Beiträge zu den Fragmenten des Klearchos von Soloi 3110259672, 9783110259674

Klearchos von Soloi hatte in der Antike den Ruf eines erstrangigen Peripatetikers inne. Die herkömmliche moderne Forschu

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Beiträge zu den Fragmenten des Klearchos von Soloi
 3110259672, 9783110259674

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
TEXTE
INTERPRETATIONEN
Literaturverzeichnis
Indices

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Stavros Tsitsiridis Beiträge zu den Fragmenten des Klearchos von Soloi

Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte Herausgegeben von Heinz-Günther Nesselrath, Peter Scholz und Otto Zwierlein

Band 107

De Gruyter

Beiträge zu den Fragmenten des Klearchos von Soloi

von

Stavros Tsitsiridis

De Gruyter

ISBN 978-3-11-025967-4 e-ISBN 978-3-11-025968-1 ISSN 1862-1112 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. 쑔 2013 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen 앝 Gedruckt auf säurefreiem Papier 앪 Printed in Germany www.degruyter.com

Θεοδώρῳ

Vorwort

Der vorliegende Band enthält den Ertrag meiner Untersuchungen über das fragmentarisch erhaltene Werk des Peripatetikers Klearchos von Soloi. Meine Beschäftigung mit seinem Werk geht auf das Jahr 2001 zurück, als ich eingeladen wurde, an einem internationalen Kongress über Klearchos in Zypern teilzunehmen. Obwohl ich jene Einladung zunächst lediglich als eine Herausforderung dazu betrachtete, mich mit etwas Neuem zu befassen, stellte ich bald fest, dass die Fragmente des Klearchos sehr interessant und die Probleme, vor die sich der Forscher bei ihrer Interpretation gestellt sieht, vielfältig sind. Aus Anlass eines zweiten Kongresses im Jahre 2005 hatte ich die Gelegenheit, mich wieder mit dem Werk des Klearchos zu befassen und meinen ersten Eindruck zu bestätigen. Ziel der vorliegenden Arbeit ist zunächst, zum besseren Verständnis und zur Rekonstruktion bestimmter, fragmentarisch erhaltener Werke des Klearchos beizutragen.* Zugleich wird zu zeigen versucht, dass die herrschende Meinung, dass Klearchos zwar ein fruchtbarer Autor war, sein Interesse aber hauptsächlich dem Anekdotenhaften, dem Paradoxographischen und dem Unterhaltenden galt, so dass sein Werk in philosophiegeschichtlicher Hinsicht kaum von Interesse sein kann, dem Autor nicht ganz gerecht wird. Sein Werk ist dagegen in zweierlei Hinsicht für die Philosophie, die Wissenschaftsgeschichte und die Literatur von Bedeutung: Erstens zeichnet es sich durch gewisse Selbständigkeit und Eigenart aus, die oft unterschätzt wird. (Dass diese Eigenart mit Originalität im eigentlichen Sinne nicht zu verwechseln ist, versteht sich von selbst.) Zweitens liefert das Werk des Klearchos ein durchaus interessantes Zeugnis für die Geschichte des frühen Peripatos. _____________ *

Auf die Bedeutung der Rekonstruktion fragmentarisch erhaltener Werke einzugehen erübrigt sich. Ich begnüge mich hier damit, die bedeutenden Worte Werner Jaegers in seinem Vortrag von 1914 über “Philologie und Historie” anzuführen: “Die Lückenhaftigkeit der Überlieferung der antiken Literaturen, von deren unzähligen Werken nur wenige Tausende erhalten sind, macht die gewissenhafte Durchführung dieser Rekonstruktiven Methode, die Ausnützung jedes kleinsten Fragmentes, jedes Titelchens der Überlieferung zum fundamentalen Lebensgesetz der Philologie” (Humanistische Reden u. Vorträge, Berlin 21960, 8).

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Vorwort

Die hier behandelten Fragmente (‘Fragmente’ im weiteren Sinne, denn sie werden von den Testimonien nicht unterschieden – reliquiae wäre vielleicht noch passender) stammen aus acht Schriften des Klearchos, die unter den erwähnten Gesichtspunkten ausgewählt wurden und die zudem die Vielfältigkeit seines Werkes aufzeigen. Zwei von den acht Kapiteln des vorliegenden Bandes (dasjenige “Über die Lebensformen” und das “Über den Schlaf”) sind schon früher als Aufsätze erschienen (der erste in Philologus 152 [2008] und der zweite in Rheinisches Museum 152 [2010]), wurden für diese Ausgabe jedoch stark überarbeitet und erweitert. Die Art der Behandlung ist nicht einheitlich: Bei den Schriften, aus denen nur wenige Fragmente erhalten sind, liegt das Gewicht auf der ausführlichen Besprechung der Einzelheiten und auf dem Versuch, den Charakter sowie Grundzüge der Schrift aufzuspüren. Dort aber, wo eine größere Zahl von Fragmenten vorliegt, wird das Hauptgewicht auf die Gesamtdarstellung oder (weniger) auf den Versuch einer Rekonstruktion gelegt. Im Falle des Gergithios, wo wir die umfangreichsten, zusammenhängenden Teile einer klearchischen Schrift haben, hat das Kapitel überdies den Charakter eines durchlaufenden Kommentars. Die verschiedenartige Behandlungsweise ergab sich aus meiner Überzeugung, dass bei Fragmenten, die hinsichtlich ihrer Thematik, ihrer literarischen Form, ihres Umfangs usw. so verschieden sind, das Streben nach Einheitlichkeit (in Form z.B. eines klassischen Kommentars) bei ihrer Behandlung methodisch unangebracht ist. Die am Anfang des Buches stehende Einleitung zielt nicht nur darauf hin, die verfügbaren Daten über das Leben und das Werk des Klearchos sowie die damit verbundenen Probleme darzustellen, sondern dient auch dazu, meine eigene Auffassung über den Charakter dieses Werkes zum Ausdruck zu bringen. Der danach gedruckte griechische Text der Fragmente weicht in einigen Fällen von dem der Ausgabe Wehrlis ab (und zwar nicht nur in einzelnen Lesarten, sondern auch in der Abgrenzung der Fragmente), während in manchen Fällen (in den Schriften Über den Schlaf und Über die Lebensformen) neue Fragmente aufgenommen sind, die durch den Buchstaben ‘S’ vor ihrer Nummer gekennzeichnet werden. Den ersten Anstoß für die Beschäftigung mit Klearchos erhielt ich von Professor Ioannis Taifakos, leider jüngst verstorben, dem ich hierfür sehr dankbar bin. Meiner Frau, Jota Kritseli, die das ganze Manuskript kritisch gelesen und manche kritischen Bemerkungen beigesteuert hat, möchte ich ganz besonders danken. Mein Dank gilt auch meinem Kollegen Professor Martin Kreeb, der das ganze Manuskript gelesen und mein Deutsch verbessert hat. Ebenfalls möchte ich Dr. Maria Vasiludi danken, die zwei Kapitel in ihrer ursprünglichen Fassung gelesen hat, sowie Professor Wolfram Ax, der das Buch in seiner letzten Fassung durchgelesen und einige Verbesserungen vorgeschlagen hat. Für die Aufnahme in die

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Vorwort

Reihe “Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte” sei schließlich den Herausgebern, Professor Nesselrath, Professor Scholz und Professor Zwierlein, gedankt. Ganz besonders möchte ich Professor HeinzGünther Nesselrath danken, der das Manuskript mit seiner bekannten Gründlichkeit und Gelehrsamkeit durchgelesen und einige wichtige Bemerkungen beigesteuert hat. Für verbliebene Fehler bin ich selbstverständlich allein verantwortlich. Wenn ich dieses Buch meinem früheren Lehrer und langjährigen Kollegen und Freund Theodoros K. Stephanopoulos widme, so ist das als eine nur sehr kleine ἀντίχαρις für seine Großzügigkeit in allen diesen Jahren zu verstehen. Patras, im Juli 2013

S.T.

Inhaltsverzeichnis E i n l e i t u n g ........................................................................................................ 1 T e x t e ................................................................................................................. 21 Ι. Πλάτωνος ἐγκώμιον .............................................................................. 23 ΙΙ. Περὶ ὕπνου ............................................................................................ 24 ΙΙΙ. Ἀρκεσίλαος .......................................................................................... 28 IV. Περὶ φιλίας .......................................................................................... 29 V. Γεργίθιος ............................................................................................... 30 VI. Περὶ τοῦ πανικοῦ ............................................................................... 33 VII. Περὶ βίων ........................................................................................... 34 VIII. Naturwissenschaftliches ................................................................. 44 I n t e r p r e t a t i o n e n ........................................................................................ 45 I. ‘Lob Platons’ ........................................................................................... 47 II. ‘Über den Schlaf’ .................................................................................. 55 (i) Fragment 6 ............................................................................... 56 (ii) Fragment 7 .............................................................................. 64 (iii) Fragment 8 ............................................................................. 69 III. ‘Arkesilaos’ ........................................................................................... 85 IV. ‘Über die Freundschaft’ ..................................................................... 95 V. ‘Gergithios’ .......................................................................................... 103 (i) Die erhaltenen Fragmente und der verlorene Teil .............. 105 (ii) Die Kolakes auf Zypern ......................................................... 110 (iii) Die Kolakides .......................................................................... 118 (iv) Der junge König aus Paphos ................................................ 120 (v) Das “Gesten-Arsenal” ............................................................ 128 (vi) Die Datierung der Schrift ...................................................... 129 (vii) Der Charakter der Schrift ..................................................... 133 Exkurs: Peripatetisches Gut in der Schrift Περὶ ὑποκρίσεως des Eustathios ........................................ 140 VI. ‘Über die Panik’ ................................................................................. 144 VII. ‘Über die Lebensformen’ ............................................................... 155 VIII. Naturwissenschaftliches ............................................................... 173 (a) Farbbezeichnungen ................................................................. 173 (b) Mondtheorie ............................................................................. 176 Literaturverzeichnis ................................................................................. 185

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Inhaltsverzeichnis

I n d i c e s ........................................................................................................... 195 Index Locorum ........................................................................................ 195 Index Nominum et Rerum .................................................................... 203 Index Graecitatis....................................................................................... 205

Einleitung

A. Über das Leben des Klearchos Am Anfang seiner Diatribe academica inauguralis de Clearcho Solensi (1828) stellt J. B. Verraert über Klearchos folgendes fest: “de vita ac factis viri nihil aliud scimus, nisi ipsum Aristotelis discipulum, et patria Solensem, fuisse.” Ungefähr zwei Jahrhunderte nach Verraerts Feststellung sind zwar die kargen Lebensdaten über Klearchos weiter diskutiert und einige damit verbundenen Schwierigkeiten deutlicher geworden, unsere Kenntnisse haben sich jedoch wenig, wenn überhaupt, bereichert. Aus den verschiedenen Quellen lässt sich in der Tat über den Peripatetiker Klearchos nur folgendes erschließen: (a) Er stammte aus Soloi. (b) Er war Schüler des Aristoteles. (c) Wenn die auf einer Inschrift in Ai-Khanoum erwähnte gleichnamige Person mit dem Peripatetiker identisch ist, dann ist Klearchos nach Afghanistan gereist und dort in dieser Stadt – eventuell mit Alexandreia Oxiane zu identifizieren – tätig gewesen. (a) Als Σολεύς wird Klearchos mehrmals erwähnt.1 Nun gab es aber in der Antike zwei Städte mit dem Namen Soloi, die eine auf Zypern und die andere in Kilikien. Für die Herkunft des Klearchos aus der kilikischen Stadt spricht die Unterscheidung der antiken Grammatiker bezüglich des Ethnikon der beiden Städte, nach der der Bürger aus dem zyprischen Soloi Σόλιος, der Bürger aus dem kilikischen Soloi Σολεύς heiße.2 Es scheint aber, dass es sich dabei nur um eine sprachliche Tendenz handelte, die von Grammatikern dagegen als feste Regel dargestellt wurde. Wie es scheint, _____________ 1 2

Fr. 1. 3. 4. 13. 16. 19. 21. 25. 37. 49. 60. 73. 82. 86. 87. 91a. 105. 108. 110. (Überall wird auf die Nummerierung der Fragment-Sammlung von Wehrli [1969a] verwiesen.) D.L. I 51 (καί εἰσιν οἱ μὲν ἔνθεν Σολεῖς, οἱ δὲ ἀπὸ Kύπρου Σόλιοι); Anon. Vita Arati [= Vita 1] p. 6, 17 (ἀλλ’ οἱ μὲν Κύπριοι Σόλιοι καλοῦνται, οἱ δὲ Κιλίκιοι Σολεῖς, ὡς καὶ διὰ τοῦ προκειμένου Καλλιμαχείου [Epigr. 27 Pf.] παραδείγματος δῆλον) und 7, 14 Martin; vgl. Solon fr. 19 West; Ephoros FGrHist 70 F 76; D.S. XIV 98, 2; Eustath. Comm. in Dion. Perieg. p. 875 Müller. Für das kilikische Soloi traten u.a. Weber (1880) 5-8 (dort auch die Literaturangaben über die Diskussion vor ihm) und Schneider (1967/1969) I 728 ein.

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Einleitung

konnten nämlich beide Formen parallel und zwar für beide Städte gebraucht werden.3 Zumindest in einem Fall wird auf einer Inschrift aus dem 3. Jh. v.Chr., die in Palaipaphos auf Zypern gefunden worden ist und wohl auf einen Zyprioten hinweist, ein Personenname mit der Bezeichnung Σολεύς bezeichnet.4 Die Form des Ethnikon hat also im vorliegenden Fall nur relative Bedeutung. Deshalb ist es auch kein Argument, wenn Klearchos bei Plutarch als Landsmann des Krantor und des Theodoros aus dem (kilikischen) Soloi erwähnt wird.5 Dem erwähnten sprachlichen Argument stehen wichtige Indizien gegenüber, die für die zyprische Herkunft des Klearchos sprechen: (i) Man sieht im Gergithios, dass der Autor nicht nur mit Einzelheiten des Lebens auf der Insel und der Geschichte Zyperns außergewöhnlich vertraut ist, sondern dass er energisch für seine ‘Rechte’ eintritt. In Zusammenhang mit den Leuten, die sich, von den übrigen abgetrennt, in Kyme niederließen (fr. 19), verteidigt Klearchos entschieden ihre zypriotische Herkunft und bekämpft heftig die Tradition, nach der sie aus dem thessalischen Trikke stammten (ἀλλ’ οὐκ ἐκ τῆς Θετταλικῆς Tρίκκης, καθάπερ τινὲς εἰρήκασιν, ὧν ἰατρεῦσαι τὴν ἄγνοιαν οὐδ’ Ἀσκληπιάδαις τοῦτό γε νομίζω δεδόσθαι).6 (ii) In der gleichen Schrift kommt dreimal (fr. 19 p. 15 Wehrli) der Ausdruck παρ’ ἡμῖν (gemeint sind die Zyprioten) vor, den man nur so deuten kann, dass der Plural den Autor selbst mit einschließt. Die Schrift war nämlich kein Dialog, an dem der Schmeichler Gergithios teilnahm, sondern die Figur dieses Schmeichlers aus Zypern war offensichtlich nur der Ausgangspunkt der ganzen Erörterung. Dafür sprechen auch die Einführung des Athenaios (διηγεῖται ... διηγούμενος φησίν) sowie der erbauliche Ton der Schrift und bisweilen die wissenschaftliche Pose.7 (iii) Von Belang ist schließlich, dass Klearchos sich in seinen Schriften entschieden für die griechischen Werte und gegen den orientalischen Luxus einsetzt. Wir wissen nun, dass sich die zyprische Stadt in ihrer Geschichte – im Gegensatz zu der gleichnamigen kilikischen Stadt – neben Salamis immer _____________ 3

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Vgl. St. Byz. Ethn. p. 851 Mein.: Σόλοι· Kιλικίας πόλις … ὁ πολίτης Σολεὺς καὶ Σόλιος. Interessanterweise ist noch heute der Name des Ortes unter zwei Formen bekannt: Σολέα und Σολιά (hierzu s. Voskos [1995] 122; G. Neumann, “ Ἐπίμετρον Α΄ : Τοπωνύμια τῆς ἀρχαίας Κύπρου”, in: Papadopoulos [2000] 1095). Nουμήνιον Δημητρίου Σολέα ἰατρόν (zuerst veröffentlicht in JHS 9 [1888] 242, Nr. 64). Plut. De anima procr. in Tim. 1022A (= Klearch. fr. 4) νῦν δὲ πολλοῖς κἀγαθοῖς ἀνδράσιν ἐξειργασμένου τούτου, μάλιστα δὲ Κράντορι καὶ Κλεάρχῳ καὶ Θεοδώρῳ τοῖς Σολεῦσι κτλ. Trikke wird übrigens schon in der Ilias 2, 729 ff. mit dem Kult des Asklepios verbunden. Zur Sache s. Wehrli (1969a) 52. Max Weber ([1880] 7) nahm an, das Werk habe dialogischen Charakter gehabt (diese unhaltbare Annahme wiederholt übrigens auch Kroll [1921] 581) und deswegen sei im Text der Sprechende mit dem Autor nicht unbedingt identisch.

Einleitung

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als Vorkämpferin des Hellenentums auf Zypern bewiesen hatte.8 Der Einsatz des Klearchos für die griechische Lebensform, die griechischen Werte und gegen die drohende Barbarisierung spricht also auch für seine zyprische Herkunft.9 Seine Haltung stimmt, wenn die Identifizierung richtig ist, mit seiner Mission und mit dem Inhalt der Inschrift in Afghanistan, die wir weiter unten besprechen werden, völlig überein. Aus den erwähnten Gründen ist wohl wahrscheinlicher, dass Klearchos aus Zypern stammte. (b) Klearchos wird nicht nur mehrmals als Peripatetiker (Περιπατητικός oder ὁ ἀπὸ/ἐκ τοῦ Περιπάτου10), sondern auch von Athenaios (VI 234F = Klearch. fr. 37), Pollux (II 146 = Klearch. fr. 108) und Proklos (In Plat. Remp. II p. 113 Kroll = Klearch. fr. 8) ausdrücklich als Schüler (μαθητής) des Aristoteles bezeichnet. Interessanterweise nennt ihn Plutarch nicht ‘Schüler’, sondern “Vertrauter” (συνήθης) des “alten Aristoteles”, was wohl auf eine noch engere Beziehung hinweist.11 Wir haben keinen Grund, diese Nachrichten in Abrede zu stellen, zumal einige Einzelheiten in seinem Werk (wie z.B. die Erwähnung der “Areopagiten” in fr. 19) eindeutig auf das 4. Jh. v.Chr. hinweisen, während andere eine Tendenz des Frühperipatos widerspiegeln, die darin besteht, dass keine straffen Grenzen zwischen dem Peripatos und der Akademie gezogen werden, sondern die aristotelische Philosophie eher als Weiterentwicklung der platonischen verstanden wird.12 Die Schülerbeziehung zu Aristoteles wirft jedoch einige chronolo_____________ 8

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Zum griechischen Charakter des zyprischen Soloi und den Kämpfen seiner Bewohner gegen die Perser s. Oberhummer (1924) 939. Es ist bezeichnend, dass Alexander d. Große 333 v.Chr. den Bewohnern des kilikischen Soloi wegen ihrer persischen Gesinnung eine Buße von 200 Talenten auflegte; s. W. Ruge, “Soloi [1]”, RE III A 1 (1927) 936. Dass die Bewohner der zyprischen Stadt dagegen griechischer Gesinnung waren, darf man vielleicht auch daraus schließen, dass zwei der drei vornehmen Zyprioten, die am Feldzug Alexanders d. Gr. teilnahmen, aus Soloi stammten: Nikokles, Sohn des Königs Pasikrates von Soloi [Berve Nr. 566] und Stasanor [Berve Nr. 719] (der dritte Zypriote war ein Salaminier, Nithaphon [Berve Nr. 572]). Klearchos war vielleicht einer der vielen Zyprioten (die meisten unter ihnen Händler), die in der zweiten Hälfte des 4. Jhs. nach Athen kamen. Es sei hier besonders auf den Beschluss IG II2 337 = Tod, Gr. Hist. Inscr. Nr. 189 vom Jahre 333 v.Chr. hingewiesen. Fr. 38. 81. 83. 101. 103. Vgl. fr. 97. Zum Ausdruck ὁ ἀπὸ/ἐκ τοῦ Περιπάτου s. Busse (1926) 338; zur Bezeichnung Περιπατητικός s. außer der erwähnten Arbeit von Busse auch Schorn (2003) bes. 41 ff. Wegen des gleichnamigen Komikers des 4. Jhs. (PCG IV p. 79 ff.) dürfte die Bezeichnung ‘Peripatetiker’ zur Unterscheidung der beiden bisweilen notwendig sein. Hierzu s. die Ausführungen im Kapitel VIII (S. 178-79). Die Mitglieder der Schule zerfielen in die πρεσβύτεροι (φίλοι/ἑταῖροι), die den Schulleiter unterstützten, und die νεανίσκοι, die einen monatlichen Beitrag bezahlten, s. Busse (1926) 240 Anm. 1; Lynch (1972) 75-76. Plutarchs Bezeichnung erlaubt die Vermutung, dass Klearchos irgendwann auch ἑταῖρος in der aristotelischen Schule war. Letzteres zeigt sich vor allem in der Beschäftigung des Klearchos mit Platons Werk und seiner Zuneigung zur platonischen Philosophie.

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Einleitung

gische Fragen auf. Zunächst stellt sich die Frage nach der Periode dieser Schülerschaft bei Aristoteles. Damit hängt aber auch die Frage nach der Zeit der Geburt des Klearchos zusammen. Da Aristoteles bekanntlich im J. 322/1 starb und da Klearchos “Schüler” oder “Vertrauter” des Aristoteles war, muss er spätestens in den vierziger Jahren (also vor 340 v.Chr.) geboren sein. Insofern aber als diese Zeit nur einen terminus ante quem liefert, stellt sich weiter die Frage, ob die Schülerschaft des Klearchos chronologisch nicht in eine noch frühere Periode des Aristoteles zu setzen ist. Man hat in der Tat angenommen, Klearchos habe Aristoteles kennengelernt, als letzterer sich in Kleinasien (347–345/4 v.Chr.) oder in Mytilene aufhielt (345/4–343/2? v.Chr.) und dort der Lehrbetrieb seiner Schule stattfand. Nach dieser Annahme dürfte Klearchos in den Jahren 380–370 geboren sein.13 Schon die Schrift Arkesilaos des Klearchos bereitet aber eine erste Schwierigkeit: Wenn man nämlich annimmt, dass der Name auf den Begründer der mittleren Akademie Arkesilaos von Pitane hinweist, der 316/5 geboren wurde und 241/0 starb,14 dann ist man gezwungen anzunehmen, dass Klearchos den Dialog während der Lebenszeit des Arkesilaos verfasst hat – eine nicht unmögliche, aber doch ziemlich kühne Annahme (s. Kap. III). Eine noch größere Schwierigkeit bestünde bezüglich des Werks Über die Panik, dessen Abfassungszeit man nach der Schlacht bei Lysimacheia im Jahr 277 v.Chr. setzt (s. unten S. 152). Ist aber die Datierung der Schrift richtig, so würde dies nach der Annahme einer Frühdatierung des Klearchos bedeuten, dass er im Alter von ungefähr 95 Jahren oder gar älter immer noch wissenschaftliche Werke verfasste.15 Die An_____________ 13

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So Taifakos (2008) xxxiv, der Klearchos für ein “μέλος τοῦ ἀριστοτελικοῦ κύκλου τῆς Τρωάδας, ἴσως ἀκόμη καὶ τῆς Μυτιλήνης [...]” hält. Dabei nimmt er an, dass Klearchos der Entwicklung des Aristoteles nach seinen Frühschriften nicht gefolgt und sich deswegen dem platonischen Denken oder pythagoreischen Ideen angeschlossen habe (xxiv). Abgesehen davon aber, dass Jaegers Theorie über die Entwicklung des Aristoteles kaum mehr haltbar zu sein scheint, entspricht die Zuneigung zur platonischen Philosophie (vorwiegend in Bezug auf die Seelenlehre) einer Tendenz im frühen Peripatos und hat eigentlich mit der Kenntnis oder Unkenntnis des aristotelischen Frühwerkes nichts zu tun. Die Tatsache, dass Klearchos von der Tätigkeit des Aristoteles in Assos und Mytilene wusste, wie aus der Schrift Über den Schlaf hervorgeht, ist zweifellos interessant, zugleich aber nahezu selbstverständlich für einen Peripatetiker der ersten Generation. Zur Chronologie der Lebensdaten des Arkesilaos s. T. Dorandi in CHHellPh 32. 48. Die von Stein (1930) 258-9 angenommene Abhängigkeit des Klearchos von Kleitarchos wegen der Verwendung des Wortes γυμνοσοφισταί (Kleit. FGrHist F 6 ~ Klearch. fr. 13) hat für die Chronologie des Klearchos geringe Bedeutung, denn abgesehen davon, dass die Verwendung des Wortes bei Kleitarchos nicht zweifelsfrei ist (sie kann auf D.L. zurückgehen, der das Fragment überliefert), ist die Datierung des kleitarchischen Werkes mit F. Jacoby, RE XI (1921) 626 eher gegen 310 v.Chr. und

Einleitung

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nahme, Klearchos sei Schüler des Aristoteles während der Reisen des letzteren gewesen, ist schließlich aus einem weiteren Grund sehr unwahrscheinlich: Sammelwerke wie z.B. das über die Rätsel (Περὶ γρίφων: fr. 84-95) und Spezialschriften über naturwissenschaftliche Themen (anatomische, zoologische, mineralogische u.a.: fr. 96-110) setzen wohl eine Teilung der wissenschaftlichen Arbeit nach Projekten und somit die Existenz der aristotelischen Schule nach 335 v.Chr. voraus.16 Aus den erwähnten Gründen scheint also sehr wahrscheinlich zu sein, dass Klearchos Schüler des Aristoteles während der Periode des Lykeion war. Wichtiger bleibt in allen Fällen das Ergebnis, dass es sich bei ihm um einen Peripatetiker der ersten Generation handelte. (c) Bei den Ausgrabungen in Ai-Khanum (dem antiken Alexandreia Oxiane?) in Nord-Afghanistan im Jahre 1966 kam im vermutlichen Heroengrab des Stadtgründers Kineas17 eine Statuenbasis mit zwei sehr interessanten Inschriften (Abbildung 1) ans Licht: Die Inschrift rechts enthält die fünf letzten Sprüche der delphischen Sätze, die uns aus der Spruchsammlung unter dem Titel Σωσιάδου τῶν ἑπτὰ σοφῶν ὑποθῆκαι bei Stobaios (III 125-28) bekannt sind;18 die Inschrift links daneben besteht aus zwei Distichen, die berichten, dass “Klearchos” die berühmten Delphischen Maximen der Sieben Weisen sorgfältig abgeschrieben und dort aufgestellt hat: 1 2 3 4

Ἀνδρῶν τοι σοφὰ ταῦτα παλαιοτέρων ἀνάκει[τα]ι ῥήματα ἀριγνώτων Πυθοῖ ἐν ἠγαθέᾳ· ἔνθεν ταῦ[τα] Κλέαρχος ἐπιφραδέως ἀναγράψας εἵσατο τηλαυγῆ Κινέου ἐν τεμένει.

(Diese weisen Worte der doch allbekannten älteren Männer sind in der hochheiligen Pytho aufgestellt. Von dort hat Klearchos sie sorgfältig abgeschrieben und in der heiligen Stätte des Kineas geweiht, so dass sie weithin glänzend gesehen werden.)

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jedenfalls vor 300 v.Chr. anzusetzen (nicht nach 267 v.Chr., wie Stein meinte). Zum Gebrauch des Wortes γυμνοσοφισταί s. auch Karttunen (1997) 56. Dazu s. Brink (1940) 917 ff. Nachrichten über die Tätigkeit des Aristoteles in Assos und Lesbos sind selten, s. Lynch (1972) 71-72. Dass Klearchos erst später, d.h. im Peripatos unter Theophrast oder Straton solche Projekte unternommen hat, scheint eher unwahrscheinlich. Zumindest die Arbeitsweise muss ihm schon von Aristoteles bekannt gewesen sein. Zu Kineas s. W. Leschhorn, “Gründer der Stadt”, (Palingenesia 20) Stuttgart 1984, 314-17. Zur Identifizierung der Stadt s. P.M. Fraser, Cities of Alexander the Great, Oxford 1996, 154-56. Ein Bruchstück der verlorenen Stele mit zwei weiteren Maximen ist noch erhalten, s. Robert (1968) 430-31. Auf einer langen Inschrift im Gymnasium in Miletupolis (Bithynien) findet man ferner einen Teil dieser Spruchsammlung: Dittenberger, Sylloge3 1268 = I.Miletoupolis 2; vier Maximen auch im Gymnasium in Thera: IG XII 3, 1020.

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Abbildung 1. Der Stein mit dem Epigramm des Klearchos und den Maximen der Sieben Weisen in Ai-Khanoum (L. Robert, CRAI 1968, 425)

Louis Robert, der diese Inschrift als erster veröffentlicht hatte, datierte sie hauptsächlich aus paläographischen Gründen in den Anfang des 3. Jh. v.Chr., wies auf die poetische Diktion des Epigramms hin und äußerte nach eingehender Behandlung die Vermutung, es handele sich bei dem erwähnten Klearchos um den Peripatetiker aus Soloi.19 Vor allem aufgrund des fr. 13 der klearchischen Schrift Περὶ παιδείας, wonach die (indischen) Gymnosophisten von den (persischen) Magiern abstammten, nahm Robert an, Klearchos sei nach Indien gereist und habe bei der Reise Ai-Khanoum besucht, wo er das Epigramm aufgestellt habe.20 Die von Robert aufgestellte These wird im allgemeinen akzeptiert.21 Neuerdings hat sie jedoch J. Lerner verworfen, indem er sowohl die Datierung der Inschrift aufgrund von allgemeinen archäologischen Problemen als auch die Identifizierung des erwähnten Klearchos mit dem Peripatetiker in Abrede gestellt hat. Nach Lerners Auffassung “may well have been [sc. der erwähnte Klearchos] a citizen of Ay Kanom who journeyed to Delphi, copied the maxims of the seven sages for his city, and had _____________ 19

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Robert (1968) 421-57; ders., “Les inscriptions”, in: P. Bernard (Hsg.), Fouilles d’Ai-Khanoum, I, Paris 1973, 207-37; ferner Merkelbach – Stauber (2005) Nr. 103 A und B (S. 8 ff.); SEG 52 (2002) 1516; SEG 54, 1567; vgl. auch A.N. Oikonomides, ZPE 37 (1980) 179-83 und CB 63 (1987) 67-76 ; V.-P. Yailenko, DHA 16, 1 (1990) 239-56; Judge (2001) 810-12 (zum Klearchos-Epigramm: 812). Robert (1968) 447-54. So z.B. P. Bernard, “Langue et épigraphie grecques dans l’Asie Centrale à l’époque hellénistique”, in J. A. Todd et al. (Hsgg.), Greek Archaeology without Frontiers, Athens 2002, 78; F. Canali de Rossi, Iscrizioni dello Estremo Oriente Greco, (Inschriften griechischer Städte aus Kleinasien 65) Bonn 2004, 225; Merkelbach – Stauber (2005) 13-14.

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them set up at the temenos upon his return in the waning years of the 3rd cent. or in the first quarter of the 2nd cent. B.C.”22 Die Gegenargumente, die Lerner vorbringt, sind jedoch m.E. kaum durchschlagend. Die paläographischen Argumente Roberts lassen sich nicht mit allgemeinen Aussagen widerlegen, wenn doch die griechische Schrift in Baktrien sich nicht anders als in Griechenland entwickelt hat.23 Lerner hat vielleicht Recht, dass man aus den erhaltenen Fragmenten des Klearchos nicht ohne weiteres auf eine Reise des Peripatetikers nach Indien schließen kann. Aber es kann nicht völlig unbedeutend für unsere Frage sein, dass eben dieser Klearchos nicht nur ein Buch über Sprichwörter geschrieben (fr. 63-83), sondern auch zumindest in einem Fall eine delphische Maxime (γνῶθι σαυτόν, fr. 69 a-d) besprochen hat und offensichtlich auch in Delphi gewesen ist (vgl. fr. 64); oder dass er starkes Interesse am indischen, persischen und jüdischen Orient und an der Weisheit dieser Völker hatte (fr. 6 und 13); oder dass er sich für die Erziehung interessierte (vgl. die Schrift Περὶ παιδείας, fr. 13-16) und im allgemeinen für die griechischen Werte eintrat. Die Tatsache schließlich, dass in Ai Khanoum Abdrücke eines Papyrus mit einem philosophischen (vielleicht aristotelischen) Text über die platonische Ideenlehre sowie ein Pergament mit iambischen Trimetern (einer Tragödie?) entdeckt wurden,24 zeigt, dass es im 3. Jh. v.Chr. in Ai Khanoum Leute gegeben hat, die sich für etwas so spezielles wie die platonische Ideenlehre interessierten. Aber wie soll man sich die Beschäftigung mit philosophisch anspruchsvollen Texten in Ai-Khanoum vorstellen, wenn kein Gelehrter aus dem Mutterland dort gewesen war? Auf der anderen Seite stellt sich natürlich die Frage, wie jemand wie Klearchos der Peripatetiker auf die Idee kam, nach Baktrien zu reisen. Zur letzteren Frage scheint die von R. Merkelbach und J. Stauber geäußerte Vermutung sehr plausibel: _____________ 22 23

24

Lerner (2003-2004) 400. Vgl. W. Clarysse – D.J. Thompson, “Two Greek Texts on Skin from Hellenistic Bactria”, ZPE 159 (2007) 274: “Insofar, therefore, as the limited number of written texts from the third and second centuries BC allows us to form a conclusion, Hellenistic Bactria kept close contact with the written mainstream and writing had not yet developed differently in this region.” Zu den beiden Texten s. Cl. Rapin – P. Hadot, “Les textes littéraires grecs de la Trésorerie d’Aï Khanoum”, BCH 111 (1987) 225-66; Cl. Rapin, Fouilles d’Aï Khanoum VIII: La trésorerie du palais hellénistique d’Aï Khanoum, Paris 1992, 115-30; zum philosophischen Text s. auch M. Isnardi Parente, “Il papiro filosofico di Aï Khanoum”, Studi e testi per il corpus dei papyri filosofici greci e latini 6 (1992) 169-88; J. Lerner, “The Aï Khanoum Philosophical Papyrus”, ZPE 142 (2003) 45-51; zur (unbekannten) ‘Tragödie’ s. auch A. Hollis, “Greek Letters from Hellenistic Bactria”, in D. Obbink – R. Rutherford (Hsgg.), Culture in Pieces. Essays on Ancient Texts in Honour of Peter Parsons, Oxford 2011, 107-109.

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Einleitung

Klearchos wird nicht als Privatmann bis an den Oxos gereist sein, und nicht allein, sondern in einer größeren oder kleineren Gruppe. Er hat auch die Inschrift mit der delphischen Weisheit kaum auf seinen privaten Entschluss hin aufgestellt, sondern im Auftrag Alexanders oder eines der Diadochen, welche das Kommando in den ‘oberen Satrapien’ innehatten, z.B. des Seleukos. Man hat die neu gegründeten Kolonien ja gewiss nicht völlig sich selbst überlassen. Sie benötigten materiellen Nachschub und geistige Unterstützung; der König wird laufend ‘Freunde’ entsandt haben, um nach dem Rechten zu sehen.25

Zur Sache möchte ich nur eine Einzelheit hinzufügen, die unbemerkt geblieben ist, aber vielleicht einiges erklären könnte. Auf dem Kongress von Triparadeisos im Jahr 320 v.Chr. wurde die Herrschaft über Baktrien und Sogdiana einem Landsmann des Klearchos und Hetairos Alexanders d. Gr., Stasanor aus Soloi, übertragen.26 Nach einigen Jahren hatte Stasanor aufgrund seiner erfolgreichen Verwaltung und der guten Beziehungen zur Bevölkerung seine Herrschaft so gefestigt, dass Antigonos nach dem Tod des Eumenes (316 v.Chr.) ihn sowie Tlepolemos in Karmanien als Satrapen belassen hat.27 Stasanor war vielleicht bis 303 v.Chr. Satrap in Baktrien. Es ist nun sehr wohl denkbar, dass Klearchos von Stasanor selbst oder von anderen Zyprioten, die ihm nach Baktrien folgten, eingeladen wurde, um bei der geistigen Entwicklung und der nationalen Verstärkung der neugegründeten Stadt zu helfen.

B. Allgemeines über Klearchos’ Werk Vom Klearchos’ Werk sind mehr als 100 (kürzere oder längere) Fragmente erhalten. Ein Schriftenverzeichnis seiner Werke ist nicht überliefert, wir kennen jedoch die Titel von sechzehn seiner Schriften: 1. Πλάτωνος ἐγκώμιον 2. Περὶ τῶν ἐν τῇ Πλάτωνος Πολιτείᾳ μαθηματικῶς εἰρημένων (‘Über das in Platons Politeia mathematisch Dargestellte’) _____________ 25 26

27

Merkelbach – Stauber (2005) 14-15. Arrian, Succ. Alex. fr. 1, 36 Roos – Wirth = FGrHist 156 F 9, 36; Diod. XVIII 39, 6; Justin XIII 4, 23; s. auch E. Honigmann, “Στασάνωρ”, RE III A 2 (1929) 2152-53; R.A. Billows, Antigonos the One-Eyed and the Creation of the Hellenistic State, Berkeley 1990, 448-9. Zu dem Grund, warum speziell Stasanor als Satrap in Baktrien eingesetzt wurde, s. E.R. Bevan, The House of Seleucus, I, London 1902, 277: “It may well have been that a governor who was a Greek, not a Macedonian, was more likely to manage the restive Greek colonists.” Diod. XIX 48, 1: οὐ γὰρ ῥᾴδιον ἦν τούτους (sc. Τληπόλεμον καὶ Στασάνορα) δι’ ἐπιστολῆς ἐκβαλεῖν, εὖ τὰ πρὸς τοὺς ἐγχωρίους πεπολιτευμένους καὶ πολλοὺς ἔχοντας συναγωνιστάς.

Einleitung

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3. Περὶ ὕπνου (mindestens 2 Bücher) 4. Περὶ τοῦ πανικοῦ (‘Über den panischen Schreck’) 5. Περὶ παιδείας 6. Περὶ φιλίας (mindestens 2 Bücher) 7. Ἐρωτικά (mindestens 2 Bücher) 8. Περὶ βίων (‘Über Lebensformen’, mindestens 8 Bücher) 9. Γεργίθιος 10. Παροιμίαι (2 Bücher) 11. Περὶ γρίφων (2 Bücher) 12. Ἀρκεσίλαος 13. Περὶ θινῶν (‘Über Flussablagerungen’) 14. Περὶ τῶν ἐνύδρων (‘Über Wassertiere’) 15. Περὶ νάρκης (‘Über den Zitterrochen’) 16. Περὶ σκελετῶν (mindestens 2 Bücher). Zwei weitere Schriften, die eine mit Glossen (fr. 111-112) und die andere vielleicht unter dem Titel Τακτικά (113), sind sehr wahrscheinlich als Pseudepigrapha zu betrachten. Im folgenden werden, soweit es die erhaltenen Fragmente erlauben, einige wesentliche Merkmale von Klearchos’ Oeuvre erwähnt. Wie man aus dem Inhalt der Fragmente aber auch aus den Titeln selbst erkennen kann, lassen sich Klearchos’ Schriften in vier Kategorien unterteilen:28 1-2: Schriften über Platon, 3-4: Psychologie, 5-12: Ethik, 13-16: Naturwissenschaften. Manche der erwähnten Schriften dürften eine engere Verwandtschaft haben als man vielleicht auf den ersten Blick anhand der Fragmente erkennen kann. So behandelten Gergithios, Erotika und die Schrift Περὶ φιλίας menschliche Verhaltensweisen (nämlich Schmeichelei, Liebe bzw. Freundschaft), die sich vom ethischen Standpunkt aus betrachtet sehr nahe stehen.29 Ähnliches gilt für die Schriften Περὶ παιδείας und Περὶ γρίφων (die Griphoi werden nach der Definition von Klearchos als Verstandesund Gesellschaftsspiele verstanden, die Bildung voraussetzen). Was die literarische Form dieser Schriften anbelangt, so überwiegt die vom Peripatos bevorzugte Form der Monographie, es finden sich aber auch Dialoge (Gergithios, Über den Schlaf, vermutlich auch Περὶ βίων und _____________ 28 29

Zur Unterteilung vgl. Schneider (1994) 417-20. Vgl. Weber (1880) 23.

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Einleitung

Arkesilaos). Für die Dialoge ist wohl anzunehmen, dass sie nicht nach platonischer Art, sondern nach der Art der aristotelischen Dialoge (s. unten S. 161) geschrieben waren. Die Mehrheit der Schriften des Klearchos zielte zweifellos auf ein breiteres Publikum (man denke nur an das Lob Platons, an die Schrift Über den Schlaf, oder an alle ethischen Werke). Auf der anderen Seite gibt es jedoch einige, die zweifellos für einen engeren Kreis von Interessierten bestimmt waren (z.B. Werke wie Über das in Platons ‘Politeia’ mathematisch Dargestellte oder Über Wassertiere oder Über Skelette). Wie es scheint, zeichneten sich die meisten der klearchischen Werke durch eine reiche Materialsammlung aus, was allerdings nicht bedeutet, dass das reiche Material immer mit wissenschaftlichen Zwecken verbunden war. So waren z.B. die Παροιμίαι trotz des ausgiebigen Materials eher eine Unterhaltungslektüre als eine wissenschaftliche Sammlung, während einige ethische (z.B. die Ἐρωτικά) oder naturwissenschaftliche Werke (z.B. die Monographien wie die über den Zitterrochen: fr. 105) starke paradoxographische Züge aufwiesen, indem sie viele Einzelmirabilien enthielten. Im allgemeinen stellt man bei der Lektüre der Fragmente fest, dass neben dem philosophischen und dem wissenschaftlichen Inhalt das unterhaltende Moment sowie die moralisierende Tendenz stark hervortreten, so dass die Grenzen zwischen den einzelnen Gattungen oft verwischt werden. Zu Recht bemerkt Wehrli in Bezug auf den Peripatos generell, dass die ganze hypomnematische Literatur in den Dienst der Unterhaltung gestellt wurde, und spricht von einer “durchgehenden Popularisierung”.30 Die thematische Verwandtschaft des Werkes des Klearchos mit dem Werk des Aristoteles und der übrigen Peripatetiker ist erwartungsgemäß eng. Das zeigt sich schon bei einem Vergleich der Werktitel: KLEARCHOS

ARISTOTELES

ÜBRIGE PERIPATETIKER

Πλάτωνος ἐγκώμιον

Lob Platons [? fr. 650 R.3]

Aristoxenos: Πλάτωνος βίος

Περὶ τῶν ἐν τῇ Πλάτωνος Πολιτείᾳ μαθηματικῶς εἰρημένων

Theophrastos: Ἐπιτομὴ τῆς Πλάτωνος Πολιτείας

Περὶ ὕπνου

Herakleides Pontikos: Περὶ τῆς ἄπνου

_____________ 30

Wehrli (1969) 100. Zur Ausbildung einer populären Philosophie in hellenistischer Zeit trug wesentlich “die Erweiterung oder vielmehr Öffnung des Zuhörer- oder Leserkreises zum gemeinen Volk hin (populus)” (Scholz [2003] 41) bei.

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vgl. u.a. Herakleides Pontikos: Κλεινίας

Ἀρκεσίλαος Περὶ παιδείας

Περὶ παιδείας

Theophrastos: Περὶ παιδείας ἢ Περὶ ἀρετῶν ἢ Περὶ σωφροσύνης

Περὶ φιλίας

vgl. EN VIII, EE VII

Theophrastos: Περὶ φιλίας

Γεργίθιος

vgl. EN II

Theophrastos: Περὶ κολακείας

Ἐρωτικά

Ἐρωτικά Θέσεις ἐρωτικαί Ἐρωτικός

Theophrastos: Περὶ ἔρωτος, Ἐρωτικός Herakleides Pontikos: Ἐρωτικός Demetrios von Phaleron: Ἐρωτικός Ariston von Keos: Ἐρωτικά ὅμοια (= Ἐρωτικαὶ διατριβαί)

Περὶ τοῦ πανικοῦ

vgl. Περὶ ψυχῆς Theophrastos: Περὶ βίων Herakleides: Περὶ βίων Straton: Περὶ βίων Dikaiarchos: Περὶ βίων

Περὶ βίων

Παροιμίαι

Theophrastos: Περὶ παροιμιῶν Dikaiarchos: Sprichwörter

Ὀπτικόν Περὶ χρωμάτων

Theophrast: Περὶ ὄψεως

Mineralogisches

Περὶ τῆς λίθου

Theophrast: Περὶ λίθων

Botanisches

Περὶ φυτῶν

Theophrast: Περὶ φυτικῶν ἱστοριῶν, Φυτικὰ αἴτια

Περὶ τῶν ἐνύδρων

Περὶ ἰχθύων (Περὶ ἐνύδρων)

Παροιμίαι Περὶ γρίφων Optik Mondtheorie Περὶ θινῶν

Περὶ νάρκης Περὶ σκελετῶν

Περὶ ζῴων μορίων

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Schon aus dieser Tabelle geht hervor, dass Klearchos in Bezug auf seine Interessen ganz in peripatetischer Tradition steht. Zwar gehörten anscheinend Ontologie, Logik, Politik, Rhetorik, Poetik und einige weitere Bereiche nicht zu seinen Interessen, doch ist eine gewisse Beschränkung, was die Interessen betrifft, bei allen Peripatetikern (mit der Ausnahme vielleicht des Theophrast) festzustellen und war eventuell unvermeidlich nach der umfangreichen Breite der aristotelischen Forschungen. Die Thematik der Werke besagt aber wenig über Klearchos’ eigene Stellung zu den einzelnen Themen. Dass er der aristotelischen Lehre nicht überall treu blieb, hat man schon in der Antike bemerkt. In dem bereits erwähnten Zeugnis aus Plutarchs Dialog De facie in orbe lunae 920E (= Klearchos fr. 97) erwähnt der Gesprächspartner Lamprias, dass Klearchos πολλὰ τοῦ Περιπάτου παρέτρεψεν. Das bedeutet zweifellos, dass er in “vielen” Sachen die echte Lehre des Peripatos “abgeändert” hat, d.h. von ihr abgewichen ist.31 Worauf beziehen sich aber die erwähnten “Abweichungen” von der Schullehre? Mit der Angabe “viel” und dem hier negativ gefärbten Verb παρατρέπω können schwerlich nur die Abweichungen in Einzelfragen der Naturwissenschaften und speziell der Astronomie gemeint sein. Plutarch, der nicht nur sehr oft auf Aristoteles verweist und seine Meinungen diskutiert, sondern bekanntlich vor allem das platonische Werk sehr gut kennt, deutet damit vermutlich vorwiegend auf die Hinneigung des Klearchos zum Dualismus der platonischen Seelenlehre.32 Anhand von Fragmenten kann man natürlich schwer über die Sprache und den Stil eines Autors sprechen. Die Hauptschwierigkeit liegt darin, dass die Fragmente oft kurz und aus dem Zusammenhang gerissen sind, so dass, auch wenn eine Einzelbemerkung möglich ist, jegliche Verallgemeinerung, besonders im Fall von dialogischen Werken, zu einer Fehlinterpretation der Erscheinungen führen kann. Dennoch erlauben uns vielleicht manche längeren Fragmente des Gergithios, der Erotika und der Schrift Περὶ βίων, auch hierzu einige Bemerkungen zu machen. Was die Sprache des Klearchos vor allem kennzeichnet, ist das Vorkommen von seltenen Wortbildungen oder (zumindest in der vorchristli-

_____________ 31

32

Die Abweichung der Peripatetiker von der aristotelischen Lehre war allerdings keine außergewöhnliche Sache. Zwar folgten einige, wie Eudemos, seiner Lehre treu, es gab jedoch andere (wie z.B. Dikaiarchos und Straton), die wesentliche Bestandteile seiner Lehre in Frage stellten. Vgl. in diesem Zusammenhang auch, was Quintilian sogar über Theophrast bemerkt (Inst. orat. III 8, 62 = 694 FSHG): secutus in hoc auctoritatem praeceptoris sui, quamquam dissentire ab eo non timide solet. Vgl. Wehrli (1969a) 80.

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chen Zeit) selten verwendeten Wörtern:33 παρεντάττω (fr. 4), θαυμασιότης (fr. 6, in der Bedeutung ‘wunderbare Natur’), ἀπρόσοπτος (fr. 8), συνανθρωπίζω (fr. 1534), ἀρεσκεύομαι (fr. 19), συναμφιάζω (fr. 19), ποικιλόφωνος (fr. 20), σχηματοθήκης (fr. 20), ἐντυχία (fr. 25), ἐκτρυφάω35 (fr. 25), ὡριαίνομαι (fr. 25), πλησιασμός36 (fr. 36), συνταλασιουργέω (fr. 43a), ἐνακολασταίνω (fr. 47), μητραγυρτέω37 (fr. 47), τυμπανοφορέομαι (fr. 47), κρεανομέομαι (fr. 47), παρυφίς38 (fr. 48), προσελυτρόω (fr. 54), προλούομαι (fr. 57), ἀσιγμοποιέω (fr. 87), ferner die Adjektive περιαλγής39 (fr. 8) und ὑμένινος (fr. 54).40 Der Grund für den Gebrauch solcher seltener Wörter (oder gar hapax eiremena) mag bisweilen in der Sache selbst liegen (besonders wenn es sich um Termini oder Begriffe handelt).41 Im Gegensatz zum Wortschatz weist die Syntax kaum auffallende Besonderheiten, zumal wirkliche Fehler auf.42 Nicht einmal bei dem Gebrauch von Partikeln und Präpositionen findet man Irrtümer. Die Partikel καίπερ (fr. 3. 41) wird genauso oft wie καίτοι (fr. 16. 41) verwendet und richtig davon unterschieden;43 hervorhebende Partikel kommen (wie im allgemeinen in der hellenistischen Literatur) nicht so häufig vor, γε (fr. 8. 19. 63. 63I. 99) wird aber gegen die Tendenz der Zeit auch nach Einzelwörtern (wie τοῦτο, λίαν u.a.), nirgends aber nach καίτοι gesetzt;44 kein nachgestelltes τοιγαροῦν (fr. 9. 19. 47) ist aufzufinden.45 Die Präpositionen ὑπό und ὑπέρ mit Akkusativ sowie die Präposition διά, bei deren Gebrauch _____________ 33

34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45

Zu ähnlichen sprachlichen Symptomen des beginnenden Hellenismus s. Jaeger (1938b) 22 ff.; zu den vielen ‘neuen’ Wörtern der hellenistischen Zeit allgemeiner s. A. Thumb, Die griechische Sprache im Zeitalter des Hellenismus, Strassburg 1901, 223 ff. Man beachte, dass es sich bei Klearchos in den meisten Fällen um Komposita handelt. Das Wort συνανθρωπίζω (= συνανθρωπεύομαι, ‘mit Menschen zusammen leben’), stammt wahrscheinlich aus Aristoteles, vgl. HA 488b3. Vgl. Tim. Hist. FGrHist 566 F 50. Vgl. Arist. Rh. 1382a32. Vgl. Antiphanes fr. 157, 8 K.-A. Vgl. Menand. fr. 370 K.-A. Vgl. Pl. Rep. 462b9 sowie den Titel eines Werkes des Komödiendichters Platon (PCG VII p. 479). Nicht berücksichtigt wurden Termini wie μαλακοκόλαξ, παραγκωνιστής, σχηματοθήκης (fr. 20), μίμαυλος (fr. 93) und Wörter, die explizit anderen zugeschrieben werden, wie z.B. ῥαβδοδίαιτος (fr. 41) oder σίζει (fr. 81). Die vielen Wörter über Textilien und Farben gehören auch hierzu. Vgl. z.B. nur in fr. 16: ψιλοτάπιδι, ἀμφίταπον, βύσσινα παραλουργῆ, ὑσγινοβαφῆ, λυδίῳ. Die allgemeine Behauptung von J. Schweighäuser, Animadversiones in Athen. Deipn., V, Straßburg 1802, 516, der den Sprachgebrauch des Klearchos mit seiner von ihm angenommenen Heimatstadt, dem kilikischen Soloi, verbunden sieht, ist nicht stichhaltig. Vgl. Blomqvist (1969) 19. 41 ff. 46 ff. 141 ff. Vgl. Blomqvist (1969) 29 ff.; 43 ff. Vgl. Blomqvist (1969) 130 f.

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man schon bei Aristoteles Abweichungen von der Prosa der klassischen Zeit findet,46 werden bei Klearchos richtig benutzt. Der Stil des Klearchos zeichnet sich in seinen ethischen Schriften gelegentlich durch gekünstelte und kühne Wendungen aus. Ich gebe nur einige Beispiele: ἐν γυναικῶν μορφαῖς ἀπεριηγήτοις (fr. 8); τὸ σπέρμα τῶν ἐλλογίμων κολάκων47 (fr. 19); ὑπὸ τῆς τρυφῆς εἰς ὕβριν ποδηγηθέντες (fr. 48); ὁ βουλόμενος καθάπερ εἰς ἀτυχῆ παραπηδῶν ἀγέλην ἐθοινᾶτο ταῖς ἐπιθυμίαις τὴν τῶν ἀθροισθέντων ὥραν (fr. 48).48 Seine Ausdrucksweise erscheint ferner in einigen Fällen etwas geschraubt und unnötig kompliziert. Als Beispiel seien Fragen wie die folgende aus den Erotika (fr. 24) erwähnt: ἢ διὰ τὸ πολλάκις τοὺς ἐρῶντας διὰ τὴν πτοίησιν, ὡς ἔοικεν, στεφανουμένους περιαιρεῖν αὑτῶν τὸν στέφανον ἀντιστρέφομεν τῇ ὑπονοίᾳ τὸ πάθος, ὡς οὐκ ἄν ποτε τοῦ στεφάνου περιρρέοντος εἰ μὴ ἤρων; Das Verständnis wird unnötig manchmal auch in Perioden erschwert, in denen der Inhalt etwas abstrakter wird. Im fr. 16 z.B., in dem anlässlich der Polemik gegen die Kyniker über die Tugenden des Hundes gesprochen wird, liest man folgende Periode: αἰσθήσει τε γὰρ τῇ κατ’ ὄσφρανσιν καὶ πρὸς τὸ οἰκεῖον καὶ ἀλλότριον θαυμαστόν (sc. τὸ ζῷον), καὶ τῷ συνανθρωπίζον οἰκουρὸν εἶναι καὶ φυλακτικὸν τοῦ τῶν εὖ δρώντων βίου πάντων περιττότατον. Beispiele wie die erwähnten finden sich aber nicht häufig. Den Eindruck des gekünstelten Stils verstärkt ferner der schon erwähnte Gebrauch von seltenen Wörtern. Diese Erscheinung ist umso bemerkenswerter, als sie sich selbst in Passagen aus naturwissenschaftlichen Monographien betrachten läßt. Im Fragment 101 z.B. aus der Schrift Über die Wassertiere, in dem der Adonisfisch beschrieben wird, kommen auch seltene Wörter vor (συνεξορούω, προσκυλινδέομαι, παρευδιαστής). Man hat allerdings in solchen Fällen den Eindruck, dass es sich um Fachausdrücke handelt, die von der Sache selbst bedingt sind und keinem besonderen stilistischen Zweck dienen, denn die Fakten werden sonst einfach und klar beschrieben. Ebenfalls durch den Inhalt bedingt sind die etwas verwickelten Satzkonstruktionen in den Fragmenten aus der Schrift Ἐρωτικά, in denen Themen in der Art und Weise der Problemata-Literatur behandelt werden (fr. 24-25). Im Gegensatz zu den erwähnten Fällen bekommt man in anderen den Eindruck, dass Klearchos auf einen überladenen oder geschraubten Stil zielt. Als Beispiel sei hier der Anfang des fr. 47 der Schrift Περὶ βίων angeführt: _____________ 46 47 48

Dazu s. P.T. Stevens, “Aristotle and the Koine – Notes on the Prepositions”, CQ 30 (1936) 204 ff. Vgl. Dem. 25.48 πλὴν εἰ συκοφάντου τις καὶ πονηροῦ σπέρμα καὶ ῥίζαν, ὡσπερανεὶ γεωργός, οἴεται δεῖν ὑπάρχειν τῇ πόλει. Vgl. auch Blass (1865) 45-6.

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Διονύσιος δ’ ὁ Διονυσίου ἁπάσης γενόμενος Σικελίας ἀλάστωρ εἰς τὴν Λοκρῶν πόλιν παρελθὼν οὖσαν αὐτῷ μητρόπολιν (Δωρὶς γὰρ ἡ μήτηρ αὐτοῦ τὸ γένος ἦν Λοκρίς) στρώσας οἶκον τῶν ἐν τῇ πόλει τὸν μέγιστον ἑρπύλλοις καὶ ῥόδοις μετεπέμπετο μὲν ἐν μέρει τὰς Λοκρῶν παρθένους.

Die lange Anfangsperiode mit den vier aneinandergereihten Partizipialsätzen lässt eine seltsame oder furchtbare Erzählung erahnen, wofür schon das häufig in der Tragödie vorkommende Wort ἀλάστωρ ein unmissverständliches Signal gibt.49 Dass in der darauf folgenden Erzählung viele ungewöhnliche Wörter auftauchen, wie oben schon erwähnt wurde, nimmt insofern nicht wunder. Der Wortgebrauch und die Satzkonstruktion stehen also im allgemeinen eng mit dem gewählten Stil in Zusammenhang. Im Anschluss an die Diskussion über den Stil des Klearchos sei hier eine Bemerkung über seine Literaturkenntnisse hinzugefügt. Die Zahl der angeführten Dichterzitate oder der erwähnten Autoren in den erhaltenen Fragmenten ist vergleichsweise hoch. Ich gebe im folgenden nach chronologischer Ordnung nur die Namen der erwähnten Autoren oder Texte (mit der entsprechenden Nummer des Klearchos-Fragments in eckigen Klammern) an: Sappho fr. 122 L.-P./Voigt [fr. 25]; Theognis 215-6 [fr. 75]; Pindar fr. 77b Sn.-M. [fr. 88]; Kallias T *7 K.-A. [fr. 91a]; Philoxenos aus Kythera PMG fr. 15 [fr. 57]; Antiphanes fr. 115 K.-A. [fr. 39]; Anaxilas fr. 18 K.-A. [fr. 60]; Archestratos fr. 4 Olson – Sens [fr. 78/79a]; Philainis [fr. 63]50; Eriphanis [fr. 32]; Kastorion SH 310 [fr. 88]; Lykophronides PMG 1 [fr. 22] und PMG 2 [fr. 24]; Pamphilos aus Sizilien SH 597 [fr. 89]; Charmos aus Syrakus [fr. 90]; lokrische Lieder [fr. 33]. In Sammelwerken bietet sich natürlich dem Verfasser oft die Möglichkeit, Zitate anzuführen. Man beachte jedoch, dass zu den zitierten oder erwähnten Autoren nicht nur berühmte, sondern auch einige weniger bekannte gehören, was für die große Belesenheit des Klearchos spricht. Es dürfte methodisch sehr kühn sein, über die Stellung eines antiken Autors, dessen Werk nur fragmentarisch erhalten ist, in der Philosophiegeschichte zu sprechen. Dennoch begegnet man gelegentlich in allgemeinen Philosophiedarstellungen solchen Urteilen über Klearchos. Als charakteristisch und zugleich belangvoll erwähne ich das Urteil des großen Philosophiehistorikers Eduard Zeller: “Im ganzen macht Klearch durch_____________ 49

Vgl. Timaios FGrHist 566 F 29. Da Timaios die Geschichte nicht als erster erzählt hatte, sondern sie schon bei Herakleides Pontikos stand (Tertullian De anima 46, vgl. Jacobys Kommentar zum Timaios-Fragment), ist Klearchos vermutlich auch in diesem Fall Herakleides gefolgt. 50 Vgl. POxy 2891; s. vor allem K. Tsantsanoglou, “The Memoirs of a Lady from Samos”, ZPE 12 (1973) 183-95; ferner D.W. Thomson Vessey, “Philainis”, RBPh 54 (1976)

78-83, bes. 79.

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aus mehr den Eindruck eines mit mancherlei Wissen ausgerüsteten, aber ziemlich oberflächlichen Literaten, als den eines gründlichen Gelehrten und Philosophen.”51 Vergleicht man die erhaltenen Fragmente des Klearchos mit dem Werk bekannter Philosophen der hellenistischen Zeit, so wird man zunächst vielleicht versucht sein, dem Urteil Zellers zuzustimmen. Doch ist eine gewisse Zurückhaltung bei einem solchen Urteil aus dreierlei Gründen angebracht. Erstens stellt sich die Frage, ob die erhaltenen Fragmente wirklich ein repräsentatives oder überhaupt zuverlässiges Bild des Klearchos liefern. Natürlich stellt sich die gleiche Frage mehr oder weniger bei allen Autoren, deren Werk fragmentarisch überliefert ist. Die Sache erscheint jedoch im Fall der Klearchos-Fragmente etwas problematischer, was hauptsächlich darin liegt, dass die meisten der Fragmente durch Athenaios überliefert werden. Wie man im Fall von historischen Fragmenten allgemeiner festgestellt hat, führt Athenaios den Text zumindest solcher Fragmente nicht immer neutral an, sondern er zitiert sie bisweilen ungenau, stellt sie nach den eigenen schriftstellerischen Zwecken dar und ergänzt oder modifiziert sie durch eigene Wörter (hauptsächlich in Eingang- oder Übergangstellen von Frag-menten und dort, wo es sich um moralische Kausalität handelt).52 Das erschwert natürlich das Urteil über viele Fragmente ähnlichen Charakters aus Klearchos (z.B. aus Werken wie dem Gergithios, Περὶ βίων u.a.). Hinzu kommt, dass das Hauptinteresse des Athenaios bekanntlich der Unterhaltung und gelegentlich der Pikanterie, kaum aber der Philosophie galt, was für die Fragmente aus Werken des Klearchos mit philosophischerem Charakter nicht ohne Folgen sein kann. Dazu sei hier nur ein charakteristisches und lehrreiches Beispiel erwähnt. Aus der Schrift mit dem vielversprechenden Titel Über das in Platons ‘Politeia’ mathematisch Dargestellte überliefern Athenaios und Plutarch von demselben Fragment völlig unterschiedliche Details: Der erste beschränkt sich auf eine Beschreibung des Fangs von Wachteln und Krähen während ihrer Begattung (fr. 3); beim zweiten findet man jedoch komplizierte Ausführungen über das platonische Zahlensystem (fr. 4), etwas, was man in einem solchen Werk in der Tat erwarten würde. Wäre Athenaios unsere einzige Quelle, könnte man meinen, dass auch ein so betiteltes Werk nicht über das Paradoxographische hinausging. Mit anderen Schriften bei Athenaios steht die Sa_____________ 51 52

Zeller (1921) 896. Dazu s. hauptsächlich D. Ambaglio, “I Deipnosofisti di Ateneo e la tradizione storica frammentaria”, Athenaeum 78 (1990) 51-64; Chr. Pelling, “Fun with Fragments. Athenaeus and the Historians”, in Braund – Wilkins (2000) 175 ff.; R.J. und V.B. Gorman (2007); etwas anders D. Lenfant in: dieselbe (ed.), Athénée et les fragments d’historiens. Actes du colloque de Strasbourg (16–18 juin 2005), Paris 2007, 43-72, vgl. aber Chr. Pelling, CR 59 (2009) 429.

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che ebenfalls nicht viel besser: Aus der ganzen Schrift Über die Freundschaft führt Athenaios nur zwei sehr kurze Anekdoten an (fr. 17-18, s. Kap. IV); aus der wohl geologischen Schrift Über Flussablagerungen erwähnt Athenaios nur kurz etwas über die Erforschung der Nilquellen durch Psammetich, der “Fische essende” Knaben aufziehen ließ (fr. 98); aus den Fragmenten der Schrift Über Skelette (fr. 106-110), die man bei verschiedenen Autoren findet, vermag man nicht Klearchos’ Anliegen zu erkennen (ging es nur um die Namen der Körperteile oder auch um ihre Funktion?); aus dem Fragment Über die Panik (fr. 36), in dem von dem Samenerguss verschiedener Vögel gesprochen wird, lässt sich nur ahnen, dass es sich um ein hochinteressantes Werk handelte, in dem seelische Phänomene vor dem Hintergrund aristotelischer Seelenlehre diskutiert wurden (s. unten Kap. VI). Auch wenn bei einigen Werken längere Fragmente einen anscheinend besseren Einblick in ihren Inhalt und Charakter erlauben, erscheint jedoch bei diesem Sachverhalt jegliches Gesamturteil über Klearchos bedenklich. Aus dem Schweigen der Quellen andererseits auf die Qualität eines Werkes zu schließen, wäre ebenso unberechtigt. Ein weiterer Grund, der eine möglichst objektive und einwandfreie Beurteilung der Fragmente des Klearchos erschwert, hängt mit Eigenheiten der hellenistischen Philosophie und speziell des Peripatos zusammen. Die allgemeine Entwicklung ist ziemlich bekannt: In der Zeit nach Aristoteles haben sich Ziel und Inhalt der Philosophie, ja der Begriff der Philosophie als solcher geändert. Im Gegensatz zur Ethik spielt die Metaphysik keine große Rolle mehr. Die Philosophie wird eher als eine auf theoretischen Prinzipien beruhende ‘Lebenskunst’ (ars vivendi) verstanden, und ihr Interesse gilt vorwiegend dem menschlichen Charakter.53 Die Philosophie bietet die theoretische Grundlage für die Erforschung der Einzelheiten. Von der Stoa und dem Garten Epikurs unterscheidet sich der Peripatos stark durch zwei wesentliche Merkmale: Erstens räumt er der Ethik keine beherrschende Rolle ein. Zweitens entwickelt sich die Schullehre des Peripatos wegen der Verselbständigung der Wissenszweige und der hohen Spezialisierung nicht zu einem abgeschlossenen und dogmatischen System.54 Dies erlaubt größeren Raum für Autonomie und insofern für eine gewisse Selbständigkeit der Peripatetiker: Zum Peripatos gehören einfach all diejenigen, die sich trotz Abweichungen in Details hauptsächlich zur aristotelischen Lehre bekennen. Nach dem Tod des Aristoteles ist allerdings ein Zwiespalt unter seinen Schülern erkennbar: auf der einen Seite Theophrast und Eudemos, auf der anderen Aristoxenos und Dikaiar_____________ 53 54

Dazu s. Chroust (1954) 197 ff. 252. Zur Entwicklung des Peripatos in der vorchristlichen Zeit s. vor allem Brink (1940) 913 ff. und Wehrli (1969e) 95 ff.

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chos.55 Die Abtrennung der Ethik von der ‘exakten Philosophie’ führt schließlich dazu, dass die philosophischen Werke an Problemgehalt verlieren und oft einen katalogisierenden, ‘doxographischen’ Charakter annehmen.56 Das wiederum hat eine Grenzverwischung zwischen den einzelnen literarischen Gattungen zur Folge.57 Nach diesen allgemeinen Bemerkungen kehren wir zu Klearchos zurück. Einige Merkmale seines Werkes (z.B. fachwissenschaftliche Gelehrsamkeit, monographische Darstellungsweise, Vielfältigkeit, große Produktivität) erkennt man leicht als typisch peripatetisch. Deutlich peripatetisch ist auch das Interesse an den Naturwissenschaften sowie an der Psychologie, dem Ethos, dem Bios (letzterer auch im Sinne der ‘Lebensführung’, vgl. unten Kap. VII). Die Verbindung der aristotelischen Ideen und der peripatetischen Arbeitsweise (vor allem in ihren wissenschaftlichen Schriften) mit einem pythagoreisch gefärbten, dualistischen Platonismus und einer populären Behandlung der Ethik sind ferner im Sinne der oben erwähnten Selbständigkeit der Peripatetiker aufzufassen. Nicht weniger peripatetisch sind jedoch auch Themen und Darstellungsweisen, die man auf den ersten Blick wohl nicht als solche, sondern eher als volkstümlich bezeichnen würde. Zwei Beispiele seien hier erwähnt. Erstes Beispiel: Die Sammlung und die Behandlung von Sprichwörtern im Werk Περὶ παροιμιῶν erweckt vielleicht zunächst den Eindruck, dass es sich um ein reines Sammelwerk handelte, das eventuell im Rahmen eines der vielen wissenschaftlichen Projekte des Peripatos entstand und deswegen keinen weiteren Anspruch hatte. Aber das war wohl nicht der Fall. Das Werk entstand wahrscheinlich weniger aus dem volkskundlichen Interesse eines Sprichwörterforschers, als eher vor einem philosophischen Hintergrund. Es hängt nämlich mit der Annahme einer ‘Urphilosophie’ zusammen und geht somit auf die ganze Diskussion über die Notwendigkeit und Nützlichkeit der Philosophie zurück. Schon Aristoteles selbst hatte sich ja unter diesem Aspekt mit den Sprichwörtern befasst und glaubte, dass sie Überbleibsel einer alten Philosophie seien.58 Weiteres Beispiel: Anekdoten werden oft als Elemente nur der Unterhaltungsliteratur aufgefasst und infolgedessen als philosophisch unbedeu_____________ 55 56 57 58

Hierzu s. Brink (1940) 921. Brink (1940) 918. Zur Grenzverwischung s. Wehrli (1969e) 99 f. Aristot. fr. 13 R3: παλαιᾶς εἰσι φιλοσοφίας ἐν ταῖς μεγίσταις ἀνθρώπων φθοραῖς ἀπολομένης ἐγκαταλείμματα περισωθέντα διὰ συντομίαν καὶ δεξιότητα. Vgl. Klearchos fr. 63 τῶν γρίφων ἡ ζήτησις οὐκ ἀλλοτρία φιλοσοφίας ἐστί, καὶ οἱ παλαιοὶ τὴν τῆς παιδείας ἀπόδειξιν ἐν τούτοις ἐποιοῦντο). Übrigens findet sich unter den Titeln der aristotelischen Werke im Verzeichnis bei Diogenes Laertios auch eine Schrift mit dem Titel Παροιμίαι (V 21, Z. 392 Dor. = Arist. fr. I 138 R3).

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tend betrachtet. Doch ist seit dem 4. Jh. die Sammlung und Veröffentlichung von Anekdoten eine neue Form philosophischer Darbietung.59 Sie entstand in Zusammenhang mit der Sokratik und diente meistens dazu, das Porträt eines Denkers durch eine Reihe von Anekdoten zu veranschaulichen. Wegen ihrer pädagogischen Wirkung können aber Anekdoten auch bei jeglicher Diskussion mit ethischem oder protreptischem Charakter verwendet werden. Allein das Vorhandensein von Anekdoten in einer Schrift, wie z.B. in der Über die Freundschaft (s. unten Kap. IV), ist also an sich kein Beweis, dass in ihr Themen bloß auf unterhaltsame oder unphilosophische Art diskutiert werden. Ihr Vorhandensein besagt nur etwas über die philosophische Form der Schrift. Damit kommen wir aber zum dritten Grund, der bei der Beurteilung des Klearchos nicht berücksichtigt wird und der mit der literarischen Form der Werke zusammenhängt. Wenn man, wie Zeller im oben angeführten Zitat, allgemein von ‘Klearchos’ spricht, wird dadurch impliziert, dass ein Gesamturteil möglich ist, da wir trotz der Differenzen der Schriften bezüglich ihrer Literaturgattung (Dialoge, Monographien usw.) letztlich mit einem einheitlichen Werk zu tun haben. Man geht also von der Vorstellung aus, dass die literarische Gattung für die Form, kaum aber für den Gehalt eines philosophischen oder wissenschaftlichen Werkes von Bedeutung ist. Dies gilt jedoch zumindest für viele Peripatetiker – und bestimmt für Klearchos – nicht. Diesen Sachverhalt hätte man eigentlich schon aus dem Fall des Lehrmeisters vermuten können. Aristoteles hat bekanntlich nicht nur Lehrschriften, sondern auch zahlreiche und bedeutende Dialoge verfasst.60 Letztere waren sowohl in ihrer Sprache als auch in ihrem Inhalt von den Lehrschriften sehr verschieden. Sie verdankten erwartungsgemäß vieles den Werken und dem philosophischen Denken Platons, aber auch dem vorsokratischen Denken und den vorphilosophischen Traditionen.61 Die aristotelischen Dialoge sowie die Dialoge anderer Peripatetiker der ersten Generation hatten als gemeinsames Kennzeichen die erbaulichen Erzählungen populären Ursprungs. Bei einigen Peripatetikern soll auch die schlichte Antithese Tugend – Laster/Lust charakteristisch gewesen sein. Trifft diese Beschreibung in ihren groben Zügen zu, so hat sie auch für die Wertung der exoterischen Werke des Klearchos gewisse Bedeutung. Denn vor diesem Hintergrund sind z.B. der protreptische Ton sowie die Bedeutung der Schwelgerei (τρυφή) und der Lust (ἡδονή) im klearchischen Dialog Περὶ βίων (s. Kap. VII) nicht als naive oder volkstümliche _____________ 59 60 61

Dazu s. Gigon (1959) 85 f. Allgemein zu den aristotelischen Dialogen und Aristoteles als Schöpfer der neuen Art des literarischen Gesprächs, des “wissenschaftlichen Diskussionsdialogs”, s. Jaeger (1923) 27 ff. Dazu s. Wehrli (1972).

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Elemente aufzufassen. Das gilt umso mehr, als in einigen Themen, wie z.B. in den sogenannten ἐρωτικοὶ λόγοι, die exoterischen Schriften in einer Tradition stehen, die von den Vorsokratikern (Prodikos, Kritias) und Sokratikern (Antisthenes) über Platon (Symposion, Phaidros) und Aristoteles (fr. 95-98 R3) bis auf die Peripatetiker (Herakleides, Theophrastos, Klearchos, Ariston, Demetrios) reicht und interessanterweise gemeinsame stilistische Merkmale aufweist.62 Ohne diesen Zusammenhang sind natürlich die Ἐρωτικά des Klearchos kaum verständlich. Aber auch das Interesse des Klearchos für den Orient in seiner Schrift Über den Schlaf (in dem zum ersten Mal in der Literatur die Begegnung eines Griechen mit einem Juden beschrieben wird) sowie für parapsychische Phänomene (wieder in dem erwähnten Dialog) spiegeln vorwiegend platonisierende Tendenzen der exoterischen Literatur wider. Und es kann kaum Zufall sein, dass eben dieser Dialog den starken Einfluss des früheren Mitglieds der Akademie Herakleides von Pontos verrät, der Dialoge mit der gleichen Tendenz zu schreiben pflegte und im allgemeinen großen Einfluss auf Klearchos ausübte.63 Herakleides und Klearchos vertreten in solchen Dialogen einen “Proletarierplatonismus”.64 Was also Wehrli in Bezug auf die aristotelischen Dialoge festgestellt hat, dass sie nämlich “allgemein literaturgeschichtlich bedingt sind und darum nach anderen Gesichtspunkten beurteilt werden müssen als die Lehrschriften”,65 gilt genauso für die exoterischen Schriften des Klearchos. Von einem literarisch und philosophisch einheitlichen Schriftsteller ‘Klearchos’ kann man also schwerlich sprechen. Damit soll freilich nicht gesagt werden, dass jegliche Wertung einzelner klearchischer Schriften oder jegliche Aussage über ihren philosophischen Gehalt und ihren Stil willkürlich oder unmöglich ist. Es ist vielmehr ein Gesamturteil über Klearchos, dessen Wert stark zu bezweifeln ist. Wichtiger als solche Urteile erscheint zunächst das Verständnis der erhaltenen Fragmente und, wenn möglich, die Rekonstruktion der einzelnen Schrift. Dafür sind aber eingehende Einzeluntersuchungen erforderlich.

_____________ 62

63 64 65

Zum Thema s. ausführlich Lasserre (1944); vgl. Wehrli (1972) 224-25 mit seiner wichtigen Bemerkung zu dieser Literatur: “Das Erhaltene erweist sich als stilistisch zusammengehörig durch die kulturgeschichtlichen und moralischen Betrachtungen sowie durch die zwischen Erbaulichkeit und Pikanterie schillernden anekdotischen Exempla; wir kennen dies alles schon als die allgemeinen Merkmale der exoterischen Schriftstellerei des Peripatos.” Dazu s. Wehrli (1969a) 47; Wehrli (1969e) 98. 113 f. Wehrli (1972) 219. Wehrli (1972) 220.

TEXTE

I. Πλάτωνος ἐγκώμιον fr. 2a (= 1a T.[aifakos]) Diogenes Laertius III 2 Dorandi: Σπεύσιππος δ’

ἐν τῷ ἐπιγραφομένῳ Πλάτωνος περιδείπνῳ (fr. 147 Isnardi Parente = 1a Tarán = FGrHist 1009 F 1a) καὶ Κλέαρχος ἐν τῷ Πλάτωνος ἐγκωμίῳ καὶ 5 Ἀναξιλίδης (FGrHist 1095 F 1a) ἐν τῷ δευτέρῳ Περὶ φιλοσόφων φασίν ὡς Ἀθήνησιν ἦν λόγος ὡραίαν οὖσαν τὴν Περικτιόνην βιάζεσθαι τὸν Ἀρίστωνα καὶ μὴ τυγχάνειν· παυόμενόν τε τῆς βίας ἰδεῖν τὴν τοῦ Ἀπόλλωνος ὄψιν· ὅθεν καθαρὰν γάμου φυλάξαι ἕως τῆς ἀποκυήσεως. 10

fr. 2b (= 1b T.) Hieronymus Adversus Iovinianum I 42 (309): Speusippus (fr.

148 Isnardi Parente = 1b Tarán = FGrHist 1009 F 1b) quoque, sororis Platonis filius, et Clearchus in laude Platonis et Anaxilides (FGrHist 1095 F 1b) in secundo libro philosophiae Perictionem matrem Platonis phantasmate Apollinis opressam ferunt et sapientiae principem non aliter arbitrantur nisi de partu virginis editum.

2-3 περιδείπνῳ ... Πλάτωνος om. B1, suppl. B2mg 2 περιδείπνῳ B2 P4 : περὶ δείπνω F : περὶ δείπνου B1 P1 (Q) 5 ἀναξιλίδης F (-ήδης B : -ιάδης P1) : Ἀναξιλαΐδης Cobet : Ἀναξιλεΐδης Lang 6 γάμου ante οὖσαν add. Marcovich 7 τυγχάνειν] ἐπιτυγχάνειν F2 11 Anaxilides AC : Amaxilides ESϚ 12 phantasmate CϚ : fantasmate A : fasmatae ES

II. Περὶ ὕπνου fr. 5 (= 4b T.) Clemens Stromata I c. XV 70, 2 Stählin - Früchtel - Treu (cf. Euseb. Praep. evang. IX 6, 2): Κλέαρχος δὲ ὁ Περιπατητικὸς εἰδέναι φησί τινα Ἰουδαῖον, ὃς Ἀριστοτέλει συνεγένετο.

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fr. 6 (= 4a T.) Iosephus Contra Apionem I 22 §175 (cf. Euseb. Praep. evang. IX 5, 2-7): ὅτι δὲ οὐ μόνον ἠπίσταντο τοὺς Ἰουδαίους, ἀλλὰ καὶ ἐθαύμαζον ὅσοις αὐτῶν ἐντύχοιεν οὐχ οἱ φαυλότατοι τῶν Ἑλλήνων, ἀλλ’ οἱ ἐπὶ σοφίᾳ μάλιστα τεθαυμασμένοι, ῥᾴδιον γνῶναι. Κλέαρχος γὰρ, ὁ Ἀριστοτέλους ὢν μαθητὴς καὶ τῶν ἐκ τοῦ Περιπάτου φιλοσόφων οὐδενὸς δεύτερος, ἐν τῷ πρώτῳ Περὶ ὕπνου βιβλίῳ φησὶν Ἀριστοτέλην τὸν διδάσκαλον αὐτοῦ περί τινος ἀνδρὸς Ἰουδαίου ταῦτα ἱστορεῖν, αὐτῷ τε τὸν λόγον Ἀριστοτέλει περιτίθησι. ἐστὶ δ’ οὕτω γεγραμμένον: « Ἀλλὰ τὰ μὲν πολλὰ μακρὸν ἂν εἴη λέγειν, ὅσα δ’ ἔχει τῶν ἐκείνου θαυμασιότητά τινα καὶ φιλοσοφίαν, ὁμοίως διελθεῖν οὐ χεῖρον. “σαφῶς δ’ ἴσθι”, εἶπεν, “ Ὑπεροχίδη, {θαυμαστὸν} ὀνείροις ἴσα σοι δόξω λέγειν.” καὶ ὁ Ὑπεροχίδης εὐλαβούμενος: “δι’ αὐτὸ γάρ, ἔφη, τοῦτο καὶ ζητοῦμεν ἀκοῦσαι πάντες.” “οὐκοῦν”, εἶπεν ὁ Ἀριστοτέλης, “κατὰ τὸ τῶν ῥητορικῶν παράγγελμα τὸ γένος αὐτοῦ πρῶτον διέλθωμεν, ἵνα μὴ ἀπειθῶμεν τοῖς τῶν ἀπαγγελιῶν διδασκάλοις.” “λέγε”, εἶπεν ὁ Ὑπεροχίδης, “ὅ τι σοι δοκεῖ”. “κἀκεῖνος τοίνυν τὸ μὲν γένος ἦν Ἰουδαῖος ἐκ τῆς Κοίλης Συρίας, οὗτοι δ’ εἰσὶν ἀπόγονοι τῶν ἐν Ἰνδοῖς φιλοσόφων. καλοῦνται δέ, ὥς φασιν, οἱ φιλόσοφοι παρὰ μὲν Ἰνδοῖς Καλανοί, παρὰ δὲ Σύροις Ἰουδαῖοι, τοὔνομα λαβόντες ἀπὸ τοῦ τόπου. προσαγορεύεται γὰρ ὃν κατοικοῦσι τόπον Ἰουδαία. τὸ δὲ τῆς πόλεως αὐτῶν ὄνομα πάνυ σκολιόν ἐστιν· Ἱερουσαλήμην γὰρ αὐτὴν καλοῦσιν. οὗτος οὖν ὁ ἄνθρωπος ἐπιξενούμενός τε πολλοῖς κἀκ τῶν ἄνω τόπων εἰς τοὺς ἐπιθαλαττίους ὑποκαταβαίνων Ἑλληνικὸς ἦν οὐ τῇ διαλέκτῳ μόνον ἀλλὰ καὶ τῇ ψυχῇ. καὶ τότε διατριβόντων ἡμῶν περὶ τὴν Ἀσίαν παραβαλὼν εἰς τοὺς αὐτοὺς τόπους ἅνθρωπος ἐντυγχάνει ἡμῖν τε καί τισιν ἑτέροις τῶν σχολαστικῶν πειρώμενος αὐτῶν τῆς σοφίας. ὡς δὲ 11 περιτίθησι Gutschmid : παρατιθεὶς Iosephi LES : ἀνατίθησι Eusebius 14 ὁμοίως] ὅμως coni. Reinach οὐ χεῖρον S Eusebius : οὐχ εὗρον LE 15 θαυμαστὸν del. Naber (non habet Eusebii cod. B) 19 ἀπαγγελιῶν Eusebius : ἐπαγγελιῶν LES ὅ τι σοι S : εἴ τι σοι LE : οὕτως εἰ Eusebius 20 κακεῖνος LES : κεῖνος Eusebius : κεῖνος Mras 20 ἔφη post γένος add. Niese (neglecto hiatu) 22 Καλανοί Eusebius : Κάλλανοι LS : Κάλλανοι E 24 Ἱερουσαλήμην LES : Ἱερουσαλὴμ Eusebius 26 ἐπιθαλαττίους Eusebius : θαλαττίους LES 28 αὐτοὺς Eusebius : om. LES ἅνθρωπος Niese : ἄνθρωπος Eusebius : ἄνθρωπον LES

II. Περὶ ὕπνου

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πολλοῖς τῶν ἐν παιδείᾳ συνῳκείωτο, παρεδίδου τι μᾶλλον ὧν εἶχεν”». ταῦτ’ εἴρηκεν ὁ Ἀριστοτέλης παρὰ τῷ Κλεάρχῳ, καὶ προσέτι πολλὴν καὶ θαυμάσιον καρτερίαν τοῦ Ἰουδαίου ἀνδρὸς ἐν τῇ διαίτῃ καὶ σωφροσύνην διεξιών. ἔνεστι δὲ τοῖς βουλομένοις ἐξ αὐτοῦ τὸ πλέον γνῶναι τοῦ βιβλίου. 5 φυλάττομαι γὰρ ἐγὼ {τὰ} πλείω τῶν ἱκανῶν παρατίθεσθαι. Κλέαρχος μὲν οὖν ἐν παρεκβάσει ταῦτ’ εἴρηκεν – τὸ γὰρ προκείμενον αὐτῷ ἦν {καθ’} ἕτερον – οὕτως ἡμῶν μνημονεύσας.

fr. 7 (= 5 T.) Proclus in Platonis Rem publicam II p. 122, 22-123, 12 Kroll:

ὅτι δὲ καὶ ἐξιέναι τὴν ψυχὴν καὶ εἰσιέναι δυνατὸν εἰς τὸ σῶμα δηλοῖ καὶ ὁ παρὰ τῷ Κλεάρχῳ τῇ ψυχουλκῷ ῥάβδῳ χρησάμενος ἐπὶ τοῦ μειρακίου τοῦ καθεύδοντος καὶ πείσας τὸν δαιμόνιον Ἀριστοτέλη, καθάπερ ὁ Κλέαρχος ἐν τοῖς Περὶ ὕπνου φησίν, περὶ τῆς ψυχῆς, ὡς ἄρα χωρίζεται τοῦ σώματος καὶ ὡς εἴσεισιν εἰς τὸ σῶμα καὶ ὡς χρῆται αὐτῷ οἷον καταγωγίῳ. τῇ γὰρ ῥάβδῳ πλήξας τὸν παῖδα τὴν ψυχὴν ἐξείλκυσεν καὶ οἷον ἄγων δι’ αὐτῆς 15 πόρρω τοῦ σώματος ἀκίνητον ἐνέδειξε τὸ σῶμα καὶ ἀβλαβὲς σῳζόμενον ἀναισθητεῖν προσ [... ±15 ...] γραφόντων ὅμοιον ἀψύχῳ. ἐκείνην δὲ μεταξὺ διενεχθεῖσαν πόρρω τοῦ σώματος ἐγγύθεν αὐτῆς ἀγομένης πάλιν τῆς ῥάβδου μετὰ τὴν εἴσοδον ἀπαγγέλλειν ἕκαστα. τοιγαροῦν ἐκ τούτων πιστεῦσαι τούς τε ἄλλους τῆς τοιαύτης ἱστορίας θεατὰς καὶ τὸν Ἀριστο20 τέλην χωριστὴν εἶναι τοῦ σώματος τὴν ψυχήν. τοῦτο μὲν οὖν ὅπερ λέγω, τὸ τὴν ψυχὴν ἐξιέναι τε δύνασθαι τοῦ σώματος καὶ αὖθις εἰσιέναι καὶ ἔμπνουν ποιεῖν ὅπερ ἀπελελοίπει, ταῦτά τε δηλοῖ πάλαι τοῖς ἡγεμόσιν τοῦ Περιπάτου γεγραμμένα κτλ. 10

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fr. 8 (= 6 T.) Proclus in Platonis Rem publicam II p. 113, 19-115, 7 Kroll: καὶ

γὰρ ἐφ’ ἡμῶν τινες ἤδη καὶ ἀποθανεῖν ἔδοξαν καὶ μνήμασιν ἐνετέθησαν καὶ ἀνεβίωσαν καὶ ὤφθησαν οἱ μὲν ἐγκαθήμενοι τοῖς μνήμασιν, οἱ δὲ καὶ εστῶτες· καθάπερ δὴ καὶ ἐπὶ τῶν πάλαι γεγονότων ἱστοροῦνται καὶ Ἀριστέας ὁ Προκοννήσιος καὶ Ἑρμότιμος ὁ Κλαζομένιος καὶ Ἐπιμενίδης ὁ Κρὴς μετὰ θάνατον ἐν τοῖς ζῶσιν γενόμενοι. καὶ τί δεῖ πολλὰ λέγειν; ὅπου 30 γε καὶ ὁ μαθητὴς Ἀριστοτέλους Κλέαρχος ἱστορίαν τινὰ τοιαύτην πρῶτος παραδέδωκεν θαυμασίαν. 1 πολλοῖς ... συνῳκείωτο Eusebius: πολλοὶ ... συνῳκείωντο LES 4 τὸ πλέον S : τὰ πλέον (sic) LE 5 τὰ del. Niese 6 καθ’ del. Hudson 16 ἀναισθητεῖν προσ|γραφόντων quasi coniuncta Mai : ἀναισθητοῦν δὲ πρὸς τὰς πληγὰς τῶν γναπτόντων Bernays : ἀναισθητεῖν καὶ πρὸς πληγὰς γναφέντα Usener (“sed των certum” Kroll) ὅμοιον ἀψύχῳ] ὁμοίων ἀψύχων Morus : ὁμοίως ἀψύχῳ Bernays 17 διενεχθεῖσαν Schoell : διελέχθησαν cod. ut uidetur ἐγγύθεν Kroll : locus corruptus in cod. suppl. Boyancé 27 εστῶτες suppl. Kroll 28 Ἑρμότιμος Rohde conl. Plin. NH VII 52, 174: Ἑρμόδωρος cod. 29 γενόμενοι Morus : -ος cod.

