85 I C J Reports 1950, S. 8. 86 P C I J Series Β . No. 11, S. 39. 84

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

Grundlage für seine Entscheidung w i r d neben dem eingangs aufgeführten systematischen Zusammenhang der Vertragsvorschriften der objektive Auslegungsansatz genannt. Die objektive Auslegungslehre t r i f f t ihre Interpretationsentscheidung unter Heranziehung des Kontexts und der i h m gleichgestellten, vertragsexternen Auslegungsgegenstände 37 . Die Einordnung der Erklärungen der Vereinigten Staaten und Großbritanniens als zur Entstehungsgeschichte gehörig macht damit den von Ipsen vollzogenen Wertungsprozeß bezüglich ihrer Brauchbarkeit für den Kontext nach Art. 31 Abs. 2 a W V K deutlich. Die kurzen Stellungnahmen zum Kontext i n den meisten Besprechungen zu A r t . 51 38 dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß eine fundierte Bewertung der Nuklearwaffenproblematik den Kontext gemäß A r t . 31 Abs. 2 a W V K i n dem von der W V K geforderten Umfang i n die Untersuchung miteinbeziehen muß. Ob die Überlegungen zum Kontext schließlich die Feststellung Ipsens und der anderen Stimmen i m Schrifttum tragen, w i r d die inhaltliche Analyse der vorgebrachten Argumente zeigen. Dabei sollen unter Zugrundelegung der Feststellung Sinclair's " . . . no w o u l d be interpreter of a treaty, whatever his doctrinal point of departure, w i l l deliberately ignore any material which can usefully serve as a guide towards establishing the meaning of the t e x t . . . " 3 9

alle vorgebrachten Interpretationsindizien gewürdigt werden. I V . Die Herleitung der Ausschlußvereinbarung

1. Die terminologischen

Probleme

Von den Gegnern eines Nuklearwaffeneinsatz Verbotes w i r d unter Hinweis auf die Konferenzgeschichte eine Vereinbarung der Vertragsstaaten über den Ausschluß der Nuklearwaffen aus dem Anwendungsbereich des Protokolls behauptet 40 . Insofern der Ausschluß terminologisch fixiert wird, benutzten die Gegner des Nuklearwaffeneinsatzverbots die Begriffe des „consensus" 41 , des „understanding" 4 2 oder der 37

Lagoni, i n : Menzel/Ipsen, Völkerrecht, S. 319. I n kürzeren Beiträgen s. Rosas, International L a w and the Use of Nuclear Weapons, S. 87; ders., Negative Security Assurances and Non-Use of Nuclear Weapons, S. 202, 203; K i m m i n i c h hat sich i n zwei längeren Beiträgen nicht definitiv zur Lösung der Nuklearwaffenproblematik durch das I. Protokoll geäußert, K i m m i n i c h , Schutz der Menschen, S. 262; ders., Der Einfluß des humanitären Völkerrechts auf die Kernwaffenfrage, S. 423; Rousseau, S. 127. 39 Sinclair, S. 72. 40 Baxter, Modernizing the L a w of War, S. 179; Bretton, Remarques générales sur les traveaux de la conférence de Genève, S. 216; F u r e t / M a r t i n e z / Dorandeau, S. 98; Ralshoven, Reaffirmation and Development, S. 109; K r ü g e r Sprengel, Soldat u n d Kriegsvölkerrecht, S. 221, 222; Randelzhof er, Das Kriegsrecht zwischen Bewahrung u n d Veränderung, S. 734; Verri, S. 322. 38

E. Der unterschiedslose A n g r i f f nach A r t . 51 Abs. 4 u n d 5

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„ s i l e n t p r e m i s e " 4 3 . D i e z u r B e g r ü n d u n g f ü r d e n Ausschluß herangezogen e n Ereignisse d e r Konferenzgeschichte umfassen d a b e i e i n e n z e i t l i c h e n u n d sachlichen R a h m e n , d e r das ganze S p e k t r u m der A u s l e g u n g s m i t t e l nach A r t . 31 u n d 32 W V K u m f a ß t . E i n e A n a l y s e d e r v e r w e n d e t e n T e r minologie u n d i h r e r Inhalte soll klären, an welcher Stelle u n d m i t w e l c h e r B e d e u t u n g die v o r g e b r a c h t e n A r g u m e n t e b e w e r t e t w e r d e n müssen. Z u Recht h a t R a u c h d i e u n k l a r e n F o r m u l i e r u n g e n v o n M e y r o w i t z z u m B e g r i f f des „consensus" i n dessen f r ü h e n S t e l l u n g n a h m e k r i t i s i e r t 4 4 . I n seinen n e u e r e n A r b e i t e n 4 5 h a t M e y r o w i t z p r ä z i s i e r t , was e r m i t d e m B e g r i f f „consensus" v e r b i n d e t : «Ce terme est naturellement employé ici non pas dans le sens récent de procédé d'adaption sans vote et sans apposition d'un texte — résolution ou convention —, mais dans son sens matériel, celui d'accord de volonté non officialisé comme tel dans u n instrument.» 4 6 M i t dieser B e g r i f f s e r l ä u t e r u n g ist n u n k l a r g e s t e l l t , daß e r seine A r g u m e n t a t i o n n i c h t auf d e n „ c o n s e n s u s " - T e i l des f o r m e l l e n Z u s t i m m u n g s v e r f a h r e n s a u f der G e n f e r S t a a t e n k o n f e r e n z s t ü t z t 4 7 . A l d r i c h scheint a u f d e n e r s t e n B l i c k die W i l l e n s ü b e r e i n s t i m m u n g d e r V e r t r a g s p a r t e i e n n i c h t a n d e m B e g r i f f des „consensus" festmachen z u wollen. Die Feststellung: " i t was the understanding of the U n i t e d States Delegation throughout the conference t h a t the rules to be developed were designed w i t h a v i e w to conventional weapons . . . w e made this understanding several times during the conference." 48 41 Meyrowitz, Stratégie nucléaire, S. 910; ders., Le statut des armes, S. 229; Ralshoven, Proceedings of the American Society of International L a w 1980, S. 203. 42 s. Boyd, S. 406; Aldrich, New Life for the Laws of War, S. 781. 43 Draper, The Emerging L a w , S. 11. 44 Rauch: Les expressions donnent quelque fois l'impression que Meyrowitz mélange volonté contractuelle, intention, décision intentionelle d'un coté, et silence passif de l'autre, sans q u ' i l puisse apporter la preuve, qu'ici i l est permis d'appliquer le principe q u i tacet consentire videtur", Rauch m i t H i n weis auf die verwendeten Begriffe, L'emploi d'armes nucléaires, 1980, S. 25. 45 Meyrowitz, Le statut des armes, S. 25. 46 Ibid. 47 Rauch, der wegen der Begriffsvermischung Aussagen zum Procedere der Konferenz macht, k o m m t zum Ergebnis, daß Meyrowitz nicht zwischen dem materiellen und formellen „consensus" unterscheidet, Rauch, L'emploi d'armes nucléaires, S. 44, 45. Z u m Verfahren siehe Aldrich, Establishing Legal Norms, S. 10. 48 A l d r i c h hat die Vereinigten Staaten während der vierten Sitzungsperiode i n Genf vertreten. Das Z i t a t ist dem von i h m dem amerikanischen Außenminister am 8. September 1977 vorgelegten Report der amerikanischen Delegation entnommen, z. T. abgedruckt bei Boyd, S. 406.

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 und der Nuklearwaffeneinsatz

zeigt keine Tendenz, die anderen Vertragsparteien als Beteiligte des „understanding" anzusehen. I n einer späteren Stellungnahme heißt es dann aber i m Gegensatz dazu: „ . . . the conference . . . operated on the understanding" 49 . Die Kehrtwendung i n der Argumentation, die sich bereits hier i n der Bezugnahme auf die Konferenz zeigt, erfährt Bestätigung in einer von Aldrich durchgeführten Bewertung des Rechtserzeugungsprozesses auf der Genfer Staatenkonferenz. Darin stellt er fest, daß der „consensus approach" der Konferenz dem besonderen Bedürfnis des Kriegsrechts nach universaler Akzeptanz entgegenkomme 50 . Das Akzeptanzargument macht deutlich, daß es ihm nicht etwa nur auf das formelle „consensus"-Verfahren ankommt. Sieht man diese drei Äußerungen i m Zusammenhang, so muß auch Aldrich zu denen gerechnet werden, die, wenn auch nur hilfsweise, das „consensus"-Argument mittragen 5 1 . 2. Die Zweigleisigkeit

der

„consensus" -Argumentation

Die Feststellung Aldrichs zum Rechtserzeugungsprozeß auf der Konferenz verdeutlicht die Zweigleisigkeit des „consensus"-Arguments. M i t dem „consensus" könnte einmal eine zusätzliche Vereinbarung zum Vertrag gemäß A r t . 31 Abs. 2 a W V K gemeint sein. Die Bezugnahme auf den Begriff des materiellen „consensus" deutet aber auf eine andere zusätzliche A r t der Beweisführung hin. Da sich der „consensus" über den Vertragstext erst mit der Unterzeichnung sichtbar manifestiert, ist an die Behauptung eines textimmanenten, m i t der Konferenzgeschichte beweisbaren Nuklearwaffenausschlusses zu denken. Unzweifelhaft ist der Hinweis auf die bei der Unterzeichnung abgegebene Erklärung der Vereinigten Staaten und Großbritanniens der Versuch einer Beweisführung mit den Möglichkeiten, die A r t . 31 Abs. 2 a W V K bietet 52 . Für die Einbeziehung eines textimmanenten Nuklearwaffenausschlusses i n die Argumentation spricht eine ganze Reihe von Faktoren. Der Begriff des materiellen „consensus" ist nicht identisch mit den in A r t . 31 Abs. 2 a W V K verwendeten Begriff des „agreement". Der „consensus" ist mehr als nur eine mündliche Vereinbarung 58 . I m internationalen 49

Aldrich, New Life of the Laws of War, S. 781. Ders., Establishing Legal Norms, S. 12. Vgl. die Hinweise oben, Fn. 40; i n diesem Sinne ist auch Drapers Feststellung der „silent premise" zu verstehen. I n Bezug auf das Konferenzergebnis spriòht er ebenfalls von „consensus", Draper, The Emerging L a w , S.ll. 52 Baxter bezieht sich eindeutig n u r auf diese A r t der Beweisführung, B a x ter, Modernizing the L a w of War, S. 171. 58 Z u den verschiedenen Möglichkeiten der Feststellung von Willensübereinstimmung siehe V i r a l l y , S. 161. 50

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E. Der unterschiedslose A n g r i f f nach A r t . 51 Abs. 4 u n d 5

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Rechtsetzungsprozeß verbindet sich mit dem Begriff eine i m Hinblick auf den Inhalt und den Feststellungsprozeß besondere A r t der Willensübereinstimmung. Trotzdem benutzen Meyrowitz und Aldrich diesen Terminus, der nicht mit dem deutschen Wort „Konsens" gleichzusetzen ist 5 4 . Die terminologische Überlegung erfährt Unterstützung durch die Voraussetzungen eines „agreement" nach Art. 31 Abs. 2 W V K . Die i n A r t . 31 W V K bezeichneten Elemente der Vertragsinterpretation beziehen sich alle auf einen Zeitraum, der nicht weiter zurückreicht als bis zum formellen A k t des Vertragsabschlusses 55 . Für die Behauptung einer Zusatzvereinbarung kommt es entscheidend auf die Willensübereinstimmung bei und nach Vertragsschluß an. Der Rückgriff auf die Konferenzgeschichte kann dabei nur hilfsweise gemäß Art. 32 W V K i n die Interpretation einbezogen werden. Die umfangreiche und erkennbar nicht als Hilfsargument vorgebrachte Bezugnahme auf Stellungnahmen vor und während der Konferenz, macht nur dann Sinn, wenn damit ein textimmanenter Ausschluß bewiesen werden soll 56 . I n der Überprüfung des „consensus"-Vorbringens sind damit auch diejenigen Stimmen i m Schrifttum einzubeziehen, die nicht den Begriff „consensus" benutzen, ihre Argumentation aber hauptsächlich auf die Ereignisse während der Konferenz beziehen 57 . Ein weiteres gewichtiges Argument ist aus der Stellungnahme Aldrichs zum Rechtserzeugungsprozeß auf der Genfer Staatenkonferenz zu entnehmen 58 . Wie er behauptet, ist der „consensus approach" der Konferenz dem Bedürfnis des Kriegsrechts nach universeller Akzeptanz entgegengekommen 59 . I m Rahmen dieser Argumentation ist es nur 54 Randelzhofer u n d K i m m i n i c h verwendeten den Begriff Konsens, Randelzhofer, Das Kriegsrecht zwischen Bewahrung u n d Veränderung, S. 724; Kimminich, Der Einfluß des humanitären Völkerrechts auf die Kernwaffenfrage, S. 420, vgl. zum Begriffsinhalt von „consensus" u n d „Konsens" K a r l , S. 147 ff. 65 s. Brownlie, International L a w , S. 606, 607, vgl. Kaishoven, „there was a consensus at the Diplomatic Conference", Ralshoven, Proceedings of the American Society of International L a w 1980, S. 203. 5e Vgl. die Behauptung Aldrichs „the conference operated on the understanding", damit ist die gesamte Konferenzarbeit umfaßt, Aldrich, New Life for the Laws of War, S. 781 ; vgl. Reismann, der sich m i t dem Rechtsetzungsprozeß auf UNCLOS I I I auseinandergesetzt hat. Er sieht unter Bezugnahme auf die Seerechtskonferenz die Möglichkeit eines textimmanenten „consensus" u n d eines zusätzlichen „agreements"; zur Frage des Transits durch Meerengen schreibt er: „ I f i t is a conference — w i d e understanding that is documented and/or incorporated b y reference through a general provision, then it is a telling point", Reismann, S. 75. 57 Vgl. die oben i n Fn. 40 genannten. 58 Aldrich, Establishing Legal Norms, S. 12, 13. 59 Ibid.

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

schwerer verständlich, warum gerade für den Bereich, für den von den Befürwortern des Nuklearwaffenausschlusses universelle Akzeptanz gefordert wird 6 0 , sich die Konferenz auf Zusatzvereinbarungen mit all ihren Unwägbarkeiten verlassen haben soll. 3. Das „consensus agreement " a) Die Grundlagen des „consensus" Die rechtstheoretische Diskussion über den Willensbildungsprozeß i n Internationalen Organisationen und auf Staatenkonferenzen hat Mitte der 60er Jahre unter Rückgriff auf das i n den Unter- und Sonderorganisationen der Vereinten Nationen i n der Entstehung begriffene „consensus"-Verfahren begonnen 61 . Das bis dahin übliche Abstimmungsverfahren mit der Notwendigkeit, qualifizierte Mehrheiten zu schaffen, hatte sich für die Zwecke der Vereinten Nationen, nämlich universell akzeptierbare Entscheidungen und Empfehlungen zu schaffen, i m Laufe der Zeit als inadäquat erwiesen. A u f diesen Zustand hatte Jenks bereits 1951 wie folgt hingewiesen: " T h e v o t i n g procedures of the United Nations, w h i c h are based on the m a j o r i t y principle qualified by the requirements of special majorities for certain purposes and by the operation of a veto, have i n present political circumstances produced a situation i n which power is frequently divorced f r o m responsibility." 6 2

Ziel und Zweck der wissenschaftlichen Diskussion war es, die von Jenks angesprochenen machtpolitischen Überlegungen beim Willensbildungsprozeß i n Internationalen Organisationen oder auf Staatenkonferenzen einzuschränken. Die Beteiligung der bei einer Abstimmung zu erwartenden Minderheitsgruppe 68 an der Formulierung der Entscheidung sollte für eine Ausbalancierung des Gemeinschaftsinteresses und der Einzelinteressen sorgen. M i t der Auflösung des Interessengegensatzes verband sich die Erwartung, den Rechtsbefolgungsmechanismus für Resolutionen von Internationalen Organisationen oder Vertrags60 Die universelle Akzeptanz ist einer der Begründungspfeiler f ü r den Nuklearwaffenausschluß, Meyrowitz: „ E t peut on penser que les délégations de ces Etats aient adopté le Protocole, et que leurs gouvernements l'aient signé, s'il leur avait p a r u que l'instrument renfermait effectivement une telle interdiction implicite . . . " , Meyrowitz, Le statut des armes, S. 229. β1 Jenks, Unanimity, Weighed Voting, S. 55/56; Lacharrière, S. 9—14. 62 Jenks, The Common L a w of Mankind, S. 174; s. zum Abstimmungsverhalten i n der U N : Kaufmann, S. 127—134; zum Verhalten der D r i t t e W e l t Staaten, Kearny, S. 508; s. auch Cassan, S. 457. 83 Cassese, „ . . . the prospective m i n o r i t y becomes involved i n the decision m a k i n g process and can therefore see to i t that its interests and concerns are safeguarded. I t fosters negotiation and compromise", Cassese, Consensus and some of its Pitfalls, S. 755.

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texten von Staatenkonferenzen zu stärken. Die Beteiligung aller an der Regelungsmaterie interessierten Staaten an der Ausarbeitung der Lösung schien der Entscheidung eine breitere Autoritätsbasis zu garantieren 64 . Zur Erreichung dieses Ziels schien das „consensus"-Verfahren die geeigneten Veränderungen der Willensbildungsmodalitäten zu bewirken 65 . Ausschlaggebend für diesen Eindruck sind der formelle und der substantielle Teil des „consensus", die Monnier so beschrieben hat: «a) u n accord général; b) cet accord n'est pas forcément unanime; c) le consensus se manifeste sans vote.» 6 6

Diese Definition von Monnier läßt bereits die Eigenheiten des „consensus" -Verfahrens erkennen. Der materielle Gehalt der Willensübereinstimmung w i r d nicht durch eine Abstimmung i m Sinne einer Alternativentscheidung von umfassender Zustimmung festgelegt. Trotzdem spielt die Verfahrensgestaltung bei der Festlegung des Inhalts eine wichtige Rolle. Sie erlangt immer dann Bedeutung für die Bildung des „accord général", wenn sie über einen bloßen technischen Ersatz des Abstimmungsvorganges hinausgeht. Dies ist immer dann der Fall, wenn durch Verfahrensvorschriften die Materialisierung des „consensus" gefordert werden soll. A u f dem Gebiet der Verfeinerung der Verfahrensvorschriften haben sich seit 1945 die größten Fortschritte ergeben. Z u Beginn der Debatte über die Verbesserung der Entscheidungsmechanismen sind i n Internationalen Organisationen verschiedene Arten von Sonder- und Neuabstimmungen über strittig gebliebene Punkte eingeführt worden 67 . Das vom Governing Body der I L O praktizierte Verfahren, einen Konsens durch Diskussion herzustellen und i h n durch den Präsidenten i n einer von i h m als adäquat erachteten Form festhalten zu lassen, hat diese A r t der Konfliktlösung verdrängt. I n zahlreichen Variationen ist er zum Muster der sich daran anschließenden Entwicklung i n Internationalen Organisationen geworden 68 . 64 Nach V i t z t h u m spiegelt die zunehmende A n w e n d u n g des Konsensverfahrens die Heterogenität der Völkerrechtsgemeinschaft wider, Vitzthum, Friedlicher Wandel, S. 145; Buzan schreibt bezüglich der UNCLOS I I I - R e g e l n : „Consensus procedures are the most obvious forms for the pursuit of interdependence policies", Buzan, S. 329. 66 Jenks: „ A further extension of the practice of proceeding by consensus w o u l d be a healty development and may be achieved by wise guidance . . . " , Jenks, U n a n i m i t y , Weighed Voting, S. 57. 66 Monnier, S. 38; s. aber auch die E r k l ä r u n g Rosennes zum „consensus" Procedere i n der Generalversammlung der UN, A : P V 2303, S. 43. 67 s. die Ausführungen bei Jenks, Unanimity, Weighed Voting, S. 57—61. 68 s. die Beispiele bei Buzan, S. 326, interessant ist hier insbesondere der Hinweis auf die Benutzung des „consensus"-Verfahrens auf der Disarma-

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

Seit d e r W i e n e r K o n f e r e n z ü b e r das V e r t r a g s r e c h t i s t das „consensus"V e r f a h r e n i m p r o z e d u r a l e n S i n n e als Ersatz f ü r das M a j o r i t ä t s p r i n z i p b e i d e r A b s t i m m u n g z u m festen B e s t a n d t e i l des K o d i f i k a t i o n s p r o z e s s e s auf internationalen Konferenzen geworden. Die Weltbevölkerungskonferenzen, d i e d r i t t e Seerechtskonferenz u n d d i e V o r b e r e i t u n g s konferenzen der UN-Waffenkonferenz haben darüber hinaus Signale f ü r die B i l d u n g des m a t e r i e l l e n „consensus" gesetzt. S o w o h l A r t . 37 d e r U N C L O S I I I V e r f a h r e n s v o r s c h r i f t e n 6 9 als auch die R e g e l n ü b e r d e n „consensus" a u f d e n V o r b e r e i t u n g s k o n f e r e n z e n f ö r d e r n die B i l d u n g des „ a c c o r d g é n é r a l " 7 0 . D u r c h e i n abgestuftes S y s t e m v o n D i s k u s s i o n s r u n d e n ment-Conference 1932; der Beginn einer rückläufigen Entwicklung könnte i n der Aufgabe des „consensus"-Verfahrens i m Weltraumausschuß der V e r einten Nationen liegen; s. dazu Böckstiegel i n der Buchbesprechung, The Modern International L a w of Outer Space, Z L W R 1982, S. 175. 60 UNCLOS Rules of Procedure on Decision-Making* Rule 37 (Requirements for Voting) 1. Before a matter of substance is put to the vote, a determination that a l l efforts at reaching general agreement have been exhausted shall be made by the m a j o r i t y specified i n paragraph 1 of rule 39. 2. Prior to m a k i n g such a determination the following procedures may be, invoked: (a) When a matter of substance comes up for voting for the first time, the President may, and shall i f requested by at least 15 representatives, defer the question of t a k i n g a vote on such matter for a period not exceeding 10 calendar days. The provisions of this sub-paragraph may be applied only once on the matter. (b) A t any time the Conference, upon a proposal by the President or upon motion by any representative, may decide, by a m a j o r i t y of the representatives present and voting, to defer the question of t a k i n g a vote on any matter of substance for a specified period of time. (c) D u r i n g any period of deferment, the President shall make every effort, w i t h the assistance as appropriate of the General Committee, to facilitate the achievement of general agreement, having regard to the over-all progress made on a l l matters of substance w h i c h are closely related, and a report shall be made to the Conference by the President prior to the end of the period. (d) I f by the end of a specified period of deferment the Conference has not reached agreement and i f the question of t a k i n g a vote is not further deferred i n accordance w i t h subparagraph (b) of this paragraph, the determination that a l l efforts at reaching general agreement have been exhausted shall be made i n accordance w i t h paragraph 1 of this rule. (e) I f the Conference has not determined that a l l efforts at reaching agreement had been exhausted, the President may propose or any representative may move, notwithstanding rule 36, after the end of a period of no less than five calendar days from the last prior vote on such a determination, that such a determination be made i n accordance w i t h paragraph 1 of this rule; the requirement of five days' delay shall not apply during the last t w o weeks of a session. 3. No vote shall be taken on any matter of substance less than t w o w o r k ing days after an announcement that the Conference is to proceed to vote. * U N Doc. A/CONF. 62/30/Rev. 2, at 8—10, 17 (1976). 70

Buzan bezeichnet die UNCLOS-Verfahrensvorschriften als „set of techniques . . . i n order to push the process of consensus formation", Buzan, S. 328, s. dazu A r t . 37 der UNCLOS Ill-Verfahrensvorschriften oben Fußn. 69.

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i n den verschiedenen Entscheidungsstadien werden die Konferenzteilnehmer zu stetiger Überprüfung ihrer Kompromißbereitschaft und A n passungsfähigkeit gezwungen. Der so erreichte „consensus" ist durch das gegenseitige Abschleifen von Auffassungen und stetige Annäherung der Ausgangspunkte gekennzeichnet. Der Angleichungsprozeß birgt die Frage i n sich, von welcher Struktur und Qualität der auf diesem Wege gewonnene „accord général" sein kann. b) Die Struktur und Qualität des „consensus" Wie Onuf schreibt, ist der „consensus" eine unbestimmte Konzeption und mehrdeutiger Begriff 7 1 . I n seiner ursprünglichen lateinischen Form bedeutet „consensus" soviel wie „agreement", „accord", „sympathy" oder „common feeling". Auch heute noch w i r d dem Wort mehr die Bedeutung von Harmonie, Co-operation und Sympathie beigelegt als von einer präzisen Form der Entscheidung 72 . D'Amato hat dies mit den Worten beschrieben: " i n common usage 'consent' implies active agreement w h i l e 'consensus' refers to shared or sympathetic beliefs." 7 3

Der Begriff des consensus ist i n d'Amatos Sicht von seiner Wortbedeutung her eine Entscheidungsform, die nicht i n allen Punkten eine identische Übereinstimmung mit den anderen Vertragspartnern signalisiert. Unterstützung findet diese Wortanalyse durch die Vorschriften der W V K , die eine präzise Entscheidung i m Sinne einer Ja- oder NeinAlternative erfordern. Die A r t i k e l über die Vertragsbindung bauen so z. B. auf dem Begriff des von d'Amato genannten „consent" auf. Andere Stimmen i m Schrifttum stellen bei der Beschränkung des „consensus"- Inhalts auf einen anderen Gesichtspunkt ab. Ihrer Ansicht nach ist das Unterlassen von Einwendungen — no-objection — der wesentliche Bestandteil des „consensus"-Begriffs 74 . Beide Ansichten widersprechen sich nicht, sondern legen die Bedeutung nur auf unterschiedliche Aspekte des „consensus"-Begriffes. Ohne eine grundsätzliche Übereinstimmung i n einem oder mehreren Punkten erzielt zu haben, ist eine Zustimmung durch das Unterlassen von Einwendungen nicht möglich. Andererseits impliziert eine no-objectionZustimmung nicht den mit einer „consent"-Entscheidung verbundenen Absolutheitsanspruch 76 . 71

Onuf, S. 350. Vgl. dazu die Begriffserläuterungen bei K a r l , S. 145; ferner d'Amato, On Consensus, S. 107. 73 d'Amato, On Consensus, S. 110. 74 s. zum no-objection-Bestandteil, Suy, S. 269; Vitzthum, Verfahrensgerechtigkeit i m Völkerrecht, S. 743; Rauch, Attack Restraints, S. 58. 72

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

Für die Struktur des „consensus" ist somit folgendes festzuhalten. Sie besteht aus der Festlegung einer gemeinsamen Ausgangsbasis 78 für die „shared or sympathetic belief" existiert. Die Substanz der Willensübereinstimmung findet ihren Ausdruck i m Vertragstext. Zusätzlich w i r d wegen der über die gemeinsame Ausgangsbasis hinausgehenden Schlußfolgerungen auf die Geltendmachung von Einwendungen verzichtet, ohne gerade deshalb eine rechtliche Bindung für diese Punkte eingehen zu müssen 77 . Die Herausbildung dieses so aufgebauten „consensus" erfordert eine Bewußtseinsbildung bei den Vertragsparteien über die gemeinsame Ausgangsbasis und die strittigen außer acht zu lassenden Probleme. Der Aussonderungsprozeß der nicht i n den „consensus" einzubeziehenden Probleme schlägt sich i m Vertragstext nieder. Sind die mit der Festlegung der gemeinsamen Basis verbundenen Probleme vielfältig, w i r d die Entscheidung besonders vage und unklar bleiben müssen. Den Vertragsparteien bleibt so die Möglichkeit, trotz der Zustimmung zum Text durch die Nichterhebung von Einwendungen die bewußt offengehaltenen Lücken der Regelung durch Interpretationserklärungen und Vorbehalte abzudecken 78 . Die hier vorgelegte Strukturbeschreibung erfährt ihre Bestätigung durch die Praxis Internationaler Organisationen 79 und durch die Benutzung des „consensus"-Verfahrens auf Internationalen Konferenzen. Die i m „consensus"-Verfahren i n der Generalversammlung der U N angenommenen Resolutionsvorschläge über die neue Weltwirtschaftsordnung zeigen, welche Bedeutung der „Offenhaltung" des Textes zukommt. Der Präsident der Generalversammlung hatte die zwei Resolutionsvorschläge als angenommen erklärt 8 0 und gleichzeitig darauf hin75 Vignes: „consensus does not i m p l y unanimity, but a very considerable convergence of opinions and the absence of any delegations i n strong disagreement, however few i n number", Vignes, S. 124; vgl. auch Ballreich, S. 5, 6. 76 Sperduti verwendet dafür den Begriff „substance of the act", während Haemmerli v o m „lowest common denominator" spricht, siehe dazu Sperduti, S. 32; Haemmerli, S. 338. 77 s. Sperduti, S. 36; Frankreich hat m i t seiner E r k l ä r u n g v o m 8. J u n i 1977 klargestellt, daß das consensus-Verfahren der Konferenz diesen I n h a l t hatte: „ I f there is a consensus on Protocol I as a whole, the French delegation w i l l not oppose the procedure but w i l l maintain a l l the reservations which i t has just expressed . . . " OR, Vol. V I I , C D D H SR 56, S. 194. 78 Sperduti: "The tendency should, i n brief, be towards reaching a correct balance between the collective interest which benefits f r o m the unanimous acceptance of the substance of the act — and the i n d i v i d u a l interest, which can, on certain points and by means of reservations and statements as to interpretation, make the act have a different scope for each state", Sperduti, S. 37. 79 Vgl. zur Diskussion der Rechtsquelleneigenschaft des „consensus" Skubiszewski, S. 31 ff.

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gewiesen, daß einige S t a a t e n E r k l ä r u n g e n abgeben w ü r d e n . T r o t z d e r V o r b e h a l t s n a t u r e i n i g e r dieser E r k l ä r u n g e n w a r die ü b e r w ä l t i g e n d e A n z a h l der S t a a t e n d e r M e i n u n g , e i n „consensus" sei erreicht w o r d e n 8 1 . A u f ähnliche A r t u n d Weise w e r d e n seit M i t t e d e r 60er J a h r e E n t scheidungen i n F r a g e n d e r i n t e r n a t i o n a l e n W i r t s c h a f t s b e z i e h u n g e n d u r c h „consensus" getroffen. I m R a h m e n d e r U N C T A D h a t sich t r o t z d e r u n t e r s c h i e d l i c h e n w i r t s c h a f t l i c h e n Interessenlagen zwischen I n d u s t r i e n a t i o n e n u n d E n t w i c k l u n g s l ä n d e r n die H e r s t e l l u n g eines „ c o n sensus" als die beste A r t d e r E n t s c h e i d u n g s f i n d u n g erwiesen. A b e r auch f ü r diesen B e r e i c h h a t sich herausgestellt, daß die F e s t l e g u n g d e r Substanz i m m e r m i t e i n e m die V e r t r a g s p a r t e i e n n i c h t z u e n g festlegenden, R e s o l u t i o n s t e x t g e k o p p e l t ist. H a q u a n i h a t dies n a c h U n t e r s u c h u n g d e r U N C T A D - R e s o l u t i o n e n w i e f o l g t festgestellt:

80 " A t the end of the debate on the t w o resolutions, the President stressed at once that they had been adopted w i t h o u t objections", A / P V 2231, S. 62. 81 s. dazu Cassese, Consensus and Some of its Pitfalls, S. 756, 757; interessant i m Hinblick auf i h r Verhalten beim Abschluß des I. Protokolls sind die Erklärungen der Vereinigten Staaten u n d Großbritanniens. Sie gingen davon aus, daß ein consensus nicht erreicht worden sei. Beide Staaten bemühten wegen der Vorbehalte der anderen Staaten die K o n s t r u k t i o n eines „acquiescence subject to reservations", u m ihre Nichtbindung an die Resol u t i o n u n d das Programm zu begründen. Obwohl das Hauptargument sich auf die Annahmeformulierung des Präsidenten der Generalversammlung bezog, w ü r d e eine konsequente A n w e n d u n g der damals vertretenen M e i nung das Protokoll gerade wegen der amerikanischen u n d britischen E r k l ä rungen u n w i r k s a m werden lassen. Die E r k l ä r u n g der USA lautet: The US delegate stated: " M y Government wishes at this juncture to again restate the position we took i n New York. That position is: first, the Declaration and Program of A c t i o n were not adopted by consensus. Rather than consensus, there was acquiescence subject to reservations. I should like to call attention to the fact that the formula proposed by the President of the General A s sembly regarding the Declaration and Program was adoption w i t h o u t vote. He said that i f there were no objections, the resolutions w o u l d be adopted w i t h o u t vote. I n the v i e w of m y Government, there is a substantial distinct i o n between an adoption by consensus and an adoption w i t h o u t vote. I n that regard, i t was and is m y Government's position that reservations expressed at the time of adoption amount to more than simply an expression of view, or an interpretation of the provisions of the Declaration and Program of Action. We v i e w our reservations as conditioning US acquiescence, and hence as a statement of m y Government's position not to endorse the Declaration and Program of Action. We also view our reservations as clearly informing other member states of the U N that we had then, and have now, no intent to pledge ourselves to the implementation of that Program i n any fashion. I have stated here i n this forum that m y Government of course recognizes certain imbalances, certain injustices and certain needs for reform i n the w o r l d economic system. Redressing these imbalances and injustices and needs may very w e l l contribute to the evolution of a new international economic order. We are w i l l i n g to paly our f u l l part i n that evolution. We are not w i l l i n g , however, to lend our support to the creation of the k i n d of New International Economic Order envisaged b y the Program of Action." Abgedruckt bei Cassese, Consensus and some of its Pitfalls, S. 759.

8 Fischer

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

« . . . on v o i t que plus les décisions sont générales, vagues et imprécises, plus le consensus est facile à obenir.» 8 2

Die Dualität des „accord général" hat sich i m UNCLOS I I I als Motor für die Kodifizierung des neuen Seerechts herausgestellt 83 , obwohl gerade die Unterscheidung zwischen der Substanz einer Regelung und dem Sekundärbereich große Schwierigkeiten bereitet hat. Buzan beschreibt dies indirekt anhand der unterschiedlichen Erfolge, die die Vorsitzenden der Komitees mit ihrer Verhandlungsführung erzielten. A u f der Konferenz haben die Arbeitsgruppen am effektivsten gearbeitet, deren Vorsitzende am ehesten i n der Lage waren, Kompromisse zu finden und allseitig befriedigende Lösungen i m Sinne der SubstanzSekundärsbereichs-Dualität zu formulieren 84 . Die Struktur des „consensus" beeinflußt die Qualität der entstandenen Normen i m Rechtsanwendungsprozeß. Als positiver Aspekt des „consensus" führt der Zwang zu Kompromissen zu verstärkter Ratifikation von multilateralen Verträgen und zur Zustimmung von Resolutionen Internationaler Organisationen. Negativ ist anzumerken, daß der A n gleichungsprozeß ζ. T. nicht miteinander zu vereinbarende Meinungen überspielt und dadurch die Interpretation des Vertragstextes zu erheblich voneinander abweichenden Ergebnissen führen muß 85 . M i t dem „consensus" verbindet sich so oft eine Unsicherheit über die rechtliche Tragweite der Vertragsvorschriften. Für das internationale Rechtssystem besteht dadurch die Gefahr, m i t der Anhäufung von „consensus"Entscheidungen an rechtlicher Klarheit, Präzision und Geschlossenheit zu verlieren 86 .

82

Haquani, S. 106. Buzan illustriert dies durch die Wiedergabe der Reaktion auf die Maßnahme, die ISNT's durch die Vorsitzenden der „ M a i n Committees" erstellen zu lassen: „ . . . they realized that w i t h o u t some such procedural innovation the existing structure of negotiation w o u l d not give thèm a reasonable chance of producing a l a w of the sea convention on w h i c h they m i g h t be able to agree. Neither incentives to compromise, nor mechanism for the discovery of nonobvious grounds for compromise, were encouraged by passive consensus procedure", Buzan, S. 334. 84 Ibid., S. 339, 340. 86 s. dazu die Aufzählung der f ü r die Interpretation wichtigen Umstände, V i r a l l y , S. 16; ferner Cassese, Consensus and some of its Pitfalls, S. 756. Der von d'Amato zitierte McCloskey hat die Interpretationsschwierigkeiten beim consensus i n seiner Definition vorweggenommen: „consensus is only an introduction to analysis, not the end of i t " , d'Amato, On Consensus, S. 106. 86 Vgl. Monnier, S. 43, 44; Vignes, S. 121; Lacharrière, S. 14, vgl. aber auch die Ausführungen von Buzan zur Rechtsqualität der UNCLOS I I I - E r g e b nisse, Buzan, S. 346. 83

E. Der unterschiedslose A n g r i f f nach A r t . 51 Abs. 4 u n d 5

115

c) Der Nuklearwaffenausschluß als eine dem „consensus" immanente Entscheidung Die Strukturanalyse des „consensus"-Begriffs hat zweierlei deutlich werden lassen. Die Fixierung des „consensus"-Begriffs auf eine bestimmte A r t und Weise der Entscheidungsfindung und Entscheidungsdarstellung unterstützt die eingangs aufgestellte These, daß die Befürworter eines Nuklearwaffenausschlusses den Ausschluß unter Heranziehung der Konferenzgeschichte auch textimmanent verstanden wissen wollen 8 7 . Die Analyse hat aber auch gezeigt, daß grundsätzliche Bedenken gegen die Geltendmachung dieses Arguments erhoben werden können. aa) Das Substanzargument Die wesentlichen Bestandteile des „consensus" sind die Fixierung einer substantiellen gemeinsamen Basis durch den Vertragstext und die „Offenhaltung" des Textes für Interpretationen oder Vorbehalte bezüglich einzelner über die Substanz hinausgehender Punkte. Projiziert man einen Nuklearwaffenausschluß i n den substantiellen Teil der Willensübereinstimmung über Art. 51, so erhält die Willensübereinstimmung einen Entscheidungsumfang, der nach der generellen Struktur und der Qualität des „accord général" ausgeschlossen ist. Die Substanz des A r t . 51 Abs. 4 liegt, wie der Wortlaut beweist, i m Schutz der Zivilbevölkerung gegen Wirkungen von Methoden und M i t t e l n des Kampfes. Nicht mehr und nicht weniger w i r d durch den Text als „substance of the act" oder „lowest common denominator" 8 8 dokumentiert. Entscheidungen über bestimmte Waffen, i n welcher Richtung auch immer, werden von der Fixierung des Textes auf die Waffenwirkung gerade nicht erfaßt. Wer die Ausführungen von Draper zur Entwicklung des humanitären Völkerrechts i m Waffenbereich sorgfältig liest, muß den Eindruck gewinnen, daß i h m ähnliche Bedenken vorgeschwebt haben. Ansonsten ist unter Berücksichtigung seiner Position der H i n weis, Erklärungen zur Nuklearwaffenproblematik seien „desirable if not necessary", nicht verständlich 89 . 87 Rauch f ü h r t dieses Problem keiner eindeutigen rechtlichen Bewertung zu. Nach der Darstellung der grundsätzlichen Probleme des consensusVerfahrens schwenkt seine Argumentation von der „consensus"- auf die „agreement "-Ebene: „ . . . i l faut néanmoins consentir qu'il est théoriquement possible qu'un tel consensus nucléaire au sens matériel puisse s'être matérialisé, c'est-à-dire que les participants de la C D D H aient établi un accord dans les sens de l'article 31 paragraphe 2, alinéa a) de la Convention de Vienne sur le droit des traités visant à l'exclusion des armes nucléaires d u champ d'application d u Protocole I. Rauch, L'emploi d'armes nucléaires, S. 26, 27. 88 s. oben Fn. 76.

8*

116

I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

Die Behauptung eines Nuklearwaffenausschlusses stellt das „consensus'^Verfahren i n diesem Falle auf den Kopf. Die mit dem Aussonderungsprozeß vorgenommene Einengung des „accord général" auf die Waffen Wirkung würde durch jedwede Entscheidung über eine bestimmte Waffenart aufgebrochen. Der dem „consensus"-Prinzip innewohnende „no-objection"-Bestandteil hätte durch den Bezug auf eine außerhalb des Verhandlungsbereichs liegende Entscheidung seinen konstitutiven Charakter für das Verfahren verloren. Einwendungen gegen die Nichtanwendbarkeit des Protokolls auf Nuklearwaffen sollen durch den behaupteten „consensus" ja gerade ausgeschlossen sein. A l l e i n aus strukturellen Gesichtspunkten heraus ist es nicht vertretbar, einen consensus i m Sinne des Nuklearwaffenausschlusses anzunehmen. bb) Das Erklärungswert'

und

Interpretationsargument

Macht man die Substanz des „consensus" entsprechend seiner Struktur am Text fest, ergeben sich aus der Geltendmachung eines durch den Text nicht verifizierbaren Bestandteils des „consensus" weitergehende Konsequenzen. Dem „consensus"-Verfahren ist aus der Natur der Sache heraus eine Bevorzugung informeller Gespräche zur Festlegung des „accord général" eigen. Dadurch w i r d der Zugriff auf fixierte Meinungsäußerungen, die über den Text hinausgehen, erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht 90 . Damit entsteht die Schwierigkeit, wie i m konkreten Fall, den Erklärungswert einer Vertragsvorschrift zu bestimmen. Die sich aus dem Vertragstext ergebende Substanz bezieht sich nur auf Waffenwirkungen. Wegen des informellen Charakters des Verfahrens gibt es für den darüber hinausgehenden Abschluß des „consensus" keinen schriftlichen Beweis. Die auf der Konferenz erfolgten Äußerungen und Erklärungen, sofern sie nicht ohnehin konträr oder mißverständlich sind, können nicht als Beleg dienen. Sie dokumentieren das Interesse einiger Staaten an einer bestimmten Vertragsgestaltung. Aber sie beweisen nicht den abschließenden A k t der „Einigung" über die Festlegung des Textes mit dem gewünschten Inhalt. Bos hat angesichts der fehlenden schriftlichen Unterlagen beim „consensus"-Verfahren eine sich strikt am Text orientierende Interpretation angeregt 91 . Sein Vor89

Draper, The Emerging L a w , S. 11. Vgl. zu diesem Problem die Erfahrungen auf UNCLOS I I I bei der Frage eines „understandings" über den Transit durch Meerengen, Reismann: „ I f the p l a i n and natural meaning of the I C N T is against these understandings, then they are u n l i k e l y to survive the changes, of governments i n those states i f that long. W h y there should be an understanding on something so i m portant at a meeting whose manifest function is to articulate norms on the subject is also puzzling", Reismann, S. 70. 90

E. Der unterschiedslose A n g r i f f nach A r t . 51 Abs. 4 u n d 5

117

schlag macht aber noch ein zusätzliches Bedenken deutlich. Läßt man Gespräche, Erklärungen und „Amendments" während der Konferenz außerhalb des Art. 32 W V K als Beweis für bestimmte Interpretationen zu, so erodiert dies das System der Vertragsrechtsinterpretation der W V K . Der Satz von McDougal über die Aufgabe der Interpretation: " i n determining the parties genuine shared expectations and identifying relevant general community policies," 9 2

würde neue Bedeutung erlangen. Dies steht nicht i m Einklang mit den Auslegungsregeln der W V K , da der Einbeziehung der subjektiven Komponente der Vertragsauslegung durch die Normenhierarchie i n Art. 31, 32 W V K Grenzen gesetzt worden sind 93 . Auch insoweit unterliegt die Beweisführung für einen Nuklearwaffenausschluß grundsätzlichen Bedenken. Das Substanz- und das Erklärungswertargument beweisen, m i t welchen Unsicherheiten die Einbeziehung von Intentionen der Konferenzparteien i n die Interpretation verbunden ist, wenn diese Absichten keinen Ausdruck i m Vertragstext gefunden haben. Die Betonung des Vertragstextes i n A r t . 31 W V K sollte dazu führen, i n den Fällen der vorliegenden A r t auf eine Berücksichtigung der Absichten der Vertragsparteien bei der Interpretation nach Art. 31 W V K zu verzichten. Diese Lösung alleine kann die Durschaubarkeit interpretatorischer Entscheidungen gewährleisten und Rechtssicherheit bei Anwendung des Vertrages garantieren 94 . d) Zusammenfassung Die Strukturanalyse des i n den internationalen Organisationen und auf Staatenkonferenzen benutzten „consensus"-Verfahrens ergibt folgendes: Die beiden wesentlichen Elemente des Verfahrens sind die Einigung über einen substantiellen Kernbereich, ohne mit der Einigung die Geltendmachung von Einwendungen gegen die über den Kernbereich hinausgehenden Rechtswirkungen auszuschließen. Vor diesem Hintergrund ergeben sich gegen die Projektion eines Nuklearwaffenausschlusses i n den „consensus" der Konferenz Bedenken. Ein Nuklearwaffenausschluß würde dem „consensus" einen Entscheidungsumfang geben, der i h m nach seiner Struktur nicht zusteht. Der substantielle Teil des „consensus" über den Art. 51 bezieht sich auf die Regelung von Waffenwirkungen und nicht auf das Verbot bestimmter Waffen. Die Einbeziehung von Aussagen über eine be91 Das Argument b e t r i f f t das Verfahren allgemein. I n besonderer Weise muß es für die hier vorliegende Konstellation gelten, s. Bos, S. 169. 92 McDougal /Las w e l l / Miller, S. 111. 93 Vgl. Falk, On Treaty Interpretation and New Haven Approach, S. 323—355. 94 Vgl. dazu Bernhardt, Interpretation and I m p l i e d (Tacit) Modification of Treaties, S. 497.

118

I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

stimmte Waffenart würde den Kernbereich i n einer nicht durch den Vertragstext belegbaren A r t und Weise erweitern. Die Unterzeichnerstaaten wären damit i n einem Bereich rechtlich fixiert, für den sie nach der Formulierung des Vertragstextes gar keine Aussage treffen wollten. V. Der Beweis des „Nuklearwaffenconsensus"

Als Beweis für den „Nuklearwaffenconsensus" werden Ereignisse aus der Konferenzgeschichte herangezogen 95 . Wenn man einmal von der grundsätzlichen bereits formulierten K r i t i k an der dadurch verursachten Überbewertung der „traveaux préparatoires" absieht, müßten die angeführten Erklärungen beweiskräftig sein. Vor der Bewertung des Inhalts ist die Stellung auch dieser Argumente i m Rahmen der Interpretationsvorschriften der W V K zu bestimmen. Den von den Vertretern des Nuklearwaffenausschlusses vorgebrachten Konferenzargumenten ist i n zwei Bereichen Bedeutung beizumessen. Sie könnten einmal als Beweis der „consensus"-Auslegung dienen. Zum anderen w i r d mit ihnen eine Beweisführung für ein zusätzliches „agreement" i m Rahmen des Art. 31 Abs. 3 a W V K aufgebaut. I m folgenden soll zuerst der Aspekt der Unterstützung der „consensus'^Auslegung untersucht werden 9®. Von den auf der Konferenz abgegebenen Erklärungen werden an erster Stelle die Äußerungen der Nuklearwaffenstaaten als Beweis ins Feld geführt. Diese Erklärungen sind unter Berufung auf die Einführung des I K R K i n den Protokollentwurf abgegeben worden 97 . 95 Randelzhofer, Das Kriegsrecht zwischen Bewahrung u n d Veränderung, S. 734; Aldrich, New Life for the Laws of War, S. 731; s. auch den Bericht der US-Delegation, A J I L 1978, S. 407; Baxter, Modernizing the L a w of War, S. 179; Hughes-Morgan, The New Humanitarian L a w , S. 4; Kalshoven, Proceedings of the American Society of International L a w 1980, S. 203; Meyrowitz, Le statut des armes, S. 230; ders., Stratégie nucléaire, S. 210; Soif, i n : Bothe/Partsch/Solf, New Rules, S. 191; K i m m i n i c h läßt i n seinen K o m m e n tierungen der Konferenzgeschichte w o h l unter dem Eindruck der enormen politisch-militärischen Bedeutung des A r t . 51 die Frage nach der A n w e n d barkeit des I. Zusatzprotokolls auf Nuklearwaffen unbeantwortet. Seine Formulierung: „Die völkerrechtswissenschaftliche Diskussion muß ungeachtet der i m vorstehenden skizzierten Unsicherheiten auf der Grundlage des humanitären Völkerrechts geführt werden, das i n den beiden Zusatzprotokollen eine neue F o r m gefunden hat", deutet jedoch darauf hin, daß er von einer Anwendbarkeit des I. Zusatzprotokolls auf die Nuklearwaffen ausgeht, Kimminich, Der Einfluß des humanitären Völkerrechts auf die Kernwaffenfrage, S. 421 ; vgl. auch K i m m i n i c h , Völkerrecht, S. 442, 443 u n d Kimminich, Schutz der Menschen, S. 264, 265; vgl. Rauschning, Nuclear W a r fare, S. 49. 96 Das Problem der Mündlichkeit stellt sich erst unten i m Rahmen der Prüfung eines „agreement", vgl. dazu V I . 97 s. dazu Carnahan, S. 44; Solf, i n : Bothe/Partsch/Solf, New Rules, S. 189.

E. Der unterschiedslose A n g r i f f nach A r t . 51 Abs. 4 u n d 5

119

1. Die Einführung des IKRK in den Protokollentwurf als Hilfsargument a) Die Darlegung der Fakten I n der wissenschaftlichen und politischen Diskussion über den A n wendungsbereich des Art. 51 hat die Einführung des I K R K i n den Entw u r f des I. Zusatzprotokolls eine überragende Stellung erhalten. Das I K R K hatte i n der Einführung folgendes festgestellt: "Problems relating to atomic, bacteriological and chemical warfare are subjects of international agreements or negotiations b y governments and i n submitting these D r a f t Protocols the ICRC does not intend to broach these problems. I t should be borne i n m i n d that the Red Cross as a whole at several International Red Cross Conferences has clearly made k n o w n its condemnation of weapons of mass destruction and has urged governments to reach agreements for banning their use." 9 8

I m internationalen Schrifttum" und in offiziellen Stellungnahmen 100 w i r d diese Einführung als Beweis für die zwischen den Konferenzteilnehmern bestehende Vereinbarung über einen Nuklearwaffenausschluß angeführt. Randelzhofer sieht wegen des fehlenden Einspruchs gegen die Einführung i n der Einführung selbst die Vereinbarung i. S. von Art. 31 Abs. 2 a der W V K 1 0 1 . Bis auf wenige Ausnahmen 102 w i r d die Einführung i n den Protokollentwurf als einziger Bestandteil der mit Äußerungen des I K R K zusammenhängenden Beweisführung angesehen. Übersehen w i r d dabei die Einführung des I K R K i n den Kommentar zum Protokollentwurf, der drei Monate nach dem Protokollentwurf i m Oktober 1973 veröffentlicht wurde. Dort formulierte das I K R K auf folgende A r t und Weise: " I t should be recalled that, apart from some provisions of a general nature , the ICRC has not included i n its drafts any rules governing atomic, bacteriological and chemical weapons. These weapons have either been the subject of international agreements such as the Geneva Protocol of 1925 or of discussions w i t h i n intergovernmental organizations. This, however, does not i m p l y t h a t the ICRC or the Red Cross as a whole is not interested i n a problem whose h u m a n i t a r i a n aspects are of a paramount importance. Also the so called conventional weapons . . . are s t i l l not covered by these Protocols. Yet they are also a matter of concern for the ICRC . . . " 1 W 98

ICRC, Draft, 1973, S. 2. Solf, i n : Bothe/Partsch/Solf, New Rules, S. 188, 189; Ralshoven, Reaffirmation and Development, S. 109; die oben i n Fn. 95 genannten. 100 s. Erkl. der Bundesregierung B T - D r . 10/445, S. 11. 101 Randelzhofer, Das Kriegsrecht zwischen Bewahrung u n d Veränderung, S. 734, 735. Das Argument w i r d i m Rahmen der Diskussion u m die Zusatzvereinbarung gesondert behandelt. 102 Bretton, Remarques générales sur les travaux de la conferénce de Genève, S. 216; jetzt auch Meyrowitz, Le statut des armes, S. 232. 99

120

I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 und der Nuklearwaffeneinsatz

b) Die Einführung i n den Protokollentwurf und ihr Inhalt aa) Der Wortlaut

der Erklärung

Vergleicht man die beiden Textstellen, so ist vor allem ein Unterschied unübersehbar. Während sich die Einführung vom Juni 1973 mit der Vorlage des Protokolls als solchem auseinandersetzt, werden i n der Oktoberfassung Hinweise auf die Wirkungsweise der i m Protokollentw u r f enthaltenen Regeln auf bestimmte Waffenarten gegeben. Unzweifelhaft haben nach der Oktoberfassung die „provisions of a general nature", zu denen Art. 51 zu zählen ist, Wirkungen auf nukleare, chemische und bakteriologische Waffen. Damit scheint ein direkter Widerspruch zwischen den beiden Erklärungen offengelegt zu sein. Die Frage stellt sich, inwieweit die beiden Fassungen miteinander zu vereinbaren sind oder welcher von ihnen der Vorrang einzuräumen ist. Die Juni-Erklärung nimmt Bezug auf Probleme bezüglich der Massenvernichtungswaffen, die mit der Vorlage des Protokollentwurfs nicht angeschnitten werden sollen. Der Hinweis auf die anzustrebenden Einsatzvereinbarungen i m sich direkt anschließenden Satz läßt den Eindruck entstehen, als seien diese beiden Problembereiche identisch. Die Schlußfolgerung daraus ist die Nichtanwendbarkeit des Protokolls auf den Waffeneinsatz, weil „the ICRC does not intend to broach these problems". Gegen die Verknüpfung der beiden Bereiche sprechen einige Punkte. Die Probleme, für die nach Aussage des I K R K bereits Verträge existieren oder über die von den Regierungen verhandelt wird, sind keine Probleme der Waffenwirkung. Das Genfer Giftgasprotokoll 1 0 4 und die B-Waffenkonvention 1 0 5 sind ebenso wie die Abrüstungsverträge „waffenspezifische" Übereinkommen. Waffenwirkungsverbote treffen keine Aussagen über eine bestimmte Waffenart. Regelungen über die Produktion oder Stationierung sind ein Merkmal von Waffenverbotsverträgen. Wenn der zweite Satz des zitierten Abschnitts mit den Worten beginnt: „ i t should be borne i n mind", so ist damit nicht eine Erläuterung der „problems" verbunden. Vielmehr w i r d durch den Hinweis auf das traditionelle Arbeitsfeld des Roten Kreuzes — der Waffenwirkungsbereich — die Abgrenzung zu den dem Haager Recht zugeordneten 103 ICRC, Draft A d d i t i o n a l Protocols to the Geneva Conventions of A u gust 12, 1949, Commentary, Genf October 1973, S. 2; Hervorhebungen durch den Verfasser. 104 RGBl. 1929 I I 173, L N T S Bd. 94, S. 65. 105 BGBl. 1983 I I 132; Goldblat, Agreements, S. 193.

E. Der unterschiedslose A n g r i f f nach A r t . 51 Abs. 4 u n d 5

121

Waffenverboten hervorgehoben. Die Juni-Einführung besagt also vom Wortlaut her nichts anderes, als daß das I K R K den Waffenverbotsbereich nicht anschneiden wollte. bb) Die Resolutionen der Rotkreuz-Konferenzen Endgültige Klarheit i n diesem Sinne bringen die Resolutionen der i n der Einführung genannten Rotkreuz-Konferenzen. Es ist durchgehend die Argumentation des I K R K gewesen, den Bereich der konkreten Waffenverbote den Vereinten Nationen oder anderen Stellen zu belassen, u m sich selbst den Fragen des unterschiedslosen Angriffs unter Einschluß der Massenvernichtungswaffen zu widmen. Auf der Wiener Rotkreuz-Konferenz von 1965 ist dies unter Bestätigung der Resolutionen der Rotkreuz-Konferenzen von Toronto 1952 und Stockholm 1948 unmißverständlich festgestellt worden: "The X X t h International

Conference

of the Red Cross . . .

