Der Einsatz von Öffnungsklauseln im Strafrecht: Eine verfassungsrechtliche Analyse [1 ed.] 9783428588473, 9783428188475

Um Entscheidungsspielraum der Gerichte zu erweitern, werden im Strafrecht sog. Öffnungsklauseln verwendet. Diese erlaube

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Der Einsatz von Öffnungsklauseln im Strafrecht: Eine verfassungsrechtliche Analyse [1 ed.]
 9783428588473, 9783428188475

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Schriften zum Strafrecht Band 413

Der Einsatz von Öffnungsklauseln im Strafrecht Eine verfassungsrechtliche Analyse

Von

Lena Gumnior

Duncker & Humblot · Berlin

LENA GUMNIOR

Der Einsatz von Öffnungsklauseln im Strafrecht

Schriften zum Strafrecht Band 413

Der Einsatz von Öffnungsklauseln im Strafrecht Eine verfassungsrechtliche Analyse

Von

Lena Gumnior

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) hat diese Arbeit im Jahre 2022 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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© 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Klaus-Dieter Voigt Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany

ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-18847-5 (Print) ISBN 978-3-428-58847-3 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2022 vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Stiftung Europa Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) als Dissertation angenommen. Mein herzlicher Dank gilt zuallererst meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Christian Becker, an dessen Lehrstuhl ich während des Verfassens dieser Arbeit mein Wissen im Strafrecht anwenden und vertiefen konnte. Herr Professor Dr. Christian Becker begleitete meine Arbeit und meine Forschung mit großer Ruhe und stets mit kritischem und konstruktivem Blick und trug durch die intensive Betreuung und bereichernde Diskussionen maßgeblich zum Gelingen dieser Arbeit bei. Weiterhin danke ich herzlich Herrn Professor Dr. Kilian Wegner für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Zudem bedanke ich mich beim Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsphilosophie, insbesondere bei Frau Susen Pönitzsch, die mich mit offenen Armen empfangen und jederzeit im Lehrbetrieb und bei der Erstellung dieser Arbeit unterstützt hat. Zum Gelingen dieser Arbeit hat ferner Nils-Hendrik Grohmann beigetragen, der immer für ergiebige Diskussionen zur Verfügung stand und mir jederzeit aufmunternd zur Seite stand. Ihm gilt ein besonderer Dank. Außerdem bedanke ich mich bei meiner Familie, meinen Freund*innen und meinem Partner, die mir insbesondere beim Abschluss dieser Arbeit zur Seite standen. Ein besonderer Dank gebührt meiner Mutter, ohne die ich nicht den Mut gehabt hätte, mich dieses Projektes anzunehmen, und die die Fertigstellung dieser Arbeit in besonderem Maße vorangetrieben hat. Ich danke meinen Eltern für die Unterstützung und die nie endende Zuversicht in meinen Werdegang. Ich widme diese Arbeit meinem Großvater in liebevoller Erinnerung, der den Abschluss dieser Arbeit leider nicht mehr erlebt hat. Berlin, im Winter 2022

Lena Gumnior

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Definition Öffnungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abgrenzung von Öffnungsklauseln zu Generalklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln . . I. Mit Öffnungsklauseln verfolgte Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schließung von Strafbarkeitslücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vermeidung von Gesetzesumgehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gesetzesumgehung im Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Öffnungsklauseln als verschleierte Umgehungsgesetze . . . . . . . b) Schaffung von Flexibilität in Bezug auf die Rechtsprechung . . . . . . aa) Verengter Entscheidungsspielraum der Judikative im Strafrecht bb) Erweiterung des Entscheidungsspielraums durch Öffnungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Opferschutz und Wahrung von Opferinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schaffung absoluter Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schließung von Strafbarkeitslücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schließung von Strafbarkeitslücken und der fragmentarische Charakter des Strafrechts im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Strafbarkeitslücken und Wirksamkeit des Strafrechts im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Generelle Wirksamkeit von Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Empirische Befunde zur Spezialprävention . . . . . . . . . . . . . . (2) Empirische Befunde zur Generalprävention . . . . . . . . . . . . . bb) Verlust der Wirksamkeit durch den Einsatz von Öffnungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vermeidung von Gesetzesumgehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schaffung von Flexibilität als Begründungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . e) Schließung von Strafbarkeitslücken zur Förderung des Opferschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Begriff des Opfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Opferinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis (1) Interessen des potenziellen Tatopfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Interessen tatsächlicher Tatopfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schaffung absoluter Gerechtigkeit als Begründungsansatz . . . . . . . . . . . . a) Begriffsbestimmung „Gerechtigkeit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Politische und soziale Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gerechtigkeitsverständnis des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Möglichkeit der Schaffung absoluter Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . c) Gerechtigkeit als Argumentationstopos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Historische Entwicklung des Gesetzlichkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entscheidung für das geschriebene Recht und daraus resultierende Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Historische Entwicklung bis zur Kodifikation im Grundgesetz . . . . . . . . 3. Entstehungsgeschichte des Art. 103 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Heutiger Sinn und Zweck des Gesetzlichkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfassungsrechtliche Herleitung des Gesetzlichkeitsprinzips . . . . . . . . . 2. Tatsächliche Bedeutung des Gesetzlichkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz . . . . 1. Begriff „Bestimmtheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sinn und Zweck des Bestimmtheitsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutz der Bürger*innen vor willkürlichen Entscheidungen . . . . bb) Sicherung des Grundsatzes der Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . b) Sprachliche Grenzen der Gesetzesbestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Handhabung des Bestimmtheitsgrundsatzes durch die Gerichte . . . . aa) Präzisierung durch das BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gefestigte Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Präzisierungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Anforderungen abhängig von Schwere des Eingriffs . . . . . . bb) Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Abhängigkeit von Schwere der Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Präzisierung durch die Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Rechtsfolgen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Praktikabilität der Auslegung durch die Gerichte . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis 2. Konsequenzen für Öffnungsklauseln im Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot . . . . . . . . . . . 1. Analogien im Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verbot entsprechender Rechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Adressat des Analogieverbotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sinn und Zweck des Analogieverbotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Keine eingeschränkte Geltung bei unbewussten Lücken . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung von Auslegung und Analogie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzung anhand der Ratio des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abgrenzung anhand des Wortlautes des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . c) Handhabung des Analogieverbotes durch die Gerichte . . . . . . . . . . . d) Konsequenzen für den Einsatz von Öffnungsklauseln . . . . . . . . . . . . 3. Analogieverbot als Handlungsanweisung an den Gesetzgeber . . . . . . . . a) Analogieverbot ausschließlich Handlungsanweisung an Judikative . . b) Analogieverbot auch als Handlungsanweisung an Legislative . . . . . . 4. Öffnungsklauseln als innertatbestandliche Analogien und Umgehungsgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vereinbarkeit einer innertatbestandlichen Analogie mit dem Analogieverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konsequenz für den Einsatz von Öffnungsklauseln im Strafrecht . . 5. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot . . . . . . 1. Sinn und Zweck des Rückwirkungsverbotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Adressat*innen des Rückwirkungsverbotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geltung des Rückwirkungsverbots für die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . a) Direkte Anwendung des Art. 103 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Analoge Anwendung des Art. 103 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Planwidrige Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Hinreichende Regelung über § 17 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Planwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vergleichbare Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vergleichbarkeit aufgrund Überschneidung der Kompetenzbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Unvergleichbarkeit der legislativen und der judikativen Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Rechtsprechung zu rückwirkenden Rechtsprechungsänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Stellungnahme zur analogen Anwendung des Art. 103 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis c) Übertragbarkeit der für die Rechtsprechung geltenden Grundsätze auf Öffnungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtsfolge der Anwendung des Rückwirkungsverbotes auf die Rechtsprechung: Übertragung der „von-nun-an“-Theorie auf die Anwendbarkeit von Öffnungsklauseln im Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines zur „von-nun-an“-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . bb) Anwendung auf die erstmalige Verwendung von Öffnungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Vereinbarkeit mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts . . . . . . . 1. Ebenen des fragmentarischen Charakters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Feststellung der strafwürdigen Verhaltensweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abgrenzung zur Subsidiarität des Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verfassungsrechtliche Herleitung des fragmentarischen Charakters des Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzlichkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Erforderlichkeit des fragmentarischen Charakters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fragmentarischer Charakter als Manko der Strafrechtsordnung . . . . b) Gerechtigkeit, Freiheitssicherung und Strafökonomie . . . . . . . . . . . . . 6. Fragmentarischer Charakter als Handlungsanweisung an die Legislative 7. Vereinbarkeit des fragmentarischen Charakters mit Öffnungsklauseln . . a) Fragmentarität auch innerhalb einzelner Tatbestände . . . . . . . . . . . . . b) Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII.Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung und dem Grundsatz der Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Historische Entwicklung des Grundsatzes der Gesetzesbindung . . . . . . . 2. Gesetzesbindung zwischen Wunsch und Wirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzesbindung und Grundsatz der Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . b) Gesetzesbindung und Demokratieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gesetzesbindung und Rechtstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verhältnis des Grundsatzes „nulla poena sine lege“ zur Gesetzesbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Bindung durch den Inhalt des Gesetzes oder an den Inhalt des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Können Normen eine Bindungswirkung entfalten? . . . . . . . . . . . (1) Gesetzesbindung als Utopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gesetzesbindung durch Normtext und Anwendung . . . . . . . . bb) Konkretisierung der Gesetzesbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis (1) Objektive Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Subjektive Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Gesetzesauslegung im Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Durchbrechung des Grundsatzes der Gesetzesbindung . . . . . . . . . . . . h) Zulässigkeit richterlicher Rechtsfortbildung im Strafrecht . . . . . . . . aa) Begriff der richterlichen Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vereinbarkeit von richterlicher Rechtsfortbildung mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Generalklauseln und richterliche Rechtsfortbildung im Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Grundsatz der Gesetzesbindung als Auftrag an die Gesetzgebung . . 3. Gewaltenteilung als solche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überschneidung der Aufgabenbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kernbereichslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung und dem Grundsatz der Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Ergebnis der Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit den dargelegten Grundsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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E. Konsequenz für Strafgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 F. Praktische Konsequenzen der Nichtanwendung von bestehenden Öffnungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 I. § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 II. § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 G. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 I. Begründungen zum Einsatz von Öffnungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 II. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285

A. Einleitung Nach § 1 Gerichtsverfassungsgesetz (im folgenden GVG) und Art. 97 Abs. 1 Grundgesetz (im folgenden GG) sind Richter*innen nur dem Gesetz unterworfen. Handlungsanleitung für Richter*innen ist damit nur das, was sich durch Auslegung aus dem Gesetz ergibt. Dies hat erhebliche Konsequenzen für die Art und Weise, wie Strafgesetze geschaffen werden und geschaffen werden sollten. Dabei bewegt sich die Gesetzgebung in einem ständigen Spannungsfeld zwischen Einzelfallgerechtigkeit und Rechtssicherheit.1 Einzelfallgerechtigkeit kann im Zweifel aber nur durch entsprechende Entscheidungen der Fachgerichte erlangt werden, denen dafür ein gewisser Entscheidungsspielraum zugestanden werden muss. Ein solcher Entscheidungsspielraum geht aber mit gewissen Unsicherheitskoeffizienten und infolgedessen nicht ohne die Einschränkung der Rechtssicherheit einher.2 Um die Möglichkeiten der Gerichte zur Erreichung einer solchen Einzelfallgerechtigkeit zu erweitern, liegt der Schluss nahe, dass die Straftatbestände einen gewissen Entscheidungsspielraum enthalten sollten. Insbesondere der Einsatz sog. Öffnungsklauseln3 erlaubt es, Verhaltensweisen unter einen Straftatbestand zu subsumieren, die der Gesetzgeber bei der Gesetzgebung noch nicht klar umrissen hat und vielleicht auch nicht umreißen konnte. Bei solchen Öffnungsklauseln bedient sich die Legislative einer besonderen Art der Gesetzgebung (siehe dazu unter B. I.). Zunächst wird enumerativ aufgezählt, durch welche konkreten Verhaltensweisen ein Straftatbestand erfüllt wird. Am Ende dieser Aufzählung hält sich der Gesetzgeber durch entsprechende Formulierungen offen, auch „andere vergleichbare Handlungen“ oder „ebenso gefährliche Eingriffe“ darunter zu fassen.4 Der Judikative wird durch diesen gesetzlich angeordneten Ähnlichkeitsschluss ermöglicht, auch weitere, nicht näher bezeichnete Handlungen unter den Tatbestand zu subsumieren. Es besteht also die Möglichkeit, Lücken zu füllen, die Tatbestände notwendigerweise hinterlassen, indem sie 1

Vgl. dazu umfassend Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 219 ff. Lenckner, JuS 1968, 304, 305. 3 Zum Einsatz des Begriffs der Öffnungsklausel s. Sadtler, Stalking – Nachstellung, S. 314, die stattdessen den Begriff der „Auffangklausel“ verwendet; Karl, Der Tatbestand der Nachstellung, S. 188 ff.; Lackner/Kühl/Kühl, § 238, 5; MüKo-StGB/Gericke, § 238 Rn. 34; Gazeas, JR 2007, 497, 501. 4 Vgl. § 238 Abs. 1 Nr. 8 n. F. StGB seit der Neufassung des Gesetzes, die am 01.10.2021 in Kraft getreten ist, zuvor befand sich die Öffnungsklausel in § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB a. F.; § 315 Abs. 1 Nr. 4 und § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB. 2

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A. Einleitung

das strafbare Verhalten möglichst genau umschreiben. Dieses Merkmal ist nicht nur konstituierend für Öffnungsklauseln, gleichzeitig unterscheiden sich Öffnungsklauseln dadurch von klassischen Generalklauseln (siehe dazu unter B. II.). Mit dem Einsatz von Öffnungsklauseln im Strafrecht werden unterschiedliche Interessen verfolgt (dazu unter C. I.). Die Hauptintention des Einsatzes solcher Öffnungsklauseln im Strafrecht ist es, die Möglichkeit zu schaffen, Einzelfälle im Zweifel unter den entsprechenden Tatbestand zu subsumieren, auch wenn diese nicht von den zuvor enumerativ aufgezählten Verhaltensweisen erfasst sind. Dieses Bedürfnis wird mit der Einzelfallgerechtigkeit begründet. Auch ist dieses Bestreben nach gerechten Lösungen im Einzelfall in Form einer möglichst offenen Strafgesetzgebung keine neue Erscheinung,5 sondern diese gab es bereits im Rahmen der Vorbereitung der deutschen Strafrechtsreform im Jahre 1905. Hier wurde vorgeschlagen, dem Tatbestand der Körperverletzung den Zusatz „[. . .] oder wenn eine Verletzung von gleicher Bedeutung eingetreten ist“ anzufügen.6 Gleichwohl hat der Einsatz von Öffnungsklauseln im Strafrecht nicht an Aktualität verloren. Zuletzt hat die um § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB geführte Diskussion bereits bei Schaffung der Norm als auch im Rahmen der Reformen des Gesetzes 2016 und 2021 die Diskussion um die Zulässigkeit von Öffnungsklauseln im Strafrecht wieder in Gang gebracht.7 Trotz erheblicher verfassungsrechtlicher 5 Wie vielleicht im Hinblick auf die Diskussionen um § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB gedacht werden könnte. 6 Löffler, in: Verbrechen und Vergehen wider das Leben, S. 159, 160. 7 Vgl. zum Gesetzgebungsverfahren aus dem Jahre 2006: Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf der Bundesregierung Drucksache 16/585 v. 08.02.2006, abrufbar unter https://dserver.bundestag.de/btd/16/005/1600575.pdf [zuletzt abgerufen am 27.07.2021]; Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses Drucksache 16/3641 v. 29.11.2006, abrufbar unter https://dserver.bundestag.de/btd/16/036/1603641.pdf [zuletzt abgerufen am 27.07.2021]; zur Diskussion im Rahmen der Reform 2016 vgl. Plenarprotokoll Deutscher Bundestag, 18. Wahlperiode, 196. Sitzung, 20.10.2016, S. 19458, abrufbar unter https://dserver.bundestag.de/btp/18/18196.pdf [zuletzt abgerufen am 27.07.2021]; Referentenentwurf des Bundesministerium der Justiz Drucksache 18/994 v. 12.10.2016, abrufbar unter https://dserver.bundestag.de/btd/18/099/1809946.pdf [zuletzt abgerufen am 27.07.2021]; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) Drucksache 18/10654 v. 14.12.2016, abrufbar unter https://dserver.bundestag.de/btd/18/106/1810654.pdf [zuletzt abgerufen am 27.07.2021]; zur Reform der Norm 2021 vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, v. 15.02.2021, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/ DE/Cyberstalking.html;jsessionid=04777432DF8BE6C886B2A087B26B99AE.2_cid324 ?nn=6704238 [zuletzt abgerufen am 27.07.2021], wonach der Tatbestand des § 238 Abs. 1 um eine Handlungsalternative erweitert werden soll und schließlich auch erweitert wurde, obgleich die in Frage stehende Verhaltensweise als von § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB erfasst angesehen wird; kritisch zu einer Ausweitung des Tatbestandes im Hinblick auf die existierende Öffnungsklausel, vgl. auch Evaluierungsbericht des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zur Neufassung des § 238 Strafgesetzbuch, v. 14.12.2020, Ministerium der Justiz Rheinland-Pfalz, S. 2/4, abrufbar unter https:// www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/Service/Fachpublikationen/Evaluierung_238 StGB.pdf?__blob=publicationFile&v=1 [zuletzt abgerufen am 27.07.2021].

A. Einleitung

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Bedenken über die Zulässigkeit der Öffnungsklausel wurde § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB (bzw. § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB a. F.) in das Gesetz aufgenommen und bisher nicht gestrichen, obwohl diese Tatbestandsvariante in der Rechtsanwendung quasi keine Rolle spielt.8 Öffnungsklauseln haben durch ihre Verfasstheit aber erhebliche Auswirkungen auf das Verhältnis der Aufgabenverteilung von Legislative und Judikative.9 Die klare Aufgabenteilung von der Fassung abstrakt-genereller Regelungen als Tätigkeitsfeld der Legislative und der Anwendung der Normen auf den konkreten Einzelfall durch die Judikative droht unterlaufen zu werden, wenn der Gesetzgeber eine solche vorgelagerte Entscheidung nicht mehr trifft, sondern stattdessen die Möglichkeit eines Ähnlichkeitsschlusses anordnet. Durch diesen für Öffnungsklauseln konstituierenden Ähnlichkeitsschluss unterscheiden sich auch Generalklauseln von Öffnungsklauseln.10 Eine solche Art der Gesetzgebung sieht sich aufgrund der fehlenden abschließenden Entscheidung über das strafbare Verhalten und der Aufgabenverlagerung mit dem Vorwurf der Verfassungswidrigkeit konfrontiert.11 Es stellt sich bei solchen Klauseln unweigerlich die Frage, wer im Ergebnis eigentlich das Recht schafft; die Richter*innen oder der Gesetzgeber. Es besteht die Befürchtung, dass der Gesetzgeber eine ihm übertragene Aufgabe12, nämlich die der Gesetzgebung und die damit verbundene Bestimmung, welche Verhaltensweisen strafbar sind, auf die Gerichte auslagert und auf diese Weise gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung und den Grundsatz der Gesetzesbindung verstößt.13 Bisherige Monografien und Beiträge zu diesem Thema beleuchten den Einsatz konkreter Öffnungsklauseln, wie § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB und § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB, behandeln dort aber nur Teilaspekte der Verfassungsmäßigkeit.14 8 So gibt es, soweit ersichtlich, nur eine Entscheidung des LG Potsdam, die auf § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB Bezug nimmt: LG Potsdam, Beschl. v. 15.09.2010 – 24 Qs 94/10. 9 Zur Aufgabenteilung von Legislative und Judikative vgl. Noll, JZ 1963, 297; vgl. auch G. Hirsch, ZRP 2006, 161. 10 Siehe dazu Kap. B. II. dieser Arbeit. 11 Dabei ist die Diskussion um die Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln nicht neu, sondern wurde bereits 1927 geführt, vgl. Große Strafrechtskommission, Besonderer Teil, 91.–103. Sitzung, 1959, S. 320; zur Notwendigkeit klarer Normen vgl. bereits Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, S. 251. 12 Maunz/Dürig/Grzeszick, Art. 20 II. Rn. 135; Bringewat, Grundbegriffe des Strafrechts, S. 77. 13 Was wiederum zu einer erheblichen Politisierung der Entscheidungen führen kann, vgl. Vorländer, APuZ 35–36, 2011, 15 ff. 14 Sieh dazu z. B. Gazeas, JR 2007, 497; Krüger, Stalking als Straftatbestand, 2007; Neubacher/Seher, JZ 2007, 1029; S. Peters, NStZ 2009, 238; Seiler, Analyse und Auslegung des Nachstellungstatbestandes, 2010; Fabricius, GA 1994, 164; zum Teil werden auch nur Einzelaspekte einer möglichen Verfassungswidrigkeit untersucht, wie z. B. die Vereinbarkeit mit den Analogieverbot, vgl. Eschelbach/Krehl, in: FS-Kargl, S. 81, 86; Obermann, Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr, 2005, der lediglich die Verein-

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A. Einleitung

Darin erschöpfen sich die bisherigen Untersuchungen zum Einsatz von Öffnungsklauseln, wobei die verwendete legislative Technik dieser Klauseln häufig nur einen Teilaspekt der Untersuchungen darstellt. Die vorliegende Arbeit soll einen ersten Beitrag zur Schließung dieser Lücke liefern und unterzieht Öffnungsklauseln als spezifische Form der Strafgesetzgebung und in Abgrenzung zu Generalklauseln im Strafrecht einer grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Untersuchung. Eine solche, von konkreten Tatbeständen losgelöste Untersuchung kann Richtlinien für zukünftige Gesetzgebungsverfahren aufzeigen und zumindest einen Hinweis darauf geben, wie Strafgesetze (nicht) geschaffen werden sollten.15 Bereits die mit Öffnungsklauseln verfolgten Ziele des Lückenschlusses und der gerechten Einzelfallentscheidung stehen im Widerspruch zu strafrechtlichen Prinzipien, wie dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts oder scheinen schon nicht erreichbar, ebenso wie die Schaffung absoluter Gerechtigkeit. Dazu werden im Folgenden die mit Öffnungsklauseln verfolgten Ziele dargelegt (siehe dazu Kap. C.) und sodann daraufhin untersucht, inwieweit die gewählten Begründungsansätze tragfähig sind (dazu unter Kap. B.). Konstituierendes Merkmal der Öffnungsklauseln ist aber die gesetzgeberisch angeordnete Möglichkeit zur Lückenschließung. Auf diesem Wege schafft der Gesetzgeber die Möglichkeit für die Judikative, die Norm auch auf Fälle anzuwenden, die gerade nicht ausdrücklich in der zuvor erfolgten enumerativen Aufzählung genannt werden. Die Legislative vermeidet es auf diese Weise selbst eine abschließende Regelung für die als strafbar empfundenen Verhaltensweisen zu schaffen und verlagert diese Aufgabe stattdessen auf die Rechtsprechung. Inwieweit ein solches Vorgehen verfassungsgemäß ist, wird anhand des Gesetzlichkeitsprinzips (dazu unter D. I.–VI.), aufgrund der lückenschließenden Funktion anhand des verfassungsrechtlich verankerten fragmentarischen Charakters des Strafrechts (dazu unter D. VII.) und dem mit diesem untrennbar verbundenen Grundsatz der Gesetzesbindung und dem Grundsatz der Gewaltenteilung untersucht (dazu unter D. VIII.). Diese Aufgabenverlagerung berührt den Kernbereich legislativer Tätigkeit (dazu unter D. VIII.). Gleichzeitig fehlt es auf diese Weise an einer abschließenden Entscheidung der Legislative, welches Verhalten unter Strafe gestellt werden soll. Auf diese Weise kann keine Legitimationskette zwischen der abstrakten Entscheidung des Gesetzgebers und der konkreten Entscheidung der Judikative hergestellt werden (dazu unter D. VIII.), was zur Verfassungswidrigkeit der Norm führen kann. barkeit mit dem Analogieverbot und dem Bestimmtheitsgrundsatz thematisiert; Greco, GA 2012, 452, mit einem Schwerpunkt auf die Frage, ob der Gesetzgeber überhaupt Adressat des Analogieverbotes sein kann. 15 Gegenstand der Arbeit ist demnach die „handwerkliche“ Seite der Gesetzgebung, wie auch Hirsch sie nennt, vgl. J. Hirsch, in: FS-Puppe, S. 105.

B. Begriffsbestimmung Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sind sog. Öffnungsklauseln im Strafrecht, wie sie in §§ 315 Abs. 1 Nr. 4, 315b Abs. 1 Nr. 3 und 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB verwendet werden. Vorliegend wird ein strafrechtliches Verständnis des Begriffs der Öffnungsklausel zugrunde gelegt (dazu unter I.).1 Öffnungsklauseln unterscheiden sich durch den Verweis auf die Strafbarkeit vergleichbarer Verhaltensweisen auch von klassischen Generalklauseln im Strafrecht, die wiederum durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe gekennzeichnet sind (dazu unter II.).

I. Definition Öffnungsklausel Öffnungsklauseln sind solche Bestandteile einer Norm, die nach einer enumerativen Aufzählung als letzten Punkt den Tatbestand für weitere nicht abschließend aufgezählte Handlungen „öffnen“.2 Dies geschieht, indem der Wortlaut des Gesetzes die Anwendung der Norm auf „ähnliche“ oder „vergleichbare“ Handlungen anordnet. Insbesondere im Rahmen des § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB hat sich die Bezeichnung als Öffnungsklausel durchgesetzt.3 Die Bezeichnung des § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB als Öffnungsklausel wurde augenscheinlich erstmals von Gazeas anlässlich des Gesetzgebungsverfahrens verwendet und etablierte sich.4 Diese Begrifflichkeit beschreibt besonders plastisch, dass diese Art der Gesetzgebung der Erweiterung der strafbaren Handlungen dient. Es handelt sich also um den Bestandteil einer Norm, die sich aus einer Kombination von Kasuistik 1 Der Begriff der Öffnungsklausel wird ansonsten schwerpunktmäßig im Vertragsrecht (z. B. im WEG-Recht) genutzt, um Parteien die Möglichkeit zu eröffnen, von den bestehenden Regelungen abzuweichen. Die Nutzung des Begriffs in Bezug auf das Vertragsrecht soll hier aber nicht weiter erörtert werden. Vgl. dazu etwa BeckOGK-Hermann, § 23 WEG Rn. 49. 2 Auch der 3. Strafsenat des BGH spricht in einer Entscheidung zur § 238 Abs. 1 Nr. 8 davon, dass dieser „das Spektrum der Tathandlungen [. . .] öffnet“; diese Art der Gesetzgebung wird zum Teil in anderen Rechtsgebieten als „Anpassungs- und Ergänzungsklausel“ bezeichnet, vgl. Ipsen, Richterrecht und Verfassung, S. 71. 3 Karl, Der Tatbestand der Nachstellung, S. 188, wobei hier uneinheitlich sowohl der Begriff Auffangtatbestand als auch der Begriff Öffnungsklausel verwendet wird; Lackner/Kühl/Kühl, § 238 Rn. 5; MüKo-StGB/Gericke, § 238 Rn. 34; Gazeas, JR 2007, 497, 501; zum Teil werden diese auch als Analogieklauseln bezeichnet, vgl. Eschelbach/Krehl, in: FS-Kargl, S. 81, 86; Kühl, in: FS-Seebode, S. 61, 69; Sadtler, Stalking – Nachstellung, S. 314 ff. spricht hingegen von einer sog. „Auffangklausel“. 4 Gazeas, KJ 39 (2006), 247, 258.

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B. Begriffsbestimmung

und einer generalklauselartigen Regelung zusammensetzt.5 Der Tatbestand soll dabei über die deskriptive Aufzählung hinaus erweitert werden. Charakteristisch für solche Öffnungsklauseln ist folglich die Ergänzung der kasuistischen Methode in Form von konkreten Verhaltensaufzählungen durch eine normative Öffnung für andere Verhaltensweisen. Was unter diese geöffneten Tatbestände fällt, soll durch einen Ähnlichkeitsschluss in Bezug auf die vorherige enumerative Aufzählung festgestellt werden. Auf diese Weise kommt den Klauseln eine Auffangfunktion zu.6 Diese Art der Gesetzgebung findet sich in § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB7 und §§ 315 Abs. 1 Nr. 4 und 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB. Öffnungsklauseln bedienen sich ihrerseits normativer8 Begriffe, welche von den sog. deskriptiven9 Begriffen abzugrenzen sind. Normative Begriffe sind solche, „deren Vorliegen eine Bewertung voraussetzt“.10 Richter*innen müssen bei ihren Entscheidungen also ein Werturteil abgeben, ob es sich um eine „ähnliche“ oder „vergleichbare“ Handlung handelt.11 Diese Begriffe müssen dann in Bezug zur Norm ausgelegt werden, um festzustellen, ob die ihm vorliegende Handlung vergleichbar oder ähnlich ist. Dabei handelt es sich um Rechtsfindung secundum legem.12 Auf was konkret sich die Ähnlichkeit der Verhaltensweisen beziehen muss, also z. B. auf die Eingriffsintensität oder ob eine Vergleichbarkeit mit allen oder einer einzigen vorher genannten Verhaltensweise gegeben sein muss, bleibt offen.13 Davon zu unterscheiden sind die Formulierungen in § 211 Abs. 1 StGB (niedrige Beweggründe) und § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB (anderes gefährliches Werkzeug). Denn diese enthalten, auch wenn sie ihrerseits in hohem Maße konkretisierungsbedürftig sind, in ihrer Formulierung, anders als die oben genannten Öffnungsklauseln, bereits selbst konkrete Merkmale und verweisen in ihrer For-

5 Vgl. zu dieser Art der Gesetzgebung Garstka, in: Juristische Methodenlehre und Analytische Philosophie, S. 96, 117. 6 Weswegen vielfach auch der Begriff der Auffangklausel oder des Auffangtatbestandes verwendet wird, vgl. MüKo-StGB/Gericke, § 238 Rn. 34; Eiden, ZIS 2008, 123, 127; Buß, JR 2011, 80, 84; Mosbacher, ZRP 2016, 161; Kuhlen, ZIS 2018, 89, 90. 7 J. Hirsch, in: FS-Puppe, S. 115; Kubiciel, jurisPR-StrafR 8/2016, Anm. 1, abrufbar unter https://www.juris.de/perma?d=jpr-NLSFADG000616 [zuletzt abgerufen am 09.11. 2020]. 8 MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 47; Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 69. 9 Lenckner, 1968, 249, 250. 10 Kritisch Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 405 f., mangels klarer Abgrenzbarkeit normativer und deskriptiver Tatbestandsmerkmale und unter Verweis auf die Definition bei Engisch, FS-Mezger, S. 147; und zuletzt dazu Kuhli, Normative Tatbestandsmerkmale in der strafrichterlichen Rechtsanwendung. 11 Vgl. BT-Drucksache IV/650 v. 04.10.1962, S. 522. 12 Haubelt, Die Konkretisierung der Generalklausel, S. 9. 13 Ob es sich dabei um einen Fall der Gesetzesauslegung oder der Analogie handelt, wird an anderer Stelle erörtert, vgl. dazu in dieser Arbeit Kap. D.V. 2.

II. Abgrenzung von Öffnungsklauseln zu Generalklauseln

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mulierung nicht gänzlich auf die übrige Regelung.14 Es fehlt an dem für Öffnungsklauseln konkretisierenden gesetzlich angeordneten Ähnlichkeitsschluss. Gegenstand dieser Untersuchung sollen nur Öffnungsklauseln sein, die keine eigenen, ohne den restlichen Tatbestand verständliche Merkmale in sich tragen, und die gesetzgeberisch ausdrückliche Befugnis enthalten, den Tatbestand auch auf vergleichbare oder ähnliche Fälle anzuwenden.

II. Abgrenzung von Öffnungsklauseln zu Generalklauseln Öffnungsklauseln sind von klassischen Generalklauseln zu unterscheiden.15 Ungenau ist es, wenn anstatt von Generalklauseln von generellen, im Kontrast zu kasuistischen Regelungen gesprochen wird.16 Denn auch kasuistische Regelungen können Elemente einer Generalklausel enthalten. Öffnungsklauseln weisen zwar ebenfalls Elemente auf, die konstituierend für Generalklauseln sind, dennoch sind diese beiden Arten der Gesetzgebung zu unterscheiden.17 Eine abschließende Definition des Begriffs der Generalklausel ist wohl nicht möglich,18 vielmehr wird der Begriff auf unterschiedliche Weisen definiert und interpretiert.19 Nach Haubelt wird unter einer Generalklausel eine „unmittelbar

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Zur Differenzierung siehe Greco, GA 2012, 452, 461. Die Probleme im Zusammenhang mit generalklauselartigen Regelungen wurden bereits vielfach erörtert, vgl. dazu zum Begriff der Generalklausel: Haubelt, Die Konkretisierung der Generalklausel, S. 4 ff.; zu Generalklausel im Strafrecht grundlegend vgl. Naucke, Über Generalklauseln und Rechtsanwendung im Strafrecht, S. 3 f. in Abgrenzung zu Class, in: FS-Ebh. Schmidt, S. 123 f.: „In der Tat wäre es paradox, ein Gebilde, das seinem Wesen nach unbestimmten Charakters ist, bestimmt definieren zu wollen.“; zum Sonderfall der Regelbeispiele vgl. Schünemann, JZ 2005, 271; im Bereich der Methodenlehre siehe insbesondere Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 72 ff.; zur Vereinbarkeit von strafrechtlichen Generalklausen mit Art. 103 Abs. 2 GG vgl. insb. Woesner, NJW 1963, 273, 274; zu Generalklauseln im Bereich des VStGB vgl. Satzger, NStZ 2002, 125, 130; Weber, AcP 192 (1992), 516, 522 definiert diese als „präzisierungsbedürftige gesetzliche Anordnungen“; Tiedemann, in: FS-Rissing-van Saan, S. 685, zu Generalklauseln im Wirtschaftsstrafrecht. 16 Noll, Gesetzgebungslehre, S. 264, fordert eine Differenzierung zwischen generellen und kasuistischen Regelungen, was den Kern nicht ganz zu treffen scheint. Denkbar sind eben auch kasuistische Regelungen, deren einzelne Tatbestandsvarianten generell sind. 17 Obwohl in Bezug auf § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB auch der Begriff „Generalklausel“ verwendet wird, vgl. Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Hecker, § 315b Rn. 9; MüKoStGB/Pegel, § 315b Rn. 37. 18 Hier soll ein weites Verständnis des Begriffs der Generalklausel zugrunde gelegt werden, vgl. Haubelt, Die Konkretisierung der Generalklausel, S. 5. 19 Vgl. beispielsweise Ohly, ACP 201 (2001), 1, 5; Kamanabrou ACP 202 (2002), 662, 663; Haubelt, Die Konkretisierung der Generalklausel, S. 5; Werner, Zum Verhältnis von gesetzlicher Generalklausel und Richterrecht, S. 7 ff. 15

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B. Begriffsbestimmung

geltende, aber inhaltlich präzisierungsbedürftige Anordnung“ verstanden.20 Bei Generalklauseln handelt es sich demnach um solche gesetzlichen Anordnungen, die der Präzisierung bedürfen und damit dazu geeignet sind, noch unbestimmte Sachverhalte zu regeln.21 Nach Kramer zeichnen sich Generalklauseln gerade dadurch aus, dass sie „eine besonders große Zahl neutraler Kandidaten“22 enthalten, also Begriffe bei denen nicht ohne Weiteres mit Gewissheit gesagt werden kann, was vom Wortlaut dieser Formulierung erfasst wird. Wohingegen die Zahl der Verhaltensweisen, die eindeutig darunterfallen (positive Kandidaten) oder eindeutig nicht unter die Norm fallen (negative Kandidaten), gering ist.23 Generalklauseln zeichnen sich „durch die große Allgemeinheit aus, mit der sie, im Gegensatz zur kasuistischen Methode, einen Sachverhalt zu erfassen suchen“.24 Auch Öffnungsklauseln weisen durch ihre konkrete Verfasstheit durchaus Merkmale von Generalklauseln auf. Denn die in Öffnungsklauseln typischerweise verwendeten Begriffe wie „ähnlich“ und „vergleichbar“ bedürfen augenscheinlich ebenfalls in besonderer Weise einer Wertung in der Rechtsanwendung. Daraus lässt sich aber gerade nicht schließen, dass es sich bei Öffnungsklauseln um eine Unterart der Generalklausel handelt.25 Öffnungsklauseln unterscheiden sich von der Generalklausel im klassischen Sinne zum einen dadurch, dass die Norm, in die sie eingebettet sind, als solche nicht vollumfänglich generell ausgestaltet worden ist, sondern zuvor gerade Verhaltensweisen deskriptiv beschrieben wurden, die den Tatbestand erfüllen sollen. Sie stellen lediglich einen Bestandteil einer Norm dar. Zum anderen, und das ist für die vorliegende Untersuchung von besonderer Bedeutung, ist das konstituierende Merkmal der Öffnungsklausel gerade die Anwendung auf nicht genauer bezeichnete Verhaltensweisen durch einen Ähnlichkeitsschluss. Dieser Ähnlichkeitsschluss wird auch als innertatbestandliche Analogie bezeichnet.26 Eine solche Regelung ermöglicht einen über den Wortlaut der Norm hinausgehenden Lückenschluss aufgrund einer gesetzgeberischen Anordnung. Im Kontrast dazu sind Generalklauseln zwar in besonderem Maße konkretisierungsbedürftig und ermöglichen folglich auch eine Vielzahl von Konkretisierungen. Die Konkretisierung muss sich aber immer innerhalb des Wortlautes der Norm bewegen und geht nicht durch Ähnlichkeitsschlüsse darüber hinaus, 20 Haubelt, Die Konkretisierung der Generalklausel, S. 5; Lenckner, JuS 1968, 249, 250 und verweist auf die Strukturgleichheit von Generalklauseln und normativen Tatbestandsmerkmalen. 21 Weber, AcP 192 (1992), 516, 525. 22 Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 70. 23 Vgl. dazu in dieser Arbeit Kap. D. V. 2. b). 24 Lenckner, JuS 1968, 249, 250. 25 Haubelt will unter den Begriff der Generalklausel die gesamte Anordnung, also die Norm als solche, fassen: Haubelt, Die Konkretisierung der Generalklausel, S. 5. 26 Vgl. dazu innerhalb dieser Arbeit Kap. D. V. 4.

II. Abgrenzung von Öffnungsklauseln zu Generalklauseln

21

wohingegen Öffnungsklauseln die Möglichkeit des Ähnlichkeitsschlusses explizit anordnen. Auslegung und Analogie sind aber zu unterscheiden.27 Aus dieser Unterscheidbarkeit ergibt sich der wesentliche Unterschied von Öffnungsklauseln zu Generalklauseln. Bezugnehmend auf die oben dargelegten Definitionsversuche von Kramer und Haubelt ist die große Anzahl neutraler Kandidaten gerade nicht Kernelement der Öffnungsklauseln. Diese neutralen Kandidaten können bei entsprechender Regelung der zuvorderst genannten exemplifizierenden Regelung sogar geringer ausfallen. Auch die Präzisierungsbedürftigkeit allein kann nicht zur Einordung unter den Begriff der Generalklausel führen. Wie noch zu zeigen sein wird, weisen alle Normen Konkretisierungsbedürftigkeit auf.28 Diese gesetzgeberisch angeordnete Befugnis zur Lückenschließung innerhalb des Tatbestandes zeichnet gerade Öffnungsklauseln aus, sodass auf diese Weise eine Kompetenzverlagerung vorgenommen wird, die zwar auch im Bereich der Generalklauseln möglich und diskutabel ist, aber nicht in gleicherweise offensichtlich zu Tage tritt.

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Vgl. dazu innerhalb dieser Arbeit Kap. D. V. 2. Vgl. dazu innerhalb dieser Arbeit Kap. D. V. 2.; vgl. zur Zulässigkeit von Generalklauseln im Strafrecht allgemein Rieger, Der sog. „ähnliche ebenso gefährliche Eingriff“ im Sinne von § 315b I Nr. 3 StGB als Beispiel analoger Tatbestandanwendungen im Strafrecht. 28

C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln Nach der Einführung von § 315b StGB wurde die Gesetzgebungstechnik der Öffnungsklauseln zunächst über mehrere Jahrzehnte nicht angewendet, bis sie mit der Schaffung der der Nachstellung in § 238 Abs. 1 StGB erneut Einzug in das Strafgesetzbuch fand. Dieser relativ aktuelle Anlass bietet für die hier beabsichtigte Untersuchung die Gelegenheit, anhand der Gesetzgebungsmaterialien und Diskussionen zu § 238 Abs. 1 StGB die Begründungsansätze zu strukturieren, die für den Einsatz von Öffnungsklauseln angeführt werden (siehe I.). Dabei werden sich vor allem die Schließung von Strafbarkeitslücken (II. 1.) sowie die Schaffung von Gerechtigkeit (II. 2.) als charakteristische Begründungsmuster erweisen, die jedoch beide mit Blick auf ihre verfassungs- bzw. strafrechtliche Legitimation zweifelhaft sind.

I. Mit Öffnungsklauseln verfolgte Ziele Welche Ziele der Gesetzgeber konkret mit dem Einsatz der Öffnungsklauseln verfolgt, ergibt sich aus den dazugehörigen Gesetzesbegründungen und den Gesetzgebungsverfahren, in denen zum Teil auch andere Möglichkeiten der Ausgestaltung der Norm diskutiert wurden. Öffnungsklauseln finden in der Regel dann Anwendung, wenn sich die Vielfalt der potenziell gefährdenden Handlungen nicht erschöpfend aufzählen lässt,1 da zum einen nicht alle möglicherweise für strafwürdig empfundenen Verhaltensweisen ersichtlich sind und zum anderen laufend neue potenziell strafwürdige Verhaltensweisen hinzukommen können. Würde man dennoch auf die Möglichkeit der Öffnung des Tatbestandes für nicht näher bestimmte Verhaltensweisen verzichten, würde dies bedeuten, dass für strafwürdig erachtete Verhaltensweisen aus dem Tatbestand fielen. Ein solcher Zustand kann unter kriminalpolitischen 1 Vgl. BT-Drucksache vom 04.10.1962 – IV/650, S. 522; Gesetzesentwurf des Bundesrates vom 27.04.2005 – BT-Drucksache 15/5410, S. 7, abrufbar unter https://dserver. bundestag.de/btd/15/054/1505410.pdf [zuletzt abgerufen am 21.10.2021]; so auch: Fünfsinn, Neue Kriminalpolitik 2005, 82, 84; Kubiciel, jurisPR-StrafR 8/2016 Anm. 1; so auch die SPD im Beratungsverlauf zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 12.10.2016 – BT-Drs. 18/9946, abrufbar unter https://dserver.bundestag.de/btd/18/099/ 1809946.pdf [zuletzt abgerufen am 26.10.2021]; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz vom 14.12.2016 – BT-Drucksache 18/ 10654, S. 5, abrufbar unter https://dserver.bundestag.de/btd/18/106/1810654.pdf [zuletzt abgerufen am 26.10.2021].

I. Mit Öffnungsklauseln verfolgte Ziele

23

Gesichtspunkten nicht wünschenswert sein.2 Denn der Vielgestaltigkeit des Lebens kann dabei nur durch den Einsatz einer Öffnungsklausel Rechnung getragen werden, wenn eine erschöpfende Aufzählung der für strafbar zu erachtenden Verhaltensweisen nicht möglich ist.3 Zu diesem Zwecke muss für die Gerichte die Möglichkeit erhalten bleiben, dass jedes für strafwürdig befundene Verhalten auch verfolgbar ist.4 Nichts anderes kann, insbesondere in solchen Bereichen des Strafrechts gelten, in denen man auf „neu auftretende Verhaltensweisen“ reagieren können muss.5 Die Judikative soll damit flexibel bleiben und in der Lage sein, auf Entwicklungen ohne vorgeschalteten gesetzgeberischen Akt reagieren zu können. Dabei ist aber bereits an dieser Stelle zu betonen, dass grundsätzlich strafbar ist, was Inhalt eines gesetzlichen Tatbestandes ist und sich die Strafbarkeit gerade nicht aus Strafwürdigkeitserwägungen der Gerichte ergibt.6 Die soeben aufgezeigte Argumentationsstruktur (dazu näher unter 1. und 2.) wird dabei nicht nur im Rahmen des StGB, sondern auch in Bezug auf Regelungen des VStGB7 verwendet. Auch hier wird von einer Vielgestaltigkeit des Lebens ausgegangen, die nur durch Öffnungsklauseln beherrscht werden kann.8 Öffnungsklauseln sollen demnach immer dann zur Ergänzung eines Straftatbestandes herangezogen werden, wenn die einzelne Erfassung aller vorstellbaren Verhaltensweisen nicht möglich ist. Es muss aber beachtet werden, dass Gesetze gerade abstrakt-generelle Regelungen darstellen und sich gerade nicht durch eine genaue Beschreibung der möglichen Einzelfälle auszeichnen.9 Dieser Wider2

A. a. O. Große Strafrechtskommission, Besonderer Teil, 91.–103. Sitzung, 1959, S. 265, Lange spricht dabei von einem sog. terra incognita. 4 Großes Strafrechtskommission, Besonderer Teil, 91.–103. Sitzung, 1959, S. 320; Zentrale Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser, Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellung – Stellungnahme der Zentralen Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser, S. 1, abrufbar unter https://www.bmjv.de/Shared Docs/Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen/2016/Downloads/05032016_Stellung nahme_ZIF_RefE_Stalking.pdf?__blob=publicationFile&v=1 [zuletzt abgerufen am 26.10.2021]. 5 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) vom 14.12.2016 – BT-Drucksache 16/3641 S. 14, abrufbar unter https://dserver.bundes tag.de/btd/16/036/1603641.pdf [zuletzt abgerufen am 26.10.2021]; so auch: bff: Frauen gegen Gewalt e.V., Stellungnahme des bff: S. 3, abrufbar unter https://www.frauen-ge gen-gewalt.de/de/stellungnahmen-1718/bff-bezieht-stellung-zum-gesetzentwurf-zur-ver besserung-des-schutzes-gegen-nachstellungen.html [zuletzt abgerufen am 26.10.2021]. 6 Siehe dazu genauer Kap. C. II. 1. dieser Arbeit. 7 Völkerstrafgesetzbuch. 8 Satzger, NStZ 2002, 125, 130. 9 So auch in der Kommentierung zum Draft Code of Crimes against the Peace and Security of Mankind: „It’s impossible to establish an exhaustive list of the inhuman acts which might constitute crimes against humanity“, Vereinte Nationen, Art. 18 (k), abrufbar unter https://legal.un.org/ilc/texts/instruments/english/commentaries/7_4_1996.pdf [zuletzt abgerufen am 26.10.2021]. 3

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C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

spruch zeigt bereits auf, dass die mit Öffnungsklauseln verfolgten Ziele nicht ohne Weiteres als tragfähige Begründungen herangezogen werden können (dazu näher unter II.). Dazu sei bereits an dieser Stelle gesagt, dass im Folgenden die mit dem Einsatz von Öffnungsklauseln verfolgten Zwecke auf einer generellen Ebene, das heißt, losgelöst von konkreten Tatbeständen erörtert werden. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass diese Art der Gesetzgebung, wenn sie in einem konkreten Tatbestand verwendet wird, wie § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB für die Verkehrssicherheit, ihren konkreten Zweck vom Schutz des Rechtsgutes ableitet und infolgedessen für diese einzelne Öffnungsklausel in einer bestimmten Norm dennoch ein tragfähig begründet werden kann. 1. Schließung von Strafbarkeitslücken Insgesamt ist der Topos der Schließung von Strafbarkeitslücken die am häufigsten genannte Begründung für Gesetzesänderungen in jüngster Zeit.10 Auch bei den bisher genannten Funktionen des Einsatzes von Öffnungsklauseln handelt es sich hauptsächlich um den gleichen Argumentationstopos. Denn der Gesetzgeber sei gerade zur Schließung von Strafbarkeitslücken angehalten.11 Eine solche Sichtweise fußt auf dem Wunsch, dass jede für strafwürdig gehaltene Verhaltensweise vom StGB erfasst werden muss, um entsprechende strafrechtliche Sanktionen zu ermöglichen. Kertai beschreibt, dass eine „Nicht-Strafbarkeit bei gleicher Strafwürdigkeit [. . .] als Wertungswiderspruch und damit als Manko angesehen wird“.12 Denn nur durch eine entsprechend weite Fassung der Straftatbestände könne eine effektive Schließung solcher Strafbarkeitslücken erreicht werden (siehe dazu a)–c)). Diese Vorgehensweise ermögliche einen umfassenden und lückenlosen Rechtsgüterschutz. Hierbei ist allerdings bereits zweifelhaft, ob so etwas wie Strafbarkeitslücken im Sinne des Wortlautes überhaupt existieren und ob die Schließung etwaiger Lücken überhaupt legitim ist (siehe dazu II. 1.).13

10 Schlepper, Strafgesetzgebung in der Spätmoderne, S. 154 ff. erklärt, dass diese Begründung „mitunter völlig kontextunabhängig“ eingesetzt wird; als Begründung herangezogen zum Beispiel bei § 248c, vgl. Lackner/Kühl/Kühl, § 248c Rn. 1; siehe etwa auch zur Erweiterung des Sexualstrafrechts zur Schließung von Strafbarkeitslücken NKStGB/Frommel, § 177 Rn. 99; außerdem handelt es sich um ein wiederkehrendes Argument in Bezug auf den strafrechtlichen Schutz von Sexworker*innen, vgl. dazu. Thiée, KJ 2005, 387, 387 ff. 11 BVerfG, Beschl. v. 10.01.1995 1 BvR 718/89, 719/89, 722/89, 723/89 = BVerfGE 92, 1 = NJW 1995, 1141, 1143. 12 Kertai, JuS 2011, 976, 977. 13 Vormbaum, ZStW 2011, 660, 689; wobei die verfolgten Zwecke nicht isoliert voneinander, sondern in einem inneren Zusammenhang betrachtet werden sollen: Große Strafrechtskommission, Besonderer Teil, 91.–103. Sitzung, 1959, S. 268.

I. Mit Öffnungsklauseln verfolgte Ziele

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a) Vermeidung von Gesetzesumgehungen Ziel der Schließung von Strafbarkeitslücken ist es, gesetzesumgehendes Verhalten einzudämmen.14 Die Kreativität der Täter*innen solle gerade nicht durch Straffreiheit honoriert werden.15 Eine solche Sichtweise ist nicht etwa neu, schon Montesquieu konstatiert, dass Gesetze, die man umgehen kann, die Gesetzgebung schwächen.16 Fest steht, dass wenn Strafgesetze eine bestimmte Tatbegehung unter Strafe stellen, dies reflexhaft zur Folge hat, dass einige Handlungen gerade nicht unter die Handlungsbeschreibung des Straftatbestandes fallen.17 Die dadurch entstehenden Lücken eröffnen dann zumindest die Möglichkeit, dass diese wissentlich ausgenutzt werden können, um eine Strafbarkeit bewusst zu vermeiden.18 Wenn die Schließung von Strafbarkeitslücken gefordert wird, dann meint dies auch die Vermeidung gesetzesumgehenden Verhaltens. Der Einsatz von Öffnungsklauseln hätte dann zur Folge, dass sich Täter*innen nicht der Strafbarkeit entziehen können, indem sie Verhaltensweisen wählen, die zwar ebenso strafwürdig sind, wie die vom gesetzlichen Tatbestand beschriebenen Verhaltensweisen, aber, weil diese Verhaltensweisen beim Gesetzgebungsprozess noch nicht bekannt waren oder nicht mitgedacht wurden, aufgrund des begrenzenden Wortlautes nicht unter den Straftatbestand fallen. Grundsätzlich gilt, dass wenn der Gesetzgeber auf ein gesetzesumgehendes Verhalten aufmerksam wird oder gerade auf eine technische Entwicklung, die eine Ausweitung der Strafbarkeit erforderlich macht, reagieren will, dann geschieht dies aus dem Wunsch, die Strafbarkeitslücken zu schließen. Im Rahmen von Öffnungsklauseln findet aber ein vorgelagerter – quasi präventiver – Prozess für solche Fälle statt. Es wird gerade nicht zunächst abgewartet, dass sich unhaltbare Lücken ergeben. 14 So wohl auch Stellungnahme des Deutschen Juristinnenbundes zur öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz am 09.11.2016 zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellung Drs. 18/9946, S. 2, abrufbar unter https://www.djb.de/presse/stellungnahmen/detail/st16-23/ [zuletzt abgerufen am 12.11.2020]; ebenfalls Stellungnahme des Bundesrates zu BT-Drs. 16/ 575 vom 08.02.2006, Anlage 2, abrufbar unter https://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/ 005/1600575.pdf [zuletzt abgerufen am 12.11.2020]. 15 Stellungnahme der Deutschen Justiz-Gewerkschaft (DJG) zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellung, S. 2, abrufbar unter https:// www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen/2016/Downloads/ 04252016_Stellungnahme_djg_RefE_Stalking.pdf;jsessionid=AEB5D4D109E9ED9BB 02179469480E121.2_cid334?__blob=publicationFile&v=1 [zuletzt abgerufen am 11.11. 2020]. 16 Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, S. 407. 17 Schröder, Zum Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht und seiner Bedeutung für die praktische Anwendung des Rechts, S. 20. 18 Dieser Gedanke findet sich auch in Franz von Liszts Ausspruch des Strafgesetzbuchs als „magna charta des Verbrechers“ wieder, vgl. Liszt, Strafrechtliche Vorträge und Aufsätze, Bd. II, S. 80.

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C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

Der Einsatz von Öffnungsklauseln dient auf diese Weise auch der „Pönalisierung“ eines solchen gesetzesumgehenden Verhaltens.19 aa) Gesetzesumgehung im Strafrecht20 Die mit Gesetzesumgehung generell und auch im Strafrecht verbundenen Konflikte beschreibt Teichmann zutreffend mit der Frage: „Was kann damit problematisch sein, wenn zwar nicht gegen den Wortlaut aber gegen den Sinn eines Gesetzes verstoßen wird?“ 21 Reisner definiert die Umgehung von Gesetzen anhand der aufgezeigten Problematik folgendermaßen: „Bei der Umgehung belastender Normen werden die Voraussetzungen einer Norm nicht erfüllt, so dass die Belastung als Rechtsfolge nicht eintritt. Nach dem Zweck der Norm hätte diese Handlung jedoch auch von der belastenden Rechtsfolge erfasst werden sollen. Aufgrund dieser mangelnden Übereinstimmung von Normvoraussetzung und Normzweck liegt eine Regelungslücke vor, die durch Analogie geschlossen werden könnte.“ 22

Diese Umschreibung verdeutlicht zum einen, was unter Gesetzesumgehung verstanden werden kann und zum anderen die Problematik der Gesetzesumgehung im Bereich des Strafrechts. Grundsätzlich hätte der Gesetzgeber, wenn er das (strafwürdige) Verhalten zum Zeitpunkt der Gesetzgebung gekannt hätte, dieses für strafbar erachtet und mit dem Wortlaut der Norm erfasst. Der Gesetzgeber schafft insofern – unbewusst – Lücken der Strafbarkeit, da das gesetzesumgehende Verhalten grundsätzlich das Unrecht des Tatbestandes verwirklicht. Ein für

19

Bruns, GA 1986, 1, 32. Das Problem der Gesetzesumgehung im Strafrecht stellt sich insbesondere im Rahmen des Wirtschaftsstrafrechts (z. B. im Rahmen der AO und des Subventionsbetruges), vgl. dazu insb. grundlegend Stöckel, Gesetzesumgehung und Umgehungsgesetze im Strafrecht, 1966; Vogel, in: Bausteine des europäischen Wirtschaftsstrafrechts, S. 151 und Stöckel, ZRP 1977, 134; auf die Normqualität als Grund für Gesetzesumgehungen verweisend: Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 283 ff.; ders., in: FS-Kühl, S. 735 ff., wonach Art. 103 Abs. 2 GG und der damit verbundene Wortlaut der Norm die Möglichkeiten der Gesetzesumgehung bestimmt; LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 263 ff.; außerdem umfassend Schröder, Zum Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht und seiner Bedeutung für die praktische Anwendung des Rechts, S. 33 ff.; umfassend zum Begriff der Gesetzesumgehung vgl. Stöckel, Gesetzesumgehung und Umgehungsgesetze im Strafrecht, S. 9 ff.; Schröder, Zum Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht und seiner Bedeutung für die praktische Anwendung des Rechts, S. 182 ff.; Bruns, GA 1986, 1, 4 zur Straffreiheit der Gesetzesumgehung; Stöckel, ZRP 1977, 134 ff., zur Möglichkeit der Vermeidung von Gesetzesumgehungen; Kudlich, in: FS-Stöckel, S. 94 zum Zusammenhang von Wortlautgrenze und Gesetzesumgehung. 21 Teichmann, JZ 2003, 761, 762. 22 Reisner, Die Strafbarkeit von Schein- und Umgehungshandlungen in der EG, S. 10; zur umfassenden Diskussion und dem Versuch der Bildung einer Definition vgl. Schröder, Zum Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht und seiner Bedeutung für die praktische Anwendung des Rechts, 2013. 20

I. Mit Öffnungsklauseln verfolgte Ziele

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strafwürdig – und bereits hier drängt sich die Frage auf, auf wessen Einschätzung es bezüglich der Strafwürdigkeit eigentlich ankommt – zu erachtendes Verhalten löst damit gerade nicht die ganz grundsätzlich intendierte Rechtsfolge aus, da auch die bewusste Umgehung von Strafgesetzen im Strafrecht straffrei ist.23 Es entsteht ein Spannungsfeld, welches von (vermeintlichen) Täter*innen bewusst oder unbewusst (aus-)genutzt werden kann. Ein Fall der Gesetzesumgehung liegt dabei vor, wenn Täter*innen sich vorsätzlich dieser Lücke bedienen, um einer Bestrafung zu entgehen.24 Schröder beschreibt dies, als für das „Gerechtigkeitsempfinden irritierend“.25 Durch eine solche Irritation motiviert, ergibt sich das Bedürfnis, diese Lücken der Strafbarkeit zu schließen. Diese Lücken erscheinen für einige durch die genaue Beschreibung der Verhaltensweisen in der vorliegenden Art der Gesetzgebung besonders prägnant, wenn im Anschluss darauf auf eine Öffnungsklausel verzichtet würde. So böten Normen ohne Öffnungsklausel die Möglichkeit, die dort beschriebenen Verhaltensweisen bewusst zu umgehen und sich anderer, vergleichbarer Verhaltensweisen zu bedienen.26 Anders als in anderen Rechtsgebieten27 kann die Umgehung von Strafgesetzen aufgrund des Analogieverbotes (Art. 103 Abs. 1 GG und § 1 StGB) nicht durch einen Ähnlichkeitsschluss bewältigt werden.28 Dies schließt gerade auch eine Übertragung von zivilrechtlichen Grundsätzen zur Gesetzesumgehung auf das Strafrecht aus.29 Um diese häufig dennoch ungewollten Lücken zu schließen30 oder auch von vorneherein zu vermeiden, dass diese wohlweislich genutzt werden, bedient sich der Gesetzgeber des Einsatzes von Umgehungsgesetzen.31 Da23 Vgl. Reisner, Die Strafbarkeit von Schein- und Umgehungshandlungen in der EG, S. 5; Stöckel, ZRP 1977, 134, 135; so im Ergebnis auch Bruns, der sich mit einem Urteil zur Umgehung des § 183 StGB a. F. mit der Gesetzesumgehung im Strafrecht auseinandersetzte, vgl. JZ 1956, 151. 24 Schröder, Zum Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht und seiner Bedeutung für die praktische Anwendung des Rechts, S. 236; Stöckel, Gesetzesumgehung und Umgehungsgesetze im Strafrecht, S. 149. 25 Schröder, Zum Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht und seiner Bedeutung für die praktische Anwendung des Rechts, S. 401. 26 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 33; so auch Lemmel, Unbestimmte Strafbarkeitsvoraussetzungen im besonderen Teil des Strafrechts, S. 29. 27 Allgemein zur Verhinderung von Gesetzesumgehungen insbesondere im Zivilrecht s. Sieker, Umgehungsgeschäfte, S. 58 ff.; hier gilt gerade nicht der Grundsatz, dass jede Rechtsnorm zugleich auch die Umgehung verbietet, vgl. Bruns, JZ 1956, 147. 28 Dies gilt selbstredend nicht für die Zeit des Nationalsozialismus, in der das Analogieverbot im Strafrecht außer Kraft gesetzt wurde, vgl. dazu Fitting, Analogieverbot und Kontinuität, S. 58 ff. 29 Bruns, JZ 1956, 152. 30 Eine solche Lückenschließung wird dabei insbesondere im Bereich der Wirtschafts- und sog. White-Collar-Kriminalität gefordert, vgl. Bruns, GA 1986, 1, 2. 31 Dies zeigt bereits auf, dass Umgehungsgesetze in Konflikt mit dem Analogieverbot geraten können. Diese scheinen zumindest ihrerseits dieses Verbot umgehen zu wollen.

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C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

bei kann zwischen ausdrücklichen32 und sog. verschleierten Umgehungsstrafgesetzen33 differenziert werden.34 Ausdrückliche Umgehungsgesetze zeichnen sich dabei nach Schröder35 dadurch aus, dass diese das Wort der Gesetzesumgehung in ihrem Wortlaut enthalten. Anders verhält es sich hingegen mit den verschleierten Umgehungsgesetzen. Diese verfolgen das Ziel der Eindämmung gesetzesumgehender Verhaltensweisen durch eine Ausweitung der Strafbarkeit anhand der Verwendung von Generalklauseln, die das Wort „Gesetzesumgehung“ nicht ausdrücklich nennen. bb) Öffnungsklauseln als verschleierte Umgehungsgesetze Bei Normen, die sich einer Öffnungsklausel bedienen, könnte es sich gerade um solche verschleierten Umgehungsgesetze handeln, was wiederum auf die Illegitimität des damit verfolgten Ziels hinweisen dürfte.36 Diese öffnen gerade den Tatbestand für nicht näher bezeichnete Verhaltensweisen durch die Möglichkeit eines Ähnlichkeitsschlusses. Dabei gehen Öffnungsklauseln auf diese Weise gerade anders vor als klassische Generalklauseln, die sich besonders konkretisierungsbedürftiger Regelungen bedienen. Dies legt den Schluss nahe, dass damit auch das vorsätzlich gesetzesumgehende Verhalten bestraft werden soll. Ob es sich dabei um Umgehungsgesetze handelt, ist aber nicht abschließend geklärt. Teilweise wird, insbesondere in Hinblick auf § 315 Abs. 1 Nr. 4 StGB und § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB angeführt, dass sich aus der Gesetzesbegründung nicht ergibt, dass die Norm gerade der Vermeidung vorsätzlicher Gesetzesumgehungen dienen soll und auch in der Praxis der Anwendung dieser Norm der Anwendungsbereich in Bezug auf die bewusste Umgehung eher gering einzuschätzen sei.37 Allerdings kann die konkrete Form der Gesetzgebung auch als bewusst gewähltes Mittel zur „Bekämpfung von GU [Gesetzesumgehungen]“ 38 eingestuft 32

Ein solches ausdrückliches Umgehungsgesetz fand sich z. B. in § 5 HiWG. Diese Formulierung geht auf Stöckel zurück, der die Öffnungsklausel von § 315 Abs. 1 Nr. 4 StGB erstmals als Umgehungsgesetz einordnete, vgl. Stöckel, Gesetzesumgehung und Umgehungsgesetze im Strafrecht, S. 145. 34 Schröder, Zum Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht und seiner Bedeutung für die praktische Anwendung des Rechts, S. 179; so auch Reisner, Die Strafbarkeit von Schein- und Umgehungshandlungen in der EG, S. 8; zu den grundsätzlichen Möglichkeiten der Bekämpfung von Gesetzesumgehungen im Strafrecht vgl. Stöckel, ZRP 1977, 134. 35 A. a. O. 36 So auch Stöckel, Gesetzesumgehung und Umgehungsgesetze im Strafrecht, S. 145. 37 Schröder, Zum Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht und seiner Bedeutung für die praktische Anwendung des Rechts, S. 180. 38 Bruns, GA 1986, 1, 14; so auch Stöckel, Gesetzesumgehung und Umgehungsgesetze im Strafrecht, S. 149. 33

I. Mit Öffnungsklauseln verfolgte Ziele

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werden. Die Gesetzesbegründung zu § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB in Bezug auf die Einführung und schließlich der Beibehaltung einer Generalklausel legt diesen Schluss nahe. Hier wurde die Öffnungsklausel eingesetzt, um der Vielgestaltigkeit des Phänomens Herr zu werden. Dies zeigt, dass davon ausgegangen wird, dass sich die für strafbar zu erachtenden Verhaltensweisen nicht abschließend aufzählen lassen. In den Stellungnahmen wird teilweise davon gesprochen, die Kreativität der Täter*innen nicht zu belohnen.39 Insbesondere das Motiv des Schließens von Strafbarkeitslücken40 bezieht sich zunächst auf alle erdenklichen Lücken und damit auf solche, die unbewusst aber auch auf solche, die bewusst genutzt werden. Hier findet gerade keine weitere Differenzierung durch den Gesetzgeber statt, was für eine weite Auslegung des verfolgten Zweckes spricht. Wenn auf Grundlage der einzelnen Stellungnahmen die Aufnahme oder Beibehaltung von Öffnungsklauseln befürwortet wurde, kann daraus geschlossen werden, dass dadurch verhindert werden soll, dass Täter*innen bewusst solche Verhaltensweisen wählen, die nicht durch die tatbestandliche Umschreibung kriminalisiert wurden. Es ist nicht ersichtlich, warum der Gesetzgeber dieses Motiv nur auf die unbewusste Umgehung von Strafgesetzen habe anwenden wollen. Auch wenn die Verhinderung von Gesetzesumgehungen nicht die alleinige Zielsetzung bei der Verwendung dieser Art der Gesetzgebung darstellt, so kann doch davon ausgegangen werden, dass dies zumindest einen Punkt im Rahmen eines Motivbündels41 des Gesetzgebers beim Einsatz von Öffnungsklauseln darstellt. Auch kann aus dem, den Gesetzgebungsprozess nachgelagerten, tatsächlichen Anwendungsbereich allein noch nicht die Intention des Gesetzgebers zum Zeitpunkt der Gesetzgebung hergeleitet werden. Schließlich werden Gesetze gerade aus der ex-ante Perspektive begründet. Außerdem stellt Schröder dabei auch lediglich die Vermutung auf, dass die Fälle der bewussten Gesetzesumgehung in der Minderheit seien.42 Selbst, wenn dies der Fall sein sollte, kann die Legislative dennoch zum Zeitpunkt der Gesetzgebung die bewusste Gesetzesumgehung zu verhindern gesucht haben. Auch Bruns sieht den Einsatz von Öffnungsklau39 Stellungnahme der Deutschen Justiz-Gewerkschaft (DJG) zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellung, S. 2, abrufbar unter https:// www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen/2016/Downloads/ 04252016_Stellungnahme_djg_RefE_Stalking.pdf;jsessionid=AEB5D4D109E9ED9BB 02179469480E121.2_cid334?__blob=publicationFile&v=1 [zuletzt abgerufen am 11.11. 2020]. 40 Stellungnahme des Bundesrates zu BT-Drs. 16/575 vom 08.02.2006, Anlage 2, abrufbar unter https://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/005/1600575.pdf [zuletzt abgerufen am 12.11.2010]. 41 Hirsch beschreibt den Gesetzgeber dabei insgesamt als vom Lückenlosigkeitswahn getrieben, vgl. J. Hirsch, in: FS-Puppe, S. 117. 42 Schröder, Zum Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht und seiner Bedeutung für die praktische Anwendung des Rechts, S. 180.

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C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

seln als bewusste Gegenmaßnahme zur Vermeidung von Gesetzesumgehungen.43 Er verweist dabei insbesondere auf den „gedanklichen Zusammenhang von Gesetzesumgehung, Ähnlichkeit und Analogie“, die in diesen Normen geradezu „offensichtlich ist“.44 Stöckel nennt in seinen Ausführungen zur Bekämpfung von Gesetzesumgehungen im Strafrecht diese „verschleierten Umgehungsgesetze“ 45 ausdrücklich als ein eingesetztes – wenn auch umstrittenes – Mittel. Dies spricht dafür, davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei Schaffung der Normen auch, wenn auch nicht ausschließlich, Gesetzesumgehungen verhindern wollte und es sich bei Öffnungsklauseln um solche verschleierten Umgehungsgesetze handelt. Damit ist an dieser Stelle allerdings nur eine Aussage über die gewählten Begründungsansätze und nicht bereits über die Tragfähigkeit eben jener gesagt (dazu unter Kap. D. II.). b) Schaffung von Flexibilität in Bezug auf die Rechtsprechung Als ein weiteres Motiv für die Wahl von Öffnungsklauseln als gestalterisches Mittel des Gesetzgebers wird die Beibehaltung der Flexibilität in der Rechtsfindung bzw. die flexible Handhabung der strafrechtlichen Vorschriften genannt.46 Eine flexible Möglichkeit der Handhabung der gesetzlichen Regelung könnte dabei zu einer Effizienzsteigerung des Strafsystems beitragen, indem auf langwierige Gesetzgebungsverfahren im Zweifel verzichtet würde, um strafwürdiges Verhalten rechtlich zu erfassen. Es wird darauf verwiesen, dass ein von vorneherein sprachlich genauer und allumfassender Ausdruck eben nicht möglich sei.47 Folglich kann Flexibilität im Strafrecht einmal durch eine Entformalisierung des Strafverfahrens48 aber auch durch eine offene Gestaltung und Erweiterung von Straftatbeständen49 erreicht werden. Öffnungsklauseln in Straftatbeständen be-

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Bruns, GA 1986, 1, 9. Bruns, GA 1986, 1, 9; zum Verhältnis von Öffnungsklauseln und dem Analogieverbot vgl. V. 4. 45 Stöckel, ZRP 1977, 134, 136; ebd., Gesetzesumgehung und Umgehungsgesetze im Strafrecht. 46 Vgl. dazu und zur Ökonomisierung des Strafverfahrens allgemein: Singelnstein, KJ 2011, 7, 15; zur Notwendigkeit von Flexibilität vgl. Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 165; zur Auswirkung der Flexibilität insbesondere durch den Einsatz von Regelbeispielen vgl. Naucke, KritV 1999, 336 f. 47 Naucke, Über Generalklauseln und Rechtsanwendung im Strafrecht, S. 15; zum Argumentationstopos der Flexibilität in der Regelbeispielstechnik vgl. Naucke, KritV 1999, 336; Zipf, Kriminalpolitik, S. 54 f., wonach Maximen staatlichen Handelns vor allem „Rationalität, Praktikabilität und Effektivität“ sind; zur „Flexibilisierung der Strafverfolgung“, vgl. Kunz, KritV 2021, 252; Leisner, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 402 f. 48 Vgl. zu beiden Verfahren eingehend und kritisch P.-A. Albrecht, KritV 1993, 163. 49 Dabei ist insbesondere die Vorverlagerung durch die Umwandlung von Erfolgs- in Gefährdungsdelikte zu nennen. 44

I. Mit Öffnungsklauseln verfolgte Ziele

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ziehen sich dabei lediglich auf das materielle Strafrecht. Eine solche Einführung von Flexibilität wird insoweit teilweise als logische Konsequenz eines liberalen Regierungsstils verstanden50 und als Kennzeichen für ein modernes Strafrecht, welches auf die „wechselnden Strömungen angemessen antworten [kann]“51, gewertet. aa) Verengter Entscheidungsspielraum der Judikative im Strafrecht Grundsätzlich können Richter*innen im Rahmen eines Strafverfahrens zur Feststellung der Strafbarkeit einer Person nur solche Sachverhalte unter ein Gesetz subsumieren, bei denen die Auslegung des Tatbestandes ergibt, dass diese konkreten Fälle von der Norm erfasst werden.52 Im Strafrecht begrenzt der Wortlaut einer Norm deren Anwendungsbereich, der sich durch Auslegung ergibt. Damit ist grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass Verhaltensweisen oder auch technische Entwicklungen, die im Zeitpunkt der Gesetzgebung noch nicht erkennbar waren, sich nicht unter den Tatbestand subsumieren lassen, vorausgesetzt, der Wortlaut der Norm steht einer solchen Rechtsanwendung nicht entgegen.53 Alles andere würde dazu führen, dass das Recht laufend durch Gesetzesänderungen angepasst werden müsste. Dennoch sind bei der Anwendbarkeit der Norm im Strafrecht durch das Analogieverbot (Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB), also dem Verbot einer entsprechenden Rechtsanwendung, Grenzen gesetzt.54 Lässt der Wortlaut, etwa weil dieser besonders eng gefasst wurde, keine solche Auslegung zu, sind den Richter*innen im Rahmen der Rechtsanwendung durch das Analogieverbot im Strafrecht die Hände gebunden.55 Dies kann im Zweifel dazu führen, dass Sachverhalte sich nicht mehr unter die Normen subsumieren lassen,56 50

Singelnstein, KJ 2011, 7, 14. Hassemer, ZRP 1992, 378, 382. 52 Maunz/Dürig/Grzeszick, Art. 20 V. Rn. 100. 53 Eine streng historische Betrachtungsweise vertritt, soweit ersichtlich, nur Naucke, Zur Lehre vom strafbaren Betrug, S. 202. 54 Hier liegt ein wesentlicher Unterschied des Strafrechts, wie wir es heute kennen, im Vergleich zum Strafrecht zur Zeit des Nationalsozialismus vor, welches bereits die Bedeutung dieser gesetzlichen Regelung herausstreicht, vgl. dazu insgesamt: Naucke, Über die Zerbrechlichkeit des rechtsstaatlichen Strafrechts, S. 301 ff.; zur Abgrenzung von Auslegung und Analogie vgl. in dieser Arbeit Kap. D. V. 55 Vgl. dazu Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zum Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht, S. 306, Krahl nennt dazu als Beispiel die Entziehung elektrischer Energie (RGST 29, 111) und das Erschleichen von Leistungen an Automaten (RG 18.12.1933 – 2 D 462/33, RGSt 68, 65 ff.); bzgl. der Entziehung von Strom heißt es im Urteil des Reichsgerichts: „Wenn es als ein Bedürfnis des heutigen Rechtslebens anerkannt werden müßte, die widerrechtliche Aneignung elektrischen Stromes unter strafrechtliche Bestimmungen zu stellen, so wird deren Erlaß Aufgabe der Gesetzgebung sein.“ 56 Z. B. im Bereich des technischen Fortschritts Schumann, in: Strafbegründung und Strafeinschränkung als Argumentationsmuster, S. 59. 51

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C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

wie z. B. im Falle der Entziehung elektrischen Stroms: Hier war und ist der Wortlaut des § 242 StGB so gefasst, dass sich der Sachverhalt, namentlich der elektrische Strom, gerade nicht mehr unter das Tatbestandsmerkmal Sache des § 242 StGB subsumieren ließ. Hier hatte der Gesetzgeber gerade nicht (rechtzeitig) reagiert und hinterließ damit – unbewusst – eine Lücke.57 Bei einer entsprechend engen Fassung der Tatbestände kann folglich eine Anpassung des Rechts an veränderte Verhältnisse erforderlich sein. bb) Erweiterung des Entscheidungsspielraums durch Öffnungsklauseln Dieser – vermeintliche und noch näher zu untersuchende – Missstand, dass eine gesetzgeberische Intervention zur Fortentwicklung nötig sei, soll dabei durch den Einsatz von Öffnungsklauseln behoben werden.58 Die Judikative soll durch die Öffnung des Tatbestandes gerade schnell und unkompliziert auf sich ändernde Verhältnisse reagieren können. Es werde angestrebt, dass die „Toleranzgrenzen des liberalen Freiheitsraumes [. . .] flexibel, dynamisch und temporär“ 59 sein sollen. Die damit verbundene geringere „gesetzliche Bindung“ werde durch ein „Mehr an Macht für das gesamte Kriminaljustizsystem“ 60 ausgeglichen. Auf diese Weise würden Handlungs- und Entscheidungsspielräume für die Judikative geschaffen.61 Bereits an dieser Stelle deutet sich ein Konflikt mit dem soeben genannten Analogieverbot und dem Grundsatz der Gesetzesbindung im Strafrecht an, der an anderer Stelle erörtert werden wird.62 Durch Öffnungsklauseln solle gerade kein vorgeschaltetes Gesetzgebungsverfahren nötig sein, welches mit einem erheblichen Zeitaufwand und einer entsprechenden Verzögerung verbunden ist und welches auch immer das Risiko in sich birgt, dass eine solche Änderung der Gesetzeslage gerade keine entsprechende Mehrheit im Parlament finden würde. Es würde ein Zustand entstehen, in dem ein unter Umständen vom Gesetzgeber für strafbar zu erachtendes Verhalten gerade noch nicht unter Strafe steht – also abermals ein Fall der Strafbarkeitslücke vorliegt – und die*derjenige, die*der scheinbares Unrecht begangen hat, aufgrund des Rückwirkungsverbotes für seine Verhaltensweise nicht bestraft werden könnte (Art. 20 Abs. 1, S. 3 GG). Mit einer erhöhten Flexibilität des Strafrechts

57 Siehe dazu die Entscheidung des Reichsgerichts zur Entziehung von Strom, vgl. RGST 29, 111. 58 Vgl. dazu in dieser Arbeit Kap. C. II. 1.; zum Entscheidungsspielraum des Strafgesetzgebers hingegen vgl. NK-StGB/Hassemer/Neumann, Vorbm. § 1 Rn. 85; zu Flexibilität und Entscheidungsspielräumen vgl. auch Hassemer, ZRP 1992, 378, 381. 59 Singelnstein, KJ 2011, 7, 13. 60 P.-A. Albrecht, KritV 1993, 163, 165. 61 Singelnstein, KJ 2011, 7, 13. 62 Vgl. dazu in dieser Arbeit D. V. und VIII.

I. Mit Öffnungsklauseln verfolgte Ziele

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werde die Hoffnung auf eine Effektivitätssteigerung verbunden.63 Dabei wird von einer sog. Ökonomisierung des Handelns gesprochen.64 An dieser Stelle deutet sich außerdem bereits an, dass diese Umgehung der Entscheidungsfindung des Gesetzgebers nicht ohne Weiteres als Begründung herangezogen werden kann und eine solche Art der Gesetzgebung die Art. 103 Abs. 2 GG innewohnende Wertung – auch in Bezug auf die Aufgabenverteilung – umgeht. Wenn also die Judikative nicht mehr an bestimmte numerisch aufgezählte Verhaltensweisen gebunden ist, dann steht ihr durch eine Öffnungsklausel gerade frei, das entsprechende Verhalten unter diesen Tatbestand zu subsumieren und damit zu einer Strafbarkeit zu kommen.65 Dies soll im Ergebnis dafür sorgen, dass das Strafrecht nicht starr und kasuistisch ist und sich verändernden Verhältnissen ohne vorgeschaltetes Gesetzgebungsverfahren anpassen kann. Aber auch Konstellationen, bei denen der Gesetzgeber keinen politischen Konsens erreichen konnte, könnten dann der „justiziellen Entwicklung“ überlassen werden.66 Probleme mit der Aufgabenteilung zwischen Legislative, als derjenigen Gewalt, die abstrakt-generell über Strafbarkeit entscheiden soll und der Judikative als Anwenderin dieser Regeln auf den konkreten Einzelfall würden so durch eine Entscheidung des Gesetzgebers umgangen.67 Insbesondere die Fortentwicklung von Gesetzen sei danach durch ein flexibel formuliertes Strafrecht gewährleistet.68 Rein deskriptive Gesetze könnten hingegen im Ergebnis dazu führen, dass ein „kriminalpolitischer Stillstand“ entstehen würde.69 Bereits hier deutet sich aber an, dass Flexibilität nur auf Kosten der strikten Aufgabentrennung erreicht werden kann und die Entscheidung über Strafbarkeiten der Judikative überlassen wird und sich ein Konflikt mit Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs.2 GG aufdrängt. Hassemer beschreibt dies so, dass jede gesetzgeberische Entscheidung eine Entscheidung auf der Skala von Flexibilität und Präzision darstellt.70 Ob es sich dann dabei überhaupt noch um eine legitime Begründung handeln kann, wird an anderer Stelle erörtert.71

63

P.-A. Albrecht, KritV 1993, 163, 166. Singelnstein, KJ 2011, 7, 13. 65 Singelnstein spricht dabei davon, dass „Staatsanwälte und Richter zu ,Unternehmer ihrer selbst‘ “ werden, vgl. KJ 2017, 7, 13. 66 Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 256. 67 Zum Konflikt mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung siehe Kap. D. VIII. 68 Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 256; für Fälle von Blankettverweisungen im Strafrecht, vgl. Wagner, in: Strafrecht als interdisziplinäre Wissenschaft, S. 99, 113. 69 Bringewat, Grundbegriffe des Strafrechts, S. 88. 70 Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 256. 71 Vgl. dazu Kap. C. II. 1. d). 64

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C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

c) Opferschutz und Wahrung von Opferinteressen Eine Öffnung des Tatbestandes und damit eine Erweiterung der für strafbar zu erachtenden Handlungen wird auch mit dem Gedanken des Opferschutzes begründet.72 So weist die Opferschutzorganisation „Der Weiße Ring“ im Rahmen ihrer Stellungnahme darauf hin, dass es im Falle einer potentiellen Streichung der Öffnungsklausel zu erheblichen Schutzlücken käme und dies zu einer Verschlechterung des Strafrechtsschutzes für die Opfer führen würde.73 Die Verwendung von Öffnungsklauseln enthalte demnach auch eine Gerechtigkeitskomponente und soll durch ihre Ausweitung der (Wieder-)Herstellung ebendieser dienen. Diese Hinwendung des Strafrechts in Richtung Opferschutz zeichnete sich in den letzten Jahrzehnten ab.74 Bei dieser Entwicklung handelt es sich aber unstreitig um eine Hinwendung zum bereits betroffenen Tatopfer. Das „potentielle Tatopfer“ war hingegen im Rahmen der positiven Generalprävention schon lange Zeit im Fokus der Gesetzgebung.75 Dadurch rückten nicht mehr – wie bis dato

72 Auch hier stellt Schlepper einen Anstieg der sog. „opferorientierten Gesetzesbegründungen fest“, vgl. Schlepper, Strafgesetzgebung in der Spätmoderne, S. 123; zum Opferschutz im Strafrecht vgl. auch Kertai, Sicherheit, Risiko und Opferschutz, 2013; Kilchling, Opferschutz innerhalb und außerhalb des Strafrechts, S. 25 ff. insbesondere in Bezug auf das Verfahrensrecht und Schroth/Schroth, Die Rechte des Verletzten im Strafprozess; historisch: J. Hermann, ZIS 2010, 236; Schädler, in: Ambivalenzen der Opferzuwendung im Strafrecht, S. 51, 53, der auf die Bedeutung der Beteiligung des Opfers im Strafverfahren hinweist; zur Rolle des Opfers in der Straftheorie vgl. Hörnle, JZ 2006, 950 ff. und Anders, ZStW 124 (2012), 374, 393 ff.; zu Frauen als Opfer im Strafrecht und insbesondere zur besonderen Betroffenheit bestimmter Deliktsgruppen vgl. Harzer, in: Geschlecht im Recht, S. 96 ff.; Hoffmann-Riem, Kriminalpolitik ist Gesellschaftspolitik, S. 138; für eine stärkere Berücksichtigung des Opfers im materiellen Strafrecht und Strafverfahrensrecht vgl. Neumann, in: Strafrechtspolitik, S. 225, 252. 73 Stellungnahme zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellung des Weißen Rings, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/ Gesetzgebungsverfahren /Stellungnahmen/2016/Downloads/05062016_Stellungnahme_ Weisser_Ring_RefE_Stalking.pdf?__blob=publicationFile&v=1 [zuletzt abgerufen am 10.11.2020]; so auch die CDU im Beratungsverlauf zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, S. 20998, abrufbar unter https://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/18/18209.pdf#P. 20976 [zuletzt abgerufen am 10.11.2020]; so auch Stellungnahme der Deutschen JustizGewerkschaft (DJG) zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellung, S. 3, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsver fahren/Stellungnahmen/2016/Downloads/04252016_Stellungnahme_djg_RefE_Stalking. pdf?__blob=publicationFile&v=1 [zuletzt abgerufen am 10.11.2020]; Stellungnahme des bff: Frauen gegen Gewalt e.V., S. 3, abrufbar unter https://www.bmjv.de/Shared Docs/Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen/2016/Downloads/05042016_Stellungnah me_bff_RefE_Stalking.pdf?__blob=publicationFile&v=1 [zuletzt abgerufen am 10.11. 2020]. 74 Zu den grundsätzlichen Entwicklungen im Strafrecht und Strafprozessrecht in Bezug auf die Hinwendung zum Opfer siehe Jung, ZRP 2000, 159 ff.; siehe auch zur Geschichte der Viktimologie: Sautner, Viktimologie, S. 5 ff.; Hassemer/Reemtsma, Verbrechensopfer, S. 13 ff. 75 Seelmann, JZ 1989, 670.

I. Mit Öffnungsklauseln verfolgte Ziele

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üblich – die*der Täter*in in den Mittelpunkt des Strafrechts und des Strafverfahrens, sondern es erfolgte eine Fokussierung auf die Interessen und Bedürfnisse des Opfers.76 Diese Hinwendung lässt sich auch in den Argumentationslinien im Rahmen des Einsatzes von Öffnungsklauseln erkennen.77 Ob aber der pauschale Verweis auf diese Interessen den Einsatz von Öffnungsklauseln legitimieren kann, erscheint aufgrund der Vagheit des Begriffs zumindest zweifelhaft und wird anderer Stelle genauer erläutert.78 2. Schaffung absoluter Gerechtigkeit Öffnungsklauseln im Strafrecht sollen außerdem durch ihren weiten Anwendungsbereich der Schaffung von absoluter Gerechtigkeit dienen.79 Grundsätzlich ist die Schaffung von Gerechtigkeit, insbesondere im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip, ein erstrebenswertes Ziel.80 Gesetze sollten einem gleichberechtigten und friedlichen Zusammenleben in der Gesellschaft dienlich und auf diese Weise der Gerechtigkeit unterworfen sein. Bereits an dieser Stelle kann aber darauf verwiesen werden, dass dies nicht gleichwohl für den Absolutheitsanspruch von Gerechtigkeit gelten kann.81 Der Erreichung von Gerechtigkeit könnten Öffnungsklauseln auch dienlich sein, indem sie der Judikative die Möglichkeit bieten „offensichtlich ungerechte Entscheidungen des Gesetzgebers zu korrigieren“.82 Denn wenn davon ausgegangen wird, dass die Verwendung von Kasuistik im Strafrecht aufgrund des regel76 Zur sog. Viktimologie siehe umfassend: Görgen, in: Handbuch der forensischen Psychiatrie, S. 236 ff. 77 Durch die generelle Einführung des § 238 StGB sollten insbesondere die Opferrechte gestärkt werden, welche durch das GewaltSchG nicht als ausreichend gesichert angesehen wurden, vgl. dazu Gropp, Neue Kriminalpolitik 2002, 112 ff.; ebenfalls Stellungnahme des Bundesrates zu BT-Drs. 16/575 vom 08.02.2006, Anlage 2, abrufbar unter https://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/005/1600575.pdf [zuletzt abgerufen am 12.11.2020]; so auch die Stellungnahme der Fraktion der SPD zur Streichung der Generalklausel in Bezug auf die Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) BR-Drs. 18/10654 vom 14.12.2016, S. 4: „Die Fraktion der SPD wies die Bedenken insbesondere aus Opferschutzgesichtspunkten als nicht nachvollziehbar zurück.“; so auch Stellungnahme zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellung des Weißen Rings, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen/ 2016/Downloads/05062016_Stellungnahme_Weisser_Ring_RefE_Stalking.pdf?__blob= publicationFile&v=1 [zuletzt abgerufen am 10.11.2020]. 78 Vgl. dazu in dieser Arbeit Kap. C. II. 79 Stöckel, Gesetzesumgehung und Umgehungsgesetze im Strafrecht, 1966, S. 137; Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 15. 80 Höffe, Politische Gerechtigkeit, S. 17, der Gerechtigkeit als einen „Leitgedanken der Zeit“ beschreibt; Kröpil, JR 2013, 553, 554. 81 Vgl. dazu in dieser Arbeit Kap. C. II. 2. 82 Lenckner, JuS 1968, 249, 255.

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C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

mäßig eng gefassten Wortlautes gerade zu einer Missachtung der Gerechtigkeit führt, könnte der Schluss nahe liegen, dass durch eine Erweiterung des Anwendungsbereichs auch eine gerechtere Entscheidung getroffen werden kann. Mit dem Einsatz von Öffnungsklauseln wird insofern die Hoffnung verbunden, dass eine Ausweitung der strafbaren Handlung eine bessere Wahrung insbesondere der Rechte des Opfers zur Folge hat und dadurch ein Zustand absoluter Gerechtigkeit hergestellt werden könnte. Erscheint den Richter*innen ein Verhalten also in gleicher Weise strafwürdig, könne sie*er auf diesem Wege das Verhalten unter den Straftatbestand subsumieren. Diesem Vorgehen wird zugegeben, dass es eine umfassende Bestrafung der Täter*innen ermögliche, die ansonsten trotz vorwerfbarem Verhalten, straffrei davonkommen könnten. So könne zweckmäßig und flexibel auf Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse reagiert werden. Aus einem solchen zweckmäßigen Vorgehen könne gerade die Gerechtigkeit folgen.83 Auch für den Fall, dass die unter den Anwendungsbereich der Öffnungsklausel fallenden Verhaltensweisen bereits von anderen Tatbeständen erfasst werden, wird zum Teil vertreten, dass nur auf diese Art und Weise das gesamte Unrecht angemessen erfasst werden kann und durch eine Aufspaltung die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden erschwert würde.84 Folglich könne es sich bei Öffnungsklauseln, um die – zumindest für das Tatopfer und die Gesellschaft – gerechteste Lösung handeln. Wie noch darzulegen sein wird kann der Argumentationstopos der Gerechtigkeit nicht ohne Weiteres zur Begründung herangezogen werden.85

II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze Nachdem nun die Schließung von Strafbarkeitslücken und die Schaffung von Gerechtigkeit als typische Begründungsmuster für den Einsatz von Öffnungsklauseln herausgearbeitet wurden, ist im folgenden Abschnitt zu fragen, wie diese Begründungsansätze aus verfassungs- bzw. strafrechtlicher Perspektive zu bewerten sind. Grundsätzlich kann die gesetzgebende Gewalt die Zwecke ihres Handelns zwar selbst bestimmen86 und dem Gesetzgeber wird insofern eine weite Einschätzungsprärogative zugestanden.87 Dennoch darf eine gegebene Begründung selbstverständlich nicht wahllos erfolgen. Das folgt für das Strafrecht bereits aus dem Ultima-Ratio-Grundsatz, wonach aufgrund der Schwere des 83

Naucke, KritV 1993, 157. Stellungnahme der BAGFW zum Referentenentwurf, S. 2, abrufbar unter https:// www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen/2016/Downloads/ 05042016_Stellungnahme_BAGFW_RefE_Stalking.pdf?__blob=publicationFile&v=1 [zuletzt abgerufen am 10.11.2020]. 85 Siehe dazu unter Kap. C. II. 2. 86 Maunz/Dürig/Grzeszick, Art. 20 VII. Rn. 111. 87 Appel, Verfassung und Strafe, S. 182. 84

II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze

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staatlichen Eingriffs ein gesteigertes Legitimationsbedürfnis besteht.88 Die folgende Betrachtung wird insoweit zeigen, dass die beiden Hauptbegründungsansätze für den Einsatz von Öffnungsklauseln durchaus problematisch sind. 1. Schließung von Strafbarkeitslücken Inwieweit die Schließung von Strafbarkeitslücken als tragfähiger Begründungsansatz betrachtet werden kann, hängt im Wesentlichen davon ab, in welchem Zusammenhang dieser Zweck zum fragmentarischen Charakter des Strafrechts steht (dazu unter a)) und inwieweit eine solche Schließung Opferschutzgesichtspunkten Rechnung trägt (dazu unter e)). Darüber hinaus könnte auch im Hinblick auf die Wirksamkeit von Strafrecht eine Argumentation in Bezug auf die Schließung von Strafbarkeitslücken kritisch zu betrachten sein (dazu unter b)). a) Schließung von Strafbarkeitslücken und der fragmentarische Charakter des Strafrechts im Allgemeinen Auch wenn der Gesetzgeber gerade zur Schließung dieser Lücken ermächtigt ist,89 muss die allgemeine Argumentation der Schließung von Strafbarkeitslücken kritisch betrachtet werden.90 Denn dieses Bestreben nach der Lückenlosigkeit steht, wie sogleich gezeigt wird, im Widerspruch zum sog. fragmentarischen Charakter des Strafrechts.91 Zur Feststellung, was darunter zu verstehen ist, kann dieser strafrechtliche Grundsatz über das Wort „Fragment“ definiert werden. Nach der gängigen Wortbedeutung ist ein Fragment das Gegenteil von einem Ganzen.92 Es handelt sich bei einem fragmentarischen Strafrecht dann um ein nur teilweise geregeltes und insoweit konsequenterweise lückenhaftes System, bei welchem immer ungere88

Siehe dazu allgemein Hamm, NStZ 2016, 1537. Kertai, JuS 2011, 976, 981. 90 Kühl, in: FS-Stöckl, S. 117, 132; ders., in: FS-Tiedemann, S. 32 ff.; Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 254, danach können Strafbarkeitslücken nicht zur Gesetzesbegründung herangezogen werden. 91 Umfassend zur Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln als Regelungstechnik mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts, vgl. Kap. D. VII.; siehe dazu auch grundlegend Binding, Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, S. 20; Hefendehl, JA 2011, 401, 405 f. begründet, dass es sich beim fragmentarischen Charakter des Strafrechts, um einen Grundsatz von Verfassungsrang handelt; Prittwitz, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 387; Vormbaum, ZStW 123, (2011), 660; Maiwald, in: FS-Maurach, S. 9 ff.; Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 87, wobei das Verhältnis zum Subsidiaritätsprinzip unklar bleibt, näher dazu vgl. Kap. D. VII. 3. 92 Vgl. dazu die Wortbedeutung im Duden, abrufbar unter https://www.duden.de/ rechtschreibung/Fragment [zuletzt abgerufen am 29.07.2021], wonach ein Fragment ein „Bruchstück“ ist. 89

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C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

gelte Bereiche verbleiben,93 soweit nicht alle denkbaren Verhaltensweisen unter Strafe gestellt werden. Genauer gesagt, aus dem großen Teil der Verhaltensweisen, die strafwürdig erscheinen könnten, wird nur ein Teil unter Strafe gestellt und kann überhaupt nur unter Strafe gestellt werden.94 Diese Fragmente beziehen sich sowohl auf die Strafrechtsordnung als Ganzes, als auch auf die Fassung einzelner Tatbestände.95 Notwendige Konsequenzen, um den fragmentarischen Charakter des Strafrechts beizubehalten, sind die Beachtung der in Art. 103 Abs. 2 GG normierten Garantien96 und eine zurückhaltende Strafgesetzgebung.97 So handelt es sich im Ergebnis eher um ein Prinzip, auf dessen Verwirklichung aktiv hingearbeitet werden muss, als um einen dem Strafrecht automatisch innewohnenden Charakterzug. Auf Grundlage dessen kann man nach Kaspar den fragmentarischen Charakter des Strafrechts als „das Freibleiben bestimmter Bereiche und Handlungsweisen von jeglicher strafrechtlichen Kontrolle“ verstehen.98 Strafrecht kann und soll gerade niemals umfassend, sondern immer nur lückenhaft sein. Strafbarkeiten bilden gerade die Ausnahme und Straflosigkeit ist der sog. Naturzustand.99 Binding, der erstmals die Feststellung der Fragmentarität in Bezug auf das Strafrecht traf, fasste diese aber gerade nicht als Stärke auf, sondern als eine untragbare Schwäche des strafrechtlichen Systems.100 Er sah das Strafrecht als durch den Erlass von Gelegenheitsgesetzen geprägt, das Strafrecht nehme als zu regelnde Materie gerade nur das auf, was ihm „vor die Füße gespült wird“.101 Es würden folglich nur einzelne Delikte als zu bestrafende Verhaltensweise betrachtet und es werde dadurch gerade nicht in einem großen Ganzen gedacht. Das führe im Ergebnis dazu, dass neben den vielen mit Strafe belegten Delikten, benachbarte Handlungen straflos blieben, woraus sich die grundsätzliche Neigung ergeben könne, diese entstehenden Lücken zu schließen. Auf Grund dessen handele es sich, nach Binding, beim fragmentarischen gerade um den größten Mangel des Strafrechts, weshalb Binding auch ausdrücklich Analogien im Strafrecht befürwortet.102 93 Tiedemann spricht dabei nicht von Lücken, sondern von „strafrechtsfreien Räumen“, vgl. ders., Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht, S. 18. 94 Maiwald, in: FS-Maurach, S. 9, 10; zum Begriff der Strafwürdigkeit vgl. in dieser Arbeit Kap. D. VII. 4. 95 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zum Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht, S. 28 f. 96 Dazu unter Kap. D. VII. 1. 97 Naucke, Strafrecht, S. 64 f. 98 Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 252. 99 Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 689. 100 Binding, Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, S. 20. 101 Binding, Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, S. 20. 102 Binding, Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, S. 21.

II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze

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Dies entspricht aber nicht mehr der heute herrschenden Meinung.103 Dieser teilweise Schutz durch das Strafrecht soll hingegen gerade dem Schutz von Rechtsgütern dienen.104 Dem Grundsatz des fragmentarischen Strafrechts liegt die Vorstellung zu Grunde, dass eine restriktive Anwendung des Strafrechts der Wirksamkeit nur zuträglich sein kann und allein der Verweis auf bestehende Lücken gerade nicht deren Schließung rechtfertige, sondern Ausdruck eines liberalen Strafrechts sei.105 Auf Grundlage dieser positiven Bedeutung des fragmentarischen Charakters des Strafrechts lässt sich feststellen, dass die Schließung von strafrechtlichen Lücken ihrerseits begründungsbedürftig ist,106 und nicht andersherum Strafbarkeitslücken zur Begründung bei der Schaffung gesetzlicher Tatbestände herangezogen werden dürfen. Die Schließung von solchen Strafbarkeitslücken ist damit nicht insgesamt ausgeschlossen, darin kann aber keine Begründung des Lückenschlusses bestehen. Diese Argumentationsstruktur des Bedürfnisses nach Lückenschließung wird, wie oben bereits dargelegt, auch im Rahmen der Öffnungsklauseln verwendet. Danach soll für strafbar empfundenes Verhalten bestrafbar sein, auch wenn der Gesetzgeber diese Form der Tatbegehung abstrakt nicht vorhergesehen und folglich nicht unter Strafe gestellt hat. Diese Argumentation der Lückenschließung kann zum einen aufgrund der Notwendigkeit der strikten Umsetzung des Bestimmtheitsgrundsatzes und aufgrund des Analogieverbotes und zum anderen, um die Freiheit des Einzelnen nicht übermäßig einzuschränken und den Ausnahmecharakter des Strafrechts beizubehalten, nicht pauschal eingesetzt werden. Insbesondere dann nicht, wenn das Rechtsgut grundsätzlich bereits durch den vorliegenden Tatbestand geschützt wird und es tatsächlich nur darum geht, weitere, noch nicht näher bestimmbare Verhaltensweisen unter den Tatbestand subsumieren zu können. Erkennt man den fragmentarischen Charakter des Strafrechts an, dann kann die Schließung von Strafbarkeitslücken im Allgemeinen keine tragfähige Begründung für den Einsatz von Öffnungsklauseln im Strafrecht darstellen. 103 Zum fragmentarischen Charakter des Strafrechts aus der neueren Literatur siehe insbesondere Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660 zur besonderen Bedeutung des fragmentarischen Charakters als Argumentationstopos; Naucke, Strafrecht, S. 64; Kühl, in: FS-Tiedemann, S. 29; Hefendehl, JA 2011, 401; Zaczyk, ZStW 123 (2011), 691 versteht das fragmentarische Strafrecht als Übergangssituation; Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 87; Leutheusser-Schnarrenberger, ZStW 123 (2011), 651 auch kritisch zur politischen Forderung der Schließung von Strafbarkeitslücken; Prittwitz, StV 1991, 435, 440 am Beispiel des Umweltstrafrechts; ders., in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 387 ff., der für eine formall-empirische Begriffsbestimmung argumentiert. 104 Kulhanek, ZIS 2014, 674. 105 Kühl, in: FS-Stöckl, S. 117, 132; im Ergebnis u. U. auch Liszt, Aufsätze und Vorträge, Bd. I, S. 161 f.: „Der Zweckgedanke aber verlangt Anpassung des Mittels an den Zweck und möglichste Sparsamkeit in seiner Verwendung.“ 106 Kühl, in: FS-Tiedemann, S. 29, 37.