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Κλεώνυμος ὁ Ἀθηναῖος, φιλήκοος ἀνὴρ τῶν ἐν φιλοσοφίᾳ λόγων, ἑταίρου τινὸς αὐτῷ τελευτήσαντος περιαλγὴς γενόμενος καὶ ἀθυμήσας ἐλιποψύχησέν τε καὶ τεθνάναι δόξας τρίτης ἡμέρας οὔσης κατὰ τὸν νόμον προυτέθη. περιβάλλουσα δὲ αὐτὸν ἡ μήτηρ καὶ πανύστατον ἀσπαζομένη, τοῦ προσώπου θοἰμάτιον ἀφελοῦσα καὶ καταφιλοῦσα τὸν νεκρὸν ᾔσθετο βραχείας ἀναπνοῆς αὐτῷ τινος ἐγκειμένης. περιχαρῆ δὲ αὐτὴν γενομένην ἐπισχεῖν τὴν ταφήν. τὸν δὲ Κλεώνυμον ἀναφέροντα κατὰ μικρὸν ἐγερθῆναι καὶ εἰπεῖν ὅσα τε, ἐπειδὴ χωρὶς ἦν τοῦ σώματος, καὶ οἷα ἴδοι καὶ ἀκούσειεν. τὴν μὲν οὖν αὑτοῦ ψυχὴν φάναι παρὰ τὸν θάνατον οἷον ἐκ δεσμῶν δόξαι τινῶν ἀφειμένην τοῦ σώματος παρεθέντος μετέωρον ἀρθῆναι, καὶ ἀρθεῖσαν ὑπὲρ γῆς ἰδεῖν τόπους ἐν αὐτῇ παντοδαποὺς καὶ τοῖς σχήμασι καὶ τοῖς χρώμασιν καὶ ῥεύματα ποταμῶν ἀπρόσοπτα ἀνθρώποις· καὶ τέλος ἀφικέσθαι εἴς τινα χῶρον ἱερὸν τῆς Ἑστίας, ὃν περιέπειν δαιμονίας δυνάμεις ἐν γυναικῶν μορφαῖς ἀπεριηγήτοις. εἰς δὲ ἐκεῖνον αὐτὸν τὸν τόπον καὶ ἄλλον ἀφικέσθαι ἄνθρωπον καὶ ἀμφοῖν τὴν αὐτὴν γενέσθαι φωνήν, μένειν τε ἡσυχῇ καὶ ὁρᾶν τὰ ἐκεῖ πάντα. καὶ δὴ καὶ ὁρᾶν ἄμφω ψυχῶν ἐκεῖ κολάσεις τε καὶ κρίσεις καὶ τὰς ἀεὶ καθαιρομένας καὶ τὰς τούτων ἐπισκόπους Εὐμενίδας. ἔπειτα κελευσθῆναι ἀποχωρεῖν, καὶ ἀποχωρήσαντας ἀλλήλους ἐπανερέσθαι τίνες εἶεν, καὶ εἰπεῖν ἀλλήλοις τὰ ὀνόματα καὶ τὰς πατρίδας, τὸν μὲν Ἀθήνας καὶ Κλεώνυμον, τὸν δὲ Συρακούσας καὶ Λυσίαν, καὶ ἀλλήλοις παρακελεύσασθαι ζητῆσαι πάντως ἑκάτερον, ἐὰν εἰς τὴν θατέρου πόλιν ἀφίκηται, τὸν ἀπ’ ἐκείνης ὡρμημένον. καὶ μετὰ χρόνον οὐ πολὺν ἐλθεῖν μὲν Ἀθήναζε τὸν Λυσίαν, πόρρωθεν δὲ αὐτὸν ἰδόντα τὸν Κλεώνυμον ἀναβοῆσαι τοῦτον εἶναι τὸν Λυσίαν, καὶ τοῦτον ὡσαύτως ἐπιγνῶναί τε πρὶν προσέλθῃ καὶ τοῖς παροῦσιν εἰπεῖν τοῦτον εἶναι τὸν Κλεώνυμον. [ fr. 9 (= *7 T.) Theodoretus Graec. affect. curatio V 18 Canivet: Κλέαρχος δὲ (sc. τὴν ψυχήν εἴρηκεν) τῶν τεττάρων εἶναι στοιχείων τὴν ἁρμονίαν.]

fr. 10 (= 127 T.) Gellius Noctes Atticae IV 11, 14: Pythagoram uero ipsum sicuti

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celebre est Euphorbum primo fuisse dictitasse, ita haec remotiora sunt his, quae Clearchus et Dicaearchus memoriae tradiderunt, fuisse eum postea Pyrrum, deinde Aethaliden deinde feminam pulchra facie meretricem cui nomen fuerat Alco.

5 τοῦ προσώπου cod. : τοῦ προσώπου Rohde 8 τοῦ σώματος καὶ οἷα Rohde : καὶ οἷα τοῦ σώματος cod. 12 ἀπρόσοπτα Usener : ἀπρόσαπτα cod. 14 αὑτὸν dubitanter Kroll : αὐτὸν cod. 29 Clearchus VR : quae archus P 30 Pyrrum Hertz, qui coni. Pyrrum Pyranthium : pyrrandum P : pirrandum VR deinde Aethaliden Menagius : deinde thaliden V : deinde talidena R : de inda et halidena P

II. Περὶ ὕπνου

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fr. S1a Damascius In Plat. Phaedonem I § 530 Westerink: ὅτι δὲ δεῖ τι καὶ

ὅλον γένος ἀνθρώπων εἶναι οὕτω τρεφόμενον, δηλοῖ {δὲ} καὶ ὁ τῇδε ταῖς ἡλιακαῖς ἀκτῖσι μόναις τρεφόμενος, ὃν ἱστόρησεν Ἀριστοτέλης ἰδὼν αὐτός.

fr. S1b Damascius In Plat. Phaedonem II § 138 Westerink: εἰ ἐνταῦθα ἱστόρησεν Ἀριστοτέλης ἄνθρωπον ἄυπνον καὶ μόνῳ τῷ ἡλιοειδεῖ τρεφόμενον ἀέρι, τί χρὴ περὶ τῶν ἐκεῖ οἴεσθαι;

fr. S1c Probus (Prōbā), Comment. syriacus in Porphyrii Isagogem (ms. Mingana Syr. 606, fol. 16v ), interpr. angl. a S. Brock [2011] 200: “They also say that Clearchos states in his book on sleep that there are some people who take no nourishment at all, but (instead) live without food; and there are people who engender (others) like themselves, without being nourished by anything. We have this to say: it is a story that Clearchos is telling. Now he states that these people are continually in the sun, and instead of warmth being lost to their body needing to grow through food, (their warmth) is kept pure by the warmth of the sun. It is in this way that people just mentioned grow up.”

2 δὲ M : del. apographa

III. Ἀρκεσίλαος fr. 11 (= 120 T.) Scholia Plat. Leges V 739a: παρὰ παροιμίας φησὶ τῆς κινήσω

τὸν ἀφ’ ἱερᾶς, ἣ τέτακται ἐπὶ τῶν τὴν ἐσχάτην βοήθειαν κινούντων. μετείληπται δὲ ἀπὸ τῶν πεττευόντων· παρὰ τούτοις γὰρ κεῖταί τις ψῆφος 5 οἷον ἱερὰ καὶ ἀκίνητος, θεῶν νομιζομένη, ὥς φησιν Κλέαρχος ἐν Ἀρκεσίλᾳ.

fr. 12 (= 121 T.) Eustathius Commemtarii ad Homeri Odysseam α 107 p. 1397, 2933 (cf. Comment. ad Hom. Il. p. 633, 16 seqq.): ὅθεν καὶ παροιμία, «κινεῖν τὸν ἀφ’ ἱερᾶς», λίθον δηλαδὴ, ἐπὶ τῶν ἀπεγνωσμένων καὶ ἐσχάτης βοηθείας δεομένων. Σώφρων (fr. 122 K.-A.). «κινήσω δ’ ἤδη καὶ τὸν ἀφ’ ἱερᾶς». 10 Ἀλκαῖος (fr. 351 L-P, Voigt) δέ φησιν ἐκ πλήρους, «νῦν δ’ οὗτος ἐπικρέτει κινήσας τὸν ἀπ’ ἴρας †πύκινον λίθον». τοιοῦτον δὲ καὶ παρὰ Θεοκρίτῳ (6, 18) τὸ «τὸν ἀπὸ γραμμᾶς κινήσω λίθον». Διοδώρου δέ φησι τοῦ Μεγαρικοῦ ἀνάγοντος τὸν τοιοῦτον λίθον εἰς ὁμοιότητα τῆς τῶν ἄστρων χορείας, Κλέαρχος τοῖς πέντε φησὶ πλάνησιν ἀναλογεῖν.

2 παρὰ Müller, Hermann : περὶ Greene 11 τὸν ἀπ᾽ ἴρας Bergk : τὸν πείρας codd. πύκινον editt. : πυκινὸν codd. : πύματον Bergk : πυκίνως Crusius 13 ἀνάγοντος Taillardat : ἐνάγοντος codd.

IV. Περὶ φιλίας fr. 17 (= 57 T.) Athenaeus XII 533E: Κλέαρχος δὲ ἐν πρώτῳ Περὶ φιλίας τὸν

Θεμιστοκλέα φησὶ τρίκλινον οἰκοδομησάμενον περικαλλέστατον ἀγαπᾶν ἔφησεν, εἰ τοῦτον φίλων πληρώσειεν.

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fr. 18 (= 58 T.) Athenaeus VIII 349F: Κλέαρχος δ’ ἐν δευτέρῳ Περὶ φιλίας

Στρατόνικος, φησίν, ὁ κιθαριστὴς ἀναπαύεσθαι μέλλων ἐκέλευεν ἀεὶ τὸν παῖδα προσφέρειν αὑτῷ πιεῖν. «οὐχ ὅτι διψῶ», φησίν, «ἵνα δὲ μὴ διψήσω».

4 ἂν suppl. Kaibel

V. Γεργίθιος fr. 19 (= 59-62 + 64-65 T.) Athenaeus VI 255 C-257C: [a] Κλέαρχος δ’ ὁ

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Σολεὺς ἐν τῷ ἐπιγραφομένῳ Γεργιθίῳ καὶ πόθεν ἡ ἀρχὴ τοῦ ὀνόματος τῶν κολάκων παρῆλθεν διηγεῖται, {καὶ} αὐτὸν τὸν Γεργίθιον ὑποτιθέμενος, ἀφ’ οὗ τὸ βιβλίον ἔχει τὴν ἐπιγραφήν, ἕνα γεγονότα τῶν Ἀλεξάνδρου κολάκων. διηγεῖται δὲ οὕτως· «τὴν κολακείαν ταπεινὰ ποιεῖν τὰ ἤθη τῶν κολάκων καταφρονητικῶν ὄντων τῶν περὶ αὐτούς. σημεῖον δὲ τὸ πᾶν ὑπομένειν εἰδότας οἷα τολμῶσι. τὰ δὲ τῶν κολακευομένων ἐμφυσωμένων τῇ κολακείᾳ χαῦνα καὶ κενὰ ποιεῖν, πάντων ἐν ὑπεροχῇ παρ’ αὐτοῖς †ὑπολαμβάνεσθαι κατασκευάζεσθαι». [ b] ἑξῆς τε διηγούμενος περί τινος μειρακίου Παφίου μὲν τὸ γένος, βασιλέως δὲ τὴν τύχην, «τοῦτο», φησί, «τὸ μειράκιον» (οὐ λέγων αὐτοῦ τοὔνομα) «κατέκειτο δι’ ὑπερβάλλουσαν τρυφὴν ἐπὶ ἀργυρόποδος κλίνης ὑπεστρωμένης Σαρδιανῇ ψιλοτάπιδι τῶν πάνυ πολυτελῶν. ἐπεβέβλητο δ’ αὐτῷ πορφυροῦν ἀμφίταπον ἀμοργίνῳ καλύμματι περιειλημμένον. προσκεφάλαια δ’ εἶχε τρία μὲν ὑπὸ τῇ κεφαλῇ βύσσινα παραλουργῆ, δι’ ὧν ἠμύνετο τὸ καῦμα, δύο δ’ ὑπὸ τοῖς ποσὶ ὑσγινοβαφῆ τῶν Δωρικῶν καλουμένων. ἐφ’ ὧν κατέκειτο λευκῇ χλανίδι. < * * * > παραδεδεγμένοι δ’ εἰσὶ πάντες οἱ κατὰ τὴν Κύπρον μόναρχοι τὸ τῶν εὐγενῶν κολάκων γένος ὡς χρήσιμον· πάνυ γὰρ τὸ κτῆμα τυραννικόν ἐστι. καὶ τούτων οἷον Ἀρεοπαγιτῶν τινων οὔτε τὸ πλῆθος οὔτε τὰς ὄψεις ἔξω τῶν ἐπιφανεστάτων οἶδεν οὐδείς. διῃρημένων δὲ διχῇ κατὰ συγγένειαν τῶν ἐν τῇ Σαλαμῖνι κολάκων, ἀφ’ ὧν εἰσιν οἱ κατὰ τὴν ἄλλην Κύπρον κόλακες, τοὺς μὲν Γεργίνους, τοὺς δὲ Προμάλαγγας προσαγορεύουσιν. ὧν οἱ μὲν Γεργίνοι συναναμιγνύμενοι τοῖς κατὰ τὴν πόλιν ἔν τε τοῖς ἐργαστηρίοις καὶ ταῖς ἀγοραῖς ὠτακουστοῦσι κατασκόπων ἔχοντες τάξιν, ὅτι δ’ ἂν ἀκούσωσιν ἀναφέρουσιν ἑκάστης ἡμέρας πρὸς τοὺς καλουμένους ἄνακτας. οἱ δὲ Προμάλαγγες ζητοῦσιν ἄν τι τῶν ὑπὸ τῶν Γεργίνων προσαγγελθέντων οὐκ ἀνάξιον εἶναι ζητήσεως δόξῃ, ὄντες τινὲς ἐρευνηταί. καὶ τούτων οὕτως ἔντεχνος 4 καὶ deleuit Wehrli 8-9 τὰ δὲ ... ποιεῖν non recte habent sec. Kaibel 9 χαῦνα καὶ κενὰ ποιεῖν scripsi (cf. l. 6 ταπεινὰ ποιεῖν) : χαύνους καὶ κενοὺς ποιοῦντα ACE : χαῦνα καὶ κενὰ ποιοῦσαν Wehrli πάντων ] πάντα Wilamowitz 9-10 ὑπολαμβάνεσθαι κατασκευάζεσθαι ACE : ὑπολαμβάνεσθαι κατασκευάζειν mallet Wehrli 11 ἑξῆς τε διηγούμενος A : ὁ αὐτὸς Κλέαρχος διηγεῖται CE 17 καῦμα Casaubonus : κάλυμμα ACE 18 ἐν λευκῇ χλανίδι Casaubonus : λευκῇ χλαμύδι A lacunam indicaui 24 Προμάλαγγας editores : Προμαλάγγους codd. 25 συναναμιγνύμενοι A : συγγινόμενοι CE 28 ἄν τι Kaibel (ἄν τι uel ὅτι ἂν Cobet teste Peppink) : ἀντὶ ACE οὐκ ἀνάξιον] ὅ τι ἂν ἄξιον coni. J. Meyer

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καὶ πιθανὴ πρὸς ἅπαντας ἡ ἔντευξις, ὥστ’ ἔμοιγε δοκεῖ, καθάπερ καὶ αὐτοί φασι, παρ’ ἐκείνων εἰς τοὺς ἔξω τόπους διαδεδόσθαι τὸ σπέρμα τῶν ἐλλογίμων κολάκων. καὶ γὰρ οὐχ οἷον μετρίως ἐπὶ τῷ πράγματι σεμνύνονται διὰ τὸ τετιμῆσθαι παρὰ τοῖς βασιλεῦσιν, ἀλλὰ καὶ λέγουσιν ὅτι τῶν Γεργίνων τις ἀπόγονος ὢν τῶν Τρώων ἐκείνων, οὓς Τεῦκρος ἀπὸ τῶν αἰχμαλώτων κατακτησάμενος εἰς Κύπρον ἔχων ἀπῴκησεν, οὗτος διὰ τῆς παραλίας μετ’ ὀλίγων στείλας ἐπὶ τῆς Αἰολίδος κατὰ πύστιν ἅμα καὶ οἰκισμὸν τῆς τῶν προγόνων χώρας πόλιν οἰκίσειε περὶ τὴν Τρωικὴν Ἴδην συμπαραλαβών τινας τῶν Μυσῶν, ἥ πάλαι μὲν ἀπὸ τοῦ γένους Γέργινα, νῦν δὲ Γέργιθα κέκληται. τούτου γάρ, ὡς ἔοικε, τοῦ στόλου τινὲς ἀποσπασθέντες ἐν τῇ Κυμαίᾳ κατέσχον ἐκ Κύπρου τὸ γένος ὄντες, ἀλλ’ οὐκ ἐκ τῆς Θετταλικῆς Τρίκκης, καθάπερ τινὲς εἰρήκασιν, ὧν ἰατρεῦσαι τὴν ἄγνοιαν οὐδ’ Ἀσκληπιάδαις τοῦτό γε νομίζω δεδόσθαι. γεγόνασι δὲ παρ’ ἡμῖν καὶ ἐπὶ Γλοῦ τοῦ Καρὸς καὶ γυναῖκες ὑπὸ τὰς ἀνάσσας αἱ προσαγορευθεῖσαι κολακίδες. ἀφ’ ὧν ὑπολιπεῖς τινες εἰς τὸ πέραν ἀφικόμεναι μετάπεμπτοι πρός τε τὰς Ἀρταβάζου καὶ Μέντορος γυναῖκας Κλιμακίδες μετωνομάσθησαν ἀπὸ τοιαύτης πράξεως· ταῖς μεταπεμψαμέναις ἀρεσκευόμεναι κλίμακα κατεσκεύαζον ἐξ ἑαυτῶν οὕτως ὥστ’ ἐπὶ τοῖς νώτοις αὐτῶν τὴν ἀνάβασιν γίγνεσθαι καὶ τὴν κατάβασιν ταῖς ἐπὶ τῶν ἁμαξῶν ὀχουμέναις. εἰς τοῦτο τρυφῆς, ἵνα μὴ ἀθλιότητος εἴπω, προηγάγοντο τεχνώμεναι τὰς ἀφρονεστάτας. τοιγαροῦν αὗται μὲν ἐκ τῶν λίαν μαλακῶν ὑπὸ τῆς τύχης μεταβιβασθεῖσαι σκληρῶς ἐβίωσαν ἐπὶ γήρως, αἱ δέ, τῶν παρ’ ἡμῖν ταῦτα διαδεξαμένων, ἐκπεσοῦσαι τῆς ἐξουσίας κατῆραν εἰς Μακεδονίαν, καὶ τὰς τῶν ἐκεῖ κυρίας τε καὶ βασιλίδας ὃν τρόπον ταῖς ὁμιλίαις διέθεσαν οὐδὲ λέγειν καλόν, πλὴν ὅτι μαγευόμεναι καὶ μαγεύουσαι ταυροπόλοι καὶ τριοδίτιδες αὗται πρὸς ἀλήθειαν ἐγένοντο, πλήρεις πάντων ἀποκαθαρμάτων. τοσούτων ἔοικε καὶ τοιούτων ἡ κολακεία κακῶν αἰτία γενέσθαι τοῖς διὰ τὸ κολακεύεσθαι προσδεξαμένοις αὐτήν.» [c] προελθὼν δὲ πάλιν ὁ Κλέαρχος καὶ τάδε φησίν· «ἀλλ’ ἤδη τῇ τούτων χρείᾳ μέμψαιτ’ ἄν τις τὸ μειράκιον, ὥσπερ εἶπον. οἱ μὲν γὰρ παῖδες μικρὸν ἄπωθεν τῆς κλίνης ἐν χιτωνίσκοις ἔστασαν. τριῶν δ’ ὄντων ἀνδρῶν, δι’ οὓς δὴ νῦν ὁ πᾶς λόγος ἐνέστηκε, καὶ τούτων ὄντων ἐπωνύμων παρ’ ἡμῖν, ὁ μὲν εἷς ἐπὶ τῆς κλίνης πρὸς ποδῶν καθῆστο τοὺς τοῦ μειρακίου πόδας ἐπὶ τοῖς αὑτοῦ γόνασι λεπτῷ λῃδίῳ συνημφιακώς. ὃ δὲ ἐποίει καὶ μὴ λέγοντος οὐκ ἄδηλον. καλεῖται δ’ οὗτος ὑπὸ τῶν ἐγχωρίων Παράβυστος διὰ τὸ καὶ τῶν μὴ παραδεχομένων ὅμως τεχνικώτατα κολακεύων παρεμπίπτειν ἐς τὰς ὁμιλίας. ἅτερος δ’ ἦν ἐπί τινος δίφρου κειμένου παρ’ αὐτὴν τὴν κλίνην καὶ τοῦ νεανίσκου τὴν χεῖρα παρεικότος ἐκκρεμάμενος ταύτης καὶ προσπεπτωκὼς 1 δοκεῖ] δοκεῖν Cobet (teste Peppink) 10 lacunam post κέκληται statuit Wehrli 13 παρ᾽ ἡμῖν... Καρὸς om. CE 15 ὑπολιπεῖς corruptum esse censuit Cobet (teste Peppink) 21 τύχη A : τέχνης CE 24 διέθεσαν CE : ἀνέθεσαν A 25 τριοδίτιδες Lobeck : τρίοδοι τινὲς ACE 33 αὑτοῦ γόνασι A : γόνασιν ἑαυτοῦ CE

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κατέψηχέ τε καὶ τῶν δακτύλων ἕκαστον ἐν μέρει διαλαμβάνων εἷλκέ τε καὶ ἐξέτεινεν. ὥστε τὸν πρῶτον αὐτὸν ἐπονομάσαντα Σικύαν εὐστόχως εἰρηκέναι δοκεῖν. ὁ δὲ τρίτος ὁ Θὴρ ὁ γενναιότατος, ὅσπερ ἦν τῆς ὑπηρεσίας πρωταγωνιστής, προσεστηκὼς αὐτῷ κατὰ κεφαλὴν μετεῖχε τῶν βυσσίνων 5 προσκεφαλαίων ἀποκεκλιμένος εἰς αὐτὰ πάνυ φιλικῶς. καὶ τῇ μὲν ἀριστερᾷ τὸ τοῦ μειρακίου τριχωμάτιον ἐπικοσμῶν, τῇ δεξιᾷ δὲ Φωκαϊκὸν ψῦγμά τι διακινῶν καὶ αἰωρῶν ἡδὺς ἦν, ἀλλ’ οὖν ἀποσοβῶν. διὸ ἐμοὶ δοκεῖν αὐτῷ δαίμων τις ἐλευθέριος νεμεσήσας ἐφίησι τῷ μειρακίῳ μυῖαν, οὐκ ἄλλην ἢ κείνην ἧς καὶ τὴν Ἀθηνᾶν φησιν Ὅμηρος ἐνεῖναι τῷ Μενελάῳ τὸ θάρσος, οὕτως ἦν ἐρρωμένη καὶ ἄφοβος τὴν ψυχήν. δηχθέντος δὲ τοῦ 10 μειρακίου τηλικοῦτον ἀνέκραγεν ἅνθρωπος ὑπὲρ ἐκείνου καὶ οὕτως ἠγανάκτησεν ὥστε διὰ τὴν πρὸς μίαν ἔχθραν ἁπάσας ἐκ τῆς οἰκίας ἤλαυνεν. ὅθεν καὶ φανερὸς ἐγένετο πρὸς τούτῳ τεταχὼς αὑτόν.» 15

fr. 20 (= 63 T.) Athenaeus VI 258A: εἴη οὖν ἂν ὁ τοῦ προειρημένου μειρα-

κίου κόλαξ ‘μαλακοκόλαξ’, ὥς φησιν Κλέαρχος. πρὸς γὰρ τῷ οὕτω κολακεύειν καὶ τὸ σχῆμα τῶν κολακευομένων ἐπακολουθῶν ἀποπλάττεται παραγκωνίζων καὶ σπαργανῶν ἑαυτὸν τοῖς τριβωναρίοις. ὅθεν αὐτὸν οἱ μὲν ‘παραγκωνιστήν’, οἱ δὲ ‘σχηματοθήκην’ καλοῦσι. κατ’ ἀλήθειαν γὰρ ὁ κόλαξ 20 ἔοικεν εἶναι τῷ Πρωτεῖ ὁ αὐτός. γίγνεται γοῦν παντοδαπὸς οὐ μόνον κατὰ τὴν μορφήν ἀλλὰ καὶ κατὰ τοὺς λόγους. οὕτω ποικιλόφωνός τις ἐστίν. Ἀνδροκύδης δ’ ὁ ἰατρὸς ἔλεγε τὴν κολακείαν ἔχειν τὴν ἐπωνυμίαν ἀπὸ τοῦ προσκολλᾶσθαι ταῖς ὁμιλίαις· ἐμοὶ δὲ δοκεῖ διὰ τὴν εὐχέρειαν ὅτι πάντα ὑποδύεται, ὡς δή τις ὑποστατικὸς νωταγωγῶν τῷ τῆς 25 ψυχῆς ἤθει καὶ οὐ βαρυνόμενος οὐδενὶ τῶν αἰσχρῶν.

1 κατέψηχε CE : κατέψυχε A 6 ψῦγμα Casaubonus : ψῆγμα ACE 7 οὖν ἀποσοβῶν (uel μυιοσοβῶν) Kaibel : οὐκ ἀποσοβῶν AC 7-8 διὸ ἐμοὶ δοκεῖν Kaibel : διό μοι δοκεῖν ἂν ACE 8 τῷ μειρακίῳ del. Wilamowitz 9 αὑτὸν A : ἑαυτὸν CE 15 οὖν ἂν A : ἂν οὖν CE 16 τῷ οὕτω CE : τῷ τοιούτῳ A (“fort. τῷ τοιούτως” Kaibel) : τοι τῷ οὕτω Lumb 23 τὴν εὐκολίαν τε καὶ suppl. Gulick

VI. Περὶ τοῦ πανικοῦ fr. 36 (= 66 T.) Athenaeus IX 389F: Κλέαρχος δ’ ἐν τῷ Περὶ τοῦ πανικοῦ

οἱ στρουθοί, φησί, χοἰ πέρδικες, ἔτι δὲ οἱ ἀλεκτρυόνες καὶ οἱ ὄρτυγες προΐενται τὴν γονὴν οὐ μόνον ἰδόντες τὰς θηλείας, ἀλλὰ κἂν ἀκούσωσιν αὐτῶν τὴν 5 φωνήν. τούτου δὲ αἴτιον ἡ τῇ ψυχῇ γινομένη φαντασία περὶ τῶν πλησιασμῶν. φανερώτατον δὲ γίνεται περὶ τὰς ὀχείας, ὅταν ἐξ ἐναντίας αὐτοῖς θῇς κάτοπτρον. προστρέχοντες γὰρ διὰ τὴν ἔμφασιν ἁλίσκονταί τε καὶ προΐενται τὸ σπέρμα, πλὴν τῶν ἀλεκτρυόνων. τούτους δ’ ἡ τῆς ἐμφάσεως αἴσθησις εἰς μάχην προάγεται μόνον. ταῦτα μὲν ὁ Κλέαρχος.

6 φανερώτατον A : φανερώτερον CE

VII. Περὶ βίων fr. 16 (= 8 T.) Athenaeus XIII I 611B-D: συνελόντι δὲ εἰπεῖν κατὰ τὸν Σολέα

Κλέαρχον οὐ καρτερικὸν βίον ἀσκεῖτε, κυνικὸν δὲ τῷ ὄντι ζῆτε· καίτοι τοῦ ζῴου τούτου ἐν τέτταρσι τὴν φύσιν περιττὴν ἔχοντος {ὥσπερ ὑμεῖς} τὰ 5 χείρω μερισάμενοι τηρεῖτε. αἰσθήσει τε γὰρ τῇ {πρὸς ὄσφρανσιν καὶ} πρὸς τὸ οἰκεῖον καὶ ἀλλότριον θαυμαστὸν καὶ τῷ συνανθρωπίζον οἰκουρὸν εἶναι καὶ φυλακτικὸν τοῦ τῶν εὖ δρώντων βίου πάντων περιττότατον· ὧν οὐδέτερον πρόσεστιν ὑμῖν τοῖς τὸν κυνικὸν βίον μιμουμένοις. οὔτε γὰρ συνανθρωπίζετε οὔτε διαγινώσκετε οὐδένα τῶν ὁμιλούντων, αἰσθήσει τε πολλῷ 10 ὑστεροῦντες ἀργῶς καὶ ἀφυλάκτως ζῆτε. λοιδόρου δὲ καὶ παμφάγου τοῦ ζῴου πεφυκότος, ἔτι δὲ ταλαιπώρου καὶ γυμνοῦ τὸν βίον, ἄμφω ταῦτα μελετᾶτε, κακολόγοι καὶ βοροὶ πρός τε τούτοις ἄνοικοι καὶ ἀνέστιοι βιοῦντες. ἐξ ὧν ἁπάντων ἀλλότριοι μὲν ἀρετῆς, μάταιοι δὲ εἰς τὸ τοῦ βίου χρήσιμον. 15

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fr. 37 (= 9 T.) Athenaeus VI 234F -235A: Κλέαρχος δ’ ὁ Σολεύς, εἷς δ’ οὗτος τῶν Ἀριστοτέλους ἐστὶ μαθητῶν, ἐν τῷ πρώτῳ τῶν Βίων τάδε γράφει· «ἔτι δὲ παράσιτον νῦν μὲν τὸν ἕτοιμον, τότε δὲ τὸν εἰς τὸ συμβιοῦν κατειλεγμένον. ἐν γοῦν τοῖς παλαιοῖς νόμοις < * * * > αἱ πλεῖσται τῶν πόλεων ἔτι καὶ τήμερον ταῖς ἐντιμοτάταις ἀρχαῖς συγκαταλέγουσι παρασίτους». fr. 38 (= 11 T.) Athenaeus IV 157C-D: Εὐξίθεος ὁ Πυθαγορικός, ὦ Νίκιον,

ὥς φησι Κλέαρχος ὁ Περιπατητικὸς ἐν δευτέρῳ Βίων, ἔλεγεν ἐνδεδέσθαι τῷ σώματι καὶ τῷ τῇδε βίῳ τὰς ἁπάντων ψυχὰς τιμωρίας χάριν, καὶ διείπασθαι τὸν θεὸν ὡς εἰ μὴ μενοῦσιν ἐπὶ τούτοις, ἕως ἂν ἑκὼν αὐτοὺς λύσῃ, πλέοσι καὶ μείζοσι ἐμπεσοῦνται τότε λύμαις. διὸ πάντας εὐλαβουμένους τὴν 25 τῶν κυρίων ἀνάτασιν φοβεῖσθαι τοῦ ζῆν ἑκόντας ἐκβῆναι μόνον τε τὸν ἐν τῷ γήρᾳ θάνατον ἀσπασίως προσίεσθαι, πεπεισμένους τὴν ἀπόλυσιν τῆς ψυχῆς μετὰ τῆς τῶν κυρίων γίγνεσθαι γνώμης. 4 ὥσπερ ὑμεῖς expunxit Kassel : ὧνπερ ὑμεῖς coni. Musurus 5 πρὸς ὄσφρανσιν καὶ expunxit Kassel : κατ’ ὄσφρανσιν Wilamowitz : περὶ ὄσφρανσιν Kaibel 6 οἰκεῖον καὶ ἀλλότριον] οἰκείων καὶ ἀλλοτρίων coni. Kaibel ζῷον post εἶναι add. CE 9 πολλῷ Casaubonus : πολλῶν ACE 13 ἐστὲ add. Kaibel 17 καλοῦμεν ante νῦν μὲν add. CE ἕτοιμον ACE : ἄτιμον Pierson 18 lacunam indicauit Kaibel 20 Εὐξίθεος] Δεξίθεος Reinesius 22 τῷ σώματι καὶ τῷ] τοῖς σώμασιν ἐν τῷ susp. Kaibel τῇδε CE : δεῦρο A 25 ἀνάτασιν Casaubonus : ἀνάστασιν ACE 26 ἀσπασίως προσίεσθαι om. CE προσίεσθαι Casaubonus : προΐστασθαι A

VII. Περὶ βίων

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fr. 39 (= 12 T.) Athenaeus XV 681C: Κλέαρχος δ’ ἐν β΄Βίων «ὅρα», φησίν, «τοὺς τὸ κοσμοσάνδαλον ἀνείροντας Λακεδαιμονίους, οἳ τὸν παλαιότατον τῆς πολιτικῆς κόσμον συμπατήσαντες ἐξετραχηλίσθησαν. διόπερ καλῶς περὶ αὐτῶν εἴρηκεν ὁ κωμῳδιοποιὸς Ἀντιφάνης ἐν Κιθαριστῇ (fr. 115 K.-A.)· 5 οὐκ ἐφύσων οἱ Λάκωνες ὡς ἀπόρθητοί ποτε; νῦν δ’ ὁμηρεύουσ’ ἔχοντες πορφυροῦς κεκρυφάλους.» fr. 40 (= 10 T.) Zenobius Cent. IV 87: Λευκηπατίας: Κλέαρχος τῷ Περὶ βίων φησὶ συμβαίνειν τι περὶ τὸ ἧπαρ ἐπί τινων, ὃ δειλοὺς ποιεῖ. εἰρῆσθαι οὖν ἐπὶ τῶν τοιούτων τὴν παροιμίαν.

fr. 41 (= 13+14a T.) Athenaeus XV 687A-B: «νῦν δὲ τῶν ἀνθρώπων οὐχ αἱ ὀσμαὶ μόνον», ὥς φησιν Κλέαρχος ἐν γ ´ Περὶ βίων, «ἀλλὰ καὶ αἱ χροιαὶ τρυφερὸν ἔχουσαί τι συνεκθηλύνουσι τοὺς μεταχειριζομένους. ὑμεῖς δὲ οἴεσθε τὴν ἁβρότητα χωρὶς ἀρετῆς ἔχειν τι †τρυφερόν†. καίτοι Σαπφώ, γυνὴ μὲν πρὸς ἀλήθειαν οὖσα καὶ ποιήτρια, ὅμως ᾐδέσθη τὸ καλὸν τῆς ἁβρότητος 15 ἀφελεῖν λέγουσα ὧδε (fr. 58, 25-26 Voigt)· ἐγὼ δὲ φίλημμ’ ἁβροσύναν τὸ λαμπρὸν ἔρος ἀελίω καὶ τὸ καλὸν λέλογχε, φανερὸν ποιοῦσα πᾶσιν ὡς ἡ τοῦ ζῆν ἐπιθυμία τὸ λαμπρὸν καὶ τὸ καλὸν εἶχεν αὐτῇ. ταῦτα δ’ ἐστὶν οἰκεῖα τῆς ἀρετῆς. Παρράσιος δὲ ὁ ζωγράφος, 20 καίπερ παρὰ μέλος ὑπὲρ τὴν ἑαυτοῦ τέχνην τρυφήσας καὶ τὸ λεγόμενον ἐλευθέριον ἐκ ῥαβδίων {ἔκ τινων ποτηρίων} ἑλκύσας, λόγῳ γοῦν ἀντελάβετο τῆς ἀρετῆς, ἐπιγραψάμενος τοῖς ἐν Λίνδῳ πᾶσιν αὑτοῦ ἔργοις (fr. 1 Page)· ἁβροδίαιτος ἀνὴρ ἀρετήν τε σέβων τάδ’ ἔγραψεν Παῤῥάσιος. 25 ᾧ κομψός τις, ὡς ἐμοὶ δοκεῖ, ὑπεραλγήσας ῥυπαίνοντι τὸ τῆς ἀρετῆς ἁβρὸν καὶ καλόν, ἅτε φορτικῶς μετακαλεσαμένῳ εἰς τρυφὴν τὴν δοθεῖσαν ὑπὸ τῆς τύχης χορηγίαν, παρέγραψε τὸ ῥαβδοδίαιτος ἀνήρ. ἀλλ’ ὅμως διὰ τὸ τὴν ἀρετὴν φῆσαι τιμᾶν ἀνεκτέον.» ταῦτα μὲν ὁ Κλέαρχος. 10

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fr. 42 (= 14b T.) Athenaeus XII 543C: οὕτω δὲ παρὰ τοῖς ἀρχαίοις τὸ τῆς τρυφῆς καὶ τῆς πολυτελείας ἠσκεῖτο ὡς καὶ Παρράσιον τὸν ζωγράφον πορφύραν ἀμπέχεσθαι, χρυσοῦν στέφανον ἐπὶ τῆς κεφαλῆς ἔχοντα, ὡς ἱστο-

2 ἀνείροντας Schweighäuser (duce Natali Comite) : ἀνευρόντας A 7 Κλέαρχος] Μελέαρχος Zenob. cod. V ἐν suppl. Schneidewin 13 τρυφερόν inter cruces posuit Wehrli (“sensus καλόν uel aliquid simile postulare uidetur”) 16 τοῦτο καί μοι post ἁβροσύναν POxy 1787, omissa apud Athen. 17 ἀελίω] τὠελίω Sitzler 21 del. Kaibel (“nisi praestat ὥς τινων ποτ.”) 26 εἰς τρυφὴν τὴν Perizonius : τὴν εἰς τρυφὴν A

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Texte

ρεῖ Κλέαρχος ἐν τοῖς Βίοις. οὗτος γὰρ παρὰ μέλος ὑπὲρ τὴν γραφικὴν τρυφήσας λόγῳ τῆς ἀρετῆς ἀντελαμβάνετο καὶ ἐπέγραφεν τοῖς ὑπ’ αὐτοῦ ἐπιτελουμένοις ἔργοις (fr. 1 Page)· ἁβροδίαιτος ἀνὴρ ἀρετήν τε σέβων τάδ’ ἔγραψεν. 5 καί τις ὑπεραλγήσας ἐπὶ τούτῳ παρέγραψεν: ῥαβδοδίαιτος ἀνήρ.

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fr. 43a (= 17a T.) Athenaeus XII 515 E-516C: Κλέαρχος δ’ ἐν τῇ τετάρτῃ Περὶ βίων «Λυδοί», φησί, «διὰ τρυφὴν παραδείσους κατασκευασάμενοι καὶ κηπαίους αὐτοὺς ποιήσαντες ἐσκιατροφοῦντο, τρυφερώτερον ἡγησάμενοι τὸ μηδ’ ὅλως αὐτοῖς ἐπιπίπτειν τὰς τοῦ ἡλίου αὐγάς. καὶ {τέλος} πόρρω προάγοντες ὕβρεως τὰς τῶν ἄλλων γυναῖκας καὶ παρθένους εἰς τὸν τόπον τὸν διὰ τὴν πρᾶξιν Ἁγνεῶνα κληθέντα συνάγοντες ὕβριζον. καὶ τέλος τὰς ψυχὰς ἀποθηλυνθέντες ἠλλάξαντο τὸν τῶν γυναικῶν βίον, διόπερ καὶ γυναῖκα τύραννον ὁ βίος εὕρετο αὐτοῖς μίαν τῶν ὑβρισθεισῶν Ὀμφάλην. ἥτις πρώτη κατῆρξε μὲν τῆς εἰς Λυδοὺς πρεπούσης τιμωρίας. τὸ γὰρ ὑπὸ γυναικὸς ἄρχεσθαι ὑβριζομένους σημεῖόν ἐστι βίας. οὖσα οὖν καὶ αὐτὴ ἀκόλαστος καὶ ἀμυνομένη τὰς γενομένας αὐτῇ πρότερον ὕβρεις τοῖς ἐν τῇ πόλει δούλοις τὰς τῶν δεσποτῶν παρθένους ἐξέδωκεν ἐν ᾧ τόπῳ πρὸς ἐκείνων ὑβρίσθη. εἰς τοῦτον οὖν συναθροίσασα μετ’ ἀνάγκης συγκατέκλινε τοῖς δούλοις τὰς δεσποίνας. ὅθεν οἱ Λυδοὶ τὸ πικρὸν τῆς πράξεως ὑποκοριζόμενοι τὸν τόπον καλοῦσιν {γυναικῶν ἀγῶνα} Γλυκὺν Ἀγκῶνα. οὐ μόνον δὲ Λυδῶν γυναῖκες ἄφετοι οὖσαι τοῖς ἐντυχοῦσιν, ἀλλὰ καὶ Λοκρῶν τῶν Ἐπιζεφυρίων, ἔτι δὲ τῶν περὶ Κύπρον καὶ πάντων ἁπλῶς τῶν ἑταιρισμῷ τὰς ἑαυτῶν κόρας ἀφοσιούντων, παλαιᾶς τινος ὕβρεως ἔοικεν εἶναι πρὸς ἀλήθειαν ὑπόμνημα καὶ τιμωρίας. πρὸς ἣν εἷς τῶν Λυδῶν εὐγενὴς ἀνὴρ ὁρμήσας καὶ τῇ παρ’ αὐτοῖς Μίδου βασιλείᾳ βαρυνθείς, τοῦ μὲν Μίδου ὑπ’ ἀνανδρίας καὶ τρυφῆς καὶ ἐν πορφύρᾳ κειμένου καὶ ταῖς γυναιξὶν ἐν τοῖς ἱστοῖς συνταλασιουργοῦντος, Ὀμφάλης δὲ πάντας τοὺς συγκατακλιθέντας αὑτῇ ξενοκτονούσης, ἀμφοτέρους ἐκόλασε, τὸν μὲν ὑπὸ ἀπαιδευσίας κεκωφημένον τῶν ὤτων ἐξελκύσας, ὃς διὰ τὴν τοῦ φρονεῖν ἔνδειαν τοῦ πάντων ἀναισθητοτάτου ζῴου τὴν ἐπωνυμίαν ἔσχε, τὴν δὲ < * * * > »

fr. 43b (= 17b T.) Hesychius γ 685 Latte: γλυκὺς ἀγκών: Κλέαρχος δέ φησιν ἐξυβρίζειν εἰς τὰς τῶν καταδεεστέρων γυναῖκας καὶ παρθένους, καὶ τὸ χωρίον, ἐν ᾧ ταῦτα ἔδρων, ὀνομάσαι γλυκὺν ἀγκῶνα.

7 κηπαίους AE : ἀνηλίους Kaibel 10 ὅλως αὐτοῖς Meineke : αὐτοῖς ὅλως AE τέλος del. Kaibel, cf. infra τέλος τὰς ψυχάς 11 τῶν ἄλλων corruptum esse susp. Kaibel 12 Ἁγνεῶνα] Ἀγκῶνα coni. Kaibel 15 μὲν A : om. CE 16 βίας ACE : κακίας Arnold : τοιούτου βίου Capps 19 συγκατέκλινε Wilamowitz : συγκατέκλεισε ACE 21 γυναικῶν ἀγῶνα del. Schweighäuser 25 τιμωρία ACE : corr. Ϛ 26 ὑπ’ ἀνανδρίας CE : ὑπ’ ἀνδρείας A 27 alterum καὶ om. CE : “fort. ἀεὶ” Kaibel 31 τὴν δὲ add. E, om. AC 33 τοὺς Λυδοὺς suppl. Verraert : Σαρδιανοὺς Schmidt

VII. Περὶ βίων

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fr. 44 (= 18a T.) Athenaeus XII 540E-541A: Κλέαρχος δέ φησιν ὡς Πολυκράτης ὁ τῆς ἁβρᾶς Σάμου τύραννος διὰ τὴν περὶ τὸν βίον ἀκολασίαν ἀπώλετο, ζηλώσας τὰ Λυδῶν μαλακά. ὅθεν τῷ τ’ ἐν Σάρδεσιν Ἀγκῶνι Γλυκεῖ προσαγορευομένῳ τὴν παρὰ τοῖς Σαμίοις λαύραν ἀντικατεσκεύασεν ἐν 5 τῇ πόλει καὶ τοῖς Λυδῶν ἄνθεσιν ἀντέπλεξε τὰ διαγγελθέντα Σαμίων ἄνθεα. τούτων δὲ ἡ μὲν Σαμίων λαύρα στενωπή τις ἦν γυναικῶν δημιουργῶν, καὶ τῶν πρὸς ἀπόλαυσιν καὶ ἀκρασίαν πάντων βρωμάτων ὄντως ἐνέπλησε τὴν Ἑλλάδα. τὰ δὲ Σαμίων ἄνθη γυναικῶν καὶ ἀνδρῶν κάλλη διάφορα. ἔτι δὲ τῆς συμπάσης πόλεως ἐν ἑορταῖς τε καὶ μέθαις < * * * >. καὶ ταῦτα μὲν 10 ὁ Κλέαρχος. fr. 45 (= 19 T.) Athenaeus XII 524B: Κλέαρχος δὲ ἐν τετάρτῳ Βίων ζη-

λώσαντάς φησι τοὺς Μιλησίους τὴν Κολοφωνίων τρυφὴν διαδοῦναι καὶ τοῖς πλησιοχώροις, ἔπειτ’ ὀνειδιζομένους λέγειν ἑαυτοῖς· «οἴκοι τὰ Μιλήσια κἀπιχώρια καὶ μὴ ἐν τῷ μέσῳ».

fr. 46 (= 20a T.) Athenaeus XII 524C-F: καὶ περὶ Σκυθῶν δ’ ἑξῆς ὁ Κλέαρχος τάδε ἱστορεῖ· «μόνον δὲ νόμοις κοινοῖς πρῶτον ἔθνος ἐχρήσατο τὸ Σκυθῶν. εἶτα πάλιν ἐγένοντο πάντων ἀθλιώτατοι βροτῶν (cf. Eur. Antig. fr. 158 Kann.) διὰ τὴν ὕβριν. ἐτρύφησαν μὲν γὰρ ὡς οὐδένες ἕτεροι, τῶν πάντων εὐροίας καὶ πλούτου καὶ τῆς λοιπῆς αὐτοὺς χορηγίας κατασχούσης. τοῦτο 20 δὲ δῆλον ἐκ τῆς ἔτι καὶ νῦν ὑπολειπούσης περὶ τοὺς ἡγεμόνας αὐτῶν ἐσθῆτός τε καὶ διαίτης. τρυφήσαντες δὲ καὶ μάλιστα δὴ καὶ πρῶτοι πάντων τῶν ἀνθρώπων ἐπὶ τὸ τρυφᾶν ὁρμήσαντες εἰς τοῦτο προῆλθον ὕβρεως ὥστε πάντων τῶν ἀνθρώπων εἰς οὓς ἀφίκοιντο ἠκρωτηρίαζον τὰς ῥῖνας. {ἀφ’} ὧν οἱ ἀπόγονοι μεταστάντες ἔτι καὶ νῦν ἀπὸ τοῦ πάθους ἔχουσι τὴν ἐπω25 νυμίαν. αἱ δὲ γυναῖκες αὐτῶν τὰς Θρᾳκῶν τῶν πρὸς ἑσπέραν καὶ ἄρκτον {τῶν} περιοίκων γυναῖκας ἐποίκιλλον τὰ σώματα, περόναις γραφὴν ἐνεῖσαι. ὅθεν πολλοῖς ἔτεσιν ὕστερον αἱ ὑβρισθεῖσαι τῶν Θρᾳκῶν γυναῖκες ἰδίως ἐξηλείψαντο τὴν συμφορὰν προσκαταγραψάμεναι τὰ λοιπὰ τοῦ χρωτός, ἵν’ 15

3 τ’ ἐν Σάρδεσιν Kaibel : μὲν Σάρδεων A : Σάρδεων E 5 τοῖς Λυδῶν ἄνθεσιν ἀντέπλεξε Kaibel : τῶν Λ. ἄ. ἀντέπλεξε Meineke : τῶν Λυδῶν ἄνθεσι πάντ’ ἔπλησε A 6 στενωπή Toupius, cf. prouerb. Alexandr. 1, 61 = Zenobii 3, 92 : στενή A : στενήν τινα E ἣ suppl. Kaibel 8 γυναικῶν ... διάφορα mutila esse censuit Kaibel (“fort. γυναικῶν καὶ ἀνδρῶν κάλλει διάφορα”) 9 lacunam statuit Kaibel; supplendum esse uidit O. Crusius ‘ciuitas autem dum omnis in epulis et comissatione occupata est, superuenerunt Persae’, quae “sane digna Clearcho, cf. prou. Alex.” (Kaibel) 12 τρυφὴν A : τὴν τρυφὴν CE 13 ὀνειδιζομένους A : ὀνειδιζόμενοι CE λέγειν A : ἔλεγον CE 16 supplendum esse ante πρῶτον suspicatus est Kaibel 17 βροτῶν ἀθλιώτατοι A (fortasse nil mutandum) : ἀθλιωτάτους (sine βροτῶν) CE : ἀγριώτατοι Lennep 19 εὐροίας Kaibel post Musurum (εὐρροίας) : εὐβοίας A 23 ἀφ’ del. Kaibel 26 τῶν expunxit Wyttenbach, “sed fort. περιοικούντων fuit” Kaibel 28 προσκαταγραψάμενοι Kaibel : προσαν- ACE

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Texte

ὁ τῆς ὕβρεως καὶ τῆς αἰσχύνης ἐπ’ αὐταῖς χαρακτὴρ εἰς ποικιλίαν καταριθμηθεὶς κόσμου προσηγορίᾳ τοὔνειδος ἐξαλείψῃ. πάντων δὲ οὕτως ὑπερηφάνως προέστησαν ὥστε οὐδένων ἄδακρυς ἡ τῆς δουλείας ὑπουργία γιγνομένη διήγγειλεν εἰς τοὺς ἐπιγινομένους τὴν ἀπὸ Σκυθῶν ῥῆσιν οἵα τις 5 ἦν. διὰ τὸ πλῆθος οὖν τῶν κατασχουσῶν αὐτοὺς συμφορῶν, ἐπεὶ διὰ τὸ πένθος ἅμα τόν τε τῶν βίων ὄλβον καὶ τὰς κόμας περιεσπάσθησαν, παντὸς ἔθνους οἱ ἔξω τὴν ἐφ’ ὕβρει κουρὰν ἀπεσκυθίσθαι προσηγόρευσαν.»

fr. 47 (= 21 T.) Athenaeus XII 541C-E: καὶ Κλέαρχος δὲ ἐν τῷ τετάρτῳ τῶν

Βίων γράφει οὕτως· «Διονύσιος δ’ ὁ Διονυσίου ἁπάσης γενόμενος Σικελίας ἀλάστωρ εἰς τὴν Λοκρῶν πόλιν παρελθὼν οὖσαν αὐτῷ μητρόπολιν (Δωρὶς γὰρ ἡ μήτηρ αὐτοῦ τὸ γένος ἦν Λοκρίς) στρώσας οἶκον τῶν ἐν τῇ πόλει τὸν μέγιστον ἑρπύλλοις καὶ ῥόδοις μετεπέμπετο μὲν ἐν μέρει τὰς Λοκρῶν παρθένους. καὶ γυμνὸς μετὰ γυμνῶν οὐδὲν αἰσχύνης παρέλιπεν ἐπὶ τοῦ στρώματος κυλινδούμενος. τοιγαροῦν μετ’ οὐ πολὺν χρόνον οἱ ὑβρισθέντες 15 γυναῖκα καὶ τέκνα τἀκείνου λαβόντες ὑποχείρια ἐπὶ τῆς ὁδοῦ στήσαντες μεθ’ ὕβρεως ἐνηκολάσταινον αὐτοῖς. καὶ ἐπεὶ τῆς ὕβρεως πλήρεις ἐγένοντο, κεντοῦντες ὑπὸ τοὺς τῶν χειρῶν ὄνυχας βελόναις ἀνεῖλον αὐτούς. καὶ τελευτησάντων τὰ μὲν ὀστᾶ κατέκοψαν ἐν ὅλμοις, τὰ δὲ λοιπὰ κρεανομησάμενοι ἐπηράσαντο {πάντες} τοῖς μὴ γευσαμένοις αὐτῶν. ὅθεν πρὸς τὴν ἀνόσιον 20 ἀρὰν κατήλεσαν αὐτῶν τὰς σάρκας, ἵν’ ἡ τροφὴ σιτοποιουμένων κατεδεσθῇ τὰ δὲ λείψανα κατεπόντωσαν. αὐτὸς δὲ Διονύσιος τέλος μητραγυρτῶν καὶ τυμπανοφορούμενος οἰκτρῶς τὸν βίον κατέστρεψεν. εὐλαβητέον οὖν τὴν καλουμένην τρυφὴν οὖσαν τῶν βίων ἀνατροπὴν ἁπάντων τε †ὀλέθριον ἡγεῖσθαι† τὴν ὕβριν.» 10

25

fr. 48 (= 22 T.) Athenaeus XII 522D: Ταραντίνους δέ φησι Κλέαρχος ἐν

τετάρτῳ Βίων ἀλκὴν καὶ δύναμιν κτησαμένους εἰς τοσοῦτο τρυφῆς προελθεῖν ὥστε τὸν ὅλον χρῶτα παραλεαίνεσθαι καὶ τῆς ψιλώσεως ταύτης τοῖς λοιποῖς κατάρξαι. ἐφόρουν δέ, φησίν, καὶ παρυφίδα διαφανῆ πάντες, οἷς νῦν ὁ τῶν γυναικῶν ἁβρύνεται βίος. ὕστερον δ’ ὑπὸ τῆς τρυφῆς εἰς ὕβριν ποδη30 γηθέντες ἀνάστατον μίαν πόλιν Ἰαπύγων ἐποίησαν Κάρβιναν, ἐξ ἧς παῖδας καὶ παρθένους καὶ τὰς ἐν ἀκμῇ γυναῖκας ἀθροίσαντες εἰς τὰ τῶν Καρβινατῶν ἱερὰ σκηνοποιησάμενοι γυμνὰ πᾶσι τῆς ἡμέρας τὰ σώματα παρεῖχον

6 παντὸς ἔθνους “uerba uix integra” Kaibel 9 ἁπάσης A : πάσης CE 10 αὐτῷ AC : αὐτοῦ E 11 ἡ μήτηρ αὐτοῦ A : αὐτῷ ἡ μήτηρ CE 15 τἀκείνου Kaibel : ἐκείνου ACE 18 κρεανομησάμενοι Meineke : κρέα νεμησάμενοι AE (μεμησάμενοι C) 19 πάντες] om. cod. E Eustathius Aelianus, del. Kaibel : πᾶσι Meineke 19-20 ὅθεν ... κατεδεσθῇ delenda esse censuit Kaibel 23-24 ὀλέθριον ἡγεῖσθαι inter cruces posuit Wehrli 25 ἐν τετάρτῳ Βίων A, om. CE 28 κατάρξαι A : προκατάρξαι CE παρυφίδα Kaibel : παρυφὴν ACE 29 ὕστερον CE : δεύτερον A

VII. Περὶ βίων

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θεωρεῖν. καὶ ὁ βουλόμενος καθάπερ εἰς ἀτυχῆ παραπηδῶν ἀγέλην ἐθοινᾶτο ταῖς ἐπιθυμίαις τὴν τῶν ἀθροισθέντων ὥραν, πάντων μὲν ὁρώντων, μάλιστα δὲ ὧν ἥκιστα ἐκεῖνοι προσεδόκων θεῶν. οὕτω δὲ τὸ δαιμόνιον ἠγανάκτησεν ὥστε Ταραντίνων τοὺς ἐν Καρβίνῃ παρανομήσαντας ἐκεραύνωσεν πάντας. 5 καὶ μέχρι καὶ νῦν ἐν Τάραντι ἑκάστη τῶν οἰκιῶν ὅσους ὑπεδέξατο τῶν εἰς Ἰαπυγίαν ἐκπεμφθέντων τοσαύτας ἔχει στήλας πρὸ τῶν θυρῶν. ἐφ’ αἷς καθ’ ὃν ἀπώλοντο χρόνον οὔτ’ οἰκτίζονται τοὺς ἀποιχομένους οὔτε τὰς νομίμους χέονται χοάς, ἀλλὰ θύουσι Διὶ Καταιβάτῃ. 10

fr. 49 (= 15+16 T.) Athenaeus XII 514D: Κλέαρχος δὲ ὁ Σολεὺς ἐν τετάρτῳ

Βίων προειπὼν περὶ τῆς Μήδων τρυφῆς καὶ ὅτι διὰ ταύτην πολλοὺς εὐνουχίσαιεν τῶν περικτιόνων, ἐπιφέρει καὶ τὴν παρὰ Μήδων γενέσθαι Πέρσαις μηλοφορίαν μὴ μόνον ὧν ἔπαθον τιμωρίαν, ἀλλὰ καὶ τῆς τῶν δορυφορούντων τρυφῆς εἰς ὅσον ἦλθον ἀνανδρίας ὑπόμνημα. δύναται γάρ, ὡς ἔοικεν, ἡ παράκαιρος ἅμα καὶ μάταιος αὐτῶν περὶ τὸν βίον τρυφὴ καὶ τοὺς 15 ταῖς λόγχαις καθωπλισμένους ἀγύρτας ἀποφαίνειν.

fr. 50 (= 27 T.) Athenaeus XII 539B: Κλέαρχος δ’ ἐν τοῖς Περὶ βίων περὶ Δαρείου λέγων τοῦ καθαιρεθέντος ὑπὸ τοῦ Ἀλεξάνδρου φησίν· «ὁ Περσῶν βασιλεὺς ἀθλοθετῶν τοῖς τὰς ἡδονὰς αὐτῷ πορίζουσιν ὑπὸ πάντων τῶν ἡδέων ἡττωμένην ἀπέδειξε τὴν βασιλείαν καὶ καταγωνιζόμενος ἑαυτὸν οὐκ ᾔσθετο 20 πρότερον ἢ τὸ σκῆπτρον ἕτεροι λαβόντες ἀνεκηρύχθησαν.» fr. 51a (= 26a T.) Athenaeus XII 514E καὶ προελθὼν δὲ γράφει (sc. Κλέαρ-

χος)· «τοῖς γοῦν πορίσασί τι αὐτῷ ἡδὺ βρῶμα διδοὺς ἆθλα τοῦ πορισθέντος (sc. ὁ Περσῶν βασιλεὺς) οὐχ ἑτέραις ἡδύνων ταῦτα τιμαῖς παρετίθει, πολὺ δὲ μᾶλλον αὐτὸς ἀπολαύειν αὐτῶν, νοῦν ἔχων. τοῦτο μὲν γάρ ἐστιν ὁ λεγόμε25 νος, οἶμαι, {καὶ} Διὸς ἅμα καὶ βασιλέως ἐγκέφαλος.»

fr. 51b (= 26b T.) Zenobius Cent. III 41: Διὸς ἐγκέφαλος: ἐπὶ τῶν ἡδυπαθούντων ἡ παροιμία τέτακται. Κλέαρχος δὲ ἐν τῷ πέμπτῳ Περὶ βίων φησὶ τὰ πολυτελῆ βρώματα παρὰ τοῖς Πέρσαις Διὸς καὶ βασιλέως ἐγκέφαλον καλεῖσθαι.

5 ὅσους Musurus : οὓς οὐχ A ὑπεδέξατο Schweighäuser : ὑπεδέξαντο A : ἀπεδέξατο Meineke 7 τὰς ... χοὰς Musurus : τοὺς ... χόας A Καταιβάτῃ Musurus : κατηβάτη A 10 ταύτην] ταύτης Schweighäuser 12 μόνον Musurus : μόνων codd. 18 πορίζουσιν Kaibel, conl. Athen. XII 514E et 529D : γνωρίζουσιν ACE 22 αὐτῷ A : τῷ βασιλεῖ CE 23 uerba corrupta οὐχ ἑτέραις ... παρετίθει sic temptauit Kaibel οὐχ ἑτέροις ἡδύνειν ταῦτα τιμαῖς προετίθετο ἀπολαύειν] ἀπολαύων Wehrli 24 οὐκ ante ἔχων add. Kaibel e 529 E (= fr. 51d) μὲν del. Taifakos 25 καὶ del. Kaibel e 529D 27 πέμπτῳ] τετάρτῳ dubitanter Müller

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Texte

fr. 51c (= 26c T.) Hesychius δ 1927 Latte: Διὸς ἐγκέφαλος: παροιμία, ἣν Κλέαρχος φησὶν εἰρῆσθαι οἷον ἐπὶ τῶν ἄγαν θείων.

fr. 51d (= 29 T.) Athenaeus XII 529D-E: Κλέαρχος δὲ περὶ τοῦ Περσῶν βασιλέως διηγούμενος ὅτι τοῖς αὐτῷ πορίσασιν ἡδύ τι βρῶμα ἆθλα ἐτίθει, , νοῦν {οὐκ} ἔχων. τοῦτο γάρ ἐστιν ὁ λεγόμενος, οἶμαι, Διὸς ἅμα καὶ βασιλέως ἐγκέφαλος. ὅθεν ὁ πάντων εὐδαιμονέστατος Σαρδανάπαλλος ὁ παρ’ ὅλον τὸν βίον τιμήσας τὰς ἀπολαύσεις καὶ τελευτήσας δείκνυσιν ἐν τῷ τοῦ μνήματος τύπῳ τοῖς δακτύλοις οἵου καταγέλωτός ἐστιν ἄξια τὰ 10 τῶν ἀνθρώπων πράγματα, οὐκ ἄξια ὄντα ψόφου δακτύλων, ὃν πεποίηται ποιούμενος †δὶς ἐν χορῷ† < * * * > ἡ περὶ τὰ λοιπὰ σπουδή. φαίνεται οὖν οὐκ ἄπρακτος γενόμενος Σαρδανάπαλλος, καὶ γὰρ ἐπιγέγραπται αὐτοῦ τῷ μνήματι· «Σαρδανάπαλλος Ἀνακυνδαράξεω· Ἀγχιάλην ἔδειμε καὶ Ταρσὸν μιῇ ἡμέρῃ, ἀλλὰ νῦν τέθνηκεν». 15

fr. 52 (= 30T.) Athenaeus X 416B: Κλέαρχος δ’ ἐν πέμπτῳ Βίων Καντιβάρι φησὶ τῷ Πέρσῃ, ὁπότε κοπιάσειε τὰς σιαγόνας ἐσθίων, κεχηνότι καθάπερ εἰς ἄψυχον ἀγγεῖον εἰσαντλεῖν τὴν τροφὴν τοὺς οἰκείους.

fr. 53 (= 31 T.) Athenaeus XII 530C: Κλέαρχος δ’ ἐν πέμπτῳ Βίων Σάγαρίν 20

25

φησι τὸν Μαριανδυνὸν ὑπὸ τρυφῆς σιτεῖσθαι μὲν μέχρι γήρως ἐκ τοῦ τῆς τιτθῆς στόματος, ἵνα μὴ μασώμενος πονέσειε, οὐ πώποτε δὲ τὴν χεῖρα κατωτέρω τοῦ ὀμφαλοῦ προενέγκασθαι. διὸ καὶ Ἀριστοτέλης Ξενοκράτην τὸν Χαλκηδόνιον σκώπτων ὅτι οὐρῶν οὐ προσῆγε τὴν χεῖρα τῷ αἰδοίῳ ἔλεγεν χεῖρες μὲν ἁγναί, φρὴν δ’ ἔχει μίασμά τι (Eur. Hipp. 317).

fr. 54 (= 32 T.) Athenaeus I 6C-D: ὁ αὐτός (sc. Κλέαρχος) φησι Πίθυλλον τὸν Τένθην καλούμενον οὐ περιγλωττίδα μόνον ὑμενίνην φορεῖν, ἀλλὰ καὶ προσελυτροῦν τὴν γλῶσσαν πρὸς τὰς ἀπολαύσεις. καὶ τέλος ἰχθύαν τρίβων 4-6 utramque lacunam expleuit Wehrli conl. fr. 51a 6 οὐκ deleuit Müller 9 “fort. τοῖς δακτύλοις uel , nam Clearchus eodem ionico scriptore usus est ac Callisthenes (fr 32 M), quem Hellanicum fuisse perprobabiliter coniecit Niese” Kaibel 10 ὃν πεποίηται A : χορεύων πεποίηται CE : lacunam post πεποίηται indicauit Schweighäuser : “uerba restitui nequeunt” Kaibel 11 uerba δὶς ἐν χορῷ A (om. CE) inter cruces posuit Wehrli, qui post ea etiam lacunam statuit et eam uerbis supplendam ὑποσημαίνων κρότῳ ὁπόσου ἀξία uel aliud eiusdem fere sensus coniecit οὖν A : γοῦν Gulick 15 ἐν πέμπτῳ Βίων A : om. CE 15-16 Καντιβάρι ... τῷ Πέρσῃ Schweighäuser : καντίβαριν ... τὸν Πέρσην ACE 20 πονέσειεν] πονήσειεν Schweighäuser 21 κατωτέρω EC : κατώτερον A 26 ἰχθύαν Kaibel post nescioquem : ἰχθῦν CE

VII. Περὶ βίων

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ἀπεκάθαιρεν αὐτήν. μόνος δ’ οὗτος τῶν ἀπολαυστικῶν καὶ δακτυλήθρας ἔχων ἐσθίειν λέγεται τὸ ὄψον, ἵν’ ὡς θερμότατον ὁ τρισάθλιος ἀναδιδῷ τῇ γλώττῃ. 5

10

fr. 55 (= 33a T.) Athenaeus I 6B-C (cf. XII 72. 548F-549A) : Κλέαρχος δὲ

Μελάνθιόν φησι τοῦτ’ εὔξασθαι λέγων· «Τιθωνοῦ Μελάνθιος ἔοικε βουλεύσασθαι βέλτιον. ὁ μὲν γὰρ ἀθανασίας ἐπιθυμήσας ἐν θαλάμῳ κρέμαται πάντων ὑπὸ γήρως ἐστερημένος τῶν ἡδέων. Μελάνθιος δὲ τῶν ἀπολαύσεων ἐρῶν ηὔξατο τῆς μακραύχενος ὄρνιθος τὸν τράχηλον ἔχειν, ἵν’ ὅτι πλεῖστον τοῖς ἡδέσιν ἐνδιατρίβῃ.»

fr. 56 (= 33b T.) Zenobius Cent. VI 18: Τιθωνοῦ γῆρας: ἐπὶ τῶν πολυ-

χρονίων καὶ ὑπεργήρων τάττεται. ἱστορεῖται δὲ ὅτι Τιθωνὸς κατ’ εὐχὴν τὸ γῆρας ἀποθέμενος τέττιξ ἐγένετο, ὥς φησι Κλέαρχος ἐν τῷ Περὶ βίων.

fr. 57 (= 35 T.) Athenaeus I 5F - 6B: Κλέαρχος δέ φησι Φιλόξενον προ-

λουόμενον περιέρχεσθαι τὰς οἰκίας, ἀκολουθούντων αὐτῷ παίδων {καὶ} φερόντων ἔλαιον οἶνον γάρον ὄξος καὶ ἄλλα ἡδύσματα. ἔπειτα εἰσιόντα εἰς τὰς ἀλλοτρίας οἰκίας τὰ ἑψόμενα τοῖς ἄλλοις ἀρτύειν ἐμβάλλοντα ὧν ἐστι χρεία, κἆθ’ οὕτως κύψαντα εὐωχεῖσθαι. οὗτος εἰς Ἔφεσον καταπλεύσας εὑρὼν τὴν ὀψοπώλιδα κενὴν ἐπύθετο τὴν αἰτίαν. καὶ μαθὼν ὅτι πᾶν εἰς γάμους συνηγόρασται 20 λουσάμενος παρῆν ἄκλητος ὡς τὸν νυμφίον. καὶ μετὰ τὸ δεῖπνον ᾄσας ὑμέναιον, οὗ ἡ ἀρχή· γάμε θεῶν λαμπρότατε (fr. 15 Page) πάντας ἐψυχαγώγησεν, ἦν δὲ διθυραμβοποιός. καὶ ὁ νυμφίος· «Φιλόξενε», εἶπε, «καὶ αὔριον ὧδε δειπνήσεις». καὶ ὁ Φιλόξενος· «ἂν ὄψον, ἔφη, μὴ πωλῇ τις». 15

25

fr. 58 (= 36 T.) Athenaeus VIII 344C: Κλέαρχος δ’ ἐν τοῖς Περὶ βίων

φίλιχθύν τινα ἀναγράφων φησὶν οὕτως· Τέχνων ὁ παλαιὸς αὐλητὴς Χάρμου τοῦ αὐλητοῦ τελευτήσαντος (ἦν δὲ φίλιχθυς) ἀποπυρίδας ἐπὶ τοῦ μνήματος ἐνήγιζεν αὐτῷ.

fr. 59 (= 28 T.) Athenaeus XII 518C: διαβόητοι δ’ εἰσὶν ἐπὶ τρυφῇ καὶ αἱ

τῶν Σικελῶν τράπεζαι, οἵτινες καὶ τὴν παρ’ αὐτοῖς θάλατταν λέγουσιν εἶναι

6 ὁ CE : ὃ vulg. θαλάμῳ CE : ταλάρῳ Adam 14 < ἐν τῇ πατρίδι κἀν ἄλλαις πόλεσι > suppl. ex Suda Kaibel 15 καὶ om. CE Suda, expunxit Kaibel 16 ἡδύσματα CE : τῶν ἡδυσμάτων Suda 17 ἐστι] ἦν Suda κἆθ’ Suda : εἶθ’ CE εἰς ἑαυτὸν κύψαντα Suda : ἀνακάμψαντα CE 18 ὀψοπώλιδα Kaibel : ὀψοπώλην CE : ὀψοπώλιν Suda : ὀψοπωλίαν Schweighäuser 23 δειπνήσεις Suda : δειπνεῖς CE 29 οἵτινες A : οἵ CE

42

Texte

γλυκεῖαν, χαίροντες τοῖς ἐξ αὐτῆς γινομένοις ἐδέσμασιν, ὥς φησι Κλέαρχος ἐν πέμπτῳ Βίων.

fr. 60 (= 34 T.) Athenaeus XII 548B: περὶ δὲ Ἀναξάρχου Κλέαρχος ὁ Σο5

10

λεὺς ἐν πέμπτῳ Βίων οὕτω γράφει· «τῷ εὐδαιμονικῷ καλουμένῳ Ἀναξάρχῳ διὰ τὴν τῶν χορηγησάντων ἄγνοιαν περιπεσούσης ἐξουσίας γυμνὴ μὲν ᾠνοχόει παιδίσκη πρόσηβος ἡ προκριθεῖσα διαφέρειν ὥρᾳ τῶν ἄλλων, ἀνασύρουσα πρὸς ἀλήθειαν τὴν τῶν οὕτως αὐτῇ χρωμένων ἀκρασίαν. ὁ δὲ σιτοποιὸς χειρῖδας ἔχων καὶ περὶ τῷ στόματι κημὸν ἔτριβε τὸ σταῖς, ἵνα μήτε ἱδρὼς ἐπιρρέοι μήτε τοῖς φυράμασιν ὁ τρίβων ἐμπνέοι.

fr. 61 (= 38 T.) Athenaeus IX 396E: Κλέαρχος δ’ ἐν τοῖς Περὶ βίων εἰς τοῦτό φησιν ὠμότητος Φάλαριν τὸν τύραννον ἐλάσαι ὡς γαλαθηνὰ θοινᾶσθαι βρέφη. fr. 62 (= 37 T.) Athenaeus XII 548C: πόσῳ γὰρ τούτων βέλτιον Γοργίας ὁ

15

Λεοντῖνος, περὶ οὗ φησιν ὁ αὐτὸς Κλέαρχος ἐν τῷ ὀγδόῳ τῶν Βίων, ὅτι διὰ τὸ σωφρόνως ζῆν σχεδὸν ρ΄ ἔτη τῷ φρονεῖν συνεβίωσεν. καὶ ἐπεί τις αὐτὸν ἤρετο τίνι διαίτῃ χρώμενος οὕτως ἐμμελῶς καὶ μετὰ αἰσθήσεως τοσοῦτον χρόνον ζήσειεν, οὐδὲν πώποτε, εἶπεν, ἡδονῆς ἕνεκεν πράξας.

* fr. S2 (= 18b T.) [Plutarchus] Proverbia Alexandrina 1, 61: Σαμίων ἄνθη καὶ Σαμιακὴ λαύρα· ἐπὶ τῶν ὑστάταις ἡδοναῖς χρωμένων. ἡ Σαμιακὴ λαύρα 20 στενωπὴ ἦν παρὰ Σαμίοις, ἐν ᾗ τὰ πέμματα ἐπιπράσκετο. τὰ δὲ Σαμίων ἄνθη τόπος, ἐν ᾧ συνῄεσαν αἱ γυναῖκες τοῖς ἀνδράσι συνευωχησόμεναι. διὰ ταύτην τὴν τρυφὴν οἱ Σάμιοι τοῖς Πέρσαις ἐδουλώθησαν.

fr. S3 (= 23 T.) Athenaeus XII 522F-523B: Ἰαπύγων τε αὖ τὸ γένος ἐκ

25

Κρήτης ὄντων κατὰ Γλαύκου ζήτησιν ἀφικομένων καὶ κατοικησάντων, οἱ μετὰ τούτους λήθην λαβόντες τῆς Κρητῶν περὶ τὸν βίον εὐκοσμίας εἰς τοῦτο τρυφῆς, εἶθ’ ὕστερον ὕβρεως ἦλθον ὥστε πρῶτοι τὸ πρόσωπον ἐντριψάμενοι καὶ προκόμια περιθετά {τε} λαβόντες στολὰς μὲν ἀνθινὰς φορῆσαι, τὸ δὲ ἐργάζεσθαι καὶ πονεῖν αἰσχρὸν νομίσαι. καὶ τοὺς μὲν πολλοὺς αὐτῶν 4 τῷ εὐδαιμονικῷ καλουμένῳ Schweighäuser : τῶν εὐδαιμονικῶν καλουμένων A 9 μήτε ἱδρὼς E : μή τι ἱδρὼς C : μηδὲ ἱδρὼς A 13 βέλτιον Kaibel : βελτίων ACE 15 ρ΄ Wilamowitz : π΄ A : ὀγδοήκοντα CE : ρι΄ Diels 23 τε αὖ] δ’ αὖ coni. Kaibel 24 Γλαύκου] Δαιδάλου Schweighäuser 27 τε del. Lobeck (περίθεά τε A : περίθετα τε CE) 28 ἐργάζεσθαι Kaibel : ἐργάσασθαι AE αἰσχρὸν Meineke : αἴσχιον ACE

VII. Περὶ βίων

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καλλίονας τὰς οἰκίας ποιῆσαι τῶν ἱερῶν, τοὺς δ’ ἡγεμόνας τῶν Ἰαπύγων ἐφυβρίζοντας τὸ θεῖον πορθεῖν ἐκ τῶν ἱερῶν τὰ τῶν θεῶν ἀγάλματα, προειπόντας μεθίστασθαι τοῖς κρείττοσιν. διόπερ ἐξ οὐρανοῦ βαλλόμενοι πυρὶ καὶ χαλκῷ ταύτην διέδοσαν τὴν φήμην. ἐμφανῆ γὰρ ἦν μέχρι πόρρω κεχαλ5 κευμένα τῶν ἐξ οὐρανοῦ βελῶν· καὶ πάντες οἱ ἀπ’ ἐκείνων μέχρι τήμερον ἐν χρῷ κεκαρμένοι καὶ πένθιμον στολὴν ἀμπεχόμενοι ζῶσιν, πάντων τῶν πρὶν ὑπαρξάντων ἀγαθῶν σπανίζοντες.

fr. S4a (= 24+25a T.) Athenaeus XII 523B-C: Ἴβηρες δὲ καίτοι ἐν τραγικαῖς στολαῖς καὶ ποικίλαις προϊόντες καὶ χιτῶσι ποδήρεσι χρώμενοι οὐδὲν 10 ἐμποδίζονται τῆς πρὸς τοὺς πολέμους ῥώμης. Μασσαλιῶται δ’ ἐθηλύνθησαν οἱ τὸν αὐτὸν Ἴβηρσι τῆς ἐσθῆτος φοροῦντες κόσμον. ἀσχημονοῦσι γοῦν διὰ τὴν ἐν ταῖς ψυχαῖς μαλακίαν καὶ τρυφὴν γυναικοπαθοῦντες· ὅθεν καὶ παροιμία παρῆλθε ‘Πλεύσειας εἰς Μασσαλίαν’. 15

fr. S4b (= 25b T.) [Plutarchus] Proverbia Alexandrina 1, 60: Εἰς Μασσαλίαν

πλεύσειας· οἱ Μασσαλιῶται θηλύτερον ἔζων, καὶ στολαῖς ποικίλαις καὶ ποδήρεσι χρώμενοι, ἔτι δὲ τὰς κόμας μεμυρισμένας ἀναδεδεμένοι, καὶ διὰ ταύτην τὴν μαλακίαν ἀσχημονοῦντες.

Aliter explicat codex C: Εἰς Μασσάλειαν [sic] πλεύσειας· ἐπὶ κατάρας, παρ᾽ ὅσον εἰς μαλακίαν οἱ Μασσαλιῶται διεβάλλοντο· ἢ ὅτι οἱ Μασσαλιῶται εἰς πόλεμον ἐξιόντες 20 κοσμοῦνται ὡς γυναῖκες.

fr. S5 Athenaeus XII 548F-549A: Τιθωνὸν δ’ ἀπὸ τῆς ἕω μέχρι δυσμῶν

κοιμώμενον μόλις ἐπιθυμίαι πρὸς ἑσπέραν ἐπήγειρον· ὅθεν Ἠοῖ συγκοιμᾶσθαι λεχθεὶς διὰ τὸ ταῖς ἐπιθυμίαις ἐμπεπλέχθαι < * * * > ἐπὶ τῷ γήρᾳ καθεῖρκται, κρεμαστὸς ὢν πρὸς ἀλήθειαν ἐκ τούτων. καὶ Μελάνθιος δὲ τὸν 25 αὑτοῦ τράχηλον κατατείνων ἀπήγχετο ἐκ τῶν ἀπολαύσεων, κνισότερος ὢν τοῦ Ὀδυσσέως Μελανθίου.

4 ἐμφανῆ γὰρ ἦν edd. ueteres : ἐφάνη γὰρ ην A, “uerba corrupta; dici uidentur fulgurum uestigia superesse (ἐφάνη γάρ τινα?)” Kaibel 8 τραγικαῖς Musurus : τρατικαῖς A : στρατηγικαῖς CE 9 καὶ ποικίλαις del. Wilamowitz 10-11 Μασσαλιῶται ... ἀσχημονοῦσι A : Μασσαλιῶται δὲ Ἰβηρικῶς μέν εἰσιν ἐσταλμένοι, ἐθηλύνθησαν δὲ καὶ ἀσχημονοῦσι CE 11 γοῦν A, om. CE 12 καὶ τρυφὴν Kaibel : διὰ τρυφὴν ACE 22 αἱ add. Kaibel 23 lacunam post ἐμπεπλέχθαι stat. Kaibel, quam e.g. sic explet νέος ὢν ἐπὶ γήρως ἐν ταλάρῳ ὥσπερ τέττιξ καθεῖρκται, addens “sed corrupta uerba ἐπὶ τῷ γήρᾳ non expedio”

VIII. Naturwissenschaftliches fr. 96 (= 125 T.) Athenaeus II 43F: Κλέαρχός φησι τὸ μὲν ὕδωρ ὥσπερ καὶ

τὸ γάλα λευκὸν λέγεσθαι, οἶνον δὲ καθάπερ καὶ τὸ νέκταρ ἐρυθρόν, μέλι δὲ καὶ ἔλαιον χλωρόν, τὸ δ’ ἐκ τῶν μύρτων θλιβόμενον μέλαν.

5

fr. 97 (= 124 T.) Plutarch. De facie in orbe lunae 920E: καὶ πρὸς Κλέαρχον, ὦ

Ἀριστότελες, οὐκ ἀπιθάνως ἐδόκει λέγεσθαι τὸν ὑμέτερον, ὑμέτερος γὰρ ἁνήρ, Ἀριστοτέλους τοῦ παλαιοῦ γεγονὼς συνήθης, εἰ καὶ πολλὰ τοῦ Περιπάτου παρέτρεψεν. ὑπολαβόντος δὲ τοῦ Ἀπολλωνίδου τὸν λόγον καὶ τίς ἦν ἡ δόξα τοῦ Κλεάρχου διαπυθομένου, παντὶ μᾶλλον, ἔφην, ἀγνοεῖν ἢ σοὶ προσῆκόν ἐστι λόγον ὥσπερ ἀφ’ ἑστίας τῆς γεωμετρίας ὁρμώμενον. λέγει 10 γὰρ ἁνὴρ εἰκόνας ἐσοπτρικὰς εἶναι καὶ εἴδωλα τῆς μεγάλης θαλάσσης ἐμφαινόμενα τῇ σελήνῃ τὸ καλούμενον πρόσωπον. ἥ τε γὰρ ἀκτὶς ἀνακλωμένη πολλαχόθεν ἅπτεσθαι τῶν οὐ κατ’ εὐθυωρίαν ὁρωμένων πέφυκεν, ἥ τε πανσέληνος αὐτὴ πάντων ἐσόπτρων ὁμαλότητι καὶ στιλπνότητι κάλλιστόν ἐστι καὶ καθαρώτατον. ὥσπερ οὖν τὴν ἶ οἴεσθε ὑμεῖς ἀνα15 κλωμένης ἐπὶ τὸν ἥλιον τῆς ὄψεως ἐνορᾶσθαι τῷ νέφει λαβόντι νοτερὰν ἡσυχῇ λειότητα καὶ ξιν, οὕτως ἐκεῖνος ἐνορᾶσθαι τῇ σελήνῃ τὴν ἔξω θάλασσαν, οὐκ ἐφ’ ἧς ἐστι χώρας, ἀλλὰ ὅθεν ἡ κλάσις ἐποίησε τῇ ὄψει τὴν ἐπαφὴν αὐτῆς καὶ τὴν ἀνταύγειαν.