Governments to agree w i t h i n the framework

requested

of general disarmament , to

a plan for the international control of atomic energy w h i c h w o u l d ensure

the prohibition

of atomic weapons and the use of atomic energy solely for

peaceful purposes, . . . solemnly declares t h a t Governments . . . should conform at least to the following principles . . . — that distinction must be made at a l l times between persons t a k i n g part i n the hostilities and members of the c i v i l i a n population to the e f f e c t . . . — that the general principles of the L a w of W a r apply to nuclear and similar weapons . . . urges the ICRC to pursue the development of International H u m a n i t a r i a n L a w . . . w i t h particular reference to the need for protecting the c i v i l i a n population against the sufferings caused by indiscriminate w a r f a r e . " 1 0 6

M i t der Bezugnahme auf das Verbot der Kernwaffen i m Rahmen der Abrüstung unter gleichzeitiger Weiterführung der Anstrengungen des I K R K i m humanitären Bereich ist der zweifache Ansatz, dem sich das Rote Kreuz verschrieben hat, bestätigt worden. Die Abschlußresolution der Istanbuler Rotkreuz-Konferenz von 1969 ist i n ihrer Formulierung noch eindeutiger, wenn sie feststellt: "The X X I s t Conference of the Red Cross . . . t a k i n g into account the danger threatening m a n k i n d . . . particularly weapons of mass destruction . . . con-

sidering that the adoption of a special agreement on the prohibition of weapons of mass destruction would be an important contribution to the development

of

international

humanitarian

law,

requests

the

United

Nations to pursue its efforts in this field , requests the ICRC to continue to devote great attention to this question , consistent with its work for the reaffirmation and development step i t deems possible." 1 0 7

of humanitarian l a w and to take every

106 X X t h International Conference of the Red Crçss, Vienna, October 1965, Resolutions, No. X X V I I I , S. 22, 23; Hervorhebungen durch den V e r fasser.

122

I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

Den schwerwiegendsten Beweis für die Richtigkeit der hier vorgelegten Interpretation der Einführung i n den Protokollentwurf liefert die Teheraner Rotkreuz-Konferenz 1973. Die Resolutionen dieser Konferenz sind i m November 1973 i n Kenntnis der Protokollentwürfe verabschiedet worden. Trotzdem weicht das I K R K auch hier nicht von der Zweiteilung seines Ansatzes ab. I n der Schlußresolution heißt es dazu: "Confirming the views expressed by the International Conferences of the Red Cross i n Resolutions No. X X V I I I (1965) . . . and Resolution No. X I V (1969) . . . endorsing, i n particular, the v i e w expressed i n 1972 by the U n i t e d Nations General Assembly . . . that the widespread use of many weapons . . .

call urgently

for renewed efforts

means, the prohibition

by Governments to seek, through legal

. . . of indiscriminate . . . methods of warfare, and i f

possible, though measures of elimination of specific, especially cruel or indiscriminate, weapons, noting that consistent with its work for the reaffirmation and development of humanitarian l a w the ICRC has continued to devote attention to the question of weapons w h i c h have . . . indiscriminate effects, welcomes the proposals w h i c h the ICRC is submitting to the Diplomatic Conference on the Reaffirmation and Development of I n t e r national H u m a n i t a r i a n L a w applicable i n A r m e d Conflicts for rules concerning the prohibition of the use of weapons . . . and method and means of combat which have indiscriminate effects." 1 0 8

Vergleicht man nun diese Resolutionen mit der Einführung in den Protokollentwurf, so kann sich der Hinweis auf die m i t den Nuklearwaffen zusammenhängenden Probleme nur auf den Bereich der „elimination of specific weapons" beziehen. Aussagen über die Arbeit des I K R K auf dem Gebiet der „prohibition of the use" sind damit nicht verbunden. Die Kommentierung des I K R K zu A r t . 46 Abs. 3 des Protokollentwurfs bestätigt dies, indem das I K R K feststellt: "this article . . . does not i n itself i m p l y any prohibition of a specific weapon." 1 0 9

cc) Das IKRK und die Vorbereitungskonferenzen A u f den unterschiedlichen Ansatz des I K R K zu Waffen- und Waffenwirkungsverboten ist bereits während der Vorbereitungskonferenzen i n den Jahren 1971/72 hingewiesen worden. Das I K R K legte damals den Rahmen für die Konferenz der Regierungsexperten i n ähnlicher Weise fest, wie dies i n der Einführung zum Protokollentwurf von Juni 107 X X I s t International Conference of the Red Cross, Istanbul 1969, Resolutions, No. X I V , S. 12. Hervorhebungen durch den Verfasser. 108 X X I I n d International Conference of the Red Cross, Teheran 1973, Resolutions, No. X I V , S. 16, 17. Hervorhebungen durch den Verfasser. Die X X I I I . Konferenz des Roten Kreuzes i n Bukarest 1977 hat i n ihrer Resolution No. X I I i n Terminologie u n d I n h a l t die Tradition der hier aufgeführten Resolutionen fortgesetzt, s. dazu Pilloud, S. 177, 178. 109 ICRC, Draft A d d i t i o n a l Protocols to thé Geneva Conventions of A u gust 12, 1949, Commentary, S. 58.

E. Der unterschiedslose A n g r i f f nach A r t . 51 Abs. 4 u n d 5

123

1973 geschehen ist. I m Kapitel „Position of the ICRC" w i r d ausdrücklich festgestellt, daß sich die Arbeit der Vereinten Nationen mit dem Verbot bestimmter Waffen „per se" befasse. Das I K R K fährt dann fort: " O n the other hand . . . the conference of experts could investigate the possibility of reaffirming or developing certain principles of a general scope . . . or the principles relating to weapons which, by v i r t u e of their effects or their imprecision risk reaching the c i v i l i a n population i n an indiscriminate m a n n e r . " 1 1 0

Die beiden Aussagen stehen unmittelbar hintereinander und werden durch eine Bezugnahme auf die Stellung des I K R K zu Nuklearwaffen eingeleitet. Dadurch w i r d nicht nur der doppelte Ansatz des I K R K zu Waffenfragen deutlich. Unmißverständlich ist i n dieser Erklärung die Absicht dokumentiert, den Protokollentwurf unter Einbeziehung der Wirkungen von Nuklearwaffen zu formulieren. Interpretiert man die Juni-Erklärung unter Hinzunahme der Position des I K R K auf den Vorbereitungskonferenzen, so ist kein Nuklearwaffenausschluß aus ihr herleitbar. dd) Das Rote Kreuz und die militärischen

Interessen

Sieht man einmal vom Wortlaut der Konferenzresolutionen ab und untersucht die sonstigen Stellungnahmen des I K R K zur Arbeitsweise des Roten Kreuzes, so findet auch hier der zweifache Ansatz seine Bestätigung. I n einer Botschaft an die Signatarstaaten der Genfer Konvention von 1949 über „Atomic Weapons and Non Directed Missiles" ist der Grundstein für das Verhalten des I K R K bezügl. der Massenvernichtungswaffen gelegt worden. I n dieser Stellungnahme vom 5. A p r i l 1950 weist das I K R K auf die politische und humanitäre Ebene wie folgt hin: "The international Committee, once again must keep itself apart from a l l political and m i l i t a r y considerations. B u t if, i n a strictly humanitarian capacity, i t can aid i n solving the problem, i t is prepared, i n accordance w i t h the principles of the Red Cross, to devote itself to this t a s k . " 1 1 1

Mehr als 30 Jahre lang hat sich das Rote Kreuz bei Fragen der A b rüstung und speziellen Waffenverboten an die i n der Botschaft gezogene Grenzlinie gehalten. Selbst i n einer Zeit des Wettrüstens m i t destabilisierenden Waffensystemen ist das I K R K nicht umgeschwenkt und hat keine über Anregungen an die Regierungen hinausgehenden Aktionen 110 Conference of Government Experts on the Reaffirmation and Development of International H u m a n i t a r i a n L a w Applicable i n A r m e d Conflicts, Vol. I l l , Protection of the C i v i l i a n Population against Dangers of Hostilities, S. I l l , 112; vgl. Mirimanoff-Chilikine, L a restauration du statut j u r i d i q u e de la population civile, S. 1074; vgl. Kaishoven, The L a w of Warfare, S. 97. 111 International Committee of the Red Cross, To the H i g h Contracting Parties Signatory to the Geneva Conventions for the Protection of the Victims of War, Genf, 5. A p r i l 1950, S. 4.

124

I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

auf dem Abrüstungssektor gestartet 112 . Das schließt nicht aus, daß mit den Versuchen, ein Einsatzverbot von Nuklearwaffen zu installieren, Auswirkungen auf die Rüstungskontrolle verbunden sind. Verschiedentlich w i r d ein Einsatzverbot als Voraussetzung für wirkliche Erfolge auf dem Gebiet der Abrüstung und Rüstungskontrolle angesehen 113 . Vor diesem Hintergrund w i r d das Verhältnis der beiden Einleitungen vom Juni und Oktober 1973 klar. Die erste der beiden Stellungnahmen bezieht sich auf das Verhältnis des I K R K zur Abrüstungs- und Rüstungskontrolldebatte, während die zweite Erklärung i n spezifizierender Weise auf den Anwendungsbereich der humanitären Regeln eingeht. Die Einführungen widersprechen sich also nicht und können durchaus zusammen gelesen werden. Die Ausklammerung der m i t einem speziellen Waffenverbot verbundenen Abrüstungsfragen durch die Einführung i n den Protokollentwurf ist die conditio für den Konferenzbeginn gewesen 114 . Eine darüber hinausgehende sich auf den humanitären Bereich ausdehnende Interpretation ist aus den aufgezeigten Gründen nicht zu rechtfertigen 115 . Eine Berufung auf die Juni-Erklärung als Beweis für die Vereinbarung eines Nuklearwaffenausschlusses verkennt die Arbeitsweise und die auf humanitäre Probleme fixierte Tradition des Roten Kreuzes. Sieht man von der Diskussion um die Nuklearwaffen auf der Konferenz ab, so erfährt dieses Interpretationsergebnis Bestätigung durch die Debatten über den Anwendungsbereich des I. Protokolls. I m I. Komitee ist i n der Anfangsphase der Konferenz von den westlichen Staaten versucht worden, eine Politisierung humanitärer Aspekte zu verhindern 11®. Die Diskussion über die Einbeziehung besonderer K o n f l i k t arten, wie z. B. die über Kolonialkriege, ist dabei von den Nuklearwaffenstaaten mit Argumenten geführt worden, die auf dem doppelten Ansatz der Arbeit des I K R K aufbauen. I n der Erklärung des französischen Delegierten vom 11. März 1974 w i r d dies besonders deutlich. Girard erklärte: " . . . the United Nations and the ICRC pursue their activities on entirely different levels. The United Nations was the political body whose role was to f i n d political solutions to specific problems of the moment, whereas 112

S. 167. 113

Vgl. Hay, S. 5, 6; s. zur Frage der politischen Neutralität auch Mushkat,

s. Röling, Sukovic, S. 54. Vgl. Meyrowitz, Le statut des armes, S. 232; Meyrowitz k o m m t aber w i e die anderen aufgrund der Ausweitung der Interpretation zum falschen E r gebnis. 115 Vgl. dazu auch die Position Graefraths, Z u m Anwendungsbereich der Ergänzungsprotokolle, S. 137, 138. u e s. dazu Baxter, H u m a n i t a r i a n L a w or Humanitarian Politics?, S. 1—26. 114

E. Der unterschiedslose A n g r i f f nach A r t . 51 Abs. 4 u n d 5

125

humanitarian l a w must provide protection for a l l w a r victims at a l l times and must not be subordinated to subjective considerations of any sort." 1 1 7

ee) Der Einfluß pragmatisch bedingter

Erklärungen

Wenn bereits die Juni-Erklärung eine entgegengesetzte Interpretation als die der Befürworter eines Nuklearwaffenausschlusses ergibt, so geschieht dies nicht i n Verkennung der Stellungnahmen aus dem Bereich des Roten Kreuzes; Pilloud hat i n seiner Besprechung der Zusatzprotokolle auf die Einführung vom Juni 1973 hingewiesen und sie als Position des I K R K zur Einsatzfrage von Nuklearwaffen deklariert 1 1 8 . Aus der Stellung Pillouds 1 1 9 und dieser Aussage auf eine den Befürwortern eines Nuklearwaffenausschlusses entgegenkommende Interpretation zu schließen, ist nicht angängig 120 . Die Stellungnahme Pillouds w i r d relativiert durch die Tatsache, daß er weder die Einführung von Oktober 1973 nennt noch i n gleicher Rigidität wie die anderen aus der Einführung vom Juni einen Nuklearwaffenausschluß für das Konferenzergebnis herleitet 1 2 1 . Selbst wenn man hierin bereits eher eine Bestätigung der hier vertretenen Auffassung sehen w i l l , so ist bei den Äußerungen aus dem Bereich des Roten Kreuzes das zu beachten, was Alexandre Hay, der Präsident des I K R K , als Prämisse der Arbeit des I K R K bezeichnet hat. Auf der X X I V . Konferenz des Roten Kreuzes i n Manila bemerkte er: „ . . . das I K R K bemüht sich vordringlich u m einen wirksamen Schutz der Opfer. Was das I K R K anstrebt, sind konkrete Aktionsmöglichkeiten jenseits aller juristischen Interpretationen 1 2 2 ."

Wer die Bemerkungen Pillouds, insbesondere die zur mangelnden Umsetzung der New Delhi-Regeln, m i t den Ausführungen Hays vergleicht, w i r d Stellungnahmen von Vertretern des Roten Kreuzes zur Nuklearwaffenproblematik immer unter dem Gesichtspunkt der tatsächlich durchführbaren Hilfe i n konventionellen Konflikten sehen müssen. Die Besorgnis, durch die Diskussion u m die Anwendbarkeit des Protokolls auf die Nuklearwaffen ein wirksames M i t t e l zum Schutz der Zivilbevölkerung für die konventionelle Kriegführung aus der Hand geschlagen zu bekommen, mag wohl ein Grund für solche Bewertungen sein. Illustriert und untermauert w i r d dieser mehr pragmatische Gesichtspunkt durch den Kommentar des Rechtsberaters des I K R K zum Ergebnis 117 118 119 120 121 122

OR, Vol. V I I I , C D D H / I / S R . 2, S. 14. Pilloud, S. 172. Er ist Direktor i m I K R K . So aber ausdrücklich Meyrowitz, Le statut des armes, S. 931 Fn. 35. Pilloud, S. 172, 179. Hay, S. 4.

126

I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 und der Nuklearwaffeneinsatz

des 42. Pugwash-Symposiums i n Helsinki. A u f diesem Symposium i m Frühjahr 1983 mit dem Thema „International Law and the Arms Race" hatte eine Gruppe von Völkerrechtlern die Ratifikation der Zusatzprotokolle angeregt und dabei auch die Kernwaffenproblematik gestreift 1 2 8 . Gasser, der auf die Kontroversen bezüglich des Nuklearwaffenausschlusses hinweist, schlägt vor, keine Argumente für ein Einsatzverbot von Nuklearwaffen aus dem Protokoll I herzuleiten. Er begründet dies mit: " . . . as this may h a r m the prospects for its ratification." 1 2 4

Diese Äußerung beweist, welcher Wert pragmatischen Überlegungen i m I K R K beigemessen wird. Vom Ausgangspunkt des Roten Kreuzes her ist die Betonung der Anwendungsüberlegung zu verstehen. Allerdings befreit der humanitäre Ansatz den Völkerrechtler nicht von seiner Pflicht, Rechtsnormen zuerst einmal mit dem i h m zur Verfügung stehenden Instrumentarium zu messen. Unter diesem Gesichtspunkt macht auch die Berücksichtigung von Meinungsäußerungen aus dem Bereich des I K R K einen Nuklearwaffenausschluß nicht begründbar. c) Die Einführung i n den Kommentar zum Protokollentwurf und ihre Bedeutung Wertet man die Einführung vom J u n i 1973 trotz der angeführten Gründe als den Ausgangspunkt für einen Nuklearwaffenausschluß, so steht man vor der Frage, wie die Einführung i n den Kommentar zum Protokollentwurf zu verstehen ist. Entsprechend der oben dargelegten These vom zweifachen Ansatz des I K R K w i r d i n der Einführung zum Kommentar festgestellt, daß das Protokoll weder ein absolutes Waffenverbot für Nuklearwaffen und andere Massenvernichtungswaffen noch ein solches für konventionelle Waffen enthält. Gleichzeitig w i r d die Anwendbarkeit der „provisions of a general nature" auf nukleare, chemische und biologische Waffen festgestellt. Wie Graefrath richtig bemerkt, impliziert der Ansatz des Protokolls mit der Festlegung von Waffenwirkungsverboten keine Beschränkungen des fixierten Verbotsumfangs auf bestimmte Waffen 125 . Blix, der sich in der Eingangsphase der Konferenz mit dem Problem der Einführung von spezifischen Waffenverboten i n das I. Protokoll beschäftigt hat, hält die Ausweitung der Vorschriften auf Nuklearwaffen wegen ihrer Auswirkungen auf die militärische Balance zwischen den 123 124 125

s. Pugwash Newsletter A p r i l 1983, S. 156. Pugwash Newsletter J u l i 1983, S. 44, 45. Graefrath, Z u m Anwendungsbereich der Ergänzungsprotokolle, S. 136.

E. Der unterschiedslose A n g r i f f nach A r t . 51 Abs. 4 u n d 5

127

Blöcken für „unwise" 1 2 6 . Auch er kommt jedoch nicht umhin, festzustellen, daß die Frage eines generellen Einsatzverbots oder eines „Nofirst-use-Verbots" ein humanitäres und kein Abrüstungsproblem ist 1 2 7 . Sein Hinweis auf die lange Periode, i n der i n der Abrüstungsphase über die Nuklearwaffen gesprochen wird, kann der grundsätzlichen Unterscheidung von humanitären und Abrüstungsproblemen nichts von ihrer Bedeutung für die Auslegung der Einführung vom Oktober 1983 nehmen. Er operiert wie die Befürworter eines Nuklearwaffenausschlusses mit einer nicht bewiesenen und auch schwer zu verifizierenden These. Die Gefährdung der Stabilität zwischen den Blöcken ist nicht nur eine Frage des verfügbaren Waffenpotentials und seiner Einsatzmöglichkeiten. Neue ungehemmte Entwicklungen auf dem Waffensektor können die Balance i n gleicher Weise stören wie ein Einsatzverbot bestimmter Waffen. I m letzten Jahrzehnt haben gerade die waffentechnischen Innovationen zu starken Veränderungen i m Stabilitätsbereich geführt. Genau wie die Ausgangsprämisse ist die Frage der Waffenbewertung zudem abhängig von der jeweiligen geostrategischen Position der m i l i tärischen Blöcke. Das Balanceargument kann deshalb keine universelle Geltung beanspruchen. Die bisherige Eigenständigkeit des humanitären Völkerrechts gegenüber dem Abrüstungsregime bleibt bestehen. Dieses Ergebnis erfährt Unterstützung durch die Überlegungen zum konventionellen Bereich. Die Balance zwischen den Blöcken w i r d nicht allein durch Nuklearwaffen aufrecht erhalten. Primäres Abschreckungsinstrument sind die konventionellen Kräfte 1 2 8 . Auch hier müßte entsprechend der Nuklearebene ein Waffeneinsatzverbot die Balance gefährden. Trotzdem sind hier humanitäre Verträge zustandegekommen, ohne von ihrem Inhalt her dem Abrüstungsbereich zugerechnet worden zu sein 129 . Die intendierte Zweiteilung humanitärer Regeln ist nur schwer verständlich und mit dem Ansatz des Roten Kreuzes nicht vereinbar. Wer sich dieser offensichtlichen, dem Text der Einführung vom Oktober 1973 zu entnehmenden Schlußfolgerung enthält, übersieht die 126

B l i x , Modernizing the Laws of A r m e d Conflicts, S. 270. Ibid.; i n der Debatte über A r t . 36 hat B l i x die Unterscheidung zwischen den dem humanitären Völkerrecht zugeordneten Einsatzverboten u n d der den Erwerb u n d die Lagerung betreffenden Abrüstungsvorschriften bestät i g t : „ I t should be made clear however that article 34 and amendment C D D H / III/ 226 were not designed to prohibit the acquisition or stocking of certain weapons, means or methods, but rather called for a determination regarding their permissibility of use. The rule related to the laws of war, not of disarmament", OR, Vol. I I I , C D D H / I I I / 2 3 5 , S. 252. 128 Weißbuch 1983, Z u r Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, S. 151. 129 Die Wiener MBFR-Verhandlungen sind Abrüstungsverhandlungen i m weiten Sinne, vgl. dazu auch die Ergebnisse der First U N Special Session on Disarmament, U N Chronicle 1978, Number 7, Annex S. 7. 127

128

I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 und der Nuklearwaffeneinsatz

Konsequenzen seiner Haltung. Die Formulierung: „Also, the so-called conventional weapons . . . are s t i l l not covered by the Protocol" legt i m Zusammenhang mit der Ablehnung einer Anwendbarkeit des Protokolls auf Nuklearwaffen die gleiche Schlußfolgerung auch auf die konventionellen Waffen fest 130 . Das absurde Ergebnis der Berufung auf die Einführungen wäre dann, daß das Protokoll auf überhaupt keine Waffenart Anwendung finden würde. Solf, der einer der Verfechter eines Nuklearwaffenausschlusses ist und dies u. a. mit der Einführung des I K R K i n den Protokollentwurf begründet, liefert selbst an anderer Stelle seiner Kommentierung den Beweis für die hier vertretene Auffassung. Der von i h m zitierte Report der „Conference of Government Experts" aus dem Jahre 1972181 über das Verbot bestimmter konventioneller Waffen stellt nämlich für die Genfer Konventionen von 1949 unter Berufung auf den absoluten Verbotscharakter ihrer Normen fest: . . i t prefers to l i m i t the use of weapons indirectly by imposing a great respect for certain categories of persons or objects."

Für das Protokoll w i r d dann daraus der Schluß gezogen: " I f specific weapons restrictions are considered to be necessary, i t w o u l d be preferable to include t h e m i n a separate instrument, not i n the Protocols." 1 3 2

Die Herausnahme spezieller Waffenverbote aus dem Protokoll beweist nicht nur den zweifachen Ansatz des I K R K zur Frage des Schutzes der Zivilbevölkerung gegen die Auswirkungen von Kampfhandlungen 133 . Der Hinweis auf die Bemühungen, die Auswirkungen durch Verbesserung des Schutzes bestimmter Personen oder Objekte einzuschränken, spiegelt exakt den Hintergrund für die Einführung zum Kommentar vom Oktober 1973 wider. Die Schutzbereichserweiterung für Personengruppen ist i n diesem System aber unabhängig von den i m Kampf verwendeten Waffen. Liest man die Stellen aus dem Report und die Einführungen vom Juni und Oktober 1973 zusammen, so sind die Vorschriften des Protokolls auf alle Waffenarten anwendbar. wo v g l . Rauch, L'emploi d'armes nucléaires, S. 28; Graefrath. Z u m A n w e n dungsbereich der Ergänzungsprotokolle, S. 138. 131 Conference of Government Experts on Weapons w h i c h may Cause Unnecessary Suffering or have Indiscriminate Effects, First Session Genf, 24. Mai—12. J u n i 1971, Second Session Genf, 3. Mai—3. J u n i 1972. 132 ICRC, Conf. Gvt. Experts, 1972, Vol. I, para 3.14; s. zum Zusammenhang Solf, i n : Bothe/Partsch/Solf, New Rules, S. 197. S. 197. 133 s. zum zweifachen Ansatz oben b.

E. Der unterschiedslose A n g r i f f nach A r t . 51 Abs. 4 u n d 5

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Für die Auslegung der Einführungen i n diese Richtung spricht auch noch ein historisches Argument. I n der Kommentierung der „New Delhi Rules" vom A p r i l 1958 nimmt das I K R K zur Frage eines ausdrücklichen und umfassenden Nuklearwaffenverbots Stellung. Seine Ablehnung der Aufnahme eines solchen Verbotes i n die „Rules" begründet das Komitee mit der Zuweisung dieser Materie an die Vereinten Nationen. Die Bemerkungen zu A r t . 14 lassen jedoch keinen Zweifel aufkommen, daß die New Delhi-Regeln auf Nuklearwaffen Anwendung finden 134 . Die Terminologie und der Inhalt der Erläuterung stimmen dabei i n auffallender Weise mit der Einführung i n den Kommentar des Protokollentwurfs von Oktober 1973 überein. Das I K R K kommentierte damals: "The ICRC therefore decided that the very nature of the D r a f t Rules d i d not allow of the introduction of a new rule imposing an absolute ban on nuclear weapons. I n addition, i t has been seen that, i n its desire to preserve

the general nature of the rule in Art. 14, the ICRC considered it preferable

not to insert a special provision covering these weapons i n addition to the reference i n the list of instances. B u t i t can easily be seen that the

application of Article 14 and also of the rules as a whole would in practice

rule out the use of nuclear weapons . . . " 1 3 5

Die Auslegung der Oktobererklärung des I K R K i m Hinblick auf eine Anwendbarkeit auf die Nuklearwaffen ist nicht nur vom Wortlaut und vom Ansatz des Roten Kreuzes her geboten. Sie steht ebenso i m Einklang mit den bisherigen Versuchen, den Schutz der Zivilbevölkerung i n bewaffneten Konflikten durch Waffenwirkungsverbote zu verbessern. d) Zusammenfassung Aus dem Wortlaut der Einführungen in den Protokollentwurf vom Juni 1973 und in den Kommentar zum Protokollentwurf vom Oktober 1973 ergibt sich kein Beweis für einen „consensus" über einen Nuklearwaffenausschluß. Eine Interpretation der Einführung i n diese Richtung widerspricht dem über Jahrzehnte hinweg praktizierten zweifachen Ansatz der Arbeit des Roten Kreuzes. Bemerkungen über spezielle Waffenverbote insbesondere i m Bereich der Massenvernichtungswaffen beinhalten keine Einengung der Waffenwirkungsverbote des Protokolls für alle Waffen. Ein i n die Einführungen hineinzulesender Ausschluß von Nuklearwaffen ließe die Anwendbarkeit des Protokolls auch für andere Waffen 134 Die Anwendbarkeit w a r auch i m Schrifttum nie umstritten, vgl. Jessup, S. 158; Baxter, Modernizing the L a w of War, S. 179. 135 ICRC, D r a f t Rules for the L i m i t a t i o n of the Dangers incurred by the Civilian Population i n Time of War, S. 108; Hervorhebungen durch den Verfasser.

9 Fischer

130

I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 und der Nuklearwaffeneinsatz

mehr als zweifelhaft werden. Unter historischen Gesichtspunkten entspricht das vom I K R K i n den Einführungen dokumentierte Ziel den bisherigen Bemühungen dieser Institution, den Schutz der Zivilbevölkerung durch den Ausbau von personenbezogenen Normen zu erweitern. 2. Die Erklärungen

während der Konferenz

als Beweis

Als Beweis für die Existenz eines „consensus" w i r d von den Vertretern eines Nuklearwaffenausschlusses auf Erklärungen der Nuklearwaffenstaaten und anderer Konferenzteilnehmer während der K o n ferenz Bezug genommen 136 . Die i n den Komitee- und Plenarsitzungen abgegebenen Stellungnahmen beziehen sich auf die Einbeziehung der Nuklearwaffen i n den Anwendungsbereich des I. Protokolls und auf verschiedene m i t den konventionellen Waffen zusammenhängende Fragen. Inwieweit den Erklärungen der Nuklearwaffenstaaten eine Willensübereinstimmung entnommen werden kann, soll der Vergleich der Texte aus den Sitzungen zeigen. a) Die Erklärungen der Nuklearwaffenstaaten aa) Die Erklärungen der Vereinigten und Großbritanniens

Staaten

Die Vereinigten Staaten und Großbritannien haben sich i n den verschiedenen Konferenzphasen jeweils zweimal zur Frage der Nuklearwaffen geäußert. Während der zweiten Konferenzsession hat der amerikanische Vertreter Reed f ü r seine Delegation erklärt, .. his delegation felt encouraged by the progress achieved i n Committee I I I . Although much w o r k and some important problems had been left for the following year, his delegation considered that the Committee's w o r k thus far represented significant progress towards the development of humanitarian l a w i n armed conflicts, w i t h consequent improvements i n the protection afforded to combatants and civilians alike.

In connexion with the articles adopted by Committee III ... the Red Cross had not included any rules "governing atomic, bacteriological and chemical warfareHis delegation recognized that such problems, which called for urgent action i n other forums, were beyond the scope of the Conference. A n acceptable rule of law designed to be applicable to the use of weapons of mass destruction would almost certainly provide little or no protection i n conventional war. Conversely rules such as those under consideration at the Conference being designed for conventional warfare, would not f i t into the context of the use of weapons of mass destruction. Such an unavoidable limitation on the scope of the Committee's w o r k should not, however, be 136 Aldrich, New Life for the Laws of War, S. 781; Solf, in: Bothe/Partsch/ Solf, New Rules, S. 189; Solf, Weapons, S. 353; Meyrowitz, Le statut des armes, S. 230, 231.

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131

understood as derogating i n any w a y from the crucial humanitarian cont r i b u t i o n of the Conference." 1 8 7

Nach der „consensus"-Annahme des Protokolls am 9. Juni 1977 haben die Vereinigten Staaten ihr Votum für das Protokoll dann u. a. wie folgt erläutert: " . . . the Protocol was designed to afford the greatest possible protection to civilians and other victims of w a r during international armed conflicts. To that end i t imposed a number of significant restraints on the use of

means and methods of warfare. From the outset of the Conference it had

been his understanding

that the rules to be developed had been designed

with a view to conventional weapons. During the course of the Conference,

there had been no discussion of the use of nuclear weapons i n w a r f a r e . " 1 8 8

Der Delegationsleiter erklärte, " . . . he recognized that nuclear weapons were the subject of separate negotiations and agreements and, further, that their use i n warfare was governed by the present principles of international law. It was his Govern-

ment's understanding that the rules established by the Protocol were not intended to have any effect on, and did not regulate or prohibit the use of,

nuclear weapons. I t further believed t h a t the problem of the regulation of nuclear weapons remained an urgent challenge to a l l nations which w o u l d have to be dealt w i t h i n other forums and by other agreements." 1 3 9

Auch die beiden Erklärungen Großbritanniens heben zunächst auf die Einführung des I K R K i n den Protokollentwurf ab. Der britische Vertreter Sir Crowe hat dies am 6. März 1974 mit den Worten festgestellt, daß seine Delegation " . . . also endorsed the ICRC's view, expressed i n the Introduction to the draft Protocols, that they were not intended to broach problems concerned w i t h atomic, bacteriological or chemical warfare, which were the subject of existing international agreements and current delicate negotiations by

Governments elsewhere. It was on the assumption that the draft

Protocols

would not affect those problems that the United Kingdom Government\had worked and would continue to work towards final agreement on the Protocols." 140 Ebenso wie von den Vereinigten Staaten ist von Großbritannien i n der letzten Plenarsitzung eine Erläuterung des Votums abgegeben worden. Freeland erklärte am 9. Juni 1977 zur Frage der Behandlung von Waffen auf der Konferenz, "The Ad hoc Committee's w o r k on weapons had been entirely concerned w i t h conventional weapons. I t was clear to his Delegation that that was also true of the w o r k of the rest of the Conference. A t the first session of 137 138 189 140

OR, OR, OR, OR,

Vol. Vol. Vol. Vol.

X I V , C D D H / I I I / S R 40, S. 441, 14. A p r i l 1975. V I I . C D D H / S R 58, S. 295, 9. J u n i 1977. V I I , CDDH/SR 58, S. 295, 9. J u n i 1977. V, CDDH/SR 13, S. 134, 6. März 1974.

132

I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

the Diplomatie Conference, his delegation had expressed i n plenary its concurrence i n the v i e w that the draft Protocols were not intended to broach problems concerned w i t h atomic, bacteriological or chemical w a r fare. Nothing i n the four years' w o r k of the Conference or i n the texts themselves had caused i t to depart from t h a t view. It therefore continued

to be his Government's understanding that the new rules introduced by the Protocols were not intended to have any effect on and did not regulate or prohibit the use of nuclear or other non-conventional weapons. Such

questions were r i g h t l y the subject of agreements and negotiations elsewhere."141

Die Erklärungen Großbritanniens und der Vereinigten Staaten aus dem Jahre 1977 weisen eine Gemeinsamkeit auf. Beide Delegationen haben deutlich gemacht, daß nach ihrem Verständnis die Einführung des I K R K i n den Protokollentwurf den Anwendungsbereich des Protokolls auf konventionelle Waffen beschränkt hat und der Konferenzverlauf keine Anhaltspunkte für eine Abänderung dieser Interpretation nahegelegt habe. Aus der Erklärung des I K R K und dem Konferenzverlauf ziehen die Vertreter Großbritanniens dann den Schluß, daß die „new rules" des I. Protokolls keinen Einfluß auf die Nuklearwaffen haben können. Die amerikanische Delegation spricht i m Unterscheid dazu von den „rules established by the Protocol", die keinen Einfluß auf die Nuklearwaffen haben können. Vergleicht man die beiden Begriffe „established" und „new rules", so ist festzustellen, daß der von den Vereinigten Staaten verwendete Begriff einen weiteren Begriffsumfang hat. Während das Wort „new" sich auf die Rechtsqualität der Normen bezieht, bezeichnet das Wort „established" den Festlegungsprozeß der Norm. Die Wortbedeutungen von „established", wie feststehend, verankert, eingewurzelt, eingeführt, fundiert oder begründet 142 , lassen i m Verhältnis von Gewohnheitsrecht und Vertragsrecht nicht notwendigerweise an die Implementation von bisher unbekannten Vorschriften ins Vertragsrecht denken. Hierfür ist der Begriff „new" die präziseste A r t und Weise der Bezeichnung. Bedeutungen wie „verankern" oder „einwurzeln" drücken eher die Überführung von Gewohnheitsrechtsnormen i n das Vertragsrecht aus. M i t den „new rules" sind so die Vorschriften gemeint, die erst durch die Konferenz in den Bereich der geltenden Völkerrechtsnormen aufgenommen worden sind. I m Unterschied dazu sind m i t den Normen „established by the Conference" auch die durch das I. Protokoll kodifizierten Rechtssätze gemeint 143 . 141

OR, Vol. V I I , C D D H / S R 58, S. 303, 9. J u n i 1977. Pons, Globalwörterbuch, englisch—deutsch, S. 333. 143 E i n materieller Unterschied der beiden Erklärungen w i r d auch von Meyrowitz festgestellt, Meyrowitz, Kriegsrecht u n d Kernwaffen, S. 690. 142

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Es bedarf an dieser Stelle keiner weitergehenden Untersuchung, welche Normen des Protokolls kodifiziertes Gewohnheitsrecht sind und welche eine Fortentwicklung des humanitären Rechts darstellen 144 . Grundsätzliche Überlegungen zeigen, daß den Erklärungen ein über den Wortlaut hinausgehender echter Dissens inhärent ist. Unzweifelhaft kann die amerikanische Erklärung keine i m I. Protokoll kodifizierte Gewohnheitsrechtsnorm mit Wirkung für die Vereinigten Staaten außer Kraft setzen. Das humanitäre Völkerrecht ist jedoch i n seinen Aussagen z. T. weniger präzise als andere Rechtsbereiche. Die Genfer Staatenkonferenz hat deshalb vor allem auch eine rechtsbestätigende und klarstellende Funktion gehabt. Dieser Auftrag, der seinen Ausdruck auch i m Titel der Konferenz gefunden hat, macht eine Lücke des Normensystems des humanitären Völkerrechts deutlich, i n die die amerikanische Erklärung gestoßen ist. Die meisten Normen des humanitären Völkerrechts zum Schutz der Zivilbevölkerung haben Prinzipiencharakter 145 . Anders als i m Kriegsgefangenen- und Verwundetenrecht sowie beim Schutz für die Z i v i l bevölkerung i n besetzten Gebieten war es vor dem Beginn der Konferenz nicht gelungen, die Prinzipien i n klar abgegrenzte und befolgbare Regeln zu fassen 148 . Obwohl i n vielen Fragen der Ausfüllung der Prinzipien i n Schrifttum und Staatenpraxis Übereinstimmung vorlag, kam es dennoch hinsichtlich einiger Aspekte zu unterschiedlichen Gewichtungen 147 . Für diese Normen, deren Geltung unbestritten war, hat die Konferenz eine abgrenzende und klarstellende Arbeit geleistet, die keine Neuschöpfung von Normen i m Sinne von „new rules" gewesen ist 1 4 8 . Sieht man die amerikanische Erklärung bezüglich der Regeln „established by the conference" i n der Gegenüberstellung mit den Vorschriften, die nach Auffassung der Vereinigten Staaten für den Nuklearwaffengebrauch gelten, so w i r d deutlich, daß auch die bestätigten und präzisierten Normen vom Nuklearwaffenausschluß erfaßt werden sollen. I n der Erklärung vom 9. Juni 1977 w i r d festgestellt, daß der Einsatz von Nuklearwaffen „was governed by the principles of international 144 s. dazu i n diesem T e i l F V I I . 145 v g L pictet, S. 29; Kaishoven, The L a w of Warfare, S. 27, 28. 140 s. z.B. zum Proportionalitätsprinzip, Kaishoven, ibid., S. 66; Rousseau bezeichnet das Kriegsrecht noch 1968 als „archaic", Rousseau, D r o i t I n t e r national Public (4. Aufl.), S. 349. 147 Vgl. zur Diskussion u m das Proportionalitätsprinzip, Adler, S. 297, 298; McDougal/Feliciano, S. 528, 616, 650, 652. 148 Kaishoven, „the rules . . . far more precise and detailed than the basicprinciples they elaborate", Ralshoven, Reaffirmation and Development, S. 109; Rauch bewertet die Begriffe „established" u n d „ n e w " als gleichrangig, Rauch, L'emploi d'armes nucléaires, S. 52, 53,

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 und der Nuklearwaffeneinsatz

l a w " . D a r i n ist die B e s t ä t i g u n g e i n e r E r k l ä r u n g v o n d e r X X V I I I . R o t K r e u z - K o n f e r e n z i n T e h e r a n gesehen w o r d e n 1 4 9 . D o r t h a t t e n die V e r e i n i g t e n S t a a t e n z u m I n h a l t d e r P r i n z i p i e n des V ö l k e r r e c h t s folgendes festgestellt: "The . . . principles set out i n that resolution constitute a reaffirmation of existing international law. These principles, though drafted i n general terms, clearly state t h a t : (1) There is a l i m i t to the permissible means of i n j u r i n g the enemy, a l i m i t which is inevitably affected by the actions of a l l parties to any conflict. (2) C i v i l i a n populations may not be attacked as such b u t w e recognize that the co-location of m i l i t a r y targets and civilians may make unavoidable, certain i n j u r y to civilians. Moreover, we should recognize soberly, that none of these principles offers any significant protection to civilians i n the catastrophic event of nuclear war. (3) There are indeed principles of l a w relative to the use of weapons; and these principles apply as w e l l to the use of nuclear and similar weapons. The United States believes the above principles are statements of existing international l a w on this subject." 1 5 0 D i e B e z u g n a h m e i n d e r E r k l ä r u n g auf die B e s t ä t i g u n g i h r e r g e w o h n heitsrechtlichen G e l t u n g d a r f nicht über den r u d i m e n t ä r e n Schutzumf a n g d e r a u f g e f ü h r t e n P r i n z i p i e n h i n w e g t ä u s c h e n . W e n n die V e r e i n i g t e n S t a a t e n n u r die a u f g e f ü h r t e n P r i n z i p i e n z u r G r u n d l a g e d e r B e w e r t u n g des N u k l e a r w a f f e n e i n s a t z e s machen, w e r d e n d a m i t a u t o m a t i s c h K o n k r e t i s i e r u n g e n d e r P r i n z i p i e n als B e m e s s u n g s g r u n d l a g e n ausgeschlossen oder d i e F e s t l e g u n g d e r K o n k r e t i s i e r u n g b l e i b t d e m B e l i e b e n des B e w e r t e n d e n v o r b e h a l t e n 1 5 1 . F ü r d e n N u k l e a r w a f f e n e i n s a t z w ä r e n die V e r e i n i g t e n S t a a t e n d a m i t v o n d e n R e s t r i k t i o n e n b e f r e i t , d i e das I . P r o t o k o l l auch m i t d e r P r ä z i s i e r u n g v o n P r i n z i p i e n l i e f e r t . E i n e B e s t ä t i g u n g dieses Verständnisses d e r a m e r i k a n i s c h e n S t e l l u n g n a h m e l i e f e r t die K o m m e n t i e r u n g Solfs d e r V o r g ä n g e a u f d e r K o n ferenz. Solf schreibt d a z u : 149

Solf, i n : Bothe/Partsch/Solf, New Rules, S. 190. Ibid., S. 191. I m Gegensatz zur amerikanischen E r k l ä r u n g sind die v o m I K R K zusammengefaßten „Fundamental Rules of International H u m a n i t a r i a n L a w Applicable i n A r m e d Conflicts" präziser: 6. "Parties to a conflict and members of their armed forces do not have an u n l i m i t e d choice of methods and means of warfare. I t is prohibited to employ weapons or methods of warfare of a nature to cause unnecessary losses or excessive suffering. 7. Parties to a conflict shall at a l l times distinguish between the civilian population and combatants i n order to spare civilian population and property. Neither the civilian population as such nor c i v i l i a n persons shall be the objects of attack. Attacks shall be directed solely against m i l i t a r y objectives" abgedruckt i n Roberts/Guelff, S. 405, 406. 151 Vgl. die Stellungnahme von Reed zur UN-Resolution 244, die für das „principle of distinction" n u r verlangt: „the civilian population . . . be spared as much as possible", Reed, S. 23. 150

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" . . . the Protocol i n its entirety remains applicable to a l l aspects of the armed conflict governed by the Protocol except that the rules relevant to the use of weapons do not affect the use of nuclear weapons . . . I t is also undisputed that the use of nuclear weapons i n armed conflicts remains governed by the existing principles of international l a w as they exist w i t h out reference to the rules relevant to the use of weapons established by protocol I . " 1 5 2

Ebenso wie die Stellungnahme der Vereinigten Staaten schließt Solf die Anwendimg der „rules" auf die Nuklearkriegführung aus. Würde der Feststellung eine Unterscheidung i m Sinne von „neuen" und präzisierten Regeln zugrunde liegen, müßte diese zum Ausdruck kommen. Vor allem wäre der Einfluß der präzisierten Regeln auf die „existing principles" hervorgehoben worden. I m Zusammenhang mit den Erklärungen Großbritanniens und der Vereinigten Staaten nach der Zustimmung zum Protokoll vom Juni 1977 muß man sich fragen, ob die Abgabe der „explanation of votes" unabhängig von ihrem Inhalt nicht gerade ein Zeichen für den fehlenden „consensus" gewesen ist. Wenn, wie die beiden Kernwaffenmächte behaupten, der Kernwaffenausschluß von Beginn der Konferenz an klar gewesen ist und während des vierjährigen Konferenzverlaufs nichts auf eine gegenteilige Ansicht der Konferenzteilnehmer hingedeutet hat, war die Abgabe von Erklärungen in der letzten Plenarsitzung überflüssig. Insoweit dokumentieren die Erklärungen eher die den westlichen Nuklearwaffenstaaten bewußte Unsicherheit über den Umfang und die Intensität des „consensus". Ein weiterer Grund für die Abgabe der Stellungnahmen kann darin gelegen haben, daß A n haltspunkte für eine nach Art. 32 W V K zu berücksichtigende Konferenzgeschichte geliefert werden sollten. Als Indiz für die Richtigkeit der beiden zuletzt angesprochenen Überlegungen dienen weitere Stellungnahmen auf der Konferenz, die sich nicht ausdrücklich auf die Nuklearwaffen beziehen. I m Report des I I I . Komitees heißt es zu Abs. 4 von A r t . 51: „Many but not all . . . were of the view that this definition was not intended to mean that there are means or methods of combat, the use of which would involve an indiscriminate attack i n all circumstances 153 ." Ohne einer Interpretation des Abs. 4 c vorgreifen zu wollen, kann bereits hier festgestellt werden, daß der Wortlaut der dritten Alternative mit der Konzentration auf die Waffeneffekte offensichtlich eine auf Massenvernichtungswaffen zugeschnittene Regel ist. N u r unter Berücksichtigung dieser Tatsache ergibt der Hinweis i m Report einen Sinn 1 5 4 . 162 153 154

Solf, i n : Bothe/Partsch/Solf, New Rules, S. 190/191. OR, Vol. X I , CDDH/215/Rev. 1, S. 261. B l i x : „ I t may be surmised that this attitude was taken to foreclose any

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

Eine Erklärung der i m Report angesprochenen A r t wäre bei einer auf konventionelle Waffen beschränkten Anwendung des Abs. 4 c nicht erforderlich gewesen. Schließt man sich dem Urteil Carnahans an, daß das I I I . Komitee „apparently wrote paragraph 3 of Art. 46 w i t h nuclear weapons i n mind" 1 5 5 , bleibt nur eine Begründung für die Bemerkung i m Report. Einige westliche Staaten haben durchaus die Anwendbarkeit des Art. 51 auf die Nuklearwaffen akzeptiert. M i t den Erklärungen sollten wesentliche Elemente der Nuklearstrategien, wie der auf m i l i tärische Objekte begrenzte Einsatz von kleinen Nuklearwaffen, abgedeckt werden. bb) Die Erklärung

Frankreichs

Während die Erklärungen der Vereinigten Staaten und Großbritanniens jeden Eindruck vermeiden, daß A r t . 51 einen Einfluß auf die Verteidigungspolitik ihrer Staaten haben kann, w i r d ein solcher Einfluß i n der französischen Erklärung vom 8. Juni 1977 ausdrücklich bestätigt. I n der Erläuterimg, warum Frankreich keine Einwendungen gegen die Annahme des Wortlauts erhoben hat, heißt es: "The French delegation therefore wishes to make i t quite clear that its Government could not under any circumstances permit the provisions of Protocol I to jeopardize the 'inherent r i g h t of . . . self-defence', which France intends to exercise f u l l y i n accordance w i t h A r t i c l e 51 of the United

Nations Charter, or to prohibit the use of any specific weapon which it considers necessary for its defence. Already in 1973, the French Government noted that the ICRC d i d not include any regulations on nuclear weapons i n its drafts. I n participating i n the preparation of the additional Protocols; therefore, the French Government has taken into consideration only conflicts using conventional weapons. I t accordingly wishes to stress that i n its v i e w the rules of the Protocols do not apply to the use of nuclear weapons. On numerous occasions the French Government has indicated its willingness to study the problems of nuclear weapons w i t h the Powers directly concerned, i n an attempt to achieve general disarmament w i t h suitable controls. W i t h regard to Protocol I itself, the French Government cannot accept t h a t the provisions of paragraph 4 of A r t i c l e 46 (Article 51 i n the f i n a l numbering) and paragraph 2 of A r t i c l e 50 (new A r t i c l e 57), concerning indis-

criminate attacks, could prohibit

its own armed forces , in defending the

national territory, from carrying out military operations against enemy forces attacking or occupying certain areas or places." 159 Die Bezugnahme auf ihre eigene Meinung bezüglich der Anwendbarkeit des Protokolls auf Nuklearwaffen darf nicht darüber hinwegdiscussion of the question whether nuclear weapons are inevitably indiscriminate", B l i x , Area Bombardment, S. 50. 155 Carnahan, S. 46. 156 OR, Vol. V I I , CDDH/SR. 56, S. 193, 8. J u n i 1977, Hervorhebungen durch den Verfasser.

E. Der unterschiedslose A n g r i f f nach A r t . 51 Abs. 4 u n d 5

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täuschen, daß eine solche Anwendbarkeit nicht nur für möglich, sondern auch für sehr wahrscheinlich gehalten wird. Andernfalls wäre die Bezugnahme auf die eingeschränkte Verteidigungsfähigkeit Frankreichs nicht sinnvoll. cc) Die Erklärungen

der UdSSR, Chinas und Indiens

Die östlichen Nuklearwaffenstaaten haben sich i n unterschiedlicher Weise zu dem Nuklearwaffenproblem geäußert. Die UdSSR hat, wie die westlichen Kernwaffenmächte, auf die Erklärung des I K R K Bezug genommen. Der russische Delegierte Gribanov erklärte am 21. März 1975: "His delegation agreed w i t h the point of view of the ICRC as to the tasks of the Conference w i t h regard to the prohibition of weapons. As was pointed out by the ICRC i n the introduction to the draft A d d i t i o n a l Protocols: 'Problems relating to atomic, bacteriological and chemical warfare are subjects of international agreements or negotiations by Governments, and i n submitting these draft A d d i t i o n a l Protocols the ICRC does not intend to broach those problems.' As far as the so-called conventional weapons were concerned, the ICRC advocated study and research i n that field; that was an understandable and correct point of view. Nevertheless, the experts w o u l d s t i l l be able to do useful w o r k that w o u l d be of assistance to the various international bodies concerned w i t h the problem. I n the v i e w of the USSR delegation, they should devote themselves m a i n l y to the development of objective legal criteria that could be used by those bodies i n the solution of problems associate w i t h the prohibition or restriction of the use of certain types of conventional weapons." 1 5 7

Während der Rückgriff der westlichen Staaten auf die I K R K - E r k l ä rung sich auf die grundsätzliche Frage der Behandlung von Nuklearwaffen konzentriert, verweist die sowjetische Erklärung auf ein „Waffenverbot" 1 5 8 . Der Hinweis auf die Bemühungen zum Verbot konventioneller Waffen — study and research i n that field — macht deutlich, daß die russische Erklärung keine Aussagen über die Anwendung des WaffenwirkungsVerbots i n A r t . 51 enthält. Die chinesischen Stellungnahmen sind i n Inhalt und Diktion von der russischen verschieden. Der angesprochene Bereich ist jedoch der gleiche. Die chinesischen Delegierten hatten i m Jahre 1974 zweimal Vorschläge zur Diskussion der Nuklearwaffenfrage auf der Konferenz gemacht. A m 6. März erklärte der chinesische Delegierte Pi Chi-Lung: "The new Protocols should unequivocally provide for the prohibition and destruction of nuclear weapons and the nuclear Powers, p r i m a r i l y the t w o super Powers, the U n i o n of Soviet Socialist Republics and the United 157

OR, Vol. X V I , C D D H / I V / S R . 19, S. 188, 21. März 1975. Die Stimmen i m Schrifttum, die die sowjetische Stellungnahme als Beweis anführen, verkennen den I n h a l t der Erklärung, siehe z. B. Steinkamm, S. 7; Rousseau, S. 127; Meyrowitz, Kriegsrecht u n d Kernwaffen, S. 691. 158

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States of America, should guarantee that they w o u l d i n no circumstances use nuclear weapons, particularly against non-nuclear countries and nuclear-weapon-free zones." 1 5 9

Die i n der Plenarsitzung erhobene Forderung wurde am 15. März 1974 i m 4. Komitee i n folgender Weise wiederholt: " . . . a distinction should be made between just and unjust wars. The aggressor used cruel and genocidal weapons, w h i l e just wars fought for national independence were directed against the use of such weapons. Since, however, the super-Powers were accumulating nuclear weapons to be used for purpose of nuclear blackmail he suggested that the Conference, i n order to protect the c i v i l i a n population, should discuss also the proh i b i t i o n of nuclear weapons." 1 6 0

I m Gegensatz zu den Erklärungen der Vereinigten Staaten und Großbritanniens ist von China die ausdrückliche Einbeziehung der Nuklearwaffenproblematik i n das I. Zusatzprotokoll gefordert worden. Während die Sowjetunion und China ihre Standpunkte i m Laufe der Konferenz verdeutlicht haben, ist die Stellungnahme Indiens nach der Fertigstellung des Vertragstextes abgegeben worden. Für die Bewertung des Protokolls kommt ihr daher besondere Bedeutung zu. I n der Plenarsitzung vom 25. Mai 1977 ist erklärt worden: "The I n d i a n delegation has agreed to j o i n the consensus on A r t i c l e 33 w i t h the understanding that the basic rules contained i n this article w i l l apply to a l l categories of weapons, namely nuclear, bacteriological, chemical, or conventional weapons or any other category of weapons. Secondly, the t e r m 'superfluous i n j u r y or unnecessary suffering' means those physical injuries which are more severe than w o u l d be necessary to render an adversary hors de combat or to make the enemy surrender and which are not justified b y considerations of m i l i t a r y necessity." 1 6 1

Es ist versucht worden, dieser Erklärung mit dem Hinweis auf den neuen Rechtscharakter des A r t . 35 Abs. 3 jeglichen Wert für die Interpretation abzusprechen 162 . Meyrowitz hält die Erklärung Indiens für unbeachtlich, weil der Abs. 3 des Art. 35 als neue Regel ohnehin durch die Erklärung der Vereinigten Staaten und Großbritanniens ausgeschlossen sei. M i t dieser Feststellung w i r d seine eigene Argumentation ad absurdum geführt. Zum Beweis des „consensus" hatte er sich auf die Reaktion der Konferenzparteien berufen. Zwischen den Erklärungen der Nuklearwaffenstaaten bestehen unüberbrückbare Differenzen. Die indische Stellungnahme geht eindeutig 159

OR, Vol. V, CDDH/SR. 12, S. 120, 6. März 1974. OR, Vol. X V I , C D D H / I V / S R . 3, S. 26, 15. März 1974; vgl. auch Farina, S. 510, 511. 161 OR, Vol. V I , CDDH/SR. 39, S. 115, 25. M a i 1977. ιβ2 Meyrowitz, Le statut des armes, S. 231. 160

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von einer durch die Grundregel des Art. 35 vermittelten Einbeziehung der Nuklearwaffen i n den Geltungsbereich des Protokolls aus 163 . Die sowjetische Erklärung bezieht sich, wie die Terminologie beweist, auf die Frage von speziellen Waffenverboten und nicht auf das Waffeneinsatzproblem. I m Zusammenhang mit der chinesischen Absicht, ein ausdrückliches Waffenverbot i m Protokoll zu verankern, ist darin i m Wege des Umkehrschlusses eine Bestätigung der Anwendbarkeit des Waffenwirkungsverbots auf alle Waffen zu sehen. Die französische Erläuterung i n der letzten Plenarsitzung liefert mit ihrem Hinweis auf die durch A r t . 51 eingeschränkte Verteidigungsfähigkeit den besten Beweis für einen Einfluß des A r t . 51 Abs. 4, 5 auf die Nuklearkriegführung. Selbst wenn man diesen offenkundigen Unterschied i n der Position der Nuklearwaffenstaaten nicht akzeptieren w i l l , ist es außerordentlich zweifelhaft, ob eine Willensübereinstimmung Großbritanniens und der USA feststellbar ist. Je nachdem, wie man den Umfang der „new rules" i n Art. 51 definiert, ergeben sich erhebliche Diskrepanzen i n der mit den Erklärungen verbundenen rechtlichen Bindung an die Vorschriften des humanitären Völkerrechts. Die Erklärungen der Nuklearwaffenstaaten können nicht als Beweis für einen „consensus" über einen Nuklearwaffenausschluß herangezogen werden. b) Die Erklärungen der Nichtkernwaffenstaaten Von den Stimmen i m internationalen Schrifttum, die in den Erklärungen aller Nuklearwaffenstaaten oder zumindest in denen der westlichen Kernwaffenmächte eine homogene Einheit sehen, w i r d zum Beweis des „consensus" auf das Verhalten der anderen Konferenzteilnehmer verwiesen. Wie Meyrowitz schreibt, hat die große Mehrheit der anderen Delegationen „ . . . adopté, soit expressément, soit tacitement, la même position" 1 8 4 . Von den Nuklearwaffenstaaten haben eine ganze Reihe von Konferenzteilnehmern Erklärungen zur Nuklearwaffenproblematik abgegeben. Bei diesen Aussagen sind unterschiedliche Begründungslinien erkennbar. Eine Gruppe von Staaten hat auf der Konferenz ein absolu163 Rauch: „ A mon avis, négliger cette déclaration de l'Inde est une erreur aussi grave que de ne pas prendre en considération l'Introduction au Commentaire d u C I CR", Rauch, L'emploi d'armes nucléaires, S. 40; vgl. auch Pilloud, der i m Zusammenhang m i t A r t . 35 auf die Wortgleichheit m i t A r t . 55 hinweist, Pilloud, S. 175, 176. 164 Meyrowitz, Le statut des armes, S. 230; sein Hinweis auf Kaishoven ist irreführend. Dieser bezieht sich ausdrücklich n u r auf die Einführung des I K R K i n den Protokollentwurf, s. Kaishoven, Reaffirmation and Development, S. 108, 109 Fn. 4; vgl. auch Rousseau, S. 127; Furet/Martinez/Dorandeau, S. 98; Solf, Weapons, S. 353.