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C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

b) Strafbarkeitslücken und Wirksamkeit des Strafrechts im Allgemeinen Der Legitimität der Schließung von Strafbarkeitslücken könnte darüber hinaus auch die Wirksamkeit des Strafrechts entgegenstehen, sodass eine Schließung von Lücken nicht als hinreichend tragfähige Begründung angesehen werden könnte.107 Denn Strafe kann durch seine Rechtsfolgen der Geld- oder Freiheitsstrafe ein erheblich zerstörerischer Charakter zugesprochen werden.108 Wenn Strafe, wie es der fragmentarische Charakter des Strafrechts nahelegt, im Rahmen eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses gerade die Ausnahme bildet und dies mit der Wirkweise von Strafrecht begründet wird, dann kann eine Ausweitung des Strafrechts mit dem Ziel der Schließung von Strafbarkeitslücken dafür sorgen, dass das Strafrecht unwirksam oder zumindest weniger wirksam wird und folglich die Legitimation der Schließung von Strafbarkeitslücken in der Zwecksetzung eines Gesetzes bezweifelt werden könnte.109 Eine erhöhte Anwendung des Strafrechts könnte gerade dazu führen, dass sich ein gewisser Abnutzungseffekt einstellt, der der Wirksamkeit von Strafe abträglich ist. Ein Wirksamkeitsverlust setzt aber voraus, dass Strafrecht überhaupt Zwecken folgt und diesen eine Wirkweise zugesprochen wird. Bereits an dieser Stelle sei gesagt, dass die folgende Darstellung der Strafzwecke stark verkürzt ist. Eine ausführliche Diskussion der Wirksamkeit von Strafe anhand der Strafzwecktheorien ist an dieser Stelle weder möglich noch für den Untersuchungsgegenstand erforderlich.110 Im Folgenden soll lediglich dargelegt werden, inwieweit Strafe eine Wirksamkeit zugesprochen werden kann und wie sich diese zum Einsatz von Öffnungsklauseln verhalten könnte.

107 K. Peters, ZStW 1965, 470, 471; Stolle, StudZR 2006, 27, 31; zur Wirksamkeit von Strafe vgl. auch Schöch, in: Kriminologie und wissensbasierte Kriminalpolitik, S. 64; Roxin, Strafrechtliche Grundlagenprobleme, vgl. S. 1, zur Rechtfertigungspflicht von Strafe; historisch sah bereits Liszt die Erforderlichkeit die Wirkung von Strafe zu untersuchen, vgl. dazu Liszt, Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge, Bd. II, S. 293: „Auch auf diesem Gebiet stehen wir noch in allerersten Anfängen der wissenschaftlichen Arbeit.“ 108 K. Peters, ZStW 1965, 470, 475. 109 K. Peters, ZStW 1965, 470, 471; zur Schwierigkeit der empirischen Arbeit mit Legalbewährungsdaten siehe: Meier, Kriminologie, S. 275. 110 Vgl. dazu zur Spezialprävention etwa Weigend, ZStW 94 (1982), 801, 805 ff.; Kunz/Singelnstein, Kriminologie, S. 337 zum Widerspruch zwischen empirischen Befunden und Kriminalpolitik; zu Kohortenstudien vgl. etwa Farrington/Coid/West, MschKrim 92 (2009) 160 ff., die die Delinquenz von Männern zwischen ihrem 8. und 50. Lebensjahr durch Interviews gemessen hat; Andrews/Zinger/Hoge u. a., Criminology 1990, 369 ff. zur Bedeutung des Behandlungsgedankens; zur Jugendkriminalität vgl. insbesondere Boers/Walburg/Reinecke, MschKrim 89 (2006), 63 ff.

II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze

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aa) Generelle Wirksamkeit von Strafrecht Strafe generell und damit Strafrecht grundsätzlich wirkt, indem es eine Rechtsfolge setzt und infolgedessen eine Veränderung der rechtlichen Position herbeiführt. Dabei unterscheidet sich das Strafrecht von anderen Rechtsgebieten dadurch, dass die Rechtsfolge in der Setzung einer Sanktion, also in der Zufügung eines Übels, besteht. Jedes Strafgesetz führt durch die Strafandrohung im Falle einer Verurteilung eine Rechtsfolge herbei. Aus der Setzung einer Rechtsfolge ergibt sich aber noch keine Wirksamkeit im Sinne einer Zweckerreichung. Gestraft werden darf nur, um einen legitimen Zweck zu erfüllen.111 Die Sprache von der Wirksamkeit von Strafe ist also grundsätzlich ungenau. Gemeint ist vielmehr der übergeordnete Zweck, den das Strafrecht durch die Setzung der Sanktion verfolgt und die Erreichung eben jenes Zwecks. Um die Wirksamkeit von Strafe zu bestimmen, ist zu untersuchen, inwieweit die verfolgten Strafzwecke durch Sanktion erreicht werden. Denn die Wirksamkeit von Strafe ergibt sich gerade nicht aus der verbindlichen Festsetzung durch den Gesetzgeber allein.112 Die Strafzwecke sind in §§ 46, 47 StGB normiert. Primär geht es um den Ausgleich der Schuld der*des Täterin*Täters, § 46 Abs. 1 S. 1 StGB. Als Strafzweck kann also zum einen der Schuldausgleich sowohl gegenüber dem Tatopfer und dessen Angehörigen als auch gegenüber der Gesellschaft genannt werden.113 Roxin fasst diesen Vergeltungsgedanken wie folgt zusammen: „[Strafe] muss sein, damit Gerechtigkeit herrschen soll.“114 Daraus folgt, dass sich die Strafe aus sich selbst heraus legitimiert. Darüber hinaus wird im Rahmen der heutzutage herrschenden relativen Straftheorien zwischen den sog. generalpräventiven und spezialpräventiven Strafzwecken unterschieden.115 Unter der spezialpräventiven116 Wirkung von Strafe wird 111 Brandenstein, in: FS-Kury, S. 357; Prittwitz, StV 1991, 435, 441; zum Zusammenhang von Zweckmäßigkeit, Strafe und Gerechtigkeit vgl. Liszt, Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge, Bd. I, S. 126; zu Sinn und Zweck der Strafe vgl. NK-StGB/Hassemer/Neumann, Vorbm. § 1 Rn. 105 ff., wonach Strafe „nur in Hinblick auf soziale Notwendigkeit“ zu rechtfertigen ist; zum Verhältnis von Gerechtigkeit und Strafe vgl. auch Neumann, in: Gerechtigkeit – Theorie und Praxis, S. 128 f. 112 Meier, Kriminologie, S. 274. 113 BGH 12.07.1995 – 2 StR 60/95 = NStZ 1995, 595, 596. 114 Roxin, Strafrechtliche Grundlagenprobleme, S. 2. 115 Zusammenfassend zu den verfolgten Zwecken vgl. Frisch, NStZ 2016, 16, 17 f.; allgemein zu den relativen Straftheorien vgl. Dölling, in: FS-Lampe, S. 597, 602; Grimm, KritV 1986, S. 38; Otto, Generalprävention, S. 21 ff.; LK-StGB/Theune, Vorbm. § 46 Rn. 25; Albrecht, ZStW 97 (1985), 831, 834 insbesondere zu Spezialprävention und Resozialisierung; Schmidtchen, in: FS-Lampe, S. 250; Hoerster, GA 1970, 272; Müller-Dietz, in: Ist die lebenslange Freiheitsstrafe verfassungswidrig?, S. 91, im Schwerpunkt zur individual- und generalpräventiven Funktion von lebenslanger Freiheitsstrafe.

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C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

zum einen die Individualabschreckung potenzieller Täter*innen (negativ) und zum anderen die Resozialisierung bzw. die Vermeidung der Entsozialisierung der Ersttäter*innen (positiv) verstanden. Die Generalprävention117 adressiert Strafe hingegen, wie bereits die Wortbedeutung indiziert, an die Allgemeinheit. Zweck ist dabei einerseits das Vertrauen der Gesellschaft in die Rechtsordnung zu bestätigen (positiv, vgl. § 47 Abs. 1, § 56 Abs. 3, § 59 Abs. 1 Nr. 3 StGB) und andererseits die Abschreckung der Allgemeinheit (negativ).118 Insbesondere im Bereich der Strafgesetzgebung, also der Entscheidung über die Androhung von Strafe, finden generalpräventive Erwägungen ihren Platz, da diese sich – vor allem bei neuen Delikten – gerade nicht auf spezielle (bereits tätig gewordene) Täter*innen beziehen.119 Die absoluten Straftheorien sind dagegen in die Vergangenheit gerichtet120: Danach dient Strafe der Vergeltung des durch die Tat erfolgten Unrechts (sog. 116 Die Spezialprävention wurde insbesondere durch Liszt geprägt, siehe dazu: Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge, Bd. I, S. 133 ff.; zum Teil wird auch eine Differenzierung zwischen personenorientierten und normorientierten Straftheorien gefordert, vgl. dazu Hörnle, JZ 2006, 950, 954; dies., Straftheorien, S. 33; ebenso Montebruck, Deutsche Straftheorie, S. 143; umfassend und kritisch auch: Albrecht, ZStW 97 (1985), 831; Bock, ZStW 102 (1990), 504 insbesondere zur Abkehr vom Behandlungs- und Resozialisierungsgedanken; Dölling, in: FS-Lampe, 2003, S. 597. 117 Deren prominentester Vertreter wohl Feuerbach ist, vgl. Revision der Grundsätze und Grundbegriffe des positiven peinlichen Rechts, S. 43 f.; Naucke, in: Hauptprobleme der Generalprävention, S. 15 ff.; Baurmann, GA 1994, 368, 371. 118 Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden peinlichen Rechts, S. 18; Jakobs, Schuld und Prävention, 1976; ders., ZStW 101 (1989), 516: „Generalprävention durch Einübung der Normanerkennung“; in Reaktion darauf: Bloy, ZStW 103 (1991), 636; Badura, JZ 1964, 337, 338; und Feijoo Sánchez, in: FS-Jakobs, S. 75, 84; zur Generalprävention als Strafzumessungsgrund: Roxin, JuS 1966, 377, 380; NKStGB/Streng, § 46 Rn. 33 ff., 42 ff.; MüKo-StGB/Miebach/Maier, § 46, Rn. 38; Fischer-StGB, § 46 Rn. 7 ff.; wobei insbesondere im Rahmen der positiven Generalprävention problematisch ist, dass diese die Bestraften zu Objekten des Staates macht, indem sie diese nutzt, um die Rechtsgeltung gegenüber den anderen Bürger*innen zu demonstrieren, vgl. dazu Calliess, NJW 1989, 1338, 1340; Baurmann, GA 1994, 368 zur empirischen Überprüfbarkeit; Dölling, ZStW 102 (1990), 1, 19 unter Verweis auf eine unzureichende empirische Datenlage zur Generalprävention; A. v. Hirsch/Hörnle, GA 1995, 261; Otto, Generalprävention, 1982. 119 Roxin, Strafrechtliche Grundlagenprobleme, S. 12 ff.; Hassemer, in: Hauptprobleme der Generalprävention, S. 29 ff. 120 Absolute Straftheorien finden ihren Ursprung bei Kant, Metaphysik der Sitten und Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts; vgl. dazu aufschlussreich: Wolff, ZStW 97 (1985), 786; Seelmann, in: Strafe – Warum?, S. 79 ff.; ders., Anerkennungsverlust und Selbstsubsumtion – Hegels Straftheorien, 1995; einschränkend zur Einordnung Kants im Bereich der Vergeltungstheorie: im Vergleich zur relativen Straftheorie vgl. Bloy, in: FS-Frisch, S. 59, 69 f.; Küper, in: FS-Jung, S. 485, 494, im Verhältnis von Feuerbach und Kant; Hörnle, in: Strafe – Warum? S. 12; zustimmend: Weigend, in: Strafe – Warum? S. 31; ebenfalls zum Verhältnis Streng, in: FS-Heinz, S. 677; siehe dazu auch Rengier, Strafrecht AT; § 3 Rn. 10; Frister, Strafrecht AT, Kap. 2 Rn. 3; gegen den dualistischen Ansatz der absoluten und relativen Straftheorie vgl. Hörnle, Straftheorien, S. 3; dies., in: FS-Roxin, S. 315 f.; Baumann/Weber/Mitsch/Eisele/Eisele, § 2

II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze

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Vergeltungstheorie) und soll der Wiederherstellung der Rechtsordnung dienen, die durch den Normverstoß gerade verletzt wurde (Sühnetheorie). Absolute Straftheorien zeichnen sich also gerade dadurch aus, dass sie „von ihrer gesellschaftlichen Wirkung unabhängig“121 sind. Aus diesem Grund werden sie, losgelöst davon, inwieweit sie heute noch vertreten werden, bei der folgenden Wirksamkeitsanalyse außer Betracht gelassen. Eine Wirksamkeit im Sinne der oben genannten durch Strafe und damit durch Strafrecht verfolgten (relativen) Zwecke bedarf aber einer empirischen Überprüfbarkeit eben jener Zwecke. Sind die Zwecke nicht überprüfbar, kann weder eine Wirksamkeit begründet noch negiert werden. Die Überprüfung der Strafzwecke auf ihre tatsächliche Wirksamkeit hin ist Aufgabe der Sanktionsforschung und aufgrund der multifaktoriellen Beeinflussung nicht immer ohne weiteres möglich. Dazu gesellen sich auch eine Reihe von methodischen Problemen.122 Eine Möglichkeit zu überprüfen, ob dieses Ziel erreicht wird, ist die Analyse von Rückfallzahlen, also anhand des Kriteriums der Legalbewährung.123 Dennoch kann aufgrund der Schwierigkeiten der empirischen Überprüfung der Wirksamkeit von Strafe bisher keine allgemeingültige Aussage getroffen werden. Zumindest können die bisherigen Untersuchungen aber eine Tendenz in Bezug auf die Wirksamkeit aufzeigen. (1) Empirische Befunde zur Spezialprävention Im Rahmen der empirischen Forschung124 zur Spezialprävention wurde lange Zeit vom sog. „nothing works“-Grundsatz ausgegangen, dem die Annahme zugrunde liegt, dass Strafe niemals eine resozialisierende Wirkung aufweist und insoweit niemals einen Nutzen hat und somit strafbegleitende Maßnahmen keine Geltung beanspruchen können. Neuere empirische Untersuchungen haben aber gezeigt, dass Strafe durchaus eine resozialisierende Wirkung aufweisen kann, wenn die dafür angewendeten Maßnahmen z. B. im Rahmen des Strafvollzugs auf die Biografie und die Bedürfnisse der Täter*innen abgestimmt werden.125 Rn. 43 ff.; weniger kritisch: Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 70 ff.; aus der neueren Literatur zur Bedeutung Pawlik, Person, Subjekt, Bürger. Zur Legitimation von Strafe, S. 54 ff.; Hirsch, in: Strafe – Warum? Gegenwärtige Strafbegründungstheorien, S. 44; Kahlo, in: FS-Hassemer, S. 383. 121 Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 129. 122 Meier, Kriminologie, S. 275, teilweise wird behauptet, dass die Wirksamkeit des Strafrechts quasi kaum empirisch überprüfbar ist, vgl. Prittwitz, StV 1991, 435, 436. 123 Stolle, StudZR 2006, 27, 31; so z. B. Tetal/Hohmann-Fricke/Jehle, Legalbewährung nach strafrechtlichen Sanktionen, wobei diesen nur eine bedingte Aussagekraft zukommt. 124 Zusammenfassend dazu: Meier, JZ 2010, 112. 125 Andrews/Zinger/Hodge u. a., Criminology 1990, 369 ff., danach sind Strafen dann am effektivsten, wenn den Faktoren risk, criminogenic needs und responsivity Rechnung getragen wird (besser bekannt als das RNR-Prinzip); so auch Lösel, ZJJ 2013, 267, 268.

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C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

Sanktionsart und Härte der Sanktion sind dabei in gewissem Maßen austauschbar.126 Dies gilt insbesondere in Hinblick darauf, dass härtere Sanktionen gegenüber milderen Sanktionen nicht zwingend eine Verringerung des Rückfallrisikos bedeuten.127 Aus diesen Ergebnissen lässt sich zumindest ableiten, dass Strafe eine grundsätzliche Wirkung aufweisen und unter gewissen Gesichtspunkten spezialpräventive Effekte erzielen kann.128 Aber die Tatsache, dass eine Resozialisierung gelingen kann, muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass mit den Täter*innen die dafür erforderlichen Maßnahmen und Anwendungen auch immer durchgeführt werden. (2) Empirische Befunde zur Generalprävention Abschreckung im Sinne der negativen Generalprävention bedeutet die Erfahrung unangenehmer Gefühle durch die Vorstellung eines Übels, welches dann dazu bewegt, dieses Übel durch die Einhaltung der Regeln abwenden zu wollen.129 Abschreckung im Sinne der Generalprävention ist auf der Makroebene zu verstehen, d. h. der Fokus liegt hier nicht auf der Abschreckung Einzelner, sondern der Gesellschaft als solcher.130 Die Abschreckungswirkung beruht auf der Einsicht, dass es für die Bürger*innen i. d. R. besser ist, sich normkonform zu verhalten. Wie sich dann die*der Einzelne im konkreten Fall entscheiden, ist nicht ausschlaggebend, da die Mikroebene im Bereich der Generalprävention in der Regel nicht untersucht wird. In der Theorie wird die Kenntnis des konkreten Gesetzes, dass das Verhalten mit Strafe bedroht, gerade nicht vorausgesetzt. Die generalpräventive Wirkung beansprucht auch heute noch Geltung, insbesondere, wenn die Erhöhung von Strafrahmen diskutiert wird, denn dieser wird dann i. d. R. mit der höheren Abschreckungswirkung begründet. Zur empirischen Überprüfung der Wirksamkeit von Strafe i. S. d. Generalprävention werden entweder Daten auf der „Makroebene“ oder auf der „Mikro126

Meier, Kriminologie, S. 278. Tetal/Hohmann-Fricke/Jehle, Legalbewährung nach strafrechtlichen Sanktionen, S. 202 differenziert hier zwischen Freiheits- und Geldstrafen: Bei Freiheitsstrafen weisen kürzere Freiheitsstrafen eine höhere Rückfallquote auf, wohingegen sich eine solche Differenz bei den Tagessätzen der Geldstrafen nicht feststellen lässt, S. 196, 202. 128 Zusammenfassend zu einer umfassenden Meta-Analyse m.w. N.: Pintarelli, ZJJ 2014, 226, 262 ff.; Greco nennt dies „Klugheitsgründe“, die Tat nicht zu begehen, vgl. Greco, Lebendiges und Totes in Feuerbachs Straftheorie, S. 359. 129 Greco, Lebendiges und Totes in Feuerbachs Straftheorie, S. 356; inwieweit die positive Generalprävention empirisch überprüfbar ist oder sein sollte, ist strittig, vgl. dazu befürwortend Kaspar, in: Strafen im Namen des Volkes? S. 74 ff.; Schöch, in: Der Sachverständige im Strafrecht Kriminalitätsverhütung, S. 96; ablehnend: Jakobs, ZStW 1995, 843, 844; Meier, Kriminologie, S. 30; Albrecht, Kriminologie, S. 60 verweist auf die Studie von Schöch, in: FS-Jescheck, S. 1081 ff., der daraus eine empirische Nachweisbarkeit der Generalprävention ableiten will. 130 Greco, Lebendiges und Totes in Feuerbachs Straftheorie, S. 361. 127

II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze

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ebene“ erhoben und untersucht.131 Insgesamt gestaltet sich der Nachweis eines abschreckenden Effektes von Strafe auf Grund der multifaktoriellen Beeinflussung von Personen, die sich gegen eine Tatbegehung entscheiden, als schwierig.132 Es stehen dabei in der Regel unterschiedliche Einflussfaktoren auf das Maß der abschreckenden Wirkung im Fokus, wie z. B. die Höhe der Strafandrohung oder die Bestrafungswahrscheinlichkeit. Zunächst einmal könnte man davon ausgehen, dass Strafe keine abschreckende Wirkung zukommt, da unstreitig trotz gesetzlicher Normierung tagtäglich Straftaten begangen werden.133 Dem wird allerdings entgegengehalten, dass die abschreckende Wirkung des Strafrechts gerade nur ein Element ist und Strafe unterschiedliche Wirkungsweisen zukommen. Da trotz Strafandrohung dennoch Straftaten begangen werden, kann der Grundsatz der Generalprävention gerade keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben.134 Daraus kann aber dennoch nicht geschlossen werden, dass Strafe gerade keine abschreckende Wirkung i. S. d. Generalprävention zukommt. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die abschreckende Wirkung eine permanente und keine punktuelle Wirkung auf jedes Individuum hat.135 Dennoch legen die Untersuchungen nahe, dass das Strafrecht als solches nur einen geringen abschreckenden Effekt aufweist, da sich normkonformes Verhalten häufig auf soziale Kontrolle z. B. der Eltern oder des sozialen Umfeldes zurückführen lässt.136 Es kann festgestellt werden, dass sich eine abschreckende

131 Dölling, ZStW 102 (1990), 1, 3; Meier, Kriminologie, S. 282; zu unterschiedlichen Forschungsdesigns vgl. auch Schöch, in: Der Sachverständige im Strafrecht Kriminalitätsverhütung, S. 98. 132 So auch Vormbaum, ZStW 107 (1995), 734, 759 m.w. N., der davon ausgeht, dass die generalpräventive Wirkung von Strafe kaum empirisch überprüfbar ist; zur unklaren Datenlage vgl. auch Eisele, Die general- und spezialpräventive Wirkung strafrechtlicher Sanktionen. Methoden, Ergebnisse, Metaanalyse; zur generalpräventiven Wirkung der Geldstrafe vgl. Albrecht, in: Empirische Kriminologie, S. 318, wonach die Angst vor eine Bestrafung nur eine untergeordnete Rolle spielt. 133 Ablehnend zur abschreckenden Wirkung des Strafrechts ebenfalls: Jakobs, Strafrecht AT, S. 21; Kaiser, Kriminologie, S. 259 ff.; zur Bedeutung, die Untersuchungen nach Deliktsart aufzuschlüsseln, vgl. Curtie, ZRP 1999, 234, 235. 134 Haffke, Tiefenpsychologie und Generalprävention, S. 80. 135 Haffke, Tiefenpsychologie und Generalprävention, S. 82. 136 Meier, Kriminologie, S. 285; zustimmend ebenfalls Curtie, ZRP 1999, 234, 236; zusammenfassend und insgesamt kritisch auch Andrissek, Vergeltung als Strafzweck, S. 93; zur abschreckenden Wirkung im Jugendstrafrecht siehe Dölling/Hermann, in: Achtung (für) Jugend!, 2012, S. 427 ff.; so auch die Ergebnisse der Göttinger Generalpräventionsforschung, vgl. zusammenfassend Schöch, in: Der Sachverständige im Strafrecht Kriminalitätsverhütung, S. 101 ff.; zum Zusammenhang zufälliger Messfehler und dem Abschreckungseffekt von Strafe vgl. Dölling/Hermann, in: Kriminalität, Ökonomie und Europäischer Sozialstaat, 156 f.; eine solche Wirkung lässt sich bei der Androhung einer lebenslangen Freiheitsstrafe für die Verwirklichung empirisch nicht feststellen, vgl. Kaiser, in: Ist die lebenslange Freiheitsstrafe verfassungswidrig?, S. 115, 121.

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C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

Wirkung anhand der vorliegenden Untersuchungen insgesamt aus der Verbindung der „moralischen Verbindlichkeit der Norm und [der] Verbreitung der Normakzeptanz“137 ergibt. Es ist danach jede strafrechtliche Normierung als Kennzeichnung eines Unwerturteils maßgeblich, die Strafhöhe ist nicht ausschlaggebend für eine abschreckende Wirkung.138 Insgesamt kann aus den bisherigen Forschungsergebnissen geschlossen werden, dass man dem Strafrecht dadurch die abschreckende Wirkung nicht vollends absprechen darf, da diese in einem wechselseitigen Verhältnis zu den weiteren Einflussfaktoren steht.139 Außerdem zeigt sich, dass insbesondere der Wahrscheinlichkeit einer Strafe schon im geringen Ausmaß eine erhöhte abschreckende Wirkung zukommt.140 Selbst wenn man dabei dem Risiko der Entdeckung die abschreckende Wirkung zuspricht, so darf nicht vernachlässigt werden, dass das Entdeckungsrisiko nur dann in die Kalkulation des Tatgeneigten einfließen kann, wenn dieser vom Verbot seines Verhaltens Kenntnis erlangt hat.141 Zudem zeigte sich aber auch, dass generell die Abschreckungswirkung bei leichten Delikten größer ist als bei schwereren Delikten.142 Insgesamt kann also zumindest partiell eine abschreckende Wirkung von Strafe, auch wenn diese im Wesentlichen auf soziale Kontrolle und das Entdeckungsrisiko zurückzuführen ist, angenommen werden. Daraus lässt sich insgesamt schließen, dass Strafe wirksam sein kann. Schließlich ist in einem letzten Schritt zu überprüfen, ob und inwieweit Strafbarkeitslücken bzw. deren Schließung die Wirksamkeit von Strafe beeinflussen können. bb) Verlust der Wirksamkeit durch den Einsatz von Öffnungsklauseln Dem oben dargelegten Argumentationsmuster folgend stellt sich dann an dieser Stelle die Frage, ob eine Ausweitung von Strafbarkeit nachweislich zu einer Minderung der Wirksamkeit des Strafrechts führt. Ob also eine Ausweitung des Anwendungsbereichs einer Norm zu einem „zu viel“ der Strafbarkeit führen kann, sodass einzelne Strafen an Wirkung verlieren. Dies kann schon deshalb bezweifelt werden, da sich gerade die Wirksamkeit nicht uneingeschränkt empirisch nachweisen lässt, da die Wirksamkeit multifak137 Stolle, StudZR 2006, 27, 34; Dölling, ZStW (102) 1990, 1, 7 m.w. N.; so wohl im Ergebnis auch Kaspar, in: Strafen im Namen des Volkes?, S. 72. 138 Schöch, in: FS-Jescheck, S. 1081, 1104; anders jedoch Curtie, ZRP 1999, 234, 236, wobei beachtet werden muss, dass dieser in seiner Analyse nur bestimmte Deliktstypen in den Blick genommen hat, bei denen es sich nicht um klassische Affekt-Taten handelt. 139 Meier, Kriminologie, S. 285, mit Verweis auf Albrecht, in: Empirische Kriminologie, 318 ff. 140 Vilsmeier, MschKrim 1990, 273. 141 Roxin, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 113, 116. 142 Meier, Kriminologie, S. 286.

II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze

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toriell beeinflusst wird.143 Das lässt darauf schließen, dass keine eindeutige Aussage darüber getroffen werden kann, ob und inwieweit Öffnungsklauseln durch ihren erweiterten Anwendungsbereich zu einer (Un-)Wirksamkeit des Strafrechts führen können. Grundsätzlich ist der Gedanke des Regel-Ausnahme-Verhältnisses im Strafrecht durchaus nachvollziehbar. Dennoch lässt sich nicht feststellen, ob spezialpräventive oder generalpräventive Effekte nur eine (zahlenmäßig) beschränkte Wirksamkeit aufweisen. Ob eine Erweiterung der Strafbarkeit also gleichzeitig mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer Einschränkung der Wirksamkeit des Strafrechts im Sinne der verfolgen Strafzwecke führt, kann auf Grundlage der bisherigen Datenlage nicht geschlussfolgert werden. Allerdings können gerade Zweifel an der Effektivität des Strafrechts eine solche Begrenzung des Strafrechts begründen.144 Denn ein Mittel, bei dem nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, ob und wie es wirkt, sollte grundsätzlich mit Vorsicht eingesetzt werden. Dann muss das entsprechende Gegenargument sich aber auf die Ungewissheit bzgl. der Wirksamkeit beziehen und gerade nicht auf die Einschränkung der Wirksamkeit durch eine entsprechende Erweiterung des Strafrechtsschutzes. Über diese lässt sich bereits generell keine hinreichende Aussage treffen. cc) Zwischenergebnis Im Hinblick auf die Wirksamkeit ist die Legitimität des Begründungsansatzes nicht zu bezweifeln. Es kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass Strafrecht und auch dem Einsatz von Strafen, wie Geld- oder Freiheitsstrafen, eine empirische, wenn auch nur bedingt nachweisbare Wirksamkeit zugesprochen werden kann. Allerdings lässt sich gerade nicht feststellen, dass ein erweiterter Einsatz des Strafrechts zu einer geringeren Wirksamkeit eben desselben führt. Insoweit steht dem Argumentationstopos der Schließung von Strafbarkeitslücken nicht die Annahme entgegen, dass eine solche Lückenschließung die Wirksamkeit des Strafrechts beeinträchtigt. c) Vermeidung von Gesetzesumgehungen Zuvor wurde bereits angedeutet, dass die Umgehung von Strafbarkeitslücken als legitimer Zweck nur bedingt herangezogen werden kann. Auch wenn insgesamt die Vermeidung von Gesetzesumgehungen im Hinblick auf den strafrechtlich bezweckten Rechtsgüterschutz notwendig sein könnte, so erscheint problematisch, dass zu einer wirksamen Bekämpfung gesetzesumgehenden Verhaltens 143 144

Stolle, StudZR 2006, 27, 35. Prittwitz, StV 1991, 435, 437.

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C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

zwangsläufig Regelungen erforderlich sind, die einen Ähnlichkeitsschluss zulassen. Bei der Nutzung von Öffnungsklauseln zur Vermeidung bewusster Gesetzesumgehungen kann allerdings dem Gesetzgeber gerade selbst ein solches gesetzesumgehendes Verhalten vorgeworfen werden: Strafbares Verhalten darf aufgrund des verfassungsrechtlich normierten Analogieverbotes gerade nicht durch einen Ähnlichkeitsschluss geschaffen werden (Art. 103 Abs. 2 GG).145 Insbesondere der Judikative ist es auch bei offensichtlichen Gesetzesumgehungen untersagt, diese durch eine Analogie für strafbar zu erklären.146 Indem der Gesetzgeber sich nun der in Öffnungsklauseln klassischerweise verwendeten Fassung des Gesetzeswortlautes bedient, gestattet er den Rechtsanwender*innen einen solchen Ähnlichkeitsschluss.147 Wenn der verfassungsrechtliche Gesetzgeber aber seinerseits durch Art. 103 Abs. 2 GG eine Norm schuf, die gerade verhindern sollte, dass vergleichbare Verhaltensweisen ohne gesetzliche Regelungen als strafbar erklärt werden, kann eine solche Umgehung dieser Regelung gerade keine tragfähige Begründung sein. Allein die Berufung auf das „Rechtsgefühl“ und der „Appell an die materielle Gerechtigkeit“ können den verfolgten Zweck der Vermeidung von Gesetzesumgehungen gerade noch nicht legitimieren. Dies kann insbesondere in Hinblick auf den fragmentarischen Charakter des Strafrechts nicht genügen.148 Die notwendige Verknüpfung von der Vermeidung von Gesetzesumgehungen und dem Mittel des Ähnlichkeitsschlusses lässt es zumindest zweifelhaft erscheinen, ob dann der verfolgte Zweck aufgrund der notwendigen Zweck-Mittel-Relation noch legitim erscheinen kann. d) Schaffung von Flexibilität als Begründungsansatz Als weiterer Begründungsansatz für den Einsatz von Öffnungsklauseln im Strafrecht wurde die Notwendigkeit der Schaffung von Flexibilität in der Strafrechtsanwendung genannt. Eine solche Flexibilität könnte gerade zu einer Effizienzsteigerung der Rechtsprechung und damit allgemein der Strafrechtspflege führen und folglich ein legitimes Ziel darstellen. Der Grundsatz der Entformalisierung zur Effizienzsteigerung ist sowohl im Strafverfahrensrecht als auch im Bereich der Strafgesetzgebung ein grundsätzlich nachvollziehbarer Ansatz. Die145 Zustimmend: Bruns, GA 1986, 1, 14 ff.; Stöckel, ZRP 1977, 134, 136; zur Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot siehe Kap. D. V.; Schröder, Zum Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht und seiner Bedeutung für die praktische Anwendung des Rechts, S. 384 sieht keinen Verstoß gegen das Analogieverbot, da sich die Rechtsanwendung immer noch innerhalb des vorgegebenen Wortlautes befinden würde. 146 SK-StGB/Rudolphie/Jäger, § 1 Rn. 23a. 147 Inwieweit der Gesetzgeber Adressat des Analogieverbotes ist, wird an anderer Stelle dieser Arbeit diskutiert, vgl. dazu Kap. D. V. 1. b). 148 Bruns, JZ 1956, 148.

II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze

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ser kann jeweils durch eine Erweiterung der Handlungsbefugnisse der entsprechenden Akteur*innen erreicht werden.149 Es ist gerade Aufgabe des Staates, eine funktionierende Strafrechtspflege zu schaffen und aufrecht zu erhalten.150 Allerdings fehlt es an einer funktionierenden Strafrechtspflege gerade dann, wenn es zu einer Überlastung der Justiz kommt. Diese kann aber gerade Folge einer Ausdehnung des materiellen Strafrechts und folglich auch einer Handlungskompetenzerweiterung durch Öffnungsklauseln sein.151 Denn es kann im Falle der Erweiterung der Anwendungsbereiche gerade zu einer „Flut der ,ubiquitären Anfangsverdächte‘ “152 kommen. Auf diese Weise führen die erweiterten Anwendungsbereiche nicht zu einer Arbeitsentlastung und tragen folglich nicht zu einer Vereinfachung für die Judikative bei, was die Legitimität von Flexibilität im Strafrecht in Frage stellt. Die Schaffung von Flexibilität im Strafrecht geht darüber hinaus auch immer mit einer Entformalisierung einher.153 Denn durch eine Erweiterung der Anwendungsbereiche von Normen bedarf es gerade keiner weiteren Gesetzgebungsverfahren zur anlassbezogenen Erweiterung des entsprechenden Gesetzes. Diese Abkehr von förmlichen (Gesetzgebung)-Verfahren stellt dabei den Preis für eine solche Flexibilität dar. Der Abbau von Förmlichkeiten bedarf allerdings auch seinerseits einer Legitimation.154 Ob sich die Legitimation rein aus der dadurch gewonnenen Flexibilität ableiten lässt, erscheint zweifelhaft. Zum einen geht ein größerer Entscheidungsspielraum der Judikative automatisch mit einer Einschränkung der Freiheit der Bürger*innen einher;155 flexibel handhabbare Regelungen sind per se weniger vorhersehbar und bergen damit die Gefahr eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 2 GG, da solche Regelungen immer in besonderem Maße einer Wertung durch die Judikative bedürfen.156 149 Kuhlen, in: Recht ohne Regeln? S. 19 ff.; Entformalisierung des Strafrechts am Beispiel des ProstSchG 2017, vgl. Frommel, NK 2018, 115; P.-A. Albrecht, KritV 1993, 163, 166 in Bezug auf das materielle Strafrecht; zur Entwicklung des Rechts, vgl. Singelnstein, Zeitschrift für Rechtssoziologie, 2014, 321 und verortet den Beginn der Entformalisierung des Strafverfahrens in den 1970er-Jahren. 150 BVerfG, Beschl. v. 20.10.1977 – 2 BvR 631/77 = BVerfGE 46, 214 = NJW 1977, 2355, 2356; zur „Wiederbelebung des Topos“, vgl. Singelnstein, KJ 2011, 7, 12. 151 Landau, in: FS-Schick, S. 523, 525. 152 Hamm, NStZ 2016, 1537, 1542; Landau, in: FS-Schick, S. 523, 524. 153 Singelnstein, KritV 2011, 7, 11; zur Flexibilität im Jugendstrafrecht vgl. befürwortend Ostendorf, GA 2006, 515. 154 P.-A. Albrecht, KritV 1993, 163, 164. 155 P.-A. Albrecht, KritV 1993, 163, 165. 156 Krahl fasst dies zutreffend zusammen: „Wertbezogen wird es durch die Absichten und Interessen derjenigen, in deren Hände dieses Machtmittel gegeben wird. Entsprechend wechselhaft und dynamisch werden die Ergebnisse ausfallen.“; vgl. die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zum Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht, S. 309.

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C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

Zum anderen führt die Schaffung solcher flexiblen Normen gerade dazu, dass strafbares Verhalten nicht mehr durch eine Mehrheitsentscheidung eines demokratisch legitimierten Organes getroffen wird.157 Flexibilität bedeutet also auch immer eine Einschränkung des Grundsatzes der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2, S. 2 GG). Diese Kompetenzverteilung zwischen Legislative und Judikative schlägt sich aber gerade nicht nur im Grundsatz der Gewaltenteilung nieder, sondern auch in den Geboten bzw. Verboten des Art. 103 Abs. 2 GG. Auch dieser enthält eine gewaltenteilende Komponente.158 Konsequenterweise muss gerade der Gesetzgeber tätig werden, um das entsprechende Verhalten für die Zukunft, und nur soweit er es auch für strafwürdig erachtet, unter Strafe zu stellen. Es handelt sich gerade um die Aufgabe des Gesetzgebers.159 Ureigene Aufgabe der Judikative hingegen ist es, das Strafrecht entsprechend anzuwenden und gerade keine quasi Gesetzgebung, etwa durch Rechtsfortbildung oder analoge Anwendung der entsprechenden Vorschriften, vorzunehmen.160 Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass es keine vollkommen strikte Gewaltenteilung gibt, sondern auch immer wieder „Verschränkungen und Verflechtungen“ zwischen den Gewalten auftauchen.161 Insbesondere im Bereich des Strafrechts muss eine solche Verflechtung aufgrund der besonderen Eingriffsintensität vermieden werden. Die Schließung von Strafbarkeitslücken zum Zwecke der flexibleren Handhabung der Strafgesetze durch die Judikative stellt folglich keine tragfähige Begründung. e) Schließung von Strafbarkeitslücken zur Förderung des Opferschutzes Zur Ermittlung, ob es sich bei der Schließung von Strafbarkeitslücken im Hinblick auf einen besseren Opferschutz um ein legitimes Ziel handelt, ist zunächst zu erörtern, was Opferschutz eigentlich bedeutet und wie Regelungen im Rahmen des materiellen Strafrechts überhaupt dem Opferschutz dienen können. Ziel der Untersuchung soll dabei nicht sein, die Bedeutung von Opferschutz und Opferinteressen an sich in Frage zu stellen. Vielmehr ist zu zeigen, dass sich das Ziel des Opferschutzes als Argumentationstopos für eine bestimmte Art und Weise der Gesetzgebung nur bedingt eignet, in Abhängigkeit davon, ob dieser Schutz und die Wahrung dieser Interessen dadurch überhaupt geleistet werden können. 157

P.-A. Albrecht, KritV 1993, 163, 171; ebenso Murmann, in: Recht ohne Regeln?,

S. 5. 158

Vgl. dazu in dieser Arbeit Kap. D. II. Maunz/Dürig/Grzeszick, Art. 20 II. Rn. 135, soweit es sich um „wesentliche Entscheidungen“ handelt; Bringewat, Grundbegriffe des Strafrechts, S. 77; zur Aufgabe der Gesetzgebung außerdem Sachs/Magiera, Art. 38 Rn. 27 ff.; im Hinblick auf den Entscheidungsspielraum der Legislative vgl. Jarass/Pieroth/Kment/Jarass, Art. 20 Rn. 122. 160 Bringewat, Grundbegriffe des Strafrechts, S. 77. 161 BeckOK-GG/Rux, Art. 20 Rn. 160. 159

II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze

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aa) Begriff des Opfers Unklar in dieser Argumentation ist bereits der zugrunde gelegte Begriff des Opfers. Anders als das österreichische Strafverfahrensrecht (§ 65 Z 1 Ö-StPO) enthält das deutsche Strafverfahrensrecht und Strafrecht keine Legaldefinition des Opferbegriffs. Um die Unschuld bis zur rechtskräftigen Verurteilung zu unterstreichen, spricht das Gesetz hingegen stattdessen vom Verletzten.162 Das gilt auch für den Täter-Opfer-Ausgleich in § 155a StPO und § 46a StGB, wo der Begriff des Opfers 1999 erstmals und nur in der Überschrift der Norm auftaucht.163 Der – im deutschen Straf- und Strafverfahrensrecht insoweit nicht gebräuchliche – Opferbegriff kann, abhängig von der eingenommenen Perspektive, unterschiedliche Bedeutungen haben und diverse Interessen repräsentieren.164 Grundsätzlich versteht man unter dem materiell-strafrechtlichen Opferbegriff die Geschädigten von solchen Straftaten, die i. d. R. ein Individualrechtsgut schützen.165 Der Schutz eines solchen Opfers kann folglich einmal dadurch erreicht werden, dass man dem Strafrecht einen präventiven Charakter zuspricht. D. h. man nimmt an, dass potenzielle Täter*innen sich von einer strafrechtlichen Regelung abschrecken lassen. Ein möglichst weit gefasster Tatbestand sollte dann folglich auch eine umfassende Abschreckungswirkung erzielen. Aber auch nach einer begangenen Tat kann ein umfassendes Strafgesetz unter Umständen dazu führen, dass die Interessen des Opfers – so zum Beispiel etwa ein Genugtuungsbedürfnis166 – ausreichend gewahrt werden. Schon hier deutet sich an, dass Opferinteressen mitunter konträr sind und deswegen als Sinn und Zweck einer bestimmten Gesetzgebungstaktik nur bedingt geeignet sind. Es wird aufgrund dieser widerstreitenden Interessen folglich zwi-

162 Unklar bleibt, warum das Opfer einer Straftat bei Freispruch der Angeklagten seine Opfereigenschaft verlieren sollte, vgl. dazu auch die Legaldefinition des Opfers in der Opferschutzrichtlinie Art. 2 Nr. 1 a der Richtlinie 2012/29/EU; zur Bedeutung der Richtlinie vgl. auch Europäisches Unionsrecht/Meyer, Art. 82 AEUV Rn. 47; zum Begriff des Verletzten im Zusammenhang mit der Unschuldsvermutung vgl. Seelmann, JZ 1989, 671; für einen „subjektiven, konstruktivistischen Opferbegriff“ vgl. Wetzels, Wider den naiven Realismus kriminologischer Opferforschung, S. 25 ff.; zusammenfassend auch: Treibel, in: Kriminalsoziologie, 441 ff. m.w. N. 163 Der Begriff des Opfers wird außerdem in § 155b und 154c StPO genannt. 164 Sautner, Viktimologie, S. 20; dies., Opferinteressen und Strafrechtstheorien, 2010, S. 25 ff. 165 Sautner, Viktimologie, S. 19. 166 Weigend, RW 2010, 39, 42, wobei dabei schon nicht unumstritten ist, was unter dem Begriff der Genugtuung eigentlich zu verstehen ist. Weigend macht deutlich, dass dabei „der berechtigte Wunsch, dass die Tat nicht ohne offizielle Reaktion bleibt, mit ungezügelter Rachsucht gleichgesetzt und damit ein wesentlicher Unterschied verwischt“ wird, 43.

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C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

schen möglichen Tatopfern, die vermieden werden sollen, und tatsächlichen Tatopfern unterschieden.167 Welcher Opferbegriff bei den Gesetzesbegründungen zu Grunde gelegt wurde, ist nicht abschließend feststellbar. Denn sowohl die tatsächlichen als auch die potenziellen Tatopfer können Interesse an entsprechenden Strafgesetzen haben. Dennoch soll im nachfolgenden der Opferbegriff in Bezug zum materiell-rechtlichen Strafrecht gesetzt werden und gerade keine Opfer von Naturkatastrophen oder Diskriminierung erfassen, soweit diese nicht auch materiell-rechtlich als Opfer gelten können.168 Zu Grunde gelegt wird im Folgenden der eingangs genannte Verbrechensopferbegriff. bb) Opferinteressen Offen ist bei der Berufung auf Interessen des Opfers bereits, welche Opferinteressen überhaupt im Rahmen der Schaffung von Tatbeständen berücksichtig werden und welche unterschiedlichen Dimensionen dieser Interessenlagen vorliegen können. (1) Interessen des potenziellen Tatopfers Mögliche (oder auch virtuelle169) Tatopfer – in diesem Sinne also alle Menschen, die Opfer von Straftaten werden können – sollen durch den abschreckenden Effekt von Strafe geschützt werden, sog. negative Generalprävention,170 aber gerade auch in ihrer Erwartungshaltung in Bezug auf die Normgeltung bestärkt werden, also im Sinne einer positiven Generalprävention.171 Wie das Wort Generalprävention andeutet, handelt es sich also um den Schutz der Gesellschaft als solcher, bei der jeder Teil grundsätzlich ein potenzielles Tatopfer sein könnte. Das Opfer kann also einmal dadurch geschützt werden, dass die*der (ebenso potenziellen*r) Täter*in von einer Tatbegehung aufgrund der Strafandrohung absieht. Allerdings können die Interessen eines potenziellen Opfers auch aufgrund einer Verurteilung gewahrt werden, weil einer solchen Verurteilung auch immer die Bestätigung der Anwendung und Geltung der bestehenden Normen innewohnt. Bei einer Orientierung am potenziellen Opfer ergibt sich außerdem die Proble167 Hörnle, JZ 2006, 950; Opferinteressen lassen sich mitunter nicht kategorisieren und pauschalisieren, vgl. Reemtsma, Rechtsmedizin 2005, 86, 88. 168 Der Opferbegriff im Rahmen der Viktimologie ist weiterhin umstritten und wird dort aber in der Regel sehr weit gefasst, siehe dazu zusammenfassend: Sautner, Viktimologie, S. 14. 169 Hassemer/Reemtsma, Verbrechensopfer, S. 101. 170 MüKo-StGB/Joecks, Einleitung, Rn. 70 ff.; Reemtsma verweist darauf, dass wir alle mögliche Tatopfer, aber auch Täter*innen sind, vgl. Reemtsma, Rechtsmedizin 2005, 86, 88. 171 Seelmann, JZ 1989, 670.

II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze

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matik, dass dessen Bedürfnisse weitaus schwieriger zu erfassen sein dürften, weil es sich gerade nicht um konkrete Personen handelt.172 Es steht dabei aber als übergeordnetes Interesse bzw. Handlungsmotiv die Kriminalitätsfurcht im Vordergrund.173 Wenn die Bewältigung dieser Furcht aber das handlungsleitende Motiv ist, muss dabei die Divergenz zwischen Verbrechensfurcht und tatsächlicher Verbrechengefährdung beachtet werden,174 die einen Einfluss auf die Validität dieses Argumentationstopos haben kann. Wenn die Furcht jeglicher Grundlage entbehrt, dann kann diese auch keine ausreichende Argumentationsgrundlage darstellen. Es ist zu betonen, dass die negative Generalprävention gerade keine Aussage über das tatsächliche Opfer trifft. Wie Hörnle zutreffend feststellt, gelingt dies auch keiner der anderen Straftheorien.175 (2) Interessen tatsächlicher Tatopfer Zu den Interessen eines tatsächlichen Tatopfers zählt, dass durch eine Verurteilung und dem damit verbundenen Unwerturteil eine Aufarbeitung des Geschehenen möglich ist.176 Für ein Opfer enthält dies auch zugleich die Aussage, dass dieses keine Schuld an den Vorkommnissen trifft.177 Einer Verurteilung aufgrund eines Strafgesetzes kann also (wenn auch nur begrenzt) eine heilende Wirkung zukommen. Diese wird durch das damit verbundene Beileid und die Solidarität, die die Gesellschaft dadurch zum Ausdruck bringt, verstärkt.178 Hörnle begründet das Bedürfnis der Übelszufügung dabei mit der „Kongruenz zwischen verbaler Aussage und materieller Verdeutlichung“.179 Das bedeutet, dass auf eine Aussage über den Unwert einer Handlung auch eine entsprechende nonverbale Reaktion erfolgen soll, weil dies unserer Sozialisation entspricht. Dies rechtfertigt das Bedürfnis nach Strafe für das Opfer. Außerdem zeigen tatsächliche Opfer einer Tat ein erhöhtes Interesse an der Wiedergutmachung des entstandenen Schadens.180

172

Seelmann, JZ 1989, 670, 672. Hassemer/Reemtsma, Verbrechensopfer, S. 103. 174 Hassemer/Reemtsma, Verbrechensopfer, S. 109. 175 Hörnle, JZ 2006, 950, 951; dies., Straftheorien, S. 33; A. v. Hirsch/Hörnle, GA 1995, 261, 270 ff. zum Tadel als Reaktion auf strafbares Verhalten. 176 Seelmann, JZ 1989, 670; zum Konflikt des Opferbegriffs mit der Unschuldsvermutung vgl. Kanz, MSchKr, 2017, 225, 231. 177 Hörnle, JZ 2006, 950, 955, dabei grenzt Hörnle dieses Bedürfnis bewusst von einem Bedürfnis nach Rache ab; zur unterschiedlichen Schutzbedürftigkeit des Opfers vgl. R. Hassemer, Schutzbedürftigkeit des Opfers und Strafrechtsdogmatik, S. 72 ff. 178 A. a. O.; ebenso Kanz, MSchKr 2017, 225, 232. 179 Hörnle, JZ 2006, 950, 956. 180 M. w. N. Stolle, StudZR 2006, 27, 42; zur sog. Restorative Justice siehe auch Sautner, Opferinteressen und Strafrechtstheorien, S. 70 ff. 173

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C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

Seelmann weist aber zurecht darauf hin, dass es gerade im Bereich der Interessen von potenziellen und tatsächlichen Opfern zu Paradoxien kommen kann.181 Das Interesse eines potenziellen Opfers muss nicht zwangsläufig dem eines tatsächlichen Opfers entsprechen. Und auch die Interessen tatsächlicher Opfer divergieren im Hinblick darauf, welche Tat zugrunde liegt.182 Die Interessen dieser beiden Gruppen können geradezu konträr sein. So liegt das Interesse eines potenziellen Tatopfers vermutlich eher im präventiven Bereich und im bestmöglichen Schutz, wohingegen tatsächliche Tatopfer i. d. R. an einer Wiedergutmachung interessiert sein dürften. Daraus folgt für die vorliegende Untersuchung des gewählten Erklärungsansätze, dass die simple Begründung des Opferschutzes an sich noch keine Aussage darüber zulässt, wessen Interessen in einem solchen Fall vorrangig sind, sondern dass diese sich vielmehr in konträrer Weise gegenüberstehen. Denn es wird gerade nicht deutlich, inwieweit das Opfer geschützt werden muss, insbesondere nicht von und durch was. Der optimale Schutz eines potenziellen Opfers entspricht gerade nicht dem eines tatsächlichen Opfers bzw. vollzieht sich auf andere Art und Weise. Dies stützt die These, dass derjenige „der [im Namen von] Verbrechensopfern Forderungen stellt, [. . .] Rechnung zu legen [hat], in wessen Namen er auftritt“.183 Ein einfacher Verweis auf Opferinteressen bei der Erweiterung eines Tatbestandes erscheint nicht legitim.184 cc) Zwischenergebnis Die oben dargestellte Unklarheit, welcher Art von Opfern die Verwendung dieser Art der Gesetzgebungstechnik genau dienen soll, zeigt bereits auf, dass ein Verweis auf Opferinteressen nicht ohne Weiteres zur Begründung herangezogen werden kann. Dies hängt insbesondere mit der Ambivalenz der verfolgten Opferinteressen je nach Zeitpunkt der Betrachtung zusammen.185 Darüber hinaus stehen die Wege zur Erreichung des Opferschutzes möglicherweise in Konflikt mit strafrechtlichen Grundsätzen, wie dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts.186 Insbesondere, wenn als Opferinteressen solche von potenziellen Tat181 Seelmann, JZ 1989, 670, 671, wobei hier zuvorderst auf die Paradoxien im Strafverfahren abgestellt wird, dennoch sind die Gedanken auch auf das materielle Strafrecht übertragbar, denn auch hier treffen bei einer Opferorientierung widerstreitende Interessen aufeinander; im Ergebnis wohl auch: P.-A. Albrecht, in: Opfers im Strafrechtssystem, 2000, S. 39. 182 Zusammenfasend zu den Interessen von Tatopfern aufgeschlüsselt nach Deliktstypen vgl. Kanz, MSchKr 2017, 225, 239 f. 183 Hassemer/Reemtsma, Verbrechensopfer, S. 101. 184 Kanz, MSchrKr 2017, 225, 245 führt ebenfalls aus, dass Gesetze nicht mit einem „universellen Genugtuungsinteresse“ der Opfer begründet werden können. 185 Vgl. dazu Kap. C. I. 1. c). 186 So auch Hassemer, der auf das Risiko der Ausweitung des Strafrechts hinweist, wenn der Opferschutz im Mittelpunkt steht, vgl. Hassemer, JRP 2007, 79, 85.

II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze

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opfern herangezogen werden, muss beachtet werden, dass die Verbrechensfurcht nicht der tatsächlich bestehenden Bedrohungslage entspricht.187 Wenn folglich eine Konzentration auf die vermeintlichen Verbrechensopfer stattfindet, hat eine entsprechende Orientierung zumindest das Potential diese verzerrte Wahrnehmung der Gesellschaft zu manifestieren. Ein pauschaler Verweis auf Opferinteressen kann – ohne weitere Erörterungen – nicht als tragfähige Begründung herangezogen werden. 2. Schaffung absoluter Gerechtigkeit als Begründungsansatz Außerdem wurde zur Verwendung von Öffnungsklauseln, wie dargelegt, die Begründung herangezogen, dass dies eine möglichst gerechte Entscheidung im Einzelfall ermögliche. Der Legitimität des Begründungsansatzes steht, wie sogleich dargelegt werden wird, entgegen, dass sich Gerechtigkeit im Zweifel nicht einheitlich definieren lässt. Unklar ist auch, welche Definition der Gesetzgeber dabei zugrunde legt und inwieweit Gerechtigkeit überhaupt Absolutheit beanspruchen kann. a) Begriffsbestimmung „Gerechtigkeit“ Der Begriff der Gerechtigkeit und folglich auch der damit verbundene Argumentationstopos ist einigermaßen vage und unspezifisch.188 Mit Kelsen lässt sich sagen, dass die Frage, was Gerechtigkeit eigentlich ist, schlussendlich nicht abschließend zu beantworten ist.189 Es steht folglich schon nicht zweifelsfrei fest, was unter Gerechtigkeit zu verstehen ist und ob überhaupt ein solcher Zustand geschaffen werden kann.190 Auch wie im Strafrecht191 eine gerechte Rechtslage geschaffen werden kann, ist unklar. Das wirft zudem die Frage auf, ob, wenn bereits der Begriff der Gerechtigkeit nur schwer erfasst werden kann, es sowas wie absolute Gerechtigkeit – zumal im Strafrecht – überhaupt geben kann. Zum Verständnis von Gerechtigkeit wurden unterschiedliche Theorien geschaffen, die insbesondere von der jeweiligen Epoche ihrer Entstehung beein187 Hassemer, JRP 2007, 79, 85, vgl. dazu auch Landau, NStZ 2007, 121, der darauf hinweist, dass diesem Bedrohungsgefühl nicht mit einer Erweiterung des Strafrechts begegnet werden kann. 188 Sax, Das strafrechtliche „Analogieverbot“, S. 150; Kriele, Kriterien der Gerechtigkeit, S. 42 ff.; mit Bezug zur Rechtswissenschaft, vgl. Mahlmann, Konkrete Gerechtigkeit, S. 264 ff.; zur „Idee der Gerechtigkeit“ in der Strafgesetzgebung, vgl. Schuchmann, in: Strafrecht und Politik, S. 40. 189 Kelsen, Was ist Gerechtigkeit?, S. 52. 190 Daraus folgen auch die Zweifel an der Geeignetheit von Gerechtigkeit als Argumentationstopos, vgl. von Münch, Der Staat, 1994, 165, 172; zur Wortbedeutung siehe auch Köhler, Recht und Gerechtigkeit, S. 1 ff. 191 Gerechtigkeit muss im Hinblick auf einen konkreten Bezugspunkt gedacht werden, vgl. v. Münch, Der Staat, 165, 172.

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C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

flusst wurden.192 Solche Gerechtigkeitstheorien sollen gerade allgemeingültige Aussagen darüber treffen, was unter Gerechtigkeit verstanden wird und wie diese erreicht werden kann.193 aa) Politische und soziale Gerechtigkeit Im Rahmen von Gerechtigkeit wird grundsätzlich zwischen der politischen und der sozialen Gerechtigkeit unterschieden.194 Grundsätzlich ergibt sich das Bedürfnis nach Gerechtigkeit aus einer Begrenztheit von Ressourcen, wonach diese fair auf alle Teilhabenden verteilt werden sollen.195 Dieser Gedanke des Bedürfnisses nach Gerechtigkeit lässt sich aber nicht ohne Weiteres auf die Gerechtigkeit in Bezug auf Rechtsetzung – insbesondere im Strafrecht – übertragen. Denn Grundsätze, die der Gerechtigkeit dienen, wie z. B. der Gleichheit vor dem Gesetz, sind nicht im begrenzten Maße verfügbar.196 Allerdings müssen auch im Recht widerstreitende Interessen, auch wenn diese nicht Folge der Knappheit von Ressourcen sind, in Einklang gebracht werden, denn nicht alle Rechte können gleichermaßen Beachtung finden. Viel mehr stehen Rechte und Interessen häufig im Widerspruch, sodass ein Ausgleich gefunden werden muss. In diesem Sinne wird also von politischer Gerechtigkeit gesprochen.197 bb) Gerechtigkeitsverständnis des Gesetzgebers Zunächst ist festzustellen, dass der Gesetzgeber aber auch die Gerichte, wenn sie sich in ihren Entscheidungen oder auch Gesetzesbegründungen auf Gerechtigkeit beziehen, nicht bereits definieren, was unter Gerechtigkeit verstanden wird.198 Im allgemeinen Sprachgebrauch wird Gerechtigkeit als „Prinzip eines

192 Zusammenfassend dazu: Höffe, in: Werte und Politik, S. 37 f. und Heidenreich, Theorien der Gerechtigkeit, 2011; Godwin definiert Gerechtigkeit über das, was für die Gesamtheit am besten ist, vgl. Godwin, An Enquiry concerning political Justice and ist Influence on general Virtue and Happiness, S. 121, 151, 81, zitiert Godwin, Über die politische Gerechtigkeit, S. 10; siehe auch Höffe (Hrsg.), John Rawls – Eine Theorie der Gerechtigkeit, 1975; Sen, Idee der Gerechtigkeit, S. 59 ff. 193 Heidenreich, Theorien der Gerechtigkeit, S. 9. 194 Höffe, in: Werte und Politik, S. 42 ff.; zum Problem der sozialen Gerechtigkeit vgl. Kersting, Theorie der sozialen Gerechtigkeit, 2000; Gosepath, in: Demokratie und Gerechtigkeit in Verteidigungskonflikten, S. 35 ff. und zum Begriff der politischen Gerechtigkeit vgl. S. 43 ff. 195 Höffe, Gerechtigkeit, S. 26. 196 Höffe, in: Werte und Politik, 2015, S. 39. 197 Höffe, Gerechtigkeit, S. 61. 198 Bei der Fassung eines abstrakten Tatbestandes kann es gerade nicht nur um eine tatproportionale Strafe gehen, vgl. dazu Engisch, Auf der Suche nach Gerechtigkeit, S. 175; grundlegend dazu Liszt, Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge, Bd. I, S. 126 ff.

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staatlichen oder gesellschaftlichen Verhaltens, das jedem gleichermaßen sein Recht gewährt“199 verstanden. Synonyme für den Begriff der Gerechtigkeit sind unter anderem Fairness, Objektivität und Unparteilichkeit.200 Der Rückgriff auf den allgemeinen Sprachgebrauch legt nahe, dass dann eine absolute Gerechtigkeit vorliegt, wenn eine Lösung erzielt wurde, die alle widerstreitenden Interessen und Rechte im gleichen Maße erkennt, anerkennt und wahrt. Dem schließen sich Stimmen aus dem Bereich des Strafrechts an, wenn sie ausführen, dass Gerechtigkeit dann vorliegt, wenn wesentlich Gleiches auch gleichbehandelt wird.201 Aus der dortigen Wortbedeutung kann entnommen und insbesondere für das Strafrecht gefolgert werden, dass die Gerechtigkeit des staatlichen Handelns auf Grundlage eines Strafgesetzes im Wesentlichen auf Gleichbehandlung im Rahmen der Rechtsgewährung beruht und sich der Gesetzgeber bei seiner Definition auch an einer solchen Wortbedeutung orientiert. Opfer- und Täter*innenrechte müssen gleichermaßen gewahrt und zugleich gewährt werden. Diese Definition legt den Schluss nahe, dass eine reine Orientierung an den Rechten und Interessen des Opfers dann kein gerechtes Gesetz im Sinne dieser Norm darstellen kann, wenn dabei die Rechte der (potenziellen) Täter*innen außer Acht gelassen werden sollten oder zumindest nicht im gleichen Maße Beachtung finden wie die Rechte des potenziellen Tatopfers. Zu beachten ist folglich, dass das Bedürfnis nach Gerechtigkeit des Opfers unter Umständen im Widerspruch zur Rechtssicherheit, die gegenüber den (potenziellen) Täter*innen als gerecht empfunden wird, steht. Die darauffolgende Abwägung darf nicht dazu führen, dass im Ergebnis der Rechtssicherheit mehr geschadet wird als der Gerechtigkeit genutzt wird.202 Materiale Gerechtigkeit kann im Gegensatz dazu auch als eine am Rechtsgefühl orientierte Entscheidung beschrieben werden, die je nach Sach- und Rechtslage unterschiedliche Punkte unterschiedlich stark gewichtet und so im Sinne einer Abwägung die Lösung findet, die die Interessen möglichst schonend in Einklang bringt.203 Eine solche materiale Gerechtigkeit „strebt nach optimalen, 199 Siehe Begriffsdefinition im Duden, abrufbar unter https://www.duden.de/recht schreibung/Gerechtigkeit [zuletzt abgerufen am 19.11.2020]; „Gleichheit ist der Inbegriff der Gerechtigkeit“: Gosepath, Gleiche Gerechtigkeit, S. 463; zur Problematik von Gleichheit und Gerechtigkeit vgl. anschaulich Mahnmann, Konkrete Gerechtigkeit, S. 264. 200 Siehe Begriffsdefinition im Duden, abrufbar unter https://www.duden.de/recht schreibung/Gerechtigkeit [zuletzt abgerufen am 19.11.2020]. 201 Lemmel, Unbestimmte Strafbarkeitsvoraussetzungen im Besonderen Teil des Strafrechts, S. 110; zum Bestandteil der Gleichbehandlung von Recht und Unrecht vgl. Kriele, Kriterien der Gerechtigkeit, S. 95. 202 Lenckner, JuS 1968, 304, 305. 203 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zum Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht, S. 285.

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richtigen Entscheidungsergebnissen“.204 Wird dieser Ansatz der materialen Gerechtigkeit durch Einzelfallentscheidung zugrunde gelegt, könnten dem Öffnungsklauseln gerade dienlich sein, indem sie die Möglichkeit der Erweiterung des Anwendungsbereichs offenhalten. Die unterschiedlichen Definitionen dessen, was eine gerechte Entscheidung ist, legen nahe, dass sich Gerechtigkeit als Argumentationstopos nur bedingt eignet, weil es an einer näheren Begründung dessen fehlt, was es für eine gerechte Entscheidung bedarf. Es ist folglich nur schwer nachvollziehbar, was der Gesetzgeber bei einer Argumentation mit dem Begriff der Gerechtigkeit genau meint und inwieweit eine bestimmte Art der Gesetzgebung der Verwirklichung dieser Gerechtigkeit dienlich sein kann. Eine Bewertung, ob Öffnungsklauseln diesem Zweck dann überhaupt dienlich sein können, ist nur schwerlich möglich. b) Möglichkeit der Schaffung absoluter Gerechtigkeit Neben der Definitionsproblematik bleibt insgesamt fraglich, ob Menschen überhaupt in der Lage sind, eine absolute Gerechtigkeit zu schaffen. Dies würde nämlich bedeuten, dass über die Entscheidung einer Sache kein anderes Werturteil als das der Gerechtigkeit gefällt werden kann.205 Es ist aber davon auszugehen, dass immer eine andere Bewertung möglich ist, weil eine umfassende, vollumfängliche und gleichberechtige Einbeziehung aller Interessen im gleichen Maße gerade nicht möglich ist.206 Insbesondere dort nicht, wo es sich um widerstreitende Interessen handelt. Und solche Konflikte treten auf, wo menschliche Interessen aufeinandertreffen.207 Gerade der Staat ist dazu angehalten, wechselseitig die Interessen aller zu schützen.208 Dabei aber konkrete Kriterien dessen aufstellen zu können, dürfte aber eine Utopie sein.209 So stehen sich gerade im Strafrecht Interessen von Opfer, Gesellschaft und der potenziellen Täter*innen diametral gegenüber: Dort, wo sich Tatopfer Einzelfallgerechtigkeit wünschen, darf die erforderliche Rechtssicherheit nicht missachtet werden, um die allge204 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zum Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht, S. 285. 205 Kelsen, Was ist Gerechtigkeit?, S. 49; gerade die Entscheidung darüber, was gerecht ist und was nicht, stellt aber nicht überprüfbare Werturteile, bei der sich eine Überprüfung mit der Richtigkeit verbietet, dar, vgl. Emge, Über das Grunddogma des rechtsphilosophischen Relativismus, S. 57. 206 Kelsen, der Gerechtigkeit mit Glück umschreibt, erläutert, dass das Glück des einen auch immer das Unglück eines anderen bedeutet, vgl. Kelsen, Was ist Gerechtigkeit?, S. 12; Rüthers, Das Ungerechte an der Gerechtigkeit, S. 133. 207 Kelsen, Was ist Gerechtigkeit?, S. 49. 208 Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden peinlichen Rechts, S. 12. 209 Kriele, Kriterien der Gerechtigkeit, S. 100, zum Widerspruch zwischen Rechtsgefühl und Rationalität.

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meine Handlungsfreiheit nicht über das erforderliche Maß hinweg einzuschränken. Weitere Interessen von potenziellen Täter*innen ergeben sich aus dem Gesetzlichkeitsprinzip, was wiederum einer Flexibilität der Gerichte im Hinblick auf die Entscheidung entgegensteht. So ist es offenkundig unmöglich, dass eine Norm so ausgestaltet sein kann, dass sie eine absolute Gerechtigkeit herbeiführt.210 Vielmehr kann es gerade konstituierend für einen freiheitlichen Staat sein, sich vom Streben nach einer solchen „absoluten Gerechtigkeit“ zu lösen, indem anerkannt wird, dass es einen solchen Zustand nicht gibt und stattdessen die widerstreitenden Interessen in einen Ausgleich gebracht werden müssen, sowohl im Hinblick auf die Rechte der Opfer als auch der Täter*innen. Gerade, wenn beim Einsatz von Öffnungsklauseln auf die Erreichung absoluter Gerechtigkeit verwiesen wird, wird außer Acht gelassen, dass dies grundsätzlich erst einmal nur zu einer Erweiterung der Opferrechte führt.211 Ein Einklang mit der Wortbedeutung von Gerechtigkeit, die in jedem Fall Rechte der Opfer als auch der vermeintlichen Täter*innen gleichermaßen beachten sollte, wird dadurch noch nicht hergestellt. Zur Bestimmung, ob Öffnungsklauseln zur Erreichung einer absoluten Gerechtigkeit geeignet sind, kann auf das dreistufige Gerechtigkeitsmodell nach Höffe zurückgegriffen werden. Auf der ersten Stufe steht die Suche nach Wegen, Verfahren und Mitteln zur Erreichung ebendieser Gerechtigkeit. Die nächste Stufe wird infolge einer „individual- oder sozialpragmatischen Bewertung“ 212 erreicht. Es wird bestimmt, welches Mittel bzw. welcher Weg zur Erreichung von Gerechtigkeit am besten für den Einzelnen ist. Die dritte Stufe wird mit Erreichen einer „genuin moralischen Verbindlichkeit“ 213 erklommen. Ziel ist es, dass bestehende Indifferenzen aufgehoben werden und die Lösung für jeden Einzelnen gleichermaßen geeignet ist.214 Überträgt man dieses Stufenmodell auf den Einsatz von Öffnungsklauseln würde dies bedeuten, dass durch die Wahl des Mittels grundsätzlich die erste Stufe erreicht wird. Es kann dann entsprechend argumentiert werden, dass der Einsatz von Öffnungsklauseln gerade gut für das einzelne potenzielle oder tatsächliche Opfer ist, weil dadurch zumindest die Möglichkeit der Abschreckung, aber auch die Möglichkeit der Strafverfolgung eines für strafwürdig befundenen Verhaltens besteht. Eine solche Argumentationslinie blickt dabei einseitig auf die Bedürfnisse und Interessen des Opfers. Eine solche Regelung wäre also gut für 210 Kritisch zur Erreichung absoluter Gerechtigkeit vgl. auch Engisch, Auf der Suche nach Gerechtigkeit, S. 176, 178; Rüthers, Das Ungerechte an der Gerechtigkeit, S. 70. 211 Rüthers, Das Ungerechte an der Gerechtigkeit, S. 133, verweist auf die „Subjektivität der Maßstäbe“ bei der Bestimmung von Gerechtigkeit. 212 Höffe, Gerechtigkeit, S. 29. 213 Höffe, Gerechtigkeit, S. 29. 214 Höffe, Gerechtigkeit, S. 28 ff.

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einen Einzelnen, wenn es sich dabei nur um potenzielle Opfer handelt. Wenn dieser Weg aber gerade jegliche Indifferenzen aufheben soll, dann bedeutet dies, dass der Einsatz auch gerade gut für Täter*innen und Opfer sein muss; es also eines Blickes auf alle von der Regelung Betroffenen bedarf, folglich auch auf die Rechte und Interessen der Täter*innen. Auch aus dieser Perspektive ist es fraglich, ob bei einer solchen Fokussierung auf das Opfer von einer absoluten Gerechtigkeit gesprochen werden kann, unabhängig davon, welcher Definition von Gerechtigkeit man sich anschließt. Denn auch Art. 103 Abs. 2 GG und Art. 20 Abs. 2 GG als Schutz vor Aufgabenverlagerung und einer gelockerten Gesetzesbindung sind Ausdruck von Gerechtigkeit und müssen bei der Bewertung um die Schaffung ebensolcher Gerechtigkeit in gleichem Maße Eingang finden. Auch wenn dies die Suche nach Gerechtigkeit oder einer möglichst gerechten Lösung nicht unmöglich macht, so ist doch zu bezweifeln, ob sich die absolute Gerechtigkeit als Begründung für den Einsatz einer bestimmten Gesetzgebungstechnik heranziehen lässt.215 Zumindest die Legitimität eines nicht messbaren und nicht zu erreichenden Zweckes muss in Frage gestellt werden. c) Gerechtigkeit als Argumentationstopos Folgt man Radbruch und sieht das Recht – folglich auch das gesetzte Recht – „als eine Satzung, die ihrem Sinn nach dazu bestimmt ist, Gerechtigkeit zu dienen“216, dann ist die oberste Maxime in der Rechtsetzung die Schaffung von Gerechtigkeit.217 Inwieweit infolgedessen dann die Schaffung (absoluter) Gerechtigkeit als Argumentationstopos herangezogen werden kann, ist auch im Hinblick auf diese übergeordnete Maxime fraglich: In einem Rechtsstaat sollte ein Ziel immer auch die Schaffung von Gerechtigkeit – wie auch immer eine solche im Einzelfall ausgestaltet werden sollte – sein. Daraus ergibt sich, dass jedes Gesetz der Herstellung oder Beibehaltung der Gerechtigkeit dienen muss. Diese ist also gerade die Handlungsmaxime. Hinter jedem erlassenen Gesetz muss der Grundgedanke der Gerechtigkeit stehen. Es ist dann gerade kein Argument für eine bestimmte Art der Gesetzgebung, sondern Grundvoraussetzung für die Schaffung einer gesetzlichen Regelung. Dies steht der Einordnung als tragfähiger Begründungsansatz entgegen. Wenn diese Voraussetzung ohnehin von jedem Gesetz erfüllt werden muss, kann dies nicht bzw. nur eingeschränkt zur Begründung herangezogen werden. 215 Zweifel am objektiven Gehalt von Gerechtigkeit auch bei Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, S. 215 ff. 216 Radbruch, Süddeutsche Juristenzeitung 1946, 105, 107. 217 „Justice is the axiom of law“, vgl. Bröstl, in: Gerechtigkeit, Theorie und Praxis, S. 19.

III. Zwischenergebnis

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d) Zwischenergebnis Es ist unklar, wie Gerechtigkeit genau definiert werden kann und welche Voraussetzungen Gesetze infolgedessen erfüllen müssen, um dem Gerechtigkeitsanspruch gerecht zu werden. Auch die Gesetzesbegründungen, die die Gerechtigkeit als Argumentationstopos zur Begründung einer bestimmten Art der Gesetzgebung heranziehen, erläutern nicht, was darunter verstanden werden soll. Im Hinblick auf die vielfältigen Deutungsmöglichkeiten der Gerechtigkeit kann nicht festgestellt werden, ob dieser Zweck überhaupt erfüllt werden kann. Erschwerend kommt hinzu, dass Gerechtigkeit nie einen Absolutheitsanspruch erfüllen kann. Unabhängig von der zugrunde liegenden Definition, ist eine allumfassende Berücksichtigung aller Rechte und Interessen gleichermaßen ein zwar nachvollziehbares aber wohl unerreichbares Ziel. Schließlich muss auch beachtet werden, dass Gerechtigkeit, unabhängig davon, wie man diese im Detail definiert, Grundlage jeder gesetzgeberischen Tätigkeit sein muss. Inwieweit die Verwirklichung von Gerechtigkeit dann noch als Zwecksetzung herangezogen werden kann, ist zumindest diskutabel. Insgesamt handelt es sich aufgrund der Bedenken zur Begriffsbildung und der Verwirklichung absoluter Gerechtigkeit um einen Zweck, dessen Legitimität zu bezweifeln ist, wenn es sich lediglich um einen pauschalen Verweis handelt.

III. Zwischenergebnis Es lässt sich bereits hier festhalten, dass die für den Einsatz von Öffnungsklauseln gewählten Begründungsansätze nicht ohne weiteres plausibel sind. Dabei weisen die verfolgten Zwecke einen Konflikt mit wesentlichen verfassungsrechtlichen Prinzipien auf und sind zum Teil zu pauschal, als dass sie ohne Weiteres als legitim eingeordnet werden könnten. Die oberste Maxime beim Einsatz von Öffnungsklauseln im Strafrecht scheint die Vermeidung von Strafbarkeitslücken zu sein. Diese sollen geschlossen werden, um (bewusste) Gesetzesumgehungen zu vermeiden, um der Judikative auf diese Weise eine flexiblere Handhabung der gesetzlichen Regelungen zu ermöglichen und um den Opferinteressen gerecht zu werden. Übergeordnetes Ziel ist auch immer die Verwirklichung einer möglichst gerechten Regelung. Die Legitimität der Begründungsansätze ist aber insbesondere im Hinblick auf die pauschalen Verweisungen und die Vereinbarkeit mit strafrechtlichen Grundsätzen anzuzweifeln. Gerade der Verweis auf die Schließung von Schutzlücken gerät mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts in Konflikt. Wenn es konstituierend für das deutsche Strafrecht ist, dass es, aufgrund verfassungsrechtlicher Vorgaben und selbstgewählter Zielsetzung, lückenhaft ist, dann erscheint es widersprüch-

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C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln

lich, dass die Schließung von Lücken zur Begründung eines Gesetzes herangezogen werden kann. Zumindest bedürfte es einer genaueren Begründung, warum in genau diesen Fällen eine Ausnahme vom fragmentarischen Charakter des Strafrechts geboten ist. Bedenken gegen die Wirksamkeit des Strafrechts im Falle der Erweiterung der Tatbestände sind hingegen nicht durchgreifend. Insbesondere der Verweis auf Gerechtigkeit und die Erfüllung von Opferinteressen stellen aufgrund ihrer Pauschalität keine legitimen Ziele dar. Sie bergen aufgrund dieser allgemeinen Verweise vielmehr die Gefahr, dass sie in jeder Gesetzesbegründung als Zielsetzung benannt werden und auf diese Weise ihrer Aussagekraft weiter einbüßen müssen. Denn gerade Opferinteressen lassen sich ohne nähere Begründung nicht pauschalisieren. Es ist dabei bereits nicht klar, ob die gewählte Art der Gesetzgebung den Interessen von potenziellen oder tatsächlichen Opfern diesen soll. Aber auch innerhalb der beiden Gruppen divergieren die Bedürfnisse stark und lassen sich nur schwer verallgemeinern. Eine vergleichbare Problematik besteht auch beim Verweis auf die absolute Gerechtigkeit. Zum einen sollte Gerechtigkeit in der Gesetzgebung immer handlungsleitende Maxime sein, sodass deren Verfolgung nicht explizit als Begründung für den Einsatz einer bestimmten Art der Gesetzgebung herangezogen werden kann. Zum anderen ergibt sich auch hier die Problematik, dass unklar ist, was unter Gerechtigkeit überhaupt zu verstehen ist und ob absolute Gerechtigkeit überhaupt jemals erreicht werden kann und folglich das Streben danach legitim ist. So lässt sich zusammenfassend sagen, dass die verwendeten allgemeinen Begründungsmuster in der Legitimität ihrer verfolgten Zwecke nicht überzeugen können. Aber, wie eingangs bereits gesagt, schließt die Illegitimität dieser pauschalen Argumentationsmuster nicht aus, dass der Einsatz von Öffnungsklauseln in konkreten Tatbeständen durchaus hinreichend begründet werden kann, indem sie dem Schutz eines Rechtsguts dienen. Sie bieten durch die offene Fassung zumindest potenziell einen umfassenderen Schutz, als dies der Tatbestand ohne die Öffnungsklauseln leisten könnte. So besteht zumindest die Möglichkeit, dass ein praktikabler Begründungsansatz verbleiben könnte.

D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln Öffnungsklauseln sehen sich, unabhängig von der gerade erörterten Begründungsansätzen, mit dem Vorwurf konfrontiert, dass diese Art der Gesetzgebung gegen Art.103 Abs. 2 GG verstößt.1 In Art. 103 Abs. 2 GG wurde die „freiheitsverbürgende Rechtsbeziehung zwischen Bürger und Staat“ 2 normiert und die dort enthaltenen Ge- und Verbote werden zusammenfassend als Gesetzlichkeitsprinzip bezeichnet.3 Diese beziehen sich sowohl auf die Entscheidung, ob ein Verhalten für strafbar erklärt werden soll als auch auf die konkrete Ausgestaltung des Tatbestandes.4 Bei Art. 103 Abs. 2 GG handelt es sich nach Schünemann um eine sog. „Fundamentalnorm“, sodass eine Einhaltung der dort garantierten Grundsätze in jedem Falle erforderlich ist.5 Dieser Grundsatz findet sich darüber hinaus auch in Art. 7 der MenschRKonv6 und Art. 49 Abs. 1 Grundrechtecharta wieder, was die nicht nur im Inland überragende Bedeutung unterstreicht. Aus ebendieser Norm leiten sich der Bestimmtheitsgrundsatz, das Analogieverbot, das Rückwirkungsverbot, der Grundsatz des Gesetzesvorbehaltes und der Grundsatz der Gesetzesbindung ab, gegen die die Öffnungsklauseln jeweils verstoßen könnten. Eng verbunden ist das Prinzip, wie noch zu zeigen sein wird, außerdem mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung. Der Grundgedanke des Gesetzlichkeitsprinzips geht auf die Entscheidung zurück, Recht zu kodifizieren (unter I. 1.), gleichwohl hat sich die Bedeutung des 1 Kühl, in: FS-Geppert, S. 311, 315; ders., in: FS-Seebode, S. 71; Eiden, ZIS 2008, 123, 127; Gazeas, KJ 39 (2006), 247, 257 f.; ders., JR 2007, 497, 501; Greco, GA 2012, 452, 455; Neubacher, ZStW 118 (2006), 855, 870; Neubacher/Seher, JZ 2007, 1023, 1033; MüKo-StGB/Gericke, § 238, Rn. 35 m.w. N.; Bartsch, in: FS-Rössner, 715, 724; Kinzig/Zander, JA 2007, 481, 485; Meyer, ZStW 2003, 249, 288; wohl auch Entwurf des zweiten Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs, v. 27.09.1962 – BT-Drucks. IV/651, S. 22, abrufbar unter https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/04/006/0400 651.pdf (zuletzt abgerufen am 02.12.2020). 2 Calliess, NJW 1989, 1338. 3 Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Abs. 2 Rn. 2; die Bezeichnung wird insgesamt nicht einheitlich verwendet, in dieser Arbeit wird aber dem herrschenden Verständnis gefolgt und der Begriff des Gesetzlichkeitsprinzips soll alle in Art. 103 Abs. 2 GG normierten Ge- bzw. Verbote umfassen, vgl. Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 2. 4 Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 215. 5 Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 2. 6 Außerdem in Art. 49 GRC und Art. 7 Abs. 1 EMRK und Art. 15 Abs. 1 IPBPR.

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Grundsatzes im Laufe der Zeit immer wieder gewandelt, in dem die Schutzrichtungen des Gesetzlichkeitsprinzips unterschiedlich gewichtet wurden (unter I. 2.). Das Gesetzlichkeitsprinzip nimmt auch heute eine prominente Position in § 1 StGB und in Art. 103 Abs. 2 GG ein (dazu unter I. 3.). Das Prinzip ist aufgrund seiner vielfältigen verfassungsrechtlichen Verschränkungen grundlegend für die strafrechtliche Gesetzgebung und Rechtsanwendung (dazu unter II.), daran vermag auch eine etwaig festzustellende gelockerte Handhabung durch die Judikative7 nichts ändern (dazu unter II. 2.). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG oder auch den Grundsatz der Gesetzesbindung und dem Grundsatz der Gewaltenteilung führt zur Verfassungswidrigkeit. Ein solcher kann auch nicht durch die verfolgten Zwecke geheilt werden oder durch Verhältnismäßigkeitserwägungen überwunden werden.8 Eine Abwägung ist aufgrund der klaren Vorgaben und der hohen Bedeutung dieser verfassungsrechtlichen Prinzipien gerade nicht möglich.9 Infolgedessen kommt grundsätzlich keine Absenkung des Schutzniveaus der Garantien in Betracht. Eine solche unterschiedliche bzw. gelockerte Handhabung der Ge- und Verbote ist nur durch eine entsprechende Auslegung überhaupt möglich.10

I. Historische Entwicklung des Gesetzlichkeitsprinzips Das Gesetzlichkeitsprinzip11 und dessen Ausprägungen tauchen nicht erstmals im Grundgesetz der Bundesrepublik auf.12 Durch die Entscheidung Recht und insbesondere das Strafrecht zu verschriftlichen, erwuchsen auch Anforderungen

7 Das BVerfG legt die Maßstäbe, anhand derer die ausreichende Bestimmtheit einer Norm festgestellt werden soll, danach aus, wie eingriffsintensiv das entsprechende Gesetz ist, vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.09.2016 – 2 BvL 1/15 = BVerfGE 143, 38 = NJW 2016, 3648, 349; BVerfGE 25.07.1962 – 2 BvL 4/62 = BVerfGE 14, 245, 250 = NJW 1962, 1563; BVerfG, Beschl. v. 06.05.1987 – 2 BvL 11/85 = BVerfGE 75, 329, 342 = NJW 1987, 3175. 8 Schreiber, ZStW 80 (1986), 348, 367; ebenso: Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 100; Bonner-Kommentar GG/Pohlreich, Art. 103 Abs. 2 Rn. 44. 9 BVerfG v. 05. April 2004 – 2 BvR 2029/01 = NJW 2004, 739; Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 135, 136 relativiert die Bedeutung aber, indem er davon ausgeht, dass auch ohne eine ausdrückliche Normierung von Art. 103 Abs. 2 GG ein vergleichbarer Schutzstandard herrschen würde; ebenso Sachs/Degenhart, Art. 103 Rn. 53; v. Münch/Kunig/Kunig/Saliger, Art. 103 Rn. 30. 10 Einen anderen Ansatz verfolgt augenscheinlich Kuhlen, in: FS-Otto, S. 95, indem er Art. 103 Abs. 2 GG als „Optimierungsgebot“ versteht und auch als „Exaktheitsprinzip“ beschreibt, S. 96. 11 Ausführlich zur historischen Entwicklung siehe LK-StGB/Dannecker, § 1 S. 72; zur geschichtlichen Entwicklung siehe auch zusammenfassend Jähnke, ZIS 2010, 463; Welzel, Das deutsche Strafrecht, S. 19 ff. 12 Matt/Renzikowski/Basak, § 1 Rn. 1; zu ersten Erscheinungsformen siehe auch Kohlmann, Der Begriff des Staatsgeheimnisses, S. 168.

I. Historische Entwicklung des Gesetzlichkeitsprinzips

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an dieses geschriebene Recht.13 Aufgrund dessen handelt es sich um einen traditionsreichen, insbesondere das Strafrecht betreffenden Grundsatz, der im Laufe der Zeit unterschiedliche Funktionen erfüllen sollte.14 Auf der Grundlage dieser unterschiedlichen Zwecke kann ermittelt werden, welche Funktionen diesem Grundsatz heute zugeschrieben werden. Krey erklärt dazu, dass die Untersuchung der geschichtlichen Entwicklung „erhellt [. . .], in welchem Umfang Gesichtspunkte zur Deutung des strafrechtlichen Gesetzesvorbehalts, die heute diskutiert werden, bereits vor Jahrhunderten eine Rolle gespielt haben“.15 1. Entscheidung für das geschriebene Recht und daraus resultierende Konsequenzen Mit der Entscheidung für geschriebenes Recht war der erste Schritt in Richtung des Gesetzlichkeitsprinzips bereits getan,16 denn Art. 103 Abs. 2 GG ist Konsequenz der Entscheidung, die Ordnung des Rechtssystems über Kodifikationen herzustellen. Begründet werden kann diese Entscheidung für das geschriebene Recht und gegen das Richterrecht und Gewohnheitsrecht mit dem Interesse des Souveräns, der sich dadurch selber mehr Macht verleihen und sich insbesondere vor unvorhersehbaren Entscheidungen der Judikative und einem damit verbundenen Machtverlust schützen konnte und wollte.17 Diese Motivation war geprägt von tiefem Misstrauen des Souveräns gegenüber den Richter*innen.18 Ein weiterer Antrieb war der Schutz des Einzelnen vor Willkür, der durch die exakte Normierung sichergestellt werden sollte. Dadurch sollte außerdem das Recht dem Volk zugänglich gemacht werden und die „richterliche und magistratische Willkür des Patriziats eingeschränkt“ werden.19 Denn geschriebenes Recht bedeutet gleichzeitig eine deutlich erhöhte Rechtssicherheit durch die Bindung an dieses geschriebene Recht im Gegensatz zu Richter*innen- und Gewohnheitsrecht. Spä-

13 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 3 ff.; ähnliche Entscheidungen könnte auch ein Case-Law-System nach sich ziehen, vgl. NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 7. 14 Vgl. dazu Kap. D. I. 2. 15 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 2. 16 Dannecker, in: FS-Otto, S. 25; Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 3; bereits im Römischen Recht war ein Rückwirkungsverbot zumindest in Grundzügen vorhanden, vgl. Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 98; Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 217; Rüthers, NJW 2011, 434, 435; Schöckel, Die Entwicklung des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots, S. 8 ff.; Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 35 ff.; Welzel, Das deutsche Strafrecht, S. 19 ff.; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 13 Rn. 7, sieht als Alternative auch ein „an Präjudizien eng gebundenes case law“ als Voraussetzung für das Gesetzlichkeitsprinzip. 17 Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 107; Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 3. 18 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 7; Dannecker, in: FS-Otto, S. 27. 19 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 9; Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 8.

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

testens im Rahmen des österreichischen Strafgesetzbuches von 1787 im Zeitalter der Aufklärung vermischten sich diese beiden Motive und waren nicht mehr streng voneinander zu trennen.20 Die Entscheidung für eine solche Verschriftlichung des Rechts zieht besondere Anforderungen an die Sprache im Recht nach sich.21 Der Gesetzgeber ist grundsätzlich in allen Rechtsgebieten dazu angehalten, sprachlich präzise zu arbeiten, damit der Wille der Legislative möglichst klar zum Ausdruck gebracht wird. Fehlt es an einer solchen Präzision oder wird durch die konkrete Fassung des Tatbestandes die Entscheidung bewusst auf die Judikative verlagert, besteht die Gefahr, dass Judikative und Exekutive den Platz der Legislative einnehmen, indem sie den Inhalt des Gesetzes selbst bestimmen können und ihnen damit ein erheblicher Entscheidungsspielraum zugestanden wird. Dies kann im schlimmsten Fall zu einer faktischen Aufhebung der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 3 GG) führen, da auf diese Weise die Aufgaben der Legislative auf die Judikative und Exekutive ausgelagert werden. Das Recht würde also von den Richter*innen gemacht werden. Folglich bildet die Sprache als Instrument der Rechtsbildung einen Grundstein zur Verwirklichung der Gewaltenteilung, weil „die Grenzsteine [zwischen den einzelnen Gewalten] zu einem guten Stück sprachliche Gebilde sind“.22 Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass diese Grenzsteine durch eine entsprechende Formulierung auch eingerissen werden können. Ebenso spiegelt sich darin das Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) wider, dass sicherstellt, dass Gesetze vom Parlament, also legitimiert durch das Volk, erlassen werden. Durch Art. 103 Abs. 2 GG werden die generellen Anforderungen im Bereich des Strafrechts erhöht, die an das geschriebene Recht und die damit verwendete Sprache gestellt werden. Das Gesetz muss die darin normierten Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes erfüllen. Außerdem dürfen Strafgesetze keine rückwirkende Wirkung entfalten und dürfen nicht analog auf vergleichbare Verhaltensweisen angewendet werden, die bei Schaffung des entsprechenden Strafgesetzes nicht abstrakt umrissen wurden. 2. Historische Entwicklung bis zur Kodifikation im Grundgesetz Beim Gesetzlichkeitsprinzip, das heute in Art. 103 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich und in § 1 StGB einfachgesetzlich normiert ist, handelt es sich um Rechtsgrundsätze, die so oder so ähnlich bereits in der Vergangenheit Geltung 20 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 6; zumindest für das Bestimmtheitsgebot: Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 96; zum Gesetzlichkeitsprinzip und Aufklärung vgl. auch Deffert, Strafgesetzlichkeit als völkerstrafrechtliches Legitimationsprinzip, S. 2 ff. 21 Hassemer, Strafen im Rechtsstaat, S. 14. 22 Hassemer, Strafen im Rechtsstaat, S. 15.

I. Historische Entwicklung des Gesetzlichkeitsprinzips

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beanspruchten.23 Auch wenn diese Rechtsgrundsätze augenscheinlich aus der Entscheidung resultierten, Recht zu kodifizieren, kann aus der vergleichbaren Ausgangslage nicht zugleich auch auf eine einheitliche Schutzrichtung geschlossen werden. Dabei ist eine komplett einheitliche (historische) Betrachtung der damit verbundenen unterschiedlichen Garantien nicht ohne weiteres möglich. Dennoch beruhen auch die Einzelprinzipien auf Grundpfeilern, die man einer Gesamtbetrachtung unterziehen kann.24 So sind Teil des Gesetzlichkeitsprinzips bereits in der Constitutio Criminalis Carolina (CCC) aus dem Jahre 1532 gesetzlich normiert worden, wobei diese u. a. noch eine ausdrückliche Analogieermächtigung enthielt.25 Global gesehen wurde der „nullum crimen sine lege“ Grundsatz erstmals umfassend in der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika aus dem Jahre 1776 und der französischen Menschenrechtserklärung 1789 manifestiert.26 Der Grundsatz der Gesetzesbindung beanspruchte dabei im Laufe der Zeit mal mehr und mal weniger Geltung und verfolgte unterschiedliche Ziele. Die damit verbundene Gesetzesbindung diente, wie bereits anhand der Entscheidung für das geschriebene Recht erörtert, bei absolutistischen Herrschaftsverhältnissen der Erhaltung des Machtanspruchs des Herrschers. Insbesondere im Rahmen des Allgemeinen Preußischen Landrechts war das Verhältnis der Gewalten geprägt vom starken Misstrauen des Monarchen gegen „die Rechtsfindungsmacht der Rechtsgelehrten“,27 das Gesetzlichkeitsprinzip sollte folglich den Monarchen vor den Rechtsgelehrten schützen. Der Schutz des Einzelnen vor Willkür28 und die Sicherung seiner Rechte29 spielte zur Zeit der Aufklärung eine tragende Rolle für die Entwicklung und Fortdauer des Gesetzlichkeitsprinzips. Dies folgte aus der Vorstellung, dass nie-

23 Den „Kerngedanken“ des Gesetzlichkeitsprinzips sieht Kirsch bereits in der Antike angedacht, vgl. Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 35 ff.; zusammenfassend zur geschichtlichen Entwicklung siehe auch Lutfullin, Das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot und Mengenbegriffe, S. 21 ff. m.w. N.; Hassemer, in: FS-Jung, S. 255, 233 zur Methodenlehre als Sicherstellung der Gesetzesbindung. 24 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 1. 25 Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 36 ff.; Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 11. 26 Schöckel, Die Entwicklung des strafrechtlichen Rückwirkungsverbotes bis zur französischen Revolution, S. 77 f., der den Impuls, das Rückwirkungsverbot zu normieren, als von Nordamerika ausgehend determiniert; Dreier/Schulze/Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 2; Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 17; Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 91 ff. 27 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 7. 28 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 3. 29 Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 39.

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

mals einzelne Richter*innen über das Recht entscheiden sollten, sondern nur der repräsentative Gesetzgeber.30 Auf diese Weise kommt zu Teilen auch heute der Grundsatz der Gewaltenteilung in Art. 103 Abs. 2 GG zum Ausdruck. Beccaria, der zusammen mit Montesquieu und Locke als Vordenker des Gesetzlichkeitsprinzips gilt, verband außerdem dieses Prinzip mit dem generalpräventiven Charakter von Strafe.31 Nur wenn erkennbar ist, welche Verhaltensweisen unter Strafe stehen, kann dieses geschriebene Recht den potenziellen Täter von der Tatbegehung abschrecken. Montesquieu betrachtete den Schutz der Bürger*innen vor Willkür als Hauptaufgabe des geschriebenen Rechts.32 Diese können nur dann vor der Willkür des Staates geschützt werden, wenn es klare gesetzliche Vorgaben gibt, die die Bürger*innen erkennen lassen, welche Verhaltensweisen unter Strafe gestellt werden. Zum Teil werden die Äußerungen Montesquieus über die Rolle der Richter*innen so interpretiert, dass Richter*innen ihre Entscheidungen nur durch einen Blick in das Gesetz treffen sollen und keine persönliche Wertung bzw. Bewertung der Richter*innen einfließen sollen.33 Ausdrücklich schriftlich kodifiziert wurde das Gesetzlichkeitsprinzip im deutschsprachigen Raum erstmals in der Josephina von 1787 und diente dort nach überwiegender Ansicht der Freiheitssicherung der Bürger*innen.34 Schließlich war es aber Anselm v. Feuerbach, der das Gesetzlichkeitsprinzip durch seine Formulierung „nullum crimen, nulla poena sine lege“ geprägt hat und erstmals darin alle vier Einzelprinzipien herausarbeitete.35 Dabei bediente er sich einer strafrechtlichen und einer staatsrechtlichen Begründung. Im Rahmen der strafrechtlichen Dimension sollte die genaue Kodifikation von Gesetzen dafür sorgen, 30

Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 1. Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, 1993, S. 108; Alff/Beccaria, Über Verbrechen und Strafen, S. 60 ff.; siehe zusammenfassend zu Montesquieu auch Deffert, Strafgesetzlichkeit als völkerstrafrechtliches Prinzip, S. 4 f. und Kohlmann, Der Begriff des Staatsgeheimnisses, S. 170. 32 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 14; Welke, KJ 95, 368, zum Verhältnis Bürger*innen und Staat. 33 Siehe dazu beispielsweise Küper, Die Richteridee der Strafprozessordnung und ihre geschichtlichen Grundlagen, S. 52; ebenso Hassemer, in: Einführung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 261; Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, S. 172; eine solche Auslegung der Ausführungen ist aber nicht unstrittig, vgl. dazu nur Ogorek, Rechtshistorisches Journal 1983, 278, 280 ff. und dies., in: FS-Lüderssen, 2002, 127, 129: „Montesquieu hat den Richterautomaten niemals gefordert.“ 34 Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 41; teilweise wird aber auch hier vertreten, dass die Kodifikation eigentlich dem Machterhalt des Souveräns dienen sollte, vgl. LK-StGB/Dannecker, § 1 S. 72; anders wohl Kohlmann, Der Begriff des Staatsgeheimnisses, S. 180 f.; Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 217. 35 Feuerbach, Lehrbuch des peinlichen Rechts, § 24; siehe dazu ausführlicher bei Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 19; Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 1. 31

I. Historische Entwicklung des Gesetzlichkeitsprinzips

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dass die Strafandrohung nur so Täter*innern von der Tatbegehung abhalten kann.36 Seine staatsrechtliche Vorstellung des Prinzips war hingegen geprägt von der Idee eines liberalen Rechtsstaates, denn auch er wollte die Bürger*innen vor richterlicher Willkür schützen.37 Aufgrund dessen wurde das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich von 1871 im damaligen gesamten Deutschen Reich verankert.38 Durch Belings „Die Lehre vom Verbrechen“ nahm dieser Anfang des 20. Jahrhunderts Einfluss auf das heutige Verständnis von Art. 103 Abs. 2 GG und sorgte für eine erneute Hervorhebung dieses Grundsatzes zur damaligen Zeit.39 Konsequenz dessen war die Aufnahme des Gesetzlichkeitsprinzips in Art. 116 WRV.40 Durch die Zerrissenheit Deutschlands zu dieser Zeit wurde der Ruf nach genaueren Gesetzen größer.41 Infolgedessen erlangte das Gesetzlichkeitsprinzip erstmals in Deutschland Verfassungsrang und fand sich nicht nur im einfachen Recht wieder. Die Zeit des Nationalsozialismus stellt in Bezug auf die (Fort-)Entwicklung des Gesetzlichkeitsprinzips eine Zäsur dar. Zu jener Zeit bestand das höchste Ziel darin alles, was für strafwürdig erachtet wurde, zu ahnden, ohne Rücksicht auf die Rechtspositionen der Betroffenen.42 Damit verlor das Gesetzlichkeitsprinzip zunehmend an Bedeutung bis es schließlich in der strafrechtlichen Gesetzgebung keine Rolle mehr spielte, was insbesondere auf die Neufassung von § 2 StGB im Jahre 1935 zurückzuführen ist, die eine analoge Rechtsanwendung ausdrücklich ermöglicht.43 Als Beginn dieser Entwicklung kann dabei das sog. 36

LK-StGB-Dannecker, § 1 S. 74. Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 20; Feuerbach, Revision der Grundsätze und Grundbegriffe des positiven peinlichen Rechts, S. 63. 38 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 22. 39 Beling, Die Lehre vom Verbrechen, Vorwort V f., und der Feststellung, dass nur „fest umrissene Verbrechenstypen unter die Strafdrohung fallen können“, S. 21 ff. 40 Ausführlich dazu vgl. Honda, in: FS-Seebode, S. 15, 17 ff. und Schreiber, Gesetz und Richter, S. 67 ff.; dezidiert zur Entstehungsgeschichte vgl. Kohlmann, Der Begriff des Staatsgeheimnisses, S. 201 ff.; auch wenn der Grundsatz bereits damals stark geschwächt war, vgl. Marxen, Der Kampf gegen das liberale Strafrecht, S. 192 f.; Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 162, in Zusammenhang mit dem Rückwirkungsverbot. 41 Lemmel, Unbestimmte Strafbarkeitsvoraussetzungen im besonderen Teil des Strafrechts, S. 26. 42 Cattaneo, Strafrechtstotalitarismus, S. 233 ff. 43 Vgl. dazu Gesetz vom 28.06.1935, RGBl. I S. 839; zusammenfassend: Lemmel, Unbestimmte Strafbarkeitsvoraussetzungen im besonderen Teil des Strafrechts, S. 28; grundlegend auch Gernhuber, in: FS-Kern, S. 167, 169; Deffert, Strafgesetzlichkeit als völkerrechtliches Prinzip, S. 30; Kohlmann, Der Begriff des Staatsgeheimnisses, S. 211 f.; § 2 RStGB von 1935 lautete: „Bestraft wird, wer eine Tat begeht, die das Gesetz für strafbar erklärt oder die nach dem Grundgedanken eines Strafgesetzes und nach gesundem Volksempfinden Bestrafung verdient. Findet auf die Tat kein bestimmtes Strafgesetz unmittelbar Anwendung, so wird die Tat nach dem Gesetz bestraft, dessen Grund37

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Reichsbrand-Urteil 44 erachtet werden, welches die rückwirkende Verhängung der Todesstrafe für Fälle der aufrührerischen Brandstiftung für rechtmäßig erklärte. Der Strafgesetzlichkeit, auch als Schutz der Bürger*innen vor willkürlichen Entscheidungen, kam de facto keine Bedeutung mehr zu. 3. Entstehungsgeschichte des Art. 103 Abs. 2 GG Art. 103 Abs. 2 GG, in seiner heutigen Fassung, fand nach Ende des zweiten Weltkrieges und mit der Sitzung des Parlamentarischen Rates Einzug in das Grundgesetz.45 Eine ähnliche Fassung fand sich damals bereits in Art. IV Nr. 7 des Gesetzes Nr. 1 der Militärregierung. Dort hieß es: „Die Anklage darf nur erhoben werden, Urteile dürfen nur verhängt, Strafen vollstreckt werden, falls die Tat zur Zeit ihrer Begehung ausdrücklich gesetzlich für strafbar erklärt war. Ahndung von strafbaren Handlungen unter Analogien oder wegen angeblich ,gesunden Volksempfindens‘ ist verboten.“ 46

Diese gesetzliche Regelung diente dabei der Abkehr von § 2 RStGB,47 der zur Zeit des Nationalsozialismus Analogien im Strafrecht ausdrücklich erlaubte und als Quasi-Generalklausel für alle Verhaltensweisen diente, die „dem gesunden Volksempfinden“ entgegenstanden. § 2 RStGB wurde am 30.01.1946 durch Art. I des Kontrollratsgesetzes Nr. 11 endgültig aufgehoben (Art. V). Es galt dann weiterhin Art. II der Proklamation Nr. 3 des Kontrollrates48, welcher im Grunde eine Vorläuferversion des heutigen Art. 103 Abs. 2 GG darstellte.49 Schließlich wurde

gedanke auf sie am besten zutrifft“ und enthält damit die ausdrückliche Aufforderung zur analogen Rechtsanwendung; dazu auch: NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 11 f. insbesondere auch zu den rechtspolitischen Folgen der Abschaffung des § 2; zum „Methodenpluralismus“ im Nationalsozialismus vgl. Grimm, in: FS-Coing, S. 490; Werber, Analogie- und Rückwirkungsverbot im Dritten Reich unter Berücksichtigung der Kontinuitätsfrage zur Weimarer Zeit, S. 95 ff. mit Auszügen aus der Gesetzesbegründung; umfassend auch: Gruchmann, Justiz im Dritten Reich, S. 822 ff. 44 Zusammenfassend siehe: Holste, JA 2009, 359; dazu auch Honda, in: FS-Seebode, S. 15. 45 Umfassend zur Entwicklung des Art. 103 Abs. 2 GG siehe auch Honda, in: FSSeebode, S. 31 f. 46 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 17; Kohlmann, der Begriff des Staatsgeheimnisses, S. 213. 47 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 17, unter Verweis auf den darstellenden Teil des Berichts über den Verfassungskonvent; Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 36; Schreiber, Gesetz und Richter, S. 201. 48 Dieser lautet: „1. Niemand darf das Leben, die persönliche Freiheit oder das Eigentum entzogen werden, es sei denn auf Grund von Recht und Gesetz. 2. Strafbare Verantwortlichkeit besteht nur für Handlungen, welche das Recht für strafbar erklärt. 3. Kein Gericht darf irgendeine Handlung auf Grund von ,Analogie‘ oder im Hinblick auf das sogenannte ,gesunde Volksempfinden‘ für strafbar erklären, wie es bisher im deutschen Strafrecht der Fall war.“ 49 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 17.