3 μύρτων Schweighäuser conl. Diosc. V 28 : μύρων CE : μόρων Coray conl. Ath. II 51C-D 6 ἁνήρ Bernardakis : ἀνήρ EB : ὁ ἀνὴρ Deubner Ἀριστοτέλους Turnebus : ὁ Ἀριστοτέλης EB 7 Ἀπολλωνίδου edd. (cf. 921B) : ἀπολλωνιάδου EB 10 ἁνήρ Bernardakis : ἀνήρ EB 11 ἀκτὶς Pohlenz : ἴτυς EB : ὄψις Turnebus 14 ἶ suppl. Turnebus : lacunam trium litter. EB 16 ξιν suppl. Raingeard : lacunam duarum litter. EB : ξιν Xylander 17 τῇ ὄψει Wyttenbach : τὴν ὄψιν EB

INTERPRETATIONEN

I. ‘Lob Platons’ Bei den Fragmenten 2a und 2b handelt sich um die gleiche Wundererzählung über die Geburt Platons: Der rechtmäßige Ehemann und Vater Platons, Ariston, versuchte Periktione zum Geschlechtsverkehr zu nötigen. Als sein Versuch misslang, sah er die Erscheinung Apollons, was zur Folge hatte, dass er Periktione bis zur Niederkunft unberührt ließ. Der Sinn, auch wenn es nicht ausdrücklich gesagt wird, ist, dass Periktione bis zur Geburt Platons ‘rein’ blieb und dass Platon auf wunderbare Weise unter dem Schutz Apollons gezeugt wurde. Es wird allerdings ausdrücklich gesagt, dass diese Erzählung “in Athen kursierte” (Ἀθήνησιν ἦν λόγος). Die Hauptprobleme hängen mit den Textquellen, dem literarischen Charakter des Werkes und der Interpretation der Erzählung selbst zusammen. Was die Überlieferung anbelangt, so sind die Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Quellen dadurch zu erklären, dass entweder Hieronymus von Diogenes Laertius abhängig ist oder aber beide auf eine gemeinsame Quelle zurückgehen.1 Bei näherer Betrachtung der Fragmente stellt man folgendes fest: (i) Hieronymos beruft sich nicht nur auf die gleichen Quellen wie Diogenes, sondern führt sie in der gleichen Reihenfolge und auf die gleiche Weise (bemerkenswert ist besonders die Einzelheit “in secundo libro”) an. Die Werktitel werden wie bei Diogenes angegeben – bis auf zwei Einzelheiten: Der Buchtitel ἐν τῷ δευτέρῳ περὶ φιλοσόφων bei Diogenes (höchst wahrscheinlich richtig, da biographische Daten sich gewöhnlich in Büchern “über Philosophen” finden) ist hier “in libro ... philosophiae” umgewandelt, während der Titel des Werkes von Speusippos weggelassen wird. Der Grund für die Weglassung dürfte wohl daran liegen, dass περίδειπνον sich zumindest als Titel schwer übersetzen ließ. (ii). Hieronymos lässt die Angabe über die “in Athen kursierte” Erzählung aus. Der Grund liegt vermutlich darin, dass eine solche Angabe zum didaktischen Zweck im vorliegenden Passus in Widerspruch stand. (iii) Anstelle _____________ 1

Bickel (1915) 133-41 weist auf die Abhängigkeit des Hieronymos von Porphyrios im allgemeinen und nimmt als gemeinsame Quelle des Diogenes und des Hieronymos Thrasyllos an. Eine gemeinsame Quelle nimmt auch E. Theys, FGrHist IV A1, Leiden/Boston/Köln 1998, 225-27 an, der an Aristandros als “the ultimate common source” denkt, sowie J. Radicke, FGrHist IV A7, Leiden/Boston/Köln 1998, 363.

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Interpretationen

der vorsichtigen Formulierung καθαρὰν γάμου des Diogenes2 spricht Hieronymos von “sapientiae principem ... de partu virginis editum”. Das läßt sich einfach als eine sozusagen interpretatio christiana erklären. (iv) Im Gegensatz zum letzten Punkt kann man nicht umhin, die Worte “Perictionem matrem Platonis phantasmate Apollinis oppressam” als eine Missdeutung der Aussage über Ariston und der Erwähnung der ὄψις des Apollon zu erklären.3 Die vorausgegangenen Bemerkungen führen zum Ergebnis, dass Hieronymos trotz den kleinen Abweichungen und Missverständnissen genau den gleichen Text wie Diogenes vor Augen hatte. Was auch immer man aber über Diogenes’ Arbeitsweise und Originalität denken mag, klingt es kaum plausibel, dass er im Anfang seiner Platon-Vita eine ganze Stelle mit Quellenangaben ohne jegliche Andeutung lediglich abgeschrieben hat.4 Deswegen erscheint es wahrscheinlicher, dass Hieronymos direkt oder indirekt (durch Porphyrios?) auf Diogenes zurückgeht. Diogenes erweist sich demnach als zuverlässiger, was aber nicht heißt, dass er alle drei Quellen, darunter auch die Schrift des Klearchos, selbst gelesen hat. Vermutlich erwähnte der im Fragment letztgenannte Autor, Anaxilides (FGrHist 1095 F 1),5 das Πλάτωνος περίδειπνον des Speusippos (fr. 147-8 Isnardi Parente = fr. 1a-b Tarán) und das Πλάτωνος ἐγκώμιον des Klearchos als seine Quellen, die dann bei Diogenes zusammen mit der Angabe seiner eigenen Quelle zusammengeschmolzen sind.6 Freilich hat man mehrmals in der Vergangenheit in Abrede gestellt, dass Speusippos ein Werk mit dem Titel Πλάτωνος περίδειπνον geschrieben hat, mit dem Hauptargument, in der Liste seiner Werke, die derselbe Diogenes in der Vita des Speusippos anführt (IV 5), sei nur eine Schrift mit dem Titel Πλάτωνος ἐγκώμιον erwähnt. Man wollte aus diesem Grund den überlieferten Text ändern, so dass Speusippos das Πλάτωνος ἐγκώμιον _____________ 2 3

4 5

6

Vor Platon hatte Periktione zwei Söhne geboren (Adeimantos und Glaukon werden u.a. am Anfang der Republik erwähnt); hierzu s. J.K. Davies, Athenian Propertied Families (600-300 B.C.), Oxford 1971, 332-33. Vgl. Apuleius De Platone 1, 1: sunt qui Platonem augustiore conceptu prosatum dicant, cum quidem Apollinis figuratio Perictionae se miscuisset. Dazu s. Tarán (1981) 234 Anm. 24; Dörrie (1990) 407; E. Theys in FGrHist IV A1, Leiden/Boston/Köln 1998, 226. Bei Hieronymus ist die Lesart phantasmate vorzuziehen, vgl. TLL X1, 2007. Zur Quellenforschung in Bezug auf Diogenes s. J. Mejer, Diogenes Laertius and his Hellenistic Background, (Hermes ES 40) Wiesbaden 1978, 7-16. Ἀναξιλίδης (oder Ἀναξιλήδης) heißt der Name in den Handschriften des Diogenes (nur in P ante corr. steht Ἀναξιάδης), was sich mit der Überlieferung des Hieronymus in Einklang befindet. Ἀναξιλαΐδης ist eine Konjektur Cobets. Zum textkritischen Problem sowie zu der (nicht überzeugenden) Identifizierung dieses Autors mit dem “pythagoreischen Wundermann Anaxilaos von Larissa” aus der Zeit des Augustus (so E. Schwartz, RE I 2 [1894] 2083) s. Tarán (1981) 233 Anm. 20. Zu Anaxilides s. auch J. Radicke zu FGrHist 1095 F 1 (Bd. IV A7, S. 362-63). Dazu s. Tarán (1981) 233; Dörrie (1990) 405.

I. ‘Lob Platons’

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und umgekehrt dem Peripatetiker das Πλάτωνος περίδειπνον zugewiesen wird.7 Abgesehen davon, dass nichts für die Vollständigkeit der Liste bürgt, darf man aber andere Möglichkeiten nicht ausschließen (z.B. dass für dieselbe Schrift gelegentlich der Titel ἐγκώμιον benutzt wurde, weil er seinem Inhalt entsprach). Auf jeden Fall gibt es kein stichhaltiges Argument, warum Klearchos ein περίδειπνον und nicht ein ἐγκώμιον hätte schreiben sollen, zumal wenn man bedenkt, dass man in literarischem Zusammenhang mit περίδειπνον nicht, wie J. Martin (1931: 165) behauptet, “ein Enkomion auf den Toten, einen ἐπιτάφιος” meinte, sondern die literarische Nachahmung eines Leichenmahls, was in diesem Fall nur heißen kann: ein Werk in dialogischer Form, eine Art Symposion, dessen Kern eine oder mehrere Lobreden bildeten.8 Im letzteren Fall kann man sehr wohl verstehen, warum Speusippos ein Perideipnon abgefasst haben dürfte: Erstens, die Würdigung seines engen Verwandten, Platon, aus dem Mund eines Gesprächspartners und zwar in einem nach platonischem Muster abgefassten Dialog wäre sicherlich viel geschickter als das direkte Lob in erster Person. Zweitens, die Erwähnung einer “in Athen kursierenden” Legende, in der Platon mit Apollon in Verbindung gebracht wurde, passt zweifellos besser in den Mund einer fiktiven Person als in den Mund des Philosophen und Verwandten Speusippos. Aus den erwähnten Gründen erscheint die vorgeschlagene Textänderung völlig grundlos, so dass die Schrift mit dem Titel Πλάτωνος ἐγκώμιον dem Klearchos zugewiesen _____________ 7

8

Diese Meinung vertritt Steinhart (1873) 7-8: “Der aus Diogenes noch in neuere Darstellungen übergegangene seltsame Irrthum, daß Speusippos auch eine Schrift über Platon’s Leichenmahl (περίδειπνον) verfaßt, wogegen die Lobrede dem Peripatetiker Klearchos zugeschrieben wird, rührt wahrscheinlich nicht einmal von Diogenes selbst, sondern von der Nachlässigkeit eines Abschreibers her, der durch Verschiebung zweier Satzglieder eine Verwechselung der beiden Namen und Titel herbeiführte” (ähnlich meint Steinhart auf S. 260 Anm. 18, Diogenes habe “ohne Zweifel” geschrieben: Σπεύσιππος ἐν τῷ Πλάτωνος ἐγκωμίῳ καὶ Κλέαρχος ἐν τῷ ἐπιγραφομένῳ περιδείπνῳ); vor ihm hatte schon K.F. Hermann, Geschichte und System der platonischen Philosophie, Heidelberg 1839, 97 Anm. 45, eine ähnliche Vermutung geäußert, aber mit gewissem Vorbehalt; s. auch P. Lang, De Speusippi Academici scriptis, accedunt fragmenta, Bonn 1911, 33-8, 60-61. Dazu s. Hirzel (1895) 345, der das περίδειπνον als eine Spielart der (literarischen) ‘Symposien’ in der Zeit des Aristoteles bezeichnet. Zu Speusippos’ Werk schreibt er (Anm. 5): “Das περίδειπνον Speusipps stellte das Leichenmahl zum Andenken Platons dar mit den Lobreden, wie sie bei solchem Anlass üblich waren”. Vgl. Dillon (2003) 37 Anm. 19. Gegen Martins Auffassung spricht im Übrigen auch die Tatsache, dass beim Gebrauch des Wortes περίδειπνον eigentlich immer die Bedeutung des Leichenmahles im Vordergrund steht, auch wenn das Lob als wesentlicher Bestandteil verstanden wird. Es ist deswegen zu bezweifeln, dass man das Wort je gebraucht hätte, nur um eine Rede zu bezeichnen.

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Interpretationen

werden muss, worauf auch die Worte in laude Platonis des Hieronymus hindeuten.9 Der Sinn der erwähnten Anekdote ist ersichtlich: Platon wird, wie man später in den anonymen Prolegomena zu Platons Philosophie (1, 20 Westerink) liest, als θεῖος καὶ Ἀπολλωνιακός dargestellt. Dass er schon vor seiner Geburt in der Huld des Apollon stand, deutet darauf hin, dass auch sein Lebenswerk, sein Philosophieren sowie die Akademie “unter der Schirmherrschaft Apollons und der Musen” standen.10 Die Anekdote wurde später mehrmals bei anderen Autoren wieder erzählt, wobei allerdings in einigen von ihnen bisweilen direkt gesagt wird, Apollon habe Platon gezeugt.11 Die vorliegende Fassung weist jedoch gewisse Besonderheiten auf, die Beachtung und Erklärung verdienen: (1) Ariston hat versucht, sich durch die Anwendung von Gewalt mit Periktione zu vereinigen. (2) Nach dem misslungenen Versuch erscheint ihm die “Vision des Apollon” (ob das in einem Traum oder nicht geschieht, wird nicht gesagt). Dass Apollons Gestalt ihm eine Weisung gegeben hat, lässt sich nur aus dem folgenden Satz (ὅθεν κτλ.) schließen.12 (3) Es wird nicht klargestellt, ob Apollon der Vater Platons ist. Gäbe es eine solche Information, könnte sie schwerlich aus Versehen weggelassen worden sein, denn darin liegt der Hauptpunkt der ganzen Erzählung. Es klingt auch nicht sehr plausibel, dass Speusippos und Klearchos diese Information absichtlich verschwiegen haben, weil sie sie für sehr kühn und unglaubhaft gefunden hätten (letztendlich ging es ja angeblich nur um eine “kursierende Erzählung”). Wie lässt sich die Erzählung mit all ihren Einzelheiten erklären? Handelte es sich dabei um eine Jungfrauengeburt, wie Hieronymus meint? Oder um die Gottessohnschaft, dass Platon nämlich “le fils d’Apollon” war?13 Oder kam es nur darauf an, dass Platon schon vor seiner Geburt wie auch später im Schutze Apollons stand?14 Was wollte man überhaupt mit der Anekdote sagen? _____________ 9

10 11 12 13 14

Vgl. auch Weber (1880) 42-3 (gegen Steinhart); Hirzel (1895) 345 Anm. 5; Tarán (1981) 230-2. In Philodems Index Academicorum col. VI 12+ liest Gaiser als einen Hinweis auf Speusipps Werk den Zusatz: ἐν τῶι Περιδείπνωι [Πλά]των[ος]. Anna Angeli, “Accessione Speusippea”, PP 41 (1986) 120-21 ergänzt andererseits in einem von Philodem zitierten Brief Epikurs (PHerc 1005): Σπευ[σίππου το]ῦ Πλάτωνος [ἐγκώμιον]; auch. dies., Agli amici di Scuola (PHerc 1005), Napoli 1988, fr. 111, 7-8. Dörrie (1990) 408. Vgl. Apuleius De Platone 1, 1; Olympiod. In Plat. Alc. 2, 21-24; Suda π 1707; zu allen Quellen s. Riginos (1976) 9-15. Sowohl den Traum als auch die Weisung findet man in Plut. Quaest. conv. 717D. So u.a. P. Boyancé, Le culte des Muses chez les philosophes grecs, Paris 1937, 257 ff.; O. Reverdin, La religion de la cite platonicienne, Paris 1945, 140-41; Isnardi Parente (1980) 386-87. Das ist auch die Meinung von Dörrie (1990) 407-408, der aber nicht alle Einzelheiten der Erzählung zu erklären versucht.

I. ‘Lob Platons’

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Ich glaube, dass keine der erwähnten Antworten für sich allein genommen befriedigend sein kann, nicht nur weil die Erzählung wegen ihres mythischen Charakters und ihrer Kürze Vieles unklar lässt, sondern auch weil die Sache komplizierter ist. Das Motiv der versuchten Vergewaltigung Periktiones dient m.E. zunächst dazu, ihre Reinheit von jeglichem Geschlechtsverkehr mit ihrem Ehemann (vielleicht nachdem sie schwanger wurde) anzudeuten und zugleich den Eingriff und die Erscheinung Apollons zu rechtfertigen. Wenn es in diesem Zusammenhang heißt, Periktione sei in der “Blüte ihrer Jugend” (ὡραίαν) gewesen, so ist darin die Begründung für den Versuch des Ariston zu sehen.15 Bemerkt sei auch die Einzelheit, dass Ariston “keinen Erfolg hatte”. Damit wird m.E. angedeutet, dass Periktione schon zu diesem Zeitpunkt durch Apollon schwanger war. Warum Apollon der (unbenannte) göttliche Vater Platons sein sollte, braucht natürlich hier nicht näher erklärt zu werden.16 Wie die Schwangerschaft zustande kam, wird nicht gesagt, braucht auch nicht gesagt zu werden. Zieht man ähnliche anekdotenhafte Erzählungen in Betracht, in denen ein Gott sich mit einer sterblichen Frau vereinigt, so stellt man fest, dass die geschilderten Begebenheiten von der Art und dem Zweck der Erzählung abhängig sind: Im Fall des Pythagoras z.B., dessen Mutter von Apollon schwanger geworden sei, fehlen sie gänzlich.17 Im Fall des bedeutenden Athleten Theagenes, dessen wirklicher Vater Herakles gewesen sei, sowie im Fall Alexanders des Großen, dessen Mutter, Olympias, von Zeus _____________ 15 Zu der Schönheit als einem sehr oft (in “etwa jedem zehnten Fall”) vorkommenden Anlass der Vergewaltigung in der stereotypen Vorstellung antiker Autoren s. G. Doblhofer, Vergewaltigung in der Antike, (BzA 46) Stuttgart/Leipzig 1994, 42-43. Der ganze Satz erweckt den Eindruck, dass Periktione Jungfrau war, s. auch Rigoglioso (2007) 511 ff. Das stünde natürlich in krassem Widerspruch zur Wirklichkeit, aber es ist nicht auszuschließen, dass Speusippos in seinem Lob gerade diesen Eindruck vermitteln wollte, als ob die Leute, die die Erzählung glaubten, von den älteren Brüdern Platons nichts wüssten. Mit ὡραίαν braucht man hier nicht den Genitiv γάμου zu verstehen, wie Tarán (1981) 228 meint. Seine Annahme, dass die Situation, die man sich hier vorzustellen hat, “was such as could easily have arisen of an ἐγγύη”, mag keinen Anhalt im Text selbst haben, scheint jedoch plausibel zu sein. 16 Der wichtigste Grund war vielleicht die platonische Auffassung der Philosophie als der höchsten Form der Musik (es sei auch daran erinnert, dass die platonische Akademie ein Kultverein zur Verehrung Apollons war). Sokrates sieht sich oft als Diener des Apollon (vgl. z.B. Phd. 85b). Die Verehrung des Gottes bei den Pythagoreern soll eine Rolle gespielt haben. Zu Platon und Apollon s. C. Schefer, Platon und Apollon. Vom Logos zurück zum Mythos, St. Augustin 1996; dies., Hermes 127 (1999) 422-36. Zu den übrigen acht Anekdoten, in denen Platon auf irgendeine Weise mit Apollon in Verbindung gesetzt wird, s. Riginos (1976) 15-32. Alle wurden von platonischen Textstellen angeregt, in denen die Verehrung gegenüber Apollon zum Ausdruck gebracht wird. In Zusammenhang mit unserer Stelle steht Krat. 405b, wo der Name Ἀπόλλων etymologisch von ἀπολούω (‘abwaschen, reinigen’) abgeleitet wird. 17 Porphyr. Vita Pythag. 2; Iambl. Vita Pythag. 2, 7.

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Interpretationen

Ammon schwanger geworden sei, nimmt die Empfängnis übernatürliche, wie bei einem Gott zu erwarten, aber jeweils verschiedene Form an.18 Was man nun bezüglich der Empfängnis feststellt, gilt auch für die Erscheinung Apollons: In der ursprünglichen Erzählung, die man bei Speusippos und dann bei Klearchos lesen konnte, genügte es, dass Ariston die Gestalt Apollons sah. Hauptsache war, dass Ariston die Sache begriff und infolgedessen die Reinheit der Periktione gewährleistet wurde. Die Reinheit in solchen Fällen ist schließlich auf den religiösen Glauben zurückzuführen, dass eine Frau, die der Liebesvereinigung mit einem Gott würdig geworden ist, sich der Liebe eines sterblichen Mannes enthalten muss, weil das Zusammenwirken mit einer göttlichen Macht gefährlich ist.19 Auf die Ähnlichkeiten mit der Erzählung über die Geburt des Pythagoras bei Iamblichos (De vita Pythag. 2, 5-7) ist besonders hinzuzuweisen. Auch dort wird die Mutter, die bezeichnenderweise Parthenis heißt (nach der Weissagung änderte ihr Mann den Namen in Pythais), in einem zitierten Gedicht als sehr schön dargestellt. Apollon spielt auch im Fall des Pythagoras eine zentrale Rolle. In der Erzählung selbst wird zwar ausdrücklich nur von der Weissagung der Pythia gesprochen, wonach das zu gebärende Kind der schönste und der weiseste unter allen Menschen sein werde, und Iamblichos bestreitet, dass damit etwas anderes gemeint sein kann. Er gibt aber an, dass einige, die um einige Jahrhunderte früher als er gelebt hatten, anderer Meinung waren: Epimenides (FGrHist 457 F 16), Eudoxos (fr. 324 Lassere) und Xenokrates (fr. 221 Isnardi2) deuteten die Erzählung so, dass Apollon sich mit der Parthenis vereinigte und die Weissagerin lediglich die daraus hervorgegangene Schwangerschaft verkündet habe (ὑπονοοῦντες τῇ Παρθενίδι τότε μιγῆναι τὸν Ἀπόλλωνα καὶ κύουσαν αὐτὴν ἐκ μὴ οὕτως ἐχούσης καταστῆσαί τε καὶ προαγγεῖλαι διὰ τῆς προφήτιδος).20 Man kann nicht umhin, die Erzählung über Pythagoras mit der über Platon in Verbindung zu bringen. Mir scheint klar zu sein, dass die Erzählung über die Geburt des Pythagoras früher entstanden ist und spä_____________ 18 Zu Theagenes s. Pausan. VI 11, 2; zur Geburt Alexanders des Großen s. Plut. Alex. 2, 3-7; Arrian. Alex. anab. IV 10, 1-3; Lucian. Alex. 7; Pausan. IV 14, 8. Zu ähnlichen Volkslegenden aus der hellenistischen Zeit (nach Alexander d. Gr.) und aus der Kaiserzeit in den Viten nicht nur von Autoren, sondern auch von genialen Menschen, wie Alexander d. Gr. oder Augustus, s. J.A. Fairweather, “Biographies of Ancient Writers”, Ancient Society 5 (1974) 272-3. 19 Dazu s. Fehrle (1910) 5 und 6-7. Wilamowitz, Der Glaube der Hellenen, II, Berlin 1932, 267 Anm. 2 weist auf die Ähnlichkeit der Enthaltsamkeit Aristons mit der des Joseph im Matthäus-Evangelium hin (vgl. jedoch auch Plut. Alkib. 23 über den spartanischen König Agis). 20 Vgl. auch Apollonios bei Porphyr. Vita Pythag. 2.

I. ‘Lob Platons’

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ter auf Platons Geburt übertragen wurde.21 Wenn das so ist, dann könnten die Schüler Platons, allen voran Speusippos, eine Rolle bei der Entstehung der (wohl nicht unter ungebildeten Menschen und der ganzen Bevölkerung) “in Athen kursierenden” Erzählung gespielt haben.22 Es erübrigt sich, hier auf die Beziehung Platons zum Pythagoreismus einzugehen. Es sei nur darauf hingewiesen, dass Speusippos wie Xenokrates mit Platon nach Sizilien gereist war und persönlichen Kontakt mit Pythagoreern hatte, dass er ferner eine Schrift Περὶ τῶν Πυθαγορείων ἀριθμῶν verfasst und zur Gestaltung der pythagoreischen Tradition (speziell hinsichtlich der Zahlentheorie) stark beigetragen hat.23 Das Lob Platons liefert ein interessantes Zeugnis für die Bewunderung Platons durch Klearchos, das mit dem Eindruck aus dem Rest seines erhaltenen Werkes völlig übereinstimmt, zumal wenn man berücksichtigt, dass zu diesem Werk eine Abhandlung Über das in Platons ‘Politeia’ mathematisch Dargestellte (fr. 3) sowie vielleicht eine Interpretation des platonischen Timaios gehörte (fr. 4). Für das Lob Platons ist, wie schon erwähnt, Speusippos als eine der Quellen des Klearchos anzunehmen, da er zumindest die erwähnte Anekdote aus dem speusippischen Περίδειπνον schöpfte. Aber Klearchos hatte bei der Abfassung seines Lobes auch andere Vorgänger, ja er stand gewissermaßen in einer enkomiastischen Tradition. Außer Speusippos soll nach einer späteren Quelle schon Aristoteles ein ähnliches Lob Platons geschrieben haben24, und ähnliches wird auch für andere überliefert: Philippos von Opus hatte eine Schrift Περὶ Πλάτωνος (fr. 1 Tarán = FGrHist 1011 F 1) abgefasst, Xenokrates ein Werk mit demselben Titel (fr. 182-84 Isnardi2), Hermodoros eine biographische Schrift ‘Über Platon’, Erastos aus Skepsis und Asklepiades von Phleius ‘Erinnerungen’ _____________ 21 Riginos (1976) 14 lässt die Frage der Priorität offen, denn “the earliest reliable sources for both the Platonic and the Pythagorean legends are members of the early Academy”. Man beachte aber außer der Erwähnung des Epimenides das bei Porphyrios und Iamblichos angeführte Gedicht “eines der in Samos geborenen Dichter”: Πυθαγόραν θ’, ὃν τίκτε Διὶ φίλῳ Ἀπόλλωνι / Πυθαΐς, ἣ κάλλος πλεῖστον ἔχεν Σαμίων. Es erscheint sehr unwahrscheinlich, dass dies jemand erdichtet hat, um lediglich eine Anekdote zu füllen. 22 Vgl. Dillon (2003) 38. 23 Dazu s. u.a. Burkert (1972) 7. 46-7. 95; zu der Rezeption der pythagoreischen Ideen durch Speusippos vgl. auch die Bemerkung Burkerts auf S. 82: “Speusippus, Xenocrates, and Heraclides equate the doctrine of their master Plato, and therewith also their own philosophical positions, with the wisdom of Pythagoras [...]”. 24 Arist. fr. 650 R3 = Olympiod. In Plat. Gorg. 41, 9 Westerink: ὅτι δὲ καὶ Ἀριστοτέλης σέβει αὐτὸν (sc. τὸν Πλάτωνα) ὡς διδάσκαλον, δῆλός ἐστι γράψας ὅλον λόγον ἐγκωμιαστικόν· ἐκτίθεται γὰρ τὸν βίον αὐτοῦ καὶ ὑπερεπαινεῖ. Die Glaubwürdigkeit dieser Nachricht bezweifelt wohl zu Recht Heitz (1865) 291; nach ihm auch Zeller (1921) 57 Anm. 2.

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Interpretationen

(ἀπομνημονεύματα).25 Ob Klearchos diese oder einige von diesen Werken kannte und benutzt hatte, lässt sich nicht sagen. Einige von ihnen dürfte er gekannt haben, ebenso wie den Πλάτωνος βίος des Aristoxenos (fr. 6168 Wehrli), auf dessen Gehässigkeiten gegen Platon Wehrli zu Recht aufmerksam macht. Ebenfalls lässt sich nicht sagen, inwieweit sein Lob die typischen Merkmale eines ἐγκώμιον trug, so wie sie uns aus erhaltenen Lobreden auf Personen sowie aus der rhetorischen Theorie bekannt sind. Es ist jedenfalls zu bemerken, dass die Anekdote über die Geburt Platons gut zu der Lehre der späteren Rhetorik über die festen Teile eines Enkomions passt. Danach gehört zu den festen κεφάλαια oder τόποι des Lobes auf eine Person nach dem γένος auch die γένεσις, in der man außergewöhnliche Ereignisse (z.B. ein Omen oder einen Traum) in Zusammenhang mit der Geburt der zu lobenden Person zu erwähnen hat. Als typische Beispiele dafür wurden Perikles, Romulus und Kyros erwähnt.26 Ähnliches gilt aber auch für andere historische Persönlichkeiten. Man erinnere sich z.B. an den Euagoras des Isokrates, in dem der König von Salamis auf Zypern als Nachkomme des Aiakos, des Sohnes von Zeus, erwähnt wird (§ 13-14).27 Andererseits ist zu bedenken, dass ein Lob Platons zwangsweise größeres Gewicht auf die geistigen Eigenschaften des großen Philosophen legen sollte, so dass man nur beschränkt der typischen Form eines rhetorischen Enkomions folgen könnte.

_____________ 25 Zu den drei letzteren s. Philodemos Academ. Ind. VI 6-12 Dorandi. 26 Dazu s. Menander Περὶ ἐπιδεικτικῶν p. 371, 10 ff. Sp.; Nikolaos, Progymn. (Rhet. Gr. XI p. 52, 5): μετὰ δὲ ταῦτα τὰ ἀπὸ τοῦ γένους εἰς τὰ ἀπὸ τῆς γενέσεως ἥξομεν, οἷον δὴ ἐπὶ τῆς Περικλέους λέγεται μητρὸς τῆς Ἀγαρίστης, ᾗ δι’ ἐνυπνίου προεῖπεν ὁ θεός, ὅτι λέοντα τέξεται, ἢ ἐπὶ τῆς Κύρου μητρὸς τὸ ἐπὶ τῇ ἀμπέλῳ τε καὶ τῇ ἐπικλύσει τῇ ἐκ τοῦ ὀνείρου θρυλούμενον· πολλὰ δ’ ἡμῖν καὶ ἄλλα τοιαῦτα παραδέδοται, οἷον ἐπὶ Εὐαγόρου τοῦ Κυπρίων βασιλέως καὶ ἐπὶ ἑτέρων. 27 Vgl. Isokr. Nik. 42 und s. W.W. Fortenbaugh in Erler – Schorn (2007) 73.

II. ‘Über den Schlaf ’

Die Fragmente der Schrift Περὶ ὕπνου des Klearchos sind von ganz besonderem Interesse, denn sie lassen nicht nur Züge seiner Anschauung über die Seele erkennen, sondern sie zeugen auch von der Beschäftigung des Peripatos mit parapsychischen Phänomenen und führen interessante Tendenzen der hellenistischen Literatur vor Augen. Zudem liefern sie ein wichtiges Zeugnis darüber, welche Kenntnisse die Griechen in der frühen hellenistischen Zeit über die Juden hatten. Zu der Schrift sind hauptsächlich die fr. 6, 7 und 8 nach der Wehrli-Ausgabe (1969a) heranzuziehen, denn das kurze Zitat (fr. 5) aus den Stromata des Klemens von Alexandrien ist lediglich ein Testimonium, das den Inhalt von fr. 6 voraussetzt, während das fr. 10 sich zwar auf die Seele bezieht, sein Bezug zu Περὶ ὕπνου aber nicht nachzuweisen ist. Außerdem lässt sich im letzteren Fall überhaupt nicht sagen, was genau Klearchos und was Dikaiarchos zuzuweisen ist.1 Beim fr. 9 handelt es sich schließlich nicht um ein Klearchos-Fragment.2 Bevor man allerdings auf die Diskussion über die Schrift als Ganzes eingeht, scheint es angebracht zu sein, die einzelnen Fragmente ausführlich zu erörtern. _____________ 1

2

Der Inhalt von fr. 10 Wehrli aus Gellius’ Noctes Atticae IV 11, 14 (vgl. Dikaiarchos fr. 36 Wehrli = 42 Mirhady) über die Verkörperungen des Pythagoras bestätigt – wenn es sich nicht lediglich um einen Fehler handelt – einfach das, was man ohnehin über Klearchos vermutet hätte: sein besonderes Interesse für Pythagoras und den mit ihm verbundenen Glauben an die Reinkarnation. Im Gegensatz zu Dikaiarchos, bei dem es sich sehr wohl um eine “parodirende Umbiegung” (Rohde [1910] II 418) der Fabelei des Herakleides handeln kann, war bei Klearchos alles ernst gemeint. Es ist im Übrigen das Verdienst von J. Bernays (1858) 190-1 [= Zwei Abhandlungen, 90-2, vgl. (1866) 110f. u. 187]), dass er fr. 7 ans Licht gebracht hat, sowie von E. Rohde (RhM 32 [1877] 334 f. = Kl. Schr. II 179 f.), dass er das Gleiche für das fr. 8 getan hat. Über die Echtheit des Dialogs, die in der Vergangenheit von Jonsius und Meiners in Abrede gestellt wurde, braucht man nicht weiter zu diskutieren; s. hierzu schon Lobeck, Aglaophamus, 944 Anm. d; Verraert (1828) 72-6, 117-25; Bernays (1866) 187. Wehrli schreibt dieses Fragment sowohl Klearchos als auch Dikaiarchos (fr. 12c) zu. Taifakos (2008) führt zwar das Fragment unter der Schrift Περὶ ὕπνου (F*7) an, aber er bezeichnet es richtig als “fragmentum falsum” und führt quellenkritische und inhaltliche Argumente für seine Auffassung im Kommentar (S. 242-3) an. Der Fall ist so klar, dass es sich erübrigt, hier auf weitere Argumente einzugehen.

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Interpretationen

(i) Fragment 6 Der Klearchos-Text wird bei Josephus in der Schrift Gegen Apion (1, 22 § 175, von Eusebius in Praep. Evang. IX 5, 2-7 abgeschrieben) als Beweis dafür zitiert, dass die Griechen seit der Zeit des Aristoteles mit Juden vertraut waren und dass die Juden somit ein altes Volk sind. Es geht um ein wörtliches Zitat, dessen Anfang und Ende Josephus ausdrücklich markiert (ἐστὶ δὲ οὕτω γεγραμμένον ― ταῦτ’ εἴρηκεν ὁ Ἀριστοτέλης παρὰ τῷ Κλεάρχῳ). Aus dem Text selbst geht hervor, dass es sich um einen Dialog handelte: Aristoteles, der berühmte Philosoph, spricht im Fragment zu jemandem, der Hyperochides heißt, während man sich noch weitere Personen als anwesend vorzustellen hat (vgl. die Worte des Hyperochides: ζητοῦμεν ἀκοῦσαι πάντες). Der Ort des Gesprächs zwischen Aristoteles und dem Juden dürfte Kleinasien sein (vgl. die Worte des Aristoteles: τότε διατριβόντων ἡμῶν περὶ τὴν Ἀσίαν), wahrscheinlich Assos, wo sich Aristoteles bekanntlich nach dem Tod Platons während der Jahre 347–345/4 v.Chr. aufhielt.3 Das Fehlen einer genaueren Ortsangabe lässt sich als ein Indiz für den fiktiven Charakter der Erzählung interpretieren.4 Jedenfalls macht Kleinasien als Ort die Begegnung des Aristoteles mit einem Juden glaubhafter, während das allmähliche Herabwandern des Juden aus dem Binnenland zur (für ihre kulturelle Vergangenheit bekannten) Küstengegend erklärt, warum er “nicht nur in seiner Sprache, sondern auch in seinem Empfinden” griechisch war. Wenn Aristoteles am Anfang seiner Erzählung sagt, er werde den Vorschriften der Rhetoriklehrer folgen und mit dem Geschlecht des Juden beginnen, ἵνα μὴ ἀπειθῶμεν τοῖς τῶν ἀπαγγελιῶν διδασκάλοις, so sollte man seine Worte als humorvollen Übergang zu seiner längeren Erzählung im Dialog verstehen. Humor und Selbstironie dieser Art sind aus den sokratischen Dialogen Platons hinlänglich bekannt und müssen auch in den Dialogen des Klearchos nicht befremden. Damit sollte zugleich gezeigt werden, dass Aristoteles sich im Gespräch mit dem Weisen aus dem Ori_____________ 3

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Dazu s. Jaeger (1938a) 131; A.-H. Chroust, “Aristotle’s Sojourn in Assos”, Historia 21 (1972) 170-76. Zum Anachronismus s. Bar-Kochva (2010) 45-6. Nach Silberschlag (1933) und Bar-Kochva (2010) 47-49 sehe ich (trotz Siegert [2008] I 46) keinen Grund, auf die Echtheit des Fragments nochmals einzugehen. Vgl. Wilamowitz, Der Glaube der Hellenen, II, Berlin 1932, 256 Anm. Auch der Name des Dialogpartners gibt keinen eindeutigen Aufschluss: Ὑπεροχίδης ist nicht nur athenisch, wie Gutschmid (1893) 581 zu glauben scheint. Der Name kommt z.B. auch in Rhodos, Euboia und Kreta vor, s. P.M. Fraser – E. Matthews, A Lexicon of Greek Personal Names, I, Oxford 1987, s.v. Sehr wahrscheinlich hat Klearchos diesen nicht sehr verbreiteten Namen aus Homer entlehnt, vgl. Il. 11, 673 (ἐσθλὸν Ὑπειροχίδην).

II. ‘Über den Schlaf’

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ent nicht als geschwätziger Philosoph zeigt, wie man ihm hätte vorwerfen können.5 Das Zusammentreffen des Aristoteles mit dem weisen Juden, d.h. eines griechischen Philosophen mit einem Weisen aus dem Orient, ist nicht ohne Parallelen: Aristoxenos lässt ebenfalls in einer seiner Schriften Sokrates mit einem weisen Inder in Athen zusammentreffen und diskutieren (fr. 53 W.).6 Von der Begegnung des Sokrates mit einem Mager (namens Zoroastres?) wird ferner im pseudoaristotelischen Magikos berichtet.7 Herakleides Pontikos berichtete in seinem Zoroastres (fr. 139 Schütrumpf) über die Unterhaltungen eines Magers mit Griechen am Hofe Gelons in Syrakus. Der Akicharos des Theophrast (1, 273 FHSG = D.L. V 50) gehörte offensichtlich zur gleichen Kategorie.8 Im pseudoplatonischen Axiochos, in dem von Tod und Unsterblichkeit die Rede ist, berichtet ebenfalls Sokrates von dem, was ihm ein persischer Mager namens Gobryes (371a) gesagt haben soll. Schließlich erzählt auch Onesikritos in seinem Werk über die Erziehung Alexanders des Großen (FGrHist 134 F 17b), wie der indische Weise Dandamis bei einem Gespräch mit ihm seine Meinung über Sokrates, Pythagoras und Diogenes dargelegt hatte. Das alles zeigt, wie beliebt das Motiv des Gesprächs mit einem Weisen aus dem Orient war und welches Interesse es für die altorientalische Weisheit in der Akademie und im Peripatos gab. Wenn der Jude hier die σχολαστικοί fragt, um auf diese Weise ihre Weisheit zu prüfen, darf man demnach annehmen, dass es sich bei der Befragung um einen Topos handelt.9 _____________ 5

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Man vgl. die Worte des Kalanos in seinem fiktiven Brief an Alexander (Philo, Quod omnis probus liber sit 96 = Hercher, Epist. Gr. p. 192): Ἑλλήνων δὲ φιλοσόφοις οὐκ ἐξομοιούμεθα, ὅσοι αὐτῶν εἰς πανήγυριν λόγους ἐμελέτησαν κτλ. Ganz ähnlich äußert sich Kalanos in Athenaeus Mech. De machinis 5. Vgl. Hirzel (1895) I 335 Anm. 1: “Uebrigens erscheint das Zusammentreffen des Inders mit Sokrates um so mehr als ein Seitenstück zu demjenigen des Aristoteles mit dem Juden, weil Klearch in diesem Juden nur einen Abkömmling der indischen Philosophen sah”. Dazu s. Rose (1863) 50-3; Kerschensteiner (1945) 210. Nach J.B. Rives, “Aristotle, Antisthenes of Rhodes and the Magikos”, RhM 147 (2004) 36-54, handelte es sich beim Magikos um eine Rede (des Antisthenes von Rhodos? – die Frage der Verfasserschaft bleibt offen). Zum angeblichen Besuch von Magern bei Platon s. Anon. Proleg. in Plat. philos. 6 Westerink. Dazu s. ausführlich I. Konstantakos, Ἀκίχαρος. Ἡ διήγηση τοῦ Ἀχικὰρ στὴν ἀρχαία Ἑλλάδα, ΙΙ, Athen 2008, 225-70, bes. 248 ff. Vgl. z.B. Appian. Bell. civ. II 21, 154 (τὰ μὲν Ἰνδῶν Ἀλέξανδρος ἐξετάζων τοὺς Βραχμᾶνας); Philo, Vita Mos. 2, 33 (ὁ μὲν γὰρ ἀπεπειρᾶτο τῆς ἑκάστου σοφίας). Zu diesem Punkt s. Festugière (1971) 185 Anm. 6. Labhardt (1881) 21 f. weist zu Recht auf den Eindruck hin, den die jüngste Begegnung der Griechen mit den indischen Weisen nach dem Feldzug Alexanders des Großen hinterlassen haben soll. Interessant, auch wenn nicht ganz zutreffend, sind die Ausführungen von Radin (1915) 85

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Interpretationen

Außerordentlich interessant wird dieses Fragment schon dadurch, dass es einen ungewöhnlichen Einblick in die Kenntnisse des Klearchos und damit vielleicht der Griechen seiner Zeit über die Juden erlaubt. Der Name Κοίλη Συρία findet sich schon im Periplous (§ 104) des Skylax aus Karyanda und dann bei Ktesias (FGrHist 688 F 1b) als Bezeichnung für das ganze Syrien und Palästina. Aber hier steht er, wie bei Theophrast (Hist. plant. II 6, 2), nach dem Sprachgebrauch der hellenistischen Zeit in der eingeschränkten Bedeutung, nach der der Norden Syriens ausgeschlossen wird.10 Der Provinzname Ἰουδαία war ferner schon zu Beginn der hellenistischen Zeit der offizielle Name für das Land.11 Klearchos vermittelt aber den Eindruck, dass der Name nicht sehr bekannt war (προσαγορεύεται γὰρ ὃν κατοικοῦσι τόπον Ἰουδαία).12 Es ist bemerkenswert, dass sein Zeitgenosse Megasthenes in seinen Indika (FGrHist 715 F 3a) nur von Συρία spricht. Die bizarre Namensform Ἱερουσαλήμη kommt nur hier in der griechischen Literatur vor, sie könnte aber richtig überliefert sein.13 Es ist auffällig, dass Hekataios von Abdera, der sein Werk Über die Hyperboreer (FGrHist 264 F 6*. 21 § 197) vor der klearchischen Schrift verfasst haben soll, die dem Griechischen volksetymologisch angepasste Form Ἱεροσόλυμα erwähnt. Klearchos selbst bezeichnet den Namen der Stadt als “sehr verdreht” (πάνυ σκολιόν, im Sinne des ‘rätselhaften’ bzw. ‘schwierigen’), wodurch eventuell die Juden indirekt als ein fremdes und gewissermaßen barbarisches Volk mit seltenen Ortsnamen hingestellt werden.14 Dass er aber absichtlich eine ‘hässliche’ Namensform der Stadt vermittelt oder gar _____________

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und 383 Anm. 18, der den Juden bei Klearchos mit Voltaires Ingénu oder Candide vergleicht und an die Entdeckung der “noble savages” im 18. Jh. erinnert. Barton (2007b) 136 spricht zu Recht von “the elite codes of discourse by which other nations are ‘properly’ introduced, in an atmosphere of ‘gentlemanly’ manners and suave sophistication”. Zur Herkunft und Bedeutungsgeschichte des Namens s. E. Schwartz, Philologus 86 (1931) 373ff. und 87 (1932) 261ff. (= Gesamm. Schr. II 240 ff. und 270 ff.); Stern (1974) 14; Grabbe (2008) 173-74 mit weiterer Literatur. Dazu s. G. Hölscher, Palästina in der persischen und hellenistischen Zeit, Berlin 1903, 76; Stern (1974) 51. Der Eindruck mag nicht falsch sein, auch wenn der Name bei Xenokrates (fr. 81 Isnardi2) oder Hekataios von Abdera (FGrHist 264 F 6*) vorkommt. Zu den Kenntnissen griechischer Autoren der hellenistischen Zeit über die Juden s. einen guten Überblick bei Engels (2004) 867-69. Hierzu s. Gutschmid (1893) 584, der zu dem Schluss kommt, in Ἱερουσαλήμην sei “sicher die ächte Lesart Klearchs erhalten”. Zur interpretatio graeca des Namens, die “schon gegen Ende des 4. Jh.s in jüdisch-hellenistischen Kreisen” erscheint, s. M. Hengel, Jerusalem als jüdische und hellenistische Stadt, in: B. Funk (Hrsg.), Hellenismus. Akten des Internationalen Hellenismus-Kolloquiums 9–14 März 1994 in Berlin, Tübingen 1996, 271 ff. Barclay (2007) 104 Anm. 596.

II. ‘Über den Schlaf’

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erdacht habe,15 scheint übertrieben zu sein (er bemerkt z.B. nichts Ähnliches über das Wort Judaia). Viel mehr scheint es, dass Klearchos den hebräischen Namen nicht aus einer literarischen, sondern aus einer mündlichen Quelle kannte, und dass er hier seine aufrichtige Meinung über einen befremdenden Namen zum Ausdruck bringt.16 Merkwürdig ist ebenfalls der Gebrauch des Namens Καλανοί für die indischen Brahmanen oder Gymnosophisten.17 Jemandem, der Megasthenes gelesen hätte, wären die Namen Βραχμᾶνοι und Σαρμᾶναι für die indischen Philosophen bekannt gewesen. Klearchos benutzt stattdessen als Apellativum ein Wort, das im Plural und in dieser Bedeutung sonst nicht vorkommt. Der bekannte brahmanische Büßer Κάλανος, der zum Gefolge Alexanders gehörte und Aufsehen durch seinen spektakulären Freitod auf dem Scheiterhaufen erregte, war ihm gewiss bekannt.18 Man könnte also in Bezug auf den Namen Καλανοί eine willkürliche Neubildung des Klearchos annehmen. Aber er ergänzt vorher “wie man sagt” (ὥς φασιν). Es muss also jemand vor ihm etwas Ähnliches behauptet haben. Aber wer? Und wie lässt sich die Nachricht im Suda-Lexikon erklären, wonach die Inder j e d e n Weisen Kalanos nannten?19 Oder die Angabe des Plutarch (Alex. 65, 5), wonach der wahre Name des Kalanos Sphines gewesen sei? Ein Fragment des Chares aus Mytilene (FGrHist 125 F 19 a+b) weist darauf hin, dass die Nachricht der Suda vermutlich auf diesen Historiker der Zeit Alexanders zurückgeht.20 Chares dürfte also einer derjenigen gewesen sein, die Klearchos mit den Worten ὥς φασιν gemeint hat. Erstaunen erregt ferner, dass Klearchos die Juden als eine philosophische Kaste bei den Syrern darstellt, die von den indischen Kalanoi (d.h. den Gymnosophisten) abstammt. Da nun aber die Gymnosophisten Nach_____________ 15 16

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So Barclay (2007) 105 Anm. 597. Vgl. Hengel (1969) 469; ferner Jaeger (1938a) 131: “Clearchus himself must, of course, have met such hellenized Jews on Cyprus where many Jews had their residence [...]”. Zu den Juden in Kleinasien und Zypern s. Engels (2004) 872-73; vgl. Gabba (1989) 621-22. Zum Sprachgebrauch s. Karttunen (1997) 56 ff.; vgl. A. Dihle, “Indische Philosophen bei Clemens Alexandrinus” [1963], in: ders., Antike und Orient, Heidelberg 1984, 78 ff. Zu Kalanos s. W. Kroll, RE X2 (1919) 1544-6; Berve (1926) Nr. 396. Zum Anachronismus hier (Erwähnung der Kalanoi durch Aristoteles) s. Bar-Kochva (2010) 48. Suda κ 203: Κάλανος, Ἰνδός, ἐκ τῶν Βραχμάνων. οὕτω δὲ πάντα σοφὸν οἱ Ἰνδοὶ προσαγορεύουσιν. ἐπὶ τούτῳ δὲ Ἀλέξανδρος ὁ Μακεδών, ἐπειδὴ ἐτελεύτησε παρόντος αὐτοῦ ἐν Ἰνδίᾳ, ἐπιτάφιον ἀγῶνα συντελέσας, καὶ ἀκρατοπότας ἁμιλληθῆναι παρεσκεύασε διὰ τὴν παρ’ Ἰνδοῖς φιλοινίαν. οὗτος ἀπόκρισιν ἔδωκεν Ἀλεξάνδρῳ πρὸς πᾶσαν ἐρώτησιν εὔστοχον. Es ist nicht auszuschließen, dass der zweite Satz sich nur auf die Brahmanen bezieht. Ist das der Fall, so fragt man sich, ob nicht auch Klearchos eine ähnliche Formulierung (vgl. die Worte ὥς φασιν) missverstanden hat. Genau wie in der Suda werden bei Chares die Leichenspiele am Grab des Kalanos sowie – viel wichtiger – der ἀκρατοποσίας ἀγών erwähnt.

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Interpretationen

kommen der persischen Mager gewesen seien, wie es ausdrücklich in der Schrift Über die Erziehung heißt (fr. 13: καὶ τοὺς Γυμνοσοφιστὰς ἀπογόνους εἶναι τῶν Μάγων), geht daraus folgerichtig hervor, dass auch die Juden letztlich den persischen Magern entstammen. Das zeigt, welch ungenaues Bild sich die Griechen noch zu dieser Zeit von den Juden machten. Denn nicht nur Klearchos hatte eine solche Vorstellung von den Juden. Theophrast (De pietate, 584A § 26.1–2 FHSG) soll sie ebenfalls als einen philosophischen Stamm (ἅτε φιλόσοφοι τὸ γένος ὄντες) und als einen Teil der Syrer (Σύρων, ὧν μὲν Ἰουδαῖοι) betrachtet haben.21 In der Auffassung der Juden als eines philosophischen Stamms folgte also Klearchos sehr wahrscheinlich einer peripatetischen Tradition. Megasthenes soll ferner die Lehre der älteren griechischen Philosophen einerseits mit derjenigen “der Brahmanen bei den Indern” und andererseits mit derjenigen “der sogenannten Juden in Syrien” verglichen haben.22 Dieser Vorstellung von den Juden lag wahrscheinlich die Deutung des jüdischen Monotheismus, in dem jegliche Darstellung Gottes auf Bildern fehlt, als einer Philosophie zugrunde.23 Der Vergleich der Juden mit den Brahmanen erscheint aus einer anderen Perspektive wiederum nicht völlig willkürlich oder zumindest nicht unerklärbar: (a) Der Name Abrahams klingt dem des Brahma ähnlich, genau wie der Name Ἰουδαῖος dem des Ἰνδός ähnelt, (b) beide glaubten an ein Fortleben nach dem Tod, und (c) beide folgten strengen Ritualen.24 Diese Analogie änderte vielleicht Klearchos zu einer Kausalität, indem er die einen als Nachkommen der anderen erscheinen ließ.25 _____________ 21

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Interessanterweise wurden im pseudoaristotelischen Magikos (fr. 35 R3 = D.L. 1, 1) die Mager, die Chaldäer, die Gymnosophisten, die Druiden und die Semnotheen als Philosophen unter den Barbaren dargestellt. Bernays (1866) 111 war der Ansicht, “dass in den peripatetischen Kreisen sich der Glaube festgesetzt hatte, die Juden seien die gelehrte und priesterliche Kaste der Syrer, wie die Brahmanen es bei den Indern sind”. Einwände gegen seine Interpretation äußert Jaeger (1938a) 134 ff. Sowohl die Kritik Jaegers an Bernays’ Interpretation als auch sein Schluss, Urheber des Vergleiches der Juden mit den Brahmanen sei Megasthenes gewesen, so dass auch der Dialog des Klearchos nach dem Erscheinen der Indika geschrieben worden sei, sind nicht stichhaltig. Wie oben bemerkt wurde, scheint Klearchos im Falle der geographischen Bezeichnung Κοίλη Συρία mit Megasthenes nicht übereinzustimmen. Er verwendet ferner nicht das Wort βραχμᾶνοι, wie Megasthenes, sondern γυμνοσοφισταί. Darüber hinaus vertrat Megasthenes eine durchaus negative Haltung Kalanos gegenüber (FGrHist 715 F 34a), die aber Klearchos augenscheinlich nicht teilte. Megasthenes FGrHist 715 F 3a: Ἅπαντα μέντοι τὰ περὶ φύσεως εἰρημένα παρὰ τοῖς ἀρχαίοις λέγεται καὶ παρὰ τοῖς ἔξω τῆς Ἑλλάδος φιλοσοφοῦσι, τὰ μὲν παρ’ Ἰνδοῖς ὑπὸ τῶν Βραχμάνων, τὰ δὲ ἐν τῇ Συρίᾳ ὑπὸ τῶν καλουμένων Ἰουδαίων. Jaeger (1938a) 140. Dazu s. Gutschmid (1893) 583. Dazu s. Lewy (1938) 220.

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Freilich wirft der Abbruch des Fragments einige Fragen auf. Josephus hatte ja am Anfang verkündet, es sei leicht zu zeigen, dass die in Bezug auf ihre Weisheit berühmtesten Griechen Juden bewundert hätten, denen sie begegnet seien. Darauf folgt das Zitat, in dem Aristoteles sagt, er werde von jenem Juden (der Name selbst wird nicht genannt) das erwähnen, was von seiner “Bewunderungswürdigkeit” (θαυμασιότης) und “Liebe zur Weisheit” (φιλοσοφία) zeugt. Aristoteles spricht dann vom Herkunftsort des Juden und kommt anschließend auf diesen, in jeder Hinsicht “griechischen” Juden sowie auf die Umstände ihrer Begegnung zurück.26 Josephus bricht aber an diesem Punkt plötzlich das Zitat ab, indem er sagt, Aristoteles habe auch sein großes und bewundernswertes Durchhaltevermögen und seine Mäßigkeit27 behandelt. W o r i n zeigten sich aber die Tugenden, die Aristoteles bewundert und gelobt hat? Das sagt Josephus nicht. Er ergänzt einfach: ἔνεστι δὲ τοῖς βουλομένοις ἐξ αὐτοῦ τὸ πλέον γνῶναι τοῦ βιβλίου. φυλάττομαι γὰρ ἐγὼ τὰ πλείω τῶν ἱκανῶν παρατίθεσθαι. Der Abbruch sowie die Worte des Josephus sind in der Tat merkwürdig. Einen rein objektiven Grund für den Abbruch anzunehmen, wie etwa die Abschrift aus einem heidnischen florilegium, in dem das Zitat aus irgendwelchen ideologischen Gründen nicht vollständig angeführt wurde,28 verbietet sich schon deswegen, weil die oben zitierten Worte des Josephus selbst sowie die darauf folgenden Sätze (Κλέαρχος μὲν οὖν ἐν παρεκβάσει ταῦτ’ εἴρηκεν. τὸ γὰρ προκείμενον αὐτῷ ἦν ἕτερον) unzweifelhaft zeigen, dass Josephus das ganze Werk des Klearchos kannte. Eine andere Erklärung wäre, dass Josephus das Zitat absichtlich an diesem Punkt abbrach, weil das, was danach folgte, seinem pro-jüdischen, apologetischen Zweck widerstrebte. Bernays hat die Annahme geäußert, der Jude in diesem Fragment sei die gleiche Person wie der Wundermann in fr. 7, der aus dem _____________ 26

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Die Worte οὗτος οὖν ὁ ἄνθρωπος bis ὧν εἶχεν gehören zusammen und berichten von dieser Begegnung. Bar-Kochva (2010) 50-51 weist zu Recht auf die Schwierigkeit hin, die das Wort μᾶλλον im Satz παρεδίδου τι μᾶλλον ὧν εἶχεν bereitet. Er fasst das μᾶλλον nicht in der Bedeutung von “more” auf (in diesem Fall würde der Satz bedeuten: “[The Jew] was imparting somewhat more than the things he [the Jew] had [at his disposal]”), sondern in der Bedeutung “rather” (“He [the Jew] was rather imparting something of the things he had [at his disposal]”). Der Satz korrigiert nach seiner Interpretation den Eindruck aus den vorangegangenen Worten, nach denen der Jude immer Fragen an seine Gesprächspartner richte (“the Jew tested Aristotle and his followers, but instead of learning from them, he in fact taught them and imparted to them a little of his own knowledge”). Vgl. auch die Interpretation von Chr. Pelling, BMCR 2011.07.11 und die überzeugende Antwort von Bar-Kochva, BMCR 2013.10.03. Vgl. Gutschmid (1893) 587: “Nicht διαίτῃ und σωφροσύνῃ sind Correlata, sondern καρτερίαν und σωφροσύνην”. Vgl. Stern (1974) 47-48; gegen die Annahme eines Florilegiums argumentiert sehr überzeugend Bar-Kochva (2010) 85 ff.

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Interpretationen

Mund eines schlafenden Jungen die Seele herauszieht.29 Da nun aber bei den Juden jede Art von Magie gegen die religiösen Vorschriften verstoße (vgl. Levit. 19, 26: “Ihr sollt nicht Zauberei noch Wahrsagerei treiben”, Deuteron. 18, 10), habe Josephus nur den für die Juden lobenden Teil zitiert, den anstößigen Rest aber dem Leser zum Nachlesen überlassen. Für diese Annahme sprechen zunächst die Worte des Aristoteles, der von einer θαυμασιότης des Juden spricht, und ferner die Tatsache, dass er Hyperochides versichert, was er sagen werde, werde ihm ὀνείροις ἴσα scheinen. Darüber hinaus lobt Aristoteles ausdrücklich die φιλοσοφία des Juden, womit die praktische Weisheit und das innerliche, tiefere Wissen eines Weisen (im traditionellen Sinne) gemeint sind. Diese θαυμασιότης und φιλοσοφία sollten jedoch irgendwie mit dem Hauptthema des Dialogs in Zusammenhang stehen. Wenn also die Unsterblichkeit der Seele dadurch bewiesen werden sollte, dass sie während des Schlafes vom Körper getrennt wird, dann könnte der weise Jude im Folgenden Aristoteles einen Beleg für diese Grundthese ‘gezeigt’ haben. Wenn der Jude derselbe wie der Wundermann gewesen wäre, hätte er ihm durch dieses ‘Experiment’ die These eindrucksvoll beweisen können.30 In Zusammenhang mit der durch Aristoteles in Aussicht gestellten Erzählung, die nach seinen eigenen Worten “traumhaft” klingen wird, sind an dieser Stelle auch die neuen Fragmente S1a-c heranzuziehen. Zunächst sei auf die zwei Stellen aus dem Kommentar zum platonischen Phaidon des Neuplatonikers Damaskios hingewiesen, in denen erwähnt wird, Aristoteles habe von einem Menschen erzählt, der sich nur von “sonnenartiger Luft” ernährt und schlaflos gelebt habe:31 Damasc. In Phaedonem I § 530 Westerink (= Arist. fr. 42 R3): ὅτι δὲ δεῖ τι καὶ ὅλον γένος ἀνθρώπων εἶναι οὕτω τρεφόμενον, δηλοῖ {δὲ} καὶ ὁ τῇδε ταῖς ἡλιακαῖς ἀκτῖσι μόναις τρεφόμενος, ὃν ἱστόρησεν Ἀριστοτέλης ἰδὼν αὐτός. Damasc. In Phaedonem II § 138 Westerink (= Arist. fr. 42 R3): εἰ ἐνταῦθα ἱστόρησεν Ἀριστοτέλης ἄνθρωπον ἄυπνον καὶ μόνῳ τῷ ἡλιοειδεῖ τρεφόμενον ἀέρι, τί χρὴ περὶ τῶν ἐκεῖ οἴεσθαι;

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Bernays (1866) 187; nach ihm u.a. E. Havet, Mémoire sur la date des écrits de Bérose et de Manéthon, Paris 1873, 67; Gutschmid (1893) 587 f.; Lewy (1938) 209 f.; vgl. Bar-Kochva (2010) 54-57. Zum letzten Punkt s. besonders Lewy (1938) 220. Zur Bedeutung von θαυμασιότης an der vorliegenden Stelle s. LSJ s.v. II; zur Auffassung der φιλοσοφία in der frühhellenistischen Zeit s. ausführlich Satlow (2008) 8 ff. Das folgende ὁμοίως zeigt, dass θαυμασιότητα καὶ φιλοσοφίαν nicht als Hendiadyoin zu verstehen ist, wie Gutschmid (1893) 579 meinte; s. Bar-Kochva (2010) 45 Anm. 17. Zu den Stellen s. Bernays (1866) 187; Lewy (1938) 225; Bar-Kochva (2010) 75-76. Der Text wurde früher fälschlich dem Olympiodoros zugewiesen.

II. ‘Über den Schlaf’

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Wo genau Damaskios diese Erzählung gefunden hat, gibt er nicht an. Es fällt allerdings auf, dass Aristoteles nicht nur von diesem wunderlichen Menschen berichtet, sondern dass er selbst ihn gesehen haben soll (ἰδὼν αὐτός). Wo könnte aber eine solche Aussage des Aristoteles gestanden haben? In seinen erhaltenen Werken und Fragmenten ist – erwartungsgemäß – nicht die geringste Anspielung auf so etwas zu finden. Es drängt sich die Vermutung auf, dass die zitierte Aussage nicht dem Schriftsteller Aristoteles, sondern der Dialogperson Aristoteles zuzuweisen ist. Diese Annahme wird durch eine Stelle des Probus (6. Jh. n.Chr.)32 bestätigt, der in seinem auf Syrisch verfassten Kommentar zur Eisagoge des Porphyrios von der Schrift Über den Schlaf des Klearchos berichtet. Zwar ist das Manuskript Mingana Syr. 606, das diese Stelle enthält, noch nicht publiziert, die erwähnte Stelle findet sich jedoch, ins Englische übersetzt, in einem Aufsatz von Sebastian Brock (s. oben auf S. 27 das Fragment S1c).33 Ich gebe hier den Probus-Text in deutscher Übersetzung an wieder: Man sagt außerdem, dass Klearchos in seinem Buch “Über den Schlaf” behaupte, dass es Leute gebe, die überhaupt keine Nahrung zu sich nehmen, sondern stattdessen ohne Nahrung leben. Und es gebe Leute, die andere wie sich selber zeugen, ohne von etwas genährt zu werden. Wir müssen folgendes sagen: es ist eine Geschichte, die Klearchos berichtet. Er erzählt nun, dass diese Leute ständig unter der Sonne sind, und dass ihre Wärme statt ihrem Körper verloren zu gehen, so dass sie Nahrung zum Wachsen brauchen, durch die Wärme der Sonne rein gehalten wird. Auf diese Art und Weise wachsen die eben erwähnten Menschen auf.

Wie aus dem Bericht des Probus zu schließen ist, beziehen sich auch die oben zitierten Damaskios-Stellen auf die Schrift Über den Schlaf und sind somit nicht mehr den Aristoteles-, sondern den Klearchos-Fragmenten zuzuordnen. Zu der hier diskutierten Frage lässt sich jedoch aus diesen Fragmenten kaum etwas gewinnen, da sowohl Damaskios, der all das im Rahmen seines Kommentars zu Phaidon (109 ff.: Exkurs des Sokrates über die Zustände des künftigen Lebens) schreibt, als auch Probus nicht die geringste Andeutung über den Zusammenhang machen. Wir können zur Frage der Identifizierung des Juden im fr. 6 mit dem Wundermann im fr. 7 zurückkehren. Dass es in der 1. Hälfte des 3. Jh. v.Chr. jüdische Wundermänner gegeben hat, wie zumindest das Gebet des Nabonid, die Danielerzählungen und das Werk des Artapanos zeigen, lässt sich nicht ausschließen.34 Dennoch scheint die Identifizierung nicht sehr _____________ 32 Zu Probus (syrisch: Prōbā) s. H. Huggonard-Roche in DPhA V (2012) 1539-42 und ders., Studia graeco-arabica 2 (2012) 227-43; Brock (2011). 33 Brock (2011) 200. 34 Dazu s. Hengel (1969) 469. Plinius wusste von einer jüdischen Schule der Zauberkunst zu berichten (NH 30, 11): est et alia magices factio a Mose et Ianne et Lotape ac Iudaeis pendens, sed multis milibus annorum post Zoroastren.

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Interpretationen

plausibel. Der Jude wird ausdrücklich für seine καρτερία und σωφροσύνη gelobt, worin offensichtlich auch seine θαυμασιότης und φιλοσοφία bestand. καρτερία weist aber bei Aristoteles wie im allgemeinen auf “Durchhaltevermögen” und “Standhaftigkeit” hin.35 Die den “Träumen gleichenden” Sachen, von denen ‘Aristoteles’ in unserem Fragment spricht, bestanden also aus einem Durchhaltevermögen dieser Art, worauf sich auch Josephus später bezieht, wenn er von der “großen und bewundernswerten karteria des Juden bezüglich der Lebensart” (πολλὴν καὶ θαυμάσιον καρτερίαν τοῦ Ἰουδαίου ἀνδρὸς ἐν τῇ διαίτῃ) spricht. Gerade dieses Durchhaltevermögen würde man von einem Weisen aus dem Orient erwarten, der als Nachkomme der indischen Gymnosophisten bezeichnet wird.36 Letztere wurden eben wegen dieser Eigenschaft bei den Kynikern beliebt. Und da es im klearchischen Fragment 16 aus der Schrift Περὶ βίων (oder aus dem Werk Περὶ παιδείας nach Wehrli), in dem gegen die Kyniker polemisiert wird, wieder um den Begriff der καρτερία geht, ist die Vermutung von Bar-Kochva nicht unwahrscheinlich, der Jude mit seinen Tugenden der καρτερία und σωφροσύνη sei eine indirekte Antwort des Klearchos auf den unrichtigen Vergleich einiger Zeitgenossen, wie Onesikritos, zwischen den Kynikern und den Gymnosophisten.37 Ist diese Annahme stichhaltig, so waren das eigentliche Thema der Diskussion zwischen Aristoteles und dem Juden diese und ähnliche Tugenden, während der Jude in Kleinasien aus naheliegenden Gründen – die Begegnung des Aristoteles mit einem Gymnosophisten erschiene nämlich nicht sehr glaubhaft38 – stellvertretend für die Weisen des fernen Ostens und speziell der Gymnosophisten sprach.

(ii) Fragment 7 Proklos (In Plat. Remp., II p. 122, 22 Kroll) führt das vorliegende Fragment im Zusammenhang mit dem platonischen Er-Mythos an: Als der Pamphylier Er, Sohn des Armenios, am zwölften Tag nach seinem Tod im Kampf _____________ 35

36

37 38

Arist. NE VII 1.1145a36; 1145b8; ferner 1150b1 (ἀντίκειται δὲ τῷ μὲν ἀκρατεῖ ὁ ἐγκρατής, τῷ δὲ μαλακῷ ὁ καρτερικός· τὸ μὲν γὰρ καρτερεῖν ἐστὶν ἐν τῷ ἀντέχειν, ἡ δ’ ἐγκράτεια ἐν τῷ κρατεῖν); Arist. MM II 6, 27 (ἡ μὲν γὰρ ἐγκράτειά ἐστι περὶ ἡδονὰς καὶ ὁ ἐγκρατὴς ὁ κρατῶν τῶν ἡδονῶν, ἡ δὲ καρτερία περὶ λύπας); Polit. VII 15.1334a23. Ihre καρτερία war nahezu ein Topos: Arr. Alex. An. VII 2, 2 (καὶ ἰδόντι [sc. Alexander d. Gr.] τῶν σοφιστῶν τῶν Ἰνδῶν τοὺς γυμνοὺς πόθος ἐγένετο ξυνεῖναί τινα οἱ τῶν ἀνδρῶν τούτων, ὅτι τὴν καρτερίαν αὐτῶν ἐθαύμασε); Lucian. De mort. Peregr. 25 (νὴ Δί’, ὅπως τὴν καρτερίαν ἐπιδείξηται καθάπερ οἱ Βραχμᾶνες); ferner Strab. Geogr. XV 1, 63. 70. Dazu s. Bar-Kochva (2010) 70 ff. Hierzu s. Bar-Kochva (2010) 75.

II. ‘Über den Schlaf’

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auf dem Scheiterhaufen lag, “lebte er wieder auf und berichtete nach seiner Wiederbelebung, was er dort gesehen hatte” (Resp. X 614b8 ἀνεβίω, ἀναβιοὺς δ’ ἔλεγεν ἃ ἐκεῖ ἴδοι). Die Wiederbelebung des Er sei, so Proklos, ein Heraustreten und eine Wiedervereinigung der Seele mit dem Körper; dass die Seele aus dem Körper heraustreten und in ihn wieder eintreten könne, werde auch durch die Erzählung des Klearchos bewiesen. Die danach angeführte Erzählung aus der klearchischen Schrift vermittelt eher den Eindruck eines spiritistischen Experiments, das aber an den Er-Mythos insofern erinnert, als es auf dem gleichen Phänomen beruht: Eine ungenannte Person benutzt “den Seelen heraufziehenden (ψυχουλκός) Stab” bei einem schlafenden Knaben, um die Seele aus dessen Körper herauszuziehen und sie nach einiger Zeit wieder in ihn zurückzuführen. In dieser Zeit bleibt der Körper ohne Bewusstsein und völlig unempfindlich, wie leblos, während die Seele nach ihrer Rückkehr über “Einzelnes” erzählen kann. Somit wird allen, d.h. Aristoteles und den übrigen Zuschauern, bewiesen, dass die Seele vom Körper getrennt werden kann. Die ῥάβδος ist hier ein “hinweisend-berührender” Stab, der an denjenigen erinnert, den Hermes in der zweiten homerischen Nekyia benutzt, als er die ermordeten Freier in die Unterwelt führt.39 Er ist demjenigen ähnlich, den man in der weißfarbigen Jenaer Grablekythos bei Hermes Psychopompos sieht.40 Eine Geste des Aufrufens mit einem solchen Stab scheint in nekromantischen Handlungen üblich gewesen zu sein. Auch das Verbum πλήττω (hier = ‘berühren’) wird, wie auch ἅπτομαι, ῥαπίζω, καθικνέομαι bei ähnlichen Fällen, terminologisch gebraucht.41 Das junge Alter des Schlafenden ist bei einem solchen Akt nicht zufällig.42 Den schlafenden _____________ 39

40 41 42

Od. 24, 1-5: Ἑρμῆς δὲ ψυχὰς Κυλλήνιος ἐξεκαλεῖτο / ἀνδρῶν μνηστήρων· ἔχε δὲ ῥάβδον μετὰ χερσὶ / καλὴν χρυσείην, τῇ τ’ ἀνδρῶν ὄμματα θέλγει, / ὧν ἐθέλει, τοὺς δ’ αὖτε καὶ ὑπνώοντας ἐγείρει· / τῇ ῥ’ ἄγε κινήσας, ταὶ δὲ τρίζουσαι ἕποντο. Dazu s. de Waele (1927) 57 ff.; ders., RE III A2 (1929) 1914-5 (wo allerdings ein bedeutender Fehler zu verzeichnen ist: An unserer Stelle handelt es sich nicht um einen “Leichnam”, wie es in Sp. 1915 heißt); Méautis (1929) 227-9. W. Burkert, “ΓΟΗΣ: Zum griechischen ‘Schamanismus’ ”, RhM 105 (1962) 46 (= Kl. Schr. III 181 f.), setzt unsere ungenannte Person offensichtlich einem Schamanen gleich, der einfach praktiziere, was der Mythos schildere, der wiederum nicht mehr als eine “Projektion der tatsächlichen Praxis eines γόης, eines seelengeleitenden Schamanen” sei. Dazu s. de Waele (1927) 58. de Waele (1927) 62. Zu den Kindern als Medien in der Zauberei s. T. Hopfner, Recueil N.P. Kondakov 6 (1926) 65-74; A.-J. Festugière, La révélation d’Hermès Trismégiste, I, Paris 1944, 348-50; Bremmer (1983) 50 Anm. 102. Vgl. D. Ogden, Greek and Roman Necromancy, Princeton/Oxford 2001, 196: “Such boys had a pure (simplex) soul, that is, one that was not excessively bound to the things of the body (such as sex) and that could be withdrawn even further from the body through (deathlike) state of sleep, thus increasing its perceptual abilities.” Ogden erinnert zu Recht auch an den Knaben im platonischen Menon.

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Interpretationen

Knaben hat man sich als hypnotisiert vorzustellen, auch wenn das im Text nicht ausdrücklich gesagt wird. Denn es ist deutlich genug, dass es sich dabei um eine Demonstration vor mehreren Zuschauern (θεατάς) handelt, in der wohl normaler Schlaf nicht wahrscheinlich ist.43 Nun bereitet die ganze Beschreibung insofern eine weitere Schwierigkeit, als sie einerseits wegen des “seelenführenden” Zauberstabs auf Nekromantie hinweist, andererseits aber eine Hypnotisierung voraussetzt. Es geht offensichtlich um unterschiedliche Dinge, deren Verbindung anderswo nicht bezeugt ist. Eine mögliche Erklärung wäre, dass Klearchos eine solche Demonstration nicht in der Tat gesehen, sondern erdacht hat, indem er Elemente aus verschiedenen Erzählungen dieser Art zusammenfügte.44 Aus philosophischer Sicht sind im Fragment zwei Themen interessant: die Trennung der Seele vom Körper und die Bedeutung des Schlafes für gewisse psychische Phänomene. Letzteres erklärt natürlich auch, warum Klearchos das Ereignis in der Schrift Über den Schlaf erzählt hat. Beide Themen findet man in einem Fragment aus dem aristotelischen Dialog De philosophia (fr. 10 R3 = 12a Untersteiner = 947 Gigon). Dort erwähnt Aristoteles im Zusammenhang mit der Entstehung des Gottesbegriffes bei den Menschen die Phänomene der Ekstase und Traummantik beim Schlaf, bei dem die Seele “in sich allein” ihre eigene Natur erhält: Ἀριστοτέλης δὲ ἀπὸ δυοῖν ἀρχῶν ἔννοιαν θεῶν ἔλεγε γεγονέναι ἐν τοῖς ἀνθρώποις, ἀπό τε τῶν περὶ ψυχὴν συμβαινόντων καὶ ἀπὸ τῶν μετεώρων. ἀλλ’ ἀπὸ μὲν τῶν περὶ τὴν ψυχὴν συμβαινόντων διὰ τοὺς ἐν τοῖς ὕπνοις γινομένους ταύτης ἐνθουσιασμοὺς καὶ τὰς μαντείας. ὅταν γάρ, φησιν, ἐ ν τ ῷ ὑ π ν ο ῦ ν κ α θ ’ ἑ α υ τ ὴ ν γ έ ν ητ α ι ἡ ψ υ χ ή , τ ό τ ε τ ὴ ν ἴ δ ι ο ν ἀ π ο λ α β ο ῦ σ α φ ύ σ ι ν προμαντεύεταί τε καὶ προαγορεύει τὰ μέλλοντα. τοιαύτη δέ ἐστι καὶ ἐν τῷ κατὰ τὸν θάνατον χ ω ρ ί ζ ε σ θ α ι τ ῶ ν σ ω μ ά τ ων. ἀποδέχεται γοῦν καὶ τὸν ποιητὴν Ὅμηρον ὡς τοῦτο παρατηρήσαντα· πεποίηκε γὰρ τὸν μὲν Πάτροκλον ἐν τῷ ἀναιρεῖσθαι προαγορεύοντα περὶ τῆς Ἕκτορος ἀναιρέσεως, τὸν δ’ Ἕκτορα περὶ τῆς Ἀχιλλέως τελευτῆς. ἀλλὰ δὴ καὶ ἀπὸ τῶν μετεώρων κτλ.45

_____________ 43 44 45

Deswegen kann man schwerlich Dodds (1973) 200 Anm. 2 zustimmen, wenn er gegen die Annahme einer Hypnotisierung einwendet: “We are not, however, told that the boy was in anything other than a natural sleep [...]”. Huby (1979) 57 vermutet Aristoteles als Quelle der Erzählung: “This sounds like an early experiment in hypnotism and I cannot see why Aristotle should not have witnessed such an event and Clearchus have written about it.” Vgl. fr. 12a Ross (= Cic. De Divin. 1, 64): Cum ergo est somno sevocatus animus a societate et a contagione corporis, tum meminit praeteritorum, praesentia cernit, futura providet; iacet enim corpus dormientis ut mortui, viget autem et vivit animus. Vgl. ferner Platon Leg. XII 966d-e; Tim. 71a-e. Zum Aristoteles-Fragment s. M. Untersteiner, Aristotele: Della filosofia, Rom 1969, 166 ff.; van der Eijk (1994) 89 ff.; Glucker (1999) 41-42; Sharples (2001) 167-68 Anm. 97; Flashar in: Flashar – Dubielzig – Breitenberger (2006) 140-1.

II. ‘Über den Schlaf’

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Effe hat die Meinung geäußert, das Fragment spiegele nicht die eigenen Ideen des Aristoteles, sondern “bestimmter philosophischer Kreise” (gemeint sind vor allem die Pythagoreer) wider.46 Es scheint aber plausibler zu sein, dass das Fragment aus dem dritten Buch des Dialogs stammt, in dem Aristoteles seine eigene Lehre (in diesem Fall den Ursprung des Gottesbegriffs) im Rahmen der Entwicklungsgeschichte der Philosophie darstellte.47 Trifft das zu, so kann es sich um Aristoteles’ eigene Gedanken gehandelt haben.48 Aber auch wenn das nicht der Fall war und Aristoteles einfach über “die Auffassungen der Alten” berichtete, so erscheint es höchst unwahrscheinlich, dass er im Rahmen des Dialogs gerade dieses zweiteilige Argument, dessen zweiten Teil er aber gewiss akzeptierte, ausdrücklich von den eigenen Ideen abgesondert und zurückgewiesen hätte. Es ist ein ungewöhnliches Vorkommnis, dass eine solche Erzählung mit archäologischen Befunden in Zusammenhang gebracht wird: P. Boyancé hat geltend gemacht, dass die klearchische Erzählung dieses sonderbaren Experiments wahrscheinlich auf einem Fresko illustriert wird, das im Jahre 1956 in einer Katakombe der Via Latina (diejenige an der Via Dino Compagni) entdeckt wurde.49 Auf dem Fresko im “Großen sechseckigen Raum I”, das in die Zeit von 320-350 n.Chr. datiert wird,50 werden mehrere Personen in Tunika und Pallium im Halbkreis sitzend dargestellt (Abbildung 2). Im Zentrum sitzt eine offensichtlich gewichtige Person mit Vollbart, die das für Philosophen charakteristische Pallium trägt und von den übrigen deutlich absticht. Vor ihnen findet sich auf dem Boden liegend ein bartloser, junger Mann mit einem großen Loch im Bauch. Einer der (sitzenden) Zuschauer, nicht jedoch die zentrale Figur, zeigt oder berührt mit einem langen Stab die Brust des liegenden Jungen. _____________ 46 47

48

49 50

Effe (1970) 78 ff.; vgl. jedoch Huby (1979) 54. Auch für das zweite Buch, in dem die Kritik an der platonischen Lehre von den Ideenzahlen stand, hat H. Flashar, “Einblick in die Erfindung einer Dialogsituation bei Aristoteles. Zu Frg. 9 R3 (= 23 Gigon)”, Hyperboreus 8 (2002) 240-3, angenommen, dass die Verteidiger der platonischen Lehre auf die Einwände des Aristoteles im Dialog geantwortet haben. Man beachte außer dem Hinweis auf Homer das für Aristoteles unbestreitbar wichtige astronomische Argument. Die ganze Diskussion bei Effe trägt trotz ihrer Gründlichkeit dem dialogischen Charakter des Werkes kaum Rechnung (das gilt noch mehr für Dörrie [1959] 207) und erscheint stellenweise spitzfindig. Dagegen macht van der Eijk (1994) 91 zu Recht auf eine Schwierigkeit aufmerksam: Die Auffassung, dass das Vermögen der Traummantik, das die Seele in sich habe und welches im Schlaf besser wirke, “die ἰδία φύσις der Seele sei, ist mit An. [= Arist. De anima] und Somn. absolut unvereinbar”. Boyancé (1964) 107-24. A. Ferrua, Le pitture della nuova catacomba di Via Latina, Città del Vaticano 1960, 103.

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Interpretationen

Abbildung 2. Das Fresko in der Katakombe der Via Latina (Boyance [1964] 425)

Was auf dem Fresko abgebildet wird, kann schwerlich einen AnatomieUnterricht oder die Auferstehung eines Toten oder gar die Schöpfung des ersten Menschen durch den Gott mit Hilfe eines Engels, wie man vorgeschlagen hat, darstellen.51 Diese Interpretationen sind vor allem deswegen kaum überzeugend, weil in den erwähnten Fällen die Hauptrolle selbstverständlich immer der Hauptfigur vorbehalten bleibt. Die Entsprechung dagegen dieser “scène réaliste” zu unserem Text ist frappant. Fast alles stimmt überein (ein bedeutender Philosoph, Schüler, ein Stab usw.). Freilich wird der liegende Junge in unserem Text nicht als nackt beschrieben, aber der nackte Körper könnte auf den Maler zurückgehen, der vielleicht das Heraustreten der Seele aus dem leblosen Körper anschaulicher machen wollte. Man würde ferner erwarten, dass die Seele auf irgendeine Weise (etwa mit einem Vogel) symbolisch dargestellt worden wäre. Diese Schwierigkeiten sind nicht leicht von der Hand zu weisen. Auf der anderen Seite hat Boyancé überzeugend darauf hingewiesen, dass die vorliegende KlearchosErzählung sehr wohl gewirkt haben mag, weil die neuplatonische Schule (vornehmlich durch das Werk des Porphyrios) großen Einfluss in Rom hatte. Gerade dieser Umstand aber lässt im gegebenen Fall einen ähnli_____________ 51

Vgl. Boyancé (1964) 108 ff.

II. ‘Über den Schlaf’

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chen, okkulten Akt im Zusammenhang mit der Theurgie wahrscheinlicher erscheinen.52

(iii) Fragment 8 Wie im Fall von fr. 7 führt Proklos (In Plat. Remp., II p. 113, 19 Kroll) auch das vorliegende Fragment im Rahmen seines Kommentars zum ErMythos am Ende des platonischen Staates an, um zu zeigen, dass auch andere außer Platon Geschichten über Scheintote gesammelt hatten (ἤθροισαν). Proklos versichert seinem Leser, zu seiner Zeit hätten sich ebenfalls solche Fälle ereignet, genauso wie man über die bekannten Beispiele der Vergangenheit, d.h. über Aristeas von Prokonnesos, Hermotimos von Klazomenai53 und Epimenides von Kreta, berichtet habe. Danach folgt das eigentliche Zitat aus der Schrift des Klearchos. Die Ausdrucksweise des Proklos (καὶ τί δεῖ πολλὰ λέγειν; ὅπου γε καὶ ὁ μαθητὴς Ἀριστοτέλους Κλέαρχος κτλ.) impliziert, dass die eben erwähnten Beispiele aus der Vergangenheit nicht aus Klearchos selbst stammen, sondern aus einem anderen Schriftsteller (vermutlich Herakleides Pontikos). Ihre Erwähnung ist für das Verständnis des Klearchos-Textes nicht ohne Bedeutung. Alle drei Wundermänner teilten außergewöhnliche und übernatürliche, ekstatische Erfahrungen54: Ihre Seele war willentlich aus dem Körper herausgetreten und nach längerer oder kürzerer Zeit und Himmelfahrt in den Körper zurückgekehrt. Aristeas konnte gleichzeitig an entfernten Orten erscheinen, wie z.B. in Prokonnesos, wo er starb, und im gleichen Augenblick zwischen Kyzikos und Artake, wo er mit Reisenden gesprochen haben soll, oder in Metapont, wo er 240 Jahre nach seinem Tod gesehen worden sein soll. Fußend auf einer älteren Quelle berichtet Plinius (NH VII 174) weiter, man habe in Prokonnesos die Seele des Aristeas in Rabengestalt aus seinem Mund fliegen sehen. Hermotimos’ Seele hatte “auf viele Jahre” ihren Leib verlassen und verfügte nach ihrer Rückkehr über divinatorische Kraft. Er wird auch von Aristoteles erwähnt, nicht nur in den esoterischen Schriften (Met. I 3.948b18, vgl. De an. I 2.404a26), son_____________ 52 53

54

Zur Theurgie s. kurz Dodds (1951) 289-311 mit der wichtigsten Literatur. Handschriftlich ist Ἑρμόδωρος überliefert, aber die Konjektur von E. Rohde (Kl. Schr. II 179) mit Verweis auf die gleiche Aufzählung in Plin. NH VII 174 ist so gut wie sicher. Der gleiche Schreibfehler liegt anscheinend Plut. De gen. Socr. 592C vor, vgl. Rohde (1910) 95 Anm. 1. Zu ihnen s. Rohde (1910) 89 ff. Wegen der von Bremmer (1983) 24 ff. geäußerten Bedenken hinsichtlich der Existenz von “shamanistic influence on Archaic Greece”, die vor allem Dodds (1951) 135-78 angenommen hatte, vermeide ich im allgemeinen den Gebrauch des Terminus “Schamanismus”.