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tes V e r b o t d e r N u k l e a r w a f f e n angeregt. S t e l l u n g n a h m e n i n dieser R i c h t u n g h a b e n Rumänien 1 ® 5 , Irak 1 ® 6 u n d Nord-Korea 1 ® 7 abgegeben. A n d e r e S t a a t e n h a b e n v o n d e r F o r d e r u n g nach e i n e m absoluten V e r b o t d e r N u k l e a r w a f f e n abgesehen. So h a t sich G h a n a a m 5. M ä r z 1974 z u r Frage v o n neuen W a f f e n w i e folgt geäußert: "The use of new types of weapons appeared on the agenda of t w o important conferences currently meeting i n Geneva and i n Vienna. The m a i n purpose of at least one of t h e m was to l i m i t the use of strategic arms which could result i n the destruction of a l l mankind. Consistently w i t h the contemporary trend of political thought the Conference should declare the complete prohibition of the use of new weapons in all conflicts. Experience had shown that the use of such weapons could affect innocent civilians some distance from the area directly attacked. Surely, prevention was better than cure." 1 6 8 J u g o s l a w i e n h a t i n derselben P l e n a r s i t z u n g ebenfalls eine E r k l ä r u n g m i t e i n d e u t i g e m B e z u g z u r N u k l e a r w a f f e n f r a g e abgegeben. A u s g e h e n d v o n d e n Genfer K o n v e n t i o n e n , d e r N u k l e a r w a f f e n e n t w i c k l u n g u n d d e r d a m i t v e r b u n d e n e n N o t w e n d i g k e i t eines E i n s a t z v e r b o t s f ü r u n t e r schiedslose W a f f e n e r k l ä r t e d e r j u g o s l a w i s c h e D e l e g i e r t e :

165 Rumänien: „Nuclear, bacteriological, chemical and biological weapons as w e l l as a l l weapons of mass destruction should be banned. A universal agreement on general disarmament and, i n particular, nuclear disarmament, was an urgent necessity", OR, Vol. V, CDDH/SR. 11, S. 103, 5. März 1974; OR, Vol. V, CDDH/SR. 10, S. 87, 5. März 1974. 1ββ I r a k : „ . . . i t was distressing that technical developments had led to the production of biological and nuclear weapons capable of destroying mankind. I n the opinion of his delegation, the principles that had to be stressed were the protection of the civilian population i n armed conflicts; the prohibition of nuclear, biological and chemical weapons and of certain conventional weapons of mass destruction; the definition of the distinction between m i l i tary objectives and civilian objects; the formulation of rules which w o u l d be flexible enough to enable members of the national liberation movements, w h e n taken prisoner, to be considered as prisoners of w a r ; and the need to ensure that principles of humanitarian l a w were respected b y a l l parties to armed conflicts and to establish machinery for that purpose." OR, Vol. V, CDDH/SR. 12, S. 123, 6. März 1974. ιβ7 Nord-Korea: „ A r t i c l e 33 should be considered parallel w i t h article 34, since the contemporary era was largely dominated by science and technology. The United States imperialists had not hesitated to use biological and chemical weapons i n the wars i n Korea and Viet-Nam. Even at the present time they were installing atomic and remote-controlled atomic weapons i n South Korea, close to the demarcation line, w i t h the risk of plunging the Korean people into a nuclear war. For that reason the production, testing and use of such weapons should be prohibited and existing stocks should be destroyed. The text of articles 33 and 34 should therefore be redrafted i n order to take those facts and the experience of the Korean people into account", OR, Vol. X I V , C D D H / I I I / S R . 26, S. 241, 242, 27. Februar 1975. 168 OR, Vol. V, CDDH/SR. 10, S. 97, 5. März 1974, Hervorhebungen durch den Verfasser.

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"Special attention should be paid to effective protection of a l l categories of combatants and the civilian population . . . Weapons of mass exterminat i o n as w e l l as certain categories of conventional weapons should be banned." 1 6 9

Die jugoslawische Stellungnahme liegt damit auf der gleichen Linie, wie sie von Ghana und auch von Albanien vertreten worden ist. Von Albanien war i m 3. Komitee zu Beginn der Beratungen über die den Schutz der Zivilbevölkerung regelnden A r t i k e l erklärt worden: "... methods of warfare indiscriminately affecting the civilian population, such as atomic weapons , bombardment of the civilian population and

deportation, must be specifically p r o h i b i t e d . " 1 7 0

Die drei letztgenannten Erklärungen sind i n zweifacher Hinsicht bemerkenswert. I m Zusammenhang m i t den Äußerungen Rumäniens, des Iraks und Nord-Koreas widerlegen sie die Behauptung, die Konferenzparteien hätten die Ausgangsposition der westlichen Nuklearwaffenmächte unwidersprochen akzeptiert 1 7 1 . Einige der Nichtkernwaffenstaaten haben auf der Konferenz nicht geschwiegen, sondern, wie die Erklärungen beweisen, ein Verbot der Nuklearwaffen gefordert. Meyrowitz lehnt die Berücksichtigung dieser Erklärungen m i t dem Hinweis darauf ab, daß keine der hier wiedergegebenen Stellungnahmen ihren Niederschlag i n einem „amendment" gefunden hat 1 7 2 . Diese Argumentation verkennt den Grundkonsens der Konferenz. Von den Befürwortern des Nuklearwaffenausschlusses w i r d immer wieder auf die Einführungen des I K R K verwiesen 173 . I n den Einführungen w i r d aber die Ausklammerung von speziellen Waffenverboten jeder A r t erklärt. „Amendments" m i t dem Ziel, ein absolutes Nuklearwaffenverbot zu erreichen, wären daher völlig sinnlos gewesen. Macht man sich die These von der fehlenden Umsetzung der Erklärung zu eigen, so hätte dies, wie auch schon bei der Erläuterung der IKRK-Aussagen festgestellt worden ist, eine merkwürdige Konsequenz. Da i m Zusam169 OR, Vol. V, CDDH/SR. 11, S. 104, 105, 5. März 1974, Hervorhebungen durch den Verfasser. 170 OR, Vol. X I V , C D D H / I I I / S R . 8, S. 70, 19. März 1974, Hervorhebungen durch den Verfasser. 171 So ausdrücklich Meyrowitz, L e statut des armes, S. 230; vgl. den Report der US-Delegation Boyd, S. 406; Randelzhofer, Das Kriegsrecht z w i schen Bewahrung u n d Veränderung, S. 734; unter diesem Gesichtspunkt behandelt Rauch die Erklärungen, s. Rauch, L'emploi d'armes nucléaires, S. 28, 30, 31. 172 Meyrowitz, Le statut des armes, S. 231 ; vgl. aber den Vorschlag der Philippinen, i n den A r t . 74 den Einsatz von Nuklearwaffen aufzunehmen. Die Diskussionen belegen den Waffenwirkungscharakter des Protokolls OR, Vol. I I I , CDDH/I/347, CDDH/418, S. 322, OR, Vol. I X , C D D H / I / S R . 60, S. 255— 265. 173 s. Fn. 95.

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menhang mit Art. 51 keine „amendments" zum Verbot konventioneller Waffen vorgebracht worden sind, wäre das I. Protokoll bei konsequenter Weiterführung dieser Aussage auch nicht auf konventionelle Waffen anwendbar 174 . Die Aussagen Ghanas, Jugoslawiens und Albaniens 1 7 5 enthalten ein weiteres wichtiges Element. Anders als Rumänien, der Irak und NordKorea fordern diese drei Staaten kein absolutes Waffenverbot. Sie stellen in ihren Vorschlägen auf die unterschiedslose Wirkung der Kernwaffen ab und regen konsequenterweise ein Waffenwirkungsverbot an. Diese Erklärungen sind neben dem Wortlaut des Textes und den Erklärungen Indiens und Frankreichs ein wichtiges Indiz dafür, daß Waffenwirkungsverbote unter der Einbeziehung der Nuklearwaffen nicht von Anfang an als neben dem Protokoll liegend behandelt worden sind. Die Erklärungen der Nichtkernwaffenstaaten beweisen, i n welch unterschiedlicher Weise die Nuklearwaffenfrage auf der Konferenz behandelt worden ist. Die Forderung nach einem absoluten oder relativen Verbot der Kernwaffen schließt eine Berufung auf eine ausdrückliche oder stillschweigende Akzeptierung der amerikanischen und englischen Position aus. c) Die Repressaliendiskussion Ein weiterer Gesichtspunkt ist bis jetzt i n der Diskussion um die Frage des Nuklearwaffenausschlusses nicht zum Tragen gekommen. Nimmt man Rückgriff auf die Diskussionen auf der Konferenz, um damit eine Vereinbarung zu dokumentieren, so dürfen die Auseinandersetzungen um die Repressalienfrage nicht unbeachtet bleiben 176 . Ohne hier der inhaltlichen Bewertung der Repressalienproblematik vorgreifen zu wollen, kann eines mit Sicherheit festgestellt werden. Hätten alle Staaten einem Nuklearwaffenausschluß implizit oder explizit zugestimmt, wären die Auseinandersetzungen u m den französischen Vorschlag zum A r t . 74 bis 1 7 7 mit anderen Argumenten geführt worden. Frankreich hatte am 19. Februar 1975 einen Vorschlag zum Verbot von Repressalien unterbreitet, der es i n seiner geänderten Fassung vom 22. A p r i l 1976 erlaubt hätte: " . . . to resort to certain measures which are designed to repress the breaches and induce compliance w i t h the protocol, b u t which w o u l d otherwise be prohibited by the Protocol." 174

So auch Rauch, L'emploi d'armes nucléaires, S. 31. Vgl. zur A f f i n i t ä t der albanischen u n d chinesischen E r k l ä r u n g unter Berücksichtigung der chinesischen Haltung zur Frage des unterschiedslosen Angriffs, Farina, S. 510. 176 s. dazu N a h l i k , Belligerent Reprisals, S. 36—67. 177 OR, Vol. I I I , C D D H / I / 2 2 1 u n d CDDH/I/221/Rev. 1, S. 323, 324. 175

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Der i n der zweiten Version des Vorschlags eines Artikels 74 bis eingefügte Absatz 3 lautete: " I f it proves imperative to take these measures, their extent and their means of application i n no case exceed the extent of the breach, which they are designed to end. The measures may not involve any actions prohibited by the Geneva Conventions of 1949. The measures must cease, i n a l l events, when they have achieved their objective, namely, cessation of the breach which prompted the measures."

Die Formulierung i m 2. Satz des 3. Absatzes mit seiner Bezugnahme auf die Genfer Konventionen von 1949 hätte die neuen Repressalien Vorschriften des Zusatzprotokolls i n den A r t . 51—54 außer Kraft gesetzt 178 . Wenn man von der grundsätzlichen Problematik des Abschreckungseffekts von Repressalien absieht, ist der Vorschlag eines Art. 74 bis unter dem eindeutigen Gesichtspunkt des Nuklear Waffengebrauchs i n den Konferenzverlauf eingebracht worden. Kaishoven berichtet dazu von privat gemachten Erläuterungen des französischen Delegierten Girard. Dieser hatte als Grund für den Vorschlag des A r t . 74 bis die Befürchtungen der französischen Delegation hinsichtlich der Anwendbarkeit der A r t . 51 ff. auf die Nuklearkriegführung genannt 179 . Von den meisten Konferenzteilnehmern ist der A r t . 74 bis abgelehnt worden 1 8 0 . Unterstützung fand das französische „Amendment" von britischer Seite. Der englische Teilnehmer Draper erklärte am 29. A p r i l 1976 unter anderem: " . . . the French proposal was an attempt to make that l a w a l i v i n g reality rather than a series of hopeful aspirations that had no effect i n binding the parties at war. The mechanism was a carefully controlled and last resort system of legitimate countermeasures permissible against an adversary committing serious breaches of Protocol I. A n y state m i g h t f i n d itself i n the predicament of facing an adversary adopting that course, and the problem was how to respond i n a l a w f u l m a n n e r . " 1 8 1

Der Hinweis auf die „serious breaches" 182 legt den Verdacht nahe, der englischen Delegation sei die Einwirkung der Schutzvorschriften auf die Nuklearwaffenfrage durchaus bewußt gewesen und erfordere die Sicherung der Repressalienmöglichkeit. I n ähnlicher Weise hat Aldrich i n der amerikanischen „explanation of vote" auf das Dilemma der Repressalienlösung i m Protokoll hingewiesen: " . . . Reciprocity and m u t u a l i t y of interest remained perhaps the most powerful pressures for compliance w i t h the Protocol. Massive and continu178 179 180 181 182

So auch Kaishoven, Reprisals i n the CDDH, S. 204, 205. Ibid., S. 212. s. dazu Kaishoven, Reprisals i n the CDDH, S. 207. OR, Vol. I X , C D D H / I / S R . 47, S. 73. s. A r t . 85 Abs. 3b.

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ing attacks directed against a nation's c i v i l i a n population could not be absorbed w i t h o u t a response i n k i n d . " 1 8 3

Die Bezugnahme auf „massive and continuing attacks" kann gerade unter Berücksichtigung der geostrategischen Situation der Vereinigten Staaten nur i n dem Bewußtsein eines nuklearen Schlagabtauschs erfolgt sein. Der Zusammenhang der Repressalienvorschrift mit dem Schutz der Zivilbevölkerung und die dazu erfolgten Aussagen der Nuklearmächte lassen einen Nuklearwaffenausschluß auf dem Vereinbarungswege als nicht begründbar erscheinen. Selbst Kaishoven, der sich an anderer Stelle explizit für eine Ausschlußvereinbarung ausgesprochen hat, zögert angesichts der beweiskräftigen Aussagen von Girard, eine definitive Entscheidung zu treffen 1 8 4 . d) Die Mitteilung Frankreichs vom 24. Februar 1984 Einen weiteren Beweis für die Unrichtigkeit der These von dem Nuklearwaffenkonsens der Konferenzteilnehmer liefert eine Mitteilung Frankreichs, die der französischen Beitrittsurkunde zum II. Zusatzprotok o l l beigefügt war. Die Mitteilung vom 24. Februar 1984 lautet: «A l'occasion de dépôt de l'instrument d'adhésion de la France au Protocole I I du 8 j u i n 1977 aux Conventions de Genève d u 12 août 1949, j ' a i l'honneur de vous préciser q u ' i l n'est pas dans l'intention de la République française d'adhérer au Protocole I d u même j o u r aux mêmes Conventions. Cette dernière décision s'explique par les motifs indiqués par le représentant de la France lors de la quatrième session de la Conférence diplomatique de Genève sur la réaffirmation et le développement du droit international humanitaire applicable dans les conflicts armés et plus p a r t i -

culièrement par l'absence de consensus entre les Etats signataires du Protocole I en ce qui concerne la portée exacts des obligations assumées par eux en matière de dissuasion.» 165 Die Feststellung, daß es zwischen den Signatarstaaten des I. Zusatzprotokolls keinen Konsens hinsichtlich der genauen Tragweite der eingegangenen Verpflichtungen bezüglich der Abschreckung gegeben hat, widerlegt den von den anderen Kernwaffenstaaten behaupteten „Kernwaffenkonsens" i n eindrucksvoller Weise. Frankreich leugnet eine solche Übereinstimmung zwischen allen Unterzeichnerstaaten des Protokolls. Vor dem Hintergrund der französischen Erklärung ist eine Beweisführung mit Rückgriff auf das Konferenzverhalten Frankreichs oder das anderer Staaten nicht mehr möglich. Die französische Mitteilung vom 24. Februar 1984 ist ein zusätzliches und schwerwiegendes Argu183 184 185

OR, Vol. V I , CDDH/SR. 58, S. 294. Kaishoven, Reprisals i n the CDDH, S. 212. RICR Juillet A o û t 1984, S. 239.

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ment für die Richtigkeit der hier vorgenommenen Interpretation des Konferenzgeschehens. e) Zusammenfassung Die während der Konferenz abgegebenen Stellungnahmen ergeben folgendes Gesamtbild. Die Vereinigten Staaten und Großbritannien haben unter Bezugnahme auf die Einführung des I K R K i n den Protokollentwurf von Beginn der Konferenz an einen Nuklearwaffenausschluß behauptet. Ob dabei eine Übereinstimmung dieser beiden Staaten über die Tragweite des Ausschlusses festgestellt werden kann, ist mehr als zweifelhaft. Soweit sich andere Staaten zur Nuklearwaffenfrage explizit geäußert haben, kann dies nicht als Beweis für einen Nuklearwaffenausschluß herangezogen werden. Die Erklärung Frankreichs i n Verbindung mit der bisher unterbliebenen Unterzeichnung des Protokolls deutet auf eine einem Nuklearwaffenausschluß entgegenlaufende Interpretation des Art. 51 hin. Indien hat die Einbeziehung der Nuklearwaffen i n den Rahmen des Protokolls m i t seiner Aussage zu A r t . 35 ausdrücklich bestätigt. Die Erklärungen der anderen Nuklearwaffenstaaten sind ebenfalls nicht beweiskräftig, da sie sich auf die Möglichkeit eines absoluten Waffenverbots beziehen. Rückschlüsse auf einen Ausschluß der Nuklearwaffen aus dem Waffenwirkungsverbot des Art. 51 sind deshalb nicht möglich. Die Nichtkernwaffenstaaten haben i n ihren Stellungnahmen sowohl ein ausdrückliches Nuklearwaffenverbot als auch ein die Nuklearwaffen einbeziehendes Waffenwirkungsverbot gefordert. Die Diskussion der Repressalienfrage gibt einen weiteren Hinweis darauf, daß den Staaten die Auswirkungen des A r t . 51 auf die Nuklearkriegführung durchaus bewußt gewesen sind, ohne daraus Konsequenzen zu ziehen. Die Einzeldarstellung der Stellungnahmen auf der Konferenz zeigt somit nicht die Homogenität, die von den Befürwortern eines Nuklearwaffenausschlusses behauptet wird. Eine allgemeine Übereinstimmung über den Ausschluß kann die Konferenzgeschichte nicht belegen. Sieht man einmal von den Erklärungen Großbritanniens und der Vereinigten Staaten ab, beziehen sich die Äußerungen der anderen Kernwaffenstaaten und der Nichtkernwaffenstaaten auf ein absolutes oder relatives Nuklearwaffenverbot. Diese Erklärungen zeigen den Willen der Konferenzteilnehmer, die Nuklearwaffendiskussion nicht aus dem Verbotsumfang des Protokolls herauszunehmen. I n welcher Weise das Verbot ausgestaltet werden soll, spielt dabei keine Rolle. Die bei der Zustimmung zum Protokoll abgegebenen Erklärungen Indiens und Frankreichs sind ein Beweis dafür, daß auch nach Fest10 Fischer

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

legung des Textes ein Teil der Staaten seine Meinung zur Nuklearwaffenproblematik nicht i m Sinne der anglo-amerikanischen Position geändert hatte. Eine allgemeine für den „consensus" notwendige Willensübereinstimmung der Konferenzparteien kann der Rückgriff auf die Erklärungen während der Konferenz nicht belegen. Die Stellungnahmen sind eher eine Bestätigung für das durch die Wortlautinterpretation erlangte Ergebnis. V I . Der Nuklearwaffenausschluß als zusätzliche Vereinbarung im Sinne von Art. 31 Abs. 2 a W V K

1, Die Anbindung

der Zusatzvereinbarung

an den V ertrag sschluß

Bisher sind die Stellungnahmen des I K R K und der Konferenzparteien unter dem Gesichtspunkt untersucht worden, ob sie einen Beweis für einen den Text begleitenden „consensus" erbringen können. Die Argumentation der Befürworter eines Nuklearwaffenausschlusses bezieht sich aber auch ausdrücklich auf eine bei Vertragsabschluß getroffene Zusatzvereinbarung 186 . Unter Berufung auf Yasseen w i r d i m Schrifttum darauf hingewiesen, daß eine sich während des Konferenzverlaufs herausbildende Zusatzvereinbarung auch mündlich abgeschlossen werden kann 1 8 7 . I n der Tat hat Yasseen mit Hinweis auf Aussagen von Fitzmaurice und Schwarzenberger eine mündliche Zusatzvereinbarung dieser A r t für zulässig erachtet 188 . Yasseen hat für die Berücksichtigung auch nach mündlicher Zusatzvereinbarung jedoch weitere Voraussetzungen aufgestellt, die von den Befürwortern eines Nuklearwaffenausschlusses nicht i n ihre Bewertung einbezogen werden. A r t . 31 Abs. 2 a der W V K legt fest, daß die Zusatzvereinbarung mit dem Vertragsabschluß getroffen werden muß. Unabhängig davon, ob während des Konferenzverlaufs eine schriftliche Vereinbarung fixiert worden ist oder eine mündliche Absprache erfolgte, erfordert der Wortlaut eine eindeutige Manifestation der Willensübereinstimmung i m Zusammenhang m i t dem Vertragsabschluß 189 . Die Manifestation der Willens186 s. Solf, i n : Bothe/Partsch/Solf, New Rules, S. 189, 190; ders., Weapons, S. 353; Aldrich, New Life for the Laws of War, S. 780, 781; Rousseau, S. 127; Meyrowitz, L e statut des armes, S. 237; ders., Kriegsrecht u n d Kernwaffen, S. 691 ; vgl. auch K i m m i n i c h , Der Einfluß des humanitären Völkerrechts auf die Kernwaffenfrage, S. 420. 187 s. Meyrowitz, Stratégie nucléaire, S. 819; ders., L e statut des armes, S. 232; vgl. dazu auch Rauch, L'emploi d'armes nucléaires, S. 18, 19. 188 Yasseen, S. 37; vgl. die Bedenken bei Bernhardt, Interpretation and I m p l i e d (Tacit) Modification of Traties, S. 498.

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Übereinstimmung könnte i n den Erklärungen der USA und Großbritanniens und dem Schweigen der anderen Konferenzparteien liegen. 2. Die Bestätigung der Zusatzvereinbarung Die Vereinigten Staaten und Großbritannien haben bei der Unterzeichnung des Protokolls am 12. Dezember 1977 jeweils eine Erklärung abgegeben. Die amerikanische Erklärung lautet: "(This signature is subject to the following understanding) 1. I t is the understanding of the U n i t e d States of America that the rules established by this protocol were not intended to have any effect on and do not regulate or prohibit the use of nuclear weapons." 1 9 0

Wie auch bereits bei den während der Konferenz abgegebenen Erklärungen unterscheidet sich die britische Erklärung durch die Bezeichnung der Regeln, die nicht auf die Nuklearwaffen Anwendung finden. Großbritannien stellte fest: " t h a t the new rules introduced b y the Protocol are not intended to have any effect on and do not regulate or prohibit the use of nuclear weapons." 1 9 1

Andere Erklärungen zur Nuklearwaffenfrage hat es nicht gegeben. Die beiden Erklärungen der westlichen Nuklearstaaten alleine können nicht die Manifestation für alle Vertragsparteien bewirken. Da keine ausdrückliche schriftliche oder mündliche Äußerung der anderen Konferenzteilnehmer vorliegt, muß das Schweigen dieser Konferenzparteien auf seinen Erklärungswert h i n untersucht werden. Das Schweigen als eine besondere A r t der Willensbekundung hat i m Völkerrecht seine größte Bedeutung bei der Regelung von Territorialstreitigkeiten erhalten. Dort ist das passive Verhalten gegenüber fremden Rechtsansprüchen unter Berücksichtigung der Gesamtumstände als stillschweigende Anerkennung angesehen worden 1 9 2 . Es ist heute durchaus üblich, dem Schweigen als „acquiescence" eine Funktion auch bei der Festlegung vertraglicher Verpflichtungen beizumessen 193 . Dahm hatte bereits 1961 zur Frage der Bindung durch Schweigen beim und nach Vertragsabschluß folgendes festgestellt: „Wenn ein Staat davon Kenntnis erlangt, daß ein Vertragspartner den Vertrag in 189 Vgl. Yasseen, S. 38; I L C - K o m m e n t a r zu A r t . 31, s. Wetzel/Rauschning, S. 253; Elias, S. 75. 190 Déclarations formulées de la signature, annexées à la notification d u Département politique fédérale suisse d u 16 Janviér 1978, S. 2. 191 Ibid., S. 4. 192 s. die Ubersicht bei Müller, S. 38 ff. 193 Ballreich, S. 9; Müller, S. 108 m. w. Ν .

io*

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bestimmtem Sinn versteht, so hat er seine etwa abweichende Auffassung zum Ausdruck zu bringen. Andernfalls muß sein Schweigen als Zustimmung gelten, auch wenn er in Wahrheit nicht hat zustimmen wollen 194." Die Anwendung der i n dieser Feststellung zum Ausdruck kommenden Auffassung der Rechtswirkungen passiven Verhaltens auf Zusatzvereinbarungen bei Vertragsabschluß würde die amerikanischen und englischen Erklärungen in Verbindung mit dem Schweigen der anderen Unterzeichnerstaaten i n den Rang von Elementen des Kontext, A r t . 31 Abs. 1 W V K , erheben. Der Rigidität dieser Aussage sind drei Überlegungen entgegenzuhalten. 3. Der Zeitfaktor

und seine Konsequenzen

I n den Fällen der Überprüfung von Rechtsansprüchen bei Gebietsstreitigkeiten hat die Länge des Zeitraums des zwischen den Parteien schwebenden Streites eine entscheidende Rolle gespielt 195 . Der Zeitraum hat i m Regelfall unter Berücksichtigung der Gesamtumstände bestimmt, i n welchem Ausmaß Erwartungshaltungen der Rechtsansprüche geltendmachenden Partei berechtigt gewesen sind. Ist das passive Verhalten trotz Reaktionen herausfordernder Umstände über einen längeren Zeitraum ausgeübt worden, so ist dadurch bei den anderen Völkerrechtssubjekten der Eindruck einer stillschweigenden Anerkennung erweckt worden 19®. Die äußeren Umstände der Gebietsstreitigkeiten unterscheiden sich in einem wesentlichen Punkt von denen des Abschlusses einer Zusatzvereinbarung nach A r t . 31 Abs. 2 a W V K . Für die Manifestation von Zusatzvereinbarungen sowohl durch aktives als auch passives Verhalten beim Vertragsabschluß steht kein längerer Zeitraum zur Verfügung. Das Zustimmungsprocedere des Vertragsabschlusses erschöpft sich i n den von der W V K vorgesehenen Möglichkeiten i n einem A k t . Für eines der wesentlichen Begründungselemente des „acquiescence" — den Zeitablauf — verbleibt i m Vertragsrecht deshalb nur eine eingeschränkte Bedeutung. Wenn aber den Staaten nach Vertragsabschluß keine Zeit verbleibt, bestimmte Interpretationen geltend zu machen und aus den Reaktionen aktiver oder passiver A r t Schlüsse zu ziehen, muß dies mit Rückwirkungen auf die anderen Elemente des acquiescence verbunden sein. I m Temple of Preah Vihear-Fall hat der I G H die Grundvoraussetzung der Anwendung der Rechtsfigur des „acquiescence" so beschrie194

Dahm, Bd. 3, S. 55; vgl. McNair, S. 429. Vgl. die Übersicht der Rechtsprechung bei Müller, S. 39 ff. 196 I G H Temple of Preah Vihear, I C J Reports 1962 Merits, S. 23; die ersten Formulierungen findet man bei Anzilotti, S. 26. 195

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ben: „The circumstances ... were such as to call for some reaction 197 " Wenn wie i m Falle der Zusatzvereinbarungen den Staaten keine Zeit verbleibt, Reaktionen vorzubereiten, erfordert dies eine besondere Beschaffenheit der „circumstances". Sie müssen für alle Konferenzparteien die Notwendigkeit einer ausdrücklichen Reaktion so eindeutig vor Augen führen, daß das Schweigen i m Moment der Abgabe der Erklärung ohne die Erfüllung weiterer Bedingungen als stillschweigende Anerkennung gewertet werden kann 1 9 8 . Diese Überlegung mag Müller dazu geführt haben, eine Berücksichtigung stillschweigender Verständigung über die Interpretation eines Vertrages von der umfassenden Analyse der Umstände des Vertragsschlusses abhängig zu machen 199 . I m F a l l des I. Zusatzprotokolls stellt sich m i t h i n die Frage, inwieweit nach den Gesamtumständen des Vertragsabschlusses die Vereinigten Staaten und Großbritannien mit einer Reaktion der anderen Unterzeichnerstaaten rechnen konnten. 4. Das Reaktionserfordernis Sieht man die Stellungnahmen auf der Konferenz unter chronologischen Gesichtspunkten, so ist festzustellen, daß i n jeder Phase der Konferenz der anglo-amerikanischen Position widersprechende Erklärungen zu verzeichnen gewesen sind. Die Erklärungen der östlichen Atommächte und der Nichtkernwaffenstaaten sind i n der ersten und zweiten Session i m direkten zeitlichen Zusammenhang mit den Stellungnahmen der Vereinigten Staaten und Großbritanniens abgegeben worden 2 0 0 . Den Stellungnahmen zum Nuklearwaffenausschluß bei Zustimmung zum Vertragstext können die Erläuterungen Indiens und auch diejenige Frankreichs entgegengehalten werden. Diese Erklärungen sind ebenfalls i n direktem zeitlichen Zusammenhang mit der britischen und amerikanischen Erklärung abgegeben worden 2 0 1 . Führt man sich den Inhalt der auf der Konferenz abgegebenen Erklärungen vor Augen, so kann ihnen sowohl eine Bestätigung der eigenen Position 202 , als auch ein Hinweis auf die gemeinsame Ausgangs197

ICJ-Reports 1962, S. 23. Vgl. Barale, S. 404. 199 Müller, S. 132. 200 Die amerikanische u n d russische E r k l ä r u n g sind i m M ä r z / A p r i l 1975 abgegeben worden. A l l e anderen Erklärungen stammen aus dem Februar/ März 1974. 201 Die französische E r k l ä r u n g ist am 8. J u n i 1977, also am selben Tag w i e die britische u n d die amerikanische Erklärung, abgegeben worden. Die E r k l ä r u n g Indiens stammt v o m 25. M a i 1977. 202 So w o h l die Erklärungen von China, Nord-Korea, I r a k u n d Rumänien, s. i n diesem Abschnitt oben E V 2 a) cc) u n d V 2 b). 198

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

basis für das Protokoll 2 0 3 entnommen werden. Beide Punkte determinieren die Erwartungshaltung der Parteien beim Vertragsabschluß hinsichtlich des Anwendungsbereichs des Protokolls. M i t der Forderung nach einem ausdrücklichen Nuklearwaffenverbot können die Konferenzparteien ausgedrückt haben, daß sie die Nuklearwaffenproblematik als nicht gelöst betrachtet haben und weiterer Gedankenaustausch auf der Konferenz zu einer Lösung beitragen sollte. I n den Erklärungen kann aber auch die Unüberbrückbarkeit der Meinungen festgestellt worden sein. Für eine ähnliche Fallkonstellation hatte der I G H i m Marokko-Fall ausgeführt: "the Court cannot ignore the general tenor of the correspondence, which indicates that at a l l times France and the U n i t e d States were looking for a solution based upon m u t u a l agreement and that neither party intended to concede its legal position." 2 0 4

Eine Berücksichtigung passiven Verhaltens als Willensbekundung scheidet nach der Feststellung des Gerichtshofs für diesen Fall aus 205 . Vergleicht man die Umstände dieses zu Beginn der 50er Jahre entschiedenen Falles m i t den Vorgängen auf der Konferenz, so muß man die vom Gerichtshof gezogenen Konsequenzen auf den vorliegenden Fall übertragen. Danach hat die Bestätigung von Positionen auf der Konferenz mit den oben beschriebenen Absichten verhindert, daß die Konferenzparteien eine Erwartungshaltung für das Verhalten bei Vertragsabschluß entwickelt haben. Eine Deutung des Schweigens der Konferenzparteien bei Vertragsabschluß ist für den Bereich, für den die Parteien ihre Positionen klargestellt haben, ausgeschlossen. Das Schweigen kann aus diesem Grunde nicht als Zustimmung zum Abschluß einer Zusatzvereinbarung angesehen werden. Widmet man sich den Stellungnahmen, die auf ein Waffenwirkungsverbot abstellen, fällt folgendes auf. I n der Völkerrechtswissenschaft ist neben den i m Marokko-Fall beschriebenen Umständen eine andere Konstellation für die Bewertung des Schweigens bedeutsam geworden. Nach McGibbon kann passives Verhalten nicht als Zustimmung gewertet werden, wenn von den Parteien vorher vereinbart worden ist, die strittigen Fragen offen zu lassen 206 . Die Einführungen des I K R K i n den Protokollentwurf und i n den Kommentar zum Protokollentwurf haben die Frage des spezifischen 203 So w o h l die Erklärungen der UdSSR, Indiens, Ghanas, Jugoslawiens, Albaniens, s. i n diesem Abschnitt oben E V 2 a) u n d V 2 b). 204 ICJ-Reports 1952, S. 28. 205 Ibid., S. 29; vgl. auch die Überlegungen zur F o r m von Erklärungen, Widdows, S. 142. 206 s. McGibbon, S. 172 m. w. N.

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Nuklearwaffenverbots aus dem Regelungsbereich der Konferenz herausgenommen. Damit ist gleichzeitig die Absicht verbunden gewesen, Waffeneinsatzverbote ohne Beschränkungen auf bestimmte Waffenarten i m Protokoll zu verankern 2 0 7 . Wer sich wie die Befürworter des Nuklearwaffenausschlusses auf den Vereinbarungscharakter der Einführung beruft, muß zur Kenntnis nehmen, daß diese Auslegung der Stellungnahmen des I K R K eine Berufung auf das passive Verhalten der Konferenzparteien bei Vertragsabschluß verbietet. Die Aussagen Indiens, Rumäniens etc. auf der Konferenz haben diesen Ausgangspunkt der Konferenz bestätigt und den Nuklearmächten damit den Willen einiger Konferenzteilnehmer vor Augen geführt, an der Einführung des I K R K i m hier verstandenen Sinne festzuhalten. Selbst wenn man aufgrund der amerikanischen und englischen Stellungnahmen während der Konferenz keine Vereinbarung i n der von McGibbon beschriebenen A r t annehmen w i l l , zeigt diese Überlegung deutlich die vielfältigen Möglichkeiten der Bewertung des Konferenzgeschehens auf. Die Eindeutigkeit der „circumstances", die i m Falle eines zusätzlichen Agreements durch Schweigen ein wesentliches Element des Begründungstatbestandes ist, kann den Vorgängen auf der Konferenz nicht entnommen werden. Hierfür spricht auch eine mehr auf den formellen Ablauf der Konferenz konzentrierte Überlegung. Die Stellungnahmen aller oben aufgeführten Staaten sind i n unterschiedlichen Gremien der Konferenz gemacht worden. Daß alle Konferenzparteien z. B. von den Erklärungen i n den Komiteesitzungen i n der nötigen Deutlichkeit erfahren haben, ist zweifelhaft. A u f der Staatenkonferenz mit mehr als 120 akkreditierten Teilnehmern hat allein die Delegationsgröße manche Staaten davon abgehalten, alle Arbeitsgruppen mit einem Vertreter zu beschicken. Das hat dazu geführt, daß manche Arbeitsgruppen nicht mehr als 40 ständig teilnehmende Mitglieder hatten 2 0 8 . Läßt man dieses Problem außer acht und verweist auf die Erklärungen i n den Plenarsitzungen und bei der Unterzeichnung des Protokolls, so ist auch dort konferenzspezifisch zu beobachten, daß die Erklärungen bei Zustimmung zum Protokoll und bei Unterzeichnung von den sie abgebenden Delegationen nicht als Folge eines Dialogs mit den anderen Konferenzparteien abgegeben worden sind. Sie sind als vorbereitete Papiere den anderen Konferenzteilnehmern zugeleitet worden. Für eine fundierte sofortige Reaktion fehlte es den anderen Delegationen somit an den nötigen Hintergrundinformationen und an der Vorbereitungszeit. Erschwerend w i r k t sich dabei die fehlende Flexibilität der Delega207 208

Vgl. i n diesem Abschnitt oben E V 1 b) u n d c). s. dazu Aldrich, Establishing Legal Norms, S. 10.

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

tionen auf Staatenkonferenzen aus 209 . Erklärungen zu wichtigen Fragen erfordern nicht nur eine Kontaktaufnahme mit den betroffenen M i n i sterien des eigenen Staates, sondern auch eine Abstimmung mit den Delegationen der verbündeten Staaten. Sieht man die auf den Ablauf der Konferenz beschränkten Überlegungen i m Zusammenhang mit den Voraussetzungen für die A n erkennung des Schweigens als Zustimmung zu einer Zusatzvereinbarung, so ist als Ergebnis festzuhalten: Die Gesamtumstände des Vertragsabschlusses unter Einbeziehung der Erklärungen auf der Konferenz haben für die Konferenzparteien keine Situation geschaffen, i n der ihr Schweigen auf die britisch-amerikanische Erklärung als „stillschweigende" Zustimmung zu einer Zusatzvereinbarung angesehen werden muß. 5. Der Interpretationswert

einer Zusatzvereinbarung

Die Schwierigkeiten, eine Übereinstimmung der Vertragsparteien i n inhaltlicher und formeller Hinsicht festzustellen, sind durch die vorangegangenen Ausführungen illustriert worden. Der Berücksichtigung des Vereinbarungsarguments steht noch ein anderes, sich aus dem Inhalt der Vereinbarung ergebendes Hindernis entgegen. I m Rahmen der Interpretationsmöglichkeiten des Art. 31 W V K sind Vereinbarungen nach Abs. 2 a nur unter bestimmten Umständen für die Auslegung zu berücksichtigen. Die I L C hat i n ihrem Kommentar zu Abs. 2 darauf hingewiesen, daß Zusatzvereinbarungen nicht als Beweis für Unklarheiten und Zweideutigkeiten des Vertrages herangezogen werden dürfen. Der einzige Sinn zusätzlicher Instrumente bei der Auslegung liegt, wie die I L C feststellt, in „arriving at the ordinary meaning of the terms of the treaty" 2 1 0 . Die Erklärungen der Vereinigten Staaten und Großbritanniens dienen diesem Zweck nicht. Die in A r t . 51 verwendeten Begriffe sind klar und die Bewertung des Wortlauts ist zwischen den Befürwortern und Gegnern eines Nuklearwaffenausschlusses unstreitig 2 1 1 . Wenn auch die „ordinary meaning" der Begriffe sich erst unter Einbeziehung der zusätzlichen Instrumente nach A r t . 31 Abs. 2, 3 W V K ergibt, so schließt die terminologische Festlegung des Art. 51 eine Berücksichtigung der Erklärungen aus. I n A r t . 51 taucht an keiner Stelle der Begriff „Waffe" 209 v g l z u m Verhalten der Staaten auf der Genfer Konferenz, Forsythe, The 1974 Diplomatie Conference on H u m a n i t a r i a n L a w , S. 77—81; insbes. auch Reimann, S. 24, s. zum Verfahren auf der Seerechtskonferenz, Eitel, S. 36—39. 210 211

I L C - K o m m e n t a r zu A r t . 31, s. Wetzel/Rauschning, S. 253. s. i n diesem Abschnitt E I I I .

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auf. Es werden nur Begriffe verwendet, die alleine oder i n Kombination bestimmte Waffenwirkungen als illegal festlegen. Die Hervorhebung einer bestimmten Waffenart stößt bei der Festlegung der „ordinary meaning" ins Leere, da i h r die terminologische und inhaltliche Anbindung an die i n A r t . 51 verwendeten Begriffe fehlt. Allerdings darf hier die semantische Überlegung nicht überbewertet werden. Wenn die Interpretation, wie die I L C festgestellt hat, eine „single combined operation" ist, muß die Frage nach dem Erklärungswert von Zusatzvereinbarungen immer i m Gesamtzusammenhang gesehen werden. Aber auch hier gibt es keine Hinweise, die eine andere Interpretation als möglich erscheinen lassen. Der mangelnde Interpretationswert der Zusatzvereinbarung fügt sich nahtlos in das Bild, das die Bewertung der Vorgänge auf der Konferenz und bei Vertragsabschluß gegeben hat. Die Berücksichtigung der bei Vertragsschluß abgegebenen Erklärungen als „Vereinbarung" i m Sinne von A r t . 31 Abs. 2 a W V K scheidet aus. 6. Die Einführung des IKRK in den Protokollentwurf als Zusatzvereinbarung nach Art. 31 Abs. 2 a WVK Während die Mehrzahl der Völkerrechtler, die eine Zusatzvereinbarung behaupten, auf die Erklärungen der westlichen Nuklearmächte verweisen 212 , schwebt Randelzhofer eine andere Konstruktion vor. Er hebt auf die Einführung des I K R K i n den Protokollentwurf ab. Für Randelzhofer ist wegen des fehlenden Widerspruchs gegen die Einführung während der Konferenz i n der „Einführung" selbst die Zusatzvereinbarung nach A r t . 31 Abs. 2 a W V K zu sehen 213 . Die Argumentation unterliegt genau den gleichen Zweifeln, wie sie i m Zusammenhang mit dem Vereinbarungscharakter der amerikanischbritischen Erklärung formuliert worden sind. Die Feststellung Randelzhofers hat noch eine weitere Konsequenz. Die Einführung des I K R K i n den Protokollentwurf bedeutet nach Interpretation der Befürworter eines Nuklearwaffenausschlusses die Herausnahme jeglicher Einflußmöglichkeit auf die Nuklearkriegführung aus dem Regelungsbereich des Protokolls. Die Erklärung geht damit weiter als die Erklärung Großbritanniens, die nur die „neuen" Regeln auf konventionelle Waffen beschränken w i l l . Die Anerkennung der bestätigten und klargestellten Prinzipien des humanitären Völkerrechts auf die Nuklearwaffen ist ein 212 s. Solf, i n : Bothe/Partsch/Solf, New Rules, S. 190; Rousseau, S. 127; Meyrowitz, Le statut des armes, S. 237; Aldrich, New Life for the Laws of War, S. 780, 781. 213 Randelzhofer, Das Kriegsrecht zwischen Bewahrung u n d Veränderung, S. 734, 735.

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

wesentliches Element der britischen Stellungnahme. Großbritannien wäre unter Zugrundelegung der von Randelzhofer vertretenen Regeln gebunden. Bei Berücksichtigung der Einführung als Zusatzvereinbarung nach A r t . 31 Abs. 2 a W V K würde die Interpretation des A r t . 51 bei Außerachtlassung der oben beschriebenen dogmatischen Probleme einen Nuklearwaffenausschluß bewirken. Wenn die Herausnahme der Nuklearwaffen aus dem Protokoll durch den Konsens aller Vertragspartner zustande gekommen ist, wäre es unsinnig, wenn diese Vertragspartner einen Vorbehalt zu der durch die Zusatzvereinbarung gelösten Frage formulieren. Trotz seiner Festlegung der Einführung als Vereinbarung sieht Randelzhofer i n den Erklärungen der westlichen Nuklearstaaten die Ankündigung von Vorbehalten 214 . Diese Überlegung schwächt die Ausgangsstellung dieser Auslegung i n gleichem Maße wie die unterschiedliche Gewichtung des Schweigens der Konferenzparteien. Es ist unverständlich, wieso Randelzhofer i m passiven Verhalten der Konferenzparteien als Reaktion auf die amerikanisch-britischen Erklärungen keinen Konsens aller Staaten sieht 2 1 5 , er einen solchen hinsichtlich der Einführung aber annimmt, obwohl er hier dasselbe Verhalten der Konferenzparteien — nämlich das Unterlassen von Protest — zu würdigen hat. Dieses Ergebnis ist u m so unverständlicher unter dem Eindruck des Inhalts der Erklärungen i n der ersten Konferenzphase, die ausdrücklich auf die Einführung des I K R K Bezug nehmen21®. Die Überlegungen zu dieser Auslegung unterstreichen die bereits formulierte K r i t i k an der Berücksichtigung passiven Verhaltens auf Staatenkonferenzen 217 . Auslegungshilfen für den A r t . 51 lassen sich aus der Randelzhofer'schen Argumentation auch gerade unter diesem Gesichtspunkt nicht gewinnen. 7. Zusammenfassung I n den bei Unterzeichnung des Vertrages abgegebenen amerikanischen und britischen Erklärungen kann keine für die Interpretation des I. Protokolls zu berücksichtigende Zusatzvereinbarung nach A r t . 31 Abs. 2 a W V K gesehen werden. Die Würdigung der gesamten Vorgänge auf der Konferenz und bei Unterzeichnung läßt nicht den Schluß zu, daß die anderen Unterzeichnerstaaten mit ihrem Schweigen eine Zusatzverein214 215 216 217

Ibid. Ibid. s. i n diesem Abschnitt E V 2 a) aa). s. i n diesem Abschnitt E V I 2.

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barung abschließen wollten. Das Konferenzgeschehen ist mit den unterschiedlichen Erklärungen der Kernwaffen- und der Nichtkernwaffenstaaten nicht von der Eindeutigkeit geprägt, die von einer Anwendung des „acquiescence"-Prinzips beim Abschluß einer Zusatzvereinbarung zu fordern wäre. Auch der Wortlaut der Erklärungen spricht gegen ihre Einbeziehung i n die Interpretation gemäß A r t . 31 Abs. 2 a W V K . Er kann nicht dazu dienen, die übliche Bedeutung des Art. 51 zu erhellen, da die Vorschrift keine Aussagen über bestimmte Waffen trifft.

V I I . Die Erklärungen der Vereinigten Staaten und Großbritanniens als zusätzliche Dokumente im Sinne des Art. 31 Abs. 2 b W V K

1. Das Problem des materiellen

Konsens

Vertritt man die These, die Erklärungen der beiden westlichen Nuklearmächte seien nicht von den anderen Vertragsparteien i m Wege des „acquiescence" als Zusatzvereinbarung angenommen worden, fragt es sich, ob den Erklärungen nicht eine Bedeutung nach Art. 31 Abs. 2 b W V K zukommen kann 2 1 8 . Dann müßten, wie der Wortlaut des Abs. 2 b vorschreibt, die Erklärungen durch die anderen Konferenzparteien angenommen worden sein. I m deutschen Schrifttum ist i m Zusammenhang mit dem Moskauer Vertrag und dem Brief zur deutschen Einheit die Meinung vertreten worden, die Zustimmung der Konferenzparteien müsse sich nicht auf den Inhalt des zusätzlichen Dokuments beziehen 219 . Die Anerkennung des Dokuments als zum Vertrag gehörig sei ausreichend. Geht man unter Zugrundelegung dieser These davon aus, daß bei Unterzeichnung des Vertrages abgegebene Erklärungen grundsätzlich zum Vertrag gehören 220 , hätte dies für das I. Protokoll folgende Konsequenz. Die bei der Unterzeichnung des Protokolls abgegebenen Erklärungen wären auch unter Berücksichtigung des Schweigens der anderen Staaten nach A r t . 31 Abs. 2 b W V K zum Kontext des Vertrages zu rechnen und somit in die Interpretation nach Abs. 1 einzubeziehen.

218 Vgl. Aldrich, der ausdrücklich auf die Erklärungen bei Unterzeichnung verweist, New Life for the Laws of War, S. 780, 781 ; Meyrowitz bewertet die Erklärungen n u r unter dem Gesichtspunkt des Vorbehalts, ohne die Frage zu klären, welche Schwierigkeiten nach A r t . 31 W V K entstehen, s. Meyrowitz, L e statut des armes, S. 238, 239; vgl. auch Kimminich, Der Einfluß des humanitären Völkerrechts auf die Kernwaffenfrage, S. 420. 219 Ress, S. 129; A r n d t , S. 58; Steinberger, S. 113 Fn. 110. 220 So w o h l Kühner, Vorbehalte u n d auslegende Erklärungen zur M R K , S. 62, 63.

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

2. Die Bedeutung des Konsensprinzips

nach Art. 31 Abs. 2, 3 WVK

Gegen ein solches Ergebnis bestehen i n mehrfacher Hinsicht Bedenken. Dem Wortlaut des A r t . 31 W V K ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob sich die Zustimmung der anderen Konferenzparteien auf den materiellen Inhalt des Dokuments oder auf die formelle Verbindung mit dem Vertragsabschluß beziehen muß. Auch die Verbindung des! „accepted" m i t den anderen Teilen des Absatzes hilft nicht weiter, da weder die Satzteile „ i n connexion w i t h the conclusion" noch des „related to the treaty" beweiskräftige Hinweise i n eine der beiden Richtungen vermitteln können. Ein Indiz für die Notwendigkeit eines materiellen Konsenses könnte man allenfalls darin sehen, daß andernfalls mit der Auslegung des „related to the treaty" als dem formellen Erfordernis, zwei formelle Voraussetzungen i n Abs. 2 b enthalten wären. Die Errichtung des Dokumentes bei Vertragsabschluß könnte bereits die Verbindung des Dokumentes mit dem Vertrag implizieren 2 2 1 und den letzten Absatz überflüssig machen 222 . Eine andere Überlegung ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang des Absatzes 2 b mit den anderen Absätzen. A l l e n i n Absatz 1, 2 a und 3 des A r t . 31 W V K genannten Interpretationsvorschriften liegt eine materielle Willensübereinstimmung der Vertragsparteien zugrunde. Sie findet i n Abs. 1 ihren Ausdruck i m Vertragstext. I n den Abs. 2 und 3 ergibt sie sich aus der die Einbeziehung der zusätzlichen M i t t e l betreffenden Absichten 223 . Wenn die Interpretation des Vertrages nach dem gemeinsamen Willen der Parteien durch die zusätzlichen M i t t e l beeinflußt werden soll, muß über die A r t und den Umfang der Beeinflussung zwischen den Parteien Einvernehmen herrschen. Das Konsensprinzip findet somit nicht nur seinen Ausdruck i m Vertragstext, sondern auch i n den durch die Abs. 2 und 3 geschaffenen Möglichkeiten. Alleine aus dieser Überlegung heraus ist es verständlich, wenn den zusätzlichen M i t t e l n des Art. 31 Abs. 2, 3 Gleichrangigkeit mit Abs. 1 des Artikels bei der Interpretation eingeräumt wird. Wer aus dem Fehlen des Begriffes „agreement" i n Abs. 2 b eine andere Schlußfolgerung zieht 2 2 4 , übersieht die i m völkerrechtlichen Vertragsrecht enthaltenen Möglichkeiten zur Herstellung einer Willensübereinstimmung. I n der Zusatzvereinbarung nach Abs. 2 a ist der 221

Ibid., S. 63. Diese Schlußfolgerung drängt sich auf, w e n n man die Äußerungen Arndts u n d Zündorfs zum „ B r i e f zur deutschen Einheit" liest, vgl. A r n d t , S. 58; Zündorf, S. 59. 223 Bernhardt geht bei den außerhalb des Vertragstextes liegenden Auslegungsmitteln immer von einem „gemeinsamen Parteiwillen" aus, Bernhardt, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge, S. 124, 132. 224 So w o h l Ress, S. 123. 222

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typische Fall der Erzeugung einer Willensübereinstimmung festgehalten. Das mündlich oder schriftlich fixierte „agreement" ist Ausdruck und Festlegung der Willensübereinstimmung der Parteien. I m Falle einer Zusatzvereinbarung nach Abs. 2 b ist die Errichtung des Dokumentes erst ein Element zur Feststellung der Willensübereinstimmung. Die Festlegung des gemeinsamen Willens w i r d hier erst durch eine eindeutige Reaktion der anderen Vertragsparteien getroffen 225 . Dieses Verfahren zur Bestimmung des Inhalts von Vertragsvorschriften ist der W V K durchaus nicht fremd. Das i n den Art. 39 ff. W V K vorgesehene Verfahren zur Modifikation von Verträgen beruht auf dem gleichen Prinzip. Die Festlegung des Vertragsumfangs in diesen Fällen, auch bei einem „oral or tacit agreement evidenced by the conduct of the parties i n the application of the treaty" beruht auf einer Willensübereinstimmung über den materiellen Inhalt der Abänderimg 2 2 6 . Dies gilt in gleichem Maße für das Vorbehalts verfahren nach Art. 19 ff. W V K . Wenn Vertragsparteien ihre rechtliche Bindung an den Vertrag i n anderer Form als i n der durch den Vertragstext vorgegebenen A r t und Weise gestalten wollen, ist eine Reaktion der anderen Vertragsparteien erforderlich, aus der die Annahme oder Ablehnung dieser Änderung hervorgeht 227 . Die W V K macht somit i n allen Fällen, i n denen der Vertragstext i m Umfang seiner Verbindlichkeit für die Vertragsparteien bestimmt werden soll, einen materiellen Konsens der Vertragsparteien zur Voraussetzung der Festlegung. Würde man i n Art. 31 Abs. 2 b die formelle Zustimmung i m oben beschriebenen Sinne ausreichen lassen, bedeutet dies die Durchbrechung des den Vorschriften des 2.—4. Teils der W V K zugrunde liegenden Konsensprinzips. Ein anderes Ergebnis hätte für multilaterale Verträge insbesondere dann gefährliche Konsequenzen, wenn man sich der Meinung Kühners anschließt und bei Vertragsabschluß abgegebene Erklärungen als mit dem Vertrag i n Zusammenhang stehende Dokumente betrachtet 228 . Ohne die Sperrwirkung eines materiellen Konsenserfordernisses wäre die Abänderung des Textes durch Interpretationserklärungen auf einfache A r t und Weise möglich. Die i m Wege der Annäherung gefundenen Lösungen auf multinationalen Konferenzen würden der Gefahr ausgesetzt, durch die Erklärungen von einzelnen Staaten oder Staatengruppen 225

Jede rechtliche Verpflichtung, die sich aus schlüssigem Verhalten ergibt, beruht auf dieser Konstruktion, vgl. Müller, S. 108, 109; vgl. Bruha, Die normative S t r u k t u r des SALT-Prozesses, S. 195. 226 I L C - K o m m e n t a r zu A r t . 39, s. Wetzel/Rauschning, S. 297. 227 A r t . 20 W V K benutzt hierfür i n Abs. 4 den Begriff „acceptance", siehe auch das Verfahren nach Abs. 5, w e n n keine Reaktion erfolgt. 228 Kühner, Vorbehalte u n d auslegende Erklärungen zur M R K , S. 62, 63.