II. Heutiger Sinn und Zweck des Gesetzlichkeitsprinzips

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in Art. 136 Abs. 1 des Entwurfs des Verfassungskonvents auf Herrenchiemsee bestimmt, dass „[e]ine Handlung [. . .] nur dann mit Strafe belegt werden [kann], wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde“.50 Danach handelt es sich nach allgemeiner Auffassung um einen der „überkommenen rechtsstaatlichen Grundsätze“ 51 und die Normierung im Grundgesetz folgte dem Ziel „einen altbewährten Grundsatz wieder zu Ehren kommen zu lassen“.52 Damit entspricht diese Fassung des Gesetzlichkeitsprinzips nahezu vollständig der heute geltenden Fassung des Art. 103 Abs. 2 GG und fand sich bereits damals auch in Landesverfassungen wieder. Lediglich der Begriff der Handlung wurde durch den Begriff der Tat ersetzt. Damit knüpft die Norm an Art. 116 der WRV an,53 über die Einbindung in die Verfassung bestand insbesondere aufgrund der Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit auch überwiegend Einigkeit.54 Auch über die wesentliche inhaltliche Ausrichtung herrschte Konsens, sodass nur noch die genaue Formulierung zur Disposition stand.55 In seiner heutigen Fassung nennt das Gesetzlichkeitsprinzip lediglich den Begriff der Strafbarkeit und nicht den der Strafe, wobei mittlerweile aber nach wohl einhelliger Ansicht auch das Strafmaß erfasst ist.56 Schließlich wurde das Gesetzlichkeitsprinzip auch in das einfache Recht übernommen und wurde durch das 3. Strafrechtsänderungsgesetz vom 04.08.1953 in das StGB eingefügt. Diese Wiederholung des Art. 103 Abs. 2 GG findet sich heute in § 1 StGB. Dies dient der Verdeutlichung des überragend wichtigen Charakters des Gesetzlichkeitsprinzips.57

II. Heutiger Sinn und Zweck des Gesetzlichkeitsprinzips Die lange Historie des Gesetzlichkeitsprinzips führt aber nicht etwa dazu, dass das Gesetzlichkeitsprinzip heutzutage ins Hintertreffen gerät. Beim Gesetzlichkeitsprinzip handelt es sich insgesamt um einen besonderen Kanon von Rechtsregeln für das Strafrecht, die darauf zurückzuführen sind, dass es sich bei der Zufügung von Strafe um einen besonders eingriffsintensiven Bereich handelt. Es 50

Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 19. So Zinn im Plenum des Parlamentarischen Rates, in: Anlage zum stenographischen Bericht der 9. Sitzung des Parlamentarischen Rates vom 06.05.1949, S. 49. 52 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 100. 53 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 25 f. 54 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 19. 55 Vgl. dazu umfassend Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 21 f. 56 Historisch dazu: Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 20 ff., Einigkeit herrschte hingegen über die Aufnahme des Grundsatzes in das Grundgesetz; ebenso Deffert, Strafgesetzlichkeit als völkerrechtliches Prinzip, S. 38. 57 Bockelmann, in: Niederschrift über die Sitzung der großen Strafrechtskommission, S. 288 f.; zusammenfassend zur Gesetzgebung siehe Schreiber, Gesetz und Richter, S. 204 f. 51

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

herrscht die allgemeine Auffassung, dass dieser strengeren Regeln unterworfen werden muss als dies für andere Rechtsbereiche wie z. B. dem Zivilrecht der Fall ist.58 Es handelt sich also um fundamentale Voraussetzungen, die für die Bestrafung durch den Staat aufgrund eines geschriebenen Gesetzes erforderlich sind. Auf der Skala, die von materieller Gerechtigkeit auf der einen Seite zur Rechtssicherheit auf der anderen Seite reicht, hat der verfassunggebende Gesetzgeber dem Wortlaut nach eine Entscheidung zugunsten der Rechtssicherheit getroffen, was zur Folge hat, dass im Zweifel strafwürdiges Verhalten mangels expliziter Regelung straflos bleiben muss.59 Die Durchsetzung der mit Art. 103 Abs. 2 GG verbundenen Garantien kann über eine Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG) oder über eine abstrakte Normenkontrolle (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG) beim BVerfG erreicht werden.60 1. Verfassungsrechtliche Herleitung des Gesetzlichkeitsprinzips Das Gesetzlichkeitsprinzip lässt sich seinerseits aus unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Prinzipien herleiten und mit diesen verknüpfen.61 Es steht also nicht allein und für sich selbst, sondern prägt die Verfassung und wird auch seinerseits von ihr geprägt. Diese Verknüpfungen zeigen auf, welche Bedeutung dem Gesetzlichkeitsprinzip heute noch zukommt. Teilweise wird vertreten, dass es sich um einen „konkreten Naturrechtssatz“ handele, der bereits „Kraft seiner Evidenz“ gelte.62 Der Grundsatz ergebe sich also aus der Natur des geschriebenen Rechts selbst, gelte ohne verfassungsrechtliche Anknüpfung und leite sich auch nicht aus verfassungsrechtlichen Grundsät58 Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 97, dies kann aber auch angezweifelt werden, da es ebenso eingriffsintensive Bereiche gibt, wie z. B. im Bereich des Polizei- und Ordnungsrechts. 59 Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 213 f.; LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 53. 60 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 135; Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/ Aust, Art. 103 Rn. 164; BeckOK-StGB/Heintschel-Heinegg, § 1 Rn. 35; MüKo-StGB/ Schmitz, §1 Rn. 103 ff.; siehe zum Rechtsmittel auch Deffert, Strafgesetzlichkeit als völkerstrafrechtliches Legitimationsprinzip, S. 38. 61 Zur verfassungsrechtlichen Herleitung vgl. insbesondere mit Verweis auf Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip: Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 38 ff.; NKStGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 10; Welke, KJ 95, 368, 371, insbesondere zum Schuldprinzip; Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 9; Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 3; Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 219 f.; zur Bedeutung der Menschenwürde: vgl. Gaier, wistra 2014, 161, 165, dieser verweist auf den Menschenwürdegehalt; Schreiber, Gesetz und Richter, S. 209 ff., der Art. 103 Abs. 2 GG im Ergebnis auch als Folge des Rechtsstaatsprinzips einordnen dürfte; Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 13, der auf das Erfordernis verweist, die Zwecksetzung für die in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltenen Ver- und Gebote getrennt zu bestimmen; Kuhlen, in: FS-Otto, S. 91, insbesondere zum Verhältnis zum allgemeinen Gesetzesvorbehalt. 62 Grünwald, ZStW 76 (1964), 1; Kuhlen, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 45, 46.

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zen ab. Das Prinzip wird teilweise auch aus dem diffusen Begriff der „Freiheitsidee“ hergeleitet.63 Die meisten Erklärungsansätze64 fußen allerdings auf einer verfassungsrechtlichen Herleitung: Es wird teilweise aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) hergeleitet. Nur ein vorhersehbares Handeln der Staatsgewalt könne rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechen und schütze vor willkürlichen Entscheidungen, was sich mit den Zielen im Rahmen der historischen Auslegung deckt.65 Art. 103 Abs. 2 GG soll dabei einen Verstoß gegen das Gesetzlichkeitsprinzip zum Zwecke der Gerechtigkeit verhindern.66 Wieder andere sehen das Gesetzlichkeitsprinzip als Ausformung des Demokratieprinzips67 oder des Grundsatzes der Gewaltenteilung.68 Denn aufgrund der Schwere des Eingriffs in die Freiheitsrechte der Bürger*innen, bedürfe es einer Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, wohingegen Richter*innen lediglich zur Anwendung des gesetzten Rechts berufen seien.69 Der Herleitung aus dem Prinzip der Gewaltenteilung stünden Erwägungen zum gewöhnlichen Gang des Gesetzgebungsverfahrens nicht entgegen: Lemmel konstatiert zwar, dass Richter*innen zum Teil auch an der Rechtsbildung beteiligt sind, durch ihre Arbeit eine Art der Rechtssetzung vornehmen und des weiteren auch in Fachgremien zur Setzung von Recht als Expert*innen einberufen werden und damit die Gesetzgebung ohnehin nicht kein absolut und rein legislativer Bereich 63

Steinberger, Konzeption und Grenzen freiheitlicher Demokratie, S. 186, 345. Zusammenfassend s. z. B. Lemmel, Unbestimmte Strafbarkeitsvoraussetzungen im Besonderen Teil des Strafrechts, S. 74 ff. 65 So wohl die herrschende Meinung, vgl. Bonner-Kommentar GG/Pohlreich Art. 103 Abs. 2 Rn. 43, auch mit Verweisen auf das Schuldprinzip; Sachs/Degenhart, Art. 103 Rn. 53, in Verbindung mit dem Schuldprinzip; mehrere Erklärungsansätze ebenfalls vereinend: Paulduro, Die Verfassungsgemäßheit von Strafrechtsnormen, insbesondere der Normen des Strafgesetzbuches, im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 361; LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 51; Matt/Renzikowski/Basak, § 1 Rn. 4; MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 9; Mangoldt/Klein/Starck/Nolte, Art. 103 Rn. 101; Jarass/Pieroth/Kment/Kment, Art. 103 Rn. 62, und der Menschenwürde und des Demokratieprinzips; zur Historie und dem Rechtsstaatsprinzip vgl. NK-StGB/Hassemer/ Kargl, § 1 Rn. 10; zur Bedeutung der verfassungsrechtlichen Herleitung vgl. Lackner/ Kühl/Kühl, § 1 Rn. 1. 66 LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 52 ff. 67 Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 14; Geitmann, Bundesverfassungsgericht und „offene“ Normen, S. 72; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 17, in Kombination mit dem Rechtstaatsprinzip; Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 12 ff., 40, sieht Wahrung von Gewaltenteilungsgrundsatz und dem Demokratieprinzip als Grundlage von Art. 103 Abs. 2 GG und dem daraus erwachsenden Bestimmtheitsgrundsatz. 68 Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 219, der dies aber immer im Zusammenhang mit der freiheitgewährenden Funktion betrachtet; Kratzsch, GA 1971, 65, 70; Grünwald, in: FS-Kaufmann, S. 433, 436; Kunig/Saliger bejaht eine Zusammensetzung aus mehreren Prinzipien, vgl. v. Münch/Kunig/Kunig/Saliger, Art. 103 Rn. 30; Mangoldt/Klein/ Starck/Nolte, Art. 103 GG Rn. 101 in Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz. 69 LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 55. 64

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ist.70 Daraus könnte man den Schluss ziehen, dass sich das Gesetzlichkeitsprinzip gerade nicht (nur) aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung ergibt, da diese ohnehin nicht konsequent eingehalten wird. Allerdings geht eine solche Einschätzung wohl zu weit, denn die Letztentscheidung über die abstrakte Strafbarkeit wird nur vom demokratisch legitimierten Gesetzgeber selbst getroffen. Bei dieser Entscheidung findet, auch wenn Organe der Judikative im Verfahren beratend tätig wurden, keine Vermischung der Gewalten statt, sodass dies folglich der Herleitung aus dem Gesetzlichkeitsprinzip nicht entgegensteht. Außerdem steht der Grundsatz der Gewaltenteilung, wie noch zu zeigen sein wird, keiner Verschränkung der Gewalten entgegen. Vielmehr schützt er die Kernbereiche der einzelnen Gewalten. Solange diese nicht betroffen sind, ist kein Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung anzunehmen.71 Sax hingegen sieht das Prinzip als Voraussetzung der Verwirklichung der materiellen Gerechtigkeit und leitet es unter anderem aus dem Schuldprinzip her.72 Schuldhaft handeln könne gerade nur die Person, die hätte wissen können, dass ein bestimmtes Verhalten unter Strafe gestellt ist. Dies setzte notwendigerweise eine Kodifizierung der Strafbarkeit voraus. Gegen eine Herleitung aus dem Schuldprinzip spricht, dass dieses daran anknüpft, dass eine Handlung verboten ist, wozu nicht zwangsweise gehört, dass der Betroffene wissen muss, dass die Handlung unter Strafe steht.73 Damit kann spätestens nach der gesetzlichen Normierung des Schuldprinzips in § 17 StGB diese Herleitung nur noch bedingt als Begründungsansatz herhalten, da danach die Schuld eindeutig nur die Kenntnis des Unrechts der entsprechenden Handlung voraussetzt und nicht die Kenntnis des entsprechenden Strafgesetzes.74 Dennoch ist zuzugeben, dass zumindest ein Strafgesetz bestehen muss, damit eine Unrechtskenntnis erlangt werden kann, was ebenfalls durch das Gesetzlichkeitsprinzip verfassungsrechtlich abgesichert ist.75 Das Gesetzlichkeitsprinzip geht aber über „die Erfordernisse des Schuldprinzips hinaus“.76 Es handelt sich dabei 70 Lemmel, Unbestimmte Strafbarkeitsvoraussetzungen im besonderen Teil des Strafrechts, S. 82. 71 Vgl. dazu in dieser Arbeit Kap. D. VIII. 3. 72 Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 10; zum Teil auch in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG: vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.02.1969 – 2 BvL 15, 23/68 = BVerfGE 25, 269, 285 = NJW 1969, 1509; ebenso Sachs/Degenhart, Art. 103 Rn. 55, als Grundlage des Gesetzlichkeitsprinzips; zumindest im Hinblick auf das Rückwirkungsverbot vgl. Welke, KJ 1995, 369, 371; in Hinblick auf die generalpräventive Funktion von Strafen siehe auch Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 2. 73 Zusammenfassend dazu vgl. LK-StGB/Vogel/Bülte, § 17 Rn. 15. 74 Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 12; anders kann es freilich liegen, wenn das Schuldprinzip mit dem Prinzip der Menschenwürde verbunden wird, vgl. dazu BVerfG 2 BvR 2029/01 – Urt. v. 05.02.2004 = BVerfGE 109, 133, 171 = NJW 2004, 739. 75 Sachs/Degenhart, Art. 103 Rn. 55. 76 LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 61.

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um strengere Anforderungen, die an die Schaffung von Strafgesetzen gestellt werden. Eine reine Konkretisierung des Schuldprinzips liegt gerade nicht vor,77 da die damit verbundenen Garantien über die des § 17 StGB hinausgehen. Den unterschiedlichen Ansätzen schließt sich das BVerfG zum Teil an. Es vereint dabei eine freiheitsgewährende Funktion für die Bürger*innen mit der Sicherung der Garantie, dass die Entscheidung über strafbares Verhalten und das Strafmaß durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber getroffen werden und diese Entscheidung nicht auf die anderen Gewalten ausgelagert wird. Das BVerfG stellt auf diesem Wege eine Verbindung zum Grundsatz der Gewaltenteilung her.78 Art. 103 Abs. 2 GG wohnt nach dem BVerfG insgesamt eine „rechtsstaatliche und grundrechtliche Gewährleistungsfunktion“ 79 inne. Eine solche Vereinigung der unterschiedlichen Erklärungsansätze ist überzeugend.80 Das Gesetzlichkeitsprinzip in all seinen Ausprägungen vereint unterschiedliche Garantien. So soll es nicht nur, wie die Herleitung aus dem Gewaltenteilungsprinzip und dem Rechtsstaatsprinzip deutlich macht, garantieren, dass der demokratisch legitimierte Gesetzgeber die Entscheidung über die Strafbarkeit trifft. Es soll auch insoweit freiheitsgewährend für die Bürger*innen wirken, dass es dies sogar über das Schutzniveau des Schuldprinzips hinausgeht und damit dieses in jedem Falle miteinschließt. Daher ist eine multi-kausale verfassungsrechtliche Herleitung geboten, um alle Facetten des Prinzips zu erfassen. Dies gilt umso mehr, als die verfassungsrechtlichen Grundsätze, wie im Folgenden aufgezeigt werden wird, in den einzelnen Ausprägungen des Gesetzlichkeitsprinzips unterschiedlich stark zum Ausdruck kommen. 2. Tatsächliche Bedeutung des Gesetzlichkeitsprinzips Bereits die soeben erfolgte Darstellung der verfassungsrechtlichen Verankerung zeigt, dass dem Art. 103 Abs. 2 GG auch heute noch eine überragende Bedeutung zukommt. Nur auf diesem Wege kann eine effektive Umsetzung des Rechtsstaats- und Demokratieprinzips erfolgen und der Grundsatz der Gewalten77 Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 221; was sich auch bereits daraus ergibt, dass zumindest das Rückwirkungsverbot sich auch auf nachträgliche Strafschärfungen bezieht, vgl. MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 9 m.w. N. 78 BVerfG, Beschl. v. 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170 = NJW 2010, 3209, 3210; BVerfG, Beschl. v. 17.01.1978 – 1 BvL 13/76 = BVerfGE 47, 109 (120) = NJW 1978. 933, 934; so im Ergebnis auch Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 219, die außerdem die generalpräventive Funktion des Gesetzlichkeitsprinzips und den politischen Liberalismus unterstreichen; Gropp/Sinn, StrafR AT, § 3 Rn. 13 ff. 79 BVerfG, Beschl. v. 24.10.1996 – 2 BvR 1851, 1853, 1875, 1852/94 = BVerfGE 95, 96 (131) = NJW 1997, 929. 930. 80 So im Ergebnis auch v. Münch/Kunig/Kunig/Saliger, Art. 103 Rn. 30; Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 30; so im Ergebnis zumindest in Hinblick auf das Schuldprinzip und das Demokratieprinzip, vgl. Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 219 f.

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teilung geschützt werden.81 Dafür bedarf es immer wieder eines Austarierens der Freiheitsverteilung zwischen Staat und Bürger*innen, die durch Art. 103 Abs. 2 GG erfolgt.82 Doch die Bedeutung des Gesetzlichkeitsprinzips hängt auch maßgeblich von der tatsächlichen Wirksamkeit ab, also davon, wie es von der Judikative verstanden und schlussendlich auch durchgesetzt wird.83 Eine solche Betrachtung muss und wird für die mit dem Gesetzlichkeitsprinzip verbundenen jeweiligen Garantien separat erfolgen.84 Aufgrund dessen erfolgt an dieser Stelle keine umfassende Analyse der Rechtsprechung zu Art. 103 Abs. 2 GG.85 Dennoch kann bereits eine Tendenz zur Bedeutung im Rahmen der Rechtsprechung aufgezeigt werden, um den Konflikt zwischen verfassungsrechtlicher Bedeutung und Anwendung durch die Rechtsprechung zu verdeutlichen. Die grundsätzlich überragende Bedeutung für die Rechtsstaatlichkeit und die Freiheit des Einzelnen ist aufgrund der historischen Entwicklung kaum ernsthaft zu bezweifeln. Dass dieser Norm auch in der Rechtsprechung eine hohe Bedeutung zukommt, ist schon daran zu erkennen, dass Verstöße gegen Art. 103 Abs. 2 GG im Vergleich zu anderen Artikeln „am häufigsten mit der Verfassungsbeschwerde als verletzt gerügt werden“.86 Die am meisten gerügte Ausprägung des Gesetzlichkeitsprinzips ist dabei, soweit ersichtlich, das Bestimmtheitsgebot.87 81 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 136, wonach Art. 103 Abs. 2 GG eine mahnende Funktion zukommt; Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 14. 82 Die zeigt sich z. B. an den Entscheidungen zu § 240 StGB, vgl. Prittwitz, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 387, 396; so im Ergebnis wohl auch Roxin/ Greco, Strafrecht AT, S. 219. 83 Mangakis, ZStW 1969, 425, 427. 84 Siehe dazu insbesondere in Bezug auf die Handhabung des Bestimmtheitsgrundsatzes durch die Gerichte Kap. D. IV. 1. c) und in Bezug auf das Analogieverbot Kap. D.V. 1.; offengelassen bei Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 8, verweist insbesondere auf die wenigen Entscheidungen zum Analogieverbot, die aber keine eindeutige Interpretation zulassen. 85 Siehe dazu nur auch die ausführliche Darstellung der Entscheidungen in Paulduro, Die Verfassungsgemäßheit von Strafrechtsnormen, insbesondere der Normen des Strafgesetzbuches, im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 363 ff., der im Ergebnis eine strengere Gesetzgebung im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Normen mit Art. 103 Abs. 2 GG fordert, S. 431. 86 v. Münch/Kunig/Kunig/Saliger, 6. Aufl. 2012, Art. 103 Rn. 1; zur Präsenz des Gesetzlichkeitsprinzips in der Rechtsprechung vgl. auch Schulz, in: FS-Roxin, S. 305; auf die (quantitative) Präsenz verweist auch AnwKomm-StGB/Gaede, § 1 Rn. 1. 87 Die Suche nach Entscheidungen zum Begriff „Bestimmtheitsgebot“ ergibt in der Datenbank des BVerfG 178 Einträge, abrufbar unter https://www.bundesverfassungs gericht.de/SiteGlobals/Forms/Suche/Entscheidungensuche_Formular.html?input_=5399 828&facettedEntscheidungstyp.GROUP=1&submit=Senden&resourceId=5399864&fa cettedVerfahrensart.GROUP=1&dateAfter=tt.mm.jjjj&templateQueryString=Bestimmt heitsgebot&dateBefore=tt.mm.jjjj&pageLocale=de [zuletzt abgerufen am 24.02.2020]; Schulz spricht von einer „Konjunktur des Bestimmtheitsgrundsatzes“, vgl. Schulz, in: FS-Roxin, S. 305, 315.

II. Heutiger Sinn und Zweck des Gesetzlichkeitsprinzips

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Gerade der Umgang der Gerichte mit dem aus dem Gesetzlichkeitsprinzip erwachsenden Bestimmtheitsgrundsatz zeigt, dass das Gesetzlichkeitsprinzip, durch die Judikative eher gelockert gehandhabt wird. Dies wird zum einen dadurch deutlich, dass ein Gesetz nur in Ausnahmefällen für zu unbestimmt erklärt wird.88 Zum anderen aber auch durch die zum Bestimmtheitsgrundsatz entwickelte Rechtsprechung, in der sich die Judikative selbst die Kompetenz zur „Heilung“ der zu unbestimmten Strafgesetze zuspricht.89 Besonders deutlich zeigt sich dies in der Entscheidung zur hinreichenden Bestimmtheit des Untreuetatbestandes, bei dem das BVerfG der Judikative gerade die Aufgabe auferlegt, etwaige Unklarheiten durch die Rechtsprechung zu präzisieren.90 Darüber hinaus warnt die Rechtsprechung gerade in Bezug auf den Bestimmtheitsgrundsatz davor, übersteigerte Anforderungen zu stellen.91 Die Anforderungen, die an den Gesetzgeber für die Einhaltung der in Art. 103 Abs. 2 GG verbürgten Regeln aufstellt werden, werden vielmehr von der Eingriffsintensität, die sich in der Strafandrohung ausdrückt, abhängig gemacht.92 Uneinheitlicher zeigt sich die Rechtsprechung gleichwohl, wie sich noch zeigen wird, bei der Anwendung und Durchsetzung des Analogieverbotes. Zum Teil wurde in Entscheidungen der Wortlaut einer Norm bewusst überschritten.93 Auch wird der überragende Charakter des Analogieverbotes betont, der gerade nicht durch Überlegungen zur materiellen Gerechtigkeit durchbrochen werden kann.94 Zumindest zweifelhaft erscheint auch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (im Folgenden BGH) vom 10.07.1975, wonach die Täter § 250 Abs. 1 Nr. 3a

88 Siehe dazu die Entscheidung zum Begriff „grober Unfug“, vgl. BVerfG 14.05. 1969 – 2 BvR 238/68 = BVerfGE 26, 41, 42 = NJW 1969, 1759; ebenso Mangoldt/ Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 138; die Rechtsprechung des BVerfG zum Bestimmtheitsgebot befürwortend: v. Münch/Kunig/Kunig/Saliger, Art. 103 Rn. 50. 89 Siehe dazu sogleich unter Kap. D. IV. 1. c). 90 BVerfG, Beschl. v. 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 189 = NJW 2010, 3209. 91 BVerfGE 25.07.1962 – 2 BvL 4/62 = BVerfGE 14, 245, 250 = NJW 1962, 1563; BVerfG 08.05.1974 – 2 BvR 636/72 = BVerfGE 37, 201, 208 = NJW 1974, 1860; BVerfG 11.02.1976 – 2 BvL 2/73 = BVerfG 41, 314, 320, insbesondere im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz. 92 BVerfG, Beschl. v. 06.05.1987 – 2 BvL 11/85 = BVerfGE 75, 329, 342 = NJW 1987, 3175; BVerfG 20.03.2002 – 2 BvR 794/95 = BVerfGE 105, 135 = NJW 2002, 1779. 93 RGST 29, 111; 32, 165; BGH, Urt. v. 13.09.1957 – 1 StR 338/57 = BGHSt 10, 375 = NJW 1957, 1642; BGH, Urt. v. 08.04.1960 – 4 StR 2/60 = BGHSt 14, 213 = NJW 1960, 1165; BGH, Urt. v. 26.09.1962 – 4 Str 196/62 = BGHSt 18, 114, 120 = NJW 1963, 307. 94 BGH, Urt. v. 17.11.1962 – 3 StR 49/62 = BGHSt 18, 136 = NJW 1963, 499; z. B. für den Fall der Anwendung des § 142 Abs. 2 StGB, wonach ein unvorsätzliches Entfernen vom Unfallort sich nicht unter den Wortlaut „berechtigt und entschuldigt“ subsumieren lässt, vgl. BGH, Beschl. v. 19.07.2007 – 2 BvR 2273/06 = BVerfGK 10, 442; AnwKomm-StGB/Gaede, § 1 Rn. 30 bezeichnet dies als „erweitertes Analogieverbot“.

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

bestraft wurden, obwohl die Norm in der Zwischenzeit aufgehoben wurde.95 Eine solche Entscheidung scheint zumindest im Lichte des sich aus Art. 103 Abs. 2 GG ebenfalls ergebenden Rückwirkungsverbotes problematisch, indem die Rechtsprechung die legislative Entscheidung gerade bewusst übergeht. Die geschützten Garantien scheinen demnach heutzutage nur zum Teil erfüllt zu werden.96 So wird zum Teil postuliert, dass das Prinzip „nicht uneingeschränkt respektiert wird“.97 Schünemann bezeichnet dies als einen eklatanten Widerspruch zwischen der theoretischen Geltung des Prinzips und der Handhabung in der Praxis.98 Dies deutet auf eine eingeschränkte Bedeutung des Prinzips, mangels Möglichkeit einer wirksamen Rechtsdurchsetzung, hin. Dies lässt wiederum Rückschlüsse auf die Handhabung des Gesetzlichkeitsprinzips durch die Legislative zu: Wenn diese durch die Gerichte nicht zu einer strengen Einhaltung des Prinzips gezwungen werden, dann verbleibt im Endeffekt eine gelockerte Handhabung der Prinzipien. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass, obwohl die Bedeutung des Gesetzlichkeitsprinzips anhand der historischen Entwicklung unumstritten überragend ist und dies auch von der Rechtsprechung betont wird,99 die Handhabung durch die Judikative und infolgedessen auch durch die Legislative einem gelockerten Verständnis entspricht. Eine umfassende Umsetzung der Prinzipien findet, soweit ersichtlich, nicht statt. Die betonte Bedeutung des Prinzips und dessen Umsetzung sind nicht deckungsgleich.

III. Zwischenergebnis Art. 103 Abs. 2 GG und § 1 StGB sind Folgen der Entscheidung für eine Kodifikation des Rechts und des besonders eingriffsintensiven Charakters des Strafrechts. Die historische Entwicklung des Grundsatzes zeigt, dass das Gesetzlichkeitsprinzip unterschiedliche Schutzrichtungen aufweist und je nach geschichtlichem Kontext aufgewiesen hat. Darunter fallen zum Beispiel, der Schutz vor willkürlichen Entscheidungen, die Freiheitssicherung sowie die Sicherung des Grundsatzes der Gewaltenteilung, wonach die Legislative die Entscheidung über strafbare Verhaltensweisen selbst treffen muss. Ebenso offenbart der Blick in die Vergangenheit aber auch die Einsicht, dass es verheerende Auswirkungen haben 95 BGH, Beschl. v. 10.07.1975 – GSSt 1/75 = BGHSt 26, 167, vgl. dazu insbesondere Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 27 und verweist auf eine „Verkennung der Grundsubstanz von Art. 103 Abs. 2 GG“. 96 Offengelassen bei Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 8. 97 Zusammenfassend zu den Begründungsansätze des Gesetzlichkeitsprinzips: Grünwald, ZStW (76) 1964, 1, 9. 98 Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 8. 99 Zu den im Gesetzlichkeitsprinzip verbürgten Garantien, vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.09.2016 – 2 BvL 1/15 = BVerfGE 143, 38 = NJW 2016, 3648.

IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz

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kann, wenn diese mit dem Gesetzlichkeitsprinzip verbundenen Garantien abgeschafft werden, wie dies zur Zeit des Nationalsozialismus der Fall war. Dies unterstreicht die grundlegende Bedeutung. Die Aufnahme des Grundsatzes in die Verfassung und die ihm gewährte prominente Position in § 1 StGB wird der überragenden Bedeutung des Grundsatzes gerecht. Bereits die verfassungsrechtliche Herleitung des Prinzips zeigt in welcher vielfältigen Art und Weise das Gesetzlichkeitsprinzip Schutz vermittelt. Daraus und aus den historischen Erfahrungen ergibt sich, dass der Grundsatz auch in einem Rechtsstaat bedeutungsvoll ist. Denn auch heute dienen die in Art. 103 Abs. 2 GG verbürgten Garantien dem Vertrauensschutz der Bürger*innen. Trotz der überragenden Bedeutung des Gesetzlichkeitsprinzips im Strafrecht geht die Rechtsprechung vermehrt gelockert mit dem Bestimmtheitsgrundsatz, dem Analogie- und dem Rückwirkungsverbot um. Ein solcher Umgang kann sich wiederum auf die Wirksamkeit der Grundsätze auswirken, da die Legislative eine besonders strenge Prüfung der Einhaltung in der Gesetzgebung nicht befürchten muss.

IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz Die durch Öffnungsklauseln konstituierende Möglichkeit auch vergleichbare oder ähnliche Fälle unter einen Tatbestand zu fassen, zieht am häufigsten die Kritik nach sich, dass sie gegen den Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit verstößt.100 Beim Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit, als Teil des zuvor erörterten Gesetzlichkeitsprinzips, handelt es sich primär um eine „Handlungsanweisung“ an den Gesetzgeber, die Gesetze so bestimmt wie möglich zu schaffen und sekundär um eine „Handlungsschranke“ an die anderen Gewalten, sich nur innerhalb der von der Legislative geschaffenen Grenzen bei der Rechtsprechung und Rechtsanwendung zu bewegen.101 100 Eiden, ZIS 2008, 123, 127 verweist auf die Unmöglichkeit für Normadressat*innen, das unter Strafe stehende Verhalten zu erkennen; ebenso Gazeas, KJ 39 (2006), 247, 257 f. und verweist insbesondere darauf, dass die bei § 238 Abs. 1 Nr. 1–4 StGB a. F. aufgezählten Verhaltensweisen so unterschiedlich sind, dass eine Vergleichbarkeit nicht möglich ist; ders., JR 2007, 497, 501; Neubacher, ZStW 118 (2006), 855, 870; Isenbeck, NJW 1969, 174; Greco, GA 2012, 452, 463, der aber im Schwerpunkt die Vereinbarkeit mit dem Analogieverbot überprüft; Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/ Aust, Art. 103 Rn. 138a; MüKo-StGB/Gericke, § 238 Rn. 35 m.w. N. 101 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 101 f.; monographisch zum Bestimmtheitsgrundsatz siehe außerdem grundlegend: Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zum Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht, 1986; Birkenstock, Die Bestimmtheit von Straftatbeständen mit unbestimmten Gesetzesbegriffen, 2004, mit umfassender Analyse der Rechtsprechung, S. 129 ff.; Hammer-Strnad, Das Bestimmtheitsgebot als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 1999, S. 7 ff. allgemein zur Gesetzesbestimmtheit; Raabe, Der Be-

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Öffnungsklauseln scheinen aufgrund ihres Wortlautes, der auf vergleichbare oder ähnliche Handlungen verweist, die Anforderungen nicht zu erfüllen, die der Bestimmtheitsgrundsatz an die Fassung von Gesetzen stellt und wären in diesem Falle nicht mit dem Bestimmtheitsgrundsatz vereinbar (unter 2.). Welchen Gehalt der Bestimmtheitsgrundsatz innehat und ob Öffnungsklauseln folglich mit diesen Anforderungen in Einklang zu bringen sind, ergibt sich nicht ohne Weiteres aus dem Wortlaut des Art. 103 Abs. 2 GG oder § 1 StGB, sondern muss gerade auch anhand von Sinn und Zweck des Bestimmtheitsgrundsatzes definiert werden (unter 1. a)). Die daran aufgestellten Anforderungen dürfen nicht weiter reichen, als diese sprachlich tatsächlich umgesetzt werden können (unter 1. b)). Bei dieser Präzisierung des Bestimmtheitsgrundsatzes anhand von Sinn und Zweck scheint es eine Divergenz der Handhabung des Bestimmtheitsgrundsatzes durch die Gerichte zu geben (unter 1. c)). Für die Prüfung der Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz ist entscheidend, ob gewichtige Argumente dafürsprechen, die Handhabung des Bestimmtheitsgrundsatzes der Gerichte zu übernehmen und Öffnungsklauseln an den dort aufgestellten Maßstäben zu messen (unter 2.). 1. Begriff „Bestimmtheit“ Als erster Anhaltspunkt dafür, welche Anforderungen der Bestimmtheitsgrundsatz an die Schaffung von Strafgesetzen stellt, kann der Wortlaut102 des verfassungsrechtlich normierten Gesetzlichkeitsprinzips herangezogen werden. Art. 103 Abs. 2 GG verlangt, dass eine Strafbarkeit gesetzlich bestimmt sein muss. Dem Wortlaut des Art. 103 Abs. 2 GG zufolge bezieht sich das Erfordernis der Bestimmtheit also auf die Strafbarkeit als solche.103 Es muss demzufolge erst einstimmtheitsgrundsatz bei Blankettstrafgesetzen am Beispiel der unzulässigen Marktmanipulation, 2007. 102 MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 47 formuliert dazu folgende Frage: „Wie ,bestimmt‘ ist eigentlich das Bestimmtheitsgebot?“, unter Verweis auf Kuhlen, in: Recht ohne Regeln, S. 19, 22 f. 103 Zum Begriff der Strafbarkeit in diesem Kontext, vgl. MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 13, wonach Einigkeit darüber herrscht, dass dies mehr meint als den „Tatbestand einer Strafnorm“; strittig ist insbesondere, ob der Bestimmtheitsgrundsatz auch für den Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches Wirkung entfaltet, vgl. dazu ablehnend: Günther, in: FS-Grünwald, 1999, S. 213, 215 ff.; Moreso, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 145, 157 ff.; befürwortend: Satzger, Jura 2016, 154, 156 allgemein zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips für den Allgemeinen Teil des StGB; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 23 plädiert ebenfalls für eine vollumfängliche Geltung; zusammenfassend auch: Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 287, wonach sich weniger die Frage stellt, ob das Prinzip hier gilt, als vielmehr wie es verwirklicht werden kann; Dannecker, in: FS-Otto, S. 25 ff. unter Verweis auf Otto, Grundkurs Strafrecht, S. 17, dort aber offengelassen.

IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz

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mal nur ein entsprechendes Strafgesetz für die Sanktionierung einer bestimmten Verhaltensweise geben, weitere Anforderungen lassen sich dem Wortlaut der Norm zunächst nicht entnehmen. Über die genaue Art und Weise und den erforderlichen Grad der Bestimmtheit ist durch diese Regelung noch nichts gesagt. Das zeigt, dass der Begriff der Bestimmtheit, wie er im Gesetz steht, seinerseits unbestimmt ist104 und einer Präzisierung anhand der gängigen Auslegungsmethoden bedarf. Das Erfordernis, den Begriff der Bestimmtheit zu konkretisieren, ergibt sich auch daraus, dass dieser Grundsatz in einem ständigen Zwiespalt steht, unterschiedliche Interessen bei der Strafgesetzgebung zu vereinen: Einerseits sollen das strafbare Verhalten dem Gesetz selbst entnommen werden und andererseits sollen die Gerichte zumindest noch eine gewissen Flexibilität in der Handhabung der Gesetze besitzen, wenn sie die abstrakt-generellen Gesetze auf den konkreten Einzelfall anwenden, um dadurch angemessen auf den Einzelfall reagieren zu können.105 Öffnungsklauseln scheinen diesem Interessenskonflikt Rechnung zu tragen, indem den explizit aufgeführten Tatvarianten eine Öffnung für andere, nicht explizit genannte Verhaltensweisen folgt.106 Wie weit die Rechtssicherheit zugunsten der Einzelfallgerechtigkeit eingeschränkt werden darf, ist folglich auch, aber – wie noch zu zeigen ist – nicht ausschließlich,107 von der Auslegung des Bestimmtheitsgrundsatzes abhängig. Daraus ist zu folgern, dass der Maßstab, wann von hinreichender Gesetzesbestimmtheit i. S. d. Art. 103 Abs. 2 GG ausgegangen werden kann und wie der Begriff zu verstehen ist, auch davon abhängt, wie die soeben genannten widerstreitenden Pole gewichtet werden. Grundsätzlich handelt es sich beim Gesetzesvorbehalt des Art. 103 Abs. 2 GG um einen „strengen“ Gesetzesvorbehalt.108 Der strenge Gesetzesvorbehalt unterscheidet sich vom allgemeinen Gesetzesvorbehalt insofern, als dass „die relativen Anforderungen an die Regelungsdichte besonders ernst zu nehmen sind und sie im Zweifel nicht weit, sondern restriktiv zu handhaben“109 sind. Das Vorliegen eines solchen strengen Gesetzesvorbehalts ist damit zu begründen, dass es sich beim Strafrecht um einen besonders eingriffsintensiven Bereich handelt, der durch seine Ausgestaltung als Sanktionsrecht zumindest dazu geeignet ist, mas104 Kuhlen, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 429, 431; Dreier/SchulzeFielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 41 spricht von „relativer Unbestimmtheit“. 105 Kuhlen, in: Recht ohne Regeln, S. 19, 22; beschreibt dies als „Zwar-Aber-Struktur“, die nicht gelöst werden kann; Stöckel, Gesetzesumgehung und Umgehungsgesetze im Strafrecht, S. 138. 106 Es wird jedoch zu zeigen sein, dass sich die grundsätzliche Notwendigkeit einer Konkretisierung abstrakter Gesetzestexte und die durch Öffnungsklauseln ermöglichte Einbeziehung „ähnlicher“ Fälle in qualitativer Hinsicht unterscheiden. 107 Siehe dazu in dieser Arbeit Kap. D. V. und VIII. 108 Siehe dazu anstatt vieler BVerfG, Beschl. v. 21.09.2016 – 2 BvL 1/15 = BVerfGE 143, 38 = NJW 2016, 3648, 3649. 109 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 107.

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

siv in die Grundrechte der Bürger*innen einzugreifen.110 Das bedeutet für den Bestimmtheitsgrundsatz, als eine Konkretisierung des Gesetzesvorbehalts, dass auch in diesem Bereich striktere Anforderungen zu stellen sind, als an die grundsätzliche Bestimmtheit von nicht strafrechtlichen Gesetzen. Dies spricht bei einer Abwägung zwischen den beiden o. g. Polen dafür, ein hohes Maß an Gesetzesbestimmtheit zu fordern und dafür im Zweifel eine Einbuße der Einzelfallgerechtigkeit in Kauf zu nehmen.111 Für die Normadressat*innen muss also in besonders hohem Maße erkennbar sein, welches Verhalten durch eine Norm unter Strafe gestellt wird. Daraus könnte geschlossen werden, dass Normen im Strafrecht immer möglichst genau zu fassen sind.112 Daraus hat sich sogar die Forderung nach einer größtmöglichen Bestimmtheit entwickelt.113 Bei diesem Ausgangspunkt könnte der Einsatz von Öffnungsklauseln in Konflikt mit dem Bestimmtheitsgrundsatz geraten. Es erscheint insofern aber nicht eindeutig, ob bei der Fassung von Öffnungsklauseln eine genauere Formulierung, die eine erhöhte Rechtssicherheit bietet, möglich gewesen wäre, oder ob nur die Streichung der Öffnungsklausel Abhilfe geschaffen hätte. Der Begriff der Gesetzesbestimmtheit wird über die Bedeutung des Wortes „Bestimmtheit“ und auch durch die Maßstäbe präzisiert, die festlegen, wann ein 110 BVerfG, Beschl. v. 21.09.2016 – 2 BvL 1/15 = BVerfGE 143, 38 = NJW 2016, 3648, 3649. 111 So im Ergebnis wohl auch v. Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 40, wenn er darauf verweist, dass die Rechtsprechung keine Korrekturen zugunsten der Gerechtigkeit im Einzelfall vornehmen darf; ebenso im Ergebnis wohl v. Münch/Kunig/ Kunig/Saliger, Art. 103 Rn. 45, wonach das gebotene Maß an Bestimmtheit „an der Forderung nach Rechtssicherheit auszurichten“ ist. 112 Verstanden als eine „Optimierungspflicht“ des Gesetzgebers und zum Teil auch als „relative Bestimmtheit“ bezeichnet, vgl. Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 41; BeckOK-GG/Radtke, Art. 103 Rn. 25; Mangoldt/Klein/Starck/Nolte, Art. 103 Rn. 42, differenziert aber nach unterschiedlichen Normbestandteilen; einschränkend und auf eine „hermeneutisch bezeichnete [. . .] Sichtweise“ beziehend vgl. Duttge, JZ 2014, 261, 265; ders., in: FS-Kohlmann, 2013, S. 13, 23 und ablehnend zu einer quantitativen Bestimmung der Bestimmtheit; Kuhlen, in: FS-Otto, S. 95; differenziert Roxin/ Greco, Strafrecht AT, S. 255 f., wonach Bestimmtheit nicht immer zu „ein[em] bessere[n| Gesetz“ führt; LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 195 ff., der darauf verweist, ob der Norm ein Schutzzweck entnommen werden kann; offengelassen bzw. Orientierung an Rechtssicherheit bei v. Münch/Kunig/Kunig/Saliger, Art. 103 Rn. 45, mit Verweis auf Warda, Dogmatische Grundlagen des richterlichen Ermessens, S. 44; eine konkrete Beschreibung und eindeutige Erkennbarkeit fordernd: Dölling/Duttge/König/Rössner/ Rössner, § 1 Rn. 6; ebenfalls eine bestmögliche Konkretisierung fordernd NK-StGB/ Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 41; dabei auf den Zeitpunkt der Verabschiedung abstellen MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 49; im Ergebnis wohl auch Claas, in: FS-Ebh. Schmidt, S. 122, 124; im Ergebnis wohl auch Colombi Ciacchi, Fahrlässigkeit und Tatbestandsbestimmtheit, S. 32, die aber auf einen eigenen Ansatz verweist, der aber ebenfalls danach fragt, ob eine andere Fassung des Tatbestandes möglich gewesen wäre; Löwer, JZ 1979, 621, 625; AnwKomm-StGB/Gaede, § 1 Rn. 20; Appel, Verfassung und Strafe, S. 120; Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 20; kritisch: Wolff, in: Handbuch der Grundrechte, § 134 Rn. 55. 113 Lenckner, JuS 1968, 249, 305; MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 45.

IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz

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Gesetz zu unbestimmt ist, also durch das, was unter dem Begriff „unbestimmt“ verstanden wird. Nach der Bedeutung des Wortes liegt Unbestimmtheit u. a. dann vor, wenn etwas nicht klar umrissen ist und sich auch nicht klar umreißen lässt.114 Grundsätzlich haben alle Rechtsbegriffe einen solchen „Unbestimmtheitskoeffizienten“.115 Es sind aufgrund der Mehrdeutigkeit von Sprache immer mehrere mitunter unterschiedliche Deutungen des geschriebenen Wortes möglich. Entscheidend ist also, welches Maß an Mehrdeutigkeit noch als erträglich angesehen wird.116 Feste Kriterien, wann eine Norm als zu unbestimmt angesehen wird, wurden bisher nicht entwickelt.117 Zurecht wird darauf hingewiesen, dass Fälle vorliegen, in denen die Unbestimmtheit der Norm unbestreitbar ist, weil die Vagheit der Formulierungen offensichtlich ist.118 Daraus wird zum Teil gefolgert, dass eine Verfassungswidrigkeit wegen Unbestimmtheit nur angenommen werden kann, wenn keine sinnvolle Begrenzung des Tatbestandes durch die gängigen Auslegungsmethoden mehr möglich ist. Es wird darauf verwiesen, dass an das Bestimmtheitsgebot keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden dürfen.119 Damit nimmt diese Ansicht den Gegenpol zu den zuvor genannten 114 https://www.duden.de/rechtschreibung/unbestimmt [zuletzt abgerufen am 17.10. 2019]. 115 Engisch, in: FS-Mezger, S. 127, 142; Schünemann, FS-Klug, S. 169, 177 ff. 116 Stöckel, Gesetzesumgehung und Umgehungsgesetze im Strafrecht, S. 139. 117 Zu den Methoden zur Präzisierung einer Norm durch die Gerichte s. Kap. E. III. 1. d). 118 Z. B. die Sanktionierung des „Handelns gegen die öffentliche Ordnung“, vgl. dazu VerfGH Bayern, Entscheidung v. 13.10.1951 – Vf. 168-V-50, BeckRS 1951, 00242. 119 Stöckel, Gesetzesumgehung und Umgehungsgesetze im Strafrecht, S. 140; ebenfalls einem gelockerten Verständnis des Bestimmtheitsgrundsatzes folgend und ein Verweis darauf, dass das Gebot nicht übersteigert werden darf, vgl. BeckOK-GG/Radtke, Art. 103 Rn. 24, der auf eine tatbestandsspezifische Betrachtungsweise verweist; Jarass/ Pieroth/Kment/Kment, Art. 103 Rn. 75, der Rechtsprechung des Bestimmtheitsgrundsatzes einschränkend zustimmend; Geitmann, Bundesverfassungsgericht und „offene“ Normen, S. 118; Arnauld, Rechtssicherheit, S. 246 ff., der gerade Regelbeispiele für eine Möglichkeit der Aushandlung des Bedürfnisses nach Rechtssicherheit einerseits und dem Bedürfnis nach generellen Regelungen nennt; SK-StGB/Jäger, § 1 Rn. 14; Kühl, in: FS-Seebode, S. 64 ff.; Paeffgen, StraFo 2007, 442, 444–446, der feststellt, dass das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die Bestimmtheit von Normen „viel genauer hinschaut“, als noch in der Vergangenheit; darüber hinaus wird der Begriff der Bestimmtheit vereinzelt auch als quantifizierbares Kriterium verstanden, wonach eine hinreichende Bestimmtheit dann vorliegt, wenn mindestens 50 % der Tatbestandsmerkmale bestimmt, i. S. d. Art. 103 Abs. 2 GG, sind. Diese von Schünemann, Nulla poena sine lege, S. 35 f. vertretene Auffassung hat sich augenscheinlich nicht durchgesetzt: Zum Teil wird auch vertreten, dass bei der Beurteilung der Bestimmtheit die Gründe die zur konkreten Fassung des Gesetzes geführt haben, berücksichtigt werden müssen, inwieweit daraus aber Anforderungen an die Gesetzesbestimmtheit abgeleitet werden können, vgl. zur Kritik zusammenfassend: Kirsch, Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 143 f.; grundlegend zur Kritik: Duttge, Zur Bestimmtheit des Handlungsunwerts von Fahrlässigkeitsdelikten, S. 184 f., mit Verweis darauf, dass der Gesetzgeber die in Art. 103 Abs. 2 GG normierten Anforderungen vollumfänglich erfüllen muss; und ders., in: FS-Kohlmann, S. 13, 23.

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Auslegungsmöglichkeiten des Bestimmtheitsgrundsatzes ein. Auch bei Öffnungsklauseln gibt es unterschiedliche Deutungsmöglichkeiten, was noch als mit den vorhergehenden Tatvarianten als vergleichbar angesehen werden kann oder nicht. Eine völlige Konturlosigkeit liegt aber aufgrund der zuvor dezidiert genannten strafbaren Verhaltensweisen eher nicht vor. Öffnungsklauseln nehmen Bezug zu den zuvor aufgezählten Verhaltensweisen und fordern eine Vergleichbarkeit. Betrachtet man das gesamte Normengefüge der Öffnungsklauseln, so bieten die exemplarisch aufgezählten Verhaltensweisen Orientierungspunkte für Auslegung und Anwendung der Öffnungsklausel. Eine solche weite Auslegung läuft allerdings dem zuvor postulierten Grundsatz des strengen Gesetzesvorbehaltes zuwider. Denn die Anforderung an Normen, dass deren Inhalt durch Auslegung zumindest umgrenzt werden kann, gilt so auch für Gesetze, die lediglich dem allgemeinen Gesetzesvorbehalt unterfallen. Einer solchen gelockerten Auslegung des Begriffs der Unbestimmtheit steht die gesetzliche Regelung des Art. 103 Abs. 2 GG entgegen. Wenn der Verfassungsgesetzgeber keine strengeren Anforderungen an die Bestimmtheit von Strafgesetzen stellen wollte, dann wäre Art. 103 Abs. 2 GG zumindest in Hinblick auf die Gesetzesbestimmtheit überflüssig. Dass hier eine rein deklaratorische Regelung geschaffen werden sollte, ist nicht plausibel.120 Diese unterschiedlichen Lösungsansätze verdeutlichen, dass sich auch aus dem Begriff der Unbestimmtheit keine genauen Voraussetzungen erschließen lassen, wann ein Gesetz den Anforderungen des Grundsatzes gerecht wird. Gleiches gilt für den Wortlaut des Begriffs Bestimmtheit. Gleichwohl lässt sich bereits an dieser Stelle feststellen, dass aufgrund der gesonderten Regelung in Art. 103 Abs. 2 GG aus verfassungsrechtlicher Sicht konsequenterweise erhöhte Anforderungen an die Gesetzbestimmtheit gestellt werden müssen. a) Sinn und Zweck des Bestimmtheitsgrundsatzes Anders als der offene Wortlaut vermuten lässt, scheinen Sinn und Zweck121 des Bestimmtheitsgrundsatzes dafürsprechen, dass das Prinzip als ein Optimie120 Im Ergebnis wohl zustimmend, wenngleich auch keine Parallele zum allgemeinen Bestimmtheitsgebot ziehend, vgl. NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 41; auch MüKoStGB/Schmitz § 1 Rn. 49, verweist auf die besonderen Anforderungen, die durch § 1 StGB und Art. 103 Abs. 2 StGB an die Bestimmtheit von Strafgesetzen gestellt werden, woraus sich im Umkehrschluss ergibt, dass hier andere Anforderungen gelten müssen als im Bereich des allgemeinen Bestimmtheitsgebotes; Jarass/Pieroth/Kment/Kment, Art. 103 Rn. 74: „Die Anforderung des Abs. 2 [. . .] stellt noch höhere Anforderungen.“ 121 Siehe zu Sinn und Zweck auch Schulz, in: FS-Roxin, S. 321 f.; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 14; Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 16 zur Bedeutung des Bestimmtheitsgrundsatzes für die Aufgabenerfüllung von Strafgesetzen; MüKo-StGB/ Schmitz, § 1 Rn. 47; Lackner/Kühl/Kühl, § 1 Rn. 2; Moll, Europäisches Strafrecht durch nationale Blankettgesetzgebung?, S. 122 ff.; Kuhlen, Gesetzlichkeitsprinzip, S. 54 f.

IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz

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rungsgebot122 im Sinne einer relativen Bestimmtheit verstanden werden muss, um auf diese Weise die verfassungsrechtlichen Intentionen, die sogleich erörtert werden, zu erfüllen. Das Gesetzlichkeitsprinzip und damit auch der Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit sind Folge der Entscheidung, Recht zu kodifizieren. Die Bindung der Judikative an das geschriebene Recht soll nach heutigem Verständnis insbesondere dem Schutz vor staatlicher Willkür dienen.123 Beliebige schriftliche Kodifikationen des Rechts ohne dazugehörige Regeln, denen die Gesetzgebung beim Verfassen dieser Regelungen unterworfen ist, genügen zu diesem Zweck allerdings nicht. Allzu generalklauselartige Regelungen bedeuteten keine erhöhte Rechtssicherheit gegenüber ungeschriebenem Recht. Daraus ergibt sich, dass der Sinn und Zweck des Bestimmtheitsgrundsatzes darin bestehen, eine in der Weise hinreichend bestimmte Regelung zu schaffen, die den Bürger*innen erlaubt, unproblematisch erkennen zu können, welches Verhalten konkret unter Strafe gestellt ist, um dadurch vor unvorhersehbaren Entscheidungen geschützt zu werden.124 Gerade Öffnungsklauseln nehmen eine bewusste Aufgabenverlagerung durch den Verweis auf vergleichbare Fälle vor. Diese Aufgabenverlagerung beeinflusst gerade auch die Bindung an das geschriebene Recht: Sie schafft für die Judikative gerade einen weiten Anwendungsspielraum, obgleich dieser auch durch die zuvor genannten Tatbestandsalternativen begrenzt wird.125 Außerdem dient das Gesetzlichkeitsprinzip, wie bereits erläutert, der Sicherung der Gewaltenteilung. Diese kann nur dann ihre Schutzwirkung entfalten, wenn sich die Aufgabenbereiche der einzelnen Gewalten möglichst nicht überschneiden. Der aus dem Gesetzlichkeitsprinzip erwachsenden Grundsatz des Bestimmtheitsgebotes dient also auch dazu, dass Gesetze so genau geschaffen werden, dass der Interpretationsspielraum von Judikative und Exekutive möglichst geringgehalten wird und damit der demokratisch legitimierte Gesetzgeber weitestgehend darüber entscheidet, ob eine Handlung strafbar ist oder nicht.126 Auch mit dieser Zielsetzung scheinen aber Öffnungsklauseln durch ihre bewusste Aufgabenverlagerung in Konflikt zu stehen. Auch das BVerfG stimmt mit diesen Zwecksetzungen überein und führt zu den Funktionen des Bestimmtheitsgrundsatzes aus: „Es soll sichergestellt werden, dass der Gesetzgeber selbst abstrakt-generell über die Strafbarkeit entschei-

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Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 41. Vgl. in dieser Arbeit D. II.; Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 252. 124 Dies wird teilweise als Erfordernis der Normenklarheit beschrieben, vgl. Maunz/ Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 92. 125 Dazu siehe in dieser Arbeit Kap. D. VIII. 126 Dies wird teilweise als Erfordernis der ausreichenden Regelungsdichte beschrieben, vgl. Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 101. 123

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

det.“127 Denn „die Entscheidung über die Beschränkung von Grundrechten oder über die Voraussetzung einer Beschränkung [obliegt] dem Gesetzgeber und nicht anderen staatlichen Stellen [. . .]“.128 Die Bestimmtheit von Strafgesetzen dient damit einmal der Sicherung des Gewaltenteilungsgrundsatzes und auch dem Schutz der Freiheit der zu Bestrafenden.129 aa) Schutz der Bürger*innen vor willkürlichen Entscheidungen Diese Freiheit der Bürger*innen kann bereits nach Montesquieu nur gewährleistet werden, wenn Strafgesetze eine hinreichende Bestimmtheit aufweisen.130 Dieser Gedanke wirkt bis heute in der Ausprägung des Bestimmtheitsgrundsatzes fort.131 Die straffreien Bereiche müssen für die Bürger*innen möglichst klar erkennbar sein, was nur durch eben solche hinreichend bestimmten Gesetze gewährleistet ist. Art. 103 Abs. 2 GG trifft durch seinen Sinn und Zweck gerade eine Entscheidung zugunsten der Rechtssicherheit und der damit verbundenen Freiheit des Einzelnen, auch wenn dies im Zweifel zu Lasten der materialen Gerechtigkeit gehen könnte.132 Denn nur so kann „jedermann sein Verhalten auf die Strafrechtslage eigenverantwortlich einrichten [. . .] und [muss] keine unvorhersehbaren staatlichen Reaktionen befürchten“.133 Jeder soll anhand der Gesetze vorhersehen können, welches Verhalten unter Strafe steht.134 Außerdem kann das Strafrecht seine generalpräventive Wirkung nur dann entfalten, wenn sich aus

127 BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 195 f. = NJW 2010, 3209; BVerfG 17.01.1978 – 1 BvL 13/76 = BVerfGE 47, 109, 120, 212 = NJW 1978, 933, 934. 128 BVerfG 17.01.1978 – 1 BvL 13/76 = BVerfGE 47, 109, 120, 212 = NJW 1978, 933, 934. 129 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 101. 130 Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, S. 251. 131 BVerfG, Beschl. v. 21.09.2016 – 2 BvL 1/15 = BVerfGE 143, 38 = NJW 2016, 3648, 3649; Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 31, 87, wonach Strafbarkeit „kalkulierbar“ sein muss; Geitmann, Bundesverfassungsgericht und „offene“ Normen, S. 72; Vogel, ZStW 128 (2016), 139, 140; ebenso Sachs/Degenhart, Art. 103 Rn. 63; Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 140; v. Münch/Kunig/Kunig/Saliger, Art. 103 Rn. 43; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 14. 132 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 286; LK-StGB/ Dannecker, § 1 Rn. 52. 133 BVerfG 20.03.2002 – 2 BvR 794/95 = BVerfGE 105, 135, 153 = NJW 2002, 1179; 2002, 1185. 134 BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 195 f. = NJW 2010, 3209; BVerfG 10.10.1995 – 1 BvR 1476, 1980/91 und 102, 221/92 = BVerfGE 93, 266 = NJW 1995, 3303; BVerfG 11.11.1986 – 1 BvR 713/83, 1 BvR 921/84, 1 BvR 1190/84, 1 BvR 333/85, 1 BvR 248/85 = BVerfGE 73, 206 = NJW 1987, 43; BVerfG, Beschl. v. 23.10.1985 – 1 BvR 1053/82 = BVerfGE 71, 108 = NJW 1986, 1671; Vogel, ZStW 125 (2016), 139, 141.

IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz

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dem Gesetz selbst und für die Bürger*innen verständlich ergibt, welches Verhalten unter Strafe gestellt ist.135 Von der Tatbegehung abgeschreckt werden kann nur, wer weiß, wovon er abgeschreckt werden soll. Die Forderung nach einer genauen Fassung der Strafgesetze schützt aber nicht nur durch die dadurch eröffnete Möglichkeit der Bürger*innen, straffreie Bereiche zu erkennen, sondern auch, indem ein möglichst präziser Wortlaut gegenüber der Judikative eine erhöhte Gesetzesbindung erzeugt. Insoweit vermittelt der Bestimmtheitsgrundsatz den Willkürschutz gegenüber der Legislative in Form der genauen Gesetzesformulierung und gegenüber der Judikative, indem diese an die genaue Gesetzesfassung gebunden ist und sich in ihrer Entscheidung innerhalb des Wortlautes bewegen muss.136 Grundsätzlich ist eine solche erkennbare Umgrenzung auch möglich, wenn sich Normen der Gesetzgebungstechnik der Öffnungsklauseln bedienen: Auch Bürger*innen ist es möglich, ihr Verhalten mit den zuvor genannten aufgezählten Verhaltensweisen sowie in Ausmaß und Intensität zu vergleichen und auf diese Weise den Tatbestand zu umreißen. Daraus folgt, dass ein ausreichendes Maß an Bestimmtheit nur dann erreicht ist, wenn durch die Formulierung des Tatbestandes die freiheitsgewährende Funktion erfüllt ist und den Bürger*innen ohne Zweifel möglich ist, zu erkennen, welches Verhalten nicht in den strafbaren Bereich fällt und ihnen dadurch freigestellt ist.137 Nur in einem solchen Fall ist eine ausreichende Rechtssicherheit gegeben. Allerdings kommt es auf eine tatsächliche Kenntnisnahme der Gesetze durch die Bürger*innen gerade nicht an. Es handelt sich um eine realitätsferne Annahme, dass Strafgesetze tatsächlich gelesen werden und das Verhalten danach ausgerichtet wird. Dennoch muss dieses Szenario als Ausgangspunkt für die Beurteilung dienen,138 weil für eine Beurteilung der ausreichenden Bestimmtheit zum Schutze der Bürger*innen, eine Beurteilung aus Sicht eben jener Bürger*innen, deren Freiheit gewährleistet werden soll nötig ist. Daraus resultiert auch der Maßstab, der in Bezug auf die Bestimmtheit erfüllt werden muss: Die Verständlichkeit muss danach durch die Bürger*innen beurteilt werden, denn das Strafgesetzbuch

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Roxin, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 113, 115. Zur Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung vgl. innerhalb dieser Arbeit Kap. D. VIII. 3.; es bedarf bei der Rechtsanwendung durch die Richter*innen aber immer auch einer Konkretisierung des geschriebenen Rechts, vgl. dazu in dieser Arbeit Kap. D. V. 2. 137 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 41, die aber darauf verweisen, dass die Detailfülle einer Regelung nicht zulasten der Verständlichkeit für die Normadressat*innen erfolgen darf; Lackner/Kühl/Kühl, § 1 Rn. 2: „[. . .] für den Normadressaten soll das Risiko einer Bestrafung erkennbar sein“; MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 49; insb. kritisch, wenn nur die Erkennbarkeit des Bestrafungsrisikos gefordert wird: v. Mangoldt/ Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 141. 138 v. Münch/Kunig/Kunig, 6. Aufl. 2012, Art. 103 Rn. 28. 136

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ist „im herausragenden Maße an die Öffentlichkeit adressiert“.139 Der Verständnishorizont der Bürger*innen dient folglich als Maßstab dafür, ob ein Gesetz hinreichend bestimmt ist. Entscheidungen, die auf Grundlage von Strafgesetzen getroffen werden, müssen „messbar“ sein.140 Auf das subjektive Ermessen von Richter*innen, welche nicht vorhersehbar sind, darf es folglich nur im begrenzten und insoweit unvermeidbaren Umfang ankommen.141 Die Freiheit des Einzelnen geht immer so weit, wie dessen Verhalten kein Strafgesetz verletzt. Diese Freiheit kann nur gewährleistet werden, wenn der Moment der Grenzüberschreitung ersichtlich ist. Nur dann handelt es sich um einen ausreichend bestimmten Tatbestand. bb) Sicherung des Grundsatzes der Gewaltenteilung Neben dem Schutz vor willkürlichen Entscheidungen enthält der Bestimmtheitsgrundsatz auch eine auf den Grundsatz der Gewaltenteilung bezogene Komponente, indem der Bestimmtheitsgrundsatz vor einer Verlagerung der Kompetenzbereiche von der Legislative auf die Judikative durch möglichst genaue gesetzliche Bestimmungen schützt.142 Nach dem in Art. 20 Abs. 3 GG normierten Gewaltenteilungsgrundsatz sind der Legislative, Exekutive und Judikative eigene Aufgabenbereiche zugewiesen, die zwar Überschneidungen aufweisen können, aber auch Kernbereiche aufweisen, die von den anderen Gewalten nicht angetastet werden dürfen.143 Es ist die ureigene Aufgabe des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, dass dieser die abstrakt-generelle Entscheidung darüber trifft, welches Verhalten unter Strafe gestellt werden soll und mit welchem Wortlaut dies kodifiziert wird.144 Damit 139 J. Hirsch, in: FS-Puppe, S. 105 verweist bzgl. der Erkennbarkeit durch die Normadressat*innen auf den Schutzzweck: Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 16; Dreier/ Schulze-Fielitz, Art. 103 Rn. 38, verweist auch auf die Erkennbarkeit aller Bürger*innen; Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 II, Rn. 92. 140 Warda, Dogmatische Grundlagen des richterlichen Ermessens im Strafrecht, S. 44; das ergibt sich gerade aus dem Schutz vor willkürlichen Entscheidungen, vgl. dazu Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 38; Jarass/Pieroth/Kment/Kment, Art. 103 Rn. 71. 141 Warda, Dogmatische Grundlagen des richterlichen Ermessens im Strafrecht, S. 45. 142 Detailliert zur Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung vgl. in dieser Arbeit Kap. D. VIII. 3. 143 Obgleich unter Gewaltenteilung keine strikte Gewaltentrennung verstanden werden muss, vgl. Dreier/Schulze-Fielitz Art. 20 Rn. 67, siehe dazu auch unter Kap. D. VIII. 3. 144 Kuhlen, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 45, 54; Sachs/Degenhart, Art. 103 Rn. 63; Remmert spricht dabei von Regelungsdichte, vgl. Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 87; Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 140; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 14.

IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz

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macht demnach die Legislative nach Art. 103 Abs. 2, Art. 20 Abs. 2 GG zumindest das geschriebene Recht („durch die gesetzgebende Gewalt“). Diese Aufgabenteilung entfaltet nur dadurch ihre Wirksamkeit, dass der Gesetzgeber nicht auch zugleich über die Anwendung im Einzelfall entscheidet.145 Die Bestimmung unter welchen Voraussetzungen Grundrechte beschränkt werden können, obliegt nämlich der Legislative. Damit haben der Grundsatz der Gewaltenteilung und der damit verzahnte Bestimmtheitsgrundsatz eine kompetenzwahrende Funktion.146 Selbst wenn die Gerichte bei der Anwendung auf den Einzelfall eine – unter Umständen durch den gewählten Wortlaut entstandene – zu schließende Lücke147 feststellen, obliegt ihnen nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung die Kompetenz des Lückenschlusses gerade nicht.148 Der Gesetzgeber muss in solchen Fällen diese Lücken für die Zukunft schließen, sollte er das Verhalten für strafwürdig erachten.149 Diesem Konflikt greifen Öffnungsklauseln vor, indem sie bei einem unter Umständen zu eng gefassten Wortlaut die Anwendbarkeit auf nicht benannte Fälle ausdrücklich vorsehen. Die durch den Bestimmtheitsgrundsatz als Teil des Gesetzlichkeitsprinzips besonders hohen Anforderungen an die Gesetzgebung im Bereich des Strafrechts rühren daher, dass es sich bei der Entscheidung darüber, ob ein Verhalten als strafwürdig zu erachten ist, um „den intensivsten Eingriff in die individuelle Freiheit handelt“.150 Weshalb es gerade in diesem Bereich besonders wichtig ist, dass der demokratisch legitimierte Gesetzgeber die Entscheidung darüber trifft, welches Verhalten unter Strafe gestellt wird. Dennoch ist ein gewisser Grad an richterlicher Rechtsfortbildung unumgänglich und auch zum Teil auch erwünscht, weil die Pflicht zur Normanpassung als notwendig angesehen wird.151 145

Roxin, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 113, 115. Wolff, Hdb. d. Gr., § 134 Rn. 155; Dietmeier, Blankettstrafrecht, S. 112; Dreier/ Schulze-Fielitz, Art. 20 Rn. 72. 147 Umfassend zu Gesetzeslücken siehe Fikentscher, Methoden des Rechts, S. 701 ff.; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz; Engisch, Einführung in das Juristische Denken, S. 178 ff.; soweit ersichtlich erstmals Elze, Lücken im Gesetz, S. 4 ff., insbesondere zur planwidrigen Unvollständigkeit und Zitelmann, Lücken im Recht; Larenz, Methodenlehre und Rechtswissenschaft, S. 370 f., verweist darauf, dass nur dann von einer Gesetzeslücke gesprochen werden kann, wenn der Bereich sinnvollerweise hätte geregelt werden sollen; Klug, in: FS-Nipperdey, S. 71, wonach eine Lücke vorliegt, wenn ein Sachverhaltstyp in der Rechtsordnung nicht geregelt wird, obwohl von einer entsprechenden Regelung ausgegangen werden kann. 148 Daran hält sich die Judikative aber nicht immer, vgl. BVerfGE 126, 171 = NJW 2010, 3209, wo sich die Rechtsprechung gerade selbst die Kompetenz zuspricht, unbestimmte Gesetze durch Rechtsprechung zu konkretisieren; genauer zum „Präzisierungsgebot“ unter B. IV. 1. c) aa) (2). 149 Dies geschah z. B. im Falle des § 265a StGB, nachdem das Reichsgericht auf die Strafbarkeitslücke hingewiesen hat: RG 18.12.1933 – 2 D 462/33, RGSt 65, 69. 150 BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 195 f. = NJW 2010, 3209. 151 Hirsch, JZ 2007, 853. 146

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Der Gesetzgeber schafft gerade nur die Grundbedingungen der Strafbarkeit, die dann durch die Gerichte mit Leben gefüllt werden müssen. Allerdings sind einer solchen Rechtsfortbildung durch Art. 103 Abs. 2 GG und dem Grundsatz der Gewaltenteilung und der Gesetzesbindung Grenzen gesetzt, wodurch die Gesetze so eng wie möglich und so weit wie nötig geschaffen werden sollten. Der Bestimmtheitsgrundsatz greift auf diese Weise wie ein Zahnrad in den Grundsatz der Gewaltenteilung, indem die möglichst bestimmte Fassung der Norm einer unzulässigen Aufgabenverlagerung vorbeugt. Der Bestimmtheitsgrundsatz dient auch der Begrenzung des Einflusses der Politik auf das Gesetzgebungsverfahren und sichert so die Gewaltenteilung: Auf diese Art und Weise erschöpft sich so die politische Einflussnahme im Gesetzgebungsverfahren und wirkt nicht in die richterliche Entscheidungsfindung hinein.152 Dies ist wiederum nötig, um eine möglichst neutrale Gesetzes- und Rechtsanwendung zu ermöglichen.153 b) Sprachliche Grenzen der Gesetzesbestimmtheit Aus der gerade dargelegten Zwecksetzung des Bestimmtheitsgrundsatzes ergibt sich, dass der Idealfall von Gesetzesbestimmtheit ein Zustand wäre, in dem völlige Einigkeit über die Bedeutung eines Begriffes herrscht, also ein Zustand der bestmöglichen Präzision. Der Optimalzustand, der die Bürger*innen umfassend vor Willkür und gemäß dem Grundsatz der Gewaltenteilung schützt, wäre erreicht, wenn der Wortlaut einer Norm bei allen Menschen eine identische Vorstellung hervorriefe.154 Dann wäre auch eine Bindung der Judikative an den Wortlaut möglich, die nur eine Interpretation zulassen würde. Allerdings wird der Glaube an eine solche Bestimmtheit von Gesetzen zurecht für utopisch gehalten.155 Ein Zustand, in dem zu jedem Zeitpunkt völlige Einigkeit über jeden Begriff herrscht, kann es nicht geben.156 Denn Sprache im Allgemeinen und insbesondere abstrakt-generelle Rechtssätze haben nur eine begrenzte sprachliche und regelungstechnische Leistungsfähigkeit.157 Dies ergibt sich zum einen daraus, dass Sprache einem ständigen Wandel unterliegt und zum 152 Vgl. näher zur Gefahr der Einflussnahme der Politik Bockelmann, in: FS-Smend, S. 23, 35. 153 Bockelmann, in: FS-Smend, S. 23, 34. 154 Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, S. 403. 155 Kaufmann sagt außerdem, dass man sich weigert, aus dieser Erkenntnis die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. Er macht aber nicht deutlich, welche Konsequenz sein sollten. Eine komplette Aufgabe des Gesetzlichkeitsprinzips lehnt er ab, vgl. dazu: Kaufmann, Analogie und Natur der Sache, S. 6; zu den Grenzen vgl. auch NK-StGB/ Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 30 f. 156 Garstka, in: Juristische Methodenlehre und analytische Philosophie, S. 96, 103. 157 Schmidt/Aßmann, in: Isensee/Kirchhoff, HbdStr, § 26 Rn. 60; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 30; Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 254.

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anderen daraus, dass Wörtern unterschiedliche Bedeutungen zugemessen werden, die sich nur anhand des konkreten Kontextes bestimmen lassen.158 Diese Bedeutungsbestimmung unterliegt auf diese Weise auch immer einer subjektiven Bewertung. Auch wenn bei deskriptiven Tatbestandsmerkmalen, also solchen Merkmalen, die sich auf Objekte beziehen (wie bspw. der Begriff „Waffe“ in § 243 StGB), die sinnlich wahrnehmbar sind,159 eine hinreichende Bestimmtheit im eigentlichen Wortsinn zum Teil noch erreicht werden könnte,160 ist dies in Bezug auf normative Tatbestandsmerkmale bereits zweifelhaft. Es handelt sich dabei um solche Merkmale, die zwingend eine Wertungsentscheidung bedürfen, um zu bestimmen, ob die Voraussetzung erfüllt ist oder nicht.161 Allein die Existenz solcher normativer Tatbestandsmerkmale (wie bspw. dem Begriff der „Urkunde“ in § 268 StGB) zeigt, dass eine absolute Bestimmtheit nicht erreicht werden kann. Daraus folgt, dass schon denklogisch an die Gesetzesbestimmtheit nicht höhere Anforderungen gestellt werden können, als in der Realität überhaupt erfüllt werden können.162 An die Feststellung, dass eine zweifelsfreie Bestimmtheit nicht möglich ist, schließt sich aber zwangsläufig die Frage an, welcher Grad an Bestimmtheit denn dann erreicht werden kann und in Anbetracht der Ziele angestrebt werden sollte. Wie bereits dargelegt,163 ist zwischen Ansätzen zu differenzieren, die verlangen, die Anforderungen an den Gesetzgeber nicht zu übersteigern und solchen, die im Hinblick auf die Bedeutung des Bestimmtheitsgrundsatzes eine größtmögliche Bestimmtheit fordern.164 Zum Teil wird darüber hinaus auch eine Optimierung von Tatbeständen gefordert, auch wenn sich das unter Strafe stehende Verhalten bereits zweifelsfrei aus der Norm ergibt (sog. absolute Bestimmtheit).165 158

MüKo-StGB/Schmitz, §1 Rn. 44; Schünemann, FS-Klug, S. 169, 177 ff. Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Schuster, § 15 StGB, Rn. 18. 160 Es wird allerdings zu Recht darauf hingewiesen, dass auch deskriptive Merkmale „wertausfüllungsbedürftig“ sind, vgl. NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 34. 161 Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Schuster, § 15 Rn. 19; Vogel, ZStW 125 (2016), 139, 143. 162 Lenckner, JuS 1968, 304; woraus sich auch ergibt, dass die Verwendung generalklauselartiger Regelungen und unbestimmter Rechtsbegriffe nicht per se ausgeschlossen ist, vgl. Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 40; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 40, danach zeigt sich in generalklauselartigen Regelungen der „Wirklichkeitsbezug von Strafrecht“; MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 48 verweist auf die begrenzte Regelungsfähigkeit von Sprache, verweist aber auch darauf, dass das den Gesetzgeber nicht von seiner Pflicht entbindet, „bestmögliche Präzision“ zu erreichen, Rn. 48; Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 19, danach dürfen „Bestimmtheitsanforderungen nicht überspannt werden“. 163 Verweis nach oben zu unterschiedlichen Ansichten „Begriffsbestimmung“ in dieser Arbeit Kap. D. VI. 1. a). 164 Vgl. dazu Kap. B. IV. 1. a). 165 Kritisch dazu: Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 95; zur absoluten Bestimmtheit vgl. auch NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 41. 159

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Unter Einbeziehung der besonderen Bedeutung der Rechtssicherheit und dem damit verbundenen Schutz vor Willkür und dem Schutz der Gewaltenteilung auf der einen Seite und der begrenzten Möglichkeit von Sprache andererseits ist dem Erfordernis nach größtmöglicher Bestimmtheit zuzustimmen. Danach sind Tatbestände so zu fassen, dass sie die sprachlichen Möglichkeiten umfassend ausnutzen. Ob es darüber hinaus auch im Falle einer zweifelsfreien Regelung Optimierung nach Art. 103 Abs. 2 GG bedarf, steht dahin. Es bleibt unklar, welche Norm bereits jetzt eine zweifelsfreie Bestimmtheit aufweist und dennoch sprachlich genauer gefasst werden könnte.166 Für größtmögliche Bestimmtheit auch bei begrenzten sprachlichen Möglichkeiten spricht, dass es sich bei Art. 103 Abs. 2 GG und dem darin enthaltenen Bestimmtheitsgrundsatz um einen Grundsatz mit Verfassungsrang handelt. Es ist erforderlich, dass der Wille des Gesetzgebers im Rahmen des sprachlich Möglichen eindeutig zum Ausdruck kommt. Das erfordert auch eine semantisch möglichst genaue Formulierung, die vor Fehldeutungen weitestgehend geschützt ist. So kommt unzweifelhaft auch in der Verfasstheit von Öffnungsklauseln der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass die Judikative in ihrer Rechtsanwendung auch solche Fälle erfassen soll, die mit den zuvor aufgezählten vergleichbar sind. Es genügt aber nicht, eine ausreichende Bestimmtheit bereits dann anzunehmen, „wenn es [. . .] möglich ist, [die Strafbarkeit] auf einen bestimmbaren Kern zu reduzieren“.167 Denn eine solche Reduzierung auf den Kern einer Regelung stellt gerade nicht sicher, dass der Inhalt der Norm umfassend erkennbar ist und so im Sinne der Rechtssicherheit eine hinreichende Regelung darstellt.168 Denn dafür muss zwingend auch eine Erkennbarkeit bzgl. der konkret sanktionierten Verhaltensweisen und nicht nur des Kernbereichs gegeben sein.169 Nur so kann eine nachvollziehbare Grundlage für die Entscheidungen der Judikative geschaffen werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass Art. 103 Abs. 2 GG mit anderen Rechtssätzen konkurriert und diese den Anforderungen, die an den Bestimmtheitsgrundsatz gestellt werden können, ihrerseits Grenzen setzen können.170 Es wird dabei auf die Schutzpflicht des Staates gegenüber den Bürger*innen ver-

166 Kritisch dazu siehe Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 94, so im Ergebnis auch: MüKo-StGB/Schmitz, §1 Rn. 45. 167 So aber Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 257, wonach eine Norm insgesamt nur dann für nichtig erklärt werden darf, wenn dieser Kern nicht mehr bestimmt werden kann. 168 Unter Verweis auf die Rechtsprechung auch Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 141. 169 LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 195 ff.; so auch Loos, in: FS-Remmers, S. 565, 568, im Hinblick auf die Sanktionierung am Beispiel von § 153a StPO. 170 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 97.

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wiesen, woraus sich eine Pflicht zur Schaffung wirksamer Strafgesetze ergibt. Denn nur beim Vorliegen einer wirksamen Möglichkeit zur Verfolgung und Verurteilung von Straftaten kann der Staat dieser Schutzpflicht nachkommen.171 Dazu könnte im Zweifel auch eine offenere Formulierung von Tatbeständen gehören. Die Schutzpflicht überwöge dann erhöhten Anforderungen an die Gesetzesbestimmtheit. Daher wird zum Teil vertreten, dass eine vermehrte Nutzung wertausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe dann erforderlich sei, wenn das Bedürfnis materieller Gerechtigkeit das Bedürfnis nach Rechtssicherheit überwiegt.172 Dies entspricht aber gerade nicht der Wertung des Verfassungsgebers, die dieser mit Art. 103 Abs. 2 GG zum Ausdruck gebracht hat, im Zweifelsfall eine Entscheidung zugunsten der Rechtssicherheit zu treffen.173 Außerdem hätte dies zur Folge, dass hinreichend bestimmten Strafgesetzen eine geringere Wirksamkeit zugesprochen würde bzw., dass die Gefahr bestünde, dass diese aufgrund ihrer Genauigkeit weniger wirksam wären. Erforderlich ist aber, dass die Wirksamkeit von Strafgesetzen in beide Richtungen, d. h. mit Blick auf Täter*innen und Opfer gedacht werden muss. Die Wirksamkeit von Gesetzen lässt sich gerade nicht nur an erfolgreicher Strafverfolgung messen, denn dies würde dem Zweck der Generalprävention widersprechen.174 Diese konstatiert nicht nur die Abschreckung von der Begehung von Straftaten als Ziel. Außerdem misst sie sich auch anhand des Maßes an Rechtsstaatlichkeit. Die Gesetze sollen gerade auch wirksam vor staatlicher Willkür schützen. Inwieweit erhöhte Anforderungen an die Gesetzesbestimmtheit die Strafverfolgung beeinträchtigen, ist nicht ohne Weiteres ersichtlich. Es dient doch auch gerade die Gesetzesbestimmtheit dem Schutz der Bürger*innen. Eine Kollision von Gesetzesbestimmtheit und Schutzpflicht ist so nicht ersichtlich. Insofern können sich also nicht geringere Anforderungen an die Bestimmtheit ergeben. Es ist also stets eine sprachliche Bestimmtheit erforderlich aus der sich das unter Strafe stehende Verhalten als Folge der Entscheidung des Gesetzgebers möglichst zweifelsfrei ergibt.175 Entscheidend für die Beurteilung ist dabei der

171 BVerfG, Beschl. v. 19.06.1976 – 2 BvR 1060/78 = BVerfGE 51, 324, 343 = NJW 1979, 2349. 172 Lenckner, JuS 1968, 304, 305 f. 173 Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 252; siehe dazu auch Kap. B. IV. 1. b) bb). 174 Vgl. dazu Kap. C. II. 1. b) aa) (1). 175 Schönke/Schröder/Lenckner-Hecker, § 1 Rn. 20; Stächelin, Strafgesetzgebung und Verfassungsstaat, S. 227; Löwer, JZ 1979, 621, 625 unter Verweis auf: Lenckner, JuS 1968, 304, 304 ff.; Naucke, Über Generalklauseln und Rechtsanwendung, S. 3 ff.; kritisch dazu Lemmel, Unbestimmte Strafbarkeitsvoraussetzungen im Besonderen Teil, S. 104 ff.; Geppert, DAR 2007, 380; so im Ergebnis wohl auch NK-StGB/Hassemer/ Kargl, § 1 Rn. 41.

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Gesetzestext in seiner Gesamtheit und nicht einzelne Begriffe.176 Mögen diese auch in sich unbestimmt sein, können sie dennoch im Gesamtkontext der Norm hinreichend bestimmt sein. Die bei Öffnungsklauseln verwendete vorhergehende Kasuistik kann gerade im Gesamtkontext der Norm eine hinreichende Bestimmtheit schaffen. Die Anforderungen an die Bestimmtheit von Strafgesetzen aufgrund der Schutzpflicht des Staates gegenüber seinen Bürger*innen zurücktreten zu lassen, kann hingegen nicht überzeugen. Diese geforderte Präzision darf aber im Gegenzug die Verständlichkeit der Regelung nicht unverhältnismäßig stark belasten.177 Denn es wäre im Hinblick auf Sinn und Zweck der Regelung des Art. 103 Abs. 2 GG nicht zielführend, wenn im Ergebnis eine höchstmögliche präzise Regelung geschaffen wurde, die sich aber nur geschulten Jurist*innen erschließt. Es muss also eine solche Regelung gefunden werden, die bei höchstmöglicher Präzision in Wortwahl und Umfang bestmöglich verständlich ist. Ein verbleibender Entscheidungsspielraum der Judikative ist unschädlich, wenn sich die Entscheidung des Gesetzgebers über das als strafwürdig empfundene Verhalten aus der Norm ergibt. Der Gesetzgeber muss das für strafbar empfundene Verhalten also möglichst präzise in Worte fassen, soweit – insbesondere bei verhaltensgebundenen Delikten – eine genaue Beschreibung dieses Verhaltens sprachlich möglich ist. Grenzen setzen insoweit die sprachlichen Möglichkeiten und weniger die Vorstellungskraft des Gesetzgebers im Zeitpunkt der Gesetzgebung. So erscheint der Tatbestand des § 221 StGB zwar auf den ersten Blick komplex. Dennoch dürfte er durch die Wortwahl und die enumerative Aufzählung auch für juristische Laien sprachlich verständlich sein und im Ergebnis den Anwendungsbereich der Norm genau erkennen lassen. Die sprachlichen Möglichkeiten sind somit hinreichend genutzt worden. c) Handhabung des Bestimmtheitsgrundsatzes durch die Gerichte Sinn und Zweck des Bestimmtheitsgrundsatzes sprechen für eine strengere Handhabung des Grundsatzes. Ein Blick auf die Rechtsprechung zum Bestimmtheitsgrundsatz scheint aber nahezulegen, dass sich die Judikative einer solchen Auslegung nicht uneingeschränkt anschließt (dazu unter aa)). Das wirft die Frage auf, wie genau der Bestimmtheitsgrundsatz durch die Judikative angewendet wird

176 Eine starre Regelung anhand einzelner Begriffe, wie sie Schünemann, Nulla poena sine lege, S. 35 fordert, ist aufgrund der Willkür dieses Kriteriums abzulehnen; ihm ist aber insoweit zuzustimmen, als dass sich ein unbestimmtes Tatbestandsmerkmal in einem kurz gefassten Tatbestand, wie etwa „Beleidigung“ bei § 185 StGB, stärker auf die Verständlichkeit des Gesamttatbestandes auswirkt als ein entsprechend unbestimmtes Tatbestandsmerkmal in einer umfassenden Regelung, wie z. B. bei § 113 StGB. 177 Roxin, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 113.

IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz

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und welche Anforderungen sich daraus für den Gesetzgeber ergeben. Die Handhabung des Bestimmtheitsgrundsatzes durch die Rechtsprechung könnte Auswirkungen darauf haben, welcher Maßstab also schlussendlich bei der Überprüfung der Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz anzulegen ist (dazu unter bb)). Auch wenn das BVerfG hervorhebt, dass es sich um ein „striktes Bestimmtheitsgebot“178 handelt, handhabt es den Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit insgesamt sehr frei, was bereits daran zu erkennen ist, dass Normen nur in Ausnahmefällen für zu unbestimmt erklärt wurden So wurde in der neueren Rechtsprechung ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG durch die Einführung der Vermögensstrafe in § 43a StGB festgestellt. Nach der Rechtsprechung mangelte es der Norm an dezidierten Orientierungspunkten, wann und in welchem Umfang die Vermögensstrafe Anwendung finden sollte, sodass sie für zu unbestimmt erklärt wurde.179 Das BVerfG postuliert außerdem, dass die Unbestimmtheit nur für jede Norm konkret beurteilt werden kann und gerade keine abstrakten Regeln aufgestellt werden können.180 Der Schutzbereich des Bestimmtheitsgrundsatzes erfasst nach Einschätzung des BVerfG dennoch nicht „sachlich missglückte Strafbestimmungen“, der Gesetzgeber muss sich „beim Wort nehmen lassen“. Es ist gerade nicht Aufgabe der Gerichte, die Entscheidung des Gesetzgebers zu korrigieren. Dies obliegt einzig und allein dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber.181 Der Gesetzgeber muss dann infolge einer solchen Entscheidung selbst bestimmen, ob er die Norm entsprechend anpassen will.182 Das bedeutet auch, dass im Zweifel eine Lücke im Gesetz bestehen bleibt und es der Judikative verwehrt bleibt, diese zu schließen. Ein solcher lückenhafte Zustand muss hingenommen werden und die Recht-

178 BVerfG, Beschl. v. 21.09.2016 – 2 BvL 1/15 = BVerfGE 143, 38 = NJW 2016, 3648, 3649; zur Handhabung des Bestimmtheitsgrundsatz durch die Gerichte siehe auch Gropp, in: Grundrechtspolitik und Rechtswissenschaft, S. 105 ff. 179 BVerfG 20.03.2002 – 2 BvR 794/95 = BVerfGE 105, 135 = NJW 2002, 1179; 2002, 1185; dazu auch Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 138 unter Verweis auf Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht, 108 ff. und der dort besprochenen Entscheidung zur hinreichenden Bestimmtheit der Formulierung „im politischen Leben des Volkes stehende Person“ in § 187a StGB a. F., siehe dazu auch die Entscheidung: BVerfG, Beschl. v. 30.11.1955 – 1 BvL 120/53 = BVerfGE 4, 358 = NJW 11956, 99. 180 BVerfG, Beschl. v. 15.04.1970 – 3 BvR 396/69 = BVerfGE 28, 175, 183 = NJW 1978, 1423. 181 BVerfG 17.01.1978 – 1 BvL 13/76 = BVerfGE 47, 109, 120, 212 = NJW 1978, 933, 934. 182 BVerfG 17.01.1978 – 1 BvL 13/76 = BVerfGE 47, 109, 120, 212 = NJW 1978, 933 unter Verweis auf BVerfG, Beschl. v. 08.11.1967 – BVerfGE 22, 322, 329 = NJW 1968, 147, 149 und BVerfG, Beschl. v. 23.10.1985 – 1 BvR 1053/82 = BVerfGE 71, 108 = NJW 1986, 1671.

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

sprechung darf und soll gerade nicht präventiv tätig werden. Diese Lückenhaftigkeit wollen Öffnungsklauseln gerade umgehen.183 Wie gleich zu sehen ist, stehen diese Feststellungen des BVerfG aber in Konflikt zur tatsächlichen Handhabung des Bestimmtheitsgrundsatzes durch die Gerichte. aa) Präzisierung durch das BVerfG Nach der Rechtsprechung des BVerfG184 ist entscheidend dafür, ob eine Norm bestimmt genug ist, dass „Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen“.185 Es wird hervorgehoben, dass „der Gesetzgeber im Bereich der Grundrechtsausübung alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen“ muss, da die „Strafwürdigkeit [. . .] im demokratisch-parlamentarischen Willensbildungsprozess zu klären“ ist.186 Es darf bei der Rechtsanwendung gerade nicht durch eine extensive Wortlautauslegung zu einer sogenannten „Verschleifung“ von Tatbestandsmerkmalen kommen. Denn dort, wo der Gesetzgeber bestimmte Verhaltensweisen als strafwürdig erachtet hat, muss sich die Rechtsprechung unterordnen.187 Daraus sei aber nicht zu schließen, dass der Gesetzgeber seinerseits nur mit eindeutigen und deskriptiven Begriffen arbeiten darf.188 Es soll hingegen gerade die Arbeit mit Generalklauseln und auch Blankettgesetzen, also solchen Normen, die auf Rechtsverordnungen verweisen, möglich sein.189 Das könnte als Argument dafür sprechen, dass Öffnungsklauseln mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung gerade vereinbar sind. Es wurde bereits aufgezeigt wurde, dass ein qualitativer Unterschied zwischen Generalklauseln und Öffnungsklauseln besteht.190 Für eine Vereinbarkeit von 183

Vgl. dazu in dieser Arbeit Kap. D. V. Zur Handhabung des Art. 7 EMRK, der der Regelung in Art. 103 Abs. 2 GG entspricht, siehe Meyer-Ladewig/Nettesheim/Raumer/Meyer-Ladewig/Harrendorf/König, Art. 7 EMRK; Karpenstein/Mayer/Sinner, Art. 7 EMRK; Safferling, NStZ 2011, 376, 377 m.w. N. 185 BVerfG 17.01.1978 – 1 BvL 13/76 = BVerfGE 47, 109, 120, 212 = NJW 1978, 933, 934. 186 BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 198 f. = NJW 2010, 3209, 3210 unter Verweis auf BVerfG, Beschl. v. 06.05.1987 – 2 BvL 11/85 = BVerfGE 75, 329, 342 = NJW 1987, 3175. 187 BVerfG 10.01.1995 – 1 BvR 718, 719, 722, 723/89 = BVerfGE 92, 1, 16 f. = NJW 1995, 1141; BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 198 f. = NJW 2010, 3209. 188 BVerfG 15.03.1978 – 2 BvR 927/76 = BVerfGE 48, 48 = NJW 1978, 1423. 189 BVerfG 10.01.1995 – 1 BvR 718, 719, 722, 723/89 = BVerfGE 92, 1, 12 = NJW 1995, 1141; BVerfG 10.06.1997 – 2 BvR 1516/96 = BVerfGE 96, 68 = NJW 1998, 50; BVerfG, Beschl. v. 06.05.1987 – 2 BvL 11/85 = BVerfGE 75, 329, 342 = NJW 1987, 3175. 190 Diese Unterscheidung wird zu einem späteren Punkt noch einmal aufgegriffen, vgl. dazu Kap. D. VIII. 2. d). 184

IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz

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Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz nach den Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts spricht auch, dass das BVerfG seinerseits den Begriff der Erkennbarkeit sehr weit definiert und im Ergebnis so gut wie nie Normen für zu unbestimmt erklärt. Als Begründung für eine solche weite Handhabung des Bestimmtheitsgrundsatzes führt das Gericht fast floskelhaft in den Entscheidungen aus, dass „das Gebot der Bestimmtheit [. . .] nicht übersteigert werden [darf]; die Gesetze würden sonst zu starr und kasuistisch und könnten der Vielgestaltigkeit des Lebens, dem Wandel der Verhältnisse oder der Besonderheit des Einzelfalles nicht mehr gerecht werden“.191 Die Erweiterung des Tatbestandes auf nicht explizit geregelte Fälle durchbricht diese Kasuistik. Auf diese Weise sollen die Gesetze gerade auf Dauer angelegt sein und sich auch an wandelnde Lebensverhältnisse anpassen können. An das Gebot der Gesetzesbestimmtheit dürfen keine erhöhten Anforderungen gestellt werden und die Verwendung von Generalklauseln ist nicht per se ausgeschlossen.192 Es genügt, wenn der Bedeutungsgehalt durch Auslegung anhand der gängigen Methoden ermittelt werden kann und sich dieser insbesondere aus dem Normzusammenhang ergibt.193 Ob sich das Verbot eines bestimmten Verhaltens aus der Norm direkt ergibt, macht das BVerfG auch vom Verständnishorizont des generellen Adressaten der Norm abhängig.194 Richtet sich die Norm folglich nur an eine spezifische Personengruppe, ist auch nur deren Verständnishorizont entscheidend.195 Damit bedienen sich das BVerfG und der BGH eines weniger strengen Bestimmtheitsbegriffs196 und räumen der Judikative einen weiten Handlungsspielraum ein, der es erlaubt, unbestimmte Tatbestände weiter zu präzisieren. Diese Möglichkeit der Präzisierung kumuliert bei Öffnungsklauseln mit der gesetzlich angeordneten Befugnis, die Norm auch auf vergleichbare Fälle anzuwenden. Auf diese Weise kommt es zu einer durch den Gesetzgeber angeordneten Aufgabenverlagerung. Durch die Möglichkeit der Präzisierung wird im Umkehrschluss aber auch dem Gesetzgeber eine großzügige Handhabung des Bestimmtheitsgrundsatzes zugestanden, da dieser eine Verwerfung der Norm aufgrund eines 191 BVerfG, Beschl. v. 21.09.2016 – 2 BvL 1/15 = BVerfGE 143, 38 = NJW 2016, 3648, 349; BVerfG 21.06.1977 – 2 BvR 308/77 = BVerfGE 43, 363 = NJW 1977, 1815; BVerfG, Beschl. v. 15.04.1970 – 3 BvR 396/69 = BVerfGE 28, 175, 183; BVerfG 17.01. 1978 – 1 BvL 13/76 = BVerfGE 47, 109, 120, 212 = NJW 1978, 933; BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 195 f. = NJW 2010, 3209; BVerfG 20.06.2012 – 2 BvR 1048/11 = BVerfGE 131, 268, 307 = NJW 2012, 3357. 192 BVerfG 30.11.1955 – 1BvO 2/52= BVerfGE 4, 358 = NJW 1956, 97, BVerfG 22.03.1960 – 2 BvR 125/60 = BVerfGE 11, 234, 237; BVerfG 14.05.1969 – 2 BvR 238/68 = BVerfGE 26, 41, 42 = NJW 1969, 1759. 193 NJW 1977, 1815. 194 BVerfG 15.03.1978 – 2 BvR 927/76 = BVerfGE 48, 48 = NJW 1978, 1423. 195 BVerfG 15.03.1978 – 2 BvR 927/76 = BVerfGE 48, 48 = NJW 1978, 1423. 196 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 277.