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Interpretationen

dern offensichtlich öfter in seinen Dialogen.55 Von Epimenides wurde schließlich berichtet, er habe 40 oder 50 Jahre schlafend in der Höhle des Zeus auf dem Ida verbracht, und seine Seele könne aus dem Körper austreten, solange sie wolle, und wieder in ihn zurückkehren.56 Ιn der Erzählung des Klearchos selbst geht es um den Scheintod eines an der Philosophie sehr interessierten Atheners namens Kleonymos.57 Aus Gram über den Verlust seines Freundes brach er bewusstlos zusammen und kam erst wieder zu sich, als er schon zwei Tage lang aufgebahrt war und am dritten Tag beerdigt werden sollte.58 Das Interessante in dem Bericht liegt aber in dem, was er bei seinem Scheintod gesehen und erfahren hat: Er habe sich, nachdem die Seele den Körper verlassen hatte, “wie von Fesseln befreit” emporgehoben gefühlt, so dass er über der Erde schwebend sonst nicht sichtbare Stätten und Flüsse gesehen habe, bis er an einen der Hestia heiligen Ort gekommen sei, wo dämonische Wesen in Frauengestalt gewaltet hätten. Dort habe er einen anderen Menschen, Lysias aus Syrakus,59 kennengelernt. Beide hätten durch eine Stimme den Befehl erhalten, ruhig zu bleiben und alles zu betrachten. So hätten sie sowohl die Strafe als auch die Reinigung der Seele unter der Aufsicht der Eumeniden mit angesehen. Danach sei ihnen befohlen worden fortzugehen, sie seien einander aber später nochmals begegnet, als Lysias Athen besucht habe, und hätten sich dabei gegenseitig aus der Ferne erkannt. Beginnt man mit dem Ende der Erzählung, so kann man m.E. verstehen, wozu die Einführung der zweiten Person dient: Sie soll die Geschichte glaubhafter machen und zwar hinsichtlich der Erfahrung während der Himmelfahrt, die sonst ganz unglaubwürdig erschiene. Denn der Scheintod ist zwar ein außergewöhnliches Phänomen, aber doch nicht ganz jenseits der menschlichen Erfahrung.60 Um eine Geschichte dagegen, die sich außerhalb der menschlichen Welt abgespielt hat, überhaupt glaubhaft zu machen, braucht man etwas Handgreifliches, so wie z.B. eine andere Per_____________ 55 56 57 58

59 60

Dazu s. Waszink (1947) 139. 141 ff. Zu Epimenides s. FGrHist 457 T 1-11. In Klearchos fr. 86 wird der Name Kleonymos als Beispiel eines “gottlosen” Namens (im Gegensatz zu den “Gott tragenden” – θεοφόρα – Namen wie Dionysios) erwähnt. Das geht aus der Wendung καὶ τεθνάναι δόξας τρίτης ἡμέρας οὔσης κατὰ τὸν νόμον προὐτέθη hervor, da nach attischer Sitte die Prothesis des Toten gleich am ersten Tag beginnen sollte; E. Rohde, Kleine Schriften II 179, Anm. 1, will das κατὰ τὸν νόμον nur auf προὐτέθη bezogen wissen und übersetzt den Satz folgendermaßen: “die Leiche wurde ausgestellt nach dem Gesetze, und zwar bereits zwei Tage lang”. Die Auswahl des Namens in der Klearchos-Erzählung ist bemerkenswert, auch wenn die fiktive Person mit dem berühmten Redner nicht identisch sein kann. Zum Scheintod in der Antike s. H. Grassl, “Der Scheintod. Ein Beitrag zur historischen Verhaltensforschung im Bereich der griechisch-römischen Antike”, Grazer Beiträge 12/13 (1985/1986) 213-23.

II. ‘Über den Schlaf’

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son, die das bezeugen könnte und deren Name vertraut klingt. Diese Person heißt hier Lysias von Syrakus. Die ganze Erzählung des Klearchos verrät vor allem den Einfluss Platons.61 Die Beschreibung der Erde (καὶ ἀρθεῖσαν ὑπὲρ γῆς ἰδεῖν τόπους ἐν αὐτῇ [sc. τῇ γῇ] παντοδαποὺς καὶ τοῖς σχήμασι καὶ τοῖς χρώμασιν καὶ ῥεύματα ποταμῶν ἀπρόσοπτα ἀνθρώποις) erinnert an Plat. Phd. 109b εἶναι γὰρ πανταχῇ περὶ τὴν γῆν πολλὰ κοῖλα καὶ παντοδαπὰ καὶ τὰς ἰδέας καὶ τὰ μεγέθη, ferner an Resp. X 615a4 τὰς δ’ αὖ ἐκ τοῦ οὐρανοῦ εὐπαθείας διηγεῖσθαι καὶ θέας ἀμηχάνους τὸ κάλλος (vgl. Phdr. 247a5 πολλαὶ μὲν οὖν καὶ μακάριαι θέαι τε καὶ διέξοδοι ἐντὸς οὐρανοῦ). Die Erwähnung der Hestia im Himmel (ἀφικέσθαι εἴς τινα χῶρον ἱερὸν τῆς Ἑστίας) ruft ihre Erwähnung bei der Beschreibung des Himmels in Phdr. 247a2 (μένει γὰρ Ἑστία ἐν θεῶν οἴκῳ μόνη) in Erinnerung.62 Der himmlische Ort, wo die “dämonischen Wesen” (δαιμονίας δυνάμεις) in Frauengestalt walten, erinnert an den “dämonischen Ort” (ἀφικνεῖσθαι … εἰς τόπον τινὰ δαιμόνιον), an dem die Seele des Er in den Himmel gelangt (Resp. X 614c1). Schon die Einführung des Kleonymos weist, wie ich meine, auf Platon hin: Nicht nur der Begriff eines Liebhabers der philosophischen Erörterungen, sondern auch das (sonst selten vorkommende) Wort φιλήκοος scheint hier aus Platon zu stammen.63 Schließlich klingt auch die Wendung τὴν … ψυχὴν … ο ἷ ο ν ἐ κ δ ε σ μ ῶ ν δόξαι τινῶν ἀφειμένην τοῦ σώματος παρεθέντος an Platons Phd. 67d1 ἐκλυομένην (sc. τὴν ψυχήν) ὥ σ π ε ρ ἐ κ δ ε σ μ ῶ ν ἐκ τοῦ σώματος an, auch wenn die Idee selbst auf orphisch-pythagoreische Vorstellungen zurückzuführen ist.64 Es sei darauf hingewiesen, dass in fr. 38 diese Vorstellung von dem “Pythagoreer” Euxitheos vertreten wird (ἔλεγεν ἐνδεδέσθαι τῷ σώματι … τὰς ἁπάντων ψυχὰς τιμωρίας χάριν). Ist der starke platonische Einfluss nicht zu leugnen, so vermag man andererseits nicht zu verstehen, wieso der Ort der Bestrafung der Seelen aus dem Hades, wo sich die Schuldigen bei Platon (Resp. X 614c-615a) befinden, nun in den Himmel verlegt wurde. Denn aus den Worten des Kleonymos (καὶ ὁρᾶν τὰ ἐ κ ε ῖ πάντα. καὶ δὴ ὁρᾶν ἄμφω ἐ κ ε ῖ ψυχῶν κολάσεις τε καὶ κρίσεις κτλ.) geht deutlich hervor, dass sich sowohl die _____________ 61 62

63 64

Darauf hat besonders Bolton (1962) 150 hingewiesen. Wehrli im Kommentar und (1969c) 114 hält mit Verweis auf Philolaos 44 B 7 D.-K. die Erwähnung der Hestia für einen pythagoreischen Einfluss; vgl. Detienne (1958) 131; Movia (1968) 108 f. Plut. De primo frig. 954F zeigt jedoch, dass die Phdr.-Stelle nahezu sprichwörtlich war, so dass ein direkter Bezug auf Philolaos weniger wahrscheinlich erscheint. Zu φιλήκοος bei Platon vgl. Lys. 206c9; Euthd. 274c2; 304c5; Resp. 475d2; 476b3; 548e4. Dazu s. Dodds (1951) 149. Im platonischen Phaidon beruft sich Sokrates ausdrücklich auf Philolaos’ Lehre (vgl. 44 A 1a D.-K.). Zum pythagoreischen Einfluss auf den Peripatos s. R. Harder, ‘Ocellus Lucanus’, (Neue Philologische Untersuchungen 1) Berlin 1926, 149 ff.

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Interpretationen

gerechten als auch die ungerechten Seelen im Himmel befinden. Höchstwahrscheinlich geht die Erzählung von der Existenz der Seelen im astralen Raum und vom Hades als einem Lichtreich in der Milchstraße auf Empedotimos zurück, dessen Name wohl eine Mischung aus den Namen des Empedokles und des Hermotimos ist und der eigentlich nicht mehr als eine fiktive Dialogfigur in einem der Werke des Herakleides Pontikos (fr. 52-58 Schütrumpf) war.65 Dass er eine dem Kleonymos ähnliche Figur war, bringt Proklos in seinem Kommentar zum platonischen Staat (II p. 121, 26 Kroll = Herakleides fr. 56 Schütrumpf) deutlich zum Ausdruck. Die Erklärung liegt also auf der Hand: Klearchos hat seinen Kleonymos dem Empedotimos nachgebildet, ist Herakleides auch in der Verlegung des Hades in die Milchstraße gefolgt und weicht deswegen gerade in diesem Punkt von Platon ab. Aus der Antike sind Erzählungen über Scheintote bekannt, die der bei Klearchos angeführten ähnlich sind. So erzählt Plutarch, De sera numinis vindicta 563A ff., von einem gewissen Thespesios (wohlgemerkt von “Soloi” wie Klearchos), der nach einem Unfall in tiefe Ohnmacht sank und erst am dritten Tag erwachte, als man ihn begraben wollte (τριταῖος ἤδη περὶ τὰς ταφὰς αὐτὰς ἀνήνεγκε). Nach seinem Erwachen berichtete er über seine Jenseitserlebnisse.66 Solche Erzählungen parodiert auch Lukian in seinem Philopseudes, indem er den kranken Eukrates von einer solchen Jenseitsvision erzählen lässt (§ 22-24). Aus Proklos (In Plat. Remp., II p. 113,7 Kroll) erfahren wir, dass Demokrit eine Liste solcher Erzählungen in seiner Schrift Über den Hades (68 B 1 D.-K.) zusammengestellt hatte. Sehr interessant ist ferner der Dialog des Herakleides mit dem Titel Über den Scheintod oder über die Krankheiten (Περὶ τῆς ἄπνου ἢ περὶ νόσων: fr. 85-92 Schütrumpf), der umso mehr Beachtung verdient, als viele Werke des Klearchos seinen starken Einfluss verraten. Αus den erhaltenen Fragmenten lässt sich die zentrale Stellung erschließen, die in Herakleides’ Dialog die Heilung einer scheintoten Frau durch Empedokles einnahm (fr. 7781), nachdem sie sich dreißig Tage lang ohne zu atmen im Koma befunden hatte. Im Rahmen des Dialogs, der einen protreptischen Zweck

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Vgl. Rohde (1910) 94 Anm. 1; P. Corssen, “Der Abaris des Heraklides Pontikos”, RhM 67 (1912) 28; P. Boyancé, “Sur l’ ‘Abaris’ d’Héraclide le Pontique”, REA 36 (1934) 323; Bolton (1962) 151-5. Zur Himmelsreise der Seele s. auch R.M. Jones, “Posidonius and the Flight of the Mind through the Universe”, CPh 21 (1926) 99f. Zur Zusammensetzung des Namens Empedotimos vgl. J. Bidez, Eos ou Platon et l’Orient, Brüssel 1945, 55; s. auch Wehrli (1969b) zu fr. 90-6; Bolton (1962) 152. Vgl. die Erzählung über Rufus von Philippi in Makedonien (τοῦτον γὰρ ἀποθανόντα τριταῖον ἀναβιῶναι) bei Proklos In Plat. Remp., II p. 115, 24 Kroll.

II. ‘Über den Schlaf’

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verfolgte, sollte die Episode mit der scheintoten Frau die Unabhängigkeit und die Überlegenheit der Seele dem Körper gegenüber zeigen.67 Genauso interessant wie die erwähnte Episode bei Herakleides ist ein ‘aristotelisches’ Fragment, das nach langer Überlieferung (und vielleicht neuplatonischen Erweiterungen) in dem Brief … über die Seele (im Original: al-Qaul fī ’l-nafs) des arabischen Philosophen al-Kindi (9. Jh.) erhalten blieb, zuerst von G. Furlani ins Italienische übersetzt und von R. Walzer ausführlich behandelt wurde.68 Ich führe es in der deutschen Übersetzung von K. Gaiser an69: Aristoteles erzählt von dem griechischen König, dessen Seele in den Himmel aufgenommen wurde und der viele Tage in diesem Zustand blieb: weder lebend noch tot. Jedesmal, wenn er wieder zu Kräften kam, erzählte er den Leuten seiner Umgebung von verschiedenen Dingen in der unsichtbaren Welt und berichtete, was er gesehen hatte: Seelen, Formen (Ideen) und Götter. Er gab den Beweis dafür, indem er den Leuten seiner Umgebung insgesamt voraussagte, wie lange jeder einzelne von ihnen leben würde. Alles, was er sagte, bestätigt sich; und keiner überschritt die Spanne des Lebens, die er angegeben hatte. Er prophezeite auch, daß nach einem Jahr ein Erdspalt (eine Bodensenkung) eintreten würde im Land Elis(?) und daß nach zwei Jahren eine Flut sich ereignen würde an einem anderen Ort; und alles traf ein, wie er es gesagt hatte. Aristoteles behauptet, der Grund hierfür sei der gewesen, daß seine Seele dieses Wissen erworben habe, weil sie eben nahe daran war, seinen Körper zu verlassen und schon in gewisser Weise von ihm getrennt war und so gesehen hatte, was sie gesehen hatte. Wie denn erst, wenn sie wirklich den Körper verlassen hätte? Dann hätte sie die Wunder des höchstens Himmelreichs gesehen.

Man sieht, dass es auch hier einerseits um einen Zustand ähnlich einem Scheintod (“weder lebend noch tot”) geht, der bezeichnenderweise “viele Tage” lang gedauert hatte, und andererseits um eine Seele, die in Ekstase Erlebnisse in der ‘höheren Welt’ (“die Wunder des höchsten Himmelreiches”) hatte und nach dem Erwachen davon erzählt. Die Weissagungen, die später erfüllt werden, dienen zur Bestätigung der Geschichte. Aber das Wesentliche steht am Ende: Die Seele hat den Körper verlassen (“seinen _____________ 67 68

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Zum Dialog s. Wehrli (1969b) 86 ff.; Gottschalk (1980) 13-33; I.M. Lonie, “Medical Theory in Heraclides of Pontus”, Mnemosyne 18 (1965) 133 ff.; van der Eijk (2009) 237-50 (zum eigentlichen Titel Περὶ νόσων bzw. Αἰτίαι περὶ νόσων S. 239-240). G. Furlani, “Una risālah di Al-Kindi sull’anima”, Rivista trimestrale di studi filosofici e religiosi 3 (1922) 50-63 (dort Übersetzung des ganzen Traktats); R. Walzer, “Un frammento nuovo di Aristotele”, SIFC 14 (1937) 125-37, bes. 127 f. (= ders., Greek into Arabic, Oxford 1962, 38-47, bes. 39 f.), der u.a. das Aristoteles-Fragment übersetzt. Das ganze Traktat wurde zuletzt von P. Adamson (2000) 120-25 ins Englische übersetzt. Zur gleichen Geschichte in gnomologischer Überlieferung s. D. Gutas, Greek Wisdom Literature in Arabic Translation, New Haven 1975, 195-96. 414. Gaiser (1985) 479 (wiederabgedruckt mit einer kleinen Änderung als Fragment N 1 in Flashar – Dubielzig – Breitenberger [2006] S. 49).

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Interpretationen

Körper zu verlassen”, “den Körper verlassen hätte”), doch nur vorläufig und nicht endgültig (vgl. auch den Konditionalsatz: “wenn sie wirklich den Körper verlassen hätte”). Wegen des Inhalts des Fragments und der ausdrücklichen Erwähnung des Aristoteles hat man angenommen, dass es aus dem Eudemos stammt, jenem aristotelischen Frühdialog, in dem in deutlich platonisierender Tendenz die Seele und ihre Unsterblichkeit behandelt wur70 den. Träfe das zu, so wäre nicht auszuschließen, dass der erwähnte “griechische König” vielleicht kein anderer als Hermotimos ist, den Aristoteles auch in den esoterischen Werken (Met. I 3.984b18, vgl. De an. I 2.404a26) 71 erwähnt – der gleiche Wundermann also, den Proklos vor dem zitierten Klearchos-Fragment nennt. Somit hätten wir eine Parallele zwischen einem aristotelischen Fragment aus Eudemos und einem Fragment aus einem Dialog des Klearchos, in dem Aristoteles als Dialogpartner sprach. Nun kann man natürlich nicht ohne weiteres annehmen, dass es sich beim Text von al-Kindi um ein aristotelisches Fragment handelt, weil in ihm Aristoteles namentlich erwähnt wird. Bekanntlich hielten die Araber auch das für aristotelisch, was ihnen durch die Neuplatoniker bekannt war. Anders als die klassischen Philologen sind viele Arabisten, die sich mit alKindi befasst haben, der Meinung, dass al-Kindi im erwähnten Brief über die Seele aus der gnostisch-neoplatonischen Exegese klassischer Texte bzw. aus der sogenannten Theologia Aristotelis (einer Paraphrase der Enneaden IVVI des Plotin mit Interpolationen aus anderen Quellen) geschöpft hat.72 Letzteres nimmt u.a. auch C. D’Ancona an, nach deren Meinung unser Text auf dem ersten Kapitel der Theologia Aristotelis beruht, das auf Plotins _____________ 70

71

72

So Walzer (S. 129 f.); Detienne (1958) 126-28; Movia (1968) 101; Gaiser (1985) 47880; Berti (1997) 371-72; Bos (1989) 200 ff., bes. 203 ff., 210 f.; auch Flashar in Flashar – Dubielzig – Breitenberger (2006) 165-6; mit dem Dialog Über die Philosophie verbindet es Effe (1970) 88, vgl. aber Huby (1979) 56. Die Meinungen derer, die sich gegen den aristotelischen Ursprung des Fragments geäußert haben, referiert Dorandi (2006) 42 ff. (die wichtigen Ausführungen von Bos [1989] 200 ff. werden jedoch ignoriert). Bidez und Cumont (1938) 247 nehmen an, dass die Prophetien in der Erzählung bei al-Kindi auf den Einfluss der Astrologie zurückzuführen seien, was aber Aristoteles völlig fremd gewesen sei. Diese Erklärung ist jedoch nicht stichhaltig (zu den Katastrophen s. auch weiter unten). Effe (1970) 88 Anm. 65, weist darauf hin, dass Hermotimos auch nach der Darstellung des Apollonios ὄμβροι μεγάλοι und σεισμοί voraussagt. Dass Hermotimos ein König war, wird in den Quellen nicht gesagt, jedoch bemerkt Huby (1979) 56 zutreffend, dass Hermotimos jedenfalls eine bedeutende Person gewesen sein muss, dem ein Tempel in Klazomenai gewidmet war. Bos (1989) 207 ff. identifiziert (kaum überzeugend) den ‘griechischen König’ mit Endymion. Dazu s. Dorandi (2006) 42-44 und (2009) 195-97. Zur Theologia Aristotelis s. u.a. M. Aouad, “La Théologie d’Aristote et autres textes du Plotinus Arabus”, in DPhA I (1989) 541-90.

II. ‘Über den Schlaf’

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Traktat über den “Abstieg der Seele in die Leibeswelt” (Enn. IV 8 [6]) zurückgeht.73 Die Sache scheint jedoch komplizierter zu sein. In Wirklichkeit hatte schon Walzer, der den Text dem aristotelischen Eudemus zugewiesen hat, angenommen, dass uns nicht die Übersetzung des ursprünglichen Textes, sondern die von einem Neuplatoniker revidierte Form vorliegt.74 Die Frage betrifft insofern nicht den Anlass oder die Quelle von al-Kindi oder gar die philosophische Färbung seines Textes, sondern die ursprüngliche Quelle der Erzählung selbst (es wird ja von keinem angenommen, dass sie von alKindi oder einem anderen arabischen Gelehrten frei erfunden wurde). Es sei übrigens darauf hingewiesen, dass weder die Theologia Aristotelis (oder der ursprüngliche, vollständigere Text, auf dem sie beruhte) noch der Brief über die Seele von al-Kindi Texte waren, die nur aus einer Quelle schöpften. Im Gegenteil: Trotz des unleugbar starken neuplatonischen Einflusses allgemein auf die erwähnten Texte versuchten ihre Autoren durch die Benutzung weiterer Quellen (und dazu gehörte die direkte oder indirekte Benutzung platonischer oder aristotelischer Texte), das Denken Platons mit dem des Aristoteles in Einklang zu bringen.75 Wenn die Sache sich im allgemeinen so verhält, dann stellt sich m.E. in unserem Fall hauptsächlich die Frage, ob überhaupt eine Erzählung wie die vorliegende, die ausdrücklich Aristoteles zugeschrieben wird, aufgrund ihres Inhalts wirklich auf Aristoteles zurückgehen könnte. Der Frage nach dem aristotelischen Gehalt des Fragments ist A.P. Bos nachgegangen. Er führt für den aristotelischen Ursprung drei Argumente an: (i) Im Fragment werde eine Bodensenkung zusammen mit einer Flut_____________ 73

74 75

Nach C. D’Ancona (Hsg.), Plotino: La discesa dell’anima nei corpi (Enn. IV 8[6]). Plotiniana arabica (Pseudo-Teologia di Aristotele, capitoli 1 e 7; ‘Detti del sapiente greco’), Padova 2003, 28485 klänge speziell der letzte Abschnitt des oben zitierten Textes von al-Kindi (“Aristoteles behauptet, der Grund hierfür sei der gewesen, daß seine Seele [...] Dann hätte sie die Wunder des höchstens Himmelreichs gesehen.”) an den Anfang der Theologia an (I 1: “Often have I been alone with my soul and have doffed my body and laid it aside and become as if I were naked substance without body, so as to be inside myself, outside all other things. Then do I see within myself such beauty and splendour as I do remain marvelling at and astonished, so that I know that I am one of the parts of the sublime, surpassing, lofty, divine world, and possess active life.” [Übers. von G. Lewis in der Ausgabe Plotins von P. Henry und H.-R. Schwyzer: Plotini Opera, II: Enneades IV-V, Paris 1959, 225]). Vgl. Walzer (1937) 135: “È oramai evidente che il passo di al-Kindī riflette un determinato capitolo dell’Eudemo di Aristotele, riproducendolo però non nella sua forma originale ma nella riduzione dell’autore neoplatonico da lui utilizzato.” Hierzu s. das Ergebnis von Adamson (2000) 119: “As we have seen, there are few literal borrowings from AP [= Arabic Plotinus] in the Discourse [= Brief über die Seele]. It still seems very likely that al-Kindī was working with other sources which gave him the materials he assigns to Plato, Pythagoras and Aristotle.”

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Interpretationen

welle erwähnt, was an die Katastrophe von Helike (373/2 v.Chr.) erinnere.76 Das Interesse des Aristoteles an dieser Katastrophe sei bekannt,77 so dass er sehr wohl ein solches Ereignis einem mythischen Kontext hätte einverleiben können. (ii) Wenn die Seele nach dem Text in der “unsichtbaren Welt”, aber noch nicht im “höchsten Himmelsreich” gewesen sei, so dürfe diese “Welt” nicht mit dem ὑπερουράνιος τόπος des platonischen Phaidros identifiziert werden. Es sei viel wahrscheinlicher, dass mit dem “Königreich” die Physis als Ganzes gemeint sei, dessen oberer Teil über dem Mond, der niedere unter ihm liege. In diesem Fall sei mit dem Ausdruck “unsichtbare Welt”, wie üblich nach den frühen Pythagoreern, der Hades gemeint.78 (iii) Die Vorstellung von einer innerweltlichen Reise der Seele sei vielmehr aristotelisch als platonisch, da Aristoteles im Unterschied zu Platon die Existenz einer getrennten Welt der Ideen abgelehnt habe.79 Außer den erwähnten Bemerkungen sind aber m.E. noch weitere Einzelheiten in Betracht zu ziehen. Erstens weist die Beschreibung bei al-Kindi einige Unklarheiten auf: Aus welchem Grund und unter welchen Umständen wurde die Seele des Königs in den Himmel aufgenommen? Warum musste er “viele Tage” in diesem Zustand (“weder lebend noch tot”) bleiben? Warum wird ferner nicht der Ort bestimmt, an dem die Seele sich während dieser Zeit befand?80 Diese Unklarheiten zeigen m.E., dass alKindi die verkürzte und veränderte Fassung einer vollständigeren Erzählung wiedergibt, in der alle diese Einzelheiten geklärt waren (ähnlich wie etwa in den entsprechenden Erzählungen mit einem Scheintod bei Herakleides und Klearchos). Zweitens ist es aufgrund der erhaltenen Fragmente des Eudemos interessant zu sehen, welche antiken Schriftsteller direkt oder indirekt Kenntnis des aristotelischen Dialogs besaßen: ganz sicher Cicero, Plutarch (Dion) bzw. Pseudo-Plutarch (Consol. ad Apoll.), Themistios, Proklos, Philoponos, Simplikios; wahrscheinlich auch Iamblichos, Damaskios, Olympiodoros, Elias.81 Es ist zumindest bemerkenswert, dass _____________ 76 77 78 79 80

81

Zur Überlieferung über die Katastrophe in Helike s. F. Bölte, RE VII2 (1912) 2855-58. Vgl. Arist. Mete. I 6.343 a-b; II 8.368 a-b; zusammen mit der Katastrophe in Bura wird auch in [Arist.] De mundo 4.396a22 erwähnt. Vgl. Bos (1989) 204: “The distinction between the sublunary and supralunary spheres plays an important role in this explanation, therefore, and in our opinion again strongly suggests an Aristotelian derivation”. Vgl. Bos (1989) 204: “The rejection of a reality of separate Ideas entailed the rejection of a ‘hyper-ouranic’ world of Ideas!” In der oben angeführten Übersetzung wird allgemein von der “unsichtbaren Welt” gesprochen. Adamson übersetzt die Stelle anders: “he let the people know of various kinds of knowledge of the hidden”; vgl. die Übersetzung von Walzer: “alle varie cose del mondo invisibile (o: alle varie specie della scienza dell’ invisibile?)”. Bei der Zuweisung der Fragmente an Eudemos folge ich Flashar (in Flashar – Dubielzig – Breitenberger [2006] 41-49 mit seiner Bemerkung auf S. 156).

II. ‘Über den Schlaf’

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der aristotelische Dialog ausschließlich in Kreisen von Platonikern (im weiteren Sinne) oder Neuplatonikern beliebt war und gelesen wurde. Aufgrund dieser Tatsache kann man aber gleichzeitig leicht vermuten, auf welchem Weg vielleicht eine Erzählung aus diesem Dialog zu arabischen Gelehrten, die vom Neuplatonismus stark beeinflusst waren, gelangt sein könnte. Das erlaubt allerdings keine endgültige Antwort auf die Frage nach der ursprünglichen Quelle der Erzählung bei al-Kindi. Ob sie wirklich auf einen aristotelischen Dialog oder aber auf einen Dialog, in dem Aristoteles als Dialogperson auftrat (wie etwa im vorliegenden Dialog des Klearchos – vgl. oben die Damaskios-Fragmente), zurückgeht, bleibe dahingestellt. *** Man wünschte sich, dass aus dieser aufregenden Schrift mehr Fragmente erhalten geblieben wären. Dennoch erlauben schon die drei behandelten Fragmente einige Schlussfolgerungen über die Form, den Inhalt und die Tendenz der Schrift. Es handelte sich um einen Dialog, an dem Aristoteles teilnahm. Klearchos war nicht der erste, der Aristoteles als Dialogperson in ein Werk einführte und das Gespräch leiten ließ, da schon Aristoteles sich selbst in einigen seiner Dialoge auftreten ließ.82 Aber die Tatsache selbst ist schon sehr bezeichnend für die Einstellung des Klearchos Aristoteles gegenüber. Wenn der Ort des Dialogs in der Tat nicht mehr Athen, sondern Assos war, dann dürften Schüler des Aristoteles (vgl. fr. 6: καί τισιν ἑτέροις τῶν σχολαστικῶν)83 unter den Gesprächspartnern gewesen sein. Erwartungsgemäß dürfte Klearchos den Dialog nicht nach platonischer, sondern nach aristotelischer Art abgefasst haben: Die dialogische Form bot lediglich den Anlass für lange Reden bzw. Erzählungen.84 Der Ton im dialogischen Teil weist humorvolle oder ironische Spitzen auf. Inwiefern die Sprache der Teilnehmer und ganz konkret die des Aristoteles charakteristische Merkmale des eigenen Sprachgebrauchs trug, lässt sich freilich anhand eines kurzen Fragments nicht erschließen; dass es so war, ist aber wahrscheinlich. Sicher ist jedoch, dass Klearchos _____________ 82

83 84

Das geht aus Cic. Ep. ad Att. XIII 19, 3 f. sowie in Bezug auf den Dialog De philosophia aus Syrian (CAG 6, 1 p. 159, 33 ff. = Aristoteles fr. 9 R3) hervor. Nach D.L. II 120 schrieb später Stilpon einen Dialog mit dem Titel Ἀριστοτέλης; vgl. dazu Hirzel (1895) I 309 Anm. 3; Silberschlag (1933) 70. Zur Bedeutung des Wortes σχολαστικός hier s. Festugière (1971) 184 Anm. 3. Die Frage, ob den einzelnen Büchern Proömien vorangestellt wurden, wie Cicero Ep. ad Att. IV 16, 2 über die aristotelischen Dialoge berichtet, sei hier dahingestellt; zu den Hauptmerkmalen des aristotelischen Dialogs s. Jaeger (1923) 27 ff., bes. 29 Anm. 2; s. auch unten S. 161.

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Interpretationen

sich gelegentlich eines außergewöhnlichen oder gar poetisch gefärbten Wortschatzes bedient hat (man beachte vor allem Wörter wie ἀπρόσοπτος, πανύστατον, ἀπεριήγητος, φιλήκοος). Der Titel des Werkes weist auf die Bedeutung des Schlafes als eines Zustandes hin, in dem die Selbständigkeit und insofern die Trennbarkeit der Seele vom Körper beobachtet und bewiesen werden kann. Doch beschränkte sich der Dialog keineswegs nur auf den eigentlichen Schlaf, sondern erstreckte sich auf alle Situationen und alle parapsychischen Phänomene, in denen der Körper im Gegensatz zur Seele nicht aktiv ist. Dazu gehören der Scheintod und okkulte Experimente, aber auch andere Phänomene, die mit der Tätigkeit der Seele beim Schlaf verbunden werden. So kann z.B. die Traummantik, auch wenn sie in den erhaltenen Fragmenten nicht erwähnt wird, dennoch eine Rolle gespielt haben, zumal sie mit dem Motiv der “zu sich selbst kommenden” Seele fest verbunden wurde.85 Bei diesem Umfang des Dialogs (mindestens zwei Bücher, vgl. fr. 6: ἐν τῷ πρώτῳ περὶ ὕπνου βιβλίῳ) ist anzunehmen, dass darin Wundermänner und Wundererzählungen aller Art vorgeführt wurden. Interessanterweise sind die Protagonisten in den erhaltenen Erzählungen nicht mythische Gestalten, sondern normale Menschen. Von diesen meist fiktiven Erzählungen sowie von den Wundermännern dürften manche aus dem Orient stammen. In fr. 6 dient dies vorwiegend einem gut ersichtlichen Zweck: “griechischer Glaubenslehre durch einen Vertreter des bewunderten Ostens [...] erhöhte Würde zu geben” (Wehrli). Ein vereinzelter Fall im ganzen Werk kann es aber schwerlich gewesen sein. Das Thema bot sich einfach für orientalische Vorstellungen und wundersame Erzählungen in Zusammenhang mit der Trennung der Seele vom Körper an. Die Gymnosophisten, die am Anfang nur nebenbei erwähnt werden und die auch in der Schrift Über die Erziehung (fr. 13) wieder erscheinen, können sicherlich noch in anderen Teilen des Werkes eine Rolle gespielt haben. Romanhafte Erzählungen, wie z.B. über Menschen, “die sich in ihren Träumen in Menschen verliebt haben, ohne sie vorher gesehen zu haben”, ähnlich wie die Geschichte der Königstochter der Marather, Odatis, und des Königsbruders der Meder, Zariadres, die Chares aus Mytilene in seiner Alexandergeschichte (FGrHist 125 F 5) erzählt, dürften auch enthalten gewesen sein.86 _____________ 85 86

Zur aristotelischen Psychologie in Zusammenhang mit dem Schlafzustand, aber auch der Traummantik s. ausführlich van der Eijk (1994) 75 ff. Diese Liebesgeschichte soll in Asien sehr beliebt gewesen sein, wie Chares selbst berichtet: μνημονεύεται δὲ ὁ ἔρως οὗτος παρὰ τοῖς τὴν Ἀσίαν οἰκοῦσι βαρβάροις καὶ περισσῶς ἐστι ζηλωτός, καὶ τὸν μῦθον τοῦτον ζωγραφοῦσιν ἐν τοῖς ἱεροῖς καὶ τοῖς βασιλείοις, ἔτι δὲ ταῖς ἰδιωτικαῖς οἰκίαις· καὶ ταῖς ἑαυτῶν θυγατράσιν οἱ πολλοὶ τῶν δυναστῶν ὄνομα τίθενται Ὀδάτιν.

II. ‘Über den Schlaf’

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Die Berücksichtigung des Orients stünde ferner völlig im Einklang mit der allgemeinen Tendenz der Zeit nach dem Alexanderzug im Osten. Ob sie freilich auch von einem speziellen Interesse des Klearchos für den Osten zeugt, das irgendwie mit seiner (aufgrund der bekannten Inschrift in Ai Khanoum) angenommenen Reise nach Afghanistan in Verbindung stand, und insofern auch einen Anhaltspunkt für die Datierung der Schrift bieten könnte,87 bleibe dahingestellt. Die Schrift Über den Schlaf stellt einen der seltenen Fälle bei Klearchos dar, wo wir nicht nur den literarischen, sondern auch den philosophischen Zusammenhang genauer ins Auge zu fassen vermögen. Dass dieser Hintergrund von Bedeutung für das Verständnis des Werkes sein kann, ergibt sich aus einer wichtigen Nachricht bei Aelian, Varia historia III 11, die aber schwerlich von ihm selbst stammt88: Οἱ περιπατητικοί φασι μεθ’ ἡμέραν θητεύουσαν τὴν ψυχὴν τῷ σώματι περιπλέκεσθαι καὶ μὴ δύνασθαι καθαρῶς τὴν ἀλήθειαν θεωρεῖν· νύκτωρ δὲ διαλυθεῖσαν τῆς περὶ τοῦτο λειτουργίας καὶ σφαιρωθεῖσαν ἐν τῷ περὶ τὸν θώρακα τόπῳ μαντικωτέραν γίνεσθαι, ἐξ ὧν τὰ ἐνύπνια.

Inhaltlich stimmt die Nachricht weitgehend mit dem, was Cicero in der Schrift De divinatione über die Mantik und die Peripatetiker sagt, überein. Er nennt in diesem Zusammenhang namentlich Kratippos und Dikaiarchos (I 70. 113; II 100).89 In Bezug auf Kratippos besteht kein Zweifel, dass die Angabe zutrifft. Bei Dikaiarchos jedoch scheint die Sache alles andere als sicher zu sein.90 Er hatte zwar selbständige Schriften über die Seele abgefasst, in ihnen negierte er jedoch ausdrücklich die Vorstellung von der Seele als einer Substanz und argumentierte gegen den Unsterblichkeitsglauben (Testimonien 14-21A, 23-29 Mirh.). Wen kann aber sonst Aelian selbst (oder seine Quelle) mit den “Peripatetikern” gemeint haben? Sieht man zunächst vom Aristoteles der esoterischen Schriften ab, der ohnehin in De anima II 1-3 unmissverständlich die Seele und den Körper n i c h t als getrennte Substanzen auffasst (413a4: οὐκ ἔστιν ἡ ψυχὴ χωριστὴ τοῦ σώματος), so scheiden die meisten der Peripatetiker, die sich darüber äußern, aus. Auch Theophrast dürfte an der Aelian-Stelle nicht gemeint sein, da seine (nicht sehr inhaltsreiche) Seelenlehre in den wesentlichen Punkten Aristoteles’ De anima folgt und einem Dualismus eigentlich _____________ 87 88

Vgl. Engels (2004) 876 f. Möglicherweise war Pamphila (1 Jh. n.Chr.) seine Vermittlungsquelle. Zu Pamphila als Quelle Aelians s. F. Rudolph, De fontibus quibus Aelianus in Varia historia componenda usus sit, (Leipziger Studien 7) Leipzig 1884, 81 ff. 137. 89 Dikaiarchos wird nur in den letzten zwei Stellen genannt (= fr. 31B und 31C Mirhady). 90 Dazu s. Wehrli (1967a) 45-46; Sharples (2001) 163 ff.

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Interpretationen

keinen freien Raum lässt.91 Aristoxenos kommt ebenfalls nicht in Betracht. Es ist sehr fraglich, ob er überhaupt eine Schrift über die Seele geschrieben hat. Und wenn er sich in den erhaltenen Fragmenten über die Seele äußert, dann negativ hinsichtlich ihrer Sonderexistenz im Sinne eines aufgeklärten Pythagoreismus.92 Vom Werk des Demetrios von Phaleron Περὶ ὀνείρων (fr. 99 Wehrli = 86 SOD), in dem es ebenfalls um die Seele gehen könnte, wissen wir eigentlich nichts, außer dass es fünf Bücher umfasste.93 Jegliche Aussage darüber wäre also reine Spekulation. Straton von Lampsakos schließlich hat sich mit der Seele hauptsächlich im Zusammenhang mit der Wahrnehmung beschäftigt (fr. 107-31), aber aus den erhaltenen Fragmenten geht hervor, dass auch er die dualistische Seelenlehre preisgegeben und insbesondere gegen die Unsterblichkeitslehre des platonischen Phaidon argumentiert hat (fr. 122-7). Da aber die Nachricht bei Aelian nicht aus der Luft gegriffen sein kann, muss man annehmen, dass es bei den Peripatetikern eine größere Diskussion zu diesem Thema gegeben hat. Obwohl Aelian nicht vom Heraustreten der Seele aus dem Körper, sondern nur von der auf sich selbst bezogenen Seele spricht, bleibt unbestreitbar die dualistische Grundvorstellung, die er “den Peripatetikern” zuschreibt. Vieles aus dieser Diskussion ist vielleicht für uns verloren, sie dürfte aber wohl breiter angelegt gewesen sein und betraf allgemeiner die eigentliche Natur der Seele und ihre Beziehung zum Leib. Schon aus dem zitierten Fragment (10 R3 = 947 Gigon) aus dem Dialog De philosophia des Aristoteles läßt sich dieser breitere Zusammenhang herauslesen. Denn Aristoteles spricht darin nicht nur von der Traummantik, sondern auch vom ähnlichen Zustand der Seele, wenn sie sich während des Todes (ἐν τῷ ἀναιρεῖσθαι) vom Leib abtrennt, d.h. als der Körper noch existierte und die Seele (wie beim Scheintod) von ihm nicht endgültig losgelöst worden war.94 Zu dieser ganzen Problematik trugen auch Herakleides und Klearchos mit ihren Schriften bei, indem sie das Motiv der schweifenden Seele und der Jenseitsschau in Verbindung mit okkulten Phänomenen in die Diskussion einführten.95 _____________ 91 92 93 94 95

Die entsprechenden Fragmente in FHSG 266-272; dazu s. den Kommentar von P. Huby, Theophrastus of Eresus: Sources for his Life, Writings and Thoughts, Bd. 4: Psychology, Leiden 1999; ferner Regenbogen (1940) 1398 f.; Flashar (2004) 544. Vgl. fr. 118-21 mit Wehrlis Kommentar dazu. Zum Fragment s. auch den Kommentar von Wehrli. τοιαύτη δέ ἐστι [sc. ἡ ψυχή] καὶ ἐν τῷ κατὰ τὸν θάνατον χωρίζεσθαι τῶν σωμάτων. Man beachte das Präsens χωρίζεσθαι. Zur Interpretation der Stelle s. Glucker (1999) 41-42; Sharples (2001) 167-68 Anm. 97. Dörrie (1959) 209 ff. betrachtet m.E. die Sache sehr eng, wenn er Herakleides sowie Klearchos von den Auffassungen des Aristoteles und des Peripatos in diesem Fall abgrenzt. Van der Eijk (2009) 248 bemerkt zu Recht, dass nicht einmal die paradoxographischen Züge in der Schrift des Herakleides, den Timaios (FGrHist 566 F 6) in

II. ‘Über den Schlaf’

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Neben dem Zeugnis aus der Schrift De philosophia haben wir schon gesehen, dass Aristoteles in dem in arabischer Sprache überlieferten Fragment aus dem Eudemos, in dem die Rede vom Heraustreten der Seele aus dem Körper im Falle eines Scheintodes ist, vielleicht eine dualistische Anschauung vertreten hat. Diese Zeugnisse sind nicht leicht von der Hand zu weisen, etwa mit dem Argument, sie enthielten die referierten Meinungen eines Interlokutors und nicht des Aristoteles selbst.96 Wehrli hat in seinem wichtigen Aufsatz über “Aristoteles in der Sicht seiner Schule” darauf hingewiesen, dass Aristoteles in seinen Dialogen oft vorsokratische Traditionen und vorphilosophisches Überlieferungsgut aufnimmt.97 Nicht einmal orphisch-pythagoreisches Gedankengut sollte in seinen Dialogen befremden, da sein Interesse daran sich auch andernorts bestätigt findet: Immerhin sind von ihm ein Werk Über die Pythagoreer (fr. 190-205 R3) und eine Monographie Über die Philosophie des Archytas (fr. 206-207 R3) bezeugt. P. Huby hat ferner in Bezug auf das gesamte aristotelische Werk geltend gemacht, “that Aristotle knew of some such [sc. paranormal] cases, that he moved in a circle which had considerable interest in these matters, and that while he was less credulous than some friends, and ended up more sceptical than he had begun, he did not become a complete sceptic”.98 Bei Fragmenten, deren Zusammenhang nicht bekannt ist, darf man freilich nicht so weit gehen, dass man anhand von kurzen Bruchstücken die Ideen des Autors zu rekonstruieren versucht oder gar (nach W. Jaeger) Schlüsse über seine geistige Entwicklung zieht. Um Missverständnissen vorzubeugen: Es geht nicht um die Frage, ob alles, was auf die erwähnten Dialoge des Aristoteles bezogen wird, in der Tat seinen eigenen Anschauungen entsprach oder ob alles, was vermutlich darin enthalten war, völlig im Einklang mit den philosophischen Gedanken seiner esoterischen Schriften _____________ diesem Zusammenhang als παραδοξολόγος bezeichnet, der peripatetischen Verfahrensweise fremd ist, da dies auch “would would fit in with Peripatetic collections of mirabilia”. 96 Es sei daran erinnert, dass im Rahmengespräch des Eudemos vom Traum des Titelhelden berichtet wird, der sich später bewahrheitet habe (fr. 37 R3). Im Übrigen vermittelt Aristoteles mehrmals in seinen Werken den Eindruck, dass er die Seele für “a distinct entity” hält; s. van der Eijk (2000) 69 mit den Belegstellen. Die Beziehung der klearchischen Schrift zum Eudemos (einem Dialogs also, der verfasst wurde, als Platon noch lebte) sowie die Bedeutung gerade Kleinasiens als Ortes des Dialogs, in dem Aristoteles als Gesprächspartner auftritt, hat Moraux (1958) 23 hervorgehoben. (Im Übrigen ist mir nicht verständlich, wie Wehrli [1969c] 114 in der ‘Bekehrung’ des Aristoteles im klearchischen Dialog einen “Appell an den Meister der Pragmatien, zu den Überzeugungen seiner Jugendschrift [d.h. des Eudemos] zurückzukehren” sieht, wenn er doch selbst die 290er Jahre als terminus post quem für die Abfassung der Schrift betrachtet.) 97 Wehrli (1961) 217-28. 98 Huby (1979) 53.

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Interpretationen

stand. Es geht nur darum, ob die erhaltenen Fragmente bzw. Testimonien sich wirklich auf seine Dialoge beziehen und ob ihr Inhalt von antiken Lesern, die ihn oder sein Werk kannten, so verstanden werden k o n n t e , dass dieser Inhalt von Aristoteles nicht abgelehnt wurde. Die Frage ist für die hier besprochenen Fragmente des Klearchos von Belang. Schließlich erschiene es kaum einem Leser glaubhaft, wenn Klearchos Aristoteles als Bewunderer der Weisen aus dem Orient darstellte oder ihn bezüglich der Sonderexistenz der Seele nach einem ‘Experiment’ überzeugt erscheinen ließe, obwohl es bekannt oder offensichtlich gewesen wäre, dass ihm solche Ideen durchaus fremd waren. Betrachtet man die Sache aus dieser Perspektive, so findet man keine genügenden Argumente, die für eine ablehnende Haltung des Aristoteles solchen Ideen gegenüber in seinen e x o t e r i s c h e n Schriften sprächen. Wir sahen oben im Gegenteil, dass das Fragment aus dem Dialog De philosophia (fr. 10 R3 = 947 Gigon) wahrscheinlich eigene Gedanken des Aristoteles enthält. Eine Anlehnung an diesen Dialog erscheint umso plausibler, als in seinem ersten Buch der Meister wahrscheinlich mit einem Abriss der Geschichte der Philosophie begann und, genau wie Klearchos, sich mit der Weisheit des Orients befasste, nur mit dem Unterschied, dass Aristoteles’ Interesse den persischen Magern und dem Zoroastrismus galt.99 Hinzu kommt, dass der aristotelische Dialog Anklänge an Platon aufweist, wie bei der Behandlung dieses Themas in einem aristotelischen Dialog – in einer Literaturgattung also, in der Platon der Maßstab für Aristoteles war – zu erwarten. In der Tat klingt einiges an Platons Phaidon an, dessen nachhaltiger Einfluss auch in der hellenistischen Zeit bezeugt ist.100 Darin legt Sokrates beispielsweise seinen Gesprächspartnern (Simmias und Kebes) dar, dass der Philosoph den Tod nicht fürchte, weil er die Befreiung der Seele aus dem Gefängnis des Körpers bedeute, dass die “Reinigung” der Seele auch darin besteht, “sie daran zu gewöhnen, sich zu sammeln aus allen Teilen des Körpers und ganz für sich selbst beisammen zu sein” (67c7: ἐθίσαι αὐτὴν καθ’ αὑτὴν πανταχόθεν ἐκ τοῦ σώματος συναγείρεσθαί τε καὶ ἁθροίζεσθαι). Die Idee der Seele “für sich selbst” und die entsprechende Ausdrucksweise (αὐτὴν καθ’ αὑτὴν) kommt mehrmals vor (64c7; 65c7; 66e6; 67e6; 70a5; 79d4; 81b8; 83a8, vgl. 66a2) und ist für den Phaidon sehr cha_____________ 99

Dazu s. Chroust (1973) 208 ff., der die Einführung solcher “orientalizing tendencies” in die Akademie durch Eudoxos von Knidos annimmt und über den Dialog De philosophia die Auffassung äußert, er sei “the direct result of protracted philosophic debates (and disagreements) within the inner circle of the Academy” (212). 100 Vgl. vor allem Kallim. Epigr. 23 Pf.

II. ‘Über den Schlaf’

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rakteristisch.101 Genau diese Formulierung findet sich aber auch im erwähnten Aristoteles-Fragment.102 Dass Aristoteles damit bloß pythagoreische Ideen wiedergeben wollte,103 erweist sich jedoch als umso unwahrscheinlicher, als die Vorstellung “von einem Seelenzentrum und einer in den Sinnesorganen steckenden Peripherie” in der hippokratischen Schrift De diaeta (§ 86, 1-2 Joly) im Zusammenhang mit der Traumdeutung vorkommt104: Ἡ γὰρ ψυχὴ ἐγρηγορότι μὲν τῷ σώματι ὑπηρετέουσα, ἐπὶ πολλὰ μεριζομένη, οὐ γίνεται α ὐ τ ὴ ἑ ω υ τ ῆ ς [~ αὐτὴν καθ’ αὑτὴν], ἀλλ’ ἀποδίδωσί τι μέρος ἑκάστῳ τοῦ σώματος, ἀκοῇ, ὄψει, ψαύσει, ὁδοιπορίῃ, πρήξεσι παντὸς τοῦ σώματος· αὐτὴ δὲ ἑωυτῆς ἡ διανοίη οὐ γίνεται. Ὅταν δὲ τὸ σῶμα ἡσυχάσῃ, ἡ ψυχὴ κινεομένη καὶ ἐγρηγορέουσα διοικεῖ τὸν ἑωυτῆς οἶκον, καὶ τὰς τοῦ σώματος πρήξιας ἁπάσας αὐτὴ διαπρήσσεται.

Es fällt auf, dass in einer hippokratischen Schrift, die ins 4. Jh. zu datieren ist, eine solche Vorstellung auftaucht. Sie erlaubt uns aber, die ganze Konzeption zu verstehen und das Wesentliche über den Zustand der Seele im Schlaf aus physiologischer Sicht zu erhellen: Solange der Körper wach ist, verteilt die Seele ihre Kraft an die Organe des Körpers und bleibt schwach; wenn aber der Körper schläft, bleibt sie wach und verwaltet ihr eigenes ‘Haus’, indem sie alle körperlichen und seelischen Tätigkeiten ausführt. Diese Vorstellung geht sicherlich auf frühere Quellen zurück, denn sie findet sich schon bei Pindar (fr. 131b Sn.-M.). Sie liegt auch der bekannten platonischen Stelle aus der Republik (IX 571d) zugrunde, wo über die wildesten Begierden der Seele im Schlaf (Inzest mit der eigenen Mutter, Morde usw.) erzählt wird, sowie einer Stelle der xenophontischen Kyrupädie (VIII 7, 22).105 In späterer Zeit findet sie sich auch in einem Fragment aus Plutarch (178 Sandb.) und in den Stromata (IV 22, 140) des Clemens Alexandrinus.106 Was auch immer ihr Ursprung sein mag, sie wurde in medi_____________ 101 Zum Ausdruck vgl. J. Broackes, “αὐτὸς καθ’ αὑτὸν in the Clouds: Was Socrates himself

a Defender of Separable Soul and Separate Forms?”, CQ (2009) 49 ff. 102 Zur Geschichte dieser Formel s. Dörrie (1959) 203 ff. 103 Vgl. oben (S. 66) die von Effe geäußerte Ansicht. 104 Dazu s. A. Palm, Studien zur hippokratischen Schrift Περὶ διαίτης, Diss. Tübingen 1933, 62 ff. Für die zitierte Formulierung weist Palm (S. 66) auf K. Reinhardt hin. 105 An der Resp.-Stelle, wo die Rede vom τυραννικὸς ἀνήρ ist, handelt es sich zwar um den Einfluss des Lebens (konkreter: des Verhältnisses zwischen den drei Seelenteilen im Wachzustand) auf das Traumleben; vgl. auch Arist. EN I 13.1102b2-10. (Ich danke Prof. P. van der Eijk für den Hinweis.) Voraussetzung dieses Einflusses ist aber die Auffassung der Seele als eines ‘zweiten Ich’, das während des Schlafens tätig ist. Dazu s. Rohde (1910) 6 ff. 106 Vgl. ferner Nemesius De natura hominis 3 (p. 40, 13-22 Morani); s. van der Eijk (2009) 248 Anm. 34.

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zinischen Schriften vorgetragen und war bestimmt schon zur Zeit des Aristoteles in Umlauf. Man sieht also, dass Klearchos sich in seiner Schrift Über den Schlaf einem Thema widmete, das sehr weit über das hinausging, was der Titel angab, und dass es einen transzendenten Hintergrund gab, der mehrmals vor ihm – freilich unter verschiedenen Aspekten – behandelt worden war. Dabei knüpfte er, wie die Geschichte über den Scheintoten und das Motiv der im Himmel schweifenden Seele zeigen, an Herakleides Pontikos an, dessen Vorliebe für Wundergeschichten Klearchos offensichtlich teilte.107 Klearchos wurde aber auch stark von Platon und Aristoteles beeinflusst. Der Einfluss Platons ist verständlich, da das Thema sich dafür anbot. Aber in diesem Dialog lassen sich vielleicht wie in keinem anderen Werk des Klearchos sehr konkrete Gedankenverbindungen und Berührungspunkte auch mit aristotelischen Dialogen (Eudemos, De philosophia) konstatieren. Die Verbindung der Sonderexistenz der Seele mit parapsychischen Phänomenen und ihre Darstellung im Rahmen eines Gesprächs dürften mit dem Inhalt dieser Dialoge zusammenhängen. Das Auftreten des Aristoteles als Hauptperson im Gespräch hat man also nicht bloß als ein Zeichen der Ehrerbietung des Klearchos gegenüber dem Meister zu interpretieren.

_____________ 107 Zur Bedeutung des Herakleides für die Verbreitung solcher Geschichten s. E. Schwartz, Fünf Vorträge über den griechischen Roman, Berlin 1943, 120.

IΙΙ. ‘Arkesilaos’ Von den beiden Fragmenten stammt das zweite (fr. 12) aus dem Odyssee-Kommentar des Eustathius, der in diesem Fall wohl aus dem Werk Suetons Περὶ τῶν παρ’ Ἕλλησι παιδιῶν (1, 14-15 Taillardat) schöpft. Das Fragment ist in den Klearchos-Ausgaben nicht sehr sorgfältig ediert worden. Wehrli folgt Müller (1878) und druckt nur folgende Worte: Κλέαρχος τοῖς πέντε φησὶ πλάνησιν ἀναλογεῖν (sc. τοὺς πεσσούς).

Taifakos lässt den Text mit den Worten Διοδώρου δέ φησι κτλ. beginnen und mit der Beschreibung der Astragaloi bei Eustathius (λέγει δὲ καὶ τοὺς ἀστραγάλους οἳ καὶ “ἄστριες” καὶ “ἄστριχοι” λέγονταί φησι, πτώσεις ἕκαστον ἔχειν τέσσαρας κτλ.) fortsetzen. Die Zuweisung dieses letzteren Abschnitts ist jedoch unglücklich, denn die Beschreibung steht in keiner Beziehung zu der Aussage des Klearchos. Sie kann nur aus einer Schrift über Spiele, wie die des Suetonius, stammen. Der Text in den erwähnten Ausgaben vermittelt überdies einen falschen Eindruck: (i) Der Leser kann nicht verstehen, dass es im konkreten Zusammenhang nicht nur um das Spiel, sondern auch um die Geschichte eines Sprichworts geht. Letztere Information trägt nicht nur zum Verständnis des Fragments bei, sondern kann auch von Belang sein, wenn man bedenkt, dass Sprichwörtersammlungen nicht nur für Aristoteles (D.L. V 26, 27) und Theophrast (727, 14 FHSG) bezeugt sind, sondern auch Klearchos eine solche, wichtige Sammlung (fr. 63-83 Wehrli) in zumindest zwei Büchern (vgl. fr. 64. 66a. 66c) abgefasst hatte. Es ist nahezu sicher, dass das bei Eustathius bzw. Suetonius zusammengestellte Material auf viel ältere Quellen (und dazu gehört auch die Sammlung des Klearchos) zurückgeht. (ii) Als Subjekt des Infinitivs ἀναλογεῖν ist in diesem Fragment nicht πεσσούς (wie die erwähnten Editoren ausdrücklich angeben), sondern τοὺς τοιούτους λίθους anzunehmen. Auf die Ergänzung des Sprichworts durch τὸν λίθον wird im Text zwei Mal (vgl. die Worte λίθον δηλαδή am Anfang und dann das AlkaiosZitat mit der Bemerkung, der Dichter spreche ἐκ πλήρους) aufmerksam gemacht, und sie ist für den Text vorauszusetzen, soweit er zumindest mit dem Sprichwort zusammenhängt.1 Diese ‘Steine’ (der unbewegte im Zentrum sowie die übrigen, die sich bewegen) gaben offenbar dem Diodoros

_____________ 1

Zum Sprichwort s. weiter unten Anm. 5.

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Interpretationen

den Anlass, sie mit den Sternen, die sich um die unbewegliche Erde drehen, zu vergleichen. Auf diesen Vergleich nahm Klearchos Bezug. Wer aber ist der erwähnte Diodoros? Mit dem hier als ‘Megariker’ bezeichneten Diodoros kann nur der wohlbekannte Dialektiker mit dem Beinamen ‘Kronos’ gemeint sein, der in Athen in den Jahren zwischen 315 und c. 284 tätig war.2 Diodoros hatte sich mit logischen Fragen beschäftigt und versuchte die Argumentation des Zenon von Elea gegen die Bewegung weiter zu entwickeln. Es gibt jedoch kein Indiz darüber, dass er sich je wissenschaftlich mit der Astronomie und der Physik befasst hat.3 Trifft das zu, so darf man daraus und aus der Formulierung des Suetonius annehmen, dass Klearchos einen Gedanken des ‘unwissenden’ Diodoros korrigiert oder zumindest modifiziert hatte. Die Aussage des Diodoros stand also höchst wahrscheinlich schon im Klearchos-Text. Beide klearchischen Fragmente setzen das Spiel πέντε γραμμαί oder die πεσσὰ πεντέγραμμα, wie Sophokles (fr. 351 Radt) sagt, voraus. Das fr. 11 erweckt den Eindruck, dass Klearchos großen Wert auf die Erklärung des Sprichwortes legte, ein Eindruck aber, der trügen kann, wenn der Platon-Scholiast aus dem Zusammenhang nur das herausgezogen hat, was er für seinen Zweck interessant fand. Beim fr. 12 handelt es sich um einen Vergleich, der, wie gesagt, darin besteht, dass die Brettsteine und ihre Bewegung im bestimmten Spiel Ähnlichkeit mit der Erde und den fünf Planeten (Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn) aufwiesen. Um beide Fragmente besser zu verstehen, muss man zunächst das zugrundeliegende Spiel ins Auge fassen. Da Einzelheiten von diesem Spiel kaum bekannt sind, begnüge ich mich hier damit, seine Hauptmerkmale nach H. Lammer zu erwähnen4: Von den beiden Spielern hatte jeder 5 πεσσοί, die auf 5 Linien standen. Von diesen Linien rückte man (wahrscheinlich unter Einsatz von Würfeln) die Steine auf andere Linien. Die mittlere Linie dieser fünf hieß ἱερὰ γραμμή oder einfach ἱερά und von ihr rückte man den Stein nur in der äußersten Not weg, wie das Sprichwort κινεῖν τὸν ἀφ’ ἱερᾶς besagt.5

_____________ 2

3 4 5

Zur Tätigkeit des Diodoros Kronos in Athen s. D. Sedley, “Diodorus Cronus and Hellenistic Philosophy”, PCPhS 23 (1977) 78-80 und 107-9; die Testimonien und die Fragmente des Diodoros bei Döring (1972) 28-45 und in SSR I 413 ff. Gegen Diodoros richtete der Peripatetiker Phainias eine Schrift (fr. 9 Wehrli). Dazu s. D. Sedley in CHHPh, 356: “there is no evidence that he (sc. Diodorus Cronus) had any broader interest in physics and cosmology”. H. Lammer, “Lusoria tabula”, RE XII 2 (1927) 1970-3; s. auch R. G. Austin, “Greek Board Games”, AC 14 (1940) 267-71; L. Kurke, “Ancient Greek Board Games”, CPh 94 (1999) 255-58. Zum Sprichwort vgl. Alkaios fr. 351 L-P/Voigt; Epicharm fr. 202 K.-A.; Sophron fr. 122 K.-A.; Menand. 205 K.-A.; Theokr. 6, 18; s. ausführlich E. Leutsch zu Diogen. V 41; W. Bühler zu Zenob. II 24 (p. 194). Zur sprachlichen Erklärung des Sprichwortes

III. ‘Arkesilaos’

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Trotz aller Unklarheiten in Zusammenhang mit dem Spiel steht so viel fest, dass während des Spieles der Stein auf der mittleren ἱερὰ γραμμή im Gegensatz zu den 5 πεσσοί möglichst unbewegt bleiben sollte. Mit Lammer allerdings einen “Widerspruch” in fr. 11 zu entdecken, weil die ψῆφος als ἀκίνητος dargestellt werde, besteht kein Grund. Im Text heißt es nicht, die ψῆφος sei ἀκίνητος, sondern οἷον ἀκίνητος καὶ ἱερὰ (sie war aber in Wirklichkeit genausowenig ἀκίνητος wie ἱερά). Außerdem wird im Text selbst gesagt, sie τέτακται ἐπὶ τῶν τὴν ἐσχάτην βοήθειαν κινούντων. Die Unbeweglichkeit dieses Steins im Spiel wird übertrieben ausgedrückt, einerseits damit die Entsprechung mit der unbeweglichen Erde (Wehrli denkt auch an die Sonne) hervorgehoben wird, andererseits damit die Bezeichnung ἱερὰ und die Worte θεῶν νομιζομένη gerechtfertigt werden. Letzteres erinnert an die Lehre des Aristoteles über das πρῶτον κινοῦν ἀκίνητον und über den Gott als den ersten Beweger, der aber selbst unbewegt ist (Met. XII 7.1073a4: οὐσία τις ἀΐδιος καὶ ἀκίνητος, vgl. [Arist.] De mundo 400b11: ἐν ἀκινήτῳ γὰρ ἱδρυμένος [sc. θεὸς] δυνάμει πάντα κινεῖ καὶ περιάγει). Der Vergleich, den Klearchos zwischen den fünf Steinen des Spieles und den fünf Planeten zieht, darf nicht als ein naheliegender Gedanke übergangen werden. Dass jemand überhaupt von fünf Planeten in einem alltäglichen Zusammenhang sprach, war viel ungewöhnlicher als man vielleicht heute denkt. Im Gegensatz zu den sogenannten Fixsternen wurden die Planeten wegen ihrer unregelmäßigen Bewegung von den Griechen für weniger wichtig gehalten.6 Der Pythagoreer Philolaos soll sich mit ihnen beschäftigt haben (in 44 A 16 D.-K. ist die Rede von den “fünf Planeten”), doch bleibt in Zusammenhang mit den Pythagoreern das Problem der Datierung immer offen.7 Über die Planeten hatte ferner Demokrit eine spezielle Schrift (Περὶ πλανητῶν: 68 A 86 D.-K.) geschrieben. Eudoxos (fr. 124 Lasserre) aber war der erste, der sich unter dem Einfluss der platonischen Auffassung über die kreisförmige Rotation der Sterne mit den fünf Planeten gründlich befasste und das Problem ihrer Bewegung durch sein System der homozentrischen Sphären zu lösen versuchte (vgl. Arist. Met. XII 8.1073b17). Die Erwähnung der fünf Planeten setzt also mehr oder weniger diese Beschäftigung mit der Astronomie voraus, lässt aber zugleich den beson-

_____________ 6 7

vgl. die Bemerkung Lammers (Sp. 1971): “In diesem Sprichwort ist ἀφ’ proleptisch gebraucht: κινεῖν τὸν ἐπὶ τῆς ἱερᾶς γραμμῆς λίθον ἀπ’ αὐτῆς.” Im Allgemeinen haben sich die Griechen wenig um die Planeten gekümmert, s. A.E. Taylor zu Plat. Tim. 38c5-6. Zu den Pythagoreern und der Astronomie s. vor allem Burkert (1972) 300 ff.; zu der Bedeutung der Nummer ‘fünf’ (in Bezug auf die Planeten) bei den Pythagoreern s. Kahn (2001) 25-26.

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Interpretationen

deren Einfluss Platons erkennen: In Timaios 38c (vgl. Epin. 986b-e) spricht er auch von den “fünf Sternen, die den Namen Wandelsterne tragen”. Der Ausdruck ἄστρων χορεία kommt ebenfalls bei ihm vor (Tim. 40c; vgl. Epin. 982e).8 Schließlich spielt die πεττεία bei keinem anderen Autor eine so große Rolle wie bei Platon (Chrm. 174 b; Phdr. 274d; R. I 333b; II 374c; VI 487c; X 604c; Plt. 299e; Lg. V 739a; VII 820e; X 903d; vgl. Eryx. 395b).9 Besondere Beachtung verdient dabei die Phaidros-Stelle, an der die Erfindung der πεττεία im Rahmen des Mythos von Theuth zusammen mit der Erfindung der Zahl, der Rechnung, der Buchstaben, der Messkunst und der Sternkunde (ἀστρονομίαν) erwähnt wird, sowie die Stelle aus dem siebten Buch der Gesetze. Dort ist wieder die Rede vom Rechnen und von der Messkunst. Bei einer beiläufigen Erwähnung der πεττεία als etwas Erfreulichem durch den Athener stellt Kleinias fest, dass sie anscheinend nicht sehr verschieden von den anderen wissenschaftlichen Bestrebungen ist.10 Der Vergleich des als “Fünf-Linien” bekannten Spieles mit den Sternen hat also seine Parallele (wenn nicht seinen Ursprung) in der Verbindung des Brettspieles mit der Astronomie bei Platon.11 Wäre die Namenform Ἀρκεσίλᾳ ohne Zweifel richtig überliefert und außerdem auf das platonische Scholion (= fr. 11) Verlass, dann wäre der Titel des Werkes Ἀρκεσίλας, nicht Ἀρκεσίλαος.12 Das platonische Scholion ist aber der einzige Zeuge und ein Schreibfehler dieser Art (nur ein Buchstabe am Ende des Wortes) geschieht bekanntlich sehr leicht. Die Frage des Titels ist überdies in Zusammenhang mit der damit gemeinten Person zu sehen: Ist damit der bekannte Philosoph aus Pitane gemeint, dann war der Titel Ἀρκεσίλαος, denn so wird er fast immer in den Quellen erwähnt und diese Namenform war auch geläufig in dem äolischen Gebiet Kleinasiens, aus dem er stammte.13 Wäre aber mit dem Titel auf eine andere Person hingewiesen, dann wäre die Namenform Ἀρκεσίλας vorzuziehen, denn dafür spräche außer der Textüberlieferung die Tatsache, dass in bestimmten Gebieten – und zu diesen gehörte auch Attika – diese Form die weitaus geläufigere war.14 Es ergibt sich also die schwierige Frage: Welcher

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Vgl. N. Denyer, “Neglected Evidence for Diodorus Cronus”, CQ 52 (2002) 598. Aufschlussreich ist der Vergleich mit anderen Autoren wie etwa Aristoteles, in dessen Corpus πεττεία nur zwei Mal auftaucht: Rh. I 11.1371a3; Pol. I 2.1253a7. Lg. VII 820d1: ἔοικεν γοῦν ἥ τε πεττεία καὶ ταῦτα ἀλλήλων τὰ μαθήματα οὐ πάμπολυ κεχωρίσθαι. Der platonische Einfluss sowie das Interesse für die Sprichwörter sind eine weitere Bestätigung dafür, dass Klearchos der Verfasser der Schrift war. In der Ausgabe von Taifakos (2008) steht in der Tat der Titel Ἀρκεσίλας. Zu Pitane und Kyme s. P.M. Fraser – E. Matthews, A Lexicon of Greek Personal Names, V A , Oxford 2010, s.v. Ἀρκεσίλαος. In den attischen Inschriften bis zu Ende zumindest des 4. Jh. v.Chr. kommt nur die Form Ἀρκεσίλας vor: IG ΙΙ2 478, 33; 493, 9 (~494, 9); IG I3 1147, 154; Agora XV 46;

III. ‘Arkesilaos’

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Arkesilaos oder Arkesilas war damit gemeint? Unter den Trägern des Namens findet man einen Anführer der Boiotier in der Ilias (2, 495; 15, 329), aber auch mehrere Könige von Kyrene sowie Dichter und Bildhauer. Die bekannteste und in einer peripatetischen Schrift wohl zu erwartende Figur unter den Namensträgern ist natürlich Arkesilaos von Pitane, der zeitweilige Schüler des Theophrastos und Begründer der mittleren Akademie. “No Philosopher in the Hellenistic Period is more intriguing than Arcesilaus of Pitane, and none is of greater historical significance”, bemerkt A.A. Long.15 Sein Urteil scheint nicht übertrieben zu sein. Wie man aus der Vita des Diogenes Laertios schließen darf, war Arkesilaos ein ungewöhnlicher Philosoph und eine außerordentliche Persönlichkeit mit vielen Begabungen (wendig, schlagfertig, vielseitig, hervorragender Redner), mit Humor und mit umfassender Bildung.16 Er lebte nach dem sokratischen Vorbild und seine Persönlichkeit übte, obgleich er anscheinend nichts geschrieben hatte, großen Reiz auf Zeitgenossen, aber auch auf spätere Autoren aus.17 Seine Begabungen soll sogar Theophrast anerkannt haben (D.L. IV 30) und das trotz seiner Verärgerung (κνιζόμενον), weil ihn Arkesilaos verlassen hatte, um sich dem Akademiker Krantor zuzuwenden. Wenn Klearchos also in der Tat ein Werk über Arkesilaos oder mit ihm als Gesprächspartner geschrieben haben soll, während letzterer philosophisch tätig war, darf man annehmen, dass er vielleicht durch die Ideen des Arkesilaos (nach seinem Durchbruch zur Skepsis?) gereizt wurde.18 Im Falle des Akademikers stößt man jedoch auf eine fast unüberwindliche Schwierigkeit. Es wird nämlich aufgrund einer Information des Diogenes Laertios (IV 61 = Lakydes T 1a [p. 21-2] Mette) über den Nachfolger des Arkesilaos, Lakydes, gemeinhin angenommen, dass Arkesilaos 241/240 v.Chr. starb.19 Da es höchst unwahrscheinlich erscheint, dass ein Schüler

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15 16 17 18 19

21 c 42; Agora XIX P 26, 230. 236; Reinmuth, Ephebic Inscr. 17, 15. 33; MDAI(A) 67:111, 216; SEG 16: 35e (ca. 540-530 v.Chr.); nur in IG I3 1296 (ca. 420-410? v.Chr.) findet sich der Genitiv Ἀρκεσίλεω. Insgesamt wird bis zu dieser Zeit in Attika 17 Mal die Form Ἀρκεσίλας und nur 3 Mal die Form Ἀρκεσίλαος bezeugt (s. J.S. Traill, Persons of Ancient Athens, s.v.). Der Nominativ Ἀρκεσιλᾶς (sic), den man bei Müller (1878) p. 302 und 317 liest, existiert im Griechischen nicht. A.A. Long, “Diogenes Laertius: Life of Arcesilaus”, Elenchos 7 (1986) 431. Hierzu s. die Charakterisierung von Görler in Flashar (1994) 793-94. Man vgl. die von T. Dorandi, DPhA I 327-28, zusammengestellte Liste der (erhaltenen und nicht erhaltenen) antiken Quellen über das Leben des Arkesilaos. Zu den Argumenten gegen einen frühen Ansatz der ‘skeptischen Wende’ s. Görler in Flashar (1994) 792-93. Dazu s. ausführlicher Görler in Flashar (1994) 795-6 und 830-31 (über die angenommene Abweichung des Apollodoros FGrHist 244 F 47 in Zusammenhang mit dem Amtsantritt des Lakydes). Zu der Zeitangabe des Diogenes Laertios über die ἀκμή des Arkesilaos und der Korruptel s. F. Jacoby zu FGrHist 244 F 16.

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Interpretationen

des Aristoteles, der bekanntlich 322 v.Chr. starb, noch nach 240 v.Chr. als Schriftsteller tätig war, muss man wohl annehmen, dass Klearchos seine Schrift über Arkesilaos (oder mit ihm als Hauptperson) in einer Zeit verfasst hatte, als letzterer noch am Leben war.20 Ein solches Werk kann natürlich nicht eine Biographie gewesen sein, wie schon die Tatsache zeigt, dass das Wort βίος im Titel fehlt. Was könnte dann dieses Werk sein? Wehrli meint, dass das Festhalten des Klearchos “an platonischer Theologie” ihn auch in späteren Jahren veranlassen konnte, “sich mit dem Begründer der akademischen Skepsis auseinanderzusetzen”.21 Eine Polemik gegen Arkesilaos oder aber ein Lob wäre in der Tat nicht undenkbar. Es ist z.B. bekannt, dass Timon aus Phlius in seinen Silloi Arkesilaos angegriffen (vgl. SΗ 805-808), doch ihn nach seinem Tod in Ἀρκεσιλάου περίδειπνον gewürdigt hatte (D.L. IV 115).22 Gerade aber die Art und die Titel der erwähnten Werke des Timon sprechen eher gegen eine solche Annahme für den Arkesilaos des Klearchos. Genauso problematisch scheint ferner die Annahme eines Dialogs nach der Art des Platon oder des Aristoteles zu sein, in dem Arkesilaos als Gesprächspartner aufträte. Parallelen für einen Dialog, in dem ein zeitgenössischer Philosoph als Hauptperson auftritt, wird man kaum finden. Überdies kann man sich kaum vorstellen, dass Klearchos, soweit wir ihn aus den Resten seiner Schriften kennen, ein Werk geschrieben hat, in dem die skeptischen Ideen des Arkesilaos über die Vermeidung des Irrtums und die Enthaltung vom Urteil (ἐποχή) oder vielmehr über die dialektische Prüfung und die ἰσοσθένεια τῶν λόγων auf

_____________ 20 Die Annahme eines Philosophenwerks, in dem Arkesilaos als einer unter mehreren Philosophen behandelt wurde (vgl. C. Müller, FHG II, p. 317: “Fortasse etiam de aliis philosophis Clearchus scripsit. Quod si est, pertinuerint huc quae de Pythagora et de Septem sapientibus afferuntur”, ähnlich Weber [1880] 44), scheidet natürlich dadurch aus. Wehrli zu fr. 1 setzt anscheinend den Tod des Arkesilaos voraus: “Ziemlich tief ins 3. Jahrhundert würde auch eine Monographie über Arkesilaos [...] führen.” Nachdem Wehrli selbst wenig zuvor die Geburt des Klearchos in die Vierzigerjahre des 4. Jhs. ansetzt, kommt man unvermeidlich zu dem Schluss, dass der Autor die Schrift im Alter von über 100 Jahren geschrieben hat! 21 Vgl. Wehrli in Flashar (2004) 584. 22 Das allerdings unter der Voraussetzung, dass der Inhalt des Perideipnon ernst war und dass es sich dabei nicht um eine Parodie handelte (in diesem Fall hatte Diogenes selbst das Werk nicht gelesen). Zu Timon s. M. Di Marco, Timone di Fliunte: Silli, Rom 1989 (zur Darstellung des Arkesilaos in den Silloi S. 39-40, 182-91; zum Perideipnon S. 4. 13-14. 30-32); D.L. Clayman, Timon of Phlius: Pyrrhonism into Poetry, (UaLG 98) Berlin 2009 (zu den Silloi S. 75-144, zum Perideipnon S. 13-15); zum literarischen Charakter der Silloi s. W. Ax, “Timons Gang in die Unterwelt: Ein Beitrag zur Geschichte der antiken Literaturparodie”, Hermes 119 (1991) 177-93.

III. ‘Arkesilaos’

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irgendeine Weise eingehend diskutiert wurden.23 Der Inhalt der beiden Fragmente lässt zumindest nichts davon spüren. Ein Ausweg zur Überwindung aller Schwierigkeiten wäre die Annahme, dass es sich bei Arkesilaos um eine andere Person als den Akademiker handelte. Man könnte in diesem Fall sogar an einen bekannten Brettspieler mit dem gleichen Name denken, der den Anlass für die Besprechung des bestimmten Spieles und des entsprechenden Sprichwortes gab.24 Diese Möglichkeit wird hier nicht ganz willkürlich erwogen. Es gibt nämlich ein inschriftliches Zeugnis, das man bis jetzt nicht berücksichtigt hat: Nahe beim Altar im Hieron des Asklepios in Epidauros ist ein tischähnlich geformter Stein erhalten (Abbildung 3), der für ein Brettspiel mit “fünf Linien” diente und der ins 4. Jh. datiert wird. Auf dessen Schmalseite kann man nun folgende Weihinschrift lesen (IG IV2 1, 159): ΑΡΚΕΣΙΛΑΟΣ ΛΥΣΑΝΔΡΟΣ ΑΝΕΘΕΤΑΝ

Die gleiche Inschrift, wenn auch nicht in vollständiger Form, wird auch mitten auf der Oberfläche wiederholt.25

Abbildung 3. Das Spiel “Fünf Linien” mit den Weihinschriften in Epidaurus (nach Chr. Blinkenberg, AM 23 [1898] 2)

_____________ 23 Zu den philosophischen Ideen des Arkesilaos s. Goedeckemeyer (1905) 32-47; M. Schofield in CHHPh 323-34; H. Thorsrud in R. Bett (Hrsg.), The Cambridge Companion to Ancient Scepticism, Cambridge 2010, 58-70. 24 Solche berühmten Brettspieler gab es natürlich und ihre Namen sind uns erhalten, vgl. z.B. Phainias fr. 18 Wehrli οὐ παρὰ τοῦ μεγάλου Διοδώρου {ἢ Θεοδώρου} μαθόντες τὴν πεττείαν οὐδὲ τοῦ Μιτυληναίου Λέοντος τοῦ ἀνέκαθεν Ἀθηναίου, ὃς ἀήττητος ἦν κατὰ τὴν πεττευτικήν. 25 Auf der Schmalseite lasen Blinkenberg und Fränkel anders als Kavvadias (Fouilles d’Εpidaure 1, Athen 1891, Nr. 109) ΑΡΚΕΣΙΛΛΟΣ, s. jedoch W.K. Pritchett, “ ‘Five Lines’ and IG I2, 324”, California Studies in Classical Antiquity 1 (1968) 189-90, der dazu bemerkt (Anm. 7): “the horizontal hasta of the alpha becomes visible when the stone is moistened”.

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Interpretationen

Wer der auf der Inschrift erwähnte Arkesilaos war, wissen wir leider nicht. Wie man aber sieht, haben wir es hier mit einem zumindest interessanten Zufall zu tun: der Name Arkesilaos auf einem Spiel der πέντε γραμμαί inschriftlich bezeugt! Doch braucht man vielleicht nicht einen anderen Arkesilaos als den Akademiker zu suchen, denn es gibt einige weitere Einzelheiten, die berücksichtigt werden müssen: (a) Man hat bisher noch nicht bemerkt, dass Menippos aus Gadara (tätig wohl in der ersten Hälfte des 3. Jh. v.Chr.) eine Schrift mit dem Titel Ἀρκεσίλαος verfasst haben soll (Athen. XIV 664E). Aus dem Zitat bei Athenaios, in dem es um Delikatessen geht, lässt sich nicht schließen, was der Inhalt und der Charakter des Werkes war. Vielleicht handelte es sich bei diesem Werk, wie man vermutet hat, um eine “Satire auf die üppigen Tafelfreuden”.26 Wichtig ist aber, dass der Titel dem der klearchischen Schrift genau entspricht und dass sein Titelheld nur der Philosoph Arkesilaos aus Pitane gewesen sein kann. (b) Der in fr. 12 erwähnte Diodoros Kronos war jemand, dessen Dialektik tiefen Einfluss auf Arkesilaos geübt haben soll, wie aus einer Nachricht des Eusebius (Praep. Ev. XIV 5, 12) und vor allem aus den Spottversen hervorgeht, die Diogenes Laertios in der Vita des Arkesilaos zitiert (IV 33): καὶ τῆς διαλεκτικῆς εἴχετο (sc. Ἀρκεσίλαος) καὶ τῶν Ἐρετρικῶν ἥπτετο λόγων· ὅθεν καὶ ἐλέγετο ἐπ’ αὐτοῦ ὑπ’ Ἀρίστωνος (SVF 343 = SH 204)· πρόσθε Πλάτων, ὄπιθεν Πύρρων, μέσσος Διόδωρος. καὶ ὁ Τίμων ἐπ’ αὐτοῦ φησιν οὕτως (SH 805)· τῇ γὰρ ἔχων Μενεδήμου ὑπὸ στέρνοισι μόλυβδον θεύσεται ἢ Πύρρωνα τὸ πᾶν κρέας ἢ Διόδωρον. καὶ διαλιπὼν αὐτὸν ποιεῖ λέγοντα (SH 806)· νήξομαι εἰς Πύρρωνα καὶ εἰς σκολιὸν Διόδωρον.

Die boshafte Verbindung des Arkesilaos mit Diodoros stammte natürlich von feindseligen Kritikern. Der Sinn des Vorwurfs des Ariston war: “Arkesilaos kehre nach vorne, d.h. für die Öffentlichkeit, den Platoniker heraus, sei aber in Wahrheit den philosophischen Modeströmungen verfallen”.27 Arkesilaos selbst äußerte scharfe Kritik an den logischen Spielereien der Dialektiker (was allerdings auch als Antwort auf die ihm bekannte Kri-

_____________ 26 Martin (1931) 235. R. Helm, Lucian und Menipp, Leipzig/Berlin 1906, 89 meinte allerdings, dass Menippos in diesem Dialog “die skeptische Anschauung verhöhnte”; M. Di Marco, Timone di Fliunte: Silli, Rom 1989, 13-14 sieht als wahrscheinliches Vorbild für die Schrift des Menippos das Πλάτωνος περίδειπνον des Speusippos; vgl. J.C. Relihan, Ancient Menippean Satire, Baltimore/London 1993, 40: “possibly a learned funeral banquet”. All das ist aber rein hypothetisch. 27 Döring (1972) 127.

III. ‘Arkesilaos’

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tik erklärt werden kann).28 Tatsache bleibt, dass der Name des Arkesilaos oft in Zusammenhang mit dem des Diodoros erwähnt wurde. Und wenn nun Klearchos in unserem Fragment eine Aussage des Diodoros Kronos bespricht oder modifiziert, kann man schwer glauben, dass der Dialektiker in einem Werk mit dem Titel Arkesilaos erwähnt wurde, dessen Titelheld aber nicht der Akademiker, sondern irgendeine andere Person war. Fassen wir zusammen, was wir bis jetzt festgestellt haben: Klearchos erwähnte in seinem Werk mit dem Titel Arkesilaos, in dem er sich mit dem Akademiker Arkesilaos von Pitane befasste, eine Meinung des Dialektikers Diodoros Kronos in Zusammenhang mit einem Spiel und mit dem aus ihm entstandenen Sprichwort. Die beiden Fragmente lassen sich befriedigend interpretieren, offen bleibt aber die mit der Entstehung des Werkes verbundene chronologische Schwierigkeit. Sie hängt selbstverständlich mit der Frage nach dem Charakter des Werkes zusammen. Nachdem wir eine gewisse Sicherheit über die Personen sowie über den Titel des Werkes erzielt haben, können wir uns aufgrund unserer allgemeinen Kenntnisse über Klearchos und Arkesilaos diesem Problem zuwenden und einige Vermutungen äußern. Wir sahen oben, dass Arkesilaos eine außergewöhnliche Persönlichkeit war, die sich durch ihre Redegewandtheit und ihren Humor auszeichnete. Arkesilaos folgte überdies einer Art des Philosophierens nach dem Vorbild des Sokrates (freilich so wie er ihn verstand),29 war aber gleichzeitig sehr gesellig, lebte – was für Klearchos bestimmt ins Gewicht fallen dürfte – sehr üppig30 und genoss (mit Ausnahme bestimmter philosophischer Kreise) große Beliebtheit, die er – nach seinen Kritikern – selbst erstrebte.31 Von ihm ist eine große Anzahl von Aussprüchen (einige von ihnen enthalten Dichterzitate) bekannt, die allerdings nicht in “unmittelbarem

_____________ 28 Stob. II 2, 11 Ἀρκεσίλαος ὁ φιλόσοφος ἔφη, Τοὺς διαλεκτικοὺς ἐοικέναι τοῖς ψηφοπαίκταις, οἵτινες χαριέντως παραλογίζονται. 29 Zum sokratischen Einfluss s. Goedeckemeyer (1905) 33-34; A.A. Long, “Socrates in Hellenistic Philosophy”, CQ 38 (1988) 156 ff.; J.M. Cooper, “Arcesilaus: Socratic and Sceptic”, in L. Judson – V. Karasmanis (Hrsg.), Remembering Socrates, Oxford 2006, 169-87. 30 Man vgl. die “von einigen” verbreitete Verleumdungen, die in D.L. IV 40 angeführt werden: πολυτελής τε ἄγαν ὤν – καὶ τί γὰρ ἄλλο ἢ ἕτερος Ἀρίστιππος; – ἐπὶ τὰ δεῖπνα πρὸς τοὺς ὁμοιοτρόπους μέν, πλὴν ἀλλ’ ἀπήντα. καὶ Θεοδότῃ τε καὶ Φίλᾳ ταῖς Ἠλείαις ἑταίραις συνῴκει φανερῶς καὶ πρὸς τοὺς διασύροντας προεφέρετο τὰς Ἀριστίππου χρείας. φιλομειράκιός τε ἦν καὶ καταφερής. Die Stoiker um Ariston (SVF fr. 345) bezeichneten ihn als φθορέα τῶν νέων καὶ κιναιδολόγον καὶ θρασὺν. 31 Zum Kreis der Freunde, näheren Bekannten und Schüler des Arkesilaos s. Mette (1984) 82. Zu Arkesilaos als φίλοχλος und ὀχλοάρεσκος s. D.L. IV 41.

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Interpretationen

Zusammenhang mit seiner philosophischen Grundposition stehen”.32 Arkesilaos wurde nun nicht erst in höherem Alter, sondern schon früh in seinem Leben berühmt, denn gerade seine Berühmtheit führte ihn in den Jahren 268–264 v.Chr. an die Spitze der Akademie.33 Schon aus den erwähnten Einzelheiten lässt sich vermuten, dass Arkesilaos in unserer Schrift nicht der Gesprächspartner, sondern das Gesprächsthema war und dass das Interesse des Klearchos kaum den philosophischen Ideen, sondern vorwiegend der Persönlichkeit des Arkesilaos (seinem eigenartigen Verhalten und seinen Aussprüchen) und seinem üppigen Lebensstil galt. In einem solchen Fall kann die Schrift sehr wohl nicht nach dem Tod des Akademikers verfasst sein, sondern in einer Zeit, als Arkesilaos schon eine berühmte, zugleich aber umstrittene Persönlichkeit war. Über Inhalt und Form der Schrift sowie über ihre Tendenz zu spekulieren, macht wenig Sinn. Eines ist freilich mit gewisser Wahrscheinlichkeit anzunehmen: In einer solchen Schrift kann die Kritik an dem “neuen Sokrates”, der die peripatetische Schule unter Theophrast verlassen hat und später zur Skepsis übertreten war, nicht gefehlt haben.

_____________ 32 Mette (1984) 85; s. bei Mette die Testimonien: T 1 a 92-95. 95-100. 101-103. 104. 105109. 110-114. 180-183; T 9-15; T 18-19. Es stellt sich natürlich auch die Frage nach der Quelle dieses Materials. Mir scheint, dass die Schrift des Klearchos eine der frühesten Quellen sein könnte. Zu den Quellen des Diogenes (hauptsächlich Antigonos) s. Wilamowitz (1881) 57 ff.; Leo (1901) 62 ff. 33 Die Quellenangaben bei Goedeckemeyer (1905) 45, der dazu bemerkt: “Seine Berühmtheit hatte nun auch die Folge, daß er nach dem Tode des Crates, der übrigens sehr kurze Zeit an der Spitze der Akademie gestanden haben kann, und nach freiwilligem Zurücktreten eines gewissen Socratides zum Scholarchen seiner Schule gewählt wurde”.