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 und der Nuklearwaffeneinsatz

aufgeweicht zu werden und somit einen Teil ihrer Akzeptanz für alle Konferenzteilnehmer zu verlieren. Gleichzeitig würde die Akzeptierung dieser Konstruktion die Unterscheidung zwischen Vorbehalt und Interpretationserklärung verwischen und auch so zur Rechtsunsicherheit beitragen 229 . 3. Das zusätzliche Dokument als „actual part " des Vertrages Die I L C hat zur Frage der Berücksichtigung zusätzlicher Vereinbarungen und Dokumente folgendes ausgeführt: . . the fact that these t w o classes of documents are recognized as forming part of the context does not mean that they are necessarily to be considered as an integral part of the treaty. Whether they are an actual part of the treaty depends on the intention of the parties i n each case." 2 3 0

Die Bedeutung dieser Feststellung liegt darin, daß sie bei der Berücksichtigung zusätzlicher Vereinbarungen und Dokumente als „actual part" des Vertrages den Willen der Vertragsparteien betont. Abgestellt w i r d dabei nicht auf den Willen nur einer der Vertragsparteien. Ausdrücklich w i r d auf den Willen aller Vertragsparteien, der „parties", Bezug genommen. Die Hervorhebung der zusätzlichen Vereinbarung als „actual part" des Vertrages macht hierbei deutlich, daß die I L C den „textual approach" auch bei der Berücksichtigung des „context" berücksichtigt sehen w i l l . Wenn Ress ein zusätzliches Dokument als maßgeblich für die Determination der Willenserklärung der das Dokument errichtenden Partei erachtet 231 , scheint dies i n Widerspruch mit dem „textual approach" und der Aussage der I L C zur Verwertbarkeit von Dokumenten nach A r t . 31 Abs. 2 b W V K zu stehen. Die Auslegung ist „not an investigation ab initio into the intentions of the parties", sie ist vielmehr „the elucidation of the meaning of the text" 2 3 2 . Diese Prämisse ist durch die Erläuterung der I L C ausdrücklich i n ihrer Wirksamkeit auch bei der Berücksichtigung zusätzlicher Dokumente bestätigt worden. Wenn also das zusätzliche Dokument als — actual part — dem Vertragstext gleichgestellt werden soll, muß es Ausdruck des Parteiwillens aller Parteien sein. Eine Zustimmung nur formeller A r t schließt begrifflich schon einen Rückgriff auf den Parteiwillen der anderen Parteien aus 233 . 220

Das beste Beispiel dafür liefert Zündorf, der von einem „Interpretationsvorbehalt" spricht, Zündorf, S. 59. 280 I L C - K o m m e n t a r zu A r t . 31 W V K , s. Wetzel/Rauschning, S. 253. 231 Ress, S. 122, Ress macht seine Ausgangsposition an einer Feststellung von Elias fest, der aber die oben zitierte Passage u m den wichtigen letzten T e i l gekürzt wiedergibt, Ress, ibid., S. 121 Fn. 7; siehe a u d i Elias, S. 75. 232 I L C - K o m m e n t a r zu A r t . 31 W V K , s. Wetzel/Rauschning, S. 252.

E. Der unterschiedslose A n g r i f f nach A r t . 51 Abs. 4 u n d 5

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Die Untersuchung des Wortlauts, des systematischen Zusammenhangs, des Ziels und Zwecks der Vorschrift und die Kommentierung der I L C haben gezeigt, daß ein zusätzliches Dokument nur in dem Umfang dem Text des Vertrages gemäß A r t . 31 Abs. 2 b W V K gleichgestellt werden kann, i n dem es Ausdruck eines materiellen Konsenses der Vertragsparteien ist. 4. Die Annahme der Erklärungen

durch Schweigen

A u f die Erklärungen der Vereinigten Staaten und Großbritanniens bei Unterzeichnung des I. Protokolls sind keine Reaktionen der anderen Staaten erfolgt. So ist weder die Verbindung der Erklärungen mit dem Protokoll noch eine Bestimmung von materiellem Inhalt ausdrücklich von den anderen Unterzeichnerstaaten festgestellt worden. Macht man die Ausführungen zur Notwendigkeit eines materiellen Konsenses zur Grundlage der Bewertimg des Verhaltens der Unterzeichnerstaaten, so können die Erklärungen der beiden westlichen Nuklearmächte nur i n dem Maße bei der Interpretation Berücksichtigung finden, in dem sie von den anderen Staaten akzeptiert worden sind. Das Schweigen müßte somit als Annahme anzusehen sein. Ebenso wie i n den anderen Bereichen des Vertragsrechts kann auch bei der Annahme eines zusätzlichen Dokuments der äußeren Form grundsätzlich nur Indizwirkung für den Rechtsbindungswillen zukommen. Solange der Rechtsbindungswille eindeutig zu Tage t r i t t , sind auch formlose oder stillschweigende Vereinbarungen zu berücksichtigen 2 3 4 . Vergleicht man die Ausgangssituation bei einer Vereinbarung nach A r t . 31 Abs. 2 a W V K mit der eines zusätzlichen Dokuments, so ist folgender Unterschied festzustellen. Wenn einem „agreement" Kontakte zwischen den Vertragsparteien zur Absprache des Inhalts der Vereinbarung vorausgehen, so fehlt dieses Verfahren bei der Errichtung eines zusätzlichen Dokuments. Anders als bei der Bestätigung eines „agreements" durch passives Verhalten ist bei der Vorlage eines zusätzlichen Dokumentes i n der Regel nicht mit einer durch die Konferenzgeschichte belegbaren Erwartungshaltung der anderen Vertragsparteien zu rechnen 235 . 283 Das Bundesverfassungsgericht hat auf den „ B r i e f zur deutschen E i n heit" lediglich i m Rahmen des A r t . 32 W V K zurückgegriffen. Die A r g u m e n tation von Ress zu der Benutzung des Briefes als konfirmierendes M i t t e l stellt den Entscheidungsprozeß i m Rahmen der A r t . 31/32 W V K auf den Kopf, vgl. Ress, S. 128. 234 s. Müller, S. 131, 132. 285 s. i n diesem Abschnitt E V I 4.

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 und der Nuklearwaffeneinsatz

A n die Bewertung des Schweigens als Zustimmung zu einem Dokument sind somit noch strengere Anforderungen zu stellen als i m Falle des „agreements". Die I L C unterstreicht diese Überlegung durch eine Erläuterung des Begriffes „accepted". Danach muß die Verbindung des Dokuments zum Vertrag akzeptiert worden sein und zwar „accepted in the same manner "23β. Wenn man auch darin nicht die Postulierung eines zusätzlichen Formerfordernisses sehen w i l l , so ist der Erläuterung zu entnehmen, daß ein eindeutiger Rückschluß auf den Willen der akzeptierenden Parteien möglich sein muß 2 3 7 . Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände bei der Unterzeichnung des I. Protokolls, die keine Rückschlüsse auf den Willen der Unterzeichnerstaaten zulassen 238 , kann i m Schweigen der Konferenzparteien keine Akzeptierung der amerikanischen und englischen Erklärungen gesehen werden. Eine Einbeziehung der Erklärungen i n die Interpretation nach A r t . 31 Abs. 1 W V K als gleichrangige Auslegungsmittel scheidet aus. 5. Zusammenfassung Eine Einbeziehung der amerikanisch-britischen Erklärungen i n die Interpretation als gleichrangige Auslegungsmittel neben dem Text ist nicht möglich. Der dafür notwendige materielle Konsens zwischen den Vertragsparteien liegt nicht vor. Bei der Annahme eines zusätzlichen Dokuments nach Art. 31 Abs. 2 b W V K sind wegen der mit der Errichtung des Dokuments verbundenen Umstände besondere Anforderungen an die Annahmeerklärung zu richten. Die Würdigung der Gesamtumstände bei Abschluß des I. Protokolls zeigt, daß das Schweigen der Unterzeichnerstaaten diesen Anforderungen nicht gerecht wird.

V I I I . Die nachfolgende Praxis nach Art. 31 Abs. 3 b W V K und der Ausschluß der Kernwaffen

1. Die Bildung von Praxis vor Ratifikation

eines Vertrages

Von Meyrowitz w i r d zur Unterstützung der These eines Ausschlusses der Kernwaffen aus dem Anwendungsbereich des Protokolls auf die nachfolgende Praxis i n der Anwendung des Protokolls durch die Vertragsstaaten hingewiesen 239 . 236 237

S. 129.

I L C - K o m m e n t a r zu A r t . 31, s. Wetzel/Rauschning, S. 253. Ress n i m m t dies auch für den F a l l der formellen Zustimmung an, Ress,

238 s. die Ausführungen zur Frage des Schweigens beim „agreement", i n diesem Abschnitt oben E V I 2, 3, 4. 23β Meyrowitz, L e statut des armes, S. 236; ders., Kriegsrecht u n d K e r n waffen, S. 692, 693.

E. Der unterschiedslose A n g r i f f nach A r t . 51 Abs. 4 u n d 5

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Eine Beweisführung mit der eine Auslegungsübereinstimmung der Parteien dokumentierenden nachfolgenden Praxis unterliegt zum jetzigen Zeitpunkt grundsätzlichen Zweifeln. Keiner der Kernwaffenstaaten hat den Vertrag bis jetzt ratifiziert 2 4 0 . Die Beteiligung an der Bildung einer „nachfolgenden Praxis" i m Sinne des A r t . 31 Abs. 3 b W V K müßte auch vor der Inkraftsetzung eines Vertrages möglich sein. Der Wortlaut des A r t . 31 Abs. 3 b W V K spricht gegen die Annahme einer solchen Möglichkeit. Die W V K bezieht sich i n Abs. 3 b auf „any subsequent practice i n the application of the treaty". Die Anwendung des Vertrages setzt dem Wortverständnis nach eine rechtliche Bindung an den Vertrag voraus. Unterstützung findet dieses Argument durch die Benutzung des Wortes „party" i m fraglichen Absatz. Gemäß Art. 2 g verbindet die W V K mit dem Begriff „party" einen Staat, für den der Vertrag i n Kraft getreten ist 2 4 1 . Wie i n der Kommentierung zu A r t . 2 hervorgehoben worden ist, enthält der Begriff „party" i n der W V K ein Abgrenzungselement. I n den Fällen, i n denen die Bindungserklärung des Staates unabhängig vom Inkrafttreten des Vertrages Bedeutung zukommen soll, hat die W V K den Begriff „contracting state" gewählt 2 4 2 . Gegen diese Einengung der Möglichkeiten zur Praxisbildung könnte eine andere Kommentarstelle der I L C sprechen. Zum Anwendungsbereich des A r t . 31 W V K w i r d von der I L C bemerkt: 4

'The elements of interpretation i n article 27 a l l relate to the agreement between the parties at the time w h e n or after i t received authentic expression i n the t e x t . " 2 4 3

Noch deutlicher auf den Unterzeichnungszeitpunkt als den Beginn für eine nachfolgende Praxis stellt eine andere Aussage ab. McDougal/ Laswell und Miller sind der Meinung "Subsequent conduct refers to any behaviour subsequent to the outcome phase of the process of agreement." 2 4 4 240 A r t . 93 des I. Zusatzprotokolls bestimmt: Dieses Protokoll w i r d sobald w i e möglich ratifiziert. Z u m Ratifikationsstand s. oben i m ersten Abschnitt des Zweiten Teils Β Fußn. 5. 241 A r t i k e l 2 der W V K : 1. For the purposes of the present Convention g) party means a State w h i c h has consented to be bound by the treaty and for w h i c h the treaty is i n force. 242 s. I L C - K o m m e n t a r zu A r t . 2, s. Wetzel/Rauschning, S. 84. 243 I L C - K o m m e n t a r zu A r t . 31, s. Wetzel/Rauschning, S. 252. 244 M c D o u g a l / L a s w e l l / M i l l e r , S. 133. Die Autoren verstehen den „ t e x t " als „outcome" u n d damit die Festlegung des Textes als entscheidenden Zeitp u n k t für den „subsequent conduct". D a m i t w i r d es folgerichtig i m Rahmen der McDougarschen These von der Bevorzugung der Parteienintention möglich, den subjektiven Erwartungen der Parteien über den „subsequent conduct" Einfluß bei der Interpretation zu verschaffen, siehe dazu ibid., S. 19, 206, 207.

11 Fischer

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

Untersucht man die Kommentierung der ILC, so fällt auf, daß die I L C mit der Offenlassung der Alternative „when or after" durchaus Raum für eine zusätzlich zu erfüllende Bedingung, wie die der „Vertragsanwendbarkeit" nach Abs. 3 b, gelassen hat. Die Einbeziehung einer Praxis bereits vom Zeitpunkt der Unterzeichnung ab, stößt aber i m Zusammenhang mit dem Interpretationssystem der W V K auf Bedenken. Die W V K hält für die Fälle, i n denen die Anwendung eines Vertrages vor seinem Inkrafttreten eine Rolle spielt, Sonderregelungen i n den A r t . 18, 24 und 25 bereit 2 4 5 . Sieht man den Ausnahmecharakter dieser A r t i k e l i m Zusammenhang mit A r t . 31 Abs. 3 b W V K , so kann der Begriff der nachfolgenden Praxis nur einengend mit der Möglichkeit der Vertragsanwendung verknüpft werden 2 4 6 . Für diese Interpretation spricht auch der Sinn und Zweck des A r t . 31 W V K . Die Feststellung der i n dieser Vorschrift geforderten Übereinstimmung der Parteien ist nur zu bewerkstelligen, wenn der Kreis der an der Praxisbildung beteiligten Staaten durch den E i n t r i t t der rechtlichen Bindimg zum Zeitpunkt der Feststellung fest umrissen ist. A n dernfalls bliebe die Möglichkeit offen, daß Staaten an der Interpretation mitwirken, die zwar Interesse an einer bestimmten Auslegung haben, deren rechtliche Bindung an diese Auslegung aber ungewiß ist. Gerade bei Vorschriften des internationalen Konfliktrechts hätte dies bedenkliche Konsequenzen. Ein weiteres Bedenken gegen die Aufnahme der von Meyrowitz vorgebrachten Argumente i n die Interpretation könnte sich aus der Rechtsnatur der Vertragsvorschriften ergeben. Rauch hat für Verträge mit „combat provisions" festgestellt, daß sich eine nachfolgende Staatenpraxis aus dem „actual conduct of war" ergeben könne 247 . Als Konsequenz dieser Auffassung könnte eine Interpretation über den A r t . 31 Abs. 3 b W V K nur nach oder während eines bewaffneten Konfliktes erfolgen. Staaten, die über die Staatenpraxis Einfluß auf die Interpretation nehmen wollten, wären so gezwungen, ihre Rechts auf fassung i n einem bewaffneten Konflikt zu beweisen. Die Feststellung Rauchs nimmt dem Art. 31 Abs. 3 b jeden praktischen Wert i m System der 245 A r t . 18 — Verpflichtung des Nichtzuwiderhandelns gegen Ziel und Zweck eines Vertrages vor seinem Inkrafttreten, A r t . 24 — I n k r a f t t r e t e n u n d v o r läufige Anwendung von Verträgen, A r t . 25 — Vorläufige Anwendung. 246 s. dazu K a r l , S. 119; der Hinweis auf McDougal/Las w e l l / M i l l e r ist m i ß verständlich, s. Fn. 246. Es paßt vor allem nicht zu der von K a r l als Begründung herangezogenen Auffassung von Reuter: „ u n traité est conclu par l'expression par, les états de leur volonté définitive de s'engager"; ibid., S. 119 Fn. 46. Als volonté définitive k a n n nicht die Unterzeichnung angesehen w e r den. 247 Rauch, The Protection of the Civilian Population, S. 266.

E. Der unterschiedslose A n g r i f f nach A r t . 51 Abs. 4 u n d 5

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Interpretationsvorschriften 248 . Darüber hinaus bedeutet sie eine nicht begründbare Einengung der Handlungen, i n denen sich die Rechtsauffassung eines Staates manifestiert 249 . Wenn auch die Bedenken Rauchs nicht durchschlagen, so ist die Rolle der Kernwaffenstaaten bei der Bildung einer nachfolgenden Praxis z. Z. beschränkt 250 . 2. Die Möglichkeit

einer Praxis nach Ratifikation

Neben den grundsätzlichen Zweifeln, zum jetzigen Zeitpunkt Verhalten der Kernwaffenstaaten als „nachfolgende Praxis" i n Interpretation einzubringen, bestehen Bedenken gegen die Substanz Argumentation von Meyrowitz. Er begründet seine Auffassung mit Konsequenzen aus A r t . 36 des Protokolls und einer Vermutung über Verhalten der Kernwaffenmächte nach Ratifikation des Protokolls.

das die der den das

A r t . 36 kann unter zwei Gesichtspunkten nicht als Beweis für die Existenz einer nachfolgenden Praxis herangezogen werden 251 . Einmal können an der Bildung der nachfolgenden Praxis nur die Staaten teilhaben, die das Protokoll ratifiziert haben oder i h m beigetreten sind. Zum anderen hat der A r t . 36 einen anderen Anwendungsbereich als der A r t . 51. Als neue Waffen i m Sinne des Art. 36 sind die Nuklearwaffen nicht anzusehen. Seit den ersten Vorbereitungskonferenzen sind unter neuen Waffen nicht die bereits von ihrer Zusammensetzung und Funktionsweise her bekannten Waffen verstanden worden. Der entscheidende Gesichtspunkt war stets die Entwicklung von bisher unbekannten Waffen 252 . 248

Gerade bei kriegsrechtlichen Vorschriften k a n n es nicht n u r auf die tatsächliche Beachtung der Rechtsnormen ankommen. Die Prämisse Rauchs hätte auf die Vergangenheit angewendet eine ganze Reihe der Prinzipien des Kriegsrechts ihrer rechtlichen Verbindlichkeit beraubt, s. z. B. die Staatenpraxis zum Unterscheidungsprinzip, Rosenblad, International H u m a n i tarian L a w , S. 40. 249 s. zu den Möglichkeiten, Akehurst, Custom as a Source of International L a w , S. 1—15; vgl. aber auch die Theorie von d'Amato über die die Staatenpraxis begründenden A k t e i m Gewohnheitsrecht, d'Amato, The Concept of Custom i n International L a w , S. 88. 250 Deshalb k a n n auch die i n der B T - D r . 10/445, S. 11 zum Ausdruck gekommene Auffassung der Bundesregierung zur Zeit nicht rechtsbildend w i r ken. 251 Meyrowitz: „Eine solche für die Auslegung des Zusatzprotokolls relevante Praxis gibt es i n Bezug auf A r t . 36", Meyrowitz, Kriegsrecht u n d K e r n waffen, S. 692; er stützt sich dabei offensichtlich auf die Argumentation der französischen Delegation, die auch das Problem der neuen Waffen i n den Abrüstungsbereich einbeziehen wollte, vgl. Paolini, OR, Vol. V I , C D D H / SR. 39, S. 102. 252 s. dazu den Vorschlag westlicher Staaten C E / C O H I I I / C 56 auf der Genfer Expertenkonferenz 1972, der die Entwicklung von Waffen i m Auge hatte, Report on the W o r k of the Conference Vol. I I , S. 61, den Kommentar dazu I K R K , Draft A d d i t i o n a l Protocols, Commentary, S. 42 ; siehe auch Solf, 11«

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

Nach Auffassung von Meyrowitz werden die Kernwaffenstaaten nach der Ratifizierung des Protokolls i n ihren bilateralen Abkommen weiter davon ausgehen, daß der Einsatz von Nuklearwaffen nicht durch A r t . 51 beschränkt werden kann. Unterstellt man einmal, bilaterale Rüstungskontrollverträge seien grundsätzlich i n diesem Sinne interpretierbar 2 5 3 oder sie seien durch explizite Aussagen i m Vertragstext so präzisierbar, fragt es sich, inwieweit dies als Beweis für eine nachfolgende Staatenpraxis brauchbar ist. Yasseen hat darauf hingewiesen, daß eine die Interpretation festlegende nachfolgende Praxis i m Sinne einer Vereinbarung von allen Staaten getragen werden muß 2 5 4 . Bisher ist keiner der das Protokoll ratifizierenden Staaten durch die Formulierung eines Kernwaffenvorbehalts bei der Ratifikation zu einer Stellungnahme aufgefordert gewesen. Trotzdem hat die Schweiz i n einer Botschaft über die Zusatzprotokolle zur Frage der Anwendbarkeit des Protokolls auf die Kernwaffen Position bezogen. I n der Botschaft vom 18. Februar 1981 heißt es: „Dennoch darf m a n davon ausgehen, daß einige allgemeine Vorschriften des Protokolls . . . auch f ü r die Kernwaffen gelten: . . . die Pflicht der K o n fliktparteien zwischen der Zivilbevölkerung u n d Kombattanten . . . zu unterscheiden u n d Operationen streng auf militärische Ziele zu beschränken (Art. 48 u n d 51 Abs. 4 u n d 5) 2 5 5 ."

Die Formulierungen bezüglich der Kernwaffenfrage halten sich i n ihrer Diktion an den Stil der Botschaft auch i n weniger umstrittenen Teilen. Aus den Worten „darf man davon ausgehen" eine rechtlich nicht relevante Artikulation des schweizerischen Bundesrates herleiten zu wollen, ist nicht angängig 25 ·. Diese Botschaft ist ein schwerwiegendes Indiz für die Schwierigkeiten, eine einheitliche nachfolgende Staatenpraxis zu etablieren. Die zitierte Aussage ist, wenn man einmal von der humanitären Tradition der Schweiz absieht 257 , besonders beachtlich, w e i l die Schweiz weder ein Kernwaffenstaat noch ein durch Kernwaffen direkt bedrohtes Land ist. der auf die Ausführungen i n militärischen Handbüchern Bezug n i m m t . Solf, i n : Bothe/Partsch/Solf, New Rules, S. 199. 253 Nach der jetzigen S t r u k t u r des Völkerrechts u n d dem Sinn u n d Zweck der Rüstungskontrollverträge unterliegt eine solche Auffassung Zweifeln, s. dazu die Entstehungsgeschichte, den Wortlaut u n d die Präambel der S A L T Verträge, Fahl, S. 18 ff. 254 Yasseen, S. 48; Elias, S. 76; B r o w n l i e spricht sogar von „clearly establishes the undestanding of all the parties . . . " , Brownlie, International L a w , S. 608, vgl. dazu den V I . Report des Sonderberichterstatters der I L C , Waldock, abgedruckt bei Wetzel/Rauschning, S. 247. 255 Botschaft des schweizerischen Bundesrates über die Zusatzprotokolle zu den Genfer Abkommen, Bern 1981, S. 20/21. 256 So aber Meyrowitz, L e statut des armes, S. 234.

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Der Indizwirkung der Erklärung steht nicht entgegen, daß es den Nichtkernwaffenstaaten unmöglich ist, eine einem Einsatzverbot entgegenlaufende Praxis umzusetzen. Wie die I L C i n ihrem Kommentar zu Abs. 3 b des Art. 31 W V K festgestellt hat, reicht es für die rechtliche Relevanz staatlichen Verhaltens aus, wenn eine Praxis akzeptiert wird 2 5 8 . Insofern könnte auch die Duldung der Herausbildung einer bestimmten Praxis als Ausdruck des Einverständnisses angesehen werden 2 5 9 . Unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts können Stellungnahmen von Nichtkernwaffenstaaten bewertet werden, die vor Ratifikation abgegeben worden sind. Hinweise auf die Möglichkeit, i n Zukunft eine einheitliche Staatenpraxis zu etablieren, lassen sich aus Erklärungen der Bundesregierung und aus wissenschaftlichen Stellungnahmen aus der DDR und Polen entnehmen. Die Bundesregierung hat auf die große Anfrage BT-Drucks. 10/163 und BT-Drucks. 10/164 zur Frage des Nuklearwaffenausschlusses i m Protokoll I Stellung genommen. Ihrer Meinung nach sind die vom Zusatzprotokoll eingeführten Kampfführungsbestimmungen : „ . . . nicht i n der Absicht aufgestellt worden, den Einsatz von A t o m w a f f e n zu beeinflussen u n d diesen nicht regeln oder verbieten . . . " 2 β 0 .

Wenn auch nicht abzusehen ist, aus welchem Grund diese oder eine andere Bundesregierung aus gemeinsamen Überlegungen der NATOPartner zur Interpretation ausscheren könnte 2 6 1 , so läßt der Unterschied zur schweizerischen Erklärung die Bildung einer gemeinsamen Staatenpraxis i n Richtung auf einen Nuklearwaffenausschluß als ausgeschlossen erscheinen. Dies muß um so mehr gelten, wenn man sich die Stellungnahme Graefraths und Gierycz vor Augen hält. Beide stellen, wenn auch i n Einzelaspekten unterschiedlich, die Anwendbarkeit des Protokolls auf Nuklearwaffen fest 262 . Es ist äußerst unwahrscheinlich, daß die Wissen257

s. dazu Haug, S. 581. " I t ommitted the w o r d all merely to avoid any possible misconceptions that every party must i n d i v i d u a l l y have engaged i n the practice where i t suffices, that i t should have accepted the practice", Kommentar der I L C zu A r t . 27, s. Wetzel/Rauschning, S. 252; vgl. auch K a r l , S. 11. 259 Vgl. Müller, S. 133. 2 βο B T - D r . 10/445, S. 11 A n t w o r t 4.6. 281 „ F ü r die Bundesrepublik Deutschland, auf deren T e r r i t o r i u m die T r u p pen anderer Bündnispartner stationiert sind, k o m m t es darauf an, innerhalb des Bündnisses zu möglichst einheitlichen Interpretationen hinsichtlich der Bestimmungen des ZP I zu gelangen. Die Konsultationen darüber sind noch nicht abgeschlossen", B T - D r . 10/445, S. 10 A n t w o r t 4.1. I n der Diskussion i m Deutschen Bundestag am 14. Oktober 1983 hat Staatsminister Mertes das hohe Maß an Übereinstimmung i m Bündnis hervorgehoben, Deutscher B u n destag, Plenar-Protokoll 10/29, S. 1931, vgl. auch die Schlußfolgerungen, die Steinkamm u. a. aus dieser Aussage zieht, Steinkamm, S. 8/9. 258

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

schaftler aus der DDR und Polen diese Aussage i n Abweichung von der Auffassung offizieller Stellen abgegeben haben. I m Zusammenhang mit den Stellungnahmen von Wissenschaftlern aus dem Warschauer Pakt ist an die geostrategische Situation der Ostblockstaaten zu denken. Wenn, wie dies von NATO-Seite vorgebracht wird 2 8 3 , eine konventionelle Überlegenheit des Warschauer Paktes i n Mitteleuropa besteht, w i r d es das politische Ziel der Sowjetunion und ihrer Verbündeten sein, die Ausgleichsfunkiton der nuklearen Potentiale der NATO zu schwächen. Eines der M i t t e l dazu könnte das I. Protokoll liefern. Ohne dem konkreten Interpretationsergebnis vorgreifen zu wollen, bringt ein Nuklearwaffeneinsatzverbot dem militärischen Block, der auf den Ersteinsatz von Kernwaffen verzichtet hat, zumindest politische Vorteile 2 8 4 . Auch unter diesem Gesichtspunkt ist es mehr als fragwürdig, daß i n Zukunft eine einheitliche nachfolgende Staatenpraxis bezüglich des A r t . 51 entsteht. 3. Zusammenfassung Die Begründung eines Nuklearwaffenausschlusses mit einer einheitlichen nachfolgenden Staatenpraxis i m Sinne von A r t . 31 Abs. 3 b W V K scheitert an zwei Punkten. Die Nuklearwaffenstaaten haben das Protok o l l noch nicht ratifiziert und nehmen an der Bildung der Staatenpraxis hinsichtlich des I. Protokolls nicht teil. Diese Staatenpraxis bietet zur Zeit keine Anhaltspunkte, die auf eine einheitliche, den Anwendungsbereich des A r t . 51 einschränkende Interpretationsüberzeugung schließen lassen. Die bisher vorliegenden Äußerungen sowohl von Staaten, für die das I. Protokoll i n K r a f t getreten ist, als auch von anderen Vertragsparteien deuten darauf hin, daß auch i n Zukunft eine einheitliche Staatenpraxis nicht nachgewiesen werden kann.

282

Graefrath, Z u m Anwendungsbereich der Ergänzungsprotokolle, S. 136; Gierycz, S. 69; Gierycz t r i f f t anders als Graefrath eine Unterscheidung z w i schen strategischen u n d taktischen Nuklearwaffen. 283 s. Weißbuch 1983, Z u r Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, S. 85 ff., vgl. dazu Schmidt, i n : Krell/Schmidt, Der Rüstungswettlauf i n E u ropa, S. 87 ff. 284 Vgl. zu den politischen I m p l i k a t i o n e n einer No-First-Use-Erklärung den Report der Union of Concerned Scientists, der die i n der Diskussion befindlichen Argumente zusammenfaßt, No First Use, S. 5, die politischmilitärischen Absichten der Sowjetunion werden sichtbar bei Milshtein, S. 114, 115.

E. Der unterschiedslose A n g r i f f nach A r t . 51 Abs. 4 u n d 5

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I X . Die Heranziehung der „traveaux préparatoires" als Beweis für einen Nuklearwaffenausschluß

Wie der I G H i m Fall „Admission to the United Nations" festgestellt hat, ist der Rückgriff auf die „travaux préparatoires" nicht möglich, wenn der Vertragstext klar und eindeutig ist 2 8 5 . Diese grundsätzliche Stellungnahme aus dem Jahre 1950 hat i n A r t . 32 W V K ihren Niederschlag dadurch gefunden, daß ein Rückgriff auf die Vorbereitungsarbeiten nur dann zulässig ist, wenn die Interpretation nach A r t . 31: "a) leaves the meaning ambiguous or obscure, or b) leads to a result which is manifestly absurd or unreasonable."

Von den Befürwortern des Nuklearwaffenausschlusses w i r d der Wortlaut des Vertrages i n seiner Festlegung eines Waffenwirkungsverbots als klar und eindeutig bezeichnet 266 . Wie die bisherige Untersuchung gezeigt hat, haben die i n Art. 31 Abs. 2 und 3 W V K enthaltenen Möglichkeiten die Wortlautinterpretation bestätigt. Wenn Randelzhofer und Meyrowitz die Regelung des Nuklearwaffeneinsatzes durch den A r t i kel 51 als „unrealistisch" 2 6 7 oder „absurd" und „vernunftwidrig" 2 6 8 bezeichnen, kann dies nur auf einem besonderen Verständnis von Sinn und Zweck des Vertrages beruhen. 1. Der Sinn und Zweck des Art. 51 Zwischen dem Vertragstext und dem sich i n i h m ausdrückenden Ziel und Zweck des Vertrages besteht eine Wechselwirkung, die Sur mit dem Begriff „perpétuel jeu de miroir" umschrieben hat 2 6 9 . Damit ist gemeint, daß sich Ziel und Zweck des Vertrages i m Vertragstext niederschlagen, andererseits Ziel und Zweck des Vertrages erst aus der Interpretation des Textes ablesbar sind 2 7 0 . Die überragende Rolle, die auch hier dem Wortlaut der Vertragsvorschrift zukommt, ist durch die Rechtsprechung der internationalen Gerichte bestätigt worden. Der StIGH hat i m Jahre 1922 i n einer gutachtlichen Entscheidung i n Bezug auf eine Abweichimg von Sinn und Zweck des Versailler Vertrages festgestellt: " . . . i f any such l i m i t a t i o n had been intended, i t w o u l d have been expressed i n the Treaty itself." 2 7 1 265 ICJ-Reports 1950, S. 8; vgl. auch S t I G H i m F a l l „Lotus" u n d i m F a l l „European Commission of the Danube", Ser. A , No. 10, S. 16, Ser. B, No. 14, S. 28, 31; vgl. auch McNair, S. 415. 2ββ s. i n diesem Abschnitt oben E I I I . 267 Randelzhofer, Das Kriegsrecht zwischen Bewahrung u n d Veränderung, S. 734. 2β8 Meyrowitz, Kriegsrecht u n d Kernwaffen, S. 69. 2βθ

Sur, S. 228; s. auch Yasseen, S. 57, 58. s. Bos, S. 150; vgl. auch Bernhardt, Die Auslegung völkerrechtlicher V e r träge, S. 88—97; McNair, S. 381, 382. 270

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

Gibt der Vertragstext keine Auskünfte über einen vom Wortlaut der speziellen Vorschrift abweichenden Sinn und Zweck des Vertrages, können keine Erwartungshaltungen von Staaten i n die Interpretation eingebracht werden. So ist der Feststellung Ipsens, daß nach dem Regelungszweck der Art. 51, 52 und 57 auch der Einsatz nuklearer Kampfmittel erfaßt sei 272 , unter dem Gesichtspunkt der eindeutigen humanitären Ausrichtung der Vorschriften des Protokolls und dem Wortlaut der Präambel bei der Interpretation nach A r t . 31 W V K wenig entgegenzusetzen 273 . Die Berücksichtigung von Erwartungshaltungen der Vertragspartner ist auch nicht über den Grundsatz der „effective-interpretation" 2 7 4 (ut res magis valeat quam pereat) zu erreichen. M i t der Einrede des Effektivitätsprinzips soll der Auslegung der Vorzug gegeben werden, mit der der erkennbare Zweck des Vertrages und seiner Einzelvorschriften am besten erreicht wird 2 7 5 . Die Bezugnahme auf den i m Text deutlich gewordenen Zweck des Vertrages schließt es aus, die Ratifikationsquote zum Maßstab besonderer Effektivität werden zu lassen. I n diesem Rahmen käme den Bedenken der Nuklearstaaten dann tatsächlich besonderes Gewicht zu. Voraussetzung einer Anwendbarkeit des Effektivitätsprinzips ist die Möglichkeit einer Interpretation des Vertragstextes i n zwei Richtungen. Die beiden Auslegungswege orientieren sich aber mit ihren Ausgangspunkten an den allgemeinen Grundsätzen und Zielen, wie sie im Vertragstext Ausdruck gefunden haben. Die den Vertragspartnern bei der Formulierung des Textes offenstehende Möglichkeit, für vom Sinn und Zweck abweichende Intentionen eigene Bestimmungen zu schaffen, setzt der Auslegung i m Lichte des Effektivitätsprinzips Grenzen. Der I G H hat i n seiner gutachtlichen Stellungnahme i m „Peace Treaties Fall" die Grenzen des Effektivitätsprinzips so deutlich gemacht: " . . . to adopt an interpretation which r a n counter to the clear meaning of the terms w o u l d not be to interpret b u t to revise the t r e a t y . " 2 7 6 271 S t I G H Competence of the International Labour Organisation to Regulate the Personal W o r k of Employers, Ser. B. No. 13, S. 6, 18; vgl. auch H a raszti, S. 116, 117 m. w. N. 272 Ipsen, i n : Bothe/Ipsen/Partsch, Die Genfer Konferenz über humanitäres Völkerrecht, S. 43. 273 s. zur Bedeutung der Präambel bei der Interpretation O'Connell, S. 260. 274 s. dazu Lauterpacht, S. 67; Brownlie, Principles of Public International L a w , S. 609. 275 Bernhardt, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge, S. 96; s. auch die Definition bei McNair, die den Einfluß der Parteiintention beim E f f e k t i v i tätsprinzip deutlich macht, McNair, S. 383. 276 ICJ-Reports 1950, S. 229; vgl. auch Bernhardt, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge, S. 93 m. w. N.

E. Der unterschiedslose A n g r i f f nach A r t . 51 Abs. 4 u n d 5

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Angesichts dieser klaren Aussage ist eine Fruchtbarmachung des Effektivitätsprinzips i m vorliegenden Fall ausgeschlossen. Nach dem Wortlaut, dem Kontext und dem Regelungszweck des A r t . 51 ist die Anwendbarkeit der Vorschrift auf die Nuklearwaffen unzweifelhaft 2 7 7 . 2. Das Abrüstungsregime und das „absurde" und „unvernünftige" Ergebnis nach Art. 32 WVK W i r d der Sinn und Zweck des Art. 51 i n dem bisher beschriebenen Sinne ermittelt, besteht für einen Rückgriff auf die Konferenzgeschichte nach Art. 32 W V K keine Notwendigkeit. Erst die Fixierung auf eine allumfassende Nuklearwaffenregelungsbefugnis des Abrüstungsregimes bringt vom Vertragstext abweichende Ziel- und Zweck-Elemente i n die Interpretation der Vorschrift. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die politisch-militärische Festlegung den Sinn- und Zweck-Einwand determiniert. Hierdurch w i r d ein Vorverständnis vom Vertragsziel entwickelt, das die herkömmlichen M i t t e l zur Feststellung von Sinn und Zweck des Vertrages überlagert. Greift man zur Bestimmung von Sinn und Zweck des Art. 51 auf das Abrüstungsregime zurück, so stellt sich die Frage, ob damit das Auslegungsergebnis von A r t . 51 als absurd oder offensichtlich unvernünftig erscheint. Die Abhängigkeit der nuklearen Abschreckung von den Nuklearwaffen läßt für die Befürworter einer Beschränkung des Anwendungsbereichs von Art. 51 jede Regelung, die Einsatz dieser Waffen einschränkt, dann als unrealistisch erscheinen, wenn sie nicht i m Bereich des Abrüstungsregimes getroffen worden ist 2 7 8 . Meyrowitz hat aufgrund dieser Ausgangssituation das Verhältnis von Kernwaffen und Kriegsrecht mit dem Begriff „l'antinomie irréductible" umschrieben 279 . Bezieht man die Stellungnahmen i m Schrifttum auf das bilaterale Verhältnis der Supermächte, so erscheint es zumindest auf den ersten Blick recht unwahrscheinlich, daß die Vereinigten Staaten einem Einsatzverbot von Nuklearwaffen durch A r t . 51 auf der Genfer Konferenz 277 Auch w e n n Meyrowitz die Anwendbarkeit des I. Zusatzprotokolls auf Nuklearwaffen wegen der Konferenzgeschichte ablehnt, stellt er fest: „ I I n'est pas absurde n i déraisonnable d'entendre le text du Protocole comme s'appliquant également aux armes atomiques", Meyrowitz, Le statut des armes, S. 235. 278 Meyrowitz, Le statut des armes, S. 225; ders., Stratégie nucléaire, S. 942; ders., Kriegsrecht u n d Kernwaffen, S. 693; Randelzhofer, Das Kriegsrecht zwischen Bewahrung u n d Veränderung, S. 734; vgl. Steinkamm, S. 8; die von Meyrowitz angesprochene Beschränkung der Vollmacht der Staatenvertreter k a n n n u r i m Rahmen von Sinn u n d Zweck des A r t . 51 beachtet werden. Meyrowitz, Kriegsrecht u n d Kernwaffen, S. 691; zum ultra-vires-Handeln beim Vertragsabschluß siehe Lagoni, i n : Menzel/Ipsen, Völkerrecht, S. 302. 279 Meyrowitz, Le statut des armes, S. 226; ders., Kriegsrecht u n d K e r n waffen, S. 691; vgl. Röling, The Significance of the Laws of War, S. 151.

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 und der Nuklearwaffeneinsatz

zugestimmt hätten. Die Sowjetunion strebt aufgrund der Vorteile ihrer geo-strategischen Lage i n Mitteleuropa ein solches Einsatzverbot an. Untersucht man aber die Aussagen der Vereinigten Staaten zu waffentechnischen Veränderungen, insbesondere i m Bereich der Nuklearwaffen i n und für Europa, so verändert sich das B i l d von der alleine auf das Abrüstungsregime fixierten Supermacht. Bereits vor der „Presidential Directive 59" i m Jahre 1979 ist bei Fragen der Abänderung von Zielvorgaben oder Sprengkopfgrößen stets die unterschiedslose Wirkung als Begründung der Veränderung herangezogen worden 2 8 0 . Die Bezugnahme auf den Einfluß rechtlicher Prinzipien i n diesen Stellungnahmen macht deutlich, daß die Vereinigten Staaten eine Regelung von Nuklearwaffenfragen durch humanitäre Vorschriften durchaus i n ihre strategischen Überlegungen miteinbeziehen. Man mag geltend machen, diese Schlußfolgerung gelte nur für die Gewohnheitsrechtssätze und könne nicht ohne weiteres auf eine vertragliche Fortentwicklung des humanitären Völkerrechts übertragen werden 281 . Dem Einwand muß die Ausgangsprämisse bei einer Überprüfung des Art. 32 W V K entgegengehalten werden. Es geht nicht darum, die rechtliche Bindung der Supermächte an den A r t . 51 i n einer vom Vertragsabschlußverfahren abweichenden A r t zu konstruieren. Es soll nur festgestellt werden, ob sich unter Beachtung des Abrüstungsregimes das Auslegungsergebnis von A r t . 51 als absurd oder unvernünftig erweist. Dies kann aber wohl dann nicht festgestellt werden, wenn zumindest eine Supermacht humanitäre Überlegungen fortlaufend in die strategische Planung mit einbezieht. Zum gleichen Ergebnis muß man kommen, wenn man das Abrüstungsregime der Vereinten Nationen untersucht. Seit der Resolution 1653 aus dem Jahre 1961 wurde i n der Generalversammlung und i n anderen Organen stets auf das Verhältnis von Kernwaffen und Völkerrecht eingegangen 282 . Der Wortlaut der Resolution 1653 widerlegt i n eindrucksvoller Weise die Theorie von der „antinomie irréductible" 2 8 3 , indem sie feststellt: " . . . the use of nuclear and thermo-nuclear weapons w o u l d exceed even the scope of w a r and cause indiscriminate suffering and destruction to m a n k i n d and civilization and as such, is contrary to the rules of i n t e r national l a w and to the laws of h u m a n i t y . " 2 8 4 280 v g l Schlesinger, Nuclear Weapons and Foreign Policy, Hearings (March— A p r i l 1974) Committee on Foreign Relations, 43rd Congress, S. 209; zu Äußerungen bei den I N F siehe Leitenberg, S. 49 ff. 281 s. Meyrowitz, Le statut des armes, S. 223. 282 s. F a l k / Meyrowitz / Sanderson, S. 575—579. 283 Meyrowitz, Le statut des armes, S. 226.

E. Der unterschiedslose A n g r i f f nach A r t . 51 Abs. 4 u n d 5

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Die Resolutionen sind trotz ihrer fehlenden Rechtsquelleneigenschaft 285 und der zahlreichen Gegenstimmen ein wichtiger Hinweis darauf, daß trotz des Abrüstungsregimes ein großer Teil der Staatengemeinschaft Nuklearwaffenfragen dem humanitären Völkerrecht unterstellt. Die Resolutionen gewinnen noch an Bedeutung, wenn man die gewachsenen Einflußmöglichkeiten der Nichtkernwaffenstaaten i m Rüstungskontrollprozeß sieht. Die durch die erste Sondergeneralversammlung zur Abrüstung veranlaßte Umgestaltung der Conference on Disarmament 288 hat diese Staatengruppe in die Arbeit des wichtigsten Abrüstungsorgans miteinbezogen. Die Nichtkernwaffenstaaten sind aus der Rolle des passiven Betrachters in eine Position aktiver Rechtsgestaltung gelangt. Gerade unter diesem Gesichtspunkt ist es falsch, die Resolutionen zu ignorieren und alleine auf das Abschreckimgsgleichgewicht der Supermächte abzustellen. Die Resolutionen sind ein wesentlicher Beweis dafür, daß auch unter Berücksichtigung des Abrüstungsregimes das Auslegungsergebnis des Art. 51 nicht absurd oder offensichtlich unvernünftig ist 2 8 7 . 3. Der Beweiswert

der Konferenzgeschichte

Macht man sich die Auffassungen von Meyrowitz und Randelzhofer zu eigen, wäre ein Rückgriff auf die Konferenzgeschichte möglich, u m den Wortlaut des Art. 51 zu erläutern. Die Bewertung der Erklärungen bei Konferenzbeginn und während der Konferenz hat gezeigt, daß ihnen kein Beweiswert für einen Nuklearwaffenausschluß zukommt 2 8 8 . Eine Auslegung unter Berücksichtigung der „traveaux préparatoires" kann keine Einschränkung der Anwendbarkeit des A r t . 51 begründen. 4. Zusammenfassung Die Heranziehung der Konferenzgeschichte i m Rahmen des Art. 32 W V K scheitert am klaren Wortlaut des Art. 51. Die Einbeziehung des Abrüstungsregimes i n die Festlegung von Sinn und Zweck des Protokolls eröffnet keine wesentlichen neuen Gesichtspunkte. Sowohl das Verhalten der Vereinigten Staaten als auch eines großen Teils der Staatengemeinschaft zeigt, daß eine Regelung von Nuklearwaffenfragen i n Vorschriften des humanitären Völkerrechts für möglich gehalten 284 UN-Yearbook 1961, S. 30, 31; vgl. auch GA-Resolution 2936, 2093rd Plenary Meeting v o m 29. November 1972. 285 s. dazu Skubiszweski, S. 42 m. w . N. 286 U N M o n t h l y Chronicle J u l y 1978, Results of the General Assembly Session on Questions of Disarmament, S. 10. 287 Carnahan, S. 46. 288 s. i n diesem Abschnitt oben E V 1, 2.

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 und der Nuklearwaffeneinsatz

wird. Damit entfällt die Möglichkeit, das Auslegungsergebnis des A r t . 51 als absurd oder offensichtlich unvernünftig anzusehen.

F . Interpretation des A r t . 51 I. Die Nuklearwaffe als Untersuchungsobjekt

1. Die Verbote des humanitären Völkerrechts und die Bedeutung der Waffenterminologie Nachdem nun festgestellt worden ist, daß die Anwendung des A r t . 51 auf Nuklearwaffen nicht von vornherein ausgeschlossen ist, sind die Regeln i n Abs. 4 und 5 auf ihren Verbotsumfang hin zu überprüfen. Die außerordentliche Vielfalt der Nuklearwaffen, ihrer Trägersysteme und der Explosionswirkung machen einige Vorüberlegungen zur Einbettung des Nuklearwaffenbegriffs in die Interpretation des Verbotsumfangs erforderlich. Eine Untersuchung des Verbotsbereichs von Vorschriften des humanitären Völkerrechts muß in zwei Stufen erfolgen. I n einem ersten Schritt w i r d der Sinn des Vertragstextes anhand des Wortlauts unter Beachtimg des Kontexts der Vertragsvorschriften und dem Sinn und Zweck des Vertrages ermittelt. I n dem Maße, i n dem der Auslegungsvorgang zur Definition eines konkreten Schutz- oder Verbotsbereichs führen soll, w i r d i n einem zweiten Schritt — unter Einbeziehung konkreter Anwendungsmöglichkeiten — der Wertungsprozeß hinsichtlich spezifischer Methoden und M i t t e l des Kampfes zu Ende geführt. I n der zweistufigen Abfolge bestimmt die Struktur der völkerrechtlichen Norm, welche Informationen über das Waffensystem oder die Kampfmethode für die Untersuchung nötig sind. Die Komplexität des Waffensystems wiederum beeinflußt die A r t der zu treffenden Aussage. Handelt es sich bei der völkerrechtlichen Vorschrift u m ein Waffenverbot, so w i r d entweder durch die terminologische Festlegung oder durch einen Typisierungsvorgang der Verbotsumfang festgelegt. Der Subsumtionsvorgang ist damit zumeist auf nicht veränderbare Parameter konzentriert 1 . 1 E i n Beispiel f ü r diese A r t von Waffenverboten aus dem Mittelalter ist das Verbot der A r m b r u s t durch das zweite Laterankonzil 1139, vgl. Royse, S. 166; als das erste internationale Waffenverbotsabkommen des modernen Völkerrechts w i r d die Petersburger Deklaration von 1868 angesehen, s. Roberts /Guelff, S. 21, weitere Waffen verböte sind i n der 2. (Asphyxiating Gases) u n d 3. (Expanding Bullets) Haager Deklaration von 1899 enthalten, ibid., S. 35, 39; s. auch die B-Waffenkonvention von 1972, BGBl. 1983 I I 132.

F. Interpretation des A r t . 51

173

Statuiert die völkerrechtliche Norm dagegen ein Waffenwirkungsverbot, so erweitert sich der Untersuchungsgegenstand auf alle die Waffenwirkung beeinflussenden Umstände. Dazu gehören die mit dem Waffensystem oder der Kampfmethode direkt verbundenen Waffenwirkungen, aber auch die die Waffenwirkung verändernden Einsatzumstände. Schwierigkeiten bereiten die Fallkonstellationen, i n denen mit dem Wechsel einzelner Einsatzumstände eine grundlegende Veränderung der Waffenwirkung einhergeht. Eine Waffenwirkungsbeschreibung liefert dann immer nur einen Teilausschnitt aller denkbaren Wirkungsmöglichkeiten 2 . a) Die Aussagefähigkeit der Waffenwirkungsbeschreibung bei Nuklearwaffen Wie kaum eine andere Waffe ruft die Detonation eines nuklearen Sprengkörpers eine ganze Reihe zeitlich und örtlich voneinander unabhängiger und i n der Intensität unterschiedlicher Folgewirkungen hervor. Das Ausmaß der Explosionsfolgen ist abhängig von der Größe des Sprengkörpers, den Explosionsparametern und den geographischen, klimatischen und strategisch-taktischen Einsatzbedingungen 3 . Für eine Waffenwirkungsbeschreibung steht man damit vor der Alternative, entweder alle denkbaren Einsatzumstände zu berücksichtigen und dadurch die rechtliche Aussage zu relativieren, oder unter Heranziehung einiger typischer Einsatzumstände eine generelle Waffenwirkungsbeschreibung zu fixieren. Eine solche Bewertungsgrundlage erlaubt es, an den Inhalt von Waffenverboten heranreichende Urteile abzugeben. Der zweiten Alternative folgend ist i n der Vergangenheit eine Kombination von technischen und doktrinär begründeten Aspekten zum Ausgangspunkt der Waffenwirkungsbeschreibung der Nuklearwaffen gemacht worden. b) Das Begriffspaar der strategischen und taktischen Nuklearwaffen I n der Militärpolitik haben die Produktion von Kernsprengkörpern vom Kilotonnen- bis i n den Megatonnenbereich, die unterschiedliche Reichweite der Waffenträger und die sich daraus ergebenden Einsatz2 Ipsen, „Anwendungsverbote, die allein auf die W i r k u n g der K a m p f m i t t e l abstellen, werden stets m i t dem Streit belastet, ob der Einsatz bereits den verbotenen Wirkungsgrad erreicht oder ob das betreffende K a m p f m i t t e l auch i n erlaubter Weise eingesetzt werden kann, Ipsen, i n : Menzel/Ipsen, Völkerrecht, S. 529. 8 s. oben die Beschreibung der Waffenwirkung, Erster Teil, A I ; zu den Veränderungen der W a f f e n w i r k u n g bei unterschiedlichen Einsatzparametern insbesondere die Veränderung des fall-out siehe OTA, The Effects of Nuclear War, S. 10.

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 und der Nuklearwaffeneinsatz

optionen zu einer Kategorisierung der Atomwaffen i n solche strategischer und taktischer A r t geführt 4 . Als strategische Waffen sind dabei die Waffensysteme angesehen worden, die sich wegen ihrer großen Reichweite zur Zerstörung des Kriegspotentials des Gegners eignen 5 . Unter taktischen Waffen wurden i m Gegensatz dazu solche Waffen verstanden, die durch eine Kombination von Wirkung, Reichweite und Zielvorgabe kriegsschauplatzbegrenzt sind®. Diese Definitionen ließen über einen langen Zeitraum den Eindruck entstehen, taktische Nuklearwaffen seien i n jedem Fall Sprengkörper mit geringer Sprengkraft und die A r t und Weise ihres Einsatzes sei mit einem geringen Risiko für die Zivilbevölkerung verbunden 7 . Die rechtliche Diskussion um die Illegalität des Atomwaffeneinsatzes nach gewohnheitsrechtlich geltenden oder vertraglichen Normen ist, soweit eine Aufsplitterung des Nuklearwaffenbegriffs erfolgte, von der Völkerrechtswissenschaft mit diesem Begriffspaar geführt worden. Ausgehend von den Wirkungen einer Bombe in Hiroshimagröße ist wegen der unterschiedslosen Wirkung der Waffe i n diesen Fällen die Illegalität der Nuklearwaffe festgestellt worden 8 . N u r wenige Völkerrechtler sind bei Bewertung des Einsatzes von taktischen Nuklearwaffen oder bei in ihren Wirkungen auf militärische Objekte beschränkten Nuklearangriffen zu einem anderen Ergebnis gelangt 9 . A u f rechtlicher 4 Einen umfassenden Überblick über die erste Entwicklungsphase des Kernwaffenarsenals der Vereinigten Staaten hinsichtlich der strategischen u n d taktischen Kapazitäten sowie der damit zusammenhängenden Einsatzoptionen gibt Rosenberg, S. 3—71, s. insbes. die Ausführungen auf S. 16 u n d 66; zur Begriffsbestimmung vgl. Lutz, L e x i k o n zur Sicherheitspolitik, S. 252, 254; zu den strategischen Gründen f ü r die Entwicklung taktischer Waffen s. Brody, S. 1 ff. u n d Kissinger, S. 1 ff. 5 Vgl. Rosenberg, S. 14 ff.; i m S A L T I I - V e r t r a g , der die Beschränkung strategischer Waffen zum Z i e l hat, werden v o m Begriff der I C B M solche landgestützten Waffensysteme erfaßt, die eine größere Reichweite als 5500 k m haben, siehe A r t i k e l 2, Goldblat, Agreements, S. 268. β Halperin, Defense Strategies, S. 5; vgl. Rosenberg, S. 29—31. 7 Vgl. die Anhörungen i m Kongreß der Vereinigten Staaten 1973, M i l i t a r y Applications of Nuclear Technology, Part I, Hearings, Joint Committee on Atomic Energy, i n den wichtigsten Passagen abgedruckt bei Leitenberg, S. 46; Perry-Robinson ordnet die kleineren Nuklearwaffen i m S u b - K i l o tonnenbereich einer neuen Kategorie von Waffensystemen zu, die er als „Quasinuclear Weapons" bezeichnet. M i t der Einführung dieser neuen K a tegorie von Waffen, zu denen er u. a. auch verschiedene konventionelle u n d chemische Waffen zählt, w i l l er auf die besondere Gefährlichkeit dieser Waffen hinweisen u n d Rüstungskontrollanstrengungen fördern, s. PerryRobinson, S. 151—166. 8 Euler spricht v o m „ N o m i n a l t y p " der Japanbombe, Euler, S. 114; vgl. zu den anderen Begründungen f ü r die Illegalität, Menzel, Atomwaffen u n d völkerrechtliches Kriegsrecht, S. 157 f f m. w. N. 9 Akehurst, A Modern Introduction to International L a w , S. 233; Berber, Bd. I I , S. 172 m i t Einschränkungen; Bindschedler, Die Unterscheidung z w i schen Zivilbevölkerung u n d bewaffneten Kräften, S. 65; Castrén, The Illega-

F. Interpretation des A r t . 51

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Ebene ist damit eine für militärpolitische Zwecke akzeptable Unterscheidung eingeführt und beibehalten worden. Die auf die Frage der generellen Anwendbarkeit auf den Nuklearkrieg fixierte Auseinandersetzung über den A r t . 51 hat eine weitergehende Analyse des Nuklearwaffenbegriffs nicht vorgenommen. Sofern die Anwendbarkeit des A r t . 51 auf Nuklearwaffen bejaht wurde, ist in einigen Fällen zwar die Unterscheidung zwischen strategischen und taktischen Waffen angesprochen worden 10 . Darüber hinausgehende Argumente für eine sorgsamere und umfassendere Beachtung der mit der Explosion von Nuklearsprengköpfen zusammenhängenden Probleme sind bisher nicht formuliert worden. c) Der Angleichungstrend i n der Nuklearwaffentechnik Die waffentechnische Entwicklung und Änderungen der M i l i t ä r doktrinen rechtfertigen es, an der Brauchbarkeit der Begriffe von den strategischen und taktischen Atomwaffen für den Fortgang dieser Untersuchimg zu zweifeln. Dabei ist zu berücksichtigen, daß i n dieser Arbeit nicht i m Sinne einer Ganzheitsanalyse alle rechtlichen Aspekte des Kernwaffeneinsatzes untersucht werden 11 . Gerade aber die Konzentration auf die mit A r t . 51 verbundenen Aspekte der Unterscheidung zwischen Kombattanten und der Zivilbevölkerung erfordert eine sorgsame Bewertung der mit der Unterscheidungsmöglichkeit zusammenhängenden Parameter. I m militärpolitischen Bereich waren für die Unterscheidung zwischen strategischen und taktischen Waffen die Sprengkopfgröße, die Reichweite der Trägersysteme und der Einsatzzweck maßgebend. Eine Übersicht der bereits stationierten und i n der Entwicklung befindlichen Systeme zeigt einen Angleichungs- und Vermischungstrend i n der Nuklearwaffenentwicklung der beiden traditionellen Bereiche auf. Dabei ist die Annäherung nicht auf die technischen Daten beschränkt geblieben. Die technischen Vorgaben haben Veränderungen i n der Einsatzplanung und i n der Festlegung des Einsatzzwecks m i t sich gebracht. l i t y of Nuclear Weapons, S. 96; Euler, S. 115; Tucker, S. 54; Verdross, Völkerrecht, S. 479. 10 Carnahan, S. 44; Cassese, The Prohibition of Indiscriminate Means of Warfare, S. 183; Gierycz, S. 69; K i m m i n i c h , Der Einfluß des humanitären Völkerrechts auf die Kernwaffenfrage, S. 423; w o h l auch Ipsen, i n : Menzel/ Ipsen, Völkerrecht, S. 545; vgl. die detaillierten Ausführungen von Rauschning, Nuclear Warfare, S. 49, Seidl-Hohenveldern, S. 402. 11 Die neueste Ganzheitsanalyse liefern Falk/Meyrowitz/Sanderson, die aber dem Problem des vertraglichen Verbots des unterschiedlos wirkenden Angriffs keine breiten Überlegungen widmen, vgl. F a l k / M e y r o w i t z / S a n d e r son, S. 541—615.