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 2 GG nur in absoluten Ausnahmefällen zu befürchten hat. Wie bereits erläutert befindet sich der Gesetzgeber in einem ständigen Spannungsfeld, zum einen den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG gerecht zu werden, zum anderen aber Regelungen zu schaffen, die es ermöglichen, bei der Anwendung der Norm auf einen konkreten Lebenssachverhalt die im Einzelfall gebotene Lösung zu finden, ohne dass sich die Judikative bei der Anwendung der Norm selbst eines Verstoßes gegen das Gesetzlichkeitsprinzip schuldig macht. Die Ausführungen des BVerfG legen zumindest die Vermutung nahe, dass im Konfliktfall der Flexibilität einer Regelung gegenüber einer zu strengen Handhabung des Bestimmtheitsgrundsatzes Vorzug gewährt werden soll, was wiederum für die Anwendung von Öffnungsklauseln sprechen könnte. Im Zuge dessen darf der Gesetzgeber eine abstrakte Regelung mit unbestimmten Rechtsbegriffen schaffen, um dem übergeordneten Ziel der „Vielgestaltigkeit des Lebens Rechnung zu tragen“197 gerecht zu werden. Dieser Ausgleich der widerstreitenden Interessen könnte durch Öffnungsklauseln gerade realisiert werden. Um Normen, deren Gesetzesbestimmtheit in Frage steht, eine ausreichende Bestimmtheit zu attestieren, hat das BVerfG Strategien entwickelt, die trotz eines tendenziell zu unbestimmten Wortlautes, zu einer Vereinbarkeit mit Art. 103 Abs. 2 GG führen sollen. (1) Gefestigte Rechtsprechung Die Judikative sieht sich selbst in der Pflicht, für eine hinreichende Bestimmtheit von Normen zu sorgen. Denn das BVerfG geht auch dann von einer ausreichend bestimmten Norm aus, wenn zu ihrer Präzisierung auf eine gefestigte Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann.198 Dies bezieht sich auf solche Gesetze, die bereits seit längerer Zeit existieren und für die bereits eine hinreichend gefestigte Rechtsprechung vorliegt.199 Diese Präzision anhand der Rechtsprechung gilt insbesondere bei wertausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffen und Generalklauseln,200 was, trotz der Unterschiede, auch für eine Geltung bei der Anwendung von Öffnungsklauseln spricht. Voraussetzung ist, dass die gefestigte Rechtsprechung eine ausreichende Grundlage dafür schafft, dass für die Einzelnen erkennbar wird, welche Verhaltensweisen unter Strafe gestellt sind.201 Bei197 BVerfG, Beschl. v. 21.09.2016 – 2 BvL 1/15 = BVerfGE 143, 38 = NJW 2016, 3648, 3649. 198 BVerfG 10.06.1997 – 2 BvR 1516/96 = BVerfGE 96, 68 = NJW 1998, 50, 56; BVerfG 21.06.1977 – 2 BvR 308/77 = BVerfGE 43, 363 = NJW 1977, 1815; anders wohl BVerfG, Beschl. v. 08.11.1967 – BVerfGE 22, 322 = NJW 1968, 147; befürwortend: Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 139a. 199 Basak, in: Strafrecht und Verfassung, S. 71, 79. 200 BVerfG 10.06.1997 – 2 BvR 1516/96 = BVerfGE 96, 68 = NJW 1998, 50, 56. 201 BVerfG 21.06.1977 – 2 BvR 308/77 = BVerfGE 43, 363 = NJW 1977, 1815.

IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz

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spiel für eine Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe durch eine gefestigte Rechtsprechung ist § 240 StGB.202 Durch den Wortlaut der Norm wird indiziert, dass eine gesonderte Prüfung der Rechtswidrigkeit erfolgen soll. Wann aber die in § 240 StGB explizit genannte Rechtswidrigkeit genau vorliegt, hat der Gesetzgeber nicht geregelt. Folglich sah sich die Judikative in der Position, eigene Anhaltspunkte zu entwickeln, anhand derer die Rechtswidrigkeit beurteilt werden kann.203 Wann eine solche hinreichend gefestigte Rechtsprechung vorliegt, wird allerdings offengelassen. Weiterhin trifft das BVerfG auch keine Aussage darüber, wie die Norm zu behandeln ist, bevor eine solche gefestigte Rechtsprechung vorliegt. Indem die Judikative auf diese Art unbestimmte Normen aufrechterhält, sprechen sich die Gerichte selbst die Kompetenz zu, eigentlich unbestimmte Strafgesetze durch Fallgruppenbildung zu heilen. (2) Präzisierungsgebot Eine weitere Kompetenz zur Konkretisierung eigentlich unbestimmter Normen wurde durch die Neujustierung des Bestimmtheitsgrundsatz im Rahmen der Entscheidung vom 23. Juni 2010 geschaffen. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte abermals, dass auch die Verwendung generalklauselartiger Regelungen nicht unweigerlich zu einem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG führt.204 Danach dürfen die Gerichte dennoch nicht dazu beitragen, dass durch eine großzügige Auslegung weit gefasster Tatbestandsmerkmale die Unsicherheit darüber, was unter eine Norm subsumiert werden kann, weiter verstärkt wird. Was als Aufforderung zu einer restriktiven Auslegung verstanden werden kann, die sowohl bei Generalklauseln als auch bei der Anwendung von Öffnungsklauseln möglich sein dürfte. Im Umkehrschluss räumt das BVerfG der Judikative nicht nur die Möglichkeit der Präzisierung unbestimmter Normen ein, sondern legt ihnen in den letzten Jahren darüber hinaus auch das Gebot der Präzisierung solcher Regelungen auf.205 Obwohl die Präzisierung der Strafgesetze nach dem Wortlaut des Art. 103 Abs. 2 GG dem Gesetzgeber obliegt, denn dieser ist Adressat eines „Präzisionsgebotes“.206 202

Tröndle, FS-Lackner, S. 627, 629. BGH, Beschl. v. 18.03.1952 – GSSt 2/51 = BGHSt 2, 194, unter Verweis auf BVerfG 15.03.1978 – 2 BvR 927/76 = BVerfGE 48, 48 = NJW 1978, 1423; BVerfG 10.01.1995 – 1 BvR 718, 719, 722, 723/89 = BVerfGE 92, 1, 12 = NJW 1995, 1141; BVerfG, Beschl. v. 06.05.1987 – 2 BvL 11/85 = BVerfGE 75, 329, 342 = NJW 1987, 317. 204 BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 195 f. = NJW 2010, 3209; Basak, in: Strafrecht und Verfassung, S. 71, 77; zur Besprechung s. außerdem Schulz, in: FS-Roxin, S. 306; Becker, HRRS 2010, 383. 205 Schulz sieht darin eine Fortentwicklung des Analogieverbotes, vgl. Schulz, in: FSRoxin, S. 306, 321. 206 Kuhlen, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 45, 54. 203

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Die Präzisierung durch die Rechtsprechung soll sich insbesondere auf solche generalklauselartigen Tatbestände beziehen, bei denen nicht bereits eine gefestigte Rechtsprechung besteht. Denn nur so kann eine ausreichende Grundlage dafür geschaffen werden, dass das Risiko der Bestrafung erkennbar ist. Ein solches „Präzisierungsgebot“ soll sich aus Art. 103 Abs. 2 GG herleiten. Dies bedeutet, dass die Gerichte durch das Herausbilden einer gefestigten Rechtsprechung nicht nur zur Bestimmtheit von Normen beitragen können, sondern gerade die Pflicht haben, bisher noch unbestimmte Normen durch eine entsprechende Rechtsanwendung hinsichtlich ihres Anwendungsbereiches zu konkretisieren.207 Die Prüfungskompetenz des BVerfG erweitert sich infolgedessen auch und bezieht sich nun darauf, ob „die Gerichte bei Anwendung und Auslegung der Strafnorm bei den bislang entwickelten, die Norm konkretisierenden Obersätzen geblieben sind, und gegebenenfalls darauf, ob sie diese im Rahmen der Strafnorm folgerichtig weiterentwickelt und ob sie sie der Würdigung des konkreten Falls zu Grunde gelegt haben“.208

Es ist zumindest erforderlich, dass sich die Gerichte bei der Gesetzesauslegung am Willen des Gesetzgebers orientieren.209 Es findet also auch auf diesem Wege eine Erweiterung der Kompetenz der Judikative statt, indem nun vorher unbestimmte Normen durch eine Präzisierung den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG gerecht werden können. (3) Anforderungen abhängig von Schwere des Eingriffs Eine weitere Methode, anhand derer das BVerfG den Bestimmtheitsgrundsatz relativiert, ist, dass sie die Anforderungen, die an die Gesetzesbestimmtheit gestellt werden, von der Schwere des Eingriffs in die Rechte der Täter*innen abhängig macht.210 Das bedeutet konkret, dass an solche Strafgesetze, die eine geringe Strafandrohung vorsehen – im Gegensatz zu solchen Strafgesetzen mit einem vergleichsweise hohem Strafrahmen – auch geringere Anforderungen an die Bestimmtheit der Gesetze gestellt werden. Es wird folglich eine Verhältnismäßigkeit211 in Bezug auf die Normen und das Strafmaß hergestellt: Eingriffsintensivere Normen bedürfen einer genaueren Formulierung als verhältnismäßig

207

BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 195 f. = NJW 2010,

3209. 208 BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 198 f. = NJW 2010, 3209, 3212. 209 Ebd. 210 BVerfG, Beschl. v. 21.09.2016 – 2 BvL 1/15 = BVerfGE 143, 38 = NJW 2016, 3648, 349; BVerfGE 25.07.1962 – 2 BvL 4/62 = BVerfGE 14, 245, 250 = NJW 1962, 1563; BVerfG, Beschl. v. 06.05.1987 – 2 BvL 11/85 = BVerfGE 75, 329, 342 = NJW 1987, 3175. 211 So auch Schulz, in: FS-Roxin, S. 306, 309.

IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz

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weniger eingriffsintensive Normen. Dabei wird aber offengelassen, welche (gesetzliche) Grundlage die Relativierung des Bestimmtheitsgrundsatzes hat und warum es zu einer solchen Differenzierung kommt.212 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das BVerfG keine überhöhten Anforderungen an den Bestimmtheitsgrundsatz stellt. Bei bestehenden Zweifeln über die ausreichende Bestimmtheit einer Norm kommt es zunächst darauf an, ob bereits eine gefestigte Rechtsprechung besteht oder die Norm durch eine fortlaufende Rechtsprechung hinreichende Bestimmtheit erlangen kann. Welche Anforderungen an die Bestimmtheit gestellt werden, hängt darüber hinaus vom Strafrahmen der Norm ab. Verwerfungen von Normen sind daher nicht zu erwarten, genau so wenig wie Vorgaben an den Gesetzgeber, welche Voraussetzungen eine Norm für eine ausreichende Gesetzesbestimmtheit erfüllen muss.213 Daraus kann für Öffnungsklauseln geschlossen werden, dass sich auch hier die hinreichende Bestimmtheit aus einer gefestigten Rechtsprechung ergeben kann (vgl. § 315b StGB) oder durch die Präzisierung der Gerichte entwickelt werden kann (§ 238 StGB). Ein pauschaler Verstoß von Öffnungsklauseln gegen den Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit ließe sich ausgehend von dieser Rechtsprechungslinie wohl nicht feststellen. bb) Kritische Würdigung Diese gelockerte Handhabung des Bestimmtheitsgrundsatzes wird aber nicht kritiklos hingenommen.214 Die umstrittene Position des BVerfG kann somit auch nicht ohne Weiteres als allgemeingültige Auslegung des Begriffs der Gesetzesbestimmtheit und auch nicht uneingeschränkt zur Überprüfung der Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz herangezogen werden. (1) Abhängigkeit von Schwere der Straftat Dass die Anforderungen an den Bestimmtheitsgrundsatz von der Schwere der Straftat abhängig gemacht werden, hat eine Relativierung des Grundsatzes zur 212 Kritisch siehe dazu Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 116. 213 Basak, in: Strafrecht und Verfassung, S. 71, 81. 214 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 116; Basak, Strafrecht und Verfassung, 71; Matt/Renzikowski/Basak, § 1 Rn. 15; Roxin, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 113; differenziert aber auch Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 262; MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 58 f., der auf die fehlende Erkennbarkeit von Strafbarkeit der Bürger*innen rekurriert; Schmitz, in: FS-Schünemann, S. 236; Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 32 ff., der dies insbesondere mit einer Schutzzweckverletzung begründet; zustimmend zur Rechtsprechung vgl. insbesondere v. Münch/Kunig/Kunig/Saliger, Art. 103 Rn. 50, wonach die Rechtsprechung einen Interessenausgleich findet; befürwortend ebenfalls: Kuhlen, in: FS-Otto, S. 100 ff.

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Folge.215 Diese Beschränkung bedeutet, dass die Entscheidung des verfassungsgebenden Gesetzgebers, die zugunsten der Rechtssicherheit getroffen wurde, insbesondere bei verhältnismäßig weniger eingriffsintensiven Maßnahmen zumindest teilweise preisgegeben wird. Diese Abhängigkeit von der Schwere der Strafe ist der Sache nach an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angelehnt. Dessen Ansatz lässt sich allerdings nicht ohne Weiteres auf den Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit anwenden, da es sich um eine völlig andere Ausgangssituation handelt: Die Verhältnismäßigkeit soll beim grundsätzlichen Vorliegen von normierten Eingriffsvoraussetzungen die Betroffenen vor unbilliger Härte der damit ausgelösten Rechtsfolge schützen. Bei Art. 103 Abs. 2 GG fehlt es bereits an einer solchen Eingriffsvoraussetzungen, diese sollen zunächst geschaffen werden.216 Des weiteren soll der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gerade zu Gunsten der Betroffenen wirken. Eine geringere Bestimmtheit wirkt sich aber immer nur zulasten desjenigen aus, der anhand dieser Norm sanktioniert werden soll. Weshalb also der Grundgedanke dieses Ansatzes teilweise herangezogen wird, erschließt sich nicht. Dieser Grundsatz führt konsequenterweise dazu, dass bei vergleichsweise geringerem verwirklichtem Unrecht ebenfalls geringere Anforderungen an die Genauigkeit der strafrechtlichen Bestimmung gestellt werden.217 Warum aber eine geringere Sanktion unter offen formulierten Voraussetzungen möglich sein soll, ist weder anhand des Wortlautes218 noch anhand von Sinn und Zweck des Bestimmtheitsgrundsatzes nachvollziehbar. Denn auch in Fällen geringerer Strafen liegt immer ein Eingriff in die Freiheit des Einzelnen vor.219 Außerdem besteht bei geringerem Unrecht in der Regel ein geringeres Bedürfnis nach Sanktionen, welches sich gerade im niedrigeren Strafmaß widerspiegelt. Warum in solchen Fällen dann die Anforderungen an das Verhängen einer solchen Strafe gemindert werden sollen und infolgedessen der Anwendungsbereich der Norm erheblich erweitert wird, bleibt unklar.220 Durch ein erhöhtes Sanktionsbedürfnis kann diese Erweiterung nicht ersichtlich gerechtfertigt werden, denn es besteht gerade kein Bedürfnis nach umfassender Sanktionierung. 215 LK-StGB/Dannecker, § 1, Rn. 186; Schroeder, JZ 1969, 775, 778; kritisch ebenfalls: Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 108; dennoch zustimmend Jarass/ Pieroth/Kment/Kment, Art. 103 Rn. 75 und Sachs/Degenhart, Art. 103 Rn. 64; v. Münch/Kunig/Kunig/Saliger, Art. 103 Rn. 46; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 41; kritisch auch: Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 129; Köhler, Strafrecht AT, S. 89; Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 32 ff. 216 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 318. 217 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 317 f. 218 Roxin, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 113, 134. 219 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 317. 220 So im Ergebnis auch Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 317 f.

IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz

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Deswegen sprechen überzeugendere Argumente dafür, dass der Gesetzgeber auch bei Normen mit geringerer Strafandrohung nach der größtmöglichen Präzision streben sollte.221 Die Auslegung des BVerfG kann nicht mit dem absoluten Charakter des Art. 103 Abs. 2 GG in Einklang gebracht werden, der sich aus der herausragenden Bedeutung der Norm ergibt und daraus, dass keine ausdrücklichen Einschränkungsmöglichkeiten in Form von Schranken vorgesehen sind.222 Eine solche relativierende Handhabung des Bestimmtheitsgrundsatzes gibt den mit Art. 103 Abs. 2 GG verbürgten Bestimmtheitsgrundsatz de facto Preis, um die größtmöglicher Praktikabilität von Normen zu erreichen.223 (2) Präzisierung durch die Gerichte Aber auch gegen die Möglichkeit der Konkretisierung unbestimmter Normen durch die Gerichte wird Widerspruch erhoben, da es sich auch dabei um eine „einschneidende Relativierung“ des Grundsatzes handelt.224 Denn die Möglichkeit unbestimmte Normen anhand der Rechtsprechung zu konkretisieren, bedeutet, dass eine anfangs zu unbestimmte Norm in ihrem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG geheilt werden könnte.225 Es findet folglich eine Fortentwicklung von zu unbestimmten Normen statt, die über die Anwendung im Einzelfall hinausgeht.226 Die Gerichte übernehmen auf diesem Wege über die Entscheidung im Einzelfall hinaus die Aufgabe, allgemeine Grundsätze für die Anwendung der in Frage stehenden Norm aufzustellen. Auch wenn die Gerichte in ihrer Anwendung der Normen auf den Einzelfall immer konkretisierend tätig werden, besteht bei diesem Ansatz der qualitative Unterschied darin, dass in Fällen zuvor unbestimmter Strafgesetze durch die Präzisierung die Verfassungsgemäßheit herge-

221

LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 186. LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 204, 52. 223 So auch bereits Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 373. 224 LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 189; befürwortend unter Verweis darauf, dass Gesetzgeber schon sprachlich keine abschließende und eindeutige Regelung schaffen kann, vgl. AnwKomm-StGB/Gaede, § 1 Rn. 25; ders., Der Steuerbetrug, S. 448 ff., verweist dabei insbesondere auf die Belastung der Normadressat*innen; der Gesetzgeber muss sich immer für die konkretere Fassung des Wortlautes entscheiden, wenn diese möglich ist, vgl. NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 41; so im Ergebnis auch Naucke, Über Generalklauseln und Rechtsanwendung im Strafrecht, S. 21 f.; differenziert: Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 262, grundsätzlich das Präzisierungsgebot befürwortend, aber einschränkend dahingehend, dass der Gesetzgeber seine Pflicht, abstrakt-generelle Regelungen zu schaffen, nicht auf die Judikative übertragen darf; ebenso SSW-StGB/Satzger, § 1 Rn. 23, der aber auch die untergeordnete Rolle der Präzisierung durch die Gerichte verweist und die Präzision primär als Aufgabe der Legislative betrachtet. 225 Kempf/Schilling, NJW 2012, 1849, 1852. 226 Safferling, NStZ 2011, 376. 222

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

stellt werden soll. Daraus folgt, dass sich die Verfassungsgemäßheit einer Norm erst aus der Konkretisierung durch die Gerichte ergibt.227 Darüber hinaus bleibt bei der Rechtsprechung des BVerfG offen, wann eine hinreichend gefestigte Rechtsprechung angenommen wird und wie die Normen zu behandeln sind, bevor eine solche Rechtsprechung entwickelt wurde. Ebenso bleibt unklar, wann eine nach der Rechtsprechung unzulässige Nachbesserung einer Norm vorliegt,228 und wann Strafrichter*innen Normen zulässig präzisieren. Es wird zu Recht darauf hingewiesen, dass bis zum Bestehen einer solchen gefestigten Rechtsprechung Straftäter*innen für Handlungen sanktioniert werden, deren Strafwürdigkeit unter Umständen nicht ersichtlich war.229 Dies läuft dem Ziel zuwider, dass sich das strafbare Verhalten gerade aus der Norm selbst ergeben muss.230 Wenn dafür eine Konkretisierung durch die Gerichte erforderlich ist, widerspricht dies dem Verständnis des Art. 103 Abs. 2 GG. Eine solche Entscheidung zugunsten der materialen Gerechtigkeit bedeutet, dass ein Verlust von Gerechtigkeit in Bezug auf die Rechtssicherheit hingenommen werden muss.231 Zu beachten ist außerdem, dass Art. 103 Abs. 2 GG einer solchen Konkretisierung durch die Gerichte seinerseits Grenzen setzt, da dieser auch Handlungsanweisungen an die Judikative enthält. Denn die Gerichte sind gerade an den Wortlaut der Norm gebunden und dürfen grundsätzlich keine richterliche Rechtsfortbildung betreiben. Es scheint also auch im Hinblick auf den Grundsatz der Gesetzesbindung problematisch, den Gerichten eine solche Kompetenz zuzusprechen. Durch die Entwicklung des Präzisierungsgebotes hält sich die Judikative selbst die Möglichkeit zur richterlichen Rechtsfortbildung und Lückenschließung offen.232 Sie übernimmt damit erkennbar eine Rolle der Legislative, was wiederum eine Unvereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung bedeuten kann. Auch der Wortlaut des Art. 103 Abs. 2 GG fordert gerade, dass die Norm als solche hinreichend bestimmt sein soll und diese Bestimmtheit nicht erst durch eine Präzisierung eintreten darf.233 Eine Präzisierung durch die Gerichte nach der 227 Kuhlen, Die verfassungskonforme Auslegung von Strafgesetzen, S. 98; woraus sich gleichwohl die Forderung an die Legislative ergeben kann, den Gesetzestext der konkretisierten Norm entsprechend anzupassen, vgl. NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 28; ebenso: Hirsch, in: FS-Puppe, S. 122, in Bezug auf „gesetzestechnische [. . .] Fehler“. 228 BVerfG 20.03.2002 – 2 BvR 794/95 = BVerfGE 105, 135 = NJW 2002, 1779, 1780. 229 MüKo-StGB/Schmitz, §1 Rn. 53. 230 LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 201. 231 So auch Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 288. 232 Kempf/Schilling, NJW 2012, 1849, 1850. 233 Kempf/Schilling, NJW 2012, 1849, 1852; Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 96 m.w. N.; kritisch zu dieser „Heilungsmöglichkeit“ auch: SSW-StGB/Satzger, § 1 Rn. 23; MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 58, aber befürwortend dahingehend, dass das Gericht die Bestimmtheit anhand der konkreten Tatbestände bewertet.

IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz

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Tat wird der Anforderung, dass die Strafbarkeit einer Verhaltensweise gerade vor der Tat gesetzlich bestimmt sein muss, nicht mehr gerecht.234 Insbesondere im Hinblick auf den dargestellten Sinn und Zweck des Bestimmtheitsgrundsatzes, die Gewaltenteilung zu sichern, führt eine solche Interpretation des Bestimmtheitsgrundsatzes aber zu kontroversen Ergebnissen: Gerade die Kontrollfunktion, die die Gewalten gegenseitig wahrnehmen, wird unterlaufen. Diese Kontroverse scheint sich dann bei Öffnungsklauseln zu verstärken, indem diese gerade die Aufgabe vergleichbare Fälle zu erfassen ausdrücklich auf die Judikative verlagern. Des weiteren wird darauf hingewiesen, dass eine Rechtsprechungslinie unproblematisch jederzeit geändert werden kann und aufgrund dessen keine Garantie für Rechtssicherheit bietet, was im Ergebnis zu einer erhöhten Rechtsunsicherheit führt.235 Zumindest dort, wo noch keine gefestigte Rechtsprechung existiert, sollte diese Umgehung des Bestimmtheitsgrundsatzes nicht auch noch durch ein Präzisierungsgebot für zukünftige, noch unbestimmte Normen gefördert werden. Den Gerichten kommt durch ein solches „Präzisierungsgebot“ die Aufgabe eines „Ergänzungs-Gesetzgebers“ zu, wenn sie den Gesetzen den Grad an Bestimmtheit zukommen lassen, den sie von vornherein hätten haben müssen.236 Das Ergebnis eines solchen Präzisierungsgebotes ist ein „arbeitsteiliges Zusammenwirken“, in dem die Gerichte die originäre Aufgabe der Legislative wahrnehmen.237 Auf diese Weise kann die mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung verfolgte Kontrollfunktion der Gewalten untereinander wohl nur noch bedingt Wirksamkeit entfalten. Dies widerspricht auch dem Verständnis, dass der primäre Adressat des Bestimmtheitsgrundsatzes gerade nicht die Judikative, sondern die Legislative ist.238 Damit unterläuft eine solche Auslegung die Bestimmung, dass gerade der demokratisch legitimierte Gesetzgeber festlegen muss, welche Verhaltensweisen als strafbar erachtet werden.239 Beim Ausnutzen des Auslegungsspielraums, der den Gerichten verbleibt, sollte es sich um eine Ausnahme handeln.240 Diese sollte gerade nicht durch einen Auftrag an den Rechtsanwender zur Regel 234

Calliess, NStZ 1987, 209, 211; Krüger, NStZ 2011, 369, 371. Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 133; Böse, JURA 2011, 617, 620 f.; zwar wird im Zuge dessen eine Anwendung des Rückwirkungsverbotes auf die Änderung einer bestehenden Rechtsprechungsänderung diskutiert, vgl. dazu auch Kap. C. VI. 3. c), im Ergebnis wird dies von der Rechtsprechung aber nicht abgewendet, sodass sich aus dem status quo keine erhöhte Rechtssicherheit ergibt, vgl. dazu die Rechtsprechung zur Herabsetzung der Werte der absoluten Fahruntüchtigkeit, BGH, Beschl. v. 09.12.1966 – 4 StR 119/66 = BGHSt 21, 157, 159 und BGH, Beschl. v. 19.08. 1971 – 4 StR 574/70 = BGHSt 24, 200 ff. = NJW 1971. 1997. 236 MüKo-StGB/Schmitz, §1, Rn. 53; Becker, HRRS 2010, 383, 386. 237 Becker, HRRS 2010, 383, 386. 238 Basak, Strafrecht und Verfassung, S. 71, 79. 239 Amelung, NJW 1995, 2584, 2587. 240 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 40. 235

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

werden. Richter*innen wird ansonsten die Möglichkeit eröffnet, über Strafwürdigkeit nach ihrem eigenen Rechtsgefühl und mit einem großen Gestaltungsspielraum zu entscheiden.241 Dies reduziert die Bindung an den Bestimmtheitsgrundsatz. Die Richter*innen werden zu demokratisch nicht legitimierten Gesetzgebern, indem sie die Anwendungsbereiche von Normen jetzt und für die Zukunft festlegen und damit zugleich abstrakt-generell Fälle regeln. Dies führt zu einer Verschmelzung der Kompetenzbereiche der Gewalten. Für die Bürger*innen kann daraus eine erhöhte Rechtsunsicherheit resultieren, ergibt sich doch die Strafbarkeit bestimmter Verhaltensweisen erst nach einer Durchsicht der (höchstrichterlichen) Rechtsprechung. Außerdem kann die Kenntnis der entsprechenden höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht erwartet werden, wenn es bereits abwegig erscheint, dass die Bürger*innen die einschlägigen Strafgesetze kennen. Dass die Gesetzesbestimmtheit in Hinblick auf ihre Entstehungsgeschichte so verstanden werden soll, erscheint zweifelhaft. An diesem Zustand ändert sich auch dadurch nichts, dass das BVerfG dem Präzisierungsgebot mit einer erhöhten Kontrolldichte begegnet.242 Denn diese erweiterten Kontrollbefugnisse in Bezug darauf, ob die korrekte Obersatzbildung durch die Strafgerichte gebildet wurde, führen dazu, dass sich das BVerfG zu einer Superrevisionsinstanz macht.243 Des weiteren setzt die Kontrolle erst dann an, wenn die Fachgerichte die Normen ausdifferenziert haben. Damit kommt es erst nach und nach zu einer Begrenzung der weit gefassten Norm. Es besteht gerade nicht von Beginn an ein gefestigtes Normverständnis. Ein solches wird aber gerade von Art. 103 Abs. 2 GG gefordert.244 Für die hier zu untersuchende Gesetzgebungstechnik der Öffnungsklauseln kann die Legitimation des Präzisierungsgebotes aber dahinstehen. Problematisch ist bei Öffnungsklauseln gerade nicht die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, sondern vielmehr die bewusste und durch den Gesetzgeber angeordnete Befugnis an die Judikative einen Ähnlichkeitsschluss zu ziehen. Es liegt also qualitativ etwas anderes als eine bloße Konkretisierung vor, sodass nicht entschieden werden muss, ob das durch die Rechtsprechung entwickelte Präzisierungsgebot über die unvermeidbare Konkretisierung bei der Rechtsanwendung durch die Judikative hinausgeht.

241

Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 7; Calliess, NJW 1989, 1338, 1339. BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 198 f. = NJW 2010, 3209; BVerfG 28.07.2015 – 2 BvR 2558/14, 2 BvR 2571/14, 2 BvR 2573/14 = NJW 2015, 2949; wobei darauf hingewiesen wird, dass sich eine „umfassende Prüfungskompetenz“ bereits aus dem herkömmlichen Verständnis des Bestimmtheitsgrundsatzes ergibt (wobei dabei bereits fraglich ist, was unter dem herkömmlichen Verständnis zu verstehen ist), vgl. Krüger, NStZ 2011, 369, 373. 243 Krüger, NStZ 2011, 369, 372; Böse, JURA 2011, 617, 621. 244 Basak, in: Strafrecht und Verfassung, S. 71, 85. 242

IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz

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(3) Rechtsfolgen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Die Rechtsprechungslinie des BVerfG hat auch Auswirkungen auf die Arbeit des Gesetzgebers.245 Es kann davon ausgegangen werden, dass der Umgang des BVerfG und des BGH mit dem Bestimmtheitsgrundsatz die Gesetzgebung im Strafrecht wesentlich beeinflusst hat und auch der Grund dafür ist, dass die Diskussion über genauere Strafgesetze nur noch auf einer theoretischen Ebene geführt wird.246 Rechtsfolge einer solchen Rechtsprechung ist, dass der Legislative mehr Freiraum bei der konkreten Ausgestaltung der Gesetze gelassen wird. Im Zweifel kann sie die Entscheidung darüber, ob ein Verhalten strafbar ist oder nicht, den Gerichten überlassen und das macht sie bei der Verwendung von Öffnungsklauseln auch ausdrücklich.247 Unabhängig von einer etwaigen Bindungswirkung verzichtet das BVerfG gerade darauf, klare Vorgaben für die Genauigkeit von Strafgesetzen aufzustellen. Dies könnte aber geschehen, indem es auf eine Optimierungspflicht des Gesetzgebers verweist. Das BVerfG könnte überprüfen, ob eine genauere Umschreibung des zu bestrafenden Verhaltens möglich gewesen wäre und ob dies wiederum ausreichend vom Gesetzgeber geprüft und dargelegt wurde, inwieweit die offene Regelung im Hinblick auf die Regelungsmaterie tatsächlich unvermeidbar war.248 Ob eine genauere Regelung möglich gewesen wäre, muss dann für die einzelnen Gesetze separat festgestellt werden. Dies könnte gerade im Falle von Öffnungsklauseln problematisch sein. Eine genauere Beschreibung der Verhaltensweisen könnte gerade nicht möglich gewesen sein. Das kann damit begründet werden, dass die abschließende Nennung konkreter Verhaltensweisen, die für strafbar erklärt wurden, de facto unmöglich erschien. Insbesondere dadurch, dass Normen so gut wie nie wegen Unbestimmtheit durch das BVerfG verworfen werden, hat der Gesetzgeber gerade kein besonderes Augenmerk darauf zu legen, ob die Strafgesetze hinreichend genau gefasst sind. Denn eine Verwerfung der Norm aufgrund von Unbestimmtheit durch das BVerfG hat der Gesetzgeber gerade nicht zu befürchten.249

245 MüKo-StGB/Kunig/Saliger, § 1 Rn. 49: „Diese Grundsätze des BVerfG sind in der Praxis sehr folgenreich.“ 246 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 376 f.; AnwKomm-StGB/Gaede, § 1 Rn. 25, in Bezug darauf, dass nur ausnahmsweise Normen für zu unbestimmt erklärt werden. Gaede verweist dabei auf die erhöhte „materiellrechtliche Pönalisierungsprärogative“ des Gesetzgebers. 247 Basak, in: Strafrecht und Verfassung, S. 71, 89. 248 Unter Verweis auf eine solche Prüfung bei der Verhältnismäßigkeit jeglicher Strafgesetze vgl. AnwKomm-StGB/Gaede, § 1 Rn. 26; SSW-StGB/Satzger, § 1 Rn. 22; Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 20; NK-StGB/Hassemer/Kargl, §1 Rn. 41; Greco, ZIS 2018, 475, 480 f.; Löwer, JZ 1979, 621, 625; Naucke, Über Generalklauseln und Rechtsanwendung im Strafrecht, S. 3 ff. 249 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 375.

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

(4) Praktikabilität der Auslegung durch die Gerichte Allerdings wird die Handhabung des Bestimmtheitsgrundsatzes durch das BVerfG zum Teil aber auch als einzig praktikable Lösung verstanden, auch wenn deren Auffassung vom klassischen Verständnis des Gesetzlichkeitsprinzips abweiche.250 Denn nur so könne eine Harmonisierung von Theorie und Praxis des Bestimmtheitsgrundsatzes erreicht werden.251 Die Aufgabe der Legislative beschränke sich dadurch auf ein sog. Anordnungsgebot, es solle gerade keine exakte Bestimmung der Strafbarkeit vorgenommen werden.252 Denn eine solche Bestimmtheit von Normen, bei der die Bürger*innen den Anwendungsbereich ohne Weiteres aus dem Gesetz erkennen könne, sei der Legislative ohnehin nicht möglich.253 Aufgabe der Gerichtsbarkeit sei demnach gerade auch die Konkretisierung der Strafgesetze. Eine reine Anwendung der Gesetze auf den Einzelfall ohne ein konkretisierendes Element könne es nicht geben, es sei ein arbeitsteiliges Zusammenwirken beider Gewalten erforderlich.254 Dieses Zusammenwirken hätte im Ergebnis eine Stärkung des Bestimmtheitsgrundsatzes zur Folge, da nun zwei Gewalten an der Verwirklichung der ausreichenden Gesetzesbestimmtheit beteiligt seien. Das führe dazu, dass nun auch die Rechtsprechung primärer Adressat des Bestimmtheitsgrundsatzes sei.255 Dem ist zuzugeben, dass es einer Konkretisierung von Gesetzen durch die Judikative im Rahmen der Rechtsanwendung auf den Einzelfall unzweifelhaft bedarf.256 Offen bleibt aber, inwieweit der Judikative darüber hinaus Kompetenzen zur Rechtsschaffung zugesprochen werden dürfen. Das zeigt sich bei der Diskussion um die Verfassungsgemäßheit zur richterlichen Rechtsfortbildung,257 aber gerade auch in der konkreten Befugnisübertragung der Legislative an die Judikative, die in Öffnungsklauseln erhalten ist. Auf allgemeine Vorgaben zur Gesetzesbestimmtheit müsse danach konsequenterweise verzichtet werden, da es immer zu einer Einzelfallabwägung kommen müsse, ob im konkreten Fall die Rechtssicherheit oder die Einzelfallgerechtigkeit 250 Kuhlen, JR 2011, 246, 249; ders., in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 45, 62; Warda, Dogmatische Grundlagen des richterlichen Ermessens, S. 37; Dreier/ Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 41; Beckemper, ZJS 2011, 88, 92, zumindest für den Fall des § 266 StGB; so zumindest im Hinblick auf das Präzisierungsgebot AnwKomm-StGB/Gaede, § 1 Rn. 25; MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 50. 251 Kuhlen, in: Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 45, 57. 252 Herzberg, FS Schünemann, S. 31, 35. 253 Kuhlen, Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 45, 58; im Ergebnis auch AnwKomm-StGB/Gaede, § 1 Rn. 25, wonach die Legislative keine sprachlich eindeutige Regelung schaffen kann. 254 Kuhlen, Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 45, 58. 255 Kuhlen, Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 45, 59. 256 Dazu auch innerhalb dieser Arbeit unter Kap. D. V. 2. 257 Dazu unter Kap. D. VIII. 2. h).

IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz

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überwiege.258 Übersteigerte Erwartungen an einen solchen Grundsatz könnten dazu führen, dass dieser im Ergebnis überhaupt nicht umgesetzt werden könne.259 Beim Präzisierungsgebot und der Möglichkeit der Konkretisierung durch die Fachgerichte handele es sich um eine bereits in der Vergangenheit anerkannte Lesart des Bestimmtheitsgrundsatzes.260 Auch wenn alle Bürger*innen erkennen können müssen, welches Verhalten unter Strafe stehe, so werde der Grundsatz auch in der Literatur zum Teil so verstanden, dass es genüge, wenn sich das strafbare Verhalten durch Auslegung ermitteln lasse und somit zumindest das Risiko einer Bestrafung erkennbar sei.261 Stellt man allerdings nur darauf ab, ob das Bestrafungsrisiko erkennbar ist, greift dies unzulässig in die allgemeine Handlungsfreiheit der Bürger*innen ein.262 Denn der Bereich solcher Verhaltensweisen, die unter Strafe stehen könnten, ist deutlich größer als der Bereich dessen, was tatsächlich unter Strafe steht. Die Befürworter der Rechtsprechung konstatieren auch, dass die Starrheit von Strafgesetzen im Zweifel zulasten der Gerechtigkeit gehe, was vermieden werden müsse.263 Zum Teil wird darüber hinaus in der erhöhten gerichtlichen Kontrolldichte der Auslegung des Wortsinns durch den Beschluss vom 23.06.2010 sogar eine Stärkung des Bestimmtheitsgrundsatzes gegenüber der bisherigen Rechtsprechung gesehen, da die Kontrolle nicht nur auf eine Vertretbarkeitskontrolle beschränkt bleibe.264 Es wird außerdem auf die „präventive“ Wirkung des Bestimmtheitsgebotes verwiesen: Der Gesetzgeber setzt sich im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses damit auseinander, dass er eine Norm schaffe, die grundsätzlich den Anforderungen an die Gesetzesbestimmtheit gerecht werde.265 Diese Wirkung ist aber insoweit zweifelhaft, als durch einen erhöhten Handlungsspielraum, den die Judikative der Gesetzgebung zubilligt, der Gesetzgeber dem Problem der Gesetzesbestimmtheit gerade keine erhöhte Beachtung schenken muss. Inwieweit also ein präventiver Effekt verbleibt, ist schwer zu beurteilen.

258

Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 42. Schmidhäuser, GS-Martens, S. 231, 244. 260 Lange, in: Niederschriften über die Sitzung der Großen Strafrechtskommission, S. 265, der in Bezug auf die Einführung einer Öffnungsklausel argumentiert, dass „wir [. . .] darauf vertrauen [sollten], daß die Rechtsprechung [. . .] die erforderlichen Einschränkungen finden wird [. . .]“. 261 Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 20; Breuer, AöR 1990, 448, 455 f.; Mangoldt/ Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 153, wobei auch das BVerfG darauf verweist, dass in erster Linie der Wortsinn der Norm maßgeblich ist: BVerfG 17.01.1978 – 1 BvL 13/76 = BVerfGE 47, 109, 121 = NJW 1978, 933; so im Ergebnis wohl auch Kühl, FSLackner, S. 815, 833 f. zur Verwaltungsakzessorietät im Strafrecht. 262 Amelung, NJW 1995, 2584, 2587. 263 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 90. 264 Saliger, NJW 2010, 3195; Kuhlen, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 45, 63. 265 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 44. 259

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Aber auch die Vertreter*innen dieser Auffassung haben zum Teil die Problematik der Möglichkeit einer (unvorhersehbaren) Rechtsprechungsänderung erkannt und Lösungsmöglichkeiten entwickelt. Insbesondere sollen bei einer solchen Präzisierungsmöglichkeit besondere Anforderungen an eine rückwirkende Rechtsprechungsänderung zu stellen sein.266 Die soll gerade auch der Wertung des Gesetzgebers entsprechen, der ein Abweichen von der gefestigten Rechtsprechung nicht ohne Weiteres ermöglicht.267 Denn die Rechtsprechung tritt quasi als ergänzender Gesetzgeber auf, woraus das Bedürfnis resultiert, die Bürger*innen vor solchen Rechtsprechungsänderungen zu schützen, die nicht mehr unter die entwickelten Grundsätze fallen.268 Des weiteren soll daraus auch die Pflicht des BVerfG resultieren, zu überprüfen, ob die Vorgaben der Präzisierung eingehalten wurden.269 Insgesamt ist die Kontrolle dabei aber auf erkennbar unvertretbare Ergebnisse beschränkt. Es handelt sich dann nur um eine Evidenzkontrolle. In Fällen, in denen es noch keine gefestigte Rechtsprechung gibt, erfolgt nur eine Vertretbarkeitsprüfung.270 Ohne eine entsprechende Anwendung der Grundsätze des Rückwirkungsverbotes auf die Änderungen einer gefestigten Rechtsprechung, bleibt die Problematik aber weiterhin bestehen.271 cc) Zwischenergebnis Auch wenn zuzugeben ist, dass sich bereits aus der Mehrdeutigkeit von Sprache ergibt, dass die Legislative wohl keine eindeutigen und zweifelsfreien Regelungen schaffen kann, widerspricht ein über die unerlässliche Notwendigkeit der Konkretisierung hinausgehendes arbeitsteiliges Zusammenwirken von Legislative und Judikative dem Sinn und Zweck des Bestimmtheitsgrundsatzes, der auch eine kompetenzwahrende Funktion hat. Der Grundsatz der Gewaltenteilung soll auch eine gegenseitige Kontrolle der Gewalten bewirken. Dafür ist erforderlich, dass die Aufgabenbereiche klar voneinander abgegrenzt werden. Verschiebt man nun den Aufgabenbereich der Schaffung ausreichend bestimmter Strafgesetze hinein in den Kompetenzbereich der Judikative, hat dies zur Folge, dass die Richter*innen nicht mehr über die ausreichende Bestimmtheit von Normen entscheiden können. Halten sie eine Norm für zu unbestimmt, hat dies nicht etwa, wie vorgesehen, die Verfassungswidrigkeit zur Folge, sondern einen Auftrag an die Rechtsprechung, die Norm zu konkretisieren. Ob eine solche Konkretisierung 266 Kuhlen, JR 2011, 246, 249; ders., in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 45, 62. 267 Kuhlen, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 45, 62; unter Verweis auf BVerfG NJW, 2010, 3209 Rn. 81. 268 Kuhlen, JR 2011, 246, 250. 269 BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 198 f. = NJW 2010, 3209; umfassend dazu Schulz, in: FS-Roxin, S. 305. 270 Kuhlen, JR 2011, 246. 271 Siehe dazu umfassend Kap. D. VI.

IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz

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eingetreten ist, kann dann nur von der Judikative selbst überprüft werden, sollte es überhaupt zu einer Verfassungsbeschwerde kommen. Wie effektiv eine solche Selbstkontrolle ist, erscheint zweifelhaft. Genauso wenig könnte die Legislative kontrolliert werden, wenn sie anfängt das von ihr geschaffene Recht auf Einzelfälle anzuwenden. Dennoch ist bei Öffnungsklauseln der Fall etwas anders gelagert: Eine sinnvolle Umgrenzung erscheint durch die vorhergehende Kasuistik durchaus möglich, sodass zum einen eine Erkennbarkeit gegeben sein kann und zum anderen die Entscheidung der Legislative auch zum Ausdruck kommt. Vielmehr findet hier keine durch ein „Präzisierungsgebot“ vermittelte Übertragung der Kompetenzbereiche statt, sondern es wird ausdrücklich eine gesetzgeberische Befugnis geschaffen, die es der Judikative erlaubt, den Tatbestand auch auf dort nicht geregelte Fälle anzuwenden. d) Zwischenergebnis Der Begriff des Bestimmtheitsgebotes ist seinerseits aufgrund des Wortlauts unbestimmt, sodass es zur näheren Auslegung auch immer einer Auseinandersetzung mit dem Sinn und Zweck der Regelung bedarf. Die dort ermittelten Zwecksetzungen haben für das Festlegen der Reichweite des Bestimmtheitsgrundsatzes eine überragende Bedeutung: Sie legen fest, dass eine Norm mindestens einen solchen Grad an Bestimmtheit innehaben muss, dass für die Bürger*innen eine hinreichende Rechtssicherheit besteht und die Legislative ihre ureigenen Aufgaben selbst wahrnimmt, unter Anerkennung, dass es immer einer Konkretisierung der Gesetze durch die Judikative bedarf. Die Auslegung durch das BVerfG wird diesen Anforderungen nicht gerecht.272 Es findet durch die dort aufgestellten Grundsätze eine Verlagerung des Gesetzgebungsprozesses auf die Judikative statt. Die damit verbundene Herabsetzung der Anforderungen an den Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit wird der Bedeutung von Art. 103 Abs. 2 GG nicht gerecht und scheint mit der Schutzfunktion im Hinblick auf den Grundsatz der Gesetzesbindung und dem Grundsatz der Gewaltenteilung nicht vereinbar. Insgesamt bleibt festzustellen, dass – im Rahmen des sprachlich Möglichen – eine genaue Regelung geschaffen werden soll, bei welcher die Ziele des Bestimmtheitsgrundsatzes primär verfolgt und geachtet werden. Die Einhaltung dessen hat oberste Priorität auch gegenüber weiteren verfolgten Zielen. 2. Konsequenzen für Öffnungsklauseln im Strafrecht Nachdem nun dargelegt wurde, wie der Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit interpretiert werden kann und welche Anforderungen sich daraus an den Gesetz272 v. Münch/Kunig/Kunig/Saliger, Art. 103 Rn. 45, hält das Abstellen auf einen „hypothetischen Straftäter [für] unerlässlich“, unter Verweis auf Geitmann, Bundesverfassungsgericht und „offene“ Normen, S. 71.

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

geber ergeben, soll anhand dieser Ergebnisse überprüft werden, ob Öffnungsklauseln im Strafrecht diesen Anforderungen gerecht werden, oder ob ein Verstoß gegen den in Art. 103 Abs. 2 GG normierten Grundsatz der Gesetzesbindung angenommen werden kann. Grundsätzlich ist der Einsatz unbestimmter Rechtsbegriffe und zum Teil auch generalklauselartiger Regelungen im Hinblick auf die Aufgabe des Gesetzgebers, generell-abstrakte Regelungen zu schaffen, nicht gänzlich vermeidbar und bedeutet nicht per se einen Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz. Auch wenn zwischen Generalklauseln und Öffnungsklauseln ein qualitativer Unterschied besteht, so weisen sie doch auch Ähnlichkeiten auf, woraus geschlossen werden kann, dass für Öffnungsklauseln das Gleiche, wie für den Einsatz von Generalklauseln im Strafrecht gelten muss. Aus den Anforderungen, die an den Bestimmtheitsgrundsatz gestellt werden, ergibt sich nicht unweigerlich, dass nur eine sich der Kasuistik bedienende Gesetzgebungsmethode eine ausreichend bestimmte Norm schaffen kann.273 Richtigerweise kann ein Rechtsgut auch durch eine Regelung hinreichend geschützt werden und dem Bestimmtheitsgrundsatz Genüge tun, wenn sie gerade nicht dezidiert einzelne strafbare Verhaltensweisen aufzählt.274 Daraus lässt sich aber lediglich ableiten, dass der Gesetzgeber aufgrund des Bestimmtheitsgrundsatzes nicht dazu verpflichtet ist, Gesetze kasuistisch zu fassen. Daraus leitet sich hingegen keine Legitimation für die Verwendung von Öffnungsklauseln ab. Nach dem von der Rechtsprechung dargelegten Verständnis des Bestimmtheitsgrundsatzes ist eine Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit anzunehmen. Wie oben bereits erörtert, steht nach Ansicht der Rechtsprechung Art. 103 Abs. 2 GG der Anwendung von Generalklauseln im Strafrecht nicht entgegen, sodass diese Zulässigkeit von Generalklauseln auch auf die Verwendung von Öffnungsklauseln im Strafrecht übertragen werden kann, auch wenn zwischen Öffnungsklauseln und Generalklauseln ein qualitativer Unterschied besteht.275 Das gilt insbesondere dann, wenn eine Konkretisierung durch eine gefestigte Rechtsprechung erfolgt oder der Normzusammenhang zur Interpretation herangezogen werden kann.276 Auch wenn es bei neu verfassten Normen an einer gefestigten Rechtsprechung fehlt, kann bei Öffnungsklauseln in der Regel der vorhergehend kasuistisch verfasste Teil zur Konkretisierung herangezogen werden.

273

Fischer, StV 2010, 95, 96. Baldus/Starck/Mangoldt/Klein/Nolte/Aust, Art. 103 Abs. 2 GG, Rn. 143. 275 Vgl. dazu Kap. B. II. 276 BVerfG 22.03.1960 – 2 BvR 125/60 = BVerfGE 11, 234, 237; BVerfG, Beschl. v. 15.04.1970 – 3 BvR 396/69 = BVerfGE 28, 175, 183 = NJW 1978, 1423; BVerfG 10.01.1995 – 1 BvR 718, 719, 722, 723/89 = BVerfGE 92, 1, 12 = NJW 1995, 1141; BVerfG 20.06.2012 – 2 BvR 1048/11 = BVerfGE 131, 268, 306 f. = NJW 2012, 3357. 274

IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz

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Öffnungsklauseln enthalten keine gesetzliche Anordnung auf die Frage, in Bezug auf welchen zuvor aufgezählten Fall, der potentiell unter die Öffnungsklausel zu subsumierende Sachverhalt vergleichbar sein muss. Der Gesetzgeber lässt die Regelung gerade bewusst mehrdeutig.277 In einer Entscheidung des BGH zur Vereinbarkeit der Öffnungsklausel des § 315 b Abs. 1 Nr. 4 StGB mit dem Bestimmtheitsgebot, ging dieser davon aus, dass der Ähnlichkeitsschluss sich auf alle zuvor genannten Fällen beziehen muss und dass bereits aufgrund dessen eine ausreichende Bestimmtheit gegeben ist.278 Er lässt aber offen, woraus sich diese Auslegung ergibt. Ungeachtet dessen könnten die Öffnungsklauseln sogar als bestimmter anzusehen sein als Generalklauseln ohne vorhergehende Kasuistik, denn diese müssen unter Umständen ganz ohne Orientierung innerhalb des Normtextes ausgelegt werden. Unabhängig davon, ob eine Vergleichbarkeit mit einem oder aber mit allen zuvor aufgezählten Fällen angenommen wird, kann aber eine Konkretisierung durch die vorhergehende kasuistische Regelung vorgenommen werden. Gerade für die in § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB verwendete Öffnungsklausel des „ebenso gefährlichen Eingriffs“ existiert eine mehr oder minder gefestigte Rechtsprechung auf die zurückgegriffen werden könnte. Die Rechtssicherheit kann sich aus der zuvor erfolgten Fallgruppenbildung ergeben.279 Hier ergibt sich die hinreichende Bestimmtheit erst aus der Auslegung der Norm durch die Gerichte und nicht aus dem Wortlaut der Norm selbst oder dem Vergleich mit den in der Norm aufgezählten Alternativen. Das ist aber insoweit unschädlich, als dass sich der konkrete Regelungsgehalt einer Norm immer erst aus der Anwendung der Gesetze durch die Gerichte ergeben dürfte.280 Dem ist zuzugeben, dass eine abschließende Regelung durch den Gesetzgeber illusorisch sein dürfte.281 Unstreitig leistet die Gesetzgebung einen Beitrag zur Bestimmtheit des Strafrechts.282 Entscheidend ist, nach dem oben dargelegten Verständnis des Bestimmtheitsgrundsatzes, ob dem Gesetzgeber eine präzisere Formulierung der Norm, bzw. des Normbestandteils möglich gewesen wäre. Dies ist im Rahmen von Öffnungsklauseln zumindest diskutabel.283 Allerdings kann aber auch gerade nicht ausgeschlossen werden, dass keine genauere Fassung des Tatbestandes möglich gewesen ist. Entscheidend und für diese Art der Gesetzgebung konstituierend ist

277 Zu zwei Möglichkeiten von Unbestimmtheit, vgl. Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 14. 278 BGH, Urt. v. 02.04.1969 – 4 StR 102/69 = NJW 1969, 1218, 1219. 279 Vgl. zur Rechtsprechung des § 315b Abs. 1 Nr. 3 auch Kap. G. II. 280 Vgl. dazu innerhalb dieser Arbeit Kap. D. VIII. 2. e) aa) (2). 281 AnwKomm-StGB/Gaede, § 1 Rn. 25. 282 Kuhlen, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 2012, 429, 434; ganz im Sinne des oben dargelegten Präzisierungsgebotes vgl. Kap. D. IV. 1. c) aa) (2). 283 Vgl. dazu Kap. D. IV. 1. c) cc).

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

vielmehr, dass hier eine bewusste Verlagerung der Entscheidung über die Strafbarkeit von der Legislative auf die Judikative vorgenommen wurde. Dies hat zur Folge, dass die Judikative ihrerseits eine eigene Entscheidung über die Strafwürdigkeit einer Verhaltensweise treffen kann, indem sie diese für vergleichbar mit den zuvor durch den Gesetzgeber aufgezählten Verhaltensweisen erklärt. Inwieweit sich aber diese Konkretisierungsbefugnis von der Anwendung von Öffnungsklauseln unterscheidet, zeigt auch eine Entscheidung des BGH zur ausreichenden Bestimmtheit der Öffnungsklausel des § 315b Abs. 1 Nr. 4 StGB.284 Dort wird argumentiert, dass die Anwendbarkeit solcher Klauseln zur Lückenfüllung unabdingbar ist. Würde man die dort in Frage stehende Handlung also nicht unter § 315b Abs. 1 Nr. 4 StGB fassen, hätte dies zu Folge, dass der Unrechtsgehalt der Tat nicht vollumfänglich erfasst werden könnte.285 In Frage stand in der soeben genannten Entscheidung, die Strafbarkeit eines Zufahrens mit einem PKW auf Menschen, die sich auf dem Bürgersteig befanden. Zuzugeben ist, dass vertreten wird, dass das konkrete Rechtsgut des § 315b StGB die Sicherheit des Straßenverkehrs ist,286 die nicht durch ebenfalls einschlägige Delikte, wie § 212 StGB erfasst werden kann. Die Judikative nimmt in der Anwendung der Öffnungsklausel folglich die von der Legislative erteilte Befugnis wahr, vermeintliche Lücken zu schließen. Gerade die Argumentation anhand des Lückenschlusses zeigt aber, dass der Tatbestand eine Lücke enthält, die es grundsätzlich durch eine Entscheidung der Legislative zu schließen gilt. Darauf folgt, dass es keine diesem konkreten Fall entsprechende Regelung gibt und diese folglich durch die Rechtsanwendung der Judikative erstmals vollumfänglich geschaffen wird. Auch hier zeigt sich der qualitative Unterschied zwischen der Konkretisierung von generalklauselartigen Regelungen und der Anwendung von Öffnungsklauseln. Auch wenn der Wortlaut der Normen, wie etwa bei § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB die Anwendung auf „ähnliche, ebenso gefährliche Eingriffe“ beschränkt, bietet die Norm zwar ein Orientierungskriterium durch die zuvor genannten Fälle, dennoch enthält die Norm gerade eine Aufforderung an die Judikative rechtsschaffend tätig zu werden und zwar über eine bloße Konkretisierung hinaus. Für eine Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz könnte außerdem sprechen, dass das BVerfG davon ausgeht, dass auch Regelbeispiele hinreichend bestimmt sind, obwohl diese auch die erhöhte Strafzumessung für nicht näher bestimmte Verhaltensweisen oder Umstände der Tatbegehung öffnen.287 Ebenso erweitern Öffnungsklauseln auch auf tatbestandlicher Ebene den Anwendungsbereich auf nicht ausdrücklich genannte Fälle. Der Bestimmtheits284 285 286 287

BGH, Urt. v. 02.04.1969 – 4 StR 102/69 = NJW 1969, 1218. NJW 1969, 1218, 1219. Siehe dazu Kap. B. II. BVerfG 21.06.1977 – 2 BvR 308/77 = BVerfGE 43, 363 = NJW 1977, 1815.

IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz

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grundsatz gilt gerade auch im Bereich der Strafzumessung.288 Im Fall der Regelbeispiele wird, wie in der o. g. Entscheidung, aufgrund der in der Norm genannten Beispiele von einer hinreichenden Konkretisierung ausgegangen, die eine vorhersehbare Rechtsanwendung garantieren soll. Diese hinreichende Bestimmtheit wird auf zweierlei Weisen begründet: Zum einen wird auf die vorhergehenden aufgezählten Beispielsfälle als Auslegungshilfe verwiesen, zum anderen wird die hinreichende Bestimmtheit aus einer gefestigten Rechtsprechung gezogen.289 Daraus könnte man den Schluss ziehen, dass die Entscheidung im Rahmen der Regelbeispiele auch für tatbestandliche Öffnungsklauseln gelten muss. Es muss allerdings beachtet werden, dass die Entscheidung nicht ohne Weiteres auf Öffnungsklauseln übertragen werden kann: Regelbeispiele sind, anders als Öffnungsklauseln, reine Strafzumessungsregeln. Sie regeln nicht die Strafbarkeit als solche, sondern ermöglichen ein höheres Strafmaß bei bestimmten Modalitäten der Tatbegehung. Sie beziehen sich ihrerseits auf eine Grundnorm, die die generelle Entscheidung darüber trifft, ob ein Verhalten strafbar ist. Öffnungsklauseln hingegen entscheiden im Zweifel gerade selbst darüber, ob ein Verhalten überhaupt strafbar ist. Daraus ergeben sich unterschiedliche Anforderungen. Es gibt gerade keine Grundnorm, da die Öffnungsklausel Bestandteil eben jener Grundnorm ist, deren Anwendung über das Ob und nicht nur das Maß der Strafbarkeit entscheidet. An die Bestimmtheit des Strafmaßes sind insoweit geringere Anforderungen zu stellen, als diese auch immer einen Gestaltungsspielraum schaffen müssen, damit die Richter*innen eine schuldangemessene Strafe verhängen können.290 Diese geringeren Anforderungen lassen sich auch in Hinblick auf Sinn und Zweck des Bestimmtheitsgrundsatzes rechtfertigen: Die Erkennbarkeit dient in erster Linie als freiheitsgewährende Funktion dem „Ob“ der Strafbarkeit, und weniger dem „Wie“, im Sinne der genauen Ausgestaltung der Strafe. Darüber hinaus zeigt gerade die Rechtsprechung zu den Regelbeispielen, dass diese sich nicht ausschließlich an den ausdrücklich genannten schweren Fällen orientiert, sondern zum Teil bei den unbenannten Fällen der Regelbeispiele allgemeine Erwägungen zur Strafzumessung aufstellt und abwägt.291 Diese Öffnung

288 Die Wirkung wird zum Teil einschränkend dahingehend ausgelegt, dass die Strafzumessungsregeln in einem Spannungsfeld zum Grundsatz der schuldangemessenen Strafe stehen, vgl. dazu Roxin/Greco, StrafR AT I, S. 262 unter Verweis auf Kuhlen, HRRS 2012, 114. 289 Vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 01.09.2008 – 2 BvR 2238/07 = BVerfGE 14, 177 = NJW 2008, 3627; dieser Dualismus der Herleitung der Bestimmtheit wird aber auch bei den Regelbeispielen nicht kritiklos hingenommen, vgl. dazu NK-StGB/Kindhäuser, § 243 Rn. 4. 290 Schönke/Schröder/Lenckner-Hecker, § 1, Rn. 22. 291 BGH, Urt. v. 21.04.1970 – 1 StR 45/70 = BGH 23, 254 = NJW 1970, 1196 verweist auf eine „Gesamtbewertung“; OLG Köln, Beschl. v. 06.08.1991 – Ss 330/91 = NStZ 1991, 585 verweist ebenfalls auf eine „Gesamtbetrachtung, ob Ausnahmen vom

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

der Regelbeispiele stellt also ein Einfallstor für solche allgemeinen Erwägungen dar. Ungeachtet der Unterschiede zwischen unbenannten Regelbeispielen und Öffnungsklauseln erscheint also in beiden Fällen das Problem weniger in der fehlenden Konkretisierungsmöglichkeit anhand der gängigen Auslegungsmethoden zu liegen, als vielmehr in der bewussten Übertragung der Entscheidung von der Legislative auf die Judikative. Dies führt dazu, dass eine hinreichende Bestimmtheit sowohl von Regelbeispielen als auch von Öffnungsklauseln anzunehmen ist und das Problem an anderer Stelle zu verorten ist. Der Wortlaut des Art. 103 Abs. 2 GG legt dadurch, dass er eine gesetzliche Bestimmtheit vor der Tat fordert, nahe, dass die Entscheidung über strafbares Verhalten vom Gesetzgeber selbst getroffen werden soll, und der Bestimmtheitsgrundsatz sichert dies, indem er fordert, dass diese Entscheidung Niederschlag im Wortlaut des entsprechenden Strafgesetzes finden muss. Art. 103 Abs. 2 GG beinhaltet eine Entscheidung zugunsten der Rechtssicherheit, die im Zweifel auch zulasten der materiellen Gerechtigkeit geht. Dabei handelt es sich um eine Wertentscheidung, die nicht ohne Weiteres durch einfaches Recht durchbrochen werden darf. Es wurde im Rahmen einer Abwägung der betroffenen Interessen eine Norm von Verfassungsrang geschaffen. Diese Wertung ist in jedem Falle zu berücksichtigen.292 Dies ist bei allzu weit gefassten Generalklauseln gerade nicht der Fall, dort findet die Entscheidung des Gesetzgebers dann keinen Niederschlag in der Norm. Anders verhält es sich aber bei Öffnungsklauseln: Hier regelt der Gesetzgeber ausdrücklich, dass die Judikative die Norm – anhand eines Ähnlichkeitsschlusses – auch auf nicht geregelte Fälle anwenden soll. Rechtssicherheit und die Sicherung der Gewaltenteilung können nur dann gewährleistet werden, wenn der Gesetzgeber, im Rahmen des Möglichen, eine Entscheidung trifft. Was auch bedeutet, dass der Rechtsstaat es ertragen muss, dass möglicherweise zum Zeitpunkt, in dem das Gesetz verabschiedet wurde, für strafbar erachtete Verhaltensweisen nicht erkennbar waren und folglich nicht in die Regelung aufgenommen wurden. Öffnungsklauseln machen gerade deutlich, dass deren Unbestimmtheit nicht daher rührt, dass der Gesetzgeber das strafbare Verhalten nicht sprachlich genau erfassen kann. Viel mehr beruht der Einsatz der Öffnungsklauseln auf dem fehlenden gesetzgeberischen Willen einen Tatbestand mit abschließend aufgezählten Verhaltensweisen zu schaffen. Dies kommt in der gesetzlich angeordneten Aufgabenübertragung von der Legislative auf die Judikative zum Ausdruck. Hier ist der Grundsatz der Gewaltenteilung folglich auf eine andere Weise betroffen: Es wird keine generalklauselartige Regelung gewählt, um den Grundsatz der Gewaltenteilung (bewusst oder unbewusst) zu umStrafrahmen geboten sind“; siehe umfassend zu dieser Problematik in Bezug auf Regelbeispiele Kindhäuser, in: FS-Triffterer, 123, 124 ff. 292 BGH, Urt. v. 07.11.1962 – 3 StR 49/62 = BGHST 18, 136 = NJW 1963, 499, 500; LK-StGB-Dannecker, § 1 Rn. 52.

IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz

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gehen. Vielmehr wird bewusst die Befugnis der Judikative geschaffen, die Norm auch auf vergleichbare Fälle anzuwenden. Dass der Gesetzgeber bei der Verwendung von Öffnungsklauseln eine solche Entscheidung hätte treffen können, zeigt er bereits dadurch, dass er typischerweise vorhergehend eine Kasuistik verwendet und sich dezidiert mit den Verhaltensweisen auseinandersetzt, die unter das strafbare Verhalten fallen sollen. Der Gesetzgeber weicht dann von dieser genauen Regelung durch die Öffnungsklauseln ab. Ob ihm eine genauere Regelung möglich gewesen wäre, bleibt offen, kann aber auch dahinstehen, denn der Gesetzgeber hat sich gerade bewusst entschieden seine Aufgabe auf die Gerichte zu verlagern. Öffnungsklauseln führen also zu einer bewussten Verlagerung der Aufgabe der Gesetzgebung, was aber nicht pauschal dazu führt, dass Öffnungsklauseln mit dem Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit nicht in Einklang zu bringen sind. Die aus Öffnungsklauseln resultierende Aufgabenverlagerung von Legislative auf die Judikative beruht nicht auf den fehlenden sprachlichen Möglichkeiten, den Tatbestand anders zu fassen, sondern auf der bewussten Entscheidung, der Judikative die Möglichkeit eines Ähnlichkeitsschlusses zu ermöglichen. Unabhängig davon, welches Verständnis des Bestimmtheitsgrundsatzes nun zugrunde gelegt wird, also ob ein Verstoß erst dann angenommen wird, wenn eine sinnvolle Umgrenzung des Tatbestandes nicht mehr möglich ist oder bereits dann, wenn der Gesetzgeber den Tatbestand nicht gemäß eines Optimierungsgebotes gestaltet hat, so scheint bei der Verwendung von Öffnungsklauseln im Strafrecht nicht zuvorderst der Wortlaut bzw. seine Bestimmtheit problematisch. Denn es ist durchaus möglich, dass – im Sinne eines Optimierungsgebotes – dem Gesetzgeber keine genauere Umschreibung der zu bestrafenden Verhaltensweise möglich gewesen ist, weil es sich bei den Tatbeständen, die sich Öffnungsklauseln bedienen, um solche mit einem nur schwer zu fassenden Rechtsgut handelt und infolgedessen auch die Festlegung, wovor das Rechtsgut geschützt werden soll, nur schwerlich möglich ist. Zum anderen erscheint es aber auch möglich, dass Öffnungsklauseln hinreichend durch die Judikative konkretisiert werden können, indem die Vergleichbarkeit mit den kasuistisch aufgezählten Fällen anhand der gängigen Auslegungsmethoden nachvollziehbar dargelegt wird. Konstituierend für Öffnungsklauseln ist also weniger eine (zu) unbestimmte Formulierung als vielmehr die Verlagerung der Entscheidung über strafbares Verhalten anhand einer gesetzlichen Anordnung durch die gesetzgebende Gewalt auf die Judikative und die damit verbundene Aufgabenverlagerung. Zwar enthält auch der Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit eine Komponente, die dem Schutz der Gewaltenteilung dienen soll, allerdings soll dieser durch eine möglichst genaue Fassung des zu bestrafenden Verhaltens sichergestellt werden. Es lassen sich durchaus Parallelen zwischen ungenauen Gesetzesfassungen und Öffnungsklauseln erkennen: So führen beide zu einem erweiterten Entscheidungsspiel-

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

raum der Judikative und insoweit berühren auch Öffnungsklauseln den Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht. Es besteht aber ein qualitativer Unterschied zwischen generalklauselartigen Regelungen und einer gesetzlich angeordneten Befugnis, ein Gesetz auch entsprechend auf nicht geregelte Fälle anzuwenden. Im ersteren Fall ist entscheidend, ob eine nachvollziehbare Konkretisierung der generalklauselartigen Fassung möglich ist. Im Anwendungsbereich von Öffnungsklauseln erfolgt aber gerade keine Konkretisierung, denn die Entscheidung über strafbares Verhalten wird erstmals von der Judikative im Wege eine Ähnlichkeitsschlusses getroffen und dies aufgrund einer ausdrücklichen gesetzgeberischen Anordnung. Dies zeigt aber, dass gerade der Schutz der Gewaltenteilung, dem der Grundsatz der Gesetzesbindung unter anderem dienen soll, für Öffnungsklauseln von herausragender Relevanz sein wird. Inwieweit eine Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung angenommen werden kann, ist an anderer Stelle weiter zu untersuchen.293 Insoweit kann also nicht pauschal ein Verstoß von Öffnungsklauseln gegen den Grundsatz der Gesetzesbindung angenommen werden. 3. Gesamtergebnis Der Inhalt des Bestimmtheitsgrundsatzes speist sich im Wesentlichen aus dem Sinn und Zweck eben jenes Postulates. Das bedeutet, dass ein Gesetz dann hinreichend bestimmt ist, wenn aus dem Normtext das strafbare Verhalten so weit wie möglich erkennbar ist, unter Anerkennung, dass es immer auch einer Konkretisierung durch die Judikative bedarf. Nur auf diese Weise können die Normadressat*innen hinreichend vor Willkür geschützt werden und zum anderen gelingt nur dann die Aufgabentrennung zwischen Legislative und Exekutive, wenn der Gesetzgeber die Entscheidung über die Strafbarkeit bestimmter Verhaltensweisen selbst trifft und nicht auf die Gerichte verlagert. Diese Schutzfunktion soll über den Wortlaut der Norm vermittelt werden. Der Bestimmtheitsgrundsatz bekennt sich dabei im besonderen Maße zur Rechtssicherheit. Die Erkennbarkeit orientiert sich dabei am Verständnishorizont der Bürger*innen. Woraus nicht geschlossen werden kann, dass generalklauselartige Regelungen insgesamt unzureichend sind, vielmehr ist daraus zu schließen, dass die Messbarkeit des Einsatzfeldes einer Norm überwiegen muss. Denn dem Ideal eines zweifelsfrei bestimmten Gesetzes werden insbesondere sprachliche Grenzen gesetzt. Worte weisen bereits an sich keine absolute, zweifelsfreie und unbestreitbare Bedeutung auf. Unter Berücksichtigung dieser Tatsachse muss aber im Hinblick auf die hohe Bedeutung des Gesetzlichkeitsprinzips versucht werden, innerhalb der sprachlichen Grenzen möglichst eindeutige Formulierungen zu finden. Eine reine Erkennbarkeit des Kerninhalts einer Norm – was auch immer 293

Vgl. dazu in dieser Arbeit Kap. D. VIII.

IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz

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darunter konkret verstanden werden kann – genügt gerade nicht. Die Regelung muss vielmehr innerhalb der sprachlichen Möglichkeiten eine größtmögliche Präzision aufweisen und von einer bestmöglichen Verständlichkeit für die Normadressat*innen zeugen. Dies ist anhand des Normtextes und nicht nur anhand einzelner Wörter zu bestimmen. Denen durch das BVerfG aufgestellten Anforderungen an die Bestimmtheit von Strafgesetzen kann hingegen nicht gefolgt werden, denn diese werden der überragenden Bedeutung des Gesetzlichkeitsprinzips gerade nicht gerecht und wirken vielmehr den verfolgten Zwecken entgegen. Dies zeigt sich insbesondere dadurch, dass durch das vom BVerfG zugrunde gelegte Verständnis des Bestimmtheitsgrundsatzes im besonderen Maße eine Verschiebung der den Gewalten zugeteilten Kernaufgaben erfolgt und eine Erkennbarkeit des Norminhaltes erst infolge einer gefestigten Rechtsprechung ermöglicht wird. Dennoch kann aus dem zuvor Gesagtem auch nicht die Pflicht abgeleitet werden, Gesetze strikt kasuistisch zu verfassen. Öffnungsklauseln bieten durch die vorhergehende Kasuistik auch bei der Möglichkeit, die Norm auf vergleichbare Fälle anzuwenden, konkrete Orientierungspunkte, die sowohl der Erkennbarkeit des strafbaren Verhaltens von Bürger*innen dienlich sein können, als auch der Judikative Orientierungspunkte für die Rechtsanwendung auf den Einzelfall bieten. Gerade in den Fällen von. § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB erscheint das zu schützende Rechtsgut nur schwer fassbar, sodass auch eine abschließende Regelung der strafbaren Verhaltensweisen erhebliche Schwierigkeiten aufweist. Insoweit könnten Öffnungsklauseln gerade die für den Gesetzgeber bestmögliche Regelung darstellen. Die Öffnungsklauseln innewohnende Problematik erscheint also weniger der konkret gewählte Wortlaut zu sein, als vielmehr die durch den Gesetzgeber angeordnete Befugnis, die Norm auch auf andere, nicht ausdrücklich geregelte Fälle anzuwenden. Insoweit gibt es auch einen Berührungspunkt von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz: Öffnungsklauseln scheinen auf diese Weise in Konflikt mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung zu geraten. Es findet eine ausdrückliche und gesetzlich angeordnete Aufgabenverlagerung statt. Auch der in Art. 103 Abs. 2 GG normierte Bestimmtheitsgrundsatz schützt den Grundsatz der Gewaltenteilung. Dieser wird soll aber durch einen möglichst genauen Wortlaut der Norm sichergestellt werden, um auf diesem Wege – im Zusammenspiel mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung – den Handlungsspielraum der Judikative einzugrenzen. Indem der Gesetzgeber sich der Gesetzgebungstechnik der Öffnungsklauseln bedient, überträgt er ganz offen und erkennbar die Entscheidung über die Strafbarkeit von Verhaltensweisen auf die Judikative. Es findet gerade keine Vermittlung dieser Aufgabenübertragung durch einen ungenauen oder generalklauselartigen Wortlaut statt. Vor der in Öffnungsklauseln zum Ausdruck kom-

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

menden Verlagerung der Kompetenzen schützt der Bestimmtheitsgrundsatz, wie aufgezeigt, nur bedingt. Auf diese Weise gibt es also einen Berührungspunkt der konkreten Verfasstheit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz, es lässt sich hingegen nicht pauschal für alle Öffnungsklauseln feststellen, dass die Schwelle des Verstoßes überschritten ist.

V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot Öffnungsklauseln im Strafrecht ermöglichen das Erfassen von Fällen, die der Gesetzgeber zum Zeitpunkt der Gesetzgebung nicht vorhergesehen hat und eventuell auch nicht vorhersehen konnte und folglich auch nicht dezidiert geregelt hat. Indem die Norm selbst den Anwendungsbereich des Gesetzes auf nicht näher geregelte Fälle ausgeweitet, könnten Öffnungsklauseln gegen das Analogieverbot im Strafrecht verstoßen. Das in Art. 103 Abs. 2 GG normierte Analogieverbot richtet sich seinem klassischen Verständnis (dazu unter 1. a)) an die Judikative und verbietet es, strafrechtlich Normen auf nicht geregelte Fälle entsprechend anzuwenden. Das Analogieverbot könnte darüber hinaus aber auch einen Handlungsauftrag an die Legislative enthalten, wonach es der gesetzgebenden Gewalt nicht erlaubt ist, durch den Normtext die Möglichkeit zu schaffen, das Gesetz auf nicht näher geregelte Fälle anzuwenden (dazu unter 1. b)). Dies setzt wiederum voraus, dass es einen Unterschied zwischen Analogie und Auslegung gibt (dazu unter 2.). Konsequenz eines an die Legislative adressierten Analogieverbotes könnte sein, dass der Gesetzgeber gerade keine sog. „innertatbestandlichen Analogien“ schaffen darf (dazu unter 3.) und es sich bei Öffnungsklauseln gerade um eine solcher innertatbestandliche Analogie handeln könnte. Wie noch zu zeigen sein wird, handelt es sich bei Öffnungsklauseln zwar um eine solche innertatbestandliche Analogie, die aber trotz der Aufgabenübertragung nicht pauschal gegen das Analogieverbot verstößt (dazu unter 4.). 1. Analogien im Strafrecht Eine Analogie ist dem Wortsinn nach die „Entsprechung zweier unterschiedlicher Ereignisse“294 und bezeichnet ein juristisches Schlussverfahren, wonach zwei unterschiedliche Sachverhalte aufgrund ihrer Ähnlichkeit gleichbehandelt werden. Bei diesem Schlussverfahren handelt es sich um ein Instrument, bei dem ein nicht geregeltes Verhalten in Bezug auf die Rechtsfolge in einen bereits normierten Rechtssatz eingefügt wird.295 Diese „Einfügbarkeit“ setzte eine gleiche 294 Wiedemeyer, Theoretische Begründung und praktische Durchführung des strafrechtlichen Analogieverbots, S. 4. 295 Klug, Juristische Logik, S. 109 f.

V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot

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Zwecksetzung des geregelten und des ungeregelten Falles voraus und führt dazu, dass aufgrund eben jener Vergleichbarkeit die gleiche Rechtsfolge ausgelöst wird.296 Eine Analogie kann es folglich nur dort geben, wo ein Fall noch nicht gesetzlich geregelt wurde. Es wird also ein gesetzliches Merkmal auf einen Sachverhalt angewendet, der zwar nach dem Wortlaut der Norm nicht darunterfällt, aber den erfassten Fällen zumindest ähnlich ist. Es wird zwischen einer sog. Gesetzesanalogie und einer sog. Rechtsanalogie unterschieden. Bei einer Gesetzesanalogie wird eine bestimmte Regel aus einer vorhandenen Vorschrift abgeleitet und auf weitere Fälle übertragen. Bei einer Rechtsanalogie hingegen werden bestimmte Rechtsgedanken aus unterschiedlichen Vorschriften abgeleitet.297 Entscheidend für die Beurteilung, ob Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot vereinbar sind, ist die Gesetzesanalogie, da dieser Ähnlichkeitsschluss bei Öffnungsklauseln durch die gesetzgeberische Anordnung, die Norm auch auf „vergleichbare“ oder „ähnliche“ Fälle anzuwenden, explizit durch den Gesetzgeber vorgesehen ist. Die dadurch ausgelöste Rechtsfolge wird aus der Norm selbst abgeleitet. a) Verbot entsprechender Rechtsanwendung Eine solche Analogie, die in anderen Rechtsgebieten durchaus üblich ist, ist aufgrund der Regelung des Art. 103 Abs. 2 GG im Strafrecht allerdings verboten, wenn die Analogie sich zulasten der Täter*innen auswirkt.298 Analogieverbot meint folglich die Unzulässigkeit strafbegründender oder strafschärfender Rechtsfortbildung299 aufgrund zweier unterschiedlicher Ereignisse, die sich aber

296 Sax, Das strafrechtliche „Analogieverbot“, S. 148; ebenso NK-StGB/Hassemer/ Kargl, § 1 Rn. 71. 297 Soweit ersichtlich erstmals Sax, Das strafrechtliche „Analogieverbot“, S. 100 f.; Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 215; Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 82; SK-StGB/Jäger, § 1 StGB, Rn. 46; Baumann/Eisele/Weber/Eisele, Strafrecht AT, § 7 Rn. 18; Maurach/Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 10 Rn. 15; Klug, Juristische Logik, S. 110. 298 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 47; gegen das klassische Verständnis des Analogieverbotes im Strafrecht s. insb. Sax, Das strafrechtliche „Analogieverbot“, S. 52; zustimmend: Busch, JZ 1955, 223, 224; Kaufmann, Analogie und „Natur der Sache“, S. 37 ff.; gegen das Bestehen eines absoluten Analogieverbotes vgl. Ransiek, in: FS-Tiedemann, S. 171, 185; historisch zum Analogieverbot vgl. Fitting, Analogieverbot und Kontinuität, S. 43 ff.; allgemein zum Analogieverbot im Strafrecht außerdem: MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 73; Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, Strafrecht AT, § 7 Rn. 18 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 70 ff., die das Analogieverbot als „Verlängerung des Bestimmtheitsgebotes“ im Bereich der Rechtsanwendung begreifen; Otto, in: FS-Seebode, S. 81; Marinucci, in: FS-Tiedemann, S. 189; SSW-StGB/Satzger, § 1 Rn. 40 ff.; LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 241, der ebenfalls eine Verbundenheit zum Bestimmtheitsgrundsatz feststellt; Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 3. 299 Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 134 f.

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

in gewisser Weise entsprechen und infolgedessen gleichbehandelt werden könnten. Wie bereits dargelegt, bezieht sich das Analogieverbot nur auf solche Fälle, bei denen eine gesetzliche Regelung für den konkreten Fall gerade fehlt. Denn es kann nicht ganz grundsätzlich untersagt sein, zwei unterschiedliche Fälle entsprechend zu behandeln. Eine solche Gleichbehandlung ist gerade auch verfassungsrechtlich geboten, vgl. Art. 3 GG.300 Analogieverbot und Gleichbehandlungsgrundsatz stehen infolgedessen in einem Spannungsverhältnis. Art. 103 Abs. 2 GG löst dieses Verhältnis zugunsten des Analogieverbotes für den Bereich des Strafrechts. Das Analogieverbot richtete sich folglich an die Rechtsanwender*innen, eine Konsequenz für die gesetzliche Anordnung, Normen auf vergleichbare Fälle anzuwenden, lässt sich noch nicht entnehmen. b) Adressat des Analogieverbotes Das soeben dargelegte Analogieverbot richtet sich primär an die Strafrichter*innen und kann als Erweiterung der Wirkweise des Bestimmtheitsgrundsatzes in die Rechtsanwendung hinein betrachtet werden.301 Die Gerichte sind bei der Rechtsauslegung auf diese Weise an die Normen, die sie verwenden, gebunden.302 Dies ist auch die konsequente Fortführung von Sinn und Zweck des Bestimmtheitsgrundsatzes. Denn hinreichend bestimmte Gesetze können nur dann ihre Zwecksetzung erfüllen, wenn es bei der Anwendung auf den Einzelfall nicht zu einer uferlosen Rechtsanwendung kommt.303 Das Bedürfnis nach einem solchen Analogieverbot besteht allerdings nur dort, wo den Richter*innen überhaupt eine Rechtsauslegung und infolgedessen ein Entscheidungsspielraum zugestanden wird.304 Nur dann ist eine Grenzziehung zwischen zulässiger Gesetzesauslegung und unzulässiger Analogie erforderlich.305 Wie oben bereits erläutert, ist aufgrund der Mehrdeutigkeit von Worten eine Gesetzesauslegung im Bereich der Gesetzesanwendung unumgänglich. Entscheidend für einen Verstoß gegen das Analogieverbot ist dann, welche Auslegungsergebnisse noch in den Bereich der erlaubten Auslegung fallen und welche eine unerlaubte Gesetzesanalogie darstellen (dazu unter 2.). Unabhängig von der Geltung des Analogieverbotes innerhalb

300 So auch Wiedemeyer, Theoretische Begründung und praktische Durchführung des strafrechtlichen Analogieverbots, S. 4. 301 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 70; MüKo-StGB/Schmitz, §1, Rn. 67. 302 Wolff-GG/Wolff, Art. 103 Abs. 2 Rn. 16; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 81 ff. verweisen auf die fehlende praktische Relevanz. Allgemeines zur Wortlautgrenze vgl. Klatt, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 121; zum Verhältnis von Auslegung zu Analogie vgl. IV. 1. a). 303 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 70. 304 Zur Problematik der Methodenlehre als universelle Regel zum Umgang mit einer Norm vgl. Cadus, Die faktische Betrachtungsweise, S. 57. 305 Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 221.

V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot

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des allgemeinen Teils des StGB,306 gilt eben jenes unstreitig für alle Tatbestände im besonderen Teil.307 c) Sinn und Zweck des Analogieverbotes Das Analogieverbot dient, gestützt durch die Herleitung aus Art. 103 Abs. 1 GG, zum einen dem Grundsatz der Gewaltenteilung.308 Es ordnet eine Subordination der Gerichtsbarkeit unter das geschriebene Recht und die dort normierten Entscheidungen der Legislative an. Das Analogieverbot ist allerdings von der normkonkretisierenden Tätigkeit der Gerichte zu unterscheiden.309 Die Judikative ist durchaus auch dazu angehalten, Normen entsprechend des Wortlautes zu präzisieren. Davon ist aber aufgrund des Analogieverbotes eine über die Norm hinausgehende Konkretisierung ausgeschlossen.310 Diese klare Abgrenzung der Kompetenzbereiche voneinander dient der Erhaltung der Rechtssicherheit.311 Außerdem soll dies auch dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts sichern, sodass es nicht zu einer Ausweitung des Strafrechts auf alle denkbaren strafwürdigen Verhaltensweisen kommt.312 Auf diese Weise wird die Bindung der Strafrichter*innen an das Gesetz gestärkt.313 Außerdem wird durch das Analogieverbot garantiert, dass der Wille des Gesetzgebers gewahrt wird.314 Darüber hinaus entfaltet das Analogieverbot auch eine Schutzfunktion für Bürger*innen in Bezug auf willkürliche Entscheidungen, 306 Siehe dazu zusammenfassend Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 297 ff. 307 Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 234. 308 Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 14; Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 135; zum Teil wird als Zweck auch die Erhaltung des Strafrechts als „ultima ratio“ genannt, vgl. Schick, in: FS-Walter, S. 625, 639; Kertai, JuS 2011, 976, 978; so im Ergebnis auch Dietmeier, ZStW 110 (1998), 393, 408. 309 BVerfG 14.05.1969 – 2 BvR 238/68 = BVerfGE 26, 41, 42 = NJW 1969, 1759; BVerfG 21.06.1977 – 2 BvR 308/77 = BVerfGE 43, 363 = NJW 1977, 1815; BVerfG 10.06.1997 – 2 BvR 1516/96 = BVerfGE 96, 68 = NJW 1998, 50. 310 Abweichend: Sánchez, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 55, 64 f., der davon ausgeht, dass den Gerichten auf Grundlage dessen auch die Pflicht zur „Reparatur“ von Gesetzen zukommt. 311 So auch Eisele, vgl. Baumann/Eisele/Weber/Mitsch/Eisele/Eisele, Strafrecht AT, § 7 Rn. 16, der zu Recht darauf hinweist, dass auch beim Ausnutzen aller Möglichkeiten, die eine Analogie bietet, Strafbarkeitslücken weiterhin bestehen würden. Eine umfassende Strafbarkeit aller für strafwürdig erfassten Verhaltensweisen ist gerade nicht möglich. 312 Baumann/Eisele/Mitsch/Weber/Eisele, Strafrecht AT, § 7 Rn. 20; zur Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts siehe Kap. D. VII. 313 Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 13, wobei Grünwald jede darüberhinausgehende wertende Entscheidung der Richter*innen für unvereinbar mit dem Analogieverbot hält. 314 Kuhlen, JR 2011, 246, 248.

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die keine Stütze im Wortlaut des Gesetzes finden.315 Folglich darf eine analoge Anwendung nur zugunsten der Betroffenen erfolgen. Diejenigen, die innerhalb der durch das Strafrecht gesetzten Grenzen handeln, sollen keine Bestrafung durch die entsprechende Anwendung einer Norm fürchten.316 Auch hier dient das Analogieverbot nicht nur dem subjektiven Vertrauensschutz jedes einzelnen, sondern vielmehr dem Schutze der Rechtsgemeinschaft als solcher.317 So bleiben, wie auch durch den Bestimmtheitsgrundsatz gewährleistet, die Bürger*innen vor willkürlichen Entscheidungen geschützt.318 d) Keine eingeschränkte Geltung bei unbewussten Lücken Ausgehend von der Zwecksetzung, dass das Analogieverbot ein bewusstes Übergehen der durch die Legislative getroffenen Entscheidung dienen soll, wird vertreten, dass das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG nur für die vom Gesetzgeber bewusst hinterlassenen Lücken gilt und dass ansonsten eine analoge Anwendung nicht vollständig ausgeschlossen ist. Dies soll zumindest außerhalb der Bereiche von Strafbegründung und Strafschärfung gelten.319 Ein solches Verständnis des Analogieverbotes setzt aber voraus, dass erkennbar ist, welche Lücken bewusst hinterlassen wurden. Insbesondere in Fällen, die der Gesetzgeber aufgrund der Vielgestaltigkeit des Lebens nicht vorhersehen konnte, ist nicht ohne Weiteres ersichtlich, ob er auch diese Verhaltensweisen unter Strafe gestellt hätte. Die Richter*innen würden dann einen hypothetischen Willen des Gesetzgebers ermitteln und zugrunde legen müssen, was dazu führen würde, dass diese im Ergebnis dann doch die Aufgabe des Gesetzgebers übernehmen würden. Eine Differenzierung zwischen gewollten und ungewollten Lücken ist wohl nicht leistbar und ist infolgedessen abzulehnen. Das gilt auch dann, wenn das umfassende Analogieverbot zu unbefriedigenden Ergebnissen führt. Die rechtsprechende Gewalt darf infolgedessen auch dann nicht korrigierend tätig werden, wenn sie denkt, dass die Entscheidung dem Willen des Gesetzgebers entspricht.320 Das 315 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 73; Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 13, der bezweifelt, dass durch das Gebot der Rechtssicherheit das Analogieverbot begründet werden kann; Simon, Gesetzesauslegung im Strafrecht, S. 101. 316 Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 4. 317 Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 185. 318 Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 5; dies darf auch nicht zugunsten kriminalpolitischer Erwägungen aufgeweicht werden, wie etwa Schick, in: FS-Walter, S. 625 vertritt. 319 Maurach/Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 10 Rn. 23, wobei unklar ist, woraus sich die Möglichkeit der Schließung unbeabsichtigter Lücken ergibt; außerdem wird nicht deutlich, ob dies nur für Analogien im Rahmen des Allgemeinen Teils gilt. 320 Dies wird zum Teil auch weniger streng gesehen und mit der Aufforderung des Gesetzgebers zur Konkretisierung durch die Gerichte begründet, vgl. Streng, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 179, 193.

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Analogieverbot erhebt gerade nicht den Anspruch, dass dadurch auch das inhaltlich „richtige“ Ergebnis gefunden wird. Vielmehr verlangt es von Richter*innen, dass diese eine unbefriedigende Situation hinnehmen.321 Die Gerichte dürfen den Gesetzgeber gerade nicht korrigieren.322 Dies gilt auch, wenn eine solche Anwendung des Gesetzes zu einer „gerechten Bestrafung“ führt.323 Es ist der Judikative durch das Analogieverbot außerdem untersagt, den Regelungsgehalt einer Norm erstmal zu schaffen.324 Auch wenn dies dem Willen des Gesetzgebers entsprechen würde.325 Bei diesem Verbot der Korrektur von Versäumnissen des Gesetzgebers handelt es sich um den in Art. 103 Abs. 2 GG zum Ausdruck kommenden Willen des verfassungsgebenden Gesetzgebers und um eine der Kernaussagen eben jener Norm.326 Eine Orientierung am (hypothetischen) Willen des Gesetzgeber ist abzulehnen. 2. Abgrenzung von Auslegung und Analogie Wie dargelegt, ist es Richter*innen durch das Analogieverbot untersagt, Recht über die bestehenden gesetzlichen Regelungen hinaus im Bereich des Strafrechts fortzubilden. Wann konkret ein Verstoß gegen das Analogieverbot327 vorliegt, ist eng mit der Frage verbunden, wie stark die Richter*innen an das Gesetz gebunden sind328 und wie weit sie sich zulässigerweise bei der Rechtsanwendung von der Norm entfernen dürfen329 und wann infolgedessen von einer unzulässigen Rechtsfortbildung ausgegangen werden kann. Wären Richter*innen bei ihrer Rechtsanwendung nicht auf irgendeine Weise an das geschriebene Recht gebunden, würde dies gezwungenermaßen dazu führen, dass es keine Verstöße gegen das Analogieverbot geben könnte. Denn die Existenz des Analogieverbotes resultiert gerade aus einer irgendwie gearteten Bindung die bestehenden Gesetze. Ein Verstoß gegen das Analogieverbot kann folglich dann angenommen werden, wenn Richter*innen über die Bindung an das Gesetz hinausgehen. Entscheidend ist also, ob und wie die Auslegung von der Gesetzesanalogie abgegrenzt wird. 321

v. Münch/Kunig/Kunig/Saliger, 6. Aufl. 2012, Art. 103 Rn. 26. Wolff-GG/Wolff, Art. 103 Abs. 2 Rn. 14. 323 Baumann/Weber/Mitsch/Eisele/Eisele, Strafrecht AT, § 7 Rn. 20. 324 Wolff-GG/Wolff GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 16; MüKo-StGB/Schmitz, §1 Rn. 67; Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 173; Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 3. 325 Schönke/Schröder/Hecker, § 1, Rn. 55 mit Beispielen; Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 2. 326 Bott/Krell, ZJS 2010, 694, 697. 327 Zur Bedeutung des Analogieverbotes in der heutigen Zeit vgl. Marinucci, in: FSTiedemann, S. 189. 328 Siehe dazu im Detail Kap. D. VIII. 329 LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 146. 322

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Diese Feststellung lässt aber offen, ob auf die Wortbedeutung330 abgestellt wird oder der Wortsinn im konkreten Kontext entscheidend ist.331 Auch wäre zu entscheiden, wie die Wortlautgrenze zu ermitteln ist und wessen Sprachverständnis zu Grunde gelegt werden soll.332 Das kann aber an dieser Stelle dahinstehen, denn Öffnungsklauseln ermöglichen gerade einen Ähnlichkeitsschluss, der durch die offene Fassung solcher Klauseln nicht auf den Wortlaut der Norm in irgendeiner Weise begrenzt ist, sodass auch bei einer weiten Auslegung dieses Schlussverfahren die Wortlautgrenze gerade nicht überschreitet. Der Ähnlichkeitsschluss wird vielmehr innerhalb der Norm gezogen. Es handelt sich aber gerade nicht nur um eine bloße Konkretisierung der Norm, sondern vielmehr um ein bewusstes Hinausgehen über die in der Norm geregelten Fällen. Weiterhin kann aufgrund des Untersuchungsgegenstandes – der Öffnungsklausel – an dieser Stelle dahinstehen, ob sich das Analogieverbot nur auf den Besonderen Teil des StGB beschränkt.333 Vielmehr ist zu entscheiden, ob es einen Unterschied zwischen Auslegung und Analogie gibt. Wäre das nicht der Fall, würde das eine Zulässigkeit von Öffnungsklauseln bedeuten, da es sich bei der Anwendung eben jener Normen lediglich um eine konkretisierende Gesetzesauslegung handelt. a) Abgrenzung anhand der Ratio des Gesetzes Zum Teil wird eine Bindung der Richter*innen lediglich an den aus einer Norm ergebenden Sinn und Zweck angenommen und dementsprechend die Wortlautgrenze334 als Abgrenzungsmittel zwischen Auslegung und Analogie gänzlich abgelehnt.335 Die Wortbedeutung des Tatbestandes werde erst durch Vergleich 330

Baumann, MDR 1958, 394, 395. Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 221 ff.; MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 80 ff., zur Abhängigkeit der Wortbedeutung vom Kontext. 332 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 83 ff.; Fischer-StGB, § 1 Rn. 21 ff.; Sánchez, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 55, 67. 333 Im Ergebnis zumindest eingeschränkt zustimmend: Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 235; Maurach/Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 10 Rn. 21. m.w. N.; so auch Streng, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 179, 191; unklar Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 27; Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt, S. 32. 334 Teilweise wird diese auch als „Wortsinn“ bezeichnet, vgl. dazu zusammenfassend Becker/Martenson, JZ 2016, 779; kritisch zum Begriff der Wortlautgrenze und des Wortsinns vgl. Klatt, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 121, 122. 335 Sax, Das strafrechtliche „Analogieverbot“, S. 81, der auf die Unterschiede zwischen dem möglichen und den tatsächlichen Wortlaut verweist; Hassemer, Strafen im Rechtsstaat, S. 29; Hassemer, Tatbestand und Typus, S. 160; Hanack, NStZ 1986, 261, 263; Stratenwerth/Kuhlen, AT I, S. 51; Jakobs, Strafrecht AT, S. 85 ff.; zusammenfassend: Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, S. 28 verweist darauf, dass eine solche Auslegung zu weit gefasst ist; Christensen, Was heißt Gesetzesbindung?, S. 39 ff.; Heller, Analogie und Axiologie der analogen Rechtsanwendung, S. 140; im 331

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mit dem Sachverhalt näher konkretisiert. Daraus wird gefolgert, dass dem Wortlaut als solchem keine überragende Bedeutung zukomme.336 Gerade in Grenzfällen der Tatbestandsauslegung versage das Instrument der Wortlautauslegung als Abgrenzungskriterium, weil eine solche Grenzziehung nicht ohne weiteres möglich und durch Subjektivität geprägt sei.337 Es wird insbesondere argumentiert, dass es keinen Unterschied zwischen Auslegung und Analogie gebe, da jede Wortlautauslegung auch notwendigerweise einen Ähnlichkeitsschluss enthalte, wenn auch nur innertatbestandlich. Ein Analogieverbot würde folglich ein umfassendes Auslegungsverbot bedeuten.338 Ein Unterschied zwischen Auslegung und Analogie bestehe nur bzgl. des Grades der semantischen Entfernung.339 Beide Vorgehensweisen beruhen darauf, dass der Sachverhalt mit der Norm anhand der Ratio des Gesetzes abgeglichen wird.340 Der Sinn des Gesetzes ergebe sich aber gerade nicht nur aus dem Wortlaut einer Norm.341 Bereits das Verfahren der Rechtsschaffung beinhaltet das Gießen einer Rechtsidee in Wortform, woraus die Konsequenz gezogen werden könne, dass der Wortlaut nie unabhängig vom Sinn und Zweck der Norm betrachtet werden kann.342 Ohnehin sei, wenn überhaupt, eine Bestimmung der Wortlautgrenze immer nur temporär möglich und auch nur in den Fällen, in denen sich der Gesetz-

Ergebnis wohl auch Esser, Grundsatz und Norm in der richterlichen Rechtsfortbildung des Privatrechts, 253 f.; Schmidhäuser, Einführung in das Strafrecht, 3/53, wonach „die Gerichte selbst bestimmen, wann die unerlaubte Analogie beginnt“. 336 Hassemer, Tatbestand und Typus, S. 160; Esser, Grundsatz und Norm in der richterlichen Rechtsfortbildung des Privatrechts, S. 164. 337 Sax, Das strafrechtliche „Analogieverbot“, S. 81. 338 Hassemer, Tatbestand und Typus, S. 161, dieser verweist aber darauf, dass dies nur dann gilt, wenn der Begriff der Analogie im technischen Sinne verstanden wird. 339 Soweit ersichtlich erstmals: Sax, Das strafrechtliche „Analogieverbot“, S. 148, 152; zustimmend: Busch, JZ 1955, 223, 224; Hassemer, Strafen im Rechtsstaat, S. 29; Kaufmann, Analogie und „Natur der Sache“, S. 37, 40; ders., in: Einführung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 278; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 58, zustimmend dazu, dass es sich bei beiden Methoden um eine Fallvergleichung handelt, verweist aber darauf, dass sich der Vergleich im Rahmen der Auslegung innerhalb des Gesetzeswortlautes befindet; Yi, Wortlautgrenze, Intersubjektivität und Kontexteinbettung, S. 188, 193, 302; Müller/Christensen, Juristische Methodik Band I, Rn. 526; Haft, in: Einführung in die Rechtsphilosophie, 2016, S. 269, 275; Heller, Analogie und Axiologie der analogen Rechtsanwendung, 140 ff., der Analogie als eine Stufe der Auslegung ansieht und zwischen Analogie und axiologischer Analogie unterscheidet; Schroth, in: Einführung in die Rechtsphilosophie, 2016, S. 270, 278; ders., Theorie und Praxis subjektiver Auslegung, S. 108; ders., in: Hermeneutik, Norminterpretation und richterliche Normanwendung, S. 270, 278; Küper, in: FS-Uni Heidelberg, S. 451, 452; Ransiek, in: FS-Tiedemann, S. 171, 186; Hanack, NStZ 1986, 261, 263. 340 Kaufmann, Analogie und „Natur der Sache“, S. 38. 341 Kaufmann, Analogie und „Natur der Sache“, S. 39 unter Verweis daraus, dass das, was unter bestimmten Begriffen verstanden wird, sich auch immer nach der entsprechenden Norm richtet. 342 Kaufmann, Analogie und „Natur der Sache“, S. 43.