IV. ‘Über die Freundschaft’ Die zwei knappen Fragmente (fr. 17-18) aus Athenaios erlauben uns eigentlich nicht, Schlüsse über den genaueren Inhalt der Schrift, über ihre Tendenz oder über ihre Form zu ziehen. Dennoch lohnt sich m.E. die Besprechung der Fragmente, weil die auf den ersten Blick unbedeutenden Reste zeigen, wie sehr Klearchos nicht nur im allgemeinen Bereich der Ethik, sondern auch in Kleinigkeiten – wie im Fall der von ihm verwendeten Beispiele – von der peripatetischen Tradition beeinflusst war. Das zwölfte Buch des Athenaios enthält einen großen Katalog der Schwelger (513F-550F), zu denen Themistokles zusammen mit anderen bedeutenden athenischen Staatsmännern der Vergangenheit gerechnet wird.1 Nachdem Anekdoten über die Söhne des Peisistratos, Kimon und Perikles erzählt worden sind, werden drei Anekdoten aus dem Leben des Themistokles im Zusammenhang mit seiner angeblichen Schwelgerei erwähnt. Nach der ersten spannte Themistokles zu einer Zeit, als die Athener noch nicht Gelage feierten und Hetären hatten, vier Hetären an einen Wagen und fuhr so am frühen Morgen durch den Kerameikos, als er voller Menschen war. Nach der zweiten Anekdote, die aus der Geschichte von Magnesia des Possis (FGrHist 480 F 1) stammt, übernahm Themistokles in Magnesia am Maiandros (seinem Zufluchtsort nach der Verbannung) das Amt, das zum Tragen eines Kranzes berechtigte, opferte der Athene und nannte das Fest ‘Panathenäen’; er opferte auch dem Dionysos Choopotes und führte dort das Choenfest ein. Die letzte Anekdote ist das vorliegende Klearchos-Fragment (fr. 17), in dem über Themistokles’ “wunderschönes Speisezimmer mit drei Speisesofas” (τρίκλινον ... περικαλλέστατον) und über seinen diesbezüglichen Ausspruch berichtet wird. Die Einzelheiten in dieser Anekdote sind ziemlich klar: Themistokles ließ ein wunderschönes Speisezimmer bauen, was zumindest Athenaios (oder seine Quelle) als ein Zeichen seiner Schwelgerei interpretierte. Im Gegensatz allerdings zu dem gesamten Kostenaufwand war das Zimmer nur für drei Speisesofas (τρίκλινον), nicht etwa für fünf (πεντάκλινον) oder neun (ἐννεάκλινον) bestimmt, was nur bedeuten kann, dass es nicht sehr _____________ 1

In der Antike wurden allerdings über ihn Anekdoten eher im Zusammenhang mit seiner Geldgier (vgl. z.B. Kritias 88 B 45 D.-K.) als mit seiner Schwelgerei verbreitet.

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Interpretationen

schwierig gewesen wäre, es mit Freunden zu füllen.2 Daraus versteht man nun, dass das Gewicht im ursprünglichen Textzusammenhang auf die Aussage des großen Staatmannes fiel, “er wäre zufrieden, wenn er es mit Freunden füllen könnte”. (Die Bedeutung der Aussage im Vergleich mit der Auskunft über den Bau des Hauses lässt sich auch sprachlich daraus ersehen, dass letztere sich auf einen Partizipialsatz beschränkt.) Aus der Anekdote geht also hervor, dass Themistokles ganz wenige (wenn überhaupt irgendwelche) Freunde hatte und dass diese Situation das Ergebnis seiner Persönlichkeit oder seiner Auffassung über die Freundschaft war. Abgesehen aber davon, ob dieses Bild des Themistokles einen historischen Kern enthält oder eine bloße Nachrede war,3 stellt sich die Frage, welches Laster oder welcher Fehler des Themistokles hier gemeint ist. Hatte er solche Charakterschwächen, dass sie eine Freundschaft unmöglich machten? War speziell sein Ehrgeiz, wie Wehrli meint, der Grund dafür, dass er keine Freunde hatte? War sein Fehler, dass er die Freundschaft wenig schätzte? Oder hatte er eine falsche Auffassung von der Freundschaft? Zum Glück gibt es reichliches Anekdoten-Material aus antiken Quellen über verschiedene Aspekte des Lebens und der Persönlichkeit des Themistokles, so dass man auch im Fall seiner Haltung der Freundschaft gegenüber andere Quellen heranziehen kann. Plutarch überliefert hierüber, wie oft, wertvolles Material. In seiner Schrift mit ‘politischen Ratschlägen’ (Πολιτικὰ παραγγέλματα) bespricht er die Frage nach der Beziehung des Politikers zu den Freunden. Nach seiner Meinung war die Haltung Kleons genauso verwerflich wie die des Themistokles. Kleon nämlich, nachdem er die Entscheidung traf, sich in die Politik einzumischen und politische Karriere zu machen, versammelte alle seine Freunde und löste seine alten Freundschaften auf. Er blieb infolgedessen ein von Schmeichlern umgebener Politiker ohne Freunde (ἄφιλος). Das Gegenteil ist mit Themistokles geschehen (807A): ὁ δὲ Θεμιστοκλῆς πάλιν πρὸς τὸν ἀποφηνάμενον, ὡς ἄρξει καλῶς ἴσον ἅπασι παρέχων ἑαυτόν, “μηδέποτ’,” εἶπεν, “εἰς τοιοῦτον ἐγὼ καθίσαιμι θρόνον, ἐν ᾧ πλέον οὐχ ἕξουσιν οἱ φίλοι παρ’ ἐμοῦ τῶν μὴ φίλων,” οὐδ’ οὗτος ὀρθῶς τῇ φιλίᾳ κατεπαγγελλόμενος τὴν πολιτείαν καὶ τὰ κοινὰ καὶ δημόσια ταῖς ἰδίαις χάρισι καὶ σπουδαῖς ὑφιέμενος.

_____________ 2

3

Zu τρίκλινον (“dinning-room with three couches”: LSJ s.v. II 1) schon im 4. Jh. vgl. IG II2 2499, 29 sowie Anaxandrides fr. 72 K.-A.; s. ferner Fr. Studniczka, Das Symposion Ptolemaios II, (Abh. kgl. Sächsischen Gesellschaft d. Wiss., phil.-hist. Kl. 30, 2) Leipzig 1914, 133 ff.; A. Hug, “Triclinium”, RE VIII A 1 (1939) 97. Den Ausspruch des Themistokles hält A. Bauer, Themistokles. Studien und Beiträge zur griechische Historiographie und Quellenkunde, Merseburg 1881, 140 (Anm.) für Erfindung.

IV. ‘Über Freundschaft’

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Die gleiche Anekdote erzählt Plutarch nochmals in der Vita des Aristeides, freilich in einem anderen Zusammenhang. Dort wird der Gerechtigkeit des ehrbaren Aristeides, der den Machtmissbrauch seiner Freunde nicht akzeptierte, die Einstellung und das politische Verhalten des Themistokles gegenübergestellt (2, 5): ὁ μὲν οὖν Θεμιστοκλῆς εἰς ἑταιρείαν ἐμβαλὼν ἑαυτὸν εἶχε πρόβλημα καὶ δύναμιν οὐκ εὐκαταφρόνητον, ὥστε καὶ πρὸς τὸν εἰπόντα καλῶς ἄρξειν αὐτὸν Ἀθηναίων, ἄνπερ ἴσος ᾖ καὶ κοινὸς ἅπασι, “μηδέποτε” εἰπεῖν “εἰς τοιοῦτον ἐγὼ καθίσαιμι τὸν θρόνον ἐν ᾧ πλέον οὐδὲν ἕξουσιν οἱ φίλοι παρ’ ἐμοὶ τῶν ἀλλοτρίων.”

Aus den angeführten Stellen geht deutlich hervor, dass (a) Themistokles die “Freundschaft” ungewöhnlich hoch schätzte und dass er erwartungsgemäß “Freunde” hatte und zwar viele (viel mehr zumindest als er in einem Triklinon als Gäste aufnehmen könnte), denn seine politische Macht (vgl. δύναμιν οὐκ εὐκαταφρόνητον) beruhte offensichtlich auf die Vereinigung der Freunde (ἑταιρείαν), dass aber (b) seine Freunde von einer besonderer Art waren: sie waren p o l i t i s c h e Freunde.4 Was aus der plutarchischen Anekdote über Themistokles hervorgeht, stimmt völlig mit dem überein, was wir allgemeiner über die politische Bedeutung der Freundschaft im 5. Jh. v.Chr wissen: Zumindest bis zur Zeit Kleons spielten in der Politik die persönliche Beziehungen sowie informale politische Gruppen, die sich auf der Grundlage der Freundschaft gebildet hatten, eine wichtige Rolle.5 Diese historische Wirklichkeit lag ursprünglich zweifellos auch unserer Themistokles-Anekdote zugrunde. Die Frage ist nur, ob an der Stelle des Klearchos, aus der das Fragment stammt, die Persönlichkeit des großen athenischen Politikers im Mittelpunkt stand, so dass man mit Wehrli auf den anekdotenhaften Charakter der Schrift schließen kann, oder ein allgemeines Problem, in dessen Rahmen die Themistokles-Anekdote nur ein Beispiel war. Gewiss taucht Themistokles in einer moralischen Schrift des Klearchos nicht zufällig auf. Das Interesse an Themistokles in philosophischen Kreisen geht auf Sokrates bzw. die Sokratiker zurück und muss jedem Leser des platonischen Werkes – es sei hier nur an Gorgias und Menon erinnert – bekannt gewesen sein. Der bedeutende Politiker wird oft in Zusammenhang mit der Umwandlung Athens in eine Seemacht und der Erweiterung _____________ 4

5

Vgl. die φίλοι des Perikles in der plutarchischen Vita 10, 1-2. Übrigens spielten die Freunde immer eine wichtige Rolle im ganzen Leben des Themistokles. Man vgl. sein Ende nach der Plutarch-Vita 31, 5: Bevor er sich das Leben nahm, veranstaltete Themistokles ein Opfer, bei dem er “seine Freunde versammelte” (τοὺς φίλους συναγαγὼν καὶ δεξιωσάμενος); nach seinem Tod habe der König “seine Freunde” (τοῖς φίλοις) und seine Verwandten gnädig behandelt. Dazu s. W.R. Connor, The New Politicians of Fifth-Century Athens, Princeton 1971, 41. 64; Konstan (1997) 60-67.

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Interpretationen

der Demokratie genannt. Das Interesse blieb auch im 4. Jh. lebhaft, mit dem Unterschied, dass man ihn nun im allgemeinen positiver beurteilte.6 Wenn also auch Aristoteles (Rhet. I 15.1376a1; EE III 6.1233b10; SE 176a1; vgl. Ath.Pol. 25, 3-4 in Zusammenhang mit der Entmachtung des Areopags) und Theophrast (612 FHSG) nach den Sokratikern und Platon ihn als Beispiel erwähnen, ist das nicht verwunderlich. Außer ihnen hatte aber unter den Peripatetikern Phainias, der um die gleiche Zeit wie Klearchos oder wenig früher lebte, ein biographisches Werk oder zumindest einen großen Teil eines seiner anderen Werke – darüber ist keine Sicherheit zu erzielen – Themistokles gewidmet.7 Von diesem anekdotenreichen Werk wissen wir, dass es auch später nachwirkte, da es eine der wichtigsten Quellen für die plutarchische Themistoklesvita war.8 Klearchos steht demnach gewissermaßen in einer Tradition, wenn er eine Anekdote mit Themistokles, dem großen Staatsmann und Vertreter des alten, guten Athen, erzählt. Trotz alledem erscheint wahrscheinlicher, dass der Gegenstand der Diskussion an der Klearchos-Stelle weder die Persönlichkeit des Themistokles noch die Freundschaft im allgemeinen, sondern etwas Konkreteres war. Wie wir oben sahen, waren die in den Anekdoten erwähnten Freunde des Themistokles in Wirklichkeit p o l i t i s c h e F r e u n d e. Diese Art von Freundschaft hatte aber Aristoteles schon in der Nikomachischen Ethik besprochen und darauf hingewiesen, dass in der wirklichen Kameradenfreundschaft nicht viele Freunde vorkommen. Viele Freunde hätten nur die Gefälligmacher und die Politiker (IX 10.1171a15-19): Die Allerweltsfreunde (πολύφιλοι) dagegen, die jedermann mit Vertraulichkeit begegnen, gelten für Menschen, die eigentlich keinem freund sind, ausgenommen im politischen Sinne (πολιτικῶς), was man in der Sprache durch den Namen “Gefälligmacher” ausdrückt, mit dem man sie benennt. (Übers. A. Stahr)

Gemeint ist an dieser Stelle, dass die Politiker zwar nicht Gefälligmacher sind, sie aber viele Freunde um des Nützlichen willen (die dritte Art von _____________ 6 7

8

Dazu s. A.J. Podlecki, The Life of Themistocles. A Critical Survey of the Literary and Archaeological Evidence, Montreal/London 1975, 77 ff. (zu Phainias: 103 f.). Phainias fr. 23-28 Wehrli = FGrHist 1012 F 17-22 (mit J. Engels Kommentar zu den Fragmenten). Dazu s. auch L. Bodin, “Histoire et biographie: Phanias d’Érèse”, REG 28 (1915) 251-81 und 30 (1917) 117-57; R. Laquer, “Phainias aus Eresos”, RE XIX 1 (1938) 1567 ff.; Wehrli (1969d) 34-37. Dazu s. Fr. Blass, Plutarch’s Ausgewählte Biographien, III, Leipzig 1872, 7. Vgl. J. Engels in FGrHist IV A (Biography), Fasc. 1, Leiden/Boston/Köln 1998, 294 f. 332. Zu den Anekdoten und den Apophthegmata bei Phainias vgl. R. Laquer, RE XIX 1 (1938) 1588: “Des P.[hainias] Themistoklesbiographie ist im Grunde eine Abhandlung περὶ φιλοτιμίας, dargelegt an einer Person. Die mit einem Wort hingestellte Charakterisierung wird nun aber durch eine Fülle von Anekdoten, Apophthegmata und daraus sich entwickelnden Unterhaltungen belebt.”

IV. ‘Über Freundschaft’

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Freundschaft) haben. Das ist jedoch keine Freundschaft im wirklichen (d.h. persönlichen) Sinne. Diese Auffassung des Aristoteles wird im Rahmen der Diskussion über die große Zahl der Freunde ausgedrückt. Die Kenntnis der aristotelischen Diskussion durch seinen Schüler (fr. 6. 8. 37. 64. 91) und Vertrauten (fr. 97) Klearchos ist nahezu selbstverständlich vorauszusetzen. Es sei daran erinnert, dass schon am Anfang der Freundschafts-Abhandlung in der Nikomachischen Ethik das Lob der πολυφιλία unter den weitverbreiteten Meinungen erwähnt wird: “eine Freundesschar um sich zu haben gilt als etwas Edles” (VIII 1.1155a29). Später (Kap. 7) gibt Aristoteles eine Antwort im Hinblick auf die vollkommene Freundschaft (1158a10): “Freund mit vielen zu sein ist im Sinne vollkommener Freundschaft nicht möglich, genau wie man ja nicht gleichzeitig mit vielen ein Liebesverhältnis haben kann.” Dem Problem der πολυφιλία widmet Aristoteles am Ende der Abhandlung einen besonderen Abschnitt (IX 10.1170b20-1171a20, vgl. EE VII 12.1245b20-25; MM II 16, 1-3).9 Bezeichnend für die ganze Diskussion über dieses Thema ist die Tatsache, dass Plutarch eine besondere, wenn auch kurze, Abhandlung mit dem Titel Περὶ πολυφιλίας (= Mor. 93A-97B) abfasste, die mit den Worten endet: καὶ σπάνιον καὶ δυσεύρετόν ἐστι φίλος βέβαιος. Das zweite Fragment (fr. 18) aus unserer Schrift wird im achten Buch des Athenaios zitiert, wo unter den verschiedenen Anekdoten, die dem Katalog der ὀψοφάγοι folgen, zahlreiche sich auf den berühmten Kitharisten Stratonikos beziehen.10 Mit der Ausnahme der ersten über den Rhodier Propis, die aus der Sprichwörtersammlung des Klearchos stammt (fr. 80), sollen die übrigen nach Athenaios die “Treffsicherheit” (εὐστοχία) der Antworten des Stratonikos zeigen (VIII 352D), der wegen seiner schlagfertigen Rede und seines Scherzens berühmt war. Die Anekdote jedoch, die aus der Schrift des Klearchos ‘Über die Freundschaft’ angeführt wird, ist bloß ein Witz: Wenn Stratonikos sich ausruhen wollte, befahl er jedes Mal seinen Sklaven, ihm Wasser zu bringen; dabei sagte Stratonikos: “Nicht weil ich durstig bin, sondern damit ich nicht durstig werde”. Hier geht es m.E. _____________ 9

Die Stoiker und die Epikureer schätzten dagegen die πολυφιλία als ἀγαθόν, s. dazu Bohnenblust (1905) 37 (bei ihm auch Belege aus späteren Autoren). Gegen die πολυφιλία wurde bisweilen der Hetärenvergleich verwendet, vgl. z.B. Luc. Tox. 38 ὡς ὅστις ἂν πολύφιλος ᾖ, ὅμοιος ἡμῖν δοκεῖ ταῖς κοιναῖς ταύταις καὶ μοιχευομέναις γυναιξί. 10 Zu Stratonikos s. den Kommentar von F. Marx zu Plaut. Rudens 932; P. Maas, “Stratonikos [2]”, RE IV A 1 (1931) 326-7; K. Abel, RE X A (1972) 247; D. Perlman, “Stratonicus, the Witty Harpist”, in Braund – Wilkins (2000) 423-33. Zu den erhaltenen Witzen des Stratonikos, von denen das meiste bei Athenaios steht, bemerkt Perlman (433) folgendes: “Their humour derives from puns, some of the basic variety, or from idioms or quotes from known poets or writers, adapted to new circumstances.”

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Interpretationen

im wesentlichen um die Umgestaltung eines Volkswitzes. Die Anekdote erinnert an die äsopische Fabel (283α Hausrath - Hunger, vgl. in Zwölfsilbler-Versen 179 Chambry), wonach der Hund eines Gastgebers denjenigen des eingeladenen Freundes ebenfalls einlud; als letzterer kam, sah er voll Freude das reichliche Essen und sagte: “βαβαί, πόση μοι χαρὰ ἄρτι ἐξαπιναίως ἐφάνη. τραφήσομαί τε γὰρ καὶ εἰς κόρον δειπνήσω, ὥστε με αὔριον μηδαμῇ γε πεινᾶσαι.” Obwohl bei Äsop nicht nur der Gastgeber und sein Gast sondern auch die zwei Hunde ausdrücklich als miteinander befreundet bezeichnet werden, besteht die Erzählung in der Verwandlung eines Witzes in eine Fabel.11 Mit Freundschaft hat also die kurze Anekdote an sich genommen nichts zu tun; sie wurde offensichtlich aus irgendeinem Anlass und in irgendeinem Zusammenhang erzählt, über den nicht mehr zu eruieren ist, als dass ein Witz erzählt wird. Über den Charakter der klearchischen Schrift besagt sie überhaupt nichts. Sie ist jedoch insofern von Bedeutung, als Stratonikos besonders bei den Peripatetikern eine beliebte Figur war. Neben Klearchos erwähnen ihn auch Aristoteles (EE III 2.1231a10), Theophrast (710 FHSG) und Phainias (fr. 32). Genauso interessant ist die Tatsache, dass der Großneffe des Aristoteles und Historiker Kallisthenes, der 327 v.Chr. hingerichtet wurde, ein Werk mit dem Titel Στρατονίκου ἀπομνημονεύματα (FGrHist 124 F 5) geschrieben hatte, woraus Athenaios offenbar seine Anekdote schöpfte. Ganz zufällig und unabhängig von der Sammlung des Kallisthenes kann also das Interesse des Klearchos an Stratonikos wohl nicht sein.12 In seinem Kommentar zur vorliegenden Schrift bemerkt Wehrli folgendes: “Eine philosophische Behandlung des Themas ist bei K. freilich nicht zu erwarten; die beiden Fragmente verraten eben noch, wie er in das Anekdotische abbog.” Nach den obigen Ausführungen erscheint Wehrlis Urteil über den angeblich ‘anekdotischen’ Charakter des Werkes ziemlich willkürlich. Denn aus dem fr. 17 geht zumindest hervor, dass in diesem Fall der Hauptpunkt nicht Themistokles war, sondern die Tatsache, dass er keine Freunde hatte, obwohl er gleichzeitig viele “Freunde” hatte. Deswegen ist durchaus denkbar, dass zwar Athenaios sich nur für Anekdoten interessierte und infolgedessen nur solche zitiert, dass aber die Fragmente _____________ 11 Dazu s. F.R. Adrados, History of the Graeco-Latin Fable, I, transl. L.A. Ray, (Mnemosyne Suppl. 201) Leiden/Boston/Köln 1999, 39-40. Dass die Freundschaft-Thematik der Erzählung fremd ist, geht auch aus der am Ende stehenden Moral hervor: ὁ μῦθος δηλοῖ ὅτι οὐ δεῖ θαρρεῖν τοῖς ἐξ ἀλλοτρίων εὖ ποιεῖν ἐπαγγελλομένοις. 12 Zu einem weiteren Witz des Stratonikos in Plut. De exil. 602A, der vielleicht “a secondary allusive meaning” hat, s. E. K. Borthwick, “Some Problems in Musical Terminology”, CQ 17 (1967) 145-47.

IV. ‘Über Freundschaft’

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ursprünglich im Rahmen einer breiteren Diskussion standen.13 Man denke nur an die Themistokles-Anekdote, die an den beiden angeführten Stellen bei Plutarch erzählt wird: Einmal dient sie dem Vergleich zwischen zwei großen Staatsmännern, das andere Mal wird sie als Beispiel zur Veranschaulichung der Übertriebenheit im Benehmen eines Politikers seinen Freunden gegenüber verwendet. Wenn die gleiche Anekdote von Athenaios zitiert worden wäre, könnte man aber ähnlich den Eindruck bekommen, dass sie aus einem ‘anekdotischen’ Werk stammte. Für bedenklich halte ich ferner auch die Behauptung Wehrlis, eine philosophische Behandlung des Themas sei nicht zu erwarten (was allerdings keinen Anspruch auf Originalität impliziert). Denn hier muss man berücksichtigen, dass Klearchos damit kein unerforschtes, tief philosophisches Gebiet betrat, sondern ein vieldiskutiertes Thema im Bereich der Ethik behandelte.14 Diesem Thema hatte u.a. Platon einen ganzen Dialog, den Lysis, gewidmet; Simmias von Theben hatte eine Schrift Περὶ φίλου (D.L. II 124) verfasst,15 Philippos von Opus ebenfalls ein Werk mit dem Titel Περὶ φίλων καὶ φιλίας (Suda φ 418 = F 1 Tarán), Speusippos eine Schrift Περὶ φιλίας (D.L. IV 4 = T 1, 40 Tarán), Xenokrates eine andere mit dem gleichen Titel (D.L. IV 12 [Z. 280 Dor.] = T 2 Isnardi2). Die Diskussion über die Freundschaft wurde aber besonders von der systematischen, grundlegenden Behandlung des Aristoteles in der Eudemischen Ethik (VII 1-12), in der Rhetorik (II 4) und noch mehr im VIII. und IX. Buch der Nikomachischen Ethik geprägt. Aristoteles soll obendrein zwei exoterische Schriften über dieses Thema abgefasst haben: Περὶ φιλίας (D.L. V 22 [Z. 280 Dor.] = I 24 R3)16 und Θέσεις φιλικαί (D.L. V 24 [Z. 327 Dor.] = I 72 R3)17. Nach ihm haben auch andere Peripatetiker über die Freundschaft spezielle Schriften geschrieben: Aus Theophrast Περὶ φιλίας (in drei Büchern) sind immerhin einige Fragmente erhalten (532-46 FHSG),18 während sich auch auf die Existenz eines gleich betitelten Werkes des Praxiphanes vielleicht schließen lässt (vgl. fr. 7 Wehrli). Außer ihnen sind _____________ 13 Hierzu ist von Interesse, was Gellius über die Schrift des Theophrastus Περὶ φιλίας bemerkt (Gellius, N.A. I 3, 21 = Theophrastus 534, 39 FHSG): Theophrastus autem in eo, quo dixi, libro inquisitius quidem super hac ipsa re et exactius pressiusque quam Cicero disserit. Set is quoque in docendo non de unoquoque facto singillatim existimat neque certis exemplorum documentis, set g e n e r i b u s r e r u m summatim uniuersimque utitur. Freilich kann man dieses Zeugnis beanstanden, weil Gellius wahrscheinlich nicht das ganze Werk des Theophrastos gelesen hat; vgl. Fortenbaugh (1984) zu L95. 14 Zum einschlägigen Schrifttum s. Heylbut (1876) 8-9; Fürst (1996) 245-46. 15 Dazu s. H. Hobein, “Simmias [4]”, RE IIIA (1927) 149-53. 16 Vgl. II (Hsch.) 24 und III (Ptolem.) 25 R3. Mit dem aristotelischen Menexenos identisch? Dazu s. P. Moraux, Les listes anciennes des ouvrages d’Aristote, Louvain 1951, 42-44. 17 Vgl. II 67 und III 57 R3. 18 Dazu s. Heylbut (1876); Regenbogen (1940) 1485-6; Fortenbaugh (1984) 111 ff.

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Interpretationen

wenig später Schriften Περὶ φιλίας für die Stoiker Kleanthes (SVF 481, 41) und Chrysippos (SVF 724) bezeugt. Das alles waren Werke, die die Freundschaft umfassend behandelten. Darüber hinaus taucht das Thema auf die eine oder die andere Weise in weiteren Schriften des Platon und des Aristoteles sowie bei anderen Autoren der klassischen (z.B. Xen. Mem. II 4-6) und der hellenistischen Zeit auf, um von späteren ganz zu schweigen. Es erscheint wenig plausibel, dass Klearchos über die Freundschaft eine Schrift in zumindest zwei Büchern (vgl. fr. 17 ἐν πρώτῳ περὶ φιλίας) abgefasst hat, diese ganze Literatur jedoch unbeachtet gelassen und sich nur dem Anekdotischen zugewandt hat. Von einem Schüler des Aristoteles würde man viel vielmehr erwarten, dass er außer der notwendigen Definition der Freundschaft (vgl. Arist. NE VIII 3.1156b7 über die richtige Freundschaft) zumindest auf gewisse wichtige Themen der aristotelischen Lehre eingegangen wäre, wie etwa die Theorien über die drei Arten der Freundschaft nach dem jeweils verfolgten Zweck (ἡδύ, χρήσιμον, ἀγαθόν) und über die vollkommene Freundschaft; über die Seltenheit der wahren Freundschaft (vgl. auch Theophr. 532 FHSG); über die Gleichheit oder Ungleichheit der Freunde (vgl. Theophr. 533 FHSG); unbedingt über die Beziehung der Freundschaft als ἕξις zur Liebe als Leidenschaft und über die Schmeichelei als ein Zerrbild der Freundschaft; über die Beständigkeit der Freundschaft, über gewisse Übertreibungen und über Pflichtkonflikte (vgl. Theophr. 534 FHSG); über die Bedeutung der Freundschaft für die Gemeinschaft; über bekannte Topoi19 sowie über exempla von Freundschaftspaaren (z.B. Orestes – Pylades, Achilleus – Patroklos) und gewiss über die auf die Freundschaft bezogenen Sprichwörter (z.B. “κοινὰ τὰ φίλων” [vgl. Arist. NE 1159b31; 1168b6; Theophr. 535 FHSG] oder “ἄλλος αὐτός” [vgl. Klearchos fr. 67 sowie Arist. NE 1166a31]), für die Klearchos im Algemeinen ein besonderes Interesse hegte. Dass ein AristotelesSchüler in einer Schrift für die Freundschaft zumindest einige von all diesen Themen nicht diskutiert hat, ist eine sehr unwahrscheinliche Annahme. Die Originalität ist natürlich eine andere Frage.

_____________ 19 Hierzu s. die Zusammenstellung in Bohnenblust (1905) 26 ff.

V. ‘Gergithios’

Im größten Teil (234C-262B) des sechsten Buches seiner Deipnosophistai befasst sich Athenaios der Reihe nach mit den Parasiten und den Kolakes. Im engeren Teil über die Kolakes (248C-262B) führt er Zitate aus mehreren Autoren, darunter aus einer Schrift des Klearchos von Soloi mit dem Titel Gergithios an. Die Länge und der Inhalt der Zitate sowie das besondere Interesse des Athenaios an diesem Thema erlauben vielleicht den Schluss, dass er die Schrift aus erster Hand kannte.1 Wie auch immer, weisen die erhaltenen Fragmente vielerlei Schwierigkeiten auf. Vor der Auseinandersetzung mit den Problemen scheint jedoch ein Blick auf den Inhalt der Fragmente zweckmäßig zu sein. Athenaios beginnt seinen Bericht mit zwei Bemerkungen zur Schrift: (i) In ihr wurde der Ursprung der Bezeichnung Kolax diskutiert, und (ii) sie verdankt ihren Titel (Gergithios) einem der Schmeichler Alexanders des Großen. Dann gibt Athenaios die allgemeine Auffassung des Klearchos über die Folgen der Schmeichelei wieder: Sie verdirbt die sittlichen Maßstäbe der Schmeichler und macht diejenigen, die sich schmeicheln lassen, übermütig und eitel. Anschließend folgt ein langes Zitat mit der Erzählung über einen (ungenannten) jungen König aus Paphos. Seine übertrieben luxuriöse Lebensweise wird in Einzelheiten geschildert. Es folgt ein plötzlicher Bruch in der Erzählung und das Thema wechselt scheinbar (p. 30, 19)2: Alle Herrscher auf Zypern, sagt Klearchos, haben die schmeichelnden Höflinge als etwas Nützliches eingeführt. Die Höflinge in Salamis, von denen sich alle Schmeichler im übrigen Zypern herleiteten, unter-

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Vgl. Wilamowitz (1881) 88, der die “sammlungen über κόλακες” in Athenaios VI 251 als “zum größten teile originalexcerpte” bezeichnet. Gewisse Zurückhaltung erscheint allerdings aus zwei Gründen ratsam: (a) Athenaios benutzt Gergithios trotz seines anziehenden Gegenstandes sonst wohl nicht. (b) Längere Zitate setzen bei Athenaios nicht unbedingt unmittelbare Kenntnis voraus (vgl., z.B., das Zitat aus einer Komödie des Athenion [fr. 1 Κ.-A.] in XIV 660E, das Athenaios aus Jubas Θεατρικὴ ἱστορία zitiert). Der Text wird im Folgenden nach der Seiten- und Zeilennummerierung des hier (S. 30-32) gedruckten Textes zitiert.

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schied man nach ihrer Abstammung in Gerginoi, die als Späher in der ganzen Stadt lauschten, und in Promalanges, deren Aufgabe es war, die gesammelten Auskünfte weiter zu untersuchen. Über die Gerginoi sagte man, dass sie von einem Abkömmling jener Troer stammten, die Teukros als Gefangene mit sich nach Zypern gebracht hatte. Außerdem habe es aber zur Zeit des Karers Glus auch Schmeichlerinnen gegeben, die man als Kolakides bezeichnete. Sie gelangten zusammen mit den Frauen des Artabazos und des Mentor (vgl. Diod. XVI 52, 3) an den Hof Makedoniens, wo sie Zauberkünste anwendeten und ταυροπόλοι καὶ τριοδίτιδες geworden seien. Es folgt der Schluss des Klearchos: “Für so viele und derartige Übel scheint die Schmeichelei die Ursache zu sein für diejenigen, die sie angenommen haben, nur um immer Angenehmes zu hören.” Der nächste Abschnitt (p. 32, 28) fängt mit einem Tadel an, den Klearchos dem jungen Paphier erteilt, weil er “davon (i.e. von den Schmeichlern) Gebrauch gemacht hat”.3 Der Hauptteil des Fragments enthält eine Darlegung über drei bestimmte Kolakes, die dem jungen Paphier näher stehen und ihm nach orientalischer Art dienen. Sie tragen bemerkenswerte Beinamen: Παράβυστος, Σικύας und Θήρ. Die Szene mit dem Jungen und den drei Männern endet mit einer kurzen Erzählung: Irgendeine “anständige Gottheit” (ἐλευθέριος δαίμων) schickte “verärgert” (νεμεσήσας) dem Jungen eine furchtlose Fliege, die ihn sehr stark stach. Darauf schrie der Betreuer so laut und geriet dermaßen in Raserei, “dass er infolge seiner Abscheu gegen eine einzige Fliege alle aus dem Hause jagte, woraus sich erklärt, dass er sich selbst für diesen Zweck bestimmt hatte”. Nach der Erwähnung eines wohl gegensätzlichen Beispieles mit Kolakes, in dem Leukon, der Herrscher von Pontos, die Hauptrolle spielt, und dem bekannten Fragment des Komödiendichters Antiphanes, das sich auf den Luxus in Paphos bezieht (fr. 200 K.-A.), kommt Athenaios zum Gergithios zurück und führt ein weiteres Zitat an (fr. 20). Die Rede ist jetzt von einem Kolax des jungen Paphiers – wahrscheinlich dem letztgenannten Θήρ – mit besonderen Merkmalen, worauf die etymologische Erklärung des Wortes κόλαξ folgt: Anders als der Arzt Androkydes4, der das Wort mit προσκολλᾶσθαι in Verbindung bringt, hängt nach Klearchos das Wort

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Dass er mit τούτων die Gerginoi und die Promalanges meint, ist eine naheliegende Vermutung. Über ihn s. weiter unten Anm. 8.

V. ‘Gergithios’

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mit der εὐκολία (‘Leichtigkeit’) zusammen, mit der der Kolax sich in allem unterordnet.5 Aus der Lektüre der Gergithios-Fragmente ergeben sich viele Fragen: Wie war diese Schrift aufgebaut? Was läßt sich über den nicht erhaltenen Teil der Schrift sagen? Wann und warum wurde sie abgefasst? Welchen Charakter hatte sie und für welches Publikum wurde sie geschrieben? Wie glaubwürdig ist ihr historischer Gehalt? Wie läßt sie sich in die literarischen, philosophischen und historischen Zusammenhänge einordnen? Zu diesen allgemeinen Fragen kommen weitere, spezielle Probleme (z.B. über den Titel des Werkes, über die Identität des jungen Paphiers, über den Sinn der Fliegen-Erzählung usw.) hinzu. Die Antwort auf all diese Fragen setzt natürlich eine genauere Behandlung der erhaltenen Fragmente voraus. Deswegen halte ich für ratsam, zunächst die Abgrenzung und die Reihenfolge der Fragmente sowie den Inhalt einzelner Stellen zu diskutieren.

(i) Die erhaltenen Fragmente und der verlorene Teil Beginnen wir mit dem letzten Fragment (20 Wehrli): Verraert (1828), Müller in seiner Ausgabe der Historiker-Fragmente (1878) sowie Wehrli lassen es unverständlicherweise mit dem Satz οὕτω ποικιλόφωνός τις ἐστίν enden, als ob die folgenden Worte von Athenaios selbst stammten.6 Dies ist schlechtweg auszuschließen. Nicht nur ist unwahrscheinlich, dass Athenaios im folgenden eingreift, um seine eigene Meinung (ἐμοὶ δὲ δοκεῖ)

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Die Ergänzung διὰ τὴν εὐκολίαν τε καὶ τὴν εὐχέρειαν, die Ch.B. Gulick in der LoebAusgabe mit Verweis auf Platons Leges 942d (man vergleiche aber auch Alc. I 122c5 εὐχέρειαν καὶ εὐκολίαν, Phd. 117c4 εὐχερῶς καὶ εὐκόλως) vorgeschlagen hat, oder eine ähnliche, die das Wort εὐκολία enthalten wird, ist unbedingt notwendig und zwar unabhängig davon, wem (Klearchos oder Athenaios) man diese Worte zuweist: Der ‘etymologischen’ Erklärung des Androkydes musste eine andere der gleichen Art entgegengesetzt werden. Platonische Anklänge dürfen an dieser Stelle als sicher gelten. Vermutlich wurde εὐκολία neben εὐχέρεια weggelassen oder durch sie ersetzt, weil sie schlechthin als synonym galten, vgl. z.B. Suda ε 3822. Eustathios, Comm. in Hom. Il. 3 p. 531, hat allerdings unsere Stelle wie wir gelesen. Zum Stamme κολ, der sich sowohl im Wort κόλαξ als auch im Wort εὐκολία findet und dem die Bedeutung der Bewegung eigen ist, s. Ribbeck (1884) 4 f.; eine befriedigende Etymologie ist allerdings unmöglich, s. H. Frisk, Griech. etymologisches Wörterbuch, s.v.; P. Chantraine, Dictionnaire étymologique de la langue Grecque, s.v. Zu κολλᾶσθαι im Zusammenhang mit der Freundschaft vgl., z.B., Plut. De amic. mult. 94A. 95A; Them. Περὶ φιλίας p. 268a Ηarduin. Anders Kaibel und nach ihm Gulick und Taifakos.

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gegen Androkydes zu äußern, sondern es gibt wichtige Indizien, die für Klearchos sprechen: (i) Das seltene νωταγωγῶν findet sich nirgends bei Athenaios, interessanterweise tritt aber das Wort νῶτα im ersten großen Fragment aus dem Gergithios (19 p. 31, 18) auf. Auch ὑποδύεται in Verbindung mit Kolax/Kolakeia klingt an Platons Gorgias an,7 was eher für den peripatetischen Bewunderer Platons denkbar ist. Bemerkenswert ist ferner die Tatsache, dass der Arzt Androkydes, dessen Name im buntschriftstellerischen Werk des Athenaios außer in dem vorliegenden Zusammenhang nie wieder vorkommt, in Theophrasts Historia plantarum IV 16, 6 erwähnt wird.8 (ii) Der Hinweis auf das ἦθος des Kolax erinnert stark an die Meinung des Klearchos, dass die Schmeichelei τὰ ἤθη der Schmeichelnden verdirbt (fr. 19 p. 30, 8). Auch in zwei weiteren Punkten weist die Stelle unverkennbare Ähnlichkeit mit dem in fr. 19 (p. 32, 24-25) Gesagten auf: πάντα ὑποδύεται ~ πᾶν ὑπομένειν und οὐ βαρυνόμενος οὐδενὶ τῶν αἰσχρῶν ~ καταφρονητικῶν ὄντων τῶν περὶ αὐτούς.9 (iii) In einem Werk, in dem nach Athenaios der Ursprung des “Namens der Schmeichler” behandelt wurde, wäre wohl zu erwarten, dass auch das Wort κόλαξ irgendwie diskutiert wurde. Im Rahmen dieser konkreten Frage und nur im nachhinein versteht man eigentlich, warum Athenaios den Teil mit der Beschreibung des Kolax, der als ‘Ellbogenstoßer’ oder ‘Gesten-Arsenal’ bezeichnet wurde, mit einbezieht: Dieser Kolax, der mit dem mythischen Proteus verglichen wird, bietet Klearchos die Gelegenheit das Wort κόλαξ mit εὐκολία etymologisch in Verbindung zu bringen. Was den vorangehenden langen Text, fr. 19, betrifft, der bisher als zusammenhängendes Fragment gedruckt wurde, so handelt es sich jedoch mit ziemlicher Sicherheit um mehrere Fragmente, deren Trennung im einzelnen jedoch nicht leicht ist. Zunächst muss der Abschnitt über die Folgen der Schmeichelei (p. 30, 2-10), dem die Einleitung des Athenaios über das Werk des Klearchos vorausgeht, abgetrennt werden, da es ganz unwahrscheinlich ist, dass die Beschreibung des Luxus des jungen Paphiers sich unmittelbar an ihn anschloss. Es muss auch die Auffassung aller Editoren bezweifelt werden, hier würden nicht die Worte des Klearchos zi-

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Plat. Grg. 464c: ἡ κολακευτικὴ αἰσθομένη … τέτραχα ἑαυτὴν διανείμασα, ὑποδῦσα ὑπὸ ἕκαστον τῶν μορίων, προσποιεῖται τοῦτο ὅπερ ὑπέδυ … Ob dieser Androkydes derselbe wie der Pythagoreer ist, der ein Buch Περὶ Πυθαγορικῶν συμβόλων geschrieben hatte (Tryphon [Rh. Gr. III p. 193-4 Spengel]), lässt sich nicht sagen; vgl. Burkert (1972) 167 Anm. 8. Im Übrigen kommt auch das Verbum ἀποπλάττεσθαι sehr selten vor (zum ersten Mal bei Hermesianax [Powell, Coll. Alex. fr. 7, 88 m. krit. App. z.St.] und dann in Antipater fr. 62 von Arnim). Hierzu s. auch Burkert (1972) 167 Anm. 8.

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tiert, sondern seine Meinung referiert. In den Fällen, in denen Athenaios διηγεῖται οὕτως benutzt, führt er immer – ebenso wie bei γράφει oder λέγει οὕτως – ein wörtliches Zitat an.10 Dass wir auch hier nach διηγεῖται δὲ οὕτως ein wörtliches Zitat haben, scheint also sehr plausibel zu sein. Im langen Zitat (fr. 19 [b]), das Athenaios folgen lässt und das mit dem Urteil über die Folgen der Schmeichelei endet, werden drei verschiedene Themen behandelt (der Luxus des jungen Paphiers, die Kolakes in Zypern, die Kolakides), ohne dass aber der Übergang vom einen zum anderen sprachlich deutlich wird. Der Übergang von den Kolakes zu den Kolakides ist zumindest thematisch einwandfrei. Der Übergang aber vom Luxus des Jungen zu den Kolakes in Zypern stellt die Frage, ob beide Teile im Gergithios nicht doch getrennt standen. Letztere Lösung ist jedoch nicht unproblematisch, denn Athenaios pflegt in solchen Fällen wenigstens anzudeuten, dass es sich um unterschiedliche Fragmente handelt. Außerdem stellt man beim näheren Zusehen fest, dass der Teil über die Kolakes und die Kolakides in Zypern den Charakter eines Exkurses hat. Sowohl die allgemeine Äußerung über die Monarchie am Anfang dieses Teiles als auch das allgemeine Urteil über die Schmeichelei am Ende sprechen für diese Annahme. Das ließe den etwas schroffen Übergang rechtfertigen. Dennoch fühlt man, dass im Fragment mit der Beschreibung des luxuriösen Lebens des jungen Paphiers etwas fehlt, denn man sieht nicht ein, wie die Beschreibung sich mit dem folgenden Teil logisch verbindet. Deswegen ist anzunehmen, dass ein Teil der ursprünglichen Beschreibung des luxuriösen Lebens des Jungen entweder bei der handschriftlichen Überlieferung des Athenaios ausgefallen ist oder aber von Athenaios selbst gekürzt wurde. Darin dürfte eine Symposien-Szene geschildert worden sein, in der Kolakes neben dem jungen König in Erscheinung traten. Darauf bezog sich der Exkurs über die Kolakes in Zypern. Die Schilderung der Symposium-Szene setzt Athenaios im nächsten Zitat über die drei Kolakes fort, das zweifellos ein unterschiedliches Fragment ist.11 Zwischen dem erwähnten und dem letzten Fragment (fr. 20 Wehrli), und nachdem Athenaios über den pontischen Herrscher Leukon gesprochen hat, werden siebzehn Verse aus der Komödie Στρατιώτης (fr. 200 K.-A.) des Antiphanes zitiert. Aufgrund der Tatsache, dass Klearchos zumindest noch einmal in der Schrift Über die Lebensformen nachweislich aus einer anderen Komödie des Antiphanes (Κιθαριστής fr. 115 K.-A. =

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Vgl. z.B. Athen. I 14F und VII 293F.

Trotz der hier angenommenen Abgrenzung der Fragmente folgt der am Anfang des Kapitels gedruckte Text überall der Nummerierung der Wehrli-Ausgabe.

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Interpretationen

Klearchos fr. 39) zitiert hat, so dass Kenntnis des Antiphanes-Werkes angenommen werden darf, hat I. Konstantakos die Meinung geäußert, Klearchos könnte “the ultimate source for Fr. 200” gewesen sein.12 Wir dürften in diesem Fall ein weiteres Gergithios-Fragment (= Athen. VI 257D p. 73, 21 – 74, 14 Kaibel: Ἀντιφάνης δ’ ὁ κωμῳδιοποιὸς ... ποιεῖν) postulieren. Diese Möglichkeit lässt sich nicht ausschließen. Man müsste dann allerdings auch die vorhergehenden Zeilen über Leukon hinzufügen, zumal da Athe-naios für diese Anekdote keine Quelle angibt. Es sei jedoch bemerkt, dass gegen diese Annahme zwei wichtige Indizien sprechen: (a) die Länge des (dialogischen) Dichterzitats, die für Klearchos’ Stil – soweit man sich darüber nach den übrigen Fragmenten äußern darf – ungewöhnlich zu sein scheint; (b) die Tatsache, dass die Szene mit dem jungen Paphier bei Athenaios nach dem Antiphanes-Fragment unzweifelhaft weitergeführt wird. Letzteres würde bedeuten, dass wir hier innerhalb der gleichen Erzählung einen weiteren Exkurs (außer dem früheren über die Kolakes in Zypern) anzunehmen hätten, was wohl sehr schwierig erscheint: Man beachte die einführenden Worte (Ἀντιφάνης … τὰ ὅμοια λέγει περὶ τῆς τῶν ἐν Κύπρῳ βασιλέων τρυφῆς) sowie die Art und den Inhalt des Zitats, das ausschließlich mit Tryphe, nicht aber mit Kolakeia zu tun hat. Zudem würde man Klearchos ungern eine zweite Unterbrechung innerhalb dieser sehr lebhaft geschilderten Szene zutrauen.13 Die Frage, ob Athenaios beim Exzerpieren überall der ursprünglichen Ordnung der Schrift gefolgt ist, lässt sich nicht mit Sicherheit beantworten. Wahrscheinlicher scheint immerhin, dass Athenaios den Text im Gergithios nach dem ursprünglichen Verlauf exzerpiert hat.14 An Hand der in dieser Reihenfolge überlieferten Fragmente kann man versuchen, den Inhalt des Gergithios in großen Zügen zu rekonstruieren. Am Anfang dürfte Klearchos über die Person des Gergithios und seine Rolle als Kolax am Hof Alexanders, der für seine Kolakes (vgl. die

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I. Konstantakos, A Commentary on the Fragments of Eight Plays of Antiphanes, Diss. Cambridge 2000 (ungedr.), 255 Anm. 4. Folgende Fragmente lassen sich infolgedessen unterscheiden: fr. 19 [a]: Κλέαρχος δ’ ὁ Σολεὺς — κατασκευάζεσθαι (p. 30, 2-10) fr. 19 [b]: ἑξῆς τε διηγούμενος — προσδεξαμένοις αὐτήν (p. 30, 11 – 31, 27) fr. 19 [c]: προελθὼν δὲ πάλιν — τεταχὼς αὑτόν (p. 31, 28 – 32, 13) fr. 20: εἴη οὖν — αἰσχρῶν (p. 74, 15 – 75, 3 Kaibel) Eine Ausnahme könnte vielleicht das letzte Fragment über das ‘Gesten-Arsenal’ und die Etymologie des Wortes κολακεία sein. Dennoch geben die Worte εἴη οὖν ἂν ὁ τοῦ προειρημένου μειρακίου κόλαξ κτλ. eher den Eindruck, dass die uns erhaltene Erzählung über den jungen Paphier vorausgegangen war.

V. ‘Gergithios’

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Ἀλεξανδροκόλακες in Athen. XII 538E) bekannt war, gesprochen haben. Von der Schilderung dieses konkreten und vermutlich berüchtigten höfischen Kolax ging er dann zu den allgemeinen moralischen Auswirkungen der Kolakeia über. Danach erzählte er ausführlich und mit vielen Einzelheiten die Geschichte über den jungen Paphier, die offenbar kein gutes Ende hatte. Schon der Umfang der Geschichte läßt den Schluss zu, dass sie eine wichtige (wenn nicht zentrale) Stellung in der ganzen Schrift hatte. Innerhalb dieser Geschichte fügte Klearchos einen Exkurs über das Vorkommen der Kolakes an den Königshöfen Zyperns ein. Darin behauptete er, dass die Stadt Gergitha in der Troas von Abkömmlingen der zypriotischen Gerginoi gegründet wurde.15 Im Exkurs wurde auch erzählt, wie die Kolakides an den makedonischen Hof gelangten. Kombiniert man die Geschichte über den zypriotischen Prinzen mit den Erzählungen über den zypriotischen Ursprung der Stadt Gergitha (also auch des Gergithios) und über die Verbreitung der weiblichen Kolakeia in Makedonien durch die zypriotischen Kolakides, kommt man zu dem Schluß, dass Klearchos im Gergithios die Behauptung aufstellte, die Kolakeia am makedonischen und folglich an den anderen gegenwärtigen Königshöfen sei zypriotischen Ursprungs.16 Das letzte Fragment zeigt schließlich, dass es noch einen weiteren Teil der Geschichte über den jungen Paphier gegeben haben muss und dass Klearchos nach ihrem Ende zumindest das Wort κολακεία erörterte.17 In den erhaltenen Fragmenten unterscheidet Klearchos nicht ausdrücklich zwischen den verschiedenen Formen der Schmeichelei. Doch seine Behauptung, der Samen der “ehrenwerten Kolakes” (ἐλλογίμων κολάκων) sei von den Gerginoi her ins Ausland verbreitet worden, zeigt, dass eine gewisse Unterscheidung vorausgesetzt wird. In der Tat sind die Kolakes des jungen Paphiers ganz anderer Art als die Gerginoi und die Promalanges. Bei den ersten, den Kolakes des jungen Paphiers, handelt es sich eher um gewöhnliche Parasiten mit dem Unterschied, dass ihr übertriebe-

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Im erhaltenen Text steht zwar nicht, dass Gergithios gerade aus Gergitha stammte, es darf aber als sicher gelten, dass diese wichtige Verbindung an einem anderen Ort der Schrift (wahrscheinlich am Anfang, wo die Rede von Gergithios war) Erwähnung fand. Weber (1880) 21, der auf den Inhalt des Gergithios eingeht, ist diese Beziehung zwischen den einzelnen Teilen völlig entgangen. Er meint, dass die beschriebenen Kolakes der zyprischen Königshöfe ganz besonderer Art gewesen seien und deswegen von Klearchos getrennt in einem zweiten Buch des Werkes behandelt worden seien. Dass die Geschichte schon vorher beendet war, geht daraus hervor, dass im letzten Fragment vom Kolax des “oben erwähnten Jungen” gesprochen wird, als ob Klearchos auf eine zu Ende geführte Geschichte zurückblickt. Es erscheint in der Tat plausibler, dass die ganze Geschichte über den jungen Paphier mit der Fliegen-Szene endete.

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nes Benehmen erwartungsgemäß dem prachtvollen, königlichen Milieu entspricht. Anders mit den letzteren: Sie sind Spione im Dienste der Könige. Eine vergleichbare doppelte Unterscheidung allerdings in Bezug auf die Parasiten, findet sich in einem Fragment aus dem Κυβερνήτης des Alexis (fr. 121 K.-A.). Dort ist von “zwei Arten Parasiten” die Rede: Die eine sei die übliche und auf der Bühne oft verspottete (V. 2 τὸ κοινὸν καὶ κεκωμῳδημένον), die “Schwarzen”; die zweite sei eine vornehmere Art (τὸ σεμνοπαράσιτον), die mit Satrapen und berühmten Feldherren zu tun habe (V. 3-7).18 Was könnte aber die Schrift außer den erhaltenen Teilen noch enthalten haben? Mit Sicherheit andere Beispiele von berüchtigten oder einfach bekannten Kolakes und Königen. Unter den letzteren dürfte auch Dionysios von Syrakus (mit den ‘Dionysokolakes’) sowie Philippos sein, wie man aus den vielen Zitaten des Athenaios schließen darf, die ihn in diesem Zusammenhang erwähnen. An Hand von Beispielen könnte sicherlich die Richtigkeit der von Klearchos (in seinen Ἐρωτικά) geäußerten Meinung, dass κόλαξ οὐδεὶς διαρκεῖ πρὸς φιλίαν (fr. 21 Wehrli), gezeigt werden. Weiter würde man einige Worte über die Stadt Gergitha erwarten, die anscheinend für ihre Kolakes bekannt war. Denkbar wäre schließlich, dass Klearchos auch auf verschiedene Arten der Schmeichelei (z.B. schmeichlerisches Verhalten der Bevölkerung gewisser Städte) oder auf die Beziehung zwischen Schmeichler und Parasiten (wie dies bei Athenaios geschieht) einging.

(ii) Die Kolakes auf Zypern Der Bericht des Klearchos über die Zunft der “ehrenwerten Kolakes” in Zypern ist nun eine wichtige Quelle darüber, wie die Spione im Dienste von Königen – wahrscheinlich nicht nur auf Zypern – organisiert waren und wie ihr Netz funktionierte. Folgende Informationen lassen sich aus dem Bericht des Klearchos gewinnen: (1) Die Spionage dieser Art war in allen Königtümern auf Zypern verbreitet, da “alle Alleinherrscher” sie als etwas Nützliches “akzeptierten”. (2) Die Schmeichler, die als Spione dienten, blieben (mit wenigen Ausnahmen) erwartungsgemäß unbekannt. (3) Die als Spione agierenden Schmeichler waren ihrer Stammverwandtschaft nach in zwei Kategorien mit unterschiedlichen Aufgaben geteilt, wie das in Salamis, dem Heimatort aller Schmeichler, geschah. Dort gab es zwei sol-

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Zur Unterscheidung im Alexis-Fragment s. Nesselrath (1985) 20 Anm. 16.

V. ‘Gergithios’

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che Gruppen, die entsprechend mit den Namen “Gerginoi” und “Promalanges” bezeichnet wurden. Die ersten, die sich unter der Bevölkerung der Stadt aufhielten, “nahmen die Stelle von Spionen ein und lauschten” (ὠτακουστοῦσι κατασκόπων ἔχοντες τάξιν). Sie berichteten täglich den Anaktes, d.h. den Söhnen und den Brüdern des Königs.19 Die Promalanges auf der anderen Seite bildeten eine Art Ermittlungsgruppe und forschten – auf Befehl der Anaktes? – weiter, was ihnen näherer Untersuchung wert zu sein schien.20 (4) Die Spionage der Gerginoi und der Promalanges beruhte auf dem geschickten und überzeugenden Verkehr mit allen Bürgern. Damit begründeten auch die Gerginoi ihre Meinung, der “Samen der ehrenwerten Kolakes” sei von ihnen in die fern liegenden Orte verbreitet worden. Obwohl Klearchos in seinem Bericht die Meinung teilt, die Einrichtung sei von den Gerginoi verbreitet worden, sagt er nicht, ob er selbst auch glaubt, dass sie in Zypern entstand. In Wirklichkeit sagt er am Anfang, dass diese Einrichtung der Tyrannenherrschaft zu eigen ist (πάνυ γὰρ τὸ κτῆμα τυραννικόν ἐστι). Nun erinnert der Abschnitt in einigen Punkten unverkennbar an eine Stelle aus dem fünften Buch der aristotelischen Politik, wo Aristoteles die Art und Weise behandelt, mit der die Tyrannenherrschaft erhalten werden kann. Dort erwähnt er unter anderem, dass die Tyrannen versuchen, sich nichts entgehen zu lassen, was ihre Untertanen sagen oder tun, sondern Spione einzusetzen, wie die als ποταγωγίδες bezeichneten in Syrakus und wie die Horcher, die Hieron überall hin sandte, wo es eine Versammlung oder Gesellschaft gab.21 Die nicht weiter begründete Bezeichnung κτῆμα τυραννικόν im Klearchos-Fragment erklärt

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Interessanterweise erklärte Aristoteles das Wort ἄναξ, das in dieser Bedeutung nur in Zypern vorkam, in seiner Kυπρίων πολιτεία (fr. 526 R3). Der Titel wird auch inschriftlich bezeugt: O. Masson, Les inscriptions chypriotes syllabiques, Paris 1983, Nr. 211 (Stasias, Sohn des Stasikrates wird als Fάναξ bezeichnet). Zum Wort s. ferner C.M. Bowra, “Homeric Words in Cyprus”, JHS 54 (1934) 54-55; 59-60. Zur aristotelischen ‘Verfassung’ s. auch M. Hose, Aristoteles: Die historischen Fragmente, (Aristoteles: Werke in deutscher Übersetzung 20 III) Darmstadt 2002, 183-84. Die Quelle für die Kυπρίων πολιτεία könnte Klearchos sein. Zum Wort προμάλαγγες s. die (wenig überzeugenden) Gedanken von C.A. Lobeck, Paralipomena, Leipzig 1832, I 81 Anm. 19. Arist. Pol. V 11.1313b11: καὶ τὸ μὴ λανθάνειν πειρᾶσθαι ὅσα τυγχάνει τις λέγων ἢ πράττων τῶν ἀρχομένων, ἀλλ’ εἶναι κατασκόπους, οἷον περὶ Συρακούσας αἱ ποταγωγίδες καλούμεναι, καὶ οὓς ὠτακουστὰς ἐξέπεμπεν Ἱέρων, ὅπου τις εἴη συνουσία καὶ σύλλογος (παρρησιάζονταί τε γὰρ ἧττον, φοβούμενοι τοὺς τοιούτους, κἂν παρρησιάζωνται, λανθάνουσι ἧττον).

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sich besser vor dem Hintergrund der Diskussion bei Aristoteles.22 In der Erwähnung der κολακίδες bei Klearchos, die an die ποταγωγίδες in Syrakus erinnern, lässt sich eine weitere Parallele zur Aristoteles-Stelle sehen.23 Klearchos sagt freilich nichts über ihre Aufgaben, bevor sie in Kleinasien eintrafen; er erklärt nur, dass sie in Zypern zur Zeit des Karers Glus (also in der Zeit vor 381 v.Chr.) erschienen.24 Inwieweit entspricht aber die Schilderung der Gerginoi und Promalanges bei Klearchos der historischen Wirklichkeit? Hierzu scheint die indirekte Verbindung der Einrichtung der Kolakides mit der Anwesenheit der Perser auf Zypern (p. 31, 13) von gewisser Bedeutung zu sein, denn sie verstärkt den nahe liegenden Verdacht, dass auch die Einrichtung der als Spione agierenden “ehrenwerten Kolakes” ebenfalls von Persien eingeführt worden war.25 Seit den Persern des Aischylos und Herodot werden mehrmals in griechischen Texten sowohl der βασιλέως ὀφθαλμός wie die ὦτα καὶ ὀφθαλμοὶ βασιλέως erwähnt.26 Aus den griechischen Quellen er-

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Zu beachten ist auch, dass das Wort μόναρχος (μόναρχοι in Klearchos p. 30, 19) bei Aristoteles häufiger als bei jedem anderen Autor vorkommt. Es ist jedoch zu bezweifeln, ob Aristoteles ποταγωγίδες als feminin, wie in den Handschriften steht, oder nicht als maskulin (also: οἱ ποταγωγίδες καλούμενοι) geschrieben hat, wie schon Sepulveda konjiziert hat; vgl. Phot. Lex. s.v.; ferner Plut. Dion 28 und De curios. 523A (über die προσαγωγίδες [mask.] in Syrakus während der Herrschaft des Dionysios). Vgl. Val. Max. IX ext. 9: Sed tamen effeminatior multitudo Cypriorum, qui reginas suas mulierum corporibus velut gradibus constructis, quo mollius vestigia pedum poneret, currus conscendere aequo animo sustinebant. An der zitierten Stelle liegt offensichtlich eine Konfusion vor: Aus den Worten des Klearchos geht deutlich hervor, dass die Klimakides, d.h. die Kolakides nach ihrer Ankunft in Karien, mit ihren Körpern eine Leiter bildeten; eben deswegen wurden sie damals umbenannt. Glus (oder Glos) wurde 381 v.Chr. ermordet. Ein Jahr zuvor hatte er als Befehlshaber der persischen Flotte Euagoras bei Kition geschlagen (Diod. XV 3, 2; 9, 3); s. P.J. Stylianou, A Historical Commentary on Diodorus Siculus, Book 15, Oxford 1998, zu XV 3, 2; s. ferner S. Ruzicka, “Glos, Son of Tamos, and the End of the Cypriot War”, Historia 48 (1999) 23-43. Zu dieser Annahme s. F.G. Maier, CAH, VI2 2, 301, mit Verweis auf Eustath. Comm. in Il. 13, 582 (III p. 515; die Stelle wird von Maier falsch gedeutet); Russell (1999) 109 ff. Aesch. Pers. 978 ff.; Hdt. I 114; Ar. Ach. 91 ff.; Xen. Cyr. VIII 6, 16; Plut. Art. 12, 1-3. Dazu s. ausführlich S.W. Hirsch, The Friendship of the Barbarians. Xenophon and the Persian Empire, Hanover/London 1985, 101-39. Aufgrund der Widersprüche in den griechischen Quellen und der Tatsache, dass in keiner persischen Quelle von einer ähnlichen Einrichtung gesprochen wird, kommt Hirsch zu dem wenig glaubhaften Ergebnis “that there was no King’s Eye in the Achaemenid Empire” (130). Dabei zieht er aber m.E. nicht den richtigen Schluss aus der Äußerung Xenophons in Cyr. VIII 2, 10-12, und erklärt überdies die Parallele aus der Mithras-Mythologie kaum befriedigend.

V. ‘Gergithios’

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gibt sich zwar kein einheitliches Bild, was sehr wohl auch an der Sache liegen kann; aber es bleibt als Tatsache, dass die Griechen von einer Spionage dieser Art in Persien wussten. Auf zwei weitere Einzelheiten sei in diesem Zusammenhang besonders hingewiesen. Die erste hängt mit dem Eindruck zusammen, der aus den antiken Quellen entsteht, dass es auch in Persien eine Teilung in zwei Gruppen (die “Augen” und die “Ohren”) mit entsprechender Spezialisierung gegeben hat.27 Die zweite Einzelheit hat mit einer Stelle aus der xenophontischen Kyrupädie zu tun, in der ihr Autor über eine persische Einrichtung erzählt, die auf Kyros zurückgeht: Jedes Jahr unternimmt ein Mann mit bewaffneter Begleitung eine Inspektionsreise, um Satrapen zu helfen, die Hilfe brauchen, und um alles in Ordnung zu bringen. Ist er nicht in der Lage, die Ordnung wiederherzustellen, berichtet er dem Großkönig, und dieser berät über weitere Maßnahmen. “Diese Männer”, sagt Xenophon, “von denen es oft heißt: ‘Es kommt der Sohn des Königs’ oder ‘der Bruder des Königs’ oder ‘das Auge des Königs’ (βασιλέως ὀφθαλμός), und die bisweilen auch unsichtbar bleiben, gehören zu den königlichen Aufsehern”. Mag der Bericht des Xenophon nicht in allen Punkten sehr präzis sein, so ist aber die Übereinstimmung mit Klearchos in Bezug auf die Verbindung speziell der ‘Brüder’ und ‘Söhne’ des Königs (also der Anaktes nach dem zyprischen Sprachgebrauch) mit der geheimen, auf Spionen beruhenden Sammlung von Informationen nicht zu übersehen. Dass persische Einflüsse dieser Art auf Zypern durchaus möglich waren, ist nahezu selbstverständlich. Letztendlich war Zypern seit ungefähr 525 v.Chr. (wenn auch mit relativer Unabhängigkeit) Teil des Persischen Reichs.28 Am Anfang seines Berichtes über die “ehrenwerten Kolakes” macht Klearchos eine auf den ersten Blick kuriose Bemerkung: Es kenne mit wenigen Ausnahmen niemand die Anzahl und das Aussehen dieser Kolakes, wie das bei “einigen Areopagiten” geschieht (p. 30, 21). Liest man die letzten Worte, so fragt man sich, worauf dieser Vergleich eigentlich beruht und was er hier zu suchen hat. Dabei kann es sich natürlich nur um die Mitglieder des Areopags in Athen handeln. Der Vergleich erweist sich schon

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Dazu s. Russell (1999) 110. Hierzu s. A.T. Reyes, Archaic Cyprus. A Study of the Textual and Archaeological Evidence, Oxford 1994, 85-97; ferner Th. Petit, “Présence et influence perses à Chypre”, in Achaemenid History VI, (Proceedings of the Groningen 1988, Achaemenid History Workshop) Leiden 1991, 161-78. Nach Herodot (III 91, 1) gehörte Zypern der fünften Satrapie an; zu den Problemen dieser Angabe s. aber P. J. Stylianou, “The Age of Kingdoms. A Political History of Cyprus in the Archaic and Classical Periods”, in Μελέται καὶ ὑπομνήματα τοῦ Ἱδρύματος Ἀρχιεπισκόπου Μακαρίου Γ ΄, II (1989) 513 ff.

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Interpretationen

deswegen als wichtig, weil er zeigt, dass die Schrift auf ein athenisches oder zumindest mit dem Leben in Athen vertrautes Lesepublikum zielte. Aber was haben die Areopagiten mit den “ehrenwerten Kolakes” gemeinsam? Die Antwort gibt vielleicht ein Fragment aus dem siebten Buch der Atthis des Philochoros (FGrHist 328 F 65), wo es heißt, dass die Gynaikonomoi zusammen mit den Areopagiten die Zusammenkünfte in den Häusern und bei den Hochzeiten untersuchten (ἐσκόπουν). Bei den Gynaikonomoi handelt es sich um eine Aufsichtsbehörde, um ein Collegium, das, wenn auch nicht nachweislich von Demetrios von Phaleron eingesetzt, jedenfalls zu seiner Zeit im Rahmen seiner ‘Restaurationsbewegung’ rege Tätigkeit entwickelte.29 Vom Areopag weiß man, dass er schon in der solonischen Verfassung die Aufsicht über “sehr viele und wichtige” Angelegenheiten – vorwiegend religiösen Charakters – in der Stadt hatte und dass die Areopagiten Befugnisse auch in Bezug auf das sittliche Leben des Einzelnen hatten.30 Während der Regierungszeit des Demetrios von Phaleron und in Zusammenhang mit seinem Kampf gegen den Luxus wurde nun dem Areopag ein größerer Kompetenzbereich und insgesamt eine wichtigere Rolle zugeteilt.31 Wie die Gynaikonomoi agierten die Areopagiten, die wegen ihrer Schweigsamkeit und ihrem finsterem Blick zum Sprichwort wurden, offensichtlich als eine Art Sitten- und Luxuspolizei.32 Es liegt nur nahe, dass sie (oder zumindest “einige” von ihnen, wie Klearchos sagt) dabei versuchten, möglichst unerkannt zu sein, damit sie ihre ‘polizeiliche’ Pflicht besser erfüllen können. Darin besteht also die Ähnlichkeit mit den “ehrenwerten Kolakes”, auf die Klearchos hinweist.

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Vgl. Menander fr. 208 K.-A., Timokles fr. 34 K.-A. Zu der Zeit der Einsetzung der Behörde s. E. Martini, “Demetrios”, RE IV 2 (1901) 2825 f.; Jacobys Kommentar zum Philochoros-Fragment; Odile De Bruyn, La compétence de l’Aréopage en matière de procès publics, (Historia ES 90) Stuttgart 1995, 173. Isokrates 7, 46 ἐθεώρουν τὸν βίον τὸν ἑκάστου, καὶ τοὺς ἀκοσμοῦντας ἀνῆγον εἰς τὴν βουλήν. Zum Areopag im Rahmen der solonischen Verfassung s. Arist. Ath. Pol. 8, 4; Plut. Sol. 19, 4; Wallace (1985) 62 ff. verbindet den Areopag besonders mit dem νόμος ἀργίας. Dazu s. Bernhardt (2003) 50. 270; auch A. Philippi, Der Areopag u. die Epheten, Berlin 1874, 308-9; G. Busolt – H. Swoboda, Griech. Staatskunde, II 929. Zum Sprichwort s. Macarius II 30 (CPG II p. 146): Ἀρεοπαγίτης· ἐπὶ τῶν σκυθρωπῶν καὶ ὑπερσέμνων καὶ σιωπηλῶν (auch Diogenian. II 91 [I p. 212], Apostol. IV 100a [II p. 310], sowie Suda α 3824); vgl. Juven. Sat. 9, 101 (ergo occulta teges ut curia Martis Athenis); Them. Βασαν. 263a (ἔπειτα ἂν μὲν ἀγαθὸν πύθῃ, στεγανὸς εἶ καὶ Ἀρεοπαγίτου σιωπηλότερος); Macrob. Saturn. VII 1, 17 (ut apud Athenas Atticas Areopagitae tacentes indicant); s. Wallace (1985) 111 u. 255 Anm. 74.

V. ‘Gergithios’

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Bei der Verbindung der Gerginoi mit der Stadt Gergitha in der Troas ist, wie schon gesagt, der Zweck der Erzählung im Gergithios durchsichtig. Genauso große Beachtung verdient jedoch der Inhalt der Erzählung selbst. Ich fasse im Folgenden nach chronologischer Ordnung zusammen, was nach Klearchos die Gerginoi zu diesem Thema behaupteten: Als Teukros nach Zypern kam, brachte er Trojaner als Kriegsgefangene mit sich, mit denen er die Insel besiedelte. Ein Nachfahre der Gerginoi unternahm “mit einigen Leuten” einen Zug in die Aiolis “zur Erkundung und zur Besiedlung des Landes ihrer Vorfahren”. Im Bereich des trojanischen Berges Ida gründete er unter Einbeziehung einer Schar von Mysiern eine Stadt, die früher nach dem Geschlecht der Gerginoi “Gergina genannt wurde, jetzt aber Gergitha heißt”. Von den Teilnehmern des Zuges hatten sich einige abgetrennt und in der Gegend von Kyme festgesetzt.33 Die von den Gerginoi erzählte und von Klearchos wiedergegebene Geschichte (vgl. die Worte καθάπερ καὶ αὐτοί [sc. die Gerginoi] φασι sowie das λέγουσι) ist ziemlich kompliziert. Sie erfordert natürlich zunächst die Legende über die Gründung des zyprischen Salamis durch Teukros und setzt somit den genealogischen Mythos über die Abstammung der Könige in Zypern von ihm voraus.34 Sie besteht im wesentlichen in einem Gründungmythos, nach dem die Stadt Gergitha von einem der Gerginoi, dessen Abstammungsort das trojanische Gebiet war, gegründet worden sei. Die Herstellung der Beziehung zwischen dem zyprischen Adelsgeschlecht und der trojanischen Stadt beruhte vermutlich auf zwei Tatsachen: (a) Die Namen Gerginoi und Gergitha ähneln sich und, da ihre Etymologie genauso undurchsichtig und unerklärlich ist, kann man sie als verwandt ansehen. (Es ist bemerkenswert, wie die kleine Abweichung der beiden Namen erklärt wird: ἥ πάλαι μὲν ἀπὸ τοῦ γένους Γέργινα, νῦν δὲ Γέργιθα κέ-

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Zur Gründung der Siedlung Gergitha bei Kyme s. Prinz (1979) 71.

Die Verbindung des Teukros mit Zypern wird schon in Pi. Nem. 4, 46 bezeugt; vgl. Horaz Od. I 7, 28-9; Datierung in Marmor Parium (FGrHist 239 A 26). Zu den Teukriden: Isokr. 3, 28; 9, 18 f.; Paus. I 3, 2; II 29, 4. Über Teukros und die Teukrer auf Zypern s. J.J.G. Vürtheim, Teukros u. Teukrier, Rotterdam 1913, 11 ff.; wichtig auch die Diskussion in Prinz (1979) 75-77. Zu den Beziehungen zwischen Troja und Zypern s. Oberhummer (1924) 85. 91f. In Bezug auf den “Kyprier” Teukros bemerkt Vürtheim folgendes (S. 11-12): “Einen einheimischen Kyprier kennt zwar die Sage nicht, jedoch lässt sie einen Teukros wandern und dort sich ansiedeln. Wir meinen hier nicht den aus Griechenland verstossenen, nach Kypros geflüchteten Heros, wohl aber den Führer, der nach Kypros, wie die alten fabelten, mit gefangenen Troern zog. Natürlich wird dieser Teukros, der gewiss auch in verschollenen Sagen gelebt hat, mit dem Sohn Telamons bald verschmolzen sein, wir können also erwarten, dass die Späteren nur von einem wussten. Wir hören also von Teukrern in Kypros, die aus Troas kamen.”

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Interpretationen

κληται.) Und wenn die Namen verwandt sind, können auch die Leute verwandt sein. (b) Nicht nur wird Troas bisweilen als “Teukris” bezeichnet (vgl. z.B. Aesch. Ag. 213; Hdt. II 118), sondern auch das Volksstamm der Gergithen Troas wird als “Teukrer” bezeichnet. Herodot spricht von den Γέργιθες Τευκροί (VII 43) und von Γέργιθας τοὺς ὑπολειφθέντας τῶν ἀρχαίων Τευκρῶν (V 123). Der Eponym der Teukrer war natürlich der Sohn des Skamandros, nicht des Telamon. Da aber die Unterscheidung zwischen den beiden Teukroi nicht immer klar war, ist durchaus vorstellbar, dass jemand auf die Idee kam, die Teukrer mit dem Gründer des zyprischen Salamis und somit indirekt mit Zypern zu verbinden. Dass diese zweite Annahme für den Klearchos-Text wirklich zutrifft, läßt sich nicht beweisen. Warum schließlich der Gergine, der Gergitha gründete, “eine Schar von Mysiern mit einbezogen hat” (συμπαραλαβών τινάς τῶν Μυσῶν), lässt sich vielleicht erklären, wenn man annimmt, dass man von der Existenz des Ortes Gergithion und der Stadt Stadt Gergitha in Lampsakos (also in Mysia) wusste, den später auch Strabon erwähnt.35 Was war aber der Zweck dieser Erzählung, nach der ein trojanischer Gerginer aus Zypern die Stadt Gergitha gegründet haben soll? Nach F. Prinz hängt sie zunächst mit der “Aitiologisierung des Gerginennamens” zusammen.36 Das scheint in der Tat sehr plausibel zu sein. Naheliegend ist auch die Antwort auf die Frage, warum die Gerginoi durch die Tat eines ihrer Mitglieder die Gründung der Stadt Gergitha beanspruchten: Damit waren sie “zu Städtegründern geworden, hatten an Vornehmheit und Bedeutung gewaltig gewonnen und konnten für sich gleichsam eine eigene Urgeschichte beanspruchen” (F. Prinz). Aus all diesen Einzelheiten geht hervor, dass es sich hier um eine Erzählung handelt, die aus einer doppelten Kombination entstanden ist: einerseits werden die als Spione agierenden Schmeichler in Zypern, die Gerginoi, als mit den Gergithen in der Troas verwandt hingestellt, andererseits wird durch diese erste Kombination ein berüchtigter Schmeichler Alexanders des Großen namens Gergithios indirekt (durch die Stadt Gergitha) mit den zypriotischen Gerginoi in Verbindung gebracht. Im Gegensatz zur ersten Kombination kann letztere (Gergithios – Gerginoi) nicht von den Gerginoi selbst stammen (sie hatten wohl nicht den Ursprung der Schmeichelei für sich in Anspruch genommen, nur die ruhmvolle Herkunft von

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Strabon XIII 1, 19: ἐν δὲ τῇ Λαμψακηνῇ τόπος εὐάμπελος Γεργίθιον· ἦν δὲ καὶ πόλις Γέργιθα ἐκ τῶν ἐν τῇ Κυμαίᾳ Γεργίθων. Zu den Gergithen in Kyme s. auch Brown (2000) 193 ff. Prinz (1979) 76.

V. ‘Gergithios’

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Teukros und die Gründung der Stadt in der Troas). Die Verbindung des Gergithios mit Zypern dürfte also auf Klearchos zurückgehen, der offensichtlich mit der konkreten Einrichtung in Zypern vertraut war. Die Verbindung der Gergithen in der Troas (und nicht in anderen Gebieten, etwa in Kyme oder in Milet) mit Zypern scheint Klearchos in der Tat vorgefunden zu haben und zwar nicht nur in zyprischen Quellen. Bemerkenswert ist zunächst, dass er auch eine andere Version über die Gründung der Stadt Gergitha in der Troas und in Kyme (οὐκ ἐκ τῆς Θετταλικῆς Τρίκκης, καθάπερ τινὲς εἰρήκασιν) kennt, den zyprischen Ursprung aber durch die Erwähnung von Einzelheiten (einer der Gerginoi sei mit einigen aus Zypern “an der Küste entlang in Richtung der Aiolis” gesegelt, er habe “im Bereich des troischen Ida unter Einbeziehung einer Schar von Mysiern eine Ansiedlung” gegründet usw.) verficht. Er erwähnt überhaupt nicht – absichtlich oder nicht, ist nicht zu sagen – die Gergithen in Milet, die Herakleides von Pontos in seiner Schrift Über die Gerechtigkeit (fr. 23 Schütr. = Athenaeus XII 523F) als eine niedere Bevölkerungsgruppe (τῶν δημοτῶν, οὓς ἐκεῖνοι Γέργιθας ἐκάλουν) darstellt.37 Seine Angaben über die Gergithen in Troas stimmen jedoch, wie oben schon erwähnt wurde, in einem wichtigen Punkt mit denen Herodots überein. Letzterer erzählt in Zusammenhang mit dem Ionischen Aufstand, als der Perser Hymeas das Gebiet von Troja erobert, folgendes über die Gergithen (V 122): “Hymeas aber [...] unterwarf die Aiolier alle, wie auch die Gergithen, die Überbleibsel der alten Teukrer waren”. Als Herodot später über den Übergang des persischen Heeres bei Abydos während des Xerxes-Zuges schreibt, erwähnt er wieder im Territorium von Ilion die “Gergithischen Teukrer” (VII 43). Bedenkt man überdies, dass auch Strabon von einer Tradition weiß, wonach Gergitha in der Troas von den Gergithen in Kyme gegründet worden sei (XIII 1, 19: ἦν δὲ καὶ πόλις Γέργιθα, ἐκ τῶν ἐν τῇ Kυμαίᾳ Γεργίθων), von denen Klearchos, wie wir schon gesehen haben, sagt, sie seien “ein paar Leute” gewesen, die sich von den übrigen Gerginoi “abgetrennt” hätten, so muss man annehmen, dass zumindest ein Teil der ganzen Tradition, die Klearchos wiedergibt, nicht aus zypriotischen Quellen stammt. Es geht also bei dieser Erzählung um eine Konstruktion, die aus Elementen verschiedener Traditionen besteht.

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Zu seiner Erzählung über die Gergithen und den Aufstand in Milet s. N. Robertson, “Government and Society at Miletus, 525–442 B.C.”, Phoenix 41 (1987) 374 ff.; M. Faraguna, “Note di storia milesia arcaica: I ΓΕΡΓΙΘΕΣ e la ΣΤΑΣΙΣ di VI secolo”, Studi Micenei ed Egeo-Anatolici 36 (1995) 37-89. Auf diese Situation in Milet spielt offensichtlich auch Aristoteles fr. 557 R3 (= Athen. XII 523E) an.

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Interpretationen

(iii) Die Kolakides Die Erzählung über die “ehrenwerten Kolakes”, die Gerginoi und die Promalanges, bringt Klearchos zu ihrem weiblichen Gegenstück, d.h. den Hofdamen, die unter dem Namen Kolakides bekannt waren. Im Gegensatz zur Darstellung der Kolakes befasst sich unser Autor aber jetzt in moralischem Ton eher mit dem Schicksal der Kolakides außerhalb Zyperns: Von denen, die es zur Zeit des Karers Glus gegeben hat, sagt er, hatte man ein paar zu den Frauen des Artabazos und des Mentor holen lassen; sie wurden wegen der Art ihres Dienstes in κλιμακίδες umbenannt und lebten in ihrem Alter unter harten Bedingungen; diejenigen jedoch, die nicht zu ‘Leiterfrauen’ wurden, sondern die in Zypern übliche Verhaltensweise übernommen hatten (τῶν παρ’ ἡμῖν ταῦτα διαδεξαμένων),38 gelangten nach Makedonien, wo sie die Herrscherinnen und die Königinnen verdarben. Für einen Schmeichler ist eine Dienstleistung dieser Art (Hilfe beim Aufsitzen auf ein Pferd) nicht unglaubhaft.39 Welchen Absturz aber für eine Hofdame der Dienst als ‘Leiterfrau’ bedeutete, kann man besser verstehen, wenn man bedenkt, dass das Helfen beim Aufsitzen nicht einfach als Zeichen unpassender Unterwürfigkeit, sondern den Griechen auch für persische Sitte galt.40 Der Bericht des Klearchos ist hier unbeachtet geblieben, obwohl er viele und interessante Einzelheiten enthält. Von Artabazos III. wissen wir, dass er seit ungefähr 362 v.Chr. Satrap in der Hellespontischen Satrapie von Daskyleion war und dass er um 356 v.Chr., nachdem also Artaxerxes III. Ochos den Thron bestiegen hatte, abfiel. Mit der Hilfe zunächst des athenischen Feldherrn Chares und seiner Söldner, und später der Thebaner, die ihm Pammenes mit 5000 Mann schickten, konnte er sich siegreich behaupten, erlitt aber 352 durch die Armee des Großkönigs eine Niederlage.41 Mentor, der hier ebenfalls erwähnt wird, kam aus Rhodos, war Schwager des Artaxerxes und gehörte, wie sein Bruder Memnon, zu den fürstlichen Herren im westlichen Kleinasien. Während des Aufstandes in

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Vgl. auch Schweighäuser (1802) IV 519: “Dicit ergo, eae quae has artes ab istis foeminis, quae apud nos olim erant, quasi per traditionem et successionem acceperant.” Vgl. Eustath. De simulatione 13 (Eustathii Opuscula, ed. L.F. Tafel, p. 91, 13). Vgl. Xen. De re equ. 6, 12 (ἀναβάλλειν ἐπίστασθαι τὸν Περσικὸν τρόπον); s. J. Droysen, RE I 2 (1894) 2015-16. Judeich (1892) 195 A. 1. 204 ff.; ders., RE II 1 (1895) 1299-1300; K.J. Beloch, Griechische Geschichte, II 2, 147 ff.; Berve (1926) Nr. 152; S. Hornblower, CAH, VII2 1, 89 f.