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 und der Nuklearwaffeneinsatz

I n der Übersicht des IISS über die nuklearen Systeme für das Jahr 1983/84 tauchen für den strategischen Bereich der beiden Supermächte immer noch die älteren, bereits während der 50er Jahre stationierten Systeme mit einer großen Sprengkraft von mehr als 1 M T auf 12 . Hier sind an erster Stelle die Minuteman I I der USA mit 1 bis 2 M T und die SS 18 der UdSSR m i t 20 M T zu nennen. Diese Raketen bilden zahlenmäßig noch immer einen hohen Anteil am Gesamtpotential der landgestützten Interkontinentalraketen 1 3 . A u f nukleartaktischer Seite entsprechen die nuklearen Artillerieraketen mit einer Sprengkraft von weniger als 2 K T 1 4 dem überkommenen B i l d von den strategischen als den besonders detonationsstarken und den taktischen als den stets mit einer geringen Sprengkraft ausgestatteten Waffen. Sieht man diese Waffensysteme aber i m Gesamtzusammenhang mit den anderen land-, l u f t - und seegestützten Nuklearwaffen, so w i r d der Vermischungs- und Angleichungstrend deutlich. Die Sprengkraftgröße der als strategisch deklarierten Systeme liegt heute i n der Mehrzahl i n denselben Bereichen, wie die der Systeme unterhalb der strategischen Ebene oder i n Einzelfällen sogar deutlich darunter 1 5 . Daß ein Absenken der Sprengkraftgröße der strategischen Waffe von der Megatonnen- auf die Kilotonnenebene erst durch eine Verbesserung der Zielgenauigkeit der Systeme und die Ausstattung mit Mehrfachsprengköpfen möglich wurde, kann für die Überprüfung der Verwendbarkeit der Terminologie i m rechtlichen Zusammenhang außer Betracht bleiben. Hand i n Hand m i t der Waffenentwicklung hat auch i n den M i l i t ä r doktrinen ein Loslösungsprozeß von dem traditionellen Verständnis der strategischen und taktischen Nuklearwaffen eingesetzt. Bereits i m terminologischen Bereich sind die Neuerungen erkennbar. Neben dem Begriff „Tactical Nuclear Weapons" ist i n den letzten Jahren die Bezeichnung „Theatre Nuclear Weapons" getreten 16 . Militärpolitisch ist so 12 The M i l i t a r y Balance 1983—1984, S. 118, 119, 120; Barnaby, Strategie Nuclear Weapons, S. 266, 270. 13 Ibid., f ü r eine kommentierte Übersicht über die Sprengkopfgröße, Z u ladung u n d Wurfgewichte s. K r e l l , Das militärische Kräfteverhältnis bei den nuklearstrategischen Waffen, S. 96 ff. 14 F ü r die N A T O sind dies vor allem die Haubitzen M 109 u n d M 110, i m Warschauer Pakt sind die Scud A u n d wahrscheinlich auch die Haubitzen 203 M i l l i m e t e r u n d 240 M i l l i m e t e r m i t kleinen Sprengköpfen bestückt; s. dazu die Tabelle bei Afheldt, S. 17. 16 s. i n der Übersicht des IISS die Sprengkopfgröße der M i n u t e m a n I I I u n d Trident C 4 sowie der Pershing l a , I I ; vergleichbar sind auch die Sprengköpfe der Cruise Missile u n d der FBS-Systeme; The M i l i t a r y Balance 1983— 1984, S. 119—122; vgl. insbes. die Zusammenstellung der verschiedenen Schätzungen bezüglich der Sprengkopf große bei Leitenberg, S. 113. 16 Lutz, Das militärische Kräfteverhältnis i m Bereich der Nuklearkräfte i n u n d f ü r Europa, S. 24.

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eine Loslösung der unterhalb der strategischen Ebene liegende Nuklearwaffen von ihrer taktischen auf das Schlachtfeld fixierten Funktion eingetreten 17 . Eine Zerstörungsmission, mit der i n der Vergangenheit unter Hinweis auf den taktischen Charakter der Systeme zumeist ein besonders kleiner Sprengkopf assoziiert worden ist 1 8 , kann heute mit einer Waffe großer Sprengkraft und großer Reichweite i n regionalen Bereichen, ζ. B. Europa, durchgeführt werden, ohne diese Waffe definitionsgemäß zu einer strategischen Waffe zu machen. Die i n Europa stationierten „Intermediate Nuclear Forces" erfüllen so taktische und strategische Funktionen, ohne als strategische Waffen angesehen zu werden. Es kann nicht geleugnet werden, daß i n den Arsenalen der Nuklearmächte noch eine große Anzahl von Atomwaffen vorhanden ist, die mit einem kleinen Sprengkopf i n Kilotonnengröße bestückt sind 19 . Die Grauzone der „Theatre Nuclear Forces" und die Kurzstreckensysteme mit großer Sprengkraft lassen jedoch die Unterscheidung i n strategische und taktische Atomwaffen für eine rechtliche Untersuchimg obsolet werden. Dies gilt um so mehr, da inzwischen selbst den als eindeutig „strategisch" zu qualifizierenden Systemen eine Rolle beim Nuklearwaffenaustausch auf regionaler Ebene zugewiesen worden ist 2 0 . Z w i schen den strategischen Systemen und den Waffen für das nukleare „theatre" besteht ein ÜberlappimgsVerhältnis, das es möglich macht, auch die strategischen Systeme zu „schadensbegrenzenden Einsätzen" i m regionalen Bereich einzusetzen 21 . Es ist somit festzuhalten, daß das Nuklearwaffenpotential sich erheblich erweitert hat und die traditionellen Vorstellungen seines strategischen und taktischen Einsatzes überprüft werden müssen. Angesichts der Waffenentwicklung ist die Feststellung Menzels aus den 60er Jahren, daß die Besonderheit der Nuklearwaffen nicht durch eine Unterscheidung i n strategische und taktische Waffenanwendung bagatellisiert werden dürfe 22 , auch heute noch berechtigt. Andererseits fragt es sich, ob 17 Sowohl zu den technischen als auch den strategischen Aspekten siehe Krell, Der Rüstungswettlauf bei den nuklearen Mittelstreckenwaffen, S. 47 ff. 18 Die Lance, Honest John u n d die Frog/SS21 tragen, obwohl sie eindeutig als taktische Nuklearwaffen angesehen werden, Sprengköpfe m i t mehr als 20 K T , s. Afheldt, S. 17; von den Befürwortern eines verstärkten Ausbaus der taktischen Systeme wurde deshalb eine Sprengkopfverkleinerung f ü r diese Waffe angeregt, siehe Hughes, S. 312, 313. 19 Vgl. die Zahlenangaben f ü r die bei Afheldt aufgeführten Haubitzen, Afheldt, S. 17. 20 s. dazu Schlesinger, S. 13; vgl. auch D O D F Y 1980, S. 78, 79, 82; s. insbes. die Darstellung Balls der nuklearen Einsatzoptionen, Ball, S. 37, 38. 21 K e r r / K u p p e r m a n , S. 126. 22 Menzel, Atomwaffen u n d völkerrechtliches Kriegsrecht, S. 153.

12 Fischer

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

wegen des Angleichungs- und Vermischungstrends an einer Generalisierung der Nuklerwaffenwirkung bei der rechtlichen Überprüfung festzuhalten ist 23 . 2. Die Ausrichtung

der Untersuchung an Szenarien

a) Die K r i t i k an der Generalisierungsmethode Welche Konsequenzen sind nun aus der waffentechnischen Entwicklung und ihrer Nutzbarmachung i n den Doktrinen für die Auslegung von Waffenwirkungsverboten zu ziehen? Die Darstellung der Waffenentwicklung legte es nahe, auf die Berücksichtigung der Waffengröße oder der Einsatzumstände ganz zu verzichten. Die rechtliche Überprüfung würde dann, wie dies vorwiegend i m älteren Schrifttum geschehen ist, anhand eines in seinen Wirkungen als typisch festgehaltenen Waffeneinsatzes erfolgen. Eine ganze Reihe von Einsatzparametern würden dabei generalisierend auf alle Fälle des Einsatzes übertragen oder aus der rechtlichen Bewertung ausgeblendet. I m neueren Schrifttum geht Däubler bei der Beurteilung des gewohnheitsrechtlich geltenden Verbots des unterschiedslosen Angriffs explizit von einer grundsätzlichen Gleichstellung aller Nuklearwaffen aus 24 . Die Herleitung einer Sonderstellung für besonders kleine Waffen oder extreme Einsatzparameter hält er für falsch. I n Anlehnimg an die Argumentation Menzels aus dem Jahre I960 25 führt er aus: „ W i l l das Kriegsrecht nicht an der Realität vorbeigehen u n d damit seinen humanitären Anspruch aufgeben, so muß es f ü r die Fortentwicklung seiner Normen von typischen u n d nicht von ausgefallenen, denkbar u n w a h r scheinlichen Konstellationen ausgehen 26 ."

Wenn man auch die Herleitung eines umfassenden Einsatzverbots für Nuklearwaffen aus dem Unterscheidungsprinzip i m Hinblick auf die Rechtsklarheit und Humanität begrüßen mag, so ergeben sich gegen den Generalisierungsansatz erhebliche Bedenken.

23 Z u Recht weist Seidl-Hohenveldern darauf hin, daß die Grenze zwischen taktischen u n d strategischen Atomwaffen fließend ist, Seidl-Hohenveldern, S. 402. 24 Däubler, S. 43, 44; vgl. auch den Ansatz Frieds, der die Illegalität des Atomkrieges u.a. aus der Definition des Krieges herleitet, Fried, S. 245; Lumsden, Perversionen der Waffentechnik, S. 123; Zemanek, S. 398. 25 Menzel, Legalität, S. 25 f. 26 Z u den Beispielen für ausgefallene Konstellationen s. Oppenheim/ Lauterpacht, Bd. 2, S. 348; Euler, S. 145.

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b) Die Einsatzmöglichkeiten Die Bezeichnung der i m internationalen Schrifttum angeführten Beispiele eines mit dem Unterscheidungsprinzip i n Einklang stehenden Nuklearwaffeneinsatzes als „unwahrscheinlich" ist nicht mit den geltenden Strategien vereinbar. So geht die NATO-Strategie der „flexible response" davon aus, den Gegner i m Verteidigungsfall durch den selektiven Einsatz von Nuklearwaffen zur Beendigung der Aggression zu zwingen 27 . Der Nuklearwaffeneinsatz zur Wiederherstellung der A b schreckung i m Kriege hat zwei Dinge zu berücksichtigen. Er muß den politischen Willen zum Einsatz des nuklearen Potentials bei Fortführung der Aggression deutlich machen, ohne dabei eine nukleare Eskalation zu provozieren. Dieses Ergebnis ist nur mit einer besonders sorgfältigen Zielauswahl erreichbar. Insbesondere ist an solche militärische Objekte zu denken, deren nukleare Vernichtimg keine Kollateralschäden bei der Zivilbevölkerimg erwarten läßt 28 . Die Bekämpfung geographisch abgelegener Ziele ist also durchaus nicht so unwahrscheinlich wie es i m Schrifttum dargestellt wird. Neben den Einsatzmöglichkeiten zu Beginn eines Konflikts gibt die Zielplanung für eine nukleare Auseinandersetzung Anhaltspunkte für einen dem Unterscheidungsprinzip gerecht werdenden Waffeneinsatz. Wenn der SIOP der Vereinigten Staaten 40 000 nukleare Ziele in der Sowjetunion nennt 29 , ist dies der beste Beweis für die vorgesehene Bekämpfung militärischer Objekte i n großem Umfang 30 . Daß dazu ζ. B. Schiffe auf See oder abgelegene Militärstationen gehören, steht außer Frage 31 . Inwieweit die hier aufgeführten Einsatzpläne und Möglichkeiten i m nuklearen Konfliktfall realistisch sind und durchgeführt werden 32 , muß für die Auswahl des Ansatzes der rechtlichen Überprüfung außer Betracht bleiben. Die Bestätigung der Einsatzoptionen i n den M i l i t ä r doktrinen erlaubt es nicht, sie ohne weitere Begründung m i t einem Nuklearwaffeneinsatz gegen eine Stadt gleichzusetzen. 27

s. Weißbuch 1983, S. 152, 153; vgl. Berkhof, S. 46. Lee stoppt i n seinem Beispiel eines Nuklearwaffeneinsatzes m i t m i n i malen Kollateralschäden den A n g r i f f des Warschauer Paktes auf die Bundesrepublik durch den Einsatz eines Projektils m i t 0,5 K T , Lee, S. 509, 510; vgl. dazu auch Hackett, der einem A n g r i f f auf B i r m i n g h a m u n d M i n s k die notwendige Signalwirkung beimißt, Hackett, S. 326 ff. 29 Ball, S. 36. 30 s. Schlesinger, S. 18, 19; Ball, S. 36 ff. 31 So w i r d die Überlebensfähigkeit der Flugzeugträger i n einem „ all-out nuclear w a r " auf zwei Tage geschätzt, A d m i r a l Rickover Time Magazine, no. 10, 7. März 1983, S. 17. 32 Vgl. L a Roque, S. 25. 28

12*

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c) Die Waffenparameter E i n anderer Aspekt, der gegen eine Generalisierung von Einsatzwirkungen spricht, ist die unterschiedliche Wirkung der Kernwaffen i n Abhängigkeit von den Waffenparametern. I n den letzten Jahren ist eine Reihe von Studien erschienen, die sich mit der Frage des „fall-out" beschäftigt haben 38 . Obwohl sich an den grundsätzlichen Aussagen zur Frage der Entstehung der Radioaktivität nichts geändert hat, liegen durch Simulation gewonnene Ergebnisse über die Verteilung des „fallout" vor. Dieses betrifft sowohl den „local" als auch den „global fall-out". Da sich die beiden Arten des radioaktiven Niederschlags nicht nur i n der Intensität, sondern auch i n der zeitlichen und geographischen E i n w i r kungsmöglichkeit unterscheiden 34 , übersieht jede nur auf einen der beiden Bestandteile gestützte Bewertung einen wesentlichen Aspekt der Waffenwirkung. I n extremer Weise t r i t t dieses Problem bei der Neutronenwaffe auf, die auch eine Kernwaffe i m traditionellen Sinne ist. Wenn hier wegen des fehlenden „fall-out" eine rechtliche Sonderbehandlung durchgeführt wird, ist nicht so recht einzusehen, wieso i n anderen Fällen geringeren oder unbestimmten „fall-out" keine Sonderbewertung nötig sein soll. d) Waffenwirkungsverbote und Generalisierungstendenzen Gegen eine Gleichstellung von Kernwaffen aller A r t , unabhängig von den Einsatzumständen, spricht auch der Rechtscharakter des A r t . 51. Der auf die Waffenwirkung abstellende Wortlaut der Vorschrift erfordert eine Auseinandersetzung mit den Parametern, die die Waffenw i r k u n g i m Einzelfall bestimmen. Dazu gehören bei den Nuklearwaffen auch die Einsatzumstände. Legt man seiner Bewertung eine generalisierende Betrachtungsweise zugrunde, w i r d man dem Charakter der Rechtsnorm nicht gerecht. Es ist durchaus möglich, daß sich auch ein Waffenwirkungsverbot i n bestimmten Bereichen zu einem Waffenverbot verdichtet. Dies setzt allerdings die Möglichkeit der Abschätzung aller als bekannt vorgegebenen Einsatzumstände voraus. I n diesem F a l l sind generalisierende Aussagen mit dem auf die Einzelumstände fixierten Charakter der Norm vereinbar. Sind jedoch, wie i m Falle des A r t . 51 und der Nuklearwaffen, aus einer unzähligen Anzahl von Waffenwirkungen nur einige ex ante feststellbar, können auch nur für diesen Bereich Aussagen getroffen 33 34

s. oben Erster Teil, A I Fn. 1 u n d die Hinweise bei Sartori, S. 47. Rotblat, Nuclear Radiation, S. 84.

F. Interpretation des A r t . 51

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werden 35 . Die Übertragung der Bewertung auf andere Bereiche verstößt gegen den Rechtscharakter der Norm, wenn eindeutige Abweichungen vermutet werden können. Dieser Gesichtspunkt ist auch bei dem letzten Kodifikationsversuch des Roten Kreuzes i m Jahre 1957 gesehen worden. Bei den Überlegungen zum generellen Verbot von Nuklearwaffen durch das Waffenwirkungsverbot des A r t . 14 des „Draft" hat das I K R K ausgeführt: " . . . w e must not t h i n k only of the tragic cases of Hiroshima and Nagasaki . . . b u t also of the use of such weapons on isolated or very large purely m i l i t a r y targets — ships or m i l i t a r y airfield for example." 8 6

Wenn i n früheren Arbeiten zur Illegalität der Nuklearwaffen beim Verbot des unterschiedslosen Angriffs eine generalisierende Haltung eingenommen wurde, spricht dies nicht unbedingt gegen eine sorgfältige Beachtung der Einsatzumstände i n diesen Untersuchungen. Die Bedeutung einzelner umstrittener rechtlicher Aspekte des Nuklearwaffeneinsatzes ist bei einer Berücksichtigung aller i n Frage kommenden Verbotsnormen besser abzuschätzen als bei einem auf eine Verbotsnorm fixierten Untersuchungsansatz. So hat Menzel bei Fragen der unterschiedslosen Wirkung kleiner Sprengköpfe durchaus auf Aspekte anderer Verbotsnormen zurückgegriffen, u m die Illegalität auch dieser Waffen zu begründen 37 . E i n weiterer gewichtiger Faktor, der gegen einen Generalisierungsansatz spricht, ist die Implementationschance von Normen des humanitären Völkerrechts 38 . Die Staatengemeinschaft und insbesondere die Nuklearmächte werden ein Einsatzverbot der Nuklearwaffen nur dann ratifizieren, wenn dem politischen Entscheidungsprozeß eine detaillierte rechtliche Analyse zugrunde gelegt werden kann, die die schwierigen militärpolitischen Probleme nicht generalisierend negiert. e) Die Notwendigkeit der Berücksichtigung von Szenarien Die K r i t i k an der Generalisierungsmethode darf n u n nicht dazu führen, grundsätzlich alle über die Bewertung eines einzelnen, konkret umrissenen Einsatzes hinausgehende Feststellungen für unzulässig zu 85 Vgl. den Report des I I I . Komitees auf der Genfer Staatenkonferenz, der die Meinung einiger Konferenzteilnehmer zu diesem P u n k t wiedergibt, OR, Vol. X V , CDDH/215/Rev. 1, S. 261, s. auch die Erklärungen Canadas, Großbritanniens u n d der Bundesrepublik zu diesem Punkt, OR, Vol. V I , CDDH/SR. 41, S. 141 ff. 36 D r a f t Rules for the L i m i t a t i o n of the Dangers Incurred b y the Civilian Population i n Time of War, S. 110. 37 s. Menzel, Atomwaffen u n d völkerrechtliches Kriegsrecht, S. 174. 88 Vgl. Denise Bindschedler-Robert, A Reconsideration of the L a w of A r m e d Conflicts, S. 32; dies., U n l a w f u l Weapons, S. 341; s. auch Rudolf L . Bindschedler, S. 65, 66.

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

erachten. N u r sollten rechtliche Aussagen so präzise abgefaßt sein, daß sie der Struktur der Vorschrift, auf die sie aufbauen, gerecht werden. Die Gleichstellung einer Explosion einer Bombe von 20 M T über einer Großstadt mit dem Einsatz eines kleinen Sprengkopfes mit 1 K T auf dem Gefechtsfeld ist deshalb nicht so ohne weiteres mit dem Verbot des unterschiedslosen Angriffs zu vereinbaren, wenn keine weiteren A n gaben über die unterschiedslose Wirkung i m zweiten Fall gemacht werden. Wenn auch grundsätzlich die konkreten Einsatzumstände erst i m Ernstfall bekannt sind, lassen sich für bestimmte Einsatzpläne a priori Aussagen über die Waffenwirkung der dabei verwendeten Waffen machen. Das beste Beispiel dafür ist ein „Counter Force "-Einsatz gegen die landgestützten Systeme der Gegenseite, der nur unter bestimmten Voraussetzungen erfolgversprechend ist, die durch Größe der Sprengköpfe i n Abhängigkeit vom CEP und der Härtung der Silos bestimmt werden 39 . Die Kombination von Sprengkopfgröße, Einsatzort und den geographischen Voraussetzungen erlauben es, präzisere Aussagen über die Illegalität des Nuklearwaffeneinsatzes zu machen, als dies bei der Extrapolation von Auswirkungen der Explosion einer Bombe des Nominaltyps 4 0 möglich ist. A u f keinen Fall soll durch die Berücksichtigung von Szenarien der Eindruck erzeugt werden, ein Nuklearkrieg sei i m Sinne der eingangs beschriebenen strategischen Vorstellungen begrenzbar und führbar 4 1 . Die Einbeziehung von Szenarien i n die Anwendungsebene der rechtlichen Norm beseitigt dabei zumindest in Teilbereichen die von Ipsen beschriebene Unsicherheit über die Grenzziehung zwischen erlaubtem und verbotenem Einsatz bei Waffenwirkungsverboten. Damit erfährt die rechtliche Norm nicht nur eine größere Rechtsbefolgungsbasis i n Einzelfällen. Sie steigert durch die Sichtbarmachung von Problembereichen die Transparenz für Politiker und Militärs und erhöht damit die Implementationschancen des Vertrages. I m folgenden sollen bei Überprüfung der Abs. 4 und 5 mit der Einbeziehung von Szenarien möglichst präzise Aussagen über die Zulässigkeit des Einsatzes von Kernwaffen unter bestimmten Einsatzumständen gemacht werden.

89 40 41

s. Tsipis, Offensive Missiles, S. 10 ff. s. Euler, S. 114. Vgl. zum „Principle of Threshold" Röling/Sukovie, S. 41.

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Π . Der Nuklearwaffeneinsatz als „indiscriminate attack" gemäß Art. 51 Abs. 4

1. Der Rechtscharakter des Abs. 4 Der Begriff des „indiscriminate attack" ist i m Kriegsrecht vor der Unterzeichnung des I. Protokolls auf zwei verschiedenen Ebenen verwendet worden. I m Schrifttum 4 2 und i n Kodifikationen 4 8 taucht er zur Bezeichnung von Bombardierungen auf, durch die die Zivilbevölkerung und militärische Objekte i n gleicher Weise getroffen werden. I n der Völkerrechtswissenschaft ist der terminus „indiscriminate attack" außerdem i n Verbindung mit der Diskussion um die Eigenschaft bestimmter Waffen benutzt worden 44 . Die Einbeziehung der Nuklearwaffen i n die Diskussion der „blinden" Waffen könnte nahelegen, die Interpretation des Abs. 4 am Begriff des „indiscriminate attack" auszurichten. Ein solcher Untersuchungsansatz wäre jedoch nur dann zu rechtfertigen, wenn die i n Abs. 4 lit. a—c genannten Arten des „indiscriminate attack" Beispielsfälle des unterschiedslosen Angriffs wären. Sind die Festlegungen in lit. a—c dagegen Legaldefinitionen des „indiscriminate attack", muß eine Bewertung alleine anhand des materiellen Gehalts der Definitionen von lit. a—c erfolgen. Die Einführung i n den 4. Absatz m i t der deutlichen Feststellung, „indiscriminate attacks are" spricht dafür, daß es sich bei den lit. a—c u m Legaldefinitionen handelt. Andernfalls hätte es nahegelegen, den Satz mit Begriffen wie „among others" oder „particular" einzuleiten. Dies ist i n Abs. 4 unterblieben. Unterstützimg erfährt dieses Argument durch den Wortlaut von lit. a—c. Die lit. a—c sind allgemein gehalten und selbst auslegungsbedürftig. Eine Darstellung konkreter Einzelfälle zur Illustration des „indiscriminate attack" enthalten sie nicht. Gegen einen Beispielscharakter der lit. a—c spricht auch der letzte Halbsatz des 4. Absatzes. Die Verknüpfung der Merkmale i n lit. a—c mit der unterschiedslosen Wirkung durch die Einführung „and consequently" deutet darauf hin, daß i m letzten Halbsatz eine weitere Bedingung des 42 Vgl. Castrén, The Present L a w of War and Neutrality, S. 403, 404; B e r ber, Bd. I I , S. 181; Spetzler, S. 290. 48 s. A r t . 24 Abs. 3 der Haager Luftkriegsregeln, Roberts /Guelfi, S. 126; A r t . 10 der Delhi Rules, s. die Einführung zum Zweiten Teil Fn. 5. 44 von der Heydte, Le Problème que Päse l'Existence des Armes de Destruction Massive et la Distinction entre les Objectifs Militaires et non Militaires en General, A I D I , Vol. 67 I I , 1967, S. 85; Spaight, S. 215; Spetzler, S. 326, 327; Castrén, The Present L a w of War and Neutrality, S. 204; Greenspan, S. 365— 367; Falk/Meyrowitz/Sanderson, S. 566; zur Verwendung des Begriffs i n der Staatenpraxis siehe Cassese, The Prohibition of Indiscriminate Means of Warfare, S. 175—182; vgl. auch Draper, Indiscriminate Attack, S. 219, 220.

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„indiscriminate attack" genannt wird. Würde man die drei aufgeführten Fälle nur als Beispiele des unterschiedslosen Angriffs ansehen, wäre die Hinzufügung einer zusätzlichen Bedingung i m letzten Halbsatz sinnlos. Betrachtet man den A r t . 51 i n der Systematik des Protokolls, so fällt auf, daß in den Artikeln, i n denen Beispielsfälle für ein Verbot angegeben werden, dies stets deutlich gemacht wird. Es werden dabei Worte benutzt wie „namely" 4 5 , „ i n particular" 4 6 oder „are examples" 47 . Sind Definitionen kodifiziert worden, so werden sie meistens mit „is" oder „are" 4 8 eingeleitet. Die Präzisierung des „indiscriminate attack" durch die Kodifikation von drei Legaldefinitionen steht auch i n Einklang mit Sinn und Zweck des Protokolls. Es war das erklärte Ziel der Genfer Staatenkonferenz, den Schutz der Zivilbevölkerung durch die Bestätigung und Weiterentwicklung kriegsrechtlicher Normen zu verbessern. I n schwierigen Grenzbereichen, wie ζ. B. bei der Definition des „indiscriminate attack", ist eine Verbesserung nur zu gewährleisten, indem die mit Unsicherheiten und Definitionsschwierigkeiten belasteten gewohnheitsrechtlichen Regeln i n möglichst präziser Form kodifiziert werden. Unbestimmte Rechtsbegriffe bleiben, auch wenn sie durch Beispiele erläutert sind, stets mit einer Unsicherheit über den Anwendungsumfang belastet. Legaldefinitionen lenken die Auslegung in eine bestimmte Richtung und grenzen den Anwendungsbereich damit präziser ab, als dies durch die Kodifikation von Beispielsfällen geschehen kann. M i t ihrem Abgrenzungscharakter dienen Legaldefinitionen der Rechtsklarheit der Norm und stärken so die Rechtssicherheit. I m Bereich des internationalen Konfliktrechts ist dieses eine wichtige Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Normen i m Konfliktfall. Für die Interpretation des A r t . 51 Abs. 4 ist somit festzustellen, daß in den lit. a—c die Kriterien des „indiscriminate attack" festgelegt werden. Wie die Ankoppelung jedes Unterpunktes an die Definitionseinführung durch das Wort „those" deutlich macht, stehen die Bedingungen unabhängig nebeneinander. Ein „indiscriminate attack" liegt nach Art. 51 Abs. 4 bereits vor, wenn die Voraussetzungen eines Unterpunktes gegeben sind. Dieses Ergebnis läßt sich auch aus der Verwendung des Begriffes „ i n each case" 49 i m letzten Halbsatz herleiten. Als kumulative 45

A r t i k e l 11 Abs. 2, A r t . 56 Abs. 1. A r t i k e l 56 Abs. 1. 47 A r t i k e l 37 Abs. 1. 48 A r t . 37 Abs. 2, A r t . 41 Abs. 2, A r t . 43 Abs. 2, A r t . 47 Abs. 2, A r t . 50 Abs. 1, A r t . 52 Abs. 1, A r t . 66 Abs. 4. 49 „each" bezeichnet „jede(r, s) einzelne", Pons, Globalwörterbuch englischdeutsch, S. 308. 46

F. Interpretation des A r t . 51

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Komponente ist für alle drei Alternativen nur der letzte Halbsatz zu beachten, der mit den Worten „and consequently" beginnt. Die i n A r t . 51 gewählte A r t der Normengestaltung hat Konsequenzen für den Begriffsumfang des unterschiedslosen Angriffs. Sind i n der Literatur mit diesem Begriff eine Vielzahl von Arten des indirekten Angriffs auf die Zivilbevölkerung beschrieben worden 50 , so ist seit der Unterzeichnung des Protokolls der Begriff auf die drei Alternativen i n Art. 51 Abs. 4 lit. a—c beschränkt 51 . Ein Angriff, der nicht unter die Voraussetzungen lit. a—c zu subsumieren ist, kann kein „indiscriminate attack" i m Sinne des Protokolls sein. Dies muß auch für die Angriffe gelten, die die Zivilbevölkerung i n Mitleidenschaft ziehen. 2. Der „indiscriminate

attack " gemäß Abs. 4 lit. a)

a) Die Angriffsabsicht Nach Abs. 4 lit. a) des A r t . 51 werden als „indiscriminate attacks" solche Angriffe angesehen, die „not directed at a specific military objective" sind. M i t dem Begriff des „directed" werden Wortbedeutungen wie „lenken, leiten, richten und führen" verbunden 52 . Ungewöhnlich ist die Verwendung von „directed" mit der Präposition „at". I n A r t . 48 heißt es demgegenüber „directed against". Nach dem normalen Sprachgebrauch ist „directed to" die korrekte Bezeichnung zur Kenntlichmachung der Richtung auf ein bestimmtes Objekt oder bestimmtes Ziel hin. Die Verwendung der Präposition „at" i n Abs. 4 a läßt an den Begriff „aimed at" denken, mit dem sowohl „zielen" i n einem objektbezogenen Sinne als auch „beabsichtigen" oder „erstreben" 58 i n einer übertragenen Bedeutung gemeint ist. Die angeführten Wortbedeutungen zeigen, daß das „directed at" i n zwei unterschiedlichen Richtungen ausgelegt werden kann. A n erster Stelle ist an die objektbezogene Ausrichtung des Angriffs zu denken. Ein Angriff müßte demnach mit seinen M i t t e l n auf ein „specific military objective" gerichtet sein und i n seinen Auswirkungen auf das Objekt beschränkt bleiben. Als Alternative könnte man „directed at" i n einer die Intention des Angreifers beschreibenden Weise verstehen. I n diesem Fall müßte der Angriff i n der Absicht erfolgen, ein bestimmtes militärisches Objekt zu treffen. Ein „indiscriminate attack" läge nach der zweiten Alternative 50

s. i n diesem Abschnitt die Einführung. So sind w o h l auch de Zayas u n d Draper zu verstehen, de Zayas, S. 98; Draper, Indiscriminate Attack, S. 219. 52 Langenscheidt, Handwörterbuch englisch-deutsch, S. 178. 58 Ibid., S. 31. 51

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 und der Nuklearwaffeneinsatz

nur dann vor, wenn der Angriff ohne Fixierung auf ein militärisches Ziel durchgeführt wird. Der i n Absatz 4 lit. a) weiter verwendete Begriff des „specific military objective" kann keine Entscheidungshilfe für die Auslegung des „directed at" geben. Die Konkretisierung des Ziels durch das Wort „specific", das soviel wie „bestimmt", „genau", „eigentümlich" oder „typisch" 5 4 heißt, kann für beide Arten der Auslegung des „directed at" gelten. Vergleicht man die beiden Auslegungsmöglichkeiten mit den Unterpunkten von Abs. 4 und den anderen Absätzen, so fallen folgende Unterschiede auf. I n Abs. 4 lit. b) und lit. c) w i r d der Anwendungsbereich des Verbots auf „methods and means" des Angriffs konkretisiert. Die Verwendung der Wörter „cannot be directed" i n lit. b) und „effects" i n lit. c) deutet darauf hin, daß dort Regelungen für die durch die Waffentechnik entstehenden Ziel- und Auswirkungsprobleme geschaffen werden sollten. Insbesondere die wesentliche Wortgleichheit mit lit. b) könnte dazu führen, i n lit. a) eine allein auf die Absicht des Angreifenden abstellende Vorschrift zu sehen. Z u demselben Ergebnis muß man kommen, wenn man das Verhältnis von Abs. 4 a i n seiner ersten Auslegungsmöglichkeit zu Abs. 5 b untersucht. Abs. 5 lit. b) stellt mit seiner Regelung auf die Fälle ab, bei denen durch den Angriff auf ein militärisches Objekt Kollateralschäden entstehen. Die erste Auslegungsmöglichkeit würde, wenn man den absoluten Verbotscharakter von Abs. 4 lit. a) berücksichtigt, den Abs. 5 lit. b) überflüssig machen. Ein Angriff, dessen Waffen Wirkung nicht auf ein militärisches Objekt begrenzbar ist, kann nicht einmal als absolut verboten betrachtet werden und dann wieder, wie i n Abs. 5 lit. b) festgelegt, unter bestimmten Umständen doch erlaubt sein. Sieht man die Regelung des Abs. 4 lit. a) i m Hinblick auf den Sinn und Zweck des A r t i k e l 51, so erscheint es durchaus logisch, daß auf die Absicht des Angreifers als Verbotskriterium zurückgegriffen wird. I n A r t . 51 w i r d das generelle Verbot des Angriffs auf die Zivilbevölkerung durch Regelungen ergänzt, die die Rechtsfolge eines direkten Angriffs auf solche Bereiche ausdehnt, i n denen die Bevölkerung nur mittelbar betroffen wird. Geht man nun davon aus, daß bei einem direkten Angriff die Absicht des Angreifers das alleine entscheidende K r i t e r i u m für die Schädigung der Zivilbevölkerung ist, liegt es nahe, die Frage des unterschiedslosen Angriffs zuerst unter Willensgesichtspunkten zu untersuchen. Bei jedem Angriff ist die Willensbetätigung des politischen 54

Ibid., S. 592.

F. Interpretation des A r t . 51

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oder militärischen Befehlshabers die Voraussetzung des Waffeneinsatzes. Sie ist damit die erste Stufe, auf der eine Entscheidung über die unterschiedslose Wirkung des Angriffs gefällt werden muß. Vor diesem Hintergrund erhält die Systematik des A r t . 51 einen Sinn. I n Abs. 2 w i r d zuerst der direkte Angriff verboten. I m Hinblick auf die möglichen Angriffsarten w i r d i n Abs. 4 a folgerichtig erst die Frage einer durch die Waffenbeschaffenheit unbeeinflußten Willensbetätigung geregelt. Erst danach erhält die Frage der Waffenbeschaffenheit ein besonderes Gewicht bei der Feststellung der Illegalität des Angriffs. M i t dem Begriff des „directed at" i n Abs. 4 a ist unter Berücksichtigung des Wortlauts, der Systematik der Vorschriften und des Sinn und Zwecks des Protokolls die Absicht des Angreifenden zu verbinden 55 . b) Die inhaltliche Ausfüllung der Angriffsabsicht Welche Anforderungen an die Angriffsabsicht zu stellen sind, ergibt sich nicht ohne weiteres aus dem Begriff. Bei der Auslegung muß auf die weiteren Teile von lit. b) zurückgegriffen werden. aa) „military

objective "

Der Begriff „objective", der dem deutschen Wort Ziel entspricht 58 , kann auf zwei verschiedene Arten verstanden werden. Einmal ist ihm die Fixierung auf einen bestimmten Gegenstand zu entnehmen. Es ließe sich aber auch daran denken, daß „objective" das Operationsziel bezeichnet 57 . Die Kombination von „objective" m i t dem Wort „ m i l i t a r y " spricht i m Englischen und Französischen eher für eine gegenständliche Bedeutimg des „objective" 5 8 . I m deutschen Sprachgebrauch vermittelt der Zusatz „ m i l i t a r y " keine Hinweise in dieser Richtung. I m Protokoll erscheint der Begriff des „military objective" u. a. i n A r t i k e l 48. I n dieser für das Kapitel über den Schutz der Zivilbevölkerung grundlegenden Vorschrift heißt es: „ . . . the Parties ... shall direct their operations only against military objectives Die sich aus dem Unterscheidungsprinzip ergebende Verpflichtung, die militärischen 55 Carnahan, S. 41 ; vgl. auch Bothe, Die Genfer Konferenz über h u m a n i täres Völkerrecht, S. 650; Rousseau, S. 130; von der Heydte, M i l i t a r y Objectives, S. 276—279. 56 Langenscheidt, Handwörterbuch englisch-deutsch, S. 421. 57 Vgl. die Benutzung des Begriffs i n bilateralen u n d multilateralen V e r trägen, so ζ. B. i n der Β - W a f f e n - K o n v e n t i o n v o m 10. A p r i l 1972, BGBl. 1983 I I , 132; i m Agreement on Basic Principles of Relations between the USA and the USSR v o m 29. M a i 1972, Goldblat, Agreements, S. 205; i m Threshold Test Ban Treaty v o m 3. J u l i 1974, S. 211 u n d i m Umweltkriegsübereinkommen, BGBl. 1983 I I 125; i n diesen Verträgen w i r d der Begriff i m übertragenen Sinn gebraucht. 58 Kaishoven, Reaffirmation and Development, S. 116.

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 und der Nuklearwaffeneinsatz

Operationen gegen militärische Ziele zu richten, ist nur befolgbar, wenn der Begriff des „objective" gegenständlich aufgefaßt wird. I m anderen Falle würde die mit dem Wort „against" angegebene Angriffsrichtung jeden Sinn verlieren. Eine entsprechende Beobachtimg ist für andere Vorschriften des Protokolls zu machen, die den Begriff des „ m i l i t a r y objective" enthalten. Das Verbot, medizinische Einheiten als Schutzschild von „ m i l i t a r y objectives" zu verwenden, wäre ohne jeden Sinn, wenn das „military objective" als Operationsziel aufgefaßt wird 5 9 . Die Definition des Angriffs i n A r t . 49 mit der Festlegung des Anwendungsbereichs würde bei der Auslegung i m übertragenen Sinne ebenso leerlaufen 60 wie A r t . 58 Abs. 1, der feststellt: „The Parties . . . shall remove . . . civilians . . . from the vicinity of military objectives." Eine Auslegung des „ m i l i t a r y objective" als Operationsziel widerspricht dem Sinn und Zweck des Protokolls. Selbst wenn das Operationsziel militärisch determiniert ist, müssen nicht alle zur Erreichung des Ziels notwendigen Handlungen 61 gegen Truppen, Panzer etc. gerichtet sein. Es kann unter bestimmten Umständen durchaus notwendig sein, die Zivilbevölkerung anzugreifen, u m militärische Operationen vorbereiten oder erfolgreich zu Ende führen zu können. Damit würde der Art. 51 Abs. 4 lit. a) aber i n offenen Widerspruch zur Grundregel des A r t . 51 Abs. 2 geraten, die direkte Angriffe gegen die Zivilbevölkerung unter allen Umständen verbietet. Der Begriff des „ m i l i t a r y objective" ist unter Berücksichtigung aller Interpretationsmöglichkeiten nur i m Sinne von „targets for attack" auszulegen 62 . bb) „specific" Der Begriff des „military objective" w i r d i n Abs. 4 lit. a) und lit. b) durch das Wort „specific" ergänzt. Das Wort „specific" w i r d sowohl zur Verdeutlichung einer „typischen" oder „kennzeichnenden" Eigenart als auch i m Sinne von „genau" und „präzise" benutzt 65 . I n Abs. 4 taucht der Begriff noch i n lit. b) auf, während er i n Abs. 5 nicht verwendet wird. Die Verwendung des Begriffes i m Zusammenhang 59 A r t . 12 Abs. 4. Die Verwendung des Begriffs „shield" macht eine gegenständliche Interpretation notwendig; vgl. a u d i A r t . 28 Abs. 1. 60 A r t . 49 Abs. 3, „ . . . against objectives on land", A r t . 58. 61 A r t . 51 Abs. 4 l i t . a n i m m t Bezug auf die Definition des Begriffs i n A r t . 49. 82 Solf, i n : Bothe/Partsch/Solf, New Rules, S. 321; Kaishoven, Reaffirmat i o n and Development, S. 110; diese Interpretation liegt i n der Tradition der „Hague Rules of A i r Warfare", A r t . 2; der Delhi-Regeln, A r t . 7 u n d der Resol u t i o n des Institute for International L a w ; siehe Roberts /Guelfi, S. 121, A I D I 1969 (53 I I ) , S. 370, vgl. dazu auch die grundlegende Untersuchung von Daerr, insbes. S. 32 ff. 63 Langenscheidt, Handwörterbuch englisch-deutsch, S. 592.

F. Interpretation des A r t . 51

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mit der Waffeneigenschaft i n lit. b) enthält Hinweise auf seine Auslegung. Wenn m i t dem Wort „cannot" i n lit. b) die an die Waffe zu stellenden Anforderungen festgelegt werden sollen, dient der Begriff des „specific military objective" als Maßstab für die gewünschte Waffeneigenschaft. Da der Begriff des „ m i l i t a r y objective" vielschichtig und schwer zu umreißen ist, muß dem „specific" die Bedeutung einer Konkretisierung des „military objective" zukommen. Da dem lit. b) ohnehin nur ein genereller Standard zugrunde liegt, ist die Konkretisierungsmöglichkeit darauf beschränkt, aus dem „military objective" als Generalbegriff einen i m Anwendungsfall erfaßbaren Begriff zu machen. Dieser Intention w i r d man dadurch gerecht, daß dem „specific" die Bedeutung von „genau" oder „fest umrissen" beigelegt wird. Der Standard einer Waffe ist somit immer an einem „fest umrissenen militärischen Objekt" zu bestimmen. Legt man diese Auslegung der Interpretation von lit. a) zugrunde, ergibt sich folgende Situation. Die Absicht, ein militärisches Objekt anzugreifen, muß nicht nur latent vorhanden sein, sondern sie muß sich auf ein „fest umrissenes" und damit festgestelltes Objekt beziehen. c) Die Angriffsabsicht als Identifikationspflicht Von all den Möglichkeiten, die eine auf ein bestimmtes militärisches Objekt konzentrierte Angriffsabsicht dokumentieren können, wie ζ. B. Auswahl der Waffengröße oder der Waffenträger, ist durch den Wortlaut von lit. a) diejenige mit den geringsten Anforderungen gewählt worden. Die Konkretisierung der Angriffsabsicht auf ein „specific military objective" setzt die Identifikation des Objekts voraus 84 . Welcher Grad von Identifikation dabei gegeben sein muß, ist aus dem Wortlaut nicht ersichtlich. B l i x schreibt zu dem Problem: " I d e n t i f i c a t i o n w i t h f u l l certainty may, indeed, be an unattainable standard and one that w o u l d not be accepted by governments." 6 5

I n der Tat mögen bereits die Identifikationsmöglichkeiten der Konfliktpartner unterschiedlich sein, einmal abgesehen von den konkreten Umständen i n der Konfliktsituation. A u f jeden Fall ist, wie i n Art. 57 Abs. 2 lit. a) festgelegt ist, von den Konfliktparteien „everything feasible" zur Identifikation zu tun 8 8 . Die geringen Anforderungen, die 64 Vgl. dazu B l i x , Area Bombardment, S. 48; vgl. Kaishoven, Reaffirmation and Development, S. 120. 65 Ibid. 66 Z u den Möglichkeiten der Einschränkung von „everything feasible" vergleiche die Hinweise auf den Konferenzverlauf bei Solf, i n : Bothe/Partsch/ Solf, New Rules, S. 362.

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an diese Formel, insbesondere wegen ihrer Abhängigkeit von den Einsatzumständen, gestellt werden können, sind evident. Drei Grundprinzipien der Identifikationspflicht scheinen unter Berücksichtigung der Regeln des Art. 57 Abs. 2 und des Sinn und Zwecks des Protokolls feststellbar zu sein: 1. Ein willentlicher Ausschluß von Identifikationsmöglichkeiten unter allen Umständen ein Verstoß gegen Abs. 4 lit. b).

ist

2. Die Nichtberücksichtigung von Identifikationsergebnissen ist unter allen Umständen ein Verstoß gegen Abs. 4 lit. b). 3. Die Durchführung eines Angriffs, bei dem nicht festgestellt werden kann, ob überhaupt ein militärisches Objekt i m Zielgebiet liegt 6 7 , ist unter allen Umständen ein Verstoß gegen Abs. 4 lit. b). Grundsätzlich ist die Identifikation kein einmaliger Vorgang, sondern ein sich stetig wiederholender Prozeß. Kimminich hat deshalb richtigerweise festgestellt, daß der Zeitfaktor bei der Identifikation Berücksichtigung finden muß 68 . Die hier entwickelten Kriterien und das von Kimminich i n die Diskussion eingebrachte Zeitelement bilden das Verbindungsglied zwischen dem willentlich vorgenommenen Angriff auf die Zivilbevölkerung und dem aufgrund technischer Ausstattung der Waffe nicht zielbaren A n griff nach Abs. 4 lit. b). Sie füllen damit den Bereich der Kampfhandlungen, der i m wesentlichen von der Willensbetätigung des Handelnden bestimmt wird, mit humanitären Erwägungen. d) Die Bedeutung des „consequently"-Halbsatzes i n Abs. 4 Der Wortlaut des letzten Halbsatzes von Abs. 4 läßt daran denken, i n i h m eine bloße Wiederholung der Definition von lit. a—c zu sehen. Die Worte „are of a nature to strike" beweisen aber, daß dem letzten Halbsatz eine eigenständige Bedeutung zukommt. Es sollen solche A n griffsarten vom Verbot ausgespart bleiben, die zwar nicht unterscheidend i m Sinne von Abs. 4 lit. a—c sind, deren Angriffsenergie oder Angriffsrichtung eine Schädigung der Zivilbevölkerung jedoch ausschließt. Z u denken ist hierbei an Angriffe, die ihre Angriffswirkung bereits verbraucht haben, bevor sie das Angriffsobjekt erreichen.

67 Unter diesem Gesichtspunkt könnte eine Praxis w i e die der „free fire zones" verboten sein, vgl. Falk, Methods and Means i n Warf are, S. 37 ff ; vgl. auch die vorsichtigen Bewertungen des „interdiction" u n d des „unobserved fire" durch Solf, i n : Bothe/Partsch/Solf, New Rules, S. 308. 68 Kimminich, Schutz der Menschen, S. 144.

F. Interpretation des A r t . 51

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e) „Counter value" und „counter force "-Angriffe und die Nutzung des EMP als „indiscriminate attack" nach Abs. 4 lit. a) aa) Die „counter

value" -Konzepte

Die Nuklearstrategien enthalten, wie unzweifelhaft feststeht, A n griffsoptionen auf Städte. Diese Tatsache alleine macht diese Angriffspläne i m Ernstfall erst dann zu verbotenen Angriffsarten, wenn die Voraussetzungen des Abs. 4 lit. a) gegeben sind. Werden Städte ohne militärische Objekte i n einem first use-Einsatz angegriffen, liegt bereits ein verbotener Einsatz nach Abs. 2 vor. Der Nachweis für das Vorliegen der Voraussetzungen von lit. a) w i r d naturgemäß schwerfallen, da Vorgänge i m Willensbereich schwer beweisbar sind und die Bandbreite der „military objectives" außerordentlich groß ist. Allenfalls ließen sich aus der Verwendung nicht aktualisierter Zielpläne Rückschlüsse auf das Verhalten gemäß Nr. 2 der Grundprinzipien ziehen. Die Problematik des Nachweises entfällt i n diesem Fall trotzdem nicht. bb) Der „counter force" -Angriff Bei einem „counter force " - A n g r i f f kann Abs. 4 lit. a) nur dann eine über die bei „counter value "-Angriffen hinausgehende Rolle spielen, wenn bewegliche militärische Ziele angegriffen werden. Hier w i r d der Zeitfaktor insbesondere dann eine Rolle spielen, wenn Schiffe Meerengen benutzen oder mobile Raketenstellungen angegriffen werden sollen. Die Zerstörimg eines ganzen Areals, in dem „Cruise Missiles" auf Lastkraftwagen vermutet werden, dürfte ebensowenig den Anforderungen genügen wie die Beschießung einer Meerenge, die zur Durchfahrt offensteht. Gesicherte Aussagen sind jedoch weder i n dem einen noch i n dem anderen Fall möglich. cc) Der EMP-Angriff E i n typischer und von vorneherein feststellbarer Fall des Abs. 4 lit. a) ist die Explosion einer Atombombe i n großer Höhe mit dem Ziel, sämtliche elektronischen Geräte i n einem großen Umkreis außer Betrieb zu setzen 69 . Eine Einzelidentifikation ist i n diesem Fall überhaupt nicht möglich, da der EMP Gebiete so groß wie Mitteleuropa erfassen kann. Eine Identifikation w i r d aber auch bereits m i t der Angriffsabsicht ausgeschlossen, das gesamte elektronische System mit allen Kommunikationssträngen zu zerstören.

09 Z u den Grundlagen u n d Wirkungen des E M P siehe oben Erster Teil A I 4.

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 und der Nuklearwaffeneinsatz

3. Der „indiscriminate

attack " nach Abs. 4 lit . b)

Nach Abs. 4 lit. b) sind solche Angriffe verboten " w h i c h employ a method or means of combat which cannot be directed at a specific m i l i t a r y objective"

a) „cannot be directed" I m Hinblick auf die Ausführungen zu lit. a) ist das Verbot des unterschiedslosen Angriffs nach lit. b) auf solche Kampfmittel und Methoden beschränkt, die nicht auf ein fest umrissenes militärisches Objekt gerichtet werden können. Wegen des systematischen Zusammenhangs mit Abs. 5 lit. b) w i r d dabei nicht, wie oben festgestellt worden ist, die Begrenzung der Waffenwirkung auf das militärische Objekt verlangt. Dem Begriff des „cannot be directed" ist nicht zu entnehmen, ab wann die „Zielgerichtetheit" einer Waffe oder eines Angriffs nicht mehr vorliegt. W i r d man von einem Angreifenden verlangen können, m i l i tärische Objekte jeder Größe nur noch m i t Präzisionswaffen anzugreifen oder sind auch Waffen mit einem Steuerungssystem erlaubt, das genaue Zielabstimmung unmöglich macht? I m Schrifttum sind zur Erläuterimg des Abs. 4 lit. b) Begriffe wie „ w i t h any reasonable assurance" 7·, „imprecise" 7 1 und „properly directed" 7 2 verwendet worden. Die Stellungnahmen weisen eine Gemeinsamkeit auf. Das Waffensystem muß überhaupt ein Leitsystem haben. M i t Explosivstoffen gefüllte Ballons, i n der A r t wie sie von Japan i m zweiten Weltkrieg gegen die Vereinigten Staaten benutzt wurden 7 3 , sind somit ein Beispiel für von Abs. 4 lit. b) verbotene Waffen 74 . Darüber hinausgehende Abgrenzungskriterien sind ohne Beachtung der Systematik und des Ziels der Vorschrift nicht zu gewinnen. b) Die Kontrollfähigkeit als Abgrenzungskriterium Seit dem zweiten Weltkrieg werden die gegen Großbritannien eingesetzten V-Waffen als typisches Beispiel von nicht „zielbaren" Waffen angesehen. Diese Waffen konnten i n Richtung des Feindgebietes abgeschossen werden, ohne jedoch ein eng umgrenztes Zielgebiet treffen zu können 75 . Als zweites Beispiel einer nicht zielbaren sog. „blinden" 70

Solf, i n : Bothe/Partsch/Solf, New Rules, S. 305. B l i x , Area Bombardment, S. 48. 72 Carnahan, S. 44. 73 Piekalkiewicz, S. 858. 74 So auch Solf, i n : Bothe/Partsch/Solf, New Rules, S. 305. 75 s. Cassese, Means of Warfare, S. 146; Greenspan, S. 366, vgl. den H i n weis von Draper auf die W i r k u n g des Protokolls bzgl. Waffen v o m T y p der V 1, Draper, Indiscriminate Attack, S. 221. 71

F. Interpretation des A r t . 51

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Waffe sind i m Schrifttum die biologischen 78 und die nuklearen 77 Kampfmittel genannt worden. Der Unterschied zwischen den beiden Kampfmitteln ist evident. Die V-Waffen, die mit konventionellem Sprengstoff bestückt waren, sind wegen ihrer unpräzisen Steuerung als nicht „zielbare" Waffen angesehen worden. Bei den biologischen Waffen ist die mangelnde Kontrollfähigkeit über die Waffenwirkung ausschlaggebend für ihre Einordnung als „blinde" Waffen gewesen. Sieht man den Abs. 4 lit. b) in seinem systematischen Zusammenhang, so ist davon auszugehen, daß die Frage der Steuerung der Waffenw i r k u n g nicht i n dieser Norm geregelt werden sollte. Der Abs. 4 lit. c) bezieht sich explizit auf die „effects" von „method and means". Es wäre unsinnig gewesen, für die Regelung der Waffenwirkung zwei Vorschriften mit unterschiedlichen Voraussetzungen zu schaffen. Die Untersuchung des Abs. 4 lit. a) hat deutlich gemacht, daß es das Ziel dieses Absatzes ist, den Schutz der Zivilbevölkerung zu gewährleisten, indem Verbote für'Kampfhandlungen ausgesprochen werden, bei denen die Kontrollfähigkeit des Waffeneinsetzenden nicht oder nur minimal vorhanden ist. Spielt die Kontrollfähigkeit die entscheidende Rolle bei lit. a) bis lit. c), so reicht es aus, für jede der in Frage kommenden Regelungsbereiche, Zielerfassung, Waffensteuerung, Waffenwirkung, ein i n sich abgeschlossenes Verbot zu schaffen. Das „cannot be directed" i n Abs. 4 lit. b) bezieht sich nur auf Fragen der Waffensteuerung und nicht auf die mit der Waffenwirkung zusammenhängenden Probleme 78 . Der Begriff der „blind" weapons, der vornehmlich in Verbindung m i t Massenvernichtungswaffen benutzt worden ist, kann keine Bedeutung für Abs. 4 lit. b) haben 79 . Welcher Standard für das Steuerungssystem der Waffen nach Abs. 4 lit. b) zu verlangen ist, kann nur der Vergleich mit dem anzusteuernden militärischen Objekt zeigen, wie sich i n der Verbindung von „cannot be directed" m i t „specific military objective" zeigt. Wenn also eine Waffe ein fest umrissenes militärisches Objekt treffen soll, muß das 76

B l i x , Area Bombardment, S. 50. s. Cassese, The Prohibition of Indiscriminate Means of Warfare, S. 183; vgl. auch Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, S. 412, Kimminich, Schutz der Menschen, S. 132, 133 m. w . N. 78 So w o h l auch Kaishoven, Reaffirmation and Development, S. 116. Obw o h l Solf dies nicht ausdrücklich feststellt, deuten die von i h m angeführten Beispiele „guidance system of longe range missiles and land mines" auf dieselbe rechtliche Bewertung des Abs. 4 lit. b), Solf, i n : Bothe/Partsch/Solf, New Rules, S. 305; Draper, Indiscriminate Attack, S. 221. 79 s. auch die Resolution des I n s t i t u t de D r o i t International, die zwischen Waffen m i t nichtkontrollierbarer W i r k u n g u n d blinden Waffen unterscheidet, A I D I 1969 (53 I I ) , S. 370. 77

13 Fischer

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

Steuerungssystem das spezielle Objekt überhaupt erfassen können. Andernfalls wäre die Kontrollfähigkeit des Waffenbenutzers völlig aufgehoben. Soll eine Brücke oder eine Kaserne angegriffen werden, so ist es mit Sinn und Zweck des A r t . 51 nicht vereinbar, dazu eine Waffe zu benutzen, deren Steuerungssystem eine Fixierung auf die anzugreifenden Objekte ausschließt 80 . Der A r t . 51 Abs. 4 lit. b) bringt somit für den Angreifer die Verpflichtung mit sich, das Steuerungssystem der Waffe und damit die Waffe selbst an der Größe des militärischen Objekts auszurichten. c) Die Steuerungssysteme der Nuklearwaffen Obwohl die Anwendung des A r t . 51 Abs. 4 lit. b) eine Entscheidung i m Einzelfall voraussetzt, lassen sich generelle Aussagen zu dem Verhältnis der Steuerungssysteme von strategischen Waffen und A r t . 51 Abs. 4 lit. b) treffen. Während i n den 60er Jahren die strategischen Nuklearwaffen einen CEP von mehreren Kilometern hatten 81 , ist die Treffergenauigkeit enorm angestiegen. Heute haben strategische Systeme eine Zielabweichung, die ζ. T. unter 100 m liegt 8 2 . M i t h i n kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Trägersysteme nicht „zielbar" i m Sinne von A r t . 51 Abs. 4 lit. b) sind. 4. Der „indiscriminate

attack " gemäß Abs. 4 lit . c)

Nach Abs. 4 lit. c) sind solche Angriffsmittel und -methoden verboten, „the effects of which cannot be limited as required by this Protocol". Die Formulierung verweist damit auf andere Vorschriften des Protokolls, die Aussagen zur Beschränkung von Angriffswirkungen enthalten. Die i m Protokoll verwendete Formel zur Kennzeichnung von Aussagen zur Angriffswirkung ist: " m a y be expected to cause".