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geber der allgemein anerkannten Bedeutung von Worten unterwirft.343 Aufgrund dessen sei eine Grenzziehung quasi unmöglich und der Glaube daran, wird als „naiv“ bezeichnet.344 Stattdessen soll das Analogieverbot eine Erneuerung erfahren,345 indem eine Grenzziehung anhand der Ratio des Gesetzes erfolgen solle,346 wobei sich Sinn und Zweck des Gesetzes durch die Gesetzgebungsmaterialien bestimmen ließen. Diese faktische Auslegung solle das Analogieverbot ersetzen347 und könnte zur Umgehung der Problematik beitragen, so dass aus dem Analogieverbot ein Interpretationsverbot resultierte.348 Außerdem vermeide eine Grenzziehung anhand von Sinn und Zweck des Gesetzes die mit der Wortlautgrenze verbundene Problematik, dass durch eine solche Abgrenzung der Anwendungsbereich einer Norm unnötig verkürzt wird, obwohl dafür nach Sinn und Zweck des Gesetzes kein Bedarf besteht.349 Insbesondere in den Fällen, in denen die Einhaltung der Wortlautgrenze zu unbilligen Ergebnissen führten, seien die Richter*innen darauf angewiesen, dass sie die kriminalpolitischen Erwägungen des Gesetzgebers verwirklichten, die hinter der Regelung stünden.350 Denn die Richter*innen seien nicht nur der Rechtssicherheit verpflichtet, sondern darüber hinaus auch der materialen Gerechtigkeit.351 Wann solche eindeutig unbilligen Ergebnisse, die mit der materialen Gerechtigkeit unvereinbar sind, vorliegen, bleibt allerdings offen. Auch wenn konkrete Fälle benannt werden können, in denen eine Bindung an den Wortlaut zu unge343 Depenheuer, Der Wortlaut als Grenze, S. 38 f., unter Verweis auf den Begriff des „Sprachspiels“ Wittgensteins; zur Neuformulierung des Analogieverbotes vgl. Yi, Wortlautgrenze, Intersubjektivität und Kontexteinbettung, S. 198. 344 Kaufmann, Analogie und „Natur der Sache“, S. 4. 345 Yi, Wortlautgrenze, Intersubjektivität und Kontexteinbettung, S. 191. 346 So wohl Sax, Das strafrechtliche „Analogieverbot“, S. 152 durch den Verweis auf die Zulässigkeit der teleologischen Auslegung; dagegen: Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 14 unter Verweis daraus, dass Sinn und Zweck eines Gesetzes nicht ohne Weiteres ersichtlich sind; Hanack, NStZ 1986, 261, 263; die Bedeutung des Willens des Gesetzesgebers hervorhebend vgl. Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 44; dagegen Baumann/Weber/Mitsch/Eisele/Weber, Strafrecht AT, § 9 Rn. 87; kritisch: NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 77; Kaufmann, Analogie und „Natur der Sache“, S. 39; Ransiek, in: FS-Tiedemann, S. 185, Ausnahme von der Wortlautbindung immer dann, wenn der Zweck des Gesetzes dieses gebietet, wie in diesen Fällen allerdings die Grenzziehung erfolgt, bleibt offen; Schick, FS-Walter, S. 625, 641. 347 Bruns, GA 1986, 1, 12; zum Begriff der faktischen Betrachtungsweise vgl. Schröder, Zum Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht und seiner Bedeutung für die praktische Anwendung des Rechts, S. 126. 348 Kaufmann, Analogie und „Natur der Sache“, S. 5. 349 So im Ergebnis wohl auch Kaufmann, Analogie und „Natur der Sache“, S. 39; zum Problem der Feststellung von Rechtsähnlichkeit i. S. d. Analogie vgl. Sax, Das strafrechtliche „Analogieverbot“, S. 134. 350 Ransiek, in: FS-Tiedemann, S. 171, 185 f. 351 Heller, Analogie und Axiologie der analogen Rechtsanwendung, S. 142.

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rechten Ergebnissen führen könnten, wird es schwerlich möglich sein, allgemeine Regeln für diese Fälle aufzustellen. Folgt man also der Ansicht, dass keine Bindung an den reinen Wortlaut der Norm besteht, ergibt sich daraus, dass Öffnungsklauseln und die konkrete Anwendung im Einzelfall grundsätzlich nicht in Konflikt mit dem Analogieverbot stehen. Öffnungsklauseln ermöglichen die Subsumtion unter den Begriff der vergleichbaren Handlung. Die Vergleichbarkeit erfordert aber auch immer eine Auslegung und Rechtfortbildung nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Solange sich die Anwendung der Öffnungsklausel in diesem Rahmen befänden, läge keine unzulässige Analogie vor. b) Abgrenzung anhand des Wortlautes des Gesetzes Für eine Bindung an die Ratio des Gesetzes spricht, dass sowohl Auslegung als auch Analogie auf einem ähnlichen Schlussverfahren beruhen352 und es zweifelhaft sein kann, ob ein Fall der zulässigen Wortlautauslegung vorliegt oder der unzulässigen Auslegung über die Wortlautgrenzen hinaus.353 Die Ähnlichkeit der Schlussverfahren und eine etwaige damit verbundene Problematik bzgl. der Terminologie des Begriffs der Analogie reichen aber nicht aus, um die Wortlautgrenze als Abgrenzungskriterium gänzlich auszuschließen.354 Insbesondere kann aus der Ähnlichkeit der beiden Verfahren nicht zwingend geschlossen werden, dass eine Abgrenzung der beiden Methoden voneinander nicht möglich ist. Es ist zumindest theoretisch denkbar, dass diese aufgrund der Entfernung vom Gesetzeswortlaut voneinander unterschieden und abgegrenzt werden können.355 Diese Entfernung kann dabei in unterschiedliche Kategorien eingeteilt werden: Die sogenannten positiven, negativen und neutralen Kandidaten. Danach gibt es also Fälle, die ganz eindeutig vom Wortlaut der Norm erfasst sind (positive Kandida352 Haft, Juristische Rhetorik, S. 75 ff.; Matt/Renzikowski/Basak, § 1 Rn. 20; Joerden, Logik im Recht, S. 310 f.; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 95; Roxin/Greco, Strafrecht AT, § 1 Rn. 36 in der Sache zwar zustimmend, aber auch darauf verweisend, dass es sich hier um ein rein terminologisches Argument handelt. 353 So auch kritisch Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 232; Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 83; SK-StGB/Jäger, § 1 Rn. 83; LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 247; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 58; Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 66. 354 So auch LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 252, „der gleiche modus operandi zwingt nicht dazu, eine qualitative Grenzziehung zwischen zulässiger Auslegung und unzulässiger Analogie zu verneinen“; so im Ergebnis auch Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 67; Greco, GA 2012, 452, 453; anders: Hassemer, Tatbestand und Typus, S. 160 f.; einschränkend mit Verweis auf die unendliche Deutungsmöglichkeit von Sprache, vgl. Becker/Martenson, JZ 2016, 779, 784; Appel, JURA 2000, 571, 572; SSW-StGB/Satzger, § 1 Rn. 44, der trotz Ähnlichkeiten der beiden Schlussverfahren auf die Abgrenzung verweist; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 208 f.; Matt/Renzikowski/Basak, § 1 Rn. 19, der darauf verweist, dass zwischen Auslegung und Analogie nur ein „gradueller“ Unterschied besteht; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 78. 355 Krey, ZStW 101 (1989), 838, 844; ebenfalls ablehnend zur Ratio als Abgrenzungskriterium vgl. NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 77; Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 186.

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ten), als auch solche, die offensichtlich nicht erfasst sind (negative Kandidaten). Die neutralen Kandidaten lassen sich hingegen nicht mit Sicherheit unter den Wortsinn einer Norm fassen.356 Dass es positive und negative Kandidaten gibt, deutet darauf hin, dass es auch einen messbaren Unterschied zwischen Analogie und Auslegung gibt. Dieser Unterschied wird auch in der Begründung der Gerichte erkennbar, also ob sie eine Anwendung mit der Konkretisierung einer Norm begründen oder mit der Anwendung auf einen ähnlich gelagerten Fall. Auslegung erfasst dabei in jedem Falle den Bereich positive und negativen Kandidaten. Die Abgrenzung von Auslegung und Analogie ist hingegen in der Anwendung der neutralen Kandidaten theoretisch strittig. Befürwortet man in den Grenzbereichen eine Abgrenzung anhand der Ratio des Gesetzes, ist außerdem fraglich, inwieweit Sinn und Zweck eines Gesetzes ein zuverlässigeres Abgrenzungskriterium bilden können. Die Ermittlung eines solchen ist ebenso, wenn nicht sogar noch stärker von Unsicherheiten und subjektiven Interpretationen geprägt.357 Zweifelhaft bleibt auch die Überprüfbarkeit der dadurch gefundenen Ergebnisse. Gegen den Sinn und Zweck als Abgrenzungskriterium spricht weiterhin die Normierung in Art. 103 Abs. 2 GG und § 1 StGB. Wenn die Abgrenzung nach dem Sinn und Zweck erfolgt, besteht insoweit kein Unterscheid zu den anderen Rechtsgebieten, in denen eine analoge Anwendung von Normen nicht von vorneherein ausgeschlossen ist. Denn auch dort darf nur eine Analogie gebildet werden, wenn eine vergleichbare Interessenslage besteht.358 Dann wäre die Regelung des Art. 103 Abs. 2 GG und § 1 StGB im Hinblick auf das Analogieverbot überflüssig, da sich keine Besonderheiten für das Strafrecht ergeben würden. Insgesamt kann die Mehrdeutigkeit von Worten nicht gegen den Wortlaut als zulässiges Abgrenzungskriterium sprechen. Denn aus der Mehrdeutigkeit von Sprache alleine kann nicht geschlossen werden, dass es keine Grenzen von Sprache und Wortbedeutungen gibt.359 Und auch der Hinweis auf den Wandel von Sprache und die damit verbundenen Veränderungen von Wortbedeutungen können zu keiner anderen Bewertung führen.360 Wäre Sprache in einem besonders 356 Zusammenfassend in Jacobi, Methodenlehre der Normwirkung, S. 6; NK-StGB/ Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 35 ff. unterteilt Rechtbegriffe hingegen in die Kategorien „Vagheit [. . .] Porosität [. . .] Wertausfüllungsbedürftigkeit [. . .] Bezeichnung von Dispositionen“; Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 62 unter Verweis auf Koch, ARSP 1975, 34, 53. 357 So auch NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 77; ablehnend ohne dezidierte Begründung vgl. auch MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 80. 358 Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 176. 359 So auch NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 96; Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 20, zur Objektsprache und Metasprache. 360 Siehe zur Änderung der Regeln des juristischen Sprachspiels z. B. Yi, Wortlautgrenze, Intersubjektivität und Kontexteinbettung, S. 142.

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hohem Maße unbestimmt und einem unüberblickbaren Wandel unterworfen, der die Mehrdeutigkeit von Sprache überwiegen ließe,361 wäre eine gelingende Kommunikation praktisch ausgeschlossen.362 Die Tatsache, dass Urteile jedoch von den Adressat*innen verstanden werden, lässt aber gerade darauf schließen, dass sie auch sprachlich begriffen und nachvollzogen werden können und ganz grundsätzlich wohl auch als mit dem Wortlaut der entsprechenden Norm vereinbar beurteilt werden.363 Außerdem gibt es unstreitig eine übereinstimmende Nutzung bestimmter Wörter in bestimmten Kontexten in unserer Gesellschaft, aus denen sich die jeweilige Bedeutung zumindest erschließen lässt.364 Es kann übereinstimmend festgestellt werden, welche Auslegungsergebnisse keinesfalls vom Wortsinn einer Norm umfasst sind, dabei handelt es sich um die soeben dargelegten sog. „negativen Kandidaten“. Dennoch ist zuzugeben, dass es zur Bestimmung eben jener Wortlautgrenze im Bereich der neutralen Kandidaten auch immer einer Kontextualisierung bedarf.365 Reine Worte ohne jeden Kontext kommt erst einmal kein Bedeutungsgehalt zu, woraus aber wiederum nicht zu folgern ist, dass Wörtern insgesamt keine feststellbare Bedeutung zukommt.366 Die Letztentscheidungskompetenz über die kontextualisierte Wortlautgrenze obliegt konsequenterweise den Gerichten, wobei sich deren Bestimmung am Gesetzeswortlaut orientiert.367 Es handelt sich bei der Wortlautgrenze folglich um ein Merkmal, dessen Überschreitung zumindest einer Überprüfung zugänglich zu sein scheint.368 Auch wenn die Bestimmung der Wortlautgrenze nicht immer ohne weiteres möglich ist,369 handelt es sich dennoch um ein handhabbares Abgrenzungskriterium, auf das sich neben weiten Teilen der Literatur auch die Recht361 So u. a. Depenheuer, Der Wortlaut als Grenze, S. 38; Kaufmann, Analogie und „Natur der Sache“, S. 39 „abstrakt [. . .] und darum weitgehend sinnentleerten Begriffen“. 362 So im Ergebnis auch MüKo-StGB/Schmitz, §1 Rn. 72; Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 67, der darauf verweist, dass es Fälle gibt, die niemals vom Wortlaut erfasst sind; Kaspers, Philosophie – Hermeneutik – Jurisprudenz, S. 132; Krey, ZStW 101 (1989), 838, 845; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 79. 363 Kaspers, Philosophie – Hermeneutik – Jurisprudenz, 132 f. 364 Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 38, unter Verweis darauf, dass Wörter aber auch immer einen sog. „Bedeutungsspielraum“ aufweisen. 365 Depenheuer, Der Wortlaut als Grenze, S. 40, 60, der für eine Auslegung nach dem „Sinnverständnis des historischen Gesetzgebers“ plädiert; Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 69 am Beispiel der Mehrdeutigkeit des Wortes „Botschaft“; NK-StGB/ Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 79; Becker, Was bleibt? Recht und Postmoderne, S. 44, der behauptet, dass „[j]edes Wort [. . .] in einer natürlichen Sprache abhängig vom situativen Kontext alles bedeuten“ kann. 366 So auch Becker, Was bleibt? Recht und Postmoderne, S. 49 f. 367 Krey, ZStW 101 (1989), 838, 846, überprüft werden kann ein Verstoß gegen das Analogieverbot. 368 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 79; so im Ergebnis auch Grünwald, der auf die Ratio innerhalb der Wortlautgrenze verweist, vgl. ZStW 76 (1964), 1, 2. 369 Kudlich/Christensen, JR 2011, 146, 150.

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sprechung beruft.370 Die Rechtsprechung verweist darauf, dass der Begriff der Analogie nicht im technischen Sinne zu verstehen sei. Das bedeutet, dass es weniger auf das Verständnis der Analogie als logisches Schlussverfahren als auf das Verständnis als Übertretung der Wortlautgrenze ankommt, wenn ein Verstoß gegen das Analogieverbot untersucht werden soll.371 Die genannten Abgrenzungsschwierigkeiten und Einwendungen gegen die Wortlautgrenze als Abgrenzungskriterium beruhen augenscheinlich darauf, dass, wie bereits im Rahmen des Bestimmtheitsgrundsatzes erörtert, keine einheitliche Methodenlehre existiert. Auch wenn man bei einer solchen Überschreitung mangels einer einheitlichen Methodenlehre nicht immer zwingend zu eindeutigen Ergebnissen kommt, handelt es sich bei der Bindung an den Wortlaut gerade im Hinblick auf das Analogieverbot um eine „unverzichtbare Grundlage des juristischen Arbeitens“.372 Denn nur durch die Bindung an den Wortlaut einer Norm und der Abgrenzung von Analogie und Auslegung anhand dieses Wortlautes kann es zu einer demokratisch legitimierten Einzelfallentscheidung durch die Richter*innen kommen. Eine an den Wortlaut gebundene Entscheidung soll die 370 Vgl. etwa. BGH, Urt. v. 13.11.1952 – 3 StR 727/51 = BGHSt 3, 300, 303; BGH, Urt. v. 17.11.1962 – 3 StR 49/62 = BGHSt 18, 136 = NJW 1963, 499; BVerfG, Beschl. v. 23.10.1985 – 2 BvR 1053/82 = BVerfGE 71, 108 = NJW 1986, 1671; BVerfG, Beschl. v. 05.07.1983 – 2 BvR 200/81 = BVerfGE 64, 389 = NJW 1984, 225; BVerfG, Urt. v. 11.11.1986 – 1 BvR 713/83 = BVerfGE 73, 206 = NJW 1978, 43; BVerfG, Beschl. v. 06.05.1978 – 2 BvL 11/85 = BVerfGE 75, 329 = NJW 1987, 3175; BVerfG 31.05.1988 – 1 BvL 22/85 = BVerfGE 78, 232 = NJW 1988, 3258; BGH, Urt. v. 07.11. 1990 – 2 StR 439/90 = BGHSt 37, 3226, 230 = NJW 1991, 990; BVerfG, Beschl. v. 20.10.1992 – 1 BvR 698/89 = BVerfGE 87, 209 = NJW 1993, 1457; zustimmend auch: Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, S. 146 f., 200; ders., ZStW 101 (1989), 838, 842; Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 221 f.; Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 20; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 38; Klug, Juristische Logik, S. 110; M. E. Mayer, Der Allgemeine Teil des deutschen Strafrechts, S. 27; Marinucci, in: FS-Tiedemann, S. 189, 199; Bydlinksi, Methodenlehre, S. 467 f.; Lackner, in: FS-Uni Heidelberg, S. 39, 56, wonach die Wortlautgrenze auch für mangelhafte Gesetze gelten soll; Baumann/Weber/Mitsch/Eisele/Eisele, Strafrecht AT, § 7 Rn. 18; Simon, Gesetzesauslegung im Strafrecht, S. 101 mit Einschränkungen; Schröder, Zum Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht und seiner Bedeutung für die praktische Anwendung des Rechts, S. 349, unter Verweis auf die Berücksichtigung des Willens des historischen Gesetzgebers; Kaspers, Philosophie – Hermeneutik – Jurisprudenz, S. 132; R. Schreiber, Die Geltung von Rechtsnormen, S. 236; Jähnke, in: FS-BGH, S. 393, 397 der auch auf die gleichen Schlussverfahren von Analogie und Auslegung verweist; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 77; Matt/Renzikowski/Basak, StGB, § 1 Rn. 19; SK-StGB/Jäger, § 1 Rn. 89; differenziert: Perron, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 211, 218, der zwar primär den Wortlaut bemüht, aber auch die gesetzgeberische Interpretation miteinbezieht und analoge Rechtsanwendung innerhalb des gesetzgeberischen Willens für möglich hält; Begemeier, HRRS 2013, 181 f. zum Verhältnis von Wortlautgrenze und unionsrechtskonformer Auslegung. 371 BVerfG, Beschl. v. 23.10.1991 – 1 BvR 850/88 = BVerfGE 85, 69 = NJW 1992, 890. 372 Klatt, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 124; so auch Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 175.

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getroffene Wertentscheidung des Gesetzgebers in die Einzelfallentscheidung hinein verlängern.373 Daraus folgt, dass der interpretatorische Anteil der Gesetzesauslegung die gebildete Legitimationskette zwar schwächen kann, aber gerade nicht zu brechen vermag. Bei einer Analogie besteht eine solche Legitimationskette durch die Loslösung von der Entscheidung des Gesetzgebers, die sich im Wortlaut der Norm widerspiegelt, gerade nicht mehr. Das macht den Wortlaut zum „Hüter des Analogieverbotes“.374 Demnach scheint nur eine Bindung an den Wortlaut der Norm, die Einhaltung der Gewaltenteilung zu ermöglichen.375 Es ist darüber hinaus auch möglich, dass man die Wortlautgrenze mit der Ratio des Gesetzes als taugliches Abgrenzungskriterium kombiniert. Zum Teil wird aufgrund dessen das Analogieverbot auch so verstanden, dass neben der Einhaltung der Wortlautgrenze auch die Beachtung des Willens des historischen Gesetzgebers zugunsten des Normadressaten berücksichtigt werden muss.376 Es wird zum Teil bereits dann ein Verstoß gegen das Analogieverbot angenommen, wenn Richter*innen eine eigene Entscheidung darüber treffen, ob ein Verhalten gleich verwerflich und infolge dessen ebenso strafwürdig ist, unabhängig davon, ob das Ergebnis noch mit der Wortlautgrenze vereinbar ist.377 Dies hätte eine besonders enge Bindung an das Gesetz und einen erheblich eingeschränkten Entscheidungsspielraum für die Gerichte zur Folge. Insbesondere stellt sich auch bei einem solchen Verständnis des Analogieverbotes die Frage der Überprüfbarkeit. Für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand der Öffnungsklauseln kommt es aber weniger auf eine theoretische Abgrenzung der Verfahren an, also ob eine bestimmte Rechtsanwendung noch als Konkretisierung oder bereits als Analogie angesehen werden kann, als vielmehr darauf, dass zwischen den Verfahren in Urteilsbegründungen unterschieden wird und auf diesem Wege zumindest pragmatisch zwischen einer unzulässigen Analogie und einer zulässigen Gesetzesauslegung differenziert werden kann. Im Ergebnis kann dem Analogieverbot also primär eine Anweisung an die Richter*innen bei der Rechtsanwendung entnommen werden,378 ihre Argumentation möglichst genau am Wortlaut zu orientieren und nicht losgelöst von eben jenem Sinn und Zweck der Vorschrift.379 Es spricht viel dafür, das Merkmal der 373

Klatt, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 121, 124. Depenheuer, Der Wortlaut als Grenze, S. 11. 375 Depenheuer, Der Wortlaut als Grenze, S. 9. 376 Kuhlen, JR 2011, 246, 248 unter Verweis aus BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/ 08 = BVerfGE 126, 170, 198 f. = NJW 2010, 3209; kritisch dazu Küper, NStZ 2008, 597, 600; von einer daraus resultierenden eingeschränkten Auslegung spricht auch Saliger, ZIS 2011, 902, 903. Zustimmend wohl auch Böse, JURA 2011, 617, 619. 377 Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 15. 378 Lewisch bezeichnet dieses als „Methodenbeschränkung“, vgl. Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 63. 379 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 101. 374

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Wortlautgrenze als konstituierendes Merkmal zur Abgrenzung zwischen Analogie und Auslegung heranzuziehen.380 Eine unzulässige Analogie kann in einem rechtstheoretischen Sinne demnach vorliegen, wenn „über den äußersten Wortsinn einer konkreten gesetzlichen Bestimmung [hinausgegangen wird] und unter Berufung auf den Grundgedanken des Gesetzes zum Nachteil des Betroffenen neues Recht [. . .] entwickel[t] wird“.381 Die subjektive Vorstellung über eine bestimmte Wortbedeutung darf dabei die objektive Wortbedeutung nicht verdrängen.382 Die Bestimmung der objektiven Wortbedeutung bedarf immer einer Kontextualisierung. Gibt man hingegen die Möglichkeit einer Abgrenzung von Analogie und Auslegung auf und verwirft die Wortlautgrenze als eben jenes Abgrenzungskriterium und zieht Sinn und Zweck des Gesetzes als Kriterium heran, würde dies dazu führen, dass das Analogieverbot ins Leere liefe. Es bestünde die Möglichkeit extensiver Auslegung.383 Die genaue Abgrenzung kann für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand aber dahinstehen. Öffnungsklauseln ordnen ausdrücklich durch ihren Wortlaut eine Anwendung über die gesetzlich geregelten Fälle hinaus an. Es ist für diese Art der Rechtsanwendung nur entscheidend, dass es einen Unterschied zwischen Analogie und Auslegung gibt und es sich folglich bei der Anwendung von Öffnungsklauseln nicht nur um eine konkretisierende Gesetzesauslegung handelt. Einen solchen Unterschied gibt es in jedem Falle in der praktischen Rechtsanwendung: 380 Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, S. 146 ff.; Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 222; Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 65 ff.; Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 179; Bringewat, Grundbegriffe des Strafrechts, Rn. 230; BeckOK-StGB/Heintschel-Heinegg, § 1 Rn. 12; Kertai, JuS 2011, 976, 979; Schreiber, Gesetz und Richter, S. 230; Klatt, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 121, 123 f., 140 ff. BGH, Urt. v. 17.11.1962 – 3 StR 49/62 = BGHSt 18, 136 = NJW 1963, 499; BVerfG, Beschl. v. 17.01.1978 – 1 BvL 13/78 = BVerfGE 47, 109 = NJW 1978, 933; BVerfG, Beschl. v. 05.07.1983 – 2 BvR 200/81 = BVerfGE 64, 389 = NJW 1984, 225; BVerfG, Beschl. v. 23.10.1985 – 2 BvR 1053/82 = BVerfGE 71, 108 = NJW 1986, 1671 (ablehnend dazu: Hanack, NStZ 1986, 261, 263); BVerfG, Urt. v. 11.11.1986 – 1 BvR 713/83 = BVerfGE 73, 206 = NJW 1978, 43; BVerfG 31.05.1988 – 1 BvL 22/85 = BVerfGE 78, 232 = NJW 1988, 3258; BGH, Urt. v. 07.11.1990 – 2 StR 439/90 = BGHSt 37, 3226, 230 = NJW 1991, 990; BVerfG, Beschl. v. 20.10.1992 – 1 BvR 698/89 = BVerfGE 87, 209 = NJW 1993, 1457; BGH, Urt. v. 26.01.1998 – 4 StR 570/05 = BGHSt 50, 370, 372 = NJW 2006, 1890; BGH, Urt. v. 07.10.2003 – 1 StR 2012/03 = BGHSt 48, 354, 357 = NJW 2003, 3717; BVerfG, Beschl. v. 18.09.2006 – 2 BvR 2126/05 = NJW 2007, 1193; BVerfG, Beschl. v. 23.06. 2010 – 2 BvR 2259/08 = BVerfGE 126, 170 = NJW 2010, 3209; BVerfG, Beschl. v. 07.12.2011 – 2 BvR 2500/09, 1857/10 = BVerfGE 130, 1, 43 = NJW 2012, 907; BVerfG, Beschl. v. 28.07.2015 – 2 BvR 2558/14, 2 BvR 2571/14, 2 BvR 2573/14 = BVerfGE = NZWiST 2015, 469. 381 SK-StGB/Jäger, § 1 Rn. 83. 382 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 79. 383 Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 68.

V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot

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Unabhängig davon, welche Abgrenzung zwischen Auslegung und Analogie man befürwortet, ob die Unterscheidung in einem theoretischen Sinne angenommen werden kann, welche Maßstäbe hier also gewählt werden, kann ganz pragmatisch festgestellt werden, dass es in der Arbeit der Richter*innen in der Urteilsbildung einen messbaren Unterschied zwischen diesen beiden Verfahren gibt. Dieser besteht gerade in der Argumentationsstruktur der Gerichte: Die täterbelastende Anwendung von Strafgesetzen muss immer als Konkretisierung bestehender Normen durch die Gerichte ausgewiesen werden. Wenn die Anwendung der Norm hingegen mit der Übertragung einer Norm oder auch eines Normbestandteiles auf vergleichbare Fälle oder ähnliche Fälle erfolgt, dann liegt eine analoge Gesetzesanwendung vor. Entscheidend ist also in erster Linie die Begründung der Gerichte. Aus diesen unterschiedlichen Begründungen kann der zumindest pragmatisch bestehende Unterschied zwischen Auslegung und Analogie aufgezeigt werden, der gerade auch bei Öffnungsklauseln zum Tragen kommt und für diesen Untersuchungsgegenstand entscheidend ist. c) Handhabung des Analogieverbotes durch die Gerichte Der Umgang der Gerichte mit dem Analogieverbot ist uneinheitlich.384 Einigkeit besteht aber zumindest über den Begriff der Analogie. „,Analogie‘ ist nicht [mehr] im engeren technischen Sinne zu verstehen;385 ausgeschlossen ist vielmehr jede Rechtsanwendung, die – tatbestandsausweitend – über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht, wobei der mögliche Wortlaut als äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation aus der Sicht des Normadressaten zu bestimmen ist.“ 386

Uneinigkeit herrscht aber über die Handhabung eben jener Definition:387 Zum Teil trägt der BGH der Bedeutung des Art. 103 Abs. 2 GG Rechnung, indem er herausstellt, dass der Grundgedanke zum Analogieverbot auch nicht durch Erwägungen zur materialen Gerechtigkeit durchbrochen werden darf. Die 384 Grünwald verweist daraus, dass aus seiner Sicht keine Entscheidungen vorliegen, die aufgrund des Analogieverbotes eine grundsätzlich strafwürdige Verhaltensweise nicht für strafwürdig erklären konnte, vgl. ZStW 76 (1964), 1, 2; umfassend zur Rechtsprechung zum Analogieverbot vgl. Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 226 ff., insb. zur Abgrenzung von Analogie und Auslegung. 385 Schulz folgert daraus, dass das Analogieverbot einem Präzisierungsgebot entspricht, vgl. ders., in: FS-Roxin, 2011, 306, 310, wobei er sich dabei u. a. auf die Definition des BVerfG beruft, das die Analogie in einem untechnischen Sinne versteht. 386 Vgl. z. B.: BVerfG, Beschl. v. 28.07.2015 – 2 BvR 2558/14, 2 BvR 2571/14, 2 BvR 2573/14 = BVerfGE = NZWiSt 2015, 469; BVerfG, Beschl. v. 07.12.2011 – 2 BvR 2500/09, 1857/10 = BVerfGE 130, 1, 43 = NJW 2012, 907; BVerfG, Beschl. v. 23.06.2010 – 2 BvR 2259/08 = BVerfGE 126, 170 = NJW 2010, 3209; BVerfG, Beschl. v. 10.03.2009 – 2 BvR 1980/07 = NStZ 2009, 561; BGH, Beschl. v. 25.10.2006 – 1 StR 384/06. 387 So auch Simon, Gesetzesauslegung im Strafrecht, S. 110; kritisch zur Handhabung: Hanack, NStZ 1986, 261, 263.

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

mit dem Gesetzlichkeitsprinzip verfolgte Rechtssicherheit genießt zugunsten der individuellen Freiheit eine überragende Bedeutung, weshalb eine Einschränkung des Analogieverbotes ausgeschlossen ist.388 In jüngster Zeit wird in der Rechtsprechung zum Teil von einer Ergänzung des Analogieverbotes um das Erfordernis der Auslegung nach dem Willen des Gesetzgebers gesprochen.389 Ob dies im Ergebnis dazu führt, dass eine Auslegung, die sich zwar innerhalb der Grenzen des Wortlautes, aber wohl außerhalb des Telos der Norm befindet, gegen das Analogieverbot verstößt, bleibt offen.390 Auch Ergänzungen des Analogieverbotes im Hinblick auf den Willen des historischen Gesetzgebers werden zum Teil bemüht.391 Die unter der Abgrenzung zwischen Analogie und Gesetzesauslegung angedeutete Problematik, dass sich Sinn und Zweck eines Gesetzes nicht immer eindeutig bestimmen lassen, wirkt sich im Ergebnis auch hier aus. Außerdem existieren Entscheidungen aus der Vergangenheit in denen der Wortsinn einer Norm bewusst überschritten wurde, um Sinn und Zweck eines Gesetzes hinreichend Rechnung zu tragen.392 Weiterhin gibt es auch neuere Entscheidungen, bei denen der fragmentarische Charakter des Strafrechts, dem Wortlaut als Auslegungsgrenze zum Trotz, zurückgedrängt und dadurch ein flächendeckendes Strafrecht geschaffen wird.393 So wird zum Bespiel das aufdringliche Zufahren eines PKWs zu einem anderen und das Verwenden der Lichthupe unter den Gewaltbegriff des § 240 StGB subsumiert.394 Einen ähnlichen Effekt auf die Wirksamkeit des Analogieverbotes kann auch die Gestattung der Verwendung ungenauer Formulierungen haben, wie beim Tatbestand der Untreue, gem. § 266 StGB.395 388

BGH, Urt. v. 17.11.1962 – 3 StR 49/62 = BGHSt 18, 136 = NJW 1963, 499. Unter Verweis auf BVerfG, Beschl. v. 23.06.2010 – 2 BvR 2259/08 = BVerfGE 126, 170 = NJW 2010, 3209; vgl. die Besprechungen dazu: Becker, HRRS 2010, 383, 386; Böse, JURA 2011, 617, 621; Saliger, NJW 2010, 3195, wonach ein Verhalten auch dann nicht unter einen Tatbestand gefasst werden kann, wenn der Wortlaut dies zwar zulassen würde, dies aber nicht zugleich auch vom Willen des Gesetzgebers gedeckt ist. 390 So aber Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 188, wobei ebenfalls offenbleibt, wie realistisch ein solches Szenario ist. 391 Unter Verweis auf die Entstehungsgeschichte, vgl. BGH, Urt. v. 10.12.1965 – 9 StE, 2/65 = BGHSt 20, 387, 388. 392 RGST 29, 111; 32, 165; BGH, Urt. v. 13.09.1957 – 1 StR 338/57 = BGHSt 10, 375 = NJW 1957, 1642; BGH, Urt. v. 08.04.1960 – 4 StR 2/60 = BGHSt 14, 213 = NJW 1960, 1165; BGH, Urt. v. 26.09.1962 – 4 Str 196/62BGHSt = 18, 114, 120 = NJW 1963, 307. 393 So Basak, in: Strafrecht und Verfassung, S. 71, 86 zu BVerfG, Beschl. v. 23.06. 2010 – 2 BvR 2259/08 = BVerfGE 126, 170 = NJW 2010, 3209; BVerfG, Beschl. v. 29.03.2007 – 2 BvR 932/06 = NJW 2007, 1669, wo „drängeln“ unter den Gewaltbegriff subsumiert wurde; anders vgl. Krey, ZStW 101 (1989), 838, 849. 394 BVerfG, Beschl. v. 29.03.2007 – 2 BvR 932/06 = NJW 2007, 1669. 395 So Basak, in: Strafrecht und Verfassung, S. 71, 86 zu BVerfG, Beschl. v. 23.06. 2010 – 2 BvR 2259/08 = BVerfGE 126, 170 = NJW 2010, 3209. 389

V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot

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Dies wird zum Teil damit begründet, dass dem Gesetzlichkeitsprinzip ein sog. „Verwirklichungsproblem“ zugesprochen wird, welches für das Analogieverbot aufgrund des Fokus auf den Wortlaut im Sinne von Semantik angenommen wird.396 Es wird außerdem bezweifelt, ob eine strengere Handhabung des Gesetzlichkeitsprinzips dazu führt, dass der Gesetzgeber, den sich daraus ergebenden Vorgaben gewissenhafter nachkommt. Auf dieser Grundlage wird dann zum Teil eine restriktivere Anwendung des Analogieverbotes befürwortet.397 Dem Umstand geschuldet, dass in vielen Entscheidung eine Diskussion über das Analogieverbot gar nicht zur Sprache kommt,398 wird zum Teil von einer Entwertung eben jenes Analogieverbotes ausgegangen.399 Dieser Eindruck wird bestärkt durch eine Rechtsanwendung der Gerichte.400 Exemplarisch kann dafür die Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1957 genannt werden, in welcher ein KFZ unter den Begriff eines „bespannten Fuhrwerks“ subsumiert wurde, vgl. § 3 Abs. 1 Ziff. 6 PreußFDG;401 sowie durch das bereits oben genannte Subsumieren des „Drängelns“ unter den Gewaltbegriff des § 240 StGB,402 obwohl auch nach der o. g. Definition das Analogieverbot voraussetzt, dass die Wortlautgrenze gewahrt wird. Dies ist dann nicht mehr der Fall, wenn die Judikative aufgrund von Einzelfallgerechtigkeit eben jene Grenze überschreitet.403 Ungeachtet der nicht einheitlichen Handhabung scheinen BGH und BVerfG insgesamt strenger über das Analogieverbot zu wachen als über die Einhaltung des Bestimmtheitsgrundsatzes. Diesen Schluss legen zumindest die Entscheidungen nahe, in denen ein Widerspruch zu Art. 103 Abs. 2 GG aufgrund eines Verstoßes gegen das Analogieverbot angenommen wurde.404 Hier beruft sich die Judikative gerade nicht darauf, dass ein solcher Verstoß abgelehnt werden muss, 396

NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 94. Streng, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 193. 398 Eine Aufzählung „wortlautferner Gesetzesauslegungen“ findet sich bei NKStGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 92. 399 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 91. 400 Zum Teil äußert sich der BGH auch missverständlich über die Bedeutung der Wortlautgrenze, vgl. BGH, BSchl. v. 11.11.1954 – 4 StR 526/54 = BGHSt 6, 394 = NJW 1955, 72, wo es heißt: „Aber durch den Wortlaut ist die Auslegung der Bestimmung nicht begrenzt, [. . .].“; insgesamt die Judikatur zum Analogieverbot begrüßend: Krey, ZStW 101 (1989), 838, 848 ff. 401 BGH, Urt. v. 13.09.1957 – 1 StR 338/57 = BGHSt 10, 375 = NJW 1957, 1642. 402 BVerfG, Beschl. v. 29.03.2007 – 2 BvR 932/06 = NJW 2007, 1669. 403 MüKo-StGB/Schmitz, §1 Rn. 77. 404 BGH, Urt. v. 22.04.1952 = BGHSt 2, 319 = NJW 1952, 796; BGH, Ent. v. 13.05. 1969 – 2 StR 616/68 = BGHSt 23, 1 = NJW 1969, 1582; BGH, Urt. v. 31.10.1978 – 5 StR 432/78 = NJW 1979, 435; BGH, Beschl. v. 27.10.1988 – 4 StR 239/88 = BGHSt 35, 390 = NJW 1989, 723; BGH, Beschl. v. 10.08.1995 – 4 StR 432/95 = BGHSt 41, 219 = NJW 1996, 328; BGH, Urt. v. 22.08.1996 – 4 StR 217/96 = BGHSt 42, 235, 241 = NJW 1997, 138; BVerfG, Beschl. v. 01.06.2006 – 1 BvR 150/03 = BVerfGK 8, 159 = NJW 2006, 3050. 397

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

um eine gerechte Einzelfallentscheidung zu gewährleisten. Die Handhabung unterscheidet sich folglich von der des Bestimmtheitsgrundsatzes. Was aber nicht bedeutet, dass nicht auch Übertretungen des Gesetzeswortlautes mit Verwendung des o. g. Argumentationstopos überwunden werden.405 Allerdings wird ein Verstoß gegen das Analogieverbot nur bei eindeutigen und eklatant nicht mehr vom Wortlaut der Norm gedeckten Auslegungen angenommen.406 Dennoch gibt es, anders als im Rahmen des Bestimmtheitsgrundsatzes, eine Reihe von Entscheidungen, bei denen ein Verstoß gegen das Analogieverbot angenommen wurde.407 In seiner Anerkennung der Wortlautgrenze schafft das BVerfG eine Bindungswirkung an diese Entscheidung, vgl. § 31 Abs. 1 BVerfGG.408 Es bleibt jedoch die Frage offen, wie sich das Analogieverbot mit dem Präzisierungsgebot der Judikative vereinen lässt. Nimmt man das Analogieverbot ernst, dann kann auch diese Präzisierung nur innerhalb des Wortlautes erfolgen. Ist der Wortlaut aber absichtlich weit gefasst, läuft diese weite Formulierung nicht nur dem Bestimmtheitsgrundsatz, sondern auch dem Analogieverbot zuwider. Denn es fehlt dann gerade an einem Wortlaut, an dem sich die Judikative orientieren kann. Eine Auslegung rein anhand von Sinn und Zweck der Norm ist dann möglich. Die Schutzwirkung des Analogieverbotes läuft auf diese Weise ins Leere. d) Konsequenzen für den Einsatz von Öffnungsklauseln Öffnungsklauseln verstoßen durch den von ihnen gewählten Wortlaut nicht gegen das Analogieverbot, welches sich gerade an die Judikative und nicht primär an die Legislative richtet. Wenn allerdings der Begriff der Analogie mit der hier vertretenen Ansicht als Verbot der Anwendung auf vergleichbare Fälle verstanden wird, dann kann eine Öffnungsklausel, die gerade keine explizite Handlungsbeschreibung enthält, sondern deren Anwendung auf dem Vergleich mit einer in der Norm an anderer Stelle genannten Handlung beruht, die gleiche Konfliktlage hervorrufen, die das Analogieverbot vermeiden will. Schon die Norm als solche könnte infolgedessen zumindest partiell mit dem Sinn und Zweck des Analogieverbotes in Konflikt stehen. Das setzt aber zunächst voraus, dass sich aus dem

405

BGH, Urt. v. 13.09.1957 – 1 StR 338/57 = BGHSt 10, 375 = NJW 1957, 1642. Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 48 unter Verweis auf BVerfG, Beschl. v. 23.06.2010 – 2 BvR 2259/08 = BVerfGE 126, 170 = NJW 2010, 3209. 407 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 93; so beispielsweise in der Feststellung, dass es sich bei Kassenärzten nicht um Amtsträger handelt, vgl. dazu BGH, Beschl. v. 29.03.2012 – GSSt 2/11 = BGHSt 57, 202 = NJW 2012, 2503; ebenso BGH, Beschl. v. 10.08.1995 – 4 StR 432/95 = BGHSt 41, 219 = NJW 1996, 328, wo explizit der Gesetzgeber zur Gesetzesänderung aufgefordert wird und eine Subsumtion unter den Tatbestand abgelehnt wird. 408 Krey, ZStW 101 (1989), 838, 847. 406

V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot

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Analogieverbot eine, wie auch immer geartete, Handlungsanweisung an die Legislative entnehmen lässt. 3. Analogieverbot als Handlungsanweisung an den Gesetzgeber Das Analogieverbot könnte aber neben einem an die Judikative gerichteten Verbot einer richterlichen Rechtsfortbildung auch ein Verbot an die Legislative enthalten, durch die konkrete Fassung von Gesetzen keine analoge Rechtsanwendung zu ermöglichen, de facto also ein Verbot der Umgehungsgesetzgebung in Bezug auf das Analogieverbot. Dass das Analogieverbot bereits durch einen Rechtssatz und nicht erst durch die konkrete Anwendung verletzt werden kann, setzt voraus, dass das Analogieverbot auch eine Handlungsanweisung an den Gesetzgeber enthält.409 Handelt es sich beim Analogieverbot ausschließlich um eine Handlungsanweisung an die Judikative, dann kann die Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot schon nicht überprüft und nur die spätere Anwendung auf den Einzelfall untersucht werden.410 Einziger Prüfungsmaßstab im Rahmen des Art. 103 Abs. 2 GG bliebe damit zunächst der bereits untersuchte Bestimmtheitsgrundsatz. a) Analogieverbot ausschließlich Handlungsanweisung an Judikative Wie bereits erörtert, ist das Analogieverbot primär eine Handlungsanweisung an die Richter*innen.411 Dafür, dass das Analogieverbot einzig und allein an die Judikative adressiert ist, spricht, dass Normen nur und hinreichend anhand des Bestimmtheitsgrundsatzes überprüft werden können und für eine Vereinbarkeit mit dem Verbot von Gesetzesanalogien schon kein Bedarf bestehe und insoweit eine ausreichende Kontrolle der Legislative auch ohne ein entsprechendes an diese adressiertes Analogieschaffungsverbot gewährleistet ist.412 Inwieweit eine Überprüfung anhand des Analogieverbotes überhaupt einen Mehrwert mit sich bringt, ist fraglich, wenn bereits ein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz 409

Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 2. Ransiek, in: FS-Tiedemann, S. 171, 183; im Ergebnis auch Obermann, Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr, S. 166 f. 411 LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 238; Matt/Renzikowski/Basak, § 1 Rn. 19; Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 2; Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 191; Schröder, Zum Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht und seiner Bedeutung für die praktische Anwendung des Rechts, S. 348; Jähnke, ZIS 2010, 463; Schuhr, ZIS 2012, 441, 442 mit der Behauptung, dass sich das Analogieverbot ausschließlich an den Rechtsanwender richtet; so auch Arzt, JuS 1972, 515; Appel, JURA 2000, 571, 572; SSW-StGB/Satzger, § 1 Rn. 40; SK-StGB/Jäger, § 1 Rn. 47; zu den sich aus dem Analogieverbot ergebenden Aufgaben für die Judikative, vgl. NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 101; Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 216. 412 MüKo-StGB/Schmitz, §1 Rn. 67; Schuhr, ZIS 2012, 441, 442; Kuhlen, FS-Otto, 2007, 89, 92. 410

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

geprüft und angenommen wird. Des Weiteren bezieht sich das Analogieverbot seiner Sache nach gerade auf die Anwendung eines Gesetzes auf den Einzelfall, für die Anwendung ist aber nicht der Gesetzgeber, sondern die Judikative und auch die Exekutive zuständig.413 Überdies zwingen auch Öffnungsklauseln nicht dazu, das Analogieverbot auch auf die Legislative auszudehnen. Es fehlt in den Fällen, in denen eine entsprechende Anwendung des Gesetzes auf vergleichbare Handlungen angeordnet wird, bereits an einer planwidrigen Regelungslücke, die aber gerade konstituierend für eine Analogie ist, weshalb schon terminologisch nicht von einem Verstoß gegen das Analogieverbot durch den Gesetzgeber gesprochen werden kann. Eine Ausweitung des Analogieverbotes durch die Adressierung der Legislative sei folglich nicht erforderlich und geboten.414 b) Analogieverbot auch als Handlungsanweisung an Legislative Allerdings müssen nach der gerade erläuterten Ansicht die unterschiedlichen Arten der Schutzrichtungen von Analogieverbot und Bestimmtheitsgrundsatz entgegengehalten werden.415 Der Bestimmtheitsgrundsatz entfaltet seine Schutzwirkung durch die Garantie einer möglichst genauen Formulierung, wohingegen das Analogieverbot seinen Schutz durch eine Bindung an eben jene gesetzgeberische Entscheidung entfaltet. Es soll eine Bestrafung vermieden werden, wenn der Fall nicht gesetzlich geregelt wurde. Wenn der Gesetzgeber nun nicht nur zu unbestimmte Begriffe in den Gesetzestexten nutzt, sondern darüber hinaus die Möglichkeit schafft, vergleichbare Verhaltensweisen unter den Sachverhalt zu subsumieren, dann hat dies gerade eine andere Qualität als die reine Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe.416 Der Gesetzgeber fordert bei Öffnungsklauseln gerade eine Anwendung der Norm in entsprechender Art und Weise heraus und lässt bewusst die Entscheidung über das für strafbar befundene Verhalten, zumindest im Hinblick auf die Öffnungsklausel, offen. Der Gesetzgeber wird ebenfalls durch das Verfassungsrecht gebunden und damit auch durch das in Art. 103 Abs. 2 GG normierte Analogieverbot.417 Der Verweis darauf, dass der Gesetzgeber sich bei der Verwendung von Generalklauseln 413

Kuhlen, FS-Otto, S. 89, 92. Kuhlen, FS-Otto, S. 89, 98. 415 Befürwortend für eine Anwendung des Analogieverbotes auf den Gesetzgeber, vgl. Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 194 (zumindest subsidiär); unklar bei Sarrabayrouse, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 403, 424; Greco, GA 2012, 452, 459 unter eng umgrenzten Voraussetzungen; Calliess, NJW 1998, 929, 935; im Ergebnis auch Stöckel, Gesetzesumgehung und Umgehungsgesetze im Strafrecht, S. 145; im Ergebnis auch Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, S. 223. 416 Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 194. 417 Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, S. 223. 414

V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot

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auch nicht am Analogieverbot messen lassen muss, überzeugt nicht, denn es handelt sich um unterschiedliche Regelungsarten. Eine Generalklausel verwendet eine weite Formulierung, weil dem Gesetzgeber eine sprachlich genauere Fassung dessen, was bestraft werden soll, nicht möglich erscheint. Wohingegen bei Öffnungsklauseln eine sprachliche Fassung der für strafbar empfundenen Verhaltensweisen möglich ist, aber eine abschließende Regelung durch die Öffnungsklauseln bewusst vermieden wird und hier ausdrücklich ein analogiegleicher Ähnlichkeitsschluss verwendet wird. Gerade dieser Ähnlichkeitsschluss ist konstituierend sowohl für Analogien als auch für Öffnungsklauseln. Des weiteren legen auch Entscheidungen der Judikative nahe, dass sich das Analogieverbot auch an den Gesetzgeber richtet.418 Dies kann zumindest als Appell an den Gesetzgeber verstanden werden, Analogien im Rahmen der Gesetzgebung auch im Hinblick auf das Analogieverbot nicht zu begünstigen. Ansonsten könnte das Analogieverbot als Handlungsanweisung nur an die Judikative so verstanden werden, dass die Schaffung entsprechender Normen sogar gebilligt wird.419 Es erscheint aber inkonsequent demgemäß der Legislative eine Umgehung des Analogieverbotes zu gestatten. Die Diskussion zur Regelbeispielstechnik in Bezug auf die Vereinbarkeit mit dem Analogieverbot spricht außerdem dafür, dass das Analogieverbot auch als Auftrag an den Gesetzgeber verstanden wird, durch seine Art der Gesetzgebung Analogien nicht zu ermöglichen.420 Das gilt auch für die Fälle, in denen der Gesetzgeber den Rechtsanwender zu einer Analogie auffordert. Diese Fälle müssten danach konsequenterweise vom Analogieverbot umfasst werden.421 418 BGH. Beschl. v. 14.01.1960 – KRB 12/59 = BGHSt 14, 55, 62 = NJW 1960, 723, 724, der aber den Vorwurf des Analogietatbestandes augenscheinlich im Rahmen des Bestimmtheitsgrundsatzes verortet. 419 Greco, GA 2012, 452, 460. 420 Dabei ist die Debatte von der Diskussion um die Geltung des Analogieverbotes für Strafzumessungsregeln zu unterscheiden: Die überwiegende Mehrheit sieht im gesetzlich angeordneten Ähnlichkeitsschluss keinen Widerspruch zu einem an den Gesetzgeber gerichtetes Analogieverbot, vgl. dazu LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 270; Baumann/Weber/Mitsch/Eisele/Eisele, § 7 Rn. 21, 22 befürwortet eine grundsätzliche Bindung des Gesetzgebers, aber hält eine innertatbestandliche Analogie für vereinbar; ders., Die Regelbeispielsmethode im Strafrecht, S. 405 und zieht dabei auch einen Vergleich zu Öffnungsklauseln; Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt, S. 237 mit Verweis darauf, dass es sich um eine zulässige innertatbestandliche Analogie handelt; Schönke/ Schröder/Hecker, § 1 Rn. 29 spricht von „legalisierter Analogie“; MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 76 verortet die Problematik im Bereich des Bestimmtheitsgrundsatzes; NKStGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 73 verweist darauf, dass ansonsten Sinn und Zweck der exemplifizierenden Methode unterlaufen würde; Bindokat, JZ 1969, 541, 544 ff.; ein Verstoß gegen ein an den Gesetzgeber adressiertes Analogieverbot bejahend: Zieschang, Jura 1999, 561, 563 verweist auf eine Umgehung des Analogieverbotes; Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 440; Fischer-StGB, § 46 Rn. 96a; zumindest angedeutet Blei, in: FSHeinitz, 1972, S. 419, 423; Maiwald, in: FS-Gallas, S. 137. 421 Insoweit widersprüchlich zu der Aussage, dass sich das Analogieverbot immer nur an den Rechtsanwender richtet: vgl. Schuhr, ZIS 2012, 441, 442.

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Daraus kann aber nicht zugleich ohne Weiteres geschlossen werden, dass sich das Analogieverbot auch automatisch an die Legislative richtet. Analogien sind ein Schlussverfahren in der Rechtsfindung. Wenn die Judikative in der Einzelfallentscheidung einen Ähnlichkeitsschluss zieht und in die Begründung aufnimmt, dann kann ein solcher Verstoß festgestellt werden. Insofern können also Normen als solche nicht gegen das Analogieverbot verstoßen, weil dazu ein Akt der Rechtsfortbildung durch die Richter*innen erforderlich ist. Dennoch ist zuzugeben, dass die gesetzliche Befugnis, eine Norm auf nicht gesetzlich geregelte Fälle anzuwenden, unzulässig ist. Diese Unzulässigkeit ergibt sich aber ersichtlich nicht aus einem an den Gesetzgeber adressierten Analogieverbot, sondern vielmehr aus der Unzulässigkeit der Aufgabenübertragung von der gesetzgebenden Gewalt auf die rechtsprechende Gewalt. Diese Aufgabenübertragung ist, wie noch zu zeigen sein wird, aber primär eine Frage des Grundsatzes der Gewaltenteilung.422 4. Öffnungsklauseln als innertatbestandliche Analogien und Umgehungsgesetze Bei Öffnungsklauseln und deren Anwendung handelt es sich nicht um eine Gesetzesanalogie im klassischen Sinne. Das würde voraussetzen, dass der Gedanke eines Gesetzes auf einen darin nicht geregelten Sachverhalt übertragen wird. Der Fall ist bei Öffnungsklauseln allerdings anders gelagert. Hier hinterlässt der Gesetzgeber bewusst einen ungeregelten Bereich innerhalb eines Gesetzes und schafft die Befugnis, die Norm auf nicht geregelte Fälle anzuwenden. Die Norm ist auf Grundlage des gesetzgeberischen Willens gerade darauf ausgelegt, noch nicht genauer bezeichnete Fälle zu erfassen und überträgt auf diese Weise eine Aufgabe der Legislative auf die Judikative. Das Gesetz ist gerade auch dem Wortlaut nach auf die Ausweitung des Anwendungsbereichs angelegt.423 Dennoch hinterlässt die Norm regelungsfreie Bereiche. Solche Lücken, die eine Analogie ermöglichen, kann es folglich nicht nur innerhalb einer Rechtsordnung, sondern auch innerhalb eines Gesetzes geben. Demzufolge kann es auch innerhalb eines solchen lückenhaften Gesetzes einen Analogieschluss geben.424 Diese Möglichkeit der Lückenschließung innerhalb eines Gesetzes wird als innertatbestandliche Analogie425 oder auch als verschleierte Gesetzesumgehung426 be422 Siehe zur Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung Kap. D. VIII. 3. 423 Stöckel, Gesetzesumgehung und Umgehungsgesetze im Strafrecht, S. 143. 424 Wiedemeyer, Theoretische Begründung und praktische Durchführung des strafrechtlichen Analogieverbots, S. 5. 425 Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, § 86a Rn. 4; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 40; BT-Drucksache 16/3641, 14; Baumann/Eisele/Weber/Eisele, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 7 Rn. 22. 426 Stöckel, Gesetzesumgehung und Umgehungsgesetze im Strafrecht, S. 145; Bruns, GA 1986, 1, 14; J. Vogel, in: Bausteine des europäischen Wirtschaftsstrafrecht, S. 151,

V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot

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zeichnet. Unter den Begriff der innertatbestandlichen Analogie fallen, neben anderen gesetzlichen Regelungen, insbesondere die Öffnungsklauseln im Strafrecht.427 Diese ermöglichen gerade die Anwendung einer Norm über die konkret genannten Handlungsweisen hinaus. Dass der Gesetzgeber keine allgemeine Analogieerlaubnis erteilen darf, ist unter den Befürwortern des Analogieverbotes unstreitig, unabhängig davon, was unter einer Analogie genau verstanden wird.428 Daraus ergibt sich, dass gesetzgeberisch angeordnete Analogiebefugnisse nicht unproblematisch sind, es kann aber nicht zwingend geschlossen werden, dass solche Analogiebefugnisse immer und überall unzulässig sind. a) Vereinbarkeit einer innertatbestandlichen Analogie mit dem Analogieverbot Zum Teil wird die Verwendung von innertatbestandlichen Analogien im Strafrecht begrüßt und deren Verwendung für unerlässlich befunden.429 Dabei handele es sich lediglich um die Ermittlung des Willens des Gesetzgebers anhand eines Analogieschlusses.430 Dies könne nicht allein aufgrund der Einstufung als wertende Tätigkeit der Richter*innen abgelehnt werden. Denn auch die Auslegung von Gesetzen stellt insbesondere bei normativen Begriffen eine wertende Tätigkeit dar.431 Selbst wenn es sich beim methodischen Vorgehen im Rahmen der Anwendung von innertatbestandlichen Analogien um einen Analogieschluss handele, könne dieser nicht unzulässig sein, wenn dieser noch vom Wortlaut der Norm erfasst werde.432 Außerdem handle es sich bei der innertatbestandlichen 151 ff., trotz unterschiedlicher Bezeichnung und unterschiedlicher Anknüpfungspunkte wird damit die gleiche Problematik bezeichnet, der Einfachheit halber wird im nachfolgenden die Bezeichnung innertatbestandliche Analogie verwendet; kritisch zur Bezeichnung, vgl. Schröder, Zum Begriff der Gesetzesumgehung im materiellen Strafrecht und seiner Bedeutung für die praktische Anwendung des Rechts, S. 149 f. 427 So für den Fall von § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB, vgl. Mosbacher, NStZ 2007, 668; BT-Drucksache 16/3641, 14, wobei die innertatbestandlichen Analogien hier als verfassungsrechtlich zulässig erklärt werden; außerdem Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 40; aber auch verwendet in Bezug auf § 86a Abs. 2 S. 2 StGB, vgl. Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, § 86a Rn. 4; Lackner/Kühl/Heger § 315 Rn. 6. 428 Eschelbach/Krehl, in: FS-Kargl, S. 81, 90. 429 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 40; M. E. Mayer, Der Allgemeine Teil des deutschen Strafrechts, S. 27, weist aber auch darauf hin, dass es Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Unterscheidung einer Analogie intra legem und praeter legem geben kann; so im Ergebnis wohl auch Kratzsch, GA 1971, 65, 74; Obermann, Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr, S. 166 f. 430 M. E. Mayer, Der Allgemeine Teil des deutschen Strafrechts, S. 27. 431 Wiedemeyer, Theoretische Begründung und praktische Durchführung des strafrechtlichen Analogieverbots, S. 17. 432 Wiedemeyer, Theoretische Begründung und praktische Durchführung des strafrechtlichen Analogieverbots, S. 19.

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Analogie schon ohnehin nicht um eine Analogie, sondern immer nur um eine Form der Auslegung.433 Des weiteren müsse dem Gesetzgeber die Verwendung einer innertatbestandlichen Analogie gestattet sein, wenn ihm auch die Verwendung von Generalklauseln möglich sei. Denn auch dort sei eine wertende Tätigkeit des Rechtsanwenders erforderlich.434 Überdies sei ein Verstoß gegen das Analogieverbot nur dann anzunehmen, wenn die Rechtsfindung anhand eines Ähnlichkeitsschlusses außerhalb der Norm vorgenommen werde.435 Diese Ansicht greift allerdings zu kurz. Sie übersieht, dass auch nicht jede Generalklausel ohne Weiteres verwendet werden kann. Auch dieser sind verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt. Außerdem besteht ein bereits aufgezeigter Qualitätsunterschied zwischen Öffnungsklauseln und Generalklauseln.436 Überdies muss beachtet werden, dass auch für die innertatbestandliche Analogie437 bzw. die Lückenschließung intra legem Art. 103 Abs. 2 GG die äußere Grenze zieht. Grundsätzlich ist man hier aber auch auf die Gesetzesauslegung durch Richter*innen angewiesen.438 Die Entscheidung, ob eine Handlung vergleichbar i. S. v. gleichwertig ist, bedarf auch immer einer Wertentscheidung der Rechtsanwender*innen, es handelt sich infolgedessen immer um eine subjektiv geprägte Entscheidung.439 Eine solche Wertung trägt gezwungenermaßen einen Unsicherheitskoeffizienten in sich. Dies spricht dafür, dass das in Art. 103 Abs. 2 GG normierte Analogieverbot sich auch auf die innertatbestandliche Analogie bezieht. Das Analogieverbot will gerade verhindern, dass Menschen für ein Verhalten bestraft werden, dessen Sanktionierung sich nicht aus dem Gesetz selbst ergibt und infolgedessen nicht vorhersehbar war. Es ist außerdem zu beachten, dass bei innertatbestandlichen Analogien die Gefahr einer uneinheitlichen Rechtsanwendung besonders hoch ist und die Konturen der Gesetze unklarer werden, weil auch hier die Rechtsanwender*innen und nicht der Gesetzgeber über die Strafbarkeit entscheiden.440

433

Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, S. 223 f. Obermann, Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr, S. 166 f. 435 Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, S. 223 f. 436 Siehe dazu in dieser Arbeit Kap. B. II. 437 Wenn Kirsch empfiehlt, statt vom Begriff des Analogieverbotes von einer Abgrenzung zwischen „erlaubter Rechtsanwendung intra legem und verbotener Rechtsanwendung prater legem“ zu sprechen, legt dies den Verdacht nahe, dass Kirsch damit eine innertatbestandliche Analogie für zulässig hält, vgl. Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 174; soweit ersichtlich erstmals bei M. E. Mayer, Der Allgemeine Teil des deutschen Strafrechts, S. 27. 438 Noll, JZ 1963, 297. 439 Wiedemeyer, Theoretische Begründung und praktische Durchführung des strafrechtlichen Analogieverbots, S. 15 f. 440 Zustimmend: Baumann/Weber/Mitsch/Eisele/Eisele, Strafrecht AT, § 7 Rn. 22; im Ergebnis dennoch die exemplifizierende Methode befürwortend Noll, JZ 1963, 297, 300 f. 434

V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot

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Dem wird entgegengehalten, dass heute weniger die Rechtssicherheit als vielmehr das erhöhte Bedürfnis nach Gerechtigkeit von Bedeutung ist.441 Demzufolge stehen auch Regelbeispiele und andere innertatbestandliche Analogien, wie Öffnungsklauseln, im Einklang mit Art. 103 Abs. 2 GG. Dies ergibt sich auch daraus, dass die Anweisung zur analogen Anwendung vom Gesetzgeber selbst kommt.442 Es handelt sich dabei um eine durch den Gesetzgeber „legalisierte Analogie“443 Außerdem soll die den Öffnungsklauseln vorgelagerte exemplifizierende Methode gerade genaue Argumentationsspielräume vorgeben.444 Überdies wird im Rahmen der Regelbeispiele445 eine solche Art der Gesetzgebung und die dort verwendete innertatbestandliche Analogie für zulässig erachtet.446 Die gilt zumindest für die Vereinbarkeit mit dem Analogieverbot. Infolge der grundsätzlich kasuistischen Gesetzesfassung kombiniert mit einer Generalklausel im Rahmen der Regelbeispiele soll die Möglichkeit der innertatbestandlichen Analogie einen flexibleren Umgang mit dem Strafmaß ermöglichen, um zu vermeintlich gerechteren Ergebnissen zu kommen.447 Der Gefahr ausschweifender Wertungsspielräume für den Rechtsanwender werde durch die Eingrenzung anhand der genannten Regelbeispiele begegnet.448 Ohnehin sei in diesen Fällen das Analogieverbot nicht einschlägig, da es sich bei den Voraussetzungen der Strafzumessungsregeln nicht um Tatbestandsmerkmale handele und mithin nur die Strafzumessung und nicht die Entscheidung über die Strafbarkeit als solche geregelt werde.449 Es handele sich folglich um einen „zulässigen Analogieschluss“.450 Dass aber auch die Handhabung dieser gerade nicht geregelten Fälle

441 „Bei Schaffung des StGB wurde dem Gedanken der Rechtssicherheit eine wesentlich größere Bedeutung beigemessen als heute“, vgl. Schönke/Schröder/Hecker, § 1, Rn. 29. 442 Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 29; LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 270. 443 LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 29. 444 LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 271. 445 Zur Regelbeispielstechnik im Strafrecht vgl. Blei, in: FS-Heinitz, 2017, S. 419; zur Diskussion über die Anwendung der Regelbeispielstechnik bei Qualifikationstatbeständen vgl. Dietmeier, ZStW 110 (1998), 393; Wessels, FS-Maurach, S. 295. 446 Kaufmann, Analogie und „Natur der Sache“, S. 28; Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, S. 237; Wessels, in: FS-Maurach, S. 295, 300; Noll, JZ 1963, 297, 301, ohne nähere Begründung; Arzt, JuS 1972, 515, wenn sich der Analogieschluss nur auf einzelne Tatbestandsmerkmale bezieht; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 73, der diese Regelungstechnik schon gar nicht als vom Analogieverbot betroffen sieht; ablehnend Calliess, NJW 1998, 929, 935, der einen Verstoß gegen das Analogieverbot nur durch eine verfassungskonforme Auslegung der Regelbeispiele erreicht, die wiederum keine Anwendung der Regelbeispiele über die gesetzlich ausdrücklich geregelten Fälle ermöglicht. 447 Maiwald, NStZ 1984, 433. 448 Maiwald, NStZ 1984, 433, 434. 449 Wessels, in: FS-Maurach, S. 295, 300. 450 Wessels, in: FS-Maurach, S. 295, 300.

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

unklar sein kann, zeigt sich bereits daran, dass die Anwendung der sog. unbenannten besonders schweren Fälle in besonderem Maße von der richterlichen Wertung abhängig ist. Auch bei diesen wird eine vergleichbare exemplifizierende Methode genutzt, die eine erhöhte Wertungskomponente für die Judikative enthält.451 Denn die Fassung der Regelbeispiele ermöglicht es, nicht genannte, aber vergleichbare Fälle ebenso zu erfassen, sodass es bereits hier zu einer uneinheitlichen Rechtsanwendung kommen kann. Auf diese Weise verschwimmen die Konturen der Gesetzesanwendung, was eine erhöhte Rechtsunsicherheit zur Folge hat. Denn es herrscht bereits Uneinigkeit darüber, ob die Annahme eines unbenannten besonders schweren Falles durch eine „Gesamtabwägung besonders schwerer Umstände“452 begründet werden kann oder ob die Tatumstände zumindest dem „Sinn“453 der zuvor genannten Regelbeispiele entsprechen muss. Dieser Konflikt legt zumindest nahe, dass sich diese Unsicherheit in der Rechtsanwendung auch im Rahmen von Öffnungsklauseln zeigt. Diese resultiert aber erkennbar aus der Aufgabenverlagerung auf die Judikative, die Strafbarkeit von Verhaltensweisen abschließend selbst zu bestimmen. Deutlich wird, dass sich hier eine mit dem Analogieverbot vergleichbare Konfliktlage zeigt: In beiden Fällen ist eine Bestrafung nur aufgrund des Ähnlichkeitsschlusses möglich, was eine Erkennbarkeit des strafbaren Verhaltens einschränkt. Kennzeichnend für Öffnungsklauseln ist aber, dass hier die Aufforderung zu einem Ähnlichkeitsschluss vom Gesetzgeber selbst vorgenommen wird. Der Kritik am Einsatz von innertatbestandlichen Analogien ist zuzugeben, dass bereits unklar ist, ob heute wirklich das Interesse nach gerechten Entscheidungen im Einzelfall dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und der Einhaltung der Ge-

451 MüKo-StGB/Schmitz, § 234 Rn. 7; Schönke/Schröder/Bosch, § 234 Rn. 42a, bei der Anwendung ist bereits umstritten, inwieweit die Indizwirkung der Regelbeispiele durch eine Gesamtwürdigung von Unrecht und Schuld widerlegt werden kann; Wessels, in: FS-Maurach, S. 295, 301; Maiwald, NStZ 1984, 433, 439. 452 Auf eine Gesamtwürdigung stellt insbesondere die Rechtsprechung ab, vgl. exemplarisch BayObLG, Beschl. v. 13.03.1980 – RReg. 1. St 535/79 = NJW 1980, 2207; OLG Stuttgart, Beschl. v. 29.10.1984 – 1 Ss 672/84; OLG Dresden, Beschl. v. 12.03. 2015 – 2 OLG 22 Ss 14/15 = NStZ-RR 2015, 211, 212; Maiwald, in: FS-Gallas, S. 158, mit Verweis auf die daraus erwachsenden Konsequenzen, etwa dass auch das Vorliegen von Vorstrafen zur Annahme eines besonders schweren Falles herangezogen werden kann; Fischer-StGB, § 46 Rn. 89, 93, spricht Regelbeispielen auch eine sog. „Analogiewirkung“ zu; außerdem exemplarisch zu unbenannten besonders schweren Fällen, vgl. Fischer-StGB, § 243 Rn. 23. 453 So zumindest MüKo-StGB/Schmitz, § 234 Rn. 61, der auf diesem Wege sicherstellen will, dass die gesetzgeberische Wertung Einzug in die Einzelfallentscheidung findet; ebenso Schönke/Schröder/Eser/Bosch, § 234 Rn. 42a, der auch ausdrücklich von einer Analogie spricht; Wessels, in: FS-Maurach, S. 295, 303 f., der darauf verweist, ob sich die Tat anhand eines konkreten Schlagwortes typisieren lässt; ebenfalls kritisch Otto, JZ 1985, 21, 24.

V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot

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waltenteilung überwiegt.454 Selbst wenn das der Fäll wäre, müsste der Gesetzgeber dieser Entwicklung durch eine Verfassungsänderung Rechnung tragen. Es ist hingegen nicht Aufgabe des einfachen Rechts, die Entwicklungen in Bezug auf eine verfassungsrechtliche Vorschrift umzusetzen, ohne dass dabei verletzte verfassungsrechtliche Vorschriften geändert werden.455 Einschränkend kann nur kollidierendes Verfassungsrecht wirken. Hier könnte die Effektivität der Strafverfolgung in Betracht kommen.456 Die Grundlage des Grundsatzes befindet sich aber weniger im materiellen Strafrecht als vielmehr im Strafprozessrecht.457 Auch ist hier zweifelhaft, ob diese Art der Gesetzgebung durch eine Erweiterung des Anwendungsbereich wirklich zu mehr Effektivität führen würde, zumal sich das Gebot in erste Linie auf die konkrete Strafverfolgung von Taten bezieht und weniger auf die Schaffung von Straftatbeständen.458 Anzudenken wäre, ob nicht vielmehr ein „weniger“ an Strafrecht zu einer Effizienzsteigerung führen könnte.459 Demzufolge kann die Effektivität der Strafrechtspflege nicht pauschal, ohne Nachweis einer tatsächlichen Effizienzsteigerung, als kollidierendes Verfassungsrecht herangezogen werden. Ein Bedarf an mehr Flexibilität kann den Einsatz innertatbestandlicher Analogien nicht begründen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass innertatbestandliche Analogien einen Verstoß gegen das Analogieverbot darstellen. Wenn, wie oben bereits dargestellt, eine Bindung des Gesetzgebers an das Analogieverbot nicht angenommen wird, dann resultiert daraus auch, dass ein Verstoß der gesetzlichen Anordnung, wie sie auch bei Öffnungsklauseln vorgenommen wird, nicht gegen das Analogieverbot verstoßen kann. Daraus wiederum folgt aber nicht, dass der Einsatz von Öffnungsklauseln verfassungsrechtlich vollumfänglich unbedenklich ist.

454

So aber Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 29, unter Verweis darauf, dass der Gesetzgeber in der Vergangenheit alle Straferhöhungsgründe abschließend regelte und nun durch Regelbeispiele den Spielraum der Gerichte zugunsten der Einzelfallgerechtigkeit erhöht hat, ob daraus aber von einer Werteverschiebung von Rechtssicherheit in Richtung der Einzelfallgerechtigkeit ausgegangen werden kann, ist zumindest zweifelhaft. 455 Ransiek, in: FS-Tiedemann, S. 171, 184. 456 Die Rechtsprechung sieht in dessen Gewährleistung einen Grundsatz von Verfassungsrang, der sich aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG ergibt, vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 01.10.1987 – 2 BvR 1434/86 = BVerfGE 77, 65 = NJW 1988, 329; aus der jüngsten Rechtsprechung vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.01.2020 – 2 BvR 1763/16 = NJW 2020, 675 457 Soweit ersichtlich erstmals und mit ausdrücklichem Verweis auf die Strafverfahrensziele: BVerfG, Beschl. v. 19.07.1972 – 2 BvL 7/71 = BVerfGE 33, 367, 383 = NJW 1972, 2214. 458 Vgl. dazu insbesondere innerhalb dieser Arbeit Kap. B.; vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 15.01.2020 – 2 BvR 1763/16 = NJW 2020, 675, 677: „Die verfassungsrechtliche Verpflichtung zu effektiver Strafverfolgung bezieht sich auf das Tätigwerden aller Strafverfolgungsorgane.“ 459 So wohl auch P.-A. Albrecht, KritV 1996, 330, 332 ff. mit Vorschlägen zur Entkriminalisierung.

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

b) Konsequenz für den Einsatz von Öffnungsklauseln im Strafrecht Schon der Begriff der innertatbestandlichen Analogie ist – zumindest in Hinblick auf die Verwendung von Öffnungsklauseln – irreführend. Es wird gerade ein Sachverhalt auf die Norm angewendet, der eben nicht vom regulären Wortlaut erfasst ist, sondern erst durch die Öffnung eben jener, die bewusst durch den Gesetzgeber angeordnet wurde.460 Ein eigentlich außerhalb des kasuistisch gefassten Teils des Tatbestandes liegender Sachverhalt wird unter die Norm subsumiert bzw. subsumierbar gemacht. Dennoch wird vertreten, dass es sich bei Öffnungsklauseln schon begrifflich nicht um einen Fall einer analogen Rechtsanwendung handele und folglich auch kein Verstoß gegen das Analogieverbot – auch nicht in modifizierter Form – vorliegen könne.461 Die analoge Anwendung fordert immer eine planwidrige Regelungslücke462 und an einer solchen Planwidrigkeit fehlt es gerade. Der Gesetzgeber hat in solchen Fällen bewusst einen ungeregelten Bereich hinterlassen. Es fehlt auch an der für die Analogie kennzeichnenden Überschreitung des Wortlautes, da hier der Wortlaut der Norm gerade keine Beschränkung darstellt.463 Außerdem wird in diesen Fällen nur der Regelungsbereich einer Norm durch einen Vergleichsschluss konkretisiert. Die Konkretisierung findet folglich innerhalb des Regelungsrahmens statt und somit liegt kein Fall verbotener Analogien vor.464 Vielmehr besteht aufgrund der enumerativen Aufzählung eine erhöhte Bindung der Rechtsanwender*innen.465 Zunächst kann festgestellt werden, dass es sich bei den für Öffnungsklauseln typischen Formulierungen um eine Aufforderung an die Rechtsprechung handelt, bei Bedarf einen Ähnlichkeitsschluss zu ziehen, der über die explizit genannten Verhaltensweisen hinausgeht. Das ergibt sich bereits aus der Bezeichnung „Öffnungsklauseln“.466 Wenn ein Tatbestand für vergleichbare Handlungen geöffnet wird, dann wird er gerade für einen Ähnlichkeitsschluss geöffnet, der die Anwendung bei zuvor gesetzlich nicht geregelten Fällen ermöglicht. Folglich handelt es 460 So im Ergebnis auch Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 192, wenn er davon spricht, dass der „Gesetzgeber den Rechtsanwender nicht seinerseits zur Analogie ermächtigen darf“. 461 Im Ergebnis Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 24 ff., der so gefasste Normen (zumindest für den Bereich der Normen des BGB) unter den Bereich der Rechtsfindung secundum legem einordnet; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 70b. 462 LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 252; Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 25; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 24; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaften, S. 381 f. 463 Schick, in: FS-Walter, S. 625, 74 f.; Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 193. 464 Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, S. 225; Eschelbach/Krehl, in: FS-Kargl, S. 81, 87. 465 Ransiek, FS-Tiedemann, S. 171, 184. 466 So auch Klug, Juristische Logik, S. 114.

V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot

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sich bei der Anwendung von Öffnungsklauseln auf den konkreten Einzelfall technisch auch um eine analoge Rechtsanwendung, auch wenn diese innerhalb des Tatbestandes erfolgt.467 Daraus folgt aber nicht zugleich, dass die gesetzliche Regelung automatisch auch gegen das Analogieverbot verstößt. Der zuvor angebrachte Verweis auf die fehlende Regelungslücke kann zwar nicht überzeugen,468 führt aber auch nicht ohne Weiteres zu einem Verstoß gegen das Analogieverbot. Die Regelungslücke bildet nur dort die Voraussetzungen für die Anwendung einer Analogie, wo eine solche nicht von vorneherein durch das Grundgesetz ausgeschlossen ist. Im Strafrecht sind keine Analogien möglich. Die planwidrige Regelungslücke ist gerade nur Voraussetzung einer wirksamen Analogie in anderen Rechtsbereichen und kein Kennzeichen der Analogie als solche. Analogien kann es auch außerhalb dieser Voraussetzungen geben. Dies führt nur zur Unwirksamkeit des Ähnlichkeitsschlusses. Dadurch bedarf es auch nicht der Voraussetzungen einer planwidrigen Regelungslücke und einer vergleichbaren Interessenlage. Gegen einen Verstoß von innertatbestandlichen Analogien gegen das Analogieverbot wird auch vorgebracht, dass hier konsequenterweise nichts anderen gelten könne als für die Bewertung der Regelbeispiele, da es sich auch bei Öffnungsklausel um die Verwendung eben jener Regelbeispielstechnik handele.469 Ein solch pauschaler Verweis auf die Vereinbarkeit von Regelbeispielen mit dem Analogieverbot kann allerdings nicht überzeugen. Zum einen handelt es sich bei Regelbeispielen und Öffnungsklauseln um unterschiedliche Regelungsbereiche. Zum anderen ist, wie bereits dargelegt, auch umstritten, ob die Regelbeispielstechnik einen Verstoß gegen das Analogieverbot darstellt. Zum Teil wird die Zulässigkeit der innertatbestandlichen Analogie in Form von Öffnungsklauseln daran angeknüpft, ob der restliche Gesetzeswortlaut eine ausreichende Grundlage für eine gesicherte Auslegung bietet.470 Das setzt voraus, dass die anderen beschriebenen Handlungsweisen untereinander Ähnlichkeiten aufweisen, damit überhaupt aufgrund des gesamten Wortlautes ein analogisches Schlussverfahren möglich ist.471 Die Problematik der Öffnungsklauseln 467 So auch Jescheck, in: Niederschriften über die Große Strafrechtskommission, S. 268; angedeutet auch Rackow, GA 2008, 552, 565. 468 So im Ergebnis auch Kirsch, Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs, S. 193, wenn er dann aber auf die sprachlich-gesetzestechnisch möglichen Grenzen verweist, verkennt er dabei, dass es sich um ein Problem des Bestimmtheitsgrundsatzes handelt. 469 Maiwald, NStZ 1984, 433, 434 f., der von einer zwingenden, aber nicht abschließenden Aufzählung spricht. 470 So auch im Ergebnis Greco, GA 2012, 452, 466, der darauf abstellt, ob das Öffnungsmerkmal „genügend eigenständige Merkmale enthält“, sodass allein darunter subsumiert werden kann. Im Ergebnis lehnt Greco die Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot ab. 471 Kühl, in: FS-Seebode, S. 61, 71.

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

liegt aber weniger in einer fehlenden Vorhersehbarkeit oder fehlenden Orientierungsgrundlage als in der gesetzgeberischen Anordnung an sich. Es findet hier gerade eine bewusste Aufgabenverlagerung der Legislative auf die Judikative statt. Auf diese Weise berühren Öffnungsklauseln, wie aufgezeigt, zumindest Teilaspekte des Analogieverbotes. Das Analogieverbot dient gerade auch der Sicherung des Grundsatzes der Gewaltenteilung und der Gesetzesbindung. Es soll gerade verhindern, dass die abstrakte Entscheidung über strafbares Verhalten von den Rechtsanwender*innen selbst getroffen werden und sie damit eine ureigene Aufgabe der Legislative wahrnehmen. Vielmehr soll das strafbare Verhalten abschließend in den vom Gesetzgeber geschaffenen Tatbeständen zum Ausdruck kommen. Es handelt sich bei Öffnungsklauseln um die Befugnis des Gesetzgebers, innertatbestandliche Analogien zu bilden. Diese Art der Gesetzgebung verstößt nicht gegen das Analogieverbot, dass sich seinem Sinn und Zweck nach an die Judikative richtet und nicht an die Legislative. Dennoch berühren Öffnungsklauseln das Analogieverbot insoweit, als der Gesetzgeber hier die Möglichkeit eines Ähnlichkeitsschlusses anordnet. Die Rechtsanwender*innen wird gesetzgeberisch gestattet, auch solche Fälle unter die Norm zu subsumieren, die vom Gesetzgeber nicht in das Gesetz aufgenommen wurden. Es fehlt insoweit an einer Legitimationskette zwischen Norm und Einzelfallentscheidung, weil es bereits an einem vom Gesetzgeber geäußerten Willen fehlt bzw. sich dessen Wille in der (unzulässigen) Aufgabenübertragung erschöpft.472 Auf diese Weise ist der Grundsatz der Gewaltenteilung verletzt, dessen Schutz auch das Analogieverbot dient. Das Analogieverbot ist mangels Adressierung an den Gesetzgeber hingegen nicht verletzt. 5. Gesamtergebnis Als verfassungsrechtlich normierter Grundsatz kommt dem Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG eine erhebliche Bedeutung zu. Durch die primäre Funktion der Bindung der Richter*innen an das geschriebene Recht, garantiert das Verbot der analogen Gesetzesanwendung Rechtssicherheit für die Bürger*innen und auch dient es der Aufrechterhaltung der Gewaltenteilung, indem es die Befugnis zur Rechtsfortbildung einschränkt. Auch wenn die Abgrenzung bzw. das Verhältnis zwischen unzulässiger Analogie und zulässiger Gesetzeskonkretisierung umstritten ist, kann hier festgehalten werden, dass es zumindest aus einer pragmatischen Sicht eine solche Unterscheidung gibt: Danach kann es dahinstehen, ob es für diese Unterscheidung auf den Wortlaut oder den Sinn und Zweck ankommt. Vielmehr ist für die vorliegende

472

Siehe dazu innerhalb dieser Arbeit Kap. D. VIII.

V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot

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Untersuchung entscheidend, dass ein solcher Unterschied im Rahmen der richterlichen Argumentation ausgemacht werden kann. Danach macht es einen Unterschied, ob die Entscheidung, einen Fall unter eine Norm zu subsumieren richterlich mit einer Konkretisierung der Norm begründet wird, oder damit, dass die Norm auf vergleichbare Fälle angewendet wird, denn das Analogieverbot verbietet gerade einen täterbelastenden Ähnlichkeitsschluss. Es gibt also zumindest auf dieser Ebene einen erkennbaren Unterschied zwischen der Konkretisierung von Normen und Analogien. Daraus ergibt sich, dass es einen Unterschied macht, ob der Gesetzgeber Generalklauseln verwendet oder einen Ähnlichkeitsschluss ermöglicht. Dennoch ist zu beachten, dass sich das Analogieverbot mit seiner Schutzfunktion des Gewaltenteilungsgrundsatzes nicht an den Gesetzgeber richtet, sondern an die Rechtsanwender*innen. Bei Öffnungsklauseln handelt es sich um eine sog. innertatbestandliche Analogie, die einen Vergleichsschluss innerhalb eines Tatbestandes vorsieht. Die gesetzlich angeordnete Befugnis, die Norm auch auf vergleichbare Fälle anzuwenden, stellt keinen Verstoß gegen das Analogieverbot dar. Vielmehr entsteht auch hier der Konflikt auch hier an einer anderen Stelle: Diese Legislativentscheidung ordnet gesetzlich eine Anwendung der Norm auf nicht näher geregelte Fälle an. Die Legislative gibt eine, über die gewöhnliche Konkretisierung des Rechts, hinausgehende Möglichkeit zur Rechtsschaffung. Insoweit überträgt die Legislative eine ihrer Kernaufgaben an die Judikative und bietet ihr in besonderem Maße die Möglichkeit zur Korrektur und Fortentwicklung des Rechts. Es fehlt insoweit an einer Legitimationskette zwischen Norm und Einzelfallentscheidung, weil es bereits an einem vom Gesetzgeber geäußerten Willen fehlt. Auf diese Weise berühren Öffnungsklauseln insbesondere die dem Analogieverbot zugrunde liegenden Schutzgüter, wie den Gewaltenteilungsgrundsatz und den Grundsatz der Gesetzesbindung. Eine einfachgesetzliche Regelung umgeht so die im Gewaltenteilungsgrundsatz zum Ausdruck kommende Grundsatzentscheidung, dass die Entscheidung über die Strafbarkeit von Verhaltensweisen vom Gesetzgeber geschaffen werden muss und auch Gerechtigkeitserwägungen im Einzelfall die Kompetenz nicht auf die Judikative verlagern kann. Diese Wertentscheidung wirkt im Analogieverbot fort. An der hier betroffenen Stelle überschneiden sich auch das Analogieverbot und der Grundsatz der Gesetzesbindung: Denn gerade in diesem Bereich der Kompetenzverschiebung zwischen Judikative und Legislative verstärkt das Analogieverbot diesen Grundsatz der Gesetzesbindung. Dabei erscheint der Grundsatz der Gesetzesbindung strenger als das Analogieverbot: Nicht jede Überschreitung der Gesetzesbindung muss zwingend einen Verstoß gegen das Analogieverbot darstellen. Öffnungsklauseln verstoßen somit nicht generell gegen das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG.

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot Neben dem Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit und dem Analogieverbot enthält Art. 103 Abs. 2 GG auch eine Regelung in Bezug auf die zeitliche Komponente der Strafbestimmung.473 Das Rückwirkungsverbot ergibt sich direkt aus dem Wortlaut des Art. 103 Abs. 2 GG und wird durch § 2 StGB konkretisiert. Danach kann eine Bestrafung nur aus einer Norm erfolgen, die bestand „bevor die Tat begangen wurde“.474 Es richtet sich nach Sinn und Zweck (dazu unter 1.) zuvorderst an den Gesetzgeber (dazu unter 2.) und verbieten es dem Gesetzgeber, ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten nachträglich unter Strafe zu stellen. Öffnungsklauseln stellen nicht ausdrücklich ein in der Vergangenheit liegendes und zum damaligen Zeitpunkt noch nicht strafbares Verhalten unter Strafe, sodass ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot seinem klassischen Verständnis nach augenscheinlich ausscheidet. Allerdings kann die Anwendung einer Öffnungsklausel auf den konkreten Einzelfall dazu führen, dass ein Verhalten bestraft wird, dessen Strafbarkeit zum Zeitpunkt der Tatbegehung (noch) nicht erkennbar war. Dadurch entsteht eine vergleichbare Konfliktlage wie bei der klassischen Anwendung des Rückwirkungsverbotes. Um einen Verstoß zu begründen, müsste das Rückwirkungsverbot (analog) auch auf die Rechtsprechung anwendbar sein (dazu unter 3.), was wiederum eine planwidrige Regelungslücke (dazu unter 3. b) aa)) und eine vergleichbare Interessenlage voraussetzt (dazu unter 3. b) bb)). Im Gegensatz zum klassischen Rückwirkungsverbot kann der Problematik einer rückwirkenden Rechtsprechungsänderung durch die Anwendung der sog. „von-nun-an“-Rechtsprechung begegnet werden (dazu unter 3. d)). Dieser Lösungsansatz kann auch auf die erstmalige Anwendung von Öffnungsklauseln übertragen werden (dazu unter 3. d) bb). 1. Sinn und Zweck des Rückwirkungsverbotes Anders als das allgemeine Rückwirkungsverbot aus Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 20 Abs. 3 GG ist das Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG keiner Abwägung zugänglich und in seiner Schutzwirkung grundsätzlich absolut.475 Das wie473 Wolff, in: Handbuch der Grundrechte, § 134 Rn. 104 ff.; historisch zum Rückwirkungsverbot vgl. Schöckel, Die Entwicklung des strafrechtlichen Rückwirkungsverbotes bis zur französischen Revolution, S. 55. 474 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 32. 475 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 122; BVerfG, Urt. v. 05.02.2004 – 2 BvR 2029/01 = BVerfGE 109, 133, 172 = NJW 2004, 739; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 50 f.; Sodan, Art. 103 Rn. 22; problematisch ist die Absolutheit des Rückwirkungsverbotes insbesondere im Bereich der Aufarbeitung systematischen Unrechts, vgl. dazu Alexy, Mauerschützen, S. 30 ff.; Sachs/Degenhart, Art. 103 Rn. 74; ausführlich Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 121 ff.; Jarass/Pieroth/Kment/ Kment, Art. 103 Rn. 74; Bonner-Kommentar GG/Pohlreich, Art. 103 Abs. 2 Rn. 107;

VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot

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derum bedeutet, dass das Rückwirkungsverbot nicht aufgrund von Erwägungen zur materiellen Gerechtigkeit umgangen werden kann.476 Anders als die anderen Garantien des Art. 103 Abs. 2 GG wird das Rückwirkungsverbot nicht durch das Demokratieprinzip legitimiert, sondern durch die Rechtsicherheit der Bürger*innen, die sich wiederum aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitet.477 Diesem strengeren Rückwirkungsverbot können zwei Schutzrichtungen entnommen werden: Zum einen dient das Rückwirkungsverbot dem Schutz vor einer Bestrafung für eine Handlung, die zum Zeitpunkt der Tatbegehung noch nicht durch ein Strafgesetz mit Strafe bedroht war, sorgt damit für eine Berechenbarkeit staatlichen Strafens und trägt damit augenscheinlich auch dem Strafzweck der positiven Generalprävention Rechnung.478 Zum anderen wird aber die Person, die gegen ein Strafgesetz, das zum Tatzeitpunkt bereits in Kraft getreten war, auch davor geschützt, dass die Tat mit einer höheren Strafe sanktioniert wird, als dies zum Tatzeitpunkt gesetzlich vorgesehen war.479 Entscheidend ist, ob die Bürger*innen ihr Verhalten „eigenverantwortlich so ein[. . .]richten können, dass es nicht zu einer Bestrafung kommt“.480 Dafür ist es essentiell, dass die Strafbarkeit zeitlich vor der Tatbegehung normiert war.481 In Bezug auf diese Dimension kommt es also nicht auf den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges sondern auf die Ausführungshandlung an.482 Das damit verbundene Verbot der nachträglichen Erhöhung des Strafrahmens wird unter anderem damit begründet, dass die Steuerungsfähigkeit von Strafnormen auch mit der konkreten Ausgestaltung der Sanktion zusammenhängt.483 Auf ein tatsächlich getätigtes Vertrauen Stern/Becker-GG/Brüning, Art. 103 Rn. 79, der darauf verweist, dass die Absolutheit nur für das materielle Recht gilt; Wolff-GG/Wolff, 103 Abs. 2 Rn. 17; Sachs/Degenhart, Art. 103 Rn. 71. 476 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 122, 133 ff.; Bonner-Kommentar GG/Pohlreich, Art. 103 Abs. 2 Rn. 107; Wolff, in: Handbuch der Grundrechte, § 134 Rn. 102, der auch eine Anwendung bei Verstößen gegen das Völkerrecht ablehnt; ebenso: Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 52. 477 Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 138; Straßburg, ZStW 82 (1970), 948, 956. 478 Zur Berechenbarkeit siehe auch Ranft, JuS 1992, 468, 470. 479 Erstmals BVerfG, Beschl. v. 26.02.1969 – 2 BvL 15, 23/68 = BVerfGE 25, 269, 285 = NJW 1969, 1059; Stern/Becker-GG/Brüning, Art. 103 Rn. 77; Wolff-GG/Wolff, Art. 103 Abs. 2 GG Rn. 17; Sachs/Degenhart, Art. 103 Rn. 71; Mangoldt/Klein/Starck/ Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 119; Straßburg, ZStW 82 (1970), 948; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 51; Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 121; Sodan, Art. 103 GG, Rn. 22. 480 BVerfG, Urt. v. 05.02.2004 – 2 BvR 2029/01 = BVerfGE 109, 133, 172 = NJW 2004, 739. 481 Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 216; Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 120; LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 362. 482 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 126. 483 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 121, inwieweit dieser Behauptung empirischen Untersuchungen standhält, ist fraglich.

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

auf den Bestand einer gesetzlichen Regelung kommt es aufgrund der besonderen rechtsstaatlichen Bedeutung des Rückwirkungsverbotes allerdings nicht an,484 denn dem Strafrecht kommt eine sog. Bestimmungsfunktion zu.485 Diese soll verhaltenslenkend wirken, wofür erforderlich ist, dass eine Transparenz bzgl. der unter Strafe stehenden Verhaltensweisen besteht, damit keine übermäßige Einschränkung der Freiheit des Einzelnen erfolgt. Daraus ergibt sich auch, dass sich das Rückwirkungsverbot nur auf Regelungen zu Lasten der Bürger*innen bezieht, die im Gegensatz zu begünstigenden Regelungen tatsächlich zu einer solchen übermäßigen Einschränkung der Freiheit führen könnten.486 Sie sollen in ihrem Verhalten, solange es sich innerhalb der Grenzen des geltenden Rechts bewegt, keine darüber hinausgehende Bestrafung befürchten müssen, wenn diese zum Zeitpunkt der vermeintlichen Tathandlung nicht erkennbar war.487 Nur so kann Strafrecht auch eine verhaltenslenkende Wirkung zukommen, eine nachträgliche Sanktion von Verhaltensweisen kann konsequenterweise keinen Einfluss mehr auf die ursprüngliche Entscheidung zur Tatbegehung haben.488 Damit kommt dem Rückwirkungsverbot insbesondere eine positiv-generalpräventive Funktion zu. Diese Entscheidung des Rückwirkungsverbotes zugunsten der Rechtssicherheit kann in der Konsequenz zur Einbuße von Flexibilität in der Entscheidungsfindung führen.489 2. Adressat*innen des Rückwirkungsverbotes Primär richtete sich das Rückwirkungsverbot gemäß dem soeben erörterten Sinn und Zweck der Norm als sog. „Berechenbarkeitsmaxime“490 an den Gesetzgeber. Dieser muss bei seiner legislatorischen Tätigkeit die Grenzen des Rückwirkungsverbotes achten und darf im Rahmen dessen gerade keine Verhaltensweisen unter Strafe stellen, die zum Zeitpunkt der tatbestandlichen Handlung noch straffrei waren.491 484

Neumann, ZStW 103 (1991), 331, 349. NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 44, spricht von sog. „Bestimmungsnormen“. 486 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 125. 487 BVerfG, Beschl. v. 24.10.1996 – 2 BvR 1851, 1853, 1875, 1852/94 = BVerfGE 95, 96, 131 = NJW 1998, 2889; Wolff, in: Handbuch der Grundrechte, § 134 Rn. 103; Straßburg, ZStW 82 (1970), 948. 488 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 44. 489 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 48, wobei der Verzicht auf Flexibilität hier mit dem Vertrauensschutz begründet wird, inwieweit sich dieser vom Grundsatz der Rechtssicherheit unterscheidet, bleibt offen. 490 Straßburg, ZStW (82) 1970, 948, 966; LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 362; differenzierend und keine Abstufung vornehmend: SSW-StGB/Satzger, § 1 Rn. 55; NKStGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 42; MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 37. 491 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 123; Jarass/Pieroth/Kment/Kment, Art. 103 Rn. 74; Wolff, in: Handbuch der Grundrechte, § 134 Rn. 105; Basak, in: Strafrecht und Verfassung, 2013, 71, 72. 485

VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot

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Allerdings werden daneben auch die Judikative und Exekutive als Adressatinnen des Rückwirkungsverbotes verpflichtet. Es ist ihnen untersagt, Strafgesetze anzuwenden, die gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen. Stattdessen sind sie zur Vorlage des entsprechenden Gesetzes gem. Art. 100 Abs. 1 GG verpflichtet.492 Diese Aufgabenverteilung ist am Grundsatz der Gewaltenteilung orientiert. Unklar bleibt allerdings, ob das Rückwirkungsverbot als Garant für Rechtssicherheit auch eine beschränkende Wirkung auf Rechtsprechungsänderungen ausübt. Eine solche Anwendbarkeit des Rückwirkungsverbotes auf nachträgliche Rechtsprechungsänderungen hat im Ergebnis auch Auswirkung auf die Anwendung von Öffnungsklauseln durch die Judikative. Wenn das Rückwirkungsverbot im Hinblick auf die Rechtssicherheit eine Änderung der Rechtsprechung für ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten untersagt, dann könnte Vergleichbares auch für die erstmalige Anwendung von Öffnungsklauseln durch die Judikative gelten. Sowohl bei nachträglichen Rechtsprechungsänderungen als auch bei der erstmaligen Anwendung von Öffnungsklauseln ist die Bestrafung für die betroffene Person zum Zeitpunkt der Tatbegehung mitunter nicht ersichtlich gewesen. 3. Geltung des Rückwirkungsverbots für die Rechtsprechung Es ist der Verfassung nach unstreitig, dass Gesetzgebung und Rechtsprechung nicht identisch sind, Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG.493 Dennoch lassen sich die Arbeitsbereiche nicht immer eindeutig voneinander trennen und so können Gesetzgebung und Rechtsprechung unter Umständen ihrer Wirkung nach vergleichbar sein: Eine Rechtsprechungsänderung kann für die Betroffenen eine ebenso belastende Wirkung haben wie eine rückwirkende Gesetzesänderung, insbesondere dann, wenn schutzwürdiges Vertrauen getätigt wurde. Infolgedessen kann das Rückwirkungsverbot, wie noch zu zeigen sein wird, auch Wirkung für die Rechtsprechung entfalten, was sich im Ergebnis sowohl auf nachträgliche Rechtsprechungsänderungen als auch auf die erstmalige Anwendung von Öffnungsklauseln auswirkt. Die Rechtsprechung stellt durch die fortlaufendende und gleichbleibende Auslegung von Normen mitunter auch allgemeine Rechtssätze auf und wirkt auf diese Weise an der Rechtsentwicklung mit.494 Ob man auf Grundlage dessen die 492 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 124; Jarass/Pieroth/Kment/Kment, Art. 103 Rn. 74; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 42; SSW-StGB/Satzger, § 1 Rn. 55; MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 37. 493 So auch Haffke, Das Rückwirkungsverbot des Art. 103 II GG bei Änderung der Rechtsprechung zum materiellen Recht, S. 77; zustimmend ebenfalls Kuhlen, JR 2011, 246, 249. 494 Kruse, Das Richterrecht als Rechtsquelle des innerstaatlichen Rechts, S. 4; man beachte dazu z. B. die Konturierung des § 185 StGB durch die Rechtsprechung, vgl. dazu insbesondere BVerfG, Beschl. v. 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91 = BVerfGE 93, 266 = NJW 1995, 3303; so im Ergebnis auch: NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 40.

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Entscheidungen der Gerichte als allgemeine Rechtsquellen qualifiziert,495 kann dahinstehen.496 Wie im Rahmen des Bestimmtheitsgrundsatzes bereits festgestellt, ergibt sich der Anwendungsbereich von Normen nicht vollumfänglich und unmittelbar aus deren Wortlaut, sondern es bedarf immer auch eines Konkretisierungsaktes durch die Judikative.497 Unstreitig trägt die Rechtsprechung aber zur Konkretisierung der Tatbestände und Fortentwicklung des geschriebenen Rechts bei und ist in dieser Funktion auch anerkannt, was sich auch in § 132 IV GVG widerspiegelt.498 Eine gleichbleibende Gesetzesauslegung und -anwendung durch die Gerichte ist gleichwohl nicht institutionell garantiert.499 Anders als Gesetze können Gerichte eine Rechtsprechung jederzeit aufgeben, sie sind insoweit nicht strikt an vorherige Entscheidungen gebunden. Infolge dieser Freiheit einer anderen Rechtsauffassung zu folgen, stellt sich die Frage, ob das Rückwirkungsverbot auch in Bezug auf Rechtsprechungsänderungen Bedeutung erlangt. Auch wenn die gleichbleibende Auslegung von Gesetzen die Regel ist, so kann es doch Fälle geben, in denen eine unvorhergesehene Rechtsprechungsänderung vorgenommen wird. Hier schließt sich ein Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen an, die für die Gesetzgebung ausdrücklich über Art. 103 Abs. 2 GG gelöst wurde. Außerdem es stellt sich die Frage, ob Gerichte eine Rechtsprechung mit Wirkung für die Vergangenheit ändern können. Sollte das Rückwirkungsverbot dies – wenn auch nur in bestimmen Fällen – direkt (dazu unter a)) oder analog (dazu unter b)) untersagen, hat dies auch Auswirkung auf die Handhabung von Öffnungsklauseln durch die Judikative (dazu unter c)). Es handelt sich, wie sogleich aufgezeigt wird, um ein vergleichbares Spannungsfeld, das eine Gleichbehandlung der rückwirkenden Rechtsprechungsänderung und der erstmaligen Anwendung von Öffnungsklauseln erfordert. a) Direkte Anwendung des Art. 103 Abs. 2 GG Eine direkte Anwendung des Rückwirkungsverbot auf die Judikative ist von Art. 103 Abs. 2 GG nicht umfasst. Eine solche direkte Anwendung des Art. 103 Abs. 2 GG auch auf Rechtsprechungsänderungen setzt voraus, dass diese vom Wortlaut der Norm umfasst ist. Das verfassungsrechtlich normierte Gesetzlichkeitsprinzip fordert allerdings dem Wortlaut nach eine gesetzliche Bestimmung vor der Tatbegehung und bezieht sich folglich auf Gesetze.500 Es handelt sich um 495

Siehe dazu Kruse, Das Richterrecht als Rechtsquelle des innerstaatlichen Rechts,

S. 4. 496

So auch Neumann, ZStW 103 (1991), 331, 340. Vgl. dazu innerhalb dieser Arbeit zu Konkretisierung Kap. D. V. 2. 498 Kempf/Schilling, NJW 2012, 1849, 1850. 499 Arndt, Probleme rückwirkender Rechtsprechungsänderung, S. 1; abgesehen von der Vorlagepflicht des § 121 GVG: Bittner, JZ 2013, 645, 647. 500 So auch SK-StGB/Jäger, § 1 Rn. 8. 497

VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot

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einen Gesetzesvorbehalt, der in seinem Regelungsbereich Gesetze im formellen Sinne umfasst.501 Auch wenn (höchst-)gerichtliche Entscheidungen eine gewisse Bindungswirkung aufweisen können, handelt es sich bei ihnen nicht um Gesetze im formellen Sinne,502 denn formelle Gesetze sehen ein Gesetzgebungsverfahren durch ein Gesetzgebungsorgan vor. Weder werden gerichtliche Entscheidungen durch ein Gesetzgebungsorgan wie die Legislative gefällt, noch handelt es sich dabei um ein Gesetzgebungsverfahren. b) Analoge Anwendung des Art. 103 Abs. 2 GG Auch wenn aufgrund des Wortlautes des Art. 103 Abs.2 GG eine direkte Anwendung des Rückwirkungsverbotes auf Rechtsprechungsänderungen ausgeschlossen ist, spricht, wie sogleich aufgezeigt wird, vieles für eine analoge Anwendung des Rückwirkungsverbotes.503 Dies setzt, wie bereits aufgezeigt, eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage voraus.504 aa) Planwidrige Regelungslücke Eine solche planwidrige Regelungslücke setzt voraus, dass es keine Regelung gibt, die den widerstreitenden Positionen hinreichend Rechnung trägt und es darf sich im Falle einer solchen Regelungslücke insbesondere nicht um eine bewusste

501 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 77; BeckOK-GG/Radtke, Art. 103 Rn. 23; anders: Hettinger/Engländer, in: FS-Meyer-Goßner, S. 145, 154. 502 Maunz/Dürig/Rederer, Art. 100 Rn. 84. 503 So auch Straßburg, ZStW 82 (1970), 948, 965; Ha, Belastende Rechtsprechungsänderungen und die positive Generalprävention, 2000, S. 55b; Neumann, ZStW 103 (1991), 331, 334; ansatzweise auch ders., in: FS-Beulke, S. 210; MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 40; Schreiber, JZ 1973, 713, 715; Bernreuther, MdR 1991, 829 f., zur analogen Anwendung auf Präjudizien; ablehnend Robbers, JZ, 1988, 481, 484; eine Anwendung des Rückwirkungsverbots auf Rechtsprechungsänderungen befürwortend: Baumann/ Weber/Mitsch/Eisele/Eisele, § 7 Rn. 45, schlägt eine differenzierte Behandlung abhängig von der Schwere der konkreten Rechtsprechungsänderung vor; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 51 zumindest dann, wenn die Rechtsprechung eine quasi gesetzgeberische Funktion wahrnimmt; Hettinger/Engländer, in: FS-Meyer-Goßner, S. 145; Kuhlen, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 430, 439, wonach für den Vertrauensschutz der Normadressat*innen das durch die Gerichte konkretisierte Gesetz wesentlich ist; Maurach/Zipf, Strafrecht AT/1, § 12 Rn. 8; Schreiber, JZ 1973, 713, 715, um einer verminderten Wirkung des Art. 103 Abs. 2 GG entgegenzutreten; Dehne-Niemann, wistra 2008, 361, 365 f., unter Verweis auf die Art der Entscheidungsfindung durch die Judikative; mittlerweile auch zustimmend, aufgrund der Entwicklung der Rechtsprechung zu Art. 103 Abs. 2 GG: Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 249. 504 Zum „logischen Gerüst“ des Analogieschlusses vgl. Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 204, 250; Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, Rn. 878, zur Regelung der Lückenschließung durch die Gerichte in der Schweiz.