V. ‘Gergithios’

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Ägypten hatte Mentor seine Söldner dem Großkönig zur Verfügung gestellt und leistete insgesamt großen Beitrag zur Unterwerfung der Revolte, so dass er vom Großkönig hoch geachtet und geschätzt wurde.42 Interessant in Bezug auf die historischen Kenntnisse des Klearchos ist nun, dass seine Angaben mit weiteren historischen Einzelheiten übereinstimmen. Artaxerxes hatte in der Tat eine große Familie: Nach Diodor (XVI 52, 4) hatte er von seiner rhodischen Frau elf Söhne und zehn Töchter, von denen eine namens Barsine πεπαιδευμένη παιδείαν ἑλληνικὴν (Plut. Alex. 21) war. Und auch die Bezeichnung Klimakides für die heruntergekommenen Kolakides, die mit ihren Körpern Hilfe leisteten, damit die auf dem Wagen fahrenden Frauen ein- und aussteigen konnten, erinnert sprachlich zumindest an die ἐπωστρίδες in Samos (ganz in der Nähe von Karien) sowie an die ἐπωπίδες.43 Welche Beziehungen Artabazos und Mentor nun zu Zypern hatten, läßt sich wegen der Dürftigkeit der Nachrichten über die Insel in den sechziger Jahren nicht sagen.44 Es klingt aber plausibel, dass es solche Beziehungen gegeben hat, zumal wenn man die Erwähnung in diesem Zusammenhang eines anderen Kleinasiaten, des Karers Glus, berücksichtigt,45 und wenn man weiter bedenkt, dass Mentor als rhodischer Söldnerführer Zypern wohl gut gekannt haben wird. Zweifellos wichtiger ist jedoch eine andere, von historiographischen Quellen überlieferte Nachricht: Artabazos suchte nach seiner Niederlage Zuflucht bei Philippos in Makedonien; von dort kehrte er um 345 zusammen “mit seiner ganzen Verwandtschaft” nach Persien zurück, als Artaxerxes ihn auf Bitte des Mentor begnadigt hatte.46 Erst durch diese Nachricht kann man vielleicht verste-

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U. Kahrstedt, “Mentor [6]”, RE XV 1 (1931) 964-5. Hsch. ε 5603: ἐπωστρίδες· αἱ κατὰ Σάμον ταῖς γυναιξὶ τὴν δεξιὰν χεῖρα ἐπέχουσαι κατὰ τὴν ὀσφύν. Zu Erklärungsversuchen s. Schmidt und Latte im kritischen Apparat. Zu den ἐπωπίδες: Lykophron, Alex. 1176; Hsch. ε 5592. Es ist vor allem nicht bekannt, was in Zypern während des großen Satrapenaufstandes geschah. Judeich (1892) 132 f. und G. Hill, A History of Cyprus, I, Cambridge 1972, 145 verbinden die Verhaftung (Max. Tyr. Diss. 20, 2) und den gewaltsamen Tod (Athen. XII 531D-E, Ael. V.H. 7, 2) des Nikokles vor 354/3 v.Chr. gerade mit diesem Aufstand. Zur Rolle des Glus im kyprischen Krieg und seinem Aufstand gegen den Großkönig (Diod. XV 9, 3-5: 385/4 v.Chr.) s. ausführlich S. Ruzicka, “Glos, Son of Tamos, and the End of the Cypriot War”, Zeitschr. f. Alte Geschichte 48 (1999) 23-43; ferner S. Dušanić, ZPE 133 (2000) 21-30. Diod. XVI 52, 3: ὁ δὲ Mέντωρ ἔχων οἰκειότητα πρὸς Ἀρτάβαζον καὶ Mέμνονα τοὺς διαπεπολεμηκότας μὲν πρὸς Πέρσας ἐν τοῖς ἐπάνω χρόνοις, τότε δὲ πεφευγότας ἐκ τῆς Ἀσίας καὶ διατρίβοντας παρὰ Φιλίππῳ, δεηθεὶς τοῦ βασιλέως ἔπεισεν αὐτὸν

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Interpretationen

hen, was Klearchos mit den Worten meint, einige Kolakides seien nach ihrem “Sturz aus der Macht” (ἐκπεσοῦσαι τῆς ἐξουσίας) nach Makedonien gelangt und hätten dort die Königinnen unter anderem durch Magie der schlimmsten Art beeinflusst.47

(iv) Der junge König aus Paphos Zentrale Stellung zumindest in den erhaltenen Fragmenten des Gergithios nimmt die Geschichte über den jungen König aus Paphos ein. Die ganze Beschreibung sollte zweifellos den Eindruck extremen Luxus orientalischer Art und entsprechender Weichlichkeit vermitteln48: eine Kline mit silbernen Füßen49, die mit einem weichen und sehr kostbaren Teppich aus Sardes bezogen war50; über ihr ein Purpurtuch, an beiden Seiten mit einer

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ἀπολῦσαι τοὺς ἄνδρας τῶν ἐγκλημάτων. εὐθὺς δὲ καὶ μετεπέμψατο πρὸς αὐτὸν ἀμφοτέρους μεθ’ ὅλης τῆς συγγενείας. Vgl. Curtius, Hist. Alex. Magni V 9, 1; VI 5, 2: quippe et hospes Philippi fuerat (sc. Artabazus), cum Ocho regnante exsulerat. ταυροπόλοι und τριοδίτιδες weisen auf Dienerinnen der Artemis bzw. der Hekate hin, die Hexen geworden waren (Wilamowitz, Der Glaube d. Hellenen, I 182 Anm. 1). τριοδῖτις wurde aber auch zur Bezeichnung von Straßendirnen gebraucht, so dass in der Bezeichnung der Frauen als ταυροπόλοι vermutlich ein Wortspiel vorliegt (“quia virosae, quasi dicas ταυριῶσαι”: Lobeck, Aglaophamus, 1089; s. auch H. Oppermann, “Tauropolos”, RE V A [1934] 35). Das Wort ἀποκαθαρμάτων erinnert ferner an die καθάρσια bzw. ὀξυθύμια, die unreinen Reste der Sühnerituale, die man an einer Kreuzung (als Ort des ‘Nirgendwo’ und infolgedessen Ort außerhalb der Gesellschaft) ließ (s. S.I. Johnston, “Crossroads”, ZPE 88 [1991] 220-1). An Kreuzungen wurde Hekate verehrt, die oft im Rahmen schädlicher Magie zu Hilfe gebeten wurde. Diese Tätigkeit war ebenfalls mit Unreinheit verbunden, s. R. Parker, Miasma, Oxford 1983, 222-4. An der vorliegenden Stelle ist also die Rede nicht nur von Magie, sondern von Magie verbunden mit sexueller Zügellosigkeit und großer Unreinheit. Es sei daran erinnert, dass Paphos für seinen Wohlstand sehr bekannt war. Seine Priesterkönige stammten nach dem Mythos von dem für seinen Reichtum legendären (Tyrt. 12, 6 West; Pi. Nem. 8, 18) Kinyras ab. Zum orientalischen Ursprung der Gelageszenen und ihrer Verbindung bei den Medern, Lydern und Ionern mit dem Luxus sowie zur Bedeutung dieser Sitte für den Einzug der τρυφή s. B. Fehr, Orientalische und griechische Gelage, (Diss.) Bonn 1971, 128 ff. Die Verwendung von Edelmetallen bei griechischen Prunkmöbeln seit dem zweiten Viertel des 4. Jhs. ist auf persischen Einfluss zurückzuführen, s. Kyrieleis (1969) 139 ff., der dazu noch bemerkt: “Bei griechischen Beschreibungen persischer Möbel wird besonders auf die reiche Verwendung von Edelmetallen hingewiesen” (140). Vgl. bes. die “vergoldeten und versilberten” Klinen im Zelt des Mardonios (Hdt. IX 80) und die Klinen “mit silbernen Füßen” im Zelt des Tiribazos (Xen. Anab. IV 4, 22). Vgl. Kyrieleis (1969) 148: “Eine weitere Eigentümlichkeit in der Herrichtung persischer Betten ist das große darübergebreitete Tuch, das auf allen Seiten weit herab-

V. ‘Gergithios’

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Falbel aus feinem Flachs versehen, das in einer Hülle aus kostbarstem Gewebe steckte51; Kissen aus feinstem Leinen mit Purpurrand für den Kopf und ähnliche mit Scharlach gefärbte (“von den sogenannten Dorika”) für die Füße52; zartes Tuch (p. 31, 33: λεπτῷ ληδίῳ) und zudem Kolakes, von denen einer mit einem phokaischen Fächer53 fächelt. Die lebhafte Szene mit den drei Männern verbindet die Weichlichkeit mit der Kolakeia und macht die Gefahr deutlich, die der letzteren innewohnt. Ich werde hier nicht ausführlich auf Einzelheiten der Beschreibung eingehen, obwohl sie in Hinsicht auf das weit bekannte luxuriöse Leben in Paphos und den Einfluss des Orients (in diesem Fall: Persiens) auf Zypern interessant sein mögen. Ich bleibe nur bei dem Vorfall mit der Fliege, denn erst durch ihn bekommt die Geschichte einen Sinn. Die drei Kolakes, die sich an der beschriebenen Szene beteiligen, tragen Namen von Belang für die Deutung des Abschnitts. Klearchos selbst sagt, dass die drei Männer bei den Einheimischen Spitznamen trugen, die charakteristisch für ihre Tätigkeit waren.54 Ob man in Zypern wirklich diese Namen für diese oder derartige Kolakes benutzte, läßt sich nicht sagen. Es sei nur darauf hingewiesen, dass Spitznamen für Kolakes und Parasiten in der Antike sehr gewöhnlich waren, dass sie einzelnen Personen oder

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hängt”. Bei Σαρδιανὸς ψιλόταπις handelte es sich um ein ganz außerordentliches Luxusobjekt, vgl. Athen. XII 514C = Heraclid. Cum. FGrHist 689 T 1 (ὑποτιθεμένων ψιλοταπίδων Σαρδιανῶν, ἐφ’ ὧν οὐδεὶς ἄλλος ἐπέβαινεν ἢ βασιλεύς). Man vergleiche u.a. die Ausstattung der Klinen mit ἀμφίταποι ἁλουργεῖς und ψιλαὶ Περσικαί im prachtvollen Symposion des Ptolemaios Philadelphos in Kallixenos FGrHist 627 F 2. Dazu s. Studniczka (1914) 118 ff. Zur Terminologie vgl. Pollux VI 10 und s. dazu Ransom (1905) 109-10. Zu ἀμοργίνῳ καλύμματι vgl. Ar. Lys. 150; Antiphanes fr. 151 K.-A. Zur Bedeutung der Purpurfarbe s. allgemeiner M. Reinhold, History of Purple as a Status Symbol in Antiquity, Brüssel 1970, 7-36; H. Blum, Purpur als Statussymbol in der griechischen Welt, Bonn 1998. Die vielen Kopfkissen zeigen vielleicht, dass die Kline keine Kopfstütze hatte. Das Fehlen von Kopfstützen war ein Kennzeichen des persischen Bettes, s. Kyrieleis (1969) 148. Bei φωκαϊκὸν ψῦγμα handelte sich um eine pavonina flabella, einen Fächer aus phokaischen Pfauenfedern (Phokaia war berühmt für seine Pfauen). Dazu s. Mau (1909) 1961; vgl. Diez (1969) 222-4. Goldene Fächer aus Pfauenfedern wurden von vornehmen Frauen in Byzanz gebraucht, s. Anon. Poulologos 162 Tsavari. Im Text steht (p. 31, 31): καὶ τούτων ὄντων ἐπωνύμων παρ’ ἡμῖν. (Zu ἐπώνυμος in dieser Bedeutung s. LSJ s.v. I 1.) Gulick, der in der Regel sehr vorsichtig ist, übersetzt in diesem Fall ungenau: “and who have given rise to certain names which we use” (ähnlich Olson: “and we have taken over their names for other purposes”). Vgl. p. 32, 2: τὸν πρῶτον αὐτὸν ἐπονομάσαντα Σικύαν.

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Interpretationen

besonderen Kategorien beigelegt wurden und dass sie in der Regel durchsichtige Bedeutung hatten.55 Wenn die in der Erzählung erwähnten Namen in Zypern bereits auf Kolakes angewandt waren, so muss man annehmen, dass Klearchos die Tätigkeit jedes Einzelnen so beschreibt, dass sie am Ende auch mit dem Namen des entsprechenden Kolax in Kongruenz steht. Der erste heißt Παράβυστος (‘Hineingestopft’), “weil er sich, auch wenn er nicht willkommen geheißen wird, trotzdem durch besonders geschickte Schmeichelei (τεχνικώτατα κολακεύων) in die Gesellschaft Eingang verschafft hat (παρεμπίπτειν)”. Der Name, wie er hier benutzt wird, stammt gewiss aus den Symposien und hat mit Parasiten zu tun. Als παράβυστοι wurden offensichtlich die minder geschätzten Gäste, wie die Parasiten, bezeichnet, die sich in den Symposien unter die übrigen Gäste drängten und sich gelegentlich mit weniger Platz auf der Kline eines anderen Gastes begnügen mussten.56 An unserer Stelle wird ebenfalls gesagt, dass Παράβυστος am Fußende der Kline saß und die Füße des jungen Mannes auf seinem Schoß hielt. Wegen seiner Stellung konnte er sich auch Liebkosen sexueller Art widmen, was Klearchos mit den Worten ὃ δὲ ἐποίει δήπου καὶ μὴ λέγοντος οὐκ ἄδηλον andeutet. Die ganze Szene erinnert in vielen Einzelheiten an die Gelageszene aus Terrakotta aus dem äolischen Larisa am Hermos (um 520 v.Chr.).57 Der Name Σικύας des zweiten Kolax hat mit σικύα (‘Gurke’) zu tun. Aber σικύα hieß auch der ‘Schröpfkopf’,58 und hier ist klar, dass der Name Σικύας die Bedeutung ‘Schröpfer’ hat. Warum Klearchos diese Bezeichnung als “treffend” bezeichnet, liegt auf der Hand: Dieser Kolax umfasste und rieb die ganze Zeit die Finger des jungen Paphiers. Das soll zweifellos

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Eine Liste mit diesen Spitznamen bei Ribbeck (1884) 70 ff. Vgl. was in Zusammenhang mit dem berüchtigten Parasiten Chairephon in Timotheos fr. 1 K.-A. gesagt wird: πειρώμεθ’ ὑποδύντ’ ἐς τὸ δεῖπνον ἀπιέναι· εἰς ἑπτάκλινον δ’ ἐστίν, ὡς ἔφραζέ μοι, ἂν μὴ παράβυστός που γένηται Xαιρεφῶν. Vgl. ferner Sch. Pl. Grg. 451e: ἡ δὲ περίοδος σκολιὰ ἐγίνετο (sc. ἐν τοῖς γάμοις) διὰ τὴν θέσιν τῶν κλινῶν καὶ τὰς ἐπ’ αὐτὰς κατακλίσεις παραβύστους γίνεσθαι (hierzu s. auch R. Reitzenstein, Epigramm und Skolion, Gießen 1893, 11-12, der statt des überlieferten Textes liest: καὶ τῷ ἐπ’ αὐτὰς κατακλίσεις παραβύστων γίνεσθαι). Dazu s. Å. Åkerström, Die architektonischen Terrakotten Kleinasiens, Lund 1966, 56ff. mit Abb. 20. LSJ s.v. σικύα II.

V. ‘Gergithios’

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als eine Art (erotisch wirkender?) Massage verstanden werden.59 Zur Deutung der Beschreibung sind aber die Einzelheiten wichtig, dass es sich nur um die “hängende” Hand des jungen Königs handelt und dass der Schmeichler “jeden einzelnen der Finger (τῶν δακτύλων ἕκαστον) für sich rieb, sie auseinanderspreizte und zog und dehnte”. Die unwichtige Arbeit offenbart den Umfang der Unterwürfigkeit und der Unanständigkeit. Der Name des dritten Kolax, des Θήρ (‘wildes Tier’), lässt zunächst im Vergleich mit den beiden anderen Namen einen höheren Grad in der Kolakeia erkennen. Er ist in der Tat dem jungen Mann vertrauter, steht am Kopfende und wird als “Anführer der Dienstleistung” (πρωταγωνιστής) bezeichnet.60 Darüber hinaus bildet das ‘wilde Tier’ einen starken und gewiss beabsichtigten Kontrast zu der tapferen aber kleinen Fliege, die den jungen Mann sticht. Der Name muss aber auch ein wesentliches Merkmal des bestimmten Kolax zum Ausdruck bringen. Das damit angedeutete Merkmal des Kolax ist vermutlich seine Zügellosigkeit in Zusammenhang mit den sinnlichen Genüssen.61 Der Vorfall mit der Fliege knüpft an die Beschreibung des Benehmens des wichtigsten der drei Kolakes, des Θήρ, an. Er teilte, sagt Klearchos, liebevoll mit dem Jungen die Kopfkissen und erwies seine Gefälligkeit ihm gegenüber auf verschiedene Art. Unter anderem wirbelte er mit der Rechten einen phokäischen Fächer (ψῦγμα) und indem er zufächelte, vertrieb

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Vgl. Aristaen. Ep. 1, 16: καὶ τῆς ἐμῆς αὐτὴ λαβομένη χειρὸς ἐμάλαττε τοὺς δακτύλους ἐκ τῶν ἁρμῶν ἠρέμα χαλῶσα, καὶ προσεγέλασεν ἡδύ, καὶ ἦν σφόδρα βουλομένης τὸ βλέμμα, πάλαι μὲν σεμνόν, νῦν δὲ γέγονεν ἐξαίφνης ἐρωτικόν. Zum metaphorischen Gebrauch des Wortes πρωταγωνιστής s. R. Kassel, RhM 105 (1962) 117 = Kl. Schriften 329. Vgl. z.B. Pl. R. XI 591c5 (οὐχ ὅπως τῇ θηριώδει καὶ ἀλόγῳ ἡδονῇ ἐπιτρέψας ἐνταῦθα τετραμμένος ζήσει), Arist. EN III 10.1118a23. Vgl. H. Blümner, Studien zur Geschichte der Metapher im Griechischen, I: Ueber Gleichniss und Metapher in der attischen Komödie, Giessen 1899, 198, der zum Wort bemerkt, dass die Dichter θήρ oder θηρίον öfters gebrauchen, “um damit Menschen von rohem, den Thieren ähnlichem Charakter und Gesittung” zu bezeichnen. Θήρ ist die Form, die der Tragödie geläufiger ist, während in der Komödie und in der Prosa θηρίον fast überall vorkommt (zum Gebrauch des Wortes bes. bei den Rednern des 4. Jh. s. J.-L. Perpillou, “Quelle sorte de θηρίον fut Démosthene?”, RPh 69 [1995] 263-8). Klearchos verwendet hier das erste vermutlich deswegen, weil das maskuline Substantiv für einen Spitznamen geeigneter ist. Zum Vergleich des Kolax mit einem ‘wilden Tier’ s. Plat. Phdr. 240b1 (κόλακι, δεινῷ θηρίῳ), das von Athenaios zitiert wird. Θήρων war ein gewöhnlicher Name für Parasiten: Suda δ 1244 (Κλείσοφοί τε καὶ Στρουθίαι καὶ Θήρωνες καὶ οἱ περὶ τὴν Διονυσίου βομβοῦντες τράπεζαν καὶ οἱ περὶ τὴν δαῖτα Ἀλεξάνδρου μεμηνότες), κ 1760. Θήρων heißt auch der Parasit im Sikyonios des Menander, der durch die typische Parasiteneigenschaft der Esslust gekennzeichnet wird; dazu s. Nesselrath (1985) 110.

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Interpretationen

er zugleich die Fliegen. Irgendein ἐλευθέριος δαίμων schickte jedoch dem Jungen verärgert eine furchtlose Fliege, die ihn sehr stark stach. Darauf schrie Θήρ um dessentwillen so laut, dass er “infolge seiner Abscheu gegen eine einzige Fliege alle aus dem Haus jagte, woraus sich erklärte, dass er sich selbst für diesen Zweck bestimmt hatte”. Was will dieser Vorfall sagen? Und wie kam sein Erfinder (Klearchos oder wer auch immer es war) zu diesem paradoxen Einfall? Worüber hat sich eigentlich der erwähnte ἐλευθέριος δαίμων geärgert? Und wie soll die Entscheidung des Θήρ, alle Fliegen aus dem Hause zu verjagen, gedeutet werden?62 Zunächst sei bemerkt, dass das Motiv des Kolax, der die Fliegen von dem zu schmeichelnden Mann verscheucht, eine längere Geschichte hat und keine Erfindung des Klearchos war. Bei Aristophanes allein findet sich das Motiv zwei Mal. Im Prolog der Ritter schildert der erste Sklave (Demosthenes), wie der neugekaufte Gerberknecht aus Paphlagonien seinem Herrn, Demos, schmeichelte (V. 47 ἐκολάκευε): Der Paphlagonier steht u.a. mit dem Wedel, wenn der Herr speist, und “scheucht die Redner fort” (59-60: βυρσίνην ἔχων / δειπνοῦντος ἑστὼς ἀποσοβεῖ τοὺς ῥήτορας). Das antike Scholion bemerkt richtig dazu, dass in βυρσίνη eine Anspielung auf μυρσίνη steckt, dessen man sich zum Fliegenscheuchen bediente. Das Motiv findet sich ferner in den Wespen. Der an Prozesswut leidende Philokleon verherrlicht im Agon die Macht der Laienrichter und schildert dabei, wie sogar der führende Demagoge Kleon sich so schmeichelhaft den Richtern gegenüber benimmt, dass er ihnen “die Fliegen verscheucht” (V. 596-97 τὰς μυίας ἀπαμύνει).63 Auf der anderen Seite gehörte seit Homer Mut zu den Merkmalen, die man für das Verhalten der Fliege charakteristisch hielt. Bereits in der Ilias (17, 570-2) findet sich die berühmte Szene, auf die auch Klearchos hier gewiss anspielt: Athena flößt dem Menelaos durch eine Fliege Mut ein.64 Ein rhetorisches Lob dieses Mutes sowie eine mythische Erklärung ihres

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Offenbar bleibt das Subjekt von ἠγανάκτησε und ἤλαυνεν das gleiche, nämlich Θήρ. Vgl. freilich die Anekdote über den Kaiser Domitian, der angeblich sich persönlich mit der Jagd auf Fliegen beschäftigte und deswegen lächerlich wurde (Suet. Domit. 3; ferner Cassius Dio LXVI 9, 5). Vgl. Nesselrath (1985) 97. Zum Demagogen als Kolax vgl. Arist. Pol. V 11.1313b40 ἔστι γὰρ ὁ δημαγωγὸς τοῦ δήμου κόλαξ. Interessanterweise zitierte nach D.L. IX 60 der Kolax Anaxarchos Alexander einen Vers aus der Ilias (5, 340), um ihm zu sagen, dass ‘Götterblut’ durch seine Adern fließt. Homer war offenbar sehr beliebt am Hof Alexanders. Anaxarchos wird übrigens von Klearchos in fr. 60 (aus der Schrift Περὶ βίων) erwähnt.

V. ‘Gergithios’

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Stiches, wonach er ursprünglich erotischen Charakter gehabt haben soll, liest man später in Lukians Muscae encomium (§ 5. 7. 10). Neben dem Mut der Fliege war aber schon zur Zeit des Klearchos literarischer Topos das (scherzhafte) Lob des Mannes, der den Stich der Fliege tapfer aushält, wie man aus dem Tadel dieses Lobes durch den Stoiker Chrysippos schließen darf.65 Die Reaktion des Kolax hier hängt also mit der Umkehrung genau dieses Topos zusammen. An unserer Stelle ist aber noch etwas von Bedeutung. Die Fliege galt in der Antike – wie noch heute in Griechenland – als synonym des Unbedeutenden und des Verächtlichen. Infolgedessen kann die Beschäftigung mit den Fliegen nur auf völlige Untätigkeit hinweisen.66 Wenn der Kolax des jungen Königs soweit geht, einen Fächer aus Pfauenfedern zur Kühlung zu schwingen, dann haben wir unanständige Maßlosigkeit. Das Fächeln galt ohnehin als orientalische Sitte. Selbst im Orient aber führte den Fächer entweder der König selbst oder aber ein Sklave oder ein Eunuch, nicht ein freier Mann.67 Diese Unanständigkeit verursacht hier (vgl. Περὶ βίων fr. 48) den Zorn eines ἐλευθέριος δαίμων.68

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Chrysippos SVF 212: ψυχρὸν εἶναι καὶ ἄτοπον καὶ ἀλλότριον τὰ τοιαῦτα τῶν ἀπ’ ἀρετῆς συμβαινόντων ἐπαινεῖν, ὅτι δῆγμα μυίας ἀνδρείως ὑπέμεινε καὶ δυσθανατώσης γραὸς ἀπέσχετο σωφρόνως. Vgl. Liban. Epist. 834, 5. Zur sprichwörtlichen Bedeutungslosigkeit der Fliege in der Antike s. W. Headlam zu Herodas 1, 15. Im Neugriechischen weist die Redensart σκοτώνω μῦγες auf völlige Untätigkeit hin. In Eur. Hel. 1426-30, z.B., wird Helena von einem phrygischen Sklaven βαρβάροις νόμοις gefächelt; im allgemeinen s. Mau (1909) 1959-60; Diez (1969) 217-20. Zu einer weiteren Anekdote mit einem König (Alexander d. Gr.), einer Fliege und einem Kolax vgl. Hegesias FGrHist 142 F 6. In p. 32, 7 heißt es: τῇ δεξιᾷ δὲ Φωκαϊκὸν ψῦγμα (Casaub. : ψῆγμα codd.) τι διακινῶν καὶ (Kaibel : ὡς codd.) αἰωρῶν ἡδὺς ἦν, ἀλλ’ οὐκ ἀποσοβῶν. Zu Unrecht betrachtet Taifakos den Text hier als heil. Zweifellos ist vor ἀποσοβῶν etwas ausgefallen, denn man braucht ein Objekt. Wenn es ferner im folgenden heißt, diese Fliege sei ἄφοβος τὴν ψυχήν gewesen, so kann das nur auf die Überwindung von Hindernissen (wie das Vertreiben durch einen Fächer) hinweisen. Kaibels Konjektur οὖν καὶ μυίας ἀποσοβῶν (oder μυιοσοβῶν) scheint also treffend zu sein. Zu ἀλλ’ οὖν vgl. J.D. Denniston, Greek Particles 2 441 ff. δαίμων τις νεμεσῶν bzw. δαιμόνιόν τι νεμεσῶν kommt seit dem 4. Jh. nicht selten vor, vgl. z.B. Thphr. De piet. fr. 584A p. 408, 58 Fortenbaugh (τοιγὰρ οὖν τὸ δαιμόνιον τούτων ἑκατέρων νεμεσῆσαν ἐπιθεῖναι τὴν πρέπουσαν ἔοικεν τιμωρίαν); Polyb. XII 23, 3 (τούτῳ νεμεσήσαι τὸ δαιμόνιον); XXVII 8, 4; Diod. XI 63, 2. XXIII 15, 2; Dion Chr. or. 31, 96; Iambl. VP 34, 247; ähnlich Phylarchos FGrHist 81 F 45 (μηνίσαντος τοῦ δαιμονίου); D.L. III 20. Zu νέμεσις als ‘Götterzorn’ s. J. Gruber, Über einige abstrakte Begriffe des frühen Griechischen, (Beitr. z. klass. Phil. 9) Meisenheim am Glan 1963, 67-8. Die Bezeichnung des δαίμων (= θεός, im Sinne eines weiten Gottesbegriffes) als ἐλευθέριος findet sich dagegen nur im vorliegenden Fragment. Die von Wilamowitz

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Interpretationen

Zur Frage, warum hier von einem δαίμων gesprochen wird, genügt der Hinweis auf eine allgemeine Bemerkung von Wilamowitz: “Die Götter im ganzen heißen δαίμονες ebensogut wie δωτῆρες. Wenn ein einzelner Gott δαίμων heißt, so mag das eine missbräuchliche Folgerung aus δαίμονες = θεοί sein.”69 Was das Adjektiv ἐλευθέριος betrifft, so ist es offensichtlich, dass damit hier nicht ein bestimmter Gott gemeint ist (Zeus wurde vor allem oft durch diesen Beinamen bezeichnet, im Sinne aber des ‘Schützers’, des Σωτήρ), sondern einfach “irgendeine”, wie es ausdrücklich im Text heißt, “anständige Gottheit”.70 Gemeint ist: Die übertriebene Unanständigkeit, die als Hybris empfunden wurde, konnte wohl von den Göttern bzw. einem in dieser Sache besonders empfindlichen Gott nicht unbestraft bleiben. Warum wurde nun die ganze Einzelszene von Klearchos erzählt? Verbindet man die stark ironische Tapferkeit der göttlichen Fliege mit der Beschäftigung des “vornehmsten” (γενναιότατος) Kolax, der ‘wildes Tier’ heißt, mit den Fliegen allgemein, und bedenkt man weiter das durch diese beiden Tatsachen implizierte negative Urteil, so wird auch die Absicht des Klearchos in Zusammenhang mit der Fliegen-Szene durchsichtig. Der Vorfall war als der Höhepunkt der Erzählung über den jungen Paphier gedacht, weil darin indirekt das Wichtigste über die Rolle der Kolakes gezeigt werden sollte. Deswegen bedient sich Klearchos der Fiktion und versucht der ganzen Stelle literarische Färbung zu verleihen. Daraus sind die Namen, die lebhafte Schilderung und vor allem die Reminiszenz an die bekannte Ilias-Stelle zu erklären. Jeder einzelne Kolax, mit seiner Tätigkeit und seinem Spitznamen, und alle drei zusammen vermitteln den Eindruck der vollständigen Weichlichkeit. Den Kulminationspunkt bildet aber der bedeutendste von ihnen, “der Anführer der Dienstleistung”. Der “tapferste” Kolax mit dem Spitznamen ‘wildes Tier’ beschließt, nachdem der Junge von einer sehr kühnen Fliege gestochen wurde, das zu tun, wofür er schon immer bestimmt war: Fliegen zu jagen. Also, die absolute Unanständigkeit und Servilität orientalischer Art.

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vorgeschlagene und von Kaibel und Wehrli angenommene Tilgung der Worte τῷ μειρακίῳ (vermutlich wegen des vorausgegangenen αὐτῷ) halte ich für falsch: Die Verärgerung des Daimon wendet sich nach der gegebenen Erklärung gegen den Kolax, den Stich bekommt jedoch der junge König. Wilamowitz, Der Glaube d. Hellenen, I, Berlin 1931, 363. Dazu s. K. Ziegler, “Zeus”, in Roschers Ausführliches Lexikon d. griech. u. röm. Mythologie, VI (1924–1937) 619-23; vgl. C.F.H. Bruchmann, Epitheta deorum, Leipzig 1893, 127; K. Raaflaub, The Discovery of Freedom in Ancient Greece, transl. by R. Franciscono, Chicago 2004, 108-10.

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Heißt das aber, dass der junge König selbst unbestraft blieb? Wohl nicht. Ein schlechtes Ende ist auch für ihn in der Erzählung anzunehmen. Darüber ist man freilich auf bloße Vermutungen angewiesen. Es gibt allerdings eine Erzählung, die m.E. starke Ähnlichkeit mit der des jungen Königs aufweist und die eine mögliche Parallele für die klearchische Erzählung liefert. Sie steht bei Athenaios nur wenig später (VI 258F-259F) als die Fragmente aus dem Gergithios. Als Quelle wird der Historiker Hippias aus Erythrai angegeben, der im zweiten Buch (FGrHist 421 F 1) über die Geschichte seiner ionischen Heimatstadt erzählte, wie die Königsherrschaft des Knopos von dessen Höflingen zu Fall gebracht wurde:71 Als er nach einem Orakelspruch in Delphi opfern wollte und sich auf den Weg machte, brachten ihn drei bekannte Kolakes (οἳ ἐκαλοῦντο διὰ τὸ περὶ τὰς θεραπείας εἶναι τῶν ἐπιφανῶν πρόκυνες καὶ κόλακες), die in seinen Diensten standen (ὑπὸ τῶν ἐκείνου κολάκων), um. Die Kolakes hießen: Ortyges (‘Wachtel’), Iros (‘Bettler’, offensichtlich nach der homerischen Figur, vgl. LSJ s.v.) und Echaros (wohl Escharos, ‘Stör’). Sie übernahmen die Macht und erniedrigten auf verschiedene Weise die Bürger. Sie taten das, indem sie die Gesetze außer Kraft setzten und außerhalb von den Toren eine Gerichtsstätte errichteten. Hippias beschreibt, was die Schmeichler trugen, als sie Recht sprachen: Sie legten dunkelrote (ἁλουργὰ) Umhänge und Gewänder mit Purpurstreifen (περιπορφύρους) an. Sie trugen im Sommer Riemensandalen und liefen im Winter grundsätzlich in Frauenschuhen (ἐν γυναικείοις ὑποδήμασι) umher, ließen das Haar lang wachsen und bemühten sich, es in Locken zu legen. Sie waren herausgehoben durch gelbe und purpurfarbene (πορφυροῖς) Kopfbänder und hatten auch sonst massiven Goldschmuck wie die Frauen (ὁμοίως ταῖς γυναιξίν) an sich.

Die Ähnlichkeit mit der klearchischen Erzählung ist unverkennbar: der König (eine etwas mythische Figur, wie der bezeichnenderweise anonym bleibende König von Paphos) und seine drei Schmeichler (mit den zumindest teilweise an Spitznamen erinnernden Namen), die luxuriöse Kleidung tragen und sich weibisch verhalten. Das Ende und damit die Bestrafung des Königs aus Paphos dürfte ebenfalls schlecht (d.h. der Tod) sein. Jedenfalls gibt die zusammenfassende Folgerung des Athenaios (ἐκ τού-

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Die Historizität der Episode bezweifelt F. Graf, Nordionische Kulte, (Bibliotheca Helvetica Romana 21) Rom 1985, 243-48; anders L. de Libero, Die archaische Tyrannis, Stuttgart 1996, 375-76. Zu Hippias s. die einleitende Bemerkung von Jakoby: “Seine zeit ist unbestimmbar; stil und fehlen des dialekts warnen vor zu frühem ansatz; aber in die hellenistische zeit wird er noch gehören, und war vielleicht älter als sein landsmann Apollodor.”

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Interpretationen

των οὖν ἁπάντων ἔστι συνιδεῖν, ἄνδρες φίλοι, ὅσων κακῶν αἰτία γίνεται κολακεία τῷ βίῳ), die er der Erzählung des Hippias folgen lässt, jedenfalls den Eindruck, dass auch andere, vorausgegangene Erzählungen ein schlimmes Ende hatten. Der Sinn unserer Stelle wird noch deutlicher aus dem Vergleich, den Athenaios zwischen dem jungen Paphier und dem pontischen Herrscher Leukon zieht. Leukon, sagt Athenaios, sei nicht wie der Paphier gewesen (οὐ … τοιοῦτος ἦν); er habe erkannt, dass einer seiner Kolakes für die Entfernung mehrerer seiner Freunde verantwortlich gewesen sei, und sagte dem bestimmten Kolax, er hätte ihn umgebracht, wenn die Tyrannis keine skrupellosen Menschen nötig hätte. Athenaios scheint folgendes zu meinen: Der junge Paphier hatte sich dem Luxus und der Weichlichkeit völlig hingegeben und konnte im Gegensatz zu Leukon die gefährliche Rolle der Kolakes nicht erkennen.

(v) Das “Gesten-Arsenal” Zu Unrecht unbeachtet ‒ Wehrli widmet ihm nicht einmal ein Wort ‒ ist das letzte Fragment (fr. 20) über den μαλακοκόλαξ geblieben, vielleicht weil sein Inhalt übertrieben, wenn nicht sogar komisch, erscheint. Dass ein Kolax durch seinen Körper und seine Stimme die Person, der er schmeichelt, tatsächlich kopierte und dass es für solche Kolakes Bezeichnungen wie “Ellbogenstoßer” bzw. “Gesten-Arsenal” gab, klingt immerhin etwas grotesk und unwirklich. In Zusammenhang mit Zypern, wovon Klearchos uns unterrichtet, lässt sich leider nichts Weiteres sagen. Doch darf man aus anderen Quellen schließen, dass ein ähnliches Benehmen der höfischen Schmeichler nicht ungewöhnlich war: Sie ahmten durch Gebärden und die Stimme das Benehmen des jeweiligen Königs, aber auch seine Krankheiten oder Gebrechen nach. Es sei hier nur auf einige markante Beispiele hingewiesen: Die Dionysiokolakes stellten sich auf lächerliche Weise blind, weil Dionysios nicht gut sehen konnte.72 Von einer bestimmten Person namens Cheirisophos hören wir, dass er in einem Fall wie die γνώριμοι lachte, ohne aber etwas gehört zu haben; auf die Frage des Dionysios, warum er lache, antwortete er, dass er ihnen glaube.73 Der Kolax Kleisophos am Hofe des Philippos II. ähnelte den Schmeichlern des Dionysios: seinen König nachahmend erschien er mit einem Verband am

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Athen. X 435E; VI 249F; Ähnliches zu den Schmeichlern des Hieron: Athen. VI 250E. Hegesander bei Athen. VI 249E.

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rechten Auge und hinkend.74 Plutarch (Praec. gerend. reip. 800A) beschreibt sehr prägnant dieses Benehmen der höfischen Schmeichler: οἱ μὲν οὖν αὐλικοὶ κόλακες ὥσπερ ὀρνιθοθῆραι μιμούμενοι τῇ φωνῇ καὶ συνεξομοιοῦντες ἑαυτοὺς ὑποδύονται μάλιστα καὶ προσάγουσι δι’ ἀπάτης τοῖς βασιλεύσι.75 Der Vergleich des Kolax mit Proteus ist also hier im Hinblick auf diese Verwandlungsfähigkeit durchaus treffend und erinnert an den plutarchischen (Quomodo adul. ab amico intern. 53D) Vergleich des Schmeichlers mit einem Chamäleon. Man hat keinen Grund zu bezweifeln, dass der Bericht des Klearchos in diesem Punkt wahrheitsgetreu ist.76 Infolgedessen darf man annehmen, dass auch die drei ‘Termini’ (μαλακοκόλαξ, παραγκωνιστής, σχηματοθήκης), die an unserer Stelle auftreten und hapax in der griechischen Literatur sind, nicht durch Klearchos frei erfunden wurden.

(vi) Die Datier ung der Schrift Nach der Diskussion der wichtigsten der Einzelprobleme komme ich zu den übergreifenden Fragen. Zunächst zur Datierung der Schrift: Mit der Erwähnung der heimlich agierenden Mitglieder des Areopags, die, wie oben gezeigt wurde, nahezu mit Sicherheit auf die Regierungszeit des Demetrios von Phaleron hinweist, haben wir im Jahre 317 v.Chr. einen terminus post quem für die Abfassung des Gergithios. Auf der anderen Seite vermitteln die Worte, mit denen Klearchos über die Könige auf Zypern spricht, den Eindruck, dass die Königtümer auf der Insel zur Abfassungszeit der Schrift noch existierten (p. 30, 19: παραδεδεγμένοι δ’ εἰσὶ πάντες οἱ κατὰ τὴν Κύπρον μόναρχοι κτλ.). Das ist für die Jahre nach 311 v.Chr. vielleicht noch möglich, nach der Besetzung der Insel 294 v.Chr. durch Ptolemaios Soter jedoch ganz auszuschließen. Im Jahre 294 haben wir also einen terminus ante quem. Ich glaube aber, dass man die Abfassungszeit der

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Satyros fr. 26 Schorn (= Athen. VI 250F). Zum Thema s. Ribbeck (1884) 50 f., bes. seine Bemerkung (S. 51): “Dass dergleichen orientalische Hofsitte war, wird durch die arabische Sitte bestätigt, dass, wenn der König ein Leiden hatte, die Unterthanen sich stellen mußten, als hätten sie das gleiche”. Auf dieses Benehmen weist m.E. der Ausdruck κολακικώτεροι τῶν πιθήκων in Lukian, Revivisc. sive pisc. 34 hin. In der höfischen Schmeichelei anderer Zeiten findet man genau dieses Benehmen wieder. Vgl. z.B. D. Diderot, Paradoxe sur le Comédien, éd. critique par E. Dupuy, Paris 1902, 142: “Un grand courtisan, accoutumé, depuis qu’il respire, au rôle d’un pantin merveilleux, prend toutes sortes de formes, au gré de la ficelle qui est entre les mains de son maître”.

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Interpretationen

Schrift vielleicht noch näher bestimmen könnte, wenn man die Frage beantworten könnte, wann innerhalb dieses Zeitraums die Behandlung des Themas ‘Kolakeia und Königsherrschaft’ gewissermaßen aktueller war. Denn wie schon der Titel des Werkes, der auf einen höfischen Kolax Alexanders hinweist, aber auch der Bericht über die Gerginoi und die Promalanges sowie die Erzählung über den jungen König aus Paphos zeigen, war das eigentliche Thema des Gergithios nicht die Schmeichelei allgemein, sondern die h ö f i s c h e Schmeichelei. Mit der Herrschaft der Makedonern, an deren Höfen die φίλοι, ἑταῖροι, συνήθεις, συμβίωτοι eine wichtige Rolle spielten, war die höfische Schmeichelei im allgemeinen sehr verbreitet.77 Wenn aber jemand in dieser Zeit als Herrscher vornehmlich mit Kolakes und Kolakeia verbunden wird, dann ist dies Demetrios Poliorketes. Die Behandlung der Kolakeia nach oder während der Herrschaft des Demetrios bildet ein noch interessanteres Thema. Es sei hier an einige Ereignisse erinnert, die die Ankunft und die Anwesenheit des Demetrios in Athen betreffen. Im Juni 307 v.Chr. kommt Demetrios im Auftrag seines Vaters Antigonos nach Athen, um die Athener, wie er sagt, zu befreien und ihnen die Patrios Politeia wiederzugeben. Die Athener ernennen ihn und seinen Vater zu “Rettern” (Σωτῆρες), und die athenische Ekklesie beschließt große Ehren für beide: die Stiftung eines förmlichen Kultes, mit Priester und Altar; die Gründung zweier neuer Phylen, Antigonis und Demetrias; jährliche Feiern mit Agonen, Opfer und Prozessionen für sie als Eponyme; goldene Standbilder der beiden, die neben den Statuen der Tyrannenmörder aufgestellt werden sollten; ihre Bekränzung und die Einwebung ihrer Bilder in den Peplos der Panathenäen.78 Nach der Seeschlacht bei dem zyprischen Salamis im Jahre 306 v.Chr. erhielt Demetrios zusammen mit seinem Vater den Königstitel. Als er danach Kassandros aus Mittelgriechenland vertrieb und wieder nach Athen kam, wurde er als “niederstei-

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Dazu s. F.G. Walbank, CAH VII2 1, 68-71; G. Herman, “The ‘Friends’ of the Early Hellenistic Rulers: Servants or Officials?”, Talanta 12/13 (1980/1981) 103-27, bes. 117 ff.; Konstan (1997) 95-98. Vgl. auch Ribbeck (1884) 7, der in diesem Zusammenhang bemerkt (S. 21): “Das Überhandnehmen der κολακεία an den Höfen des Philippos von Makedonien, des Alexandros, der Diadochen, sowie auch in der Umgebung ihrer Feldherrn mag es erklären, dass bei und seit M e n a n d r o s neben παράσιτος auch der Ausdruck κόλαξ wieder auftaucht, speciell für den Begleiter des miles gloriosus, dessen ἀλαζονεία er trägt und pflegt, so dass man vielleicht im Grossen und Ganzen für den κόλαξ einen militärischen, jedenfalls einen vornehmeren, für den παράσιτος einen Gönner des Civilstandes voraussetzen darf.” Dazu s. ausführlich Habicht (1970) 44 ff.

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gender Gott” (θεὸς Kαταιβάτης) begrüßt und erhielt ein Heiligtum mit einem Altar.79 In den Jahren 304/3 und 303/2 residierte Demetrios in Athen.80 Als er 294 Athen zurückgewann, erhielt er aufgrund eines athenischen Dekrets weitere Ehren: Der Monat Munychion wurde in Demetrion umbenannt und ein Tag Demetrias getauft; außerdem mussten die Athener Demetrios wie Dionysos und Demeter zu einem Opfermahl zu Gast zu laden, so oft er nach Athen kam. All das wurde als Zeichen der Servilität des athenischen δῆμος empfunden. Athenaios, der im Buch VI Zitate aus der Geschichte des Demochares anführt, in denen der athenische Politiker das Verhalten der Athener streng verurteilt, sagt selbst über das athenische Volk, es sei in dieser Zeit wegen seiner Kolakeia berühmt geworden. In diesem Zusammenhang bezeichnet Athenaios die Athener als τῶν κολάκων κόλακες. Genauso unpassend wenn nicht beleidigend erschien aber auch das persönliche Verhalten des Demetrios in Athen, worüber Plutarch in seiner Vita mit vielen Einzelheiten berichtet. Demetrios wohnte in der Hinterhalle des Parthenon mit der Begründung, er sei durch die Göttin zu Gast eingeladen. Er verkehrte unverschämt mit vielen Hetären, und – noch schlimmer – führte sie, wie der Komödiendichter Philippides ihm vorhielt (fr. 25 K.-A.), in den Parthenon ein.81 Eine noch größere Freveltat waren aber nach Plutarch (Dem. 24) seine Beziehungen zu jungen Männern und freigeborenen athenischen Frauen im Parthenon. Dieses Bild der Üppigkeit und der Zügellosigkeit ergänzen – was uns hier vor allem interessiert – die Nachrichten über die Kolakes, die an seinem Hof lebten. Demetrios Poliorketes gehörte nach Alexander dem Großen zu den für seine Kolakes bekanntesten unter den hellenistischen Herrschern. In verschiedenen Quellen werden namentlich neun Kolakes erwähnt.82 In drei Fällen sollen nach De-

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Zu dieser Ehre und ihrer Datierung s. Habicht (1970) 48 ff. Habicht (1995) 97. Speziell zu Lamia s. P. Wheatley, “Lamia and the Besieger: An Athenian Hetaera and a Macedonian King”, in O. Palagia – S. Tracy (Hsg.), The Macedonians in Athens: 322229, Oxford 2003, 30-36. Adeimantos aus Lampsakos (Demochares FGrHist 75 F 1 = Athen. VI 253A; Athen. 255C); Aristodemos (Plut. Dem. 17); Burichos (Demochares FGrHist 75 F 1 = Athen. VI 253A; Diod. XX 52); Dromokleides (Plut. Dem. 13; 34); Euagoras, der sogennante “Bucklige” (ὁ κυρτός) (Athen. VI 244F-245A); Oxythemis (IG II2 558; Demochares FGrHist 75 F 1 = Athen. VI 253A; Phylarchos FGrHist 81 F 12 = Athen. XIV 614E615A; Herakleides Lembos fr. 4 Müller = Athen. XIII 578B; Diod. XXI 27-28); Kynaithos (Lucian. Imag. 20); Stratokles (Plut. Dem. 11; 26, 1. 3-5, vgl. Philippides fr. 25 K.-A.). Vgl. Ribbeck (1884) 87 f.; E. Wüst, “Parasitos”, RE XVIII 4 (1949) 1391; Berve (1926) Nr. 307 (Euagoras); Nr. 724 (Stratokles); ferner S. 66: Nr. 258 (Demetrios); Nr.

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Interpretationen

mochares (FGrHist 75 F 1) seine Gefolgsleute sogar kultische Ehren erhalten haben.83 Hinzu kommen natürlich all diejenigen, die ihm durch ihr öffentliches Lob schmeichelten, wie die Komödiendichter Alexis (fr. 116 K.A.) und Antiphanes (letzterer besang Demetrios in fr. 81, 5 K.-A. als den γλυκύτατος βασιλεύς). Bekannter noch ist der aus der Zeit um 291/0 stammende Ithyphallikos auf Demetrios Poliorketes (Athen. VI 253D-F = Duris FGrHist 76 F 13). Es ist erwähnenswert, was Athenaios zu solchen Schmeicheleien der Athener dieser Zeit dem Demetrios gegenüber bemerkt (254B): τοιοῦτοι τότ’ ἐγένοντο οἱ Ἀθηναῖοι κολακείας, θηρίου χαλεπωτάτου, λύσσας ἐμβαλούσης αὐτῶν τῇ πόλει. Die Vermutung, dass die Kritik im Gergithios an der höfischen Kolakeia sich besser verstehen lässt, wenn der starke Eindruck vorausgegangen war, den das Leben des Königs Demetrios in Athen sowohl auf den Schriftsteller als auch auf sein (athenisches) Lesepublikum gemacht haben wird, erscheint also durchaus berechtigt. Für den Schriftsteller mag auch ein weiteres Ereignis von gewisser Bedeutung gewesen sein: Auf Vorschlag des Politikers Sophokles wurde 307/306 ein Gesetz verabschiedet, nach dem alle Philosophenschulen in Athen unter staatliche Kontrolle gestellt wurden.84 Viele Philosophen, darunter auch Theophrast, sahen sich gezwungen, Athen zu verlassen.85 Der Komödiendichter Alexis lässt sogar einen alten Mann in seinen Hippeis (fr. 99 K.-A.) Demetrios loben, weil er die Philosophen aus Attika verjagt habe.86 Daraus wurde in kurzer Zeit ein Skandal mit großen Konsequenzen, den zumindest die Mitglieder und die Freunde der Philosophenschulen natürlich nicht leicht vergessen konnten. All das macht wahrscheinlich, dass das Jahr 306 bzw. 302, als Demetrios Athen verließ, als terminus post quem anzusehen ist.

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564 (Nikesias); Nr. 827 (Charon); Nr. 224 (Gergithios); Nr. 437 (Kleon); vgl. Nr. 17 (Hagnon); Nr. 195 (Bagoas). Vgl. aber Habicht (1970) 55 ff. D.L. V 38: Σοφοκλέους τοῦ Ἀμφικλείδου νόμον εἰσενεγκόντος μηδένα τῶν φιλοσόφων σχολῆς ἀφηγεῖσθαι ἂν μὴ τῇ βουλῇ καὶ τῷ δήμῳ δόξῃ· εἰ δὲ μή, θάνατον εἶναι τὴν ζημίαν. Zu diesem Gesetz und seinen Konsequenzen s. auch W.S. Ferguson, Hellenistic Athens, London 1911, 104-7; Lynch (1972) 103-4, 117-8; Habicht (1994) 236-7; L. O’Sullivan,“The Law of Sophocles and the Beginnings of Permanent Philosophical Schools in Athens”, RhM 145 (2002) 252-62; M. Haake, Der Philosoph in der Stadt, (Vestigia 56) München 2007, 16-43. Athen. XIII 610E; D.L. V 38; Poll. IX 42; s. Habicht (1995) 114. Dazu s. W.G. Arnott, Alexis: The Fragments. A Commentary, Cambridge 1996, 260.

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(vii) Der Charakter der Schrift Den Gergithios in eine der bekannten Gattungen einzuordnen und ihn entsprechend zu deuten, erscheint sehr gewagt. Es fehlen dafür einfach wichtige Indizien, was hauptsächlich mit dem fragmentarischen Zustand des Werkes zusammenhängt. Um seine Tendenz zu verstehen, ist es also ratsam, zunächst den wichtigen Themen, die in ihm auftreten, nachzugehen. Der Name der K o l a k e i a und somit das Hauptthema der Schrift steht gleich am Anfang des ersten Fragments. Der Schmeichler bzw. der Schmarotzer als Dramenfigur war seit langer Zeit beliebt in der Komödie: Bei Epicharm (Ἐλπὶς ἢ Πλοῦτος fr. 31-37 K.-A.) finden wir schon einen Bühnenschmarotzer, und Eupolis hatte 421 v.Chr. ein Werk mit dem Titel Κόλακες verfasst. Bis zur Zeit des Klearch kann man bestimmt nicht weniger als 70 Komödien aufzählen, in denen ein oder mehrere Kolakes erscheinen.87 In der Neuen Komödie ist der Kolax zum literarischen Typ geworden und kommt zumindest seit Menander als Bezeichnung wieder häufiger vor.88 Es sei hier besonders auf den Kolax des Menanders hingewiesen, der vielleicht um ungefähr die gleiche Zeit wie der Gergithios zu datieren ist.89 Sofern die Freundschaft theoretisch diskutiert wird, kommt, wie zu erwarten, auch die Kolakeia als Thema in philosophischen Werken vor. Platon äußert sich über die Schmeichelei mehrmals ganz negativ. Vor allem im Gorgias (462a ff.; 513d; 527c) wird die Redekunst als Teil der Schmeichelei dargestellt. Im Staat heißt es, der Tyrann sucht immer Schmeichler und ist selbst ein Schmeichler, falls er etwas braucht; denn “wahre Freiheit und Freundschaft hat die tyrannische Natur nie gekostet (ἄγευστος)” (IX 576a). An einer (für unsere Schrift interessanten) Stelle wird später der Schmeichelei und der Kriecherei (ἀνελευθερία) vorgeworfen, dass sie das Muthafte dem begehrenden Ungeheuer in uns unterwirft (IX 590b). In den pseudo-platonischen Ὅροι findet man schließlich eine zweifache Definition der Schmeichelei (415e). Aristoteles behandelt die Kolakeia im Rahmen der Diskussion über die Mesotes und die φιλία im zweiten und vierten Buch der Nikomachischen

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Komödiendichter und Werke werden bei Ribbeck (1884) 30-31 aufgezählt. In der mittleren Komödie hatte die Bezeichnung παράσιτος die Bezeichnung κόλαξ vorübergehend verdrängt; s. Nesselrath (1990) 309 ff. Zu der Diskussion über dieses Begriffspaar s. Nesselrath (1985) 88-121; Brown (1992) 98-102; Pernerstorfer (2009) 151-66.

Der Kolax wurde nach 316 v.Chr. aufgeführt, eine genauere Datierung ist allerdings nicht möglich. Dazu s. Pernerstorfer (2009) 147-49.

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Interpretationen

Ethik. Dort stellt der Schmeichler wie der Liebedienerische eine Übertreibung der Freundlichkeit dar. Als Kriterium zwischen den beiden wird die Gewinnsucht erwähnt: “der, der in der Freundschaft zu viel tut, wenn er keine Nebenansicht verfolgt, ist ein Kriecher (ἄρεσκος); wenn er nur seinen Vorteil verfolgt, ist er ein Schmeichler (κόλαξ)” (II 7.1108a26, vgl. IV 12.1127a7). In IV 8.1124b31 sagt Aristoteles, es sei nicht möglich, dass ein Hochsinniger die Form seines Lebens nach der eines anderen richtet – es müsste denn ein Freund sein –, denn das wäre “knechtisch”, und so sind “alle Schmeichler servil, und unterwürfige Naturen sind Schmeichler” (διὸ καὶ πάντες οἱ κόλακες θητικοὶ καὶ οἱ τ α π ε ι ν ο ὶ κόλακες). Vgl. Polit. V 11.1313b41 τ α π ε ι ν ῶ ς ὁμιλοῦντες, ὅπερ ἐστὶν ἔργον κολακείας. Man fühlt sich hier an des Klearchos Meinung erinnert, die Schmeichelei verderbe “die sittlichen Maßstäbe der Schmeichelnden” (τ α π ε ι ν ὰ ποιεῖν τὰ ἤθη τῶν κολάκων).90 In der Eudemischen Ethik (II 3.1221a25; III 1233b29) wird die Schmeichelei wieder als durchaus negative Übertreibung betrachtet, die Gewinnsucht wird aber diesmal nicht erwähnt. Noch interessanter für das Verständnis des Gergithios ist eine andere Stelle aus der Rhetorik, an der Aristoteles über die Scham in Zusammenhang mit der Schmeichelei spricht (II 6.1383a33): πάντα γὰρ ἀνελευθερίας ταῦτα σημεῖα, τὸ δ’ ἐπαινεῖν παρόντας κολακείας, καὶ τὸ τἀγαθὰ μὲν ὑπερεπαινεῖν τὰ δὲ φαῦλα συναλείφειν, καὶ τὸ ὑπεραλγεῖν ἀλγοῦντι παρόντα, καὶ τἆλλα πάντα ὅσα τοιαῦτα· κολακείας γὰρ σημεῖα.

Nicht nur die ἀνελευθερία, sondern auch das Übermaß an Teilnahme einem Trauernden gegenüber erinnern hier stark an die Erzählung des Klearchos über den jungen Paphier. Das Interesse des Peripatos an diesem Thema hatte sich vor allem im Werk des Theophrastos gezeigt: Er hatte eine (uns freilich nicht erhaltene) Schrift mit dem Titel Περὶ κολακείας (547-548 FHSG) verfasst, während auch der zweite seiner Charaktere gerade dem Kolax und der Kolakeia gewidmet ist, die in der unechten (aber wohl in aristotelischer Tradition stehenden) Definition als “schimpfliche Umgangsform” (ὁμιλίαν αἰσχράν) aufgefasst wird.91 Wie Aristoteles unterscheidet er den Kolax von dem

_____________ 90 Zu ταπεινός vom seelischen oder moralischen Stand eines Menschen (‘von knechtischer Art und Gesinnung’) vgl. Arist. NE IV 3.112ab1-2 (die ταπεινοί seien durchgängig Schmeichler); Polit. V 11.1313b41; s. W. Grundmann, ThWNT VII (1969) 2-3. 91 Man beachte den Unterschied zwischen dem Adjektiv ταπεινός, das Aristoteles (und nach ihm Klearchos) benutzt, und dem Adjektiv αἰσχρός, das sich in der Definition des theophrastischen Charakters findet. Zur Definition Theophrasts s. M. Stein, Definition und Schilderung in Theophrasts Charakteren, (BzA 28) Stuttgart 1992, 65-68; J.

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ἄρεσκος (Ch. V), der im Gegensatz zum ersteren nicht nur einer Person schmeichelt, sondern allen gefallen will. An die Kolakes des jungen Paphiers erinnert Theophrasts Kolax vor allem in solchen Einzelheiten, wie wenn er vom Mantel des Umschmeichelten “ein Fäserchen” nimmt (§ 3). Außer Theophrast hat später auch Ariston von Keos vielleicht eine Schrift Περὶ κολακείας geschrieben oder zumindest das Thema der Schmeichelei behandelt (vgl. 19-20 SFOD).92 Interessant scheint auch die Abhandlung Περὶ κολακείας (in zwei Büchern) des Epikureers Philodem gewesen zu sein, die Teil seines breiteren Werkes Über Untugenden und die ihnen entgegengesetzten Tugenden (Περὶ κακιῶν καὶ τῶν ἀντικειμένων ἀρετῶν) war.93 Darin äußerte sich Philodem über die Wesensmerkmale der Schmeichelei im Vergleich mit anderen Untugenden sowie über den Charakter, die Motive und das Verhalten des Schmeichlers. In Zusammenhang mit unserer Schrift ist erwähnenswert, dass Philodemos, wie Klearchos, über die Schmeichler in der Umgebung Alexanders sprach (PHerc 223, fr. 1, 1 ff. Gigante – Indelli). Der Kolax, der nach Philodemos nicht nur durch die Worte, sondern auch durch die Körpersprache und sein ganzes Benehmen schmeichelt und allerlei schwere Beleidigungen und Kränkungen von dem Umschmeichelten hinnimmt,94 erinnert an die Beschreibung des unterwürfigen Benehmens der Kolakes um den jungen Paphier und macht die Worte des Klearchos (fr. 19) über die Verderbnis der “sittlichen Maßstäbe der Schmeichelnden” gewissermaßen verständlicher. Darüber hinaus erwähnt Philodem verschiedene Typen (παράσιτοι, κίναιδοι, προστροχασταί, ἄρεσκοι, ἐθελόκαλοι, φιλέπαινοι),95 die in

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Diggle, Theophrastus: Characters, Cambridge 2004, ad loc. Zur Schrift Περὶ κολακείας s. Fortenbaugh (1984) 303-306; zur Schmeichelei und Freundschaft bei Theophrast s. G. Heylbut (1876) 28-33. Zum Thema s. T. Dorandi, “I frammenti papiracei di Aristone di Ceo”, in Fortenbaugh – White (2006) 226 ff. Aus dem ersten Buch der Abhandlung über die Schmeichelei stammen sehr wahrscheinlich die Papyri: PHerc 222, 1082 (?), 1643, 1089, 223 (?), 1675; aus dem zweiten: PHerc 1457. Zur Abhandlung s. bes. F. Longo Auricchio, “Sulla concezione filodemea dell’adulazione”, CrErc 16 (1986) 79-91; ferner V. Tsouna, The Ethics of Philodemus, Oxford 2007, 126-42. PHerc 222, VII 12-17 (T. Gargiulo, CrErc 11 [1981] 103-27): ὅτι [πρόθυμ]ος ὑβρίζεται καὶ πάνυ [πολλὰς] ἀναδ[έ]χεται παροινί[ας καὶ] προ[π]ηλακισμοὺς ἄχ[ρι ἅ]μα [τ]ρ[ώσε]ων καὶ πληγῶ[ν πολ]λῶ[ν. Zu diesen Bezeichnungen s. entsprechend PHerc. 1457, I 2 ff. (E. Kondo, CrErc 4 [1974] 43-56); III, 31 ff.; IV 18; V 18 ff.; XI 33. 37-8; ferner Nesselrath (1985) 116-7, der dazu bemerkt: “Die Behandlung des Schmeichlers erfolgt also innerhalb eines

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Interpretationen

Beziehung zu dem Kolax stehen. Die Sache ist insofern von Bedeutung, als Philodemos peripatetisches Gut in großem Umfang benutzt hat und zumindest Theophrast und Ariston von Keos ganz bestimmt kennt.96 Geht seine Unterteilung auf den Peripatos zurück, so wird auch die Spezialisierung begreiflich, die man im Fall der klearchischen Schrift feststellt. Nach Philodem setzte sich die populär-philosophische Literatur zu diesem Thema bis in spätere Zeiten fort. Davon sind bekanntlich einige Werke, wie die Schrift Plutarchs mit dem Titel Πῶς ἂν τις διακρίνειε τὸν κόλακα τοῦ φίλου, Lukians Parasitendialog oder das Werk des Maximus Tyrius mit dem Titel Tίσιν χωριστέον τὸν κόλακα τοῦ φίλου erhalten. Trotz der (zum Teil vor der Abfassung des Gergithios) existierenden Literatur über die Kolakeia läßt sich jedoch die klearchische Schrift nicht ausschließlich als moral-philosophische Abhandlung über dieses Thema betrachten, denn in ihr wird, wie oben bemerkt wurde, nicht nur die Schmeichelei im Allgemeinen, sondern auch speziell eine besondere Form der Kolakeia, die am Königshof vorkommende, behandelt. Dabei befriedigt natürlich die Erwähnung des Gergithios die starke Neigung der Griechen, einen πρῶτος εὑρετής für alles zu finden, bereitet aber gleichzeitig geschickt die große Rolle vor, die Zypern in der Sache und im Werk spielen wird. Darüber hinaus erweist sich aber als ein ebenso wichtiges Thema (besonders in der Szene mit dem jungen König in Paphos) die S c h w e l g e r e i (τρυφή). Die ausführlich geschilderte Kleidung orientalischer Prägung, das üppige und von Genüssen erfüllte Leben, die angedeuteten undisziplinierten sexuellen Beziehungen, die vollständige Untätigkeit und die Verweichlichung, all das weist unmissverständlich auf übertriebene Schwelgerei (vgl. p. 30, 13: δι’ ὑπερβάλλουσαν τρυφήν) und Luxus hin. Dafür war ja Zypern bekannt, so dass auch der junge Paphier vielleicht nichts Weiteres als eine archetypische Figur übermäßiger Schwelgerei und effeminatio darstellt. Ausdrückliche Kritik dazu wird zwar im erhaltenen Teil nicht geäußert, ist aber überall impliziert und wird zumindest einmal indirekt geäußert (p. 31, 19: εἰς τοῦτο τρυφῆς, ἵνα μὴ ἀθλιότητος εἴπω). Das Leitmotiv der τρυφή steht mit der neuen Phase der Luxuskritik, die zwischen 350 und 320 v.Chr. eingesetzt hatte, voll im Einklang.97 In der Literatur dieser

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recht feinmaschigen Koordinatennetzes, das wahrscheinlich die gesamte terminologische Entwicklung des Peripatos voraussetzt und verarbeitet.” Vgl. PHerc 222, XII 1-3 (Gargiulo) und PHerc 1082, VIII, 4-6 (C. Caini) ~ Thphr. Ch. 2, 1; PHerc 223, fr. 8, 1-5 (Gigante – Indelli) ~ Thphr. Ch. 6, 1; Ariston von Keos wird in Philodemos PHerc 222 (Gargiulo), X, 1-10 und PHerc 1457 (Kondo), XI, 37-42 zitiert. Zu dieser Phase s. ausführlich Bernhardt (2003) 199 ff., 305 ff.

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Zeit lässt sich das τρυφή-Motiv am deutlichsten in der Geschichtsschreibung (zunächst im Werk des Ephoros, danach in dem des Theopompos, des Timaios, des Duris) feststellen.98 Im Werk des Aristoteles taucht das genannte Motiv ebenfalls mehrmals auf.99 Bei Klearchos ist es sehr beliebt (vor allem in seiner Schrift Περὶ βίων (vgl. weiter unten S. 162 ff.), aber auch in der Schrift Περὶ φιλίας). Das Motiv wird in seinen Werken sowohl auf einzelne Personen (Parrhasios: fr. 42, vgl. 41; Themistokles: fr. 47; Kantibaris: fr. 52; Sagaris: fr. 53) als auch auf Völker oder Städte (Lyder: fr. 43a; Samos: fr. 44; Skythen: fr. 46; Tarent: 48; Iapyger: Athen. XII 522F-523B; vgl. fr. 59 über die Σικελῶν τράπεζαι) bezogen.100 In all diesen Fällen ist τρυφή als Zeichen moralischer Dekadenz zu verstehen, die zum Verderben führt.101 Wie die meisten Peripatetiker sieht Klearchos in der τρυφή die Beherrschung der Seele durch die Affekte und das Fehlen der Selbstbeherrschung (σωφροσύνη).102 Dem Leser des Gergithios springen vor allem die Gemeinsamkeiten des Werkes mit der Schrift Περὶ βίων ins Auge. In beiden stellt man die gleiche moralisierende Tendenz fest. Das Thema der mit dem Luxus verbundenen ἡδονή stellt ein grundlegendes Motiv dar, während die Übertreibung in allen Fällen zur Bestrafung der Laster führt. In beiden Schriften stellt man ferner die gleiche Vorliebe für das Anekdotische fest. Es werden bizarre Geschichten erzählt, die unmissverständlich auf Abschreckung zielen. Der Gergithios unterscheidet sich aber von der Schrift Περὶ βίων wie von den anderen Werken des Klearchos durch eine bemerkenswerte Eigentümlichkeit: Sein Inhalt bezieht sich anscheinend vornehmlich auf die eigene Zeit, worauf schon die Person des Gergithios und seine Beziehung zu Alexander hinweist. Neben der Kolakeia und der Schwelgerei ist im Gergithios die K ö n i g s h e r r s c h a f t ein weiteres wichtiges Thema. Über die Königsherrschaft wurde bekanntlich im 4. Jh. in verschiedenen literarischen Gattungen eine Menge geschrieben. Die Texte sind allerdings zum größten Teil nicht erhalten geblieben. Es genügt nur an die drei so genannten zyprischen Reden des Isokrates (Euagoras, Nicocles und Ad Nicoclem) und an Werke Xenophons wie Agesilaus, Cyropaedia und Hieron zu erinnern. In Zusammenhang mit die-

_____________ 98 Bernhardt (2003) 308; zu Duris s. FGrHist 76 F 60. 99 EN VII 7.1150b2; fr. 557. 583. 584. 608 R3. 100 Nenci (1989) 893-901 hat überzeugend gezeigt, dass an der erwähnten Stelle des Athenaios über die Iapyger ein Fragment aus Klearchos vorliegt. 101 Den Gedanken hat Catull (c. 51) schön formuliert: otium et reges prius et beatas / perdidit urbes. 102 Hierzu s. Scholz (1998) 212 ff.

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Interpretationen

sem Thema entstand im 4. Jh. sogar eine neue literarische Form, der “Fürstenspiegel”. Der Peripatos hat sich von dieser Diskussion nicht ferngehalten und sogar in einigen Fällen versucht, politischen Einfluss auf bestimmte Monarchen auszuüben. Derselbe Theophrast, der eine Schrift über die Kolakeia geschrieben hat, soll auch eine mit dem bemerkenswerten Titel Πρὸς Kάσσανδρον περὶ βασιλείας geschrieben haben.103 (Ähnlich hatte Xenokrates [D.L. IV 14 = T 2 Isnardi2] {Στοιχεῖα} πρὸς Ἀλέξανδρον περὶ βασιλείας δ΄ und später der Tragiker Euphantos eine Schrift Περὶ βασιλείας an Antigonos Doson [D.L. II 110] geschrieben.) Die Beschäftigung des Peripatos mit dem Thema hatte jedoch einen tieferen, theoretisch-philosophischen Hintergrund. Von der traditionellen Polis-Ideologie ausgehend standen die Peripatetiker der zeitgenössischen Monarchie kritisch gegenüber, weil sie sich nicht auf das Gesetz oder die hergebrachten Sitten gründete, sondern nach dem orientalischen Vorbild für sich uneingeschränkte Macht beanspruchte.104 Luxus und Schmeichelei waren unvermeidliche Begleiterscheinungen dieser Art von Monarchie, die mit Alexander dem Großen begann und erstmals in der Einführung der Proskynesis sichtbar wurde. Die feindliche Haltung des Peripatos gegenüber Alexander dem Großen ist ebenfalls vorauszusetzen. Bereits seit der Hinrichtung des Kallisthenes waren Theophrast und Xenokrates, aber auch Dikaiarchos, Phanias und Hieronymos gegenüber Alexander und den Diadochen gewiss nicht wohlgesinnt.105 Alexander, dem vom Übermaße seiner Macht berauschten und vom Glanze seines Glückes geblendeten Despoten, stellten sie das Ideal des philosophischen ‘Weisen’ gegenüber.106 Diese Tendenz wurde vielleicht durch die Lebensweise der erwähnten Monarchen verstärkt. Klearchos weist in seinem Gergithios ähnliche Gesinnung auf. Doch lässt sein Werk keine Spur konkreter politischer Zielsetzung erkennen. Für eine im engeren Sinne politische Interpretation fehlt jedenfalls jeglicher Anhaltspunkt.

_____________ 103 Vgl. die interessante Nachricht, die Plutarch (Reg. et imp. apophth. 189D) über Demetrios von Phaleron, als dieser offensichtlich in Alexandria war, überliefert: Δημήτριος ὁ Φαληρεὺς Πτολεμαίῳ τῷ βασιλεῖ παρῄνει τὰ περὶ βασιλείας καὶ ἡγεμονίας βιβλία κτᾶσθαι καὶ ἀναγιγνώσκειν· ἃ γὰρ οἱ φίλοι τοῖς βασιλεῦσι οὐ θαρροῦσι παραινεῖν, ταῦτα ἐν τοῖς βιβλίοις γέγραπται. Zu den Schriften Peri basileias s. Haake (2003). 104 Zur Bewahrung dieser Haltung in späterer Zeit vgl. die Bemerkung von Schorn (2004) zu fr. 24 (wo Kleisophos, der allbekannte Schmeichler des Philippos, erwähnt wird). 105 Dazu s. Hoffmann (1907) 2 ff.; Scholz (1998) 238 ff. 106 Hoffmann (1907) 7; zur Gegenüberstellung Alexanders und des Kynikers Diogenes s. auch R. Höistad, Cynic Hero and Cynic King, Uppsala 1948, 204 ff.

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Soweit man dies beurteilen kann, war der Gergithios eine exoterische Schrift mit wohl moralisierender Tendenz und erbaulichem Charakter, die durch lebhaft geschilderte historische Beispiele hauptsächlich auf Abschreckung zielte. Die Abschreckung dürfte durch die Erfüllung des Schemas τρυφή – ὕβρις – ὄλεθρος erfolgt sein. Das ethische Konzept beruhte also auf dem traditionellen Gegensatzpaar Tugend–Laster, in dem das Laster immer mit entsprechender Bestrafung verbunden war. Insofern trug die Schrift charakteristische Merkmale der peripatetischen Schriften Περὶ βίων, deren Gattung sie gewiss sehr nahe steht. Zugleich wies aber der Gergithios unterhaltende Merkmale auf, die auch für andere Schriften des Klearchos charakteristisch sind: Vorliebe für das Bizarre, das Anekdotische, die Einzelheit. Mit wenigen Worten: erzählende ‘Apotreptik’ (wenn man so etwas sagen darf), in der Ethik, kulturgeschichtliche Interessen und Unterhaltung gleichermaßen auftraten.

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Exkurs Peripatetisches Gut in der Schrift Περὶ ὑποκρίσεως des Eustathios Im 12. Jh. findet zwischen Gelehrten in Byzanz eine breitere Diskussion über die Freundschaft statt. Einige Schriftsteller, wie Kekaumenos und Johannes Kamateros, äußern sich mit Argwohn über diese Tugend. Im Gegensatz zu ihnen verteidigt der gelehrte Erzbischof von Thessaloniki Eustathios in seiner Schrift mit dem Titel Περὶ ὑποκρίσεως (ca. 1185 n. Chr.) die Wichtigkeit der Freundschaft.107 Eustathios versteht sehr wohl die Gefahren des freundschaftlichen und offenen Verhaltens in einer Gesellschaft wie der byzantinischen, unterscheidet aber die wahre von der falschen Freundschaft, d.h. von der Heuchelei, und polemisiert gegen die letztere. Dabei beschreibt er das private und das soziale Verhalten und Leben des Heuchlers, den er ähnlich wie einen Schmeichler darstellt, während er die Schmeichelei ausdrücklich als einen Zweig der Heuchelei bezeichnet (9 p. 90, 9 τὴν κολακείαν παραφυάδα οἶδα φαύλου στελέχους, τῆς ὑποκρίσεως). Nun erinnert die Beschreibung des Eustathios im 12. und im 16. Kapitel an Theophrasts Charaktere, aber auch an die (vom Peripatos beeinflusste) Behandlung der Kolakeia bei Philodem und Plutarch (Quomodo adulator ab amico internoscatur). Johannes Kayser, der in seinem umfangreichen Aufsatz mit dem Titel “Theophrast und Eustathius περὶ ὑποκρίσεως”, Philologus 69 (1910) 327-58, auf diese Ähnlichkeiten hingewiesen hat, meinte, der Grund für sie liege darin, dass “wir bei Eustathius altes peripatetisches Gut, also doch wohl theophrastisches Gut vor uns haben” und nahm ferner an, dass “wir es hier mit einem sonst verlorenen χαρακτήρ des großen Lesbiers” zu tun haben (347). Aus der großen Übereinstimmung mit dem theophrastischen Charakter des Kolax ließe sich am besten “der Verlust des ὑποκριτής im Charakterenbüchlein Theophrasts” erklären: “wegen der großen Aehnlichkeit mit dem κόλαξ ist der ὑποκριτής in der uns erhaltenen Auswahl von 30 Charakteren weggeblieben” (355). Mögen die Argumente Kaysers über den verlorenen Charakter Theophrasts kaum

_____________ 107 Die Schrift des Eustathios wurde von T.F.L. Tafel (Eustathii metropolitae Thessalonicensis opuscula, Frankfurt 1832, S. 88-98) ediert. Zum Inhalt der Schrift und dem Zusammenhang s. vor allem A. Kazhdan – S. Franklin, Studies on Byzantine Literature of the Eleventh and Twelfth Centuries, Cambridge/Paris 1984, 172 ff.

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durchschlagen,108 so ist aber die Feststellung über das peripatetische Gut nicht zu leugnen, zumal wenn man die Übereinstimmungen mit der Schrift des Klearchos über die Schmeichelei näher betrachtet. Im folgenden seien die wichtigsten verzeichnet: (a) Die Heuchler ahmen nach Eustathios (p. 90, 69) den von ihnen Verlachten dadurch nach, dass “sie sich in ihrer Haltung geschickt nach jenem richten”: τῷ γελωμένῳ σ υ σ χ η μ α τ ί ζ ε σ θ α ι , ἀκριβούμενοι τὴν πρὸς ἐκεῖνον εὐφυῶς τύπωσιν. Ähnlich spricht aber auch Klearchos (fr. 20) über den Kolax des jungen Paphiers, den er als “Diener für die Sinnlichkeit” bezeichnet: “denn zusätzlich zu der Aufgabe, einem solchen zu schmeicheln, kopiert er auch die Haltung (καὶ τὸ σχῆμα τῶν κολακευομένων ἐπακολουθῶν ἀποπλάττεται), indem er bald die Arme in die Seite stemmt, bald sich in kurze Mäntel wickelt”. Deswegen werde er u.a. σ χ η μ α τ ο θ ή κ η ς genannt. (b) Wenn der Umschmeichelte, sagt Eustathios (p. 90, 75), von einem Floh gebissen oder von einer Fliege (μυίας) belästigt wird, “sind die Schmeichler bereit, ihm sogar als Leibwache zu dienen gegen die, die gebissen haben”; auch wenn er schläft, “verscheuchen [ἀποσοβοῦσι, vgl. die Verwendung des Wortes in Athen. VI 257B = Klearchos fr. 19 p. 32, 7 und in Athen. VI 249D = Hegesander fr. 6 Müller] sie vorsichtig die Fliegen” (p. 91, 10). Nicht nur die Erwähnung der Fliege, sondern auch die Darstellung des Heuchlers als ‘Jägers’ der Fliege erinnert unverkennbar an die Episode mit dem Stich des jungen Paphiers durch die Fliege und seinen Kolax, der danach alle Fliege aus dem Haus jagte. (c) Die Heuchler verhalten sich nach Eustathios so unanständig, dass sie den Mann, dem sie schmeicheln, beim Besteigen eines Reittiers zur Erleichterung hinauf heben (p. 91, 13): Ἀναβαίνοντα εἰς ὑποζύγιον ἀναβάλλουσι κουφίζοντες. Hier fühlt man sich an die Klimakides (‘Leiterfrauen’) des Klearchos erinnert, die “mit ihren eigenen Körpern eine Leiter bildeten, so dass die auf den Wagen fahrenden Frauen über deren Rücken ein- und aussteigen konnten” (fr. 19 p. 31, 17-19). Aus den angeführten Ähnlichkeiten geht m.E. deutlich hervor, dass Eustathios den klearchischen Gergithios direkt oder indirekt gekannt und benutzt hat. Nun soll Eustathios nach Kayser nicht einfach aus peripatetischen Quellen, sondern speziell “theophrastisches Gut” und zwar aus dem – nach seiner Annahme – verlorengegangenen Charakter des ὑποκριτής geschöpft haben. Ist es aber überhaupt plausibel, dass Eustathios mehrere Quellen solcher Art für nur ein Kapitel einer kleinen Schrift benutzt hat?

_____________ 108 Vgl. N.G. Wilson, Scholars of Byzantium, London 1983, 201, der dazu bemerkt: “If a lost Theophrastan character is thought an unlikely source, another book of him or by a colleague in the Peripatos is a further possibility.”

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Interpretationen

Welche sind überhaupt die Indizien, dass er in dieser Schrift sich auf Theophrasts Charakterbüchlein gestützt hat? Kaysers Vermutung, den zwei Kapiteln der Schrift des Eustathios liege der verlorengegangene Charakter Theophrasts zugrunde, beruht nur auf einer sehr allgemeinen Bemerkung (die Schmeichelei sei von Theophrast, Klearchos und später von Philodem und Plutarch behandelt worden) und auf einer Hypothese (einige der theophrastischen Charaktere seien nicht erhalten). Das einzige konkrete Argument von Bedeutung, das Kayser vorbringt, ist die Verwendung des Wortes κροκύς (p. 90, 83), das auch in Theophrasts κόλαξ (2, 3) vorkommt. Dabei hat jedoch Kayser etwas sehr Wichtiges übersehen: Der Ausdruck ἀφαιρεῖν κροκύδας wurde in der Antike sprichwörtlich gebraucht und kommt so schon bei Aristophanes vor (fr. 689 K.-A.: †εἴ τις κολακεύει παρὼν καὶ τὰς κροκύδας ἀφαιρῶν).109 Somit erweist sich aber die Vermutung Kaysers als unbegründet. Woraus Eustathios den Klearchos kennt, verrät er selbst anlässlich eines anderen Zitats in seinem Comm. in Hom. Od. 2, p. 258: ὁποία [sc. ἑορτὴ] καὶ ἡ παρὰ Κλεάρχῳ τῷ Ἀριστοτέλους μαθητῇ, ὅς, καθὰ λέγει Ἀθήναιος, φαγησίαν ἑορτὴν ἱστορεῖ, κατὰ δέ τινας φαγησιποσίαν. Er kennt demzufolge Klearchos nicht direkt, sondern er hat ihn bei Athenaios gelesen. Das dem Erzbischof wohlbekannte Werk des Athenaios war also vermutlich die Hauptquelle für das Kapitel 12 der Schrift über die Heuchelei insgesamt. Natürlich bot sich dafür vor allem das 6. Buch (besonders der Teil über die Schmeichelei) der Deipnosophistai an. Einiges könnte allerdings auch aus anderen Büchern des Werkes stammen. Zwei solche Beispiele aus dem 12. Kapitel der Schrift Περὶ ὑποκρίσεως seien angeführt:

_____________ 109 Vgl. Phryn. Praep. soph. 4, 14 de Borries (‘ἀφαιρεῖν κροκύδας’: λίαν ἠττίκισται καὶ τίθεται ἐπὶ τῶν πάντα ποιούντων διὰ κολακείαν, ὥστε καὶ παρεπομένους ἀφαιρεῖν κροκύδας τῆς ἐσθῆτος ἢ κάρφος τι τῆς κεφαλῆς ἢ τοῦ γενείου); Hsch. κ 4176 (κροκυλεγμός· τὸ κολακευτικῶς τὰς κροκύδας ἀπολέγειν τῶν ἱματίων); ferner Plut. Sulla 35, 7.

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V. ‘Gergithios’

EUSTATHIΟS

ATHENAIOS

p. 90, 78 Εἰ δέ πως ὑπώπιον ἢ πρόσκομμα πάθοι βληχρόν τι καὶ ἀμυδρόν, σπένδουσιν Ἀσκληπιῷ καὶ Πανακείᾳ, συνεπικαλούμενοι καὶ τὴν Ἰασὼ πρὸς θεραπείαν.

ΙΙΙ 97 F πρὸς τοὺς πυνθανομένους ‘τί τοῦτο, Οὐλπιανέ;’ ‘ὑπώπιον’ ἔλεγε. κἀγὼ – ξυνῆν γὰρ αὐτῷ – τότε τὸν γέλωτα φέρειν οὐ δυνάμενος παρά τινι τῶν φίλων ἰατρῷ ὑπαλειψάμενος τὰ ὑπὸ τοὺς ὀφθαλμοὺς παχεῖ φαρμάκῳ πρὸς τοὺς πυνθανομένους ‘τί δὲ σύ;’ ‘πρόσκομμα’ ἔφασκον.

p. 90, 58 Ὑποποιοῦνται πρὸ τῶν ἄλλων τὸ φίλιον ..., αἰκάλλοντες ὡς οἷα καί τινα κυνάρια σαίνουρα ..., πρὸ τῶν φιλουμένων βαΰζοντες εὐνοϊκῶς δῆθεν ... vgl. De capta Thessal. 138 Kyriakidis

III 99 E ἀλλὰ μὴ βάυζε, εἶπεν, ὦ ἑταῖρε, μηδὲ ἀγριαίνου τὴν κυνικὴν προβαλλόμενος λύσσαν τῶν ὑπὸ κύνα οὐσῶν ἡμερῶν, δέον αἰκάλλειν μᾶλλον καὶ προσσαίνειν τοῖς συνδείπνοις ...

In beiden erwähnten Fällen könnte die Übereinstimmungen zufällig sein (zum Unterschied zwischen ὑπώπιον und πρόσκομμα vgl. z.B. Comm. in Hom. Il. 3, 421-22). Man muss allerdings zugeben, dass im zweiten Fall nicht nur die Sprache der beiden Autoren sehr ähnlich ist, sondern auch der Inhalt (ausführlicher Vergleich des Kolax mit einem Hund) nicht gewöhnlich ist.110 Die direkten Quellen der Gelehrsamkeit des 12. Kapitels sind also außer den erwarteten Anklängen an Homer (z.B. p. 90, 90: ὀτρηροὶ θεράποντες, p. 91, 7: θέσκελον, θεοείκελον) und an Mediziner (z.B. p. 90, 67 ὀφθαλμία, p. 90, 68 λήμην, p. 90, 73 κέρχνειν) vor allem bei Athenaios zu suchen. Peripatetisches Gut findet sich demnach in der Schrift Περὶ ὑποκρίσεως des Eustathios; es stammt aber nicht direkt von Peripatetikern und schon gar nicht von einem angeblichen theophrastischen Charakter Περὶ ὑποκρίσεως, sondern wurde höchst wahrscheinlich aus den Deipnosophistai geschöpft.

_____________ 110 Vgl. Hippias aus Erythrai FGrHist 421 F 1 sowie Phld. Rh. I p. 242 Sudh., wo aber die Kolakes einfach als πρόκυνες bezeichnet werden; dazu s. auch LSJ s.v. II mit dem Suppl.