Normen m i t diesem Wortlaut sind die A r t . 35 Abs. 3, A r t . 55, A r t . 56 und der A r t . 51 Abs. 5 lit. b sowie Art. 57 Abs. 2 lit. a (ii) und (iii). Die Vorschriften mit einem auf alle Kampfsituationen zugeschnittenen A n wendungsbereich sind dabei die das Proportionalitätsprinzip postulierenden A r t . 51 Abs. 5 lit. b und A r t . 57 Abs. 1 lit. a (ii), (iii).

80 s. dazu Taylor, der i m Bombardement von Hanoi Weihnachten 1972 einen Verstoß gegen A r t . 51 Abs. 4 lit. b) sieht, Taylor, L a w of War Panel, M L R 1978, S. 18; vgl. die gegenteilige Ansicht O'Brien, S. 311, 312. 81 s. Tsipis, United States Strategic Weapons, S. 27. 82 s. Barnaby, Strategic Nuclear Weapons, S. 158; vgl. auch Bunn/Tsipis, The Uncertainties of a Preemptive Nuclear Attack, S. 32.

F. Interpretation des A r t . 51

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a) Die Stellung des Proportionalitätsprinzips in A r t . 51 aa) Die Bedeutung der Verknüpfung von Proportionalität und „indiscriminate attack " Die Kodifikation des Proportionalitätsprinzips i n Art. 51 hat auf der Diplomatischen Konferenz große Schwierigkeiten bereitet 83 . A u f der Suche nach einer für alle Teilnehmerstaaten akzeptablen Formulierung ist man schließlich zu einer Formel gelangt, die das Wort Proportionalität nicht enthält 8 4 . Die Stellung des Proportionalprinzips i m System des A r t . 51 hat i m Schrifttum i m Vergleich zur Behandlung der Formulierungsschwierigkeiten und der Interpretation einzelner Begriffe wenig Beachtung gefunden. I n den Kommentierungen w i r d zumeist wortlos über das Verhältnis des Prinzips zu anderen Vorschriften hinweggegangen oder ohne Begründung seine Anwendbarkeit auf alle Fälle des A r t . 51 Abs. 4 unterstellt 8 5 . Die immense Bedeutung, die der Frage nach der Wertigkeit des Prinzips zukommt, w i r d beim Nuklearwaffeneinsatz besonders deutlich. Wird der Verbotsumfang der Norm alleine anhand der Waffenwirkung bestimmt, spielen objektiv feststellbare Bedingungen die entscheidende Rolle bei der Auslegung und Subsumtion. Treten durch die Einbeziehimg des Proportionalitätsprinzips Abwägungselemente hinzu, verlagert sich die Auslegung auf die Ebene subjektiver Wertungen und Erfahrungen. Dies führt naturgemäß zu einem wenig präzisierbaren Verbotsumfang und damit zu einer wesentlich geringeren Rechtsklarheit8®. I m Schrifttum ist bei der Darstellung der Gewohnheitsrechtssituation das Proportionalitätsprinzip als Bestandteil des Verbots des „indiscriminate attack" angesehen worden 87 . Wenn auch andererseits 83 s. dazu die Zusammenfassung der Vorschläge bei Levie, Vol. I I I , S. 123— 148; Reed, S. 25, 26; Bretton, Le problème des méthodes et moyens de guerre, S. 51, 52. 84 s. dazu Aldrich, Establishing Legal Norms, S. 12. 85 Kaishoven, Reaffirmation and Development, S. 116, 117; Rosenblad, I n ternational H u m a n i t a r i a n L a w , S. 153, 154; Baxter, Modernizing the L a w of War, S. 179; Bothe, L a n d Warfare, S. 241; Aldrich, New Life for the Laws of W a r , Rousseau, S. 131; O'Brien, S. 50—55; Bretton, Le problème des „méthodes et moyens de guerre", S. 50—52, 66—68; bei einigen Stellungnahmen i m Schrifttum ist zu berücksichtigen, daß i n dem ursprünglichen E n t w u r f des A r t . 46 der Unterscheidungsgrundsatz u n d das Verhältnismäßigkeitsprinzip i n einem Absatz zusammengefaßt waren, s. de Saussure, B e l l i gerent A i r Operations, S. 470; Brown, S. 137; Mirimanoff-Chilikine, L a restauration d u statut j u r i d i q u e de la population civile, S. 1058; Draper, The Emerging L a w , S. 13. 86 Vgl. dazu die Bewertung des Nuklearwaffeneinsatzes nach Völkergewohnheitsrecht durch B r i g h t aus dem Jahre 1965, Bright, S. 34. 87 Davon geht auch de Zayas aus: „ . . . the principle of proportionality was surely all too frequently violated, as i n the fire bombing of Dresden of February 1945, and the atomic bombing of Hiroshima and Nagasaki", de

1

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bezüglich der Massenvernichtungswaffen eine Berücksichtigung von Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten i m Rahmen des „indiscriminate attack" abgelehnt worden ist, kann nicht von einer gewohnheitsrechtlichen Regel solcher A r t ausgegangen werden 88 . Eine Trennung des Verbots des unterschiedslos wirkenden Angriffs von Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten würde allerdings diese Grundregel des Kriegsvölkerrechts von den m i t subjektiven Erwägungen immer verbundenen Anwendungsunsicherheiten befreien. bb) Der relative Standard des Proportionalitätsprinzips Rauch hat zu Recht darauf hingewiesen, daß der Aufbau des A r t . 51 Abs. 4 m i t dem an letzter Stelle stehenden „consequently"-Satz für eine falsche Auslegung des Artikels verantwortlich sein kann 8 9 . Läßt man i m Verhältnis der Absätze 4 und 5 den „ consequently " Halbsatz aus den Augen, könnte man den Eindruck gewinnen, das Wort „effects" in Abs. 4 lit. c) bilde die Grundlage für das Wort „cause" i n Abs. 5 lit. b) und schaffe so einen Zusammenhang der Regeln. Zwischen der W i r k i m g der Kampfmittel nach Abs. 4 lit. c) und den Worten „are of a nature to strike" i m letzten Halbsatz besteht ein unauflösbarer Zusammenhang. Die Verknüpfung von lit. c) mit dem i m letzten Satz genannten Erfordernis legt eine Stufenfolge der Prüfung fest, für die Abs. 5 lit. b) keine Bedeutung haben kann. Rauch verdeutlicht diesen Zusammenhang mit dem Beispiel eines Angriffs mit Präzisionswaffen auf ein Munitionsdepot. Dieser Angriff erfüllt seiner Meinung nach die Merkmale eines unterscheidenden Angriffs 9 0 . Trotzdem kann, wenn durch die Explosionswirkung hohe Verluste bei der Zivilbevölkerung entstehen, ein „indiscriminate attack" nach Abs. 5 gegeben sein. Die Überprüfung der Proportionalität eines Angriffs ist unabhängig davon, ob ein „indiscriminate attack" nach Abs. 4 lit. c) vorliegt. cc) Die wörtliche

Auslegung

Das Schwergewicht bei der wörtlichen Auslegung muß auf dem Begriff der „limitation" liegen. Nur Vorschriften des Protokolls, die i m Zayas, S. 98; siehe Rosenblad, International H u m a n i t a r i a n L a w , S. 139, 140; Krüger-Sprengel, Rapport, S. 186 ff.; Baxter, Modernizing the L a w of War, S. 179; Brown, S. 136, 137; Cassese, Means of Warfare: The Traditional L a w , S. 175; vgl. aber Hughes-Morgan, The New L a w of Geneva, S. 113; Röling/ Sukovic, S. 9/10; Carnahan, S. 43. 88 Diesen Eindruck v e r m i t t e l n Falk/Meyrowitz/Sanderson, S. 566; K i m m i nich, Der Einfluß des humanitären Völkerrechts auf die Kernwaffenfrage, S. 422; die i n den D e l h i Rules u n d dem E n t w u r f des I n s t i t u t de Droit I n t e r national vorgenommene Trennung ist von der Staatengemeinschaft nicht umgesetzt worden, vgl. die Begründung i m „Shimoda Case", Friedman, Vol. I I , S. 1692, 1693; F u j i t a , 1980, S. 84, 85. 89 Rauch, Rapport, S. 227. 90 Rauch, Rapport, S. 228.

F. Interpretation des A r t . 51

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Sinne von Abs. 4 lit. c) die Waffenwirkung einschränken, können bei der Auslegung Berücksichtigung finden. Die Bedeutung von „limited" w i r d m i t Worten wie „begrenzt", „beschränkt" oder „ l i m i t i e r t " angegeben91. Allen diesen Begriffen ist eine Kernbedeutung eigen 92 . Das Wort „ l i m i t " dient dazu, eine fixe Markierung i m Sinne von „bis hierhin und nicht weiter" anzugeben. Rechtsnormen, die für die Waffenwirkung ein „ l i m i t " setzen wollen, müssen dies durch die Feststellung eines absoluten Standards kenntlich machen. Die Aufnahme eines nur relativen Maßstabs i n den Tatbestand der Norm macht die Fixierung der „Grenze" von subjektiven Kriterien abhängig. Der Einfluß subjektiver Aspekte verhindert die genaue Bestimmung der Grenze. Vielmehr ist nur ein Grenzbereich definierbar, dessen Anfangs- und Endpunkte durch Extremfälle gebildet werden 93 . Durch die Abwägung militärischer und humanitärer Interessen ist das Proportionalitätsprinzip eine Norm, die einen relativen Maßstab beinhaltet. Das Prinzip kann damit keine Rolle für die Verbote spielen, die zur Festlegung ihres Verbotsbereichs auf Normen m i t einem absoluten Standard verweisen 94 . Zu demselben Ergebnis muß man kommen, wenn man A r t . 57 berücksichtigt. Der Einleitungssatz von Abs. 2 "With respect to attacks the following precautions shall be taken" zeigt, daß i n diesem A r t i k e l keine Verbote kodifiziert sind, sondern begleitende Maßnahmen festgelegt sind, die zu einer Beachtung der Verbote beitragen sollen 95 . Hier verbietet der Normzweck bereits eine Einbeziehung i n die Definition des A r t . 51 Abs. 4 lit. c). Folgt man der wörtlichen Auslegung, muß das Proportionalitätsprinzip bei der Auslegung von Abs. 4 lit. c) unberücksichtigt bleiben. dd) Die systematische

Auslegung

Bei der systematischen Auslegung spricht der Wortlaut des Abs. 5 lit. b) gegen eine Einbeziehung des Proportionalitätsprinzips i n die 91

Pons, Globalwörterbuch englisch-deutsch, S. 570. Ibid. 93 Kaishoven benutzt unter Berücksichtigung dieser Überlegung den f a l schen Begriff, w e n n er das Proportionalitätsprinzip zur Bestimmung der „ d i v i d i n g line" zwischen akzeptablen u n d u n verhältnismäßigen Verlusten heranziehen w i l l , Kaishoven, Reaffirmation and Development, S. 116; vgl. auch Randelzhofer, Flächenbombardement u n d Völkerrecht, S. 491. 94 Rauch m i ß t auch dem generellen Charakter von Abs. 4 l i t . c) Beweisk r a f t zu, da Abs. 5 l i t . b) eine auf konkrete Einzelfälle zugeschnittene N o r m sei, vgl. Rauch, Rapport, S. 227. 95 So ist w o h l auch K i m m i n i c h zu verstehen, der i n Bezug auf A r t . 57 Abs. 2 a (iii) feststellt: „Dagegen k a n n sie nicht eine durch andere Vorschriften eingeengte Handlungsfreiheit wiederherstellen oder ausweiten", K i m minich, Schutz der Menschen, S. 151. 92

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Definition des „indiscriminate attack" nach Abs. 4 lit. c). Der Abs. 5 w i r d mit den Worten „among others" eingeleitet. M i t dieser Einführung w i r d deutlich gemacht, daß die i n Abs. 5 lit. a) und b) geschilderten Fälle nur Beispiele für einen unterschiedslosen Angriff sind. Es wäre widersinnig, das Beispiel zu einem Bestandteil der Definition machen zu wollen, wenn die Beispielsfälle den Definitionen nur gleichgestellt werden. Dies ist i n Abs. 5 mit der Formulierung „the following attacks are to be considered as indiscriminate" ausdrücklich geschehen98. Vergleicht man die Fälle von Abs. 4 und 5 miteinander, so ist festzustellen, daß die beiden Absätze völlig unabhängig voneinander sind. Ein A n griff nach Abs. 5 lit. a) kann durchaus „unterscheidend" i m Sinne der Vorschriften von Abs. 4 lit. a)—c) sein 97 und trotzdem die Zivilbevölkerung i n einem solchen Maße i n Mitleidenschaft ziehen, daß eine Ächtung dieser Angriffsart unter humanitären Gesichtspunkten geboten ist. Würde man das Proportionalitätsprinzip nicht als einen Sonderfall eines unterschiedslosen Angriffs ansehen, sondern als wesentliches Element dieser verbotenen Angriffsart, hätte dies auch Konsequenzen für das Flächenbombardement nach Abs. 5 a. Das „among others" i m Einführungssatz würde auch für das Flächenbombardement eine Einbeziehung i n den Bereich des Abs. 4 mit sich bringen. Als ein wesentlicher Teil des Abs. 4 wäre das Flächenbombardement dann aber auch am Verhältnismäßigkeitsprinzip zu messen. Die Äußerung Randelzhofers: „Anders als unter der geltenden Rechtslage w i r d beim Flächenbombardement die Unverhältnismäßigkeit von militärischem Vorteil und zivilen Verlusten unwiderlegbar angenommen und als Konsequenz das Flächenbombardement generell verboten 98 , ist nach dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang des A r t . 51 zuzustimmen 99 . Argumente für eine Einbeziehung des Proportionalitätsprinzips i n den Abs. 4 lit. c) liefern Art. 57 Abs. 2 a (ii) und Art. 85 Abs. 3 lit. b). Von den beiden Vorschriften gebührt Art. 85 die größere Aufmerksamkeit, da i n ihm die Definition der „grave breaches" enthalten ist, während sich Art. 57 nur mit den Sorgfaltspflichten beim A n g r i f f befaßt 100 . 96 Die Argumentation von Rauch an dieser Stelle ist nicht überzeugend. Es k a n n durchaus Fälle geben, i n denen ein Beispiel zur Erläuterung der Definition beiträgt, vgl. meine Argumentation zu den Legaldefinitionen, s. o. F I I 1 u n d Rauch, Rapport, S. 228. 97 Wenn Rauch hier anderer Meinung ist, so beruht dies w o h l auf einer unterschiedlichen Interpretation von Abs. 4; Rauch, ibid., S. 228. 98 Randelzhofer, Flächenbombardement u n d Völkerrecht, S. 489. 99 B l i x , „ . . . the rule was now placed i n the context of a prohibition of indiscriminate methods rather then i n the context of the principle of proportionality", B l i x , Area Bombardment, S. 62, 63. 100 Unter dem Gesichtspunkt der Bedeutung der „grave breaches" ist es erstaunlich, daß Rauch keine Stellung zu A r t . 85 Abs. 3 l i t . b n i m m t , Rauch, Rapport, S. 228.

F. Interpretation des A r t . 51

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Die Auslegung von Art. 85, der das Protokoll i n seiner Gesamtheit wertet, kann eher Hinweise auf die Stellung des Proportionalitätsprinzips geben als der einen kleinen Ausschnitt des Protokolls betreffende Art. 57. Die Sonderstellung des Art. 85 w i r d durch die Formulierung i n Abs. 5 dokumentiert: "grave breaches . . . shall be regarded as war crimes". A r t . 85 lautet i n den relevanten Passagen von Abs. 3: " I n addition to the grave breaches defined i n A r t . 11, the following acts shall be regarded as grave breaches of this Protocol, w h e n committed w i l fully, i n violation of the relevant provisions of this P r o t o c o l . . . , launching an indiscriminate attack affecting the c i v i l i a n population or c i v i l i a n objects i n the knowledge that such an attack w i l l cause excessive loss of life, i n j u r y to civilians or damage to c i v i l i a n objects, as defined i n A r t . 57 para 2 (a) (iii)."

Die eindeutige Anbindung des Begriffs des „indiscriminate attack" an das Proportionalitätsprinzip des A r t . 51 Abs. 5 lit. b) 1 0 1 scheint die Einbeziehung des Prinzips i n die Definition des „indiscriminate attack" zu beweisen. Allerdings ist es unverständlich, wenn i m Hinblick auf den Wortlaut des A r t . 85 und den anderer Vorschriften des Protokolls dem Proportionalitätsprinzip der Rang einer allseits zu beachtenden Grundregel des Protokolls eingeräumt worden ist 1 0 2 . Untersucht man den A r t . 85 näher, fallen einige Ungereimtheiten auf, die an der Verwendbarkeit dieses Artikels für die Entscheidung der Ausgangsfrage zweifeln lassen. Sieht man das Proportionalitätsprinzip als Bestandteil des „indiscriminate attack" i n der von A r t . 85 durchgeführten Art, hätte dies merkwürdige Konsequenzen für A r t . 51 Abs. 4 lit. a, b und Abs. 5 lit. a). Die Formulierung i n A r t . 85 Abs. 3 lit. b) ist die einzige Regelung des „indiscriminate attack" i n dieser Vorschrift. Das Proportionalitätsprinzip muß demnach für die i n diesen Punkten geregelten Fälle gelten, da andernfalls ein Verstoß gegen Abs. 4 lit. a), b) und Abs. 5 lit. a) überhaupt keine Konsequenzen als Folge eines „grave breach" nach sich ziehen würde 1 0 5 . Folgt man dieser Überlegung, dürfte eine Auslegung der Verbote des nicht gezielten und nicht zielbaren Angriffs und des Flächenbombardements nicht ohne den Hinweis auf die einschränkende Wirkung des Proportionalitätsprinzips erfolgen. Die Folge davon ist, daß für einen Bereich, der i n besonders engem 101

A r t . 57 Abs. 2 l i t . a) (iii) wiederholt wortgleich den A r t . 51 Abs. 5 lit. b). Krüger-Sprengel, Rapport, S. 192. Draper bezeichnet das Verhältnis der wesentlichen Vorschriften zu Angriffs- u n d Waffenwirkungen als „ i n tricate", Draper, Indiscriminate Attack, S. 220. 103 Partsch stellt ausdrücklich fest, daß sich A r t . 85 Abs. 3 l i t . b) auf den A r t . 51 bezieht, Partsch, i n : Bothe/Partsch/Solf, New Rules, S. 516. 102

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

Zusammenhang mit der Grundregel des Art. 51 Abs. 2 Satz 1 steht, eine Abwägung eingeführt wird, die den Schutz der Zivilbevölkerung i m wesentlichen unmöglich macht. Für nicht gezielte Angriffe und den Einsatz nicht zielbarer Waffen nach Art. 51 Abs. 4 lit. a) und b) würde dies einen Rückschlag für die i m Gewohnheitsrecht seit dem II. Weltkrieg zu beobachtenden Fortschritte bedeuten. Dieselbe Konsequenz ergibt sich für das Flächenbombardement. Art. 85 Abs. 3 lit. a) steht i n offenem Widerspruch zu Art. 51 Abs. 5 lit. a), bei dem die Unverhältnismäßigkeit von militärischem Vorteil Lind zivilen Verlusten unwiderlegbar angenommen und deshalb das Flächenbombardement generell verboten wird 1 0 4 . Die Ungereimtheiten i n A r t . 85 finden ihre Fortsetzung i n Abs. 3 lit. c), der die Anwendbarkeit des Proportionalitätsprinzips auf A r t . 56 postuliert 1 0 5 . I m Unterschied zu A r t . 85 w i r d i n Art. 56 der Begriff der „severe lasses" verwendet. Der Begriff der „severe losses" setzt einen absoluten Verbotsmaßstab und duldet keine Abwägung i m Sinne einer Einbeziehung des militärischen Vorteils 1 0 8 . Auch i n diesem Fall bedeutet eine strikte Anlehnung der Auslegung an den Art. 85 eine Verminderung des durch andere Vorschriften explizit ausgebauten Schutzes der Zivilbevölkerung. Die Unvereinbarkeit des A r t 85 Abs. 3 lit. b), c) mit A r t . 51 Abs. 4, 5 und Art. 56 ist aus der Entstehungsgeschichte dieser Vorschriften erklärbar. Verständlicherweise hat die Formulierung des A r t . 85 große Schwierigkeiten bereitet und einen sehr langen Zeitraum i n Anspruch genommen. Die endgültige Fassung ist eine Kompromißlösung, die von Konferenzteilnehmern mit „delicately balanced consensus" umschrieben worden ist 1 0 7 . Der Wortlaut des A r t . 85 Abs. 3 lit. b), c) deutet darauf hin, daß bei den heftig geführten Diskussionen u m die „grave breaches" die Entwicklung des A r t . 51 aus den Augen verloren wurde. Die ursprüngliche, vom I K R K vorgelegte Fassung des A r t . 51 ist nämlich vom Wortlaut her mit Art. 85 vereinbar 108 . Da sich die wesentlichen Veränderungen i n A r t . 51 Abs. 4 durch Diskussionen i n der „Working Group" ergeben haben, ist es durchaus denkbar, daß der i n einem 104

Randelzhofer, Flächenbombardement u n d Völkerrecht, S. 489. A r t . 56 regelt den Schutz von Anlagen u n d Einrichtungen, die gefähr-, liehe K r ä f t e enthalten. 106 Solf, i n : Bothe/Partsch/Solf, New Rules, S. 353; i m Hinblick auf diese Feststellung ist die Aussage von Partsch i m gleichen Kommentar zum V e r hältnis von A r t . 56 u n d A r t . 85 Abs. 3 lit. c) unverständlich, Partsch, ibid., S. 516. 107 Partsch, i n : Bothe/Partsch/Solf, New Rules, S. 515. 108 Eine Zusammenfassung der Entwicklungsstadien ist abgedruckt bei Levie, Vol. I I I , S. 123 ff.; w o h l auch Cassese, Means of Warfare, The T r a ditional Law, S. 191. 105

F. Interpretation des A r t . 51

anderen Komitee verhandelte A r t . 85 davon unbeeinflußt ist 1 0 9 .

201

geblieben

Unabhängig von den Gründen für die Diskrepanzen zwischen Art. 85 Abs. 3 und den wesentlichen, den Schutz der Zivilbevölkerung garantierenden Vorschriften, ist es i m Hinblick auf die Wirkung der Unterschiede nicht angängig, das Proportionalitätsprinzip zum Bestandteil der Definition des A r t . 51 Abs. 4 lit. c) zu machen. Wer darüber hinaus dem Proportionalitätsprinzip den Charakter einer Grundregel für alle Vorschriften des Protokolls beimessen w i l l 1 1 0 , übersieht den Gegensatz zwischen A r t . 85 Abs. 3 lit. c) und A r t . 56. Die Homogenität des ganzen Protokolls, insbesondere des Abschnitts über den Schutz der Zivilbevölkerung, ist durch eine solche Auffassung gefährdet. Sie ignoriert die auf der Konferenz gemachten Präzisierungserfolge und führt ein Element der Rechtsunsicherheit gerade für den kleinen Bereich von Kampfsituationen ein, für den nach dem Willen der Konferenzparteien Rechtsklarheit hergestellt werden sollte. Ein Beispiel soll diese Konsequenz illustrieren. Der Gebrauch von Waffen, die i m Sinne von A r t . 51 Abs. 4 lit. b) nicht gezielt werden können, wäre unter Beachtung des Proportionalitätsprinzips als Grundregel des Protokolls unter bestimmten Umständen erlaubt. „Medical units", die nach Art. 12 geschützt werden sollen, könnten durch einen solchen Angriff i n Mitleidenschaft gezogen werden, wenn die Proportionalität des Angriffs gegeben ist. Obwohl der Schutz der „medical units" i m Bereich des Kollateralschadens nicht absolut sein kann 1 1 1 , steht der oben beschriebene Fall i m Widerspruch zur Rechtsentwicklung der letzten Jahrzehnte. Für die neu eingeführte Schutzvorschrift des Art. 12 112 bliebe durch die Einbringung von Abwägungsgesichtspunkten i n die Definition praktisch kein Anwendungsbereich mehr übrig. Die wörtliche und systematische Auslegung sprechen gegen eine Einbeziehung des Proportionalitätsprinzips in den Art. 51 Abs. 4 lit. c). ee) Teleologische Überlegungen Angesichts der Bedeutung, die der Proportionalität bei der Bestimmung des „indiscriminate attack" i m Gewohnheitsrecht beigelegt wird 1 1 3 , 109

Die endgültige Fassung von A r t . 51 ist erst am 9. M a i 1977 durch einen Vorschlag der Arbeitsgruppe i n die Diskussion des 3. Komitees eingeführt worden, s. OR, Vol. X V , C D D H / I I I / 3 9 1 , S. 517. 110 Krügel-Sprengel, Rapport, S. 192; vgl. Meyrowitz, Le bombardement stratégique, S. 58, 59. 111 Den Ausführungen Bothes sind i m Hinblick auf die Vorschriften des A r t . 51 Abs. 4 l i t . a)—c) große Bedenken entgegenzubringen; siehe ausführlich Bothe, i n : Bothe/Partsch/Solf, New Rules, S. 119. 112 Ibid., S. 89—91. 113 I m Ergebnis so auch Carnahan, S. 43; vgl. auch Rauch, Rapport, S. 229.

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 und der Nuklearwaffeneinsatz

ist es fraglich, ob eine Nichtberücksichtigung des Proportionalitätsprinzips i n Abs. 4 lit. c) mit Ziel und Zweck des A r t . 51 vereinbar ist. Die Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten ist, wie die Einzelfälle von Abs. 2 bis Abs. 5 beweisen, auf mehreren Ebenen möglich. Für einzelne Kampfsituationen können Verbotsnormen aufgestellt werden oder eine feststehende, durch bestimmte Waffeneigenschaften hervorgerufene Gefahr w i r d einer Regelung zugeführt. Das Proportionalitätsprinzip ist im System dieser Möglichkeiten eine konkretere Norm als das Verbot des unterschiedslosen Angriffs i n Abs. 4 lit. a)—c). I n Abs. 4 w i r d versucht, bereits i m Vorfeld der Kampfsituation bekannte Gefährdungen für die Zivilbevölkerung abzubauen. Dabei ist, wie die Auslegung von lit. a), b) gezeigt hat, an absolute Extremfälle gedacht, die wegen ihrer besonderen Gefährlichkeit für die Zivilbevölkerung einzuschränken sind. Die enge Verbindung dieser Fälle mit dem Verbot des direkten Angriffs auf die Zivilbevölkerung läßt die Heranziehung des Proportionalitätsprinzips als unzulässig erscheinen 114 . Die Überlegungen zum Sinn und Zweck des Art. 51 unterstützen das aus der wörtlichen und systematischen Überlegung gewonnene Ergebnis. Das i n A r t . 51 Abs. 5 lit. b) und A r t . 57 Abs. 2 lit. a) (ii), (iii) kodifizierte Proportionalitätsprinzip kann nicht i n die Auslegung des A r t . 51 Abs. 4 lit. c) einbezogen werden. Die Abkoppelung des Proportionalitätsprinzips vom Begriff des „ i n discriminate attack" ist eine neue und wesentliche Entwicklung i m humanitären Völkerrecht 1 1 5 . Erst die Auslegung des Abs. 4 lit. c) w i r d aber zeigen, ob der Begriffsumfang des „indiscriminate attack" zusammengeschrumpft ist oder das Verbot seinen i m Gewohnheitsrecht verankerten Anwendungsbereich behalten hat. Erst danach kann entschieden werden, ob die Feststellung gerechtfertigt ist, «S'il est surprenant, i l n'en est pas moins raisonable que le principe de proportionnalité ne revête qu'une importance secondaire pour le protocole I.» 1 1 ·

114 I m Ergebnis ebenso Rauch, Rapport, S. 230, Rauch, A r m e d Forces, S. 67/ 68; die Aussage Casseses über den Wirkungsgrad der Regeln des A r t . 51 Abs. 4 deutet darauf hin, daß auch er dem Verhältnismäßigkeitsprinzip i n diesem Rahmen keine Bedeutung beimißt, Cassese, Means of Warfare, The T r a d i t i o nal L a w , S. 175. 115 So auch richtigerweise Rauch, Rapport, S. 230. 11β Ibid., S. 221.

F. Interpretation des A r t . 51

203

b) Die Bedeutung von „limited as required" Die Wortinterpretation von „limited" kann nur Hinweise auf den Inhalt der für Abs. 4 lit. c) zu beachtenden Normen geben. Aufschluß über den Umfang der Begrenzungspflicht müssen die A r t . 35 Abs. 3, Art. 55 und Art. 56 bringen. Die wesentlichen Teile der drei A r t i k e l lauten: „the use of methods and means of warfare which are intended or may be expected to cause widespread, long-term and severe damage" 1 1 7 ; „ i f such attack may cause the release of dangerous forces and consequent severe losses among the civilian population". I n den A r t i keln w i r d der Begriff „to cause" benutzt, der soviel wie „anrichten", „bewirken" und „veranlassen" bedeutet 118 . Das Bezugsobjekt des Schadens ist i n allen Fällen aber nicht das eigentliche Angriffsobjekt. I n A r t . 56 ist das Angriffsobjekt ζ. B. ein Deich oder ein Damm. Bezugsobjekt für den Schaden ist die Z i v i l bevölkerung. Das Angriffsobjekt i n A r t . 55 ist nicht die natürliche Umwelt. Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des Artikels, der mit der Absicht kodifiziert worden ist, daß „care must be taken to avoid collateral catastrophic effects on the natural environment resulting from such methods or means of warfare employed for purposes other than causing such effect" 119 . I n beiden Fällen ist der Schadenseintritt beim Bezugsobjekt abgekoppelt vom eigentlichen Angriff. Der Schaden t r i t t sowohl beim Angriff auf einen Deich etc. als auch bei einem Angriff mit Auswirkungen auf die Umwelt zu einer anderen Zeit oder an einem anderen Ort ein als der eigentliche Angriffseffekt. Erst nach dem Verbrauch der ursprünglichen Angriffsenergie t r i t t für die Bezugsobjekte die Wirkung auf, die den Grund für das Verbot bildet. Ein weiteres Charakteristikum des Schadenseintritts ist, daß sein Ausmaß und seine Intensität nicht kontrollierbar sind. Eine Flutwelle oder eine radioaktive Wolke aus einem Kernkraftwerk sind i n ihren Auswirkungen nicht durch den Angriff auf das Objekt selbst steuerbar. Hinzutretende Umstände wie z. B. die Windstärke lassen den Schadenseintritt i n seinen räumlichen und zeitlichen Auswirkungen nicht berechenbar werden. Aus diesen Überlegungen läßt sich für den Abs. 4 lit. c) folgendes Ergebnis ableiten: M i t der Klausel „limited as required by the Protocol" 117 A r t . 35 Abs. 3 u n d A r t . 55 Abs. 1 b regeln beide den gleichen F a l l und sind i m wesentlichen wortgleich. 118 Pons, Globalwörterbuch englisch-deutsch, S. 142. 119 Solf, i n : Bothe/Partsch/Solf, New Rules, S. 345; s. die Zusammenfassung der Entstehungsgeschichte, ibid., S. 344, 345.

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

werden alle die Waffenwirkungen erfaßt, die sich i n ihrer zeitlichen oder räumlichen Dimension der Kontrolle des Waffeneinsetzenden entziehen. Die mit dem Angriff unmittelbar verbundenen Auswirkungen, unabhängig von ihrer Intensität und Ausdehnung, sind dagegen keine „effects" i m Sinne von Abs. 4 lit. c). Unterstützung findet diese Auslegung durch die Systematik des Abs. 4 mit den Regelungen i n lit. a)—c). Sowohl i n lit. a) als auch i n lit. b) werden Fälle des unterschiedslosen Angriffs geregelt, bei denen die Kontrollfähigkeit des Angreifenden ausgeschaltet ist. I n lit. a) gibt der Angreifende seine Kontrollfähigkeit bewußt auf, indem er auf Identifikationsmöglichkeiten des Angriffsobjekts verzichtet. I n lit. b) kann der Angreifende aufgrund einer Waffeneigenschaft den Angriff nicht kontrollieren. Dadurch, daß der lit. b) auf das Führungssystem der Waffe oder des Angriffs zugeschnitten ist, bleibt ein Bereich der Gefährdung durch mangelnde Kontrollfähigkeit offen. Die mit der mangelnden Kontrolle der Waffenwirkung verbundenen Gefahren deckt der lit. c) mit seinen Regelungen ab. Die Beschränkung des Verbots i n lit. c) auf die unabhängig von der eigentlichen Waffenenergie hervorgerufenen Schäden ergibt sich zwangsläufig aus dem systematischen Verhältnis zu Abs. 5 lit. b). Entscheidet man sich bei der Auslegung von Abs. 4 lit. c) dafür, i m Proportionalitätsprinzip keinen Bestandteil der Definition des „indiscriminate attack" zu sehen, bleibt für den Abs. 5 lit. b) nur dann eine eigenständige Bedeutung, wenn Abs. 4 lit. c) i n der hier entwickelten Weise einschränkend ausgelegt wird. Die Ausdehnung des Verbots nach lit. c) auf alle Waffenwirkungen ließe für die Anwendung des Proportionalitätsprinzips i m ius i n bello keinen Raum mehr. Dieses über die Systematik des Protokolls gewonnene Ergebnis muß auch Bestand unter teleologischen Gesichtspunkten haben. Bedenken lassen sich aus der Tatsache herleiten, daß das traditionelle Verbot des unterschiedslosen Angriffs seinen wesentlichen Anknüpfungspunkt i n der „area of effectiveness" einer Waffe hat 1 2 0 . Dieser Gesichtspunkt spielt i n der hier entwickelten Definition keine Rolle. Die Grundregel des Art. 48 verlangt die Befolgung des Unterscheidungsprinzips „at all times". Aussagen über die Ausgestaltung des sich aus dem Unterscheidungsprinzip ergebenden Verbots des unterschiedslosen Angriffs sind damit nicht verbunden. Bei genauerer Betrachtung ist die Regelung i n Abs. 4 lit. c) i n ihrer einengenden Auslegung kein Rückschritt i m humanitären Rechtsset120 y g i I K R K , Weapons that may Cause Unnecessary Suffering or have Indiscriminate Effects, Report, S. 24.

F. Interpretation des A r t . 51

205

zungsprozeß, sondern eine neue, den Schutz der Zivilbevölkerung erweiternde Entwicklung. Die Wirkung von Waffen oder Angriffen unter dem Gesichtspunkt ihrer räumlichen Effektivität ist auch weiterhin durch Art. 5 lit. b) an eine Überprüfung unter Proportionalitätsgesichtspunkten gebunden. Insoweit ist, wenn man von der Fassung des A r t . 5 lit. b) absieht, keine Veränderung des ius i n bello eingetreten. Die Abkoppelung der i n Abs. 4 lit. b) geregelten Waffen- und A n griffswirkungen von Proportionalitätsgesichtspunkten hat dagegen für einen weiteren Bereich von Kampfhandlungen einen absoluten Schutzstandard geschaffen, für den vor der Unterzeichnung des Protokolls nur ein relativer Schutz gegeben war 1 2 1 . Damit ist eine der Beachtung des Unterscheidungsprinzips dienende Neuerung i m humanitären Völkerrecht eingeführt worden. Eine weitere Klärung des aus der systematischen und teleologischen Auslegung gewonnenen Ergebnisses durch den Rückgriff auf die Konferenzgeschichte ist nicht möglich. Die entscheidende Änderung, bei der die Formel des „limited as required " i n den Wortlaut des A r t . 51 aufgenommen wurde, ist i n einer Arbeitsgruppensitzung vorgenommen worden 1 2 2 . Über diese Sitzung existieren keine Protokolle, die eine Bestätigung der Auslegungsergebnisse bringen könnten. Die Diskussion i m I I I . Komitee und nach der Einfügung hat i n keiner Weise auf den Inhalt der Formel Bezug genommen 128 . 121 s. Rauch, A r m e d Forces, S. 67, 68; Carnahan, S. 43; die These Bothes hinsichtlich der Bedeutung des Proportionalitätsprinzips i n A r t . 51 u n d als Gewohnheitsrechtssatz: „This principle, as a rule of customary international law, also constitutes the most important legal restraint on the use of nuclear weapons", ist m i t der hier vorgelegten Interpretation nicht zu vereinbaren, s. Bothe, L a n d Warf are, S. 241 ; auch Randelzhofer hält das Proportionalitätsprinzip i m Rahmen des A r t . 51 Abs. 4 für anwendbar, allerdings weist er unter Bezug auf die stetig steigende Z a h l der denkbaren militärischen Objekte u n d die hohe Bevölkerungskonzentration i n wichtigen Regionen der Erde auf die durch die die Anwendung des Proportionalitätsprinzips hervorgerufene Reduzierung des Schutzes der Zivilbevölkerung hin, Randelzhofer, Civilian Objects, S. 96; K i m m i n i c h umgeht das Problem der Anwendbarkeit des Proportionalitätsprinzips, indem er die beim strategischen Kernwaffeneinsatz auftretenden Zivilschäden nicht als Kollateralschäden betrachtet. Seiner Meinung nach scheidet i n diesen Fällen eine Anwendung des Proportionalitätsprinzips aus. Diese i m Hinblick auf die völkergewohnheitsrechtliche Situation getroffene Feststellung stößt auf Schwierigkeiten, w e n n m a n das I. Zusatzprotokoll auf Kernwaffen anwendet. Eine Auslegung, die das Proportionalitätsprinzip auf die Fälle des A r t . 51 Abs. 4 für anwendbar hält, würde den Schutzbereich des I. Zusatzprotokolls i m Vergleich zur Gewohnheitssituation einschränken u n d damit den Sinn u n d Zweck des I. Zusatzprotokolls ins Gegenteil verkehren, s. Kimminich, Der Einfluß des h u m a n i tären Völkerrechts auf die Kernwaffenfrage, S. 421/422; Meyrowitz, Le bombardement stratégique, S. 58. 122 s. dazu Levie, Vol. I I I , S. 154. 123 Ibid., S. 155—173; das Schrifttum zum Proportionalitätsprinzip i m I. Z u satzprotokoll n i m m t zum T e i l auf die alte Fassung bezug, z. B. Cassese, The Prohibition of Indiscriminate Means of Warfare, S. 183.

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

Als Auslegungsergebnis ist somit festzuhalten, daß der Verbotsbereich des Art. 51 Abs. 4 lit. c) die Waffen Wirkungen umfaßt, die sich i n ihrer zeitlichen und räumlichen Dimension der Kontrolle des Waffeneinsatzes entziehen. c) Die Wirkungen der Nuklearwaffe und Abs. 4 lit. c) Wendet man dieses Auslegungsergebnis auf die Nuklearwaffen an, ergibt sich folgendes Bild. Alle mit der Angriffsenergie direkt zusammenhängenden Wirkungen, wie die Druckwelle, die Hitzewelle und die direkte Strahlung, fallen nicht unter die Definition des Abs. 4 lit. c). Obwohl diese Wirkungen wegen ihrer Stärke nicht mit den Auswirkungen konventioneller Waffen vergleichbar sind, kann der Waffeneinsetzende sie i m Sinne des Abs. 4 lit. c) kontrollieren. Die Ausdehnung und Stärke der Druckwelle sind ebenso wie die anderen hier aufgeführten Effekte durch die Wahl des Sprengkopfes und der Explosionshöhe determinierbar. aa) Der „locai fall-out " und die induzierte

Radioaktivität

Keine Kontrolle hat der Waffeneinsetzende über den „locai fall-out" und die induzierte Radioaktivität. T r i t t bei einer Explosion „locai fall-out" auf, so ist der Schadenseintritt abhängig von Faktoren, die außerhalb der Einflußmöglichkeiten des Waffenbenutzers liegen. Windrichtung, Windstärke und andere meteorologische Umstände sind die wesentlichen, den Schadensumfang bestimmenden Faktoren 1 2 4 . Sind beim „locai fall-out" eine zeitliche und räumliche Kontrollkomponente gegeben, liegt bei der induzierten Radioaktivität die Gefahr i n einer zeitlichen Verzögerung des Angriffseffekts. Die i n unmittelbarer Nähe des Explosionspunkts freiwerdende Radioaktivität dringt i n den Boden und i n die Wände von Gebäuden und bleibt dort für mehrere Tage wirksam 1 2 5 . Sie ist damit i n ihrer Schadenswirkung der Kontrolle des Einsetzenden entzogen. Grundsätzlich kann festgestellt werden, daß Angriffe m i t Kernwaffen, bei denen „locai fall-out" oder induzierte Radioaktivität entstehen, nach Abs. 4 lit. c) verboten sind. I m Hinblick auf den Nuklearwaffeneinsatz ist mit dieser Aussage nur ein Bereich möglicher Einsatzfolgen durch Radioaktivität erfaßt. Es entsteht kein „locai fall-out", wenn der Feuerball, wie i n Hiroshima, den Boden nicht berührt 1 2 6 . Auch die induzierte Radioaktivität ist ab124 125 126

s. oben Erster T e i l A I 3. Rotblat, Nuclear Radiation, S. 79. s. oben Erster T e i l A I 3 b.

F. Interpretation des A r t . 51

207

hängig von der Explosionshöhe. Allerdings laufen „locai fall-out" und „induced radioactivity" nicht parallel. Selbst wenn kein früher „fallout" entsteht, kann Radioaktivität i n gefährlichen Dosen den Boden erreichen 127 . Von einer bestimmten Explosionshöhe ab treten weder „local fallout" noch induzierte Radioaktivität auf 128 . bb) Das Sonderproblem

des „global fall-out"

Jede Nuklearexplosion, die keinen frühen „fall-out" verursacht, emmitiert den sog. „global fall-out". Diese Waffenwirkung verursacht i n ihrer Beurteilung große Schwierigkeiten 129 . Einmal bestehen bedeutende Unsicherheiten i n der Festlegung des Schadenseintritts und der Schadensintensität von „global fall-out" 1 3 0 . Es ist nicht abschätzbar, wann nach einer Explosion mit „global fall-out" die gefährlichen Partikel den Erdboden erreichen und welche Strahlungsintensität ihnen verblieben ist. Bedenken gegen eine Einbeziehung dieser Kernwaffenwirkung i n das Verbot nach Abs. 4 lit. c) könnten sich so aus dem „ consequently"Halbsatz von Abs. 4 ergeben. Dieser setzt m i t den Worten „are of a nature to strike" voraus, daß der Waffenwirkung ein Angriffspotential verbleibt, das ausreicht, um Zivilisten und militärische Objekte unterschiedslos zu treffen. Ein „to strike" kann aber nicht vorliegen, wenn überhaupt keine Schäden auftreten 1 3 1 . Unterstellt man einmal, „global fall-out" würde bei einer Explosion i n schädigender Menge und Intensität entstehen, bringt die Frage der Verteilung ein weiteres Problem mit sich. A r t . 51 müßte auch den Schutz der Zivilbevölkerung derjenigen Staaten bezwecken, die nicht Konfliktparteien sind und u. U. weit entfernt von der Region liegen, i n der der bewaffnete Konflikt ausgetragen wird. Die Formulierung i n A r t . 1 „ i n all circumstances" berührt die Frage der „Reziprozität" 1 3 2 . Die Vertragsparteien übernehmen die Verpflich127

S. 79.

s. zu den Auswirkungen i n Hiroshima Rotblat, Nuclear

Radiation,

128 Ibid., „ A s the height of burst increases from a l o w air burst to a high air burst, the amount of radiation reaching the ground rapidly diminishes. A 1 M t burst at an altitude of 5 k m w o u l d give a negligible dose at ground zero and so w o u l d at 100 K t burst at an altitude of roughly 4 k m " , Nuclear Weapons, Report of the Secretary General, S. 202. 129 Lindop, „ O u r m a i n problem is the early fall-out", Lindop, Radiation Aspects of a Nuclear W a r i n Europe, S. 95. 130 Rotblat, Nuclear Radiation, S. 94^96. 131 s. zu den Problemen, die bei der Berechnung der Schäden durch die Atombomben tests auftreten, Rotblat, ibid., S. 87—99.

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tung, das Protokoll unabhängig vom Verhalten der anderen Vertragsparteien anzuwenden. Eine Aussage hinsichtlich der Verpflichtungen nichtbeteiligten Staaten gegenüber liegt darin nicht. Der Art. 48 konzentiert die Unterscheidungsverpflichtung parties to the conflict shall at all times". Die Verbindung parties" und „at all times" läßt daran denken, daß hier nur pflichtung der direkt am Konflikt Beteiligten untereinander werden sollte.

auf „the von „the eine Verfestgelegt

Dieses Ergebnis läßt sich auch aus anderen Vorschriften des Protokolls herleiten. I n Teil 2 des Protokolls sind für die Fälle der Einbeziehung neutraler Staaten gesonderte Vorschriften geschaffen worden 1 8 3 . Es hätte nahegelegen, dies auch i m 4. Abschnitt des Protokolls dann zu tun, wenn Verpflichtungen des Protokolls auf diesen Bereich ausgedehnt werden sollten 134 . Eine Anwendung des A r t . 51 auf Drittstaaten und damit eine Lösung der „global fall-out "-Problematik ließe sich dadurch herbeiführen, daß man den „global fall-out" als eine nach A r t . 2 Abs. 4 UN-Charta verbotene Gewaltanwendung beurteilen würde. Die verbotene Gewaltanwendung wäre an den Vorschriften des Konfliktrechts zu messen und damit wäre für die Legalität des „global fall-out" die Frage seiner geographischen Verteilung ohne Bedeutung. Gegen eine solche generalisierende Betrachtungsweise sprechen die Ergebnisse der völkerrechtlichen Diskussion um die Legalität französischer Atombomenversuche i m Pazifik. Der I G H hat i n seinen Entscheidungen vom 22. Juni 1983 und vom 20. Dezember 1974135 keine ausführliche rechtliche Bewertung des „global fall-out" vorgenommen. Seine Feststellung i m Verfahren nach A r t . 41 des IGH-Statuts: "Whereas for the purpose of the present proceedings i t suffices to observe that the information submitted to the Court, including Reports of the United Nations Scientific Committee on the Effects of A t o m i c Radiation between 1958 and 1972, does not exclude the possibility that damage to Australia m i g h t be shown to be caused b y the deposit on Australian territory of radio-active f a l l - o u t resulting f r o m such tests and to be irreparable" 13 ® 132 Bothe, i n : Bothe/Partsch/Solf, New Rules, S. 43; vgl. Kaishoven, Laws of War, S. 321. 133 A r t . 19, A r t . 13. 134 Hier scheint die Chance verpaßt worden zu sein, das humanitäre V ö l kerrecht dem Neutralitätsrecht anzugleichen u n d für den Bereich großflächiger Waffenwirkung zur Deckung zu bringen. 135 ICJ-Reports 1973 Request for the Indication of I n t e r i m Measures of Protection, S. 99 ff. u n d ICJ-Reports 1974, Judgement, S. 253 ff. 136 ICJ-Reports 1973, S. 105.

F. Interpretation des A r t . 51

209

t r i f f t keine Entscheidung hinsichtlich der Normen gegen die durch die Tests verstoßen worden ist 1 3 7 . I n seiner „dissenting opinion" zu der Entscheidung vom 22. Juni 1973 hat Ignacio Pinto dann auch festgestellt: " I n the present state of international l a w the "apprehension" of a state, "or anxiety", "the risk of atomic radiation", do not i n m y v i e w suffice to substantiate some higher l a w imposed on a l l states and l i m i t i n g their sovereignty as regards atmospheric nuclear tests." 1 3 8

Der I G H hat diese Problematik auch i n seiner Entscheidung vom 20. Dezember 1974 nicht gelöst, da er nur Ausführungen zur völkerrechtlichen Verbindlichkeit einseitiger Erklärungen macht 139 . Alle diese Argumente haben gezeigt, mit welchen Schwierigkeiten die rechtliche Bewertung des „global fall-out" verbunden ist. Für den Einzeleinsatz von Nuklearwaffen lassen sich aus der Interpretation von Abs. 4 lit. c) keine fundierten, generell anwendbaren Ergebnisse gewinnen. Festzuhalten ist, daß die Unkontrollierbarkeit des „global fall-out" grundsätzlich ein starkes Indiz für die Illegalität eines Einsatzes mit dieser Wirkung nach Abs. 4 lit. c) ist 1 4 0 . Es w i r d sich zeigen, ob die generellen Aussagen zur Illegalität der Wirkung von Nuklearwaffen sich durch die Berücksichtigung von Szenarien konkretisieren lassen. d) Die „piece of land "-Erklärungen und Abs. 4 lit. c) Die Auslegung des Abs. 4 lit. c) löst zumindest für den Bereich des Nuklearwaffeneinsatzes ein Problem, das mit dem Begriff des „ m i l i t a r y objective" zusammenhängt. Während der Konferenz sind von einer Reihe von Staaten Erklärungen des folgenden Inhalts abgegeben worden: „a specific area of land may be a military objective if, because of its location or other reasons specified in A r t . 52, its total or partial destruction, capture or neutralization i n the circumstances ruling at the time offers a definite military advantage 141 ." Der Sinn dieser Erklärimg liegt i n der Eröffnung einer Sperroption gegen vorrückende Truppen durch die Neutralisierung eines bestimmten Gebietes. Eine der wenigen Möglichkeiten, ein Areal für den Gegner 137

Vgl. Berg, S. 217, 218. ICJ-Reports 1973, S. 132. 139 „ . . . The Court having found that the Respondent has assumed an obligation as to conduct, concerning the cessation of nuclear tests, no further j u d i c i a l action is required", ICJ-Reports 1974, S. 271. 140 Überlegungen zu einem Verbot nach A r t . 55 wären m i t denselben U n sicherheiten belastet. 141 OR, Vol. V I , CDDH/SR. 41, S. 169, 179, 188, 195. 138

14 Fischer

210

I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

zu sperren, ist die Kontamination durch Radioaktivität 1 4 2 . Von den radioaktiven Folgen des Nuklearwaffeneinsatzes bieten sich offensichtlich nur der „locai fall-out" und die induzierte Radioaktivität an. Diese Waffenwirkungen sind nach Abs. 4 lit. c) aber gerade verboten. Unabhängig von der Frage, ob ein Stück Land ein militärisches Objekt sein kann 1 4 3 , scheitert die Nutzung eines Areals als Barriere durch radioaktive Verseuchimg an A r t . 51 Abs. 4 lit. c). e) Der „counter force"-Angriff auf die landgestützten Interkontinentalraketen als „indiscriminate attack" nach Abs. 4 lit. c) aa) „Counter force" -Angriffe

und die rechtliche Bewertung

Gegen die Möglichkeit eines „counter force" -Angriffs auf die Silos der ICBMs sind zahlreiche militärpolitische und technologische Einwendungen denkbar. Man kann darauf hinweisen, daß der einzig erfolgversprechende „counter force"-Angriff — der Überraschungsangriff — mit vielen militärischen Unwägbarkeiten behaftet und politisch völlig sinnlos sei 144 . Weiterhin mag man mit guten Gründen auf das negative Ergebnis der neuesten Berechnungen zur technischen Durchführbarkeit eines solchen Angriffs verweisen 145 und daraus den Schluß ziehen, daß eine Beschäftigung mit dieser Angriffsmöglichkeit unrealistisch ist. Unzweifelhaft hat die Angst vor „counter force "-Angriffen i n den letzten Jahren einen entscheidenden Beitrag zum verstärkten Rüstungswettlauf geleistet. Die Diskussion u m das sog. „Fenster der Verwundbarkeit" 14 ® und u m die neuen ABM-Systeme ist vor dem Hintergrund eines möglichen vernichtenden Erstschlags geführt worden. Die Angst vor dem Erstschlag hat dabei zur Rechtfertigung für die Entwicklung der M X und der Trident I I gedient 147 . Solange Regierungsstellen der beiden Nuklearmächte den „counter force "-Angriff für technisch durchführbar halten und den Anschein 142 Eine andere Möglichkeit wären M i n e n ; vgl. Rauch, The Protection of the C i v i l i a n Population, S. 268, 269. 143 Rauch wendet gegen diese Auffassung zu Recht die Bedeutung des Wortes „location" i n A r t . 52 ein, Rauch, ibid., S. 274, 275; a. A . Solf, i n : Bothe/ Partsch/Solf, New Rules, S. 325. 144 K r e l l , Das militärische Kräfteverhältnis bei den nuklearstrategischen Waffen, S. 146, 147 m. w. N. 145 Bunn/Tsipis, The Uncertainties of a Preemptive Nuclear Attack, S. 41 ; vgl. auch Smith, S. 126—141. 146 s. K e r r / K u p p e r m a n n , S. 125. 147 Z u r MX-Entscheidung siehe die Rede Präsident Reagans v o m 22. November 1982, E A 1983, D 1, 2.