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Regelungslücke des Gesetzgebers handeln. Denn ein bewusstes Unterlassen des Gesetzgebers darf nicht durch einen Analogieschluss umgangen werden.505 (1) Hinreichende Regelung über § 17 StGB Es könnte aber bereits an einer Regelungslücke fehlen, wenn durch § 17 StGB im einfachen Recht eine Regelung gefunden wurde, die gerade der Enttäuschung des getätigten Vertrauens hinreichend Rechnung tragen könnte, zumindest in den Fällen, in denen die Rechtsprechungsänderung eine Strafbegründung bewirkt.506 Irrtümer über die Höhe der Strafe sind hingegen unbeachtlich.507 Dennoch wird zum Teil vertreten, § 17 StGB könne den widerstreitenden Interessen des Vertrauensschutzes und der Flexibilität der Rechtsprechung hinreichend Rechnung tragen.508 Die Anwendung des § 17 StGB fordert, die fehlende Einsicht, Unrecht zu tun. Der Täter*in darf in dem Fall, in dem der Irrtum unvermeidbar war, kein Schuldvorwurf gemacht werden. Das Vertrauen darauf, dass eine bestehende Rechtsprechung angewendet wird, könne gerade eine solche fehlende Unrechtseinsicht begründen und der Problematik auf Seiten des einfachen Rechts durch die Regelung zum Verbotsirrtum hinreichend Rechnung tragen.509 Um zu einer fehlenden Unrechtseinsicht zu kommen, erfordert § 17 StGB ein subjektives Vertrauen der Betroffenen darauf, dass die bisherige Rechtsprechung angewendet wird, sodass es nicht pauschal bei einer Rechtsprechungsänderung zu einer Straffreiheit des Betroffenen kommt.510 Dieses subjektive Vertrauen setzt allerdings voraus, dass die Rechtsprechung bekannt war und tatsächlich darauf vertraut wurde. Es wird folglich einem „Informationsdefizit“511 der Täter*in Rechnung getragen.512 Das 505

Arndt, Probleme rückwirkender Rechtsprechungsänderung, S. 30. Ablehnend: Straßburg, ZStW 82 (1970), 948, 949, 958; Kempf/Schilling, NJW 2012, 1849, 1854; umfassend zur Bewältigung unklarer Rechtslagen über § 17 vgl. Cornelius, GA 2015, 101. 507 Arndt, Probleme rückwirkender Rechtsprechungsänderung, S. 45. 508 Knittel, Zum Problem der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung, S. 31 ff.; Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 29; ders., in: FS-Bruns, S. 223, 234; SK-StGB/Jäger, § 1 Rn. 8. 509 Arndt, Probleme rückwirkender Rechtsprechungsänderung, S. 38; Bonner-Kommentar GG/Pohlreich, Art. 103 Abs. 2 Rn. 114; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 50; Burmeister, Vertrauensschutz im Prozeßrecht, S. 36. 510 Arndt, Probleme rückwirkender Rechtsprechungsänderung, S. 39; insoweit nicht differenziert genug: Roxin/Greco, Strafrecht AT, S. 250. 511 Neumann, ZStW 103 (1991), 331, 333. 512 Arndt, Probleme rückwirkender Rechtsprechungsänderung, S. 43 verweist zwar darauf, dass die Kenntnis der Rechtsprechung nicht bekannt gewesen sein muss, worauf sich der Irrtum im Rahmen des § 17 StGB bei rückwirkender Rechtsprechungsänderung aber dann beziehen muss, bleibt unklar. Dass auch bei anderweitig fehlendem Unrechtsbewusstsein ein Fall des § 17 StGB angenommen werden muss, ist für die vorliegende Problematik unbeachtlich; kritisch: Kempf/Schilling, NJW 2012, 1849, 1854; Neumann, 506

VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot

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an den Gesetzgeber adressierte Rückwirkungsverbot fordert im Gegensatz dazu kein konkret getätigtes Vertrauen und insbesondere nicht die Kenntnis des einschlägigen Gesetzes. Eine Lösung des Konflikts über § 17 StGB setzt also bereits eine andere Ausgangslage voraus, als es das allgemeine Rückwirkungsverbot erfordert. Ein an das Schutzniveau des Art. 103 Abs. 2 GG heranreichender Schutz vor willkürlichen Rechtsprechungsänderungen kann, wenn nur ein tatsächlich getätigtes Vertrauen geschützt wird, nicht erreicht werden. Darüber hinaus besteht in Fällen der unklaren Anwendungsbereiche von Normen gerade kein Informationsdefizit, da es noch keine eindeutigen Informationen über die Strafbarkeit gibt. Problematisch ist also bereits die konkrete Fassung der Norm und nicht erst die daraus resultierende Unsicherheit der Betroffenen über die Strafbarkeit der in Frage stehenden Verhaltensweise.513 Hinzu kommt die mit § 17 StGB verbundene Problematik der Differenzierung zwischen der Vermeidbarkeit und Unvermeidbarkeit des Irrtums.514 So nahm das OLG Karlsruhe im Rahmen der Herabsetzung der Promillegrenze für die Annahme des Zustandes der Fahruntüchtigkeit gem. § 315c StGB an, dass ein Irrtum über die zulässige Blutalkoholkonzentration gerade nicht gegeben sein konnte, da seit längerem eine öffentliche Diskussion über die Herabsetzung des Grenzwertes stattfand. Allein das Vorliegen eines solchen Diskurses führt aber wohl nicht zur Unvermeidbarkeit des Irrtums über eben jenen Grenzwert bei allen Menschen.515 Die unterschiedliche Beurteilung des Merkmals der Vermeidbarkeit kann vielmehr zu einer Intensivierung der Unsicherheit führen.516 Auch bleibt unklar, worüber die Betroffenen geirrt haben sollen, wenn sie doch auf das Bestehen der gefestigten Rechtsprechung, die zum Zeitpunkt der Tatbegehung auch noch bestand, vertraut haben.517 Es handelt sich darüber hinaus auch nicht um einen Irrtum über die Strafbarkeit einer Verhaltensweise. Das in Frage stehende Verhalten war nach der Rechtsprechung zum Zeitpunkt der Tatbegehung gerade nicht strafbar.518 Insbesondere führt dies auch nicht zu einer Einschränkung im Bereich der richterlichen Entscheidungsfindung, sondern wirkt sich nur auf der Ebene der Schuld aus.519 Die Anwendung von § 17 StGB trägt dem entZStW 103 (1991), 331, 347; unter Verweis auf den erheblich kleineren Anwendungsbereich vgl. Schreiber, JZ 1973, 713, 716. 513 Cornelius, GA 2015, 101, 109. 514 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 58, der ebenfalls darauf hinweist, dass die hohen Ansprüche, die an die Vermeidbarkeit eines Irrtums gestellt werden, eine erfolgreiche Berufung auf § 17 konterkarieren dürften; unter Verweis auf Schreiber, JZ 1973, 717 und Naucke, NJW 1968, 759. 515 Urt. v. 05.10.1976 – 1 Ss 132/67 = NJW 1967, 2166, 2168. 516 Straßburg, ZStW 82 (1970), 948, 959; Naucke, NJW 1968, 758, 759; Kempf/ Schilling, NJW 2012, 1849, 1854. 517 Straßburg, ZStW 82 (1970), 948, 959. 518 Naucke, NJW 1968, 758, 759. 519 Straßburg, ZStW 82 (1970), 948, 958.

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täuschten Vertrauen in den Bestand einer höchstrichterlichen Rechtsprechungsänderung nicht hinreichend Rechnung, sodass hier eine Regelungslücke angenommen werden muss. (2) Planwidrigkeit Entscheidend ist aber, dass es sich bei dieser Regelungslücke auch um einen unbewusst ungeregelten Bereich handeln muss. Spätestens die Diskussion um die Rückwirkung einer belastenden Rechtsprechungsänderung gerade im Hinblick auf die Herabsetzung der Grenzwerte der Blutalkoholkonzentration der relativen und absoluten Fahruntüchtigkeit zeigt auf, dass sich hier Rechtsprechung und Legislative in einer vergleichbaren Ausgangssituation befinden, die die analoge Anwendung des Rückwirkungsverbotes grundsätzlich rechtfertigt. Dass der verfassungsgebende Gesetzgeber und auch der Strafgesetzgeber trotz Kenntnis des vergleichbaren Spannungsfeldes keine Entscheidung über die Handhabung dieser Problematik getroffen hat, könnte für das Fehlen der Planwidrigkeit und somit für ein bewusstes Unterlassen, diesen Fall gesetzlich zu regeln, sprechen.520 Daraus könnte geschlossen werden, dass es bewusst keinen Vertrauensschutz in eine bestehende Rechtsprechung geben soll.521 Infolgedessen wäre also eine Änderung der Rechtsprechung im Strafrecht immer ohne weiteres möglich. Dem widerspricht allerdings bereits die Rechtsprechung selbst, die in eng umrissenen Fällen dem getätigten Vertrauen Rechnung tragen will.522 Außerdem kann aus einer Untätigkeit der Legislative nicht automatisch auf ein bewusstes Unterlassen geschlossen werden, vielmehr zeigt sich der Grundkonflikt nur in wenigen Situationen, wie der genannten Herabsetzung der Blutalkoholkonzentration. So kann ein Untätigbleiben des Gesetzgebers auch mit den wenigen Anwendungsfällen begründet werden, denn die skizzierte Konfliktlage entfaltet sich gerade nicht bei jedweder Rechtsprechungsänderung. Überdies geht sie auf eine Aufgabenteilung zwischen Judikative und Legislative zurück, die bei der Entwicklung des Gesetzlichkeitsprinzips so mitunter nicht erwogen wurde. Sie ist gerade Resultat der Konkretisierung von Gesetzen durch die Rechtsprechung. Dies lässt wiederum auf eine Planwidrigkeit schließen. 520

Arndt, Probleme rückwirkender Rechtsprechungsänderung, S. 30 f. So wohl auch Robbers, JZ 1988, 481, 484, dennoch insgesamt ablehnend zur analogen Anwendung. 522 BVerfG, Beschl. v. 11.11.1964 = BVerfGE 18, 224, 240; BVerfG, Beschl. v. 16.05. 2011 – 2 BvR 1230/10 = BVerfGE 18, 430, 435; für eine Anwendung des Bestimmtheitsgebotes auf die Fälle einer rückwirkenden Rechtsprechungsänderung vgl. auch Gross, GA 1971, 13, 19 f.; Straßburg, ZStW 82 (1970), 965 ff. verdeutlicht, dass dadurch keine Gleichstellung von Judikative und Legislative intendiert ist und es sich dennoch um die einzig interessengerechte Konfliktlösung handelt; Bischoff, Das Problem der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung, S. 218 f., zur Rechtsprechungsänderung im Bereich der Finanzgerichtsbarkeit und dem Schutz über § 176 AO. 521

VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot

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bb) Vergleichbare Interessenlage Neben dem Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke muss aber auch die Interessenlage bei einer rückwirkenden Rechtsprechungsänderung mit der eines rückwirkenden Gesetzes vergleichbar sein, um das Rückwirkungsverbot, entgegen des Wortlauts, auch auf die Judikative anwenden zu können und infolgedessen auch über eine Übertragung auf die erstmalige Anwendung von Öffnungsklauseln zu prüfen.523 (1) Vergleichbarkeit aufgrund Überschneidung der Kompetenzbereiche Die Vergleichbarkeit der Interessenlagen kann sich bereits daraus ergeben, dass sich die Kompetenzbereiche der Gewalten überschneiden: Trotz des Grundsatzes der Gewaltenteilung können die Kompetenzbereiche von Legislative und Judikative zwar nicht aufgrund ihrer Arbeitsweise, aber zumindest ihrer Wirkung nach nicht immer klar voneinander abgegrenzt werden.524 Auch wenn sich der Weg der Entscheidungsfindung bei Urteilen und Gesetzen unterscheidet, kann sich auch aus höchstrichterlichen Entscheidungen eine Rechtsüberzeugung herausbilden, die ihrer tatsächlichen Wirkung nach einem Gesetz entspricht, was insbesondere dann der Fall zu sein scheint, wenn Gesetze einen hohen Grad an Konkretisierungsbedürftigkeit aufweisen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass es sich der Sache nach nicht um ein Gesetz, sondern zunächst nur um eine Einzelfallentscheidung handelt.525 Eine Veränderung in der Anwendung der entsprechenden Norm kann sich aber konstitutiv auf eben jene Norm auswirken, ohne dass es zu einer Änderung des Gesetzeswortlautes kommt.526 Nicht jede gerichtliche Entscheidung kommt ihrer Wirkung nach aber der eines Gesetzes gleich, sodass eine grundsätzliche Geltung des Rückwirkungsverbotes für jegliche gerichtliche Entscheidungen nicht angenommen wird, da nicht in allen Fällen bereits eine vergleichbare Interessenlage angenommen werden kann. Zumindest aber für die Fälle, in denen ein Gesetz durch die Anwendung der Gerichte ergänzt oder das strafrechtliche Unwerturteil geändert wird, wird die Geltung eines Rückwirkungsverbotes auch für die Rechtsprechung befürwortet. Dies muss zumindest für eine formelhafte und hinreichend gefestigte Rechtspre523 Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, Rn. 889; vergleiche dazu auch die umfassende Darstellung von Unterschieden und Gemeinsamkeiten von Legislative und Judikative bei Haffke, Das Rückwirkungsverbot des Art. 103 II GG bei Änderung der Rechtsprechung zum materiellen Recht, S. 62 f. 524 Vgl. dazu innerhalb dieser Arbeit Kap. D. VIII. 2. e) bb). 525 Bittner, JZ 2013, 645, 646, hätte der Gesetzgeber sich im Rahmen des § 316 StGB dafür entschieden, konkrete Promille-Grenzen zu benennen, hätte die Änderung eben jener einer Gesetzesänderung bedurft, die keine Rückwirkung hätte entfalten dürfen. 526 Hettinger/Engländer, in: FS-Meyer-Goßner, S. 145, 150.

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

chung gelten527 oder auch dann, wenn der Rechtsprechungsänderung eine „gesetzesändernde Funktion“528 zukommt. Dies wird auch von denjenigen anerkannt, die die Anwendung eines Rückwirkungsverbotes auf Rechtsprechungsänderungen nur zurückhaltend befürworten.529 Eine in diesem Sinne unzulässige Rechtsprechungsänderung wird auch als „Abweichungsverbot“ bezeichnet, was sich auf eine Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung bezieht.530 Es kann also immer nur eine Änderung der gefestigten Rechtsprechung für die Zukunft geben, denn zumindest den im Rahmen von revisionsgerichtlichen Entscheidungen aufgestellten Regeln kommt eine rechtliche Bedeutung auch für künftige Entscheidungen zu.531 Zwar wird auch innerhalb der Befürworter*innen eines Rückwirkungsverbotes für die Rechtsprechung die damit verbundene Rechtsfolge uneinheitlich beurteilt, die nähere Erörterung dieser Problematik ist allerdings für die zugrundeliegende Fragestellung nicht relevant, sodass eine tiefergehende Diskussion dessen an dieser Stelle nicht erfolgt.532

527

Straßburg, ZStW 82 (1970), 964 ff. Kempf/Schilling, NJW 2012, 1849, 1853. 529 Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 120, nur für die Fälle, in denen das Risiko einer Bestrafung aufgrund einer gefestigten Vertrauensgrundlage und einer nicht vorhersehbaren Rechtsprechungsänderung nicht erkennbar war; nach Sodan, Art. 103 Rn. 23 nur bei völlig unvorhersehbaren Rechtsprechungsänderungen. 530 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 53. 531 Neumann, ZStW 103 (1991), 331, 350, unter Berufung auf die Vorlagepflicht gem. § 121 Abs. 2 GVG; Schreiber, JZ 1973, 713, 716. 532 Zustimmend zur Anwendbarkeit des Rückwirkungsverbotes auf Rechtsprechungsänderungen: vgl. Neumann, ZStW 103 (1991), 331, 336 ff., differenziert zwischen instanzgerichtlicher Rechtsprechung und revisionsgerichtlicher Rechtsprechung; Straßburg, ZStW 82 (1970), 948, 949; Hettinger/Engländer, in: FS-Meyer-Gossner, 2001, 145, die bereits eine direkte Anwendung für möglich halten; Jarass/Pieroth/Kment/ Kment, Art. 103, Rn. 93; Boers, NJW 1967, 1310; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 53; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke/Schmahl, Art. 103 Rn. 77, wenn Rechtsprechungsänderung nicht auf Änderung der Tatsachenbasis zurückzuführen ist; Neumann, in: FS-Beulke, S. 197 unter Verweis auf das von der Rechtsprechung entwickelte Präzisierungsgebot; Stern/Becker-GG/Brüning, Art. 103 Rn. 80; Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 240; Straßburg ZStW 82 (1970), 948, 964 ff.; MüKoStGB/Schmitz, §1 Rn. 37, zumindest dann, wenn die Rechtsprechung aufgrund des Präzisierungsgebotes die ureigene Aufgabe der Legislative wahrnimmt; Sachs/Degenhart, Art. 103 Rn. 73 zumindest für ausfüllungsbedürftige Tatbestandsmerkmale, insofern die gefestigte Rechtsprechung Grundlage der Auslegung ist; Schreiber, JZ 1973, 713; Müller-Dietz, in: FS-Maurach, S. 41, 42 f., betroffen davon soll nur eine gewohnheitsrechtliche oder gefestigte Rechtsprechung sein; Krahl, NJW 1991, 808, 809; Robbers, JZ 1988, 481; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 5 ff. unter eng umgrenzten Voraussetzungen und nur bei einer „völlig konformen, formelhafte höchstrichterlichen Rspr“; Grunsky, Grenzen der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung, S. 19, allerdings nicht für instanzgerichtliche Urteile, diese richten sich nur an die jeweils Betroffenen und unter Bezugnahme auf Art. 20 Abs. 3 GG; Bernreuther MDR 1991, 829; Krahl NJW 1991, 891; Kuhlen, HRRS 2012, 249; A. H. Albrecht, in: FS-Dencker, 2012, 1, 7; Schreiber, JZ 1973, 713, 717 zumindest für eine Abweichung von einer „nicht widersprüchlichen, höchstrichterlichen Judikatur“. 528

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Für eine solche Vergleichbarkeit spricht auch, dass die in der Diskussion um die Geltung des Rückwirkungsverbotes für Rechtsprechungsänderungen zum Ausdruck kommende Konfliktlage durch die Auslegung und Handhabung des Bestimmtheitsgrundsatzes verstärkt wird.533 Das soll insbesondere für die Fälle gelten, in denen der Gesetzgeber den Anforderungen an die Bestimmtheit eines Gesetzes nicht hinreichend nachgekommen ist.534 Insbesondere bei generalklauselartigen Regelungen tritt die Rechtsprechung durch die besonders hohe Konkretisierungsbedürftigkeit häufig in einer quasi-gesetzgebenden Funktion auf.535 Nur so kann der Willkür judikativer Entscheidungen entgegengewirkt werden536 und dem Vertrauensschutz hinreichend Rechnung getragen werden.537 Auch der Charakter des Richterspruchs als Beurteilung eines in der Vergangenheit liegenden Ereignisses spricht nicht dagegen, das Rückwirkungsverbot unter bestimmten Voraussetzungen anzuwenden. Es darf gerade, wie das Analogieverbot, nicht in einem technischen Sinne verstanden werden, sondern muss auf Grundlage des bestehenden Konflikts betrachtet werden: Wenn es für das Vertrauen der Bürger*innen unerheblich ist, ob sie auf das geschriebene Recht oder auf gerichtliche Entscheidungen vertrauen, dann kann die Geltung des Rückwirkungsverbotes für die Rechtsprechung nicht dadurch abgelehnt werden, dass Rechtsprechung und Legislative grundsätzlich unterschiedliche Entscheidungen treffen.538 Wenn sich die Judikative ihrerseits Aufgaben der Legislative in Form eines Präzisierungsgebotes zu eigen macht, dann muss sie dabei auch den gleichen Regeln unterworfen werden. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn das BVerfG eine „fallgruppenspezifische Obersatzbildung“ fordert und die hinreichende Bestimmtheit von Straftatbeständen erst über eine gefestigte Rechtsprechung erreicht werden soll.539 Nicht nur kommt es so zu einer Aufweichung des Grundsatzes der Gewaltenteilung, auch würde es so zu einer erhöhten Rechtsunsicherheit kommen, wenn dieses Aufweichen nicht zugleich verfassungsrechtlichen Grundsätzen unterworfen wird. In den Bereichen, in denen die Konkretisierung der Rechtsprechung überlassen wird, unterscheidet sich unser Rechtssystem nicht vom System des „case law“, was dafürspricht, dieses den gleichen Regeln 533

Straßburg, ZStW 82 (1970), 948, 950. NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 52 und weiteren Voraussetzungen. 535 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 53. 536 Krahl, NJW 1991, 808, 809. 537 BFH, Urt. v. 10.11.1982 I R 142/97 = BFHE 137, 202; ablehnend: BVerfG, Beschl. v. 11.11.1964 = BVerfGE 18, 224, 240 = NJW 1965, 245, aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Rückwirkungsverbot entsteht keine Bindung der Gerichte an vorhergehende Entscheidungen. 538 Neumann, ZStW 103 (1991), 331, 337, der außerdem darauf verweist, dass auch durch Urteile und die Anwendung von Normen allgemeine Regelungen für deren Handhabung aufgestellt werden. 539 BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 198 f. = NJW 2010, 3209; vgl. dazu insb. Neumann, in: FS-Beulke, S. 197, 199. 534

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

zu unterwerfen,540 denn die Gerichte fällen in der Konsequenz nicht nur Einzelfallentscheidungen, sondern wirken auch an der stetigen Rechtsfortbildung mit.541 Dies hat nicht zur Folge, dass in Zukunft gar keine Rechtsprechungsänderungen mehr möglich sind, sondern in Bezug auf das Verbot der rückwirkenden Rechtsprechungsänderung eine differenzierte Betrachtungsweise erfolgen muss. Denn es handelt sich bei der Rechtsprechung gerade nicht um eine verbindliche Rechtsquelle, wie etwa beim normierten Recht.542 Eine Anpassung des Rechts bleibt weiterhin möglich. Um den unterschiedlichen Interessenlagen bei Rechtsprechungsänderungen Rechnung zu tragen, wird eine differenzierte Betrachtungsweise gefordert: Sollte sich nur die Tatsachenbasis ändern, also z. B. bei einer Änderung auf Grundlage von neueren empirischen Erkenntnissen, und die höchstrichterliche Rechtsprechung sich nur aufgrund dieser neuen Erkenntnisse ändern,543 wird zum Teil vertreten, dass das Rückwirkungsverbot keine Anwendung finde. Die Grenzziehung, ob die Rechtsprechungsänderung nur aufgrund einer geänderten Tatsachenbasis erfolgt oder nicht, ist aber nicht immer ohne weiteres möglich ist.544 Außerdem kann es gerade in den Fällen, in denen die Auslegung des Gesetzes durch die Anwendung eines mathematischen Wertes erfolgt, ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorliegen, wenn gleiche Fälle aufgrund von Verfahrensverzögerungen und einer zeitweise geänderten Rechtsprechung unterschiedlich behandelt werden.545 (2) Unvergleichbarkeit der legislativen und der judikativen Tätigkeit Gegen die analoge Anwendung des Rückwirkungsverbotes auf Rechtsprechungsänderungen und folglich auch gegen eine vergleichbare Interessenlage wird eingewandt, dass in Anbetracht der unterschiedlichen Ausgangspositionen, aufgrund derer Gesetze erlassen und Urteile gesprochen werden, sich die Annahme einer vergleichbaren Interessenlage und die damit verbundene Geltung des Rückwirkungsverbotes für Rechtsprechungsänderungen verbiete.546 Da die 540

Straßburg, ZStW 82 (1970), 948, 953. Straßburg, ZStW 82 (1970), 948, 955. 542 Burmeister, Vertrauensschutz im Prozeßrecht, S. 31. 543 BVerfG, Beschl. v. 23.06.1990 – 2 BvR 752/90 = NJW 1990, 3140; Dreier/ Schulze-Fielitz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 54 unter Verweis auf die Anpassung der Blutalkoholkonzentration für die absolute Fahruntüchtigkeit, vgl. BGH, Beschl. v. 17.07.1986 – 4 StR 543/85 = BGHSt 34, 133 ff. = NJW 1986, 950. 544 Sodan, 4. Aufl. 2018, Art. 103 GG Rn. 23. 545 Straßburg, ZStW 82 (1970), 948, 961 f. 546 Umfassend: Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, 1993, 376 ff.; BayObLG 20.07.1990 – RReg 1. St 164/90 = NJW 1990, 2833 zur Anwendung einer Rechtsprechungsänderung auf noch anhängige Verfahren; Jakobs, Strafrecht AT, S. 104 unter Verweis darauf, dass zwischen Rechtsprechung und Gesetzgebung keine Funktionsgleich541

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originäre Aufgabe von Richter*innen nicht mit der parlamentarischen Rechtsfindung vergleichbar sei, könne es auch im Bereich des Rückwirkungsverbotes keine Gleichbehandlung geben.547 Dies würde gerade zu einer unzulässigen Gleichstellung der beiden Gewalten führen, welche es nach Art. 20 Abs. 3 GG nicht geben solle.548 Es liege gerade in der Natur der Rechtsprechung, dass durch ihre Entscheidungen ein in der Vergangenheit liegender Sachverhalt mit Wirkung für die Zukunft beurteilt werde,549 wohingegen die Legislative abstrakte Sachverhalte mit Wirkung für die Zukunft durch Gesetzgebung regele. Eine Anwendung des Rückwirkungsverbotes auf die Judikative würde die Fortentwicklung einer Rechtsprechungslinie von Richter*innen vollständig verhindern.550 Eine Anpassung des Rechts müsse aber jederzeit gegeben sein und werde durch den Instanzenzug gerade vorausgesetzt,551 insbesondere dann, wenn geänderte Verhältnisse eine solche Anpassung erforderten.552 Die Auswirkung auf die Flexibilität in der Entscheidungsfindung der Rechtsprechung dürfe gerade nicht noch weiter verkürzt werden.553 Ebenso scheine es widersprüchlich, wenn die Legislative durch den vermehrten Einsatz generalklauselartiger Regelungen eine flexiblere Einzelfallentscheidung ermöglichen wolle und diese dann dadurch verhindert würde, dass die Gerichte an vorherige Entscheidungen gebunden seien.554 Denn auch wenn der Rechtsprechung durch solche Generalklauseln in eng umgrenzten Fällen durch das Präzisionsgebot eine dem Gesetzgeber ähnliche Funktion zukomme,

heit besteht; Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 129; Wolff, in: Handbuch der Grundrechte, § 134 Rn. 101; Kunig, in: Handbuch der Grundrechte, S. 569, Rn. 27 unter Bezugnahme auf den Grundsatz der Gewaltenteilung; Wolff, in: Handbuch der Grundrechte, § 134 Rn. 101; LK-StGB/Dannecker, § 1 StGB Rn. 442; Schönke/Schröder/Hecker, § 2 StGB Rn. 7; Lackner/Kühl/Kühl, § 1 Rn. 4; SSW/Satzger, § 1 StGB Rn. 58; Haffke, Das Rückwirkungsverbot des Art. 103 II GG bei Änderung der Rechtsprechung zum materiellen Recht, 151; Jeschek/Weigend, Strafrecht AT, S. 128; Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 27; ders., in: FS-Bruns, S. 223, 233; Tröndle, in: FS-Dreher, S. 117, 119 ff.; Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 431 ff.; Arndt, Probleme rückwirkender Rechtsprechungsänderung, S. 31 ff., der auf die strafrechtliche Behandlung der Problematik durch § 17 StGB verweist; ebenso Burmeister, Vertrauensschutz im Prozeßrecht, S. 26 ff., 36; Cornelius, GA 2015, 101, 113; SK-StGB/Jäger, § 1 Rn. 8. 547 Robbers, JZ 1988, 481, 484, es bleibt aber unklar, warum das Parlament, das durch den Prozess der Gesetzgebung einer „Qualitätssicherung“ unterliegt, einer weiteren verfassungsrechtlichen Absicherung bedarf und die Rechtsprechung nicht. 548 Bonner-Kommentar GG/Pohlreich, Art. 103 Abs. 2 Rn. 114. 549 Tröndle, in: FS-Dreher, S. 117, 119; Schünemann, in: FS-Bruns, S. 223, 234. 550 Tröndle, in: FS-Dreher, S. 117, 136; umfassend Haffke, Das Rückwirkungsverbot in Art. 103 II GG bei Änderung der Rechtsprechung zum materiellen Recht, S. 143. 551 Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 432. 552 Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 380. 553 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 50. 554 Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 28.

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

führe dies nicht automatisch dazu, dass Legislative und Judikative gleichgesetzt würden.555 Auch komme Urteilen bereits nicht die gleiche Bindungswirkung zu wie Gesetzen. Es liege insoweit nur eine eingeschränkte Verbindlichkeit vor.556 Die Richter*innen seien bei ihren Entscheidungen unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen (Art. 97 Abs. 1 GG), eine besondere Berücksichtigung des getätigten Vertrauens ist, anders als bei der Gesetzgebung, nicht vorgesehen und würde die Regelung des Art. 97 GG unterlaufen. Es müsse beachtet werden, dass eine teilweise Geltung des Rückwirkungsverbotes für die Rechtsprechung zu einer noch größeren Rechtsunsicherheit führen könne.557 Etwaige dennoch auftretende Vertrauensschutzprobleme seien anhand der Grundsätze des allgemeinen Rückwirkungsverbotes zu lösen.558 Darüber hinaus wäre zu klären, ob es sich beim betätigten Vertrauen überhaupt um ein schutzwürdiges Vertrauen handele, dies sei anhand der gesetzlichen Regelungen zu beurteilen.559 Eine entsprechende Anwendung des Rückwirkungsverbotes auf die Rechtsprechung würde unter Berücksichtigung der soeben genannten eingeschränkten Bindungswirkung von Akten der Judikative im Ergebnis zu einem Verbot der Weiterentwicklung des Rechts führen bzw. zu einem Verbot der abweichenden Auslegung.560 Schließlich sei anzumerken, dass sich eine Rechtsanwendung der Gerichte aufgrund des Analogieverbotes immer innerhalb der Wortlautgrenze befinden muss und folglich theoretisch vorhersehbar wäre, auch wenn die Gerichte zunächst anders entschieden hätten.561 Insgesamt handele es sich bei der Problematik der nachträglichen Rechtsprechungsänderung ohnehin um eine sog. „Scheinproblematik“, die in der Rechtspraxis ohnehin keine Rolle spiele, da sich das Problem der rückwirkenden Rechtsprechungsänderung nicht stelle.562 Auch ändere die zum Teil weitreichende Befugnis der Rechtsprechung nichts daran, dass es sich dennoch nicht um die gesetzgebende Gewalt handele und bereits aufgrund dessen andere Regelungen gelten würden.563 555 556 557 558 559

Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 120. Bydlinski, Recht, Methode und Jurisprudenz, 1988, S. 34 ff. NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 50. Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 130. Grunsky, Grenzen der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung,

S. 11. 560 Mangoldt/Klein/Starck/Nolte/Aust, Art. 103 Rn. 120; Wolff, in: Handbuch der Grundrechte, § 134 Rn. 101 und verweist dabei auf die Möglichkeit, auf eine geplante Rechtsprechungsänderung hinzuweisen. 561 Schünemann, in: FS-Bruns, S. 223, 233. 562 Tröndle, in: FS-Dreher, S. 117, 115, 123. 563 Tröndle, in: FS-Dreher, S. 117, 133.

VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot

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(3) Rechtsprechung zu rückwirkenden Rechtsprechungsänderungen Wie sich demgegenüber die Rechtsprechung zur Frage der Geltung des Rückwirkungsverbotes für den eigenen Arbeitsbereich verhält, ist unklar. Grundsätzlich spricht die Rechtsprechung Entscheidungen der Judikative keine Bindungswirkung zu, was konsequenterweise dann zu Ablehnung einer analogen Anwendung führen könnte. Dennoch kann eine Bindungswirkung durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes entstehen, der willkürliche Rechtsprechungsänderungen für unzulässig hält, wobei im Rahmen dessen zum Teil auf die Regelung des § 17 StGB verwiesen wird.564 Dass § 17 StGB gerade nicht ausreichend ist, um den Belangen, die mit einer rückwirkenden Rechtsprechungsänderung verbunden sind, gerecht zu werden, wurde bereits dargelegt.565 Eine direkte oder analoge Anwendung des Art. 103 Abs. 2 GG auf die Rechtsprechung in Form des Rückwirkungsverbotes wird hingegen offengelassen. Die Geltung des Rückwirkungsverbotes wird zumindest in zwei Fällen ausdrücklich abgelehnt: Und zwar dann, wenn nicht „ein Mindestmaß an Kontinuität“ in der Rechtsprechung besteht566 und auch dann, wenn, ungeachtet des Mindestmaßes an Kontinuität, neue Erkenntnisse auf der tatbestandlichen Ebene zu einer Verurteilung geführt haben, die von der ursprünglichen Rechtsprechungslinie abweicht.567 Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass eine Anwendung des Art. 103 Abs. 2 nur dann in Betracht kommt, wenn eine gewisse Kontinuität in der Rechtsprechungslinie besteht, auf dessen Grundlage überhaupt ein Vertrauenstatbestand geschaffen werden konnte.568 Dieser restriktive Ansatz zur Anwendung des Rückwirkungsverbotes kann damit begründet werden, dass die Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung in der Natur der Sache liegt und sich in der Unabhängigkeit der Judikative begründet.569 Wie nach den genannten Differenzierungskriterien

564 BVerfG, Beschl. v. 16.05.2011 – 2 BvR 1230/10 = BVerfGK 18, 430, 435 = HRRS 2001 Nr. 737. 565 Vgl. dazu Kap. D. VI. 3. b) aa) (1). 566 BVerfG, Beschl. v. 16.05.2011 – 2 BvR 1230/10 = BVerfGK 18, 430, 435 = HRRS 2011 Nr. 737. 567 So bei der Absenkung der Blutalkoholwerte zur absoluten Fahruntüchtigkeit, vgl. BGH, Beschl. v. 09.12.1966 – 4 StR 119/66 = BGHSt 21, 157, 159 = NJW 1967, 116; BGH, Beschl. v. 19.08.1971 – 4 StR 574/70 = BGHSt 24, 200 ff. = NJW 1971, 1997; BGH, Beschl. v. 17.07.1986 – 4 StR 543/85 = BGHSt 34, 133 ff. = NJW 1986, 950; kritisch dazu Arndt, Probleme rückwirkender Rechtsprechungsänderung, S. 42; Naucke, NJW 1968, 758. 568 BVerfG, Beschl. v. 16.05.2010 – 2 BvR 1230/10 = BVerfGK 18, 430, 435 = NJW 2010, 3209, 3210. 569 BVerfG, Beschl. v. 26.04.1988 – 1 BvR 669/87 = BVerfGE 78, 123, 126, der darauf verweist, dass nicht auf die Anwendung einer bestimmten Rechtsauffassung vertraut werden darf, spricht sich aber dennoch gegen eine abrupte Änderung einer gängigen Verfahrenspraxis an eben jenem Gericht aus.

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

allerdings zwischen Feststellung und Bewertung der Tatsachenbasis differenziert werden soll, bleibt, wie bereits angedeutet, unklar.570 Diese Kriterien werden ergänzt durch eine seit einiger Zeit vertretene erweiterte Kontrolldichte, die die Kompetenz des BVerfG nicht mehr nur auf die Vertretbarkeitskontrolle beschränkt, sondern auch auf die Überprüfung einer korrekten Anwendung oder Weiterentwicklung der bisherigen Rechtsprechung. In diesem Kontrollmaßstab kann ein Schutz der Bürger*innen vor „verdeckten Rechtsprechungsänderungen“ gesehen werden.571 Unklar bleibt allerdings, wie weit die Kontrolle und der Vertrauensschutz letztendlich reichen. Deutlicher ist das Bekenntnis zum Rückwirkungsverbot allerdings in anderen Rechtsbereichen. Insbesondere im Bereich des Steuerstrafrechts, in denen der Rechtsprechung aufgrund des extensiven Einsatzes von ausfüllungsbedürftigen Tatbeständen eine erheblich konkretisierende Funktion zukommt, wird die Anwendung des Rückwirkungsverbotes auch für die Rechtsprechung angenommen.572 Es gibt allerdings soweit ersichtlich auch dort keinen Diskurs darüber, wie sich die erstmalige Anwendung von eben jenen generalklauselartigen Normen auswirkt und wie in diesen Fällen mit der Unvorhersehbarkeit umgegangen wird. (4) Stellungnahme zur analogen Anwendung des Art. 103 Abs. 2 GG Auch wenn der Wortlaut des Art. 103 Abs. 2 GG eine Anwendung des Rückwirkungsverbotes lediglich auf die von der Legislative erlassenen Gesetze vorsieht, ist für die Frage, ob die Rechtsprechung einem wie auch immer gearteten Rückwirkungsverbot unterliegt, wie bereits dargelegt, entscheidend, inwieweit Legislative und Judikative die gleichen Aufgaben wahrnehmen bzw. eine „Wirkungsgleichheit“ besteht.573 Es muss gerade dann von einer vergleichbaren Interessenlage ausgegangen werden, wenn die Richter*innen in besonderem Maße an der Konkretisierung der Strafgesetze mitwirken und infolgedessen durch ihre Rechtsprechung eine Regelsetzung vornehmen.574 Für die Bürger*innen kommt es folglich bei einer aktiven Partizipation der Richter*innen an der Fortentwick570

Sachs/Degenhart, Art. 103 Rn. 73. BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 198 f. = NJW 2010, 3209; zur Aussage über die Geltung des Rückwirkungsverbotes vgl. Kuhlen, JR 2011, 246, 249. 572 NK-StGB/Kargl, § 1 Rn. 59. 573 Müller-Dietz, in: FS-Maurach, S. 41, 45; Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 129, verweist aber im Zuge dessen darauf, dass die Judikative bei hinreichend bestimmten Normen immer nur innerhalb des Wortlautes tätig werden kann und mithin keine legislativen Aufgaben wahrnimmt; zum Begriff der „Wirkungsgleichheit“ vgl. Hettinger/Engländer, in: FS-Meyer-Goßner, S. 145, 156. 574 Kuhlen, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 429, 438. 571

VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot

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lung des Rechts auf das „richterlich konkretisierte“ Strafgesetz an.575 Dabei geht es gerade nicht um den Vertrauensschutz einer – unter Umständen – falschen Gesetzesanwendung, sondern um ein Vertrauen auf die „formale Geltung“ der Rechtsprechung.576 Zumal die Unrichtigkeit einer Rechtsprechung für juristische Laien ohnehin nicht ersichtlich sein dürfte und folglich nicht von einem nicht schützenswerten Vertrauen auf eine unrichtige Rechtsprechung ausgegangen werden kann. Ebenso ist der Begriff der unrichtigen Rechtsprechung auch restriktiv anzuwenden, da es gerade nicht nur eine einzig richtige Entscheidung in der Rechtsanwendung gibt.577 Dies muss dann konsequenterweise dazu führen, dass die Judikative bei ihrer Entscheidungsfindung den gleichen Regeln unterworfen wird.578 Ziel des Rückwirkungsverbotes ist es gerade auch, das staatliche Strafen vorhersehbar zu gestalten. Zum staatlichen Strafen gehört aber nicht nur die Fassung der entsprechenden Normen, sondern insbesondere auch die Rechtsanwendung durch die Gerichte. Auch wenn zuzugeben ist, dass Legislative und Judikative durch die Verfassung unterschiedliche Aufgabenbereiche zuteilwerden, führt dies nicht automatisch zur Ablehnung einer analogen Anwendung. Unterschiedliche Ausgangslagen sind gerade konstituierendes Merkmal für eine Analogie. Vielmehr wäre also erforderlich, dass dargelegt würde, dass die Interessenlagen aufgrund der divergierenden Ausgangspositionen so unterschiedlich sind, dass eine Gleichbehandlung ausgeschlossen ist.579 Dazu muss festgestellt werden, welchen Zweck das Urteil im Strafverfahren hat. Hier kommt dem Urteil eine andere Bedeutung zu als im Zivilprozess, dessen Ergebnis nur „inter partes“ wirkt und damit den Zweck der Streitbeilegung erfüllt, § 322 ZPO. Soll das Strafrecht der Generalprävention und dessen Anwendung der Bestätigung der Normgeltung dienen,580 dann ist eine konsistente und vorhersehbare Anwendung Grundvoraussetzung für die Erfüllung eben jener Zwecke. Das muss insbesondere dann gelten, wenn sich die Kompetenzbereiche von Judikative und Legislative immer weiter angleichen oder, wie bei Öffnungsklauseln der Fall, die Entscheidung auf die Judikative durch gesetzliche Anordnung verlagert wird.581 Dadurch entsteht zumindest eine Teilüberschneidung der Kompetenzbereiche, die eine klare Grenzziehung erschwert. In diesen Bereichen unterscheiden sich die Entscheidungen der Gerichte gerade nicht mehr qualitativ von denjenigen der Legislative, denn auch hier kommt es in der Regel zu einer Fallgruppenbildung, die als Richtschnur auch für zukünftige Entscheidungen ge575

Kuhlen, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 429, 439. Hettinger/Engländer, in: FS-Meyer-Goßner, S. 145, 154 ff. 577 Neumann, in: FS-Beulke, S. 197, 204. 578 So im Ergebnis auch die Argumentation bei Grunsky, Grenzen der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung, 13 f. 579 So auch Bernreuther, MdR 1991, 829. 580 Kindhäuser/Schumann, Strafverfahrensrecht, 5. Aufl. 2017, § 1 Rn. 4. 581 So wohl auch BVerfGE 126, 170, 199 = BVerfGE 126, 170 = NJW 2010, 3209. 576

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

nutzt wird. Vergleichbar ist dann die Interessenlage mit eben jener im „case-law“. Auch dort wird die Anwendung eines Rückwirkungsverbotes auf Rechtsprechungsänderungen befürwortet.582 Darüber hinaus hat das StGB hat auch eine einfachgesetzliche Regelung für den Bereich der Gesetzesänderung nach Beendigung der Tat getroffen. Nach § 2 Abs. 3 StGB darf bei einer Gesetzesänderung nach Beendigung der Tat im Falle einer Verurteilung nur aus dem milderen Gesetz bestraft werden. Der darin zum Ausdruck kommende Grundgedanke kann auch auf den Bereich der Rechtsprechungsänderungen übertragen werden: Wenn im Bereich der nachträglichen Strafschärfung keine Schlechterstellung für den Angeklagten folgen darf, dann liegt zumindest der Gedanke nicht ganz fern, dass es im Bereich der rückwirkenden Rechtsprechungsänderung ebenfalls nicht zu einer Schlechterstellung kommen darf und eine etwaig neue, mildere Rechtsprechung angewendet werden muss,583 denn die daraus resultierende Belastung für die Bürger*innen ist entsprechend. Ebenso verfängt auch der Einwand, dass es gerade originäre Aufgabe der Gerichte ist, Entscheidungen für die Vergangenheit zu treffen, nicht. Denn auch ein Rückwirkungsverbot für Rechtsprechungsänderung ändert diesen Charakter gerade nicht. Es wird nicht der in der Vergangenheit liegende Sachverhalt verändert, viel mehr ändert sich aber die diesbezügliche rechtliche Beurteilung. Insofern würde auch ein Rückwirkungsverbot nicht zu einer Handlungsunfähigkeit der Judikative führen. Es ist vielmehr nur eine Veränderung des Bewertungsmaßstabes betroffen.584 Unstreitig darf die Anwendung des Rückwirkungsverbotes nicht zu einem völligen Stillstand der Rechtsprechung führen, denn diese ist gerade das flexible Instrument der Rechtsanwendung, das die starren Normen mit Lebenssachverhalten füllt.585 Dem widerspricht aber nicht das Bestreben, eine solche rechtliche Fortentwicklung in bestimmten Fällen bestimmten Regeln zu unterwerfen. Auch die, wie bereits aufgezeigt, ebenfalls umstrittene Frage, auf welche konkreten Rechtsprechungsänderungen das Rückwirkungsverbot Anwendung finden soll, kann für die in dieser Arbeit zu erörternde Fragestellung allerdings dahinstehen. Es genügt an dieser Stelle die Feststellung, dass die Voraussetzungen einer analogen Anwendung des Rückwirkungsverbotes auch auf die Rechtsprechung, zumindest in bestimmten Konstellationen, vorliegen. Entscheidend ist an dieser

582 583

NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 43. Grunsky, Grenzen der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung,

S. 18. 584

Hettinger/Engländer, in: FS-Meyer-Goßner, S. 145, 156. So aber Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 432 unter Verweis darauf, dass das Festhalten an für unzulässig gehaltenen Rechtsauffassungen unzumutbar ist. 585

VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot

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Stelle die Feststellung, dass auch die Rechtsprechung in analoger Anwendung des Art. 103 Abs. 2 GG Adressatin des Rückwirkungsverbotes sein kann. c) Übertragbarkeit der für die Rechtsprechung geltenden Grundsätze auf Öffnungsklauseln Entscheidend sind in der vorliegend zu untersuchenden Frage, wie bereits aufgezeigt, mitunter weniger die Fälle, in denen bereits eine gefestigte Rechtsprechung vorliegt,586 als vielmehr die Fälle, in denen erstmals eine Entscheidung aufgrund einer Gesetzesfassung getroffen wird, die es ermöglicht, das Gesetz auch auf vergleichbare oder ähnliche Fälle anzuwenden.587 Dabei handelt es sich zwar nicht um einen klassischen Fall der rückwirkenden Rechtsanwendung, allerdings wird auch in diesen Fällen ein Verhalten für strafbar erklärt, dass zum Zeitpunkt der Tatbegehung als solches mitunter nicht zweifellos erkennbar strafbar war, denn der Ähnlichkeitsschluss geht gerade über die explizit geregelten Verhaltensweisen hinaus. Es ist also unerlässlich, an dieser Stelle den Blick zu weiten und nicht nur die viel beschworenen Änderungen einer gefestigten Rechtsprechung zu beleuchten,588 sondern den Fall der erstmaligen Schaffung einer Rechtsprechung im Rahmen von Öffnungsklauseln zu untersuchen. Denn auch hier kommt es zu einem „Verschwimmen“ der Kompetenzbereiche, 589 denn Öffnungsklauseln schaffen gerade die Befugnis, das Gesetz auch auf dort nicht explizit geregelte Fälle anzuwenden.590 Den Gerichten kommt in diesen Fällen eine vielfach quasi-gesetzgeberische Funktion zu, indem sie durch eine Entscheidung erheblich zur Festlegung des Anwendungsbereichs der Norm beitragen, weil dieser Bereich nicht abschließend vom Gesetzgeber geregelt wurde.591 Falls es zur Anwendung von Öffnungsklauseln durch die Gerichte kommen sollte, könnte daraus eine mit dem Rückwirkungsverbot vergleichbare Konfliktlage resultieren, woraus sich das Bedürfnis ergeben könnte, einen „Warnschuss“ im Hinblick auf die geplante Rechtsanwendung abzugeben.592

586

Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 364. So auch A. H. Albrecht, in: FS-Dencker, 2012, 1, 12. 588 Tröndle, in: FS-Dreher, S. 117, 123. 589 Müller-Dietz, in: FS-Maurach, S. 41, 43. 590 Sodass sich hier die Gedanken, ungeachtet der Unterschiede zwischen Generalund Öffnungsklauseln parallelisieren lassen, vgl. A. H. Albrecht, in: FS-Dencker, 2012, 1, 12, in Bezug auf Blanketttatbestände; Albrecht geht davon aus, dass die Norm auch erst durch die erstmalige Anwendung in Kraft tritt, dies scheint aber zu weit zu gehen, was wiederum Probleme in der Strafverfolgung nach sich ziehen würde. 591 Zur Konstituierung der Bedeutung von Normen durch die Gerichte vgl. Hettinger/Engländer, in: FS-Meyer-Goßner, S. 145, 152. 592 Kempf/Schilling, NJW 2012, 1849, 1854. 587

172

D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Der Forderung, das Rückwirkungsverbot auch auf Öffnungsklauseln anzuwenden, kann allerdings entgegengehalten werden, dass die Bürger*innen es ertragen müssen, dass nicht für jeden Fall eine eindeutige Strafnorm bestehen kann und sie somit auf ihre eigene Rechtsauffassung vertrauen müssen, die unter Umständen von der Auffassung abweichen könnte, die die Gerichte vertreten werden.593 Außerdem könnte in den Fällen der Öffnungsklauseln, bei denen bereits die erstmalige Anwendung einer Norm unklar ist, der richtige Zugriffspunkt das Bestimmtheitsgebot sein. Auf die Übertragung des Rückwirkungsverbotes käme es insoweit nicht an.594 Auch handelt es sich dabei gerade nicht um Blankettstrafgesetze, die notwendigerweise ausfüllungsbedürftig sind. Dem ist zuzugeben, dass zwar die Anwendung der Norm die Öffnungsklausel konkretisiert, sie bildet diese aber nicht erstmals. Das Vertrauen der Bürger*innen wird durch die Einbettung der Öffnungsklauseln in eine, im Übrigen hinreichend bestimmte Norm, ausreichend geschützt.595 Es führt außerdem den Grundgedanken von Öffnungsklauseln ad absurdum, wenn die Flexibilität in der Einzelfallentscheidung, die gerade das konstituierende Merkmal einer solchen Form der Gesetzgebung ist, mit Wirkung für bereits begangene Taten erheblich beschnitten wird. Dennoch dient das Rückwirkungsverbot, wie bereits erläutert, dem Schutz der Bürger*innen vor staatlicher Willkür und ist entscheidend, um Handlungsfreiheit garantieren zu können. Nur so lassen sich straffreie von strafbewehrten Handlungsbereichen abgrenzen. Wird eine Person aufgrund einer vom Gesetzgeber nicht vorhergesehenen Verhaltensweise unter Anwendung einer Öffnungsklausel verurteilt, dann war diese Verurteilung unter Umständen ebenso wenig vorhersehbar, wie die Verurteilung aufgrund eines Gesetzes mit Rückwirkung auf eine vor Geltung des Gesetzes begangene Tathandlung. Unterschiede ergeben sich allerdings daraus, dass nicht der Gesetzgeber die Voraussetzungen des rückwirkenden Gesetzes genau definiert hat, sondern dass der Judikative die Möglichkeit eröffnet wurde, die Voraussetzungen der Strafbarkeit durch die Anwendung der Norm erstmals zu schaffen. Es ist den Richter*innen auf diese Weise gestattet, den Anwendungsbereich von Öffnungsklauseln durch eine analoge innertatbestandliche Rechtsanwendung näher zu bestimmen, was bedeutet, dass der Anwendungsbereich durch eine Verurteilung erstmals in Bezug auf eine bestimmte Tathandlung geschaffen wird. Das führt zu einer bewussten Aufgabenverlagerung der Legislative auf die Judikative. Je nach konkreter Fassung der vorher explizit genannten Verhaltensweisen kann hier auch die Rechtsanwendung im Einzelfall unvorhersehbar sein und inso-

593

Grunsky, Grenzen der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung,

S. 13. 594 595

Vgl. dazu Müller-Dietz, in: FS-Maurach, S. 41, 46. A. H. Albrecht, in: FS-Dencker, 2012, 1, 13.

VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot

173

weit könnte eine vergleichbare Konfliktlage vorliegen. Das gilt umso mehr, wenn man als Schutzgut von Art. 103 Abs. 2 die Vorhersehbarkeit staatlicher Entscheidungen benennt,596 denn dann müssen darunter auch die von der Judikative getroffenen staatlichen Entscheidungen fallen. Die Entfaltung staatlicher Macht muss berechenbar sein, zumindest im Sinne einer Orientierungssicherheit.597 Eine solche Differenzierung zwischen Judikative und Legislative ist zumindest im Bereich der kompetenzüberschneidenden Öffnungsklauseln nicht geboten. Folglich führt erst die Anwendung der Öffnungsklausel zu einem Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot und ist der Sache nach vergleichbar mit einer nachträglichen Rechtsprechungsänderung. Auch kriminalpolitisch ist eine Rückwirkung nicht funktional. Wenn die Strafbarkeit nicht bei Tatbegehung ersichtlich war, und diese Gefahr kann aufgrund der Befugnis der analogen Rechtsanwendung bestehen, erscheint es wie eine willkürliche Rechtsanwendung.598 Dies muss insbesondere für Öffnungsklauseln gelten, die quasi eine Schnittstelle zwischen Gesetz und Rechtsprechung berühren. Wenn die Legislative bewusst eine ihr obliegende Aufgabe an die Judikative überträgt und diese Aufgabenübertragung auch unstreitig im Gesetzestext zum Ausdruck kommt, dann muss in der letzten Konsequenz auch ein Rückwirkungsverbot für die Rechtsprechungsänderung Geltung entfalten. Ansonsten sieht sie sich dem Vorwurf der doppelten Verfassungswidrigkeit ausgesetzt: Zum einen durch die Verlagerung der Gesetzgebungskompetenz auf die Judikative und zum anderen dadurch, dass das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Vertrauen der Bürger*innen nicht infolgedessen geschützt wird. Es darf durch eine Aufgabenverlagerung gerade nicht zu einem Funktionsverlust verfassungsrechtlicher Prinzipien kommen. Die in Art. 103 Abs. 2 GG zum Ausdruck kommenden Grundgedanken müssen zur Wahrung einer einheitlich demokratischen Grundordnung doch beibehalten und entsprechend fortentwickelt werden.599 d) Rechtsfolge der Anwendung des Rückwirkungsverbotes auf die Rechtsprechung: Übertragung der „von-nun-an“-Theorie auf die Anwendbarkeit von Öffnungsklauseln im Strafrecht An die Entscheidung, die Grundsätze des Rückwirkungsverbotes auch auf die erstmalige Anwendung von Öffnungsklauseln durch die Gerichte zu übertragen, schließt sich die Frage an, wie mit der erstmaligen Anwendung von Öffnungs596

Jung, in: FS-Wassermann, S. 875, 884. Jung, in: FS-Wassermann, S. 875, 884 bezeichnet dies als „Berechnbarkeitsmaxime“. 598 Maurach/Zipf/Jäger, Grundlehren des Strafrechts und Aufbau der Straftat, S. 159. 599 Basak, in: Strafrecht und Verfassung, 2013, 71, 87. 597

174

D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

klauseln umgegangen werden kann, um insbesondere den Vertrauensschutzgesichtspunkten hinreichend Rechnung zu tragen.600 Öffnungsklauseln könnten vollumfänglich von der Judikative nicht angewendet werden. Verstößt eine Norm gegen das Rückwirkungsverbot führt dies zur Unwirksamkeit eben jener Norm. Eine Verurteilung auf Grundlage eines solchen Gesetzes ist unwirksam, entsprechende Gesetze sind gem. Art. 100 Abs. 1 GG vorzulegen.601 Für einen solchen Verstoß von Öffnungsklauseln gegen das Rückwirkungsverbot fehlt es allerdings, wie oben bereits dargestellt, insbesondere an einem ausdrücklichen unter Strafe stellen eines in der Vergangenheit liegenden und zum damaligen Zeitpunkt noch straffreien Verhaltens. Die besondere Schutzbedürftigkeit ergibt sich hingegen erst aus dem Umstand, dass die Legislative eine ihr übertragene Aufgabe auf die Judikative verlagert. Der Verstoß gegen ein an die Judikative gerichtetes Rückwirkungsverbot ergibt sich, wie dargelegt, erst durch die Anwendung. Es muss diskutiert werden, wie diesem aus der Anwendung resultierenden Interessenkonflikt begegnet werden kann. Um zum einen Vertrauensschutzgesichtspunkten Rechnung zu tragen und zum anderen einer Erstarrung der Rechtsentwicklung entgegenzuwirken, wurden insbesondere im anglo-amerikanischen Rechtskreis Lösungsansätze entwickelt (dazu unter aa)), die mitunter auch auf die (erstmalige) Anwendung von Öffnungsklauseln übertragen werden könnten (dazu unter bb)), um auf diese Weise den bestehenden Interessenkonflikt zu lösen und einen Verstoß der Judikative gegen das Rückwirkungsverbot zu vermeiden. aa) Allgemeines zur „von-nun-an“-Rechtsprechung Es gibt unterschiedliche Ansätze dazu, wie zwischen dem Vertrauensschutz auf den Fortbestand der bisherigen Rechtsprechung und der Fortentwicklungsmöglichkeit des Rechts eine Balance hergestellt werden kann, die den widerstreitenden Bedürfnissen ausreichend Rechnung trägt. Dazu wird eine Ankündigung,602 z. B. in Form wissenschaftlicher Beiträge aber auch durch das Verfassen von obiter dicta der geplanten Rechtsprechungsänderung in Betracht gezogen.603 600 Umfassend dazu, wie mit der Anwendung des Rückwirkungsverbotes auf Rechtsprechungsänderungen umgegangen werden kann, vgl. Kempf/Schilling, NJW 2012, 1849. 601 Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 124. 602 Straßburg, ZStW 82 (1970), 948, 963, der aber auch darauf verweist, dass die Ankündigungspflicht nicht uneingeschränkt gilt. 603 Befürwortend: Straßburg, ZStW 82 (1970), 948, 967; ablehnend: Schreiber, JZ 1973, 713, 717 und begründet dies damit, dass eine solche Ankündigung nach geltendem Prozessrecht nicht möglich ist; Kempf/Schilling, NJW 2012, 1849, 1854 unter Verweis darauf, dass bei abweichenden obiter dicta keine Vorlagepflicht besteht; ablehnend in Bezug auf informelle Ankündigungen und obiter dicta: Neumann, ZStW 103 (1991), 331, 352; für die Veröffentlichung in Medien, die der Zielgruppe des Tatbestandes zugänglich sind, vgl. Kuhlen, HRRS 2012, 114, 116.

VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot

175

Dieser Gedanke der Vorankündigung wird zum Teil auch als Lösung der Problematik der Rückwirkung von Rechtsprechungsänderung angedacht604 und könnte auch auf die erstmalige Anwendung von Öffnungsklauseln übertragen werden, um den Konflikt mit dem Rückwirkungsverbot zu lösen. Die Idee, dem Vertrauensschutz durch eine entsprechende Vorwarnung Rechnung zu tragen, findet ihren Ursprung, soweit ersichtlich, in der anglo-amerikanischen Rechtstradition. Untere Gerichte sind dort an die ratio decidendi, also vorhergehende Entscheidungen in einer vergleichbaren Sache, der in der Gerichtsordnung übergeordneten Gerichte gebunden.605 Ein „overruling“ im Sinne einer Änderung der Rechtsprechungslinie ist nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen möglich, z. B. wenn bei der Entscheidung, die als Präjudiz dient, ein wesentliches Gesetz nicht beachtet wurde.606 Durch dieses Vorgehen wird eine Bindungswirkung an bisherige Entscheidungen erreicht, die im deutschen Recht über die Bindung an das geschriebene Recht gem. Art. 103 Abs. 2 GG erreicht werden soll. Wird diese Regelung übergangen, kann es zur Aufhebung des betroffenen Urteils kommen, denn auch im anglo-amerikanischen Rechtskreis ist der Grundsatz des „nulla poena sine lege“ anerkannt, auch wenn es sich dort auf gesprochene Urteile und nicht auf das geschriebene Recht bezieht.607 Die so erzeugte Bindungswirkung kann nur in Ausnahmefällen durch eine gegenläufige Entscheidung aufgehoben werden und auch nur durch oberste Gerichte.608 Es erfolgt eine Bindung der anderen Gerichte an eine solche geänderte Rechtsprechung, wenn diese Teil des Urteils geworden ist (sog. holding).609 Im Hinblick auf das getätigte Vertrauen auf die bisherige Rechtsprechung muss im Zweifel davon ausgegangen werden, dass die abweichende Entscheidung des Gerichts nicht vorhersehbar war. Um einem solchen enttäuschten Vertrauen und einer damit verbundenen Rechtsunsicherheit entgegenzuwirken, wird in den U.S.A. das sog. „prospective overruling“ befürwortet.610 Das bedeutet, dass die angestrebte Rechtsprechungsänderung zwar für alle zukünftigen Fälle angekündigt wird, aber auf den zu entscheidenden Fall allerdings noch das alte Recht bzw. die bisherige Rechtsprechung angewendet wird.611 In welcher Form die Ankündigung erfolgen soll, steht hingegen nicht 604 Müller-Dietz, in: FS-Maurach, S. 41, 44; Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 Rn. 112; Kruse, Das Richterrecht als Rechtsquelle, S. 17 ff. 605 Siehe dazu auch Lilie, Obiter Dictum, S. 226 f. 606 Lilie, Obiter Dictum, S. 228; Radbruch, Der Geist des Englischen Rechts und die Anglo-Amerikanische Jurisprudenz, S. 73. 607 Schlüchter, Mittlerfunktion der Präjudizien, S. 75. 608 Bittner, JZ 2013, 645, 647. 609 Knittel, Zum Problem der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung, S. 39. 610 Bittner, JZ 2013, 645, 648; wohl ablehnend aufgrund der unterschiedlichen Rechtssysteme vgl. Lilie, Obiter Dictum, S. 227. 611 Linkletter v. Walker (165), 381 U. S. 618, zitiert in der Sache Jones v. Secretary of State for Social services (1972) A.C. 944, (1972) 1 All E. R. 145; Haffke, Das Rück-

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

fest. Es kann allerdings eine Ankündigung der Rechtsprechungsänderungen, z. B. in den gängigen Zeitschriften, mit Wirkung für alle Fälle ab eben jener Ankündigung den Vertrauensschutzgesichtspunkten ausreichend Rechnung tragen.612 Allerdings sieht sich der Einsatz der „von-nun-an“-Lösung im deutschen Recht erheblicher Kritik ausgesetzt.613 Neben dem Einwand, dass die Anwendung einer solchen Lösung als Aufforderung an die Rechtsprechung verstanden werden könnte, sich noch weiter vom Gesetz zu lösen,614 wird Kritik vor allem auf strafprozessualer Seite angebracht. Danach sei die Formulierung, dass eine Rechtsprechungsänderung erst in kommenden Entscheidungen Wirkung entfalte, in Urteilen gerade nicht vorgesehen, denn diese wäre infolgedessen zum Zeitpunkt des Erlasses nicht entscheidungserheblich und sei folglich zur Erwähnung im Urteil nicht vorgesehen, vgl. §§ 260, 267 StPO.615 Die Gerichte wären darüber hinaus gezwungen eine veraltete Rechtsprechung anzuwenden, obwohl diese mitunter für Unrecht gehalten würde.616 Dies erscheine mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar und würde erst Recht zum Verlust jeglichen Vertrauens in die Rechtsprechung führen.617 Es bestehe aufgrund dessen die Gefahr, dass die Angeklagten nur zum Mittel zur Durchsetzung einer Rechtsprechungsänderung würden.618 In der dadurch erfolgenden Objektivierung des Angeklagten könnte wiederum ein Konflikt mit Art. 1 Abs. 1 GG gesehen werden. Es fehle darüber hinaus an einer rechtlichen Grundlage auf der man die Straffreiheit trotz Vorliegen der Strafbarkeitsvoraussetzungen nach der geplanten Rechtsprechungsänderung begründen könne. Außerdem würde dadurch die Möglichkeit genommen, dass der BGH die Rechtsprechung überprüfen könne, weil keine Beschwerdemöglichkeit bestehe. Ein Instanzenzug wäre folglich nicht mehr möglich, wenn die Angeklagten auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung freigesprochen würden. Problematisch erscheint mithin auch, dass der Staatsanwaltschaft im Zweifel die Möglichkeit zur Anklage genommen würde, wenn eine Verurteilung gerade nur

wirkungsverbot des Art. 103 II GG bei Änderung der Rechtsprechung zum materiellen Recht, S. 27 f. 612 Bittner, JZ 2013, 645, 649 f. 613 Umfassend zu den damit verbundenen Problemen vgl. Tröndle, in: FS-Dreher, S. 117; Burmeister, Vertrauensschutz im Prozeßrecht, S. 31 f., der sich dabei aber insbesondere auf das Privatrecht bezieht; Schreiber, JZ 1973, 713, 717; Robbers, JZ 1988, 481, 488. 614 Schreiber, JZ 1973, 713, 717. 615 Tröndle, in: FS-Dreher, S. 117, 125; Schünemann, in: FS-Bruns, S. 223, 234 verweist auf Praktikabilitätsprobleme; Schreiber, JZ 1973, 713, 717; Basak, in: Strafrecht und Verfassung, S. 71, 87. 616 Schlüchter, Mittlerfunktion der Präjudizien, S. 83; Grunsky, Grenzen der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung, S. 10. 617 Robbers, JZ 1988, 481, 488. 618 Haffke, Das Rückwirkungsverbot des Art. 103 II GG bei Änderung der Rechtsprechung zum materiellen Recht, S. 144.

VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot

177

im Hinblick auf eine Änderung der bisherigen Rechtsprechung in Betracht käme. Sind die Gerichte aber an die bisherige Rechtsprechung gebunden und ist so eine Änderung der Rechtsprechung mit der einhergehenden Möglichkeit der Verurteilung von vorneherein ausgeschlossen, dann komme eine Anklage in der Regel nicht in Frage.619 Des weiteren wird eingewandt, dass sich die Bindungswirkung von Urteilen von jener im anglo-amerikanischen Rechtskreis grundlegend unterscheidet. Eine solche Bindungswirkung im deutschen Recht würde zur Folge haben, dass die anderen Gerichte an die im Rahmen des „prospective overruling“ getroffenen Entscheidungen gebunden wären. Eine solche Bindungswirkung, die insbesondere eine Bindungswirkung für die Zukunft bedeuten würde,620 ist für die Judikative, die in ihrer Entscheidungsfindung grundsätzlich frei ist, nicht vorgesehen. Die Kompetenzverschiebung zwischen Legislative und Judikative würde durch eine Änderung der Rechtsprechung nur für die Zukunft lediglich noch weiter bestärkt, da die Aufgabe der Judikative eigentlich darin bestehe, eine Einzelfallentscheidung für die Vergangenheit zu treffen.621 Allerdings können schwerlich prozessuale Umsetzungsprobleme zur Nichtanwendbarkeit eines Verfassungssatzes führen.622 Aus den soeben aufgeworfenen Problemen kann also nicht gefolgert werden, dass die gesetzlichen Voraussetzungen im Prozessrecht nicht geschaffen werden könnten. Wenn gegen die „vonnun-an“-Technik eingewandt wird, dass sie dazu führe, dass Richter*innen gezwungen werden, Entscheidungen, die sie für Unrecht halten, ein weiteres Mal anzuwenden, dann ist zu beachten, dass die Bewertung, ob eine Entscheidung Unrecht ist, nicht allein anhand der materiellen Rechtslage getroffen werden kann – auch verfassungsrechtliche Grundsätze sind zu beachten. In dieser Beurteilung muss also auch der Vertrauensschutz vor unvorhersehbaren Rechtsprechungsänderungen Anerkennung finden, der, wie soeben dargestellt, ebenfalls in Art. 103 Abs. 2 GG seinen Ausdruck findet. Nur allein eine andere Auslegung der anzuwendenden Norm führt nicht dazu, dass die bisherige Rechtsprechung automatisch zu einer unrechten oder materiell-rechtlich falschen Entscheidung wird.623 Darüber hinaus ist zu beobachten, dass die Revisionsgerichte bereits zunehmend vom Verfassen von obiter dicta Gebrauch machen und auf diese Art und 619

Schreiber, JZ 1973, 713, 717. Bittner, JZ 2013, 645, 648 unter Verweis auf eine Entscheidung des House of Lords: National Westminster Bank plc (Respondents) v. Spectrum Plus Limited and others and others (appalants), [2005] UKHL 41 unter 28. 621 Knittel, Zum Problem der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung, S. 39. 622 Müller-Dietz, in: FS-Maurach, S. 41, 48; Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 372. 623 Neumann, ZStW 103 (1991), 331, 342. 620

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Weise Hinweise für die Handhabung einer rechtlichen Problematik in der Zukunft an die Hand geben.624 Auch ist es allgemeine Rechtspraxis, dass Gerichte entsprechend der höchstgerichtlichen Rechtsprechung Entscheidungen fällen und nicht völlig losgelöst davon das Recht anwenden, sodass bereits eine faktische Bindung an die höchstgerichtliche Rechtsprechung angenommen werden kann. Wenn die Gerichte, durch die konkrete Fassung von Gesetzen, und im vorliegenden Falle insbesondere von Öffnungsklauseln, ohnehin eine quasi-gesetzgeberische Tätigkeit übernehmen, dann spricht dies dafür, dass im Sinne der Rechtssicherheit auch eine erhöhte Bindungswirkung erzeugt wird, die Vertrauensschutzgesichtspunkten Rechnung trägt. Wenn eingewandt wird, dass die Anwendung einer überholten Rechtsprechung Unrecht darstellt, dann muss beachtet werden, dass man im Umkehrschluss auch bei unvorhergesehenen Rechtsprechungsänderungen, die den Bedürfnissen einer Rechtsprechungsänderung keine Rechnung trägt, von Unrecht sprechen kann. Das Argument, dass die Gerichte durch die „von-nun-an“-Klausel an eine für Unrecht empfundene Entscheidung gebunden sind, vermag also nicht zu verfangen.625 Festgestellt werden kann, dass eine Anwendung der „von-nun-an“-Methode im deutschen Recht nicht gänzlich ausgeschlossen ist, auch wenn sie an bestimmte Voraussetzungen gebunden ist. Erforderlich ist insbesondere, dass bereits eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung eines obersten Gerichts besteht.626 Ob ein konkretes Vertrauen in eben jene Rechtsprechung getätigt wurde, kann hingegen dahinstehen. Die geänderte Rechtsprechung wird im konkreten Fall noch nicht angewendet, um dem Vertrauensschutz ausreichend Rechnung zu tragen. Entgegenstehende prozessrechtliche Vorschriften sind entsprechend zu ändern, um dem verfassungsrechtlich geschützten Vertrauen Rechnung zu tragen. Ob die geänderte Rechtsprechung allerdings bei anderen, bereits laufenden Verfahren, angewendet werden darf, ist noch offen, bedarf an dieser Stelle aber auch keiner Klärung. bb) Anwendung auf die erstmalige Verwendung von Öffnungsklauseln Entscheidend für die zugrunde liegende Fragestellung ist vielmehr, ob die Methode des „prospective overruling“ auch auf die erstmalige Anwendung von Öffnungsklauseln Anwendung findet und so den dargelegten Bedenken des Vertrauensschutzes Rechnung tragen kann und damit einen Konflikt der erstmaligen 624 625

A. H. Albrecht, in: FS-Dencker, 2012, 1, 9. Grunsky, Grenzen der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung,

S. 10. 626

S. 55.

Knittel, Zum Problem der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung,

VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot

179

Anwendung von Öffnungsklauseln mit einem an die Judikative gerichteten Rückwirkungsverbot lösen kann.627 Da sich, wie bereits dargelegt, eine vergleichbare Konfliktlage zeigt, könnten auch gleiche Lösungsstrategien zur Beseitigung des Widerspruchs herbeigezogen werden. Auch bei Öffnungsklauseln kommt es nicht auf das getätigte Vertrauen des Einzelnen, etwa durch Kenntnis des intendierten Schutzzwecks durch die Normgeber oder auf die Kenntnis konkreter Normen, an. Auch hier könnte die „von-nun-an“-Methode zugunsten der Rechtssicherheit wirken.628 Für diejenigen, die erstmals auf Grundlage einer Öffnungsklausel verurteilt werden, besteht eine unsichere Rechtslage, da sich die Norm eine analoge Anwendung auf nicht geregelte Verhaltensweisen gestattet, sofern sie mit den zuvor genannten Verhaltensweisen vergleichbar sind. Das kann dazu führen, dass für die Betroffenen im Zweifel ein Freispruch ebenso wahrscheinlich ist wie eine Verurteilung auf Grundlage der Norm. Auch hier macht es für die Betroffenen in Bezug auf die Unsicherheit der bestehenden Rechtslage keinen Unterschied, ob der Gesetzgeber von vorneherein selbst seine Norm und dessen Anwendungsbereich hinreichend konkretisiert hat oder die Norm erst durch die Anwendung der Judikative die erforderlichen Konturen erhält.629 Eine Vorwarnung der Strafbarkeit einer bestimmten Verhaltensweise durch die Anwendung der „von-nun-an“Methode kann auch in diesen Fällen den widerstreitenden Interessen des Vertrauens auf die Straffreiheit und der Möglichkeit der Anwendung der Öffnungsklausel Rechnung tragen. So kann der Angeklagte auf Grund der mangelnden Erkennbarkeit der Strafbarkeit zum Zeitpunkt der Tatbegehung freigesprochen werden und dennoch durch das Urteil festgestellt werden, dass in Zukunft solche Verhaltensweisen nach Ansicht des Gerichts unter den Anwendungsbereich der Norm fallen sollen. Auf diese Weise kann in gleichem Maße, wie auch bei der rückwirkenden Rechtsprechungsänderung auf der einen Seite der Vertrauensschutz gewahrt werden und auf der anderen Seite eine Anwendung der Öffnungsklauseln, zumindest für die Zukunft, sichergestellt werden. Dies wahrt ebenfalls die Flexibilität der Rechtsprechung. Auch ist in diesen Fällen die Ankündigung der entsprechenden Rechtsanwendung für die Zukunft in Form von obiter dicta denkbar. Prozessrechtlichen Einwänden kann hier ebenso mit dem Verweis auf den verfassungsrechtlich garantierten Vertrauensschutz begegnet werden, sodass

627 Ablehnend: Schlüchter, Mittlerfunktion der Präjudizien, S. 82 f.; so wird die Anwendung auch auf andere Schlechterstellungen des Täters diskutiert, vgl. Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 137. 628 Das offensichtlich übersehend: Tröndle, in: FS-Dreher, S. 117, 126; wenn Knittel, Zum Problem der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung, S. 56 von einem konkret getätigten Vertrauen ausgeht, erkennt er dennoch an, dass es in diesen Fällen bereits zu erheblichen Beweisschwierigkeiten kommt, da niemand nachweislich Vertrauen auf eine ausbleibende Bestrafung tätigt. 629 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 51.

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

diese eine solche Art der Rechtsprechung nicht bereits von vorneherein ausschließen. Dies spricht für eine Anwendung der „von-nun-an“-Methode auf erstmalige Verurteilungen aufgrund einer Öffnungsklausel. Anzumerken bleibt, dass die Anwendung der „von-nun-an“-Methode nur dann in Betracht kommt, wenn die konkrete Öffnungsklausel nicht bereits aufgrund anderer Kollisionen mit dem Grundgesetz für verfassungswidrig gehalten wird und es tatsächlich zu einer Anwendung eben jener Klausel durch die Gerichte kommt. Diese Methode dient lediglich der Wahrung des Vertrauensschutzes im Bereich der Rückwirkung. Die „von-nun-an“-Methode kann hingegen keine, zu einem anderen Punkte zu erörternde unzulässige Kompetenzverlagerung der Legislative auf die Judikative heilen.630 Auch wenn das Verbot einer solchen Kompetenzverlagerung auch dem Vertrauensschutz dient, so hat der dabei betroffene Grundsatz der Gewaltenteilung noch weitere Schutzrichtungen, die auf diesem Wege nicht gewahrt werden können. 4. Gesamtergebnis Tröndle weist richtigerweise daraufhin, dass es bei der Problematik der Anwendung des Rückwirkungsverbotes auf rückwirkende Rechtsprechungsänderungen und den dazu vertretenen Lösungsansätzen „um das Wesen rechtsprecherischer Tätigkeit“631 geht. Das bedeutet, dass entscheidend ist, welche Funktion und welche Arbeitsweise der Judikative zuordnet werden. Im Rahmen dessen wird darauf verwiesen, dass das in Art. 103 Abs. 2 GG normierte Rückwirkungsverbot sich gerade nicht an die Rechtsprechung richtet und auch nicht richten soll.632 Dies vermag nur dann zu überzeugen, wenn sich die Tätigkeit der Judikative genau vom Betätigungsfeld der Legislative abgrenzen ließe. Die Zuständigkeitsbereiche scheinen aber immer miteinander zu verschwimmen. Die Legislative hinterlässt gerade im Falle von Öffnungsklauseln bewusst ungeregelte Bereiche und schafft die gesetzgeberische Befugnis, die Norm auch auf nicht explizit genannte Verhaltensweisen anzuwenden. Auf diese Weise kommt den Gerichten durch diese Regelsetzung die Möglichkeit der Schaffung von innertatbestandlichen Analogien zu. Das Wesen der rechtsprecherischen Tätigkeit lässt sich nicht mehr ohne Weiteres von der legislativen Tätigkeit trennen. Dies zieht auch verfassungsrechtliche Konsequenzen nach sich, um Sinn und Zweck der dort verankerten Grundsätze nicht ins Leere laufen zu lassen. Für einen Verstoß von Öffnungsklauseln gegen das Rückwirkungsverbot bedeutet das Folgendes: Öffnungsklauseln verstoßen nicht bereits durch ihren Wortlaut gegen das Rückwirkungsverbot, das würde voraussetzen, dass die Norm eine Regelung ver630 631 632

Vgl. dazu in dieser Arbeit Kap. D. VIII. Tröndle, in: FS-Dreher, S. 117, 124. Tröndle, in: FS-Dreher, S. 117, 124.

VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot

181

fasst, die ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten vor Geltung der Norm für strafbar erklärt. Ein direkter Verstoß gegen das in Art. 103 Abs. 2 GG normierte Rückwirkungsverbot kann folglich nicht angenommen werden. Allerdings sprechen insbesondere Sinn und Zweck des Rückwirkungsverbotes dafür, dass eben jenes nicht nur auf die Tätigkeit der Legislative, sondern auch analog auf die Tätigkeit der Judikative Anwendung findet. Diese Anwendung wird primär im Bereich der Rechtsprechungsänderung verortet. Dennoch kann das Verbot der Rückwirkung auch für die erstmalige Anwendung von Öffnungsklauseln Wirkung entfalten: In den Fällen, in denen Verhaltensweisen erstmals durch Gerichte unter den Anwendungsbereich einer Öffnungsklausel subsumiert werden, kann ein Verstoß gegen ein an die Judikative adressiertes Rückwirkungsverbot angenommen werden, weil die Strafbarkeit der konkreten Verhaltensweise aufgrund der Fassung der Norm ebenfalls nicht im Zeitpunkt der Tatbegehung ersichtlich gewesen sein könnte und damit ebenfalls in Konflikt mit dem Vertrauensschutz gerät und dieser soll gerade durch das Rückwirkungsverbot zugunsten des getätigten Vertrauens gelöst werden. Dies hängt im besonderen Maße von den vor der Öffnungsklausel explizit genannten Verhaltensweisen ab. Die Annahme eines Verstoßes gegen ein Rückwirkungsverbot, dass an die Rechtsprechung adressiert ist, gilt allerdings nur unter der Prämisse, dass Öffnungsklauseln überhaupt für verfassungsgemäß gehalten werden und es infolgedessen überhaupt erst zu einer Anwendung durch die Gerichte kommt. Folglich können auch Öffnungsklauseln durch eine erstmalige Anwendung gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen. Die soeben aufgezeigte Interessenkollision kann allerdings dadurch umgangen werden, dass die Anwendung der Öffnungsklausel auf die konkrete Verhaltensweise nur für zukünftige Verfahren Wirkung entfalten kann und in Form eines obiter dictum Eingang in das Urteil findet. Ein solches Vorgehen entspricht der zuvor dargelegten „von-nun-an“-Methode. Für den zu verhandelnden Fall muss dies hingegen zu einer Ablehnung der Anwendung der Öffnungsklausel führen, da die Strafbarkeit der konkreten Verhaltensweise zum Zeitpunkt der Tatbegehung nicht erkennbar war. Dieses Vorgehen würde bei Umsetzung etwaiger erforderlicher strafprozessualer Gesetzesänderungen zu einem interessengerechten Ausgleich zwischen dem ansonsten verletzten Vertrauensschutz und der Funktionsfähigkeit der Öffnungsklausel führen. Verstöße gegen andere verfassungsrechtliche Grundsätze, die Öffnungsklauseln verletzen oder verletzen können, werden auf diesem Wege nicht geheilt. Die „von-nun-an“-Methode bezieht sich lediglich auf die rechtsprechende Tätigkeit und entfaltet keine heilende Wirkung für gesetzgeberische Mängel, sodass diese Methode auch keinen Verstoß von Öffnungsklauseln gegen die Grundsätze der Gewaltenteilung und der Gesetzesbindung heilen kann.

182

D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

VII. Vereinbarkeit mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts Öffnungsklauseln ermöglichen durch die gesetzlich angeordnete innertatbestandliche Analogie die Anwendung der Norm über den vom Gesetzgeber zuvor durch die konkreten Tatvarianten explizit festgelegten Bereich. Sie sollen gerade dazu dienen, möglichst umfassend alle für strafwürdig empfundenen Verhaltensweisen zu erfassen. Öffnungsklauseln kommt auf diese Weise die Funktion zu, Lücken zu schließen. Die Legitimität dieser Funktion als Zwecksetzung wurde bereits an anderer Stelle erörtert und es wurde aufgezeigt, dass ein solcher Zweck mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts in Konflikt steht.633 Der fragmentarische Charakter634 (zu Begriff und zur Bedeutung nach Binding vgl. Kap. C. II. 1. a)) bezeichnet dabei sowohl die Folge einer konsequenten Einhaltung der in Art. 103 Abs. 2 GG niedergelegten Grundsätze als auch eine Zielvorstellung dessen, wie Strafgesetze ausgestaltet sein sollten (dazu unter VII. 1.). Dieser Grundsatz macht eine Auswahl erforderlich, welche Verhaltensweisen in diesem fragmentarischen System geregelt werden sollen (dazu unter 2.), wobei der Grundsatz nicht synonym mit dem Grundsatz der Subsidiarität verstanden werden darf (dazu unter 3.). Grundsätzlich wird in der Strafgesetzgebung aus einer Vielzahl von Verhaltensweisen, die für strafbar erklärt werden könnten, immer nur ein begrenzter Teil unter Strafe gestellt. Dies ergibt sich aus den verfassungsrechtlichen Grundsätzen, die die Strafgesetzgebung einzuhalten hat (dazu unter 4.), wie etwa die Vorgaben aus Art. 103 Abs. 2 GG, aber auch daraus, dass diese Fragmentarität des Strafrechts als ein erstrebenswerter Zustand gewertet wird (dazu unter 5.).635 Aus diesem Grundsatz könnte sich eine Handlungsanweisung an die Legislative entnehmen lassen (dazu unter 6.). Öffnungsklauseln ermöglichen gerade auch die Erfassung von Verhaltensweisen, die nicht explizit in der Norm geregelt sind und verfolgen damit das Ziel, Strafbarkeitslücken zu schließen. Diese Art der Gesetzgebung steht also in einem Spannungsfeld mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts (dazu unter 7.)

633

Vgl. dazu Kap. D. VII. 5. H. Mayer, Strafrechtsreform für heute und morgen, S. 105, wobei sich der Begriff in der Regel auf den besonderen Teil des StGB bezieht; siehe zum fragmentarischen Charakter auch: Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präcentionsstrafrecht, S. 251 und dem Verhältnis zur Strafwürdigkeit, S. 252; in Bezug auf Straftheorien vgl. Zipf, Kriminalpolitik, S. 52. 635 Hefendehl, JA 2011, 401; Maiwald, in: FS-Maurach, S. 9; Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 666; Prittwitz, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 387, 393 ff.; Naucke, Strafrecht, S. 64; Kuhlhanek, ZIS 2014, 674; Kühl, in: FS-Kühne, S. 15, 19; ders., in: FS-Tiedemann, S. 29, 32; Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 46, 53; Hillenkamp, in: FS-Kirchhof, S. 1349, 1358; K. Peters, ZStW 1965, 470, 475. 634

VII. Vereinbarkeit mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts

183

1. Ebenen des fragmentarischen Charakters Der fragmentarische Charakter des Strafrechts weist, wie bereits unter Kap. C. II. 1. a) angedeutet, zwei unterschiedliche Ebenen auf: Zum einen ergibt sich dieses Prinzip aus den Vorgaben des Gesetzlichkeitsprinzips für strafrechtliche Gesetzgebung und zurückhaltende richterliche Rechtsanwendung. Daraus folgt logisch, dass bei einer hinreichenden Bestimmtheit von Normen und dem Verbot analoger Rechtsanwendung, vergleichbare Handlungen gerade nicht unter Strafe gestellt sind und somit Strafbarkeitslücken verbleiben.636 Dabei handelt es sich um einen „evaluierbaren Beurteilungsspielraum“, in dem Sinne, dass die Einhaltung von Art. 103 Abs. 2 GG und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, die zur Lückenhaftigkeit des Strafrechts beitragen, überprüft werden können.637 Die Einhaltung des Grundsatz des fragmentarischen Strafrechts kann insoweit nur mittelbar überprüft werden. Zum anderen beinhaltet der Grundsatz des fragmentarischen Charakters des Strafrechts aber auch einen Appell zur Zurückhaltung an die Gesetzgebung, dessen Einhaltung nur bedingt überprüfbar ist.638 Daraus ergibt sich einerseits, dass der fragmentarische Charakter des Strafrechts zum einen eine Konsequenz der Anforderungen darstellt, die von Art. 103 Abs. 2 GG an Gesetzgeber und Judikative gestellt werden und andererseits ein davon unabhängiger Appell an gesetzgeberische Zurückhaltung.639 Wie aber das Fragment des Strafrechts aussehen soll, wie also entschieden wird, was geregelt werden sollte und was lückenhaft bleiben sollte – unabhängig von solchen Lücken, die aufgrund von Art. 103 Abs. 2 GG verbleiben – wird unterschiedlich beurteilt. Unklar bleibt auch, ob und welchem System eine solche zurückhaltende Strafgesetzgebung unterliegt.640 2. Feststellung der strafwürdigen Verhaltensweisen Den im strafrechtlichen System bestehenden Lücken könnte jedwede Systematik abgesprochen werden, wenn es sich um reine Zufälle handelte, welche Verhaltensweisen unter Strafe gestellt werden und welche Bereiche straffrei verblei-

636 Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 665; H. Mayer, Strafrechtsreform für heute und morgen, S. 106; Maiwald, in: FS-Maurach, S. 9; MüKo-StGB/Freund, Vorb. zu § 13 StGB, Rn. 32; Eschelbach/Krehl, in: FS-Kargl, S. 81, 82. 637 Hefendehl, JA 2011, 401, 405; Kühl, in: FS-Kühne, S. 15, 19. 638 Anders Hefendehl, JA 2011, 401, 405, indem er die Ebenen nicht klar voneinander unterscheidet. 639 Mit Beispielen vgl. Walter, JA 2013, 727, 728. 640 Naucke, Strafrecht, S. 65.

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

ben.641 So sah es zumindest Binding, der augenscheinlich erstmals den Begriff des fragmentarischen Strafrechts verwendete und darunter – anders als die wohl herrschende Meinung heute – etwas defizitäres verstand.642 Denn gleichsam strafwürdige Verhaltensweisen würden bei einer abschließenden Aufzählung strafbarer Verhaltensweisen gerade nicht erfasst.643 Das Strafrecht regelt danach nur solche Bereiche, die sich im (politischen oder gesellschaftlichen) Diskurs aufdrängen und infolgedessen einer rechtlichen Regelung bedürfen.644 Konsequenz dessen wäre eine „formell[e] und empirisch[e]“ Definition des fragmentarischen Charakters des Strafrechts.645 Es verblieben – ohne nähere Begründung – ungeregelte Bereiche, die den für strafwürdig empfundenen Verhaltensweisen sehr ähnlich sind. Demnach wäre Fragmentarität etwas Unsystematisches646 und dadurch, nach Binding, für eine Rechtsordnung Nachteiliges. Der Begriff des fragmentarischen Strafrechts kann allerdings auch aus einer programmatischen Sicht definiert werden.647 Das bedeutet, dass das Strafrecht gerade auf solche Handlungen begrenzt ist, die eine dem Strafrecht entsprechende Behandlung verdienen,648 also auf solche Verhaltensweisen, die eine strafrechtliche Intervention unbedingt erforderlich machen. Dabei lässt es solche außer Acht, die zwar auch strafwürdig erscheinen, aber nicht zwingend über das Strafrecht geregelt werden müssen.649 Das entspricht nach Prittwitz wohl auch dem heute vorherrschenden Verständnis.650 Die Auswahl der Verhaltensweisen, die unter Strafe gestellt werden, erfolgt nicht zufällig, sondern aufgrund der messbaren Strafwürdigkeit dieses konkreten Verhaltens. Ein solches Vorgehen bei Auswahl der strafwürdigen Fragmente lässt zumindest eine gewisse Systematik erahnen.651 Für ein dahinterliegendes Konzept spricht auch, dass – obwohl 641 Zur fehlenden Systematik siehe auch Zaczyk, ZStW 123 (2011), 691, 692, wobei er den Begriff eines fragmentarischen Strafrechts etwas anders versteht, er erkennt bedingungslos an, dass Strafrecht nur fragmentarisch sein kann und ein umfassender Schutz nicht das Ziel ist, dennoch sieht er das Fragmentarische grundsätzlich als Gegensatz zum Systematischen. 642 Binding, Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, S. 20 f. 643 Binding, Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, S. 21. 644 Nach Binding, Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, S. 20 handelt es sich um sog. „Gelegenheitsgesetze“. 645 Prittwitz, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 387, 389. 646 Prittwitz, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 387, 389, unter Verweis auf den natürlichen Sprachgebrauch. 647 Zur Begrifflichkeit vgl. Prittwitz, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 387, 389; so wohl auch Walter, JA 2013, 727, 728. 648 Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 53; Kuhlhanek, ZIS 2014, 674. 649 Walter, JA 2013, 727, 728. 650 Prittwitz, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 387, 389. 651 Kuhlhanek, ZIS 2014, 674; umfassend zum Konzept der Strafwürdigkeit vgl. NKStGB/Hassemer/Kargl, Vorbm. zu § 1 Rn. 4 ff. und Kap. VII. Rn. 49.

VII. Vereinbarkeit mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts

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Strafrecht gerade kein ganzheitliches System ist – dennoch Bereiche durch Strafbarkeiten bewusst akzentuiert werden. Somit kann der fragmentarische Charakter als Teil eines Gesamtkonzeptes betrachtet werden.652 Offen bleibt, wie beurteilt wird, welche Verhaltensweisen eine strafrechtliche Behandlung verdienen und welche nicht im Bereich des Strafrechts geregelt werden sollten. Diese Fragestellung ist allerdings für die Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem fragmentarischen Charakter ohne Bedeutung und soll hier nicht näher erläutert werden.653 Es kann festgestellt werden, dass auch Fragmente einem System folgen können und nicht nur vollständig geregelte Bereiche eine Systematik aufweisen. 3. Abgrenzung zur Subsidiarität des Strafrechts Zum Teil wird der Begriff des fragmentarischen Strafrechts synonym zur „Subsidiarität des Strafrechts“ verwendet.654 Diese synonyme Verwendung ist aber ungenau und trifft die Kernelemente der beiden Grundsätze nicht.655 Denn Subsidiarität meint den nachrangigen Einsatz von Strafrecht bei gesetzgeberischen Interventionen. Strafrecht soll erst dann zur Anwendung kommen, wenn das Zivilrecht und das öffentliche Recht keine angemessene Handhabe für den abstrakten Fall bereithalten. Dies wird mit dem eingriffsintensiven Charakter von Strafen begründet.656 Subsidiarität trägt auf diese Weise zur Lückenhaftigkeit des Strafrechts bei. Daraus erklärt sich aber noch nicht, warum das Strafrecht fragmentarisch im Sinne von lückenhaft sein sollte. Eine strenge Orientierung am Subsidiaritätsgrundsatz kann, aber muss nicht zwingend zu einem fragmentarischen Strafrecht führen. Auch wenn Subsidiarität teilweise erklären kann, warum

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Kuhlhanek, ZIS 2014, 674. Zur Systematik vgl. Hillenkamp, in: FS-Kirchhof, S. 1349, 1358 f. m.w. N. 654 Roxin, JuS 1966, 377, 382; Roxin/Greco, Srafrecht AT, S. 82, Verhältnis zueinander offen gelassen; Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zum Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht, S. 28; so auch Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 251; allgemein zum Subsidiaritätsprinzip im Strafrecht vgl. Kaufmann, in: FS-Henkel, S. 89; zur Bedeutung der Subsidiarität im Strafrecht vgl. zusammenfassend auch Zipf, Kriminalpolitik, S. 52 f.; Jakobs, Strafrecht AT, 2/26 ff.; kritisch zur Einschränkung im Strafrecht am Beispiel von ultima-ratio und Rechtsgüterschutz, vgl. Frisch, NStZ 2016, 16, 23 f.; differenzierend zwischen dem fragmentarischen Charakter und dem ultima-ratio-Grundsatz: Hassemer, Negatives Strafrecht, S. 82. 655 Zur Unterscheidung der Begrifflichkeiten siehe Lackner/Kühl/Heger, § 13 Rn. 3; die Fragmentarietät des Strafrecht setzt sich auch nicht aus dem Subsidiaritätsprinzip und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zusammen, wie Ebert, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 4 vertritt. Diese können zwar Ausprägungen eben dessen darstellen, aber sie erschaffen den fragmentarischen Charakter nicht; kritisch zur synonymen Verwendung der Begriffe vgl. Kaufmann, in: FS-Henkel, S. 89, 103. 656 Roxin, JuS 1966, 377, 382; Kühl, in: FS-Kühne, S. 15, 18. 653

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die Strafrechtsordnung als solche lückenhaft ist, vermag sie doch keinen Grund dafür zu liefern, warum der fragmentarische Charakter als eigenständiges Prinzip anerkannt sein sollte. Schon deshalb können die Begriffe nicht synonym verwandt werden. 4. Verfassungsrechtliche Herleitung des fragmentarischen Charakters des Strafrechts Der fragmentarische Charakter des Strafrechts ist kein ausdrücklich verfassungsrechtlich normierter Grundsatz, kann aber aus unterschiedlichen Normen des Grundgesetzes hergeleitet werden.657 a) Gesetzlichkeitsprinzip Wie oben bereits dargestellt fußt das Bestehen eines fragmentarischen Strafrechts in der Geltung des Art. 103 Abs. 2 GG und den damit verbundenen Garantien, wie dem Bestimmtheitsgrundsatz658 und dem Analogieverbot. Notwendigerweise kann Strafrecht, wenn es die dort verbürgten Anweisungen an Rechtsprechung und Gesetzgebung ernst nimmt, immer nur fragmentarisch sein.659 Insbesondere im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz ist eine umfassende Lückenschließung aufgrund des exkludierenden Charakters von Sprache nicht möglich. Der Bestimmtheitsgrundsatz führt also zur Entstehung straffreier Räume auf und verhindert (bewusst) eine umfassende Regelung, die zu einem lückenlosen Strafrecht führen würde.660 Darüber hinaus verhindert das Analogieverbot, vergleichbare Interessenlagen bei einer fehlenden gesetzlichen Regelung gleich zu behandeln. Eine Schließung etwaiger Strafbarkeitslücken durch die Judikative wird aber, wie oben bereits dargelegt, auch durch die Legislative verhindert. Die Lückenhaftigkeit des Strafrechts stellt sich hier als Reflex der verfassungsrechtlichen Vorgaben dar,661 die 657 Kühl, in: FS-Stöckl, S. 117, 118; kritisch: Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 253, nach dem der fragmentarische Charakter „kein eigenständiges verfassungsrechtliches Potential“ aufweist; anders: Appel, Verfassung und Strafe, S. 411, nach dem der fragmentarische Charakter des Strafrechts nur eine Zustandsbeschreibung ohne normative Grundlage darstellt. 658 Dazu insbesondere: Eschelbach/Krehl, in: FS-Kargl, S. 81, 82. 659 Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 665, der die Lücken in der Strafrechtsordnung als sog. „Reflex“ des nullum-crimen-sine-lege-Grundsatzes begreift; umfassend dazu auch Hefendehl, JA 2011, 401, 403; MüKo-StGB/Freund, § 13 Rn. 32: „Eine Folge des nullum crimen Satzes ist der fragmentarische Charakter des Strafrechts“ unter Verweis auf Maiwald, in: FS-Maurach, S. 9; zum Zusammenhang vom fragmentarischen Charakter und Art. 103 Abs. 2 GG in Bezug auf den Fahrlässigkeitsbegriff des § 15 StGB vgl. auch MüKo-StGB/Duttge, § 15 Rn. 10. 660 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zum Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht, S. 30 f. 661 Naucke, Strafrecht, S. 64; Hefendehl, JA 2011, 401, 403.

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an Rechtsprechung und Rechtsetzung gestellt werden (sog. deskriptive Fragmentarität662). Daraus ist zu folgern, dass sich der fragmentarische Charakter des Strafrechts aus Art. 103 Abs. 2 GG ergibt und unter anderem auch in diesem Verfassungssatz seinen Ursprung hat.663 Die Herleitung aus Art. 103 Abs. 2 GG bestärkt aber auch die Annahme, dass die Wirksamkeit des fragmentarischen Strafrechts durch Entscheidungen des BVerfG herabgesetzt werden kann.664 Denn wenn dieses der Legislative bei der Einhaltung des Bestimmtheitsgrundsatzes eine erhebliche Einschätzungsprärogative zuspricht, dann führt dies unweigerlich dazu, dass Tatbestände offener formuliert werden können, eine Vielzahl von Verhaltensweisen umfassen und weniger straffreie Räume verbleiben.665 b) Allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG Die in Art. 103 Abs. 2 GG normierte Forderung, Tatbestände so genau wie möglich zu fassen und nicht analog anzuwenden, hat auch eine freiheitssichernde Funktion. Wie bei der Erforderlichkeit eines fragmentarischen Charakters bereits erläutert, soll dieser Grundsatz auch sicherstellen, dass die Freiheit nicht übermäßig eingeschränkt wird.666 Diese freiheitssichernde Funktion wird verfassungsrechtlich aber nicht nur durch das Gesetzlichkeitsprinzip sichergestellt, sondern ausdrücklich auch durch das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG, wonach zunächst alle menschlichen Verhaltensweisen dem grundsätzlichen Schutz unterfallen.667 Nur wenn straffreie Räume und strafbare Verhaltensweisen in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis stehen, kann der verfassungsrechtlich normierte Freiheitsgrundsatz verwirklicht werden.668 Das Bedürfnis nach einem fragmentarischen Strafrecht ergibt sich folglich auch aus dem Individualgrundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG.