VI. ‘Über die Panik’

Niemand hätte vielleicht vermutet, dass man in der Antike eine Spezialschrift Über den panischen Schrecken verfasst hat, wenn nicht ein Bruchstück aus einer Schrift des Klearchos mit dem Titel Περὶ τοῦ πανικοῦ indirekt überliefert worden wäre. Das einzige erhaltene Fragment steht bei Athenaios im Rahmen der katalogartigen Behandlung des Geflügels im IX. Buch. In dem wortwörtlichen Zitat bei Athenaios (389F = fr. 36 Wehrli) spricht Klearchos über vier bestimmte Arten von Vögeln (die Sperlinge, die Rebhühner, die Hähne und die Wachteln) und bemerkt folgendes: Die Sperlinge und die Rebhühner, ferner die Hähne und die Wachteln haben einen Samenerguss nicht nur, wenn sie die weiblichen Tiere sehen, sondern sogar wenn sie nur deren Stimme hören. Der Auslöser ist die sich im Inneren entwickelnde Vorstellung des Paarungsvorgangs. Das zeigt sich ganz besonders zur Paarungszeit, wenn Du ihnen einen Spiegel vorhältst. Sie rennen nämlich aufgrund des Spiegelbildes dagegen an, werden gefangen und spritzen den Samen aus – nur nicht die Haushühner. Bei diesen führt die Wahrnehmung des Spiegelbildes nur zu einem Angriff. (Übers. C. Friedrich)

Was Klearchos in diesem Fragment über die Verhaltensweise der Vögel sagt, ist interessant, auch wenn die Beziehung der Beschreibung zum Werktitel durchaus rätselhaft erscheint: Die erwähnten Vögel haben Samenerguss nicht nur wenn sie die weiblichen Tiere sehen, sondern auch wenn sie nur ihre Stimme hören; der Grund liegt im Vor-Augen-Stellen (φαντασία) von Paarungsvorgängen (πλησιασμῶν) in ihrer Seele. Es folgt der sozusagen experimentelle Beweis: Wenn man diesen Vögeln (mit Ausnahme der Hähne) während der Paarungszeit einen Spiegel vorhält, rennen sie dagegen an, lassen sich täuschen und ergießen den Samen. Die Ähnlichkeit mit dem fr. 3 aus der Schrift des Klearchos Über das in Platons ‘Politeia’ mathematisch Dargestellte springt ins Auge: Es geht teilweise um dieselben Vögel, um die gleiche Methode (Widerspiegelung durch einen Spiegel oder aber durch das Öl, das in diesem Fall eine ähnliche Funktion hat) und vor allem um den gleichen seelischen Vorgang in den Vögeln. Nur ist dort der Aspekt ein anderer, nämlich der der Jagd und des Fangs der Vögel, und alles wird dementsprechend geschildert, so dass folgerichtig jegliche Erwähnung des Samenergusses weggelassen wird. In diesem Werk des Klearchos dient dagegen die Erwähnung der Fangmethode

VI. ‘Über die Panik’

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offensichtlich dazu, die Erklärung eines seelischen Vorgangs durch Parallelen zu begründen und zu veranschaulichen. Was hat aber die Beschreibung des konkreten Tierverhaltens mit dem im Titel angekündigten Thema zu tun? Was kann weiter der Inhalt dieser Schrift Περὶ τοῦ πανικοῦ gewesen sein?1 Und wie kam Klearchos auf die Idee über ein solches Thema zu schreiben? Um diese Fragen zu beantworten, scheint es zunächst angebracht zu sein, sowohl den im Fragment beschriebenen Sachverhalt als auch den Begriff des πανικόν genauer ins Auge zu fassen. Die im Fragment erwähnten Vögel haben zunächst ein gemeinsames Merkmal: Sie wurden in der Antike als besonders zum Liebesgenuss neigend (ἀφροδισιαστικά) betrachtet. Das galt vor allem für die Rebhühner und die Hähne, aber auch für die Wachteln und die Sperlinge.2 Interessanterweise erwähnt Aristoteles in der Historia Animalium 613b25 ff. die drei Vögel (es fehlen nur die Sperlinge) zusammen in Bezug genau auf dieses Merkmal. An der gleichen Stelle sagt er wenige Zeilen später (614a28): Οὕτω δὲ σφόδρα καὶ οἱ πέρδικες καὶ οἱ ὄρτυγες ἐπτόηνται περὶ τὴν ὀχείαν, ὥστ’ εἰς τοὺς θηρεύοντας ἐμπίπτουσι καὶ πολλάκις καθιζάνουσιν ἐπὶ τὰς κεφαλάς.3 In diesem Zusammenhang ist auch Xen. Mem. II 1, 4 _____________ 1

2

3

In Zusammenhang mit dem im Titel erwähnten Wort πανικός sei bemerkt, dass es sonst zum ersten Mal bei Polybios bezeugt ist (V 96, 3 πανικῷ περιπεσόντες, XX 6, 12 πανικοῦ δ’ ἐμπεσόντος αὐτοῖς καὶ φήμης ὅτι κτλ.). Von den Autoren des 4. Jh. verwendet Aeneas Tact. Poliorc. 27, 1 nur das Wort πάνειον: φόβους γενομένους νυκτὸς ἢ μεθ’ ἡμέραν, ἅπερ ὑπό τινων καλεῖται πάνεια. In späterer Zeit wird πανικός häufig nur als Adjektiv aufgefasst und durch ein Substantiv wie φόβος, δεῖμα, θόρυβος usw. bestimmt; so z.B. Diod. XX 69, 1 (φόβου); Plut. Caes. 43, 6 (πανικὸν τάραχον); Paus. X 23, 7 (φόβος ... Πανικός). Die Annahme von E. Harrison, “Pan, Paneion, Panikon”, CR 40 (1926) 6-8 über die Geschichte der Wörter πανεῖον – πάνειον – πανικόν scheint mir unhaltbar zu sein. Vgl. Arist. HA 488b5 (τὰ μὲν ἀφροδισιαστικά, οἷον τὸ τῶν περδίκων καὶ ἀλεκτρυόνων γένος); 564b12 (οἱ μὲν μᾶλλον ὀχευτικοὶ καὶ μᾶλλον ἐπιδήλως, οἷον ἀλεκτρυόνες καὶ πέρδικες); Ael. NA IV 1 (ἀκολαστότατοι ὀρνίθων οἱ πέρδικές εἰσι); zu den Wachteln vgl. Arist. HA 614a6; zu den Sperlingen Athen. IX 391E-F (καὶ οἱ στρουθοὶ δέ εἰσιν ὀχευτικοί· ... μήποτε οὖν καὶ ἡ Σαπφὼ ἀπὸ τῆς ἱστορίας τὴν Ἀφροδίτην ἐπ’ αὐτῶν φησιν [fr. 1 L.-P.] ὀχεῖσθαι· καὶ γὰρ ὀχευτικὸν τὸ ζῷον καὶ πολύγονον); Porph. Quaest. Homer. ad Il. 2, 305-329 (ἱερὰ μὲν Ἀφροδίτης ἡ στρουθὸς κατωφερέστατον δὲ ζῶον καὶ λάγνιστον); s. auch W. D’Arcy Thompson, A Glossary of Greek Birds, London/Oxford 21936, 216 (Wachtel); 236 (Rebhühner); 270 (Sperlinge); J. Pollard, Birds in Greek Life and Myth, [London] 1977, 29 f. (Sperlinge); 60 (Rebhühner); 62 (Wachteln); 88 (Hähne). In der Ausgabe von H. Aubert – Fr. Wimmer, Aristoteles: Thierkunde, II, Leipzig 1868, S. 235, wird die Stelle übersetzt: “Die Steinhühner und Wachteln sind aber so erpicht auf die Begattung, dass sie auf die Lockvögel losstürzen und sich ihnen auf den Kopf setzen”. Sie geben also das θηρεύοντας mit “Lockvögel” wieder (ähnlich P. Louis in der Budé-Ausgabe), was wohl falsch ist; vgl. in ähnlichem Zusammenhang Plin. NH

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Interpretationen

heranzuziehen, wo Sokrates die Frage stellt: Οὐκοῦν καὶ ἄλλα ὑπὸ λαγνείας, οἷον οἵ τε ὄρτυγες καὶ οἱ πέρδικες, πρὸς τὴν τῆς θηλείας φ ω ν ὴ ν τῇ ἐπιθυμίᾳ καὶ τῇ ἐλπίδι τῶν ἀφροδισίων φερόμενοι καὶ ἐξιστάμενοι τοῦ τὰ δεινὰ ἀναλογίζεσθαι τοῖς θηράτροις ἐμπίπτουσι; Sowohl Aristoteles als auch Xenophon sprechen von dem eigenartigen Verhalten derselben Vögel (Rebhühner, Wachteln) während der Begattungszeit, das auf den starken Geschlechtstrieb zurückgehe und ihren Fang sehr leicht mache. Aristoteles redet von einer leidenschaftlichen “Aufregung” bzw. “Irritation” (ἐπτόηνται), die die Vögel in die Hände der Jäger führt. Auch Xenophon erklärt das ‘unbedachte’ Verhalten der Vögel durch den Geschlechtstrieb, aber er erwähnt darüber hinaus etwas, das wir im Klearchos-Fragment finden: die Bedeutung der Stimme bei dieser Verhaltensweise. Bei keinem von ihnen ist vom Gebrauch eines Spiegels die Rede. Ob es sich allerdings bei Klearchos um den Gebrauch der Spiegel bei gewöhnlicher Jagd handelt, sei dahingestellt.4 So etwas kommt sowieso für Sperlinge und Hähne überhaupt nicht in Frage, während in fr. 3 aus der Schrift Über das in Platons ‘Politeia’ mathematisch Dargestellte von den erwähnten Vögeln nur die Wachteln in Zusammenhang mit dieser Fangmethode erwähnt werden.5 Die ganze Beschreibung bei Klearchos erscheint jedoch an sich nicht unglaubhaft, während die Fangmethode sehr treffend veranschaulicht, was Klearchos damit zeigen will: eine bestimmte Art von Täuschung der Vögel, die auf einem seelischen Phänomen und der entsprechenden Verhaltensweise beruht. Kommen wir nun zu dem sogenannten panischen Schrecken. Was meinte man eigentlich damit in der Antike? Hierzu hat W. Roscher schon das Wichtigste gesagt, indem er nicht nur auf all seine Merkmale, sondern auf die verschiedenen Phänomene, die mit ihm und mit Pan als Gottheit verbunden waren, hingewiesen hat.6 Nach ihm bildete das wesentliche _____________ 4 5 6

X 102 rabie quidem tanta feruntur [sc. perdices et coturnices], ut in capite a u c u p a n t i u m saepe caecae impetu sedeant. Von einer solchen Fangmethode hört man nichts aus anderen Quellen, nicht einmal aus Spezialschriften (vgl. z.B. den dritten Teil der Ixeuticon des Dionysios Periegetes). Nur in Diod. XVII 90, 2 wird von dem Gebrauch von Spiegeln bei der Jagd berichtet. Interessanterweise spricht Platon in Euthd. 290d4 von ὀρτυγοθῆραι, was vielleicht auf Spezialisierung und entsprechende Fangmethoden schließen lässt. Zum folgenden s. vor allem W.H. Roscher, Über Selene und Verwandtes, Leipzig 1890, 157 ff.; ders., Ephialtes. Eine pathologisch-psychologische Abhandlung über die Alpträume und Alpdämonen des klassischen Altertums, (Abh. kgl. Sächs. Ges. Wiss., Philol.-hist. Kl. XX 2), Leipzig 1900, 66-82; ders., “Pan” in seinem Lex. d. griech. u. röm. Mythologie III 1 (1897–1902) 1347-406, bes. 1388 ff.; ferner W. Schmidt, “Das Alter der Vorstellung vom panischen Schrecken”, RhM 50 (1895) 310-11; Brommer (1956) 949-1008 (hauptsächlich zu den bildlichen Darstellungen); Ph. Borgeaud, Recherches sur le dieu Pan, Rom 1979, mit weiterer Literatur, aber auch mit unverständlichen Fehlern (so, z.B., S. 137

VI. ‘Über die Panik’

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Merkmal des panischen Schreckens “das plötzliche unberechenbare Eintreten” des Schreckens und “die aller Vernunft spottende Kopflosigkeit [...], die eine Menge von Individuen auf einmal ergreift”. Die Idee des panischen Schreckens war “den Erfahrungen und Beobachtungen des Hirtenlebens” entsprungen,7 wurde aber bald, wie das Hirtenleben überhaupt, metaphorisch mit dem Krieg verbunden. So erzählte man u.a. die bekannte Geschichte (Hdt. VI 105), wie Pan dem Herold Pheidippides (weniger wahrscheinlich: Philippides) erscheint, die Hilfe des ‘wohlgesinnten’ Gottes in der Schlacht bei Marathon – gemeint kann wohl nur der panische Schrecken sein – und die Errichtung eines Heiligtums “unterhalb der Akropolis” sowie die Stiftung des Pankultes, “sobald sich die Lage (der Athener) gebessert hatte”.8 Pan galt aber auch als Alpdämon und Erreger aller Art von erschreckenden Träumen, Halluzinationen, Illusionen und Visionen, sowie als Urheber der Epilepsie (vgl. Eur. Med. 1168 ff.) und der Geisteskrankheit. Eine Einzelheit ist in den verschiedenen Beschreibungen des panischen Schreckens besonders zu beachten: die Beziehung des Schreckens zum Echo. Eine Bemerkung des bekannten Grammatikers Apollodoros (FGrHist 244 F 135), vermutlich aus seinem Werk Περὶ θεῶν, die im antiken Scholion zu [Eur.] Rh. 36 angeführt wird, ist hierzu aufschlussreich: περὶ (del. Schwartz) τῶν Πανικῶν λεγομένων κινημάτων Ἀπολλόδωρος τὴν αἰτίαν ἐκτίθησι ταύτην· “ τὰ ὄρη καὶ αἱ νάπαι καὶ πάντα τὰ ὕπαντρα τῶν ὀρῶν ἐστιν ἠχώδη. ποικίλων (add. Schw.) καὶ παντοδαπῶν φωνῶν ἐν τοῖς ὄρεσι γινομένων ὑπό τε κυνηγῶν καὶ ζῴων ἡμέρων τε καὶ ἀγρίων ἦχοι μητικοὶ (ci. Schw.) γίνονται τούτων. ὅθεν πολλάκις τινες τὰ μὲν σώματα τῶν φωνούντων

_____________ 7 8

über Klearchοs’ Schrift: “mais nous n’en connaissons que le titre, qu’Athénée mentionne”; S. 144: “Dès le IVe siècle avant J.-C. Apollodore d’Athènes [...]”). Vgl. Cornutus Nat. deor. p. 50, 7 Lang: ἔτι δὲ τὸ Πανικὰς λέγεσθαι ταραχὰς τὰς αἰφνιδίους καὶ ἀλόγους· οὕτω γάρ πως καὶ αἱ ἀγέλαι καὶ τὰ αἰπόλια πτοεῖται ψόφου τινὸς ἐξ ὕλης ἢ τῶν ὑπάντρων καὶ φαραγγωδῶν τόπων ἀκούσαντα. Vgl. Suda ι 545 (über den Soldat Polyzelos und die bärtige Kriegergestalt, d.h. Pan, die er während des Kampfes erblickte – vgl. bereits Hdt. VI 117, 2-3). Zu der Rolle Pans bei der Marathonschlacht und zur Einführung seines Kultes danach, s. P. Garland, Introducing New Gods. The Politics of Athenian Religion, London 1992, 47-54; S. Hornblower, “Epic and Epiphanies: Herodotus and the New Simonides” in D. Boedeker – D. Sider (Hsgg.), The New Simonides, N. York 2001, 143-45; M. Jung, Marathon und Plataiai. Zwei Perserschlachten als ‘lieux de mémoire’ im antiken Griechenland, (Hypomnemata 146) Göttingen 2006, 38-49. Jung sieht in der Stiftung des Pan-Kultes eine religionspolitische Maßnahme und hält die Tradition über das Eingreifen des Gottes bei der Schlacht für hellenistisch. Letzteres scheint nicht überzeugend zu sein (s. vor allem Hornblower a.O. 144). Garland a.O. 49 Anm. 2 erklärt m.E. befriedigend, warum Herodot nur allgemein von der Hilfe Pans spricht und das Eingreifen in die Schlacht nicht erwähnt: “It is something which he can neither omit (because it was too wellknown) nor fully incorporate (because of his own reservations about it)”.

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Interpretationen

οὐχ ὁρῶντες, αὐτὴν δὲ μόνην τὴν προσπίπτουσαν φωνὴν (add. Schw.) φασι Πᾶνα σὺν ταῖς Νύμφαις ἐν τοῖς ἄντροις (Vater : ἀγροῖς Α) μετ’ αὐλῶν καὶ συρίγγων φωνεῖν ” . ὡς καὶ Ὀδυσσεύς (Od. ζ 122).9

Die Erklärung des Apollodoros klingt sehr plausibel, denn in der Tat kann die Stille des Berges oder des Waldes in Verbindung mit einem Echo oder Widerhall, dessen Quelle nicht genau zu bestimmen ist, besonders bei aufgeregten oder erschöpften Menschen zu Halluzinationen führen und sie somit erschrecken. Ob die Erklärung selbst wirklich auf Apollodoros zurückgeht oder von ihm lediglich referiert bzw. übernommen wurde, ist eine Frage, die man aus den vorliegenden Quellen nicht beantworten kann. Angesichts der großen Gelehrsamkeit des Apollodoros und der offensichtlich ausführlichen Behandlung seines Materials (sein Werk Über die Götter umfasste 24 Bücher) ist nicht auszuschließen, dass ihm auch Klearchos’ Schrift über den panischen Schrecken bekannt war. Was im vorliegenden Klearchos-Fragment geschildert wird, ist ein der Ethologie nicht unbekanntes Phänomen. Wallace Craig stellte 1917 zum ersten Mal das Phänomen fest, das er “appetitive behaviour” nannte. Der bekannte Biologe Konrad Lorenz hat später seine Interpretation weitergeführt und es mit dem Terminus ‘Appetenzverhalten’ wiedergegeben.10 Beim Appetenzverhalten geht es um den ‘Appetit’ eines Tieres nach der Ausübung von Instinkthandlungen seines Organismus und um bestimmte Erscheinungen, die dieses Streben begleiten: Wenn die Auslösung einer Instinkthandlung länger unterbleibt, erhöht sich die Bereitschaft zu dieser Handlung, so dass sie nicht nur zu einer Erniedrigung der Schwelle der auslösenden Reize (Lorenz erinnert an die Worte Goethes: “Du siehst, mit diesem Trank im Leibe, bald Helenen in jedem Weibe”), sondern auch zur Verminderung der Selektivität des Organismus führt, was nach Lorenz eine Bereitschaft der Tiere bedeutet, auf nicht ganz adäquate Reize anzusprechen: “Bei objektgerichteten Abläufen kann dies dazu führen, dass bei _____________ 9

10

Zu dem Hinweis auf die Odysseestelle s. Jacobys Komm. zum Fragment. Übrigens ist das Wort κίνημα (am Anfang des Scholion) in der Bedeutung ‘Gefühl’ in philosophischen Schriften geläufig (vgl. LSJ s.v. 3), so dass es schwerlich aus dem Scholiast stammen kann. Die Konstruktion des Satzes ist vielleicht nicht so anstößig, wie Schwartz angenommen hat, vgl., z.B. Herodian. Π. ὀνομάτων [GG 3, 2] p. 617, 2 καὶ περὶ μὲν τοῦ λᾶας τοῦ προσηγορικοῦ ἔστιν εἰπεῖν τὴν αἰτίαν ταύτην· τὰ κτλ., p. 617, 14 περὶ δὲ τοῦ μέγας τοῦ ἐπιθέτου ἔστιν εἰπεῖν τὴν αἰτίαν ταύτην· δεῖ κτλ. Die Tilgung der Präposition περί erscheint somit nicht notwendig. W. Craig, “Appetites and Aversions as Constituents of Instincts”, Proceedings of the Nat. Acad. of Sciences of the USA 3.12 (1917) 685-8, und (ausführlicher) mit dem gleichen Titel in Biological Bulletin 34.2 (1918) 91-107 (in Bezug auf sexuelles Verhalten: S. 100); K. Lorenz, Über tierisches und menschliches Verhalten: Gesammelte Abhandlungen, I, München 1967, 222, 239, 262, 268 f., 499 f.; s. auch I. Eibl-Eibesfeldt, Grundriß der vergleichenden Verhaltensforschung – Ethologie, München 31967, 66 ff.

VI. ‘Über die Panik’

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längerem Fehlen des adäquaten, biologisch richtigen Objektes die Reaktion mit einem anderen, nicht ganz entsprechenden Objekte sozusagen ‘vorlieb’ nimmt” (269). Um dieses Phänomen des Appetenzverhaltens geht es also auch bei Klearchos: Bereitschaft zu einer sexuellen Instinkthandlung (vor allem während der Paarungszeit), Assoziationen (wegen der Stimme), Schwellenerniedrigung und eine Handlungskette (bis zum Samenerguss). Das Fragment zeigt, dass Klearchos mit den biologischen Forschungen des Peripatos zumindest vertraut war (wenn er nicht selbst daran aktiv teilnahm). Schon die Sprache weist deutlich darauf hin: (a) προΐενται γονήν ist ein seltener Ausdruck, der aber mehrmals in den biologischen Schriften des Aristoteles vorkommt, so dass er als charakteristisch für seine technische Sprache betrachtet werden kann.11 (b) Das Wort φαντασία wird terminologisch im Sinne des Aristoteles gebraucht, d.h. im Sinne von ‘Vorstellung’. Das Wort hat hier nicht, wie bei Platon, die Bedeutung ‘Maler’, ‘Abbilder’, der etwas von dem in die Seele malt, was durch die Sinnesorgane wahrgenommen wird. Hier geht es um Assoziationen, die in den Vögeln hervorgerufen werden und die den biologischen Mechanismus der Instinkthandlung einschalten. Man beachte, dass im Fragment eigentlich von zwei unterschiedlichen Fällen berichtet wird. Im zweiten Fall geht es zwar um Täuschung und Samenerguss der Vögel durch Bilder, die in eine Art Spiegel sehen, doch geschieht im ersten Fall das Gleiche nur durch die Stimme, die die Vögel hören. Im letzteren Fall wird deutlicher, dass es sich hier um Assoziationen handelt. φαντασία bedeutet also hier nichts anderes als das ‘Vorstellungsvermögen’ des Aristoteles, das Vorstellungsbilder (vgl. De an. III 3.427b19) aufgrund der Wahrnehmung, aber in Abwesenheit des Wahrnehmungsgegenstandes produziert.12 Es handelt sich dabei um eine Art Nacheffekt, bei dem eigentlich je nach den Erscheinungsformen (wie z.B. im Traum oder im Gedächtnis) Assoziationsphänomene oder Illusionen nicht ausgeschlossen sind und jedenfalls die Täuschungsgefahr sehr groß ist. Deswegen hebt ja Aristoteles in De an. III 3.428a12 hervor, dass “von den Vorstellungen (φαντασίαι) sich die meisten als falsch erweisen”. Es sei übrigens darauf hingewiesen, dass Aristoteles die Existenz der Vorstellungen _____________ 11 12

Arist. GA 723b25; 730a33; 731a2; 738b10; 749a15; PA 689a11. J. Freudenthal, ΦΑΝΤΑΣΙΑ bei Aristoteles, Göttingen 1863, 16 ff.; M. Schofield, “Aristotle on the Imagination”, in G.E.R. Lloyd – G.E.L. Owen (eds.), Aristotle on the Mind and the Sense, Cambridge 1978, 99-140; G. Watson, Phantasia in Classical Thought, Galway 1988 (zu Aristoteles und Theophrast: 14-37); zu φαντασία bei Theophrast vgl. fr. 297-300 FHSG (bes. fr. 299); dazu s. auch P. Huby, Theophrastus of Eresus. Sources for his Life, Writings, Thought and Influence. Commentary, v. 4 (Psychology), Leiden/Boston/ Köln 1999, 83-93.

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Interpretationen

keinesfalls auf die Menschen beschränkt, sondern sie ebenfalls bei den Tieren voraussetzt, auch wenn seine Meinung dazu nicht ganz klar ist: In De an. 415a8-11 meint er, einige Lebewesen hätten keine φαντασία, andere jedoch nur phantasia; in 433b27 ff. sagt er aber, alle Tiere hätten αἰσθητικὴ φαντασία. An der letztgenannten Stelle ist der ganze Gedanke von Interesse: Die Bewegung setze bei Lebewesen Strebensvermögen voraus, das aber ohne Vorstellung nicht möglich sei, die wiederum entweder mit Überlegung (bei den Menschen) oder mit Sinneswahrnehmung verbunden ist. Auch in der Metaphysik sagt er ausdrücklich, dass die übrigen Lebewesen (d.h. außer dem Menschen) durch ihre Vorstellungsbilder und Erinnerungen leben (Met. I 1.980b25 τὰ μὲν οὖν ἄλλα ταῖς φαντασίαις ζῇ καὶ ταῖς μνήμαις). (c) Das Substantiv πλησιασμός in der Bedeutung ‘Paarung’ kommt vor Klearchos nur ein einziges Mal, bei Aristoteles, vor und zwar in einem erwähnenswerten Zusammenhang: HA 356a13 εἰσὶ γὰρ ἑκάστοις τῶν ζῴων ἴδιαι φωναὶ πρὸς τὴν ὁμιλίαν καὶ τὸν πλησιασμόν, οἷον καὶ τράγοις καὶ ὑσὶ καὶ προβάτοις. (d) Das Wort ἔμφασις in der Bedeutung ‘Widerspiegelung’ ist zum ersten Mal bei Aristoteles bezeugt.13 In De divin. 464b8, wo Aristoteles über die Träume (also ebenfalls über seelische Vorgänge) spricht, kommt es sogar in einem ähnlichen Zusammenhang vor: λέγω δὲ τὰς ὁμοιότητας, ὅτι παραπλήσια συμβαίνει τὰ φαντάσματα τοῖς ἐν τοῖς ὕδασιν εἰδώλοις, καθάπερ καὶ πρότερον εἴπομεν. ἐκεῖ δέ, ἂν πολλὴ γίγνηται ἡ κίνησις, οὐδὲν ὁμοία γίνεται ἡ ἔ μ φ α σ ι ς καὶ τὰ εἴδωλα τοῖς ἀληθινοῖς. Auch bei Theophrast taucht das Wort mehrmals auf (vor allem im großen Bruchstück der Schrift De sensu, wo es sogar zehn Mal vorkommt). Aus dem erhaltenen Bruchstück wird ersichtlich, dass darin nicht nur Material zum Thema dargeboten wurde, sondern auch Erklärungen gegeben wurden. Der panische Schrecken wurde als psychologisches Phänomen betrachtet, das mit der Erzeugung falscher Vorstellungen in der Seele zusammenhängt. Für die Erklärung des Klearchos dürfte die aristotelische Psychologie und speziell die Lehre von der Einbildungskraft der Seele als Grundlage gedient haben.14 Auch die aristotelische Diskussion über die φαντασία in De anima III 3 (427a29 ff.) geht schließlich von der Frage des _____________ 13

14

Vgl. LSJ s.v. I; auch Bonitz, Index Aristotelicus s.v. In De sensu 438a5 wird das Wort in Bezug auf Demokrit benutzt, aber das bedeutet nicht unbedingt, dass Demokrit es auch verwendet hatte. Ähnliches gilt für die doxographischen Stellen in Theophrasts De sensu (z.B. § 16-17). Ich vermag dagegen nicht zu verstehen, was man mit dem Hinweis Wehrlis (1969a) Komm. z. Fragment, speziell auf Arist. De an. II 12.424a29 anfangen soll (der Hinweis wird auch bei Taifakos [2008] 322 wiederholt). Im Allgemeinen ist die Behandlung des Fragments in den erwähnten Kommentaren enttäuschend.

VI. ‘Über die Panik’

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Irrtums im Denken aus. Die Schrift Über den panischen Schrecken muss man als eine Spezialschrift (darauf deutet schon die Präposition περί im Titel hin) auffassen, die von der aristotelischen Psychologie ausgehend durchaus im Rahmen der peripatetischen Tradition solcher Studien in fast jedem Bereich des Wissens steht. Aus einem Fragment dieses Umfangs lässt sich schwerlich vorstellen, wie man weitere Schlüsse auf den Inhalt der ganzen Schrift ziehen kann. Wir haben allerdings gesehen, dass der Begriff des panischen Schreckens in der Antike hauptsächlich mit zwei Arten von Verhalten verbunden wurde: auf der einen Seite mit dem Verhalten von Tierherden und auf der anderen Seite mit dem Verhalten von Menschen im Krieg. Auf das Tierverhalten wird in der Tat im erhaltenen Fragment eingegangen. Und da die Schrift natürlich nicht allein den Tieren gewidmet war, kann man mit gewisser Sicherheit annehmen, dass darin auch erwähnenswerte Fälle von panischem Schrecken in Kriegen genannt wurden, darunter gewiss auch die Marathon-Schlacht mit dem entsprechenden, anekdotenhaften Material, das mit der Einführung des Pan-Kultes in Athen verbunden war.15 Von anderen Schlachten, in denen der panische Schrecken eine Rolle gespielt hatte, könnte man diejenige bei Delphi vom Jahre 279 v.Chr., in der die Griechen (vor allem die Aitoler) die Kelten abgewehrt haben, und diejenige bei Lysimacheia von 277 v.Chr. (dazu s. weiter unten) in Erwägung ziehen.16 Ob es einen konkreten Anlass für Klearchos’ Beschäftigung mit diesem Thema gegeben hat, lässt sich zwar nicht mit Sicherheit sagen. Doch _____________ 15

16

Zu der Bestätigung der Verbindung zwischen der Schlacht bei Marathon und der Einführung des Pan-Kultes in Athen (vgl. Hdt. VI 105-6) durch die bildende Kunst s. Brommer (1956) 954-5. Zur Errichtung des Tempels vgl. ferner das anonyme Epigramm AP 16.259: Πέτρης ἐκ Παρίης με πόλιν κατὰ Παλλάδος ἄκρην στῆσαν Ἀθηναῖοι Πᾶνα τροπαιοφόρον. Neben Herodot ist vor allem das Simonides zugeschriebene Epigramm (in Zusammenhang mit der Widmung einer Statue durch Miltiades) von Bedeutung (AP 16.232 = Page, Further Greek Epigrams 700-701): Τὸν τραγόπουν ἐμὲ Πᾶνα τὸν Ἀρκάδα, τὸν κατὰ Μήδων, τὸν μετ’ Ἀθηναίων στήσατο Μιλτιάδης. AP 16.233 (Theitetos Scholastikos) “is an elaborate variation on the theme of this epigram” (Page). Zur Panik nach der Schlacht bei Delphi s. Paus. X 23, 7: ἐν δὲ τῇ νυκτὶ φόβος σφίσιν (sc. τοῖς Γαλάταις) ἐμπίπτει Πανικός· τὰ γὰρ ἀπὸ αἰτίας οὐδεμιᾶς δείματα ἐκ τούτου φασὶ γίνεσθαι. Zu den Berichten über diese Schlacht, die ungewöhnlich viele wunderbare und ‘poetische’ Elemente aufweisen und die Berichte früherer Schlachten (allen voran des Herodot) wiederholen, s. H. Pomtow, “Delphoi”, RE IV 2 (1901) 2568-9; Tarn (1913) 153-7, 439-42.

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Interpretationen

kann man über den historischen und den literaturgeschichtlichen Zusammenhang einige Vermutungen anstellen. Es kann zunächst kaum ein Zufall sein, dass Klearchos in der Schrift Περὶ γρίφων (fr. 88 Wehrli) fünf iambische Trimeter aus dem Hymnos auf Pan des Kastorion von Soloi (SH 310 [und 311?]) zitiert und über ihn Bemerkungen hinsichtlich seiner Verskunst macht. Er kannte also den Hymnos nicht nur, sondern er hatte ihn auch studiert. Ob die Verse des Kastorion mehr oder weniger “Spielereien” sind, wie Wilamowitz vielleicht richtig erkannt hat,17 ist hier nicht von Belang. Viel wichtiger ist, dass ein anderer Dichter, der bekannte Aratos aus dem kilikischen Soloi, um die gleiche Zeit (wohl aber vor Kastorion) ebenfalls einen Hymnos auf Pan geschrieben hatte, von dem allerdings nur der Titel bezeugt ist (SH 115). Auf dessen Hymnos spielt vielleicht Theokrit an, indem er in Idyll 7, 99 Aratos in Verbindung mit Pan erwähnt.18 Sieht man aber von der Tatsache, dass Klearchos nachweislich den PanHymnos des Kastorion kannte, sowie von der Gemeinsamkeit in Bezug auf Pan ab, ist über die Beziehung dieser Werke zueinander nichts Konkreteres zu sagen. Nur auf eine auffällige Gemeinsamkeit sollte man vielleicht noch hinweisen: Alle drei Autoren stammten merkwürdigerweise aus einem Ort namens Soloi. Nur könnte man hierzu den Einwand erheben, dass für Klearchos’ Heimatland das zyprische Soloi als wahrscheinlicher erscheint, während über das Kastorions überhaupt nichts zu sagen ist. Nun wissen wir genau den Anlass für den Pan-Hymnos des Aratos, der zugleich ein allgemeines Interesse an Pan in dieser Zeit hinreichend erklären dürfte: Anfang des Jahres 277 hatte Antigonos Gonatas bei Lysimacheia ein keltisches Heer von etwa 18000 Mann vollständig geschlagen und nahezu vernichtet.19 Der Sieg war von großer Bedeutung, denn da_____________ 17

18

19

U. v. Wilamowitz, Griechische Verskunst, Berlin 1921, 126; zu einem etwas anderen Schluss kommt P. Bing, “Kastorion of Soloi’s Hymn to Pan (Supplementum Hellenisticum 310)”, AJPh 106 (1985) 502-9, der Spielerei nur auf der ‘ersten Ebene’ des Gedichts erkennt. Gegen die Annahme, an der erwähnten Stelle handele sich um den bekannten Aratos, argumentiert A.S.F. Gow, Theocritus, II, Cambridge 21952, 118-9; vgl. jedoch Q. Cataudella, “L’ epigramma Ant. Pal. XII, 129 di Arato”, REG 80 (1967) 264-81; ders., “Ancora dell’ epigramma di Aratos XII, 129 e di altri epigrammi”, REG 82 (1969) 365-79; J.J. Clauss, “Once upon a Time in Cos: A Banquet with Pan on the Side in Theocritus Idyll 7”, HSCPh 101 (2003) 295-6. Gegen die Annahme von A. Barigazzi, “Un frammento dell’ Inno a Pan di Arato”, RhM 117 (1974) 221-46, das auf einem Papyrus fragmentarisch erhaltene Gedicht SH 958 stamme aus dem Pan-Hymnos des Aratos, s. die Bemerkungen von Lloyd-Jones und Parsons zum Gedicht; ausführlich Barbantani (2001) 116 ff. (bes. 173-76); dies., “Callimachus and the Contemporary Historical ‘Epic’”, Hermathena 173/174 (2002/2003) 37 ff; vgl. H. Lloyd-Jones, CW 96 (2003) 346. Justin. XXV 2; D.L. II 141; IG II2 677. Zur Schlacht s. Tarn (1913) 165-6; É. Will in CAH2 VII 1, 117.

VI. ‘Über die Panik’

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durch wurde zum einen die Invasion der Gallier in Europa gestoppt, und zum anderen übernahm Antigonos als von allen anerkannter siegreicher Feldherr, als wirklicher σωτήρ, die Herrschaft über Makedonien. Der Eindruck muss entsprechend groß gewesen sein. In Eretria z.B. schlug der Philosoph Menedemos, ein alter Bekannte des Gonatas, einen Volksbeschluss gerade über diesen Sieg vor (D.L. II 141-142). Antigonos selbst glaubte offensichtlich, dass der Gott Pan ihm diesen bedeutenden Sieg verschafft habe, da die Gallier aus irgendeinem Grund in Panik gerieten.20 Eben deswegen beauftragte er Aratos, den Pan-Hymnos für seine Hochzeit mit der Schwester des Antiochos, Phila, im Winter 276/5 zu schreiben.21 Ferner spielte Pan bei dem neugegründeten Fest Basileia eine wichtige Rolle.22 Die Figur Pans war schließlich auf den silbernen Vierdrachmenstücken mit der Beischrift βασιλέως Ἀντιγόνου abgebildet, die Antigonos ab etwa 270 in Umlauf setzte.23 Kurz gesagt: Pan wurde zum Schutzpatron des Königs Antigonos. Es scheint also sehr plausibel zu sein, dass all die erwähnten Schriften über Pan, wie schon H. Usener vermutet hat,24 durch den Sieg des Antigonos bei Lysimacheia veranlasst worden sind, zumal wenn man diesen Sieg nicht in allen Fällen als direkten Anlass, sondern als den Aufsehen verursachenden historischen Umstand auffasst, der die Pan-Thematik beliebt machte. Zumindest im Fall der klearchischen Schrift erweckt das er_____________ 20

21

22 23 24

Der Zweifel an einer Panik der Gallier, nur weil in den Quellen nicht von Panik oder von einer Epiphanie des Pan die Rede ist (so G. Nachtergael, Les Galates en Grèce et les Sôteria de Delphes, Brüssel 1977, 179), scheint mir ungerechtfertigt zu sein. Man beachte vor allem, dass die Kelten “bei Nacht” (also in der Zeit, in der Gefahr für Panik besteht) das Lager des Königs angreifen (nocte castra regis adgrediuntur, ΧΧV 2, 3); sie finden dennoch ein verlassenes Lager (deserta ... castra) und haben schon am Anfang Furcht, weil sie an eine List (dolum) glauben; und während sie in der Dunkelheit die Schiffe der Makedonen plündern, werden sie a remigibus et ab exercitus parte, quae eo c u m c o n i u g i b u s e t l i b e r i s confugerat angegriffen. Was kann unter solchen Umständen das Blutbad (tanta caedes Gallorum) verursacht haben außer einer Panik? SH 115 = Vita Arati 3 p. 15, 26 Martin: ἐπισταθεὶς δὲ τῷ βασιλεῖ πρῶτον μὲν αὐτῷ ποίημα ἀνέγνω τὸ εἰς τὸν Πᾶνα τὸν Ἀρκαδίας, εἶτ’ ἐκείνου κελεύσαντος ἔγραψε τὰ Φαινόμενα. Vita Arati 4 p. 20, 3: σχολάσας δὲ ὁ Ἄρατος Περσαίῳ τῷ φιλοσόφῳ Ἀθήνησι καὶ συνελθὼν αὐτῷ εἰς Μακεδονίαν μεταπεμφθέντι ὑπ’ Ἀντιγόνου καὶ παρελθὼν εἰς τὸν Ἀντιγόνου καὶ Φίλας γάμον καὶ εὐδοκιμήσας, τὸ λοιπὸν τοῦ χρόνου διέτριψεν αὐτόθι. Zur Frage, ob auch Kastorions Pan-Gedicht sich auf den Keltensieg des Antigonos beziehen könnte, s. Susemihl (1892) 518 Anm. 3; W. Kroll, RE Suppl. IV (1924) 880; G. Weber, “Herrscher, Hof und Dichter”, Zeitschrift f. Alte Geschichte 44 (1995) 308 Anm. 120. Dazu s. Tarn (1913) 174. Dazu s. O. Mørkholm, Early Hellenistic Coinage. From the Accession of Alexander to the Peace of Apamea (336-186 B.C.), Cambridge 1991, 134. H. Usener, “Ein Epigramm von Knidos”, RhM 29 (1874) 44 ff. = Kl. Schr. III 408 ff. (zum Hymnos des Kastorion folgte Usener einer Annahme von Th. Bergk).

154

Interpretationen

haltene Fragment den Eindruck, dass es sich dabei, wie übrigens auch bei der Schrift Über den Schlaf, um eine psychologische Spezialschrift handelte, die das gesammelte Material aus der Menschen- und Tierwelt vor dem Hintergrund der peripatetischen Seelenlehre erklärte.

VII. ‘Über die Lebensformen’

Die Schrift des Klearchos von Soloi Über die Lebensformen vermittelt den Eindruck, dass es sich dabei um das Hauptwerk oder zumindest um ein wichtiges Werk des Peripatetikers handelt. Dazu trägt sicherlich die Tatsache bei, dass von der Schrift, die ursprünglich mindestens acht Bücher umfasste,1 mehr Fragmente erhalten sind als von jeder anderen Schrift des Klearchos. Von diesen Fragmenten findet sich die überwältigende Mehrzahl bei Athenaios, und von ihnen wiederum stammen – kaum zufällig – die meisten aus dem 12. Buch, wo die Lust und die Schwelgerei (τρυφή) behandelt werden. Ein Blick in die Gesamtheit der Fragmente vermittelt folgendes Bild über den Inhalt des Werkes:2 37: Das Wort παράσιτος und sein Bedeutungswandel vom sakralen Funktionär zum Schmarotzer. 38: Die durch den Pythagoreer Euxitheos vertretene Ansicht, wonach die Seele zur Strafe an den Körper gefesselt ist. 39: Die Einführung des Schmucks bei den Lakedaimoniern führt zur Entartung des kosmos und bringt Verderben. 40*: Feigheit mit dem Zustand der Leber in Zusammenhang gebracht. 41-42*: Duft – Haut – Dichterinterpretation: Sappho zum Thema Sinnenfreude und Tugend – Der Maler Parrhasios. 43a+43b*: Entartung der Lyder. 44**: Nachahmung des ausschweifenden Lebens der Lyder durch die Samier unter Polykrates. 45: Nachahmung der Ausschweifung der Kolophonier durch die Milesier. 46**: Die Skythen: Abfall von der ursprünglichen Sittenstrenge. 47: Untaten des Dionysios bei den Lokrern und seine Bestrafung. 48: Tryphe und Frevel der Tarentiner: Hetärenwesen.

_____________ 1 2

Vgl. fr. 62: περὶ οὗ (sc. Γοργίου) φησιν ὁ αὐτὸς Κλέαρχος ἐν τῷ ὀ γ δ ό ῳ τῶν βίων. Mit einem Sternchen (*) werden die Fragmente markiert, in denen keine Buchzahl angegeben wird, und mit zwei Sternchen (**) die Fragmente, in denen keine Angabe des Werkes vorhanden ist. Die Fragmente, die in der Ausgabe von Wehrli nicht enthalten sind, werden durch den Buchstaben ‘S’ gekennzeichnet.

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Interpretationen

49: Die Tryphe der Meder: Die μηλοφορία als zusätzliches Zeichen ihrer Verweichlichung. 50*+51(a+b+c**+d**): Dareios und Sardanapallos. 52: Die Völlerei des Perserkönigs Kantibaris. 53: Die Völlerei des Königs Sagaris des Mariandyners. 54**: Pithyllos und seine Art, das Essen zu verschlingen. 55*+F 56*: Formen der Unersättlichkeit: Melanthios und Tithonos. 57*: Der Feinschmecker Philoxenos. 58*+F 59*: Genießer von Fischen: Charmos – ‘Die Tische der Sizilier’. 60: Die Unbeherrschtheit des kolax Anaxarchos. 61*: Die Grenzen der fürstlichen Schwelgerei: Phalaris als Kinderfresser. 62: Gorgias als Beispiel belohnter sophrosyne. Von den Problemen, auf die man bei der Lektüre und der Interpretation der Fragmente stößt, will ich im folgenden nur die wichtigsten behandeln und werde auf die Diskussion von vereinzelten oder von Scheinproblemen verzichten. Mit letzterem meine ich Probleme wie z.B. die Frage nach dem genauen Titel des Werkes. Aufgrund der Tatsache nämlich, dass in einigen Fällen das Werk nicht mit dem Titel Περὶ βίων, sondern mit Ausdrücken wie ἐν τοῖς βίοις zitiert wird,3 hat M. Weber in seiner Dissertation über Klearchos (1880) die These aufgestellt, es handele sich dabei um zwei unterschiedliche Werke des Klearchos: ein “opus didascalicum” in fünf Büchern mit dem Titel Περὶ βίων, in dem Vertreter verschiedener philosophischen Schulen über die richtige Lebensführung diskutierten, und ein anderes in acht Büchern mit dem einfachen Titel Βίοι, das Philosophenviten (“quasi historiam universae philosophiae”) enthalten habe.4 Es scheint jedoch nicht nur plausibler, dass die Abweichung, wie oft, auf die ungenaue Zitierweise der antiken Autoren zurückzuführen ist, sondern es passen gerade Fragmente, die angeblich aus den Philosophenviten stammen sollen, gewiss nur zu einer Schrift Über die Lebensformen.5 Ein wirkliches Problem stellt dagegen die Frage dar, ob aus diesem Werk nur diejenigen Fragmente stammen, die Wehrli in seine Ausgabe aufgenommen hat, oder ob der Schrift weitere Fragmente zuzuweisen sind. G. Nenci hat überzeugend gezeigt, dass der Passus über die Iapyger

_____________ 3 4

5

Mit den Worten: (a) ἐν τῷ/τοῖς ... περὶ βίων: fr. 40, 41, 43a, 50, 51b, 58, 61. (b) ἐν (τῷ) ... (τῶν) βίων: fr. 37, 38, 39, 45, 47, 48, 49, 52, 53, 59, 60, 62. ἐν τοῖς βίοις: fr. 42. Weber (1880) 17 und 44; zur unterschiedlichen Zitierweise des Titels vgl. die (wohl unbegründete) Erklärung von Joly (1956) 129: “nous verrons que l’ouvre de Cléarque est hybride, qu’elle mêle des théories morales sur les genres de vie à la description de la vie de cités ou d’individus.” So z.B. die Fragmente 37, 39, 42, 45, 49, 52, 53. Zu dem Werktitel s. auch Joly (1956) 128-30.

VII. ‘Über die Lebensformen’

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im 12. Buch des Athenaios ähnlich wie der ihm vorangehende Passus über die Tarentiner aus Περὶ βίων stammt.6 Noch in zwei weiteren Fällen glaube ich, dass man anders als Wehrli zu urteilen hat. Der erste ist das fr. 16, das Wehrli der Schrift Über Erziehung zugewiesen hat, ohne allerdings seine Herkunft aus der Schrift Περὶ βίων auszuschließen.7 In diesem Fragment hält Klearchos den Kynikern vor, sie hätten von den vier Haupteigenschaften des Hundes die beiden schlechten (Bellen und Gefräßigkeit) übernommen, nicht aber die beiden positiven (scharfe Wahrnehmung und Wachsamkeit).8 Es geht hier offenbar um philosophische Polemik: Wie Aristoteles, lehnt auch Klearchos das Autarkie-Ideal der Kyniker ab, das eigentlich den Verzicht auf das Leben in der Gemeinschaft propagiert (man beachte im Fragment das zweimal vorkommende Verbum συνανθρωπίζειν) und nahezu die Gottähnlichkeit der menschlichen Wesen hinsichtlich ihrer Selbstgenügsamkeit impliziert. Obgleich Schriften mit dem Titel Περὶ παιδείας, wie man aus der ähnlich betitelten Schrift des Aristoteles und vor allem Theophrasts schließen darf, zuweilen verwandten Inhalt mit den Schriften Περὶ βίων haben konnten, spricht einiges dafür, dass das Fragment aus der Schrift Περὶ βίων stammt: die Hervorhebung der Lebensweise der Kyniker (vgl. den Ausdruck οὐ καρτερικὸν βίον ἀσκεῖτε) und nicht nur ihrer Anschauungen; das Vorkommen des Begriffes der Enthaltsamkeit (καρτερία), die in der Nikomachischen Ethik des Aristoteles mehrmals in Zusammenhang mit der Lust (ἡδονή) erwähnt wird;9 und schließlich die geschickte Umwandlung eines bestimmten Merkmals der Hunde, dass sie nämlich “alles [d.h. ohne Unterschied] verzehren” (παμφάγου τοῦ ζῴου),10 in etwas davon recht Verschiedenes, dass sie nämlich “gefräßig” (βοροί) sind (die Bezeichnung “gefräßig” passt zweifellos besser zu einem Zusammenhang, in dem es sich um Schwelgerei und Völ-

_____________ 6 7

Nenci (1989). Vgl. seine Bemerkung im Kommentar zum Fragment: “Für die Zuweisung kommt auch Περὶ βίων in Betracht”. Müller (1878) hatte es übrigens in die Fragmente der Schrift Περὶ βίων mit aufgenommen. 8 Zur Wiederherstellung des Textes und zur Interpretation dieses Fragments s. vor allem R. Kassel (1963) 57-8 (= Kl. Schr. 341-42). Kassel bemerkt, dass wir hier “den ältesten Beleg einer Ausdeutung des Kynikernamens nach dem Wesen des Hundes” haben. Zur antikynischen Polemik des Epikuros in seiner Schrift, die ebenfalls den Titel Περὶ βίων trug fr. 7-15 Us.; 10, 1-4 Arrighetti2, s. H. Steckel, “Epikuros”, RE Suppl. XI (1968) 631-32; M. Erler in H. Flashar (Hrsg.), Die hellenistische Philosophie, (Grundriss d. Gesch. d. Philosophie, Antike 4.1) Basel 1994, 86-87. 9 Vgl. z.B. Arist. NE VII 4.1147b20; 7.1150a13. Die Enthaltsamkeit kann selbstverständlich auch unter dem Gesichtspunkt der Erziehung, wie etwa in Xen. Mem. II 1, 1-7, betrachtet werden, aber der didaktische Ton verträgt sich in diesem Fall eben weniger mit philosophischen Auseinandersetzungen. 10 Vgl. LSJ s.v. παμφάγος ΙΙ.

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Interpretationen

lerei handelt, wie das in Περὶ βίων der Fall war). Darüber hinaus stimmt der Stil des Fragments, das offensichtlich die Worte eines Gesprächspartners enthält, mit dem dialogischen Charakter der vorliegenden Schrift (s. dazu näheres weiter unten) überein. Es scheint also, dass Klearchos in der Schrift Περὶ βίων, wie Epikur in seiner Schrift mit dem gleichen Titel (D.L. X 119 = fr. 14 Us.), scharf gegen die Kyniker polemisierte. Ein weiteres Fragment aus Περὶ βίων versteckt sich höchst wahrscheinlich an einer Stelle im 12. Buch des Athenaios (548F-549A = S5), wo das Verlangen des mythischen Tithonos nach Genuss und die Gier des von der Komödie eben aus diesem Grund verspotteten Tragikers Melanthios verglichen werden. Ich habe den Passus eingehend an anderem Ort behandelt, so dass sich eine weitere Diskussion hier erübrigt.11 Drei weitere Fragmente (die zwei von ihnen stammen aus den pseudo-plutarchischen Proverbia Alexandrina) sind schließlich in der Ausgabe von Taifakos enthalten. In ihnen wird kein Werk angegeben, sie stammen aber sehr wahrscheinlich aus dieser Schrift des Klearchos.12 Den oben in tabellarischer Übersicht aufgestellten Fragmenten nach der Wehrli-Ausgabe sind also folgende hinzuzufügen: 16: Antikynische Polemik S2: Zwei Sprichwörter in Zusammenhang mit der Schwelgerei der Samier S3: Die Schwelgerei der Iapyger S4a: Die Weichlichkeit der Iberer und der Massalioten in Bezug auf ihre Kleidung S4b: Die Weichlichkeit der Massalioten in Bezug auf ihre Kleidung S5: Das Verlangen des Tithonos und des Tragikers Melanthios nach Genuss Von Bedeutung für die Rekonstruktion des Werkes sind weiter die Reihenfolge der Fragmente und ihre relative Stellung innerhalb des Werkes. Die Anordnung bei Wehrli ist nicht immer überzeugend. Ich gebe nur ein Beispiel: Das Fragment über die Σικελῶν τράπεζαι (fr. 59) ordnet er den Fragmenten über die Feinschmecker zu, obwohl aus dem Inhalt des Fragments und vor allem aus dem gesamten Zusammenhang des Athenaios deutlich hervorgeht, dass die “Tische der Sizilier” nur als berühmtes Beispiel für die Schwelgerei der Inselbewohner erwähnt wird, wie andere Völker für etwas anderes bekannt sind. Es bedarf also einer genaueren

_____________ 11 Tsitsiridis (2006) 354-7. Tithonos als Exempel für das hohe Alter kommt übrigens auch in Ariston von Keos 18 SFOD (es wird allerdings auch Ariston von Chios zugeschrieben) und Hieronymos fr. 15 vor. 12 Zu den Fragmenten aus den Proverbia Alexandrina s. Taifakos (2008) 277-79.

VII. ‘Über die Lebensformen’

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Untersuchung der Fragmente und ihres Zusammenhangs. Prüft man den Zusammenhang bei Athenaios, so kommt man nun zu interessanten Ergebnissen: (a) Man stellt fest, dass Athenaios im 12. Buch nicht weniger als 17 Zitate aus Περὶ βίων anführt. Zu dieser bemerkenswerten Tatsache tritt die Beobachtung hinzu, dass die Zitate hauptsächlich aus dem 4. und 5. Buch der Klearchos-Schrift stammen. Das kann nur bedeuten, dass Athenaios Περὶ βίων höchst wahrscheinlich aus erster Hand kannte und dass es ihm als eine seiner Hauptquellen diente. (b) Athenaios ordnet seine Ausführungen über die Schwelgerei nach zwei Gesichtspunkten: nach Völkern und nach Einzelpersonen.13 Im zweiten Fall folgt er nicht (oder zumindest nicht überall) der Anordnung des Klearchos (z.B. Sagaris, den Klearchos im 5. Buch erwähnte, kommt bei ihm vor Dionysios, den Klearchos im 4. Buch erwähnte). Doch bei der Behandlung der Völker erscheint die Darstellung des Athenaios sehr plausibel und nichts hindert uns anzunehmen, dass auch die Darstellung des Klearchos nach dem gleichen Anordnungsprinzip gebaut war: Die zusammenhängende Besprechung jedes Volkes dürfte zur Zeit des Klearchos wohl gewöhnlicher gewesen sein (auch die Νόμιμα βαρβαρικὰ des Aristoteles waren auf diese Weise geordnet14) und, noch wichtiger, scheint leichter und somit geeigneter für ein umfangreiches Werk von 8 Büchern, wie Περὶ βίων, zu sein. Sie entspricht zudem der gewöhnlichen Vorstellung der Griechen über die Entwicklung der τρυφή. Die Lyder folgen beispielsweise auf die Perser. Diese Reihenfolge scheint sowohl historisch als auch geographisch durchaus gerechtfertigt zu sein. Nicht nur Athenaios, sondern auch Herakleides Pontikos legte offensichtlich großes Gewicht auf die Darstellung der Schwelgerei der Perser. Selbst Xenophon bestreitet in seiner Kyrupädie (VIII 8, 15) die Tryphe der Perser nicht.15 Schwerlich kann man also mit Wehrli die mit den Persern zusammengehörenden Meder (fr. 49) den Lydern folgen lassen.16

_____________ 13 Athen. XII 528E: Περὶ μὲν οὖν ἐθνῶν καὶ πόλεων τρυφῆς τοσαῦτα μνημονεύω. περὶ δὲ τῶν κατ’ ἄνδρα τάδ’ ἤκουσα. 14 Vgl. Arist. fr. 607 R3 (Ἀριστοτέλης ἐν Τυρρηνῶν νομίμοις); s. Trüdinger (1918) 48. 15 Herodot I 155 lässt die Lyder durch Kyros nahezu planmäßig verweichlicht werden. Vgl. Herter (1959) 621. 16 Im Übrigen ist nicht zutreffend, was Wehrli zu der in fr. 43a beschriebenen Stätte, den Ἁγνεῶνα, bemerkt: “Gemeint ist offensichtlich das Bordellwesen in Sardeis [...]”. Gemeint sind die königlichen Gärten, die παράδεισοι, wie sie Klearchos selbst am Anfang des Fragments nennt. Ihre Symbolik sowie die in ihnen vorkommenden Rituale wurden umgedeutet und als Zeichen von Schwelgerei und Wollust interpretiert. Vgl. Munn (2006) 137.

160

Interpretationen

(c) Athenaios ordnet die darzustellenden Völker nach größeren geographischen Einheiten (Orient, Großgriechenland, Kleinasien usw.). Das gleiche Anordnungsprinzip kann man auch für Klearchos annehmen, selbst wenn die Reihenfolge mit der bei Athenaios vielleicht nicht identisch war. Aus den erhaltenen Fragmenten geht übrigens nicht immer hervor, wie der Übergang von der einen zur anderen Einheit gestaltet wurde. Der Einfluss eines Volkes auf andere Völker ist ein naheliegendes Motiv. Angenommen aber, dass eine Verbindung zwischen entfernten geographischen Einheiten gewünscht war, wie kann man von Kleinasien nach Großgriechenland gelangen? In diesem konkreten Fall lässt sich wohl eine Vermutung wagen. Wir wissen, dass sowohl Aristoteles als auch Theophrast besondere Abhandlungen über die Tyrrhener geschrieben hatten.17 Es wäre also höchst merkwürdig, wenn Klearchos diesem Volk keine Bedeutung beigemessen hätte. Nun stammten bekanntlich die Tyrrhener nach der Vorstellung der Griechen (vgl. Hdt. I 94) von lydischen Einwanderern ab und ihr Eponym, Tyrsenos (oder Tyrrhenos), war ein Sohn des Atys. Es ist deswegen kein Zufall, dass bei Athenaios die Tyrrhener als erstes Volk Großgriechenlands nach der Darstellung der Lyder erscheinen. Sind diese Beobachtungen richtig, so darf man m.E. dort, wo der Inhalt der einzelnen Fragmente wenig oder nicht hilft, die Darstellung der Tryphe nach den verschiedenen Völkern bei Athenaios als zusätzliches Kriterium für die Anordnung der Fragmente in der klearchischen Schrift Περὶ βίων verwenden. Nach den obigen Ausführungen über weitere Fragmente Περὶ βίων und aus der Betrachtung des Athenaios entsteht dann folgendes Bild für das Werk:18 Buch Buch Buch Buch

I: II: III: IV:

Buch V: Buch VIII: Ex incerto libro:

37 — 16** 38 — 39 41 — 42* 49 — 43a — 43b* — 44** — S2** — 45 — 46** —59* — 47 — 61* — 48 — S3**— S4a**— S4b** 50* — 51 [a+b+c**+d**] — 52 — 53 — 54** — 55** — 56** —57** — 58* — 60 62 — S5** 40*

Die erhaltenen Fragmente lassen sich besser verstehen, wenn man annimmt, dass die Form des Werkes dialogisch war.19 Die Fragmente 50-51

_____________ 17 Aristoteles fr. 607 R3 (vgl. fr. 608); Theophrast fr. 589 (= 586) FHSG. 18 Zu der Bedeutung der Sternchen s. oben Anm. 2. 19 So bereits Weber (1880) 17.

VII. ‘Über die Lebensformen’

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über die Belohnung mit neuen Leckerbissen durch den persischen König und die Erwähnung des sprichwörtlichen Ausdrucks Διὸς ἐγκέφαλος in diesem Zusammenhang lassen sich befriedigender erklären, wenn sie in den Mund eines Vertreters der Lust gelegt waren, und das gleiche gilt für das fr. 56, wenn es heißt, der gefräßige Melanthios sei “auf einen besseren Gedanken” als der mythische Tithonos gekommen. Ähnlich kann der Πυθαγορικός Euxitheos, der uns sonst unbekannt ist, selbst als Dialogperson die pythagoreische Unsterblichkeitslehre in fr. 38 ausgesprochen haben. Die Polemik gegen die Kyniker in fr. 16 ferner – wenn sie ursprünglich so bei Klearchos stand – setzt wegen der 2. Pers. Plural voraus, dass sie im Rahmen eines Dialogs vorgetragen wurde.20 Für die dialogische Form spricht schließlich der große Umfang des Werkes (8 Bücher) und die Tradition peripatetischer Werke der βίος-Literatur in ebendieser Form.21 Freilich hat man sich die klearchische Dialogform nicht nach dem Muster der sokratischen Dialoge Platons, sondern im Sinne des Aristoteles vorzustellen: Wie man vor allem aus Cicero schließen kann, waren die aristotelischen Dialoge durch das Vorhandensein von Proömien (am Anfang von Werken, aber auch von einzelnen Büchern) gekennzeichnet, die “als eigentliche ‘Vorrede’ abgetrennt waren”22; weiter durch die zusammenhängenden Vorträge, die nur selten durch Zwischenfragen unterbrochen wurden, und insofern auch durch das Fehlen der Dialektik (die Dialoge ähnelten eher Lehr- und Schulgesprächen, in denen jedenfalls Aristoteles selbst den principatus innehatte); schließlich durch das Streben, beide Seiten bezüglich eines Themas zu Wort kommen zu lassen (disputare in utramque partem).23 Inwieweit die klearchischen Dialoge all diese Merkmale aufwiesen, lässt sich nicht erkennen. Im Fall unserer Schrift kann man nur Vermutungen über die Gesprächspartner des Dialogs anstellen, während über das dramatische Datum und weitere Einzelheiten überhaupt nichts gesagt werden kann. Gerade die dialogische Form und die Gegenüberstellung zweier ganz verschiedener Auffassungen von den entsprechenden Lebenszielen (ἡδονὴ – σωφροσύνη) erlauben es uns, eine Vorstellung vom Gesamtaufbau zu gewinnen. Am Anfang dürften, genau wie bei Athenaios, Erläuterungen über die in Zusammenhang stehenden, wichtigen Begriffe (wie ἀπόλαυσις,

_____________ 20 21 22 23

Zu ὑμεῖς in fr. 41 s. Wehrlis Komm. z.St. Dazu s. Schorn (2004) 35-6. Bernays (1863) 137; Heitz (1865) 147; Laurenti (1987) 57-61. Zu den Hauptmerkmalen der aristotelischen Dialoge s. Bernays (1863); Heitz (1865) 142-69; Hirzel (1895) 272-308; Zoll (1962) 32. 65 ff. (Aristotelisches in Ciceros Dialogen); Laurenti (1987) 55-73. Zu den Dialogen des Herakleides von Pontos s. Hirzel (1895) 321 ff.; Zoll (1962) 31-32. 68 ff.; M. Fox, “Heraclides of Pontus and the Philosophical Dialogue”, in: Fortenbaugh – Pender (2009) 41-67.

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Interpretationen

ἐπιθυμία, ἡδονή) gestanden haben, in denen Hauptpunkte der aristotelischen Lehre referiert wurden. In Zusammenhang mit dieser Diskussion könnte auch die Polemik gegen die Kyniker gestanden haben. Dann folgte vermutlich eine Argumentation vom hedonistischen Standpunkt aus, wie wir sie in fr. 55 der Schrift Περὶ ἡδονῆς des Herakleides finden: Die ἡδονή wird von Königen und Herrschern bevorzugt; sie macht den Menschen großmütig; sie geziemt dem freien Menschen; Städte wie Athen blühten, solange das üppige Leben möglich war; große Dichter loben das Leben mit Lust, usw. In der Gegenrede bzw. den Gegenreden folgten dann (schon ab dem 2. Buch) die Argumente der anderen Seite: Üppigkeit und Verweichlichung führen, wie im Falle der Lakedaimonier, zur Entartung und zum Sturz.24 Große Dichter und Künstler, wie etwa Sappho und Parrhasios, erkannten den Wert der Tugend an (3. Buch). Im 4. Buch folgte die Reihe der für ihre Tryphe bekannten Völker und Stämme, die im 5. Buch auf Einzelpersonen und berühmte ὀψοφάγοι ausgedehnt wurde. Über den Rest lässt sich nichts sagen, es sei denn, dass im 8. Buch Beispiele, wie das des Gorgias, für das Leben gemäß der Sophrosyne erwähnt wurden. Der in den erhaltenen Fragmenten vorherrschende Begriff ist derjenige der τ ρ υ φ ή . 25 Es handelt sich nicht (auch wenn sie in den zitierten Versen Sapphos vorkommt) um die kaum abzulehnende ἁβροσύνα, die auf den vom Orient beeinflussten aristokratischen Lebensstil hinweist, sondern um die verweichlichende, unhellenische Tryphe, die sich in den Speisen und Trank, in der Kleidung, in der Kosmetik, in den Luxusobjekten, in den Aphrodisia usw. zeigt und die als Lebensform verhängnisvolle Folgen haben kann.26 Dieser negativ gefärbte Begriff der Tryphe tritt nicht nur in der moralisierenden Literatur, sondern auch in der Historiographie des 4. Jhs. sehr stark hervor: in den Philippika des Theopompos aber auch in Ephoros, Timaios, Phylarchos und Polybios.27

_____________ 24 Wenn die angedeutete Bestrafung der Spartaner wahrscheinlich in der Niederlage bei Megalopolis im J. 331 v.Chr. bestand, wie Wehrli meint, so haben wir in fr. 39 einen terminus ante quem für die Abfassung der Schrift. 25 In Περὶ βίων kommt τρυφή in verschiedenen Formen (als Substantiv, Adjektiv oder Verbum) insgesamt 24 Mal vor: fr. 41 (viermal); fr. 42 (zweimal); fr. 43a (dreimal); fr. 45; fr. 46 (dreimal); fr. 47; fr. 48 (zweimal); fr. 49 (dreimal); fr. 53; fr. 59; S2 (einmal); S3 (einmal); S4a (einmal). 26 Zum Begriff der ἁβροσύνη und zum Übergang (im letzten Drittel des 5. Jhs.) in den Begriff der τρυφή s. Kurke (1992) 92 ff. Zu τρυφή s. auch Bar-Kochva (2010) 65-67. 27 Zur Tryphe in der Historiographie des 4. Jhs. s. A. Passerini, “La τρυφή nella storiografia ellenistica”, SIFC 11 (1934) 35-56; G. Nenci, “Tryphe e colonizzazione”, im Band: Modes de contacts et processus de transformation les sociétes antiques, Pisa/Rom 1983, 1019-31; Flower (1994) 166-67; Bollansée (2008) 408 mit weiterer Literatur; anders R.J. und V.B. Gorman (2007) bes. 58-59 (s. weiter unten). Zur Schrift Περὶ παλαιᾶς τρυφῆς des “Aristippos” (D.L. II 23) s. Wilamowitz (1881) 48-53; Dorandi (2007); zur

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Es ist wichtig für das Verständnis des Werkes, sich das erklärende Schema vor Augen zu halten: Überdruss und Glück führen mächtige Menschen und reiche Völker zur Hybris, und diese wiederum führt unvermeidlich zum Verderben.28 Bei der ganzen Diskussion geht es um die Gefährdung, die sowohl für Einzelpersonen (besonders Könige und reiche Leute kommen natürlich in Frage) aber auch für ganze Städte aus der luxuriösen Lebensform hervorgeht (als historische Beispiele werden oft Kolophon, Sybaris, Samos, Akragas, Kroton u.a. erwähnt).29 Bei allzu reichen oder mächtigen Menschen (vor allem bei Tyrannen) führt Tryphe zu Exzessen und hat eine entsprechende göttliche Bestrafung zur Folge. R.J. und V.B. Gorman haben freilich in einem speziellen Aufsatz diese Interpretation bezweifelt und behauptet “that it is anachronistic to attribute this pattern of thought to Clearchus, and further, that the state of the evidence does not permit us to establish that the idea of pernicious luxury was in any way important to the organization of the Περὶ βίων”.30 Zugrunde liegt ihre Auffassung, Athenaios stelle die Fragmente in seinem Werk nach den eigenen schriftstellerischen Zwecken dar und ergänze oder modifiziere sie durch eigene Wörter (hauptsächlich in Eingangs- oder Übergangsstellen von Fragmenten und dort, wo es sich um moralische Kausalität handelt).31 Deswegen sei die Verbindung der Tryphe und der Hybris Athenaios selbst, nicht Klearchos zuzuschreiben. Die Abfolge τρυφή – κόρος – ὕβρις lasse sich als “pattern” in der klassischen und hellenistischer Zeit nicht belegen – das gelte mit Sicherheit erst für das 1. Jh. n.Chr.32 Wegen der Wichtigkeit der Frage für die Interpretation des klearchischen Werkes bedarf sie einer eingehenden Diskussion. Der Grundbegriff ist die Hybris. Sie ist sowohl als ein Fakt (hochmutiges Handeln), als auch als die ihm zugrunde liegende Gesinnung (Über-

_____________ 28 29 30 31

32

Schrift des Alkiphron aus Magnesia (Athen. XII 518B) mit dem gleichen Titel s. J.B. Keune, RE Suppl. III (1918) 82-83; Dorandi (2007) 166. Zu dieser Vorstellung vgl. allgemeiner Romilly (1947) 270 ff.; Procopé (1991) 801 ff.; Fisher (1992) 115-16. Zum Thema s. Bernhardt (2003) 233 ff. Gorman und Gorman (2010) 187-208 bes. 187. 199; vgl. Gorman u. Gorman (2007) 45 u. 58 Anm. 80. Vgl. Gorman und Gorman (2010) 189: “If we turn now to those fragments of Clearchus’ Περὶ βίων in which the relevant concept of pernicious luxury is thought to play an important part, we will see that almost all the best evidence for this view comes from the kind of introductory or transitional passages which we have discussed”. Sie schließen allerdings nicht völlig aus, “that the words are accurate paraphrases of the Lives and that Clearchus truly presented the effects of opulence as these fragments seem to indicate”, nur finden sie es eben “very unlikely” (199). Gorman & Gorman (2010) 199-200.

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Interpretationen

hebung, selbstgefällige Arroganz) zu verstehen.33 Wie D.M. MacDowell in seinem wichtigen Aufsatz über das Thema bemerkt hat, wird Hybris mit bestimmten charakteristischen Gründen und bestimmten charakteristischen Folgen verbunden: The characteristic causes are youthfulness, having plenty to eat and drink, and wealth. The characteristic results are further eating and drinking, sexual activity, larking about, hitting and killing, taking other people’s property and privileges, jeering at people, and disobeying authority both human and divine.

Als typische Gründe für die Entstehung der Hybris erscheinen also [a] die durch Arroganz gekennzeichnete Jugend, [b] der Reichtum und schließlich [c] das reiche Essen und Trinken.34 Hochmut, die mit den drei erwähnten Ursachen verbunden ist, kann man im alltäglichen Leben nicht selten beobachten. Bei Trinkgelagen z.B. sieht man zuweilen, dass die Leute sich unanständig benehmen und ihre Grenzen vergessen.35 Deswegen kommt sehr früh in Zusammenhang mit der Entstehung der Hybris das Wort κόρος vor, das in seiner wortwörtlichen Bedeutung auf das Essen angewandt wurde. Schon bei Solon findet sich der Spruch “Überdruss gebiert Hybris”, während ähnliche Vorstellungen auch bei Theognis, Bakchylides, Pindar und anderen vorkommen.36 Der Reichtum wird ebenfalls direkt in Zusammenhang mit der Entstehung der Hybris erwähnt.37 τρυφή kann man als eine weitere Entwicklung des Lebens auffassen, das Reichtum voraussetzt und selbstverständlich das gute Essen und Trinken enthält, darüber hinaus aber durch die feine Kleidung, den Schmuck, das Parfüm,

_____________ 33 Dazu s. K. Latte, “Schuld und Sünde in der griechischen Religion”, ARW 20 (1920/21) 267 ff. (= Kl. Schr. 13 ff.); G. Bertram, “ὕβρις”, ThWNT VIII (1969) 295-99; D.M. MacDowell, “Hybris in Athens”, G&R 23 (1976) 14-31; M.W. Dickie, in D. Gerber (Hsg.), Greek Poetry and Philosophy. Studies in Honour of Leonard Woodbury, Chico, California 1984, 83-109; Procopé (1991)799-804; Fischer (1992) bes. 111-17; D.L. Cairns, “Dishonour, and Thinking Big”, JHS 116 (1996) 1-32. 34 Vgl. bes. Arist. Rhet. II 2.1378b26-29: αἴτιον δὲ τῆς ἡδονῆς τοῖς ὑβρίζουσιν, ὅτι οἴονται κακῶς δρῶντες αὐτοὶ ὑπερέχειν μᾶλλον (διὸ οἱ νέοι καὶ οἱ πλούσιοι ὑβρισταί· ὑπερέχειν γὰρ οἴονται ὑβρίζοντες). 35 Procopé (1991) 801. 36 Solon fr. 6, 3-4 West: τίκτει γὰρ κόρος ὕβριν, ὅταν πολὺς ὄλβος ἕπηται / ἀνθρώποις ὁπόσος μὴ νόος ἄρτιος ᾖ. Theognis 153 und 751. Vgl. Bacchyl. Dith. 1, 60 ff.; Pind. Ol. 13, 10 (Ὕβριν, Κόρου ματέρα); Hdt. VIII 77. κόρος bedeutet bei Solon eher “Exzesse”, s. E. Irwin, Solon and Early Greek Poetry, Cambridge 2005, 211 ff.; ferner J. Lewis, Solon the Thinker, London 2006, 27 ff., bes. 30: “Koros becomes excessive greed, an irrational desire that recognizes no limits to the ways in which wealth or power can be obtained, and that strives for acquisition from hybris, looting and slavery.” 37 Vgl. z.B. Eur. fr. 438 Kann. (ὕβριν τε τίκτει πλοῦτος ἢ φειδὼ βίου); Ar. Plut. 564 (τοῦ Πλούτου δ’ ἐστὶν ὑβρίζειν); Xen. Cyrop. VIII 4. 14; VIII 6, 1 (εἴ τις τῶν σατραπῶν ὑπὸ πλούτου καὶ πλήθους ἀνθρώπων ἐξυβρίσειε); Dem. 21, 98 (ἀλλ’ ὅτι πλούσιός ἐστιν· ἀλλὰ τοῦτό γε τῆς ὕβρεως αὐτοῦ σχεδὸν αἴτιον εὑρήσετ’ ὄν).

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die Kränzen, die undisziplinierten sexuellen Beziehungen u.ä., mit wenigen Worten durch Luxus gekennzeichnet wird.38 Da der Luxus sowieso als Übermaß verstanden wird und oft die Leute zur Genusssucht führt, versteht sich seine Beziehung zur Hybris von selbst.39 Hinzu kommt, dass die luxuriöse Lebensform mit Weichlichkeit, Trägheit, Barbarisierung und gelegentlich (vor allem bei Tyrannen) mit Grausamkeit verbunden wurde.40 Aufgrund solcher Ideen wurde der Niedergang griechischer Städte auf deren luxuriöse Lebensform zurückgeführt.41 Diese abwertende Tendenz der Tryphe gegenüber wurde offenbar im 4. Jh. noch stärker, nachdem im ausgehenden 5. Jh. ein “einschneidender Mentalitätswandel” eintrat, der die systematische Luxuskritik, wie die Literatur bezeugt, hervorbrachte.42 Die Tendenz der hellenistischen Monarchen, die Tryphe neben der militärischen Macht als Motiv der königlichen Propaganda zu benutzen, dürfte dazu wesentlich beigetragen haben.43 Es darf also kein Zweifel daran bestehen, dass das Erklärungsschema im wesentlichen lange vor Klearchos existierte. Die Frage ist nur, ob es sich auch bei Klearchos und konkret in der Schrift Περὶ βίων findet. Was den Rest des klearchischen Werks betrifft, so liefert m.E. die erbauliche Erzählung über den jungen König aus Paphos und dessen luxuriöses Leben (fr. 19) ein Zeugnis dafür, dass Klearchos sich dieses Schemas bedient. In der Schrift Περὶ βίων scheint die Sache noch klarer zu sein. Auch wenn man von den Eingangs- und Übergangsworten absieht, so bleiben doch schwerwiegende Argumente für das Vorhandensein der Abfolge τρυφή – ὕβρις – ἄτη:44

_____________ 38 Zum Begriff des Luxus s. C.J. Berry, The Idea of Luxury. A Conceptual and Historical Investigation, Cambridge 1994, 3 ff.; vgl. Bernhardt (2003) 199 ff. 39 Nach allgemeiner griechischen Auffassung können die Leute mit ihrem Glück, wenn sie ihm geistig nicht gewachsen sind, nicht richtig umgehen: Sie vergessen, dass das Glück (εὐπραγία) umschlagen kann, und begehren immer mehr Güter und Vergnügen. Vgl. Hdt. VII 16α 2; Eur. Hec. 57-58 (ἀντισηκώσας δε σε / φθείρει θεῶν τις τῆς πάροιθ’ εὐπραξίας) mit der Bemerkung Romillys (1947) 271 Anm. 3: “Il s’agit là d’une représentation ancienne de l’hybris, dans laquelle la prospérité constitue à elle seule l’hybris”; Suppl. 464-65 (κακοῖσιν ὡς ὅταν δαίμων διδῷ / καλῶς, ὑβρίζουσ’ ὡς ἀεὶ πράξοντες εὖ); Thuk. III 45, 4 (ἀλλ’ ἡ μὲν πενία ἀνάγκῃ τὴν τόλμαν παρέχουσα, ἡ δ’ ἐξουσία ὕβρει τὴν πλεονεξίαν καὶ φρονήματι). Das Problem liegt eben im unbedachten Exzess, der das rechte Maß und das Gefühl der Gerechtigkeit stört, vgl. Romilly (1947) 273. 40 Dazu s. Bernhardt (2003) 191 ff. 41 Ich verzichte darauf, Belege dafür anzuführen. Das Material findet man bequem in Bernhardt (2003) 233-38. 42 Bernhardt (2003) 190. 192 ff. 43 Dazu s. u.a. Barbantani (2001) 35. 44 In Wirklichkeit sind in einigen Fällen die sprachlichen Argumente, die R.J. und V.B. Gorman vorbringen, kaum beweiskräftig. Sie behaupten z.B., dass Ausdrücke wie εἰς

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Interpretationen

(1) Das fr. 39 über den Rittersporn (κοσμοσάνδαλον) ist unmissverständlich: Die Lakedaimonier haben wegen ihres Schmucks mit Blumen den ältesten Kosmos der Bürger preisgegeben und wurden deswegen “zugrunde gerichtet” (ἐξετραχηλίσθησαν). Ihre Bestrafung wird im zitierten Text nicht genauer erklärt, dem zeitgenössischen Leser dürfte die Sache aber leicht verständlich gewesen sein.45 (2) Vom Wortgebrauch ganz abgesehen hat die Erzählung über den Lebensstil der Lyder, über den Ort Hagneon und schließlich über Omphale und Midas in fr. 43 nur dann einen Sinn, wenn es sich um übertriebene Tryphe und die daraus entstandene Hybris handelt. Grausamkeiten und sexuelle Gewalt sprechen auch für Hybris. (3) Ähnliches gilt für das fr. 46 über die Skythen. Die Anspielung auf Euripides (fr. 158 Kann.: ἀθλιώτατος βροτῶν) kann schwerlich aus Athenaios stammen (Vergleichbares taucht im ganzen Werk nicht wieder auf). Mit diesen Worten wird aber das Ende der Entwicklung vorweggenommen, das später mit anderen Worten mehrmals wiederholt wird. Dass diese Entwicklung mit der Tryphe in kausaler Verbindung steht, kann ebensowenig bezweifelt werden. (4) In Zusammenhang mit dem fr. 47 (Dionysios und die Lokrer) nehmen R.J. und V.B. Gorman an, die Unterschiede zwischen Athenaios und Aelian bezüglich der Darstellung und des angegebenen Grundes (Tryphe) ließen sich dadurch erklären, dass Athenaios der gemeinsamen Quelle beider (d.h. angeblich Klearchos), nicht treu geblieben sei. Die Sache verhält sich jedoch anders: Die Geschichte wird nämlich auch von anderen Autoren überliefert; der Grund für die Abweichung der Fassung bei Athenaios von der bei den anderen Quellen liegt wohl darin, dass die übrigen Quellen nicht von Klearchos, sondern von dem mutmaßlichen Gewährsmann des Klearchos, Timaios, geschöpft haben. Es scheint also Klearchos von Timaios abgewichen zu sein, nicht Athenaios von Klearchos.46 Im Übrigen können viele Wörter in diesem Fragment (ἀλάστωρ,

_____________ τοσοῦτον ἦλθον τρυφῆς u.ä. sehr wahrscheinlich, auch wenn sie in Zitaten auftauchen, dennoch Athenaios zuzuweisen sind, da sie bei ihm oft vorkommen (2007: 44-45; 2010: 190). Solche formelhaften Ausdrücke sind aber schon für Autoren des 5. oder 4. Jhs. bezeugt, vgl. z.B. Ktesias FGrHist 688 F 1b p. 21 (= D.S. II 23, 3) ἐπὶ τοσοῦτο δὲ προήχθη τρυφῆς καὶ τῆς αἰσχίστης ἡδονῆς καὶ ἀκρασίας, ὥστ’ ἐπικήδειον εἰς αὑτὸν ποιῆσαι, Xen. Hell. VI 2, 6: ὥστ’ ἔφασαν τοὺς στρατιώτας εἰς τοῦτο τρυφῆς ἐλθεῖν ὥστ’ οὐκ ἐθέλειν πίνειν, Arist. fr. 583 R3 (= Iul. Afric. Cest. 1, 1 Vieill.) εἰς τοῦτό ποτε ἐλάσαι τρυφῆς Συβαρίτας λόγος ὡς παρὰ δεῖπνον εἰς τὸ συμπόσιον τοὺς ἵππους εἰσάγειν. 45 Sie bestand in der “Niederlage bei Megalopolis im Jahr 331” (Wehrli z.St.). 46 Zu den Quellen und zur Erklärung der Abweichung s. Wehrlis Kommentar zum Fragment (Gorman und Gorman scheinen Wehrli überhaupt nicht zu kennen). Zum Inhalt der Geschichte s. ferner M. Torelli, “Considerazioni sugli aspetti religiosi e cul-

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ἐνακολασταίνω, ὅλμος, κρεανομέομαι, σιτοποιέομαι, καταποντόω, τυμπανοφορέομαι), die bei Athenaios an anderem Ort nicht wiederkehren, schwerlich von ihm stammen und sind zweifellos Klearchos zuzuweisen. (5) Im fr. 48 über die Einwohner von Taras beruht die ganze Erzählung wieder auf dem gleichen Schema: Luxus (Enthaarung, Purpurborte) – Hybris (Schaustellung von Knaben und jungen Mädchen in der heiligen Stätten der Karbinaten, sexuelle Gewalt) – Ate (Bestrafung durch die Gottheit). Die Parallele mit dem Zorn der Gottheit im Gergithios (fr. 19 δαίμων τις ἐλευθέριος νεμεσήσας ~ fr. 48 οὕτω δὲ τὸ δαιμόνιον ἠγανάκτησεν) zeigt, dass die Erzählung zweifellos aus Klearchos stammt. Zudem ist das Verbum ποδηγέω in der Wendung ὑπὸ τῆς τρυφῆς εἰς ὕβριν ποδηγηθέντες schwer Athenaios zuzuschreiben, da es im ganzen Werk nie wieder vorkommt. (6) In fr. 49 ist die Sache ebenfalls klar: Die Erwähnung der “Apfelträger”, der persischen Elitentruppe, weist auf Tryphe hin, wie ihre Darstellung und die Erklärung ihres Namens bei Herakleides von Kyme zeigt (FGrHist 689 F 1: sie hätten “goldene Äpfel an den Dornen ihrer Speerschäfte”).47 Das schlechte Ende lässt kaum einen Zweifel daran, dass es sich wieder um die schlimmen Folgen der Tryphe handelte. (7) Das Fragment S2 aus den Proverbia Alexandrina, das aus der Klearchos-Schrift stammt (vgl. z.B. das gemeinsame Wort στενωπή), aber nicht von Athenaios abhängig zu sein scheint, bestätigt die Darstellung des Athenaios. Die Interpretation der ganzen Darstellung am Ende des fr. S2 ist bezeichnend: διὰ ταύτην τὴν τρυφὴν οἱ Σάμιοι τοῖς Πέρσαις ἐδουλώθησαν. Das Ergebnis ist in zweierlei Hinsicht interessant: Erstens scheint Athenaios, zumindest was den Text der angeführten Zitate betrifft, nicht so willkürlich und unzuverlässig zu sein, wie man in letzter Zeit bisweilen zu glauben geneigt ist. Zweitens spielte die Abfolge Tryphe – Hybris – Ate in der Tat eine bedeutende Rolle im Werk Περὶ βίων des Klearchos, was zur moralisierenden Tendenz des Ganzen, die vorwiegend in den abschreckenden Beispielen erkennbar ist, sehr gut passt.48

_____________ tuali”, in D. Musti (Hsg.), Le tavole di Locri. Atti del colloquio sugli aspetti ... dei testi dell’archivio locrese (Napoli 26-27 aprile 1977), Rom 1979, 96-97; J.M. Redfield, The Locrian Maidens, Princeton/Oxford 2003, 289. 47 Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass Klearchos in diesem Fall von Herakleides abhängig ist. Nachdem Klearchos und Herakleides auch sonst sprachlich übereinstimmen (z.B. Klearchos Gergithios fr. 19 Σαρδιανῇ ψιλοτάπιδι ~ Herakleides FGrHist 689 F 1 ψιλοταπίδων Σαρδιανῶν), so spricht das, wenn nicht für ein Abhängigkeitsverhältnis, so doch vielleicht für die zeitliche Nähe der beiden Autoren. 48 Diese Tendenz ließ vielleicht wenig Raum für ethisch-psychologische Analysen, wie sie sich z.B. in den Bemerkungen über die Hybris und ihr Verhältnis zum Vergnügen im zweiten Buch der aristotelischen Rhetorik finden (vgl. Rhet. II 2.1378b23-28; ferner II 8.1385b21-23).

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Interpretationen

In welchem literarisch-philosophischen Kontext ist die Schrift entstanden? Bis zur Kaiserzeit lassen sich insgesamt elf Schriften nachweisen, die den Titel Περὶ βίων tragen. Von ihnen stammen vier von Peripatetikern. Von Theophrasts Schrift ist freilich nur der Titel erhalten (436 Nr. 16 FHSG),49 und vom Platon-Schüler und Peripatetiker Herakleides Pontikos nur ein Fragment über Thales, das aber die Annahme zulässt, dass in letzterer Schrift die verschiedenen Lebensweisen durch ihre Vertreter in Gesprächsform dargestellt wurden.50 Die drei Lebensformen werden nämlich bei ihm sehr deutlich in fr. 88 aus der Schrift Περὶ τῆς ἄπνου erwähnt. In Dikaiarchs gleich betitelter (vgl. fr. 40 Wehlri = 47 Mirh.: περὶ βίων) Schrift ging es wahrscheinlich nicht um verschiedene Modelle der Lebensführung, sondern um verschiedene Formen des philosophischen Lebens.51 Von Stratons Werk ist uns bloß der Titel bekannt (D.L. V 59 = fr. 136 Wehrli), aber auch sein Inhalt ähnelte vermutlich der KlearchosSchrift und enthielt viel historisches und ethnographisches Material.52 Außerhalb des Peripatos hat der Platonschüler Xenokrates eine Schrift Περὶ βίων (in einem Buch) geschrieben, von der nur der Titel bekannt ist (D.L. IV 12 = T 2 Isnardi2)53; ferner hat unter aristotelischem Einfluss auch Epikur eine Schrift (in vier Büchern) geschrieben, der, soweit sich das beurteilen lässt, nicht so sehr an einer Materialsammlung interessiert war wie an Vorschriften über das richtige Leben des Philosophen. Erwähnenswert ist allerdings, dass er, wie Klearchos, im 2. Buch gegen das kynische Bettelleben polemisierte.54 Chrysipps Schrift (ebenfalls in vier Büchern) untersuchte die Vereinbarkeit der verschiedenen Lebensformen (z.B. das Leben in der Politik, am Hofe usw.) mit dem philosophischen Leben.55 Über die Schrift des sonst unbekannten Timotheos aus Athen sowie über Philodems Περὶ ἠθῶν καὶ βίων (PHerc. 1471) schließlich wissen wir zu wenig, um sie näher beschreiben zu können.56

_____________ 49 50 51 52 53

Dazu s. Regenbogen (1940) 1481; Joly (1956) 135-37; Fortenbaugh (1984) 104 ff. Dazu s. Wehrlis Komm. zu fr. 45; auch Unger (1883) 491-92; Joly (1956) 131-33. Hierzu s. Huby (2001) 319-20; F. Wehrli in: Flashar (2004) 570; vgl. Joly (1956) 133-35. Dazu s. Capelle (1931) 279. Zum Werk s. auch Joly (1956) 130-31. Die Bedeutung des Xenokrates darf nicht überschätzt werden: die entsprechenden Werke zumindest des Herakleides und Theophrast können seiner Schrift vorausgegangen sein; darüber hinaus blieb sein ganzes Werk innerhalb der Akademie und konnte somit keinen bedeutenden Einfluss haben; vgl. Dörrie (1967) 1514. 54 Die erhaltenen Fragmente in Arrighetti (21973) fr. 10, 1-4; s. auch M. Erler in: Flashar (1994) 86-7. 55 Dazu s. Bréhier (1951) 51-52. 56 Zu Timotheos s. Laqueur (1937) 1338-9. Zu Philodem s. Gigante (1983) 60-1; M. Erler in Flashar (1994) 321.