211

F. Interpretation des A r t . 51

erwecken, Erstschlagspotentiale aufzubauen, sollte eine rechtliche Bewertung nicht aufgrund militärpolitischer oder technischer Gründe zurückgehalten werden. Würde man die zu den Erstschlagsszenarien geäußerten Bedenken zur Grundlage der Entscheidung für oder gegen eine rechtliche Bewertung machen, wäre wegen der Irrationalität des Nuklearwaffeneinsatzes überhaupt keine Aussage möglich. bb) Die feststehenden Faktoren Ein „counter force "-Angriff auf die ICBM-Silos ist einer der wenigen Nuklearangriffe, bei dem der größte Teil der Einsatzumstände bekannt ist. Die Lage der Silos und die Anzahl der i n ihnen stationierten Raketen ist beiden Supermächten ebenso bekannt wie die Bevölkerungsverteilung i n der Nähe der Silofelder. U m einen erfolgreichen Angriff durchführen zu können, müssen bei den angreifenden Raketen Zielgenauigkeit, Gefechtskopfgröße und Explosionshöhe i n einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen 148 . Die Härtung der Silos macht es dabei notwendig, die Gefechtsköpfe auf oder kurz über den Silos zur Explosion zu bringen 1 4 9 . Diese A r t des Waffeneinsatzes verursacht einen „locai fall-out", der i n Abhängigkeit von der Windrichtimg, der Jahreszeit und Zivilschutzmaßnahmen außerordentliche Schäden bei der Zivilbevölkerung verursacht. Die OTA-Studie hat für den Fall eines Angriffs auf die ICBMSilos der USA Verluste unter der Zivilbevölkerung von 1—20 Millionen Toten errechnet 150 . Für die Sowjetunion werden — je nach der Einschätzung der Zivilschutzmaßnahmen — Zahlen von 3,7—27,7 Millionen Toten genannt 151 . Die großen Schwankungen i m Ergebnis resultieren aus unterschiedlichen Annahmen über Witterungsbedingungen und den anderen nicht fixierbaren Einsatzumständen 152 . cc) Der „counter force" -Angriff

als „indiscriminate

attack "

Die bei einem Angriff auf die Silos der ICBM's der Supermächte feststehenden Einsatzumstände erlauben es i m Falle des „counter force"-Angriffs, eine umfassendere Aussage zu machen, als dies bei einem vom Einzeleinsatz abhängigen Waffenwirkungsverbot ansonsten möglich ist. Die durch die A r t des Angriffs implizierte Verursachung von „locai fall-out" und induzierter Radioaktivität machen den „counter force " - A n g r i f f i n seiner Gesamtheit zu einem von Art. 51 Abs. 4 c erfaßten „indiscriminate attack". 148

Bunn/Tsipis, The Uncertainties of a Preemptive Nuclear Attack, S. 32, 33. Tsipis, Offensive Missiles, S. 11, 12. 150 OTA, The Effects of Nuclear War, S. 85.

149

151 152

1

Ibid., s. oben Erster T e i l A I I . Ibid., s. oben Zweiter Teil, Erster Abschnitt B.

212

I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

Es mag unsinnig erscheinen, daß gerade der Prototyp eines Angriffs gegen ein militärisches Ziel — ein Raketensilo — von A r t . 51 Abs. 4 c verboten sein soll. Die Zielvorgabe sollte aber nicht den Blick verstellen für die mit dem Angriff verbundenen Einwirkungen auf die Z i v i l bevölkerung. Der zur Zerstörung der gehärteten Silos notwendige „surface burst" verursacht große Mengen von „fall out", der die Z i v i l bevölkerung wegen seiner Unkontrollierbarkeit i n unterschiedsloser Weise trifft. Betrachtet man diesen Effekt, auf den unter dem Gesichtspunkt des unterschiedslosen Angriffs abzustellen ist, so muß man einen „counter force " - A n g r i f f als den Prototypen eines verbotenen Angriffs nach Art. 51 Abs. 4 c sehen. f) Der Nuklearwaffeneinsatz i n Mitteleuropa als „indiscriminate attack" nach A r t . 51 Abs. 4 lit. c) Die bei der Beurteilung des „counter force "-Angriffs auf die ICBMs benutzten Kriterien lassen sich nicht ohne weiteres auf einen Nuklearwaffenaustausch i n Mitteleuropa übertragen. Insbesondere der zur Zerstörung der Silos notwendige „surface-burst" ist i n Mitteleuropa nur beschränkt notwendig 1 5 3 . Dagegen ist die Bevölkerungsdichte i m zentraleuropäischen Bereich als Bewertungskriterium geeignet. Jeder Waffeneinsatz, der die zum unterschiedslosen Angriff entwickelten Kriterien erfüllt, ist so i n Mitteleuropa verboten. Fraglich ist, ob unter Berücksichtigung der Bevölkerungsdichte und der sich aus Art. 51 Abs. 4 lit. c) ergebenden Beschränkungen ein Bereich von Nuklearwaffeneinsätzen als erfolgversprechende militärische Option offen geblieben ist. Von militärischer Seite w i r d immer wieder betont, die Explosionshöhe der Nuklearwaffen sei darauf eingestellt, wenig „fall-out" zu verursachen 154 und gleichzeitig militärisch effektiv zu bleiben. Unter dem Gesichtspunkt der induzierten Radioaktivität bestehen gegen diese Ansicht Bedenken. Das Beispiel Hiroshima zeigt, daß Gefechtsköpfe i n Kilotonnengröße zwar durchaus ohne „ fall-out " Folgen zur Explosion gebracht werden können, trotzdem aber induzierte Radioaktivität entsteht. Die i n Hiroshima aufgetretene induzierte Radioaktivität beleuchtet ein Problem des Nuklearwaffeneinsatzes. Steigert man die Explosionshöhe, um die induzierte Radioaktivität zu vermindern, nimmt der bei der Explosion entstehende Überdruck rigoros ab 155 . Der Überdruck ist jedoch der bei der Bekämpfung von militärischen iss N u r die französischen Raketen sind i n Silos untergebracht. 154

s. Bright, S. 30. Sonntag hat bei seinen Berechnungen „ a i r bursts" zugrunde gelegt, die keinen „ f a l l - o u t " verursachen. Nach den hier entwickelten K r i t e r i e n müßte die Explosionshöhe noch gesteigert werden. Die Ergebnisse belegen die oben aufgestellte Behauptung, Sonntag, S. 48. 155

F. Interpretation des A r t . 51

213

Zielen wichtigste Faktor. Zieht man die Zielplanung der NATO und der WVO i n diese Überlegungen mit ein 1 5 6 , so muß man feststellen, daß die Bekämpfung militärischer Ziele, insbesondere wenn sie besonders geschützt sind, mit den sog. „high air burst" nicht durchführbar ist. Da auch die Sperrwirkung von Geländeteilen durch Kontamination als Option ausfällt, scheint es durch die Auslegung von A r t . 51 Abs. 4 lit. c) keine militärisch sinnvolle Verwendung von Kernwaffen mehr i n dem Ausmaß zu geben, wie er von den Kriegführungsstrategien vorausgesetzt wird. g) Der Einsatz von Neutronenwaffen i n Mitteleuropa und der unterschiedslose Angriff nach Abs. 4 lit. c) Legt man die sich aus der Auslegung des A r t . 51 Abs. 4 c ergebenden Kriterien der Bewertung der Neutronenwaffe zugrunde, so fragt sich, inwieweit der Einsatz von ERW durch Abs. 4 c verboten ist. Zweifel an der Anwendbarkeit der Vorschrift auf die ERW könnten sich daraus ergeben, daß bei der Explosion eines Neutronensprengkopfes i n der militärisch sinnvollsten Höhe kein „fall-out" zu erwarten ist 1 5 7 . Das entscheidende Bewertungskriterium nach Abs. 4 c scheint bei der ERW nicht zu greifen 158 . aa) Der Kollateralschaden beim TNW-Einsatz und die ERW Eine auf den Einzeleinsatz abstellende Betrachtung w i r d der ERW nicht gerecht. Es ist notwendig, sich an dieser Stelle die Gründe für die Entwicklung der Neutronenwaffe ins Gedächtnis zurückzurufen. Frye hat die m i t dem Einsatz von TNF verbundenen Probleme mit folgenden Worten deutlich gemacht: "There has been an irresistable temptation i n some circles to d w e l l on the marvellous T N W to decimate enemy forces — i f only a l l those friendly civilians were not around — and i f only the adversary had not achieved the a b i l i t y to do unto us w e w o u l d do unto h i m . " 1 5 9

Die mit dem Einsatz von Pershing- und Lance-Raketen verbundenen Auswirkungen 1 6 0 auf die Zivilbevölkerung führen nach Meinimg einiger Militärs dazu, daß der Einsatz dieser Raketen äußerst unwahrscheinlich ist und der Abschreckungswert dieser Systeme sinkt 1 6 1 . ΐ5β f m 100, 5/9-18; vgl. dazu auch die Beschreibung der Angriffsziele bei K r e l l , Der Rüstungswettlauf bei den nuklearen Mittelstreckenwaffen, S. 73. 157 Scoville, The Neutron Bomb, S. 73. 158 w ü r d e man den Generalisierungsansatz der Bewertung zugrunde legen, würde das i m F a l l der ERW zu falschen Ergebnissen führen. 159 Frye, S. 103. 160 Pershing u n d Lance sind m i t Sprengköpfen i n Kilotonnengröße ausgestattet, s. oben i n diesem T e i l F i l e . 1β1 Hughes, S. 322.

214

I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

Dagegen sind nach Ansicht der Befürworter der ERW solche Waffen, deren Schäden durch die Druck- und Hitzewelle abgesenkt werden können und die trotzdem gegen gegnerische Verbände militärisch effekt i v einsetzbar bleiben, geeignet, die Abschreckungswirkimg der T N W aufrechtzuerhalten. Die Vorteile der ERW auf dem Schlachtfeld hat Cane so beschrieben: " I n i t i a l nuclear radiation is the dominant weapon effect against troops i n the open, i n foxholes or i n armoured vehicles. Protection against the i n i t i a l pulse of neutrons and gamma rays from a nuclear air burst is very d i f f i c u l t to provide for personal on foot or i n m i l i t a r y vehicles, although the vehicles and foxholes are quite resistant to blast effects. Thus, radiation becomes the preferred k i l l mechanism." 1 ® 2

A u f den ersten Blick ist die ERW eine Waffe, die dem humanitären Anspruch des Unterscheidungsprinzips und den militärischen Interessen i n idealer Weise gerecht wird. bb) Die Effektivität

des ERW-Einsatzes

Die Schilderung von Cane beschreibt jedoch nur eine Seite der m i t der ERW zusammenhängenden Einsatzdoktrin. Die Effektivität des Einsatzes von ERW gegen Panzerbesatzungen unterliegt großen Zweifeln. Die Panzer können durch neutronenabsorbierendes Material so geschützt werden, daß eine höhere Dosis notwendig wird, u m die Panzerbesatzung außer Gefecht zu setzen 163 . Die Strahlungsintensität w i r d i n den meisten Fällen nicht ausreichen, u m die Besatzung von der Bedienung des Panzers zumindest in der aktuellen Gefechtssituation abzuhalten 164 . Ein weiteres Problem hängt mit der Formation der angreifenden Verbände zusammen. Sind die Panzerkolonnen weit auseinandergezogen, so ist eine große Zahl von ERW notwendig, u m das Gefechtsfeld mit der notwendigen Strahlung zu belegen. Dieser Punkt beseitigt auch den Eindruck, die Neutronenbombe sei eine Waffe, die durch einen Einzelschuß Wirkung erzeugen könnte. Für die Abwehr eines Panzerangriffs des Warschauer Pakts können zwischen 1000 und 10 000 dieser Waffen notwendig sein 165 . cc) Die Kontrollfähigkeit

beim ERW-Einsatz

Der Einsatz von ERW i n der Größenordnung von 1000—10 000 Waffen würde für die Zivilbevölkerung eine große Strahlenbelastung mit sich 1β2

Cane, S. 221; vgl. Guha, S. 56 ff. Scoville, The Neutron Bomb, S. 71. 184 Ibid. 165 Die T a k t i k , m i t ERW potentielle Zufahrtswege der Panzer zu blockieren, beschreibt Frye: „They amount to the creation of a m a m m o t h free fire zone i n the midst of some of the most densely populated terrains on earth", Frye, S. 101. 163

F. Interpretation des A r t . 51

215

bringen 1 8 8 . Wie oben festgestellt worden ist, kann die „Anfangsstrahlung" keiner Nuklearwaffe unter den Abs. 4 c subsumiert werden. Bei der ERW t r i t t jedoch ein besonderes Charakteristikum auf. I n sehr viel stärkerem Ausmaß als bei einer Fissionsbombe reagieren die Neutronen mit dem Material i m Boden und kontaminieren einen kreisförmigen Bereich unter dem Explosionspunkt 187 . Für einige Tage ist der Bereich nicht passierbar. Menschen erhalten bei Betreten des Gebietes Strahlungsdosen, die sofortige Gesundheitsschäden oder Langzeiteffekte hervorrufen. Bei einer Neutronenbombe von 1 K T , die i n einer Höhe von 75 m explodiert, ist der verseuchte Bereich ca. 3 k m 2 groß 188 . Damit erreicht der Bereich der „induced radioactivity" bei einer Explosion ungefähr ein Drittel des Gebietes, das der Anfangsstrahlung ausgesetzt ist. Bei einem Einsatz von 1000—10 000 Neutronenbomben i n Mitteleuropa müßte man mit einer Verseuchung i n Größenordnungen von 3000—30 000 k m 2 rechnen 189 . Die induzierte Radioaktivität ist i n der zeitlichen Komponente der Kontrollfähigkeit des Waffenbenutzers entzogen 170 . Wie lange der Boden kontaminiert ist und1 i n welchem Ausmaß Zivilisten von der Radioaktivität betroffen werden, entzieht sich jedem Steuerungsvermögen. Der Einsatz von ERW w i r d damit von Art. 51 Abs. 4 c erfaßt. dd) Der ERW-Einsatz als „indiscriminate

attack "

Für die Bewertung der rechtlichen Zulässigkeit spielt bei der ERW der „consequently"-Satz des 4. Abs. eine besondere Rolle. Anders als i n den Fällen des „fall-out", der als Gefahrenquelle i n unberechenbarer Weise überall auftreten kann, ist die induzierte Radioaktivität ortsgebunden. Die Gefährdung für die Zivilbevölkerung t r i t t erst dadurch ein, daß Zivilisten das verseuchte Gebiet durchqueren. Angesichts der Vorneverteidigungsstrategie der N A T O könnte man den Eindruck gewinnen, die Areale potentieller Verseuchung lägen weitab von den Urbanen Zentren und eine Gefährdung der Zivilbevölkerung in der Art, wie sie von dem „consequently"-Satz gefordert wird, sei damit 166

Scoville, The Neutron Bomb, S. 69. Scoville, The Neutron Bomb, S. 73; Rotblat, Nuclear Radiation, S. 72. 168 Scoville, ibid., S. 73. 169 Die Zahlen sind eigene Berechnungen anhand der von Scoville vorgegebenen Daten für die „ i n i t i a l radiation", s. ibid., S. 72, 73. 170 Meyrowitz sieht durchaus die Frage der Kontrollfähigkeit nach A r t . 51 Abs. 4 c i m Zusammenhang m i t der Neutronenwaffe, da er jedoch den „consensus "-Ansatz bzgl. des I. Protokolls seiner Bewertung zugrunde legt, erfolgt keine tiefergehende Diskussion dieses Problems, Meyrowitz, Problèmes juridiques relatifs a l'arme à neutrons, S. 102, 111—114. 167

216

I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

ausgeschlossen171. Dabei geht es nicht darum, die generelle Gefährlichkeit des Einsatzes, die zur Erfüllung der Voraussetzungen des Abs. 4 ausreicht, i n Frage zu stellen. Vielmehr soll anhand der vermutlichen Einsatzumstände festgestellt werden, inwieweit eine präzise rechtliche Aussage für den Gesamtbereich des Neutronenwaffeneinsatzes möglich ist. Für die Beantwortung der Frage können die Ergebnisse von Untersuchungen wie der Weizsäcker-Studie 172 oder der NATO-Simulation „Carte Blanche" 1 7 3 aus dem Jahre 1955 nur Indizwirkung haben. Bedeutender für das Problem der „induced radioactivity" sind die den Untersuchungen zugrunde liegenden geographischen Gegebenheiten und A n nahmen über das Verhalten der Zivilbevölkerung. Für den Einsatz von ERW geben die Feststellungen von Bracken i n seiner Studie „Collateral Damage and Theatre Warfare" einen guten Eindruck von den Begleitumständen des Einsatzes. Bracken hält die Schädigung der Zivilbevölkerung i n großem Ausmaß i n einem TNW-Abtausch aufgrund folgender Umstände für sehr wahrscheinlich: "1. The simple act of using the West German road network w o u l d guarantee that Pact Force w o u l d be located near urban zones. 2. The real tactical nuclear battle might look considerably less controlled and precise w i t h tens of millions of civilians on the move. 3. Atomic firefights through urban corridors and nuclear artillery duels i n urban areas are l i k e l y outcomes." 1 7 4

Sieht man diese Feststellung i m Zusammenhang mit der Bevölkerungsdichte und der Verteilung der Zivilbevölkerung i n Mitteleuropa, ergibt sich für die rechtliche Beurteilung keine Veränderung. Ein ERW-Einsatz i n Mitteleuropa w i r d unter Berücksichtigung der ex ante feststellbaren Einsatzstrategien und Einsatzumstände vom Verbot des Abs. 4 c erfaßt. I I I . Der Nuklearwaffeneinsatz und Art. 51 Abs. 5 lit. a)

Nach Art. 51 Abs. 5 lit. a) sind Angriffe verboten „by bombardment by any methods or means which treats as a single military objective a number of clearly separated and distinct military objectives located 171 Die Konzepte von der Möglichkeit einer „ L i m i t i e r u n g " des nuklearen „battlefield exchange" gehen davon aus, daß sich sowohl die Kombattanten als auch die Zivilisten unter den Bedingungen eines Kernwaffenkonflikts so verhalten, als sei eine konventionelle Krisensituation gegeben; vgl. Cane, S. 320 ff. 172 von Weizsäcker, Kriegsfolgen u n d Kriegsverhütung, S. 1 ff. 173 Z u „Carte Blanche" u n d anderen NATO-Untersuchungen s. Sonntag, S. 43. 174 Z u berücksichtigen ist, daß Bracken dem Warschauer Pakt eine sog. „suburban hugging tactic" unterstellt, Bracken, S. 205.

F. Interpretation des A r t . 51

i n α city , town, village or other area containing of civilians objects 1. Der Begriff

a similar

217

concentration

des „bombardment "

Die Verwendung des Begriffs „bombardment" i n Abs. 5 lit. a) läßt i m Hinblick auf den geschichtlichen Hintergrund des Flächenbombardments und seine besondere Erwähnung i n Abs. 5 lit. a) daran denken, unter den Begriff nur Luftangriffe zu subsumieren. Dagegen spricht schon die Wortbedeutung von „bombardment". Unter „bombardment" werden üblicherweise „attacks w i t h heavy guns" verstanden 175 . Das hierunter alle Arten von Beschießungen m i t größeren Waffen fallen, deutet bereits die Verwendung von „bombardment" i n A r t . 25 der Haager Landkriegsordnung von 1957 an. Weiterhin wäre eine auf Luftangriffe beschränkte Auslegung des Begriffes mit der Systematik und dem Sinn und Zweck des Art. 51 nicht zu vereinbaren. Alle Absätze des Artikels stellen unabhängig von der Waffenart auf die Waffenwirkung ab. Eine Beschränkung des Begriffs auf die Luftkriegführung würde zudem den Schutz der Zivilbevölkerung gegen großflächige Wirkungen durch Artilleriebeschuß vermindern. Diese A r t der Kampfführung, die heutzutage ebenso große Schäden bei der Zivilbevölkerung verursachen kann wie das Luftbombardement, würde i m wesentlichen dann nur an Proportionalitätsgesichtspunkten auszurichten sein 176 . 2. „clearly separated and distinct " Durch die Verbindung der Worte „clearly separated and distinct" w i r d das Merkmal der räumlichen Trennung der militärischen Objekte beschrieben. M i t „separated" werden die Bedeutungen „unterscheidbar", „abgesondert" und „abgetrennt" verbunden 177 , während „distinct" mehr i n dem Sinne von „getrennt", „einzeln", „eigen", „klar", „scharf" und „ausgeprägt" 178 zu verstehen ist. Das A t t r i b u t „clearly" ist mit „zweifelsfrei" 1 7 9 eindeutig zu übersetzen. Die drei Worte legen i n ihrem Zusammenhang keinen absoluten, i n allen Fällen zu beachtenden Abstand zwischen den militärischen Ob175 The Concise Oxford Dictionary, S. 110. m F ü r A d l e r ist die Proportionalität der einzige Abwägungsgesichtspunkt beim Flächenbombardement, Adler, S. 297, s. auch Aldrich, New Life for the Laws of War, S. 780; vgl. Bruha, Bombardement, S. 54, 55; Baxter, Modernizing the L a w of War, S. 178; Rosenblad, Area, Bombing, S. 88. 177 178 179

Pons, Globalwörterbuch, S. 286. Ibid., S. 284. Ibid., S. 164.

218

I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

jekten fest. Sie beschreiben vielmehr die Eigenschaften der Objekte. W i l l man aus der Vielzahl der Kombinationsmöglichkeiten eine dem englischen Text entsprechende Begriffsverbindung wählen, müßte man auf die drei Worte „abgesondert", „ k l a r " und „unzweifelhaft" 1 8 0 zurückgreifen. Während das „abgesondert" die Beziehung des Objektes zu seiner Umgebung beschreibt, weisen die Worte „ k l a r " und „unzweifelhaft" auf die subjektive Bewertung der Position des Objektes hin. Ob der Abstand visuell wahrnehmbar sein muß oder ob elektronische Maßnahmen zur Zielerfassung ausreichen, w i r d durch den Wortlaut nicht klar. Unter Berücksichtigung der Auslegungsschwierigkeiten hat Randelzhofer festgestellt, daß das Verbot i n A r t . 51 Abs. 5 lit. a) nur Exzesse verhindern könne 181 . Eine Eingrenzung des Anwendungsbereichs könnte sich aus der Hinzunahme des Begriffs „similar concentration of civilians" ergeben. 3. „similar concentration

of civilians "

Das Verbot nach Abs. 5 lit. a) greift nur ein, wenn den militärischen Objekten eine ähnliche Konzentration von Zivilisten gegenübersteht. Die Verwendung dieses Begriffes und das Verhältnis des Abs. 5 lit. a) zum Proportionalitätsprinzip 1 8 2 zeigen, daß i n dichtbesiedelten Gebieten und bei deutlicher Trennimg der militärischen Objekte ein absoluter Schutz gewährleistet sein soll. Für den Angreifer ergibt sich aus der räumlichen Verbundenheit von militärischen Zielen und einer Konzentration von Zivilisten die Pflicht zur Auswahl von Waffen, die in ihrer Wirkung auf die militärischen Ziele beschränkt bleiben. Wenn Aldrich feststellt: " I n the context of strategic nuclear warfare, targets w o u l d have to be very w i d e l y spaced indeed to p e r m i t their being attacked separately" 1 8 3

stellt er das System des A r t . 5 lit. a) auf den Kopf. Es würde den Sinn des Absatzes verfälschen, wollte man die Bestimmung des notwendigen Abstandes zwischen den militärischen Objekten allein von der Waffengröße abhängig machen. Dies würde dazu führen, daß ein Angreifer durch den A b w u r f einer Waffe mit großer Sprengkraft von vornherein jeder Bewertung seines Angriffs nach Abs. 5 lit. b) ausweichen kann. Es ist B l i x zuzustimmen, wenn er feststellt, daß die Distanz zwischen 180 B l i x scheint für „distinct" eher die Bedeutung „getrennt" zu wählen, was i m Hinblick auf die Verwendung des Wortes „separated" bedenklich erscheint. B l i x , Area Bombardment, S. 66. 181 Randelzhofer, Flächenbombardement u n d Völkerrecht, S. 492; de Saussure k o m m t zu einem ähnlichen Ergebnis, de Saussure, Belligérant A i r Operations, S. 478. 182 s. oben i n diesem Abschnitt F I I 4. 183 Aldrich, New Life for the Laws of War, S. 780.

F. Interpretation des A r t . 51

219

den Objekten nicht bestimmt werden kann „ i n complete disregard of the means of attack which exist" 1 8 4 . Die Berücksichtigung der Kampfmittelgröße muß aber dort ihre Grenzen finden, wo der Sinn und Zweck des Art. 51 Abs. 5 lit. b) ausgehöhlt wird. Folgt man der Auffassung von Aldrich, wäre bei der Verwendung von Gefechtsköpfen i n MT-Größe ein Flächenbombardement möglich, während ein entsprechender Angriff mit konventionellen M i t t e l n durchgeführt einen verbotenen Angriff nach Abs. 5 lit. a) darstellen würde. Die Verfügungsgewalt über große Waffen kann nicht dazu führen, daß diese eingesetzt werden, u m einem völkerrechtlichen Verbot zu entgehen. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß der Art. 51 lit. a) dem Angreifer die Pflicht zur Auswahl der kleinstmöglichen Waffe auferlegt. Für die Nuklearkriegführung i n dichtbevölkerten Gebieten bedeutet dies bei Vorliegen der anderen Voraussetzungen des Abs. 5 lit. a) eine Einschränkimg der Optionen, bei denen großflächige Wirkungen erzielt werden sollen. I V . Die eingeschränkte Bedeutung des Proportionalitätsprinzips nach Art. 51 Abs. 5 lit. b)

Der größte Teil des Nuklearwaffeneinsatzes w i r d durch Abs. 4 lit. c) und Abs. 5 lit. a) abgedeckt. Für die verbleibenden Fälle könnte das Proportionalitätsprinzip eine Schranke bilden. Während die Abs. 4 und 5 lit. a) durch die Auslegung ihres Wortlauts die Bestimmung von Schranken zulassen, ist dies bei Abs. 5 lit. b) nicht möglich. Dafür sind zwei Faktoren maßgebend. 1. Die Einzelfallentscheidung Nach Abs. 5 lit. b) ist ein Angriff „indiscriminate attack, which may be expected to cause incidental loss of civilian life . . . which would be excessive i n relation to the concrete and direct military advantage anticipated". Diese Definition enthält ein Element, das eine allgemeine Voraussage über den Verbotsumfang von lit. b) erschwert. Die Worte „concrete and direct" lassen eine Entscheidung über die Verhältnismäßigkeit eines Angriffs ohne Kenntnis der genauen Einsatzumstände nicht zu. Unabhängig von der Entscheidung, ob sich das „concrete and direct" auf die gesamte militärische Operation oder auf die einzelnen 184 B l i x , Area Bombardment, S. 66, Draper meint dazu, daß die U n sicherheiten hinsichtlich der Variablen der Einsatzumstände die W i r k u n g des Verbots nicht schwächt, Draper, Indiscriminate Attack, S. 220/221.

220

I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 und der Nuklearwaffeneinsatz

konkreten Teile davon beziehen muß 1 8 5 , ist die i n lit. b) geforderte Entscheidung immer eine Einzelfallentscheidung 18 ®. Eine ex ante-Betrachtung der militärischen Erfolgsaussichten einer Strategie oder großen Operation, die i m Fall der Nuklearwaffen erst eine generelle Bewertung möglich machen würde, ist durch die Fassung der Vorschrift ausgeschlossen. 2. Der subjektive

Standard

Für eine Bewertung des Nuklearwaffeneinsatzes würde es sich anbieten, auf die bei Abs. 4 benutzten Szenarien zurückzugreifen und Hypothesen über die UnVerhältnismäßigkeit von Bevölkerungsverlusten unter bestimmten Einsatzumständen aufzustellen. Die Voraussehbarkeit der Verluste unter der Zivilbevölkerung und die Bedeutung der militärischen Aktionen sind jedoch variable Größen, deren Abwägung eine äußerst subjektiv geprägte Entscheidung ist 1 8 7 . Cassese hat den subjektiven Standard des Proportionalitätsprinzips einmal so charakterisiert: "Is one . . . compelled to t h i n k i n terms of a certain number of casualities as justified i n the gaining of a specific number of yards." 1 8 8

Diese Aussage erhält i m Hinblick auf die nukleare Abschreckung besondere Bedeutung. Wie bei keiner anderen Waffenart würden hier beim Waffeneinsatz die Ansichten über den militärischen Vorteil auseinandergehen. Die eingeschränkte Bedeutung der Vorschrift für eine ex ante-Beurteilung ergibt sich weiterhin aus dem Erfordernis der „Exzessivität". Ein „indiscriminate attack" liegt nur dann vor, wenn der Schaden 185 s. Kaishoven, Reaffirmation and Development, S. 118, 119; Solf, i n : Bothe/Partsch/Solf, N e w Rules, S. 310, 311; K i m m i n i c h , Schutz der Menschen, S. 154, vgl. auch die Interpretationserklärungen der Bundesrepublik Deuschland, Kanadas, der Niederlande u n d Großbritanniens, die bei der A n w e n dung des Verhältnismäßigkeitsprinzips nicht die Einzeloperation sondern die militärische Gesamtschau zugrunde legen wollen, OR, Vol. V I , CDDH/SR. 41/ Annex, S. 187 ff.; OR, Vol. V I CDDH/SR. 41/Annex, S. 179; OR, CDDH/SR. 41/ Annex, S. 168, OR, CDDH/SR. 41/Annex, S. 164. 186 Brown, S. 141; Baxter beschreibt dies m i t den Worten: „The rule of proportionality . . . has never been easy to apply i n particular cases, and here, as i n the past, i t is l i t t l e more than a cautionary rule, requiring the commander to stop and t h i n k before he orders a bombardment", Baxter, Modernizing the L a w of War, S. 179. 187 Kimminich, Schutz der Menschen, S. 153; Rosenblad, International H u manitarian L a w , S. 141; Cassese, Means of Warfare, S. 175, 176. 188 Cassese, Means of Warfare, S. 146; Hughes-Morgan beschreibt die A n wendung des Proportionalitätsprinzips m i t : „ I t is perhaps rather like t r y i n g to judge an apple i n relation to a banana". Hughes-Morgan, The New L a w of Geneva, S. 113, vgl. dazu auch die Überlegungen von Daerr, S. 196.

F. Interpretation des A r t . 51

221

„exzessiv" i m Verhältnis zum militärischen Vorteil ist. Diese Bewertung kann nur anhand der konkreten Einsatzumstände vorgenommen werden und ist nicht objektiv überprüfbar 1 8 9 . Berücksichtigt man die beiden wesentliche Elemente des Abs. 5 lit. b), so muß man feststellen, daß eine ex ante-Bewertung des Nuklearwaffeneinsatzes anhand des Proportionalitätsprinzips schwerlich möglich ist. V. Das Verbot des Terrorangriffs nach Art. 51 Abs. 2 und der Nuklearwaffeneinsatz

1. Der Begriff

des „primary

purpose "

Art. 48 verbietet i n seinem zweiten Satz „acts or threats of violance the primary purpose of which is to spread terror among the civilian population". Der A r t i k e l ist mit einer i n der Entstehungsgeschichte des Verbots begründeten Beweisschwierigkeit behaftet, die seine Bedeutimg für den Nuklearwaffeneinsatz stark einschränkt. M i t dem Begriff „purpose" werden Bedeutungen wie „Absicht, Ziel, Entschluß, Entscheidung, Sinn, Zweckbestimmung und Zielsetzung" verbunden 190 . Ähnlich ist das i m I K R K - E n t w u r f verwendete Wort „intention" zu verstehen, das m i t „Absicht", „Vorhaben" und „Zweck" zu übersetzen ist 1 9 1 . Wenn man überhaupt einen Unterschied i n der Bedeutung der beiden Begriffe konstruieren w i l l , so scheint dies nur unter Berücksichtigung des Wortes „primary" möglich zu sein. „Primary" bedeutet soviel wie „hauptsächlich", „wichtig" und „vordringlich" 1 9 2 . Der Angreifende darf nach dieser Formulierung den Terroreffekt seines Angriffs i n seine Überlegungen miteinbeziehen, solange er den Effekt nicht zu seiner hauptsächlichen oder vordringlichen Zielsetzung macht 193 . Der Begriff 189 Obwohl K i m m i n i c h den Grundsatz der Gleichbehandlung der Kriegshandlungen der Konfliktparteien nennt, erscheinen seine Ausführungen zum Begriff des „excessive" gerade i m Hinblick auf dieses Prinzip bedenklich, s. Kimminich, Schutz der Menschen, S. 151, 154, vgl. dazu Carnahan, S. 61 ; eine A n w e n d u n g des Verhältnismäßigkeitsprinzips auf der Ebene des ius ad b e l l u m befürwortet O'Brien, S. 13—36; Rauschning stellt fest, daß aufgrund des „exzessiven" Schadens Explosionen von Kernwaffen m i t einem großen Sprengkopf u n d solche die durch Bodenberührung eine große Masse von „early f a l l - o u t " produzieren, i n den meisten Fällen von den i m I. Z u satzprotokoll kodifizierten Gewohnheitsrechtssätzen verboten sind, Rauschning, Nuclear Warfare, S. 49. im pons, Globalwörterbuch englisch-deutsch, S. 791. 191 192

Ibid., S. 516. Ibid., S. 769.

222

I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 und der Nuklearwaffeneinsatz

der „intention" ist i m Vergleich dazu die generellere Formulierung, da man i h m nicht die notwendige Fixierung der Absicht auf den Hauptoder Nebeneffekt entnehmen kann. I m Gegensatz zu der i n der ersten Sitzungsperiode vorgeschlagenen Formel des „capable of spreading terror" 1 9 4 stellt der A r t . 51 Abs. 2 eindeutig auf die subjektive Komponente bei der Entscheidung über den Angriff ab. M i t der Formulierung w i r d gleichzeitig festgestellt, daß es Angriffe mit Terroreffekten geben kann, die nicht nach A r t . 51 Abs. 2 erfaßbar sind. 2. Die Ausschaltung objektiver

Elemente in Abs. 2 Satz 2

Das gewohnheitsrechtliche Verbot des Terrorbombardements ist aufgrund der Bombardierungen des II. Weltkrieges entwickelt worden. Dabei sind die Feststellung der Rechtswidrigkeit sowohl der eigentliche Effekt — die „unterschiedslose" Zerstörung von Wohngebieten — als auch die konkreten politischen Aussagen über den Zweck der Bombardierung zugrunde gelegt worden 1 9 5 . Die Casablanca-Direktive von 1943 ist ein exzellentes Beispiel für die mit dem Angriff verbundene A b sicht, Terror zu verbreiten: " Y o u r p r i m a r y objective w i l l be the progressive destruction and dislocation of the German m i l i t a r y industrial and economic system, and the underm i n i n g of the morale of the German people to the point where their capacity for armed resistance is fatally weakened." 19 ®

I n den Fällen der sich an die Casablanca-Direktive anschließenden Bombardierungen ist aus der Wechselwirkung von eingetretenem Schaden und der explizit bekundeten Absicht, einen „moral effect" zu verursachen, auf die Rechtswidrigkeit des Angriffs geschlossen worden. Nach A r t . 51 Abs. 2 macht selbst das unbestrittene Vorliegen von „terrorisierenden" Effekten einen Angriff dann nicht zu einem Terrorangriff, wenn der Terroreffekt nicht das Hauptziel des Angriffs gewesen ist. Neben dem Wortlaut spricht dafür auch die Systematik des Protokolls. Die enge Verbindung von Flächenbombardement und Terrorangriff i m Völkergewohnheitsrecht 197 ist durch die abschließende Behandlung des Flächenbombardements i n A r t . 51 Abs. 5 lit. a) aufgelöst worden. Ein Terrorangriff kann heute unabhängig vom Einsatz strategischer Bom198 Carnahan, S. 40; Solf, i n : Bothe/Partsch/Solf, New Rules, S. 301; zur Staatenpraxis s. Rosenblad, International H u m a n i t a r i a n L a w , S. 136, 137 m. w . N.; Meyrowitz, Le bombardement stratégique, S. 12—21. 194 s. oben, Zweiter Teil, Erster Abschnitt Β I I 1. 195 s. die Definition des Terrorbombardements bei Rosenblad, Area Bombing, S. 67; Spaight, S. 277. 196 Z i t i e r t bei O'Brien, S. 304. 197 Z u r Entwicklungsgeschichte s. B l i x , Area Bombardment, S. 52; Meyrowitz, Le bombardement stratégique, S. 12—18.

F. Interpretation des A r t . 51

223

ben vorliegen 198 . Ebenso ist nach der Fassung des Art. 51 ein Flächenbombardement nicht notwendigerweise ein Terrorangriff 1 9 9 . Ein automatischer Rückschluß vom zu erwartenden oder bereits eingetretenen Ergebnis eines Angriffs auf die mit i h m verbundene Absicht ist nicht nur durch die Worte „primary purpose" ausgeschlossen. Bei Angriffen gegen die Zivilbevölkerung als solche greift bereits das Verbot des Abs. 2 Satz 1 ein. Angriffe gegen militärische Objekte mit Kollateralschäden werden durch die Abs. 4 und 5 geregelt. Die Stellung innerhalb des A r t . 51 dokumentiert die Absicht, einen eigenständigen Verbotsbereich für solche Angriffe zu etablieren, die die Zivilbevölkerung durch die mit ihnen verbundene Absicht gefährden. 3. Die Beweisschwierigkeit Für die Nuklearkriegführung ergibt sich aus der Struktur des Verbots folgende Konsequenz. Angriffe mit Nuklearwaffen gegen militärische Ziele sind nur dann Terrorangriffe gemäß Abs. 2, wenn sich die Absicht, Terror zu erzeugen, eindeutig nachweisen läßt 2 0 0 . Der Umfang der durch die Nuklearwaffen angerichteten Zerstörungen liefert dabei i m Hinblick auf die Definition des Abs. 2 wenig Anhaltspunkte. Grundsätzlich ist bei jedem Nuklearangriff mit Terroreffekten zu rechnen. Das w i r d selbst für Angriffe mit kleinen Gefechtsköpfen zutreffen. Vergleicht man die Aussagen zu den Nuklearstrategien m i t der Casablanca-Direktive, so können für den Ersteinsatz aus der Zielplanung keine Rückschlüsse auf eine Absicht i m Sinne des Art. 51 Abs. 2 gezogen werden. Die Einsatzplanung sowohl für einen Ersteinsatz als auch für den Zweitschlag richtet sich insbesondere seit der Betonung von „counter force "-Optionen i n zunehmendem Maße auf militärische Ziele und nicht auf Städte. Bleibt der Rückgriff auf die absehbaren Effekte durch den Wortlaut des Abs. 2 beschränkt, können nur die Fälle unter den Begriff des Terrorbombardements fallen, bei denen die Anzahl der angegriffenen militärischen Objekte und das Ausmaß der Zerstörung so offensichtlich außer Verhältnis stehen, daß dadurch auf die Absicht nach Abs. 2 geschlossen werden kann 2 0 1 . Die stetige Ausweitung des 198

Kaishoven, Reaffirmation and Development, S. 115. So w o h l auch Bentzien, S. 45; vgl. Rosenblad, International Humanitarian L a w , S. 136—139. 200 Dies g i l t auch für die „threats of violence"; zu einem anderen Ergebnis k a n n man n u r gelangen, w e n n man sich die Meinung von de Saussure/Glasser zu eigen macht: „ A n y destruction that is not primarily and predominantly designed to weaken the enemy m i l i t a r y is u n l a w f u l " , de Saussure/Glasser, S. 139. 201 Vgl. die Definition Randelzhofers, Randelzhofer, Flächenbombardement u n d Völkerrecht, S. 486. 199

224

I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

Begriffs des militärischen Objekts dürfte hierbei allerdings eine unüberwindliche Schranke darstellen 202 . Der Begriff des Terrorangriffs hat unter Zugrundelegung der Beweisschwierigkeiten für die Nuklearkriegführung einen nur eingeschränkten Anwendungsbereich. V I . Das Repressalienverbot nach Art. 51 Abs. 6

U m die Bedeutung des Repressalienverbots in A r t . 51 Abs. 6 abschätzen zu können, ist zuerst zu klären, ob das Protokoll für alle Parteien eines Konfliktes i n gleicher Weise verbindlich ist und inwieweit das Reziprozitätsprinzip i m Falle des Protokolls anwendbar ist. 1. „Just war"-Theorien und ihr Einfluß auf die Rechtsverbindlichkeit des Protokolls Angesichts der besonders i m sozialistischen Schrifttum vertretenen Theorie vom „gerechten K r i e g " 2 0 3 stellt sich die Frage, ob die Verbote des A r t . 51 für die Parteien eines Konflikts in unterschiedlicher Weise gelten. Darf sich ζ. B. der den K o n f l i k t mit einem „just cause" führende Staat 2 0 4 über die kriegsrechtlichen Restriktionen hinwegsetzen und dabei trotzdem Rechtstreue vom Gegner verlangen? Das Problem der Einwirkung von Normen des Friedensrechts auf das ius i n bello ist auch auf der Genfer Staatenkonferenz gesehen worden. Einige Staaten forderten, daß das ius i n bello nur zu Lasten, nicht zu Gunsten des Aggressors gelten dürfe 2 0 5 . Diese Auffassung hat jedoch weder i n den allgemeinen Vorschriften des Protokolls, noch i n den die Methoden und M i t t e l des Kampfes regelnden A r t i k e l n ihren Niederschlag gefunden. Die Mehrheit der Konferenzparteien hat i m Gegenteil als Reaktion auf die Vorschläge Chinas und Nord-Vietnams eine eindeutige Aussage zur Frage des gerechten Krieges in die Präambel aufnehmen können. Die Formulierung des letzten Abschnitts der Präambel: " T h e H i g h Contracting Parties . . . Reaffirming further that the provisions of the Geneva Conventions of 202

Vgl. dazu Daerr, S. 3 ff. s. zum völk. Schrifttum grundlegend T u n k i n , S. 412, 413; Koschewnikow, i n : Völkerrecht (Hrsg.), Akademie der Wissenschaften, S. 414—417, vgl. Rosenblad, International H u m a n i t a r i a n L a w m. w. N., insbesondere zur V e r tragspraxis sozialistischer Staaten, S. 20—28, 34. 204 Eine umfassende Darstellung der These v o m gerechten K r i e g vor einem moralisch theologischen H i n t e r g r u n d findet sich bei O'Brien, der insbesondere das Verhalten der Vereinigten Staaten nach dem I I . Weltkrieg, an den von i h m aufgestellten K r i t e r i e n mißt, O'Brien, S. 19—22, 330 ff. 205 s. Kimminich, Schutz der Menschen, S. 67; vgl. auch Verri, S. 326. 208

F. Interpretation des A r t . 51

225

12 August 1949 and of this Protocol must be f u l l y applied i n a l l circumstances to a l l persons w h o are protected by those instruments w i t h o u t any adverse distinction based on the nature and origin of the armed conflict or on the causes espoused by or attributed to the parties to the c o n f l i c t . . . "

läßt keinen Raum für eine Anwendung des Protokolls i n Abhängigkeit von der Definition des Konfliktes als gerechter oder ungerechter Krieg. Die Forderung nach der Ungleichbehandlung von Aggressor und Verteidiger verstößt gegen die Grundlagen des humanitären Rechts. Das Kriegsrecht, das die militärischen Interessen und die humanitären Anforderungen unter den Bedingungen bewaffneter Auseinandersetzungen ausbalancieren muß, kann dieser Aufgabe nur gerecht werden, wenn alle Parteien eines Konflikts gleiche Rechte und Pflichten haben. Eine Ungleichbehandlung würde für die benachteiligte Konfliktpartei den Zwang zur gänzlichen Mißachtung der kriegsrechtlichen Regeln verstärken. I m Interesse aller am Konflikt Beteiligten ist das Konzept der Ungleichbehandlung abzulehnen 206 . 2. Das Reziprozitätsproblem I n der Völkerrechtswissenschaft sind die Abkommen des humanitären Völkerrechts als typische Ausformungen des dem Vertragsrecht zugrunde liegenden Reziprozitätsprinzips bezeichnet worden. Randelzhofer stellt dazu fest: „Yet, this principle has proved to be of the utmost importance i n the laws of war 2 0 7 ." Über die Voraussetzungen der A n wendbarkeit des Reziprozitätsprinzips bestehen unterschiedliche Meinungen. Für Simma w i r d Reziprozität erst zum konkreten Rechtsinstitut durch Statuierung i n ausdrücklichen Normen wie ζ. B. Gegenseitigkeitsvorbehalten 208 . Kaishoven bezieht i n seine Überlegungen zur Wirksamkeit der Reziprozität i m Kriegsrecht auch „implied clauses of reciprocity" ein 2 0 9 . I m I. Protokoll findet sich keine Reziprozitätsklausel, die Rückschlüsse i m Sinne der beiden Theorien zulassen würde. Wegen der besonderen Bedeutung des I. Protokolls für die nukleare Abschreckung konnte man an eine „implied clause" denken. A r t . 1 statuiert allerdings folgendes: "The H i g h Contracting Parties undertake to respect and to ensure respect for this Protocol i n a l l circumstances."

208 s. D. Bindschedler-Robert, A Reconsideration of the L a w of A r m e d Conflict, S. 47, 48. 207 Randelzhofer, C i v i l i a n Objects, S. 95; vgl. Schwarzenberger, International Law, Vol. I I , S. 452, 453. 208 Simma, S. 95. 209 Ralshoven, Belligerent Reprisals, S. 363.

1 Fischer

226

I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

Diese aus den Genfer Konventionen übernommene Vorschrift könnte einen Reziprozitätsausschluß bewirkt haben. Der Kommentar zur IV. Genfer Konvention stellt aufgrund der Klausel „ i n all circumstances" für die IV. Konvention fest: " I t is not an engagement concluded on a basis of reciprocity, binding each party to the contract i n so far as the other party observes its obligations." 2 1 0

Selbst wenn man die Reziprozität mehr als „de facto"-Element der Völkerrechtsordnung i m soziologischen Sinne ansieht, ist die in A r t . 1 des I. Zusatzprotokolls verwendete Klausel zu beachten. Sie enthält einen Reziprozitätsausschluß für das I. Protokoll 2 1 1 . Auch aus der Konferenzgeschichte läßt sich kein gegenteiliges Ergebnis herleiten. Einige Staaten haben ausdrücklich die Verbindung von A r t . 1 des Protokolls und dem gemeinsamen Art. 1 der Genfer Abkommen hervorgehoben 212 . Der Reziprozitätsausschluß ist i m bisherigen Schrifttum eher unbeachtet geblieben. Sieht man jedoch das I. Zusatzprotokoll als eine Konvention, deren Ziel es u. a. ist, die Zivilbevölkerung weitgehend gegen Kampfeinwirkungen zu schützen, so w i r d jeder Staat i m Ratifikationsverfahren der Reziprozitätsfrage besondere Bedeutung schenken müssen. Anders als i n den 4 Genfer Konventionen hat das I. Zusatzprotokoll m i t seinen Vorschriften direkten Einfluß auf den Einsatz von Waffensystemen, die kriegsentscheidend sein könnten. Die Konfliktparteien haben damit a priori ein Interesse an der Einhaltung der Verbotsvorschriften des I. Zusatzprotokolls durch die anderen Konfliktparteien, das bei weitem über die Rechtsbefolgungserwartung bei der Einhaltung der 4 Genfer Konventionen hinausgeht. Die Reziprozität der eingegangenen Verpflichtungen ist eine elementare Voraussetzung der Befolgung solcher Rechtsregeln, die die Militärstrategie entscheidend beeinflussen. Eine Reziprozitätsklausel, der A r t wie sie i m I. Zusatzprotokoll verankert worden ist, ist somit eher kontraproduktiv und verringert den Schutz für Personen und Objekte 2 1 3 . 210

Commentary, I V . Geneva Convention, S. 15. Kaishoven: „ A s far as the rules relating to the protection of the h u m a n person are concerned reciprocity has lost its v a l i d i t y by the provision i n the relevant treaties that these rules are to be respected 'in a l l circumstances'.", Ralshoven, Laws of War, S. 321, vgl. auch Kaishoven, Belligerent Reprisals, S. 363 u n d seine Bemerkungen zur Reziprozitätsklausel der Genfer Konventionen auf S. 25, s. dazu auch Schwarzenberger, International L a w , Vol. I I , S. 718; Carnahan erwähnt das Problem ohne selbst Stellung zu beziehen, Carnahan, S. 95. 212 s. Bothe, i n : Bothe/Partsch/Solf, New Rules, S. 43. 213 Der Feststellung Rosenblads: „ . . . the denial of m u t u a l i t y and reciprocity i n the application of legal rules is ultimately destructive of l a w " ist i m Hinblick auf das I. Zusatzprotokoll richtig; dem generalisierenden Ansatz Rosenblads ist i n Bezug auf die Genfer Konventionen zu widersprechen, s. Rosenblad, International H u m a n i t a r i a n L a w , S. 27. 211

F. Interpretation des A r t . 51

227

3. Der Umfang des Repressalienverbots Das Repressalienverbot des A r t . 51 Abs. 6 bedarf nur i n einer Hinsicht einer Klärung. Abs. 6 bezieht das Repressalienverbot auf „attacks against the civilian population or civilians". Damit werden Repressalien verboten, bei denen die Zivilbevölkerung zum Angriffsobjekt gemacht wird. Gegen Einwirkungen auf die Zivilbevölkerung bei Repressalien gegen gegnerische Kombattanten schützt Art. 51 Abs. 6 nicht 2 1 4 . I n diesem Fall muß der Angriff nach den allgemeinen Regeln beurteilt werden. Trotzdem hat der A r t . 51 Abs. 6 eine solche Ausschlußwirkung, daß der amerikanische Delegierte Aldrich bei der Annahme des Protokolls feststellte: " B y denying the possibility of a response and not offering any workable substitute, the Protocol is unrealistic and i n that respect cannot be e x pected to w i t h s t a n d the test of future armed conflict." 2 1 5

Unter dem Gesichtspunkt der W i r k u n g von ausdrücklichen Repressalienverboten i n der Vergangenheit 218 und der Bedeutung des Protokolls für die nukleare Abschreckung könnte es i n der Tat angebracht sein, zumindest eine Reziprozitätsbedingung einseitig zu statuieren 217 .

V I I . Der Art. 51 und die Vorbehaltsfrage

Die Vorbehaltsfrage ist bisher i m Schrifttum wenig diskutiert worden, da die Befürworter eines Nuklearwaffenausschlusses in der englischen und amerikanischen Erklärung bei Vertragsunterzeichnimg 218 eine Bestätigung des Auslegungsergebnisses des Art. 51 sehen. Die Diskrepanz i n der Ausgangsposition verändert i n der Tat wesentlich die Einordnung der Erklärungen und ihrer Rechtsfolgen. Z u berücksichtigen ist bei allen Überlegungen, daß eine Ratifikation des Protokolls durch die Vereinigten Staaten und Großbritannien nicht erfolgt ist und erst das Verhalten bei der Ratifikation und die Reaktionen darauf eindeutig Aufschluß über den Rechtsbindungswillen der Konferenzparteien bringen werden. 214

Carnahan, S. 65; vgl. Rosenblad, Area Bombing, S. 88. s. zum Zusammenhang dieser E r k l ä r u n g m i t den von Kaishoven u n d N a h l i k entwickelten Vorstellungen, Solf, i n : Bothe/Partsch/Solf, New Rules, S. 314, 315; Draper, The Emerging L a w , S. 13, Fn. 7. 216 s. Ralshoven, Belligerent Reprisals, S. 115 ff. 217 Z u den verschiedenen Möglichkeiten s. Proceedings of the American Society for International L a w , 1980, S. 197—211; auf die m i t einem Repressalienverbot verbundene Gefahr weist auch Daerr hin, S. 212. 218 Z u m Text der E r k l ä r u n g s. oben i n diesem Abschnitt V I 2. 215

15*

228

I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

1. Die Einordnung der amerikanischen und britischen Erklärungen als Vorbehalte Eine Definition des Vorbehalts findet sich i n A r t . 2 Abs. 1 lit. d) der W V K 2 1 9 . Bei dieser Vertragsvorschrift w i r d man ohne weiteres von einer gewohnheitsrechtlichen Geltung ausgehen können 220 . Nach A r t . 2 Abs. 1 lit. d) W V K liegt unabhängig von der äußeren Form einer Erklärung ein Vorbehalt vor, wenn die Erklärimg eine Änderung oder einen Teilausschluß des rechtlichen Inhalts des Vertrages bezweckt. Für Meyrowitz sind die Erklärungen der beiden Nuklearwaffenstaaten keine Vorbehalte, da sie als Interpretationserklärungen die rechtliche Wirkung der Bestimmungen des Protokolls nicht ausschließen oder abändern können 221 . Dieser Meinung sind zwei Überlegungen entgegenzuhalten. Sieht man, so wie es Meyrowitz tut, die Interpretation des Vertragstextes als das entscheidende K r i t e r i u m für die Vorbehaltsfrage an, kann man an den oben beschriebenen Argumenten zum Kernwaffenkonsens nicht vorbeigehen. Die Behauptung einer untrennbaren Einheit des Protokoll Wortlaut es, eines ungeschriebenen Kernwaffenausschlusses und der auf der Konferenz abgegebenen Erklärungen ignoriert wesentliche Elemente der Konferenzgeschichte. Vor allem w i r d dem Schweigen einiger Konferenzparteien eine Bedeutung beigelegt, die i h m nach dem Wortlaut des Protokolls und dem Auslegungssystem der W V K nicht zukommen kann 2 2 2 . Die Überlegungen zum Schweigen der Konferenzparteien führen zu einem zweiten allgemein gültigen Argument. Die Interpretation eines Vertrages ist kein für alle Staaten gleichermaßen verbindlicher Vorgang. Der Geltungsbereich von Vertragsvorschriften, und damit der Anknüpfungspunkt für die Charakterisierung einer Erklärung als Vorbehalt, kann von den Unterzeichnerstaaten eines Vertrages durchaus i n unterschiedlicher Weise bestimmt werden. I m Schrifttum ist deshalb der Bedingungscharakter von Vorbehalten als das wesentliche Abgrenzungskriterium angesehen worden 2 2 8 . I m britisch-französischen Schiedsverfahren über die Abgrenzung des Festlandsockels i n der Kanalzone 219 A r t . 2 Abs. 1 l i t . d): „Reservation means a unilateral statement, however phrased or named, made by a state, w h e n signing, ratifying, acceding to, accepting or approving a treaty whereby i t purports to exclude or to vary the legal effect of certain provisions of the treaty i n their application to that state." 220 s. Kühner, Vorbehalte u n d auslegende Erklärungen zur M R K , S. 60 m. w . N. 221 Meyrowitz, Le statut des armes, S. 239, 240; ders., Kriegsrecht u n d K e r n waffen, S. 695. 222 s. i n diesem Abschnitt E. 223 Whiteman, S. 137; McRae, S. 162.