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Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 666. Naucke, Strafrecht, S. 65. 664 So zum Beispiel bei BVerfG 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 = BVerfGE 126, 170, 198 f. = NJW 2010, 3209. 665 Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 684. 666 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zum Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht, S. 30. 667 Sachs/Rixen, Art. 2 Rn. 52; befürwortend für eine umfassende Handlungsfreiheit: vgl. Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke/Hofmann, Art. 2 Rn. 2; inwieweit Handlungen wie Mord oder Körperverletzung noch in den Schutzbereich fallen, soll hier nicht weiter erörtert werden, vgl. dazu Sachs/Rixen, Art. 2 Rn. 53; zur allgemeinen Handlungsfreiheit als freie Entfaltung der Persönlichkeit vgl. Stern, StaatsR Bd. IV/1, S. 190; einem weiten Verständnis der allgemeinen Handlungsfreiheit folgend: Sachs/Rixen, Art. 2 Rn. 42 ff. 668 So wohl auch Eschelbach/Krehl, in: FS-Kargl, S. 81, 82. 663

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c) Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG Diese freiheitssichernde Funktion wirkt sich aber nicht nur auf der Ebene eines Individualgrundrechts der allgemeinen Handlungsfreiheit aus, sondern ist auch Ausdruck eines bestimmten Staatsverständnisses. Denn Freiheitssicherung ist konstituierendes Merkmal eines Rechtsstaates, Art. 20 Abs. 3 GG.669 Es handelt sich dabei um eines der „Kernelemente“ eines Rechtsstaates.670 Neben der Freiheitssicherung gebietet das Rechtsstaatsprinzip auch die Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.671 Dazu gehört auch eine verhältnismäßige Nutzung des Strafrechts. Eine solche gebietet gerade auch einen zurückhaltenden Einsatz besonders eingriffsintensiver Maßnahmen, wie der staatlichen Strafen. Ein verhältnismäßiger und damit pointierter Einsatz des Strafrechts widerspricht in seinem Grundgedanken gerade einem lückenlosen umfassenden Schutz.672 Das bedeutet im Umkehrschluss, dass der fragmentarische Charakter des Strafrechts gerade auch aus dem Rechtsstaatsprinzip Art. 20 Abs. 3 GG hergeleitet werden kann.673 Demgegenüber wendet Prittwitz ein, dass das Rechtsstaatsprinzip (sowie das Demokratie- und Schuldprinzip) nicht zur Herleitung des fragmentarischen Charakters des Strafrechts herangezogen werden können. Denn eine Einhaltung dieser verfassungsrechtlichen Grundsätze wäre auch bei einem umfassenden und lückenlosen Strafrecht möglich.674 Dem ist aber zumindest bezogen auf das Rechtsstaatsprinzip entgegenzuhalten, dass nicht ersichtlich ist, inwieweit der freiheitssichernden Funktion des Rechtsstaatsprinzips bei einem lückenlosen Strafrecht ausreichend Rechnung getragen werden könnte. Der fragmentarische Charakter des Strafrechts ergibt sich folglich nicht nur als logische Konsequenz aus der Einhaltung der verfassungsrechtlichen Grundsätze. Darüber hinaus ist ein lückenhaftes Strafrecht ist auch ein erstrebenswertes Ziel der Strafrechtsordnung. 669 Zur Verbindung des Rechtsstaatsprinzips mit Art. 2 GG vgl. Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Henneke/Hofmann, Art. 20 Rn. 56; umfassend zum Rechtsstaatsprinzip vgl. Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 20; historisch zum Freiheitsgedanken und Rechtsstaatsprinzip vgl. Mangoldt/Klein/Starck/Sommermann, Art. 20 Rn. 232; ob sich das Rechtsstaatsprinzip direkt aus Art. 20 Abs. 3 GG ergibt oder es sich dabei um einen ungeschriebenen Grundsatz handelt, kann dahinstehen, vgl. dazu v. Münch/Kunig/Schnapp, 6. Aufl. 2012, Art. 20 Rn. 32; Prittwitz, StV 1991, 435, 437. 670 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 20 Rn. 39; zum Zusammenhang eines ausufernden Strafrechts und dem Rechtsstaatsprinzip vgl. P.-A. Albrecht, KritV 1996, 330, 339. 671 Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke/Hofmann, Art. 20 Rn. 72 ff.; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 20 Rn. 179. 672 Hefendehl, JA 2011, 401, 403 ff.; Kuhlhanek, ZIS 2014, 674, 675. 673 Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 46 unter Verweis auf Maiwald, in: FS-Maurach, S. 9, 22; Eschelbach/Krehl, in: FS-Kargl, S. 81, 82; anders: Prittwitz, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 387, 400; im Ergebnis wohl auch Kühl, in: FS-Tiedemann, S. 29, 36. 674 Prittwitz, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 387, 400.

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5. Erforderlichkeit des fragmentarischen Charakters Der fragmentarische Charakter meint folglich eine bewusste Begrenzung des Strafrechts, welches Lücken in der Gesetzgebung als normalen – und nicht zu beseitigenden Umstand – wahrnimmt.675 Aus der verfassungsrechtlichen Herleitung ergibt sich, dass straffreie Räume verbleiben und gelassen werden müssen.676 Dass es sich dabei um einen erstrebenswerten Zustand handelt, erscheint unstreitig.677 Dennoch war gerade nach Binding der fragmentarische Charakter des Strafrechts ein Fehler des Systems. Ein solches lückenhaftes Strafrecht sei gerade nicht mit der Gerechtigkeit vereinbar und laufe so der Schutzfunktion zuwider.678 Die Lückenhaftigkeit ist aber nicht nur verfassungsrechtlich geboten, sondern auch, unabhängig von der verfassungsrechtlichen Komponente, erstrebenswerter Sollzustand einer Strafrechtsordnung. a) Fragmentarischer Charakter als Manko der Strafrechtsordnung In Übereinstimmung mit Bindings Auffassung ließen sich aus den Strafzwecken, wie dem general- oder spezialpräventiven Charakter des Strafrechts, grundsätzlich keine Begründungen dafür finden, warum das Strafrecht einen fragmentarischen Charakter aufweisen müsse.679 Denn sowohl unter dem Gesichtspunkt der Resozialisierung als auch für das Vertrauen in die Geltung der Rechtsordnung ist das Erfordernis straffreier Räume nicht ohne Weiteres ersichtlich.680 Darüber hinaus kann ein lückenhaftes Strafrecht auch im Widerspruch zum Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG stehen, wonach alle im Wesentlichen gleichen Verhaltensweisen auch gleich zu behandeln sind.681 Wenn aufgrund der 675

Kuhlhanek, ZIS 2014, 674; Kühl, in: FS-Stöckl, S. 117, 132. Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 666, beschreibt dies als „präskriptive Fragmentarietät“. 677 Maiwald, in: FS-Maurach, S. 9; Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 666; kritisch zur verfassungsrechtlichen Herleitung: Prittwitz, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 387, 393 ff.; Hefendehl, JA 2011, 401; Kuhlhanek, ZIS 2014, 674; Kühl, in: FS-Kühne, S. 15, 19; ders., in: FS-Stöckl, S. 117, 118 verweist aber darauf, dass bei Gesetzgebungsinitiativen im Bereich des Strafrechts dennoch die Schließung von Lücken im Vordergrund steht; Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 46, 53; Hillenkamp, in: FS-Kirchhof, S. 1349, 1358; K. Peters, ZStW 1965, 470, 475; Kühl, in: FS-Tiedemann, S. 29, 32. 678 Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 671; Zaczyk, ZStW 123 (2011), 691 vertritt die Ansicht, dass sich Binding dabei nur auf den Bereich der Lücken bezieht, die es aufgrund des Gesetzlichkeitsprinzipes konsequenterweise im Strafrecht gibt, allerdings wird nicht ersichtlich, warum sich Binding nicht auch auf bewusst gelassene Regelungslücken berufen haben sollte. 679 Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 251; anders zumindest in Hinblick auf den Strafzweck der Generalprävention vgl. Kuhlhanek, StV 2015, 725, 727. 680 Kuhlhanek, ZIS 2014, 674, 675; kritisch: Maiwald, in: FS-Maurach, S. 9, 15 ff. 681 Lenckner, JuS 1968, 304, 307. 676

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Lückenhaftigkeit der Strafrechtsordnung Verhaltensweisen, die mitunter als gleichermaßen strafwürdig empfunden werden könnten, in den straffreien Bereich fallen, weil sie vom Gesetzestext – bewusst oder unbewusst – nicht erfasst werden, kann es zu einer solchen Ungleichbehandlung kommen. Dies kann dafürsprechen, gerade keine straffreien Räume beizubehalten. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt aber erst dann vor, wenn die Ungleichbehandlung willkürlich erscheint.682 Eine solche Willkür kann wohl dann nicht angenommen werden, wenn die Ungleichbehandlung auf verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 103 Abs. 2 GG beruht. Dieser sieht als eine Norm mit Verfassungsrang gerade vor, dass aufgrund von Bestimmtheitsgebot und Analogieverbot straffreie Räume verbleiben. Eine Willkür ist in dieser Differenzierung nicht zu erkennen. Auch kann eine völlige und umfassende Gleichbehandlung aller vergleichbarer Verhaltensweisen ohnehin nicht erreicht werden. Strafrecht kann folglich nur exemplarisch sein.683 Alles andere würde zu einer umfassenden Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit führen, Art. 2 Abs. 1 GG. b) Gerechtigkeit, Freiheitssicherung und Strafökonomie Es muss allerdings auch bedacht werden, dass über das Strafrecht niemals eine umfassende Gerechtigkeit hergestellt werden kann. Niemals können alle gleichwertigen Verhaltensweisen erfasst werden, ohne auf diese Weise solche Tatbestände zu schaffen, die den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG nicht genügen.684 Dies scheitert über das Gesetzlichkeitsprinzip hinaus auch bereits daran, dass eine Vergleichbarkeit ein hohes Maß an individueller Wertung beinhaltet. Darüber hinaus stellt das staatliche Strafen das letzte zur Verfügung stehende Mittel dar und kann nicht den Anspruch erheben, umfassend zu schützen.685 Wenn dieses Ziel allumfassender Regelungen nicht erreicht werden kann, kann die Herstellung umfassender Gerechtigkeit nicht als Argumentationstopos gegen ein fragmentarisches Strafrecht angeführt werden. Konsequenz dessen sind notwendigerweise straffreie Bereiche. Ergänzend ergibt sich das Erfordernis eines fragmentarischen Strafrechts aus dem eingriffsintensiven Charakter von Kriminalstrafen. Die Anwendung des Strafrechts gehört durch den freiheitsentziehenden und pönalisierenden Charak-

682 So auch Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 251. 683 Schmidhäuser, Einführung in das Strafrecht, S. 142; Hillenkamp, in: FS-Kirchhof, 1349, 1358. 684 Maiwald, in: FS-Maurach, S. 9, 2 f.; zu den negativen Auswirkungen eines lückenlosen Strafrechts vgl. J. Hirsch, in: FS-Puppe, 2011, 117. 685 Maiwald, in: FS-Maurach, S. 9, 22 f.

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ter zu den schärfsten Mitteln eines Staates.686 Die dem Staat dadurch verliehene Macht darf nicht missbraucht und in diesem Sinne auch nicht wahllos und willkürlich eingesetzt werden.687 Der fragmentarische Charakter des Strafrechts stellt die Balance zwischen den Polen der freiheitsgewährenden und freiheitsentziehenden Funktion des Strafrechts her, indem neben der erhebliche Freiheitsbegrenzung durch das Strafrecht, straffreie Räume belassen werden.688 Denn nur wenn Strafrecht fragmentarisch ist, kann es ausreichend Entscheidungsspielräume für die Freiheit des Einzelnen lassen und damit dem in Art. 2 Abs. 1 GG normierten Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit Rechnung tragen.689 Dies bedeutet im Ergebnis, dass Strafe im Sinne eines Regel-Ausnahmeverhältnisses immer den Ausnahmefall darstellen soll.690 Das gilt sowohl für die Strafrechtsordnung als Ganze als auch für den Anwendungsbereich einzelner Tatbestände. Für das Verbleiben straffreier Räume, auch wenn diese Räume von Teilen der Bevölkerung als strafwürdig und strafbedürftig erachtet werden, spricht außerdem, dass Strafbarkeit gerade keine moralische Instanz sein soll, die zu einem vermeintlich richtigen Verhalten i. S. v. moralischem Verhalten anhält.691 Strafrecht dient immer nur dem Schutz einer schon bestehenden Sozialordnung. Es kann seinerseits keine Sozialordnung hervorbringen und hat folglich nur eine beschränkt lenkende Wirkung, was wiederum zu einem fragmentarischen Strafrecht führt.692 Neben den Gesichtspunkten der Freiheit und Gerechtigkeit sprechen aber auch praktische Erwägungen für ein lückenhaftes Strafrecht.693 Den Strafverfolgungsbehörden stehen immer nur personell und materiell begrenzte Ressourcen zur 686 So auch MüKo-StGB/Freund, § 1 Rn. 37; zum qualitativen Unterschied von Strafe zu Eingriffen durch Verwaltungsakte vgl. Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 24, 112 m.w. N.; Eschelbach/Krehl, in: FS-Kargl, S. 81, 82. 687 Kindhäuser, in: Modernes Strafrecht und ultima-ratio-Prinzip, S. 29, 37. 688 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zum Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht, S. 29; Lenckner hingegen betont die durch Strafbarkeitslücken entstehenden Einschränkung der Freiheit der Betroffenen, vgl. JuS 1968, 304, 307; Eschelbach/Krehl, in: FS-Kargl, S. 81, 82. 689 Eschelbach/Krehl, in: FS-Kargl, S. 81, 82; Bloy, in: FS-Maiwald, S. 9, 24; Ebert, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 3 f. 690 Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 666; das legt auch die Verwendung des Begriffs „strafrechtsfreie Räume“ von Tiedemann nahe, vgl. ders., Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht, S. 18. 691 Vormbaum, ZStW 123, 2011, 660, 668; Schmidhäuser, Einführung in das Strafrecht, S. 45; Maiwald, in: FS-Maurach S. 9, 10. 692 Zipf, Kriminalpolitik, S. 52. 693 Zum Folgenden vgl. Prittwitz, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 387, 401 f.; Eschelbach/Krehl, in: FS-Kargl, S. 81, 82; Hillenkamp, in: FS-Kirchhof, S. 1349, 1358; im Ergebnis wohl auch P.-A. Albrecht, KritV 1996, 330, 331, verweist aber darauf, dass grundsätzlich Ressourcen für eine wirksame Strafverfolgung zur Verfügung gestellt werden müssen; K. Peters, ZStW 1965, 470, 475.

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Verfügung. Ein Mehr an Straftatbeständen bedeutet konsequenterweise auch ein Mehr an Arbeitsbelastung für die Behörden. Effektivität der Strafverfolgung kann bei geringerer Arbeitslast eher umgesetzt werden. Dies spricht dafür, klar umgrenzte strafbare Handlungsbereiche zu verfassen und keine umfassenden Straftatbestände zu schaffen und so gleichzeitig dem fragmentarischen Charakter Rechnung zu tragen. Schließlich unterliegt das Strafrecht, wie die Gesellschaft und die Sozialordnung, einem ständigen Wandel. Das bedeutet, dass Strafandrohungen laufend an den Stand der Zeit angepasst werden müssen. Die konsequente Umsetzung eines lückenlosen Strafrechts scheitert also auch an der Reaktion des Strafrechts durch mitunter zeitintensive Gesetzgebungsverfahren auf veränderte Verhältnisse.694 6. Fragmentarischer Charakter als Handlungsanweisung an die Legislative Aus dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts kann eine Handlungsbzw. Unterlassungsanweisung an die Judikative entnommen werden: Dadurch, dass nicht alles, was vermeintlich strafwürdig erscheint, auch für strafbar erklärt werden muss, verbietet sich auch aufgrund des fragmentarischen Charakters des Strafrechts eine lückenfüllende Rechtsanwendung.695 Dies ergibt sich aber auch aus der konsequenten Anwendung des Analogieverbotes, Art. 103 Abs. 2 GG. Für die hier zu untersuchende Fragestellung, inwieweit Öffnungsklauseln mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts vereinbar sind, ist allerdings von Bedeutung, auf welche Weise dem Grundsatz eine Handlungsanweisung an die Legislative entnommen werden kann. Das Postulat des fragmentarischen Charakters des Strafrechts muss in erster Linie als Handlungsanweisung an die Legislative verstanden werden.696 Dem Gesetzgeber obliegt dabei gerade die Pflicht zu entscheiden, welche Verhaltensweisen strafwürdig sind und inwieweit diese und auf welche Weise unter Strafe gestellt werden sollen.697 Dem Gesetzgeber kommt also eine Einschätzungsprärogative zu.698 Dies bezieht sich zum einen auf die Strafbarkeit als solche, also ob 694

Schmidhäuser, Einführung in das Strafrecht, S. 142. H. J. Hirsch, in: FS-Tröndle, S. 19, 26, 38; anders: Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 251. 696 Naucke, Strafrecht, S. 64; Lackner/Kühl/Heger, Vorbm. § 13 Rn. 3. 697 Zu Strafrechtspolitik und dem Begriff der Strafwürdigkeit insgesamt, vgl. Hassemer, in: Strafrechtspolitik, S. 9, 10, in Abgrenzung zur Kriminaltheorie; HoffmannRiem, Kriminalpolitik ist Gesellschaftspolitik, S. 68 ff. auch im Hinblick auf die selektive Verfolgung von Straftaten; Otto, GS-Schröder, S. 53, 54 ff., der sich der Strafwürdigkeit über den Begriff der Strafe nähert. 698 Vgl. zur Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers z. B. MüKo-StGB/Joecks/ Erb, Einleitung Rn. 2 m.w. N.; BeckOK-StGB/Heintschel-Heinegg, § 1 Rn. 32; Appel, Verfassung und Strafe, S. 182; und Hefendehl, JA 2011, 401, 405. 695

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ein Tatbestand überhaupt in das Strafgesetzbuch aufgenommen werden soll und zum anderen auf den Umfang der Norm, also auch auf die Fassung der Tatbestandsmerkmale. Es ist allerdings bereits unklar, wie Strafwürdigkeit definiert werden sollte.699 Einleuchtend scheint aber, dass in die Entscheidung darüber neben Gerechtigkeitserwägungen,700 der Strafwürdigkeit, auch Zweckmäßigkeitserwägungen, die sog. Strafbedürftigkeit, mit einfließen.701 Der Gesetzgeber kann hierbei zum Beispiel durch die konkrete Art der Normgebung bestimmte Bereiche, Handlungsweisen oder subjektive Einstellungen aus dem Tatbestand ausschließen und so seinerseits innerhalb eines von ihm grundsätzlich für strafwürdig befundenen Verhaltens bestimmte Bereiche straflos stellen.702 So ist eine Sachbeschädigung zwar beim vorsätzlichen Handeln strafbar, für die Strafbarkeit einer fahrlässigen Sachbeschädigung wurde hingegen, mangels entsprechender Regelung, augenscheinlich kein Bedarf gesehen (vgl. dazu auch § 15 StGB).703 Dies ist ein Beispiel dafür, wie der Gesetzgeber durch subjektive Voraussetzungen ein lückenhaftes Strafrecht schaffen kann. Diese Lückenhaftigkeit des Rechts ist also nicht nur Reflex des Gesetzlichkeitsprinzips, sondern kann und sollte auch Folge gesetzgeberischer Wertungsentscheidungen oder anderer strafrechtlicher Prinzipien, wie dem Schuldprinzip oder dem Prinzip des subsidiären Rechts-

699 Grundlegend zum Begriff der Strafwürdigkeit vgl. Schmidhäuser, Einführung in das Strafrecht, 1/17; zum Begriff der Strafbedürftigkeit vgl. Günther, JuS 1978, 8, 12, der die Strafwürdigkeit als „limitierendes Regulativ“ der Strafgesetzgebung beschreibt; ein überzeugende Definitionsvorschlag findet sich bei NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 51, der zwischen Strafwürdigkeit im normativen und kriminalpolitischen Sinne differenziert; eine umfassende Diskussion zur Strafwürdigkeit findet sich auch bei Alwart, Strafwürdiges Versuchen, S. 21 ff. und insbesondere kritisch zu formellen und materiellen Strafwürdigkeitsbegriffen, S. 75 f.; Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 254 ff.; kritisch zu Schmidhäuser insbesondere Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 1171 f.; so wohl auch Hamm, in: FS-Kargl, S. 165, 173, beschreibt Strafwürdigkeit als Rechtfertigungsgrund für das Bestrafen von Verhaltensweisen; Differenzierung zwischen Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit, vgl. Jescheck/ Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 551; zur Problematik des Strafwürdigkeitsbegriffs vgl. insbesondere Altpeter, Strafwürdigkeit und Straftatensystem, S. 26 ff., insbesondere zum im Kontrast zum Begriff der „Strafbedürftigkeit“; Otto, in: GS-Schröder, S. 53, 54 ff. 700 Als zentrales Element dessen benennet Hassemer/Neumann die Rechtsgutslehre, wonach ein Strafgesetz immer dem Schutz eines Rechtsgutes dienen muss, vgl. NKStGB/Hassemer/Neumann, Vorbm. § 1 Rn. 62. 701 NK-StGB/Hassemer/Neumann, Vorbm. § 1 Rn. 51 und Rn. 60 mit Beispielen für unzweckmäßiges Strafrecht; Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 669; Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 251. 702 Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 669. 703 Was sich durchaus mit Erwägungen zur Tatproportionalität und dem ultima-ratioCharakter des Strafrechts begründen lassen kann, siehe dazu z. B. Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 243; die Gesetzesbegründung enthält insoweit keine Ausführungen, vgl. dazu BT-Drucks. IV/650, S. 419 f., abrufbar unter https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/04/006/0400650.pdf [zuletzt abgerufen am 01.05.2021].

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

güterschutzes, sein. Um der Bedeutung des verfassungsrechtlich geschützten Grundsatzes gerecht zu werden, ist eine zurückhaltende Gesetzgebung erforderlich.704 7. Vereinbarkeit des fragmentarischen Charakters mit Öffnungsklauseln Wann ein Gesetz nicht mehr mit dem Grundsatz des fragmentarischen Charakters des Strafrechts vereinbar ist, lässt sich nicht immer eindeutig bestimmen, da bereits unklar ist, welche Maßstäbe an die Unvereinbarkeit gestellt werden. Auch hier verlaufen, wie im Bereich des Gesetzlichkeitsprinzips, die Grenzen fließend.705 Insbesondere wird vertreten, dass das Maß der zulässigen Lückenhaftigkeit der Strafrechtsordnung auch vom zu schützenden Rechtsgut abhängig ist.706 a) Fragmentarität auch innerhalb einzelner Tatbestände Zunächst ist entscheidend, dass es in Bezug auf Öffnungsklauseln nicht darauf ankommt, inwieweit der Gesetzgeber bei sozialschädlichem Verhalten unter dem Postulat des fragmentarischen Charakters des Strafrechts überhaupt entscheidet, ob ein Verhalten unter Strafe gestellt oder ein bestimmtes Rechtsgut geschützt werden muss. Vielmehr muss für die hier zugrunde gelegte Fragestellung diskutiert werden, ob auch bei sozialschädlichem Verhalten, das unter Strafe gestellt wurde, im Hinblick auf den fragmentarischen Charakter des Strafrechts, straffreie Räume verbleiben müssen. Entscheidend ist also, ob auch das „Wie“ des Rechtsgüterschutzes, also der dazugehörige Tatbestand, fragmentarisch ausgestaltet werden muss.707 Diese Frage stellt sich dann, wenn über das „Ob“ des Rechtsgüterschutzes bereits positiv beschieden wurde. Zum einen ergibt sich der fragmentarische Charakter einzelner Tatbestände bereits aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Strafgesetzgebung. Gem. Art. 103 Abs. 2 GG müssen Tatbestände eine hinreichende Bestimmtheit aufweisen. Da sich die Bestimmtheit auf den Wortlaut der Norm bezieht,708 führt dies automatisch zum Ausschluss solcher Verhaltensweisen, die zwar vom Sinn und Zweck aber nicht vom Wortlaut der Norm erfasst wären. 704

Naucke, Strafrecht, S. 64. Schmidhäuser, Einführung in das Strafrecht, S. 45. 706 Kühl, in: FS-Tiedemann, S. 29, 36, der darauf verweist, dass das Strafrecht beim Schutz des Lebens durch die konkrete Ausgestaltung der Norm weniger Lücken aufweist, als beispielsweise beim Schutz des Vermögens und einen Verstoß von Öffnungsklauseln gegen den fragmentarischen Charakter des Strafrechts befürwortend, vgl. so auch Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, S. 253, der darin allerdings mangels verfassungsrechtlicher Herleitung keinen Verfassungsverstoß annimmt. 707 Maiwald, in: FS-Maurach, S. 9, 14. 708 Zum Bestimmtheitsgrundsatz vgl. Kap. D. IV. 705

VII. Vereinbarkeit mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts

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Zum anderen erfasst aber auch die Forderung nach einem fragmentarischen Strafrecht nicht nur die Strafrechtsordnung als solche, sondern gerade auch einzelne Tatbestände.709 Das ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des fragmentarischen Charakters. Denn beruft man sich für die Erforderlichkeit von straffreien Räumen, wie oben dargelegt, auf die freiheitssichernde Funktion des fragmentarischen Charakters, dann kann diese konsequenterweise nur dadurch sichergestellt werden, indem das zu sanktionierende Verhalten umschrieben wird und damit andere Verhaltensweisen aus dem Anwendungsbereich der Norm herausfallen. Dies hat dann die Konsequenz, dass auch innerhalb eines grundsätzlich sozialschädlichen Verhaltens straffreie Räume verbleiben. Auch aus der Unerreichbarkeit einer umfassenden Gerechtigkeit ergibt sich das Erfordernis der hinreichend bestimmt formulierten Tatbestände.710 Denn ein allumfassender Schutz kann nicht erreicht werden, ohne nicht jegliche denkbaren Verhaltensweisen zu pönalisieren, sodass gerade auch einzelne Tatbestände eine Fragmentarität aufweisen müssen. Gleiches gilt für die oben dargelegten strafökonomischen Erwägungen. Auch aus praktischen Gesichtspunkten ist eine umfassende Strafbarkeit in Bezug auf einzelne Tatbestände unökonomisch. Gerade der exkludierende Charakter der einzelnen Tatbestände kann zu einer Entlastung der Strafverfolgungsbehörden führen.711 b) Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts Auch aufgrund des fragmentarischen Charakters des Strafrechts gilt, wie bereits im Rahmen des Gesetzlichkeitsprinzips erläutert, dass Strafbarkeitslücken, mögen diese auch noch so unerträglich sein, nicht durch Entscheidungen der Gerichte geschlossen werden dürfen.712 Die Annahme, dass ein Lückenschluss aber zumindest bei vergleichbaren Handlungen möglich und erforderlich ist, verfängt nicht.713 Denn Gesetzgebung darf gerade nicht lückenlos sein.714 Insbesondere stehen konturlose Gesetze im Widerspruch zum fragmentarischen Charakter des Strafrechts.715 Wenn durch eine solche gesetzgeberische Erweite709

So im Ergebnis auch: Kühl, in: FS-Tiedemann, S. 29, 37. Maiwald, in: FS-Maurach, S. 9, 21 f. 711 Insbesondere kann nicht, wie Appel, Verfassung und Strafe, S. 410 meint, aus der Tatsache, dass der fragmentarische Charakter sich auf das Normgefüge als solches als auch auf einzelne Tatbestände bezieht, eine Schwächung des Grundsatzes hergeleitet werden. 712 Schmidhäuser, in: GS-Martens, S. 231, 246; im Ergebnis wohl auch Krüger, NStZ 2011, 369, 372. 713 So aber grundsätzlich Kühl, in: FS-Tiedemann, S. 29, 40. 714 K. Peters, ZStW 1965, 470, 475. 715 So auch Eschelbach/Krehl, in: FS-Kargl, S. 81, 82, der § 238 StGB als Beispiel anführt. 710

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rung des Handlungsspielraums der Judikative die Gefahr besteht, dass immer weitere Verhaltensweisen aufgrund eines vermeintlichen „Rechtsgefühls“ in den Bereich strafbaren Verhaltens einbezogen werden, kann es zu einer uferlosen Rechtsanwendung kommen. Es fehlt dann gerade an einer notwendigen gesetzgeberischen Intervention, die diesen Effekt begrenzt.716 Es ist aber unklar, wo genau die Grenze des Zulässigen beim fragmentarischen Charakter des Strafrechts verläuft, zumal dem Gesetzgeber gerade auch ein eigener Entscheidungsspielraum bei der Fassung von Straftatbeständen zusteht. Öffnungsklauseln sind grundsätzlich durch die gesetzlich angeordnete innertatbestandliche Analogie in der Lage, vermeintliche Strafbarkeitslücken zu schließen. Unter Öffnungsklauseln können gerade solche Verhaltensweisen subsumiert werden, die in der enumerativen Aufzählung nicht bereits explizit genannt wurden. Diese Möglichkeit zum Schluss von Strafbarkeitslücken ist gerade auch die wesentliche Intention beim Einsatz von Öffnungsklauseln.717 Das schließt aber nicht pauschal aus, dass Öffnungsklauseln auch eine restriktive Anwendung der Norm ermöglichen können, es also nicht automatisch zum Schluss vermeintlicher Strafbarkeitslücken kommt bzw. kommen muss. Zumindest lässt sich nicht ohne Weiteres ein pauschaler Verstoß dieser Art der Gesetzgebungstechnik feststellen. Dies schließt wiederum nicht aus, dass konkrete Normen, wie § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB, durch ihre konkrete Verfasstheit der Öffnungsklausel im Zusammenspiel mit den zuvor explizit genannten Verhaltensweisen gegen den fragmentarischen Charakter des Strafrechts verstoßen können. Betrachtet man die Gesetzgebungstechnik der Öffnungsklauseln losgelöst von einem solchen konkreten Tatbestand, kann die vorhergehende explizite Regelung der einzelnen Verhaltensweisen eine Umgrenzung des Tatbestandes möglicherweise zulassen, wie sie bei Generalklauseln im Zweifel nicht im gleichen Maße möglich sein dürfte. Problematisch kann hingegen sein, dass aufgrund der freien Methodenwahl gerade nicht sichergestellt werden kann, dass der Tatbestand auch entsprechend restriktiv ausgelegt wird. Auf diese Weise birgt die offene Fassung von Öffnungsklauseln zumindest die Möglichkeit einer so weitreichenden Rechtsanwendung, dass auf diesem Wege eine Lückenschließung ermöglicht wird. Die konkrete Verfasstheit von Öffnungsklauseln kann auf diese Weise zwar mit einer gelockerten Gesetzesbindung einhergehen. Ein pauschaler Verstoß aller Öffnungsklauseln ohne die Betrachtung der konkreten Rechtsanwendung im Einzelfall kann allerdings nicht angenommen werden. Insoweit muss auch hier betrachtet werden, dass dem Gesetzgeber bei der Fassung von Normen auch eine Einschätzungsprärogative zukommt.

716 Krahl, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zum Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht, S. 31. 717 Vgl. dazu insbesondere innerhalb dieser Arbeit Kap. C. I.

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Außerdem kann, wie bereits dargelegt, ein pauschaler Verstoß von Öffnungsklauseln gegen das Analogieverbot und den Bestimmtheitsgrundsatz nicht festgestellt werden. Betrachtet man den fragmentarischen Charakter nun, wie aufgezeigt, als eine Konsequenz daraus, dass die Vorgaben in Art. 103 Abs. 2 GG eingehalten werden, dann kann auch im Hinblick darauf konsequenterweise auch kein Verstoß von Öffnungsklauseln gegen den fragmentarischen Charakter des Strafrechts festgestellt werden. Auch im Hinblick auf die weitere verfassungsrechtliche Herleitung aus der allgemeinen Handlungsfreiheit und dem Rechtsstaatsprinzip kann ebenfalls nicht pauschal ein Verstoß bejaht werden. Auch hier muss auf die Möglichkeit zur restriktiven Auslegung und die Orientierung an den zuvor explizit beschriebenen Verhaltensweisen verwiesen werden. Diese ermöglichen eine Orientierung bei Rechtsanwendung, die über die Orientierungsmöglichkeiten bei Generalklauseln hinausgehen dürften. Die vielmehr problematische Befugnis zur innertatbestandlichen Analogiebildung betrifft hingegen, wie noch zu zeigen sein wird, den Grundsatz der Gewaltenteilung und den Grundsatz der Gesetzesbindung.718 Der Fragmentarische Charakter des Strafrechts stützt sich seinerseits aber nicht maßgeblich und ausschließlich auf die gewaltenteilende Funktion. Diese ist nur insoweit Bestandteil des fragmentarischen Charakters des Strafrechts, als dass Art. 103 Abs. 2 GG der Wahrung der Gewaltenteilung dient und es so zu einer Verschränkung des Gesetzlichkeitsprinzips und des fragmentarischen Charakters des Strafrechts kommt. Da aber insoweit eine Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Gesetzlichkeitsprinzip angenommen werden kann, scheidet eine entsprechende Unvereinbarkeit aus. Auch wenn der Gesetzgeber die Judikative hier zum Lückenschluss ermächtigt, beruht diese Befugnis auf einer Verlagerung der Aufgabe der Legislative auf die Judikative. Insgesamt steht die durch Öffnungsklauseln zum Ausdruck kommende Tendenz zur Ausweitung des Strafrechts im Gegensatz zu dem Grundsatz, dass Strafrecht lückenhaft sein muss und ist.719 Allerdings kann aus der grundsätzlichen Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit Art. 103 Abs. 2 GG zumindest kein genereller Verstoß dieser Art der Gesetzgebungstechnik gegen den fragmentarischen Charakter des Strafrechts angenommen werden. Zwar ermöglichen Öffnungsklauseln durch die gesetzgeberische Befugnis zur Analogiebildung einen Lückenschluss im Strafrecht, dabei ist aber viel mehr der Grundsatz der Gewaltenteilung und weniger der fragmentarische Charakter des Strafrechts als solcher betroffen. Die Norm als solche ist nicht gezwungenermaßen konturlos und ein pauschaler Verstoß ist nicht gegeben, obgleich zuzugeben ist, dass Öffnungsklau718

Vgl. dazu in dieser Arbeit Kap. D. VIII. Vormbaum, ZStW 107 (1995), 734, 738 nennt Beispiele, die die Tendenz zur Ausweitung im Rahmen der Gesetzgebung belegen. 719

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seln die Möglichkeit zum Lückenschluss durch eine bewusst vorgenommene Aufgabenverlagerung gerade intendieren. 8. Gesamtergebnis Der fragmentarische, also lückenhafte Charakter des Strafrechts ist kein Zustand, der der Strafrechtsordnung automatisch anhaftet, sondern ein Prinzip, dass durch die Gesetzgebung aktiv verwirklicht werden muss. Diese Pflicht zur Verwirklichung ergibt sich aus den verfassungsrechtlichen Grundlagen des fragmentarischen Charakters. Dieser ergibt sich aus den Vorgaben an die Gesetzgebung aus Art. 103 Abs. 2 GG. Aber auch aus dem Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) sowie der freiheitssichernden Funktion eines Rechtsstaates, Art. 20 Abs. 3 GG. Darüber hinaus ergibt sich die Pflicht zur Lückenhaftigkeit aber auch aus praktischen Erwägungen. Es handelt sich beim Verbleib straffreier Bereiche nämlich gerade nicht um ein Manko der Straffrechtsordnung. Vielmehr sind solche Lücken im Hinblick auf Gerechtigkeit, Freiheit und Strafökonomie dringend erforderlich. Dies gilt dabei nicht nur für die Strafrechtsordnung als solche, sondern auch für die gesetzgeberische Ausgestaltung der einzelnen Tatbestände. Auch innerhalb derer müssen straffreie Räume verbleiben. Folglich stehen Öffnungsklauseln, die gerade zum Ziel haben, durch einen möglichst weiten Anwendungsspielraum straffreie Räume zu eliminieren, in Konflikt mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts. Daraus folgt aber nicht zugleich ein Verstoß gegen diesen Grundsatz. Zum einen ist eine restriktive und insoweit nicht lückenschließende Anwendung von Öffnungsklauseln gerade nicht ausgeschlossen, sodass ein pauschaler Verstoß dieser Art der Gesetzgebungstechnik ausscheidet. Vielmehr muss auch der dem Gesetzgeber zustehenden Entscheidungsspielraum bei der Gestaltung von Normen Beachtung finden. Zum anderen folgt auch aus der zuvor festgestellten Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit Art. 103 Abs. 2 GG, dass insoweit keine vollkommen konturlose Norm vorliegt, die in ihrer Verfasstheit im Widerspruch zum fragmentarischen Charakter steht. Vielmehr betrifft die Befugnis zur innertatbestandlichen Analogiebildung das Verhältnis der Legislative und Judikative.

VIII. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung und dem Grundsatz der Gewaltenteilung Die grundsätzlich freien Richter*innen werden durch § 1 GVG und Art. 97 Abs. 1 GG an das Gesetz gebunden bzw. diesem unterworfen. Mit dieser Bindung tariert die Verfassung zwei gegenläufige Tendenzen aus: Es werden „gesetzesgehorsame[. . .]“ Richter*innen gewünscht, die aber im Gegenzug als „ei-

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genständige denkende Korrektive“ tätig werden, die „freiheits- und strukturgefährdende[n] Entwicklungen entgegen[. . .]treten“.720 Die Stärke der Bindung hängt davon ab, wie die gegenüberliegenden Pole der Rechtssicherheit auf der einen Seite und der Einzelfallgerechtigkeit auf der anderen Seite gewichtet werden (dazu unter Kap. D. VIII. 1. und 2.).721 Der in den genannten Normen zum Ausdruck kommende Grundsatz der Gesetzesbindung scheint alle bisher aufgeworfenen Fragen, wie die der Bindungswirkung des Wortlautes und des Kompetenzbereichs der Judikative, zusammenzuführen (dazu unter Kap. D. VIII. 2. d)). Denn das Verständnis aller bisher erörterten Grundsätze (Bestimmtheitsgrundsatz, Analogieverbot, Rückwirkungsverbot und fragmentarischer Charakter des Strafrechts) hängt im Wesentlichen davon ab, inwieweit die Rechtsanwender*innen durch das geschriebene Recht gebunden werden sollen, tatsächlich gebunden sind und realistischerweise gebunden werden können (dazu unter VIII. 2. e)). Es könnte darüber hinaus auch die Möglichkeit geben, den Grundsatz der Gesetzesbindung durch richterliche Rechtsfortbildung zu durchbrechen (dazu unter Kap. D. VIII. 3. g)). Dennoch könnte es eine Fassung von Normen geben, die – trotz der Möglichkeit zur richterlichen Rechtsfortbildung – gegen den Grundsatz der Gesetzesbindung verstoßen (dazu unter Kap. D. VIII. 4.). Darunter können durch ihre konkrete Verfasstheit auch Öffnungsklauseln fallen, die zwar nicht gegen die zuvor erörterten Grundsätze der Gesetzesbestimmtheit, des Analogieverbotes und des fragmentarischen Charakters des Strafrechts verstoßen, aber als vollumfänglich unvereinbar mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung anzusehen sein könnten. Ebenso führt die durch Öffnungsklauseln erfolgte Aufgabenverlagerung auch zu einer Übertragung der Aufgaben von der Legislative auf die Judikative. Auf diese Weise berühren Öffnungsklauseln auch den mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung verbundenen Grundsatz der Gewaltenteilung (dazu unter Kap. D. VIII. 3.). Danach führt nicht jedwede Aufgabenüberschneidung zu einer Verletzung des Grundsatzes der Gewaltenteilung (dazu unter Kap. D. VIII. 3. a)). Eine Unvereinbarkeit kann aber dann angenommen werden, wenn es zu einer Übertragung der Kernbereiche kommt (dazu unter Kap. D. VIII. 3. b)). 1. Historische Entwicklung des Grundsatzes der Gesetzesbindung In der historischen Entwicklung der Gesetzesbindung lassen sich unterschiedliche Lesarten der Aufgabenwahrnehmung von Richter*innen und auch des Verständnisses von Gesetzesbindung erkennen.722 720

Di Fabio, in: Handbuch des Staatsrechts, § 27 Rn. 26. Straßburg, ZStW 82 (1970), 948, 950. 722 Umfassend siehe dazu: Conrad, Richter und Gesetz im Übergang vom Absolutismus zum Verfassungsstaat; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 241 zur Entwicklung der Gesetzesbindung; historisch dazu siehe auch: Ogorek, Richterkönig oder Subsumtionsautomat? Zur Justiztheorie im 19. Jahrhundert, 1986; Schneider, Rich721

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Die historische Entwicklung des Verständnisses der Gesetzesbindung ist eng dem Verständnis der richterlichen Unabhängigkeit723 verbunden. Durch die erstmals von Montesquieu in der Zeit der Aufklärung vorgenommene Einteilung in die drei Staatsgewalten (Legislative, Judikative und Exekutive)724 kam der Rechtsprechung ein eigenes Aufgabenfeld zu, dessen Verhältnis insbesondere zur Legislative geordnet und abgegrenzt werden musste. Die Aufgabe der richterlichen Rechtsfindung sollte insbesondere vor unlauterer Einflussnahme geschützt werden, woraus das Postulat der Unabhängigkeit der Judikative entstand. Die Kehrseite dessen war allerdings eine strenge Bindung an den genauen Wortlaut des Gesetzes,725 denn es sollte sichergestellt werden, dass die Entscheidung, die die Monarchen durch die Gesetzgebung trafen, in die Einzelfallentscheidungen der Gerichte transferiert würden.726 Weiterhin sollten die Bürger*innen vor richterlicher Willkür geschützt und ihre Freiheit gesichert werden. Durch diese Bindung an den nackten Wortlaut des Gesetzes, sollte eine Auslegung des Gesetzes nicht nur nicht erforderlich, sondern auch verboten sein.727 Es herrschte ein tiefes Misstrauen gegenüber Richter*innen in Bezug darauf, dass diese im Rahmen der Rechtsfindung nicht den Willen des Gesetzgebers reproduzierten und die ihnen zugeteilte Macht missbrauchen würden. Darüber hinaus dominierte der Glaube, dass das Recht etwas naturgegebenes und von Politik losgelöstes sei.728 Es handelte sich folglich um ein strenges Verständnis des geschriebenen Rechts, dem die Vorstellung zugrunde lag, dass geschriebenes Recht ein nahezu lückenloses System darstellt.729 Die Problematik, dass zum einen Recht und Gesetz nicht immer deckungsgleich sein müssen und zum anderen, dass Normen kein lückenloses und eindeutiges Regelungssystem aufweisen, wurde nicht gesehen.730 Erst im Rahmen der Befreiungskriege wandte man sich terliche Ethik im Spannungsfeld zwischen richterlicher Unabhängigkeit und Gesetzesbindung, S. 343 ff. 723 Zur Unabhängigkeit der Judikative siehe umfassend J. Hermann, DRiZ 1982, 286. 724 Montesquieu, Vom Geist des Gesetzes, S. 216: „Es gibt in jedem Staat drei Arten von Vollmacht: die legislative Befugnis, die exekutive Befugnis in Sachen, die vom Völkerrecht abhängen, und die exekutive Befugnis in Sachen, die vom Zivilrecht abhängen“; Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 30. 725 Hermann, DRiZ 1982, 286; Simon, Die Unabhängigkeit des Richters, S. 2, 5; Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 12; Bähr, in: Der bürgerliche Rechtsstaat, S. 565, 567. 726 Conrad, Richter und Gesetz im Übergang vom Absolutismus zum Verfassungsstaat, S. 12; Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 131. 727 Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs zu einem peinlichen Gesetzbuche fur die Chur-Pfalz Bayrische Staaten, Band II, S. 20; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 97 Rn. 3; Hermann, DRiZ 1982, 286, 287; Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 32 f. 728 Bockelmann, in: FS-Smend, S. 23, 26; Pulch, DRiZ 1976, 33. 729 Kissel/Mayer/Mayer, GVG, § 1 Rn. 11; J. Hermann, DRiZ 1982, 286, 287. 730 Kissel/Mayer/Mayer, GVG, § 1 Rn. 20.

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von der Auffassung ab, dass es sich bei der Arbeit der Judikative um einen Rechtsfindungsprozess handelt, in dem das Ergebnis bereits vorher im Normtext eindeutig determiniert wurde.731 Diese Maxime war dann auch wegweisend für die Errichtung eines der ersten Strafgesetzbücher, dem Code Penal im Jahre 1791. Dort wurde den Richter*innen selbst bei der Strafzumessung kein eigener Beurteilungsspielraum zugebilligt.732 Dem folgte auch das bayrische Strafgesetzbuch von 1813. Dies enthielt darüber hinaus eine amtliche Kommentierung und verbot zum Zwecke der Bindung an eben jene, jede weitere Kommentierung durch Gelehrte. Eine eigene Auslegung der Normen durch die Richter*innen sollte unbedingt vermieden werden.733 Noch war zu diesem Zeitpunkt undenkbar, dass bald Richter*innen auch über die Wirksamkeit von Gesetzen entscheiden würden. Die sich entwickelnde Interessenjurisprudenz734 begegnete der damals zugrunde liegenden Vorstellung über die Naturgegebenheit von Recht skeptisch, insbesondere im Hinblick darauf, dass die Judikative gezwungenermaßen rechtsschöpferisch tätig werden muss, wenn das Gesetz Lücken aufwies.735 Eine dem Art. 97 GG entsprechende Regelung, die die sachliche Unabhängigkeit der Richter*innen aber auch deren Bindung an das geschriebene Recht verfassungsrechtlich garantierte, fand sich im deutschen Recht erstmals in Art. 102 WRV.736 Die dazu vorliegenden Kommentierungen der Vorschrift verwiesen allerdings auf die strenge Bindung, die nicht durch einen Verweis auf Naturrecht umgangen werden könnte.737 Dennoch bedeutete die so normierte Unabhängigkeit der Judikative nicht automatisch ein bestehendes Vertrauen in die Tätigkeit der Judikative. Im Nationalsozialismus herrschte hingegen wieder ein großes Misstrauen in die Tätigkeit der Richter*innen. Entscheidungen wurden nur anerkannt, wenn sie dem Willen des Staatsapparates entsprachen. Dies resultierte in einer völligen

731

Bockelmann, in: FS-Smend, S. 23, 29. Bockelmann, in: FS-Smend, S. 23, 26. 733 Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 10. 734 Zur Interessenjurisprudenz siehe insbesondere grundlegend Heck, AcP 112 (1914), 1, der darin ein Gegenmodell zur Begriffsjurisprudenz sah; ders., AcP 143 (1937), 129; ders., Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, 1932, S. 25 ff. grundlegend zur Interessenjurisprudenz; Müller-Erzbach, Wohin führt die Interessenjurisprudenz?, S. 47 ff.; zusammenfassend siehe auch Dorndorf, ARSP 81 (1995), 542, 543 ff.; Schröder, ZfPW 2016, 307, 309 und Schoppmeyer, Juristische Methode als Lebensaufgabe, Werk und Wirkgeschichte Philipp Hecks, S. 80 ff.; knapp zum Verhältnis auch Mangoldt/Klein/Starck/Classen, Art. 97 GG Rn. 1. 735 Pulch, DRiZ 1976, 33, 34. 736 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 97 Rn. 5; Conrad, Richter und Gesetz im Übergang vom Absolutismus zum Verfassungsstaat, S. 7. 737 Hillgruber, JZ 2008, 745, 747. 732

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Umkehr der Verhältnisse, was aber nicht zu einer erhöhten Gesetzesbindung führte. Stattdessen wurde die Justiz unter anderem durch sog. Richterbriefe und die Entfernung von Richter*innen aus dem Amt gesteuert.738 Die Unabhängigkeit der Justiz wurde durch politische Instrumentarien eingeschränkt.739 Insbesondere wurde Richter*innen die Befugnis zur Fortbildung des Rechts auch durch die klare Anweisung, sich bei Bedarf vom Wortlaut der Normen zu lösen, ausdrücklich erteilt und sogar gesetzlich geregelt.740 Insbesondere im Strafrecht führte dies zur ausdrücklichen Zulassung analoger Gesetzesanwendung. Plan des Regimes war es, die Richter*innen dahin zu drängen, dass sie Urteile im Verhältnis zu den politischen Entscheidungen fällen, um so die Rechtsprechung als flexibles Machtinstrument nutzen zu können.741 Es zeigt sich also, dass zum einen die Unabhängigkeit durch eine erhebliche Einflussnahme der Politik eingeschränkt wurde und zum anderen spiegelbildlich die Erweiterung der richterlichen Befugnisse einzig und allein dem Ziel der Durchsetzung des nationalsozialistischen Willens dienten. Die Instrumentalisierung gelang auch durch den übermäßigen Einsatz von Generalklauseln, die die Tür dafür öffneten, dass die Politik unentwegt Einfluss auf die richterlichen Entscheidungen nehmen konnten.742 Dies führte zu einer „Aufhebung und Zerstörung [des bestehenden] Verhältnisses“ zwischen Richter*innen und Gesetzgeber.743 Die Schutzmauer der richterlichen Unabhängigkeit einerseits und der Gesetzesbindung andererseits wurde durch die Machtverhältnisse eingerissen. Als Konsequenz der Instrumentalisierung von Richter*innen wurde unumstritten die Unabhängigkeit in die Verfassung in Form von Art. 97 Abs. 1 GG in der BRD wieder aufgenommen und nur durch eine Bindung an das Gesetz begrenzt und gilt seitdem unverändert.744 Dies wirkt darüber hinaus auch in der einfachgesetzlichen Regelung des § 1 GVG fort.745 Eine erhöhte Gesetzesbindung sollte dadurch erreicht werden, dass auf eine Ausweitung der Norm auf eine Unterwerfung unter das Gewissen verzichtet wurde.746 Eine solche nur dem Recht unterworfene Bindung fordert aber, dass die Gesetze, an welche die Judikative gebunden sein soll „über jeden Zweifel erhaben sein“ müssen.747 Das wirft gerade im 738

Bockelmann, in: FS-Smend, S. 23, 34. Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 97 Rn. 6; siehe dazu auch Christensen/Kudlich, Gesetzesbindung, S. 176. 740 v. Münch/Kunig/Meyer, Art. 97 Rn. 32; Hillgruber, JZ 2008, 745, 748, 750. 741 J. Hermann, DRiZ 1982, 286. 742 Bockelmann, in: FS-Smend, S. 23, 36; umfassend auch: Vogel, ZStW 115 (2003), S. 638 ff. 743 Bockelmann, in: FS-Smend, S. 23, 34; siehe dazu auch Holste, JA 2009, 359, 360 f. 744 Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke/Heusch, Art. 97 Rn. 1. 745 Bockelmann, in: FS-Smend, S. 23, 27. 746 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 97 Rn. 8. 747 Bockelmann, in: FS-Smend, S. 23, 38. 739

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Hinblick auf den historischen Kontext die Frage auf, ob Öffnungsklauseln im Strafrecht diesem Anspruch gerecht werden können oder nicht vielmehr ein potentielles Einfallstor zur Instrumentalisierung sein können. 2. Gesetzesbindung zwischen Wunsch und Wirklichkeit Genauso, wie die Unabhängigkeit und die Gesetzesbindung in ihrer historischen Entwicklung zusammenhängen, bilden sie auch weiterhin ein „unverzichtbares Korrelat“.748 Art. 97 GG, Art. 20 Abs. 3 GG und als einfachgesetzliche Regelung § 1 GVG binden die Richter*innen in der Rechtsanwendung an das Gesetz,749 also an die Verfassung und auch an „unterverfassungsrechtliches, außenwirksames Recht“ und können zumindest potentiell ein Spannungsfeld mit der richterlichen Unabhängigkeit bilden750 deren Schutz sie zugleich dienen.751 Denn Bindung an das geschriebene Recht bedeutet zugleich Ausschluss anderweitiger Einflussnahme. Richter*innen sollen völlig unabhängig von äußeren Einflüssen agieren können und sind einzig an den im Normtext zum Ausdruck kommenden Normbefehl gebunden.752 Eine dem Art. 97 GG entsprechende Regelung für die Bindung an die Rechtsprechung höherer Instanzen besteht hingegen nicht.753 Allerdings wird die Bindung durch die Verwerfungskompetenz des BVerfG in Art. 100 GG eingeschränkt.754 Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzesbindung kann angenommen werden, wenn eine Entscheidung außerhalb der gesetzlichen Grundlage oder ohne jegliche gesetzliche Grundlage ergeht, aber auch, wenn die Entscheidung von sachfremden Erwägungen geleitet wurde.755 Dies zeigt, dass der Begriff der Unabhängigkeit immer innerhalb des geltenden Rechts verstanden wird. 748 Kissel/Mayer/Mayer, § 1 Rn. 110; zur Unabhängigkeit siehe umfassend: Simon, Die Unabhängigkeit des Richters, 1975. 749 AK-GG/Wassermann, Art. 97 Rn. 41, beschreibt die Gesetzesbindung im Verhältnis zum Unabhängigkeitspostulat als das „dominierende Prinzip“. 750 Schinkel, in: FS-Remmers, S. 297, 301, und zwar dann, wenn sich Richter*innen unter Berufung auf ihre Unabhängigkeit zu weit vom Gesetzestext lösen. 751 v. Münch/Kunig/Meyer, Art. 97 Rn. 20; Kissel/Mayer/Mayer, § 1 Rn. 11, Mayer sieht darin keine Schranke, sondern eine notwendige Ergänzung der richterlichen Unabhängigkeit; ebenso: Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 97 Rn. 21; Bockelmann, in: FS-Smend, S. 23; Hillgruber, JZ 2008, 745, 752; Simon bezeichnet die strenge Gesetzesbindung als „Preis“ für die Unabhängigkeit, vgl. ders., Die Unabhängigkeit des Richters, S. 68; Badura, Staatsrecht, S. 440. 752 Maunz/Dürig/Hillgruber, Art. 97 Rn. 28; Conrad, Richter und Gesetz im Übergang vom Absolutismus zum Verfassungsstaat, S. 8; Schroth, Theorie und Praxis subjektiver Auslegung im Strafrecht, S. 99. 753 v. Münch/Kunig/Meyer, Art. 97 Rn. 26; KK-StPO/Barthe, § 1 GVG Rn. 4; AKGG Wassermann, Art. 97 Rn. 43. 754 Durner, JA 2008, 7, 8. 755 Durner, JA 2008, 7, 8.

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Diese Gesetzesbindung befreit die Richter*innen somit insgesamt von weitergehender Einflussnahme und garantiert auf diese Weise die Freiheit der Rechtsfindung.756 Das BVerfG leitet den Grundsatz der Gesetzesbindung darüber hinaus auch aus Art. 103 Abs. 2 GG her und stellt so eine Verbindung zwischen den dort normierten Garantien und der Gesetzbindung des Art. 97 Abs. 1 GG her757 und bringt damit zumindest konkludent zu Ausdruck, dass die Einhaltung der im Rahmen des Gesetzlichkeitsprinzips aufgestellten Grundsätze unerlässlich ist, um eine wirksame Gesetzesbindung zu erreichen. a) Gesetzesbindung und Grundsatz der Gewaltenteilung Die Bindung an das Recht kann darüber hinaus mit weiteren verfassungsrechtlichen Grundsätzen begründet werden. Zum einen ist eine solche Bindung entscheidend für die Aufrechterhaltung der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 3 GG). Diese benötigt zwingend Bindung und Unabhängigkeit, nur dadurch kann eine gegenseitige Kontrolle der Gewalten sichergestellt und eine darüber hinausgehende Einflussnahme ausgeschlossen werden.758 Auf der Grundlage des Gesetzesbindungspostulates kann eine Aufgabenabgrenzung erfolgen. Diese Aufgabenabgrenzung wird bei der Verwendung von Öffnungsklauseln aufgelöst.759 Nur durch das Zusammenspiel von Gesetzesbindung und Gewaltenteilung kann gewährleistet werden, dass der Wille des demokratisch legitimierten Gesetzgebers Eingang in die Entscheidungen der Judikative findet und so eine demokratische Legitimationskette zwischen Norm und gerichtlicher Entscheidung vorliegt und Entscheidungen nicht durch außerhalb des Gesetzes liegende Erwägungen, insbesondere eigene Gerechtigkeitsvorstellungen, beeinflusst werden.760 b) Gesetzesbindung und Demokratieprinzip Wird die Gesetzesbindung abgebaut, bedeutet dies auch immer einen Schwächung des Demokratieprinzips.761 Denn der kontinentaleuropäische Rechtsraum 756

Vogel, ZStW 125 (2016), 139, 140. BVerfG, Urt. v. 3. Juli 1962 – 2 BvR 15/62 = NJW 1962, 1339. 758 Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke/Hofmann, Art. 20 Rn. 91; Christensen/ Kudlich, Gesetzesbindung, S. 178. 759 Siehe dazu Kap. D. VIII. 3. 760 Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke/Heusch, Art. 97 Rn. 5; Dreier/SchulzeFielitz, Art. 97 Rn. 21; KK-StPO/Barthe, § 1 GVG Rn. 3; Kissel/Mayer/Mayer, § 1 Rn. 11; Durner, JA 2008, 7, 9; Di Fabio, in: Handbuch des Staatsrechts, § 27 Rn. 25; Christensen/Kudlich, Gesetzesbindung, S. 179; Badura, Staatsrecht, S. 441; Schroth, Theorie und Praxis subjektiver Auslegung im Strafrecht, S. 100; BeckOK-GVG/Gerhold, § 1 Rn. 26; Gusy, DÖV 1992, 461, 464. 761 Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, S. 435; Rüthers, JZ 2006, 53 unter Verweis darauf, dass dazu eine einheitliche Methodenlehre unerlässlich ist. 757

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unterscheidet sich vom anglo-amerikanischen Rechtsraum gerade dadurch, dass hier die Judikative nicht ausdrücklich, sieht man von der Rechtsschöpfung durch Einzelfallentscheidungen ab, an der Rechtsbildung beteiligt ist, sondern diese Aufgabe ausschließlich von der Legislative erfüllt wird.762 Wenn allerdings im Rahmen dessen gesagt wird, dass der Gesetzgeber durch die Art der Gesetzgebung auch über das Maß der Gesetzesbindung bestimmen kann, dann kann dies aber nur insoweit gelten, als dass die Bindungswirkung nicht vollständig außer Kraft gesetzt werden kann.763 Ansonsten würde die verfassungsrechtlich garantierte Gesetzesbindung leer laufen, ohne dass sie aufgrund ihres Verfassungsrangs bei der Fassung einfachgesetzlicher Regelungen zur Disposition steht. c) Gesetzesbindung und Rechtstaatsprinzip Darüber hinaus fußt dieser Grundsatz auch im Rechtsstaatsprinzip, indem er Entscheidungen kontrollierbar und vorhersehbar macht und die Bürger*innen vor willkürlichen Entscheidungen schützt.764 Dies ergibt sich auch aus der Stellung des Art. 20 Abs. 3 im Normgefüge des Art. 20 GG. Sowohl Unabhängigkeit als auch Gesetzesbindung sind dabei notwendige Elemente im Rechtsstaat. Nur durch eine solche Bindung können der Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes gewahrt werden.765 Der Grundsatz der Gesetzesbindung erfährt durch die Unveränderlichkeit aufgrund der Ewigkeitsklausel des Art. 79 GG eine besondere Bedeutung. Art. 20 Abs. 3 GG bindet darüber hinaus die Judikative nicht nur an das Gesetz, sondern auch an das Recht. Ob mit dieser Formulierung eine Bindung der Richter*innen über das geschriebene Recht hinaus an naturrechtliche Regelungen gemeint ist, ist allerdings umstritten, für die hier zugrundeliegende Fragestellung aber nicht näher zu erörtern.766 Wie bereits im Rahmen des Bestimmtheitsgrundsatzes aufgezeigt wurde, ist im Bereich der Öffnungsklauseln die Vorhersehbarkeit weniger problematisch. Die Entscheidung, ob ein Verhalten vergleichbar oder ähnlich ist, kann sich an den zuvor aufgezählten Verhaltensweisen orientieren. So kann eine Vorhersehbarkeit geschaffen werden.

762

Forsthoff, Rechtsstaat im Wandel, S. 243. So etwa: Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 97 GG Rn. 22; Hassemer, in: FS-Jung, S. 231, 233. 764 Forsthoff, Rechtsstaat im Wandel, S. 244. 765 Maunz/Dürig/Hillgruber, Art. 97 Rn. 27 ff.; Sachs/Detterbeck, Art. 97, Rn. 1. 766 Kissel/Mayer/Mayer, § 1 Rn. 111; Jarass/Pieroth/Kment/Jarass, Art. 20 GG, Rn. 52; Maunz/Dürig/Hillgruber, Art. 97 Rn. 33; Hillgruber, JZ 2008, 745, 747, sieht hierin lediglich eine „Tautologie“; Papier, § 130 Richterliche Unabhängigkeit, in: Handbuch der Grundrechte, Rn. 26; Di Fabio, in: Handbuch des Staatsrechts, § 27 Rn. 26; Hermann, DRiZ 1982, 286, 288; Christensen/Kudlich, Gesetzesbindung, S. 170 verstehen unter Recht „konkretisierte Gesetze“; umfassend auch: Christensen, Was heißt Gesetzesbindung?, S. 292; Ipsen, Richterrecht und Verfassung, S. 118. 763

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

d) Verhältnis des Grundsatzes „nulla poena sine lege“ zur Gesetzesbindung Neben der soeben dargelegten Herleitung steht der Grundsatz der Gesetzesbindung in seiner rechtsstaatlichen und gewaltenteilenden Funktion im Zusammenhang mit dem in Art. 103 Abs. 2 GG normierten Gesetzlichkeitsprinzip und wird zum Teil als Verstärkung eben dieses Prinzips verstanden.767 Das Zusammenspiel dieser Normen wirft die Frage auf, in welchem Verhältnis diese beiden Grundsätze zueinanderstehen. Zunächst unterscheiden sich die in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltenen Garantien vom Grundsatz der Gesetzesbindung dadurch, dass Art. 103 Abs. 2 GG nur für den Bereich des Strafrechts gilt, wohingegen der Grundsatz der Gesetzesbindung für alle Rechtsgebiete Wirkung entfaltet. Dadurch postuliert, anders als in anderen Rechtsgebieten, der Grundsatz der Gesetzesbindung im Bereich des Strafrechts durch Art. 103 Abs. 2 GG eine besonders enge Bindung der Rechtsanwender*innen an das geschriebene Recht. Die Regelung des Art. 103 Abs. 2 GG „konkretisiert“ folglich den dargestellten Grundsatz der Gesetzesbindung.768 Folglich bleibt Art. 97 Abs. 1 GG hinter den Garantien des Art. 103 Abs. 2 GG zurück. Anders als das Gesetzlichkeitsprinzip unterliegt der Grundsatz der Gesetzesbindung allerdings der Ewigkeitsgarantie gem. Art. 79 Abs. 3 GG, denn dieser ist neben Art. 97 Abs. 1 GG auch in Art. 20 Abs. 3 GG kodifiziert. Art. 103 Abs. 2 GG präzisiert also durch die dort verbürgten Garantien den Grundsatz der Gesetzesbindung: Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 97 Abs. 1 GG enthalten ihrem Wortlaut nach keine genaueren Informationen darüber, wie die Bindungswirkung zu verstehen ist. Art. 103 Abs. 2 GG bringt allerdings in seinem Wortlaut zum Ausdruck, dass die Rechtsanwender*innen an den Wortsinn der einschlägigen Normen gebunden sind und darüber hinaus kein Recht zur Lückenschließung besteht.769 Dies geschieht dadurch, dass das Gesetzlichkeitsprinzip zum einen eine Bestimmtheit der gesetzlichen Regelung fordert. Normen mit einer erhöhten Bestimmtheit führen auch zu einer engeren Bindung an eben jenen Wortlaut. Zum anderen verbietet Art. 103 Abs. 2 GG die Bildung von Analogien, 767 Hassemer, in: Einführung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 259; siehe auch Schneider, Richterliche Ethik im Spannungsfeld zwischen richterlicher Unabhängigkeit und Gesetzesbindung, S. 349. 768 Christensen/Kudlich, Gesetzesbindung, S. 184, 185; auch nach MüKo-StGB/ Schmitz, § 1 Rn. 7 folgt die Gesetzesbindung aus § 1 StGB und dabei insbesondere auf dem Bestimmtheitsgrundsatz; Jakobs, Strafrecht AT, S. 64; Kim, in: FS-Roxin, S. 125, 126, aber hält auch das Analogieverbot gleichermaßen für eine Voraussetzung einer wirksamen Gesetzesbindung; Krey, ZStW 101 (1989), 838, 840; Hassemer, ZRP 2007, 213, 214, wenngleich nicht ausdrücklich genannt; Bott/Krell, ZJS 2010, 694, 696, wonach Analogie- und Bestimmtheitsgebot die strenge Gesetzesbindung im Strafrecht sicherstellen; LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 242; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 70; Baumann/Weber/Mitsch/Eisele/Eisele, § 7 Rn. 3. 769 LK-StGB/Dannecker, § 1 StGB Rn. 111.

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wodurch sichergestellt werden soll, dass die Judikative bei ihrer Entscheidung keine richterliche Rechtsfortbildung und Lückenschließung praeter legem betreibt. Diese Möglichkeit zur Rechtsfortbildung ist bei Öffnungsklauseln, wie noch zu zeigen sein wird, aber gerade vorgesehen. Art. 103 Abs. 2 GG führt zu einer, im Vergleich zu den anderen Rechtsgebieten, strengeren Gesetzesbindung. Nur auf diese Weise kann die Freiheit des Einzelnen im eingriffsintensiven Bereich des Strafrechts vor willkürlicher Gesetzesanwendung geschützt werden.770 Dies kann gerade nicht bei richterlicher Rechtsfortbildung gewährleistet werden.771 Im Strafrecht gilt also im besonderen Maße, dass die Entscheidung der Judikative nicht „die Willensäußerung des beliebigen Trägers der Staatsgewalt“ sein kann.772 Wie bereits aufgezeigt, ist die Abgrenzung zwischen Auslegung und Analogie strittig, sodass auch im Hinblick auf den Grundsatz der Gesetzesbindung strittig sein kann, wann ein Fall unzulässiger richterlicher Rechtsfortbildung vorliegt. Insgesamt ergänzen sich der Grundsatz der Gesetzesbindung und das Gesetzlichkeitsprinzip, wodurch im Bereich des Strafrechts eine erhöhte Bindungswirkung an die Norm bei der richterlichen Rechtsfindung besteht. e) Bindung durch den Inhalt des Gesetzes oder an den Inhalt des Gesetzes Die Bindung an das Gesetz setzt notwendigerweise voraus, dass entsprechende Rechtsnormen vorliegen. Dennoch enthält Begriff der Gesetzesbindung keine Erläuterung, wie diese Bindung konkret ausgestaltet ist und wann diese verletzt wird. Es bleibt offen, ob mit der Bindung an den Wortlaut des Gesetzes, die Bindung an den dahinterstehenden Willen des historischen Gesetzgebers oder womöglich die Bindung an den objektiv zu ermittelnden Zweck gemeint ist.773 Anders als bei der Abgrenzung zwischen Auslegung und Analogie wird hier der Blick geweitet, denn nicht jeder Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzesbindung stellt zugleich eine unzulässige Analogie dar. Vielmehr enthält der Grund770

Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 13. Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 41. 772 Mangakis, ZStW 81 (1969), 425, 430. 773 Dazu bereits zur Abgrenzung von Auslegung und Analogie unter Kap. D. V. 2.; Kudlich/Christensen, ARSP 2007, 128, 138; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 163 f., zur Bindung bei Ermessensentscheidungen zur Bedeutung des Menschen in der juristischen Entscheidungsfindung, vgl. v. Münch/Kunig/Meyer, Art. 97 Rn. 22 unter Verweis auf Risse/Morawietz, Prozesskostenrisikoanalyse, S. 1–120; umfassend auch Schröder, Gesetzesbindung des Richters und Rechtsweggarantie im Mehrebenensystem, S. 21 f.; Schneider, Richterliche Ethik im Spannungsfeld zwischen richterlicher Unabhängigkeit und Gesetzesbindung, S. 345, der darauf verweist, dass es in der Rechtsfindung erforderlich sein kann, der Rechtsordnung innewohnende Wertevorstellungen einfließen zu lassen, auch wenn diese in der konkreten Norm nicht zum Ausdruck kommen, vgl. S. 350; Rüthers, Die heimliche Revolution vom Rechtsstaat zum Richterstaat, S. 77 ff.; Ipsen, Richterrecht und Verfassung, S. 117 ff., 207; Wank, Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, S. 34 ff. 771

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

satz der Gesetzesbindung, anders als das Analogieverbot, auch einen Auftrag an die Legislative. aa) Können Normen eine Bindungswirkung entfalten? Die Bindungswirkung soll verhindern, dass Richter*innen sich bei ihrer Entscheidungsfindung und deren Begründung unter Verweis auf die materielle Gerechtigkeit von jedweder gesetzlichen Grundlage lösen, ansonsten würde die Bindungswirkung ins Leere laufen.774 Zunächst ist allerdings zu klären, ob es überhaupt möglich ist, die Judikative bei ihrer Aufgabenerfüllung an das geschriebene Recht zu binden, oder ob der Wortlaut von Normen so viele unterschiedliche Deutungsmöglichkeiten und Auslegungsergebnisse bietet, dass eine solche Bindungswirkung faktisch unmöglich ist.775 Dass es in den meisten Fällen keine einzig und allein richtige und durch den Wortlaut der Gesetze fest determinierte Lösung einer Rechtsfrage gibt, ist mittlerweile wohl unstreitig.776 Unklar bleibt allerdings, wie der Begriff der Bindung zu verstehen ist, d. h., ob eine solche in Bezug auf den Normtext bestehen kann und wann infolgedessen diese Bindung durchbrochen wird. Im Bereich der Gesetzesbindung steht dabei die Frage im Fokus, die bereits bei der Vereinbarkeit des Analogieverbotes mit Öffnungsklauseln angedeutet und im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen Analogie und Auslegung erörtert wurde. Kann es überhaupt eine Bindung an den Wortlaut eines Gesetzes geben? Oder ist der Wortlaut an sich, ohne Konkretisierung und Interpretation, bedeutungslos, sodass eine Gesetzesbindung faktisch ins Leere läuft, weil die Norm als solche keine Orientierungsmöglichkeit bietet? Bereits im Rahmen der Diskussion um die Reichweite des Analogieverbots wurde festgestellt, dass es klar „negative Kandidaten“ gibt, die in jedem Falle nicht von der Norm erfasst sind.777 Daraus kann schon pragmatisch das Bestehen einer Bindungswirkung angenommen werden. 774 Zur Entwicklung hin zu einem „ungebundenen Richter“ vgl. Simon, Die Unabhängigkeit des Richters, S. 89. 775 Hermann spricht davon, dass Richter*innen „zum Gehirn des Gesetzes“ geworden sind, vgl. DRiZ 1982, 286, 288; vgl. zur Diskussion insgesamt Jakobs, Strafrecht AT, S. 64 ff., hält Möglichkeit der Gesetzesbindung für Interpretationsfrage von Art. 103 Abs. 2 GG und § 1 StGB; kritisch zu einer effektiven Gesetzesbindung: Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 162, 163, der das Wechselspiel von Konkretisierung durch die Rechtsprechung und gleichzeitiger Bindung der Judikative als „Bindungsparadoxie“ bezeichnet; Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, S. 191–194, verweist darauf, dass von der subjektiven Prägung der Rechtsanwendung durch die Richter*innen nicht darauf geschlossen werden kann, dass keine Gesetzesbindung existiert, S. 192. 776 Vgl. dazu auch Schmidt-Bens, JA 2013, 1030, 1033; Arnauld, Rechtssicherheit, S. 412; Rüthers, NJW 2011, 1856, 1857; Bleckmann, JuS 2002, 942, 943. 777 Vgl. dazu Kap. D. V. 2.

VIII. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung

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(1) Gesetzesbindung als Utopie Es wird vertreten, dass durch die Anwendung einer Norm durch die Judikative deren Inhalt erstmals geschaffen wird, davor also nur Worte ohne Bindungskompetenz bestehen.778 Diese Feststellung könnte so verstanden werden, dass zwischen Auslegung und Analogie kein messbarer Unterschied besteht bzw. ein solcher gerade nicht trennscharf gezogen werden kann,779 da auch jede Auslegung auf einem Ähnlichkeitsschluss beruht.780 Sprache und damit der Gesetzestext als solcher ermöglicht daher kein brauchbares Abgrenzungskriterium, auch weil diese zu unbestimmt und juristisch manipulierbar ist.781 Würde man dem folgen, ließe sich auch nicht feststellen, wann die Bindung an das Gesetz durchbrochen würde, sodass die Annahme einer tatsächlichen Gesetzesbindung utopisch wäre. Wenn dem so wäre, dann könnte nur durch die Anwendung der Norm auf den Einzelfall eine Bindungswirkung geschaffen werden. Von der Norm an sich würde ohne konkretisierende Rechtsprechung keine Bindungswirkung ausgehen. Das würde in letzter Konsequenz bedeuten, dass der Grundsatz der Gesetzesbindung ins Leere liefe. Dennoch kann aus der Mehrdeutigkeit von Worten nicht ohne Weiteres darauf geschlossen werden, dass keine Bindungswirkung zum Normtext bei der Rechtsanwendung bestehen kann.782 Denn der Wortlaut einer Norm stellt neben der Interpretationsgrundlage auch die Begrenzung eben jener Interpretation dar.783 Die Anwendung einer Norm schafft deren Inhalt gerade nicht erstmalig. Die Entscheidung des konkreten Falls soll vielmehr bereits in der Norm als solcher durch den vorverlagerten Entscheidungsprozess der Legislative angelegt sein.784 778 Hassemer, in: Einführung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 261 f.; siehe Kudlich/Christensen, ARSP 2007, 128, 139; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 60; Hassemer, in: Einführung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 260 f., unter Hinweis darauf, dass die Judikative die Grenzen der Gesetzesanwendung gerade selbst definiert; wohl auch Jestaedt, wenn er in jeder Rechtsgewinnung auch einen Akt der Rechtssetzung sieht, vgl. Jestaedt, ZÖR 2000, 133, 153; ders., Grundrechtsentfaltung im Gesetz, 1999, S. 271 ff.; ders., Das mag in der Theorie richtig sein . . ., S. 46 ff.; zur Rechtsanwendung und Methodenlehre im Staats- und Verfassungsrecht vgl. ders., in: Das Proprium der Rechtswissenschaft, S. 254 f.; insbesondere: Hillgruber, JZ 2008, 745, der darauf verweist, dass Gesetzesbindung selbst dann gelten muss, wenn deren Einhaltung unmöglich ist. 779 Hassemer, Tatbestand und Typus, S. 163. 780 Hassemer, Tatbestand und Typus, S. 160. 781 Hassemer, Tatbestand und Typus, S. 161; im Ergebnis aber eine Gesetzesbindung bejahend, vgl. ders., ZRP 2007, 213. 782 Arnauld, Rechtssicherheit, S. 421. 783 „Aber die Interpretation bleibt andererseits ihrem Erkenntnisgegenstand verhaftet“, vgl. Maunz/Dürig/Hillgruber, Art. 97 Rn. 41. 784 Maunz/Dürig/Hillgruber, Art. 97 Rn. 40; Mangoldt/Klein/Starck/Classen, Art. 97 Rn. 12; Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, S. 192, danach ist

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Selbst wenn einer Zeichenfolge als solcher keine Bedeutung zukommt und diese Bedeutung erst im Kontext von Sprache und Sprachbedeutung entsteht und gezwungenermaßen unklare Randbereiche des Normanwendungsbereich verbleiben, steht dieses Verständnis einer Bindungswirkung nicht entgegen.785 Die bedeutet zunächst nur, dass dem Verständnis der Zeichenabfolge in Gesetzestexten auch immer eine Wertungseben zugrunde liegt. Daran ändert auch das notwendige Vorverständnis mit dem Richter*innen eine Norm lesen und anwenden nichts.786 Aus der Konkretisierungsbedürftigkeit von Normen kann also nicht bereits folgen, dass Gesetzen eine Bindungswirkung abgesprochen werden kann. Wie bereits dargelegt, lassen sich klar negative und positive Kandidaten bestimmen.787 Somit kann auf das Bestehen einer Bindungswirkung, wie aufgezeigt, geschlossen werden. (2) Gesetzesbindung durch Normtext und Anwendung Der Grundsatz der Gesetzesbindung kann aber folglich weitreichender gedacht werden, indem die gesetzliche Regelung in jedem Falle durch die Rechtsanwender*innen „nachgedacht“ werden muss.788 Das bedeutet, dass jede Norm zwar einen grundsätzlich im Wortlaut determinierten Inhalt enthält, dieser aber zur vollständigen Erfassung der Norm erst durch die Anwendung konkretisiert wird. Die Bindungswirkung entsteht also hauptsächlich durch Entscheidung und Begründung dieser Entscheidung.789 Wesentlich ist dabei, dass die Begründung gerade nicht willkürlich erfolgt, sondern sich anhand des anerkannten Auslegungskanons nachverfolgen lässt. Draus ist auch zu schließen, dass nicht jedes Ergebnis der Rechtsanwendung auf den Einzelfall ein vertretbares Ergebnis darstellt.790 Auch aus diesem Prozess der Rechtsfindung kann geschlossen werden, dass es eine Gesetzesbindung gibt. Offen bleibt in jedem Falle aber, welches Maß an Bindung aufgrund des Transformationsprozesses bestehen kann oder inwieweit ein „Nachdenken“ der die Entscheidung nicht bereits in der Norm angelegt; so auch Durner, JA 2008, 7, 9; so wohl auch F. Müller, Richterrecht, S. 58; Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 222, „wonach der Inhalt einer Strafvorschrift immer erst durch die richterliche Auslegung im Sinne zweifelsausschließender Deutlichkeit ,bestimmt‘ “ ist. 785 Arnauld, Rechtssicherheit, S. 413. 786 Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, S. 192. 787 Vgl. dazu in dieser Arbeit Kap. D. V. 2. b). 788 Kirchhof, NJW 1986, 2275, 2280; so auch wohl partiell Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 107; ders., AcP 112 (1914), 1, 20, wenn er vom „denkenden Gehorsam“ spricht und dabei ein Rechtsanwendnung meint, die die Interessenwertung des Gesetzes zugrunde legt; so im Ergebnis auch Picker, JZ 1988, 1, 7 f. 789 Kuntz spricht dabei vom „Prinzip der performativen Rechtserzeugung“, vgl. AcP 216 (2016), 866, 868. 790 Kuntz, AcP 216 (2016), 866, 878; im Ergebnis auch Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 97 Rn. 21; Kischel, Die Begründung, S. 176 ff.

VIII. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung

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Richter*innen den Grundsatz der Gesetzesbindung verletzt.791 Es liegt die Vermutung nahe, dass ab einem bestimmten Grad der Konkretisierungsbedürftigkeit die Bindungswirkung der Norm als solche faktisch aufgehoben ist, weil ein weit gefasster Wortlaut auch eine Vielzahl von Auslegungsergebnissen zulässt. Insbesondere die Entscheidung darüber, ob eine Norm bei einer generalklauselartigen Regelung eine hinreichende Bindungswirkung aufweist, führt zu Abgrenzungsschwierigkeiten. Diese Abgrenzungsproblematik wird dadurch verstärkt, dass es an einer einheitlichen und insbesondere verbindlichen Methodenlehre bei der Auslegung von Rechtsnormen fehlt.792 Der Gesetzestext kann aufgrund einer Vielzahl von vertretbaren Auslegungsergebnissen im Falle von Generalklauseln eine Bindungswirkung nur begrenzt entfalten. Hier bietet der Wortlaut der Norm weniger Anhaltspunkte.793 Daraus folgt, dass zugleich deutlich mehr Begründungen von Einzelfallentscheidungen unter die Norm fallen können. Die Begründung dieser Entscheidungen kann aufgrund des offenen Wortlautes auch unproblematisch erfolgen, was zumindest eine gelockerte Bindungswirkung zur Folge haben dürfte. Wenn dem Wortlaut einer Norm (oder auch dem Normtext) eine Bindungswirkung also grundsätzlich zugesprochen wird,794 wirft dies die Frage auf, inwieweit Öffnungsklauseln eine solche Bindungswirkung entfalten können. Öffnungsklauseln können grundsätzlich durch die anerkannten Auslegungsmethoden in ihrer Anwendung auf den Einzelfall konkretisiert werden. Eine der Gesetzesbindung gerecht werdenden Auslegung ist theoretisch möglich. Entscheidend ist aber, dass Öffnungsklauseln eben keiner Konkretisierung, sondern eines Ähnlichkeitsschlusses bedürfen. Dieser unterscheidet sich gerade qualitativ von der notwendigen Konkretisierung von Normen bei der Anwendung auf den Einzelfall. bb) Konkretisierung der Gesetzesbindung Aus dem zuvor Erläuterten resultiert bereits die erste Feststellung, dass die Gesetzesbindung in einem Staat, der sich für die Kodifikation von Gesetzen entschieden hat, aufgrund ihrer verfassungsrechtlichen Normierung, bestehen muss.795 Die Bindung bezieht sich dabei auf das geschriebene Wort, denn dieses 791

So im Ergebnis auch Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 139 ff. v. Münch/Kunig/Meyer, Art. 97 Rn. 31. 793 v. Münch/Kunig/Meyer, Art. 97 Rn. 27, 31 stellt dar, wann der Grundsatz der Gesetzesbindung nicht verletzt wird. 794 So im Ergebnis auch Hegenbarth, Juristische Hermeneutik und linguistische Pragmatik, S. 159 und legt die von den Verfasser*innen intendierte Textbedeutung zugrunde und verweist in Zuge dessen darauf, dass ein Verstoß gegen das Analogieverbot dann vorliegt, wenn die Interpretation nicht mehr mit dem Willen des historischen Gesetzgebers übereinstimmt; Depenheuer, Der Wortlaut als Grenze, S. 43, der auf das Erfordernis des konkreten Kontextes verweist, damit Normen verstanden werden können. 795 Hillgruber, JZ 2008, 745. 792

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

bildet die Grundlage der Entscheidungsfindung, auch wenn der Ansicht gefolgt wird, dass die Rechtsfindung „nachgedacht“ werden muss.796 Die Bindungswirkung wird dadurch erzeugt, dass die Richter*innen nicht nur ihre Entscheidung auf eine gesetzliche Grundlage zurückführen müssen, sondern diese Rückführung auch methodisch vertretbar begründen, also nachvollziehbar an die Norm rückkoppeln müssen.797 Erst durch die dafür erforderliche Konkretisierung der Norm kann in den meisten Fällen eine Subsumtion erfolgen.798 Entscheidend ist dabei, dass das gefundene Ergebnis dieser Konkretisierung auf den Normtext und damit der demokratisch legitimierten Entscheidung des Gesetzgebers tragfähig und nachvollziehbar zurückgeführt werden kann.799 Das Ergebnis der Rechtsfindung soll kein rein zufälliges Produkt darstellen, dass im Wesentlichen von den Wertevorstellungen der konkreten Rechtsanwender*in abhängt.800 An dieser Stelle kann festgestellt werden, dass Bindung notwendigerweise, wo Konkretisierung erforderlich ist, eine nähere Determination des Rechts durch den Prozess der Auslegung benötigt. Diese Auslegung darf aber nicht mit Willkür gleichgesetzt werden, da diese Begründung bestimmten Regeln unterliegt. Nicht jedes „Ergebnis“ einer Auslegung würde mithin als auf die Entscheidungsnorm zurückgehend akzeptiert werden.801 Ob Richter*innen bei ihrer Entscheidungsfindung und Begründung an den buchstäblichen Wortlaut des Gesetzes als der damit verbundenen Zeichenfolge gebunden sind oder vielmehr an den dem Gesetz innewohnenden Sinn und Zweck als den (vermeintlich) objektiven Inhalt,802 ist durch den Wortlaut des Art. 97 Abs. 1 GG nicht näher determiniert.803 Bei letzterem könnte es Richter*innen gestattet sein, sich an dem von ihnen erfassten Sinn und Zweck des 796 Hassemer, in: Einführung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 259. 797 Kuntz, AcP 216 (2016), 866, 885 versteht dies als einen „Rechtfertigungszwang“; historisch dazu auch: Isay, Rechtsnorm und Entscheidung, S. 174. 798 Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 154; Rüthers, NJW 2011, 1856, 1857. 799 Durner, JA 2008, 7, 10; Hillgruber, JZ 2008, 745, 746; Ebsen, Gesetzesbindung und „Richtigkeit“ der Entscheidung, S. 34. 800 Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 154, wonach die Gesetzesbindung durch die „Anwendung der anerkannten Auslegungsregeln“ garantiert wird. 801 Vgl. zum Beispiel Kuntz, AcP 216 (2016), 866, 878, der darauf verweist, dass als Strafe für einen Mord keine Todesstrafe verhängt werden kann. 802 Zum Teil bezeichnet als „üblicher Sinn“, vgl. Ebsen, Gesetzesbindung und „Richtigkeit“ der Entscheidung, S. 44; Christensen, Was heißt Gesetzesbindung?, S. 19, 290; zwischen Normtext und Rechtsnorm differenzierend: Müller/Christensen, Juristische Methodik Band I, S. 256 ff.; Maunz/Dürig/Hillgruber, Art. 97 Rn. 55; Christensen/Kudlich, Gesetzesbindung, S. 182; Ebsen, Gesetzesbindung und „Richtigkeit“ der Entscheidung, 31 ff. verweist auf eine Bindung an die „inhaltliche Determinierung“ des Gesetzes. 803 Bindung an Sinn und Zweck des Gesetzes, vgl. Kissel/Mayer/Mayer, § 1 Rn. 112.

VIII. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung

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Gesetzes zu halten, auch wenn dieser über den erkennbaren Wortlaut hinausgeht.804 Entscheidend ist, wie der Grundsatz der Gesetzesbindung verstanden wird, welchen Zweck und welche verfassungsrechtliche Grundlage die Gesetzesbindung hat. Unstreitig kann festgestellt werden, dass ein eindeutiges Auslegungsergebnis bei der Rechtsanwendung der Richter*innen im Sinne eines Subsumtionsautomatismus ohne jegliche Wertung nicht der Realität der Rechtsfindung entspricht.805 Die Auslegung des Gesetzes, zur Erforschung des Inhalts eines Gesetzes, ist unentbehrlich und ureigene Aufgabe der Judikative und enthält gezwungenermaßen immer auch eine Wertungsebene.806 Es muss folglich ein Auslegungs- und Bewertungsspielraum für die Richter*innen verbleiben und bei der Bindung an das Gesetz berücksichtigt werden.807 Dem schließt sich konsequenterweise die Frage an, inwieweit es allgemeine Regeln gibt, denen sich die Richter*innen bei der Auslegung und Konkretisierung der Normen unterwerfen.808 Ohne eine solche Methodik steht den Richter*innen die Anwendung der Gesetze erst einmal frei, solange das gefundene 804

Ablehnend: Hillgruber, JZ 2008, 745, 746. Christensen/Kudlich, Gesetzesbindung, S. 178; Christensen, Was heißt Gesetzesbindung?, S. 20; Mangoldt/Klein/Starck/Classen, Art. 97 Rn. 12; Papier, § 130 Richterliche Unabhängigkeit, in: Handbuch der Grundrechte, Rn. 27; Hermann, DRiZ 1982, 286, 288; Rüthers, JZ 2009, 969, 971; Frister, Strafrecht AT, Kap. 4 Rn. 12; Kaspers, Philosophie – Hermeneutik – Jurisprudenz, S. 116. 806 Maunz/Dürig/Hillgruber, Art. 97 Rn. 55; Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 222; F. Müller, Richterrecht, S. 58; umfassend zu den Auslegungsmethoden siehe auch: Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 150 ff.; Esser, Vorverständnis und Methodenwahl in der Rechtsfindung, S. 24, Rechtsanwender*innen müssen sich aber um die Zurückdrängung dieser persönlichen Wertung bemühen; Christensen, Was heißt Gesetzesbindung?, S. 301; Christensen/Kudlich, Theorie richterlichen Begründens, S. 153 ff.; Kirchhof, NJW 1986, 2275, 2277 aus der Rechtsprechung dazu BVerfG, Beschl. v. 13.02.1973 – 2 BvL 8/71 = BVerfGE 34, 269 = NJW 1973, 1221; das gilt insbesondere dann, wenn das Recht lückenhaft ist, vgl. dazu etwa Heubel, Der „fair trial“ – ein Grundsatz des Strafverfahrens, S. 84, der eine solche Wertungsebene in den Fällen annimmt, in denen der Gesetzgeber bewusst lückenhaft gearbeitet hat, wie etwas im Fall von Generalklauseln; Hoffmann, Das Recht des Rechts, das Recht der Herrschaft und die Einheit der Verfassung, S. 27 ff. unter Bezugnahme auf das case-law; Ossenbühl, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 100 Rn. 52; Herrmann, DRiZ 1982, 286, 287; Mangoldt/Klein/Starck/Classen, Art. 97 Rn. 12; Tschentscher, Demokratische Legitimation der Dritten Gewalt, S. 191 f. 807 BeckOK-GVG/Gerhold, § 1 Rn. 26. 808 Umfassend zur juristischen Methodenlehre vgl. Bydlinski, Grundzüge der juristischen Methodenlehre. 27 ff.; zur Bedeutung einer einheitlichen Methodenlehre vgl. Rüthers, JZ 2006, 53; knapp: Ebsen, Gesetzesbindung und „Richtigkeit“ der Entscheidung, S. 35; Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 124; Rüthers, NJW 2011, 1856; AK-GG/Wassermann, Art. 97 Rn. 48; aus der Rechtsprechung für eine einheitliche Methodenlehre vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.01.2011 – 1 BvR 918/10 = BVerfGE 128, 193 = NJW 2011, 836, ergänzt durch Rüthers, NJW 2011, 1856; zur Verknüpfung von Gesetzesbindung und Auslegung vgl. auch Hassemer, ZRP 2007, 213, 214. 805

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Ergebnis auf irgendeine Art und Weise begründet werden kann.809 Dies birgt die Gefahr, dass durch eine Vielzahl von Auslegungsmethoden gerade auch eine Vielzahl von Auslegungsergebnissen methodisch vertreten werden kann, was wiederum zu einer Schwächung der Bindungswirkung führen kann.810 Dies kann auch dazu führen, dass sich das gefundene Ergebnis gerade nicht anhand der zugrunde liegenden Norm begründen lässt. Dies liegt zum einen daran, dass es unterschiedliche Auslegungsmethoden gibt, die sich gegenseitig ergänzen und zum anderen, dass der Einsatz einer bestimmten Auslegungsmethode nicht verpflichtend ist.811 Eine fehlende bindende Methodenlehre, die jegliche Auslegung ermöglicht, hätte auch Folgen für die Gesetzesbindung.812 In Grenzfällen könnte dann nicht entschieden werden, ob die Judikative durch ihre Interpretation der Norm gegen den Grundsatz der Gesetzesbindung verstoßen hat. Die Wahl, welcher Methode gefolgt wird, steht aber den Rechtsanwender*innen frei und ist insoweit auch nicht gesetzlich normiert. Aus der Freiheit der Methodenwahl kann aber nicht ohne Weiteres auf die Willkür der Entscheidungsfindung geschlossen werden.813 Denn es Bedarf im Strafrecht immer auch einer Rückbindung an den Wortlaut (dazu unter c)). Zu erörtern ist allerdings, welche Methoden der Auslegung einer Gesetzesbindung eine erhöhte Bindungswirkung hervorrufen können und infolgedessen in Bezug auf eine maximale Wirksamkeit des Grundsatzes zu bevorzugen wären. Denn wenn die Begründung im Rahmen der Entscheidungsfindung erheblich ist, dann ist auch die Methodenwahl für das Maß an Gesetzesbindung entscheidend.

809 Hassemer, in: Juristische Methodenlehre und richterliche Pragmatik, S. 231, 234; im Umkehrschluss auch ders., in: Einführung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 263; Schneider, Richterliche Ethik im Spannungsfeld zwischen richterlicher Unabhängigkeit und Gesetzesbindung, S. 348. 810 Simon, Die Unabhängigkeit des Richters, S. 69; Hassemer, in: Einführung in die Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, 2011, S. 263, verweist auf widersprechende Ergebnisse. 811 Zum Teil wird daraus eine Freiheit der Methodenwahl abgeleitet, vgl. dazu Radbruch, Einführung in die Rechtswissenschaften, S. 169 und der daraus die Erkenntnis ableitet, dass die Auslegungsmethode erst gewählt wird, wenn das Ergebnis bereits feststeht: „Die Auslegung ist also das Ergebnis – ihres Ergebnisses [. . .]“; zur fehlenden gesetzlich verpflichtenden Methodenwahl vgl. NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 115a; zusammenfassend auch Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, Rn. 696 ff.; kritisch: Hassemer, ZRP 2007, 213. 812 NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 103 bezeichnet diese Frage als eine Frage nach den „Sicherungen“ im Strafrecht; MüKo-StGB/Schmitz, § 1 Rn. 107. 813 Zum Teil wird auch von einer verfassungsrechtlich, aus Art. 3 Abs. 1 GG resultierenden Auslegungsmethode ausgegangen, vgl. dazu Müller, Juristische Methodik und politisches System, S. 65 f.; gegen eine vollumfängliche Auslegungsfreiheit vgl. NKStGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 10; zur Rangfolge der einzelnen Auslegungsmethoden vgl. auch Kudlich/Christensen, JA 2004, 74, 81; Velten/Mertens, ARSP 76 (1990), 516, 534.

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(1) Objektive Theorie Insbesondere in Bezug auf die objektiven Auslegungsmethoden814 wird vertreten, dass dort die Wahl- und Gewichtung der Methoden dem Auslegungsergebnis folgt und nicht andersherum.815 Es wird also zunächst das gewünschte Ergebnis ermittelt und dann durch einen Verweis auf den objektiven Zweck der Norm begründet. Die objektive Methode löst sich bewusst vom tatsächlichen Willen des Gesetzgebers und der dort damit verbundenen demokratischen Legitimationskette und will den „wirklichen“ Zweck des Gesetzes erforschen.816 Ein solches zweckorientiertes Vorgehen wird zum Teil als eigener Rechtssetzungsakt der Judikative gewertet.817 Aufgrund dessen haftet der objektiven Methode der Vorwurf an, diese ermächtige Richter*innen dazu, rechtskräftig Normen zu setzen, indem sie durch die Rechtsanwendung unter Verweis auf den wirklichen Zweck des Gesetzes Rechtsfortbildung betreiben.818 Denn die Darlegung eines vermeintlichen Gesetzeszwecks ist nur eingeschränkt überprüfbar. In der Möglichkeit, Auslegungsergebnisse einem gesellschaftlichen Wandel anzupassen, zeigt sich die größte Stärke aber auch die Schwäche der objektiven Theorie. Denn wie wandelbar die auf diese Weise gefundenen Auslegungsergebnisse sind, zeigt sich bereits dadurch, wie unterschiedlich die Gesetzbücher, die zum Teil seit über 100 Jahren in Kraft sind, über die Jahre hinweg auf unterschiedliche Weisen interpretiert 814 Auf diese berufen sich (fast ausschließlich) die obersten deutschen Gerichte, vgl. dazu BVerfG, Urt. v. 21.05.1951 – 2 BvH 2/52 = BVerfGE 1, 299 = NJW 1952, 737; BVerfG, Beschl. v. 15.12.1959 – 1 BvL 10/55 = BVerfGE 10, 234 = NJW 1960, 235; BVerfG, Urt. v. 06.02.1983 – 2 BvE 1/83 = BVerfGE 62, 1 = NJW 1983, 735, verweisen auf den „objektivierten Willen“ des Gesetzgebers, der dem subjektiven Willen des historischen Gesetzgebers vorgeht; zusammenfassend siehe auch: Bleckmann, JuS 2002, 942, 942; kritisch dazu F. Müller, Normstruktur und Normativität, S. 114; außerdem wohl auch, wenn er auf das Erfordernis der „sachgerechten Einzelfallentscheidung“ verweist: Burmeister, Die Verfassungsorientierung der Gesetzesauslegung, S. 54 f., auch wenn er darlegt, dass die Wahl der Auslegungsmethode in der Rechtsfindung unbedeutend ist; Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, S. 156, bezeichnet dies als die „Krone der Auslegungsverfahren“, schließt sich dann aber der sog. „Andeutungstheorie“ an; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 333 ff.; dazu zusammenfassend bei Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, Rn. 801; Walz, ZJS 2010, 482, 485; Schäfer JuS 2015, 875, 878; Bydlinski, Grundzüge der Juristische Methodenlehre, S. 43 ff.; Schönke/Schröder/Hecker, § 1 Rn. 43; Pawlowski, Einführung in die juristische Methodenlehre, S. 198; auch eine Abweichung vom Wortlaut befürwortend, vgl. Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 76; kritisch zur objektiven Auslegungsmethode insb. im Hinblick auf das Demokratieprinzip und den Grundsatz der Gewaltenteilung vgl. LKStGB/Dannecker, § 1 Rn. 296. 815 Rüthers, Die heimliche Revolution vom Rechtsstaat zum Richterstaat, S. 93 f.; kritisch dazu siehe auch Christensen/Kudlich, Gesetzesbindung, S. 183. 816 Kritisch zur objektiven Theorie vgl. Rüthers, JZ 2002, 365, 368; Hillgruber, JZ 2008, 745, 755 unter Verweis daraus, dass diese erst recht ein Einfallstor für die persönliche Wertung der jeweiligen Richter*innen in der konkreten Entscheidung darstellt. 817 Rüthers, JZ 2009, 969, 971; Foerste, JZ 2007, 121, 124 für das Zivilrecht. 818 Rüthers, JZ 2002, 365, 369.