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Mag das vorhandene Material auch karg sein, so erlaubt es jedoch zumindest den Schluss, dass sich im 4. Jh. eine gewisse Tradition von Schriften Περὶ βίων herausbildete, in der der Peripatos eine entscheidende Rolle spielte. Schon Platon (Leg. V 733a) behandelt die Frage nach den Lebensformen und dem besten Leben (αἱρετώτατος βίος), das Interesse an dieser Thematik entwickelte sich aber vor allem in Zusammenhang mit der Lehre des Aristoteles über die unterschiedlichen Lebensformen, den ἀπολαυστικός, πολιτικός und θεωρητικός βίος (NE I 5.1095b17 ff.; EE I 4.1215a36). Wie vor allem aus der Nikomachischen Ethik ersichtlich wird, standen in diesem Zusammenhang die Begriffe ἡδονή, ἀρετή und σωφροσύνη im Vordergrund. Es liegt insofern nahe, dass die Schriften Περὶ ἡδονῆς, wie die des Speusippos, des Xenokrates, des Herakleides (von seinem dialogischen Werk ist starker Einfluss auf Klearchos anzunehmen), des Theophrast, des Chamaileon und des Straton von Lampsakos dem gleichen Themenkreis angehören, was durch den Inhalt der Fragmente dieser Schriften – wo solche natürlich erhalten sind – nahegelegt wird.57 Letztlich aber geht die Diskussion über die Lebensformen (und in diesem Zusammenhang auch über Lust und Tugend) auf die von Platon angeregte Diskussion über das philosophische Lebensideal, d.h. über die vita activa und die vita contemplativa, zurück.58 Aristoteles und seine Schule haben bekanntlich ein besonderes Interesse an Fragen des menschlichen Lebens gezeigt. Der Meister hat den βίος als Gesamtheit erfasst und seine enge Beziehung zu den menschlichen Handlungen hervorgehoben.59 Dabei war seine Ethos-Lehre von großer Bedeutung: Das menschliche Handeln gründet sich weniger auf Naturanlage als vielmehr auf durch Gewöhnung erworbene ethische Tugenden, die die seelisch-geistige Physiognomie des Menschen bestimmen. Der βίος eines Menschen besteht nach Aristoteles nicht in den Taten und in den Leistungen, sondern in der in den Taten und in den Leistungen sich manifestierenden sittlichen Qualität: οἱ βίοι κατὰ τὰ ἤθη διαφέρουσι (HA IX 1. 585a18). Insofern hat die gewöhnlich erwähnte Unterscheidung zwischen βίος als “Leben” und βίος als “Lebenstyp” wenig Sinn. In Wahrheit kennen zumindest Aristoteles und die Peripatetiker diese Unterscheidung nicht.60

_____________ 57 Zu den Schriften Περὶ ἡδονῆς s. Bignone (1973) 255-60; R. Philippson, “Akademische Verhandlungen über die Lustlehre”, Hermes 60 (1925) 444-81; Regenbogen (1940)1483-4; Bollansée (2008) 407. 58 Zum Thema s. Jaeger (1960); Joly (1956) bes. 128 ff. (zum pythagoreischen Ursprung der drei Lebensformen bes. 42 f.); Merlan (1967) 217-9 (= Kl. philos. Schr. 279-81). 59 Hierzu s. Leo (1901) 95. 60 Vgl. Cooper (2002) 321: “Bios, even when it came to mean the biography of a person, continued to connote the ‘type of life’ he had lived and as such always had an ethical colouring”.

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Interpretationen

In diesem allgemeinen Sinn des Wortes und sofern ein Volk einheitlich als Lebewesen erfasst und, genau wie ein Mensch, ethisch beurteilt werden konnte, konnte man auch vom βίος eines Volkes sprechen.61 Dazu gehörte natürlich auch der τόπος der θαυμάσια des jeweiligen Volkes.62 So konnte Klearchos in seinem Περὶ βίων das Leben sowohl von Menschen als auch von Städten und Völkern in Betracht ziehen. Etwa zur gleichen Zeit ging Dikaiarchos mit seinem Βίος Ἑλλάδος einen Schritt weiter, indem er über das Leben von ganz Griechenland unter kulturgeschichtlichem Aspekt schrieb.63 Wie man sieht, enthielt die aristotelische Lehre die theoretische und begriffliche Grundlage und bot erwartungsgemäß den notwendigen Anstoß zur Beschäftigung mit allen βίος-Fragen. Die Peripatetiker folgten den Spuren des Aristoteles, und so entstand die mannigfaltige βίος-Literatur, darunter auch die Schriften Περὶ βίων. Was die Biographie im engeren Sinne anlangt, so wird ja die Bedeutung des Peripatos für ihre Entstehung allgemein anerkannt, und zwar unabhängig davon, ob man mit F. Leo64 im Peripatos den Ursprung der Gattung sieht oder ob man A. Momigliano65 zustimmt, dass die Peripatetiker nicht ‘echte’ Biographien – was auch immer das heißt – geschrieben haben. So gesehen, steht die betreffende Schrift des Klearchos den Charakteren Theophrasts nicht sehr fern. Der eine beschreibt Lebenstypen anhand von konkreten Beispielen, der andere beschreibt Menschentypen, in beiden Fällen aber setzt das jeweils ordnende Prinzip des menschlichen Lebens den aristotelischen EthosBegriff voraus. Aristoteles und der Peripatos scheinen aber noch unter einem weiteren Aspekt wichtige Voraussetzungen für die Literatur Περὶ βίων geschaffen zu haben. Klearchos hätte wohl nie acht Bücher mit reichem (anekdotischem, ethnographischem usw.) Material füllen können, wenn er es nicht irgendwie gesammelt gefunden hätte. Die peripatetischen Politien, die Νόμιμα βαρβαρικά, die Ἱστορικὰ ὑπομνήματα, die Schrift Über die Pythagoreer, ja sogar das Werk mit dem Titel Wo ein jeder der Griechen begraben ist und was

_____________ 61 Die Sitten und das Brauchtum verschiedener Völker waren zumindest seit der Mitte des 5. Jhs. Gegenstand ethnographischer Beschreibungen (man denke nur an Hekataios und an die ethnographischen ‘Exkurse’ Herodots); s. Trüdinger (1918) bes. 8 ff.; Müller (1972) 67 ff. Zur vertieften “Auffassung von Stamm und Volksindividualität” des Herakleides Pontikos s. Trüdinger (1918) 58-9. 62 Schon vor Herodot, s. Trüdinger (1918) 15 Anm. 3. 63 Der Βίος Ἑλλάδος des Dikaiarchos war nach W. Ax (“Dikaiarchs Bios Hellados”, in Fortenbaugh – Schütrumpf [2001] 292 ff.) “eine Kulturgeschichte Griechenlands im vollen Sinne des Wortes”, “eine Art Mischgattung zwischen der peripatetischen περὶ βίων-Literatur und der zeitgenössischen Universalgeschichte” (296). 64 Leo (1901) 99; vgl. Dihle (1956) 69. 65 Momigliano (1993) 66-89.

VII. ‘Über die Lebensformen’

171

auf seinem Grab geschrieben ist (Ποῦ ἕκαστος τῶν Ἑλλήνων τέθαπται καὶ τί ἐπιγέγραπται ἐπὶ τῷ τάφῳ) oder Sprichwörtersammlungen dürften als nützliche Quellen für anekdotisches, ethnographisches und kulturgeschichtliches Material gedient haben. Dadurch erklären sich m.E. einige merkwürdige Gemeinsamkeiten mit Aristoteles, wie z.B. die Anekdote über Phalaris’ Verzehr von Kindern66 oder den für seine Gier legendären Melanthios.67 Es ist anzunehmen, dass Klearchos von den ähnlichen Schriften anderer Peripatetiker, vor allem des Herakleides, sowie von Schriften spezifischen Inhalts wie der Τυράννων ἀναίρεσις ἐκ τιμωρίας oder Περὶ τῶν ἐν Σικελίᾳ τυράννων des Phainias von Eresos noch stärkeren Gebrauch gemacht hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch Schriften, deren Titel auf den ersten Blick nicht auf einen entsprechenden Inhalt hindeutet, sich dennoch inhaltlich überschneiden können. Die Schrift des Herakleides Περὶ ἡδονῆς (fr. 55-61) betrachtete z.B. die Lust weniger für sich als vielmehr im Rahmen einer sich nach ihr richtenden Lebensform. So ist es kaum verwunderlich, wenn Gemeinsamkeiten mit der Schrift des Klearchos (wie etwa die Tryphe der Perser: fr. 55 ~ Klearch. fr. 49-52 oder die Erwähnung der Samier in dieser Hinsicht: fr. 57 ~ Klearch. fr. 44) auftauchen. Nach den vorangegangenen Erläuterungen stellt sich die Frage nach dem Charakter der Schrift Περὶ βίων des Klearchos. War sie die Materialsammlung eines Moralisten oder, wie F. Leo meinte, eine “in gesuchter Sprache ausgeführte Darstellung für die Lektüre”?68 Die erhaltenen Fragmente scheinen auf den ersten Blick diesen Eindruck zu bestätigen. Dennoch überzeugt dieses Bild nicht. Der erste Grund hängt damit zusammen, dass 28 von den insgesamt 35 Fragmenten aus Athenaios und von ihnen wiederum 18 allein aus dem XII. Buch, dessen Thema die Schwelgerei ist. Unsere Quellen sind also, wie J. Bollansée zu Recht bemerkt hat, nicht repräsentativ, und sie stammen vor allem aus Athenaios, der in dieser Hinsicht nicht zuverlässig ist: Nicht nur manipuliert er oft sein Material (indem er es zusammenfasst, paraphrasiert usw.), sondern übersieht er beim Exzerpieren den allgemeineren Zusammenhang seiner Quelle und beschränkt sich auf die sensationellen und ungewöhnlichen Informationen.69 Es gibt aber auch einen weiteren Grund, an diesem Bild zu zweifeln. Wie wir oben sahen, bestand bezüglich der Schriften Περὶ βίων sowie Περὶ ἡδονῆς schon vor Klearchos eine Tradition. Über den Inhalt der

_____________ 66 Fr. 61. Vgl. Arist. EN VII 5.1148b24 ff.; 1149a13 ff.; hierzu s. Hinz (2001) 59-63. 67 Fr. 55. Vgl. Arist. EN III 10.1118a32. Dass Aristoteles hier auf Melanthios hindeutet, lässt sich nicht bezweifeln. 68 Leo (1901) 99. 69 Bollansée (2008) 410 mit Verweis auf Untersuchungen über Fragmente in Athenaios aus dem Werk des Polybios und des Herodot, die diesen Schluss nachweisen; R.J. und V.B. Gorman (2007); s. auch Einleitung S. 16-17.

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Interpretationen

Schrift Περὶ βίων des Theophrast (in drei Büchern),70 vielleicht der ersten Schrift mit diesem Titel, und des Herakleides Pontikos (in zwei Büchern)71 können wir eigentlich nichts sagen. Interessanterweise enthielten aber die Schriften verwandten Inhalts Περὶ ἡδονῆς reichliches kulturhistorisches Material und anekdotische Beispiele.72 Trotzdem waren sie offensichtlich nicht bloße Materialsammlungen. Ähnliches darf man für die Schrift Περὶ βίων des Klearchos annehmen, zumal es in den Fragmenten gewisse Indizien dafür gibt: In fr. 16 haben wir Polemik gegen die Kyniker. Die in fr. 38 durch den als Πυθαγορικός bezeichneten Euxitheos dargestellte pythagoreische Seelenlehre, wonach die Seele zur Strafe an den Körper gefesselt ist, scheint im Rahmen der Bekämpfung des βίος ἀπολαυστικός gestanden zu haben.73 In fr. 60 wird schließlich Anaxarchos ausdrücklich als εὐδαιμονικός bezeichnet, was nur als deutliche Kritik an einer bestimmten Lebensphilosophie aufgefasst werden kann.74 Die Schrift des Klearchos war also sehr wahrscheinlich nicht eine Materialsammlung. Sie enthielt reiches Material und darunter bizzare Geschichten, aber sie war nicht nur das, was Athenaios an ihr interessant fand. Sie hatte zweifellos protreptische Tendenz, ohne aber deswegen Predigt zu sein.75 Sie diente schließlich der Polemik gegen andere Auffassungen, aber sie war gewiss keine polemische Schrift. Um ihrem Inhalt und Ziel gerecht zu werden, muss man vor allem zwei Dinge im Auge behalten: Erstens, dass sie, wenn auch nicht besonders tiefsinnig und ‘originell’, im Rahmen einer philosophischen Diskussion entstand, die von der Frage über die Lust ausgehend, die mit dem platonischen Philebos begann, auf die Hauptfrage der moralischen Philosophie in der hellenistischen Zeit hinauslief, die bekanntlich nicht “Welche Taten sind richtig?” lautete, sondern “Welche Lebensweise ist die beste?”. Zweitens, der Inhalt der klearchischen Schrift Περὶ βίων setzt nicht nur die aristotelische Betrachtungs- und Arbeitsweise, sondern auch die aristotelische Ethos-Lehre voraus.

_____________ 70 71 72 73 74

D.L. V 42 [Z. 97 Dor.] = fr. 434, 16 FHSG. D.L. V 87 [Z. 39 Dor.] = fr. 1, 33 Schütrumpf. Dazu s. Regenbogen (1940) 1483-84. Dazu s. Wehrlis Kommentar zum Fragment. Wehrli bemerkt richtig dazu: “tatsächlich wird das Bekenntnis zur Eudaimonia als Lebensziel gemeint sein”; vgl. D.L. I 17 τῶν δὲ φιλοσόφων οἱ μὲν ἀπὸ πόλεων προσηγορεύθησαν ... οἱ δὲ ἀπὸ διαθέσεων, ὡς οἱ Εὐδαιμονικοί. 75 Letztendlich zielte auch eine so bedeutende philosophische Schrift wie die Nikomachische Ethik ausdrücklich auf moralische Besserung (II 2.1103b26): Ἐπεὶ οὖν ἡ παροῦσα πραγματεία οὐ θεωρίας ἕνεκά ἐστιν ὥσπερ αἱ ἄλλαι (οὐ γὰρ ἵνα εἰδῶμεν τί ἐστιν ἡ ἀρετὴ σκεπτόμεθα, ἀλλ’ ἵν’ ἀγαθοὶ γενώμεθα, ἐπεὶ οὐδὲν ἂν ἦν ὄφελος αὐτῆς), ἀναγκαῖον ἐπισκέψασθαι τὰ περὶ τὰς πράξεις κτλ.

VIII. Naturwissenschaftliches

(a) Farbbezeichnungen (fr. 96) Das Zitat aus Klearchos wird bei Athenaios in Zusammenhang mit dem Wasser und den Brunnen angeführt. Die Meinung von Wehrli, bei diesem Fragment handele es sich um “Beispiele summarischer Farbbezeichnungen, welche der Nuancierung in der Wirklichkeit nicht nachkommen”, scheint auf den ersten Blick logisch zu sein. Das λέγεσθαι impliziert aber an sich nicht, dass die erwähnten Farbbezeichnungen in irgendeiner Hinsicht der Wirklichkeit nicht entsprechen. Diese Deutung ist also nichts mehr als eine bloße Vermutung, die, wie im folgenden zu zeigen ist, nicht zutrifft. Besondere Beachtung verdienen im vorliegenden Fragment gewisse Einzelheiten: (1) Bei den Beispielen, die zur Veranschaulichung der einzelnen Farben erwähnt werden, geht es in allen Fällen nur um Flüssigkeiten. Daraus lässt sich schließen, dass es sich ursprünglich um einen Text des Klearchos handelte, in dem entweder die Flüssigkeiten ausführlicher behandelt oder aber die Farbbezeichnungen nach Kategorien diskutiert wurden. Die erste Möglichkeit scheidet aber schon deswegen aus, weil das letzte Beispiel mit der (ungewöhnlichen) Flüssigkeit aus Myrtenbeeren nur zur Veranschaulichung einer Farbe dienen kann. (2) Bei der Mehrheit der Beispiele handelt sich um Farbbezeichnungen, die in der Dichtung und zwar hauptsächlich der homerischen vorkommen. Das gilt mit Sicherheit für das ὕδωρ λευκόν (Il. 23, 282; Od. 5, 70; Hes. Op. 739; Aesch. Suppl. 23; Eur. IT 1294)1, für das νέκταρ ἐρυθρόν (Il. 19, 38; Od. 5, 93)2 und für das μέλι χλωρόν (Il. 11, 631; Od. 10, 234; Hymn. Merc. 560; Stesich. PMG 2a; ferner Xenoph. 21 B 38 D.-K.). Das gilt aber nicht für das ἔλαιον χλωρόν sowie für das letzte Beispiel über das μέλαν. οἶνος ἐρυθρός kommt zwar in der Odyssee als Formel vor, ist aber sehr gewöhnlich, so dass man diese Bezeichnung nicht als dichterisch betrachten kann. Das Gleiche könnte man für das γάλα λευκὸν annehmen. Nun er_____________ 1 2

Vgl. auch Arist. GC 332b27. Zur Odyssee-Stelle vgl. Arist. fr. 170 R3.

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Interpretationen

wähnt aber Aristoteles ausgerechnet diesen Ausdruck als dichterisches Beispiel in seiner Rhetorik (ΙΙΙ 3.1406a12 ἐν μὲν γὰρ ποιήσει πρέπει “γάλα λευκὸν” εἰπεῖν). Die Mischung aus dichterischen und prosaischen Beispielen lässt sich vielleicht als ein Versuch des Verfassers erklären, Gelehrsamkeit bei der Behandlung seines Gegenstandes zu zeigen. Soweit allerdings sich Richtiges von Unrichtigem bei dieser Mischung nicht unterscheiden lässt, ist auch jegliche Deutung, die darin eine Abweichung der Farbbezeichnungen von der Wirklichkeit zu erkennen glaubt, völlig unbegründet. (3) In den Quaestiones convivales des Plutarch weist eines der behandelten Problemata (694B) unverkennbare Ähnlichkeit mit unserem Fragment auf. Sein Anfang lautet wie folgt: Ἠπορήθη ποτὲ καὶ διὰ τί πολλῶν ὑγρῶν ὄντων τὰ μὲν ἄλλα τοῖς ἰδίοις ἐπιθέτοις ὁ ποιητὴς εἴωθε κοσμεῖν, τὸ γάλα τε λευκὸν καὶ τὸ μέλι χλωρὸν καὶ τὸν οἶνον ἐρυθρὸν καλῶν, τὸ δ’ ἔλαιον ἀπὸ κοινοῦ τοῦ πᾶσι συμβεβηκότος μόνον ἐπιεικῶς ὑγρὸν προσαγορεύει.

Im Folgenden erklärt Plutarch, warum das Olivenöl aufgrund seiner Eigenheiten als ὑγρόν bezeichnet wird. Bemerkenswert an der angeführten Stelle ist, dass Plutarch ebenfalls vier Beispiele von Flüssigkeiten erwähnt, die alle (Milch, Honig, Wein, Olivenöl) auch bei Klearchos vorkommen. Nicht zu übersehen ist auch, dass bei Plutarch ähnlich wie bei Klearchos der Honig als χλωρόν bezeichnet wird. Bei Plutarch besteht ferner kein Zweifel daran, dass der Gegenstand der ganzen Diskussion nicht die Flüssigkeiten als solche, sondern ihre Bezeichnung ist. Es sei schließlich darauf hingewiesen, dass Plutarch besonders häufig aus einer unter dem Namen des Aristoteles überlieferten Schrift mit dem Titel Problemata geschöpft hat, die aber mit der uns bekannten Redaktion nicht identisch war.3 Diese Schrift ist also vielleicht als Quelle auch für das erwähnte plutarchische Problema anzunehmen, an dessen Schluss ja Aristoteles namentlich erwähnt wird.4 (4) Der Eindruck, dass es sich hier um eine beliebige Zahl oder um beliebige Farben handelt, trügt. Die Zahl v i e r in Bezug auf die Farben ist nicht zufällig. Empedokles, der in seiner Farbenlehre von der Praxis der Maler ausging, vertrat ebenfalls die Auffassung, dass vier Farben als Elemente allen anderen zugrunde lägen. Für Grundfarben hielt er folgende: _____________ 3

4

Dazu s. vor allem F.H. Sandbach, “Plutarch and Aristotle”, ICS 7 (1982) 207-32, bes. 209 und 224-25 (zu der Frage, ob Plutarch die verlorenen echt-aristotelischen Problemata oder eine andere Schrift benutzt hat); vgl. Flashar (1962) 312-13. Die aristotelischen Zitate findet man in W.C. Helmbold – E.N. O’Neil, Plutarch’s Quotations, (Amer. Philol. Assoc. Monogr. 19) Oxford 1959 zusammengestellt. Plut. Quaest. conv. 694B καὶ γὰρ οἶνον κεκραμένον δυσχερέστερον ἐξαιροῦσι τῶν ἱματίων, ὡς Ἀριστοτέλης (~ Ps.-Arist. Probl. 874a30) φησίν, ὅτι λεπτότερός ἐστι καὶ μᾶλλον ἐνδύεται τοῖς πόροις.

VIII. Naturwissenschaftliches

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λευκὸν μέλαν ἐρυθρὸν ὠχρόν.5 Wahrscheinlich seiner Vierfarbentheorie folgend hatten auch die Pythagoreer die erwähnten als Grundfarben angenommen.6 Wie man bei diesen Fällen sieht, stimmen hinsichtlich der Zahl als auch der bestimmten Farben die vier Farben des Empedokles und der Pythagoreer mit den erwähnten in unserem Fragment völlig überein, bis auf eine einzige Ausnahme: statt der Farbe ὠχρόν findet sich bei Klearchos χλωρόν. Nun hatte Demokrit in seiner Schrift Περὶ χροῶν eine kunstvolle Farbentheorie entwickelt, nach der die Bezeichnung der Farben der Konvention entspricht und die Farben kein Dasein an sich haben, sondern nach der Gestalt, der Lage und der Anordnung der Atome vom Subjekt als ‘Farben’ empfunden werden. Im Unterschied zu Empedokles erkennt Demokrit folgende Grundfarben: λευκὸν μέλαν ἐρυθρὸν χλωρόν. Er wählt das χλωρόν anstelle des ὠχρόν offensichtlich deswegen aus, weil die helle, gelbgrüne Farbe mit der Entstehung der Pflanzen im Frühling zusammenhängt, so dass seine Farbentheorie alle der Natur zugrundeliegenden Elemente enthält.7 Hier haben wir endlich völlige Übereinstimmung mit den bei Klearchos erwähnten Farben. Es sei darauf hingewiesen, dass Aristoteles natürlich sowohl die Atom- als auch speziell Demokrits Farbentheorie gründlich kannte und dass die Farbentheorie des Demokrit gerade durch Theophrast (De sensu § 73 ff. = A 135 D.-K.) ziemlich umfassend überliefert wird.8 Den Peripatetikern muss also die Vierfarbentheorie des Demokrit gut bekannt gewesen sein. Aufgrund der obigen Ausführungen lässt sich schließen, dass Klearchos sich auch mit der Farbenbezeichnung und vielleicht auch mit den _____________ 5 6

7

8

Empedokles 31 A 92 D.-K. (= Aët. Plac. I 15, 3 [DG p. 313]): (Ἐμπεδοκλῆς) τέτταρα δὲ τοῖς στοιχείοις ἰσάριθμα (χρώματα ἀπεφαίνετο), λευκὸν μέλαν ἐρυθρὸν ὠχρόν. Vgl. Prantl (1842); Veckenstedt (1888) 5-6; Kranz (1912) 126 ff. Aët. Plac. I 15, 7 (DG p. 313, 21); vgl. Veckenstedt (1888) 7-8; Kranz (1912) 130, nach dessen Meinung die Verbindung der Farben mit den Elementen die Abhängigkeit der Pythagoreer von Empedokles verrate. Kranz verweist ferner auf Diogenes von Apollonia 64 A 29a D.-K., der die Menschen in ἐρυθρόχρους, αἱματώδεις, πυρρόχρους und μελανόχρους einteilte. Dazu s. Prantl (1842) 53-54; Kranz (1912) 132-33. Zu χλωρόν als Farbe s. auch die Bemerkung von Veckenstedt (1888) 129: “Diese Farbenbenennung dient recht eigentlich zur Bezeichnung des Aussehens des aus der Erde aufstrebenden Keimes, welcher aus dem Weißen in das Fahle übergeht, aus dem Fahlen in das Lichtgelbe, aus dem Lichtgelben in das Hellgrüne”; vgl. M. Platnauer, “Greek Colour-Perception”, CQ 15 (1921) 161-62. Zur Farbenlehre des Demokrit bei Aristoteles vgl. z.B. De sens. 442b10 (= Demokr. 68 A 126 D.-K.) οἱ δὲ τὰ ἴδια εἰς ταῦτα ἀνάγουσιν, ὥσπερ Δημόκριτος· τὸ γὰρ λευκὸν καὶ τὸ μέλαν τὸ μὲν τραχύ φησιν εἶναι τὸ δὲ λεῖον, εἰς δὲ τὰ σχήματα ἀνάγει τοὺς χυμούς, und GC 315b33 (= Demokr. 68 A 38 D.-K.) Ὅμως δὲ τούτοις ἀλλοίωσιν καὶ γένεσιν ἐνδέχεται ποιεῖν, καθάπερ εἴρηται, τροπῇ καὶ διαθιγῇ μετακινοῦντα τὸ αὐτὸ καὶ ταῖς τῶν σχημάτων διαφοραῖς, ὅπερ ποιεῖ Δημόκριτος.

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Interpretationen

Farben als solchen befasst hat. Ob das allerdings im Rahmen eines allgemeinen naturwissenschaftlichen Werkes oder in einer Spezialschrift (etwa Περὶ χροῶν) geschah, lässt sich nicht sagen.9 Nach dem, was wir über das theoretische Interesse der Griechen und speziell des Aristoteles und Theophrasts über die Farben wissen, wäre die Existenz einer solchen Schrift kaum verwunderlich.10 Auf der anderen Seite wäre auch ein Werk denkbar, das sich in die bei den Peripatetikern sehr beliebte ProblemataLiteratur einordnen ließe.11 Aus dem erhaltenen Fragment geht jedenfalls mit Sicherheit hervor, dass die Behandlung der Farbenbezeichnungen durch Klearchos in einer längeren naturwissenschaftlichen Diskussion über die Farben wurzelte.

(b) Mondtheorie (fr. 97) Die Abgrenzung des Fragments in den verschiedenen Ausgaben hat für unnötige Verwirrung gesorgt. Verraert (1828), der in Bezug auf den Text Wyttenbachs Plutarch-Ausgabe folgt, lässt das Fragment schon früher (also vor καὶ πρὸς Κλέαρχον) mit den Worten beginnen: ὄντως γὰρ ὑποδύεται περιόντα τοῖς λαμπροῖς τὰ σκιερὰ, καὶ πιέζει πάλιν ὑπ’ αὐτῶν καὶ ἀποκοπτόμενα· καὶ ὅλως πέπλεκται δι’ ἀλλήλων.  γραφικὴν τὴν δια εἶναι τοῦ σχήματος  (920B). Ähnlich beginnt der Text des Fragments auch bei Müller (1878) und bei Taifakos (2008).12 Aber auch wenn der Text durch eine der vorgeschlagenen Emendationen (z.B. durch _____________ 9

Interessanterweise wird in dem bei Diogenes Laertios (I 43 = 1, 93 FHSG) überlieferten Katalog der Werke Theophrasts der Titel Περὶ χυμῶν, χροῶν, σαρκῶν überliefert. 10 Wegen seiner philosophischen und künstlerischen Bedeutung erfreute sich das Thema übrigens auch in der Neuzeit einer bestimmten Beliebtheit. Es sei nur an Goethes berühmtes (und von ihm selbst hochgeschätztes) Werk Zur Farbenlehre (1810) erinnert, mit dem er nach langjährigen Studien dem Hauptwerk Newtons über die Optik entgegentrat. Erwähnenswert ist dabei, dass im historischen Teil des Werkes und nach der Darstellung der Farbenlehre bei den Griechen ein Kapitel über die “Farbenbenennungen der Griechen und Römer” (Tübingen 1810, Bd. II, S. 54-59 = GoetheGedenkausgabe, Bd. 16, 288-91) enthalten ist. Wenig später (1816) verteidigte die Ansichten Goethes über die Farben ein Philosoph, A. Schopenhauer, in seiner Abhandlung Ueber das Sehn und die Farben. 11 Vgl. Flashar (1962) 312: “Mit Sicherheit können wir zunächst nur folgern, daß es im Peripatos noch mehr Sammlungen mit dem Titel ‘Problemata’ gegeben hat, als die vorliegende [pseudo-aristotelische] und diejenige, auf die sich Ar. selbst bezieht.” In der Vita Marciana (§ 4 Düring) werden übrigens Aristoteles “Problemata physica in 70 Büchern” zugeschrieben. 12 Vor den Worten καὶ πρὸς Κλέαρχον liest Müller (Wyttenbach), Taifakos (Pohlenz).

VIII. Naturwissenschaftliches

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) mit einiger Sicherheit zu heilen wäre, ginge es dabei nur um einen Seitenhieb des Sprechers gegen die durch Klearchos vertretene Theorie.13 Hält man diese allgemeine Kritik für einen Teil des Fragments, so müsste man dann konsequenterweise auch die spätere Weiterführung der Kritik (nach der Darstellung der klearchischen Theorie) ins Fragment mit einbeziehen. Die Teile dieser Kritik lassen sich ja im wesentlichen kaum trennen. Ebenfalls gehören aber n i c h t zum Fragment (im Gegensatz zum Text bei Wehrli) die bei Plutarch zitierten Verse aus den Phainomena des Ἀγησιάναξ (= Hegesianax SH 466): πᾶσα μὲν ἥδε πέριξ πυρὶ λάμπεται, ἐν δ’ ἄρα μέσσῃ / γλαυκότερον κυάνοιο φαείνεται ἠΰτε κούρης / ὄμμα καὶ ὑγρὰ μέτωπα· τὰ δὲ ῥέθει ἄντα ἔοικεν). Sie gehören so wenig zum Fragment wie die vorher (920E) zitierten Verse aus demselben Gedicht (SH 467 ἢ πόντου μέγα κῦμα καταντία κυμαίνοντος / δείκελον ἰνδάλλοιτο πυριφλεγέθοντος ἐσόπτρου); ohne Zweifel werden diese Verse von Plutarch – nicht von Klearchos – in einem anderen Zusammenhang angeführt.14 Ob und inwieweit das Fragment nicht nur den Inhalt, sondern auch den Wortlaut des klearchischen Textes wiedergibt, lässt sich schwer ersehen. Plutarch verwendet zwar das Verbum λέγει vor seinem Referat, das impliziert jedoch nicht, dass er großen Wert auf die wörtliche Wiedergabe gelegt hat. In der Tat erwecken einige Wörter oder Ausdrücke den Eindruck, dass sie eher zu dem plutarchischen Sprachgebrauch und Stil passen. Das gilt z.B. für die nicht sehr häufig vorkommenden Substantive ἀνταύγειαν (vgl. De gen. Socr. 589A; 591C; Quaest. conv. 696A) und εὐθυωρίαν (vgl. De lib. educ. 2A; Quaest. conv. 728A) oder die Verbindung εἰκόνας καὶ εἴδωλα (De gen. Socr. 589A; Quaest. conv. 672C; Platon. quaest. 100A [dreimal]), vielleicht auch den Ausdruck μεγάλης θαλάσσης für den Ozean (Camillus 22, 3; Alex. 73, 1), der parallel mit dem Ausdruck ἔξω θάλασσα (vgl. z.B. Arist. Meteo. I 13.350a22; 350b13; II 1.354a2) verwendet wird. Diese Indizien weisen darauf hin, dass Plutarch sich nicht sehr streng an den Wortlaut des klearchischen Textes gehalten hat. Der breitere Zusammenhang des viel bewunderten plutarchischen Dialogs “Über das Gesicht, das im Kreis des Mondes erscheint” (Περὶ τοῦ ἐμφαινομένου προσώπου τῷ κύκλῳ τῆς σελήνης) ist für das Verständnis des Fragments von Belang.15 Ich fasse das Wesentliche zusammen. _____________ 13 Diese Worte geben eine Kritik wieder, die im Rahmen einer früheren Erörterung über das Mondgesicht (sehr wahrscheinlich im verlorenen Anfang des plutarchischen Dialogs) geäußert worden sein muss. Dazu s. Görgemanns (1970) 25. 31. 14 Außerdem soll Hegesianax etwa eine Generation jünger gewesen sein als Klearchos, s. Susemihl (1892) 31-3; vgl. F. Stähelin, RE VII 2 (1912) 2598. 15 Zur Bedeutung der plutarchischen Schrift, die Kepler so wichtig fand, dass er sie emendierte und ins Lateinische übersetzte (Joannis Kepleri astronomi Opera omnia, ed.

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Interpretationen

Im ersten Teil läßt Plutarch einige der üblichen Meinungen über die merkwürdige Erscheinung an der Mondoberfläche vorführen. Am Anfang des physikalisch-astronomischen Teils trägt Lamprias (Plutarchs Bruder und zugleich der Ich-Erzähler) argumentierend die Blendungstheorie vor, wonach das Mondgesicht eine optische Täuschung sei. Gegen diese Theorie werden einige Gegenargumente vorgebracht. Danach trägt Lamprias (ebenfalls argumentierend) die Theorie des Peripatetikers Klearchos vor. Nach dessen Theorie sei das Gesicht im Mond (d.h. die Erscheinungen auf der Mondoberfläche) nichts anderes als eine Spiegelung des “großen Meeres” der Erde (920F-921A = Klearchos fr. 97). Im folgenden Absatz drückt der Geometer Apollonides seine Freude über die seinem Fach verwandte Theorie des Klearchos aus und bezeichnet sie als “originell”, “kühn” und “elegant” (ὡς ἴδιον ... καὶ καινὸν ὅλως τὸ σκευώρημα τῆς δόξης, τόλμαν δέ τινα καὶ μοῦσαν ἔχοντος ἀνδρός). Er stellt aber zugleich die Frage nach der Widerlegung dieser Theorie.16 Es werden durch Lamprias folgende Argumente erwähnt:17 (i) Im Gegensatz zu den Flecken im Mond ist der Ozean zusammenhängend. (ii) Die Flecken erscheinen von allen Punkten der Erde aus gleich. (iii) Die Spiegelung setzt Festigkeit voraus, was aber mit der peripatetischen Auffassung über den ätherischen Charakter des Mondes nicht in Einklang stünde. (iv) Das Spiegelbild müsste auch in anderen Sternen sichtbar sein. Aus dem Gesagten im plutarchischen Dialog lässt sich folgendes gewinnen: (a) Klearchos wird trotz seiner zahlreichen Abweichungen ausdrücklich dem Peripatos zugeordnet. Lamprias bezeichnet Klearchos dem Vertreter der peripatetischen Schule gegenüber als ὑμέτερος. Über Klearchos wird ferner gesagt, er sei “Vertrauter” (συνήθης) des alten Aristoteles gewesen, obwohl er “vieles in der peripatetischen Lehre verändert” habe (εἰ καὶ πολλὰ τοῦ Περιπάτου παρέτρεψεν). Hierzu sei bemerkt, dass Plutarch den Klearchos nicht als μαθητής bezeichnet (wie er hätte sagen können),18 sondern als συνήθης des Aristoteles. Beide Wörter sind nicht als ganz syn_____________ Chr. Frisch, VIII 1, Frankfurt a.M. 1870, 76-103), s. J.L.E. Dreyer, History of the Planetary Systems from Thales to Kepler, Cambridge 1906, 189; P. Duhem, Le système du monde, II, Paris 1914, 360 (“cet petit traité est un œuvre de génie”); vgl. P. Coones, “The Geographical Significance of Plutarch’s Dialogue, Concerning the Face which appears in the Orb of the Moon”, Transactions of the Institute of British Geography 8 (1983) 361-2. Zu aristotelischen Elementen im Mythos des Plutarch in De facie s. Bos (1989) 71-82. 16 Zu der Person, die den Gegenbeweis geführt hatte, s. Görgemanns (1970) 42. 17 Vgl. Görgemanns (1970) 149. 18 Vgl. z.B. De Alex. fortuna 328A (über Platons Schüler); Quomodo quis in virt. 78A; De laude ipsius 545A; Vitae dec. orat. 842A (über die Schüler des Theophrast); De Stoic. repugn. 1033b (über Schüler des Chrysippos); De tranqu. animi 472E (über die Schüler des Menedemos).

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onym zu verstehen, wie Wehrli (Komm. zu fr. 1) zu glauben scheint. συνήθης weist auf eine engere Beziehung hin, wie etwa – um nur ein Beispiel aus Plutarch zu erwähnen – die des Kolotes zu Epikur.19 Woher Plutarch diese Information hat und welche Quellen er benutzt hatte, lässt sich nicht sagen. Gern wüsste man, was er mit seinem Urteil genau gemeint hat, Klearchos habe “Vieles in der peripatetischen Lehre verändert”. Bezieht sich dieses Urteil nur auf seine Mondtheorie (wie Taifakos meint) oder – was wahrscheinlicher erscheint – auf seine allgemeinere “Neigung zu einem pythagoreisch gefärbten Platonismus” (Wehrli)? Gab es ferner Gelehrte, die Klearchos als Peripatetiker nicht anerkannten, oder spricht Plutarch hier nur ein eigenes Urteil aus? (b) Das Fragment erweckt den Eindruck, dass Klearchos bei seiner Erklärung vielleicht in einem wichtigen Punkt von Aristoteles abwich: Nach den doxographischen Quellen (Aëtios Plac. II 28, 2 [DG p. 358, 9]) glaubte Aristoteles, dass der Mond eigenes (wenn auch schwaches) Licht hat. Ist man bereit, dieser Angabe Glauben zu schenken, so scheint die Blendungstheorie des Klearchos mit der aristotelischen Auffassung unvereinbar zu sein. Ob Klearchos auch eine andere Ansicht über die Substanz des Mondes vertrat oder, wie Aristoteles, den Mond als eine (freilich nicht ganz reine) Mischung aus Äther und Luft ansah, geht aus keiner Quelle hervor.20 Wahrscheinlich glaubte er nicht an die Erdnatur des Mondes, aber wie genau er sich den Mond vorstellte, lässt sich nicht sagen. Plutarch hatte vielleicht das Werk des Klearchos nicht selbst gelesen, was man aus der Tatsache schließen könnte, dass er den Titel des Werkes nicht erwähnt und seine Kritik in zumindest einem Punkt auf einer Hypothese über die Gesamtauffassung des Klearchos beruht.21 (c) Die Erklärung über das sogenannte Mondgesicht, die im plutarchischen Dialog mit dem Namen des Klearchos verbunden wird, taucht auch _____________ 19 Vgl. Plut. Adv. Colot. 1107D. 20 Zu Aristoteles s. Aët. II 25, 7 (DG p. 356, 10-13); 30, 6 (DG p. 362, 1-4). Zu erwähnen ist auch, dass Herakleides von Pontos (fr. 76a-d Schütrumpf) den Mond für eine Erde hielt, die von dickem Nebel umgeben wird. Zu den verschiedenen Ansichten über die Substanz des Mondes s. W. Gundel, “Mond”, RE XVI 1 (1933) 77-84. 21 Vgl. De fac. 921E οὐκ ἐθελήσει δ’ οἶμαι τὴν σελήνην ἐμβριθὲς ὑποθέσθαι σῶμα καὶ στερεὸν ὑμῖν ὁ Κλέαρχος, ἀλλ’ ἄστρον αἰθέριον καὶ φωσφόρον, ὥς φατε. Das ist ein weiterer Grund, warum man mit bewertenden Urteilen zurückhaltender sein sollte. Ein solches Urteil fällt Cl. Préaux, La lune dans la pensée greque, Brüssel 1970, 179: “La défense de Cléarque par l’argument de la réfraction est typique de l’usage désinvolte que les philosophes grecs faisaient parfois d’une loi scientifique – désinvolte parce que non assorti de mesures qui en auraient seules démontré la pertinence.” Abgesehen aber davon, dass der Zusammenhang nicht bekannt ist, in dem diese Theorie aufgestellt wurde, hat Préaux von der Erwähnung der Rolle der Geometrie in Klearchos’ Theorie kaum Kenntnis genommen.

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in anderen antiken Autoren auf. So lässt Lukian in seinem Icaromenippus den sprechenden Mond über sich selbst folgendes sagen (§ 20): ἀπείρηκα γὰρ ἤδη, Μένιππε, πολλὰ καὶ δεινὰ παρὰ τῶν φιλοσόφων ἀκούουσα, οἷς οὐδὲν ἕτερόν ἐστιν ἔργον ἢ τἀμὰ πολυπραγμονεῖν, τίς εἰμι καὶ πηλίκη, καὶ δι’ ἥντινα αἰτίαν διχότομος ἢ ἀμφίκυρτος γίγνομαι. καὶ οἱ μὲν κατοικεῖσθαί μέ φασιν, οἱ δὲ κατόπτρου δίκην ἐπικρέμασθαι τῇ θαλάττῃ, οἱ δὲ ὅ τι ἂν ἕκαστος ἐπινοήσῃ τοῦτό μοι προσάπτουσι.

Lukian schöpft sehr wahrscheinlich aus Plutarchs Dialog, auch wenn sich diese naheliegende Annahme wegen der Kürze seiner Äußerung konkret schwer beweisen lässt.22 Ungefähr vier Jahrhunderte nach Lukian kommt Simplikios in seinem Kommentar zur aristotelischen Schrift De caelo auf die verschiedenen Ansichten über das Mondgesicht (τὸ φαινόμενον τῆς σελήνης πρόσωπον) zu sprechen. Nach der Besprechung der Auffassung von Iamblichos schreibt er folgendes über das Mondgesicht (CAG VII p. 457): εἰ δέ, ὥς τινες λέγουσιν, ἔμφασίς τίς ἐστιν ὡς ἐν κατόπτρῳ ἤτοι τῆς γῆς ἢ τῆς θαλάσσης ἢ τῶν ὀρῶν, δύναται, φησὶν ὁ Ἀλέξανδρος, καὶ κυλιομένης αὐτῆς ὁμοία μένειν ἡ ἔμφασις τῷ καὶ ταῦτα ἀφ’ ὧν ἡ ἔμφασις τὰ αὐτὰ μένειν κἀκείνην πρὸς τὸ δέχεσθαι τὴν τοιαύτην ἔμφασιν κατὰ πάντα αὐτῆς μέρη ὁμοίαν ἔχειν ἐπιτηδειότητα καὶ κατὰ τὴν τοῦ σώματος φύσιν καὶ κατὰ τὴν τοῦ σχήματος ὁμοιότητα. ἀλλ’ εἰ μὲν ἡ ἔμφασις κατὰ τὴν ἀπὸ τοῦ κατόπτρου τῶν ἀκτίνων ἀνάκλασιν ἐπὶ τὸ ἐμφαινόμενον γίνεται, ὡς τοῖς πολλοῖς δοκεῖ, οὐκ ἂν ἀπὸ παντὸς τόπου ὁρῶντι τὸ αὐτὸ ἂν ἐμφαίνοιτο, ὥσπερ νῦν τὸ τῆς σελήνης πρόσωπον καὶ ἀπὸ μεσημβρινωτάτων τόπων καὶ ἀπὸ βορειοτάτων καὶ ἀπὸ ἀνατολικῶν καὶ δυτικῶν ὁρῶντι τὸ αὐτὸ φαίνεται.

Im Fall des Simplikios lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, ob er auch Plutarch als Quelle benutzt hatte. Alexander, dessen Meinung (vermutlich aus seinem Kommentar zu den Meteorologika 372a9 [CAG III2 p. 141-42]) Simplikios am Anfang referiert, bezieht sich nicht auf die Spiegelung des Mondes. Wer sind dann aber die “vielen”, die die Theorie der Spiegelung der Erde auf dem Mond teilen? Noch interessanter ist eine Angabe in Stobaios I 26, 4, die wohl auf das gelehrte Werk des Aëtios (Plac. ΙΙ 30, 1 [DG p. 361, 13]) zurückgeht: Τῶν Πυθαγορείων τινὲς μέν, ὧν ἐστι Φιλόλαος, τὸ γεωφανὲς αὐτῆς εἶναι διὰ τὸ περιοικεῖσθαι τὴν σελήνην καθάπερ τὴν παρ’ ἡμῖν γῆν ζῴοις καὶ φυτοῖς μείζοσι

_____________ 22 Der Ausdruck διχότομος ἢ ἀμφίκυρτος erinnert an De facie 929A διχότομος καὶ ἀμφίκυρτος, beide Adjektive kommen allerdings in ähnlichem Zusammenhang nicht selten vor. Zu den Stellen bei Lukian, die sich mit dem Mond befassen, und ihrer Beziehung zu Plutarchs Schrift De fac. s. Ph. Wälchli, Studien zu den literarischen Beziehungen zwischen Plutarch und Lukian, (BzA 203) München/Leipzig 2003, 159-66. Wälchli kommt zum folgenden Schluss (S. 225): “Die verschiedenen Theorien über den Mond und andere Himmelskörper, die Lukian im Ikaromenippos 7 und 20 aufführt, lassen sich inhaltlich fast vollständig auf Plutarchs FL [= De fac.] zurückführen.”

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καὶ καλλίοσιν ... ἄλλοι δὲ τὴν ἐν τῇ σελήνῃ ἔμφασιν ἀνάκλασιν εἶναι τῆς πέραν τοῦ διακεκαυμένου κύκλου τῆς οἰκουμένης ὑφ’ ἡμῶν θαλάττης.

Auf die gleiche Quelle (Aëtios Plac. ΙΙ 30, 1 [DG p. 356, 1]) geht auch folgende Angabe über den Mond (Plut. Epit. II 25 = Stob. I 26, 1) zurück: Πυθαγόρας κατοπτροειδὲς σῶμα (sc. τὴν σελήνην λέγει). Beide Stellen wären wichtig für unser Fragment, wenn wir nur wüssten, welche ‘Pythagoreer’ im ersten Fall gemeint sind, dann was Pythagoras mit κατοπτροειδής an der zweiten Stelle meinte (die Spiegelfunktion oder die Form des Mondes?)23 und schließlich wie zuverlässig diese Angaben sind. Denn wann könnte eigentlich eine solche geographische Formulierung (διακεκαυμένος κύκλος) von Pythagoreern gebraucht worden sein? Waren diese “anderen” (Pythagoreer oder nicht) dieselben wie die “vielen”, die Simplikios erwähnt? Gab die Bezeichnung κατοπτροειδής den Anlass für die spätere Erklärung? Da wegen der komplizierten und oft unzuverlässigen Überlieferung über Pythagoras eine Antwort auf solche Fragen unmöglich erscheint und da Plutarch nur von Klearchos weiß, sei die Frage nach der Beziehung zwischen Klearchos und den Pythagoreern dahingestellt. (d) Trotz der eventuellen Abweichung von Aristoteles in einzelnen Punkten und abgesehen davon, dass der Kerngedanke der Blendungstheorie eventuell nicht von Klearchos selbst stammte, ist weder der peripatetische Einfluss noch der Beitrag des Klearchos zu leugnen. Zugrunde liegt ja die aristotelische Ansicht, dass ἡ ὄψις ἀνακλᾶται, ὥσπερ καὶ ἀφ’ ὕδατος, οὕτω καὶ ἀπὸ ἀέρος καὶ πάντων τῶν ἐχόντων τὴν ἐπιφάνειαν λείαν (Meteor. III 2.372a29). Man merke ferner, was Lamprias dem Geometer Apollonides an der Plutarch-Stelle sagt: er müsste den Lehrsatz (λόγος) des Klearchos kennen, weil in ihm die Geometrie nahezu der Ausgangspunkt sei (ὥσπερ ἀφ’ ἑστίας τῆς γ ε ω μ ε τ ρ ί α ς ὁρμώμενον). Dass die Spiegelung als physikalisches Phänomen erfasst und erklärt werden kann, ist wohl verständlich. Aber in welchem Sinn war die Geometrie in diesem Fall nahezu der Ausgangspunkt? Einen Hinweis auf die Lösung des Problems bietet m.E. der Vergleich der Erscheinung des Mondgesichtes mit dem Regenbogen in unserem Fragment. Die Erwähnung des Regenbogens ist ohne Zweifel ein Hinweis auf die eindrucksvolle Theorie über die ἶρις (Regenbogen) in den Meteorologika (III 2.371b19-5.377a27), wo Aristoteles die Gestalt und die Farben dieses meteorologischen Phänomens bespricht und es als eine Reflexion (ἀνάκλασις) erklärt: Die Wolke, die als Spiegel dient, fängt die Sehlinien auf, wirft sie auf die gegenüberstehende Sonne zurück (vgl. den Ausdruck _____________ 23 Zum letzteren vgl. Sch. (Tzetzae) Ar. Nub. 746 καὶ ὁ Στρεψιάδης φησίν· εἰ ὠνησάμενος γυναῖκα φαρμακίδα ἐκ Θετταλίας ... καθέλοιμι καὶ καταβιβάσαιμι δι’ αὐτῆς τὴν σελήνην καὶ ἔχοιμι καὶ φυλάττοιμι ... αὐτὴν ἐς λοφεῖον καὶ θήκην κατόπτρου, ὡς κάτοπτρον διὰ τὸ κατοπτροειδῆ τὴν σελήνην ὁλόκυκλον φαίνεσθαι.

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ἀνακλωμένης ἐπὶ τὸν ἥλιον τῆς ὄψεως in unserem Fragment), und dadurch entsteht ein Bild, das eine ἔμφασις χρώματος, οὐ σχήματος sei.24 Nach dem Versuch, die Farben des Regenbogens zu erklären, zeigt Aristoteles durch eine geometrische Demonstration, dass der Regenbogen immer Teil eines Kreises bzw. kürzer als ein Halbkreis ist (III 5.375b15 ff.). Damit der geometrische Charakter der Demonstration begreiflicher wird, führe ich die bildliche Darstellung dieser Berechnung nach Friedrich Poske an.25 Bei der Demonstration werden folgende Symbole benutzt: A = Himmelskugel über dem Horizont; K = Mittelpunkt des Horizonts und Ausgangspunkt der Sehlinien; H = Sonne; M = die Wolke; P = der durch Rechnung gefundene zweite Pol.

Bei dieser Demonstration ist DF eine Strecke, die so geteilt ist, dass DB : DF = MH : MK, ferner BG eine Strecke, in der BG : DB = DB : DF und KP26 eine Strecke, die dadurch bestimmt ist, dass FG : KH = BF : KP. Nachdem PM gezogen ist, wird bewiesen, dass FG : KH = BF : KP = DB : PM. Dadurch wird gezeigt, das P der ‘Pol’ des Kreises ist, in dem die von K ausgehenden Strahlen (des Auges) die Hemisphäre treffen. _____________ 24 Zur aristotelischen Erklärung s. auch Gilbert (1907) 608; A.M. Sayili, “The Aristotelian Explanation of the Rainbow”, Isis 30 (1939) 65-83. 25 Fr. Poske, “Die Erklärung des Regenbogens bei Aristoteles”, Zeitschrift für Mathematik und Physik (Historisch-literarische Abteilung) 28 (1883) 134-38 (dazu auch Taf. V Fig. 11); vgl. Gilbert (1907) 611-13. 26 Poske (S. 135) schreibt KB, aber das ist offensichtlich ein Druckfehler.

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Ich vermute nun aus dem Vergleich des Mondes mit dem Regenbogen und vor allem aus der ausdrücklichen Erwähnung der Bedeutung der Geometrie, dass Klearchos bei seiner Blendungstheorie eine ähnliche geometrische Beweisführung auf das Mondgesicht übertragen hatte, um das aus optischer Hinsicht komplizierte Phänomen zu erklären: Wie ist es nämlich möglich, dass der Ozean auf den Mond reflektiert wird und die dann in schräger Richtung einfallenden Strahlen von den Menschen der bewohnten Erde beobachtet werden können (ἀκτὶς ἀνακλωμένη πολλαχόθεν ἅπτεσθαι τῶν οὐ κατ’ εὐθυωρίαν ὁρωμένων πέφυκεν)?

Literaturverzeichnis Die antiken Autoren werden nach den Abkürzungen von LSJ zitiert mit wenigen Ausnahmen (z.B. Diod. statt D.S.). Die Zeitschriften werden nach L’Année Philologique abgekürzt. Außer diesen Abkürzungen werden noch folgende benutzt: CAG CAH CHHellPh DG DPhA FHSG SFOD SH SOD SSR ThWNT

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Indices

Index Locorum Adespota Papyracea SH 958: 15218 Aelianus De nat. anim. IV 1: 1452 Varia historia III 11: 79 Aeneas Tact. Poliorcetica 27, 1: 1451 Aeschylus Persae 978 ff.: 11226 Suppl. 23: 173 Aesopus Fab. 283α Hausrath-Hunger: 99 Aëtius Placita phil. I 15, 3 (DG p. 313): 1755 I 15, 7 (DG p. 313, 21): 1756 II 25, 7 (DG p. 356, 10-13): 17920 II 28, 2 (DG p. 358, 9): 179 ΙΙ 30, 1 (DG p. 361, 13): 180 ΙΙ 30, 1 [DG p. 356, 1]: 181 II 30, 6 (DG p. 362, 1-4): 17920 Alexander In Arist. Meteor. CAG III2 p. 141-42: 180 Alexis fr. 81, 5 K.-A.: 132 fr. 99 (Hippeis): 132 fr. 116: 132 fr. 121: 110 Anaxandrides fr. 72 K.-A.: 962 Anaxileos 482 Anaxilides FGrHist 1095 F 1: 48 Anonymus Prolegomena Plat. phil. 1, 20 Westerink: 50 6: 577 Anonymus Vita Arati p. 6, 17: 12

Anthologia Graeca 16, 232: 15115 16, 259: 15115 Antiphanes fr. 81, 5 K.-A.: 132 fr. 115: 15; 107 fr. 151: 12151 fr. 157: 1337 fr. 200: 57; 104; 107 Appianus Bell. civ. II 21, 154: 579 Apollodorus Gramm. FGrHist 244 F 47: 8919 FGrHist 244 F 135: 147 Apostolius IV 100a (CPG II p. 310): 11432 Apuleius De Platone 1, 1: 5011 Aratus SH 115: 152; 15321 Archestratus fr. 4 Olson-Sens: 15 Aristaenetus Epistulae 1, 16: 12359 Aristo Chius SVF 343 = SH 204: 92 Aristophanes Ach. 91 ff.: 11226 Lys. 150: 12151 Plut. 564: 16437 fr. 689 K.-A.: 142 Aristoteles De anima I 2. 404a26: 74 II 1-3: 79 II 1. 413a4: 79 II 12.424a29: 15014 III 3.427a29 ff.: 150 III 3.427b19: 149

196 III 3.428a12: 149 De divin. 464b8: 150 De sens. 442b10: 1758 GA 723b25: 14911 730a33: 14911 731a2: 14911 738b10: 14911 749a15: 14911 GC 315b33: 1758 332b27: 1731 Hist. An. 356a13: 150 488b3: 1234 488b5: 1452 613b25 ff.: 145 614a6: 1452 614a28: 145 Met. I 3.948b18: 74 I 3.984b18: 55 1073a4: 87 XII 8.1073b17: 87 Meteo. I 6.343a-b: 7677 II 8.368a-b: 7677 III 2.371b19-5.377a27: 181 III 2.372a29: 181 III 5.375b15 ff.: 182 EE I 4.1215a36: 169 II 3.1221a25: 134 III 2.1231a10: 100 III 6.1233b10: 98 III 6.1233b29: 134 VII 12.1245b20-25: 99 EN I 5.1095b17 ff.: 169 I 13.1102b2-10: 65; 83102 II 7.1108a26: 134 III 10.1118a23: 12361 III 10.1118a32: 17166 IV 8.1124b31: 134 IV 12.1127a7: 134 VII 1.1145a36: 6232 VII 1.1145b8: 6232 VII 4.1147b20: 1579 VII 5.1148b24: 17165 VII 5.1149a13 ff.: 17165 VII 7.1150a13: 1579 VIII 1.1155a29: 99 VIII 3.1156b7: 102

Indices

VIII 9.1159b31: 102 IX 4.1166a31: 102 IX 8.1168b6: 102 IX 10.1170b20-1171a20: MM II 6, 27: 6232 II 16, 1-3: 99 PA 689a11: 14911 Polit. I 2.1253a7: 889 V 11.1313b11: 11121 V 11.1313b40: 12463 V 11.1313b41: 134 VII 15.1334a23: 6232 Rhet. I 11.1371a3: 889 I 15.1376a1: 98 II 2.1378b26-29: 16434 II 2.1378b23-28: 16747 II 6.1383a33: 134 II 8.1385b21-23: 16747 ΙΙΙ 3.1406a12: 174 SE 176a1: 98 De philosophia fr. 9 Rose3: 4847; 7782 fr. 10 (= 947 Gigon): 66; 80; 82 fr. 13 Rose3: 1858 fr. 42: 62 fr. 170: 1732 fr. 190-205: 81 fr. 206-207: 81 fr. 526: 11119 fr. 557: 11737 fr. 583: 16543 fr. 607: 15914; 16017 fr. 608: 16017 fr. 650: 5324 fr. 12 Ross: 4845 [Aristoteles] Ath. Pol. 8, 4: 11430 25, 3-4: 98 De mundo 4.396a22: 7677 400b11: 87 Probl. 874a30: 1744 Magikos: fr. 35 Rose3: 57; 6021 Aristoxenus fr. 53 Wehrli: 57 fr. 61-68: 54 fr. 118-121: 8090 Arrianus Alex. Anab.

Index Locorum

IV 10, 1-3: 5218 VII 2, 2: 6336 Succ. Alex. fr. 1, 36 Roos/Wirth: 826 Athenaeus Mech. De machinis 5: 565 Athenaeus Naucratita Dipnos. I 14F: 10710 VI 234F: 3 VI 244F-245A: 13282 VI 249D: 141 VI 249F: 12872 VI 250E: 12872 VI 250F: 12973 VI 253A: 131-3282 VI 253D-F: 132 VI 255C: 13182 VI 257B: 141 VII 293F: 10710 IX 391E-F: 1452 X 435E: 12872 XII 514C: 121 XII 522F-523B: 137 XII 523E: 11737 XII 528E: 15913 XII 531D-E: 11944 XII 538E: 109 XIII 578B: 13282 XIII 610E: 13285 XIV 614E-615A: 13282 XIV 664E: 92 Bacchylides Dithyr. 1, 60 ff: 16436 Callias T *7 K.-A.: 15 Callimachus Epigr. 23 Pf.: 82100 Callisthenes FGrHist 124 F 5: 100 Callixenus FGrHist 627 F 2: 12150 Cassius Dio Hist. Rom. LXVI 9, 5: 12462 Castorion SH 310: 15; 152 Catullus c. 51: 137100 Chares Mytil. FGrHist 125 F 5: 79 FGrHist 125 F 19a+b: 59 Chrysippus SVF 212: 12565 SVF 724: 102

197 Cicero De divin. I 64: 6645 I 70: 79 I 113: 79 II 100: 79 Epist. ad Att. IV 16, 2: 7884 XIII 19, 3 f.: 7782 Cleanthes SVF 481, 41: 102 Clearchus Solensis fr. 1: 11 fr. 2a Wehrli: 23; 47; 48; fr. 2b: 23; 47 fr. 3: 11; 53; 144; 146 fr. 4: 11; 25; 53 fr. 5: 24; 55 fr. 6: 7; 24; 55; 56 ff.; 77; 78 fr. 7: 25; 55; 61; 62; 64 ff. fr. 8: 3; 25; 55; 69 ff. [fr. 9]: 26; 55 fr. 10: 26; 551 fr. 11: 28; 86 ff. fr. 12: 28; 85 ff. fr. 12c: 552 fr. 13: 11; 415; 6; 60; 78 fr. 16: 11; 34; 157; 158; 161; 172 fr. 17: 29; 95 ff. fr. 18: 29; 99 ff. fr. 19: 11; 2; 3; 30; 103 ff.; 135; 167 fr. 20: 32; 103 ff.; 141 fr. 21: 11; 110 fr. 25: 11 fr. 36: 33; 144 fr. 37: 11; 3; 34; 155 fr. 38: 310; 34; 71; 155; 161; 172 fr. 39: 35; 108; 155; 16224; 166 fr. 40: 35; 155 fr. 41: 35; 137; 155 fr. 42: 35; 137; 155 fr. 43: 155; 166 fr. 43a: 36; 137; 155; 15916 fr. 43b: 36; 155 fr. 44: 37; 137; 155; 171 fr. 45: 37; 155 fr. 46: 37; 137; 155; 166; 16747 fr. 47: 38; 137; 155; 166 fr. 48: 38; 125; 137; 155; 166; 167 fr. 49-52: 171 fr. 49: 11; 39; 156; 159; 167 fr. 50: 39; 156 fr. 51a: 39; 156

198 fr. 51b: 39; 156 fr. 51c: 40; 156 fr. 51d: 40; 156 fr. 52: 40; 137; 156 fr. 53: 40; 137; 156 fr. 54: 40; 156 fr. 55: 41; 156; 161 fr. 56: 41; 156; 161 fr. 57: 41; 156 fr. 58: 41; 156 fr. 59: 41; 137; 156; 158 fr. 60: 11; 42; 12464; 156; 172 fr. 61: 42; 156; 16747 fr. 62: 42; 156 fr. 63-83: 85 fr. 63: 1858 fr. 67: 102 fr. 73: 11 fr. 80: 99 fr. 81: 310 fr. 82: 11 fr. 83: 310 fr. 86: 11; 7057 fr. 87: 11 fr. 88: 152; 168 fr. 91a: 11 fr. 96: 44; 173 ff. fr. 97: 310, 11; 44; 176 ff.; 178 fr. 101: 310 fr. 103: 310 fr. 105: 11; 10 fr. 108: 11; 3 fr. 110: 11; fr. S 1a-c: 62-63 fr. S 1a: 27 fr. S 1b: 27 fr. S 1c: 27 fr. S 2: 42; 158; 167 fr. S 3: 42; 158 fr. S 4a: 43; 158 fr. S 4b: 43; 158 fr. S 5: 43; 158 Cleitarchus FGrHist F 6: 413 Clemens Alex. Stromata I c. XV 70, 2 Stählin: 55 IV 22, 140: 84 Cornutus Nat. deor. p. 50, 7 Lang: 1477 Critias 88 B 45 D.-K.: 951

Indices

Ctesias FGrHist 688 F 1b: 58; 16543 Damascius In Platonis Phaedonem I § 530 Westerink: 44; 62 II § 138: 44; 62 Demetrius Phaler. fr. 99 W. = 86 SOD: 80 Demochares FGrHist 75 F 1: 13182 Democritus 68 A 38 D.-K.: 1758 68 A 86: 87 68 A 126: 1758 68 B 1: 72 Dicaearchus fr. 14-21A Mirhady: 79 fr. 23-29 Mirh: 80 fr. 31B+C: 7989 fr. 36 Wehrli = 42 Mirh.: 551 fr. 47 Mirh.: 168 fr. 12 Wehrli: 552 Dio Chrys. or. 31, 96: 12568 Diodorus Sic. XI 63, 2: 12568 XV 3, 2: 11224 XV 9, 3-5; 11224; 11945 XVI 52: 104; 119; 12046 XVII 90, 2: 1464 XVIII 39, 6: 826 XIX 48, 1: 827 XX 52: 13182 XX 69, 1: 1451 XXI 27-28: 13282 XXIII 15, 2: 12568 Diogenes Apoll. 64 A 29a D.-K.: 1756 Diogenes Laertius I 1: 6021 I 17: 17271 I 43: 1769 I 51: 12; 7782 II 110: 138 II 120: 7782 II 124: 101 II 141: 15219 II 142-143: 153 III 20: 12568 IV 4: 101 IV 12: 101; 168 IV 14: 138 IV 30: 89

Index Locorum

IV 33: 92 IV 40: 9330 IV 41: 9331 IV 61: 89 IV 115: 90 V 22: 101 V 24: 101 V 26-27: 85 V 38: 13284,85 V 50: 57 V 59: 168 IX 60: 12464 X 119: 158 Diogenianus II 91 (I p. 212): 11432 Duris FGrHist 76 F 13: 132 Empedocles 31 A 92 D.-K.: 1755 Epicharmus fr. 31-37 K.-A.: 133 fr. 202: 865 Epimenides FGrHist 457 T 1-11: 7056 FGrHist 457 F 16: 5; 52 Euripides Hec. 57-58: 16539 Hel. 1426-30: 12567 IT 1294: 173 Medea 1168 ff.: 147 fr. 158 Kann.: 166 fr. 438: 16437 Eusebius Praep. Evang. IX 5, 2-7: 56 XIV 5, 12: 92 Eustathius Comm. in Hom. Il. III p. 515: 11225 ΙΙΙ p. 531: 1055 Περὶ ὑποκρίσεως p. 90, 9 Tafel: 140 p. 90, 69: 141 p. 90, 75: 141 p. 90, 83: 142 p. 91, 10: 141 p. 91, 13: 11839; 141 Gellius Noct. Att. IV 11, 14: 551 Hecataeus FGrHist 264 F 6*: 58 Hegesianax SH 466/467: 177

199 Hegesias FGrHist 142 F 6: 12567 Heraclides Cum. FGrHist 689 T 1: 12150 FGrHist 689 F 1: 167+46 Heraclides Lembus fr. 4 Müller: 13282 Heraclides Ponticus fr. 23 Schütrumpf: 117 fr. 52-58: 78 fr. 55-61: 171 fr. 56: 72 fr. 76a-d: 17919 fr. 85-92: 72 Zoroastres fr. 139 Schütrumpf: 57 Hermesianax 7, 88 Powell, Coll. Alex.: 1068 Herodianus Π. ὀνομάτων (GG 3, 2) p. 617: 1489 Herodotus I 15: 12566 I 94: 160 I 114: 11226 I 155: 15915 II 118: 116 III 911: 11328 V 122: 117 V 123: 116 VI 105-6: 15115 VI 105: 147 VI 117, 2-3: 1478 VII 16α 2: 16539 VII 43: 116; 117 VIII 77: 16436 IX 80: 12049 Hippias Erythr. FGrHist 421 F 1: 127; 143109 Hippocrates De diaeta 86, 1-2 Joly: 83 Homerus Ilias 3, 421-22: 143 5, 93: 173 11, 631: 173 11, 673: 564 19, 38: 173 23, 282: 173 Odyss. 2, 258: 142 5, 70: 173 5, 93: 173 10, 234: 173

200 24, 1-5: 4639 Horatius Odes I 7, 28-9: 11534 Hymni Homerici h. Merc. 560: 173 Iamblichus Vita Pythag. 2, 5-7: 52 2, 7: 5117 34, 257: 12568 Inscriptiones Graecae I3 1147, 154: 8814 I3 1296: 8914 II2 337: 39 ΙΙ2 478, 33: 8814 ΙΙ2 493, 9: 8814 ΙΙ2 494, 9: 8814 II2 558: 13282 II2 677: 15219 II2 2499, 9: 962 IV2 1, 159: 91 XII 3, 1020: 518 Inscriptiones Miletoupolis 2: 518 Josephus Contra Apionem I 22 § 175: 56 Justinus XXV 2: 15219 Lacydes T1a (p. 21-22) Mette: 89 Lucianus Alex. 7: 5218 De mort. peregr. 25: 6336 Icarom. 20: 180 Imag. 20: 13282 Muscae enc. 5. 125 7: 125 10: 125 Philops. 22-24: 72 Revivisc. sive pisc. 34: 12974 Tox. 38: 998 Lycophron Alex. 1176: 11943 Lycophronides PMG 1 : 15 PMG 2 : 15 Macarius II 30 (CPG II p. 146): 11432 Marmor Parium FGrHist 239 A 26: 11534 Megasthenes Indica

Indices

FGrHist 715 F 3: 4222; 58 FGrHist 715 F 34a: 6022 Menander fr. 205 K.-A.: 865 fr. 208: 11429 fr. 370: 1338 Menander Rhet. Π. ἐπιδεικτ. p. 371, 10 ff. Sp.: 5426 Nemesius De nat. hom. 3 (p. 40, 13-22 M.): 83103 Nicolaus Rhet. Progymn. (Rh. Gr. XI p. 52, 5): 5426 Onesicritus FGrHist 134 F 17b: 57 Pamphilus (Siculus) SH 597: 15 Pausanias I 3, 2: 11534 II 294: 11534 IV 14, 8: 5218 VI 11, 2: 5218 X 23, 7: 1451; 15116 Phaenias fr. 18 Wehrli: 9126 Philippides Com. fr. 25 K.-A.: 131; 13282 Philippus Opuntius fr. 1 Tarán : 53 Philo Jud. Quod omnis probus liber 575: 96 Vita Mos. 2; 33: 579 Philochorus FGrHist 328 F 15: 114 Philodemus Index Academicorum col. VI 6-12 : 5425 col. VI 12 : 509 Pap. Herc. 222, VII 12-17: 13593 222, X 1-10: 13695 Pap. Herc. 223 fr. 1, 1 ff.: 135 Pap. Herc. 1005: 509 Pap. Herc. 1457, XI 37-42: 13695 Pap. Herc. 1471: 168 Philolaus 44 A 1a D-K : 5364 44 B 7: 7162 Philoxenus PMG fr. 15: 15 Phrynichus Attic. Praep. soph. 4, 14 de Borries: 142108 Phylarchus FGrHist 81 F 12: 13282 FGrHist 81 F 45: 12568

201

Index Locorum

Pindar Ol. 13, 10: 16436 fr. 77b Sn.-M.: 15 fr. 131b: 83 Plato Alc. I 122c5: 1055 Chrm. 174b: 88 Euthd. 274c2: 7163 290d4: 1465 304c5: 7163 Grg. 462a ff.: 133 513d: 133 527c: 133 Leg. V 733a: 168 V 739a: 87; 88 VII 820e: 88 X 903d: 88 XII 942d: 1055 ΧΙΙ 966d-e: 6645 Lysis 206c9: 7163 Phaedo 64c7: 82 65c7: 82 66a2: 82 66e6: 82 67d1: 71 67c7: 82 67e2: 82 70a5: 82 79d4: 82 81b8: 82 83a8: 82 85b: 5116 109b: 71 Phaedrus 240b1: 12361 247a5: 71 274d: 88 Plt. 299e: 88 Resp. I 333b: 88 II 374c: 88 V 462b9: 1339 V 475d2: 7163 V 476b3: 7163 VI 487c: 88 VIII 548e4: 7163 ΙΧ 571d: 83 IX 576a: 133 X 604c: 88

Χ 614b8: Χ 614c-615a: 71 Χ 614c1: 71 Χ 615a4: Tim. 38c5-6: 876 71a-e: 6645 [Plato] Eryx. 395b: 88 Plinius Nat. Hist. VII 174: 69 X 102 : 1453 XXX 11: 6231 Plotinus Enneades IV 8[6]: 75 Plutarch Alcib. 23: 5219 Alex. 2, 3-7: 5218 21: 119 65, 5: 59 73, 1: 177 Aristid. 2, 5 : 97 Artax. 12, 1-3: 11225 Caes. 43, 6: 1451 Camillus 22, 3: 177 Dem. 11: 13282 13: 13182 14: 13182 17: 13182 24: 131 26: 13282 Dion 28: 11223 Solon 19, 4: 11430 Sulla 35, 7: 142108 Them. 10, 1-2: 974 31, 5: 974 Adv. Colot. 1107D: 17819 De Alex. fort. 328A: 17818 De amic. mult. 93A-97B: 99 94A: 1055 95A: 1055 De anima procr. in Tim. 1022A: 23 De curios. 523A: 11223 De exil. 602a: 1009 De facie in orbe lunae 920B: 176 920F-921A: 178 920E: 12 ; 177

202 921E: 17921 929A: 18022 De gen. Socr. 589A: 177 591C: 177 592C: 6953 De laude ipsius 545A: 17818 De lib. educ. 2A: 177 De primo frig. 954F: 7162 De sera num. vind. 563A ff.: 72 Epit. II 25: 181 Platon. quaest. 100A: 177 Praec. ger. reip. 800A: 129 807A: 96 Quaest. conv. 672C: 177 694B: 174 696A: 177 717D: 5012 728A: 177 Quomodo adul. ab amico intern. 53D: 129 Quomodo quis in virt. 78A: 17818 Reg. et imp. apophth. 189D: 138102 Vitae dec. orat. 842A: 17818 fr. 178 Sandb.: 84 Pollux II 146: 3 IV 10: 12150 IX 42: 13285 Polybius V 96, 3: 1451 XII 23, 3: 12568 XX 6, 12: 1451 XXVII 8, 4: 12568 Porphyrius Vita Pythag. 2: 5117; 5220 Quaest. Homer. ad Il. 2, 305-329: 1452 Proclus In Plat. Remp. II p. 113 Kroll: 3; 69; 72 II p. 115, 24: 7266 II p. 121, 26: 72 II p. 122, 22: 64 Quintilianus Inst. orat. III 8, 62: 1231 Sappho fr. 122 L.-P.: 15 Satyrus Biogr. fr. 26 Schorn: 12479

Indices

Scholia in Ar. Nub. 146: 18123 [Eur.] Rh. 36: 147 in Plat. Grg. 451e: 12256 in Plat. Leg. V 739a: 87 Scylax Periplus 104: 58 Septuaginta Deuteron. 18, 10: 61 Levit. 19, 26: 61 Simplicius De caelo CAG VII p. 457: 180 Solon fr. 6, 3-4 West: 16436 Sophocles fr. 351 Radt: 86 Sophron 122 K.-A.: 865 Speusippus T 1 Tarán: 101 fr. 147-8 Isnardi = 1a-b Tarán: 48 Stephanus Byzantius p. 185 M.: 23 Stesichorus PMG 2a: 173 Stobaeus I 26, 1: 180 I 26, 4: 180 II 2, 11: 9329 III 125-128: 5 Strabo Geogr. XIII 1, 19: 117 XV 1, 63: 6436 XV 1, 70: 6436 Straton fr. 107-31 Wehrli: 80 fr. 136: 168 Suetonius Π. παιδιῶν 1, 14 Taill.: 85 Suda α 3824: 11432 δ 1244: 12361 ε 3822: 1052 ι 545: 1478 κ 203: 5919 π 1707: 5011 φ 418: 101 Syrianus CAG 6, 1 p. 159, 33 ff.: 7782 Themistius Βασανιστής 263a: 11432 Περὶ φιλίας p. 268a Ηard.: 1055

203

Index Locorum

Thucydides III 45, 4: 16539 Timaeus Hist. FGrHist 566 F 6: 8195 FGrHist 566 F 50: 1335 FGrHist 566 F 29: 1549 Timocles Com. fr. 34 K.-A.: 11429 Timo Phliasius SΗ 805-808: 90 SH 805: 92 Timotheus Com. 1 K.-A.: 12256 Tryphon Rh. Gr. III p. 193-4 Spengel: 1068 Tyrtaeus 12, 6 West: 12048 Valerius Maximus IX ext. 9: 11223 Xenocrates T 2 Isnardi2: 50; 101; 138 T 93: 5812 fr. 182-84: 53 fr. 141: 52 Xenophanes 21 B 38 D.-K.: 173 Xenophon Cyropaedia VIII 2, 10-12: 11226 VIII 7, 22: 83 VIII 8, 15: 159 De re equ. 6, 12: 11840 Mem. II 4-6: 102

Theocritus Idyll. 7, 99: 152 Theognis 153 FHSG: 16436 215-6: 15 547-8: 134 751: 16436 Theophrastus Characteres 2, 3: 142 De sensu 16-17: 15013 73 ff.: 175 Hist. plant. II 6, 2: 58 IV 16, 6: 106 fr. 1, 93 FHSG: 1769 fr. 266-272: 8091 fr. 273: 57 fr. 297-300: 14912 fr. 436 Nr 16: 167 fr. 532-46: 101 fr. 532: 102 fr. 533: 102 fr. 534: 102 fr. 534, 39: 10010 fr. 535: 102 fr. 547-48: 134 fr. 584A: 60; 12568 fr. 589: 16017 fr. 612: 98 fr. 694: 1231 fr. 710: 100 fr. 727, 14: 85

Index Nominun et Rerum Abraham 60 Aelian Aiakos 54 Ai-Khanum 5; 6 Al-Kindi 73 ff. Alexander d. Große 38; 8; 52; 565; 57; 59; 103; 108; 116; 12464; 12567; 130; 131; 135; 137; 138 Alexandreia (Oxiane?) 5 Anaxarchos 12464; 156 ; 172 Anaxilaides Anaxilas 15 Antigonos 8 Antiphanes 107 f.

Appetenzverhalten 148 Apollon 51 Apollonios 5220 Aratos 152; 153 Areopagiten 3; 114 Aristeas von Prokonnesos 69 Ariston von Keos 11; 20 Ariston (Platons Vater) 47 Aristoteles 4; 10; 19; 53; 64; 67; 69; 73 ff.; 80; 82 ff.; 90; 111; 112; 145; 146; 149; 150; 174; 175; 178; 179; 181 – als Dialogperson: 77 f. – bei al Kindi: 73 ff. – Dialogform: 161 – Enthaltsamkeit: 157 – Freundschaft: 98 ff. – Gespräch mit

204

Indices

einem Juden (Kle. fr. 6): 56; 60 ff. – Gott als erster Beweger: 87 – Kolakeia: 134 – Lebensformen: 169 ff. – Regenbogen: 181 f. – Seele u. Körper: 79 – Themistokles: 98 – Tyrrhener: 160 – De philosophia: 66; 80 – Eudemos: 81 Aristoxenos 10 Artabazos 104; 118; 119 Artapanos 63 Artaxerxes III Ochos 118; 119 Asklepiades 54 Brahma 60 Brahmanen 59; 60 Chaldäer 6021 Charmos 15 Damaskios 62; 63; 77 Dandamis 57 Danielerzählung 62 Delphische Maximen: 5 Demetrios Poliorketes: 130 ff. Demetrios von Phaleron 11; 20 Demokrit 72; 87; 150; 175 Dikaiarchos 11; 55; 79; 138; 168; 170 Diodoros Kronos 86; 92; 93 Diogenes Laertios 47 f.; 89; 90; 94 Dionysios von Syrakus 110; 11223; 128; 129; 155; 159; 166; 16747 Druiden 6021 Empedokles 72; 174; 175 Erastos 53 Eriphanes 15 Eudoxos 52; 8299; 87 Eumenes 8 Eustathios 140 ff. Euxitheos 71; 155; 161; 172 Farbbezeichnungen 173 ff. Fliege 104; 121; 124; 125; 127; 141 Gelon 57 Gergine 116 Gerginoi 104; 109; 111; 112; 115; 116; 117; 118; 130 Gergitha 109; 110; 115; 116; 117 Gergithios 103; 108; 109; 116; 117; 13282; 137 Gobryes 57 Goethe 17610 Gorgias 156; 162 Gymnosophisten 59; 60; 63; 64; 78 Hagneon 166 Helike 76 Herakleides Pontikos 10; 11; 20; 551; 57; 69; 72; 73; 76; 80; 8195; 84; 117; 159; 161; 16746; 168; 169; 17060; 171; 17920;

Herakles 51 Hermodoros 53 Hieronymos 47 Hybris 126; 162; 163 ff. Hyperochides 56; 62 Isokrates, Euagoras 54 Johannes Kamateros 140 Josephus Juden 55; 56 ff. Kalanos 59 Kalanoi 565; 59; 6021 Kallisthenes 100; 138 Kastorion 152 Kekaumenos 140 Kimon 95 Klearchos, passim – Herkunftsort 1 f. – Inschrift in Ai-Khanum 5 ff. – Peripatetiker 2 f. – Schülerschaft bei Aristoteles 4 – Sprache u. Stil 12 ff. – Literaturkenntnisse 15 – ‘exoterische’ Schriften 19; – Werke 8 ff. – Dialogform 161 – Glossen: 9 – Naturwissenschaftliche Werke: 10 – Ἀρκεσίλαος: 4; 9; 10; 85 ff. –Παροιμίαι: 7; 18 – Γεργίθιος: 2; 9; 12; 16; 103 ff. – Ἐρωτικά: 9; 10; 11; 20 – Παροιμίαι: 9; 10; 11; 18 – Π. βίων: 9; 11; 14; 16; 19; 155 ff. – Π. γρίφων: 5; 9; 11 – Π. ἐνύδρων: 9; 11 – Π. νάρκης: 9; 11 – Π. παιδείας: 6; 7; 9; 10 – Π. Πλατ. Πολιτ. μαθημ. εἰρ.: 8; 10; 16 – Π. παιδείας: 6; 7; 9; 10 – Π. πανικοῦ: 4; 9; 11; 17; 144 ff. – Π. σκελετῶν: 10; 11; 16 – Π. ὕπνου: 413; 8; 9; 10; 20; 55 ff. – Π. φιλίας: 9; 11; 16, 19; 95 ff. – Πλάτωνος ἐγκώμιον: 8; 10; 47 ff. – Τακτικά: 9 Kleinasien 56; 5916; 64; 8196; 88; 112; 119; 159; 160 Kleisophos 129; 138103 Kleon 96; 97; 124 Kleonymos 70; 71; 72 Kolax / Kolakeia 103; 105; 106; 108; 109; 121; 12361; 124; 126; 128; 130 ff.; 138; 140, 156 Königsherrschaft 137 Krantor 89 Kyme 8813; 115; 116, 117. Kyniker 14; 64; 157; 158; 161; 162; 168; 172 Kyros 54 Lamprias 12 Leukon 104; 107; 108; 128

Index Graecitatis

Lokrische Lieder 15 Lust 155; 157; 161; 169; 171; 172 Luxus 120 ff. Mager 57; 59; 6021 Mentor 104; 118; 119 Mondtheorie 176 ff. Nabonid 62 Nekromantie 65 Olympias 52 Onesikritos 57; 64 Orient 56; 78; 79; 82; 121; 125; 159; 162 Panik 146 ff. Parrhasios 137; 155; 162 Parthenis 52 Peisistratos 95 Perikles 54; 95; 974 Periktione 47; 52 Peripatetiker 3; 10 f.; 17; 20; 138; 167; 168; 175 Peripatos – peripatetisch 3; 413; 516; 9; 10; 11; 12; 17 ff.; 55; 57; 60; 7164; 79 f.; 95; 134; 136; 138; 140 ff.; 149; 151; 161; 170 f.; 17611; 178 f. Phainias 862; 98; 100; 171 Philainis 15 Philippos von Makedonien 110; 119; 129; 13077; Philippos von Opus: 53; 101 Philolaos 7162 Platon 4; 9; 10; 19; 20; 47 ff.; 577; 69; 71; 75; 84; 88; 101; 106; 133; 169 – Brettspiel: 88 – Dialoge: 56; 77; 82; 161 – Ideenzahlen: 16; 6647 – Seelenlehre: 12– Axiochos: 57 Plutarch, Sprachgebrauch 177 – De facie in orbe lunae 177 ff. Praxiphanes 101 Probus (Proba) 63 Promalanges 104; 130 Propis 99 Pythagoras 51; 52; 53; 55; 57; 75; 181 Pythagoreer 5116; 53; 66; 71, 76; 81; 87; 170; 175; 181

Pythia 52 Romulus 54 Sappho 15; 155; 162 Schopenhauer 17610 Schwelgerei 162 ff. Seele 55; 61; 62; 64 ff.; 78 ff.; 137; 144; 149; 150; 172 Simmias 101 Sokrates 57; 7164; 82; 93; 94; 97; 146 Sokratiker 97; 98 Soloi 1 ff. Speusippos 48; 49; 52; 92; 101; 169 Sphines 59 Spione / Spionage 110 ff. Stasanor 8 Straton 11 Stratonikos 99 f. Syrer 59; 60 Teukros / Teukrer 104; 115 f. Theagenes 51 Themistokles 95 ff.; 100; 137 Theologia Aristotelis 74; 75 Theophrast 10; 11; 20; 57; 58; 59; 80; 85; 89; 94; 98; 100; 101; 132; 134; 135; 136; 138; 140; 142; 150; 157; 160; 167; 16852; 169; 170; 171; 175 Thrasyllos 471 Timon aus Phlius 90 Tiribazos 12049 Tlepolemos 8 Traummantik 66; 6748; 78 Trikke 2 Triparadeisos 8 Troas 109; 115 f. Tryphe 162 ff. Tyrsenos / Tyrrenos 160 Vergewaltigung 51 Voltaires 579 Xenokrates 53; 101; 138; 168; 169 Zauberstab 65 Zenon von Elea 86 Zeus 52; 54; 70; 126 Zoroastres 57

Index Graecitatis Ἀναξιλίδης 485 ἀπρόσοπτος 12 ἀρεσκεύομαι 12 Ἀρκεσίλαος / Ἀρκεσίλας 88

205

ἀσιγμοποιέω 13 ἄτη 165 βασιλέως ὀφθαλμός 112 f. Βραχμᾶνοι 59; 6021

206 γε 13 διά 13 ἐγκώμιον 48; 49 ἐκτρυφάω 13 ἔμφασις 150 ἐνακολασταίνω 13 ἐντυχία 13 ἐρυθρός 173; 175 εὐκολία 105 ἡδονή 19; 137; 157; 161; 169; 171; 172 θαυμασιότης 12; 60; 61; 62 Θήρ 104; 123 f. ἱερὰ γραμμή 86 Ἱερουσαλήμη / Ἱεροσόλυμα 58 Ἰνδός 60 Ἰουδαῖος / Ἰουδαία 58; 60 καίπερ 13 καίτοι 13 κεφάλαια 54 Καλανοί 59 Κάλανος 59 καρτερία 62; 63; 64; 157 Κοίλη Συρία 58; 6021 κολακεία 10814; 109 κόλαξ 104; 1055; 106; 13077; 13388; 134; 140 κόρος 163; 164 κρεανομέομαι 13 λευκός 173; 174; 175 μαλακοκόλαξ 128; 129 μέλας 173; 175 μητραγυρτέω 13 νωταγωγέω 106 Παράβυστος 104; 122 παραγκωνιστής 129 παρεντάττω 12 παρυφίς 13

Indices

πέντε γραμμαί 86 περιαλγής 13 περίδειπνον 47; 48 Περιπατητικός – ὁ ἀπὸ/ἐκ τοῦ Περιπάτου 3; 178 πεττεία 88 πλησιασμός 13; 150 πλήττω 65 ποικιλόφωνος 12 ποταγωγίδες 111; 112 προλούομαι 13 προμάλαγγες 11120 προσελυτρόω προσκολλᾶσθαι 104 Σαρμᾶναι 59 Σικύας 104; 122 Σολεύς 1 ff. συναμφιάζω 12 συνανθρωπίζω 12 συνταλασιουργέω 13 συνήθης 178 σχηματοθήκης 13; 129; 141 σωφροσύνη 64; 137; 161 τόποι 54 τρυφή 19; 108; 136; 137; 139; 155; 159; 162 ff. τυμπανοφορέομαι 13 ὑμένινος 13 ὑπέρ 13 ὑπό 13 φαντασία 144; 149 f. χλωρός 173; 174; 175 ψυχουλκός 64 ὡριαίνομαι 13