F. Interpretation des A r t . 51

229

hat das Schiedsgericht die Bedeutung dieses Abgrenzungskriteriums bestätigt. Das Gericht stellte i n seiner Entscheidung fest, daß das wesentliche Element der französischen Erklärung zu A r t . 6 der Festlandsockelkonvention von 1958224 ihr Bedingungscharakter sei 225 . Die Erklärung sei trotz der i n ihr enthaltenen interpretierenden Ansätze als Vorbehalt anzusehen 226 . Die amerikanische und die britische Erklärung enthalten keine Formel, die explizit die Geltung des Vertrages vom Nuklearwaffenausschluß abhängig macht 227 . Der Hinweis auf ihre während der Konferenz abgegebenen Erklärungen und die Bezugnahme auf die Lösung der Nuklearwaffenproblematik i n anderen Gremien des Abrüstungsregimes zeigt aber, daß die Vereinigten Staaten und Großbritannien den Nuklearwaffenausschluß als Bedingung der Geltung des I. Protokolls ansehen. Die Erklärungen sind somit Vorbehalte i m Sinne von Art. 2 Abs. 1 lit. d) der W V K 2 2 8 . 2. Die Inkompatibilität

der Vorbehalte

Das I. Protokoll enthält keine Regeln über die Zulässigkeit von Vorbehalten. Jeder Vorbehalt zum I. Protokoll müßte nach A r t . 19 lit. c) W V K mit dem Sinn und1 Zweck des Vertrages vereinbar sein. Sinn und Zweck des I. Protokolls ist, wie sich aus den Grundregeln, den sie ausfüllenden A r t i k e l n und der Präambel ergibt, die Sicherung und der Ausbau des Schutzes der Zivilbevölkerung i n bewaffneten Konflikten. Der A r t . 51 ist, wie das I K R K i n der Kommentierung zum Vertragsentwurf festgestellt hat, dabei «l'un des fondements d u droit international humanitaire applicable dans les conflits armés.» 220

Eine Beschränkung des A r t . 51 auf die konventionelle Kriegsführung würde den Schutz der Zivilbevölkerung i m nuklearen Bereich auf die wenig präzisen und von subjektiven Erwägungen abhängigen Gewohnheitsrechtssätze verweisen. Damit würde eine Rechtsentwicklung geleugnet, die seit der Erarbeitung der „Delhi Rules" darauf abzielt, der Zivilbevölkerung Schutzmöglichkeiten auch gegen solche Waffen zu ver224

U N T S 499, S. 343 S T / L E G / S E R 15, S. 767. Court of Arbitration, Decision of 30. June 1977 on the Delimitation of the Continental Shelf, I L M 1979, S. 397. 228 Ibid. 227 So w o h l die französische E r k l ä r u n g i m Streit u m die Abgrenzung des Festlandsockels, „ . . . the French Republic w i l l not a c c e p t . . . " , ibid. 228 Ipsen, i n : Bothe/Partsch/Ipsen, Die Genfer Konferenz über humanitäres Völkerrecht, S. 43. 229 D r a f t A d d i t i o n a l Protocol, Commentary, S. 44. 225

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

schaffen, die wegen ihrer Vernichtungskraft die größte Gefahr für Zivilisten m i t sich bringen. Es erscheint geradezu absurd, aus dem A n wendungsbereich einer Schutzvorschrift die den Schutz am meisten gefährdende Waffe herausnehmen zu wollen. Ein Ausschluß der Nuklearwaffen würde i n zukünftigen Konflikten zusätzlich den bisher erreichten Schutzstandard gefährden. Wie sollten militärische Befehlshaber auf dem Gefechtsfeld einen kombinierten konventionell-nuklearen Einsatz planen. Müßte nicht ein Teil der A n griffe nach gewohnheitsrechtlichen Grundsätzen beurteilt werden, während andere Maßnahmen, die durchaus Teil derselben Operation sein könnten, vom neuen Kriegsvölkerrecht geregelt werden? Jeder gewünschte Konflikt wäre durch einen Nuklearwaffenausschluß mit einer Unsicherheit über die Anwendbarkeit rechtlicher Normen belastet, die die Zivilbevölkerung i n extremer Weise gefährden könnte und die militärische Befehlshaber vor unlösbare Probleme stellen würde. Indizien für eine Inkompatibilität der Vorbehalte mit Sinn und Zweck d'es Vertrages liefert auch die Konferenzgeschichte. Bei den Diskussionen i m I. Komitee zur Einfügung einer Vorbehaltsklausel i n das Protokoll haben die Vorschriften zum Schutz der Z i v i l bevölkerung eine wesentliche Rolle gespielt. Die Entwürfe des A r t . 85 enthielten eine Aufzählung der Vorschriften, gegen die die Einlegung eines Vorbehalts unzulässig sein sollte 280 . I n allen vorgelegten Fassungen gehörte Art. 51 zu den aufgeführten Vertragsvorschriften. Obwohl das I. Komitee mit knapper Mehrheit eine Aufnahme von A r t . 85 in das Protokoll ablehnte 231 , beweist die Berücksichtigung des A r t . 51 i n den Entwürfen eine Übereinstimmung der Konferenzparteien über die I n kompatibilität von Vorbehalten gegen Art. 51. A u f allen Konferenzsessionen ist die Bedeutung des A r t . 51 für den Schutz der Zivilbevölkerung sowohl i m I I I . Komitee als auch i n den Plenarsitzungen betont worden. Mexico hat die Unvereinbarkeit von Vorbehalten gegen A r t . 51 mit Sinn und Zweck des Protokolls dabei ausdrücklich festgestellt 232 . Nach alledem muß von einer Inkompatibilität der Erklärungen ausgegangen werden 2 3 8 .

230

OR, Vol. X I , CDDH/1/SR. 77, S. 502. OR, Vol. X , CDDH/I/350/Rev. 1, S. 252. 232 OR, Vol. V I , CDDH/SR. 41 / A n n e x , S. 192 f. 233 Ipsen, i n : Bothe/Ipsen/Partsch, Die Genfer Konferenz über h u m a n i täres Völkerrecht, S. 44. 231

F. Interpretation des A r t . 51

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3. Die Rechtsfolgen der Vorbehalte a) Die Einordnung unzulässiger Vorbehalte Die W V K enthält keine ausdrückliche Regelung der Rechtsfolgen unzulässiger Vorbehalte. I m Schrifttum ist auf die sich aus dem Wortlaut der Art. 19 lit. c) und 20 Abs. 4 W V K ergebenden Probleme bei unzulässigen Vorbehalten hingewiesen worden. Nach O'Connell und Tomuschat w i r d ein Staat, der einen unzulässigen Vorbehalt einlegt, nicht Vertragspartei 234 . Dies würde i m konkreten Fall bedeuten, daß das I. Protokoll i n seiner Gesamtheit weder für die Vereinigten Staaten noch Großbritannien anwendbar würde. Dieses Beispiel zeigt die Schwächen der „absoluten" Lösung auf. Die Frage eines Verstoßes gegen Sinn und Zweck des Vertrages ist immer m i t subjektiven Erwägungen verbunden. Die i m zwischenstaatlichen Verkehr anzutrebende Rechtssicherheit und Rechtsklarheit gebietet es, an der Lösung der W V K festzuhalten und den Vertragsparteien gemäß der erweiteren relativen Theorie 235 die Bestimmung der vertraglichen Bindung zu überlassen. Der Umfang der Bindung w i r d u. a. davon bestimmt, welche Wirkungen des Protokolls die Vorbehalte ausschließen werden. b) Die unterschiedlichen Rechtsfolgen der amerikanischen und britischen Erklärungen Folgt man der hier vertretenen Auffassung, besteht zwischen den beiden bei Unterzeichnung des Protokolls abgegebenen Erklärungen ein wesentlicher Unterschied. Wie oben dargelegt 236 , schließt die amerikanische Erklärung auch die präzisierten Regeln des Protokolls aus, während die britische Stellungnahme nur die neuen Regeln betrifft. Die Feststellung der Rechtsqualität einer Norm ist naturgemäß dann mit Schwierigkeiten verbunden, wenn die Staatenpraxis wenig verwendbare Anhaltspunkte liefert. Bei Regeln des humanitären Völkerrechts t r i t t diese Schwierigkeit wegen der militärischen Implikationen i n besonderem Maße auf. I m Falle der i n A r t . 51 kodifizierten Normen gibt es jedoch Anhaltspunkte, die eine Einordnung möglich werden lassen. Inwieweit die Feststellung der Rechtsqualität eine opino iuris der Staaten widerspiegelt, müssen die Reaktionen der internationalen Gemeinschaft auf die Auslegung des Protokolls zeigen 237 . 234 O'Connell, Vol. I, S. 237; Tomuschat, S. 478; zu dieser Diskussion s. auch Bowett, S. 77; Wengler, S. 218. 235 Vgl. dazu Lagoni, i n : Menzel/Ipsen, Völkerrecht, S. 309, 310. 236 s. oben i n diesem Abschnitt E V 2 a) aa). 237 Vgl. Scheuner, S. 424.

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

aa) Die Verbote nach Art. 51 Abs. 2 und Art. 51 Abs. 5 lit. a) Die gewohnheitsrechtliche Geltung des Verbots, die Zivilbevölkerung direkt anzugreifen, ist trotz der Erfahrungen des II. Weltkrieges unbestritten 2 3 8 . Bei der Formulierung i n Art. 51 Abs. 2 Satz 1 handelt es sich u m die Wiedergabe einer Norm des Völkergewohnheitsrechts 239 . Das Verbot des Terrorangriffs findet i m völkerrechtlichen Schrifttum eine solide Basis 240 . Anknüpfungspunkt für die Definition des Verbots ist, obwohl die Aussagen i n Nuancen differieren, die Intention des Angreifenden 241 . Den Formulierungen kann jedoch nicht mit Bestimmtheit entnommen werden, ob der Angreifende den Terroreffekt als Haupt- oder Nebenzweck seines Angriffs ansehen muß. Insoweit hat der Abs. 2 eine Präzisierung des bisher geltenden Völkerrechts gebracht. Das Verbot des Abs. 2 enthält zusätzlich ein neues Element. Von der Formulierung „acts and threats of violence" werden auch solche Handlungen erfaßt, die vor der eigentlichen Kampfhandlung liegen. Dieser Bestandteil des A r t . 51 Abs. 2 war kein Element des völkergewohnheitsrechtlichen Verbots des Terrorangriffs 242 . Nimmt man mit K. Ipsen und Berber 2 4 3 ein gewohnheitsrechtlich geltendes Verbot des Flächenbombardements an, stellt sich die Frage, ob durch A r t . 51 Abs. 5 lit. a) Präzisierungen oder Neuerungen i n das Verbot aufgenommen worden sind. I n der Resolution des Institut de Droit International vom 9. 9.1969 w i r d das Flächenbombardement wie folgt gekennzeichnet: " E x i s t i n g international l a w prohibits a l l attacks for whatsoever motive or b y whatsoever means for the annihilation of any group, region or urban 238 s. die Untersuchung von Rosenblad, International H u m a n i t a r i a n L a w m i t Hinweisen auf das Schrifttum u n d die Staatenpraxis, S. 55. 239 Carnahan bewertet i m Hinblick auf die Zulässigkeit des Angriffs auf die Zivilbevölkerung beim Verlassen einer belagerten Stadt den Abs. 2 als Fortentwicklung. Ob ein solcher A n g r i f f auch vor der Unterzeichnung des Protokolls noch zulässig war, ist unter Berücksichtigung der E n t w i c k l u n g des Verbots des „indiscriminate attack" zweifelhaft, Carnahan, S. 40. 240 Eine Ubersicht gibt Randelzhofer, Flächenbombardement u n d V ö l k e r recht, S. 478, 479 m. w. N. 241 Spaight, „ B o m b i n g for a moral effect only remains u n l a w f u l " , Spaight, S. 277; Nurick, „ W i t h a few exceptions, authors have condemned bombardment for the purpose of spreading terror", Nurick, S. 680; Rosenblad, „The p r i m a r y object of target area bombing was to destroy morale, the enemy's w i l l to fight", Rosenblad, Area Bombing, S. 67. 242 Carnahan, S. 40. 243 Ipsen, i n : Menzel/Ipsen, Völkerrecht, S. 545; Berber, Bd. 2, S. 166; vgl. Randelzhofer, Flächenbombardement u n d Völkerrecht, S. 487; de Saussure bezweifelt eine bereits existierende Staatenpraxis, de Saussure, Belligerent A i r Operations, S. 481 ; gegen de Saussure u n d f ü r Ipsen sprechen die Stellungnahmen der Staaten nach Bombardierungen, vgl. zu der Bombardierung Nord-Vietnams O'Brien, S. 311, 312.

F. Interpretation des A r t . 51

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centre w i t h no possible distinction between armed forces and civilian populations or between m i l i t a r y objectives and n o n - m i l i t a r y objects." 2 4 4

Vergleicht man diese Definition mit Art. 51 Abs. 5 lit. a), so ist festzustellen, daß der Art. 51 die Begriffe „region or urban centre" und „ w i t h no possible distinction" näher erläutert. Die Voraussetzung des „containing a concentration of civilians" i n Abs. 5 a verändert den Begriffsumfang des „urban centre" aus der Resolution nicht. Auch dem gewohnheitsrechtlichen Verbot des Flächenbombardements hätte ein wesentliches Bezugselement gefehlt, wenn die Zivilbevölkerung der zu bombardierenden Stadt vor dem Angriff evakuiert worden wäre 2 4 5 . Das Flächenbombardement ist, wie die anderen Verbote zum Schutz der Zivilbevölkerung, am Spannungsverhältnis der Bekämpfung eines m i l i tärischen Objekts und dem dabei entstehenden Schaden zu messen. Kann ein Schaden durch das Nichtvorhandensein des Bezugsobjekts nicht eintreten, liegt keine verbotene Handlung i m Sinne der Definition vor. Die Formulierung i n Abs. 5 lit. a) ist somit eine Präzisierung des gewohnheitsrechtlichen Verbots des Flächenbombardements 24®. Die Ausfüllung des Begriffs „ w i t h no possible distinction" der Resolution des Instituts durch „ . . . treats as a single military objective a number of clearly separated and distinct military objectives" ist eine Präzisierung der gewohnheitsrechtlichen Regel. Der Verbotsumfang ändert sich nicht. Die Bewertung der Unterscheidungsmöglichkeit, die i n der Resolutionsfassung i n das Belieben des militärischen Befehlshabers gestellt worden war, ist i n der neuen Fassung nur konkretisiert worden. bb) Der „indiscriminate

attack " nach Art. 51 Abs. 4 lit. a), b)

Seit dem Einsatz der V 1 und V 2 gegen Großbritannien i m II. Weltkrieg ist der Einsatz von nicht zielbaren Waffen i m Schrifttum als völkerrechtswidrig angesehen worden 2 4 7 . Der Wortlaut des Abs. 4 lit. b) hat keine Präzisierung gebracht, da er nur das generelle Verbot statuiert, ohne die Anforderungen näher zu konkretisieren. Die Regeln i n Art. 51 Abs. 4 lit. a) und b) müssen als Ausfluß ein und desselben Grundgedankens angesehen werden. Abs. 4 lit. a) ist dabei eine Vorstufe der Benutzung von bestimmten Waffen oder Durchführung von Angriffen. Die Regelung des Abs. 4 lit. a) war damit bereits implizit i m gewohnheitsrechtlichen Verbot des nicht zielbaren Angriffs enthalten. Die Formulierung i n Abs. 4 lit. a) hat mit ihrem generellen Wort244

A I D I 1969 (53 II), S. 377. Dies ist der Sinn des zusätzlichen Elements i n A r t . 51 Abs. 5 lit. a), Solf, i n : Bothe/Solf/Partsch, New Rules, S. 309. 246 Vgl. aber de Saussure, Belligerent A i r Operations, S. 481. 247 s. Greenspan, S. 365—367; Ipsen, i n : Menzel/Ipsen, Völkerrecht, S. 545; vgl. auch Draper, Indiscriminate Attack, S. 220. 245

234

I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 und der Nuklearwaffeneinsatz

laut auch keine Präzisierungen gebracht, die eine unterschiedliche Beurteilung von lit. a) und lit. b) rechtfertigen. cc) Der „indiscriminate

attack " nach Art 51 Abs. 4 lit c)

Das Verbot des „indiscriminate attack" i n der i n Art. 51 Abs. 4 lit. c) kodifizierten Form ist eine neue Regel des humanitären Völkerrechts. Die Abkoppelung der von Abs. 4 lit. c) erfaßten Fälle vom Proportionalitätsprinzip schafft für einen Bereich des Waffeneinsatzes einen absoluten Verbotsstandard, für den bis zur Unterzeichnung des I. Protokolls nur ein relativer Maßstab anzulegen war 2 4 8 . dd) Der „indiscriminate

attack" nach Art. 51 Abs. 5 lit. b)

Gegen die gewohnheitsrechtliche Geltung des Proportionalitätsprinzips können eine Reihe von Einwendungen erhoben werden 2 4 9 . I m Schrifttum w i r d von der überwiegenden Mehrheit der Autoren die Meinung vertreten, das Proportionalitätsprinzip sei eine Norm des Gewohnheitsrechts 250 . So hat Pictet zu Beginn der 70er Jahre dieses Prinzip als einen der Fundamentalsätze des humanitären Völkerrechts bezeichnet 251 . Auch i n der Staatenpraxis sind Anzeichen erkennbar, das Proportionalitätsprinzip als gewohnheitsrechtlich geltende Norm anzuerkennen. I m Shimoda Case hat der Tokyo District Court das Proportionalitätsprinzip akzeptiert, „ i f civilian losses were small i n proportion to the large military interests or necessity involved" 2 5 2 . Vergleicht man die Definition i m Shimoda Case mit Art. 51 Abs. 5 lit. b), so deutet bereits die Verwendung der Begriffe „excessive" und „concrete" und „direct military advantage" i n Abs. 5 lit. b) auf eine Präzisierung des Prinzips hin 2 5 3 . Die Frage ist, ob nicht die Einfügung dieser Begriffe die Anwendungsmöglichkeit des Prinzips so verändert 248 Vgl. zum Verhältnis von unterschiedslosem A n g r i f f u n d Proportionalität beim Nuklearwaffeneinsatz gegen Hiroshima und Nagasaki, Brown, S. 141, s. auch Röling/Sukovic, S. 10. 249 s. Röling/Sukovic, S. 9; vgl. Reed, S. 25, 26. 250 Ibid., S. 139; Aldrich, New Life for the Laws of War, S. 778; de Saussure, Belligerent A i r Operations, S. 470; Brown, S. 136; vgl. Baxter, Modernizing the L a w of War, S. 178. 251 Pictet, S. 33. 252 The Shimoda Case, Friedman, Vol. I I , S. 1694; s. die E r k l ä r u n g des „general counsel" zu den amerikanischen Bombardierungen i n Vietnam, A J I L 1973, S. 124—125. 253 So Solf, i n : Bothe/Partsch/Solf, New Rules, S. 309; w o h l auch K r ü g e r Sprengel, Rapport, S. 192, 193; Carnahan, S. 61; Rauschning erweckt durch die Verbindung der Gewohnheitsrechtssätze u n d den Regeln des I. Zusatzprotokolls m i t der Formulierung „according to these rules" den Eindruck, als sei der Begriff des „exzessiven Schadens" i m gewohnheitsrechtlich geltenden Proportionalitätsprinzip enthalten, Rauschning, Nuclear Warfare, S. 49.

F. Interpretation des A r t . 51

235

hat, daß man i m Hinblick auf Abs. 5 lit. b) von einer neuen Regel sprechen muß. Die Abwägung dieser Möglichkeiten bereitet hier deshalb besondere Schwierigkeiten, weil Prinzipien naturgemäß kaum fixierbare Konturen auf weisen 254 . Untersucht man die Entstehungsgeschichte des Art. 51 Abs. 5 lit. b), könnte man davon ausgehen, daß die Worte „excessive i n relation to" Synonyme der Worte „out of proportion" oder „disproportionate" sind. N u r die mit den Erfahrungen des Vietnamkrieges begründete Weigerung einiger Staaten, die Vorschrift mit dem Wort „disproportionate" zu akzeptieren, hat die Einfügung des Begriffes „excessive" i n den A r t . 51 verursacht 255 . Das Wort „excessive", das mit „maßlos" oder „übermäßig" übersetzt werden kann, hat einen engeren Bedeutungsumfang als das Wort „disproportionate". Es besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen einem unverhältnismäßigen und einem „maßlosen" Ergebnis. I m ersten Fall werden die möglichen Verluste und die militärischen Vorteile abgeschätzt und gegeneinander abgewogen. Dieses „ins Verhältnis setzen" der beiden mit dem Angriff verbundenen Elemente ist der Ausgangspunkt der „Proportionalitätsprüfung". Die Feststellung der Unverhältnismäßigkeit durch Heranziehung einer Bemessungsgrundlage kann nicht ohne die den Abwägungsvorgang und die damit verbundene Festlegung von Schranken erfolgen. Der wesentliche Aspekt der „Maßlosigkeit" eines Schadens ist seine „Offensichtlichkeit". Die Festlegung der Schranke auf einer Seite i m pliziert bereits die Rechtswidrigkeit, ohne daß Abwägungsgesichtspunkte hinzutreten müssen. Von einem maßlosen Schaden w i r d man immer dann reden müssen, wenn der Schadensumfang so beträchtlich ist, daß alle anderen Aspekte eindeutig dahinter zurücktreten. M i t „excessive" w i r d keine neue Bewertung der Proportionalität i m Sinne eines mathematischen Maßstabes verlangt. Das Wort „excessive" schließt jede Bewertung dieser A r t von vorneherein aus. Für eine Auslegung in diesem Sinne spricht auch die Verwendung des Wortes „anticipated" in Abs. 5 lit. b). Da die Bestimmung des Schadensumfangs und des zu erwartenden militärischen Vorteils in einer ex ante-Betrachtung vorzunehmen ist, können überhaupt nur „offensichtliche" UnVerhältnismäßigkeiten Berücksichtigung finden. 254 Dieser i m humanitären Völkerrecht oft unterbewertete Gesichtspunkt w i r d hinsichtlich der S t r u k t u r der Zivilbevölkerung bereits von Royse i m Jahr 1930 hervorgehoben, indem er feststellt: „The extent to w h i c h civilian populations are legally protected against bombardment has never been precisely determined", Royse, i n : CICR-Protection des Populations Civiles, S. 80. 255 s. dazu Aldrich, Establishing Legal Norms, S. 20.

236

I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 und der Nuklearwaffeneinsatz

I m Schrifttum ist die Meinung vertreten worden, das Proportionalitätsprinzip könne ohnehin nur dazu dienen, „exzessive" Schäden zu verhindern 2 5 8 . I m Hinblick auf die tatsächliche Anwendung mag diese Feststellung berechtigt sein. Von der rechtlichen Konstruktion her läßt das Proportionalitätsprinzip, und das zeigt die Abwägung i m Shimoda Case, auch andere Maßstäbe als die „Ekzessivität" eines Schadens zur Feststellung der UnVerhältnismäßigkeit zu. Durch die neue Formulierung sind diese Möglichkeiten ausgeschlossen. W i l l man der Interpretation des Begriffes „excessive" als einer Neuformulierung des Proportionalitätsgrundsatzes nicht zustimmen, so sind trotzdem noch die beiden Begriffe des „concrete" und „direct military advantage" zu berücksichtigen. Unabhängig von der Frage, i n welcher Weise das Verbot des unterschiedslosen Angriffs von Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten abhängig ist 2 5 7 , ist die Ausfüllung des Proportionalitätsprinzips bisher nicht von den jeweiligen konkreten Einsatzumständen bestimmt worden 2 5 8 . Z u Recht ist i m Schrifttum deshalb die Formulierung i n Art. 51 Abs. 5 lit. b) diskutiert worden 2 5 9 . Selbst wenn man das Proportionalitätsprinzip dem Völkergewohnheitsrecht zuordnen w i l l , gibt die Anbindimg der Verhältnismäßigkeit an den „concrete" und „direct military advantage" der Abwägung des erwarteten Schadens und des militärischen Vorteils eine völlig neue Richtung. Die Bewertung der Verhältnismäßigkeit eines Angriffs kann bei Berücksichtigung der konkreten Einsatzumstände völlig anders ausfallen als bei Berücksichtigung der Umstände der gesamten militärischen Operation. Insoweit ist der Text des Art. 51 Abs. 5 lit. b) keine Präzisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, sondern eine Neufassung, die als Entwicklung des Völkerrechts angesehen werden muß 2 8 0 . Der A r t . 51 Abs. 5 lit. b) ist i n seinen wesentlichen Teilen nicht kodifiziertes Gewohnheitsrecht 281 . Der britische Vorbehalt würde damit auch A r t . 51 Abs. 5 lit. b) erfassen. 25β Krüger-Sprengel, Soldat u n d Kriegsvölkerrecht, S. 222. 257

s. Carnahan, S. 43; vgl. Röling/Sukovic, S. 10, 36. 258 Vgl. die Formulierung des Gerichts i m Shimoda Case, abgedruckt bei Friedman, Vol. I I , S. 1694; B r o w n bezeichnet den traditionellen Ansatz als „cumulative approach", i m Gegensatz zum „case by case approach" des A r t . 51 Abs. 5 lit. b), Brown, S. 141, 142; Krüger-Sprengel, Rapport, S. 186, 187; vgl. Rauch, Rapport, S. 213, 214; O'Brien, S. 38—42. 259 Meyrowitz, Le bombardement stratégique, S. 59, 60; Solf, i n : Bothe/ Partsch/Solf, New Rules, S. 311; Brown, S. 141, 142; Ralshoven, Reaffirmation and Development, S. 116—118; K i m m i n i c h , Schutz der Menschen, S. 151, 153. 280 Z u diesem Ergebnis kommt, w e n n auch m i t anderer Begründung, M e y rowitz, Le statut des armes, S. 200. 281 So w o h l auch Carnahan, S. 61 ; die Begründungen Kaishovens sind nicht durchschlagend, da sie sich auf die tatsächliche Seite der Feststellung beziehen, Kaishoven, Reaffirmation and Development, S. 117, 118; vgl. Cassese, Means of Warfare, S. 146.

F. Interpretation des A r t . 51

ee) Das Repressalienverbot

237

nach Art. 51 Abs. 6

Bis zum Inkrafttreten des I. Zusatzprotokolls war nach Völkergewohnheitsrecht die Kriegsrepressalie zulässig, insoweit sie bestimmten allgemeinen Anforderungen genügte und sich nicht gegen besonders geschützte Personen richtete 262 . Z u den besonders geschützten Personen gehörten u. a. nach A r t . 13 § 3 der I I I . Genfer Konvention von 1949 die Kriegsgefangenen und nach A r t . 33 § 3 der I I I . Genfer Konvention die Zivilbevölkerung i n besetzten Gebieten 265 . Dagegen war ein grundsätzlicher Schutz der Zivilbevölkerung gegen Repressalien weder i m Völkergewohnheits- noch i m Vertragsrecht verankert. Das I. Zusatzprotokoll mit seinen vielfältigen Repressalien verboten 264 schafft eine neue Rechtslage. Art. 51 Abs. 6 ist mit seinem umfassenden Verbot der Repressalie gegen die Zivilbevölkerung als Weiterentwicklung des humanitären Völkerrechts anzusehen 265 und w i r d damit sowohl vom Wortlaut der britischen als auch von dem der amerikanischen Erklärung erfaßt 266 . c) Ergebnis Wird bei der Ratifikation des I. Protokolls gegen die amerikanischen und britischen Vorbehalte Widerspruch eingelegt, ergibt sich für den Art. 51 bei Anwendung von A r t . 21 der W V K folgende Situation: Der Abs. 4 lit. c), der Abs. 5 lit. b) und der Abs. 6 werden als „new rules" nicht Bestandteil der vertraglichen Bindung zwischen Großbritannien und den dem Vorbehalt widersprechenden Staaten. Diese Schlußfolgerung muß auch für den Teil des Abs. 2 gelten, der i m Hinblick auf die „threats of violence" neues Recht darstellt. W i r d der amerikanischen Erklärung widersprochen, so werden nur A r t . 51 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 lit. a) und b) Bestandteil einer vertraglichen Bindung. Für alle anderen der hier untersuchten und i n A r t . 51 geregelten Probleme behalten die Gewohnheitsrechtsnormen ihre Geltung. 262 s. Kaishoven, Belligerent Reprisals, S. 339—344; Nahlik, Belligerent Reprisals, S. 36—67; O'Brien, S. 67—70; Röling/Sukovie, S. 47/48; F u r e t / M a r tinez/Dorandeau, S. 259. 263 BGBl. 1954 I I 838, 917; vgl. Rousseau, S. 8—15, 102/154—159. 284 s. A r t . 20, 51 Abs. 6, 52 Abs. 153, 54 Abs. 4, 55 Abs. 2 und 56 Abs. 4; zur Repressaliendiskussion auf der Diplomatischen Konferenz s. Kaishoven, Reprisais i n the CDDH, S. 195—216. 2β5 Mirimanoff-Chilikine, L a restauration du statut j u r i d i q u e de la population civile, S. 1058; Solf, i n : Bothe/Partsch/Solf, New Rules, S. 312; Rousseau, S. 15; vgl. Kaishoven, Reaffirmation and Development, S. 114. 2ββ s. auch die Bedenken Aldrichs zur Wirksamkeit des Verbots, Aldrich, New Life for the Laws of War, S. 781, 782; vgl. Rosenblad, International H u manitarian L a w , S. 74, 75; Ralshoven, Reprisals i n the CDDH, S. 213 f.

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I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 und der Nuklearwaffeneinsatz

4. Die Bundesrepublik

Deutschland und eine „Nuklear-Erklärung"

a) Die Einordnung der Erklärung als Vorbehalt Die Bundesrepublik hat bei der Unterzeichnung des I. Zusatzprotokolls am 23. 12. 1977 folgende Erklärung abgegeben: „Die Bundesrepublik Deutschland zeichnet die Protokolle i n der Überzeugung, daß damit ein hoher humanitärer Zweck gefördert w i r d , dem sie sich schon i m m e r i n ganz besonderem Maße verpflichtet gefühlt hat. Angesichts der nicht i m m e r eindeutigen Formulierungen des ZP I bedarf es jedoch sorgfältiger Prüfung, ob u n d i n w i e w e i t dieses Protokoll die Fähigkeit zur individuellen u n d kollektiven Selbstverteidigung gemäß A r t . 51 UN-Satzung einschränkt. Die Bundesregierung muß sich daher vorbehalten, bei einer späteren Ratifikation noch zusätzliche Erklärungen abzugeben, u m die völkerrechtlichen Bindungen der Bundesrepublik Deutschland k l a r zu bestimmen u n d deutlich zu machen 2 8 7 ."

Anders als die Vereinigten Staaten und Großbritannien hat damit die Bundesrepublik bei der Unterzeichnung des I. Zusatzprotokolls keine Erklärung abgegeben, die als Vorbehalt oder Interpretationserklärung zu werten wäre. Die Erklärung vom 23. 12. 1977 und die Stellungnahmen der Bundesregierung i n der Debatte des Bundestages vom 14. Oktober 19832®8 deuten jedoch darauf hin, daß bei Ratifikation des I. Zusatzprotokolls eine Erklärung abgegeben werden soll. Welche Vertragsvorschriften dabei von der Erklärung erfaßt werden, kann vor Abschluß des Ratifikationsverfahrens nur vermutet werden. Die Äußerung von Staatsminister Mertes am 14. Oktober 1983 und der Hinweis auf das i n der UN-Charter garantierte Selbstverteidigungsrecht i n der Erklärung vom 23.12.1977 lassen allerdings erwarten, daß u. a. die Anwendbarkeit des I. Zusatzprotokolls auf Nuklearwaffen Gegenstand der Erklärung sein wird. Nach dem gegenwärtigen Stand der Diskussion um das I. Zusatzprotok o l l i n den parlamentarischen Gremien w i r d die Bundesrepublik Deutschland bei Ratifikation des I. Zusatzprotokolls voraussichtlich erklären, daß nach ihrem Verständnis „die v o m Zusatzprotokoll eingeführten Kampfführungsbestimmungen i n der Absicht aufgestellt worden sind, auf konventionelle Waffen A n w e n dung zu finden —, unbeschadet sonstiger, f ü r andere Waffenarten anwendbare Regeln des Völkerrechts. Insbesondere beeinflussen, regeln oder verbieten die so eingeführten Bestimmungen nicht den Einsatz von N u k l e a r waffen 289." 287 Der Originaltext i n französischer Sprache ist abgedruckt i n der B o t schaft der Schweiz über die Zusatzprotokolle zu den Genfer A b k o m m e n v o m 18. Februar 1981, Anlage 7, S. 191. 288 s. oben Zweiter Teil, Zweiter Abschnitt E V I I I 2. 289 Information des Verfassers.

F. Interpretation des A r t . 51

239

Eine „Nuklear-Erklärung" dieses Inhalts hat ebenso wie die Erklärungen der Vereinigten Staaten und Großbritanniens dann weitreichende Bedeutung für die Gestaltung der vertraglichen Pflichten der Vertragsparteien des I. Zusatzprotokolls, wenn sie als Vorbehalt entsprechend A r t . 2 Abs. 1 lit. d) W V K zu qualifizieren wäre 2 7 0 . Für die Einordnung der „Nuklear-Erklärung" ist von entscheidender Bedeutung, ob die Erklärung einen Ausschluß oder eine Änderung der Rechtswirkungen einzelner Vertragsvorschriften bewirkt. Folgt man der hier vertretenen Auslegung des Art. 51 unter Berücksichtigung der Konferenzgeschichte, so ist dieser A r t i k e l und mit ihm die anderen Kampfführungsbestimmungen des I. Zusatzprotokolls auf alle Waffenarten anwendbar 271 . M i t der Beschränkung der Anwendbarkeit dieser Bestimmungen auf einen Waffenbereich, die konventionellen Waffen, ist notwendigerweise eine Änderung der Rechtswirkungen des Protokolls verbunden. Auf den Bedingungscharakter der Erklärung kann, soweit nicht bei Ratifikation noch ein entsprechender Hinweis erfolgt, bereits aus der Erklärung vom 23.12.1977 geschlossen werden, in der die Bundesrepublik auf die Auswirkungen des Protokolls auf die „Fähigkeit zur individuellen und kollektiven Selbstverteidigung" gemäß A r t . 51 UNCharter hinweist. Eine „Nuklear-Erklärung" der Bundesrepublik Deutschland wäre ein Vorbehalt i m Sinne des Art. 2 Abs. 1 lit. d) der W V K und er unterliegt damit den gleichen Prüfungskriterien wie die amerikanische und britische Erklärung. Diesem Ergebnis könnte entgegengehalten werden, daß bei Zugrundelegung eines „Nuklearkonsenses" auf der Konferenz die Erklärung der Bundesrepublik Deutschland auf keinen Fall rechtsändernde Wirkung haben kann, da durch den Konsens eine Einschränkung des Schutzbereichs der Kampfführungsvorschriften bereits erfolgt ist. Damit hätte eine „Nuklear-Erklärung" bei Ratifikation nur einen klarstellenden erläuternden Charakter. I m Hinblick auf die Umstände des Vertragsschlusses und den Wortlaut der entsprechenden Vorschriften des I. Zusatzprotokolls, ist dieses Argument allerdings wenig tragfähig. Wenn es auf der diplomatischen Konferenz den behaupteten, von allen Kernwaffen· und Nichtkernwaffenstaaten getragenen Nuklearkonsens gegeben hat, ist es kaum notwendig, diese den Vertragsparteien doch so offensichtlich als elementar bewußt gewesene Voraussetzung der Unter270 Z u m Gewohnheitsrechts Charakter des A r t . 2 Abs. 1 lit. d) s. Kühner, Die „auslegende E r k l ä r u n g " der Schweiz, S. 830; zur Abgrenzung der I n t e r pretationserklärung v o m Vorbehalt s. McRae, S. 162. 271 s. oben Zweiter Teil, Zweiter Abschnitt E.

240

I I . Teil, 2. Abschn.: A r t . 51 u n d der Nuklearwaffeneinsatz

Zeichnung des I. Zusatzprotokolls noch einmal zu notifizieren. M i t der Abgabe einer „Nuklear"-Erklärung w i r d vielmehr die behauptete Prämisse, der Nuklearkonsens, ad absurdum geführt. b) Die Bedeutung einer „Nuklear-Erklärung" Folgt man dem hier vorgestellten Ergebnis von dem Vorbehaltscharakter einer „Nuklear-Erklärung" der Bundesrepublik Deutschland, muß man bei der Frage der Kompabilität des Vorbehalts dieselben Überlegungen anstellen wie bei der amerikanischen und britischen Erklärung 2 7 2 . Eine „Nuklear-Erklärung" der Bundesrepublik wäre i m Hinblick auf den Wortlaut des A r t . 51, seine Stellung i m Gefüge des I. Zusatzprotokolls, unter Beachtung der Konferenzgeschichte und unter Berücksichtigung der besonderen Anwendungsschwierigkeiten eines auf konventionelle Waffen beschränkten Protokolls i n einem „konventionellnuklear" geführten Krieg nicht m i t Sinn und Zweck des I. Zusatzprotokolls vereinbar 273 . Die Entscheidung über den Umfang der vertraglichen Bindung der Bundesrepublik w i r d dadurch auf die anderen Vertragsstaaten verlagert, die i n dem von der W V K vorgegebenen Rahmen über die Anwendbarkeit des Protokolls zwischen ihnen und dem den Vorbehalt einlegenden Staat entscheiden. Sollten sich die anderen Vertragsparteien dazu entschließen, eine Vertragsbindung i n dem durch den Vorbehalt gestalteten Umfang herbeizuführen, ist der Ausschlußumfang des Vorbehalts von Bedeutung. I m Gegensatz zur amerikanischen und britischen Erklärung enthält der hier abgedruckte Wortlaut einer Erklärung der Bundesrepublik keine eindeutige Aussage zum Gewohnheitsrechtskern des A r t . 51. Kann bei den erstgenannten Erklärungen aus den Worten „established" und „new" auf eine Bestätigung der gewohnheitsrechtlich geltenden Normen für den Nuklearwaffeneinsatz geschlossen werden, so ist dies bei der „Nuklear-Erklärung" nicht möglich. Es w i r d zwar auf die für andere Waffenarten anwendbaren Regeln des Völkerrechts hingewiesen. Die Feststellung, daß die eingeführten Regeln den Einsatz von Nuklearwaffen nicht „beeinflussen, regeln oder verbieten", läßt den Rückschluß auf die Anwendung kodifizierter Gewohnheitsrechtsnormen nicht zu. Die Erklärung erweckt damit den Eindruck, der Nuklearwaffeneinsatz sei durch keine rechtlichen Regeln reglementiert. M i t der Abgabe einer so formulierten Erklärung negiert die Bundesrepublik das ausdrückliche Ziel der Diplomatischen Konferenz zur 272 273

s. i n diesem T e i l F V I I 2. Ibid.

F. Interpretation des A r t . 51

241

Bestätigung der Gewohnheitsrechtsnormen beizutragen. Durch die Formulierung des Vorbehalts w i r d eine Rechtsentwicklung i n Frage gestellt, die bereits durch die bloße Bestätigung von Normen entscheidend zum Schutz der Zivilbevölkerung i n bewaffneten Konflikten beiträgt. Da gewohnheitsrechtlich geltende Normen nicht durch einen Vorbehalt außer Kraft gesetzt werden können, bleiben die Gewohnheitsrechtsnormen auch i m Verhältnis der Vertragspartner untereinander anwendbar. Die „Nuklear-Erklärung" der Bundesrepublik t r i f f t keine Unterscheidung zwischen den präzisierten Gewohnheitsrechtsregeln und neuen kodifizierten Normen. Die generelle Ablehnung jeglicher „Beeinflussung" des Nuklearwaffeneinsatzes durch die Bestimmungen des I. Zusatzprotokolls, wie sie in der „Nuklear-Erklärung" postuliert wird, beschränkt allerdings die Anwendimg der Gewohnheitsrechtsnormen i m Sinne der amerikanischen Erklärung 2 7 4 . Darauf deutet auch die Verwendung des Wortes „eingeführt" hinsichtlich der relevanten Kampfführungsbestimmungen hin. Von der „Nuklear-Erklärung" werden auch die präzisierten Regeln des I. Zusatzprotokolls erfaßt, die auf den Nuklearwaffeneinsatz anwendbar wären 2 7 5 . Abschließend ist festzustellen, daß die „Nuklear-Erklärung" nur den Abs. 2 Satz 1 sowie Abs. 4 lit. a) und b) des A r t . 51 zum Bestandteil einer vertraglichen Bindung werden läßt, soweit dem Vorbehalt i n entsprechender Weise von den anderen Vertragsparteien widersprochen wird.

274 278

s. i n diesem Abschnitt F V I I 3. Ibid.

16 Fischer

Dritter

Teil

Die sich aus der Auslegung von Art. 51 ergebenden Schlußfolgerungen A. Die Folgen des Art. 51 für Politik und Strategie Die Untersuchung des A r t . 51 hat deutlich werden lassen, daß ein Nuklearwaffeneinsatz durch das Verbot des unterschiedslos wirkenden Angriffs weitgehend ausgeschlossen ist. Die Einbeziehung von Szenarien des vorstellbaren Nuklearwaffeneinsatzes i n die generellen Überlegungen zum Verbot des unterschiedslos wirkenden Angriffs erlaubt es, das allgemeine Ergebnis i n drei Feststellungen zu präzisieren: 1. Die Nutzbarmachung der Nuklearwaffe als Kriegsführungsinstrument ist ausgeschlossen. 2. E i n Einsatz von Nuklearwaffen gegen die gegnerische Zivilbevölkerung i m Wege der Repressalie ist unzulässig. 3. Der nukleare Erstschlag ist unabhängig von seiner Legalität nach F r i e densrecht als Prototyp des unterschiedslos wirkenden Angriffs verboten. I . Nuklearwaffen als Kriegführungsinstrumente

Die Diskussion u m die Legalität des Nuklearwaffeneinsatzes hat durch die Bestätigung und Neuaufnahme der Kriegführungsidee i n die Nuklearstrategien eine neue Dimension gewonnen. Die i n den Nuklearstrategien der Supermächte nachweisbare Entwicklung, Nuklearwaffen als Kriegführungsinstrumente zu begreifen, hat die m i t einem selektiven Ersteinsatz verbundenen, auf Abschreckung fixierten Strategieelemente i n den Hintergrund treten lassen. Der Ersteinsatz von Nuklearwaffen auf dem Gefechtsfeld Jahre ist ein Einsatz, der i n kürzester Zeit die Erringung der notwendig macht. U m dem Gregner nicht die Siegoption zu müssen so früh wie möglich und so umfangreich wie nötig waffen eingesetzt werden.

der 90er Initiative belassen, Nuklear-

Dieser Einsatz von Nuklearwaffen ist m i t den sich aus Art. 51 ergebenden Beschränkungen nicht möglich. Das i m Abs. 4 lit. c) kodifizierte

Α. Die Folgen des A r t . 51 f ü r P o l i t i k u n d Strategie

243

Verbot, lokale radioaktive Einwirkungen zu verursachen, zwingt dazu die Explosionshöhe der Waffe so zu verändern, daß der zur Bekämpfung geschützter militärischer Ziele notwendige Überdruck nur schwerlich erreicht werden kann. Handelt es sich bei den zu bekämpfenden Zielen um mobile Objekte, sind zudem die Identifikationspflichten nach Abs. 4 lit. a) zu beachten. Erfüllt der Angreifer die Voraussetzungen nach Abs. 4 lit. a) und lit. c), ist der Einsatz weiterhin an den Voraussetzungen des Abs. 5 lit. a) zu messen. I m dichtbesiedelten Mitteleuropa w i r d der Einsatz von Gefechtsköpfen mit großer Sprengkraft regelmäßig vom Verbot des Abs. 5 lit. a) erfaßt werden. Wollen die Staaten die rechtlichen Beschränkungen bei der Ausgestaltung ihrer Nuklearstrategie berücksichtigen, sind alle Pläne zur offensiven nuklearen Kriegführung von vorneherein abzulehnen. Die Beschränkungen des Art. 51 haben aber auch Auswirkungen auf den mit einem selektiven Ersteinsatz von Nuklearwaffen verbundenen Demonstrationseffekt. I n einem solchen Fall müßte sich der Waffenbenutzer ebenfalls an die Beschränkungen des I. Zusatzprotokolls halten. Es sind durchaus Konstellationen denkbar, i n denen ein solcher selektiver Ersteinsatz mit den Vorschriften des I. Zusatzprotokolls vereinbar ist. Die Grundvoraussetzung der Benutzung der Nuklearwaffe als „politische Waffe", ihre wenn auch selektive Einsetzbarkeit, ist gegeben. Allerdings kann die mit einem solchen Ersteinsatz verbundene Eskalationsdrohung nur dann wirken, wenn die mit der Drohimg verbundenen Optionen auch wirklich realisiert werden können. Dies t r i f f t unter rechtlichen Gesichtspunkten für den Nuklearwaffeneinsatz i n Mitteleuropa nicht zu. Die Politik w i r d hier zu entscheiden haben, ob die „Abschreckung" i n einem rechtlich abgesicherten Rahmen ausreicht, um den Frieden zu sichern. I I . Die Abschreckungswirkung des „Zweitschlags"

Durch das i n A r t . 51 Abs. 6 statuierte Repressalienverbot ist die „Zweitschlagsbalance" gefährdet. Der durch die Regelung des Abs. 6 erreichte humanitäre Vorteil für die Zivilbevölkerung ist dadurch gefährdet, daß der auf die Rechtstreue des Angegriffenen hoffende Aggressor Nuklearwaffen einsetzen kann, ohne seine eigene Z i v i l bevölkerung zu gefährden. Wenn alle anderen Regelungen des I. Zusatzprotokolls eine limitierende Wirkung haben, so kann das Repressalienverbot durchaus Anreize zum Einsatz von Nuklearwaffen geben. Die Vertragsparteien sollten die i n einem anderen Kontext begrüßens16·

244

I I I . Teil: Die Schlußfolgerungen

werte Regelung durch die Einlegung von Vorbehalten den tatsächlichen Gegebenheiten anpassen. I I I . Das Verbot des nuklearen Erstschlags

Unabhängig von der Entwicklung von nuklearen Kriegführungskapazitäten versuchen beide Supermächte, eine nukleare Erstschlagsoption des Gegners zu verhindern. Die inzwischen erreichte Zielgenauigkeit der land- und seegestützten Raketen läßt befürchten, daß i n naher Zukunft ein erfolgreicher Erstschlag möglich werden wird. Die einzige Konstellation, i n der eine der beiden Großmächte zum M i t t e l des nuklearen Erstschlags greift, scheint der unmittelbar bevorstehende Erstschlag der anderen Seite zu sein. Wenn auch ein solcher Erstschlag nach Friedensrecht zulässig sein kann 1 , so ist er doch als Prototyp des unterschiedslos wirkenden Angriffs durch das I. Zusatzprotokoll verboten. Strategische Überlegungen sollten angestellt werden, die ohne einen Erstschlag der Gegenseite möglich zu machen, die technologische Entwicklung den rechtlichen Gegebenheiten anpassen.

B. Die mit der Untersuchung des I. Protokolls verbundenen Perspektiven I . Die Signalfunktion des humanitären Völkerrechts

Die Untersuchung des A r t i k e l 51 hat gezeigt, i n welchem Umfang die strategischen Überlegungen der Kernwaffenstaaten durch neue Rechtsentwicklungen eingeschränkt werden. Die politischen Entscheidungsträger stehen somit vor der Wahl, den ausgehandelten Einschränkungen durch Ratifikation Verbindlichkeit zu verleihen oder durch die Abgabe von Vorbehalten die Fortschritte humanitären Völkerrechts rückgängig zu machen und somit die verschwommene und unsichere Rechtslage hinsichtlich der Nuklearwaffen weiterbestehen zu lassen. Bei dieser Entscheidung geht es nicht nur alleine darum, den Umfang humanitärer Schutzvorschriften durch die Inkraftsetzung einer Kodifikation einer Klärung zuzuführen. E i n Votum gegen das Protokoll hätte darüber hinausgehende Konsequenzen für die Stellung des Völkerrechts i m internationalen Gefüge 2 . 1

s. Malanczuk, S. 705 ff. Vgl. zur Signalfunktion des humanitären Völkerrechts, Schwarzenberger, The Dynamics of International Law, S. 90. I n diesem Zusammenhang ist die Frage interessant, i n welcher Weise ein allgemeines Nuklearwaffenverbot dogmatisch zu qualifizieren wäre u n d welche Auswirkungen dieses Verbot 2

Β. Die Perspektiven

245

Weichen die Nuklearstaaten i n naher Zukunft nicht von der durch rechtliche Restriktionen ungehemmten technologieorientierten und ideologiefixierten Sicherheitspolitik ab, ist dies ein deutliches Signal für die Unterbewertung der humanitären Interessen der eigenen und der gegnerischen Bevölkerung sowie der Fürsorge für die Existenz der Menschheit. Technische Innovationen und veränderte Konzepte, die einen Einsatz von Nuklearwaffen durch Präemptionszwänge heraufbeschwören, lassen für eine Berücksichtigung der Humanität i m Konflikt keinen Raum. Die durch die technischen Entwicklungen genährten gefährlichen Illusionen über die Begrenzbarkeit, Führbarkeit und Gewinnbarkeit eines Atomkrieges, sind von ihrer Ausgangsposition her der Feind jeder Berücksichtigung der Menschlichkeit i n bewaffneten Konflikten. I n diesem so fortgeführten sicherheitspolitischen System muß das Verhältnis des Völkerrechts zu elementaren sicherheitspolitischen Fragen mit der Aussage Dean Achesons nach der Kuba-Krise wie folgt definiert werden: "The survival of states is not a matter of l a w . " 8

Das Völkerrecht hätte sich damit darauf zu beschränken, für Rüstungskontrollgespräche und Rüstungskontrollabkommen das formelle Instrumentarium bereitzustellen. Die Regelungsmaterie wäre, frei von rechtlichen Restriktionen, allein an den militärpolitischen Interessen ausrichtbar. Das Recht würde damit zur inhaltslosen Hülle von militärisch determinierten Fragen degenerieren. Dem Völkerrechtler, der die durch den Zeitablauf inadäquat gewordenen Gewohnheitsrechtssätze i n die Diskussion einbringen wollte, verbliebe keine andere Wahl, als „to serve as a chorus of lamenters w i t h fists raised at sky and state or as a clique of national justifiers i n the most sophisticatedly subservient or sinuous fashion" 4 .

auf die F u n k t i o n des Völkerrechts als ganzes hätte, vgl. zu den dogmatischen Problemen der neuesten Entwicklungen Weil, S. 413—442. 8 Acheson, Proceedings of the American Society of International L a w 1963, S. 14; s. aber auch die Feststellung von Chayes zum Verhältnis Recht u n d P o l i t i k i m gleichen K o n t e x t : „ B u t though i t w o u l d have been enough merely to have the l a w on our side, i t is not irrelevant which side the l a w was on", zitiert bei McWhinney, Conflict and Compromise, S. 35. 4 So Hoffmann bei der Bewertung der Rolle der Völkerrechtler, Hoffmann, S. 31; vlg. dazu Brownlie, The Reality and Efficacy of International L a w , S. 1—9, insbes. S. 8.

246

I I I . Teil: Die Schlußfolgerungen I I . Die mit der Ratifikation verbundenen Perspektiven

Ein umfassendes positives Votum für die Regelungen des I. Zusatzprotokolls könnte dagegen eine über humanitäre Aspekte hinausgehende Wirkung zeigen5. Voraussetzung dafür ist allerdings, daß die atomare Abschreckung i n einem politisch determinierten Rahmen als Grundprämisse des internationalen Systems Anerkennung findet. Die Formel von dem Geist, der nicht mehr i n die Flasche zurückzubringen ist, hat i n den fast 40 Jahren seit der ersten Atombombenexplosion i n der Wüste von Alamogordo nichts von ihrer Berechtigung eingebüßt. W i l l die Politik unter Beachtung dieser Grundprämisse gefährliche Tendenzen einschränken, so sind einige Grundpfeiler der sicherheitspolitischen Konzeption zu überdenken. Neue Ansätze sollten i n den Bereichen Strategie, Technologie und Rüstungskontrolle unter Einschluß der Interdependenzproblematik gemeinsame Werte fixieren und das entsprechende Verfahren zur Sicherung ihrer Befolgung bereitstellen. Das I. Zusatzprotokoll könnte den Veränderungen Konturen verleihen und eine inhaltliche Zielvorgabe erleichtern. Das Verbot des unterschiedslos wirkenden Angriffs mit dem hier durch Auslegung gewonnenen Verbotsumfang könnte strategische Überlegungen i n Gang setzen, die die Rolle der Nuklearwaffe als „politische" Waffe wieder in den Vordergrund rücken. Insbesondere wäre unter Berücksichtigung des Verbots des unterschiedslos wirkenden Angriffs über eine Modifizerung der nuklearen First-Use-Option nachzudenken. Die Ratifikation des I. Protokolls könnte Hand i n Hand gehen mit einer Beschränkung der nuklearen Einsatzplanungen. Damit wäre der Weg frei für die Eliminierung von destabilisierenden Kriegführungs- und Siegkategorien i n der strategischen Diskussion. I m technologischen Bereich könnten sich die Anstrengungen von der Entwicklung zielgenauer Systeme auf die Bereitstellung von die Zweitschlagskapazität absichernden Waffen verlagern. Dies gilt i n besonderem Maße für neue Kommunikationstechniken, deren technologische K a pazitäten i n die Bemühungen um die Verhinderung eines „Atomkriegs aus Versehen" eingebracht werden könnten. Für den Rüstungskontrollbereich könnte das I. Protokoll mit seinen, die Kriegsführungsstrategien besonders beschränkenden Verboten Signalwirkung haben®. Der Verzicht auf die Steigerung der Zielgenauigkeit von Raketen, die für die Aufrechterhaltung der Abschreckung ohne Bedeutung ist, ließe sich i n verstärkte Aktivitäten zum Abschluß 5 Vgl. zum Einfluß humanitärer Regelungen, Falk, The Decline of I n t e r national Order, S. 16. 6 Vgl. dazu Röling, The Impact of Nuclear Weapons, S. 16.

Β . Die Perspektiven

247

eines umfassenden Teststopvertrages umsetzen. Die Entwicklung destabilisierender Nuklearwaffensysteme wäre damit zuerst einmal gestoppt. Ein Teststopvertrag ließe eine Rückkehr zu alten Abrüstungsansätzen möglich werden. Alle Ansätze steigern, wenn auch ihrer kurzfristigen oder mittelfristigen Realisierung erhebliche Bedenken entgegenstehen, die Berechenbarkeit des politischen Gegners und tragen so bereits i m Planungsstadium zu einer verstärkten Stabilität bei. Sollte es der Staatengemeinschaft durch das I. Zusatzprotokoll gelingen, die ins Abseits geratene politische Kooperation i m sicherheitspolitischen Bereich wieder i n Gang zu setzen, so hätte dieser Vertrag des humanitären Völkerrechts bereits i m Frieden seinen großen Wert für die Staatengemeinschaft unter Beweis gestellt.

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