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wurden.819 Das verdeutlicht, dass dieser „verobjektivierte Zweck“ auch nicht völlig losgelöst vom Normtext bestimmt werden kann, sondern gerade in diesem angelegt sein muss.820 Folgte man strikt der objektiven Theorie, wäre der Grundsatz der Gesetzesbindung nur dann verletzt, wenn das Ergebnis der Rechtsfindung weder mit dem objektiven Sinn und Zweck noch mit dem Wortlaut der Norm vereinbar wäre.821 (2) Subjektive Theorie Dem gegenüber steht die subjektive Methode, die bei der Auslegung neben dem Wortlaut822 der Norm auf den Willen des historischen Gesetzgebers abstellt und auf diese Weise eine direkte Legitimationskette zur Legislative herstellen will.823 Danach soll bei gesellschaftlichen Entwicklungen, die eine gesetzgeberische Intervention erfordern, gerade nicht die Judikative die Norm entsprechend der geänderten Verhältnisse anwenden, sondern es soll eine strikte Bindung an den Wortlaut und der Intention des historischen Gesetzgebers fortbestehen.824 Eine Fortentwicklung des geschriebenen Rechts anhand des Willens eines objektivierten Gesetzgebers soll nicht erfolgen. Dies wird damit begründet, dass ein Verweis auf den objektiven Sinn und Zweck der Norm die Gesetzesbindung gerade schwächt. Denn dieser könne durch die subjektive Prägung, welche Zielset819

Rüthers, JZ 2002, 365, 367; Rüthers, JZ 2006, 53, 55. So auch NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 109d unter Verweis auf Schönke/ Schröder/Hecker, § 1 Rn. 43; SSW/Satzger, § 1 Rn. 44; Frister, Strafrecht AT, Kap. 4 Rn. 25; Foerste, JZ 2007, 121, 124. 821 Kuhlen, in: Recht ohne Regeln, S. 19, 27. 822 Ob es dabei auf ein laienhaftes Verständnis oder ein juristisches Sprachverständnis ankommt, kann an dieser Stelle dahinstehen; Kotsoglou, Forensische Erkenntnistheorie, S. 87, wonach „Rechtssprache [. . .] auf Allgemeinverständlichkeit angelegt ist“; für einen juristischen Sprachgebrauch Schmidhäuser, Form und Gehalt der Strafgesetze, S. 49, unter Verweis darauf, dass die juristische Interpretation von Begriffen, wie „Gewalt“ gerade nicht mit dem laienhaften Verständnis übereinstimmen (müssen). 823 Befürwortend: Schroth, Theorie und Praxis subjektiver Auslegung im Strafrecht, S. 37; LK-StGB-Dannecker, § 1, Rn. 309; für eine strenge Gesetzesbindung siehe auch: Rüthers/C. Fischer, Rechtstheorie, S. 435; Naucke, in: FS-Engisch, S. 174; ders., Zur Lehre vom strafbaren Betrug, 1964, 191 ff.; kritisch zur objektiven Auslegungsmethode; Loos, in: FS-Wassermann, S. 123; wohl auch Ebsen, Gesetzesbindung und „Richtigkeit“ der Entscheidung, 42 f.; so auch in einer Entscheidung des ersten Senates: BVerfG, Beschl. v. 25.01.2011 – 1 BvR 918/10 = BVerfGE 128, 193 = NJW 2011, 836 und Sondervotum zur Entscheidung BVerfG, Beschl. v. 15.01.2009 – 2 BvR 2044/07 = BVerfGE 122, 248 = NJW 2009, 1469, 1476, wonach es eine verfassungsrechtlich normierte Beschränkung der Methodenwahl gibt; umfassend zur subjektiven Auslegung: Schroth, Theorie und Praxis subjektiver Auslegung im Strafrecht, S. 37 ff.; wohl auch AK-GG/Wassermann, Art. 97 Rn. 47; unter Verweis darauf, dass der historische Wille auch im Hinblick auf die Gesetzesbindung nicht außer Betracht bleiben sollte, vgl. NKStGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 107; Kargl., ZStW 113 (2001), 565, 570, 576, im Hinblick auf § 266 StGB; differenziert Rengier, Strafrecht AT, § 5 Rn. 11. 824 LK-StGB-Dannecker, § 1 Rn. 309. 820

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zung vernünftigerweise damit verfolgt werden sollte, nicht überzeugen.825 Dies scheine mit Art. 103 Abs. 2 GG nicht vereinbar.826 Eine Auslegung, die sich am Wortlaut und dem historischen Willen des Gesetzgebers orientiert, ist folglich besser dazu geeignet, die Bindungswirkung zu gewährleisten. Beachtet werden muss freilich, dass ein Festhalten am Willen des historischen Gesetzgebers in besonderem Maße zu einer „Versteinerung“ des Rechts führen kann, indem sich wandelnde Umstände nicht in die Gesetzesanwendung miteinbezogen werden können. Es kann insoweit angenommen werden, dass nicht nur durch den Text als solchen, sondern im Zusammenspiel mit dem herkömmlichen Methodenkanon eine Bindungswirkung erzeugt wird und die Bindungswirkung sich folglich nicht nur auf den Wortlaut, sondern auch auf die damit verbundenen Auslegungsergebnisse erstreckt.827 Die Bindungswirkung kann also ein Konglomerat aus Normtext und den Interpretationsmöglichkeiten durch die herkömmlichen Auslegungsmethoden verstanden werden. Eine Gesetzesbindung setzt notwendigerweise voraus, dass es auch eine anerkannte Methodenlehre gibt. Eine Freiheit der Methodenwahl, die insbesondere dazu führt, dass keine überprüfbaren Ergebnisse erzeugt werden, kann gerade der verfassungsrechtlich garantierten Gesetzesbindung widersprechen. Eine einheitliche Methodenlehre würde die Einhaltung des Grundsatzes der Gesetzesbindung also stärken.828 Unabhängig von der konkreten Methodenwahl ist es erforderlich, dass die gefundenen Ergebnisse nachweislich auf den Normtext zurückzuführen sind.829 Ein dort nicht angelegter Sinn und Zweck oder der Wille des historischen Gesetzgebers können wohl keine Berücksichtigung finden.830 (3) Gesetzesauslegung im Strafrecht Im Bereich des Strafrechts sind der Auslegung engere Grenzen gesetzt als in anderen Rechtsgebieten. Dem Wortlaut kommt eine erhöhte Bindungswirkung zu. Grundlage für die Entscheidung ist also die „Zeichenkette“ einer Gesetzesnorm.831 Denn durch Art. 103 Abs. 2 GG ist die Judikative über eine Norm mit Verfassungsrang bei der Anwendung des geschriebenen Rechts an dessen Norm825

Kritisch zur objektiven Auslegungsmethode siehe auch: Rüthers, JZ 2006, 53, 54. LK-StGB-Dannecker, § 1 Rn. 315. 827 So wohl Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, S. 192; Badura, Staatsrecht, S. 441, wenn er darauf verweist, dass auf diese Weise eine Auslegung wahrscheinlich gemacht, aber ebenso gewisse Ergebnisse auch ausgeschlossen werden können; Röhl, in: FS-Lampe, S. 240. 828 Rüthers, Die heimliche Revolution vom Rechtsstaat zum Richterstaat, S. 153. 829 N. Horn, Einführung in die Rechtswissenschaften, Rn. 179a. 830 So unter Bezugnahme auf den Normtext wohl auch Loos, in: FS-Wassermann, S. 123. 831 Christensen/Kudlich, Gesetzesbindung, S. 183. 826

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text gebunden.832 Eine über den Wortlaut hinausgehende Rechtsanwendung würde zu einer unzulässigen Analogie führen. Gesetzesbindung entsteht also gerade dadurch, dass durch einen festgelegten Wortlaut eine semantische Umgrenzung entsteht, die bei der Rechtsanwendung nicht übertreten werden darf. Durch die Rückbindung an den Wortlaut entsteht eine Sicherung der Gesetzesbindung. Einer auf den Gesetzgeberwillen (unabhängig ob historisch oder aktuell) bezogenen und nicht im Wortlaut verankerten Rechtsanwendung unter Verweis auf einen vermeintlich objektivierten Sinn und Zweck des Gesetzes werden im Strafrecht durch die verfassungsrechtliche Regelung Einhalt geboten. Aus der Existenz des in Art. 103 Abs. 2 GG normierten Analogieverbotes kann zudem geschlossen werden, dass es einen qualitativen, wie auch immer gearteten, Unterschied zwischen Analogie und Auslegung gibt. Alles andere würde das Analogieverbot ad absurdum führen. In der Anwendung von Normen durch Rechtsanwender*innen ergibt sich der Unterschied aus der von den Richter*innen gewählten Begründung. Durch diese Abgrenzung wird gerade das Verhältnis festgelegt, inwieweit Richter*innen sowohl frei als auch gebunden sind.833 Dies führt allerdings nicht ohne Weiteres zu einer Gesetzesbindung, die jede Wertung der Richter*innen bei der Anwendung des Rechts ausschließt. Denn auch hier muss beachtet werden, dass für jede Rechtsanwendung eine Normkonkretisierung in Anwendung auf den konkreten Einzelfall vorgenommen werden muss.834 Wenn Richter*innen bei ihren Entscheidungen nur insoweit gebunden sind, als dass das Gesetz die Begriffe vorgibt, die als Vergleichsgrößen herangezogen werden, dann führt dies im Ergebnis dazu, dass es ihnen dennoch freisteht, weitgehend ungebundene Entscheidungen zu treffen.835 Daraus kann abgeleitet werden, dass die Richter*innen daran gebunden sind, „im Rahmen des Erwartungshorizontes des Adressaten zu bleiben“, um die Entscheidungen vorhersehbar zu machen und sich nicht dem Vorwurf der Willkürlichkeit auszusetzen.836 Das gefundene Ergebnis muss gerade aufgrund der Gesetzesbindung und insbesondere unter Beachtung des Grundsatzes der Gewaltenteilung auf den Normtext zurückzuführen sein, sich also argumentativ als eine Konkretisierung dessen darstellen.837 Eine Korrektur des Ergebnisses aufgrund von Gerechtigkeitserwägungen ist ausgeschlossen.838 Demnach sind auch subjektive Erwägungen bei der recht832

LK-StGB/Dannecker, § 1 Rn. 308. Klatt, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 121, 124. 834 LK-StGB-Dannecker, § 1 Rn. 308. 835 Kaspers, Philosophie – Hermeneutik – Jurisprudenz, S. 129. 836 Kaspers, Philosophie – Hermeneutik – Jurisprudenz, S. 135; so im Ergebnis wohl auch Becker/Martenson, JZ 2016, 783 ff. zur Bedeutung des Kontextes für das Verständnis von Sprache und der damit zusammenhängenden Wahrscheinlichkeit der Wortbedeutung in einer bestimmten Situation. 837 Christensen/Kudlich, Gesetzesbindung, S. 180. 838 Christensen/Kudlich, Gesetzesbindung, S. 181. 833

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lichen Bewertung nicht ausgeschlossen, so lange sie sich noch im Bereich des Verständlichen bewegen und mit dem Wortlaut der Norm zu vereinbaren sind, vgl. Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 97 GG.839 Die Bindung wird durch die methodisch begründete Anwendung des Gesetzes auf den Einzelfall sichergestellt, unabhängig davon, ob die Auslegung sich – neben dem Wortlaut – einer gesetzeshistorischen oder einer an Sinn und Zweck orientierten Begründung bedient.840 In welchem Rangverhältnis die dargelegten Auslegungsmethoden stehen, ist für die zu erörternde Fragestellung nicht erheblich.841 Entscheidend ist der Normtext als Rahmen der Auslegung. f) Zwischenergebnis So lässt sich als Zwischenergebnis festhalten, dass es eine Gesetzesbindung im Strafrecht gibt. Diese Bindung ergibt sich aber nicht ohne Weiteres aus dem Gesetzestext als solchem, sondern die Bindungswirkung entfaltet seine Wirkkraft in der Gesetzesanwendung auf den Einzelfall, indem die Rechtsanwender*innen gezwungen sind, die von ihnen gefundene Entscheidung zu begründen. Begründen meinte dabei, die Darlegung einer nachvollziehbaren Argumentation wie sich die Entscheidung aus dem zugrunde liegenden Normtext ergeben kann. Diese Entscheidungen der Gerichte müssen, ungeachtet dessen, dass es keine gesetzlich verpflichtende Methodenlehre gibt, methodisch begründet werden. Diese Begründungspflicht schließt willkürliche Entscheidungen aus. Dies führt im Ergebnis dazu, dazu dass es Auslegungsergebnisse gibt, die sich methodisch wohl nicht begründen lassen.842 Warum dies so ist, spielt für die hier zugrunde liegenden Fragestellung keine Rolle. Entscheidend ist, dass es eine solche Gesetzesbindung gibt. g) Durchbrechung des Grundsatzes der Gesetzesbindung Ungeachtet der verfassungsrechtlich garantierten Bindung an das Gesetz gibt es Fälle, in denen faktisch keine Gebundenheit an das geschriebene Recht vorliegt bzw. eine solche erheblich gelockert wurde.843 Darunter fallen insbesondere 839 Kaspers, Philosophie – Hermeneutik – Jurisprudenz, S. 136; siehe dazu beispielsweise die Auslegung von § 142 StGB, vgl. Küper, in: FS-Uni Heidelberg, S. 451. 840 Und das Ergebnis kann auch anhand dessen (theoretisch) „falsifiziert werden“, vgl. NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 109d, 114, 122 was hingegen bei der Interpretation von Sinn und Zweck nicht möglich ist, vgl. Rn. 114b; Hassemer, in: FS-Jung, S. 246, 254; Kudlich/Christensen, JA 2004, 74, 80; Seelmann, Rechtsphilosophie, § 4 Rn. 15. 841 Vgl. dazu Roxin/Greco, Strafrecht AT I, S. 224. 842 Über die theoretische Begründung dessen kann freilich gestritten werden, vgl. zu diesen sog. „negativen Kandidaten“: Jacobi, Methodenlehre der Normwirkung, S. 6. 843 BVerfG, Beschl. v. 14.02.1973 – 1 BvR 112/65 = BVerfGE 34, 269, 286–288 = NJW 1973, 1221; BVerfG, Urt. v. 03.04.1990 – 1 BvR 1186/89 = BVerfGE 82, 6, 12 = NJW 1990, 1593; BVerfG, Beschl. 11.10.1978 – 1 BvR 84/74 = BVerfGE 49, 304,

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die Fälle der richterlichen Rechtsfortbildung.844 Diese ist von der Konkretisierung zu unterscheiden, indem die richterliche Rechtsfortbildung aus der Art der Begründung erkennbar über den gesetzlich festgelegten Anwendungsbereich der Norm hinausgeht. Eine solche kann dazu beitragen, ein gewünschtes Auslegungsergebnis zu erreichen.845 Aus dem Wortlaut von Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 97 Abs. 1 GG lässt sich eine solche Ausnahme allerdings nicht entnehmen.846 Nach der Rechtsprechung des BVerfG kann allerdings mit Verweis auf die Formulierung „Gesetz und Recht“ in Art. 20 Abs. 3 GG zumindest den (Fach-)Gerichten eine Befugnis zur Rechtsfortbildung erteilt werden. Dies enthalte gerade einen Hinweis darauf, dass die Gerichte auch an überpositives Recht gebunden seien, dieses durch die Fortbildung der bestehenden Rechtslage verwirklichen könnten und im Bedarfsfall auch sollten. Die geschriebene Rechtsordnung weise Regelungslücken auf und bedürfe gerade der Korrektur durch die Judikative. Eine strenge Bindung an den Wortsinn sei aufgrund dessen nicht geboten. Die Gerichte verweisen darauf, dass die Judikative im Zweifel die Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft verwirklichen muss.847 Dass ein Verweis auf Gerechtigkeitsvorstellung als solche jedoch problematisch ist, wurde bereits dargelegt.848 Darüber hinaus wird angeführt, dass es sich bei der richterlichen Rechtsfortbildung auch um ein notwendiges und „seit jeher anerkanntes“ 849 Instrument zur Lückenschließung in einem Staat handele und es eine anerkannte und ureigene Aufgabe der Judikative sei. Eine solche Auffassung führt zu einer Lockerung des Grundsatzes der Gesetzesbindung.850 Dennoch wird gerade der Grundsatz der Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG) als Begrenzung der richterlichen Rechts318 = NJW 1979, 305; BVerfG, Beschl. v. 08.10.1996 – 1 BvR 875/91 = BVerfGE 95, 48, 62 = NJW 1997, 447; so für Ausnahmefälle auch Christensen/Kudlich, Gesetzesbindung, S. 178; ebenso Schroth, Theorie und Praxis subjektiver Auslegung im Strafrecht, S. 101. 844 Kritisch dazu: Arnauld, Rechtssicherheit, 415 ff.; befürwortend: Badura, Staatsrecht, S. 440; Gusy beschreibt dies nicht als Durchbrechung als vielmehr einen Vorgang, der von der Bindungswirkung mangels einschlägiger gesetzlicher Grundlage ohnehin nicht erfasst ist, vgl. DÖV, 1992, 461, 463. 845 Wank, Die Auslegung von Gesetzen, S. 114 ff.; allerdings ist diese dann nicht mehr mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung vereinbar, wenn sie contra legem erfolgt, vgl. Gusy, DÖV, 461, 466. 846 Ebsen, Gesetzesbindung und „Richtigkeit“ der Entscheidung, S. 48; Ipsen, Richterrecht und Verfassung, S. 120, wonach der Art. 20 Abs. 3 GG keine „Detailweisungen“ beinhaltet. 847 BVerfG, Beschl. v. 14.02.1973 – 1 BvR 112/65 = BVerfGE 34, 269, 286–288 = NJW 1973, 1221, 1225 unter Verweis auf das Privatrecht; kritisch: AK-GG/Wassermann, Art. 97 Rn. 48. 848 Vgl. unter Kap. C. II. 2. 849 BVerfG, Beschl. v. 12.03.1985 – 1 BvR 571/84 = BVerfGE 69, 188 = NJW 1985, 2939. 850 Kritisch: Hillgruber, JZ 2008, 745, 746, der dies unter Verweis auf die Entstehungsgeschichte des Art. 20 GG ablehnt.

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fortbildung herangezogen.851 Dies soll insbesondere dann der Fall sein, wenn die Rechtsordnung keinen Anhaltspunkt für das Auslegungsergebnis bietet.852 Es wird allerdings auch darauf verwiesen, dass die genaue Befugnis zur richterlichen Rechtsfortbildung auch vom betroffenen Rechtsgebiet abhängig ist.853 Zumindest wird aus dieser Rechtsprechung aber erkennbar, dass die Judikative in Art. 20 Abs. 3 keine umfassende Bindung an das geschriebene Wort ableitet. Anders kann und muss dies freilich für den Bereich des Strafrechts aufgrund der Regelung des Art. 103 Abs. 2 GG gesehen werden. h) Zulässigkeit richterlicher Rechtsfortbildung im Strafrecht Der Grundsatz der Gesetzesbindung wird, wie bereits dargelegt, im Strafrecht durch Art. 103 Abs. 2 GG ergänzt, was zu einer erhöhten Gesetzesbindung führt. Dies hat auch Auswirkungen auf Normen im Strafrecht, die eine solche richterliche Rechtsfortbildung gesetzlich gestatten oder anordnen. Dies betrifft gerade auch die Anwendung von Öffnungsklauseln. aa) Begriff der richterlichen Rechtsfortbildung Richterrecht854 kann als sog. Aufstand der Judikative gegen das Recht verstanden werden, sodass es sich immer dann um richterliche Rechtsfortbildung handelt, wenn die Konkretisierung der Norm durch die Gerichte vom Willen des Gesetzgebers abweicht. Dies beinhaltet aber die Gefahr, dass eine mit dem Wortlaut übereinstimmende Auslegung als richterliche Rechtsfortbildung eingeordnet wird, weil die konkrete Auslegung als nicht mit dem Willen des Gesetzgebers vereinbar eingeordnet wird.855 851 BVerfG, Beschl. 11.10.1978 – 1 BvR 84/74 = BVerfGE 49, 304, 318 = NJW 1979, 305, 306; BVerfG, Beschl. v. 19.10.1983 – BVerfGE 65, 182 – 2 BvR 468/80 = NJW 1984, 475. 852 BVerfG, Beschl. v. 19.10.1983 – BVerfGE 65, 182 – 2 BvR 468/80 = NJW 1984, 475. 853 BVerfG, Beschl. v. 14.02.1973 – 1 BvR 112/65 = BVerfGE 34, 269, 286–288 = NJW 1973, 1221. 854 Allgemein dazu Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung; Bydlinski, Grundzüge der juristischen Methodenlehre, S. 81; eine umfassende geschichtliche Aufarbeitung der richterlichen Rechtsfortbildung insbesondere zur Zeit des Nationalsozialismus findet sich bei Hillgruber, JZ 2008, 745. 855 Bydlinski, Grundzüge der juristischen Methodenlehre, S. 84; zum Teil wird aber auch jede richterliche Rechtsfindung als Rechtsschöpfung bezeichnet, vgl. Hermann, DRiZ 1982, 286, 287; anders: Badura, Staatsrecht, S. 440, danach kommt Rechtsprechung immer ein „rechtsfortbildender Charakter“ zu; Hirsch, Ansprache des BGH-Präsidenten beim Festakt aus Anlass des 10. Gründungstages des OLG Brandenburg am 03.12.2003, abrufbar unter https://www.bundesgerichtshof.de/DE/DasGericht/Praesi denten/Hirsch/HirschReden/rede03122003.html?nn=11287202 [zuletzt abgerufen am 07.09.2020].

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Richterrecht muss aber nicht zwingend vom Willen des Gesetzgebers ausgehend definiert werden, sondern kann auch danach beurteilt werden, ob (bewusste oder unbewusste) Rechtslücken durch die Judikative geschlossen werden.856 Das bedeutet, dass es sich immer dann um richterliche Rechtsfortbildung handelt, wenn die Judikative bisher rechtsfreie Räume betritt, die Rechtsfindung also praeter legem erfolgt. Bewusst nicht näher geregelte Bereiche liegen auch dann vor, wenn sich der Gesetzgeber der Verwendung von Generalklauseln oder Öffnungsklauseln bedient.857 Gerade im Bereich der Generalklauseln trifft der Gesetzgeber grundsätzlich nur eine abstrakte Entscheidung über die Strafbarkeit bestimmter Verhaltensweisen, die sich in einem besonderen Maße „in seiner Distanz von Einzelfällen“ auszeichnet, um möglichst viele solcher Einzelfälle zu umfassen.858 Werden solche Generalklauseln durch die Judikative nun auf Einzelfälle angewendet, betritt sie dadurch einen bewusst nur in Grundzügen geregelten Bereich. Es findet in der Regel durch die Anwendung auf Einzelfälle eine Fallgruppenbildung statt, woraus geschlossen werden könnte, dass die Judikative eine Art der richterlichen Rechtsfortbildung betreibt.859 So werden Generalklauseln zum Teil auch als Aufforderung der Gesetzgebung an die Rechtsprechung zur Fortschreibung des Rechts verstanden.860 Entscheidend ist aber, ob sich die Entscheidung der Gerichte anhand der Auslegungsmethoden zurückverfolgen lassen oder die Gerichte bewusst über die in den Normen geregelten Fälle hinausgehen und dies in ihrer Begründung auch kenntlich machen. Auf diese Weise unterscheidet sich gerade auch die Anwendung von Öffnungsklauseln von der Anwendung klassischer Generalklauseln.861 Denn Öffnungsklauseln sehen gerade eine Anwendung auf vergleichbare oder ähnliche Fälle vor, also genau auf solche, die die bewusst lückenhafte gesetzliche Regelung nicht erfasst. bb) Vereinbarkeit von richterlicher Rechtsfortbildung mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung Art. 20 Abs. 3 GG enthält seinem Wortlaut nach keine Aufforderung zur Rechtsfortbildung durch Richter*innen, allerdings sagt die Regelung auch nichts 856 Pulch, DRiZ 1976, 33, 34; F. Müller, Richterrecht, S. 58, der an dieser Stelle von einer „politischen Rechtsprechungstätigkeit“ und nennt aber auch ein Beispiel für Richterrecht, wo ein Normtext trotz bestehender Regelung durch die Judikative faktisch geschaffen wurde; Rüthers, JZ 2006, 53, 59; so wohl auch Gusy, DÖV 1992, 461, 463. 857 Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, S. 458 ff.; ablehnend für Generalklauseln generell: F. Müller, Richterrecht, S. 84 ff.; Ipsen spricht von „Rechtsbildungsbefugnissen [. . .] durch Begriffe und Normen des materiellen Rechts“, vgl. Richterrecht und Verfassung, S. 64. 858 Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 14. 859 Anders: F. Müller, Richterrecht, S. 86 unter Verweis darauf, dass Generalklauseln nur den Normtext bezeichnen und nicht die Norm als solche. 860 Ipsen, Richterrecht und Verfassung, S. 63. 861 Zur Differenzierung siehe bereits Kap. B. II.

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darüber aus, wie mit gesetzgeberischen Lücken oder Normen, die eine Anwendung über den Regelungsbereich der Norm hinaus ermöglichen, umgegangen werden muss. Inwieweit im Einklang mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung eine solche Lückenschließung rechtmäßig ist, hängt maßgeblich vom betroffenen Regelungsbereich ab. Im Zivilrecht sind Richter*innen zwar durch den Grundsatz der Gesetzesbindung an das geschriebene Recht gebunden, es fehlt darüber hinaus aber an einer dem Art. 103 Abs. 2 GG gleichlautenden Regelung. Konsequenz dessen ist, dass die Richter*innen gerade in gesetzlich nur wenig oder auch gar nicht geregelten Bereichen Grundsatzentscheidungen durch richterliche Rechtsfortbildung treffen können, an denen sich die anderen Gerichte orientieren, und so zwar keine Normen im Sinne des Ergebnisses eines Gesetzgebungsverfahrens schaffen, aber dennoch Regelungen aufstellen, die normgleichen Charakter aufweisen.862 Allerdings ist eine richterliche Rechtsfortbildung in jenen Bereichen ausgeschlossen, in denen es eine klare verfassungsrechtliche Grenze, wie z. B. durch Art. 103 Abs. 2 GG gibt.863 Darüber hinaus gibt es durch den Grundsatz der Gesetzesbindung eine Bindung an das bestehende Recht, woraus geschlossen werden kann, dass die Richter*innen innerhalb der richterlichen Rechtsfortbildung nicht so frei sind wie der Gesetzgeber.864 Im Strafrecht ist eine solche Lückenschließung, wie sie beispielsweise im Arbeitskampfrecht erfolgt,865 grundsätzlich nicht möglich. Das ergibt sich allerdings nicht aus Art. 20 Abs. 3 GG, der für alle Rechtsgebiete gleichermaßen gilt, sondern aus Art. 103 Abs. 2 GG.866 Diese zusätzliche verfassungsrechtliche Vorgabe zeigt zumindest partiell das Verhältnis von Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 2 GG auf: Dort, wo also nur eine Gesetzesbindung nach Art. 20 Abs. 3 GG Anwendung findet, ist gerade noch nichts über den Umgang mit eben jenen Bereichen gesagt, in denen es an einer rechtlichen Regelung fehlt. Dann besteht zumindest die Möglichkeit, dass diese ungeregelten Bereiche durch die Gerichte über Einzelfallentscheidungen hinaus geregelt werden. Im Strafrecht setzen Art. 103 Abs. 2 GG und der damit verbundene Grundsatz der Gesetzesbindung einem solchen Vorgehen allerdings Grenzen. Daraus folgt, dass grundsätzlich eine Fortbildung des Rechts durch die Judikative möglich ist, allerdings sind dem Strafrecht dabei durch das Gesetzlichkeitsprinzip Grenzen gesetzt. Das erklärt auch, warum die in Art. 103 Abs. 2 GG verbürgten Garantien zum Teil als „Grundsatz der Gesetzesgebundenheit im Strafrecht“ bezeichnet 862 Schmidt-Bens, JA 2013, 1030; Kirchhof, NJW 1986, 2275; Picker, JZ 1988, 1; J. Hermann, DRiZ 1982, 286, 288; Pulch, DRiZ 1976, 33, 34. 863 Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke/Hofmann, Art. 20 Rn. 94. 864 Siehe dazu auch die Ausführungen bei Picker, JZ 1988, 1, 2. 865 Hergenröder, Zivilprozessuale Grundlagen richterlicher Rechtsfortbildung, S. 3; Badura, Staatsrecht, S. 441. 866 F. Müller, Richterrecht, S. 59, auch wenn dieser sich dabei nicht ausdrücklich auf die Schaffung von Richterrecht durch die Anwendung von Generalklauseln bezieht.

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werden.867 Diese verstärken die durch Art. 20 Abs. 3 GG entstandene Gesetzesbindung im Bereich des Strafrechts. cc) Generalklauseln und richterliche Rechtsfortbildung im Strafrecht Wenn der Grundsatz der Gesetzesbindung im Strafrecht enger gefasst wird als in anderen Rechtsbereichen, kann bereits die Anwendung von Generalklauseln eine unzulässige richterliche Rechtsfortbildung darstellen. Durch eben jene strengere Bindung an das geschriebene Recht dürfen im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung unstreitig keine neuen Straftatbestände geschaffen oder existierende Normen über den Wortlaut der Norm erweitert werden. Ob dies der Fall ist, ist anhand der richterlichen Begründung zu beurteilen. Die Möglichkeiten der richterlichen Rechtsfortbildung sind folglich im Strafrecht in einem erhöhten Maße eingeschränkt. Generalklauseln erfordern aufgrund ihres offenen Anwendungsbereiches ein erhöhtes Maß an Konkretisierung und ihnen kann unter Umständen eine Aufforderung an die Judikative entnommen werden, eigenes Recht zu schaffen.868 Eine Orientierung an Auslegungsmethoden erscheint aufgrund des weit gefassten Wortlautes kaum möglich. Das bedeutet, dass die Gerichte aus Generalklauseln die Berechtigung zur Schaffung von Recht ableiten können, sollte ein Fall nicht anderweitig gesetzlich geregelt sein. Die Bindungswirkung an das geschriebene Recht ist dann allenfalls noch schwach ausgeprägt. Die Anwendung solcher Normen durch die Judikative führt zu einem faktischen Verlust der Bindung an das geschriebene Recht. Das mag im Rahmen des Zivilrechts weitgehend unproblematisch sein. Auch wenn der Wortlaut des Art. 20 Abs. 3 GG mit einem solchen Vorgehen vereinbar erscheint, lassen Sinn und Zweck der Regelung dies insbesondere durch die Ergänzung durch Art. 103 Abs. 2 GG im Bereich des Strafrechts in einem anderen Licht erscheinen. Denn durch diese Regelung soll gerade die Gewaltenteilung wahren und so ein Konzept der gegenseitigen Kontrolle garantieren. Nimmt dann die Rechtsprechung durch die Anwendung einer Generalklausel eine quasi-gesetzgeberische Funktion ein, wird die durch die Gewaltenteilung gezogene Grenze überschritten. Die Wahrung dieser Grenze soll allerdings unter anderem durch Art. 20 Abs. 3 GG garantiert werden. Diese Befugnis zur richterlichen Rechtsfortbildung tritt bei Öffnungsklauseln besonders deutlich hervor: Hier findet durch die gesetzgeberische Möglichkeit der Anwendung des Gesetzes auf vergleichbare Fälle keine verschleierte Aufgabenverlagerung auf die Judikative statt, sondern es wird eine ausdrückliche Befugnis geschaffen, die Norm auch auf nicht näher geregelte Fälle anzuwenden.

867 868

BVerfGE 14, 174, 185 = NJW 1962, 1339. Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, S. 460.

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Diese Befugnis der richterlichen Rechtsfortbildung geht über die Konkretisierung von Normen hinaus. Die Rechtsanwendung löst sich auf diese Weise von der Gesetzesbindung. Offen bleibt allerdings noch die Frage, ob erst die Anwendung durch die Judikative einen solchen Verstoß darstellt oder ob nicht bereits die Schaffung solcher Normen durch die Legislative den verfassungsrechtlich garantierten Grundsatz der Gesetzesbindung verletzt. i) Grundsatz der Gesetzesbindung als Auftrag an die Gesetzgebung Diese Vorüberlegungen zur Gesetzesbindung führen zu der Frage, welche Konsequenzen der Grundsatz der Gesetzesbindung aus Art. 97 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG für die Gesetzgebung hat. Insbesondere ist an dieser Stelle entscheidend, ob der Grundsatz der Gesetzesbindung auch einen Auftrag an den Gesetzgeber enthält, gegen den durch die Verwendung von Öffnungsklauseln im Strafrecht verstoßen werden kann. Dem Wortlaut nach richtet sich dieser Grundsatz durch die explizite Nennung der Rechtsprechung ausschließlich an die Judikative und entfaltet seine Wirkung primär im Bereich der rechtsprechenden Gewalt. In erster Linie ist die Durchsetzung der Gesetzesbindung folglich Aufgabe der Judikative. Ein Eingreifen der Legislative ist erst einmal nur durch eine Änderung der Rechtslage für die Zukunft möglich.869 Der damit verbundenen Aussage, dass die Gesetzesbindung in erster Linie den Rechtsfindungsprozess determiniert, ist grundsätzlich zuzustimmen.870 Dies greift im Hinblick auf die Legislative allerdings zu kurz. Denn die Gesetzesbindung kann zumindest vorgelagert auch für die Gesetzgebung Handlungsanweisungen entfalten. Denn richtigerweise bedarf es für eine wirksame Gesetzesbindung, d. h. eine Verwirklichung des verfassungsrechtlichen verbürgten Grundsatzes, einer sog. „Bindungskompetenz“.871 Denn eine Bindung an das geschriebene Recht ist nur möglich, wenn der Wortlaut des Gesetzes durch Begrenzung des Anwendungsbereichs grundsätzlich aufzeigt, was von der Norm erfasst werden soll.872 Es ist unstrittig, dass der Gesetzgeber durch die Art der Gesetzgebung über das Maß der Bindungswirkung entscheiden kann, indem durch ungenaue Gesetzesfassungen ein größerer Entscheidungsspielraum geschaffen wird.873 Der Gesetzgeber

869 Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke/Heusch, Art. 97 Rn. 40; Badura, Staatsrecht, S. 440 verweist dabei auf hinreichende Bestimmtheit und Normenklarheit. 870 Christensen/Kudlich, Gesetzesbindung, S. 183. 871 Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, S. 191. 872 Die Norm muss also „Ausgangs- und Zurechnungsgröße sein“, vgl. Kudlich/Christensen, ARSP 2007, 128, 141. 873 Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, S. 192; Ipsen, Richterrecht und Verfassung, S. 64.

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

kann die Richter*innen gewissermaßen mit der Konkretisierung der Rechtssätze beauftragen.874 Allerdings ist dabei, wie bereits angedeutet, der verfassungsrechtliche und durch die Ewigkeitsgarantie (Art. 79 Abs. 3 GG) garantierte Grundsatz der Gesetzesbindung zu beachten: Das Maß der Bindung kann nur insoweit variiert werden, als dass in jedem Falle eine irgendwie geartete Bindungswirkung bestehen bleiben muss und die Norm dadurch noch eine Bindungskompetenz aufweist. Denn diese Bindung dient insbesondere der Aufrechterhaltung der Gewaltenteilung. Die Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers darf infolgedessen nicht auf die Judikative übertragen werden. Wird die Entscheidung dennoch absichtlich oder unabsichtlich von der Legislative auf die Judikative übertragen, ist die betroffene Norm nicht mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung vereinbar. Daraus folgt, dass der Grundsatz der Gesetzesbindung in seiner Wirksamkeit maßgeblich von den Normen abhängt, anhand derer die Judikative ihre Entscheidungen trifft. Normen müssen ihrem Wortlaut nach dazu geeignet sein, die Judikative an die vorgeschaltete Entscheidung der Legislative zu binden. Konsequenterweise beinhaltet der Grundsatz der Gesetzesbindung nicht nur einen Auftrag an die Rechtsprechung, sondern auch an die Gesetzgebung. Dieser Auftrag wird im Bereich des Strafrechts durch Art. 103 Abs. 2 GG konkretisiert. Aber auch bei Außerachtlassung des Gesetzlichkeitsprinzips stellt der Grundsatz der Gesetzesbindung Anforderungen an die Gesetzgebung.875 Der Grundsatz der Gesetzesbindung enthält also ebenfalls einen Auftrag an die Legislative. 3. Gewaltenteilung als solche Auch über die geforderte Bindungskompetenz876 ist der Grundsatz der Gesetzesbindung eng mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung verknüpft. Denn diese zementiert die Aufgabenverteilung zwischen Legislative und Judikative. Der Gesetzgeber bestimmt durch die konkrete Verfasstheit der Normen die Stärke der Gesetzesbindung für die Judikative und nimmt dabei die ihm originär zugeteilte Aufgabe wahr, selbst über die Strafbarkeit von Verhaltensweisen zu entscheiden. a) Überschneidung der Aufgabenbereiche Der Grundsatz der Gewaltenteilung877 ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus dem Wortlaut des Art. 20 Abs. 2 GG,878 aber aus dem Zusammenspiel des 874

Kirchhof, NJW 1986, 2275. Zumindest im Ergebnis wohl auch Kudlich/Christensen, ARSP 2007, 128. 876 Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, S. 191. 877 Siehe dazu auch Möllers, Gewaltengliederung, S. 398 ff., wonach das Prinzip unklar ist und Art. 20 Abs. 2 GG viel mehr die „Organzuordnung“ regelt als die Gewaltenteilung; historisch: ders., Die drei Gewalten, S. 43 ff.; ders., AöR 132 (2007), 493 ff.; 875

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Grundsatzes mit dem Rechtsstaat- und Demokratieprinzip.879 Der Gewaltenteilungsgrundsatz muss folglich in Zusammenhang mit anderen grundgesetzlichen Regelungen und Prinzipien verstanden werden.880 Zum Teil wird der Gewaltenteilungsgrundsatz auch als „zentrales Element formaler Rechtsstaatlichkeit“ bezeichnet.881 Art. 20 Abs. 2 GG benennt aber die unterschiedlichen Gewalten, denen wiederum unterschiedliche Aufgabenbereiche zuteilwerden: Unterschieden werden die Legislative, die Judikative und die Exekutive.882 Diese Aufteilung in verschiedene Aufgaben- und Kompetenzbereiche wird als „funktionale Gewaltenteilung“ 883 bezeichnet. Neben der funktionalen Gewaltenteilung wird selbige durch organisatorische und personelle Trennung hergestellt.884 Da die Gesetzgebung durch ihre Art der Gesetzesfassung das Maß richterlicher Bindung bestimmt, wird sie in diesem Zusammenhang auch als „Schlüssel der Machtbalance“ bezeichnet.885 Im Wechselspiel mit der Gesetzesbindung dient aber auch die Unabhängigkeit der Judikative der Sicherung der Gewaltenteilung.886

Ossenbühl, DÖV 1980, 546 ff.; dazu eingehend: Lerchen, in: Gewaltenteilung heute, S. 75 ff.; Achterberg, Probleme der Funktionslehre, 1970, S. 8 ff.; Jarass, Politik und Bürokratie als Elemente der Gewaltenteilung, 1975; Horn, AÖR 127 (2002), 427, 457 verweist darauf, dass der Grundsatz der Gewaltenteilung seinen Regelungsgehalt nicht automatisch entfaltet; Arnauld„ ZParl 32 (2001), 678, 685, insbesondere zur Begriffsbildung und mit Erläuterung, wonach Gewaltenteilung der Verhütung von Missbrauch dient; Cornils, in: Verfassungstheorie, S. 657, 699 insb. zu den mit der Gewaltenteilung zusammenhängenden Forderungen; Leisner, DÖV 1969, 405, 411 und beschreibt den Grundsatz der Gewaltenteilung als „inhaltsarme Staatsgrundnorm“; Kuhl, Der Kernbereich der Exekutive, S. 125 ff.; Kriele, EuGRZ 1986, 601; historisch zur Gewaltenteilung siehe auch Grzeszick, Die Teilung der Gewalten, S. 1 ff.; Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 41 ff.; Stern, StaatsR Bd. II, S. 531 ff.; Zimmer, Funktion – Kompetenz – Legitimation, S. 21, 24 ff.; Hoffmann-Riem, in: FS-Schneider, 183 ff. insbesondere zu den einzelnen Funktionen der Gewaltenteilung; aus der neueren Rechtsprechung vgl. insbesondere Beschl. v. 17.07.1996 – 2 BvF 2/93 = BVerfGE 95, 1 = NJW 1997, 383. 878 So auch Mangoldt/Klein/Starck/Unger, Art. 44 Rn. 42. 879 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 20 Rn. 67; Maunz/Dürig/Herdegen, Art. 79 Rn. 145; Maunz/Dürig/Gericke, Art. 20 V. Rn. 57, wonach eine Gewaltenteilung aber auch außerhalb von Demokratie- und Rechtsstaat denkbar ist; Mangoldt/Klein/Starck/Starck, Art. 20 Rn. 207. 880 Jarass/Pieroth/Kment/Jarass, Art. 20 Rn. 32a; BeckOK-GG/Huster/Rux, Art. 20 Rn. 159. 881 Mangoldt/Klein/Starck/Starck, Art. 20 Rn. 197. 882 Gericke verweist darauf, dass die von ihm vertretene „Kontrolltheorie“ diese Dreiteilung nur bedingt rechtfertigen kann, vgl. Maunz/Dürig/Gericke, Art. 20 V. Rn. 46. 883 Jarass/Pieroth/Kment/Jarass, Art. 20 Rn. 33; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 20 Rn. 69; BeckOK-GG/Huster/Rux, Art. 20 Rn. 155. 884 Maunz/Dürig/Gericke, Art. 20 V. Rn. 39. 885 Maunz/Dürig/Herdegen, Art. 79 Rn. 148. 886 Maunz/Dürig/Gericke, Art. 20 V. Rn. 32.

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

Diese Teilung der Gewalten dient als Strukturprinzip887 der Einschränkung der jeweiligen Macht, die den Gewalten zuteil wird.888 Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass eine Machtverteilung auf möglichst viele staatliche Schultern den Machtmissbrauch einschränken und im Falle eines Machtmissbrauchs den dadurch resultierenden Schaden minimieren kann.889 Auf diese Weise sichert der Grundsatz der Gewaltenteilung auch die individuelle Freiheit des Einzelnen.890 Aber die Aufgabenteilung stellt außerdem auch sicher, dass die den Gewalten zuteilwerdenden Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt werden, indem sich die Gewalten auf ihre Kompetenzbereiche besinnen.891 Auf diese Weise erfasst der Grundsatz der Gewaltenteilung auch immer eine „Zuständigkeitsverteilung“.892 Schließlich bietet die Gewaltenteilung auch die Möglichkeit der gegenseitigen Kontrolle der Gewalten untereinander (sog. checks and balances).893 Eine strenge Gewaltenteilung, in der es keine Überschneidung der einzelnen Kompetenzbereiche untereinander gibt, kann es aber gleichwohl nicht geben. Insbesondere Gesetzgebung und Gesetzesanwendung lassen sich nicht immer klar voneinander trennen.894 Gewaltenteilung und gegenseitige Kontrolle sind also 887 Maunz/Dürig/Herdegen, Art. 79 Rn. 147; Mangoldt/Klein/Starck/Starck, Art. 20 Rn. 221, wonach die Unabhängigkeit der Judikative zu einer stärkeren Gewaltenteilung führt als zwischen der Legislative und der Exekutive. 888 Maunz/Dürig/Herdegen, Art. 79 Rn. 145; BeckOK-GG/Huster/Rux, Art. 20 Rn. 156; im Bereich der genauen Funktionsbeschreibung und der Diskussion darüber, welche Wirkung der Grundsatz der Gewaltenteilung ohne weitergehende grundgesetzliche oder einfachgesetzliche Konkretisierung zukommt, stehen sich „Kontrolltheorie“ und „Funktionslehre“ gegenüber; umfassend zur Kontrolltheorie, vgl. Maunz/Dürig/Gericke, Art. 20 V. Rn. 30 ff.; Dreier/Schulze-Fielitz Art. 20 Rn. 68. 889 Maunz/Dürig/Gericke, Art. 20 V. Rn. 30, 35, der aber auch davon ausgeht, dass die Komponenten von Machtmissbrauch und Kontrolle den Grundsatz der Gewaltenteilung nicht vollumfänglich erfassen; Gericke spricht von „spezifischer Ausübung staatlicher Macht“, an dieser Stelle entfaltet sich augenscheinlich die Streitigkeit zwischen „Kontrolltheorie“ und „Funktionslehre“. Gericke weist daraufhin, dass insbesondere materielle Maßstäbe zur Verhinderung des Machtmissbrauchs als Kontrollinstrumente erforderlich sind, vgl. dazu Rn. 37. 890 BeckOK-GG/Huster/Rux, Art. 20 Rn. 156. 891 Sachs/Sachs, Art. 20 Rn. 81 spricht von „Organisations- und Funktionsprinzip“; BeckOK-GG/Huster/Rux, Art. 20 Rn. 156. 892 Maunz/Dürig/Gericke, Art. 20 V. Rn. 31. 893 Maunz/Dürig/Gericke, Art. 20 V. Rn. 33; BeckOK-GG/Huster/Rux, Art. 20 Rn. 158; siehe dazu auch BVerfG, Beschl. v. 10.10.1972 – 2 BvL 51/69 = BVerfGE 34, 52 = NJW 1973, 132: „Kontrolle, Hemmung und Mäßigung der Gewalten“; Jarass/Pieroth/Kment/Jarass, Art. 20 Rn. 32. 894 Dreier/Schulze-Fielitz Art. 20 Rn. 67, verweist auch darauf, dass unter Gewaltenteilung gerade keine „Gewaltentrennung“ zu verstehen ist, vgl. Rn. 71; Sachs/Sachs, Art. 20 Rn. 81 wird als „Gewaltenbalancierung“ bezeichnet; Mangoldt/Klein/Starck/ Starck, Art. 20 Rn. 210; damit lässt sich auch erklären, warum das BVerfG nur vereinzelt Verstöße gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung feststellt, vgl. exemplarisch: Zu Genehmigungsvorbehalten vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.06.1979 – 1 BvL 19/76 = BVerfGE 52, 1 = NJW 1980, 985.

VIII. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung

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nicht parallel zueinander, sondern es ist von einer „Gewaltenverschränkung“ auszugehen, die sich durch Zusammenarbeit und Kontrolle auszeichnet. Diese Verschränkung gilt gleichwohl für den Bereich der Kontrolle als auch für den Bereich der einzelnen Aufgabenbereiche und ist ebenfalls unverzichtbarer Bestandteil der Gewaltenteilung.895 Dadurch, dass die Judikative in ihrer Anwendung auf den Einzelfall Normen konkretisiert, kann die gesetzgeberische Tätigkeit niemals trennscharf von der rechtsprechenden Tätigkeit abgegrenzt werden. Es gibt also praktisch immer Überschneidungspunkte der Aufgabenbereiche der Gewalten. b) Kernbereichslehre Diese Überschneidung ist für den Grundsatz der Gewaltenteilung unschädlich. Begrenzt wird die Beschränkung aber durch die absoluten Kernbereiche der einzelnen Gewalten, die gerade nicht von den anderen Gewalten okkupiert werden dürfen.896 Darüber hinaus darf der eigene Kompetenzbereich auch nicht zur Übernahme der anderen Gewalten genutzt werden, also z. B. durch den Gesetzgeber zur Übernahme ermächtigt werden (sog. Organtreue).897 Ist der Kernbereich hingegen nicht betroffen, verhindert auch der Grundsatz der Gesetzesbindung Flexibilität und Überschneidungen nicht.898 Als Kernbereich der Legislative kann unstreitig im Bereich des Strafrechts die abstrakte Entscheidung über die Strafbarkeit von Verhaltensweisen verstanden werden. Diesen Kernbereich verlagert die Legislative mit Öffnungsklauseln auf die Judikative. Verwendet der Gesetzgeber Öffnungsklauseln, so nimmt er nicht mehr selbst die abschließende Bestimmung darüber vor, welche Verhaltensweisen strafbar sein sollen. Er schafft vielmehr durch die innertatbestandliche Analogie die Möglichkeit für die Judikative, diese Entscheidung basierend auf Einzelfallentscheidungen zu übernehmen. Es wird also eine ureigene Aufgabe der gesetzgebenden Gewalt durch eine gesetzliche Regelung übertragen.

895 Maunz/Dürig/Gericke, Art. 20 V. Rn. 42, wonach die Gewaltenteilung nur sichergestellt werden kann, wenn den anderen Gewalten durch das Recht entsprechende Kontrollbefugnisse zugestanden werden. 896 Maunz/Dürig/Herdegen, Art. 79 Rn. 149; Maunz/Dürig/Gericke, Art. 20 V. Rn. 50 unterteilt noch einmal in einen qualitativen und einen quantitativen Kernbereich; Mangoldt/Klein/Starck/Starck, Art. 20 Rn. 215; so auch BVerfG, Urt. v. 18.12.1953 – 1 BvL 106/53 = BVerfGE 3, 225, 237 = NJW 1954, 65, 66; kritisch insbesondere, weil der Kernbereich nicht eindeutig zu identifizieren ist: Achterberg, Probleme der Funktionslehre, S. 191 ff. 897 BeckOK-GG/Huster/Rux, Art. 20 Rn. 163. 898 Maunz/Dürig/Gericke, Art. 20 V. Rn. 50; Sachs/Sachs, Art. 20 Rn. 93.

230

D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

4. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung und dem Grundsatz der Gewaltenteilung Wie bereits dargelegt, kann ein Verstoß von Öffnungsklauseln gegen die in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltenen Garantien, wie dem Bestimmtheitsgrundsatz, das Analogieverbot und das Rückwirkungsverbot, nicht angenommen werden. Gleichwohl zeigt sich, dass Öffnungsklauseln eine Aufgabenverlagerung durch eine gesetzliche Anordnung vornehmen, die als verfassungsrechtlich unzulässig anzusehen ist. Diese Unvereinbarkeit deutet sich bereits im Rahmen des Analogieverbotes und des Bestimmtheitsgrundsatzes an, obgleich hier ein Verstoß gegen diese Grundsätze nicht festgestellt werden kann. Aber sowohl im Bestimmtheitsgrundsatz als auch im Analogieverbot kommen der Grundsatz der Gesetzesbindung und der Grundsatz der Gewaltenteilung zum Ausdruck. Wie gleich zu zeigen ist, sind Öffnungsklauseln mit eben diesen zuletzt genannten Grundsätzen unvereinbar. Gesetzesbindung setzt sich zusammen aus dem Normtext und der Norminterpretation anhand der anerkannten Auslegungsmethoden. Die Methodenwahl ist grundsätzlich frei. Ob eine Entscheidung an den Normtext „rückgebunden“ werden kann, entscheidet sich wesentlich anhand der Begründung, die für die Rechtsanwendung gewählt wird. Entscheidung und Begründung müssen dabei im Erwartungshorizont bleiben, um nicht willkürlich zu sein. Im Strafrecht verstärkt Art. 103 Abs. 2 GG die bestehende Gesetzesbindung: Eine erkennbar nicht vom Wortlaut gedeckte Entscheidung darf die Judikative nicht treffen. Der Gesetzgeber muss die Normen hinreichend bestimmt, i. S. e. Optimierungsgebotes, schaffen.899 Der Grundsatz der Gesetzesbindung ist nicht nur reflexhafte Folge der Einhaltung der in Art. 103 Abs. 2 GG normierten Grundsätze, sondern enthält auch den Auftrag an die Gesetzgebung Normen mit Bindungskompetenz900 zu schaffen. Diese Bindungskompetenz wird aber durch Öffnungsklauseln verletzt: Entscheidend ist hier gerade nicht, dass die Rechtsanwendung von Öffnungsklauseln im erheblichen Maße unvorhersehbar ist. Die Möglichkeit der Vorhersehbarkeit kann gerade durch die zuvor genannten explizit aufgezählten Verhaltensweisen sichergestellt werden. Es liegt also eine vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung vor. Vielmehr zeichnen sich Öffnungsklauseln gerade dadurch aus, dass diese Normen es den Rechtsanwender*innen ermöglichen, auch nicht vom Gesetzgeber benannte Fälle unter die Norm zu fassen. Das geschieht dadurch, dass nicht mehr nur der Inhalt der Norm konkretisiert wird, sondern die Norm ausdrücklich auf vergleichbare Fälle angewendet wird und somit ein innertatbestandlicher Analogieschluss vorgenommen wird. 899 900

Vgl. zum „Optimierungsgebot“: Kuhlen, in: FS-Otto, S. 95. Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, S. 191.

VIII. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung

231

Diese Möglichkeit des innertatbestandlichen Analogieschlusses verletzt die vom Grundsatz der Gesetzesbindung vorgesehene Bindungskompetenz und auf diese Weise auch den Grundsatz der Gewaltenteilung. Denn die zwischen den Gewalten vorgenommene Aufgabenverteilung sieht vor, dass die Legislative die Entscheidung über strafbare Verhaltensweisen trifft und die Judikative diese Normen auf den Einzelfall anwendet. Die Möglichkeit eines Ähnlichkeitsschlusses durchkreuzt gerade diese Aufgabenverteilung. Selbst wenn die Judikative sich an den zuvor genannten Fällen orientiert und so im Rahmen des Vorhersehbaren bleibt, findet gleichwohl eine schöpferische Rechtsfortbildung statt, die im Strafrecht gerade nicht gestattet ist. Zwar enthält auch die gewöhnliche Rechtsanwendung ein schöpferisches Element, indem die Norm für die Anwendung auf den Einzelfall konkretisiert werden muss. Diese Vorgänge unterscheiden sich aber zumindest durch die von der Judikative gewählte Begründung. Wenn diese die Anwendung des Einzelfalls als Konkretisierung darlegt und diese auf die üblichen Auslegungsmethoden zurückkoppelt, dann liegt ein Fall zulässiger Konkretisierung vor. Wenn die Anwendung hingegen mit einem Ähnlichkeitsschluss begründet wird, liegt keine zulässige Konkretisierung von Normen vor. Öffnungsklauseln verlagern auf diese Weise die Entscheidungskompetenz über strafbare Verhaltensweise unzulässigerweise auf die Judikative. Sie verlagern die Entscheidung darüber, was sowohl abstrakt als auch im Einzelfall von der Norm erfasst werden soll auf die Judikative. Es findet eine Verlagerung des Kernbereichs statt: Weiß der Gesetzgeber nicht, was er regeln will, muss die Regelung unterbleiben. Weiß er es, muss er das Verhalten benennen. Hier macht er nichts von beidem, sondern verlagert die Problematik auf die nächste Ebene. Diese hat nun zwar einen Wortlaut, also eine unter Umständen bestimmte Norm, eine Rückkopplung an die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung kann aber gerade nicht erfolgen, denn eine solche Entscheidung gibt es nicht. Der Kern liegt also in der Anordnung, die die Legislative hier ausdrücklich trifft und durch die sie die Bindung der Judikative an die Norm durch die Aufgabenverlagerung erheblich schwächt.901 Durch die Öffnung des Tatbestandes auf „ähnliche“ und „vergleichbare“ Fälle wird hier die Entscheidung ausdrücklich der Judikative überlassen: Dies geschieht ganz offen, durch die explizite Aufforderung bei Bedarf einen Ähnlichkeitsschluss zu ziehen. Diese Verlagerung einer gesetzgeberischen Entscheidung auf die Judikative trifft den Grundsatz der Gewaltenteilung, der sich im Hinblick auf den Gesetzgebungsprozess im Grundsatz der Gesetzesbindung und der Notwendigkeit, Normen mit Bindungskompetenz zu schaffen, widerspiegelt. Ein Normtext, wie er bei Öffnungsklauseln verwendet wird, führt auf diese Weise zu einer erheblichen Schwächung der Bindung. Insgesamt findet also eine bewusste, zumindest partielle Aufgabenübertragung statt. Eine solche durch den Wortlaut der Norm vorgenommene Aufgabenübertra901

Durner, JA 2008, 7, 10.

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D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

gung führt dazu, dass dem Normtext eine geringe Bindungskompetenz zukommt. Denn das ist gerade Ziel der Öffnungsklauseln. Sie sollen unterschiedliche Auslegungsergebnisse für den Fall ermöglichen, sodass Gerichte ein Verhalten, das nicht explizit in der enumerativen Aufzählung erfasst wird, unter den Tatbestand subsumieren können.902 Die Bindungskompetenz wird aufgrund der gesetzlich angeordneten innertatbestandlichen Analogie von Öffnungsklauseln verletzt. Eine Rückbindung der Rechtsanwendung durch die Judikative auf die von der Legislative getroffene Entscheidung kann nicht erfolgen, weil die Legislative die Entscheidung bewusst ausgelagert hat. Daraus ergibt sich ebenfalls, dass Öffnungsklauseln nicht mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung vereinbar sind. Der Grundsatz der Gewaltenteilung stellt sicher, dass die Kernaufgabenbereiche von Legislative, Judikative und Exekutive nicht auf andere Gewalten übertragen werden. Kernaufgabe der Judikative ist es, die Entscheidung über strafbares Verhalten selbst zu treffen. Das schließt nicht aus, dass es zur Rechtsanwendung durch die Judikative immer auch einer Konkretisierung der Norm bedarf. Indem Öffnungsklauseln aber eine gesetzliche Befugnis zur innertatbestandlichen Analogie schaffen, gehen sie über diese zulässige Konkretisierung hinaus. Diese unterscheidet sich, wie aufgezeigt, zumindest in pragmatischer Hinsicht von der analogen Rechtsanwendung. Öffnungsklauseln übertragen bewusst eine der Legislative obliegende Aufgabe auf die Judikative. Diese Aufgabe der Rechtssetzung ist dem Kernbereich legislativer Tätigkeiten zuzuordnen und eine Umverteilung im Ergebnis unzulässig. 5. Gesamtergebnis Die in Art. 97 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG verfassungsrechtliche normierte Gesetzesbindung ist ebenso Voraussetzung wie logische Folge einer funktionierenden Gewaltenteilung. Nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass sich die Judikative nicht durch eigene Rechtsbildung zu einem Ersatzgesetzgeber aufschwingt. Sie sichert die Übertragung der Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers hinein in die Einzelfallentscheidungen der Gerichte. Im Strafrecht wird diese Bindung durch Art. 103 Abs. 2 GG verstärkt. Diese Norm setzt insbesondere dem Bereich der richterlichen Rechtsfortbildung im Strafrecht enge Grenzen. Die Anwendung von Öffnungsklauseln durch die Judikative kann, aufgrund der Befugnis, die Norm auch auf vergleichbare oder ähnliche Fälle anzuwenden, ebenfalls der richterlichen Rechtsfortbildung zugerechnet werden. 902 Zur Erweiterung des Anwendungsbereichs vgl. D. Simon, Die Unabhängigkeit des Richters, 1975, S. 69; Ebsen, Gesetzesbindung und „Richtigkeit“ der Entscheidung, 1974, S. 36 am Beispiel der Generalklausel; ebenso Lenckner, JuS 1968, 249, 251; Denninger/Wassermann, Art. 97 GG, Rn. 45.

IX. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit den dargelegten Grundsätzen

233

Der Topos der Gesetzesbindung enthält aber gerade nicht nur einen Auftrag an die Judikative, sondern ist, um die volle Wirksamkeit des Zwecks zu entfalten, ebenfalls an die Legislative gerichtet. Das bedeutet, dass Normen durch die gewählte Art der Formulierung eine Bindungswirkung entfalten können müssen. Sie müssen also eine sog. Bindungskompetenz aufweisen. Eine Bindungswirkung kann die Norm allerdings nicht erzeugen, wenn sie direkt oder indirekt die Entscheidung über die abstrakten Voraussetzungen der Strafbarkeit auf die Gerichte überträgt. Denn dann ist die Judikative gezwungen, die Aufgaben der Legislative zu übernehmen, was der Funktion der Sicherung der Gewaltenteilung widerspricht. Der Grundsatz der Gewaltenteilung führt nicht dazu, dass sich die Aufgabenbereiche immer und zu jeder Zeit starr voneinander trennen lassen. Vielmehr findet auch in der erforderlichen Konkretisierung von Normen immer auch eine Form der Rechtsschöpfung durch die Gerichte statt. Unzulässig ist aber, wenn Kernbereiche einzelner Gewalten übertragen werden. Öffnungsklauseln zeichnen sich dadurch aus, dass sie es den Rechtsanwender*innen ermöglichen, die Norm auf vergleichbare Fälle anzuwenden. Sie werden so allein auf Grundlage der richterlichen Begründung auf andere Weise rechtsschöpferisch tätig als dies z. B. im Bereich von Generalklauseln bei der notwendigen Konkretisierung von Normen, erforderlich ist. Diese Berührung des Kernbereichs der Gewaltenteilung aufgrund der fehlenden Bindungskompetenz führt zu einer Verletzung sowohl des Grundsatzes der Gewaltenteilung als auch des Grundsatzes der Gesetzesbindung.

IX. Ergebnis der Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit den dargelegten Grundsätzen Aufgrund der Aufgabenverlagerung von der Legislative auf die Judikative beim Einsatz von Öffnungsklauseln stellt sich die Frage, inwieweit der Einsatz solcher Öffnungsklauseln überhaupt mit der Verfassung vereinbar ist. Dazu wurde die Vereinbarkeit dieser Gesetzgebungstechnik mit dem Bestimmtheitsgrundsatz, dem Analogieverbot, dem Rückwirkungsverbot, dem Grundsatz der Gesetzesbindung, dem Grundsatz der Gewaltenteilung und dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts untersucht. Diese Grundsätze und Verbote leiten sich entweder direkt aus Art. 103 Abs. 2 GG oder aus dessen konsequenter Einhaltung ab. Das in Art. 103 Abs. 2 GG und § 1 StGB normierte Gesetzlichkeitsprinzip hat eine überragende Bedeutung, weil es im Bereich der Strafgesetzgebung als besonders eingriffsintensivem Bereich erhöhte Anforderungen an die Legislative stellt und auf diese Weise vor Willkür schützt und zur Beibehaltung des Gewaltenteilungsgrundsatzes beiträgt. In Bezug auf die Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz kann ein pauschaler Verstoß der Gesetzgebungstechnik nicht festgestellt werden. Gerade die zuvor genannten expliziten Verhaltensweisen können

234

D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

zur Konkretisierung der Norm beitragen und so eine hinreichende Bestimmtheit sicherstellen. Gleiches kann für das Analogieverbot wie auch für die Feststellung eines pauschalen Verstoßes gegen das Analogieverbot. Dieses enthält eine Handlungsanweisung an die Judikative, die Norm nicht auf vergleichbare Fälle anzuwenden. Die Besonderheit bei Öffnungsklauseln ist allerdings, dass der Gesetzgeber diese Anwendung auf vergleichbare oder ähnliche Fälle anordnet. Zwar dient das Analogieverbot seinem Sinn und Zweck nach auch dem Grundsatz der Gewaltenteilung. Indem es sicherstellt, dass die Judikative die ihr zugesprochenen Kompetenzen nicht überschreitet. Bei Öffnungsklauseln ist der Fall durch die gesetzgeberische Anordnung aber anders gelagert. Die Aufgabenverlagerung wird gerade durch die Norm selbst angeordnet und findet nicht erst in der Anwendung auf den Einzelfall statt. Nach dem klassischen Verständnis vom Analogieverbot kann auch durch die sog. „innertatbestandliche Analogie“ kein Verstoß festgestellt werden. Stattdessen wird diese unzulässige Aufgabenverlagerung direkt vom Gesetzesbindungspostulat und dem Grundsatz der Gewaltenteilung erfasst. Ebenso kann auch kein pauschaler Verstoß von Öffnungsklauseln gegen den fragmentarischen Charakter des Strafrechts festgestellt werden. Zum einen ist der Charakter des Strafrechts logische Folge der Einhaltung der in Art. 103 Abs. 2 GG genannten Prinzipien. Insoweit konnte kein Verstoß von Öffnungsklauseln gegen das Gesetzlichkeitsprinzip festgestellt werden. Zum anderen kann insbesondere aufgrund der unklaren Maßstäbe, nach denen sich eine Unvereinbarkeit mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts bemisst und aufgrund der Möglichkeit der Begrenzung der Anwendungsbereiche der Normen durch die vorher explizit genannten Verhaltensweisen kein solcher Verstoß festgestellt werden. Daraus kann wiederum geschlossen werden, dass konkrete Normen, die sich der Gesetzgebungstechnik der Öffnungsklauseln bedienen, ihrerseits mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts vereinbar sein können. Differenzierter stellt sich hingegen die Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot dar. Zunächst ist festzustellen, dass es sich bei der Anwendung von Öffnungsklauseln nicht um eine Rückwirkung von Strafgesetzen im klassischen Sinne handelt. Im Hinblick auf die Interessenlage bei der (erstmaligen) Anwendung von Öffnungsklauseln kann allerdings festgestellt werden, dass eine vergleichbare Interessenlage vorliegt, wie sie auch bei der Rückwirkung von Strafgesetzen zutage tritt. Auch hier ist unter Umständen bei Urteilsverkündung nicht zweifelsfrei eindeutig, ob das entsprechende Verhalten den Tatbestand erfüllt. Es fehlt also im gleichen Maße, wie bei der klassischen Rückwirkung von Strafgesetzen, an der Vorhersehbarkeit der Strafbarkeit. Daraus kann geschlossen werden, dass hier eine vergleichbare Interessenlage vorliegt, die die analoge Anwendung des Rückwirkungsverbotes auch auf die erstmalige Anwendung von Öffnungsklauseln rechtfertigt. Ob dies bei der Gesetzgebungstechnik der Öffnungsklauseln immer der Fall ist, ist an dieser Stelle nicht entscheidungserheblich, denn diese Konfliktlage kann durch die Anwendung eines sog. pro-

IX. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit den dargelegten Grundsätzen

235

spective overruling umgangen werden. Auf diese Weise kommt es nicht in jedem Falle zur Unvereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot. Dennoch kommen in all den zuvor geprüften verfassungsrechtlichen Grundsätzen auf unterschiedliche Weise der Grundsatz der Gesetzesbindung und der Grundsatz der Gewaltenteilung zum Ausdruck. Mit diesen Grundsätzen ist die Gesetzgebungstechnik der Öffnungsklauseln, auch losgelöst von einer konkreten Norm, nicht vereinbar. Der Grundsatz der Gesetzesbindung ist mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung untrennbar verbunden. Nur wenn eine Norm eine sog. Bindungskompetenz aufweisen kann, kann auch die Aufgabenverteilung zwischen Legislative und Judikative sichergestellt werden. Eine solche Bindungswirkung weisen Öffnungsklauseln gerade nicht auf. Sie enthalten eine ausdrückliche Aufgabenverlagerung, indem sie der Judikative die Befugnis erteilen, die Norm auch auf vergleichbare oder ähnliche Fälle anzuwenden. Damit geht die Anwendung von Öffnungsklauseln gerade über die bei der Rechtsanwendung notwendige Konkretisierung von Normen hinaus. Der Kernbereich legislativer Tätigkeit, selbst abstrakt über die Strafbarkeit von Verhaltensweisen zu entscheiden, wird bewusst auf die Judikative übertragen.

E. Konsequenz für Strafgesetze Abschließend bleibt noch die Frage, welche Auswirkungen die obigen Feststellungen auf die Strafgesetzgebung haben. Dabei sind zwei Konsequenzen zu differenzieren: Der zukünftige Einsatz von Öffnungsklauseln bei neu zu schaffenden Tatbeständen und der Umgang mit dem Einsatz von Öffnungsklauseln als Gesetzgebungstechnik in bereits existierenden Strafgesetzen. Dabei ist die Rechtsfolge der ersten Gruppe offensichtlich: Öffnungsklauseln sollten in der Strafgesetzgebung aufgrund ihrer Unvereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung und dem Grundsatz der Gewaltenteilung nicht eingesetzt werden.1 Ob dabei eine rein generalisierende Betrachtung oder eine rein kasuistische Methode gewählt werden sollte, kann hier nicht beurteilt werden und müsste an anderer Stelle weitergehend untersucht werden. Weiterhin und ebenfalls an anderer Stelle wäre zu untersuchen, wie aber der Einsatz von Öffnungsklauseln im Völkerstrafrecht zu behandeln wäre. Denn diese Form der Gesetzgebungstechnik findet sich gerade nicht nur im nationalen Strafrecht. In § 7 Abs. 1 Nr. 3 VStGB wird mit der Formulierung „oder [. . .] auf andere Weise einen Menschen versklavt“ eine Öffnungsklausel verwendet. Diese wird aber deutlich weniger kritisch gewürdigt, als dies bei vergleichbaren Regelungen im Rahmen des StGB der Fall ist. Art. 7 Abs. 1 EMRK fordert den Schutz vor willkürlicher Strafverfolgung, dies gilt aber gem. Art. 7 Abs. 2 EMRK gerade nicht für Verbrechen gegen die Menschlichkeit (sog. Nürnberg-Klausel). Damit gilt das Gesetzlichkeitsprinzip nur eingeschränkt im Völkerstrafrecht.2 Eine Strafbarkeit nach allgemeinen völkerstrafrechtlichen Grundsätzen zum Zeitpunkt der Tatbegehung genügt damit.3 Offen bleibt an dieser Stelle, ob auch im Völkerstrafrecht der Einsatz von Öffnungsklauseln vermieden werden müsste oder ob an dieser Stelle aufgrund der überragenden Bedeutung der dort betroffenen Rechts-

1 Zu alternativen Gesetzgebungstechniken vgl. z. B. Hassemer, Strafen im Rechtsstaat, S. 25 und Mertens, Gesetzgebungskunst im Zeitalter der Kodifikationen, S. 287, 292 ff., wonach die Rechtsordnung durch eine Mischung unterschiedlicher Gesetzgebungstechniken charakterisiert wird. 2 Anders allerdings die deutsche Ratifizierung des Vertrages vom 05.12.1952, vgl. dazu Bekanntmachung über das Inkrafttreten der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheit, abrufbar unter https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav #__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl254s0014.pdf%27%5D__160828837 3665 [zuletzt abgerufen am 18.12.2020]. 3 Sachs/Degenhart, Art. 103 Rn. 56.

E. Konsequenz für Strafgesetze

237

güter die Anwendung dieser Gesetzgebungstechnik ausnahmsweise gestattet sein sollte. Darüber hinaus verbleibt infolge der in dieser Arbeit behandelten Fragestellung die Frage, wie mit Normen im nationalen Strafrecht umzugehen ist, die bereits von Öffnungsklauseln Gebrauch gemacht haben und Teil der Strafrechtsordnung sind. Die Verfassungswidrigkeit von Öffnungsklauseln muss zunächst gerichtlich, z. B. in Form einer abstrakten Normkontrolle festgestellt werden. Die Kompetenz dazu obliegt dem BVerfG, Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, Art. 100 GG. Die Verfassungswidrigkeit eines Normteils muss sich nicht zwingend auf die gesamte Norm auswirken. Entscheidend ist, ob die Norm auch ohne den verfassungswidrigen Teil sinnhaft ist.4 Die Nichtigkeit kann sich folglich auch ausschließlich auf die Öffnungsklausel beziehen, sog. Teilnichtigkeit.5 Das Gericht kann dann den von der Verfassungswidrigkeit betroffenen Normteil für teilweise nichtig erklären. Die Öffnungsklausel wird dann genau im Urteil bezeichnet und der Normtext wird um die Öffnungsklausel reduziert.6 Die Norm kann und sollte möglichst erhalten bleiben.7 Eine solche Trennung zwischen exemplifizierender Methode und Öffnungsklausel ist insbesondere im Hinblick auf den kasuistischen Teil wünschenswert, wenn er denn dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers entspricht. Das BVerfG kann unter Umständen aber auch eine verfassungskonforme Auslegung betreiben und die Öffnungsklausel bei zukünftiger Rechtsanwendung außer Acht lassen oder so auslegen, dass ihr kein eigener Anwendungsbereich zugutekommt.8 Ob dies allerdings dem gesetzgeberischen Willen entspricht – und das ist bei der verfassungskonformen Auslegung zumindest zu beachten – ist zweifelhaft.9 Allerdings ist insbesondere bei der verfassungskonformen Auslegung zu beachten, dass die Judikative die Entscheidung nicht an den Gesetzgeber zurückgibt, sondern selbst in einer partiell legislativen Funktion auftritt.10 Was

4 Vgl. zur verfassungskonformen Auslegung von Strafgesetzen MüKo-StGB/ Schmitz, § 1 Rn. 97. 5 BVerfGE 65, 325, 358. 6 Schlaich/Korioth/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, Rn. 384 f.; bei der Verurteilung nach einer solchen Öffnungsklausel ist die Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 79 Abs. 1 BVerfGG nach den Vorschriften der StPO möglich. 7 Schlaich/Korioth/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, Rn. 449. 8 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.03.1972 – 2 BvR 28/71 = BVerfGE 32, 373 = NJW 1972, 1123; Stern, StaatsR Bd. III/2, S. 1147 zur „verfassungskonformen Auslegung“; zur Verfassungswidrigkeitserklärung vgl. Ipsen, JZ 1983, 41. 9 BVerfG, Beschl. v. 26.04.1994 – 1 BvR 1299/89, 1 BvL 6/90 = BVerfGE 90, 263, 275 = NJW 1994, 2475. 10 Kritisch dazu Lüddermann, JuS 2004, 27, 29; Schlaich/Korioth/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, Rn. 450; kann aber auch als ein „zu viel an Deutungshilfe für den Gesetzgeber“ verstanden werden, vgl. Stern, StaatsR Bd. II, S. 959.

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E. Konsequenz für Strafgesetze

auch in diesem Fall die Frage aufwirft, wer tatsächlich Recht macht. In jedem Falle würde es aber, bei einer entsprechenden Entscheidung, dazu führen, dass die Öffnungsklausel nicht weiter anwendbar ist. Dies betrifft aber nur den Fall der nationalen Strafgesetzgebung.

F. Praktische Konsequenzen der Nichtanwendung von bestehenden Öffnungsklauseln Zu befürchtende Regelungslücken werden augenscheinlich bei Streichung der bereits existierenden Öffnungsklauseln nicht verbleiben. Dies zeigt die folgende exemplarische Analyse der Rechtsprechung zu § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB und § 315b Abs. 1 Nr. Dazu sei gesagt, dass diese Analyse der Rechtsprechung insbesondere im Hinblick auf § 315 Abs. 1 Nr. 3 StGB keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Intendiert ist mit der folgenden Darstellung lediglich aufzuzeigen, wie sich eine Nichtanwendbarkeit auswirken könnte.

I. § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB Bezüglich des 2007 eingeführten § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB gibt es, soweit ersichtlich, nur eine einzige Entscheidung des Landgerichts Potsdam, die auf die Öffnungsklausel Bezug nimmt.1 In der dortigen Entscheidung suchte die Angeschuldigte durch SMS und Anrufe beharrlich die Nähe ihres Opfers. Ein solches Verhalten lässt sich unstreitig, so sah es auch das LG, unter § 238 Abs. 1 Nr. 2 StGB subsumieren. Dieser erfasst gerade die Fälle der Kontaktaufnahme durch Telekommunikationsmittel. Warum hier auch ein Fall des § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB angenommen wird, bleibt hingegen offen. Zumindest lässt sich aber für den in Frage stehenden Sachverhalt feststellen, dass es auch ohne die Öffnungsklausel zu einer Verurteilung der Angeklagten gekommen wäre. Strafbarkeitslücken wären insoweit nicht zu befürchten gewesen, obgleich schon zweifelhaft ist, ob Strafbarkeitslücken als Argument für den Einsatz von Öffnungsklauseln herangezogen werden können.2 Dass es darüber hinaus, soweit ersichtlich, keine Entscheidungen gibt, die sich auf § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB stützen, legt den Schluss nahe, dass diese Tatbestandsvariante nicht essenziell ist, um Fälle der Nachstellung zur Verurteilung zu bringen.3

1

LG Potsdam, Beschl. v. 15.09.2010 – 24 Qs 94/10. Siehe dazu Kap. C. II. 1. 3 Obgleich 2019 18.905 Fälle der Nachstellung polizeilich erfasst wurden, vgl. dazu Polizeiliche Kriminalstatistik 2019, Band I, S. 12, abrufbar unter https://www.bka.de/ SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/PolizeilicheKriminalstatistik/2019/Jahrbuch/ pks2019Jahrbuch1Faelle.pdf;jsessionid=4A3650027D97D4C3B6E4161FDEA4B1F5.live 0601?__blob=publicationFile&v=3 [zuletzt abgerufen am 17.06.2021]. 2

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F. Konsequenzen der Nichtanwendung von bestehenden Öffnungsklauseln

II. § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB Differenzierter stellt sich das Bild hingegen bei Entscheidungen zu § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB dar, was zum einen daran liegen dürfte, dass die Norm und auch die Öffnungsklausel bereits seit 1964 existiert, und vielleicht auch gerade deswegen, die Rechtsprechung differenzierte Fallgruppen herausgebildet hat. Die folgende Darstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und soll nur in Grundzügen aufzeigen wie sich eine Außerachtlassung des § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB auswirken könnte. Es lassen sich bei der exemplarischen Analyse der Rechtsprechung zu § 315b Abs. 1 Nr. 3 der letzten 60 Jahre zwei Fallgruppen unterscheiden: Die Fälle, in denen der*die Täter*in mit einem PKW auf Menschen oder andere Fahrzeuge zufährt4 und die Fälle, in denen Gegenstände aus dem fahrenden PKW oder von außerhalb auf Fahrzeuge geworfen werden.5 Diesen Fallgruppen ist gemein, dass die Täter*innen in jedem Fall mit Körperverletzungs- und Tötungsvorsatz gehandelt haben oder zumindest Nötigungsvorsatz bestand.6 Dies führt dazu, dass in den analysierten Fällen neben einer Strafbarkeit aus § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB immer auch eine Strafbarkeit aus §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB oder § 212 StGB bestand. Hinzukommt, dass Angriffe aus dem Straßenverkehr selbst im Rahmen des § 315b StGB immer auch einen Schädigungsvorsatz verlangen,7 ein 4 AG Rudolstadt, Urt. v. 02.07.2013 – 110 Js 14767-12: Zufahren auf Fußgängergruppe mit 30 km/h; BGH, Beschl. v. 05.11.2013 4 StR 454-13 = NStZ 2014, 86; OLG Hamm, Beschl. v. 20.02.2014 – III-1 RVs 15/14, 1 RVs 15/14 = NStZ-RR 2014, 141; AG Geilenkirchen, Urt. v. 12.06.2018 – 17 Ls 26/18, 17 Ls – 108 Js 1410/17 – 26/18; BGH, Urt. v. 14.08.2018 – 4 StR 251/18 = NStZ-RR 2018, 332; BGH, Beschl. v. 20.03. 2019 – 4 StR 517/18 = NStZ 2020, 225; OLG, Beschl. v. 27.01.2000 – 2 Ss 1030/2000 = NStZ-RR 2001, 104 auch beim Zufahren auf eine Polizeiabsperrung, wenn Nötigungszwecke verfolgt werden; LG Zweibrücken, Beschl. v. 01.08.1994 – 1 Qs 112/94 unter Verweis darauf, dass das Zufahren mit einem PKW einen Gefährdungsvorsatz erfordert; BGH, Urt. v. 09.11.1989 – 4 StR 342/89 = NZV 1990, 77; OLG Koblenz, Beschl. v. 06.10.1987 – 1 Ss 425/87; BGH, Urt. v. 24.07.1975 – 4 StR 165/75 = BGHSt 26, 176 = NJW 1975, 1934; BGH, Urt. v. 04.10.1967 – 4 StR 356/67 = BGHSt 22, 6 = NJW 1968, 456. 5 BGH, Urt. v. 06.12.2018 – 4 StR 260/18, wenn die Person auf der Flucht Gegenstände aus dem Fahrzeug wirft, um einen Unfall herbeizuführen, kann auch § 315b Abs. 1 Nr. 2 angenommen werden; BGH, Urt. v. 04.12.2002 – 4 StR 103/02 = BGHSt 48, 119 = NJW 2003, 836; BGH, Beschl. v. 12.11.2002 – 4 StR 384/02 = NStZ 2003, 206: Werfen von Gegenständen von Autobahnbrücke. 6 Womit nicht gesagt ist, dass sich alle Fälle, die von den Gerichten unter § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB subsumiert werden, erschöpfend in eine der beiden Fallgruppen einteilen lassen, daneben gibt auch noch Fälle, wie das Mitnehmen einer Person auf der Kühlerhaube bei hoher Geschwindigkeit über einen längeren Zeitraum, vgl. BGH, Urt. v. 19.12.1974 – 4 StR 541/74 = BGHSt 26, 51 = NJW 1975, 656 oder das Schubsen eines Radfahrers auf die Fahrbahn, wobei sich dieser Fall auch unter § 315b Abs. 1 Nr. 2 einordnen ließe, vgl. AG Dachau – 1 Cs 53 Js 12791-11. 7 Zu den Voraussetzungen eines sog. „pervertierten Inneneingriffs“ vgl. NK-StGB/ Zieschang, § 315b Rn. 12.

II. § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB

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solcher begründet dann i. d. R. auch eine Strafbarkeit aus § 223 oder § 212 Abs. 1 StGB. So käme es auch bei Unanwendbarkeit von Öffnungsklauseln nicht zu einer Straffreiheit der Verhaltensweisen. Auch wenn es zu keinem Unfall gekommen ist, so verbleibt immer auch eine Versuchsstrafbarkeit. Darüber hinaus weisen § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB und § 223 StGB einen identischen Strafrahmen auf. Unter Umständen liegt in den genannten Fällen aber eine Qualifikation gem. § 315b Abs. 3 StGB vor. In diesen Fällen erhöht sich der Strafrahmen, sodass eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu verhängen ist. Eine vergleichbare Strafrahmenerhöhung sieht aber auch § 224 StGB vor. Der Einsatz eines Fahrzeuges kann darüber hinaus i. d. R. unter § 224 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 StGB subsumiert werden, sodass üblicherweise auch der Tatbestand einer gefährlichen Körperverletzung erfüllt sein dürfte. Darüber hinaus herrscht zum Teil Unklarheit darüber, ob das Werfen von Gegenständen nicht auch bereits von § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB erfasst ist.8 Hier dürfte es im Einzelfall auf die konkrete Tatsituation ankommen, also ob die Gegenstände die anderen PKW direkt treffen sollten oder diese als Hindernisse auf der Straße liegend beschädigen sollten. Im Zweifel kann hier also auch eine Strafbarkeit aus § 315b Abs. 1 StGB selbst angenommen werden. Schließt man sich der Ansicht an, dass diese dem Schutz von Leib, Leben und Eigentum dienen, ergibt sich auch hier keine Divergenz zu den ansonsten einschlägigen Delikten.9 Hält man hingegen die Sicherheit des Straßenverkehrs (auch) für das geschützte Rechtsgut,10 kann dies dazu führen, dass eine Verurteilung allein aus Delikten, die dem Schutz von Individualrechtsgütern dienen, dem Unrecht nicht gerecht wird. Gleichwohl steht es dem Gesetzgeber frei, entsprechende Strafbarkeiten für das Zufahren und das Werfen von Gegenständen zu schaffen, sollte dies für erforderlich gehalten werden, um auf diesem Wege dem Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs Rechnung zu tragen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine Nichtanwendbarkeit des § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht zu Strafbarkeitslücken führt, denn die Verwirklichung setzt, zumindest bei Eingriffen aus dem Straßenverkehr selbst, immer auch einen 8

BGH, Urt. v. 06.12.2018 – 4 StR 260/18. Hefendehl, GA 2002, 21, 26; Deichmann, Grenzfälle der Sonderstraftat, S. 193; SK-StGB/Wolters, § 315b Rn. 2 f. und insoweit kritisch zur „Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs als geschütztes Rechtsgut“. 10 Die Sicherheit des Straßenverkehrs wird zum Teil ausschließlich für das geschützte Rechtsgut gehalten, vgl. LK-StGB/König, § 315b Rn. 3, verweist aber darauf, dass der Tatbestand durch seine Fassung auch die Rechtsgüter Leben, Eigentum und die körperliche Unversehrtheit mitschützt; so wohl auch die Rechtsprechung, vgl. exemplarisch BGH, Beschl. v. 08.06.2004 – 4 StR 160/04 = NStZ 2004, 625, NStZ 2004; oder auch in zusätzlich zu den o. g. Individualrechtsgütern, vgl. Matt/Renzikowski, § 315b Rn. 1; Lackner/Kühl/Heger, § 315 Rn. 1; MüKo-StGB/Pegel, § 315b Rn. 1; Schönke/ Schröder/Hecker, § 315 Rn. 1; SSW-StGB/Ernemann, § 315b Rn. 1. 9

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F. Konsequenzen der Nichtanwendung von bestehenden Öffnungsklauseln

Schädigungsvorsatz voraus, der immer auch zu einer Strafbarkeit aus Körperverletzungs- oder Tötungsdelikten führen dürfte. Es kommt auch zu keiner nennenswerten Strafrahmenverschiebung. Einzige Unterscheidung könnte sich aus dem zu schützenden Rechtsgut ergeben, wobei schon nicht unumstritten ist, welches Rechtsgut die Verkehrsdelikte der § 315 ff. StGB eigentlich schützen.11

11

Zusammenfassend dazu siehe MüKo-StGB/Pegel, § 315b Rn. 1.

G. Gesamtergebnis Die Frage, wie eine Gesetzgebungstechnik zum einen Rechtssicherheit für die Normadressat*innen schaffen kann und zum anderen einen hinreichenden Entscheidungsspielraum für den konkreten Einzelfall aufweisen kann, die der Norm die nötige Anpassungsfähigkeit an veränderte gesellschaftliche Verhältnisse erlaubt, ist fortwährend aktuell. Öffnungsklauseln, die der Gegenstand dieser Untersuchung sind, sollen dabei den idealen Ausgleich zwischen der Einzelfallgerechtigkeit in der Rechtsanwendung und der erforderlichen Rechtssicherheit darstellen. Erreicht werden soll dies, indem Öffnungsklauseln es der Judikative durch gesetzliche Anordnung gestatten, die Norm auch auf „vergleichbare“ oder „ähnliche“ Fälle anzuwenden. Hierin liegt auch bereits der wesentliche Unterschied zu Generalklauseln. Generalklauseln bedienen sich in besonderem Maße höchst konkretisierungsbedürftiger Rechtsbegriffe. Dies ist bei Öffnungsklauseln hingegen nicht der Fall. Zwar bedarf es ebenfalls in besonderem Maße der Wertung der Richter*innen, welches Verhalten als „vergleichbar“ oder „ähnlich“ angesehen werden kann. Es erfolgt aber zuvor eine explizite Nennung von Verhaltensweisen, die als Vergleichsmaßstab dienen sollen. Öffnungsklauseln zeichnen sich viel mehr dadurch aus, dass sie gerade keine Konkretisierung durch die Judikative fordern, sondern einen Analogieschluss. Gegenstand dieser Arbeit war die Frage, ob eine solche gesetzgeberische Befugnis zur innertatbestandlichen Analogiebildung verfassungsrechtlich zulässig ist. Dieser Frage wurde sich auf zwei Arten genähert: Zum einen wurde untersucht, welche Zwecke tatsächlich mit dem Einsatz von Öffnungsklauseln verfolgt werden und ob diese Begründungsansätze tragfähig sind. Zum anderen wurde die Vereinbarkeit dieser konkreten Art der Gesetzgebungstechnik mit Art. 103 Abs. 2 GG und dem daraus abzuleitenden Grundsatz der Gesetzesbindung, dem Grundsatz der Gewaltenteilung und dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts untersucht.

I. Begründungen zum Einsatz von Öffnungsklauseln Die zum Einsatz von Öffnungsklauseln verwendeten Begründungsansätze sind, losgelöst von konkreten Tatbeständen betrachtet, nicht ohne weiteres legitim. Dies schließt aber nicht automatisch aus, dass Öffnungsklauseln in einem konkreten Straftatbestand in Bezug auf ein konkret zu schützendes Rechtsgut einen legitimen Zweck erfüllen können.

244

G. Gesamtergebnis

Die mit dem Einsatz von Öffnungsklauseln im Strafrecht verbundene Hoffnung besteht im Wesentlich in der Schließung etwaiger Strafbarkeitslücken, da der Bereich der eventuell für strafwürdig empfundenen Verhaltensweisen noch nicht oder nicht hinreichend überschaubar ist. Die Lückenschließung dient dabei der Vermeidung gesetzesumgehenden Verhaltens, soll aber auch dem Interesse der Opfer an Bestrafung gerecht werden und die Möglichkeit schaffen, den Gerichten die notwendige Flexibilität in den Einzelfallentscheidungen zuzugestehen und entsprechende Verhaltensweisen für strafbar erachten zu können. Doch diesen Begründungen begegnen verfassungsrechtliche Bedenken. So ist gerade nicht Aufgabe der Legislative pauschal etwaige Lücken zu schließen. Es ist vielmehr Charakter und Ziel des Strafrechts, dass es Lücken aufweist. Ein lückenloses Strafrecht ist bereits in Hinblick auf das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit nicht vorgesehen. Das muss umso mehr im Falle der präventiven Lückenschließung gelten, wie sie mit dem Einsatz von Öffnungsklauseln betrieben wird. Die Legislative kann vielmehr nur bei etwaig auftretenden Schutzlücken in Form von für strafwürdig erachteten Verhaltensweisen im Nachgang gesetzgeberisch tätig werden und durch eine Gesetzesänderung nachjustieren. Daran kann auch ein pauschaler Verweis darauf, dass diese Gesetzgebungstechnik den Interessen der Opfer gerecht wird, nichts ändern. Es ist schon unklar, auf welche Opfer bei einer solchen Argumentation Bezug genommen wird (tatsächliche oder potenzielle). Darüber hinaus lässt auch die empirische Datenlage keine gesicherten Aussagen darüber zu, ob die pauschale Ausweitung der Anwendungsbereiche von Tatbeständen ein tatsächliches Opferinteresse darstellt. Mit dem Hinweis auf die Flexibilisierung in der Entscheidungsfindung bei offenen Tatbeständen kann an dieser Stelle auf die bereits dargelegte Grundproblematik verwiesen werden: Flexibilisierung bedeutet immer auch ein Verschwimmen der Zuständigkeitsbereiche von Legislative und Judikative. Eine solche geht wiederum zulasten der Rechtssicherheit und kann allein aufgrund derselben nicht ohne Weiteres als tragfähiger Begründungsansatz deklariert werden. Ähnlich erscheint die Lage auch beim Verweis auf die Schaffung von Gerechtigkeit. Zum einen erscheint es zweifelhaft, wenn bezüglich einer Gesetzgebungstechnik auf Gerechtigkeitserwägungen verwiesen wird. In Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit sollte es vielmehr Grundvoraussetzung sein, dass gesetzliche Regelungen der Gerechtigkeit dienen. Es handelt sich also um eine Grundvoraussetzung und keinen Argumentationstopos für eine bestimmte Art der Gesetzgebungstechnik. Erschwerend kommt hinzu, dass auch hier bei pauschaler Verweisung unklar bleibt, inwieweit die Öffnungsklausel der Durchsetzung von Gerechtigkeit dienen kann, ob die dabei postulierte Gerechtigkeit überhaupt einen Absolutheitsanspruch begründen kann und was unter Gerechtigkeit verstanden wird. Gerade wenn Öffnungsklauseln im Strafrecht mit der Hoffnung eingesetzt werden, dass sie den Weg zu einer gerechteren oder sogar der gerechtesten Entscheidung eb-

II. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

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nen, so muss diesem Optimismus Einhalt geboten werden. Was für gerecht empfunden wird, ist nicht unstreitig festgelegt, sondern auch von den politischen Systemen abhängig in denen diese Bewertung getätigt wird. Anwendungsspielräume zur Verwirklichung der Gerechtigkeit bergen folglich die immerwährende Gefahr, dass sie sich zum Einfallstor für Rechtsentwicklungen werden, die mit der ursprünglich verbundenen Gerechtigkeitserwägung nichts mehr gemein haben.1 Sie bieten gerade Einfallstor für das Politische. Rechtsanwendung ist nie völlig wertfrei, aber sie kann zumindest bemüht sein, sich persönlichen Wertevorstellungen so weit wie möglich zu entziehen.

II. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln Öffnungsklauseln sind durch ihre gesetzlich geregelte Befugnis zur innertatbestandlichen Analogiebildung nicht mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung und dem Grundsatz der Gewaltenteilung vereinbar. Öffnungsklauseln ordnen die Anwendung der Norm auf dort nicht geregelte Fälle an, die durch einen Vergleichsschluss ermittelt werden sollen. Dieser Vergleichsschluss unterscheidet sich, ungeachtet etwaiger rechtstheoretischer Bedenken bzgl. der Unterscheidbarkeit von Analogie und Auslegung, von der Konkretisierung von Normen. Die Anwendung der Norm durch die Judikative soll gerade bewusst über die zuvor aufgezählten Verhaltensweisen hinausgehen. Dass diese Art der Rechtsanwendung etwas anderes ist als eine reine Konkretisierung der Norm im Sinne der Auslegung, wird dadurch verdeutlicht, dass auch der verfassungsgebende Gesetzgeber zwischen Auslegung und Analogie unterscheidet, was bereits aus der Existenz eines Analogieverbotes geschlossen werden kann. Außerdem kann der Unterschied zwischen Auslegung und Analogie auch historisch damit begründet werden, dass § 2 RStGB als Analogieklausel ebenfalls als verfassungswidrig angesehen wurde und auch hier auf das Analogieverbot verwiesen wurde und insoweit ein qualitativer Unterschied zur Gesetzesauslegung gesehen wurde. In dieser Unterscheidung liegt auch der wesentliche Unterschied zwischen General- und Öffnungsklauseln. Öffnungsklauseln sind gerade nicht geeignet, die von der Legislative getroffene Entscheidung auf die Einzelfallentscheidung der Judikative zu übertragen. Denn die gesetzgebende Gewalt lässt die Entscheidung bewusst offen und überträgt diese Entscheidung auf die Judikative. Die Entscheidung über strafbares Verhalten ist aber ureigene Aufgabe der Legislative und darf nicht durch einen gesetzgeberischen Akt übertragen und auf diese Weise die Gewaltenteilung umgangen werden. Aus diesem Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung kann auch der Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzesbindung abgeleitet werden: Die Bin1 Zu Gerechtigkeitserwägungen bei politischen Systemwechseln, siehe auch: Rüthers, JZ 2006, 53, 56.

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G. Gesamtergebnis

dung soll gerade eine Fortsetzung der Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers in die Einzelfallentscheidung der Gerichte hinein sicherstellen. Wenn aber der Gesetzgeber die Entscheidung gerade offenlässt und bewusst auf die Judikative überträgt, dann fehlt Normen die erforderliche „Bindungskompetenz“. Hingegen können Verstöße gegen den Bestimmtheitsgrundsatz und das Analogieverbot nicht pauschal angenommen werden. Öffnungsklauseln weisen, anders als klassische Generalklauseln, gerade eine explizite Aufzählung der unter Strafe stehenden Verhaltensweisen auf, die vor der eigentlichen Öffnungsklausel genannt werden. Diese Aufzählung lässt es zu, dass die Judikative sich auch bei der Anwendung der Öffnungsklauseln daran orientieren und das Ergebnis daran ausrichten kann. Die Norm zeichnet sich gerade nicht durch Konturlosigkeit oder eine besonders große Anzahl unbestimmter Rechtsbegriffe aus. Zwar dient auch der Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit der Wahrung der Gewaltenteilung. Diese soll aber durch eine möglichst genaue Gesetzesfassung sichergestellt werden. Problematisch ist bei Öffnungsklauseln aber die Kompetenzübertragung und weniger die konkrete Gesetzesfassung im Sinne des gewählten Wortlautes. Gleiches gilt für das Analogieverbot: Dieses richtete sich primär an die Judikative und besagt, dass diese Normen nicht durch einen Analogieschluss auf nicht geregelte Sachverhalte anwenden darf. Öffnungsklauseln als Gesetzgebungstechnik verstoßen folglich nicht gegen dieses Analogieverbot. Sie enthalten zwar die Befugnis zur innertatbestandlichen Analogiebildung. Diese betrifft aber die Gesetzgebungstechnik und wird vom Grundsatz der Gewaltenteilung erfasst. Ein klassisches Verständnis des Analogieverbotes erfasst solche innertatbestandlichen Analogien gerade nicht. Vielmehr liegt hier ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung vor. Vergleichbar kann auch die Antwort auf die Frage der Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts beantwortet werden. Dieser findet unterschiedliche verfassungsrechtliche Anknüpfungspunkte, z. B. bei Art. 103 Abs. 2 GG, der allgemeinen Handlungsfreiheit und dem Rechtsstaatsprinzip. Im Hinblick auf diese verfassungsrechtlichen Anknüpfungen kann aber nicht per se ein Verstoß gegen den fragmentarischen Charakter des Strafrechts angenommen werden. Zum einen wurde ein pauschaler Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG bereits abgelehnt und zum anderen ermöglichen auch Öffnungsklauseln durchaus eine restriktive Rechtsanwendung, sodass es nicht automatisch zu einem Lückenschluss im Strafrecht kommen muss. Des Weiteren ist anzuerkennen, dass Hauptzweck von Öffnungsklauseln die Schließung von Strafbarkeitslücken ist; so ist es auch nicht ausgeschlossen, dass konkrete Normen, die sich der Gesetzgebungstechnik der Öffnungsklauseln bedienen, nicht mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts vereinbar sind. Jedoch wurde bereits die Zwecksetzung, Strafbarkeitslücken zu schließen, als illegitim gewertet. Was

II. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln

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die konkrete Ausformung von Öffnungsklauseln betrifft, so führt die dort vorgenommene Kompetenzverlagerung vielmehr zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung und der Gesetzesbindung. Insgesamt lässt sich also sagen, dass – auch wenn dem Gesetzgeber bei der Fassung von Normen ein Entscheidungsspielraum zusteht – durch den Einsatz von Öffnungsklauseln eine mit dem Verfassungsrecht unvereinbare Kompetenzverschiebung von Legislative zur Judikative vornimmt. Die Entscheidung über strafbares Verhalten wird auf die Gerichte verlagert. Durch eine sich anschließende Fallgruppenbildung, die auch für andere Gerichte Vorbildfunktion einnimmt, wird gerade auch die Normierung von abstrakt-generellen Strafbarkeitsvoraussetzungen in besonderem Maße verlagert. Auch wenn die Kompetenzverschiebung unter Umständen sowohl von Legislative als auch Judikative Zustimmung erhalten sollte,2 legitimiert dies nicht die Durchbrechung des Grundsatzes der Gewaltenteilung und des Grundsatzes der Gesetzesbindung. Die Entscheidungskompetenz, inwieweit Normen bei veränderter Tatsachenlage anwendbar bleiben sollen oder einer Anpassung bedürfen, ist eine politische. Sie muss zwingend in der Staatsgewalt entscheiden werden, die für politische Entscheidungen zuständig ist: Der Legislative.3 Der Grundsatz der Gesetzesbindung und der Grundsatz der Gewaltenteilung liefen ins Leere, wenn die Judikative einerseits an die Gesetze gebunden wäre, aber andererseits faktisch zur Rechtssetzung beauftragt wäre. Recht muss also zwingend und so abschließend wie möglich die Legislative machen.

2 Simon, Vom Rechtsstaat zum Richterstaat, Vortrag vom 03.11.2008 abrufbar unter https://archiv.rechtswirklichkeit.de/veranstaltungen/Vortragsreihe/inhalte/dokumente/vor trag_simon.pdf [zuletzt abgerufen am 08.09.2020]. 3 Rüthers, JZ 2006, 53, 59.

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Sachverzeichnis Allgemeine Handlungsfreiheit 59, 109, 172, 187, 188, 190, 191, 197 Analogie 20, 21, 26, 38, 48, 70, 120 ff., 169, 196, 206 ff., 218 Analogieverbot 27, 31, 39, 48, 63, 77, 120 ff., 163, 166, 186, 192, 197 ff., 208, 218, 230 ff. Auslegung 21, 29, 31, 64, 73, 81 ff., 94 ff., 108 ff., 122 ff., 144, 155, 177, 197, 207, 213 ff., 230 ff. Bestimmtheitsgrundsatz 39, 63, 66, 77 ff., 105 ff., 124, 132, 133 ff., 149, 156, 163, 186, 197, 205, 230 Bindungswirkung 107, 138, 157, 166, 167, 175 ff., 199, 201 ff., 204 ff., 233

Gesetzlichkeitsprinzip 59, 63 ff., 85, 98, 108, 119, 136, 156, 160, 183, 186 ff., 194, 204 ff. Gewaltenteilung 50, 63 ff., 73 ff., 85, 88 ff., 105, 116 ff., 133, 142, 180, 197, 198 ff., 204 ff.

Innertatbestandliche Analogie 120, 142 ff., 172, 180, 196, 229

Kernbereichslehre 229

Nachstellung 22, 239 Nulla-poena-sine-lege 175

Demokratieprinzip 66, 73, 75, 153, 204 ff., 215, 227

Objektive Theorie 215 Opferinteressen 34 ff., 50 ff., 62, 244 Opferschutz 34 ff., 50

Fragmentarischer Charakter des Strafrechts 37 ff., 189, 192, 199 Freiheitssicherung 68, 78, 188, 190

Präzisierungsgebot 99 ff., 134, 159

Generalklausel 17 ff., 28, 70, 96, 112 ff., 140 ff., 151, 163, 196, 202 Generalprävention 34, 41 ff., 52, 68, 86, 93, 153, 169 Gerechtigkeit 27, 34 ff., 48, 55 ff., 72 ff., 93, 104, 109, 128, 135, 145 ff., 189 ff., 195 Gesetzesauslegung 100, 122, 126, 133, 134, 144, 156, 217 Gesetzesbindung 32, 60, 63 ff., 87, 96, 104, 111 ff., 150, 181, 196, 198 ff. Gesetzesumgehung 25 ff., 47, 61, 77, 142

Rechtsfortbildung 50, 89 ff., 104, 121, 139, 164, 199, 207, 215, 220 ff., 231 Rechtsprechungsänderung 110, 152, 155 ff., 167, 170, 175 ff. Rechtsstaatlichkeit 76, 93, 227 Rückwirkungsverbot 32, 63, 78 f., 110, 152 ff., 199, 230

Spezialprävention 43 Strafbarkeitslücken 24 ff., 29, 36 ff., 50, 182 ff., 195, 239 f. Strafökonomie 190, 198

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Sachverzeichnis

Strafwürdigkeit 24, 96, 104, 114, 184, 193 Subjektive Theorie 216 Subsidiarität 182, 185

Von-nun-an-Theorie 152, 173 ff. Wirksamkeit des Strafrechts 37, 40 ff., 62, 93, 201